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ovgsl-2009-09-28-1-a-31309
938
Oberverwaltungsgericht des Saarlandes
ovgsl
Saarland
Verwaltungsgerichtsbarkeit
1 A 313/09
2009-09-28
2019-01-07 10:04:05
2019-02-12 12:50:35
Urteil
## Tenor\n\nUnter Abanderung des Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 20.\nMarz 2009 - 11 K 1176/08 - wird die Klage abgewiesen.\n\nDie Kosten des Verfahrens haben die Klager als Gesamtschuldner zu tragen.\n\nDas Urteil ist wegen der Kosten vorlaufig vollstreckbar.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\nDen Klagern gehort je zur Halfte das in der Landeshauptstadt Saarbrucken\ngelegene Grundstuck Gemarkung S., Flur … Parzelle Nr. … (A-Straße). Dieses\nGrundstuck ist 721 m² groß und liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans\n„K." vom 30.8.1967. Der Bebauungsplan weist an dieser Stelle ein Mischgebiet\naus und setzt die Geschossflachenzahl auf 0,7 fest.\n\nDie Klager haben das Grundstuck mit notariellem Vertrag vom 6.5.2003 von der\nLandeshauptstadt Saarbrucken erworben. In diesem Vertrag heißt es unter\nanderem:\n\n> > > „In dem Kaufpreis ist der Erschließungsbeitrag enthalten. Weitere\n> Gebuhren, Beitrage oder sonstige Kosten (Kanalbaubeitrag,\n> Kanalhausanschlusskosten, Anschlusse der Energieversorgung usw.) hat\n> unabhangig von der bautechnischen Ausfuhrung und Abrechnung der Kaufer zu\n> tragen."\n\nAm 11.10.2005 wurden die Klager als neue Eigentumer im Grundbuch eingetragen.\nSie haben an dieser Stelle ein Wohnhaus gebaut, das an die in der Graf-\nStauffenberg-Straße seit Ende der sechziger Jahre vorhandene Kanalisation\nangeschlossen ist.\n\nMit Bescheid vom 23.3.2006 zog die Beklagte unter Hinweis auf die §§ 1, 2 und\n8 KAG sowie § 20 der Satzung uber die Entwasserung der Grundstucke,\nFakalienabfuhr sowie die Erhebung von Kanalbaubeitragen in der\nLandeshauptstadt Saarbrucken vom 7.12.2004 die Klager fur ihr Grundstuck\ngesamtschuldnerisch zu einem Kanalbaubeitrag in Hohe von 6.080,96 EUR heran.\nDen dagegen am 11.4.2006 erhobenen Widerspruch hat der Stadtrechtsausschuss\nauf Grund mundlicher Verhandlung vom 25.4.2007 zuruckgewiesen. Der\nWiderspruchsbescheid ist den Klagern am 10.9.2008 zugestellt worden. Am\n6.10.2008 ist die Klage beim Verwaltungsgericht eingegangen.\n\nDie Klager haben vorgebracht, ihre Heranziehung sei nach Eintritt von\nFestsetzungsverjahrung erfolgt. Entstanden sei die sachliche\nKanalbaubeitragspflicht fur das jetzt ihnen gehorende Grundstuck namlich\nbereits mit dem Inkrafttreten des Bebauungsplanes „K." im Jahre 1967. Damit\nsei ihr Grundstuck Bauland geworden, und zu diesem Zeitpunkt sei es\nkanaltechnisch bereits erschlossen gewesen. Dass ihr Grundstuck damals im\nEigentum der Landeshauptstadt Saarbrucken gestanden habe, habe das Entstehen\nder sachlichen Kanalbaubeitragspflicht nicht ausgeschlossen. Zwar habe das\nBundesverwaltungsgericht zum Erschließungsbeitragsrecht entschieden, dass\nwegen des Grundsatzes, dass niemand sein eigener Schuldner sein konne, eine\nErschließungsbeitragspflicht nicht entstehe, solange das betreffende\nGrundstuck der Gemeinde gehore. Diese Rechtsprechung sei aber, wie\ninsbesondere das Oberverwaltungsgericht Luneburg uberzeugend festgestellt\nhabe, auf das landesrechtliche Kanalbaubeitragsrecht nicht ubertragbar, da\ndieses strikt grundstucksbezogen sei, also die Person des Schuldners fur das\nEntstehen der sachlichen Kanalbaubeitragspflicht keine Rolle spiele.\n\nAbgesehen davon sei die Beitragspflicht zumindest der Hohe nach zu\nbeanstanden. Die Berechnung der Forderung sei nicht nachvollziehbar. Der\ntatsachlich festgesetzte Beitrag stehe in keinem sinnvollen Verhaltnis zu dem\ntatsachlichen Vorteil der Klager und entbehre im Vergleich zu den in anderen\nStadten geforderten Abgaben jeder Plausibilitat.\n\nDie Klager haben beantragt,\n\n> > > den Bescheid vom 23. Marz 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides\n> aufzuheben.\n\nDie Beklagte hat unter Hinweis auf die Ausfuhrungen im Widerspruchsbescheid\nbeantragt,\n\n> > > die Klage abzuweisen.\n\nDurch Urteil vom 20.3.2009 hat das Verwaltungsgericht nach dem Klageantrag\nerkannt und das im Wesentlichen wie folgt begrundet:\n\nDie zulassige Klage sei begrundet. Bereits zum Zeitpunkt der Heranziehung der\nKlager sei die Kanalbaubeitragspflicht fur ihr Grundstuck gemaß den §§ 12 Abs.\n1 Nr. 4 lit. b KAG, 169, 170, 47 AO verjahrt und daher erloschen gewesen. Mit\ndem Inkrafttreten des einschlagigen Bebauungsplanes im Jahre 1967 sei unter\nanderem das inzwischen den Klagern gehorende Grundstuck zu Bauland geworden,\nund zu diesem Zeitpunkt sei es kanaltechnisch schon erschlossen gewesen.\nEntstanden sei dann die Kanalbaubeitragspflicht fur dieses Grundstuck mit dem\nInkrafttreten der ersten gultigen Kanalbaubeitragssatzung der Landeshauptstadt\nSaarbrucken vom 19.12.1985 am 1.1.1986. Diese Satzung gelte namlich nach der\neinschlagigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes in\nrechtlich nicht zu beanstandender Weise auch fur alle zu diesem Zeitpunkt\nbereits kanaltechnisch erschlossenen Grundstucke, fur die bis zum 1.1.1986 -\nbeispielsweise wegen Fehlens eines Grundstucksanschlusses - noch keine\nAbgabepflicht fur das kanaltechnische Erschlossensein entstanden gewesen sei.\nMithin habe die vierjahrige Festsetzungsverjahrungsfrist fallbezogen am\n1.1.1987 zu laufen begonnen (§ 170 Abs. 1 AO) und sei folglich mit dem\n31.12.1990 abgelaufen. Dass das Grundstuck damals der Landeshauptstadt\nSaarbrucken gehort habe, spiele in diesem Zusammenhang keine Rolle. Der vom\nBundesverwaltungsgericht zum Erschließungsbeitragsrecht aufgestellte\nGrundsatz, da niemand sein eigener Schuldner sein konne, entstehe die\nsachliche Erschließungsbeitragspflicht fur ein Grundstuck solange nicht, wie\nes der Gemeinde gehore, sei auf das Abgabenrecht nach dem saarlandischen\nKommunalabgabengesetz und damit u.a. auf das Kanalbaubeitragsrecht nicht\nubertragbar. Gemaß der uber § 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. b KAG entsprechend\nanwendbaren Vorschrift des § 38 AO sei das Entstehen der abstrakten\nAbgabeschuld von der Verwirklichung des Abgabentatbestandes abhangig. Nach § 8\nAbs. 7 Satz 2 KAG entstehe aber die sachliche Beitragspflicht bei\nleitungsgebundenen Einrichtungen, die der Versorgung oder der\nAbwasserbeseitigung dienten, sobald das Grundstuck an die Einrichtung\nangeschlossen werden konne. Nach § 8 Abs. 6 Satz 1 KAG sei der Beitrag nach\nden Vorteilen zu bemessen. Diese Regelungen machten deutlich, dass das\nEntstehen der sachlichen Kanalbaubeitragspflicht ausschließlich an das\nBestehen der Vorteilslage anknupfe. Soweit § 8 Abs. 8 Satz 1 KAG besage, dass\nbeitragspflichtig nicht der Grundstuckseigentumer zum Zeitpunkt der\nVerwirklichung des Abgabentatbestandes, sondern der Grundstuckseigentumer zum\nZeitpunkt der Bekanntgabe des Beitragsbescheides sei, bestatige dies, dass das\nEntstehen der sachlichen Beitragspflicht von der Person des\nBeitragspflichtigen grundsatzlich unabhangig sei. Das Entstehen der sachlichen\nKanalbaubeitragspflicht sei also nicht personen-, sondern strikt\ngrundstuckbezogen, weshalb auch fur gemeindeeigene Grundstucke die sachliche\nKanalbaubeitragspflicht mit der Erfullung des grundstucksbezogenen\nAbgabentatbestandes entstehe. Davon ausgehend sei aber der\nHeranziehungsbescheid um Jahre verspatet ergangen.\n\nDieses Urteil, in dem die Berufung wegen grundsatzlicher Bedeutung der\nRechtssache zugelassen wurde, ist der Beklagten am 30.3.2009 zugestellt\nworden. Am 2.4.2009 hat die Beklagte Berufung eingelegt und diese am 4.5.2009\nbegrundet.\n\nSie meint, der angefochtene Heranziehungsbescheid sei vor Eintritt von\nFestsetzungsverjahrung ergangen, und halt an ihrer Ansicht fest, die sachliche\nKanalbaubeitragspflicht sei fallbezogen erst mit dem Eigentumserwerb der\nKlager, also am 11.10.2005, entstanden, da, solange das Grundstuck der\nLandeshauptstadt Saarbrucken gehort habe, eine sachliche Beitragspflicht nicht\nhabe entstehen konnen. Der Begriff „sachliche Beitragspflicht" kennzeichne die\nLage, dass der Beitragsanspruch zwar entstanden, zu seiner Realisierung\nallerdings noch die Heranziehung des personlich Beitragspflichtigen durch\nBekanntgabe eines Beitragsbescheides erforderlich sei. Die Beitragspflicht aus\nder Sicht des Beitragspflichtigen sei dasselbe wie der sachliche\nBeitragsanspruch aus der Sicht der Gemeinde. Der Beitragsanspruch sei mit dem\nEntstehen der sachlichen Beitragspflicht derart voll als Anspruch\nausgestaltet, dass er das Beitragsschuldverhaltnis in Bezug auf das Grundstuck\nund gegenuber dem Beitragspflichtigen begrunde. Der Begriff der sachlichen\nBeitragspflicht beinhalte also schon vor der Heranziehung das Vorhandensein\neines personlich Beitragspflichtigen. Das habe so das Bundesverwaltungsgericht\nzum Erschließungsbeitragsrecht entschieden, und nichts anderes gelte fur das\nlandesrechtliche Kanalbaubeitragsrecht. Daran anderten die vom\nVerwaltungsgericht ins Feld gefuhrten Vorschriften des § 8 KAG und der §§ 37,\n38 AO nichts. Sowohl beim Erschließungs- als auch beim Kanalbaubeitragsrecht\nsetze das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht das Recht des\nAbgabenglaubigers voraus, von einem anderen - nach Bekanntgabe eines\nBeitragsbescheides - Zahlung zu verlangen. Erst die Moglichkeit der Gemeinde,\neinem anderen einen Beitragsbescheid bekannt zu geben, rechtfertige den Beginn\ndes Laufs der Festsetzungsverjahrungsfrist. Diese Moglichkeit bestehe aber mit\nBlick auf den Grundsatz, dass niemand sein eigener Schuldner sein konne,\nnicht, solange ein Grundstuck der Gemeinde gehore.\n\nSie beantragt,\n\n> > > die Klage unter Aufhebung des angefochtenen Urteils abzuweisen.\n\nDie Klager beantragen,\n\n> > > die Berufung zuruckzuweisen.\n\nSie verteidigen das angefochtene Urteil.\n\nDie Beteiligten haben auf mundliche Verhandlung verzichtet.\n\nWegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte\nund der beigezogenen Behordenunterlagen (2 Hefte) verwiesen.\n\n## Entscheidungsgründe\n\nDer Senat entscheidet uber die Berufung im Einverstandnis der Beteiligten ohne\nmundliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).\n\nDie zulassige Berufung ist begrundet. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht\nden Kanalbaubeitragsbescheid der Beklagten vom 23.3.2006 in der Gestalt des\nauf die mundliche Verhandlung vom 25.4.2007 ergangenen Widerspruchsbescheids\naufgehoben. Die - zulassige - Klage muss abgewiesen werden, denn die Beklagte\nhat die Klager als Miteigentumer des Grundstucks A-Stadt, A-Straße, zu Recht\nzu einem Kanalbaubeitrag in Hohe von 6.080,96 EUR herangezogen.\n\nRechtsgrundlage des Beitragsbescheides vom 23.3.2006 ist § 20 der Satzung uber\ndie Entwasserung der Grundstucke, Fakalienabfuhr sowie die Erhebung von\nKanalbaubeitragen in der Landeshauptstadt Saarbrucken vom 7.12.2004 - im\nWeiteren: AbwS -. Nach Abs. 1 Satze 1 und 2 dieser Bestimmung erhebt die\nLandeshauptstadt Saarbrucken zum Ersatz des Aufwandes fur die Herstellung der\noffentlichen Abwasseranlage - einmalig - einen Kanalbaubeitrag. Dabei\nunterliegen der Beitragspflicht die Grundstucke, fur die eine bauliche oder\ngewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie baulich oder gewerblich\ngenutzt werden konnen, und die Grundstucke, fur die eine bauliche oder\ngewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie nach der\nVerkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung\nder Stadt A-Stadt zur Bebauung anstehen, sobald sie an die offentliche\nAbwasseranlage angeschlossen werden konnen oder ein benutzungsfahiger\nAnschluss hergestellt ist. Beitragspflichtig ist, wer im Zeitpunkt der\nZustellung des Beitragsbescheides Eigentumer des Grundstucks ist, wobei\nMiteigentumer als Gesamtschuldner haften (§ 21 Satz. 3 AbwS). Die aufgezeigte\nortsrechtliche Regelung entspricht den gesetzlichen Vorgaben, insbesondere § 8\nAbs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 4, Abs. 7 Satz 2 und Abs. 8 KAG SL.\n\nGemessen an den erwahnten Vorschriften hat die Beklagte die Klager zu Recht\nfur das in Rede stehende Grundstuck zu einem Kanalbaubeitrag in Hohe von\n6.080,96 EUR herangezogen. Das seit dem 11.10.2005 den Klagern gehorende\nGrundstuck A-Stadt, A-Straße, liegt namlich im Geltungsbereich des\nBebauungsplans „K." vom 30.8.1967, gegen dessen Gultigkeit Bedenken weder\nvorgetragen noch ersichtlich sind, und ist darin als Bauland ausgewiesen.\nAußerdem konnte es - und zwar schon seit Ende der sechziger Jahre - an die\noffentliche Abwasseranlage, namlich an den in der Graf-Stauffenberg-Straße\nverlegten Sammler, angeschlossen werden. Damit ist grundstucksbezogen der\nTatbestand, an den die Kanalbaubeitragspflicht anknupft, erfullt. Daruber\nhinaus haben die Klager inzwischen langst von der Bebauungs- und\nKanalanschlussmoglichkeit ihres Grundstucks Gebrauch gemacht, was ebenfalls\ndie Heranziehung tragt.\n\nDass nach der Satzung vom 7.12.2004 - ebenso wie nach den Vorgangersatzungen\nvom 25.11.2003 und 19.12.1985 - auch solche Grundstucke der\nKanalbaubeitragspflicht unterworfen sind, die zwar bereits vor dem 1.1.1986 -\ndem Tag des Inkrafttretens der ersten gultigen Kanalbaubeitragssatzung fur das\nGebiet der Landeshauptstadt Saarbrucken (vgl. § 15 der Satzung vom 19.12.1985)\n- sowohl bebaubar beziehungsweise gewerblich nutzbar als auch an die\noffentliche Abwasseranlage anschließbar waren, fur die aber nach dem bis dahin\ngeltenden Recht eine Abgabenpflicht fur die kanalmaßige Erschließung noch\nnicht entstanden war - nach § 4 Abs. 1 PrKAG 1893 war fur das Entstehen einer\nKanalanschlussgebuhrenpflicht erforderlich, dass das betreffende Grundstuck\ntatsachlich an die gemeindliche Kanalisation angeschlossen war -, ist mit\nhoherrangigem Recht vereinbar. Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen\nUrteil (S. 5/6) die Rechtslage im Anschluss an die grundlegenden Urteile des\nSenats vom 14.2.1991\n\n> > \\- 1 R 618/88 -, SKZ 1991, 133, und - 1 R 621/88 -, n.v.; seither standige\n> Rechtsprechung,\n\nzutreffend aufgezeigt. Erganzende Ausfuhrungen sind nicht veranlasst.\nHingewiesen werden soll lediglich darauf, dass die einschlagige Rechtsprechung\ndes Senats die Billigung sowohl des Bundesverwaltungsgerichts\n\n> > Beschluss vom 13.11.1991 - 8 B 78.91 -, n.v.,\n\nals auch des Bundesverfassungsgerichts\n\n> > Beschluss vom 25.3.1992 - 1 BvR 18/92 -, n.v.,\n\ngefunden hat und dass sowohl der Beitragssatz - ursprunglich 9,70 DM/m², jetzt\n4,96 EUR/m² \\- als auch die Regelungen uber die Ermittlung der\nbeitragspflichtigen Grundstucksflache der Sache nach seit dem 19.12.1985\nunverandert geblieben sind.\n\nZustimmung verdient im Weiteren der Standpunkt des Verwaltungsgerichts, dass\neine Realisierung der Kanalbaubeitragspflicht alterschlossener Baugrundstucke\ninzwischen durchweg daran scheitert, dass die Festsetzungsverjahrungsfrist von\nvier Jahren, beginnend mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die\nAbgabenpflicht entstanden ist (§§ 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b, Abs. 4 KAG SL, 169,\n170 Abs. 1 AO), langst abgelaufen ist. Fallbezogen trifft dies indes nicht zu,\nweil das in Rede stehende Grundstuck bis zum 10.10.2005 der Landeshauptstadt\nSaarbrucken gehorte und deswegen die Kanalbaubeitragspflicht erst mit dem\nEigentumsubergang auf die Klager am 11.10.2005 entstand. Davon ausgehend\nerfolgte die Heranziehung durch den Bescheid vom 23.3.2006 aber rechtzeitig.\n\nFur das Erschließungsbeitragsrecht hat das Bundesverwaltungsgericht\n\n> > Urteile vom 21.10.1983 - 8 C 29.82 -, Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 89 =\n> BRS 43 Nr. 115, und vom 5.7.1985 - 8 C 127.83 -, Buchholz 406.11 § 133 BBauG\n> Nr. 91 = BRS 43 Nr. 116; zustimmend BGH, Beschluss vom 18.4.2000 - III ZR\n> 194.99 -, juris,\n\nentschieden, dass ein - nicht mit einem Erbbaurecht belastetes - Grundstuck\nnicht der Beitragspflicht nach § 133 Abs. 1 BBauG unterliegt, wenn und solange\nes im Eigentum der zur Beitragserhebung berechtigten Gemeinde steht. Das wird\nim Urteil vom 21.10.1983\n\n> > a.a.O., S. 44/45 bzw. S. 269/270,\n\nim Wesentlichen wie folgt begrundet:\n\n> > „Gemaß § 133 Abs. 2 Satz 1 BBauG entsteht - alle sonstigen dafur\n> erforderlichen Voraussetzungen hier vernachlassigt - die sachliche\n> Beitragspflicht mit der endgultigen Herstellung der Erschließungsanlage. Sie\n> entsteht also in einem fruheren Zeitpunkt als dem, in dem nach Berechnung\n> der Herstellungskosten die Beitragsbescheide erlassen und zugestellt werden\n> konnen, d.h. bevor ein personlicher Schuldner gemaß § 134 Abs. 1 BBauG\n> bestimmbar sein muss. Schon die endgultige Herstellung einer beitragsfahigen\n> Erschließungsanlage ist daher grundsatzlich geeignet, kraft Gesetzes ein\n> abstraktes Beitragsschuldverhaltnis und damit eine abstrakte Beitragspflicht\n> in Bezug auf ein im Sinne des § 131 Abs. 1 BBauG erschlossenes Grundstuck\n> sowie einen noch unbestimmten und zu dieser Zeit moglicherweise auch noch\n> nicht bestimmbaren personlichen Schuldner, den Beitragspflichtigen,\n> entstehen zu lassen. ... An diese abstrakte Beitragspflicht knupft § 133\n> Abs. 1 BBauG seinem Wortlaut nach an und macht damit deutlich, dass sich die\n> Wirkung der Regelung des § 133 Abs. 2 BBauG nicht auf Grundstucke bezieht,\n> die aus dem einen oder anderen Grunde uberhaupt nicht oder noch nicht\n> Gegenstand einer solchen abstrakten Beitragspflicht sein konnen. Das\n> letztere trifft u.a. zu auf im nach § 133 Abs. 2 BBauG maßgeblichen\n> Zeitpunkt noch nicht bebaubare Grundstucke ..., und das erstere trifft zu\n> insbesondere auf Grundstucke, die im Eigentum der zur Beitragserhebung\n> berechtigten Gemeinde stehen. Denn „da niemand sein eigener Schuldner sein\n> kann" (BGH, Urteil vom 1. Juni 1967 - II ZR 150/66 - BGHZ 48, 214, 218),\n> kann in Bezug auf ein gemeindeeigenes Grundstuck ein Rechtsverhaltnis mit\n> dem Inhalt einer abstrakten Beitragspflicht von vornherein nicht entstehen.\n> Es ist also nicht so, dass bei gemeindeeigenen Grundstucken eine abstrakte\n> Beitragspflicht zunachst immerhin fur eine logische Sekunde entstunde und\n> erst dann durch das Zusammentreffen von Glaubiger und Schuldner wieder\n> entfiele, sondern bei gemeindeeigenen Grundstucken kann es von vornherein\n> nicht zu einem Rechtsverhaltnis kommen, wie es auch das Entstehen einer\n> abstrakten Beitragspflicht voraussetzt. Das Entstehen einer Beitragspflicht\n> wird mithin erst ermoglicht, wenn die Gemeinde das Eigentum an dem\n> Grundstuck einem anderen ubertragt."\n\nDieser Standpunkt hat in der Literatur\n\n> > u.a. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeitrage, 8. Aufl., § 19 Rdnr. 20;\n> Lohr in Battis/Krautzberger/Lohr, BauGB, 10. Aufl., § 134 Rdnr. 6, und Quaas\n> in Schrodter, BauGB, 7. Aufl., § 133 Rdnr. 2,\n\nallgemeine Billigung gefunden. Der erkennende Senat halt ihn ebenfalls fur\nuberzeugend. Daruber hinaus ist er der Auffassung, dass diese Rechtsprechung\nuber das Erschließungsbeitragsrecht hinausgehend auf das Beitragsrecht nach §\n8 KAG SL ubertragen werden muss\n\n> > so schon - ohne nahere Begrundung - Urteil des Senats vom 24.10.1996 - 1 R\n> 44/95 -, U.A. S. 13.\n\nIn Übereinstimmung insbesondere mit Driehaus\n\n> > a.a.O., § 34 Rdnr. 3,\n\nbeansprucht der - ungeschriebene - Grundsatz, dass eine Gemeinde nicht ihr\neigener Beitragsschuldner sein kann und deshalb fur gemeindeeigene\nGrundstucke, die nicht mit einem Erbbaurecht belastet sind, keine sachliche\nBeitragspflicht entstehen kann, Geltung uber das Erschließungsbeitragsrecht\nhinaus auch fur die landesrechtliche Befugnis zur Erhebung einmaliger\nBeitrage. Allerdings ist es dem jeweiligen Landesgesetzgeber unbenommen, von\ndiesem Grundsatz abzuweichen. Ob er dies im Rahmen „seines"\nKommunalabgabengesetzes getan hat, ist durch Auslegung des einschlagigen\nGesetzes zu ermitteln\n\n> > ebenso BGH, Beschluss vom 18.4.2000, a.a.O.; Übersicht uber die\n> verschiedenen landesrechtlichen Regelungen und deren Bewertung mit Blick auf\n> die hier relevante Rechtsfrage bei Driehaus in Driehaus,\n> Kommunalabgabenrecht - Stand: Januar 2009 -, § 8 Rdnr. 87 b, und Scharich,\n> KStZ 1988, 182 ff.; speziell zur Rechtslage im Saarland Theis, SKZ 2004,\n> 222.\n\nDie einschlagigen Landesgesetze stimmen allerdings nicht uberein, und das ist\nder Grund fur die divergierende Rechtsprechung der\nOberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshofe der Lander zur Frage, ob die\nRechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Verneinung einer sachlichen\nErschließungsbeitragspflicht gemeindeeigener Grundstucke auf das\nlandesrechtliche Beitragsrecht zu ubertragen ist.\n\nBezogen auf das saarlandische Kanalbaubeitragsrecht sieht der Senat - anders\nals das Verwaltungsgericht - keinen tragfahigen Grund dafur, auch\ngemeindeeigene Grundstucke, die nicht mit einem Erbbaurecht belastet sind, der\nBeitragspflicht zu unterwerfen. Die einschlagigen Regelungen des\nsaarlandischen Kanalbaubeitragsrechts entsprechen namlich im Kern denjenigen\ndes Erschließungsbeitragsrechts. Das gilt zunachst fur den die\nBeitragserhebung rechtfertigenden Vorteil. Das ist mit Blick auf Anbaustraßen\n(§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) das straßenmaßige Erschlossensein eines\nBaugrundstucks im Sinne eines Heran- bzw. Herauffahrenkonnens und -durfens (§§\n131 Abs. 1, 133 Abs. 1 BauGB) und mit Blick auf die offentliche Abwasseranlage\ndas kanaltechnische Erschlossensein eines Baugrundstucks im Sinne des\nBestehens einer Anschlussmoglichkeit (§ 8 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 KAG SL).\nDie Erschließungsbeitragspflicht entsteht mit der endgultigen Herstellung der\nErschließungsanlage (§ 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB), die Kanalbaubeitragspflicht\ndemgegenuber, sobald das Grundstuck an die Einrichtung angeschlossen werden\nkann (§ 8 Abs. 7 Satz 2 KAG). Insoweit gibt es zwar unterschiedliche\nBezugspunkte: im Erschließungsbeitragsrecht die einzelne Erschließungsanlage,\ndie endgultig hergestellt sein muss, im Kanalbaubeitragsrecht das einzelne\nGrundstuck, das kanaltechnisch erschlossen ist. Das hat seinen Grund aber\neinzig darin, dass die gemeindliche Entwasserungsanlage als Ganzes - anders\nals eine bestimmte Anbaustraße - typischerweise nie den Zustand der\nendgultigen Herstellung erreicht. Allein deswegen wurde durch das\nÄnderungsgesetz vom 23.1.1985 (Amtsbl. S. 206) der heutige § 8 Abs. 7 Satz 2\nKAG nachtraglich in das Gesetz eingefugt, und zwar als Ausnahme von dem\nallgemeinen Grundsatz des § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG SL, wonach die\nlandesrechtliche Beitragspflicht - vom Sonderfall leitungsgebundener\nEinrichtungen abgesehen - entsprechend § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB mit der\nendgultigen Herstellung der offentlichen Einrichtung entsteht\n\n> > dazu ausfuhrlich unter eingehender Wurdigung der Entstehungsgeschichte des\n> § 8 Abs. 4 Satz 4, Abs. 7 Satz 2 KAG SL insbesondere der LT-Dr. 8/2151, die\n> Urteile des Senats vom 14.2.1991, a.a.O..\n\nDeshalb ist der aufgezeigte Unterschied zwischen Erschließungs- und\nKanalbaubeitragsrecht ungeeignet als Rechtfertigung einer unterschiedlichen\nBehandlung gemeindeeigener Grundstucke in Bezug auf das Entstehen der\nsachlichen Beitragspflicht. Beitragspflichtig ist sowohl im Erschließungs- als\nauch im Kanalbaubeitragsrecht derjenige, der im Zeitpunkt der Bekanntgabe des\nBeitragsbescheides Grundstuckseigentumer ist (§§ 134 Abs. 1 Satz 1 BauGB, 8\nAbs. 8 Satz 1 KAG SL). Der saarlandische Gesetzgeber hat also - anders als der\nbayerische Gesetzgeber - darauf verzichtet, von § 134 Abs. 1 Satz 1 BauGB\nabweichende Regelungen zur personlichen Beitragspflicht im landesrechtlichen\nBeitragsrecht zu schaffen. Auf Art. 5 Abs. 6 Satz 1 Bay KAG, wonach\nbeitragspflichtig ist, wer im Zeitpunkt des Entstehens des Beitragsanspruchs\nEigentumer des Grundstucks ist, stutzt aber der VGH Munchen\n\n> > Beschlusse vom 7.8.1985 - 23 CS 84 A 3129 -, BayVBl. 1988, 182, und vom\n> 13.10.1987 - 23/387.00 686 -, KStZ 1988, 144; zustimmend Friedel/Wiethe-\n> Korprich in Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 723; ablehnend dagegen Driehaus in\n> Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 87 b,\n\nseine Auffassung, in Bayern entstehe auch fur gemeindeeigene Grundstucke, die\nnicht mit einem Erbbaurecht belastet sind, die Kanalbaubeitragspflicht mit der\nMoglichkeit der Anschlussnahme. Dieses Argument ist auf die hiesige Rechtslage\nnicht ubertragbar.\n\nDasselbe gilt fur die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Munster\n\n> > Beschluss vom 10.9.1985 - 2 B 1431/85 -, n.v.; zustimmend Driehaus in\n> Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 87 b; Dietzel in Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr.\n> 577, und Dietzel/Hinsen/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des\n> Kommunalabgabengesetzes NRW, 5. Aufl., Rdnrn. 210-214; das OVG Luneburg,\n> Urteil vom 11.5.1990 - 9 L 390/89 -, NVwZ-RR 1991, 42, teilt trotz nahezu\n> wortgleicher Regelung - § 8 Abs. 5 Satz 4 KAG Ns - diese Auffassung nicht\n\nzur Rechtslage in Nordrhein-Westfalen. Nach § 8 Abs. 4 Satz 4 KAG NW bleibt\nbei gemeindlichen Einrichtungen oder Anlagen, die erfahrungsgemaß auch von der\nAllgemeinheit oder der Gemeinde in Anspruch genommen werden, bei der\nErmittlung des umlagefahigen Aufwands ein dem wirtschaftlichen Vorteil der\nAllgemeinheit oder der Gemeinde entsprechender Betrag außer Ansatz. Diese\nRegelung hat nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Munster u.a.\ndie gemeindeeigenen Grundstucke im Blick und regelt insoweit abschließend,\ndass fur sie, sofern sie nicht mit einem Erbbaurecht belastet sind, von\nvornherein keine Beitragspflicht entsteht und dies auch eine Veranlagung nach\neiner Grundstucksubereignung ausschließt. Der entsprechende Beitragsausfall\ngeht zu Lasten der Gemeinde, die allerdings die Moglichkeit hat, hierfur uber\nden Kaufpreis einen angemessenen Ausgleich zu erlangen. Eine § 8 Abs. 4 Satz 4\nKAG NW entsprechende Regelung ist dem saarlandischen Landesrecht fremd. § 8\nAbs. 6 Satz 2 KAG SL verpflichtet die Gemeinde lediglich fur den Fall, dass\neine gemeindliche Einrichtung auch der Allgemeinheit zugute kommt, einen dem\nbetreffenden Vorteil entsprechenden Teil des beitragsfahigen Aufwandes selbst\nzu tragen. Aus dem Umstand, dass in diesem Zusammenhang die mogliche\nInanspruchnahme der Einrichtung durch die Gemeinde als Grundstuckseigentumer\nnicht erwahnt ist, ergibt sich nach standiger Senatsrechtsprechung\n\n> > Urteile vom 14.2.1991, a.a.O.; ebenso OVG Luneburg, Urteil vom 11.5.1990,\n> a.a.O., fur das dortige Landesrecht,\n\ndass gemeindeeigene Grundstucke nicht bei der Kalkulation des Beitragssatzes,\nsondern bei der Aufwandsverteilung zu berucksichtigen sind. Das schließt eine\nÜbertragung der angefuhrten Argumentation des Oberverwaltungsgerichts Munster\nauf die Rechtslage im Saarland aus.\n\nSchließlich uberzeugt das Argument des Oberverwaltungsgerichts Luneburg\n\n> > Urteil vom 20.7.1999 - 9 L 5638/98 - juris; zustimmend Klausing in\n> Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 1060;\n\nnicht, aus dem Nebeneinander der Regelungen des Beitragstatbestandes -\nkanaltechnisch erschlossenes Baugrundstuck - und der personlichen\nBeitragspflicht - Grundstuckseigentumer zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des\nBeitragsbescheides - folge, dass das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht\nvon der Person des Beitragspflichtigen unabhangig sei; deshalb schließe eine\nIdentitat von Glaubiger und Schuldner zwar eine formliche Geltendmachung des\nBeitragsanspruchs durch die Gemeinde gegen sich selbst, nicht aber das fur den\nBeginn der Verjahrungsfrist ausschlaggebende Entstehen der sachlichen\nBeitragspflicht aus. Diese Ansicht ist mit der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts zum Erschließungsbeitragsrecht schlechterdings\nunvereinbar, ohne dass diese Divergenz auf eine unterschiedliche Normierung\nzuruckgefuhrt werden konnte. Dies raumen das Oberverwaltungsgericht Luneburg\nund Klausing\n\n> > jeweils a.a.O.\n\nein. Richtigerweise muss die Frage dahingehend gestellt werden, wann im\nVerstandnis der §§ 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b, Abs. 4 KAG SL, 170 Abs. 1 AO „die\nAbgabe entstanden" ist. Hierzu bedarf es nach der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts zum Erschließungsbeitragsrecht\n\n> > Urteile vom 5.9.1975 - IV CB 75.73 -, Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 55\n> S. 20 = BRS 37 Nr. 177 S. 359, und vom 26.1.1996 - 8 C 14.94 -, KStZ 1997,\n> 77 (78) = Buchholz 406.11 § 133 BauGB Nr. 125 S. 16,\n\ndass „die Beitragsforderung der Gemeinde - schon vor Geltendmachung der\nentsprechenden Abgabenforderung durch den Beitragsbescheid - derartig voll als\nAnspruch ausgestaltet (ist), dass sie das Beitragsschuldverhaltnis in Bezug\nauf das Grundstuck und gegenuber dem nach § 134 Abs. 1 BBauG\nBeitragspflichtigen begrundet." Eben daran mangelt es, wenn und solange ein\nnicht mit einem Erbbaurecht belastetes Grundstuck der beitragsberechtigten\nGemeinde gehort, denn unter dieser Voraussetzung fehlt es uberhaupt an einem\nBeitragspflichtigen nach § 134 Abs. 1 BauGB\n\n> > so besonders klar Quaas, a.a.O., § 133 Rdnr. 2.\n\nNicht einmal fur eine logische Sekunde entsteht deshalb in Fallen des\nZusammentreffens von Beitragsglaubiger und Schuldner die sachliche\nBeitragspflicht\n\n> > so ausdrucklich BVerwG, Urteil vom 21.10.1983, a.a.O., S. 45 bzw. S. 270.\n\nWarum insoweit fur das Kanalbaubeitragsrecht anderes gelten soll, erschließt\nsich dem Senat nicht. Der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf § 38 AO fuhrt\ninsoweit nicht weiter. Danach entstehen Anspruche aus dem\nAbgabenschuldverhaltnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das\nGesetz die Leistungspflicht knupft. Wann der Tatbestand verwirklicht ist, an\nden die Kanalbaubeitragspflicht anknupft, ergibt sich abschließend aus § 8 KAG\nSL, und nach dem aufgezeigten Verstandnis des Beitragsrechts gehort dazu - im\nSinne eines eigenstandigen Tatbestandsmerkmals - das Vorhandensein eines nicht\nmit dem Beitragsglaubiger identischen Abgabenschuldners. § 38 AO liefert daher\nin dieser Sicht kein Gegenargument.\n\nMithin halt der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, wonach fur ein\nnicht mit einem Erbbaurecht belastetes gemeindliches Grundstuck keine\nKanalbaubeitragspflicht entsteht. Diese entsteht vielmehr erst mit der\nÜbereignung an einen Dritten mit der Folge, dass die Gemeinde danach noch vier\nJahre, beginnend mit dem Ende des Jahres, in dem die Übereignung erfolgt ist,\nZeit fur eine Heranziehung hat\n\n> > ebenso fur Kommunalabgabengesetze, deren Bestimmungen zum Beitragsrecht\n> mit der Regelung in § 8 KAG SL ganz oder im Wesentlichen ubereinstimmen,\n> u.a. VGH Kassel, Urteil vom 15.12.1994 - 5 UE 2016/94 -, NVwZ-RR 1995, 414,\n> durch zustimmende Bezugnahme auf VG Kassel, Urteil vom 8.3.1994 - 6 E 127/90\n> (3) -, n.v.; OVG Magdeburg, Beschluss vom 20.8.2007 - 4 L 125/07 -, juris;\n> Dohle, VBlBW 1986, 128 (135); Ruff, KStZ 1986, 9 (10), und Ahlers, KStZ\n> 1988, 81 (82/83); a. A. insbesondere OVG Luneburg, Urteile vom 11.5.1990 und\n> 20.7.1999, jeweils a.a.O..\n\nDie Veranlagung der Klager kann auch der Hohe nach nicht beanstandet werden.\nDas ist im Widerspruchsbescheid (S. 16 bis 19) in ausfuhrlicher\nAuseinandersetzung mit den Einwanden der Klager dargelegt; darauf wird Bezug\ngenommen. Erganzend verweist der Senat lediglich darauf, dass sowohl der\nBeitragssatz als auch die Regelungen fur die Beitragsberechnung (§ 20 Abs. 3\nbis 6 AbwS) rechtsfehlerfrei sind\n\n> > auch dazu ausfuhrlich Urteile des Senats vom 14.2.1991, a.a.O..\n\nDass ein Kanalbaubeitrag in Hohe von 6.080,96 EUR fur die kanalmaßige\nErschließung des Grundstucks der Klager vorteilsgerecht ist, steht fur den\nSenat auch unter Berucksichtigung der Tatsache, dass - entsprechend der\nRechtslage (§ 14 Abs. 1 und 4 AbwS, 10 Abs. 1 KAG SL) - die Klager die Kosten\nfur die Herstellung des Grundstucks- und Hausanschlusses zusatzlich selber\ntragen beziehungsweise der Beklagten erstatten mussten, außer Frage.\n\nSchließlich steht der Heranziehung kein schutzenswertes Vertrauen der Klager\nentgegen, denn diese wurden im notariellen Grundstuckskaufvertrag vom 6.5.2003\nausdrucklich darauf hingewiesen, dass von ihnen zusatzlich zum Kaufpreis unter\nanderem noch der Kanalbaubeitrag zu zahlen sein wird.\n\nNach allem ist unter Abanderung des angefochtenen Urteils die Klage\nabzuweisen.\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs.1, 159 Satz 2 VwGO.\n\nDer Ausspruch uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO,\n708 Nr. 11 ZPO.\n\nDie Voraussetzungen fur die Zulassung der Revision sind nicht erfullt, weil\ndas Urteil auf der Auslegung und Anwendung irrevisiblen Landesrechts beruht\n(§§ 132 Abs. 2, 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).\n\n**Beschluss**\n\nDer Streitwert wird auch fur das Berufungsverfahren auf 6.080,96 EUR\nfestgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3, 47 Abs. 1 GKG).\n\nDieser Beschluss ist nicht anfechtbar.\n\n## Gründe\n\nDer Senat entscheidet uber die Berufung im Einverstandnis der Beteiligten ohne\nmundliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).\n\nDie zulassige Berufung ist begrundet. Das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht\nden Kanalbaubeitragsbescheid der Beklagten vom 23.3.2006 in der Gestalt des\nauf die mundliche Verhandlung vom 25.4.2007 ergangenen Widerspruchsbescheids\naufgehoben. Die - zulassige - Klage muss abgewiesen werden, denn die Beklagte\nhat die Klager als Miteigentumer des Grundstucks A-Stadt, A-Straße, zu Recht\nzu einem Kanalbaubeitrag in Hohe von 6.080,96 EUR herangezogen.\n\nRechtsgrundlage des Beitragsbescheides vom 23.3.2006 ist § 20 der Satzung uber\ndie Entwasserung der Grundstucke, Fakalienabfuhr sowie die Erhebung von\nKanalbaubeitragen in der Landeshauptstadt Saarbrucken vom 7.12.2004 - im\nWeiteren: AbwS -. Nach Abs. 1 Satze 1 und 2 dieser Bestimmung erhebt die\nLandeshauptstadt Saarbrucken zum Ersatz des Aufwandes fur die Herstellung der\noffentlichen Abwasseranlage - einmalig - einen Kanalbaubeitrag. Dabei\nunterliegen der Beitragspflicht die Grundstucke, fur die eine bauliche oder\ngewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie baulich oder gewerblich\ngenutzt werden konnen, und die Grundstucke, fur die eine bauliche oder\ngewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie nach der\nVerkehrsauffassung Bauland sind und nach der geordneten baulichen Entwicklung\nder Stadt A-Stadt zur Bebauung anstehen, sobald sie an die offentliche\nAbwasseranlage angeschlossen werden konnen oder ein benutzungsfahiger\nAnschluss hergestellt ist. Beitragspflichtig ist, wer im Zeitpunkt der\nZustellung des Beitragsbescheides Eigentumer des Grundstucks ist, wobei\nMiteigentumer als Gesamtschuldner haften (§ 21 Satz. 3 AbwS). Die aufgezeigte\nortsrechtliche Regelung entspricht den gesetzlichen Vorgaben, insbesondere § 8\nAbs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 4, Abs. 7 Satz 2 und Abs. 8 KAG SL.\n\nGemessen an den erwahnten Vorschriften hat die Beklagte die Klager zu Recht\nfur das in Rede stehende Grundstuck zu einem Kanalbaubeitrag in Hohe von\n6.080,96 EUR herangezogen. Das seit dem 11.10.2005 den Klagern gehorende\nGrundstuck A-Stadt, A-Straße, liegt namlich im Geltungsbereich des\nBebauungsplans „K." vom 30.8.1967, gegen dessen Gultigkeit Bedenken weder\nvorgetragen noch ersichtlich sind, und ist darin als Bauland ausgewiesen.\nAußerdem konnte es - und zwar schon seit Ende der sechziger Jahre - an die\noffentliche Abwasseranlage, namlich an den in der Graf-Stauffenberg-Straße\nverlegten Sammler, angeschlossen werden. Damit ist grundstucksbezogen der\nTatbestand, an den die Kanalbaubeitragspflicht anknupft, erfullt. Daruber\nhinaus haben die Klager inzwischen langst von der Bebauungs- und\nKanalanschlussmoglichkeit ihres Grundstucks Gebrauch gemacht, was ebenfalls\ndie Heranziehung tragt.\n\nDass nach der Satzung vom 7.12.2004 - ebenso wie nach den Vorgangersatzungen\nvom 25.11.2003 und 19.12.1985 - auch solche Grundstucke der\nKanalbaubeitragspflicht unterworfen sind, die zwar bereits vor dem 1.1.1986 -\ndem Tag des Inkrafttretens der ersten gultigen Kanalbaubeitragssatzung fur das\nGebiet der Landeshauptstadt Saarbrucken (vgl. § 15 der Satzung vom 19.12.1985)\n- sowohl bebaubar beziehungsweise gewerblich nutzbar als auch an die\noffentliche Abwasseranlage anschließbar waren, fur die aber nach dem bis dahin\ngeltenden Recht eine Abgabenpflicht fur die kanalmaßige Erschließung noch\nnicht entstanden war - nach § 4 Abs. 1 PrKAG 1893 war fur das Entstehen einer\nKanalanschlussgebuhrenpflicht erforderlich, dass das betreffende Grundstuck\ntatsachlich an die gemeindliche Kanalisation angeschlossen war -, ist mit\nhoherrangigem Recht vereinbar. Das Verwaltungsgericht hat in dem angegriffenen\nUrteil (S. 5/6) die Rechtslage im Anschluss an die grundlegenden Urteile des\nSenats vom 14.2.1991\n\n> > \\- 1 R 618/88 -, SKZ 1991, 133, und - 1 R 621/88 -, n.v.; seither standige\n> Rechtsprechung,\n\nzutreffend aufgezeigt. Erganzende Ausfuhrungen sind nicht veranlasst.\nHingewiesen werden soll lediglich darauf, dass die einschlagige Rechtsprechung\ndes Senats die Billigung sowohl des Bundesverwaltungsgerichts\n\n> > Beschluss vom 13.11.1991 - 8 B 78.91 -, n.v.,\n\nals auch des Bundesverfassungsgerichts\n\n> > Beschluss vom 25.3.1992 - 1 BvR 18/92 -, n.v.,\n\ngefunden hat und dass sowohl der Beitragssatz - ursprunglich 9,70 DM/m², jetzt\n4,96 EUR/m² \\- als auch die Regelungen uber die Ermittlung der\nbeitragspflichtigen Grundstucksflache der Sache nach seit dem 19.12.1985\nunverandert geblieben sind.\n\nZustimmung verdient im Weiteren der Standpunkt des Verwaltungsgerichts, dass\neine Realisierung der Kanalbaubeitragspflicht alterschlossener Baugrundstucke\ninzwischen durchweg daran scheitert, dass die Festsetzungsverjahrungsfrist von\nvier Jahren, beginnend mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die\nAbgabenpflicht entstanden ist (§§ 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b, Abs. 4 KAG SL, 169,\n170 Abs. 1 AO), langst abgelaufen ist. Fallbezogen trifft dies indes nicht zu,\nweil das in Rede stehende Grundstuck bis zum 10.10.2005 der Landeshauptstadt\nSaarbrucken gehorte und deswegen die Kanalbaubeitragspflicht erst mit dem\nEigentumsubergang auf die Klager am 11.10.2005 entstand. Davon ausgehend\nerfolgte die Heranziehung durch den Bescheid vom 23.3.2006 aber rechtzeitig.\n\nFur das Erschließungsbeitragsrecht hat das Bundesverwaltungsgericht\n\n> > Urteile vom 21.10.1983 - 8 C 29.82 -, Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 89 =\n> BRS 43 Nr. 115, und vom 5.7.1985 - 8 C 127.83 -, Buchholz 406.11 § 133 BBauG\n> Nr. 91 = BRS 43 Nr. 116; zustimmend BGH, Beschluss vom 18.4.2000 - III ZR\n> 194.99 -, juris,\n\nentschieden, dass ein - nicht mit einem Erbbaurecht belastetes - Grundstuck\nnicht der Beitragspflicht nach § 133 Abs. 1 BBauG unterliegt, wenn und solange\nes im Eigentum der zur Beitragserhebung berechtigten Gemeinde steht. Das wird\nim Urteil vom 21.10.1983\n\n> > a.a.O., S. 44/45 bzw. S. 269/270,\n\nim Wesentlichen wie folgt begrundet:\n\n> > „Gemaß § 133 Abs. 2 Satz 1 BBauG entsteht - alle sonstigen dafur\n> erforderlichen Voraussetzungen hier vernachlassigt - die sachliche\n> Beitragspflicht mit der endgultigen Herstellung der Erschließungsanlage. Sie\n> entsteht also in einem fruheren Zeitpunkt als dem, in dem nach Berechnung\n> der Herstellungskosten die Beitragsbescheide erlassen und zugestellt werden\n> konnen, d.h. bevor ein personlicher Schuldner gemaß § 134 Abs. 1 BBauG\n> bestimmbar sein muss. Schon die endgultige Herstellung einer beitragsfahigen\n> Erschließungsanlage ist daher grundsatzlich geeignet, kraft Gesetzes ein\n> abstraktes Beitragsschuldverhaltnis und damit eine abstrakte Beitragspflicht\n> in Bezug auf ein im Sinne des § 131 Abs. 1 BBauG erschlossenes Grundstuck\n> sowie einen noch unbestimmten und zu dieser Zeit moglicherweise auch noch\n> nicht bestimmbaren personlichen Schuldner, den Beitragspflichtigen,\n> entstehen zu lassen. ... An diese abstrakte Beitragspflicht knupft § 133\n> Abs. 1 BBauG seinem Wortlaut nach an und macht damit deutlich, dass sich die\n> Wirkung der Regelung des § 133 Abs. 2 BBauG nicht auf Grundstucke bezieht,\n> die aus dem einen oder anderen Grunde uberhaupt nicht oder noch nicht\n> Gegenstand einer solchen abstrakten Beitragspflicht sein konnen. Das\n> letztere trifft u.a. zu auf im nach § 133 Abs. 2 BBauG maßgeblichen\n> Zeitpunkt noch nicht bebaubare Grundstucke ..., und das erstere trifft zu\n> insbesondere auf Grundstucke, die im Eigentum der zur Beitragserhebung\n> berechtigten Gemeinde stehen. Denn „da niemand sein eigener Schuldner sein\n> kann" (BGH, Urteil vom 1. Juni 1967 - II ZR 150/66 - BGHZ 48, 214, 218),\n> kann in Bezug auf ein gemeindeeigenes Grundstuck ein Rechtsverhaltnis mit\n> dem Inhalt einer abstrakten Beitragspflicht von vornherein nicht entstehen.\n> Es ist also nicht so, dass bei gemeindeeigenen Grundstucken eine abstrakte\n> Beitragspflicht zunachst immerhin fur eine logische Sekunde entstunde und\n> erst dann durch das Zusammentreffen von Glaubiger und Schuldner wieder\n> entfiele, sondern bei gemeindeeigenen Grundstucken kann es von vornherein\n> nicht zu einem Rechtsverhaltnis kommen, wie es auch das Entstehen einer\n> abstrakten Beitragspflicht voraussetzt. Das Entstehen einer Beitragspflicht\n> wird mithin erst ermoglicht, wenn die Gemeinde das Eigentum an dem\n> Grundstuck einem anderen ubertragt."\n\nDieser Standpunkt hat in der Literatur\n\n> > u.a. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeitrage, 8. Aufl., § 19 Rdnr. 20;\n> Lohr in Battis/Krautzberger/Lohr, BauGB, 10. Aufl., § 134 Rdnr. 6, und Quaas\n> in Schrodter, BauGB, 7. Aufl., § 133 Rdnr. 2,\n\nallgemeine Billigung gefunden. Der erkennende Senat halt ihn ebenfalls fur\nuberzeugend. Daruber hinaus ist er der Auffassung, dass diese Rechtsprechung\nuber das Erschließungsbeitragsrecht hinausgehend auf das Beitragsrecht nach §\n8 KAG SL ubertragen werden muss\n\n> > so schon - ohne nahere Begrundung - Urteil des Senats vom 24.10.1996 - 1 R\n> 44/95 -, U.A. S. 13.\n\nIn Übereinstimmung insbesondere mit Driehaus\n\n> > a.a.O., § 34 Rdnr. 3,\n\nbeansprucht der - ungeschriebene - Grundsatz, dass eine Gemeinde nicht ihr\neigener Beitragsschuldner sein kann und deshalb fur gemeindeeigene\nGrundstucke, die nicht mit einem Erbbaurecht belastet sind, keine sachliche\nBeitragspflicht entstehen kann, Geltung uber das Erschließungsbeitragsrecht\nhinaus auch fur die landesrechtliche Befugnis zur Erhebung einmaliger\nBeitrage. Allerdings ist es dem jeweiligen Landesgesetzgeber unbenommen, von\ndiesem Grundsatz abzuweichen. Ob er dies im Rahmen „seines"\nKommunalabgabengesetzes getan hat, ist durch Auslegung des einschlagigen\nGesetzes zu ermitteln\n\n> > ebenso BGH, Beschluss vom 18.4.2000, a.a.O.; Übersicht uber die\n> verschiedenen landesrechtlichen Regelungen und deren Bewertung mit Blick auf\n> die hier relevante Rechtsfrage bei Driehaus in Driehaus,\n> Kommunalabgabenrecht - Stand: Januar 2009 -, § 8 Rdnr. 87 b, und Scharich,\n> KStZ 1988, 182 ff.; speziell zur Rechtslage im Saarland Theis, SKZ 2004,\n> 222.\n\nDie einschlagigen Landesgesetze stimmen allerdings nicht uberein, und das ist\nder Grund fur die divergierende Rechtsprechung der\nOberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshofe der Lander zur Frage, ob die\nRechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Verneinung einer sachlichen\nErschließungsbeitragspflicht gemeindeeigener Grundstucke auf das\nlandesrechtliche Beitragsrecht zu ubertragen ist.\n\nBezogen auf das saarlandische Kanalbaubeitragsrecht sieht der Senat - anders\nals das Verwaltungsgericht - keinen tragfahigen Grund dafur, auch\ngemeindeeigene Grundstucke, die nicht mit einem Erbbaurecht belastet sind, der\nBeitragspflicht zu unterwerfen. Die einschlagigen Regelungen des\nsaarlandischen Kanalbaubeitragsrechts entsprechen namlich im Kern denjenigen\ndes Erschließungsbeitragsrechts. Das gilt zunachst fur den die\nBeitragserhebung rechtfertigenden Vorteil. Das ist mit Blick auf Anbaustraßen\n(§ 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB) das straßenmaßige Erschlossensein eines\nBaugrundstucks im Sinne eines Heran- bzw. Herauffahrenkonnens und -durfens (§§\n131 Abs. 1, 133 Abs. 1 BauGB) und mit Blick auf die offentliche Abwasseranlage\ndas kanaltechnische Erschlossensein eines Baugrundstucks im Sinne des\nBestehens einer Anschlussmoglichkeit (§ 8 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 KAG SL).\nDie Erschließungsbeitragspflicht entsteht mit der endgultigen Herstellung der\nErschließungsanlage (§ 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB), die Kanalbaubeitragspflicht\ndemgegenuber, sobald das Grundstuck an die Einrichtung angeschlossen werden\nkann (§ 8 Abs. 7 Satz 2 KAG). Insoweit gibt es zwar unterschiedliche\nBezugspunkte: im Erschließungsbeitragsrecht die einzelne Erschließungsanlage,\ndie endgultig hergestellt sein muss, im Kanalbaubeitragsrecht das einzelne\nGrundstuck, das kanaltechnisch erschlossen ist. Das hat seinen Grund aber\neinzig darin, dass die gemeindliche Entwasserungsanlage als Ganzes - anders\nals eine bestimmte Anbaustraße - typischerweise nie den Zustand der\nendgultigen Herstellung erreicht. Allein deswegen wurde durch das\nÄnderungsgesetz vom 23.1.1985 (Amtsbl. S. 206) der heutige § 8 Abs. 7 Satz 2\nKAG nachtraglich in das Gesetz eingefugt, und zwar als Ausnahme von dem\nallgemeinen Grundsatz des § 8 Abs. 7 Satz 1 KAG SL, wonach die\nlandesrechtliche Beitragspflicht - vom Sonderfall leitungsgebundener\nEinrichtungen abgesehen - entsprechend § 133 Abs. 2 Satz 1 BauGB mit der\nendgultigen Herstellung der offentlichen Einrichtung entsteht\n\n> > dazu ausfuhrlich unter eingehender Wurdigung der Entstehungsgeschichte des\n> § 8 Abs. 4 Satz 4, Abs. 7 Satz 2 KAG SL insbesondere der LT-Dr. 8/2151, die\n> Urteile des Senats vom 14.2.1991, a.a.O..\n\nDeshalb ist der aufgezeigte Unterschied zwischen Erschließungs- und\nKanalbaubeitragsrecht ungeeignet als Rechtfertigung einer unterschiedlichen\nBehandlung gemeindeeigener Grundstucke in Bezug auf das Entstehen der\nsachlichen Beitragspflicht. Beitragspflichtig ist sowohl im Erschließungs- als\nauch im Kanalbaubeitragsrecht derjenige, der im Zeitpunkt der Bekanntgabe des\nBeitragsbescheides Grundstuckseigentumer ist (§§ 134 Abs. 1 Satz 1 BauGB, 8\nAbs. 8 Satz 1 KAG SL). Der saarlandische Gesetzgeber hat also - anders als der\nbayerische Gesetzgeber - darauf verzichtet, von § 134 Abs. 1 Satz 1 BauGB\nabweichende Regelungen zur personlichen Beitragspflicht im landesrechtlichen\nBeitragsrecht zu schaffen. Auf Art. 5 Abs. 6 Satz 1 Bay KAG, wonach\nbeitragspflichtig ist, wer im Zeitpunkt des Entstehens des Beitragsanspruchs\nEigentumer des Grundstucks ist, stutzt aber der VGH Munchen\n\n> > Beschlusse vom 7.8.1985 - 23 CS 84 A 3129 -, BayVBl. 1988, 182, und vom\n> 13.10.1987 - 23/387.00 686 -, KStZ 1988, 144; zustimmend Friedel/Wiethe-\n> Korprich in Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 723; ablehnend dagegen Driehaus in\n> Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 87 b,\n\nseine Auffassung, in Bayern entstehe auch fur gemeindeeigene Grundstucke, die\nnicht mit einem Erbbaurecht belastet sind, die Kanalbaubeitragspflicht mit der\nMoglichkeit der Anschlussnahme. Dieses Argument ist auf die hiesige Rechtslage\nnicht ubertragbar.\n\nDasselbe gilt fur die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Munster\n\n> > Beschluss vom 10.9.1985 - 2 B 1431/85 -, n.v.; zustimmend Driehaus in\n> Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 87 b; Dietzel in Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr.\n> 577, und Dietzel/Hinsen/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des\n> Kommunalabgabengesetzes NRW, 5. Aufl., Rdnrn. 210-214; das OVG Luneburg,\n> Urteil vom 11.5.1990 - 9 L 390/89 -, NVwZ-RR 1991, 42, teilt trotz nahezu\n> wortgleicher Regelung - § 8 Abs. 5 Satz 4 KAG Ns - diese Auffassung nicht\n\nzur Rechtslage in Nordrhein-Westfalen. Nach § 8 Abs. 4 Satz 4 KAG NW bleibt\nbei gemeindlichen Einrichtungen oder Anlagen, die erfahrungsgemaß auch von der\nAllgemeinheit oder der Gemeinde in Anspruch genommen werden, bei der\nErmittlung des umlagefahigen Aufwands ein dem wirtschaftlichen Vorteil der\nAllgemeinheit oder der Gemeinde entsprechender Betrag außer Ansatz. Diese\nRegelung hat nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Munster u.a.\ndie gemeindeeigenen Grundstucke im Blick und regelt insoweit abschließend,\ndass fur sie, sofern sie nicht mit einem Erbbaurecht belastet sind, von\nvornherein keine Beitragspflicht entsteht und dies auch eine Veranlagung nach\neiner Grundstucksubereignung ausschließt. Der entsprechende Beitragsausfall\ngeht zu Lasten der Gemeinde, die allerdings die Moglichkeit hat, hierfur uber\nden Kaufpreis einen angemessenen Ausgleich zu erlangen. Eine § 8 Abs. 4 Satz 4\nKAG NW entsprechende Regelung ist dem saarlandischen Landesrecht fremd. § 8\nAbs. 6 Satz 2 KAG SL verpflichtet die Gemeinde lediglich fur den Fall, dass\neine gemeindliche Einrichtung auch der Allgemeinheit zugute kommt, einen dem\nbetreffenden Vorteil entsprechenden Teil des beitragsfahigen Aufwandes selbst\nzu tragen. Aus dem Umstand, dass in diesem Zusammenhang die mogliche\nInanspruchnahme der Einrichtung durch die Gemeinde als Grundstuckseigentumer\nnicht erwahnt ist, ergibt sich nach standiger Senatsrechtsprechung\n\n> > Urteile vom 14.2.1991, a.a.O.; ebenso OVG Luneburg, Urteil vom 11.5.1990,\n> a.a.O., fur das dortige Landesrecht,\n\ndass gemeindeeigene Grundstucke nicht bei der Kalkulation des Beitragssatzes,\nsondern bei der Aufwandsverteilung zu berucksichtigen sind. Das schließt eine\nÜbertragung der angefuhrten Argumentation des Oberverwaltungsgerichts Munster\nauf die Rechtslage im Saarland aus.\n\nSchließlich uberzeugt das Argument des Oberverwaltungsgerichts Luneburg\n\n> > Urteil vom 20.7.1999 - 9 L 5638/98 - juris; zustimmend Klausing in\n> Driehaus, a.a.O., § 8 Rdnr. 1060;\n\nnicht, aus dem Nebeneinander der Regelungen des Beitragstatbestandes -\nkanaltechnisch erschlossenes Baugrundstuck - und der personlichen\nBeitragspflicht - Grundstuckseigentumer zum Zeitpunkt der Bekanntgabe des\nBeitragsbescheides - folge, dass das Entstehen der sachlichen Beitragspflicht\nvon der Person des Beitragspflichtigen unabhangig sei; deshalb schließe eine\nIdentitat von Glaubiger und Schuldner zwar eine formliche Geltendmachung des\nBeitragsanspruchs durch die Gemeinde gegen sich selbst, nicht aber das fur den\nBeginn der Verjahrungsfrist ausschlaggebende Entstehen der sachlichen\nBeitragspflicht aus. Diese Ansicht ist mit der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts zum Erschließungsbeitragsrecht schlechterdings\nunvereinbar, ohne dass diese Divergenz auf eine unterschiedliche Normierung\nzuruckgefuhrt werden konnte. Dies raumen das Oberverwaltungsgericht Luneburg\nund Klausing\n\n> > jeweils a.a.O.\n\nein. Richtigerweise muss die Frage dahingehend gestellt werden, wann im\nVerstandnis der §§ 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b, Abs. 4 KAG SL, 170 Abs. 1 AO „die\nAbgabe entstanden" ist. Hierzu bedarf es nach der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts zum Erschließungsbeitragsrecht\n\n> > Urteile vom 5.9.1975 - IV CB 75.73 -, Buchholz 406.11 § 133 BBauG Nr. 55\n> S. 20 = BRS 37 Nr. 177 S. 359, und vom 26.1.1996 - 8 C 14.94 -, KStZ 1997,\n> 77 (78) = Buchholz 406.11 § 133 BauGB Nr. 125 S. 16,\n\ndass „die Beitragsforderung der Gemeinde - schon vor Geltendmachung der\nentsprechenden Abgabenforderung durch den Beitragsbescheid - derartig voll als\nAnspruch ausgestaltet (ist), dass sie das Beitragsschuldverhaltnis in Bezug\nauf das Grundstuck und gegenuber dem nach § 134 Abs. 1 BBauG\nBeitragspflichtigen begrundet." Eben daran mangelt es, wenn und solange ein\nnicht mit einem Erbbaurecht belastetes Grundstuck der beitragsberechtigten\nGemeinde gehort, denn unter dieser Voraussetzung fehlt es uberhaupt an einem\nBeitragspflichtigen nach § 134 Abs. 1 BauGB\n\n> > so besonders klar Quaas, a.a.O., § 133 Rdnr. 2.\n\nNicht einmal fur eine logische Sekunde entsteht deshalb in Fallen des\nZusammentreffens von Beitragsglaubiger und Schuldner die sachliche\nBeitragspflicht\n\n> > so ausdrucklich BVerwG, Urteil vom 21.10.1983, a.a.O., S. 45 bzw. S. 270.\n\nWarum insoweit fur das Kanalbaubeitragsrecht anderes gelten soll, erschließt\nsich dem Senat nicht. Der Hinweis des Verwaltungsgerichts auf § 38 AO fuhrt\ninsoweit nicht weiter. Danach entstehen Anspruche aus dem\nAbgabenschuldverhaltnis, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das\nGesetz die Leistungspflicht knupft. Wann der Tatbestand verwirklicht ist, an\nden die Kanalbaubeitragspflicht anknupft, ergibt sich abschließend aus § 8 KAG\nSL, und nach dem aufgezeigten Verstandnis des Beitragsrechts gehort dazu - im\nSinne eines eigenstandigen Tatbestandsmerkmals - das Vorhandensein eines nicht\nmit dem Beitragsglaubiger identischen Abgabenschuldners. § 38 AO liefert daher\nin dieser Sicht kein Gegenargument.\n\nMithin halt der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, wonach fur ein\nnicht mit einem Erbbaurecht belastetes gemeindliches Grundstuck keine\nKanalbaubeitragspflicht entsteht. Diese entsteht vielmehr erst mit der\nÜbereignung an einen Dritten mit der Folge, dass die Gemeinde danach noch vier\nJahre, beginnend mit dem Ende des Jahres, in dem die Übereignung erfolgt ist,\nZeit fur eine Heranziehung hat\n\n> > ebenso fur Kommunalabgabengesetze, deren Bestimmungen zum Beitragsrecht\n> mit der Regelung in § 8 KAG SL ganz oder im Wesentlichen ubereinstimmen,\n> u.a. VGH Kassel, Urteil vom 15.12.1994 - 5 UE 2016/94 -, NVwZ-RR 1995, 414,\n> durch zustimmende Bezugnahme auf VG Kassel, Urteil vom 8.3.1994 - 6 E 127/90\n> (3) -, n.v.; OVG Magdeburg, Beschluss vom 20.8.2007 - 4 L 125/07 -, juris;\n> Dohle, VBlBW 1986, 128 (135); Ruff, KStZ 1986, 9 (10), und Ahlers, KStZ\n> 1988, 81 (82/83); a. A. insbesondere OVG Luneburg, Urteile vom 11.5.1990 und\n> 20.7.1999, jeweils a.a.O..\n\nDie Veranlagung der Klager kann auch der Hohe nach nicht beanstandet werden.\nDas ist im Widerspruchsbescheid (S. 16 bis 19) in ausfuhrlicher\nAuseinandersetzung mit den Einwanden der Klager dargelegt; darauf wird Bezug\ngenommen. Erganzend verweist der Senat lediglich darauf, dass sowohl der\nBeitragssatz als auch die Regelungen fur die Beitragsberechnung (§ 20 Abs. 3\nbis 6 AbwS) rechtsfehlerfrei sind\n\n> > auch dazu ausfuhrlich Urteile des Senats vom 14.2.1991, a.a.O..\n\nDass ein Kanalbaubeitrag in Hohe von 6.080,96 EUR fur die kanalmaßige\nErschließung des Grundstucks der Klager vorteilsgerecht ist, steht fur den\nSenat auch unter Berucksichtigung der Tatsache, dass - entsprechend der\nRechtslage (§ 14 Abs. 1 und 4 AbwS, 10 Abs. 1 KAG SL) - die Klager die Kosten\nfur die Herstellung des Grundstucks- und Hausanschlusses zusatzlich selber\ntragen beziehungsweise der Beklagten erstatten mussten, außer Frage.\n\nSchließlich steht der Heranziehung kein schutzenswertes Vertrauen der Klager\nentgegen, denn diese wurden im notariellen Grundstuckskaufvertrag vom 6.5.2003\nausdrucklich darauf hingewiesen, dass von ihnen zusatzlich zum Kaufpreis unter\nanderem noch der Kanalbaubeitrag zu zahlen sein wird.\n\nNach allem ist unter Abanderung des angefochtenen Urteils die Klage\nabzuweisen.\n\nDie Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs.1, 159 Satz 2 VwGO.\n\nDer Ausspruch uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 167 VwGO,\n708 Nr. 11 ZPO.\n\nDie Voraussetzungen fur die Zulassung der Revision sind nicht erfullt, weil\ndas Urteil auf der Auslegung und Anwendung irrevisiblen Landesrechts beruht\n(§§ 132 Abs. 2, 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).\n\n**Beschluss**\n\nDer Streitwert wird auch fur das Berufungsverfahren auf 6.080,96 EUR\nfestgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3, 47 Abs. 1 GKG).\n\nDieser Beschluss ist nicht anfechtbar.\n\n
132,371
olgstut-2004-01-26-18-uf-3392003-18-u
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
18 UF 339/2003; 18 UF 339/03
2004-01-26
2019-01-07 10:15:12
2019-02-12 13:09:58
Beschluss
## Tenor\n\nI. Auf die Beschwerde des Versorgungswerks der Architektenkammer Baden-\nWurttemberg wird das Urteil des Amtsgerichts Nurtingen - Familiengericht - vom\n27.11.2003 (17 F 85/02) in seiner Ziff. 2. b) (Versorgungsausgleich)\nabgeandert\n\nund wie folgt neu gefasst:\n\nZu Lasten der Versorgungsanwartschaft des Antragstellers beim Versorgungswerk\nder Architektenkammer Baden-Wurttemberg werden im Wege der Realteilung auf\neinem fur die Antragsgegnerin beim Versorgungswerk der Architektenkammer\nBaden-Wurttemberg zu eroffnenden Versicherungskonto Anwartschaften in Hohe von\nmtl. 571,32 EUR, bezogen auf den 31.01.2002, begrundet.\n\nII. Die Kosten des Rechtsstreits in zweiter Instanz werden gegeneinander\naufgehoben.\n\nIII. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.\n\nVI. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens betragt 4.498,68 EUR.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Parteien haben am ......1978 die Ehe miteinander geschlossen. Der\nScheidungsantrag des Ehemanns wurde der Ehefrau am 06.02.2002 zugestellt. In\nder gem. § 1587 Abs. 2 BGB zu bestimmenden Ehezeit vom ......1978 bis\n......2002 haben beide Ehegatten Rentenanwartschaften in der gesetzlichen\nRentenversicherung erworben, und zwar der Antragsteller bei der\nBundesversicherungsanstalt fur Angestellte solche in Hohe von 395,64 EUR und\ndie Antragsgegnerin ebenfalls bei der Bundesversicherungsanstalt fur\nAngestellte solche in Hohe von 300,50 EUR. Daneben hat der Antragsteller beim\nVersorgungswerk der Architektenkammer Baden-Wurttemberg Anwartschaften auf\nAltersversorgung in Hohe eines ehezeitbezogenen Monatsbetrags von 1.142,65 EUR\nerworben. Dies ergibt sich aus der Mitteilung des Versorgungswerks gegenuber\ndem Familiengericht vom 11.04.2002. \n--- \n| 2 \n--- \n| Das Familiengericht hat mit Urteil vom 27.11.2003 die Ehe der Parteien\ngeschieden. Daneben hat es den Versorgungsausgleich in der Weise geregelt,\ndass vom Versicherungskonto des Antragstellers auf das Versicherungskonto der\nAntragsgegnerin bei der Bundesversicherungsanstalt fur Angestellte\nRentenanwartschaften in Hohe von mtl. 47,57 EUR ubertragen wurden. Daneben hat\ndas Familiengericht zum Ausgleich der Versorgung des Antragstellers beim\nVersorgungswerk der Architektenkammer Baden-Wurttemberg auf dem\nVersicherungskonto der Antragsgegnerin bei der Bundesversicherungsanstalt fur\nAngestellte Rentenanwartschaften von mtl. 196,43 EUR begrundet. Diesen\nAusgleichsbetrag bestimmte das Familiengericht nach Umrechnung der\nAnwartschaft des Antragstellers in ein dynamisches Anrecht anhand der\nBarwertverordnung. \n--- \n| 3 \n--- \n| Gegen dieses ihr am 05.12.2003 zugestellte Urteil hat das Versorgungswerk\nder Architektenkammer Baden-Wurttemberg am 09.12.2003 Beschwerde eingelegt und\ndiese damit begrundet, dass seit dem 01.12.2002 in ihrer Versorgungssatzung\ndie Realteilung vorgesehen ist. Die anderen Verfahrensbeteiligten hatten\nGelegenheit, sich zur Beschwerde zu außern. \n--- \nII. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die zulassige Beschwerde des Versorgungswerks der Architektenkammer Baden-\nWurttemberg ist begrundet. Gem. § 36a der Satzung des Versorgungswerks findet\ndie Realteilung nach § 1 Abs. 2 VAHRG statt, wenn ein Teilnehmer in einem\nVersorgungsausgleichsverfahren ausgleichspflichtig ist. Dabei findet sich in\nder geanderten Versorgungssatzung kein Anhalt dafur, dass die Realteilung nur\nstattfindet, wenn der Ausgleichsberechtigte selbst die Voraussetzungen fur die\nAufnahme in das Versorgungswerk erfullt. Vielmehr trifft § 36a Abs. 2 der\nSatzung die Bestimmung, dass ein Versorgungsausgleichsberechtigter, der eine\nAnwartschaft oder einen Anspruch auf Ruhegeld allein durch\nVersorgungsausgleich erhalt, nicht Teilnehmer des Versorgungswerks wird,\njedoch Versorgungsleistungen beanspruchen kann (Verweisung auf § 25 der\nSatzung). \n--- \n| 5 \n--- \n| Wie das OLG Stuttgart in einem gleichgelagerten Fall entschieden hat\n(Beschluss v. 01.10.2003, 11 UF 83/03, rechtskraftig), findet die Realteilung\nder beim Versorgungswerk der Architektenkammer Baden-Wurttemberg bestehenden\nAnrechte durch Halbierung des nichtdynamisierten, ehezeitbezogenen\nRentenanspruchs des Anwartschaftsberechtigten statt. Dem schließt sich der\nSenat an. Der Ausgleichsmechanismus der Realteilung entspricht damit im\nvorliegenden Fall demjenigen in der gesetzlichen Rentenversicherung gem. §\n1587 b Abs. 1 BGB (Rentensplitting). Diese Ausgleichsform ist zu wahlen,\nobgleich die Änderung der Versorgungssatzung nach dem gesetzlichen Ehezeitende\nerfolgt ist. Nach der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 1986, 976) sind Änderungen\neiner nichtgesetzlichen Versorgungsordnung, welche die Bewertung eines\nauszugleichenden Versorgungsanrechts betreffen, auch nach dem Ende der Ehezeit\nzu berucksichtigen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Zwar sind die Anrechte beim Versorgungswerk der Architektenkammer Baden-\nWurttemberg weder in der Anwartschafts- noch in der Leistungsphase\nvolldynamisch (BGH FamRZ 1991, 310). Die Dynamisierung des auszugleichenden\nAnrechts hat bei der hier vorzunehmenden Form der Realteilung nur zum Zwecke\nder Erstellung einer Versorgungsausgleichs-Bilanz und zur Ermittlung des\nausgleichspflichtigen Ehegatten zu erfolgen. Bei der Durchfuhrung der\nRealteilung spielt sie jedoch keine Rolle, wenn festgestellt wurde, dass der\nInhaber von Anwartschaften beim Versorgungswerk im Versorgungsausgleich der\nausgleichspflichtige Teil ist. Somit ergibt sich im vorliegenden Fall eine\nAusgleichspflicht im Rahmen der Realteilung von 1.142,65 EUR : 2 = 571,32 EUR. \n--- \n| 7 \n--- \n| Bei der Regelung des Familiengerichts betreffend den Ausgleich der\nAnwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung bleibt es. Dieser Teil\ndes Versorgungsausgleichs ist von der Beschwerde auch nicht betroffen. \n--- \nIII. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Kostenentscheidung fur das Verfahren in zweiter Instanz folgt, soweit\ndie Ehegatten betroffen sind, aus § 93a Abs. 1 S. 1 ZPO. Fur die weiteren\nVerfahrensbeteiligten gilt § 13a Abs. 1 S. 1 FGG. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 621e Abs. 2 i.V.m. § 543\nAbs. 2 ZPO. Die Frage der Durchfuhrung der Realteilung bezuglich Anrechten\nbeim Versorgungswerk der Architektenkammer Baden-Wurttemberg wurde seit der\nÄnderung der Versorgungssatzung hochstrichterlich noch nicht entschieden. Sie\nist von grundsatzlicher Bedeutung. \n---\n\n
132,442
olgstut-2005-01-13-2-u-13404
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
2 U 134/04
2005-01-13
2019-01-07 10:15:42
2019-02-12 13:10:02
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 20. Zivilkammer des\nLandgerichts Stuttgart vom 13.07.2004 - Az. 20 O 234/04 - wird\n\n> > zuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Beklagte tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDer Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung seitens des Klagers durch\nSicherheitsleistung in Hohe von 50.000,00 EUR abzuwenden, wenn nicht der\nKlager vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Hohe leistet.\n\n4\\. Die Revision wird zugelassen.\n\nGegenstandswert des Berufungsverfahrens: 3.200,-- EUR\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| **I.** \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager, ein in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 Abs. 1\nUKlaG eingetragener Verein, nimmt die Beklagte wegen einer in deren\nAllgemeinen Geschaftsbedingungen enthaltenen Preisanpassungsklausel auf\nUnterlassung in Anspruch. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Beklagte ist ein bundesweit tatiges Unternehmen, das u.a. mit Flussiggas\nhandelt und im Rahmen der Belieferungsvertrage auch Gasbehalter gegen\nNutzungsentschadigung zur Verfugung stellt. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Beklagte verwendet - gegenuber Verbrauchern - einen formularmaßigen\n„Flussiggas-Belieferungs-Vertrag" (Bl. 15 d.A.), der in Nr. 1 Abs. 1, S. 2\nregelt, dass die Kunden verpflichtet sind, ihren gesamten Bedarf an Flussiggas\nausschließlich bei der Beklagten zu decken. Außerdem enthalt der Vertrag\nfolgende Bestimmung: \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| **„ 4\\. Preisklausel fur Flussiggaslieferungen** \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Lieferung erfolgt frei Haus. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Wenn sich nach Abschluß des Vertrages die Gestehungspreise fur Flussiggas,\ndie Material-, Lohn-, Transport- und Lagerkosten oder die Mineralol- bzw.\nMehrwertsteuersatze andern, kann S im Umfang der Veranderung dieser\nKostenfaktoren pro Liefereinheit den vorstehend angegebenen derzeitigen\nGaspreis andern. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Wenn sich die vorgenannten kosten ermaßigen, kann der Kunde die\nNeufestsetzung des Preises im Rahmen der Veranderung der Kostenfaktoren\nverlangen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| ..." \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Klager hat vor dem Landgericht die Meinung vertreten, diese Preisklausel\nverstoße gegen das Transparenzgebot, weil die Abnehmer nicht in der Lage\nseien, bei Vertragsschluss den Umfang moglicher Preissteigerungen zu erkennen.\nAuch konne die Berechtigung in Rechnung gestellter Preiserhohungen nicht\nuberpruft werden. Die Regelung gewahre der Beklagten eine fur den Kunden nicht\nuberprufbare einseitige Preisfestlegungsmoglichkeit. Die Klausel erfasse\nmehrere Preisfaktoren, ohne dass der Kunde ersehen konne, wie die jeweiligen\nKosten den Lieferpreis beeinflussen. Daraus ergebe sich eine unzulassige\nBenachteiligung des Verbrauchers. Die Beklagte binde ihre Kunden außerdem\nlangfristig an sich und schotte damit den Markt ab. Ein angemessener, auch die\nBelange der Verbraucher berucksichtigender Interessenausgleich mache es\njedenfalls notwendig, den Abnehmern im Fall von Preiserhohungen eine\nKundigungsmoglichkeit einzuraumen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Klager hat beantragt: \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| 1\\. Der Beklagten bei Meidung eines fur jeden Fall der Zuwiderhandlung vom\nGericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise\nOrdnungshaft bis zu sechs Monaten, zu untersagen, als Flussiggaslieferant im\nZusammenhang mit Flussiggas-Belieferungs-Vertragen in den AGB\'en folgende\nKlausel gegenuber Verbrauchern zu verwenden und sich bei der Abwicklung\nbestehender Vertragsverhaltnisse auf diese Klausel zu berufen: \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Wenn sich nach Abschluss des Vertrages die Gestehungspreise fur Flussiggas,\ndie Material-, Lohn-, Transport- und Lagerkosten oder die Mineralol- bzw.\nMehrwertsteuersatze andern, kann S im Umfang der Veranderung dieser\nKostenfaktoren pro Liefereinheit den vorstehend angegebenen derzeitigen\nGaspreis andern. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Wenn sich die vorgenannten Kosten ermaßigen, kann der Kunde die\nNeufestsetzung des Preises im Rahmen der Veranderung der Kostenfaktoren\nverlangen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| 2\\. Dem Klager die Befugnis zuzusprechen, die Urteilsformel mit der\nBezeichnung des verurteilten Verwenders auf Kosten der Beklagten im\nBundesanzeiger, im Übrigen auf eigene Kosten, bekannt zu machen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Beklagte hat beantragt, \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Sie hat die Meinung vertreten, dass die von ihr verwendete\nPreisanpassungsklausel nicht beanstandet werden konne. In der Regelung seien\nalle preisbildenden Faktoren abschießend aufgefuhrt. Es sei sichergestellt,\ndass Preisanderungen nur im Rahmen effektiver Preis- und Kostenschwankungen\nerfolgen durften. Keinesfalls konne gefordert werden, dass bereits im Vertrag\ndie Preiskalkulation aufgedeckt werde. Vielmehr sei es ausreichend, wenn sich\nder interessierte Kunde durch Ruckfragen bei der Beklagten uber die\nKostenfaktoren informieren konne. Außerdem habe der Kunde ohnehin durch die\nBestimmung des Belieferungszeitpunkts die Moglichkeit, mitzubestimmen, welcher\nLieferpreis gelte. Der Kunde frage regelmaßig vor einer Bestellung nach dem\naktuellen Preis, er wisse daher, zu welchen Konditionen er das Flussiggas\ngeliefert bekomme. Daruber hinaus sei es in der Praxis ublich, dass der Preis\nvor der Lieferung individuell ausgehandelt werde. Ein Kundigungsrecht helfe\ndem Kunden ohnehin nicht, da andere Lieferanten die im Eigentum der Beklagten\nstehenden Gastanks gar nicht befullen durften. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemaß zur Unterlassung verurteilt,\nden Antrag auf Veroffentlichung der Urteilsformel jedoch abgewiesen. Zur\nBegrundung hat es ausgefuhrt, dass die beanstandete Klausel als\nPreisnebenabrede der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB unterliege und\ndieser nicht standhalte, weil nach dem Grundsatz der kundenfeindlichsten\nAuslegung angenommen werden musse, dass die Beklagte berechtigt sei, die\nPreise auf Grund der aktuellen Erhohung eines Kostenelements auch dann\nanzuheben, wenn sich zeitnah ein anderes Kostenelement ermaßigt habe. Eine\nderartige Berechtigung belaste die Kunden unangemessen. Dies auch deshalb,\nweil im Fall der Kostensenkung dem Kunden nur das Recht eingeraumt werde, eine\nPreisreduzierung zu verlangen, die Beklagte also keinesfalls ohne weiteres\nreagieren musse. Eine hinreichende Verknupfung mit dem Mechanismus der\nKostenerhohung sei nicht gewahrleistet. Insgesamt werde durch die Klausel der\nBeklagten das Recht eingeraumt, den bei Vertragsschluss vereinbarten Preis\neinseitig zu ihren Gunsten zu verandern, ohne zugleich auf Belange der Kunden\nRucksicht nehmen zu mussen. Den Antrag auf Veroffentlichung der Urteilsformel\nhat das Landgericht abgewiesen, weil die dafur notwendigen berechtigten\nBelange des Klagers oder der Verbraucher nicht ersichtlich seien. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen das landgerichtliche\nUrteil, soweit dieses der Klage stattgeben hat. Sie bringt vor, das\nLandgericht habe zu Unrecht den Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung\nangewendet. Dies sei falsch, weil die Formulierung bei der relevanten\nAuslegung nach dem Leitbild eines aufmerksamen und sorgfaltigen Teilnehmers am\nWirtschaftsverkehr nicht mehrdeutig sei. Es sei klar, dass sich die\nZulassigkeit einer Preisanpassung allein am Lieferzeitpunkt zu orientieren\nhabe. Aus der Überschrift der streitgegenstandlichen Klausel und aus dem\nZusammenhang der Preisanpassung mit dem Einleitungssatz, wonach die Lieferung\nfrei Haus erfolge, ergebe sich eindeutig, dass allein auf die Kostenanderungen\nzum Zeitpunkt der Lieferung abgestellt werden durfe. Es konne auch nicht\nangenommen werden, dass eine ausreichende Verknupfung von Kostenerhohungen und\n-ermaßigungen fehle. Die Preisanpassung erfasse bereits nach ihrem Wortlaut\neindeutig alle Kostenschwankungen und schließe daher samtliche Veranderungen,\nauch solche, die zu Preissenkungen fuhrten, ein. Es werde hinlanglich zum\nAusdruck gebracht, dass bei einer Preisanpassung samtliche Kostenfaktoren in\ndem Verhaltnis, wie sie der ursprunglichen Leistungsvereinbarung zugrunde\ngelegt wurden, zu berucksichtigen seien. Den Abnehmern werde lediglich\nzusatzlich das Recht eingeraumt, von sich aus eine Neufestsetzung des Preises\nbei Kostenermaßigungen zu verlangen. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| die Klage unter Abanderung des am 13.07.2004 verkundeten Urteils des\nLandgerichts Stuttgart - Az.: 20 O 234/04 - abzuweisen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Er verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen\nVortrags die angefochtene Entscheidung als richtig. Insbesondere konne -\nentgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht - keinesfalls angenommen\nwerden, dass die streitgegenstandliche Klausel die Preisanderung klar\ndefiniere. Vielmehr raume bereits deren Wortlaut der Beklagten sowohl in\nzeitlicher als auch sachlicher Hinsicht ein Ermessen ein, wodurch im Ergebnis\neine Entscheidung nach freiem Belieben ermoglicht werde. Daraus ergebe sich\nfur die Beklagte die Moglichkeit, Preisreduzierungen verspatet oder sogar gar\nnicht an ihre Kunden weiter zu geben. Bereits deshalb sei die Klausel\nunwirksam. Diese Einschatzung werde nicht durch das dem Abnehmer eingeraumte\nRecht, Preissenkungen zu verlangen, relativiert, weil eine effektive\nDurchsetzung dieser Berechtigung nicht moglich sei. Den Verbrauchern fehlten\nschon die notwendigen Informationen zu der Kostenstruktur im Unternehmen der\nBeklagten. Abgesehen davon erlaube es die Klausel der Beklagten auch, rein\nbetriebsinterne Kostenerhohungen zum Anlass fur Preisanpassungen zu nehmen.\nDamit werde der Beklagten eine weitere, unzulassige Dispositionsmoglichkeit\neingeraumt. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten\nSchriftsatze nebst Anlagen sowie auf den Tatbestand der angefochtenen\nEntscheidung und die Verhandlungsprotokollierung Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| **II.** \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die zulassige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die streitgegenstandliche Preisanpassungsklausel benachteiligt die Kunden\nder Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und ist\ndeshalb nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Die unangemessene Benachteiligung\nfolgt daraus, dass die Klausel der Beklagten das Recht einraumt, den\nvereinbarten Gaspreis unter nicht voraussehbaren und nicht nachvollziehbaren\nVoraussetzungen zu andern. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Die streitgegenstandliche Regelung unterliegt der Inhaltskontrolle (1),\ngenugt aber den (2) allgemein zu stellenden Anforderungen nicht und ist\ndeshalb (3) in ihrer konkreten Fassung unwirksam. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| 1\\. Die Klausel ist nicht gem. § 307 Abs. 3 BGB der Inhaltskontrolle\nentzogen. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Nicht kontrollfahig sind nur solche Vereinbarungen, die Art und Umfang der\nvertraglichen Hauptleistung und den dafur zu zahlenden Preis unmittelbar\nregeln. Deren Festlegung ist grundsatzlich Sache der Vertragsparteien. Das\ngilt aber nicht fur Nebenbestimmungen, die zwar mittelbare Auswirkungen auf\nPreis und Leistung haben, an deren Stelle aber, wenn eine wirksame\nvertragliche Regelung fehlt, dispositives Gesetzesrecht treten kann. Solche\nAbreden unterliegen der Inhaltskontrolle (BGH NJW 1985, 3013). \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Preisanpassungsklauseln sind derartige Nebenabreden (vgl. Palandt/Heinrichs,\nBGB, 64. Aufl., § 307 Rn. 60; Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9.\nAufl., Anh. §§ 9-11, Rn. 470). \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| 2\\. Zwar ist bei Dauerschuldverhaltnissen ein berechtigtes Interesse an\neiner Preisanpassungsklausel anzuerkennen (a), jedoch muss dem (b)\nTransparenzgebot - auch unter Berucksichtigung des (c) Grundsatzes der\nkundenfeindlichsten Auslegung - Rechnung getragen werden. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| a) Der Beklagten ist zwar darin beizupflichten, dass bei langfristigen\nVertragsverhaltnissen ein anerkennenswertes Interesse der Parteien besteht,\ndie bei Vertragsschluss zugrunde gelegte Relation von Leistung und\nGegenleistung uber die gesamte Vertragsdauer im Gleichgewicht zu halten.\nDeshalb sind neben Wertsicherungsklauseln, die den Wertverfall der\nGegenleistung ausgleichen sollen, auch Kostenelementklauseln, bei denen die\nPreise auf der Grundlage der Entwicklung von Kostenelementen angepasst werden,\ngrundsatzlich zulassig. Dadurch wird einerseits dem Verwender das Risiko\nlangfristiger Kalkulation abgenommen und seine Gewinnspanne kann trotz\nnachtraglicher ihn belastender Kostensteigerungen gesichert werden,\nandererseits wird aber auch der Vertragspartner davor bewahrt, dass der\nVerwender mogliche kunftige Kostenerhohungen vorsorglich schon bei\nVertragsschluss durch Risikozuschlage aufzufangen versucht (st. Rspr.; etwa\nBGH NJW 1990, 115, 116; 1982, 331). \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Bei Vertragsverhaltnissen, mit denen sich ein Unternehmen auf Jahre zur\nstandigen Belieferung des Kunden verpflichtet, liegt ein anerkennenswertes\nBedurfnis nach einer Anpassung des Preises auf der Hand. Dies umso mehr, wenn\neine Branche in Rede steht, die, wie hier, stark von instabilen\nRohstoffpreisen abhangt. Es besteht deshalb kein Zweifel daran, dass eine\nPreisanpassung gerade auch im Bereich der „Flussiggasbranche" zulassig sein\nmuss, weil der Flussiggaspreis - ebenso wie der Heizolpreis - dauernden und\nwesentlichen Schwankungen unterliegt (vgl. auch BGHZ 93, 252, 258 f.). \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Nicht verkannt werden darf allerdings, dass das Bedurfnis der Kunden eines\nVerwenders nach Schutz vor uberhohten Preisanderungen uber die Lange des\nBelieferungsvertrages ebenfalls steigen kann (vgl. dazu BGHZ 93, 252, 259). \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| b) Jedoch mussen - ungeachtet der grundsatzlichen Zulassigkeit -\nPreisanpassungsklauseln dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB\ngenugen. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Die vertragliche Regelung muss klar und verstandlich gefasst sein. Fur die\nWirksamkeit einer Klausel kommt es entscheidend darauf an, dass der\nVertragspartner des Verwenders den Umfang der auf ihn zukommenden\nPreissteigerungen bei Vertragsschluss aus der Formulierung der Klausel\nerkennen und die Berechtigung einer von dem Verwender vorgenommenen Erhohung\nan der Ermachtigungsklausel selbst messen kann (BGH NJW 2003, 746; 1986, 3134,\n3135; 1985, 2270 f.; OLG Brandenburg NJW-RR 2002, 1640, 1641). \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Das Transparenzgebot soll verhindern, dass der Verwender durch einen\nungenauen Tatbestand oder eine ungenaue Rechtsfolge ungerechtfertigte\nBeurteilungsspielraume in Anspruch nehmen kann. Die tatbestandlichen\nVoraussetzungen und die Rechtsfolgen der Klausel mussen fur den anderen\nVertragsteil aus der Sicht eines aufmerksamen und sorgfaltigen Betrachters\n(dazu BGH NJW 1985, 320, 321; Micklitz in Munchener Kommentar, BGB, 4. Aufl.\n[2001], § 13 AGBG Rn. 51; Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 307 Rn. 19) nachprufbar\nsein und durfen keine Irrefuhrung bewirken (OLG Dusseldorf BB 1997, 699). \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Einseitige Bestimmungsrechte, die sich ein Verwender vorbehalt, sind in\nbesonderer Weise geeignet, das Interesse des Vertragspartners an jederzeitiger\nKenntnis der vertraglichen Rechts- und Pflichtenlage unzumutbar zu\nbeeintrachtigen. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Das gilt unabhangig von den Beschrankungen, die bei einer Ausubung des\nBestimmungsermessens zu beachten sind, und des Schutzes, den die\nNachprufungsmoglichkeit nach den §§ 315 Abs. 3; 319 BGB gewahrt (dazu BGH NJW\n1986, 3134, 3136 m.w.N.; Brandner in Ulmer/Brandner/Hensen, a.a.O., § 9, Rn.\n100; Anh. §§ 9-11, Rn. 470 ff.; Staudinger/Waltjen, BGB, 2001, § 11 AGBG Rn.\n21). \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Es bedarf einer moglichst konkreten Festlegung der Voraussetzungen, unter\ndenen das Bestimmungsrecht entsteht, und der Richtlinien, nach denen es\nauszuuben ist. Ein Preisanderungsvorbehalt halt im Geschaftsverkehr mit\nVerbrauchern der Inhaltskontrolle grundsatzlich nur stand, wenn fur die\nPreisanpassung konkrete Regelungen getroffen werden (Brandner in\nUlmer/Brandner/Hensen, a.a.O., Anh. §§ 9-11, Rn. 471 f.). \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Nur soweit eine weitere Konkretisierung des Bestimmungsmaßstabs dem\nVertragspartner keine genauere Information uber das, was er zu erwarten habe,\nzu vermitteln vermag, kann darauf verzichtet werden (dazu Brandner in\nUlmer/Brandner/Hensen, a.a.O., § 9, Rn. 100). \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Es muss außerdem verhindert werden, dass nachtraglich der im\nÄquivalenzverhaltnis zwischen Leistung und Gegenleistung enthaltene\nGewinnanteil erhoht wird. Fur Kostenelementklauseln bedeutet dies, dass es dem\nKlauselverwender grundsatzlich nur gestattet ist, die vereinbarte Vergutung im\nRahmen der Preis- und Kostensteigerungen zu andern (BGH NJW 1985, 855, 856;\nNJW-RR 1986, 211, 212 f.). \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Der Beklagten ist allerdings zuzugestehen, dass die Anforderungen an eine\nRegelung in Geschaftsbedingungen nicht uberspannt werden durfen. Die\nVerpflichtung, den Klauselinhalt klar und verstandlich zu formulieren, besteht\nnur im Rahmen des Moglichen (BGHZ 93, 252, 262 f.). Das Transparenzgebot\nzwingt den Verwender nicht, jede allgemeine Geschaftsbedingung gleichsam mit\neinem Kommentar zu versehen (BGHZ 112, 115, 119; 93, 252, 262 f.; NJW 1998,\n3114, 3116; Staudinger/Waltjen, a.a.O., § 11 AGBG Rn. 21; Basedow in Munchener\nKommentar, BGB, 4. Aufl. [2003], § 309 Rn. 21). \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| c) Bei der Prufung der Wirksamkeit der Klausel ist in Anlehnung an die\nUnklarheitsregel des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB auf die kundenfeindlichste\nAuslegungsmoglichkeit abzustellen, ohne dass jedoch vollig fernliegende\nInterpretationen, von denen Storungen des Rechtsverkehrs ernstlich nicht zu\nbesorgen sind, zu berucksichtigen waren (BGH NJW 1999, 276, 277; 1994, 1798,\n1799; 1993, 1133, 1135; OLG Brandenburg NJW-RR 2002, 1640). Wenn in diesem\nRahmen eine Formulierung mehrdeutig ist, unterliegt sie der gebotenen\nkundenfeindlichsten Auslegung (BGH Urt. v. 19.11.2002 - Az. X ZR 243/01; Ulmer\nin Ulmer/Brandner/Hensen, a.a.O., § 5 AGBG Rn. 5 ff. m.w.N.). Dabei ist\nebenfalls das Leitbild eines aufmerksamen und sorgfaltigen Teilnehmers am\nWirtschaftsverkehr maßgebend (BGH NJW 1985, 320, 321; Micklitz, a.a.O., § 13\nAGBG Rn. 51). \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| 3\\. Die von der Beklagten verwendete Preisanderungsklausel genugt diesen\nAnforderungen nicht. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Ein Kunde wird nicht ausreichend in die Lage versetzt, Grund und Umfang von\nPreiserhohungen erkennen und abschatzen zu konnen. Auch kann er die\nBerechtigung einer durchgefuhrten Erhohung nicht auf zumutbare Art und Weise\nuberprufen. Der Beklagten wird ein unzulassiger Ermessensspielraum gewahrt. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| a) Auf Grund der Klausel ist eine Anpassung des Flussiggaspreises in das\nBelieben der Beklagten gestellt. Das fuhrt zu einer unangemessenen\nBenachteiligung der Verbraucher. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| aa) Nach dem Wortlaut der Klausel „kann" eine Preisanpassung durchgefuhrt\nwerden. Die Befugnis zur Ausubung des damit eingeraumten Ermessens ist\numfassend formuliert, da lediglich vorausgesetzt wird, dass sich „nach\nAbschluss des Vertrages die Gestehungspreise fur Flussiggas, die Material-,\nLohn-, Transport- und Lagerkosten oder die Mineralol- bzw. Mehrwertsteuersatze\nandern". Faktisch kann danach jederzeit eine Preisanpassung vorgenommen\nwerden. Es ist angesichts der weiten Formulierung in das Belieben der\nBeklagten gestellt, ob und wann sie auf eine Änderung der Verhaltnisse\nreagiert. Objektive Kriterien, die zu einer Beschrankung dieser Befugnis\nfuhren konnten, insbesondere eine Bezugnahme auf einen bestimmten,\nprozentualen Umfang der Änderung, werden nicht genannt (vgl. auch\nKunth/Wollburg BB 1985, 230, 238; OLG Dusseldorf BB 1997, 699; LG Dusseldorf\nVuR 1990, 288). \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Dass tatsachlich die Anwendung der Klausel im Belieben der Beklagten steht,\nzeigt auch ihre Einlassung, da sie selbst vortragt (Bl. 36 f. d.A.), dass sie\nsich bewusst von der Entwicklung der Marktpreise abkoppele, um\nPreisschwankungen abzufangen. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| bb) Es wird auch nicht eindeutig geregelt, dass dann, wenn sich die Beklagte\nzu einer Preisanpassung entschließt, dies zwingend im Rahmen einer exakten\nBerechnung samtlicher Änderungsfaktoren und Änderungsgroßen geschehen muss. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Es fehlt bereits an einer hinreichend klaren Beschreibung der relevanten\nBezugsgroßen. Auch insofern wirkt sich aus, dass die Anpassungsklausel nur\nvage die Voraussetzungen und Rechtsfolgen einer Preis- und Kostenanderung\numschreibt (vgl. dazu Kunth/Wollburg, a.a.O., 237 f.). \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| So ist etwa unklar, wie die allgemeinen Geschaftskosten der Beklagten, die\nnicht nur im Bereich des Flussiggasvertriebs tatig ist, gerade auf diesen\nUnternehmensbereich aufgeschlusselt werden. Derartige betriebsinterne\nKostenverteilungen sind außerdem nicht unveranderlich. Dieser Aspekt wirkt\nsich gerade bei langen Laufzeiten, die vorliegend in Rede stehen, aus. Wie\ndiese Veranderungen rechnerisch erfasst werden sollen, ist offen. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| Außerdem werden die Kunden nicht daruber aufgeklart, in welcher Weise die\nsogenannten „Gestehungspreise" Einfluss auf eine Preiserhohung haben sollen,\nwobei daruber hinaus unklar ist, wie der Begriff der „Gestehungspreise"\nauszulegen ist. Diese Unklarheit wirkt sich insbesondere deshalb negativ aus,\nweil die Preisbildung - wie die Beklagte im Verhandlungstermin bestatigt hat -\nstark von den Rohstoffpreisen abhangt und diese deutlichen Schwankungen\nunterliegen. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Im Übrigen ist die Klausel fur den Kunden mit nicht kalkulierbaren\nUnsicherheiten verbunden, da die Preisschwankungen im Bereich der Material-,\nLohn-, Transport- und Lagerkosten ganz wesentlich von unternehmensinternen\nEntscheidungen abhangen. Es wird nicht auf Marktpreise, sondern auf\nKostenentwicklungen abgestellt, die entscheidend auch von der Willensbildung\ndes Unternehmers abhangen. So konnen im Bereich des Faktors „Lohne" neben dem\nUmstand der Tariflohnerhohung freiwillige Gratifikationen, Erhohungen der\nMitarbeiterprovisionen oder ahnliches eine Rolle spielen. Es bleibt fur den\nKunden vollig undurchschaubar, wann, aus welchen Grunden und in welchem Umfang\nLohnerhohungen zu hoheren Gaspreisen fuhren. Ähnliches gilt fur die ubrigen in\nder Klausel genannten Kostenfaktoren (vgl. insg. dazu auch OLG Dusseldorf BB\n1997, 699; LG Dusseldorf VuR 1990, 288, 289). \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| cc) Der Beklagten wird durch die Preisanpassungsklausel die fur den Kunden\nnicht kalkulierbare Befugnis eingeraumt, allein durch eine (willkurliche)\nBestimmung des Zeitpunkts, ob und wann gestiegene Marktpreise oder Kosten\numgelegt werden sollen, ungerechtfertigte Gewinne zu Lasten des Kunden zu\nerzielen. So kann sie etwa gestiegene Preise auf den Kunden sofort, d.h. auch\ndann umlegen, wenn sie noch uber Vorrate verfugt, die sie zu einem geringeren\nPreis eingekauft hat, zwischenzeitliche Hochpreissituationen damit uberbrucken\nund erst dann kaufen, wenn die von ihr zu zahlenden Preise gefallen sind. \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| Insbesondere ist die Beklagte aber auch nicht gehalten, auf eine rucklaufige\nKostensituation zu reagieren. Vielmehr kann sie eine Senkung der Preise ohne\nweiteres umgehen. Da aufgrund der weiten Formulierung der Klausel eine\nverlassliche Vorausberechnung nicht moglich ist, wird die Beklagte immer die\nMoglichkeit haben, die Preise starker zu erhohen, als dies tatsachlich durch\neine Veranderung der Kosten veranlasst wurde, entweder indem Preissteigerung\nbei einzelnen Gestehungspreisen oder Kosten uberproportional berucksichtigt\nwerden, oder aber Kostenermaßigungen keine angemessene Berucksichtigung\nfinden. \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| Infolgedessen kann die Beklagte einerseits auch dann einen hoheren Gaspreis\nberechnen, wenn erhohte Gestehungspreise von ihr effektiv gar nicht bezahlt\nwerden mussten. Andererseits ist sie nicht gezwungen, einen sinkenden\nGestehungspreis an die Kunden weiter zu leiten. \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| dd) Die Moglichkeit einer willkurlichen Handhabung der Preisanpassung wird -\nentgegen der Ansicht des Beklagtenvertreters - nicht durch eine klare\nDefinition des fur die Preisbildung maßgeblichen Zeitpunktes ausgeraumt. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| (1) Die Klausel stellt keinesfalls mit hinreichender Deutlichkeit allein auf\nden Zeitpunkt der Belieferung ab. \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| Nach deren Wortlaut ist allein eine Veranderung der Verhaltnisse nach\nVertragsabschluss maßgebend. Die Überschrift der Regelung stellt - im\nGegensatz zur Behaltermiete, die in Ziff. 6 des Vertragsformulars geregelt ist\n- lediglich eine sachliche Beschrankung der Preisklausel auf die Lieferung von\nFlussiggas dar. Eine zeitliche Festlegung fur die Preisanpassung ist damit\nnicht verbunden. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| (2) Ein direkter Bezug allein auf den Lieferzeitpunkt ware im Übrigen\nohnehin nicht praktikabel, weil Lieferanten bei der Abwicklung eines Auftrages\nzeitlich gar nicht uber eine Vergutungsanpassung entscheiden konnten. Die\nBeklagte kann bei Bestellung des Flussiggases durch den Verbraucher nicht\nwissen, welches Preisniveau zur Zeit der - spater stattfindenden - Lieferung\nbesteht. Dann aber ist es ihr auch nicht moglich, sich bei der Preisanpassung\nan diesem Niveau zu orientieren. \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| Folgerichtig hat die Beklagte in der mundlichen Verhandlung vor dem Senat\neingeraumt, dass sie die Preisanpassung keinesfalls taggenau, sondern\nlediglich von Zeit zu Zeit vornimmt und ihr Flussiggas auf der Grundlage von\nhausinternen Preislisten angeboten wird, die in erster Linie in Abhangigkeit\nvom Marktpreis fur Rohol erstellt werden. Die vom Beklagtenvertreter in den\nRaum gestellte, auf den Lieferzeitpunkt bezogene Preisbildung unter\nBerucksichtigung samtlicher Kostenelemente kann und wird im Unternehmen der\nBeklagten nicht praktiziert. \n--- \n--- \n| 66 \n--- \n| ee) Da eine eindeutige Handhabung der Klausel nicht moglich ist, ist nach\nder kundenfeindlichsten Auslegung zu Lasten der Beklagten als Verwenderin\ndavon auszugehen, dass fur sie die Moglichkeit besteht, durch eine\nwillkurliche Bestimmung des Zeitpunktes einer Preisanpassung ungerechtfertigte\nGewinne auf Kosten des Kunden zu erzielen. Die Beklagte wird, wie dargelegt,\nnicht daran gehindert, gestiegene Preise sofort auf den Kunden umzulegen, auch\nwenn sie noch uber Vorrate verfugt, die sie zu einem geringeren Preis\neingekauft hat. Sie kann zwischenzeitliche Hochpreissituationen uberbrucken\nund erst dann kaufen, wenn die von ihr zu zahlenden Preise wieder gefallen\nsind, und trotzdem die „Preissteigerungen" an ihre Kunden weiterreichen. \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| b) Die Preisanpassungsregelung ist auch deshalb zu beanstanden, weil die\nKunden der Beklagten keine Moglichkeit haben, die Berechtigung einer Erhohung\ndes Gaspreises unter Ruckgriff auf Erkenntnisquellen, die in zumutbarer Art\nund Weise zuganglich sind, zu uberprufen. \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| Dies gilt bereits im Hinblick auf die in der Formularklausel erwahnten\n„Gestehungspreise fur Flussiggas", weil fur die Kunden nicht ersichtlich ist,\nwann und zu welchem Preis die Beklagte sich mit Flussiggas am Markt eingedeckt\nhat. \n--- \n--- \n| 69 \n--- \n| Soweit sich die Klausel auf die Material-, Lohn-, Transport- und Lagerkosten\nbezieht, kann der Kunde etwaige Veranderungen erst recht nicht kontrollieren,\nweil dazu betriebsinterne Informationen erforderlich waren, die weder\nallgemein zuganglich sind noch - wenn uberhaupt - auf zumutbare Art und Weise\nin Erfahrung gebracht werden konnen. \n--- \n--- \n| 70 \n--- \n| Auch dies stellt eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 BGB\ndar (vgl. auch OLG Dusseldorf BB 1997, 699, 700). \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| c) Die in der Klausel fur den Kunden vorgesehene Moglichkeit, eine\nNeufestsetzung des Preises im Rahmen der Veranderungen der Kostenfaktoren zu\nverlangen (dazu OLG Hamm NJW-RR 1987, 1140, 1141), stellt bereits deshalb\nkeine ausreichende Kompensation fur die unangemessene Benachteiligung dar,\nweil fur ihn aufgrund der unbestimmten Formulierung nicht hinreichend\nersichtlich ist, inwieweit sich die Kostenstruktur uberhaupt verandert hat.\nDie Regelung ist daher nicht geeignet, die Angemessenheit der\nPreisanpassungsregelung herbeizufuhren. \n--- \n--- \n| 72 \n--- \n| d) Die Klausel lasst sich auch nicht deshalb rechtfertigen, weil keine\ngenauere, transparentere Regelung moglich ware. \n--- \n--- \n| 73 \n--- \n| Dass Preisanpassungsklauseln hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und\nRechtsfolgen praziser gefasst werden konnen, zeigen etwa die in der\nStromwirtschaft ublichen Formulierungen (dazu etwa de Wyl/Essig/Holtmeier in\nSchneider/Theobald, Handbuch zum Recht der Energiewirtschaft, 2003, § 10 Rn.\n393 ff. m.w.N.; vgl. auch Kunth/Wollburg, a.a.O., 230 ff.). Bei derartigen\nPreisanpassungsklauseln ist der Verwender auch nicht zur Preisgabe seiner\neigenen Kalkulation, die nach dem Transparenzgebot grundsatzlich nicht\noffengelegt werden muss (dazu BGH NJW 1997, 3166 f.), gezwungen. \n--- \n--- \n| 74 \n--- \n| Dem Umstand, dass bei Kostenelementklauseln ein genaues Abbild der einzelnen\nKosten zu unpraktikablen und intransparenten Vereinbarungen fuhren wurde, wird\nim Übrigen dadurch Rechnung getragen, dass eine gewisse Unscharfe in der\nGewichtung der Faktoren hinzunehmen ist (vgl. de Wyl/Essig/Holtmeier, a.a.O.,\nRn. 398). Damit ist aber nicht die von der Beklagten gewahlte vollig offene\nund unbestimmte Formulierung der Regelung zu rechtfertigen. \n--- \n--- \n| 75 \n--- \n| Nach allem war die Berufung der Beklagten zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 76 \n--- \n| **III.** \n--- \n--- \n| 77 \n--- \n| 1\\. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO. \n--- \n--- \n| 78 \n--- \n| 2\\. Die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708\nNr. 10; 711 ZPO. Die Hohe der Sicherheitsleistung war unter Berucksichtigung\ndes Umstandes zu bestimmen, dass nach den Ausfuhrungen der Beklagten bei einer\nungerechtfertigten Zwangsvollstreckung der Eintritt hoher Schaden droht (vgl.\nauch Ahrens/Jestaedt, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl., Kap. 35, Rn. 20). \n--- \n--- \n| 79 \n--- \n| 3\\. Der Senat hat gem. § 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO die Revision\nzugelassen, da uber klarungsbedurftige Rechtsfragen, die angesichts des\nVerbreitungsgrades der streitgegenstandlichen Preisanpassungsklausel in einer\nunbestimmten Vielzahl von Fallen auftreten konnen, zu entscheiden war. Die\nrechtliche Beurteilung der Klausel erscheint als noch nicht hinreichend\nhochstrichterlich abgesichert (vgl. dazu auch Hensen in Ulmer/Brandner/Hensen,\na.a.O., § 15 Rn. 29). \n--- \n--- \n| 80 \n--- \n| 4\\. Nach der st. Rspr. des BGH (NJW-RR 2003, 1694; 2001, 352; 1997, 884;\n1991, 179) bemisst sich das Interesse der Prozessparteien im Verbandsprozess\nausschließlich nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung der\ngesetzwidrigen AGB-Bestimmung (vgl. auch Hensen in Ulmer/Brandner/Hensen,\na.a.O., § 15 Rn. 31). Der Senat sah sich daher nicht veranlasst, den\nStreitwert abweichend von der landgerichtlichen Beurteilung festzusetzen,\nobwohl die Beklagte als Rechtsmittelfuhrerin geltend macht, ihr\nFlussiggasvertrieb stehe und falle mit der streitgegenstandlichen\nPreisanpassungsklausel. \n--- \n---\n\n
133,881
ag-kenzingen-2004-02-19-1-c-22203
53
Amtsgericht Kenzingen
ag-kenzingen
Kenzingen
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Amtsgericht
1 C 222/03
2004-02-19
2019-01-07 10:35:15
2019-01-17 11:53:50
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Klage wird abgewiesen.\n\n2\\. Der Klager tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n4\\. Eine Berufung gegen das Urteil wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| (von der Darstellung des Tatbestandes wird gemaß § 495 a ZPO abgesehen) \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 2 \n--- \n| Die Klage zulassig, indes jedoch nicht begrundet. Der Klager kann von dem\nBeklagten nicht die Bezahlung seiner Honorarnote uber 232 Euro vom 11.09.2002\nfordern. \n--- \n| 3 \n--- \n| Als Rechtsgrundlage fur den klagerischen Gebuhrenanspruch kame im\nvorliegenden Fall nur § 675 BGB i.V.m. § 612 Abs. 1 BGB in Betracht. Entgegen\nder Auffassung des Klagers kann dieser seinen Vergutungsanspruch jedoch nicht\nauf § 612 BGB stutzen. Hierbei wird zwar nicht verkannt, dass bei der\nInanspruchnahme einer Dienstleistung, die zum Beruf des Dienstpflichtigen\ngehort, grundsatzlich von einer Vergutungspflicht auszugehen ist. Dies gilt\njedoch nicht ausnahmslos, vielmehr ist im Einzelfall zu prufen, ob die\nerbrachten Dienstleistungen den Umstanden nach nur gegen eine Vergutung zu\nerwarten sind. Die vorliegend feststehenden Umstande rechtfertigen eine solche\nErwartung des Klagers indes nicht. Nach der durchgefuhrten Beweisaufnahme ist\ndavon auszugehen, dass zwischen den Parteien, insbesondere zwischen dem Klager\nund dem Bruder des Beklagten seit der Schulzeit enge freundschaftliche\nBeziehungen bestanden haben. Mit Blick auf das unstreitig bestandene\nFreundschaftsverhaltnis zwischen den Parteien kann nicht ohne weiteres\nstillschweigend auf eine Entgeltlichkeit der klagerischen Beratungstatigkeit\ngeschlossen werden. Im Gegenteil, das freundschaftliche Verhaltnis zwischen\nden Parteien bzw. zwischen dem Klager und dem Bruder des Beklagten sowie auch\nder Umstand, dass die Beratung im privaten Anwesen des Klagers stattgefunden\nhat, sind vielmehr Indizien fur die Unentgeltlichkeit der Tatigkeit. Aufgrund\ndieser Umstande hatte der Klager nach Treue und Glauben (§ 242 BGB) ungefragt\ndarauf hinweisen mussen, dass er eine Vergutung fordern und berechnen will,\nwas jedoch nicht geschehen ist. Hatte der Klager die Entgeltlichkeit seiner\nBeratungstatigkeit rechtlich erheblich machen wollen, hatte er dies\nausdrucklich als vertragliche Bedingung in das Vertragsverhaltnis einfugen\nmussen. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Bereicherungsrechtliche Anspruche des Klagers sind ebenso nicht gegeben.\nFur einen solchen Anspruch musste schlussig dargelegt und gegebenenfalls\nbewiesen werden, ob und in welcher Hohe der Beklagte durch die\nDienstleistungen des Klagers ungerechtfertigt bereichert wurde. Die Klage war\ndaher mit der Kostenfolge des § 91 ZPO als unbegrundet abzuweisen. Die\nsonstigen prozessualen Nebenentscheidungen haben ihre Rechtsgrundlage in den\n§§ 708 Nr. 11, 713 und 511 ZPO. \n--- \n| 5 \n--- \n| Eine Berufung gegen das Urteil war vorliegend nicht zuzulassen. Nach § 511\nAbs. 4 ZPO ist die Berufung nur dann zuzulassen, wenn die Rechtssache\ngrundsatzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die\nSicherung einer einheitlichen Besprechung eine Entscheidung des\nBerufungsgerichts erfordert. Keiner dieser Gesichtspunkte ist vorliegend\njedoch gegeben. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 2 \n--- \n| Die Klage zulassig, indes jedoch nicht begrundet. Der Klager kann von dem\nBeklagten nicht die Bezahlung seiner Honorarnote uber 232 Euro vom 11.09.2002\nfordern. \n--- \n| 3 \n--- \n| Als Rechtsgrundlage fur den klagerischen Gebuhrenanspruch kame im\nvorliegenden Fall nur § 675 BGB i.V.m. § 612 Abs. 1 BGB in Betracht. Entgegen\nder Auffassung des Klagers kann dieser seinen Vergutungsanspruch jedoch nicht\nauf § 612 BGB stutzen. Hierbei wird zwar nicht verkannt, dass bei der\nInanspruchnahme einer Dienstleistung, die zum Beruf des Dienstpflichtigen\ngehort, grundsatzlich von einer Vergutungspflicht auszugehen ist. Dies gilt\njedoch nicht ausnahmslos, vielmehr ist im Einzelfall zu prufen, ob die\nerbrachten Dienstleistungen den Umstanden nach nur gegen eine Vergutung zu\nerwarten sind. Die vorliegend feststehenden Umstande rechtfertigen eine solche\nErwartung des Klagers indes nicht. Nach der durchgefuhrten Beweisaufnahme ist\ndavon auszugehen, dass zwischen den Parteien, insbesondere zwischen dem Klager\nund dem Bruder des Beklagten seit der Schulzeit enge freundschaftliche\nBeziehungen bestanden haben. Mit Blick auf das unstreitig bestandene\nFreundschaftsverhaltnis zwischen den Parteien kann nicht ohne weiteres\nstillschweigend auf eine Entgeltlichkeit der klagerischen Beratungstatigkeit\ngeschlossen werden. Im Gegenteil, das freundschaftliche Verhaltnis zwischen\nden Parteien bzw. zwischen dem Klager und dem Bruder des Beklagten sowie auch\nder Umstand, dass die Beratung im privaten Anwesen des Klagers stattgefunden\nhat, sind vielmehr Indizien fur die Unentgeltlichkeit der Tatigkeit. Aufgrund\ndieser Umstande hatte der Klager nach Treue und Glauben (§ 242 BGB) ungefragt\ndarauf hinweisen mussen, dass er eine Vergutung fordern und berechnen will,\nwas jedoch nicht geschehen ist. Hatte der Klager die Entgeltlichkeit seiner\nBeratungstatigkeit rechtlich erheblich machen wollen, hatte er dies\nausdrucklich als vertragliche Bedingung in das Vertragsverhaltnis einfugen\nmussen. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Bereicherungsrechtliche Anspruche des Klagers sind ebenso nicht gegeben.\nFur einen solchen Anspruch musste schlussig dargelegt und gegebenenfalls\nbewiesen werden, ob und in welcher Hohe der Beklagte durch die\nDienstleistungen des Klagers ungerechtfertigt bereichert wurde. Die Klage war\ndaher mit der Kostenfolge des § 91 ZPO als unbegrundet abzuweisen. Die\nsonstigen prozessualen Nebenentscheidungen haben ihre Rechtsgrundlage in den\n§§ 708 Nr. 11, 713 und 511 ZPO. \n--- \n| 5 \n--- \n| Eine Berufung gegen das Urteil war vorliegend nicht zuzulassen. Nach § 511\nAbs. 4 ZPO ist die Berufung nur dann zuzulassen, wenn die Rechtssache\ngrundsatzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die\nSicherung einer einheitlichen Besprechung eine Entscheidung des\nBerufungsgerichts erfordert. Keiner dieser Gesichtspunkte ist vorliegend\njedoch gegeben. \n---\n\n
134,023
olgkarl-2006-02-02-12-u-26305
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
12 U 263/05
2006-02-02
2019-01-07 10:36:38
2019-02-12 12:17:04
Urteil
## Tenor\n\n> 1. | | Die Berufung des Klagers gegen das Urteil des Landgerichts Baden-Baden vom 16.09.2005 - 2 O 422/04 - wird zuruckgewiesen. \n> ---|---|--- \n \n> 2. | | Der Klager hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. \n> ---|---|--- \n \n> 3. | | Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. \n> ---|---|--- \n \n> 4. | | Die Revision wird nicht zugelassen. \n> ---|---|--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \nI. \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager begehrt vom beklagten Rechtsschutzversicherer Deckungszusage fur\neine Schadensersatzklage. Dem Vertrag mit der Beklagten liegen die ARB 94\nzugrunde. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Bei einem Verkehrsunfall am 28.04.2001 zog sich der Klager eine HWS-\nDistorsion und eine Commotio cerebri zu. Der Unfallgegner hatte die Vorfahrt\ndes Klagers missachtet. In der Folgezeit entwickelten sich beim Klager eine\npsychische Erkrankung, die zur seiner Arbeitsunfahigkeit fuhrte. Der Klager\nbegehrt vom Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers fur die Zeit von Mai\n2001 bis Juni 2004 Ersatz von Verdienstausfall in Hohe von (noch) EUR\n24.089,24 sowie ein Schmerzensgeld i. H. v. EUR 30.000,00. Weiterhin begehrt\ner die Feststellung, dass der Haftpflichtversicherer verpflichtet sei, ihm aus\ndem Unfallereignis samtliche kunftigen materiellen und immateriellen Schaden\nzu ersetzen, soweit diese nicht auf Sozialversicherungstrager ubergegangen\nseien. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit seiner Berufsgenossenschaft befand sich der Klager im Streit, ob eine\nposttraumatische Belastungsstorung als Folge des Unfalls vom 28. April 2001\nbestehe. Bereits vorgerichtlich hatte die Berufsgenossenschaft arztliche\nStellungnahmen bzw. Gutachten eingeholt. Im sozialgerichtlichen Verfahren\nwurde der Facharzt Dr. S schriftlich als sachverstandiger Zeuge angehort. Es\nfolgten schriftliche Gutachten des Facharztes Dr. Bu sowie ein\nnervenarztliches Gutachten vom 12.08.2004 von Dr. Be. Die Klage wurde durch\nrechtskraftiges Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 10.03.2005 - S 10 U\n855/03 - abgewiesen. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Das Landgericht hat der Klage auf Deckungsschutz insoweit statt gegeben,\nals festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Klager fur die\nGeltendmachung von Schadensersatzanspruchen aus dem Unfallereignis vom\n28.04.2001 bis zur Hohe eines materiellen Schadens von EUR 14.000,00 und bis\nzu einem Schmerzensgeld von EUR 5.000,00 Versicherungsschutz zu gewahren. Die\nweitergehende Klage wurde abgewiesen, da die daruber hinaus gehende\nSchadensersatzklage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Unter\nAnwendung der Grundsatze von § 114 ZPO, sei vorliegend eine eingeschrankte\nVorwegnahme der Beweiswurdigung statthaft. Nach den bereits vorliegenden\nGutachten konne außerstenfalls davon ausgegangen werden, dass die beim Klager\nvorliegenden psychischen Storungen noch bis 27.04.2004 auf das Unfallgeschehen\nzuruckzufuhren seien. Verdienstausfall konne daher nur bis zum 27.04.2003\nbeansprucht werden, danach sei der Verdienstausfall nicht mehr durch den\nUnfall verursacht. Eine Schmerzensgeldklage konne vernunftigerweise lediglich\nbis zu einer Hohe von rund EUR 5.000,00 erhoben werden. Dagegen sei der\nFeststellungsantrag unbegrundet, da der Unfall nach dem 27.04.2003 fur die\npsychischen Beeintrachtigungen nicht mehr ursachlich sei. Auf die\ntatsachlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils wird Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit der Berufung verfolgt der Klager seine erstinstanzlichen Antrage bzgl.\nVerdienstausfall und Schmerzensgeld weiter. Er stellt folgende Antrage: \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Unter teilweiser Abanderung des am 16.09.2005 verkundeten Urteils des\nLandgerichts Baden-Baden, Aktenzeichen 2 O 422/04, wird das Urteil des\nLandgerichts Baden-Baden dahingehend abgeandert, dass festgestellt wird, dass\ndem Klager fur die Geltendmachung von Schadensersatzanspruchen aus dem\nUnfallereignis vom 28.04.2001 in O gegen die S-Versicherung bis zur Hohe eines\nmateriellen Schadens in Form von Verdienstausfall von EUR 24.089,24 und bis zu\neinem Schmerzensgeldanspruch von EUR 30.000,- Versicherungsschutz nach der\nMaßgabe der mit ihr unter der VersNr ... abgeschlossenen\nRechtsschutzversicherung zu gewahren ist. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Beklagte sei gemaß seinem Antrag verpflichtet, ihm Rechtsschutz fur\neine Schadensersatzklage zu gewahren. Entgegen der Auffassung des Landgerichts\nhabe die beabsichtigte Rechtsverfolgung schon deshalb hinreichende\nErfolgsaussicht, weil Streit uber Dauer und Ausmaß des unfallbedingten\nGesundheitsschadens des Klagers bestehe. Die streitigen Fragen nach der\nUnfallursachlichkeit fur die behaupteten psychischen Gesundheitsschaden und\nBeeintrachtigungen sowie deren Dauer seien im angestrebten Zivilprozess durch\ndie dort zur Verfugung stehenden Beweismittel - Einholung eines\nSachverstandigengutachtens- zu beantworten. In diesem Zusammenhang sei dann\neine Auseinandersetzung mit den vorliegenden Privatgutachten sowie den\nsozialgerichtlichen Gutachten erforderlich. Entgegen der Auffassung des\nLandgerichts sei Versicherungsschutz schon dann zu gewahren, wenn der\nRechtsstandpunkt, den der Versicherungsnehmer einnehme, zumindest vertretbar\nerscheine und die Moglichkeit einer Beweisaufnahme bestehe. Dies sei auf Grund\nder unterschiedlichen Auffassungen der Ärzte der Fall. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Berufung ist unbegrundet. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Klager greift das landgerichtliche Urteil insoweit nicht an, als auf\nGrundlage einer ab dem 27.04.2003 lediglich noch zu 20% bestehenden, zum\n27.04.2004 vollig entfallenden unfallbedingten Minderung der Erwerbsfahigkeit\nein Schmerzensgeld allenfalls mit EUR 5.000 und ein Verdienstausfall\nallenfalls mit noch EUR 14.000.- mit hinreichender Aussicht auf Erfolg geltend\ngemacht werden kann. Anlass, die erstinstanzlichen Feststellungen insoweit\nanzuzweifeln, besteht nicht. Auch Rechtsfehler sind nicht ersichtlich. Der\nKlager wendet sich allein gegen die Auffassung des Landgerichts, fur eine\nKlage, die sich auf nach dem 27.04.2003 fort und weiter bestehende hoheren\nunfallbedingte Beeintrachtigungen stutze, fehle eine hinreichende\nErfolgsaussicht. Dieser Berufungsangriff hat jedoch keinen Erfolg. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beklagte ist zur Gewahrung von Rechtsschutz lediglich in dem Umfang\nverpflichtet, als die beabsichtigte Klage hinreichende Aussicht auf Erfolg\nbietet (§ 18 Abs. 1 b ARB 94) Ob hinreichende Erfolgsaussichten in diesem\nSinne bestehen, beurteilt sich nach den zu § 114 ZPO entwickelten Grundsatzen\n(Senat VersR 1999, 613; Prolss/Martin VVG, 27. Auflage, § 1 ARB 75, Rn. 3,\nHarbauer/Bauer, Rechtsschutzversicherung, 7. Aufl. § 1 ARB 75 Rn. 33 ff).\nDanach besteht in der Regel hinreichende Erfolgsaussicht, wenn uber eine\nBehauptung Beweis zu erheben ist (Zoller, ZPO 25. Auflage, § 114 Rn. 26). Das\nLandgericht hat zutreffend ausgefuhrt, dass, auch wenn im vorliegenden Fall\nbereits eine Vielzahl von Begutachtungen (Privatgutachten und gerichtliche\nGutachten) vorliegen, nicht sicher davon ausgegangen werden kann, dass das\nZivilgericht im Schadensersatzprozess keine weitere Beweiserhebung zu der\nFrage, ob und in welchem Umfang die vom Klager behaupteten Schadensfolgen\ndurch das Unfallereignis verursacht worden sind, vornimmt. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Eine Beweiserhebung im Schadensersatzprozess ist vorliegend sogar\nwahrscheinlich, weil das sozialgerichtliche Urteil bei seinen Feststellungen\nzu Lasten des Klagers hinter den Ergebnissen des Gutachtens Dr. Be zuruck\ngeblieben ist, ohne dass der Sachverstandige zu den aus Sicht des\nSozialgerichts offenen Fragen erganzend angehort wurde. Fur den Zivilprozess\nist im Hinblick auf die Regelungen zum Sachverstandigenbeweis davon\nauszugehen, dass ohne eine Erganzung des Gutachtens Dr. Be die Feststellungen\ndes Sozialgerichts nicht zu Lasten des Klagers ubernommen werden konnen.\nDemgemaß hat das Landgericht die Erfolgsaussicht fur die Schadensersatzklage\nzutreffend an den Ergebnissen des Gutachtens Dr. Be ausgerichtet. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Daruber hinaus hat das Landgericht mit zutreffenden Erwagungen, denen der\nSenat sich anschließt, festgestellt, dass auch bei Einholung eines weiteren\nGutachtens im Schadensersatzprozess mit einem zugunsten des Klagers uber die\nFeststellungen des Gutachtens Dr. Be hinausgehenden Beweisergebnis nicht zu\nrechnen ist. Im Rahmen einer Prufung gem. § 114 ZPO ist eine solche\neingeschrankte vorweggenommene Beweiswurdigung zulassig. Das Verbot der\nBeweisantizipation gilt in strenger Form nur fur das Erkenntnisverfahren. Nur\ndort ist es unzulassig, Beweise zu wurdigen, bevor man sie erhoben hat (vgl.\nSenat ZfSch 2004, 322 = OLGR 2002, 139). Eine Beweisantizipation ist zulassig,\nwenn die Gesamtwurdigung aller schon feststehenden Umstande und Indizien eine\npositive Beweiswurdigung als ausgeschlossen erscheinen lasst (BVerfG NJW-RR\n2002 1069) und wenn eine vernunftig und wirtschaftlich denkende Partei, die\ndie Kosten selbst bezahlen musste, wegen des absehbaren Misserfolgs der\nBeweisaufnahme von einer Prozessfuhrung absehen wurde. Unzulassig ist dagegen\neine vorweggenommene Beweiswurdigung, wenn keine konkreten und\nnachvollziehbaren Anhaltspunkte dafur vorhanden sind, dass eine Beweisaufnahme\nsehr wahrscheinlich zum Nachteil der bedurftigen Partei ausgehen wird, da sie\ndem Gebot der Rechtsschutzgleichheit widersprechen wurde (vgl. BVerfG NJW\n2003, 2976). \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Das Gutachten Dr. Be, das gemaß § 411a ZPO im Schadensersatzprozess\nverwertet werden kann, stellt die fur den Klager gunstigste sachkundige\nÄußerung fur den Zeitraum nach dem 27.04.2003 dar. Eine Erfolgsaussicht fur\ndas im Schadensersatzprozess daruber hinausgehende Begehren konnte allenfalls\ndann bejaht werden, wenn der Klager Umstande aufzeigte, die Zweifel an den zu\nseinen Lasten gehenden Feststellungen des Gutachtens begrunden konnten. Nur in\ndiesem Fall ware ein dem Klager gunstiges Beweisergebnis als hinreichend\nwahrscheinlich anzusehen. Derartige Umstande hat der Klager, der schon das\nsozialgerichtliche Urteil hingenommen hat, weder aufgezeigt, noch ergeben sie\nsich aus den ubrigen vorliegenden arztlichen Stellungnahmen. Substantiierte\nEinwendungen (BGH NJW 1986, 1928) gegen das Gutachten Dr. Be hat der Klager\nfur den Schadensersatzprozess nicht angekundigt. \n--- \n--- \nIII. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Entscheidung uber die Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die\nEntscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10,\n713 ZPO. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Grunde fur eine Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht\nvor. \n--- \n---\n\n
134,213
olgstut-2008-02-14-20-w-1106
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
20 W 11/06
2008-02-14
2019-01-07 10:38:51
2019-02-12 12:17:15
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Auf die Beschwerden und Anschlussbeschwerden wird der Beschluss der 31.\nKammer fur Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 14. Juli 2006, 31 AktE\n21/04 KfH teilweise **abge andert** und unter Aufhebung der Festsetzung von\nGegenstandswerten insgesamt **neu gefasst** :\n\n> a) Der Antrag des unter der Nr. 32 gefuhrten Antragstellers „Nachlass J."\n> wird zuruckgewiesen.\n\n> b) Die von der Antragsgegnerin zu leistende Barabfindung gem. § 5 des\n> Beherrschungs- und Gewinnabfuhrungsvertrags vom 11.05.2004 wird auf 251,18\n> EUR je Stuckaktie festgesetzt.\n\n> c) Der von der Antragsgegnerin zu leistende feste Ausgleich gem. § 4 des\n> Beherrschungs- und Gewinnabfuhrungsvertrags vom 11.05.2004 wird auf 15,97\n> EUR je Stuckaktie abzuglich Korperschaftsteuerbelastung einschließlich\n> Solidaritatszuschlag in Hohe des jeweils geltenden gesetzlichen Tarifs\n> festgesetzt.\n\n> d) Die Antragsgegnerin tragt die Gerichtskosten und die außergerichtlichen\n> Kosten erster Instanz der Antragsteller mit Ausnahme der außergerichtlichen\n> Kosten des unter a) genannten Antragstellers.\n\n> e) Fur die erste Instanz wird der Geschaftswert auf 1.133.343,48 EUR\n> festgesetzt.\n\n2\\. Im Übrigen werden die Beschwerden und Anschlussbeschwerden zuruckgewiesen.\n\n3\\. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragt die Antragsgegnerin.\nAußergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.\n\n4\\. Der Geschaftswert fur das Beschwerdeverfahren wird auf 1.133.343,48 EUR\nfestgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| | **A.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Antragsteller sind oder waren Aktionare der IAG mit Sitz in S., die mit\nder Antragsgegnerin als herrschender Gesellschaft einen Beherrschungs- und\nGewinnabfuhrungsvertrags abgeschlossen hat. Die Antragsteller halten die den\naußenstehenden Aktionaren als Ausgleich oder Abfindung angebotenen Betrage fur\nnicht angemessen und sie begehren in diesem Spruchverfahren deshalb eine\nhohere Festsetzung. \n--- \n--- \n**I.** \n--- \n| 2 \n--- \n| Die IAG wurde 1923 gegrundet, um nach der Verlegung des S. Hauptbahnhofs\nfreigewordene Gleisflachen in der Innenstadt zu erwerben und zu bebauen. Sie\nist Eigentumerin mehrerer gewerblich genutzter Grundstucke im Stadtgebiet von\nS.. Zunachst bewirtschaftete sie Grundstucke im ehemaligen Gleisbereich, heute\nin Bahnhofsnahe zwischen K., L. und B. gelegen, spater erwarb sie weitere\nGrundstucke außerhalb dieses Gebiets hinzu, die ebenfalls mit gewerblich\ngenutzten Gebauden bebaut sind. Zu zwei Grundstucken hat die IAG Erbbaurechte\nvergeben, die ubrigen ihr gehorenden Immobilien sind vermietet, ebenso vier\nweitere Gebaude, die sie als Erbbauberechtigte auf stadtischen Grundstucken\nerrichtet hat (diese Angaben wie alle weiteren im Folgenden genannten Daten\nbeziehen sich auf die Verhaltnisse zum Zeitpunkt der Hauptversammlung vom\n07.07.2004, sofern nicht anders angegeben). \n--- \n| 3 \n--- \n| Die IAG tritt zusammen mit zwei weiteren ebenfalls in den Zwanziger-Jahren\ndes 20. Jahrhunderts gegrundeten Gesellschaften, der SAG und der BAG, sowie\nder gemeinsamen Tochter G GmbH unter der Bezeichnung „B. Gesellschaften" auf.\nDie IAG halt 57,58 % der Anteile an der BAG. Die G GmbH wurde von allen drei\nGesellschaften als gemeinsame Tochtergesellschaft gegrundet, die IAG halt\neinen Geschaftsanteil von 50 %. Die G GmbH ist Eigentumerin weiterer\nGeschaftsbauten im Zentrum von S.. Sie hat im Jahr 2000 aufgrund eines\nServicevertrags mit den drei B. Gesellschaften die Besorgung samtlicher\nGeschafte dieser Gesellschaften mit Ausnahme der Geschaftsfuhrung ubernommen.\nDie Vorstande bzw. Geschaftsfuhrer der drei Aktiengesellschaften und der G\nGmbH sind personenidentisch. \n--- \n| 4 \n--- \n| Das Grundkapital der IAG von 19.500.000 EUR ist in 750.000 Inhaber-\nStuckaktien aufgeteilt, wovon sich 43.293 Aktien (ca. 5,78 %) im Streubesitz\nbefunden haben. Die restlichen Aktien wurden von der Antragsgegnerin (ca.\n84,22 %) und der L. Holding GmbH (10 %), die ihrerseits mit 64,58 % an der\nAntragsgegnerin beteiligt ist, gehalten. Die Aktien der IAG werden im sog.\nTelefonhandel bei der V. gehandelt. \n--- \n| 5 \n--- \n| Durch Pressemitteilung der B. Gesellschaften vom 25.03.2004 wurde die\nAbsicht der Antragsgegnerin bekannt gegeben, einen Beherrschungs- und\nGewinnabfuhrungsvertrag mit der IAG abzuschließen. Der Vertrag wurde am\n11.05.2004 abgeschlossen und durch eine weitere Pressemitteilung vom\n13.05.2004 bekannt gegeben. Im Unternehmensvertragsbericht wurde auf der\nGrundlage eines von der ... Wirtschaftsprufungsgesellschaft ermittelten\nErtragswerts von 165,7 Mio. EUR ein anteiliger Ertragswert je Aktie von 221,04\nEUR angenommen. Im Unternehmensvertrag wurden eine Barabfindung von 225,00 EUR\nje Aktie und ein fester Ausgleich von 10,36 EUR je Aktie festgesetzt. Diese\nFestsetzungen wurden von den gerichtlich bestellten Vertragsprufern, der ...\nWirtschaftsprufungsgesellschaft, im Prufbericht vom 13.05.2004 als angemessen\nbestatigt. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Hauptversammlung der IAG vom 07.07.2004 stimmte dem Abschluss des\nBeherrschungs- und Gewinnabfuhrungsvertrags zu. Der Unternehmensvertrag wurde\nam 18.08.2004 im Handelsregister eingetragen, die Eintragung wurde letztmals\nam 28.08.2004 bekannt gemacht. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Antragsteller haben eine Erhohung der Barabfindung begehrt. Sie haben\ndie Festsetzung fur unangemessen gehalten, weil der durchschnittliche\nBorsenkurs im Zeitraum von drei Monaten vor der Hauptversammlung und ebenso\nein Liquidationswert des Unternehmens der IAG auf Basis der richtig zu\nermittelnden Grundstuckswerte uber seinem Ertragswert liege. Auch dieser sei\nzu niedrig angesetzt, weil die Ertragsuberschusse zu niedrig prognostiziert\nseien, u.a. wegen zu Unrecht angesetzter Personalkosten fur den Vorstand H.,\nder erst im Februar 2004 als zusatzliches drittes Vorstandsmitglied bestellt\nworden und bereits im November 2004 ersatzlos wieder ausgeschieden war.\nSchließlich haben die Antragsteller Einwendungen gegen die nach ihrer Ansicht\nfalsch angesetzten Parameter des Kapitalisierungszinssatzes vorgebracht. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Antragsgegnerin ist diesen Bewertungsrugen entgegen getreten. Zum\nStichtag sei das Ausscheiden des Vorstandsmitglieds H. nicht geplant oder\nsonst absehbar gewesen. Auch im Übrigen seien die Ertragsprognosen ebenso\nwenig zu beanstanden wie die Ansatze zum Kapitalisierungszinssatz. Kurse aus\ndem Aktienhandel bei der V. hatten wegen Marktenge außer Betracht zu bleiben.\nDer lediglich zur Plausibilisierung ermittelte Liquidationswert liege ohnehin\nunter dem Ertragswert, er sei außerdem deshalb nicht zu berucksichtigen, weil\ndas Unternehmen der IAG weder dauerhaft ertragslos noch seine Liquidation\nbeabsichtigt gewesen sei. \n--- \n| 9 \n--- \n| Zur Ermittlung des festen Ausgleichs war vor allem umstritten, mit welchem\nSatz der Ertragswert zu verzinsen sein soll. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n| 10 \n--- \n| Das Landgericht hat mit Beschluss vom 14.07.2006 die Barabfindung auf einen\nBetrag von 261,05 EUR je Aktie festgesetzt. Es hat die in den Planungs- und\nPrognoserechnungen angesetzten Personalkosten nach Einholung einer\nschriftlichen Zeugenaussage des ehemaligen (bei allen B. Gesellschaften\ntatigen) Vorstandsmitglieds H. ab 2005 um den auf die IAG entfallenden Anteil\nan seiner Vergutung, also um 55.000,-- EUR jahrlich, gekurzt. \n--- \n| 11 \n--- \n| Auf der Grundlage eines Basiszinses von 5,5 %, einer Marktrisikopramie von 4\n%, eines wegen der herausragenden Lage der Grundstucke von 0,23 auf 0,18\nherabgesetzten Beta-Faktors der IAG und eines typisierten\nEinkommensteuersatzes von 35 % hat das Landgericht einen\nKapitalisierungszinssatz von 4,04 % fur die Planjahre angenommen. Fur die\nfolgende Phase hat es einen von 1 % auf 1,25 % erhohten Wachstumsabschlag und\ndamit einen Kapitalisierungszinssatz von 2,79 % angesetzt. Dasselbe gilt fur\ndie Bewertung der Beteiligung an der BAG. Fur die Berechnung des Ertragswerts\nder G GmbH blieb es beim Betafaktor von 0,23, so dass sich bei im Übrigen\ngleichen Werten Zinssatze von 4,17 % und 2,92 % ergaben (vgl. auch Anl. 1 und\n2 zum angefochtenen Beschluss). \n--- \n| 12 \n--- \n| Den Liquidationswert hat das Landgericht fur nicht maßgeblich gehalten, weil\ndas Unternehmen weder liquidiert werden sollte noch auf Dauer ertragslos sei.\nWegen der fehlenden Borsennotierung der Aktien und des geringen Handels im\nTelefonhandel seien auch die gegenuber dem anteiligen Ertragswert hoheren\nKurse aus den dort erzielten Verkaufspreisen nicht zu berucksichtigen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Als festen Ausgleich hat das Landgericht aus dem von ihm ermittelten\nErtragswert unter Ansatz eines risikoadjustierten Zinssatzes einen erhohten\nBetrag von 11,53 EUR abgeleitet. \n--- \n--- \n**IV.** \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Antragsgegnerin hat Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt, weil sie\nder Ansicht ist, dass die Festsetzungen im Unternehmensvertrag angemessen und\ndeshalb vom Landgericht zu Unrecht hoher gesetzt worden seien. Die\nAntragssteller zu 1, 8, 9, 22, 24, 26 und 27 haben ebenfalls Beschwerde\neingelegt (die Beschwerden der Antragsteller zu 3 und 30 sind zuruckgenommen\nworden), die Antragsteller zu 2, 4, 10, 11, 13, 14, 28 und 33\nAnschlussbeschwerde. Sie halten den vom Landgericht angesetzten\nKapitalisierungszinssatz im Ergebnis fur noch zu hoch. Der Liquidationswert\nsei als Untergrenze des Unternehmenswerts zu Unrecht nicht berucksichtigt\nworden; dazu sei eine Grundstucksbewertung zu veranlassen, denn die von der\nAntragsgegnerin veranlassten Grundstuckswertermittlungen seien fehlerhaft. \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Antragsteller zu 13 wiederholt seinen Standpunkt, der Zinssatz fur die\nErmittlung des Ausgleichs konne bei richtiger Risikobetrachtung nicht\nherabgesetzt, sondern er musse allenfalls erhoht werden. \n--- \n--- \n**B.** \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Beschwerden sind zulassig, ebenso im Hinblick darauf, dass auch die\nAntragsgegnerin Beschwerde eingelegt hat, die Anschlussbeschwerden (vgl. dazu\nOLG Stuttgart NZG 2007, 237). \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Beschwerden und Anschlussbeschwerden sind nur teilweise begrundet. Da\nder Senat einige Parameter des Kapitalisierungszinssatzes abweichend vom\nLandgericht bestimmt, ist die Barabfindung niedriger als im angefochtenen\nBeschluss festzusetzen. Insoweit haben die von Antragstellerseite erhobenen\nBeschwerden und Anschlussbeschwerden, mit denen eine noch hohere Festsetzung\nder Kompensationen begehrt wurde, keinen Erfolg. Allerdings ergibt sich ein im\nVergleich zur landgerichtlichen Festsetzung geringfugig hoherer\nAusgleichsbetrag nach Steuern; zudem ist der feste Ausgleich nach der\nRechtsprechung des Bundesgerichtshofs als Bruttobetrag abzuglich der\njeweiligen Korperschaftssteuerbelastung festzusetzen. \n--- \n--- \n**C.** \n--- \n| 18 \n--- \n| Die angemessene Barabfindung ist auf einen Betrag von 251,18 EUR je IAG-\nAktie festzusetzen. \n--- \n--- \n**I.** \n--- \n| 19 \n--- \n| Dieser Abfindungsbetrag ergibt sich nach dem Ertragswertverfahren (hierzu\nOLG Stuttgart NZG 2007, 112, 114 ff; AG 2006, 420, 425), das auch im\nUnternehmensvertragsbericht im Grundsatz unbeanstandet fur die Bewertung\nherangezogen worden ist. Der Senat legt die Feststellungen der mit\nsachkundigen Handelsrichtern besetzten Kammer fur Handelssachen des\nLandgerichts zu den zu prognostizierenden Zukunftsertragen zugrunde und nimmt\nauf die Ausfuhrungen im angefochtenen Beschluss Bezug, soweit nicht das\nkonkrete Beschwerdevorbringen die nachfolgenden Erganzungen veranlasst (1.).\nDiese Ertrage sind mit dem vom Senat angesetzten Kapitalisierungszinssatz zu\ndiskontieren (2). \n--- \n| 20 \n--- \n| Dabei ist fur die Tatsachenfeststellung zur Unternehmens- und\nAnteilsbewertung in Spruchverfahren § 287 Abs. 2 ZPO auch im Hinblick darauf\nanwendbar, dass jede Bewertung in diesem Bereich naturgemaß nur eine mit\nUnsicherheiten behaftete Schatzung und keine punktgenaue Messung sein kann\n(vgl. auch § 738 Abs. 2 BGB, § 260 Abs. 2 Satz 3 AktG). Das folgt vor allem\naus dem heute allgemein anerkannten Grundsatz, dass ein Unternehmen oder eine\nUnternehmensbeteiligung nach dem kunftigen finanziellen Ertrag fur den Eigner\ndes Unternehmens oder der Beteiligung zu bewerten ist und die Bewertung\ndeshalb notwendigerweise auf Prognosen uber kunftige Entwicklungen gestutzt\nwerden muss, von denen es nicht nur eine Richtige gibt und die im seltensten\nFall auch so wie vorhergesagt eintreffen. Es kommt hinzu, dass fur\nBewertungen, nach denen die gleichmaßige (§ 53 a AktG) Kompensation fur eine\nVielzahl von Anteilseignern festzulegen ist, nicht auf subjektive\nWertvorstellungen eines einzelnen Eigners abgestellt werden kann, weshalb in\nweitem Umfang mit typisierten Annahmen gerechnet werden muss. Der so\nermittelte Wert ist deshalb nicht, wie oft formuliert wird, ein „wahrer" Wert,\nsondern notwendigerweise ein typisierter, eher fiktiver Wert (OLG Stuttgart AG\n2007, 705, 706 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| 1\\. Gegen die vom Landgericht zugrunde gelegten Annahmen zur Planung und\nPrognose der Zukunftsertrage der IAG bestehen keine Bedenken. \n--- \n| 22 \n--- \n| Im Rahmen der Tatsachenfeststellung zur Unternehmensbewertung im\nSpruchverfahren sind die in die Zukunft gerichteten Planungen der Unternehmen\nund die darauf aufbauenden Prognosen ihrer Ertrage ohnehin nur eingeschrankt\nuberprufbar. Sie sind in erster Linie ein Ergebnis der jeweiligen\nunternehmerischen Entscheidung der fur die Geschaftsfuhrung verantwortlichen\nPersonen. Diese Entscheidungen haben auf zutreffenden Informationen und daran\norientierten, realistischen Annahmen aufzubauen; sie durfen zudem nicht in\nsich widerspruchlich sein. Kann die Geschaftsfuhrung auf dieser Grundlage\nvernunftigerweise annehmen, ihre Planung sei realistisch, darf diese Planung\nnicht durch andere - letztlich ebenfalls nur vertretbare - Annahmen des\nGerichts ersetzt werden (OLG Stuttgart AG 2007, 596, 5907 f; AG 2007, 705,\n706; NZG 2007, 112, 114; AG 2006, 420, 425). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| a) Das Landgericht hat zu Recht die nach dem Unternehmensvertragsbericht\n(abgekurzt: UB) in der Planung unterstellte Mietsteigerung von 1,5 % (S. 53)\nmit der Überlegung gebilligt, fur die konkrete Planungsphase sei nach dem\nKenntnisstand zum Stichtag nicht mit einer durchgreifenden Erholung der\nMieterlose zu rechnen gewesen. Eine besondere Begutachtung ist nicht nur im\nHinblick auf die im Beschluss dargelegte Sachkunde der Handelsrichter in Bezug\nauf den Immobilienmarkt in S., sondern auch aufgrund allgemein zuganglicher\nDaten nicht erforderlich. Nach dem Marktbericht der Deutschen Immobilien-\nPartner 2005 waren von 2002 bis 2004 die Burospitzen- und ebenso die\nBurodurchschnittsmieten in der S. Citylage gesunken (S. 7). Fur 2005 wurden\nkeine Steigerungen prognostiziert und erst ab 2006 eine allmahliche\nMarkterholung erwartet (S. 7 und 29). Entsprechendes gilt fur\nEinzelhandelsflachen, insbesondere fur 1B-Lagen wurde fur 2005 sogar eine\nfallende Tendenz prognostiziert (S. 9). Wegen steigender Flachen durch\nNeubauprojekte wurde mit einem weiteren moderaten Mietpreisruckgang auch in\n1A-Lagen gerechnet; die Mietertrage fruherer Jahre seien auch mittelfristig\nnur noch in Ausnahmefallen zu erzielen (S. 39). Unter diesen Umstanden und im\nHinblick auf durchschnittliche Steigerungsraten von 0,3 % bei den Mieterlosen\nder IAG in den zehn Jahren vor 2004 (UB S. 53) ist die Annahme einer\nSteigerung von 1,5 % jahrlich nicht unangemessen, wenn nicht gar „ehrgeizig"\n(UB S. 53). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| b) Der in erster Instanz von einigen Antragstellern erhobene Einwand, bei\nder Unternehmensbewertung sei ein geplanter Anbau an das Gebaude E. 9, das die\nIAG aufgrund eines Erbbaurechts halt, auf dem Grundstuck E. 7 zu Unrecht nicht\nberucksichtigt worden, geht fehl. Bereits der Geschaftsbericht 2003 der IAG\nweist auf S. 15 aus, dass entsprechende Plane aufgegeben worden sind, weil die\nStadt die notigen Mittel fur die Verlegung einer Parkhauseinfahrt nicht\nbewilligt hat. Gemeint ist das stadtische Parkhaus R., das derzeit unter der\nAdresse E. 7 gefuhrt wird und dessen Einfahrtsbereich die fur einen -\ngerichtsbekannt bis heute nicht realisierten - Anbau erwogene Flache ist. Auf\ndieser Grundlage sind zu Recht keine Ertrage aus einem in absehbarer Zeit\nnicht zu realisierenden Vorhaben auf einem nicht zum Bestand der IAG\ngehorenden Grundstuck (vgl. Geschaftsbericht 2003 S. 14) angesetzt worden. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| c) Die Antragsgegnerin hat sich in der mundlichen Verhandlung damit\neinverstanden erklart, dass der streitige Ansatz einer Vergutung des kurz nach\ndem Stichtag ersatzlos ausgeschiedenen Vorstandsmitglieds H. nicht als Aufwand\nberucksichtigt wird. In der Ertragswertberechnung ist deshalb, wie im\nangefochtenen Beschluss geschehen, ab dem Jahr 2005 das Jahresergebnis vor\nSteuern um den auf die IAG entfallenden Vergutungsanteil von jeweils 55.000\nEUR zugunsten der außenstehenden Aktionare zu korrigieren. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| d) Vom jeweiligen Jahresergebnis vor Steuern sind nicht nur die\nUnternehmenssteuern in Hohe von 26,38 % (Korperschaftsteuer 25 % zuzuglich 5,5\n% Solidaritatszuschlag hieraus) abzusetzen, sondern es sind auch die\ntypisierten personlichen Ertragsteuern der Anteilseigner durch einen Abzug in\nHohe von 17,5 % zu berucksichtigen. \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Senat halt trotz verschiedentlich in der Literatur geaußerter Bedenken\n(dazu ausfuhrlich OLG Stuttgart NZG 2007, 302, 308 f m.w.N.) bis auf Weiteres\nan der Nachsteuerbetrachtung fest, die im juristischen und\nbetriebswirtschaftlichen Schrifttum und in der Rechtsprechung vorherrscht\n(vgl. etwa OLG Munchen BB 2007, 2395, 2397 m.w.N.; Reuter AG 2007, 1, 6;\nWittgens/Redeke ZIP 2007, 2015, 2016; Ballwieser u.a. Wpg. 2007, 765). Sie ist\nim Ausgangspunkt methodisch uberzeugender, weil sich der Unternehmenswert als\nBarwert der kunftigen Überschusse darstellt, die dem Unternehmenseigner in\nZukunft aus der Beteiligung zufließen. Dies ist fur den steuerpflichtigen\nAnteilseigner der Nachsteuerwert. Die Steuerberucksichtigung ist auch\nbewertungsrelevant, weil sich der Steuerabzug bei der gebotenen Annahme von\nWachstum (s.u. 2 d) und abweichender Besteuerung der Alternativanlage aus dem\nErtragswertkalkul nicht herauskurzt (Siegel in FS Bronner, 2000, S. 391, 399\nff; Huttemann Wpg. 2007, 812, 822). Bei der Berechnung einer ewigen Rente\nunter Annahme unendlichen konstanten Wachstums liegt so der Nachsteuerwert\nregelmaßig uber dem Vorsteuerwert (vgl. bereits OLG Stuttgart NZG 2007, 302,\n308 m.w.N.; siehe zum sog. Steuerparadox etwa Ballwieser/Kruschwitz/Loffler\nWpg. 2007, 765, 766; Wagner in FS Bronner, 2000, S. 425, 437; Siegel ebda. S.\n391, 400 ff m.w.N.; ubersehen etwa bei Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktien-\nund GmbH-Konzernrecht, 5. Aufl., § 305 Rn. 63 a.E.). \n--- \n| 28 \n--- \n| Es erscheint außerdem auch kunftig sachgerecht, dabei einen typisierten\nSteuersatz von 35 % des inlandischen Anteilseigners anzusetzen (siehe auch OLG\nMunchen a.a.O.). An sich ware auch zu diesem Punkt eine Prognose uber die\nkunftige Entwicklung der Steuerbelastung zu treffen, die schon wegen der\nmangelnden Vorhersehbarkeit der Steuerrechtsentwicklung nicht aufgrund\nkonkreter Erwartungen an die Zukunft moglich ist (vgl. dazu Ballwieser u.a.\nWpg. 2007, 65, 66). Deshalb ist hilfsweise auf Vergangenheitswerte\nzuruckzugreifen. So ist der Wert von 35 % aus statistischen Daten des Jahres\n1989 abgeleitet worden (Wagner u.a. Wpg. 2007, 1005, 1013, Fn. 65) und er\nerscheint auch fur spatere Zeitpunkte als Grenzsteuersatz plausibel (Huttemann\na.a.O.; Heintzen u.a., Wirtschaftswissenschaftliche Fakultat Hannover,\nDiskussionspapier Nr. 346, August 2006 zum Jahr 2005), so dass er weiterhin\nzugrunde gelegt werden kann. \n--- \n| 29 \n--- \n| Mit diesem Satz ist wegen des anwendbaren Halbeinkunfteverfahrens nur die\nHalfte der ausschuttbaren Ertrage zu versteuern. Rechnerisch entspricht dies\neinem Abzug von 17,5 %. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| 2\\. Die geplanten oder prognostizierten Ertrage sind mit dem\nKapitalisierungszins zu diskontieren (ausfuhrlich OLG Stuttgart NZG 2007, 112,\n114). Der Senat halt fur die Berechnung des Ertragswerts der IAG einen\nKapitalisierungszins nach Steuern von 3,94 % (Planungsphase) bzw. 2,94 %\n(Prognosephase) fur angemessen (§ 287 Abs. 2 ZPO). Dies liegt etwas uber den\nvom Landgericht angewandten Satzen von 3,89 % bzw. 2,64 %, so dass sich\ninfolge der hoheren Abzinsung ein niedrigerer Ertragswert ergibt (s.u.). \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| a) Der Senat geht von einem Basiszins von 5,25 % aus. Der nach dem\nUnternehmensvertragsbericht angesetzte Wert von 5,5 % beruht auf der\nEmpfehlung des IDW fur den Zeitraum ab 01.01.2003 (vgl. OLG Stuttgart NZG\n2007, 112, 115), ab 01.01.2005 wurde ein Wert von 5,0 % empfohlen. Fur den\netwa ein halbes Jahr fruher liegenden Zeitpunkt ist deshalb nach den\nGrundsatzen, die der Senat in standiger Rechtsprechung zur Ableitung des\nBasiszinses aufgestellt hat (OLG Stuttgart NZG 2007, 112, 115 f) der\nZwischenwert von 5,25 % angemessen. Ein Wert in dieser Großenordnung (5,18 %)\nergibt sich auch aus der Zinsstrukturkurve nach der sog. Svensson-Methode zum\nStichtag (vgl. OLG Munchen BB 2007, 2395, 2396; Wustemann BB 2007, 2223, 2224;\nsiehe auch Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 15.02.2006). Der von der\nAntragsgegnerin insoweit angegebene Wert von 5,39 % beruht nicht nur auf einer\nMittelung von drei Werten zum 30.04., 31.05. und 30.06.2004 (zweifelnd dazu\nWustemann a.a.O. m.w.N.), sondern offensichtlich auch auf damaligen Annahmen\nin Fachkreisen, es sei eine Umrechnung stetiger in diskrete Renditen\nerforderlich, was sich bei Zugrundelegung der Daten der Deutschen Bundesbank\nals unzutreffend erwiesen hat (vgl. Reese/Wiese ZBB 2007, 38, 42;\nWiese/Gampenrieder, Der Schweizer Treuhander 2007, 442, 445, je m.w.N.). Unter\nBerucksichtigung dessen ergibt sich auch bei einer Durchschnittsbildung\nsamtlicher Werte uber drei Monate vor Stichtag ein Wert von ca. 5,26 %. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| b) Fur den Risikozuschlag, um den der aus Renditen festverzinslicher,\nrelativ risikoloser Anleihen abgeleitete Basiszins zu erhohen ist, geht der\nSenat in standiger Rechtsprechung von einer Marktrisikopramie von 4,5 % vor\nSteuern aus (ausfuhrlich OLG Stuttgart NZG 2007, 112, 116 f mit Stellungnahme\nauch zu den im vorliegenden Verfahren vorgebrachten Argumenten). \n--- \n| 33 \n--- \n| Er ist zu multiplizieren mit dem sog. Beta-Faktor zur Berucksichtigung der\nabweichenden Volatilitat der Aktie des zu bewertenden Unternehmens. Aus den\nvom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung ausgefuhrten Grunden\n(geringer Verschuldungsgrad, ausgezeichnete Lage der Objekte) halt es der\nSenat fur sachgerecht, abweichend von dem im Unternehmensvertragsbericht fur\nImmobilienunternehmen angefuhrten, aus dem DIMAX abgeleiteten\nDurchschnittswert von 0,23 einen niedrigeren Wert von 0,18 anzusetzen. Eine\nweitere Herabsetzung ist dagegen nicht zu rechtfertigen, auch im Vergleich zu\ndem vom Senat entschiedenen Fall eines Immobilienunternehmens mit\nausschließlicher Vermietung an Konzerngesellschaften, fur das ebenfalls ein\nBeta-Faktor von 0,18 angesetzt worden ist (OLG Stuttgart NZG 2007, 307). \n--- \n| 34 \n--- \n| Dies ergibt einen Risikozuschlag von 0,81. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| c) Daraus folgt ein Kapitalisierungszinssatz vor Steuern von 6,06 %, der um\ndie typisierte Ertragsteuer der Anteilseigner von 35 % zu kurzen ist (s.o.),\nso dass sich ein Wert von 3,94 % ergibt. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| d) Ein Wachstumsabschlag fur die Phase der ewigen Rente ist mit 1 % in\nausreichender Hohe angesetzt. Er hat die Funktion, in dieser Phase die zu\nerwartenden Veranderungen der Überschusse abzubilden, die bei der nominalen\nBetrachtung im Ausgangspunkt unverandert aus dem letzten Planjahr abgeleitet\nwerden. Er bezweckt nicht einen unbedingten Inflationsausgleich. Maßgebend\nsind vielmehr neben dem Umfang, in dem zu erwartende Preissteigerungen der\nEinsatzfaktoren an Kunden, hier die Mieter, weitergegeben werden konnen,\nsonstige prognostizierte Mengen- und Strukturanderungen (OLG Stuttgart AG\n2007, 596, 599; NZG 2007, 302, 307; NZG 2007, 112, 118, je m.w.N.). Unter\nBerucksichtigung dieser Kriterien ist der Wert von 1 % im\nUnternehmensvertragsbericht nachvollziehbar hergeleitet, hierauf wird\nverwiesen (S. 61). Entgegen der Annahme des Landgerichts rechtfertigt die\nbesondere Lage der Grundstucke mit der im Grundsatz zutreffenden\nUnterstellung, diese wurden auch in Zukunft nachgefragt werden, keine Erhohung\ndes Wachstumsabschlags um 0,25 Prozentpunkte. Die anhaltende Nachfrage ist\nbereits in die Prognose der Zukunftsertrage eingeflossen und begrundet als\nsolche kein zusatzliches Wachstum. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| 3\\. Dem Ertragswert ist außerdem der Barwert des Korperschaftsteuerguthabens\nvon 182.000 EUR hinzuzurechnen, der bei Abzinsung mit dem entsprechend oben 2\nc) korrigierten Zinssatz gerundet 107.000 EUR betragt (zur Berechnungsweise\ni.u. vgl. Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 30.03.2005, S. 44). \n--- \n| 38 \n--- \n| Schließlich sind die Werte der Beteiligung von 57,58 % an der BAG sowie des\nGeschaftsanteils von 50 % an der G GmbH anzusetzen, die ebenfalls\nrichtigerweise und im Grundsatz unbeanstandet nach Ertragswertgesichtspunkten\nermittelt worden sind. Beim Ansatz der zu diskontierenden Jahresergebnisse\nnach Steuern ergeben sich fur die G GmbH keine Veranderungen gegenuber dem\nUnternehmensvertragsbericht, fur die BAG ist entsprechend oben 1 b) eine\nKorrektur um den Aufwand fur die Vorstandsvergutung ab 2005 vorzunehmen, hier\nin Hohe von jahrlich 37.000 EUR vor Steuern. Bei beiden Gesellschaften konnen\nkeine hoheren Mietsteigerungen zugrunde gelegt werden (siehe oben 1. a; siehe\ninsgesamt zur Bewertung der BAG auch die Ausfuhrungen im heutigen\nSenatsbeschluss im Parallelverfahren 20 W 10/06). Wegen der einzelnen Faktoren\ndes Kapitalisierungzinses kann auf die Ausfuhrungen unter 2. verwiesen werden\nmit der Maßgabe, dass es fur die G GmbH aus den vom Landgericht im\nangefochtenen Beschluss ausgefuhrten Grunden, auf die Bezug genommen wird, bei\ndem Beta-Faktor von 0,23 zu verbleiben hat. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| 4\\. Danach ergibt sich der Ertragswert der IAG unter Einbeziehung der\nBeteiligung von 25 % an der G GmbH und von 57,58 % an der BAG wie folgt\n(Rechenwerte nur in der Darstellung gerundet, Betragsangaben in Tausend Euro): \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| a) Unternehmenswert der G GmbH \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| 2004 \n--- \n| 2005 \n--- \n| 2006 \n--- \n| 2007 \n--- \n| 2008 \n--- \n| 2009 \n--- \n| 2010 ff \n--- \n| Jahresergebnis nach \nErtragsteuern des \nUnternehmens und der \nAnteilseigner \n--- \n| 729,81 \n--- \n| 883,40 \n--- \n| 949,65 \n--- \n| 978,76 \n--- \n| 1.006,87 \n--- \n| 1.035,48 \n--- \n| 1.045,84 \n--- \n| Zinssatz \n--- \n| 4,085 % \n--- \n| 4,085 % \n--- \n| 4,085 % \n--- \n| 4,085 % \n--- \n| 4,085 % \n--- \n| 4,085 % \n--- \n| ab 2010 \n3,085 % \n--- \n| Kapitalisierungsfaktor \n--- \n| 0,96075 \n--- \n| 0,92305 \n--- \n| 0,88682 \n--- \n| 0,85202 \n--- \n| 0,81858 \n--- \n| 0,78645 \n--- \n| 25,49270688 \n--- \n| Barwert \n--- \n| 701,16 \n--- \n| 815,42 \n--- \n| 842,17 \n--- \n| 833,92 \n--- \n| 824,20 \n--- \n| 814,35 \n--- \n| 26.661,20 \n--- \n| Summe Barwerte \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| 31.492,43 \n--- \n| KSt-Guthaben \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| 29,00 \n--- \n| Unternehmenswert \nzum 31.12.2003 \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| **31.521,43** \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| b) Unternehmenswert der BAG einschließlich Beteiligung an G GmbH \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| 2004 \n--- \n| 2005 \n--- \n| 2006 \n--- \n| 2007 \n--- \n| 2008 \n--- \n| 2009 \n--- \n| 2010 ff \n--- \n| Jahresergebnis vor \nSteuern \n--- \n| 2.376,00 \n--- \n| 2.291,00 \n--- \n| 2.531,00 \n--- \n| 2.617,00 \n--- \n| 2.679,00 \n--- \n| 2.733,00 \n--- \n| \n--- \n| Korrektur Vorstands- \nvergutung \n--- \n| \n--- \n| \\- 37,00 \n--- \n| \\- 37,00 \n--- \n| \\- 37,00 \n--- \n| \\- 37,00 \n--- \n| \\- 37,00 \n--- \n| Korrigiertes Jahreser- \ngebnis \n--- \n| 2.376,00 \n--- \n| 2.328,00 \n--- \n| 2.568,00 \n--- \n| 2.654,00 \n--- \n| 2.716,00 \n--- \n| 2.770,00 \n--- \n| Unternehmensteuer \n26,38 % \n--- \n| \\- 626,79 \n--- \n| \\- 614,13 \n--- \n| \\- 677,44 \n--- \n| \\- 700,13 \n--- \n| \\- 716,48 \n--- \n| \\- 730,73 \n--- \n| (Erhohung \nWert 2009 \num 1 %) \n--- \n| Jahresergebnis nach \nUnternehmensteuern \n--- \n| 1.749,21 \n--- \n| 1.713,87 \n--- \n| 1.890,56 \n--- \n| 1.953,87 \n--- \n| 1.999,52 \n--- \n| 2.039,27 \n--- \n| Pers. ESt Anteilseigner \n17,5 % \n--- \n| \\- 306,11 \n--- \n| \\- 299,93 \n--- \n| \\- 330,85 \n--- \n| \\- 341,93 \n--- \n| \\- 349,92 \n--- \n| \\- 356,87 \n--- \n| Jahresergebnis nach \nSteuern \n--- \n| 1.443,10 \n--- \n| 1.413,95 \n--- \n| 1.559,71 \n--- \n| 1.611,95 \n--- \n| 1.649,60 \n--- \n| 1.682,40 \n--- \n| 1.699,23 \n--- \n| Zinssatz \n--- \n| 3,94 % \n--- \n| 3,94 % \n--- \n| 3,94 % \n--- \n| 3,94 % \n--- \n| 3,94 % \n--- \n| 3,94 % \n--- \n| ab 2010: \n2,94 % \n--- \n| Kapitalisierungsfaktor \n--- \n| 0,96209 \n--- \n| 0,92562 \n--- \n| 0,89054 \n--- \n| 0,85678 \n--- \n| 0,82430 \n--- \n| 0,79306 \n--- \n| 26,9746858 \n--- \n| Barwert \n--- \n| 1.388,40 \n--- \n| 1.308,78 \n--- \n| 1.388,98 \n--- \n| 1.381,08 \n--- \n| 1.359,77 \n--- \n| 1.334,24 \n--- \n| 45.836,06 \n--- \n| Summe Barwerte \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| 53.997,32 \n--- \n| Beteiligung 25 % an \nG GmbH (s.o. a) \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| 7.880,36 \n--- \n| KSt-Guthaben \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| 22,00 \n--- \n| Unternehmenswert zum \n31.12.2003 \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| **61.899,67** \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| c) Unternehmenswert der IAG einschließlich Beteiligungen an BAG und GmbHG \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| \n--- \n| | 2004 \n--- \n| 2005 \n--- \n| 2006 \n--- \n| 2007 \n--- \n| 2008 \n--- \n| 2009 \n--- \n| 2010 ff \n--- \n| Jahresergebnis vor \nSteuern \n--- \n| 4.813,00 \n--- \n| 6.148,00 \n--- \n| 6.427,00 \n--- \n| 6.549,00 \n--- \n| 6.688,00 \n--- \n| 6.787,00 \n--- \n| (Erhohung \nWert 2009 \num 1 %) \n--- \n| Korrektur Vorstands- \nvergutung \n--- \n| \n--- \n| \\- 55,00 \n--- \n| \\- 55,00 \n--- \n| \\- 55,00 \n--- \n| \\- 55,00 \n--- \n| \\- 55,00 \n--- \n| Korrigiertes Jahreser- \ngebnis \n--- \n| 4.813,00 \n--- \n| 6.203,00 \n--- \n| 6.482,00 \n--- \n| 6.604,00 \n--- \n| 6.743,00 \n--- \n| 6.842,00 \n--- \n| Unternehmensteuer \n26,38 % \n--- \n| -1.269,67 \n--- \n| -1.636,35 \n--- \n| -1.709,95 \n--- \n| -1.742,14 \n--- \n| -1.778,80 \n--- \n| -1.804,92 \n--- \n| Jahresergebnis nach \nUnternehmensteuern \n--- \n| 3.543,33 \n--- \n| 4.566,65 \n--- \n| 4.772,05 \n--- \n| 4.861,86 \n--- \n| 4.964,20 \n--- \n| 5.037,08 \n--- \n| Pers. ESt Anteilseigner \n17,5 % \n--- \n| \\- 620,08 \n--- \n| \\- 799,16 \n--- \n| \\- 835,11 \n--- \n| \\- 850,83 \n--- \n| \\- 868,73 \n--- \n| \\- 881,49 \n--- \n| Jahresergebnis nach \nSteuern \n--- \n| 2.923,25 \n--- \n| 3.767,49 \n--- \n| 3.936,94 \n--- \n| 4.011,04 \n--- \n| 4.095,46 \n--- \n| 4.155,59 \n--- \n| 4.197,15 \n--- \n| Zinssatz \n--- \n| 3,94 % \n--- \n| 3,94 % \n--- \n| 3,94 % \n--- \n| 3,94 % \n--- \n| 3,94 % \n--- \n| 3,94 % \n--- \n| ab 2010: \n2,94 % \n--- \n| Kapitalisierungsfaktor \n--- \n| 0,96209 \n--- \n| 0,92562 \n--- \n| 0,89054 \n--- \n| 0,85678 \n--- \n| 0,82430 \n--- \n| 0,79306 \n--- \n| 26,9746858 \n--- \n| Barwert \n--- \n| 2.812,44 \n--- \n| 3.487,27 \n--- \n| 3.505,99 \n--- \n| 3.436,58 \n--- \n| 3.375,90 \n--- \n| 3.295,62 \n--- \n| 113.216,73 \n--- \n| Summe Barwerte \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| 133.130,52 \n--- \n| Beteiligung 50 % an \nG GmbH (s.o. a) \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| 15.760,71 \n--- \n| Beteiligung 57,58 % an \nBAG (s.o. b) \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| 35.641,83 \n--- \n| KSt-Guthaben \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| 107,00 \n--- \n| Unternehmenswert \nzum 31.12.2003 \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| 184.640,07 \n--- \n| Aufzinsung auf \n07.07.2004 \n--- \n| Faktor \n1,0203 \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| **188.383,83** \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| d) Aus dem Unternehmenswert von 188.383.830 EUR ergibt sich bei 750.000\nAktien ein Wert zum Stichtag 07.07.2004 von 251,18 EUR pro Aktie. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 47 \n--- \n| Das Landgericht hat zutreffend entschieden, dass die Kurse, die beim\nTelefonhandel bei der V. mit den Aktien der IAG beobachtet wurden, bei der\nBewertung unberucksichtigt bleiben mussen, weil angesichts des geringen\nHandels aus den Kursen kein Ruckschluss auf eine Desinvestitionsmoglichkeit zu\neinem entsprechenden Preis moglich ist. Dies ist mit den antragstellerseits\nvorgelegten Beschwerdebegrundungen auch nicht konkret beanstandet worden. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| 1\\. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umfasst die\nGewahrleistung des Eigentums durch Art. 14 Abs. 1 GG das Anteilseigentum in\nForm der Aktie, das im Rahmen seiner gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung\ndurch Privatnutzigkeit und Dispositionsbefugnis gekennzeichnet ist (BVerfG ZIP\n2007, 1055; ZIP 2003, 2114, 2115; BVerfGE 100, 289, 301; BVerfGE 14, 263, 276\nf). Dieser grundrechtliche Schutz hindert den Gesetzgeber nicht, im Rahmen der\naktienrechtlichen Ausgestaltung der Rechtsbeziehungen unter den Aktionaren aus\nGrunden des Gemeinwohls Maßnahmen der Aktionarsmehrheit wie einen\nUnternehmensvertrag zuzulassen, die diese verfassungsrechtlich geschutzte\nStellung beeintrachtigen. Fur diese Beeintrachtigung ist aber ein voller\nAusgleich zu leisten. Weil die Aktie nicht nur eine mittelbare Beteiligung am\nUnternehmen der Gesellschaft darstellt, sondern im Unterschied zu anderen\nFormen gesellschaftsrechtlicher Beteiligung auch ein selbstandig\nverkehrsfahiger, der unmittelbaren Verfugung des Aktionars unterliegender\nVermogenswert ist, darf der Borsenkurs nicht unberucksichtigt bleiben (BVerfGE\n100, 289, 307 ff). Unter diesem Blickwinkel hat also eine unmittelbare, nicht\naus dem Unternehmenswert abgeleitete Anteilsbewertung stattzufinden (BVerfGE\n100, 289, 305; vgl. zu dieser Doppelnatur Schon in FS Ulmer, 2003, S. 1359,\n1368 ff; Adolff, Unternehmensbewertung im Recht der borsennotierten\nAktiengesellschaft, 2007, S. 297 ff, 324 ff; siehe auch OLG Stuttgart AG 2007,\n705, 708 m.w.N.). Bei dieser Anteilsbewertung, die nicht mit einer\nschadensrechtlichen Betrachtung verwechselt werden darf (BVerfG ZIP 2007, 175,\n177), wird also im Ergebnis ein Verkehrswert prognostiziert, den die Aktie am\nStichtag hypothetisch aus Sicht eines typisierten Aktionars gehabt hatte, wenn\nes nicht zu der fraglichen Maßnahme, die die Abfindungspflicht auslost,\ngekommen ware (Adolff a.a.O. S. 318 ff). Dieser Desinvestitionswert der Aktie\nkann vom anteiligen Unternehmenswert je Aktie abweichen, so dass es nicht\ndarauf ankommt, ob der Kapitalmarkt hinreichend informationseffizient ist\n(vgl. naher heutigen Beschluss im Parallelverfahren 20 W 9/06 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| 2\\. Es ist zweifelhaft, ob die Kurse bereits deshalb nicht zu\nberucksichtigen sind, weil die Preisfindung nicht wie bei der amtlichen\nNotierung an einer Borse auf einem staatlich uberwachten Handelsplatz zustande\ngekommen ist, wie das Landgericht angenommen hat. Auch Kurse oder andere Werte\naus außerborslichem Handel konnten bei hinreichendem Handel ein bei der\nWertfindung zu berucksichtigendes Marktgeschehen darstellen, aus dem sich ein\nVerkehrswert ableiten lasst. Entscheidend kommt es auf diese Frage aber nicht\nan. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| 3\\. Der Borsenkurs stellt jedenfalls nur die Untergrenze der Abfindung dar,\nsoweit er den Verkehrswert der Aktie abbildet (BVerfGE 100, 289, 307 ff),\nnicht aber, wenn er angesichts der gegebenen Marktumstande den Verkehrswert\nder Aktie nicht widerspiegelt (vgl. zu dieser Ausnahme BVerfGE 100, 289, 309;\nBGHZ 147, 108, 122 f). \n--- \n| 51 \n--- \n| Das ist hier der Fall, weil die im Telefonhandel beobachteten Kurse wegen\ndes nur marginalen Handels nicht in diesem Sinne fur den Verkehrswert der\nAktie zum Bewertungsstichtag aussagekraftig sind. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ware auf einen\nDurchschnittskurs aus dem Zeitraum von drei Monaten vor der Hauptversammlung\nabzustellen (BGHZ 147, 108, 118 ff; BGHZ 156, 57). Aus den im Zeitraum von\ndrei Monaten vor dem 07.07.2004 im Telefonhandel beobachteten Kursen ergibt\nsich ein Durchschnittswert von 311 EUR. \n--- \n| 53 \n--- \n| Nach Ansicht des Senats kann allerdings dieser Referenzzeitraum nicht\nzugrunde gelegt werden, weil in diesem Zeitraum die abzufindende Maßnahme und\nder Abfindungswert regelmaßig wegen entsprechender Ad-hoc- oder\nPressemeldungen und wegen der mit der Einladung zur Hauptversammlung gegebenen\nInformationen schon bekannt sind und diese Informationen im Kurs eingepreist\nwerden, so dass er sich maßgeblich aus Abfindungserwartungen ergibt (siehe\nhierzu naher OLG Stuttgart NZG 2007, 302, 303 ff; AG 2007, 705, 710; heutiger\nBeschluss im Parallelverfahren 20 W 9/06; vgl. auch KG NZG 2007, 71; OLG\nMunchen AG 2007, 701, 705). \n--- \n| 54 \n--- \n| Unabhangig davon kann der Durchschnittswert aus diesem Zeitraum aber schon\ndeshalb nicht herangezogen werden, weil er angesichts der gegebenen\nMarktumstande den Verkehrswert der Aktie nicht widerspiegelt (vgl. zu dieser\nAusnahme BVerfGE 100, 289, 309; BGHZ 147, 108, 122 f). \n--- \n| 55 \n--- \n| Dabei kann nicht schon darauf abgestellt werden, ob es der Gesamtheit der\naußenstehenden Aktionare moglich gewesen ware, ihre Aktien zum Stichtag oder\nauch in einem uberschaubaren Zeitraum zum festgestellten Borsenkurs zu\nverkaufen (siehe dazu naher den heutigen Beschluss im Parallelverfahren 20 W\n9/06). \n--- \n| 56 \n--- \n| Der Borsendurchschnittskurs ist dann in dem Sinne aussagekraftig, dass er\neine hinreichend verlassliche Ableitung des hypothetischen Verkehrswerts der\nBeteiligung zum Stichtag (s.o.) erlaubt, wenn die Borsenkurse auf einem realen\nund nicht nur marginalen Marktgeschehen beruhen. \n--- \n| 57 \n--- \n| Das ist hier nicht der Fall. Bereits das Landgericht hat zutreffend aufgrund\ndes unbestrittenen Vorbringens der Antragsgegnerin festgestellt, dass im Jahr\n2003 nur 0,55 % und im ersten Halbjahr 2004 nur 0,56 % des Streubesitzes von\n43.725 Aktien gehandelt wurden; das entspricht jeweils ca. 0,03 % aller\nAktien. Dieser ohnehin auf den Telefonhandel beschrankte Markt war zusatzlich\ndadurch verengt, dass etwa der Antragsteller zu 22 alleine uber 11 % der\naußenstehenden Aktien halt; weitere Antragsteller halten ebenfalls namhafte\nAnteile. \n--- \n| 58 \n--- \n| Dieses Bild ergibt sich auch bei Betrachtung des Zeitraums von drei Monaten\nvor der Hauptversammlung. Im April 2004 wurden gar keine Aktien gehandelt, im\nMai 2004 an zwei Tagen insgesamt 135 Stuck bei Kursen von 317 EUR und 330 EUR.\nEnde Juni 2004 wurden an einem Tag 5 Stuck zu 286 EUR gehandelt, danach gab es\nbis zur Hauptversammlung keinen Handel mehr. Die Kurse waren also zudem noch\nderart volatil, dass sie nicht nur wegen des nahezu fehlenden Handels, sondern\nauch wegen der sprunghaften Preisbewegungen nicht die Annahme erlauben, zu dem\nDurchschnitt dieser drei Werte von 298 EUR sei einem typisierten Aktionar am\nTag der Hauptversammlung eine Desinvestition moglich gewesen. \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| b) Dasselbe gilt, wenn ersatzweise auf die Kurse aus einem Zeitraum von drei\nMonaten vor der Pressemitteilung vom 25.03.2004, mit der ein\nUnternehmensvertrag angekundigt wurde, abgestellt werden sollte (siehe zu\ndieser Moglichkeit den heutigen Beschluss im Parallelverfahren 20 W 9/06). In\ndiesem Zeitraum fand uberhaupt nur an drei Tagen im Marz 2004 geringer Handel\nzu Kursen von 286 EUR und 276 EUR statt. Dies ist aus denselben, bereits unter\na) genannten Grunden keine tragfahige Grundlage fur die Ableitung eines\nDesinvestitionswerts zum Stichtag, der die oben unter I. ermittelte Abfindung\nubersteigt. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n| 60 \n--- \n| Eine hohere Barabfindung ist auch nicht aufgrund einer Liquidationsbewertung\nfestzusetzen. \n--- \n| 61 \n--- \n| Es kommt nicht auf die umstrittene Rechtsfrage an, ob bei der Ermittlung der\nangemessenen Abfindung ein Liquidationswert stets dann als Unternehmenswert\nanzusetzen ist, wenn er den unter Fortfuhrungsgesichtspunkten ermittelten\nErtragswert des Unternehmens ubersteigt, oder ob ein hoherer Liquidationswert\nzu vernachlassigen ist, wenn eine Liquidation weder notwendig noch\nbeabsichtigt ist, sondern das Unternehmen fortgefuhrt werden soll und dies\nauch wirtschaftlich vertretbar ist (so in der Rechtsprechung v.a. OLG\nDusseldorf AG 2004, 324, 327 m.w.N.; ebenso das Landgericht in der\nangefochtenen Entscheidung; fur gesellschaftsrechtliche Bewertungsanlasse\ngrundsatzlich offen gelassen von BGH NZG 2006, 425 m.w.N. zum Streitstand). \n--- \n| 62 \n--- \n| Denn ein Liquidationswert der IAG ubersteigt nicht ihren Ertragswert von\n188.383.830 EUR. Die von den Antragstellern in erster Instanz vorgebrachten\nEinwendungen gegen die uberschlagige Liquidationswertermittlung, die\nanlasslich des Abfindungsangebots durchgefuhrt worden ist und einen Betrag von\n101.992.000 EUR ergeben hat, greifen nicht durch. Soweit gegen die Berechnung\nim Detail konkrete Bewertungsrugen erhoben worden sind, sind diese nicht\nschlussig oder jedenfalls nicht geeignet, einen den Ertragswert ubersteigenden\nLiquidationswert zu begrunden. \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| 1\\. Der Liquidationswert ist der Erlos, der sich nach Auflosung der\nGesellschaft bei bestmoglicher Einzelveraußerung der Vermogensgegenstande des\nUnternehmens abzuglich der Liquidationskosten erzielen ließe (vgl. etwa\nGroßfeld, Unternehmens- und Anteilsbewertung im Gesellschaftsrecht, 4. Aufl.,\nS. 203, 206). \n--- \n| 64 \n--- \n| Anzusetzen sind also zunachst die Verkehrswerte dieser\nVermogensbestandteile. Da die IAG ausschließlich Gewerbeimmobilien halt, ist\nes angemessen, dass die Verkehrswerte dieser Immobilien von dem hiermit von\nder IAG und der Antragsgegnerin beauftragten S., einem offentlich bestellten\nund vereidigten Sachverstandigen u.a. fur Grundstucksbewertungen, nach der fur\ndie Grundstucksbewertung anerkannten Ertragswertmethode bewertet worden sind.\nDiese Methode ist in §§ 15 ff WertV mit weiteren Details in der\nWertermittlungsrichtlinie, zum Stichtag hier in der Fassung 2002 gultig (WertR\n2002), beschrieben. Diese Regelungen gelten zwar unmittelbar fur die Bewertung\ndurch die Gutachterausschusse nach §§ 192 ff BauGB, enthalten aber Grundsatze\nder Verkehrswertermittlung von Immobilien, wie sie auch in der\nGrundstucksbewertungsliteratur und -praxis allgemein anerkannt sind (vgl. nur\nKleiber/Simon, Verkehrswertermittlung von Grundstucken, 5. Aufl., S. 620 Rn. 7\nff). Nach diesen Grundsatzen wird wie folgt vorgegangen: Aus dem\nJahresrohertrag auf der Grundlage nachhaltig erzielbarer Mieten ergibt sich\nnach Abzug der Bewirtschaftungskosten der Jahresreinertrag (§§ 16 - 18 WertV).\nDer auf ihn entfallende Bodenwertanteil (Bodenwertverzinsungsbetrag) wird\nabgezogen, weil der Bodenwert als solcher am Ende der Berechnung dem\nGebaudeertragswert hinzugerechnet wird. Der verbleibende Gebaudeanteil, immer\nnoch ein Jahresbetrag, wird uber einen Vervielfaltiger kapitalisiert, was den\nGebaudeertragswert ergibt. Der Vervielfaltiger wird aus einem dem ortlichen\nGrundstucksmarkt und der Grundstuckslage entsprechenden Liegenschaftszins\nunter Berucksichtigung der Restnutzungsdauer abgeleitet (siehe\nVervielfaltigertabelle in der Anl. zu § 16 Abs. 3 WertV). Die Summe von\nGebaudeertragswert und Bodensachwert ergibt den Ertragswert, der im Einzelfall\nnoch einer Anpassung wegen besonderer Umstande des Objekts (z.B.\nReparaturstau) oder des Markts bedarf (ausfuhrlich Kleiber/Simon a.a.O. S.\n1381 ff Rn. 31 ff). Nach dieser Methode wurde der Verkehrswert auch in\nsamtlichen Einzelgutachten ermittelt, die die Antragsgegnerin im\nBeschwerdeverfahren vorgelegt hat und die der Senat eingehend gepruft hat.\nGegen die dort ausgewiesenen Ergebnisse (vgl. auch Anl. 2 zum\nUnternehmensvertragsbericht) bestehen keine Bedenken. \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| a) Zu Unrecht haben einige Antragsteller vor allem beanstandet, dass die\nBodenwerte der Grundstucke unzutreffend ermittelt worden seien. \n--- \n| 66 \n--- \n| Der sachverstandige Grundstucksbewerter hat die Bodenwerte auf der Grundlage\nder Angaben in der vom Gutachterausschuss fur die Ermittlung von\nGrundstuckswerten in S. (kurz: Gutachterausschuss S.) herausgegebenen\nBodenrichtwertkarte sachgerecht ermittelt. Die Ableitung aus diesen\nBodenrichtwerten wird von den Antragstellern auch nicht beanstandet. Ihre\nAnsicht, ein Wert aus der Bodenrichtwertkarte der Stadt S. sei immer dann\nunverandert zugrunde zu legen, wenn die tatsachliche GFZ (Geschossflachenzahl,\nzulassige Geschossflache je qm Grundstucksflache nach § 20 BauNVO) des Objekts\nder nach dem Bebauungsplan fur das Grundstuck zulassigen GFZ entspreche,\nberuht auf einer Fehlvorstellung zur Ableitung von Bodenwerten aus\nBodenrichtwerten. \n--- \n| 67 \n--- \n| Die Angaben in der Bodenrichtwertkarte der Stadt S. beruhen vor allem auf\ntatsachlichen Grundstucksverkaufen und beziehen sich auf ein fiktives\nunbebautes Grundstuck. Der fur ein Gebiet angegebene qm-Preis ist dort jeweils\nin Beziehung gesetzt zu einer konkreten Geschossflachenzahl, die nicht der in\neinem Bebauungsplan festgesetzten Geschossflachenzahl entsprechen muss. Die\nGeschossflachenzahl, auf die sich der Preis bezieht, ist unmittelbar aus der\nRichtwertkarte ersichtlich. Zur Ableitung des Bodenwerts des bebauten Gebaudes\naus dem Bodenrichtwert mussen die GFZ des Gebaudes auf dem zu bewertenden\nGrundstuck und die dem Bodenrichtwert zugeordnete GFZ in ein Verhaltnis\ngesetzt und anschließend der Bodenrichtwert in diesem Verhaltnis umgerechnet\nwerden. Anders als etwa fur bestimmte Wohngrundstucke sind fur Grundstucke mit\nGeschaftsbauten vom Gutachterausschuss S. keine Umrechnungskoeffizienten\nvorgegeben (vgl. etwa Jahresbericht 2002 zum Grundstucksmarkt, S. 36; dto. fur\n2003, S. 45); hier ist vielmehr eine lineare Umrechnung sachgerecht\n(Wertermittlungsrichtlinie 2002, 2.3.4.2.). \n--- \n| 68 \n--- \n| So hat auch der Sachverstandige S. korrekt umgerechnet und dabei teils sogar\nim Hinblick auf die exponierte Lage einiger Grundstucke erhebliche Zuschlage\nauf den Rechenwert angesetzt. Beispielsweise ergibt sich fur das Grundstuck K\nbei einer GFZ von 6,0 fur den Bodenrichtwert und einer tatsachlichen GFZ von\ngerundet 3,2 ein Umrechnungsfaktor von 3,2 : 6,0 = 0,5333. Damit ist der\nBodenrichtwert von 14.500,00 EUR umzurechnen, was zu einem Wert von 7.733,33\nEUR pro qm fuhrt. Angesetzt wurde letztlich ein Quadratmeterpreis von\n11.500,00 EUR. Vergleichbar wurden die fur die Grundstucke in der L bei\nlinearer Umrechnung ermittelten Betrage von ca. 1.500,00 EUR bzw. 2.500,00 EUR\nauf 3.000,00 EUR erhoht. Entsprechend ist der Sachverstandige auch bei den\nanderen zu bewertenden Grundstucken verfahren, indem er jeweils linear\numgerechnet und ggf. Zu- oder Abschlage zur Anpassung an die Lage oder an\nnutzungsspezifische Bebauungen vorgenommen hat, was hier nicht im einzelnen\ndargestellt werden muss (vgl. dazu bereits den Schriftsatz der Antragsgegnerin\nvom 30.03.2005, S. 59 ff). Es begegnet auch keinen Bedenken, dass der\nSachverstandige den Bodenwert fur das Grundstuck W. mangels vorliegender\nRichtwerte auf 400,00 EUR/qm geschatzt hat: es handelt sich um das\nPlanetariums-Grundstuck, das fur eine anderweitige Verwertung auf dem Markt\nnicht in Betracht kommt. Die Einwendungen, die auf die Berechnung des\nBodenwerts der einzelnen Grundstucke zielen, sind deshalb nicht berechtigt. \n--- \n--- \n| 69 \n--- \n| b) Entgegen der Annahme einiger Antragsteller wurde den Bewertungen kein\ndurchschnittlicher Liegenschaftszins zugrunde gelegt. Der uberflussige Angabe\neines Durchschnittswerts in der Anl. 2 zum Unternehmensvertragsbericht ist\nohne Bewertungsrelevanz. Die dort ebenfalls ausgewiesenen Einzelwerte zwischen\n4,5 % und 5,75 % fur die Grundstucke liegen, wie die Antragsgegnerin\nzutreffend ausgefuhrt hat, am unteren Rand der im Grundstucksmarktbericht 2002\nder Stadt S. auf S. 41 angegebenen Liegenschaftszinsen fur Geschafts- und\nBurogrundstucke und begegnen deshalb keinen Bedenken. Aus dem Rahmen fallt\nlediglich der Wert 8 % bei dem Grundstuck W., das auf die Nutzung fur das\nPlanetariumsgebaude beschrankt ist, weshalb auch dieser Wert unbedenklich ist. \n--- \n--- \n| 70 \n--- \n| c) Fehler beim Ansatz der Restnutzungsdauer sind nicht ersichtlich. Die\nAntragsgegnerin hat dazu ausfuhrlich und zutreffend erlautert, dass bei den\nbeiden vermieteten Grundstucken der IAG, um die es hier nur geht, eine\nGesamtnutzungsdauer von 70 bzw. 80 Jahren zugrunde gelegt wurde (Schriftsatz\nvom 15.02.2006, S. 22 ff). Dies ist fur Geschafts- bzw. Burobauten wiederum am\noberen Rand anzusiedeln (Anl. 4 zu WertR 2002; Kleiber/Simon a.a.O. S. 1423\nRn. 125). Aus dieser Gesamtnutzungsdauer wurde in den Gutachten die\nRestnutzungsdauer entsprechend dem jeweiligen Alter des Gebaudes korrekt\nabgeleitet. Die verhaltnismaßig kurze Restnutzungsdauer des Planetariums\nerklart sich wiederum aus der angesichts der besonderen Verhaltnisse\nnachvollziehbar kurzen Gesamtnutzungsdauer. \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| d) Zu Unrecht wurde in erster Instanz weiter beanstandet, dass anstelle der\nkonkret entstandenen Kosten Pauschalen fur nicht umlagefahige Betriebskosten\n(1 %), Verwaltungskosten (4 % bzw. beim Planetarium 2 %) und\nBewirtschaftungskosten (zwischen 17,61 und 21,59 %) angesetzt worden seien,\ndass das Mietausfallwagnis von 4 % bzw. 2 % (Planetarium und Bezirksrathaus)\nzu hoch sei und dass auch die Instandhaltungskosten nicht nachzuvollziehen\nseien. Dabei ist zunachst klarzustellen, dass Bewirtschaftungskosten der\nOberbegriff ist, der die ubrigen genannten Positionen umfasst (vgl. dazu § 18\nWertV und hierzu Kleiber/Simon a.a.O. S. 1408 ff, 1655 ff). Nach den\nallgemeinen Grundsatzen der Immobilienbewertung sind fur die\nVerkehrswertermittlung die ublichen, dem Objekt angemessenen Kosten\nanzusetzen, davon etwa abweichende tatsachliche Kosten des derzeitigen\nEigentumers kommen nur in Betracht, wenn sie auf die Ertragsfahigkeit von\nEinfluss sind (Nr. 3.5.2. WertR 2002; vgl. auch § 18 WertV). Die pauschalen\nAnsatze sind deshalb nicht zu beanstanden. Auch der Hohe nach erscheinen sie\nim Vergleich mit den in der Anl. 3 der WertR 2002 angegeben Werte angemessen. \n--- \n--- \n| 72 \n--- \n| e) Es kann ferner dahingestellt bleiben, ob bei der Bewertung der\nGrundstucke K 6 und K 4, fur die Erbbaurechte vergeben sind, anstelle des\nWertfaktors 1,0 ein solcher von 0,7 (wie bei anderen erbbaurechtbelasteten\nGrundstuck der B. Gesellschaften) hatte angesetzt werden mussen. \n--- \n| 73 \n--- \n| Weil im Fall von Erbbaurechten die Gebaude dem Erbbauberechtigten gehoren,\nwird der Wert im Grundsatz nur nach dem Bodenwert berechnet. Entspricht der\nErbbauzins der angemessenen Bodenwertverzinsung, dann ist der Bodenwert mit\ndem Grundstuckswert identisch. Die Situation kommt aber bei alteren\nErbbaurechten, wie sie auch hier vorliegen, praktisch nicht vor, weil der fur\nden Erbauzins vereinbarte Index erheblich unter der Bodenwertsteigerung liegt.\nDann erleidet der Eigentumer einen Zinsverlust, der den Bodenwert mindert,\nalso von ihm abgezogen werden muss. Er hangt wiederum von der Restlaufzeit des\nErbbaurechts ab. Nach der WertR 2002 ist die Differenz zwischen angemessenem\nund tatsachlichem Erbbauzins uber die Restlaufzeit zu kapitalisieren. Das\nErgebnis ist mit einem sog. Wertfaktor von 0,3 bis 0,8 oder 0,9 zu\nmultiplizieren, was zu hoheren Bodenwerten fur den Eigentumer fuhrt; damit\nsollen Vor- und Nachteile aus der Hohe des Erbbauzinses und aus sonstigen\nAuswirkungen des Erbbauvertrags berucksichtigt werden; zudem sollen am Markt\nhohere Kaufpreise beobachtet worden sein, als sie sich rechnerisch ergeben\nhaben. Der Faktor ist um so hoher, je großer die Beeintrachtigungen des\nGrundstucks durch das Erbbaurecht sind (vgl. zu alldem WertR 2002 Nr. 4.2.2.3\nund 4.2.1; Simon u.a. Handbuch der Grundstuckswertermittlung S. 55 ff). \n--- \n| 74 \n--- \n| Diese Umstande sind in den betreffenden Gutachten methodisch korrekt\nberucksichtigt. Eine Verringerung des Wertfaktors bei den beiden genannten\nGrundstucken um 0,3 auf 0,7 in diesen Berechnungen hatte einen Mehrwert der\nGrundstucke von insgesamt lediglich 0,53 Mio. EUR zur Folge, was den\nLiquidationswert nicht entscheidungserheblich anhebt. \n--- \n--- \n| 75 \n--- \n| 2\\. Bei der Ermittlung des Liquidationswerts sind zu Recht\nLiquidationskosten abgezogen worden. Da auch der Liquidationswert ein fiktiver\nWert ist, sind neben den Verbindlichkeiten die Liquidationskosten\neinschließlich etwaiger Ertragsteuern oder auch bei Liquidation noch\nfortbestehender Verpflichtungen (z.B. Pensionsverpflichtungen) unabhangig\ndavon abzuziehen, ob liquidiert wird oder eine Liquidationsabsicht besteht\n(vgl. BGH NJW 1972, 1269; 1973, 509; NJW-RR 1986, 1066; NJW-RR 2005, 153;\naußerdem nunmehr BGH NZG 2006, 425, Tz. 12; Großfeld a.a.O. S. 207 mit S.\n172). Der in erster Instanz antragstellerseits vertretene Standpunkt,\nLiquidationskosten durften nicht berucksichtigt werden, weil es sich um einen\nfiktiven Wert handele, ist gerade nicht richtig. Er lasst sich auch nicht auf\ndie abweichende Ansicht des BayObLG zur Bewertung nicht betriebsnotwendigen\nVermogens stutzen, die im Übrigen durch die genannte Entscheidung des\nBundesgerichtshofs (NZG 2006, 425, Tz. 12) uberholt ist. \n--- \n| 76 \n--- \n| Zu den Liquidationskosten gehoren auch die vom Unternehmen infolge der fur\ndie fiktive Liquidation unterstellten Veraußerung von Betriebsvermogen auf\nVeraußerungsgewinne nach § 11 KStG, § 7 Abs. 1 Satz 2 GewStG zu entrichtenden\nSteuern (vgl. BGH NJW-RR 2005, 153, 155; NJW 1978, 1316, 1319; OLG Munchen BB\n2007, 2395, 2398; OLG Dusseldorf DB 2000, 83; Hirte/Hasselbach in GroßKomm-\nAktG § 305 Rn. 231 m.w.N.), da nur das danach verbleibende Vermogen zur\nVerteilung an die Aktionare nach § 271 Abs. 1 AktG zur Verfugung steht.\nDeshalb wurde bei der uberschlagigen Ermittlung des Liquidationswerts im\nUnternehmensvertragsbericht (S. 64) diese Steuerlast zu Recht berucksichtigt.\nDer Einwand, eine Kapitalgesellschaft als potentielle Erwerberin zahle diese\nSteuern nicht und brauche sie nicht vom Kaufpreis abziehen, ist unschlussig,\nweil es nicht um die Steuerlast eines potentiellen Erwerbers eines Grundstucks\nder Gesellschaft oder um sein Preiskalkul unter steuerlichen Gesichtspunkten\ngeht, sondern um die von der veraußernden Gesellschaft auf den\nBetriebsaufgabegewinn (Differenz zwischen letztem Steuerbilanzwert und\nVerkehrswerten nach kompletter Veraußerung aller Vermogensbestandteile, § 11\nAbs. 2 bis 4 KStG) zu zahlenden Steuern. Da bei dieser Betrachtung die\nLiquidation der Gesellschaft unterstellt wird, konnte sie der Steuerlast auch\nnicht etwa durch Übertragung von stillen Reserven auf ein neu angeschafftes\nErsatzgrundstuck nach § 6 b EStG entgehen. Die Unternehmenssteuern sind\ndeshalb zu Recht als Liquidationskosten in Abzug gebracht worden. \n--- \n| 77 \n--- \n| Ob der weitere Abzug typisierter personlicher Ertragsteuern der\nAnteilseigner in Hohe von 9.590.000 EUR in diesem Fall richtig ist, kann\ndahingestellt bleiben, weil aus einem um diesen Wert korrigierten\nLiquidationswert vor Ertragsteuern keine hohere Abfindung folgt. \n--- \n--- \n| 78 \n--- \n| 3\\. Die Ausfuhrungen unter 1. und 2. gelten entsprechend fur die\ngleichartigen Rugen zur Ermittlung des Liquidationswerte der G GmbH und der\nBAG, die in Hohe der o.g. Anteile der IAG an diesen Unternehmen in die\nLiquidationsbewertung der IAG eingeflossen ist (Unternehmensbericht S. 62, 64,\nAnl. 2, Anl. 4); hierauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen. Zu\nerganzen ist, dass im Gutachten zum H. der BAG, das im Verfahren 20 W 10/06\nvorgelegt worden ist, die zusatzliche Flache aus der zum Stichtag lediglich\ngeplanten Aufstockung dieses Gebaudes mit den zu erwartenden nachhaltigen\nMietertragen berucksichtigt worden ist (vgl. zur Bewertung der BAG auch\nBeschluss vom heutigen Tage im Parallelverfahren 20 W 10/06). \n--- \n| 79 \n--- \n| Soweit daruber hinaus in erster Instanz bei der Bewertung der Immobilien der\nG GmbH die Berechtigung eines Abzugs von Reparaturkosten in der Abdichtung der\nK.-Passage bezweifelt worden ist, kommt es darauf wegen des verhaltnismaßig\ngeringen, fur die Entscheidung unerheblichen Differenzbetrags von 200.000 EUR\n(davon relevant fur den Wert der IAG insgesamt ca. 64% = ca. 129.000 EUR)\nnicht an. Dasselbe gilt fur den Einwand, beim Objekt R. hatte wegen laufender\nProlongationsverhandlungen ein hoherer Vervielfaltiger angesetzt werden\nmussen: selbst wenn - wohl unberechtigt - eine Restlaufzeit von 14 Jahren\nanstelle von 4 Jahren angesetzt wurde, wurde sich damit bei einem\nVervielfaltiger von 9,59 und einem Abzinsungsfaktor von 0,47257 zur Berechnung\nder Wertminderung des Werts der baulichen Anlagen bei Vertragsende lediglich\nein Mehrwert von ca. 640.000 EUR (64 % = ca. 410.000 EUR) ergeben. \n--- \n--- \n**IV.** \n--- \n| 80 \n--- \n| Somit bleibt es bei der Festsetzung einer angemessenen Barabfindung von\n251,18 EUR je Aktie. \n--- \n| 81 \n--- \n| Von der Festsetzung einer Verzinsung, wie sie die Antragsteller in erster\nInstanz verschiedentlich begehrt hatten, hat das Landgericht zu Recht\nabgesehen, denn die Verzinsung ergibt sich aus dem Gesetz (§ 305 Abs. 3 Satz 3\nAktG; vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.11.2006, 20 W 233/93, Juris\nTz. 15; OLG Hamburg AG 2002, 89). Der Verfahrensgegenstand des\nSpruchverfahrens erstreckt sich nicht auf die in dieser Bestimmung geregelten\nSekundaranspruche (Drescher in Spindler/Stilz, AktG, § 11 SpruchG Rn. 3\nm.w.N.). \n--- \n--- \n**D.** \n--- \n| 82 \n--- \n| Der Ausgleich nach § 304 AktG ist abweichend von der Festsetzung des\nLandgerichts auf einen Betrag von 15,97 EUR (brutto) abzuglich der jeweiligen\nKorperschaftsteuerbelastung samt Solidaritatszuschlag festzusetzen. \n--- \n--- \n**I.** \n--- \n| 83 \n--- \n| Der nach Maßgabe des § 304 Abs. 2 AktG auf der Grundlage der bisherigen\nErtragslage und kunftigen Ertragsaussichten angemessene Ausgleich kann nach\nh.M. und gangiger Praxis aus dem Ertragswert, der fur die Barabfindung\nberechnet worden ist, mittels dessen Verzinsung abgeleitet werden (vgl. nur\nBGHZ 156, 57, 63; Emmerich a.a.O. § 304 Rn. 39; Koppensteiner in KolnKomm-\nAktG, § 304 Rn. 67), denn damit kann methodisch der Durchschnitt der kunftigen\nGewinnerwartungen ermittelt werden (Jonas Wpg. 2007, 835, 836 f). Die\nRechtsprechung des BVerfG, die bei der Bestimmung des variablen Ausgleichs\nnach der Verschmelzungswertrelation die Berucksichtigung der Borsenkurse des\nbeherrschten Unternehmens verlangt, ist auf den festen Barausgleich nicht\nubertragbar (Koppensteiner a.a.O. § 304 Rn. 55 m.w.N.). Hier geht es\nausschließlich um die Erwartungen an die kunftige Ertragsfahigkeit des\nUnternehmens der beherrschten Gesellschaft; dafur ist ein\nDesinvestitionsinteresse ohne Belang (vgl. auch OLG Hamburg AG 2003, 583,\n585). \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 84 \n--- \n| Auszugehen ist deshalb vom Unternehmenswert zum 31.12.2003 in Hohe von\n184.640.070 EUR (s.o.). Auch hier ist aus den o.g. methodischen Grunden\nzunachst von einem Nachsteuerwert auszugehen. Damit weicht der Senat im\nErgebnis nicht von der Rechtsauffassung des OLG Munchen (BB 2007, 2395, 2399;\nAG 2007, 411, 414) ab, das die Erforderlichkeit einer Bruttoberechnung aus der\nEntscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.07.2003 (BGHZ 156, 57) ableiten\nwill, obwohl es dort nicht um personliche Ertragsteuern eines typisierten\nAnteilseigners, sondern um die den jeweils ausschuttungsfahigen Gewinn\nmindernde Korperschaftsteuer auf Unternehmensebene ging; auch insoweit wurde\nim Ergebnis kein Vorsteuerbetrag zugesprochen, sondern lediglich der\nNachsteuerwert unter Abkehr vom Stichtagsprinzip von der kunftigen\nSteuerrechtsentwicklung abhangig gemacht (siehe dazu noch unten V.).\nTatsachlich fuhrt aber auch die Berucksichtigung der personlichen Ertragsteuer\nbei der Ermittlung des Ertragswerts und seiner Verzinsung (unten III.) nicht\nzu einem Nettowert des Ausgleichs, weil letztlich die typisierte Steuerlast\nauf die Ausgleichszahlung als Korrekturfaktor hinzu gerechnet wird (s.u. IV.).\nDamit erhalt der im Unternehmen verbleibende Anteilseigner eine Brutto-\nGarantiedividende, die er je nach seinen individuellen steuerlichen\nVerhaltnissen und nach Maßgabe des jeweils anzuwendenden Steuerrechts zu\nversteuern hat. Diese Berechnungsweise ist im Verfahren auch nicht bezweifelt\nworden. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n| 85 \n--- \n| Dieser Unternehmenswert ist mit dem Kapitalisierungszinssatz zu verzinsen.\nDer Senat lasst es dahin gestellt, ob grundsatzlich eine Risikoadjustierung\ndes Kapitalisierungszinssatzes deshalb berechtigt ist, weil sich wahrend der\nLaufzeit des Unternehmensvertrags die feste Ausgleichszahlung vergleichbar\neiner Anleihe als sicher erweist und nur der unsicheren, moglicherweise sogar\nschlechteren Risikostruktur nach Ende des Unternehmensvertrags Rechnung zu\ntragen ist (Maul DB 2002, 1423, 1425; OLG Munchen BB 2007, 2395, 2400; AG\n2007, 411, 414; OLG Celle ZIP 2007, 2025, 2028; LG Bremen AG 2003, 214, 215),\noder ob es beim Ansatz des insoweit unveranderten Kapitalisierungszinssatzes\n(vgl. etwa BGHZ 156, 57, 63; i.Erg. auch OLG Stuttgart AG 2004, 43, 47) zu\nbleiben hat, weil sich moglicherweise beide Effekte in etwa kompensieren.\nJedenfalls beruhen beide Ansichten auf der Überlegung, dass sich die\nRisikostruktur der festen Ausgleichszahlung von derjenigen einer Aktienrendite\nqualitativ unterscheidet und deshalb an sich einer eigenstandigen Betrachtung\nbedarf. Ob dies im Regelfall quantitativ einen niedrigeren Zuschlag\nrechtfertigt, kann offen bleiben. Der Risikozuschlag ist hier ohnehin aus den\noben ausgefuhrten Grunden außerst gering (0,81). Eine weitere Reduzierung des\nRisikozuschlags um die Halfte wurde einen Wert nahe Null ergeben und dem\nverbleibenden Restrisiko kaum ausreichend Rechnung tragen. Zudem verandert sie\ndas Endergebnis ohnehin nur um ca. 7 %, was noch innerhalb moglicher\nBandbreiten der Bewertung liegt. \n--- \n| 86 \n--- \n| Umgekehrt kommt eine Erhohung des Risikofaktors erst recht nicht aus dem\nGrund in Betracht, weil das Risiko einer „Ausplunderung" des Unternehmens\ndurch die beherrschende Gesellschaft wahrend der Vertragslaufzeit bestehe, wie\neinige Antragsteller unter Hinweis auf einschlagige betriebswirtschaftliche\nUntersuchungen vertreten (vgl. auch Knoll ZIP 2003, 2329, 2335). Fur die\nzugrunde liegende Befurchtung, bei einem den Ertragswert ubersteigenden\nLiquidationswert sei eine Vermogensveraußerung auf Veranlassung des\nherrschenden Unternehmens fur dieses lohnend, fehlt es hier schon an den\ntatsachlichen Voraussetzungen. \n--- \n| 87 \n--- \n| Aus diesen Grunden belasst es der Senat in diesem Fall bei dem\nKapitalisierungszins vor Steuern von 6,06 %. Reduziert um den typisierten\nEinkommensteuersatz von 35 %, wie er auf die Ertrage aus festverzinslichen\nWertpapieren zu entrichten ist (dazu Unternehmensbericht S. 65), ergibt sich\nein Verrentungszins von 3,94 %. Daraus folgt ein Netto-Ausgleichsbetrag von\n9,69 EUR je Aktie. \n--- \n--- \n**IV.** \n--- \n| 88 \n--- \n| Da der typisierte Aktionar, auf den bei der Unternehmensbewertung und der\ndaraus abgeleiteten Ausgleichsberechnung abzustellen ist, mit der\nAusgleichsleistung der Einkommensteuer auf Ausschuttungen nach dem\nHalbeinkunfteverfahren unterliegt (Hasselbach/Hirte in GroßKomm-AktG, § 304\nRn. 164 f m.w.N.), ist der so ermittelte Nachsteuerbetrag auf der Grundlage\ndes halftigen typisierten Steuersatzes von 17,5 % in eine Brutto-\nGarantiedividende umzurechnen (Stephan in K.Schmidt/Lutter, AktG, § 304 Rn.\n87; siehe auch die Darstellung auf S. 25 des Prufungsberichts zu UB S. 62).\nWird der Nachsteuerbetrag von 9,69 EUR mit 82,5 % gleichgesetzt, ergibt sich\nso ein Betrag (100 %) von 11,75 EUR. \n--- \n--- \n**V.** \n--- \n| 89 \n--- \n| Dem außenstehenden Aktionar ist als angemessener Ausgleich schließlich der\nvoraussichtlich verteilungsfahige Bruttogewinnanteil je Aktie abzuglich der\nvon der Gesellschaft hierauf zu entrichtenden Korperschaftsteuer in Hohe des\njeweils gultigen Steuertarifs (BGHZ 156, 57) zu gewahren. In gleicher Weise\nist der jeweilige Solidaritatszuschlag zu berucksichtigen (OLG Munchen AG\n2007, 411, 414; BayObLG AG 2006, 41, 45). Somit ist der oben unter IV.\nermittelte Endbetrag um die in der Ertragswertberechnung berucksichtigte\nSteuerbelastung von insgesamt 26,38 % (25 % Korperschaftsteuer zzgl. 5,5 %\nSolidaritatszuschlag hieraus) zu korrigieren. Dies gibt einen\nBruttoausgleichsbetrag von 15,97 EUR abzuglich jeweiliger Belastung mit diesen\nUnternehmenssteuern. \n--- \n--- \n**E.** \n--- \n| 90 \n--- \n| Die im Beschwerdeverfahren entstandenen Gerichtskosten hat die\nAntragsgegnerin zu tragen, § 15 Abs. 2 Satz 1 SpruchG. Sie ganz oder teilweise\nden Antragstellern aus Billigkeitsgrunden (§ 15 Abs. 2 Satz 2 SpruchG)\naufzuerlegen, ist nicht veranlasst. Das gilt auch in Bezug auf die\nzuruckgenommenen Beschwerden der Antragsteller zu 3 und 30, nachdem dadurch\ngesonderte Kosten nicht entstanden sind. \n--- \n| 91 \n--- \n| Im Hinblick auf den Verfahrensausgang war es nicht veranlasst, die\naußergerichtlichen Kosten der Beschwerdefuhrer abweichend vom Regelfall, dass\neine Kostenerstattung nicht erfolgt, nach § 15 Abs. 4 SpruchG aus\nBilligkeitsgrunden der Antragsgegnerin aufzuerlegen. \n--- \n| 92 \n--- \n| Der Geschaftswert ist auf 1.133.343,48 EUR festzusetzen. Dies ist der\nUnterschiedsbetrag zwischen der angebotenen und der festgesetzten Barabfindung\nfur alle außenstehenden Aktien (§ 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG). Bei\ngleichzeitiger Entscheidung uber Abfindung und Ausgleich kommt keine\nZusammenrechnung in Betracht, weil beide Arten der Kompensation nur alternativ\ngewahrt werden; maßgeblich ist in dem Fall der hohere Betrag (vgl. Drescher in\nSpindler/Stilz, AktG, § 15 SpruchG Rn. 5). Er liegt fur den Ausgleich\nniedriger, denn abzustellen ist auf den 12,5-fachen Jahresbetrag (§ 15 Abs. 1\nSatz 1 SpruchG i.V.m. § 24 Abs. 1 KostO, siehe Drescher a.a.O. Rn. 4) nur der\nDifferenz zwischen dem Ausgleichsangebot der Antragsgegnerin und dem o.g.\nNettobetrag von 11,75 EUR vor Hinzurechnung des Unternehmenssteueranteils, der\nwirtschaftlich dem festgesetzten Bruttobetrag abzuglich jeweiliger\nUnternehmensertragsteuer entspricht. \n--- \n| 93 \n--- \n| Dementsprechend ist auch der Geschaftswert fur das erstinstanzliche\nVerfahren herabzusetzen (vgl. OLG Munchen, Beschluss vom 26.10.2006, 31 Wx\n12/06, Juris Tz. 53), der insoweit auch als Gegenstandswert fur die Gebuhren\nder Verfahrensbevollmachtigten der Antragsgegnerin sowie der Vergutung des\ngemeinsamen Vertreters anzusetzen ist, ohne dass es dazu eines Ausspruchs\nbedarf. Auch die Gegenstandswerte fur die Verfahrensbevollmachtigten erster\nInstanz auf Antragstellerseite andern sich dadurch nach Maßgabe von § 31 RVG;\ndie bisherigen Festsetzungen im angefochtenen Beschluss sind aber nicht zu\nandern, sondern aufzuheben, da die nach § 33 Abs. 1 RVG erforderlichen Antrage\nnicht ersichtlich sind. \n--- \n| 94 \n--- \n| Eine Änderung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung war nicht veranlasst. \n---\n\n
135,354
vg-freiburg-2005-02-14-2-k-9105
157
Verwaltungsgericht Freiburg
vg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
2 K 91/05
2005-02-14
2019-01-07 11:10:04
2019-01-17 11:55:22
Beschluss
## Tenor\n\nDie aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die in Nr.\n5 der Verfugung des Landratsamts Ortenaukreis vom 28.12.2004 enthaltene\nAndrohung der Ersatzvornahme wird angeordnet.\n\nIm Übrigen wird der Antrag zuruckgewiesen.\n\nDer Antragsteller tragt 5/6 und der Antragsgegner 1/6 der Kosten des\nVerfahrens.\n\nDer Streitwert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Antrag des Antragstellers, nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende\nWirkung seines Widerspruchs gegen die Verfugung des Landratsamts Ortenaukreis\nvom 28.12.2004 wiederherzustellen, soweit es ihm die Schafhaltung untersagt\nund ihn aufgefordert hat, seinen Schafbestand bis zum 28.1.2005 aufzulosen,\nund anzuordnen, soweit es ihm andernfalls die Ersatzvornahme angedroht hat,\nhat nur zu einem geringen Teil Erfolg. Das Verwaltungsgericht trifft seine\nEntscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO aufgrund einer eigenen Interessenabwagung.\nDie aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs wird es regelmaßig dann\nwiederherstellen oder anordnen, wenn dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit\nbegrundet sein wird. Umgekehrt scheidet die Wiederherstellung der\naufschiebenden Wirkung regelmaßig aus, wenn der Rechtsbehelf mit hoher\nWahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird. Weiter ist zu berucksichtigen, ob\ndas offentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung das private Interesse\ndes Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung uberwiegt. Ist der\nVerfahrensausgang offen, etwa weil der der Entscheidung zugrunde liegende\nSachverhalt weiterer Aufklarung bedarf, so ist eine reine Interessenabwagung\nerforderlich. \n--- \n| 2 \n--- \n| Im vorliegenden Fall wird der Rechtsbehelf des Antragstellers - nach der im\nVerfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO allein moglichen summarischen Prufung der\nSach- und Rechtslage - mit hoher Wahrscheinlichkeit nur insoweit Erfolg haben,\nals er gegen die sofortige Vollziehung der Androhung der Ersatzvornahme\ngerichtet ist (2.). Zum uberwiegenden Teil ist er aber voraussichtlich\nunbegrundet (1.). \n--- \n| 3 \n--- \n| 1\\. Das auf § 16 a TierSchG gestutzte Schafhaltungsverbot ist\nvoraussichtlich rechtmaßig. Gewichtige Anhaltspunkte deuten darauf hin, dass\nder Antragsteller seine auf der „Sauweide" gehaltenen Schafe tatsachlich in\neiner Weise behandelt hat, die den Anforderungen des § 2 TierSchG nicht\ngerecht wird und gegen § 1 Satz 2 TierSchG verstoßt. Die im Rahmen des\ngerichtlichen Eilverfahrens anzustellende Interessenabwagung fallt folglich\nschon deshalb zu seinen Lasten aus. Zudem uberwiegt das offentliche Interesse\nder Allgemeinheit an der Sicherstellung einer art- und verhaltensgerechten\nTierhaltung auch sonst das private Interesse des Antragstellers, bis zu einer\nEntscheidung uber seinen Widerspruch vom Vollzug des Schafhaltungsverbotes\nverschont zu bleiben. Denn in diesem Falle waren ernsthaft weitere\ntierschutzrechtliche Verstoße zu befurchten, denen vor dem Hintergrund des\nSchutzauftrages aus Art. 20 a GG auch im Rahmen der hier vorzunehmenden\nInteressenabwagung vorzubeugen ist. Demgegenuber ist das private Interesse des\nAntragstellers wohl von verhaltnismaßig geringem Gewicht. Er hat insbesondere\nnicht vorgetragen, die Schafzucht berufs- oder gewerbsmaßig zu betreiben und\ndurch sie einen wesentlichen Teil seines Lebensunterhalts zu bestreiten. Bei\neiner Gesamtwurdigung aller Umstande erscheint es ihm daher zumutbar, schon\nvor einer Entscheidung uber seinen Widerspruch auf die Schafhaltung zu\nverzichten. \n--- \n| 4 \n--- \n| a) Das in Nr. 1 der angefochtenen Verfugung enthaltene Schafhaltungsverbot\nfindet seine Rechtsgrundlage in § 16 a Satz 2 Nr. 3 TierSchG. Nach § 16 a\nSatze 1 und 2 Nr. 3 TierSchG kann die zustandige Behorde - hier das\nLandratsamt Ortenaukreis - insbesondere demjenigen, der den Vorschriften des §\n2, einer Anordnung nach Nr. 1 oder einer Rechtsverordnung nach § 2 a\nwiederholt oder grob zuwidergehandelt und dadurch den von ihm gehaltenen\nTieren erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schaden zugefugt hat, das Halten von\nTieren einer bestimmten oder jeder Art untersagen, wenn Tatsachen die Annahme\nrechtfertigen, dass er weiterhin derartige Zuwiderhandlungen begehen wird. Im\nFalle des Antragstellers liegen die Voraussetzungen einer solchen Anordnung\nnach § 16 a Satz 2 Nr. 3 TierSchG mit hoher Wahrscheinlichkeit vor.\nUnmittelbarer Anlass fur den Erlass des angefochtenen Schafhaltungsverbots war\nein Vorfall vom 12.11.2004. Nach der Strafanzeige der Polizeidirektion\nOffenburg vom 17.11.2004 lagen sechs tote Schafe auf der Weide des\nAntragstellers. Die restlichen 55 Tiere standen der Anzeige zufolge 10 bis 25\ncm tief im Morast. In dem Pferch gebe es keine trockene Stelle; die Tiere\nseien allesamt mit nassem Schlamm verdreckt. Futtervorrate seien nicht\nfestgestellt worden. Diese Feststellungen werden durch die in den Akten\nbefindlichen Lichtbilder und vor allem das Gutachten des Amtstierarztes\n(undatiert, VAS. 85 ff.) bestatigt. Danach waren die Tiere mit nassem Schlamm\nund Kot verschmiert und in einem sehr schlechten Ernahrungs- und\nPflegezustand. Ein Schaf, das in einem Entwasserungsgraben lag und nicht mehr\naufstehen konnte, musste mit einem Bolzenschussgerat getotet werden, um es\n„von seinen Leiden zu erlosen". \n--- \n| 5 \n--- \n| Diesen Feststellungen tritt der Antragsteller nicht mit durchgreifenden\nArgumenten entgegen. Soweit er darauf verweist, die sechs verendeten Schafe\nhatten sich wohl auf einem anderen Grundstuck vergiftet, kann er nicht in\nFrage stellen, dass diese Schafe - unabhangig von der unmittelbaren\nTodesursache - in besonders schwerem Maße vernachlassigt worden sind. Denn der\nAmtsarzt hat bei der Untersuchung dieser vollig verdreckten Tiere eine starke\nAbmagerung festgestellt. Auf schwere Mangel in der Tierhaltung deutet auch der\nBericht des Chemischen und Veterinaruntersuchungsamts Freiburg vom 19.11.2004\nhin, das eines der toten Schafe untersucht hatte. In dem Bericht wird eine\nhochgradige totale Abmagerung mit totalem Verlust des Korperfetts\nfestgestellt; außerdem werden ein hochgradig struppiges, kotverschmiertes\nHaarkleid, Ödeme im Kopfbereich und eine allgemeine Anamie diagnostiziert. \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Antragsteller hat zudem - anders als er behauptet - mit hoher\nWahrscheinlichkeit uber Monate hinweg gegen § 2 TierSchG verstoßen, indem er\nseine Schafe auf der „Sauweide" grob vernachlassigt hat. Bereits am 24.2.2004\nhat sich der Tierschutzverein A. an das Landratsamt gewandt, weil die Schafe\ndes Antragstellers im Matsch und in Wasserpfutzen gehalten wurden und\nverdreckt und verklebt seien. Bei einer daraufhin durchgefuhrten Kontrolle\nstellte die Polizeidirektion Offenburg unter dem 17.3.2004 fest, dass die\nTiere vermutlich schon langere Zeit kein Futter erhalten hatten; bei der\neingezaunten kleinen Weideflache habe es sich nur noch um eine einzige\nmatschige Kloake gehandelt. Auch in der Folgezeit wurde die Tierhaltung des\nAntragstellers mehrfach beanstandet. Es kann also nicht die Rede davon sein,\ndass es einzig wegen der nicht geschnittenen Klauen der Schafe in der\nVergangenheit zu einer einzigen Beanstandung gekommen sei, wie der\nAntragsteller geltend macht. \n--- \n| 7 \n--- \n| Zudem durften die Voraussetzungen des § 16a Satz 2 Nr. 3 TierSchG selbst\ndann gegeben sein, wenn es sich bei dem Vorfall, den die Behorde zum Anlass\nihres Eingreifens gemacht hat, um eine einmalige Zuwiderhandlung gehandelt\nhaben sollte, denn es kann wohl kaum zweifelhaft sein, dass es sich hierbei um\neinen besonders groben Verstoß gehandelt hat. Liegt aber eine grobe\nZuwiderhandlung vor, genugt bereits ein einmaliger Verstoß fur ein\nEinschreiten der Behorde nach § 16a Satz 2 Nr. 3 TierSchG (vgl.\nHirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, § 16a Rn. 24). \n--- \n| 8 \n--- \n| Auch ist angesichts der Berichte in den Akten die Annahme gerechtfertigt,\ndass es weiterhin zu derartigen groben Zuwiderhandlungen kommen wurde, wenn\ndem Antragsteller die Schafhaltung nicht untersagt wurde. Aus der Art der\nTierhaltung des Antragstellers in der Vergangenheit ergibt sich, dass die\nTierhaltung uber einen langen Zeitraum hin durchgangig erhebliche Mangel\naufwies, die vom Antragsteller nur auf außeren Druck hin und auch nur\nteilweise abgestellt wurden. Dem Antragsteller fehlt es daher wohl an dem\nWillen oder der Fahigkeit zu einer artgerechten Tierhaltung, was auch daraus\ndeutlich wird, dass er in diesem Verfahren tierschutzwidrige Umstande\nteilweise leugnet oder verharmlost. Eine Untersagung der Tierhaltung ist schon\nbereits dann gerechtfertigt, wenn nur die Gefahr besteht, dass den Tieren\nandernfalls erhebliche Schmerzen, Leiden oder Schaden zugefugt werden (vgl.\nhierzu VGH Bad.-Wurtt., Beschlusse vom 28.4.2004 - 1 S 756/04 - und vom\n25.4.2002 - 1 S 1900/00 -). Erst recht muss dies dann gelten, wenn es wie hier\nschon zu erheblichen Schmerzen, Leiden oder Schaden jedenfalls eines Teils der\nTiere gekommen ist. Auf dieser Basis muss nicht sehenden Auges zugewartet\nwerden, bis den Tieren des Antragstellers weitere erhebliche Schmerzen oder\nLeiden zugefugt werden. Ein erst auf Druck der Behorde erfolgtes Wohlverhalten\nmuss bei dieser Gefahrenprognose außer Betracht bleiben; vielmehr ist\nhypothetisch ein Nichteinschreiten der Behorde zu unterstellen (vgl. hierzu\nVGH Bad.-Wurtt., a.a.O.). Hier ist nicht ersichtlich, dass der Antragsteller\ndie beanstandete Art der Schafhaltung von sich aus verbessert hatte, wenn\nkeine behordlichen Interventionen erfolgt waren. \n--- \n| 9 \n--- \n| Schließlich ist auch die Ermessensausubung nicht zu beanstanden.\nInsbesondere lasst sich aus dem Umstand, dass nach dem Vortrag des\nAntragstellers zahlreiche Schafe hochtrachtig sind, keine\nUnverhaltnismaßigkeit der Maßnahme herleiten. Denn es ist nicht ersichtlich,\ndass die Geburt der Lammer nur dann erfolgen kann, wenn die Mutterschafe\nweiter von dem Antragsteller gehalten werden. Im Gegenteil ist angesichts der\nbislang katastrophalen Versorgung der Schafe durch den Antragsteller zu\nbefurchten, dass es in diesem Fall zu weiteren tierschutzrechtlichen Verstoßen\nauch gegenuber den Lammern kommen wurde. \n--- \n| 10 \n--- \n| b) Keine Bedenken bestehen voraussichtlich auch gegen die in Nr. 2\nangeordnete Auflosung des Schafbestandes bis zum 28.1.2005. Diese Anordnung\nstellt wohl eine notwendige und zulassige Konkretisierung und Erganzung des\nSchafhaltungsverbots dar und kann wohl ebenfalls als Annex auf § 16 a Satz 2\nNr. 3 TierSchG gestutzt werden (vgl. VG Stuttgart, Beschluss vom 29.7.1998 - 4\nK 2511/98 - NuR 1999, S. 236, 237; Hirt/Maisack/Moritz, Tierschutzgesetz, §\n16a Rn. 26). Ermessensfehler sind auch insoweit nicht ersichtlich. \n--- \n| 11 \n--- \n| 2\\. Nr. 5 der Verfugung ist hingegen voraussichtlich rechtswidrig; darin\nhat das Landratsamt dem Antragsteller die Ersatzvornahme angedroht, falls er\nseinen Schafbestand nicht - wie in Nr. 2 angeordnet - bis zum 28.1.2005\nauflose . Die im Rahmen des gerichtlichen Eilverfahrens anzustellende\nInteressenabwagung fallt hier schon deshalb zu Lasten des Antragsgegners aus,\nweil kein offentliches Interesse an der Durchfuhrung rechtswidriger Maßnahmen\nbesteht. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Auflosung des Schafbestands durch Veraußerung - die ausweislich der\nBegrundung des angefochtenen Verwaltungsakts (S. 3) und der Ausfuhrungen in\ndem Schriftsatz des Landratsamts vom 10.2.2005 von der Behorde gewollt ist -\nkann nicht im Wege der Ersatzvornahme nach §§ 19 Abs. 1 Nr. 2, 25 LVwVG\nvollstreckt werden. Der ohne Begrundung vertretenen Gegenansicht (vgl. VG\nStuttgart, Beschlusse vom vom 29.7.1998 - 4 K 2511/98 - NuR 1999, 236 und vom\n19.9.1997 - 4 K 5186/97 - NuR 1998, 218; Hirt/Maisack/Moritz,\nTierschutzgesetz, § 16a Rn. 26) folgt die Kammer nicht. Denn die Veraußerung\nund Übereignung der Schafe an Dritte setzt die Abgabe von schuldrechtlichen\nund dinglichen Willenserklarungen voraus. Die Behorde ist nicht befugt, im\nWege der Ersatzvornahme anstelle des Eigentumers diese zur Übertragung des\nEigentums erforderlichen Willenserklarungen abzugeben. Anders als die\nZivilprozessordnung (§ 894 Abs. 1 ZPO) kennt das\nVerwaltungsvollstreckungsrecht keine Fiktion der Abgabe einer Willenserklarung\ndes Pflichtigen. Deshalb handelt es sich bei der Abgabe einer Willenserklarung\num eine unvertretbare Handlung, die nur durch den hierzu Berechtigten\nvorgenommen werden kann (vgl. Bayer. VGH, Beschluss vom 8.2.1982 - 22 C 81\nA.958 - NJW 1982, 2275). Wenn eine Behorde in Fallen wie dem Vorliegenden ein\nTierhaltungsverbot nach § 16a Satz 2 Nr. 3 TierSchG dadurch vollstrecken\nmochte, dass die Tiere dem Pflichtigen weggenommen und an Dritte ubereignet\nwerden sollen, bleibt ihr daher wohl nur der Weg uber die Beschlagnahme und\ndie Einziehung nach den §§ 33, 34 PolG, wenn man davon ausgeht, dass die\nTierschutzbehorde in diesem Fall als allgemeine Polizeibehorde anzusehen ist\n(vgl. Wurttenberger/Heckmann/Riggert, Politzierecht in Baden-Wurttemberg, 5.\nAufl. 2002, Rn. 130 f.) und im konkreten Fall die Voraussetzungen dieser\nVorschriften gegeben sind (vgl. Beschluss der Kammer vom 29.10.1999 - 2 K\n1995/99 -; VG Sigmaringen, Beschluss vom 23.6.2003 - 5 K 987/03 -). \n--- \n| 13 \n--- \n| 3\\. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 52 Abs. 2 GKG, soweit es\num die „Grundverfugung" geht. Im Hinblick auf die Besonderheiten des auf\nvorlaufigen Rechtsschutz gerichteten Verfahrens halt die Kammer die Halfte des\ndort vorgeschlagenen Auffangwertes fur angemessen. Soweit Gegenstand des\nAntrags die Androhung der Ersatzvornahme ist, halt die Kammer in Anlehnung an\nNr. 1.6.1 des „Streitwertkatalogs 2004" einen Streitwert in Hohe der Halfte\nder geschatzten Kosten der Ersatzvornahme - also in Hohe von 500 EUR - fur\nangemessen (§ 52 Abs. 1 GKG). \n---\n\n
135,508
lg-freiburg-2006-03-02-3-s-15505
131
Landgericht Freiburg
lg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
3 S 155/05
2006-03-02
2019-01-07 11:12:05
2019-01-17 11:55:33
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung der Klagerin wird das Urteil des Amtsgerichts Freiburg\nvom 06.05.2005 - 10 C 343/05 - im Kostenpunkt aufgehoben und im ubrigen wie\nfolgt abgeandert:\n\n> Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagerin Euro 196,04 nebst Zinsen in\n> Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit dem\n> 10.08.2004 zu bezahlen.\n\n2\\. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Berufung der Klagerin, mit der sie ihr Klagebegehren weiter verfolgt,\nist zulassig und hat auch in der Sache in vollem Umfang Erfolg. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Wegen der tatsachlichen Feststellungen nimmt die Kammer auf diejenigen im\nangefochtenen Urteil Bezug. \n--- \n--- \nI. \n--- \n| 3 \n--- \n| Unstreitig hat die Beklagte als Versicherer des Unfallverursachers fur den\nder Klagerin bei dem Verkehrsunfall vom 29.06.2004 entstandenen Schaden\neinzutreten. Vom Schadensersatzanspruch der Klagerin umfasst sind auch die\nKosten fur eine sachgerechte und erforderliche Rechtsverfolgung. Da die\nKlagerin sich zur Durchsetzung ihrer Anspruche der Hilfe eines Rechtsanwalts\nbedient hat, hat dieser fur diese außergerichtliche Tatigkeit einen Anspruch\nauf eine Geschaftsgebuhr gemaß Nr. 2400 RVG VV. Die Hohe der Geschaftsgebuhr\nist dem Gebuhrenrahmen zu entnehmen, wie er in Nr. 2400 VV vorgegeben ist.\nDieser betragt 0,5 bis 2,5, so dass sich die rechnerische Mittelgebuhr auf 1,5\nbelauft. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Unter Beachtung des vorgegebenen Gebuhrenrahmens bestimmt der Rechtsanwalt\ndie angemessene Gebuhr nach § 14 RVG im Einzelfall unter Berucksichtigung\naller Umstande, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen\nTatigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und\nVermogensverhaltnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Wenn - wie\nhier - die Gebuhr von einem Dritten zu ersetzen ist, ist die von dem\nRechtsanwalt getroffene Bestimmung allerdings nicht verbindlich, wenn sie\nunbillig ist. Die Anknupfung der Gebuhrenbestimmung an die Umstande des\nEinzelfalles lasst damit generalisierende Einordnungen zur Bestimmung der\nangemessenen Geschaftsgebuhr an sich nicht zu. Vielmehr sind danach allein die\nKriterien des Einzelfalles fur die Bestimmung der Geschaftsgebuhr maßgeblich.\nDaher ist es grundsatzlich Aufgabe des Anspruchstellers, die Tatsachen, die\nden geltend gemachten Satz rechtfertigen, vorzutragen. Die allgemeine Aussage,\ndass jeder Verkehrsunfall eine durchschnittliche Angelegenheit sei und deshalb\nzumindest einen Satz von 1,3 rechtfertige, wird daher in der Regel nicht\nausreichend sein. Aus der Kennzeichnung einer Geschaftsgebuhr von 1,3 als\nRegel- oder Schwellengebuhr ist aber der Schluss zu ziehen, dass bei\nNormalfallen einer Unfallabwicklung, bei denen weder Umfang noch Schwierigkeit\nder Tatigkeit uber dem Durchschnitt liegen, diese Kriterien aber auch nicht\nvon deutlich unterdurchschnittlichem Gewicht sind, von einem Gebuhrensatz von\n1,3 auszugehen ist. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Unter Berucksichtigung dieser Gesichtspunkte ist die vom Rechtsanwalt der\nKlagerin getroffene Gebuhrenbestimmung von 1,3 nicht als unbillig anzusehen.\nUmfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tatigkeit sind ebenso wie die\nBedeutung der Sache als durchschnittlich einzustufen. Zu berucksichtigen ist\ndabei insbesondere, dass der Schadensersatzanspruch der Klagerin nicht von\nAnfang an unbestritten war. Vielmehr hat die Beklagte sich zunachst auf den\nStandpunkt gestellt, dass die Klagerin fur die von ihrem Fahrzeug ausgehende\nBetriebsgefahr einzustehen habe und deshalb ihre Anspruche um 20 % zu kurzen\nseien. Erst aufgrund der mit der Beklagten gefuhrten Korrespondenz hat diese\nsich umstimmen lassen. Bereits die insoweit erforderliche Informations- und\nBeratungstatigkeit des Rechtsanwalts sowie der Umfang des eingetretenen\nSchadens rechtfertigen die Bestimmung einer Gebuhr von 1,3. Diese belauft sich\nvorliegend auf Euro 439,40. Einschließlich Kosten fur Post- und\nTelekommunikation sowie der Mehrwertsteuer belaufen sich die\nRechtsanwaltskosten auf Euro 532,90, worauf die Beklagte Euro 336,86 bezahlt\nhat, so dass ein noch zu erstattender Differenzbetrag von Euro 196,04\nverbleibt. \n--- \n--- \nII. \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 BGB. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung uber\ndie vorlaufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor. \n--- \n---\n\n
135,643
fg-baden-wurttemberg-2008-03-05-13-k-21806
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
13 K 218/06
2008-03-05
2019-01-07 11:13:15
2019-01-17 11:55:43
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Streitig ist, ob eine kurzzeitige Zulassung von Kraftfahrzeugen, sog.\n„Registrierzulassung", ohne Abstempelung des Kennzeichens und Aushandigung der\nZulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) zum Entstehen von\nKraftfahrzeugsteuer fuhrt. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin, eine GmbH, ist im Bereich der Zulassungsdienstleistungen\ntatig. Am 12. April 2006 meldete das Landratsamt - Straßenverkehrsamt - dem\nBeklagten 156 Fahrzeuganmeldungen der Klagerin vom 11. April 2006 mit dem\nVermerk, dass Fahrzeugscheine nicht ausgehandigt worden seien. Der Beklagte\nerließ unter dem 20. April 2006 Kraftfahrzeugsteuerbescheide fur die in der\nKlageschrift bezeichneten Fahrzeuge, mit denen zunachst die entsprechende\nJahressteuer festgesetzt wurde, und unter dem 24. April 2006 nach § 12 Abs. 2\nNr. 3 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) geanderte Steuerbescheide fur\nden 11. April 2006, mit denen die Kraftfahrzeugsteuer jeweils auf den auf\neinen Monat entfallenden Jahresbetrag festgesetzt wurde. In den Erlauterungen\nheißt es, die Steuerpflicht dauere mindestens einen Monat (§ 5 KraftStG). \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Gegen die Bescheide vom 24. April 2006 erhob die Klagerin Einspruch und trug\nvor, gemaß § 5 Abs. 2 Nr. 2 der Kraftfahrzeugsteuer-Durchfuhrungsverordnung\n(KraftStDV) habe die Steuerfestsetzung zu unterbleiben, wenn die\nZulassungsbehorde eine Steuererklarung ubersende, den Fahrzeugschein aber\nnicht aushandige. Die Zulassungsbehorde habe eine Steuererklarung ubersendet\nund gleichzeitig mitgeteilt, dass fur die genannten Kfz-Kennzeichen keine\nFahrzeugscheine ausgehandigt worden seien. Eine Steuerfestsetzung habe somit\nzu unterbleiben. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit gleichlautenden Einspruchsentscheidungen vom 1. September 2006 wies der\nBeklagte die Einspruche der Klagerin als unbegrundet zuruck. Zur Begrundung\nist ausgefuhrt, die Kraftfahrzeugsteuer sei gemaß § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG zu\nRecht in Hohe der Monatssteuer festgesetzt worden. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1\nKraftStG unterliege das Halten von inlandischen Fahrzeugen zum Verkehr auf\noffentlichen Straßen der Kraftfahrzeugsteuer. Die Vorschrift des § 5 Abs. 2\nNr. 2 KraftStDV andere hieran nichts. Die Vorschrift beziehe sich nur auf das\ninnerdienstliche Verhaltnis zwischen Zulassungsbehorde und Finanzamt. Es werde\nnur die formale Durchfuhrung der Steuerfestsetzung geregelt, diese habe keinen\nEinfluss auf das materiellrechtliche Steuerfestsetzungsergebnis. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit ihrer Klage tragt die Klagerin vor, wie § 5 Abs. 2 Nr. 2 KraftStDV\nzeige, sei die Verfahrensweise der Nichtaushandigung des Fahrzeugscheins mit\nBenachrichtigung des Finanzamts ausdrucklich vorgesehen und rechtlich moglich.\nSteuergegenstand nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG sei das Halten von\neinheimischen Fahrzeugen zum Verkehr auf offentlichen Straßen. Dies setze bei\nzulassungspflichtigen Fahrzeugen eine formliche Zulassung nach den\nVorschriften der Sraßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) voraus. Die\nZulassung werde nach § 18 Abs. 1 i.V.m. § 24 StVZO durch Erteilung der\nBetriebserlaubnis, durch Zuteilung des amtlichen Kennzeichens und durch\nAushandigung des Fahrzeugscheins bewirkt, wobei das amtliche Kennzeichen mit\ndem Dienststempel der Zulassungsstelle oder einer von ihr beauftragten Behorde\nversehen sein musse (§ 23 Abs. 4 StVZO). Die Fahrzeuge seien durch sie zwar\nzugelassen worden, es seien aber von der Zulassungsstelle keine amtlichen\nKennzeichen und keine Fahrzeugscheine ausgehandigt worden. Die Aushandigung\nder Zulassungsbescheinigungen Teil I und Teil II an sie sei jeweils nach\nvollzogener und eingetragener Stilllegung erfolgt. Die Voraussetzungen fur das\nHalten von Fahrzeugen zum Verkehr auf offentlichen Straßen seien damit nicht\ngegeben. Es habe zu keinem Zeitpunkt die Moglichkeit bestanden, die Fahrzeuge\nzum Verkehr auf offentlichen Straßen einzusetzen. Nach dem Erlass des\nFinanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 19. Februar 1985 (S6150-17-VA2)\nentstehe keine Kraftfahrzeugsteuer, wenn bei einem Fahrzeug nur eine sog.\n„Registrierzulassung" ohne Abstempelung des Kennzeichens vorgenommen werde, da\nes nicht zum Verkehr auf offentlichen Straßen zugelassen sei. Auch habe es\nsich nicht wie im Fall des Finanzgerichts Munchen vom 1. Dezember 1983 (X\n78/83) um eine Zulassung zu statistischen Zwecken gehandelt, bei der die\nBefugnis zum Verkehr auf offentlichen Straßen erworben worden sei. Im\nvorliegenden Fall sei die Befugnis zum Verkehr auf offentlichen Straßen nicht\nerworben worden. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 1\\. die Kraftfahrzeugsteuerbescheide fur die in der Klageschrift vom 22.\nSeptember 2006 genannten Fahrzeuge vom 24. April 2006 und die\nEinspruchsentscheidungen vom 1. September 2006 ersatzlos aufzuheben, \n--- \n| 2\\. das Urteil hinsichtlich der Kostenentscheidung fur vorlaufig\nvollstreckbar zu erklaren, \n--- \n| 3\\. die Zuziehung eines Bevollmachtigten fur das Vorverfahren fur notwendig\nzu erklaren. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Er tragt vor, die der Zulassungsbehorde durch § 5 Abs. 2 Nr. 2 KraftStDV\nauferlegte Verpflichtung, die Steuerabmeldung zu uberprufen und dem\nzustandigen Finanzamt zu ubersenden, stelle lediglich eine besonders\nausgestaltete Form der den Behorden des Bundes und der Lander allgemein\nobliegenden Pflicht dar, sich gegenseitig Rechts- und Amtshilfe zu leisten.\nNach seiner Auffassung seien die Fahrzeuge kraftfahrzeugsteuerrechtlich\nzugelassen gewesen und erfullten damit den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1\nKraftStG. Rechtlich gesehen habe die Klagerin die Zulassungsbescheinigungen\nTeil I und II erhalten. Lediglich aus praktischen Erwagungen heraus und auf\nWunsch der Klagerin seien die Zulassungsbescheinigungen Teil I bei der\nZulassungsstelle geblieben. Diese Praxis andere nichts an der\nSteuerfestsetzung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Auf Bitte des Gerichts hat die Klagerin zu den Hintergrunden der\n„Registrierzulassungen" wie folgt vorgetragen: Ihr Tatigkeitsbereich liege in\nder Beantragung, Verwaltung und Versendung von Fahrzeugdokumenten fur\nImporteure und Hersteller. Der Service reiche von der Beschaffung der\nAusnahmegenehmigung, dem Exportgutachten und des COC-Papiers bis hin zur\nZulassung zur Aus- und Einfuhr und der Beantragung der Zulassungsbescheinigung\nTeil II. Mit ... Fahrzeugdokumenten ... sei sie ... . In jedem Land der\nEuropaischen Gemeinschaft gebe es eigene Fahrzeugdokumente. Dieser Umstand\nerfordere zwingend, dass fur jedes importierte Fahrzeug ein deutscher\nKraftfahrzeugbrief/Zulassungsbescheinigung Teil II erstellt werden musse. Als\nBasis fur die Briefbeschaffung diene einerseits die EG-\nÜbereinstimmungsbescheinigung und andererseits bei gebrauchten Fahrzeugen das\nZulassungszertifikat des jeweiligen Landes bzw. ein Vollgutachten nach § 21\nStVZO durch die technische Prufstelle. Die Tageszulassung sei eine Zulassung\nmit sofortiger anschließender Abmeldung des Fahrzeugs. Der Grund fur die\nTageszulassungen sei die geanderte Rechtslage in Übereinstimmung mit der\ngeltenden Fassung der Richtlinie zur Zulassungsbescheinigung Teil I und Teil\nII, die zum 1. Oktober 2005 der Umsetzung der Richtlinie 1999/37/EG, geandert\ndurch die Richtlinie 2003/127/EG, diene. Der Kreis X habe ab dem 5. Dezember\n2005 fur Gebrauchtfahrzeuge, die bereits in einem anderen Staat zugelassen\ngewesen seien, keine Zulassungsbescheinigung Teil II ausgefullt oder\nausgefertigt, wenn nicht zugleich eine Zulassungsbescheinigung Teil I\nbeantragt und ausgefertigt worden sei. Die Beschaffung bzw. Ausstellung\nnationaler Zulassungsdokumente fur importierte Gebrauchtfahrzeuge sei somit\ndurch administrative Vorgabe an eine Antragstellung auf Zulassung geknupft.\nFolglich handele es sich bei den getatigten Zulassungen primar um Maßnahmen\nzum Zwecke der Erlangung nationaler Zulassungsdokumente, um im Interesse von\nHandlern den freien Warenverkehr der Fahrzeuge zu erleichtern und um die\nbetriebsinterne Abwicklung der Dienstleistungen weiter sicherzustellen. Die\nVornahme gewunschter Zulassungen und Beachtung nationaler\nVerfahrensvorschriften sei hingegen nicht erfolgt, um die jeweiligen Fahrzeuge\nim offentlichen Verkehr in Betrieb zu setzen. Die Zulassung ohne Aushandigung\nder Zulassungsbescheinigungen Teil I und II und der Kfz-Schilder gewahre kein\nRecht zur Benutzung der Fahrzeuge im offentlichen Verkehr. Sie habe die\nZulassungsbescheinigungen wahrend der Zulassungszeit nicht erhalten. Wie der\nBeklagte selbst vortrage, verblieben die Zulassungsbescheinigungen bis zur\nAbmeldung der Fahrzeuge und der entsprechenden Eintragungen bei der\nZulassungsstelle. Dies sei aber nicht auf ihren Wunsch hin erfolgt, sondern\nweil gerade kein Recht zur Benutzung der Fahrzeuge eingeraumt worden sei. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung hat die Prozessbevollmachtigte der Klagerin zu\nden Hintergrunden der streitigen Zulassungen erganzend ausgefuhrt, bei\nNeuwagen erfolge die Zulassung wegen der Preisvorgaben. Nach einer\nErstzulassung entfielen die Bindungen an den Listenpreis. Bei den im\nvorliegenden Fall betroffenen Gebrauchtfahrzeugen handele es sich zum Großteil\num Fahrzeuge, die bereits im Ausland zugelassen gewesen seien. Sie stammten\nbeispielsweise von Mietwagenfirmen und wurden an deutsche Handler verkauft.\nDiese wollten die Wagen mit deutschem Fahrzeugbrief anbieten. Der auslandische\nFahrzeugbrief werde bei der Kurzzulassung eingezogen. Auf Frage hat die\nProzessbevollmachtigte bestatigt, dass bei den streitigen Zulassungen keine\nKennzeichenschilder angefertigt worden seien. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Wegen des ubrigen Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten\ndes Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsatze und die vorgelegten\nAkten des Beklagten (2 Ordner Kraftfahrzeugsteuer- und Rechtsbehelfsakten, 1\nHeft Schriftwechsel Musterverfahren) Bezug genommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 12 \n--- \n| Das Gericht konnte den Rechtsstreit trotz des - telefonisch angekundigten -\nAusbleibens eines Vertreters des Beklagten in der mundlichen Verhandlung\nverhandeln und entscheiden, da hierauf in der rechtzeitig zugestellten Ladung\nhingewiesen worden ist (§ 91 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet. Die Kraftfahrzeugsteuerbescheide fur\ndie im Tenor genannten Fahrzeuge jeweils vom 24. April 2006 und vom 20. April\n2006 sowie die Einspruchsentscheidungen vom 1. September 2006 sind\nrechtswidrig und verletzen die Klagerin in ihren Rechten. Sie sind ersatzlos\naufzuheben. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die von der Klagerin erreichten „Registrierzulassungen" losen keine\nKraftfahrzeugsteuer aus. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Gemaß § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG unterliegt das Halten von inlandischen\nFahrzeugen zum Verkehr auf offentlichen Straßen der Kraftfahrzeugsteuer. Der\nBegriff des Haltens ist das verkehrsrechtlich gegebene Recht, ein Fahrzeug\ndauernd auf offentlichen Straßen benutzen zu durfen (vgl. Strodthoff,\nKraftfahrzeugsteuer, Stand: Mai 2007, § 1 KraftStG, Rn. 26); es knupft bei\nzulassungspflichtigen Fahrzeugen an das Innehaben der\nstraßenverkehrsrechtlichen Zulassung (vgl. BFH-Urteil vom 19. Juli 2001 VII R\n93/00, BFHE 196, 324, BStBl II 2002, 20) und damit an eine auf Dauer angelegte\nZulassung des Fahrzeugs zum Verkehr im Sinne von § 18 Abs. 1 StVZO (in der im\nBesteuerungszeitraum maßgeblichen Fassung) an. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die verkehrsrechtliche Zulassung eines Fahrzeugs besteht in der Erteilung\nder Betriebserlaubnis (§§ 19 bis 21 StVZO) oder einer EG-Typengenehmigung und\nder Zuteilung des amtlichen Kennzeichens (§ 23 StVZO). \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Betriebserlaubnis ist die Anerkennung der Vorschriftsmaßigkeit des\nFahrzeugs (§ 19 Abs. 1 StVZO). Sie wird auf Antrag des Verfugungsberechtigten\nund Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) bei\nserienmaßig hergestellten Fahrzeugen als Allgemeine Betriebserlaubnis bereits\ndem Hersteller (§ 20 StVZO), ansonsten bei der erstmaligen Zulassung fur\nEinzelfahrzeuge erteilt (§ 21 StVZO). Der Nachweis einer von einem\nMitgliedsstaat der Europaischen Union erteilten EG-Typengenehmigung ist durch\neine Übereinstimmungsbescheinigung zu fuhren. Die Zuteilung des amtlichen\nKennzeichens nach § 23 StVZO umfasst nicht nur die Eintragung des vorgesehenen\nKennzeichens in den Zulassungsbescheinigungen Teil II und Teil I\n(Kraftfahrzeugbrief und Kraftfahrzeugschein; §§ 25, 24 StVZO), sondern\ninsbesondere auch die amtliche Abstempelung der am Fahrzeug angebrachten\nKennzeichenschilder. Die Anbringung des Dienststempels ist dabei wesentlicher\nTeil des Zulassungsverfahrens, da die Zulassungsstelle in diesem Zusammenhang\nnicht nur die Zulassungsvoraussetzungen pruft (§ 23 Abs. 1 StVZO), sondern\ngemaß § 23 Abs. 4 Satz 6 StVZO auch ihre Prufungspflicht hinsichtlich der\nAusgestaltung der Kennzeichen wahrnimmt. Diese Prufung erfolgt durch\nInaugenscheinnahme der Kennzeichenschilder. Erst mit der Abstempelung des\nKennzeichenschildes ist das Kennzeichen im Sinne von § 18 StVZO zugeteilt und\ndas Zulassungsverfahren abgeschlossen. Nur mit der abgestempelten, d.h.\nnunmehr amtlichen Kennzeichnung ist das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen (vgl.\nOLG Dusseldorf-Beschluss vom 17. August 1992 5 Ss 179/92-55/92 I, NZV 1993,79;\nBGH-Beschluss vom 21. September 1999 4 StR 71/99, BGHSt 45,197, NJW 2000, 229;\nHentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl. 2005, § 23 StVZO, Rn. 23). Auf\nGrund der Betriebserlaubnis oder der EG-Typengenehmigung und nach Zuteilung\ndes Kennzeichens wird gemaß § 24 StVZO die Zulassungsbescheinigung Teil I\n(Fahrzeugschein) ausgefertigt und ausgehandigt. Sie dient als\nZulassungsnachweis (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, aaO, § 24 StVZO, Rn. 5;\n8). \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Nach diesen Grundsatzen waren die streitgegenstandlichen Fahrzeuge\nverkehrsrechtlich nicht wirksam zum Verkehr zugelassen. Weder wurden\nKennzeichenschilder hergestellt und mit dem amtlichen Dienststempel versehen\nnoch wurden die Zulassungsbescheinigungen Teil I ausgehandigt. Ob die von der\nZulassungsstelle vorgenommenen, sich in den Eintragungen von Kennzeichen in\ndie Zulassungsbescheinigungen Teil II (Kraftfahrzeugbriefe) erschopfenden\nZulassungsvorgange straßenverkehrsrechtlich uberhaupt zulassig sind, ist in\ndem vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden (zweifelhaft, vgl. VG Munchen-\nUrteil vom 7.12.1994 M 6 K 93.3825, NZV 1995,503; Saarland Ministerium der\nFinanzen, VV SL-FinMin 1999-01-29 B/5-31/99-S 6105: „Sogenannte\nRegistrierzulassungen ohne Abstempelung des Kennzeichens und/oder ohne\nAushandigung des Fahrzeugscheins sind verkehrsrechtlich nicht zulassig."; ohne\ndiesen Zusatz: Finanzministerium Baden-Wurttemberg, VV BW FinMin 1999-01-20 S\n6100/1). \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die vorgenommenen Zulassungen (Registrierzulassungen) fuhren jedenfalls\nnicht zu der Berechtigung, die betroffenen Fahrzeuge auf offentlichen Straßen\nzu benutzen, und daher auch nicht zu einem „Halten von inlandischen Fahrzeugen\nzum Verkehr auf offentlichen Straßen" im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG\n(so auch: FG Munchen-Urteil vom 16. Dezember 1992 4 K 2721/91, UVR 1993, 120;\nFinanzministerium Baden-Wurttemberg, VV BW FinMin 1984-09-28 S 6100-3/84:\n„Wird bei einem Fahrzeug nur eine sog. „Registrierzulassung" ohne Abstempelung\ndes Kennzeichens vorgenommen, so ist es nicht zum Verkehr auf offentlichen\nStraßen zugelassen. In diesen Fallen entsteht keine Kraftfahrzeugsteuer.").\nDie vorgenommenen Zulassungen losen daher keine Kraftfahrzeugsteuer aus. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung uber\ndie vorlaufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151, 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, §\n711 der Zivilprozessordnung (ZPO). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Da dem Verfahren ein Sachverhalt zu Grunde lag, der in rechtlicher Hinsicht\nnicht von vornherein als einfach zu beurteilen war, durfte sich die Klagerin\neines Rechtskundigen bedienen, um eine erfolgversprechende Rechtsverfolgung zu\nerreichen. Die Zuziehung eines Bevollmachtigten fur das Vorverfahren war daher\nnotwendig (§ 139 Abs. 3 S. 3 FGO). \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 12 \n--- \n| Das Gericht konnte den Rechtsstreit trotz des - telefonisch angekundigten -\nAusbleibens eines Vertreters des Beklagten in der mundlichen Verhandlung\nverhandeln und entscheiden, da hierauf in der rechtzeitig zugestellten Ladung\nhingewiesen worden ist (§ 91 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet. Die Kraftfahrzeugsteuerbescheide fur\ndie im Tenor genannten Fahrzeuge jeweils vom 24. April 2006 und vom 20. April\n2006 sowie die Einspruchsentscheidungen vom 1. September 2006 sind\nrechtswidrig und verletzen die Klagerin in ihren Rechten. Sie sind ersatzlos\naufzuheben. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die von der Klagerin erreichten „Registrierzulassungen" losen keine\nKraftfahrzeugsteuer aus. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Gemaß § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG unterliegt das Halten von inlandischen\nFahrzeugen zum Verkehr auf offentlichen Straßen der Kraftfahrzeugsteuer. Der\nBegriff des Haltens ist das verkehrsrechtlich gegebene Recht, ein Fahrzeug\ndauernd auf offentlichen Straßen benutzen zu durfen (vgl. Strodthoff,\nKraftfahrzeugsteuer, Stand: Mai 2007, § 1 KraftStG, Rn. 26); es knupft bei\nzulassungspflichtigen Fahrzeugen an das Innehaben der\nstraßenverkehrsrechtlichen Zulassung (vgl. BFH-Urteil vom 19. Juli 2001 VII R\n93/00, BFHE 196, 324, BStBl II 2002, 20) und damit an eine auf Dauer angelegte\nZulassung des Fahrzeugs zum Verkehr im Sinne von § 18 Abs. 1 StVZO (in der im\nBesteuerungszeitraum maßgeblichen Fassung) an. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die verkehrsrechtliche Zulassung eines Fahrzeugs besteht in der Erteilung\nder Betriebserlaubnis (§§ 19 bis 21 StVZO) oder einer EG-Typengenehmigung und\nder Zuteilung des amtlichen Kennzeichens (§ 23 StVZO). \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Betriebserlaubnis ist die Anerkennung der Vorschriftsmaßigkeit des\nFahrzeugs (§ 19 Abs. 1 StVZO). Sie wird auf Antrag des Verfugungsberechtigten\nund Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) bei\nserienmaßig hergestellten Fahrzeugen als Allgemeine Betriebserlaubnis bereits\ndem Hersteller (§ 20 StVZO), ansonsten bei der erstmaligen Zulassung fur\nEinzelfahrzeuge erteilt (§ 21 StVZO). Der Nachweis einer von einem\nMitgliedsstaat der Europaischen Union erteilten EG-Typengenehmigung ist durch\neine Übereinstimmungsbescheinigung zu fuhren. Die Zuteilung des amtlichen\nKennzeichens nach § 23 StVZO umfasst nicht nur die Eintragung des vorgesehenen\nKennzeichens in den Zulassungsbescheinigungen Teil II und Teil I\n(Kraftfahrzeugbrief und Kraftfahrzeugschein; §§ 25, 24 StVZO), sondern\ninsbesondere auch die amtliche Abstempelung der am Fahrzeug angebrachten\nKennzeichenschilder. Die Anbringung des Dienststempels ist dabei wesentlicher\nTeil des Zulassungsverfahrens, da die Zulassungsstelle in diesem Zusammenhang\nnicht nur die Zulassungsvoraussetzungen pruft (§ 23 Abs. 1 StVZO), sondern\ngemaß § 23 Abs. 4 Satz 6 StVZO auch ihre Prufungspflicht hinsichtlich der\nAusgestaltung der Kennzeichen wahrnimmt. Diese Prufung erfolgt durch\nInaugenscheinnahme der Kennzeichenschilder. Erst mit der Abstempelung des\nKennzeichenschildes ist das Kennzeichen im Sinne von § 18 StVZO zugeteilt und\ndas Zulassungsverfahren abgeschlossen. Nur mit der abgestempelten, d.h.\nnunmehr amtlichen Kennzeichnung ist das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen (vgl.\nOLG Dusseldorf-Beschluss vom 17. August 1992 5 Ss 179/92-55/92 I, NZV 1993,79;\nBGH-Beschluss vom 21. September 1999 4 StR 71/99, BGHSt 45,197, NJW 2000, 229;\nHentschel, Straßenverkehrsrecht, 38. Aufl. 2005, § 23 StVZO, Rn. 23). Auf\nGrund der Betriebserlaubnis oder der EG-Typengenehmigung und nach Zuteilung\ndes Kennzeichens wird gemaß § 24 StVZO die Zulassungsbescheinigung Teil I\n(Fahrzeugschein) ausgefertigt und ausgehandigt. Sie dient als\nZulassungsnachweis (Hentschel, Straßenverkehrsrecht, aaO, § 24 StVZO, Rn. 5;\n8). \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Nach diesen Grundsatzen waren die streitgegenstandlichen Fahrzeuge\nverkehrsrechtlich nicht wirksam zum Verkehr zugelassen. Weder wurden\nKennzeichenschilder hergestellt und mit dem amtlichen Dienststempel versehen\nnoch wurden die Zulassungsbescheinigungen Teil I ausgehandigt. Ob die von der\nZulassungsstelle vorgenommenen, sich in den Eintragungen von Kennzeichen in\ndie Zulassungsbescheinigungen Teil II (Kraftfahrzeugbriefe) erschopfenden\nZulassungsvorgange straßenverkehrsrechtlich uberhaupt zulassig sind, ist in\ndem vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden (zweifelhaft, vgl. VG Munchen-\nUrteil vom 7.12.1994 M 6 K 93.3825, NZV 1995,503; Saarland Ministerium der\nFinanzen, VV SL-FinMin 1999-01-29 B/5-31/99-S 6105: „Sogenannte\nRegistrierzulassungen ohne Abstempelung des Kennzeichens und/oder ohne\nAushandigung des Fahrzeugscheins sind verkehrsrechtlich nicht zulassig."; ohne\ndiesen Zusatz: Finanzministerium Baden-Wurttemberg, VV BW FinMin 1999-01-20 S\n6100/1). \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die vorgenommenen Zulassungen (Registrierzulassungen) fuhren jedenfalls\nnicht zu der Berechtigung, die betroffenen Fahrzeuge auf offentlichen Straßen\nzu benutzen, und daher auch nicht zu einem „Halten von inlandischen Fahrzeugen\nzum Verkehr auf offentlichen Straßen" im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG\n(so auch: FG Munchen-Urteil vom 16. Dezember 1992 4 K 2721/91, UVR 1993, 120;\nFinanzministerium Baden-Wurttemberg, VV BW FinMin 1984-09-28 S 6100-3/84:\n„Wird bei einem Fahrzeug nur eine sog. „Registrierzulassung" ohne Abstempelung\ndes Kennzeichens vorgenommen, so ist es nicht zum Verkehr auf offentlichen\nStraßen zugelassen. In diesen Fallen entsteht keine Kraftfahrzeugsteuer.").\nDie vorgenommenen Zulassungen losen daher keine Kraftfahrzeugsteuer aus. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung uber\ndie vorlaufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151, 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, §\n711 der Zivilprozessordnung (ZPO). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Da dem Verfahren ein Sachverhalt zu Grunde lag, der in rechtlicher Hinsicht\nnicht von vornherein als einfach zu beurteilen war, durfte sich die Klagerin\neines Rechtskundigen bedienen, um eine erfolgversprechende Rechtsverfolgung zu\nerreichen. Die Zuziehung eines Bevollmachtigten fur das Vorverfahren war daher\nnotwendig (§ 139 Abs. 3 S. 3 FGO). \n---\n\n
135,698
lsgbw-2008-03-14-l-8-as-557907
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 8 AS 5579/07
2008-03-14
2019-01-07 11:13:52
2019-01-17 11:55:47
Urteil
## Tenor\n\nAuf die Berufung des Klagers werden das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom\n9. November 2007 sowie der Bescheid der Beklagten vom 19. April 2005 in der\nGestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2005 aufgehoben.\n\nDie Beklagte tragt die außergerichtlichen Kosten des Klagers im Klage- und im\nBerufungsverfahren.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager wendet sich mit seiner Klage gegen einen Bescheid der Beklagten,\nmit dem diese entschieden hat, dass der dem Klager zustehende Anteil des\nArbeitslosengeldes II fur die Zeit vom 01.05.2005 bis 31.07.2005 um 10 vom\nHundert der Regelleistung abgesenkt wird. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der 1958 geborene Klager, seine 1961 geborene Ehefrau und die 1990 (G.),\n1992 (R.), 1997 (C.) sowie 1986 (B.) geborenen Kinder bewohnten im Jahr 2005\neine gemeinsame Wohnung (4 Raume, 1 Kuche, 1 Bad, Gesamtgroße 101 m²,\nGesamtmiete monatlich 744,99 EUR einschließlich Vorauszahlungen fur Heizkosten\nmonatlich 36,-- EUR, fur Betriebskosten monatlich 81,-- EUR und fur\nWasser/Abwasser monatlich 81,-- EUR). Der Klager, seine Ehefrau und die drei\n(damals) minderjahrigen Kinder beziehen seit 01.01.2005 Leistungen der\nGrundsicherung von der beklagten Arbeitsgemeinschaft. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 21.02.2005 veranlasste die Beklagte die Versendung einer Einladung des\nKlagers zu einem Meldetermin, die folgenden Text haben sollte: \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| „Bitte kommen Sie am 01.03.05 um 09.15 Uhr in die Agentur fur Arbeit F., L.\nStr. .., Zimmer C .... Grund: Ich mochte mit Ihnen uber Ihr Bewerberangebot\nbzw. Ihre berufliche Situation sprechen." \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Auftrag zur Versendung dieses Schreibens wurde der Zustellerfirma „a."\nerteilt. Ob der Klager dieses Schreiben erhalten hat, ist zwischen den\nBeteiligten streitig. Der Klager erschien zum Termin am 01.03.2005 nicht. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Ohne den Klager vorher anzuhoren, entschied die Beklagte mit Bescheid vom\n19.04.2005, dass die dem Klager zustehende Regelleistung des\nArbeitslosengeldes II nach § 31 Abs. 2, Abs. 6 SGB II fur die Zeit vom\n01.05.2005 bis 31.07.2005 um 10 v.H., hochstens jedoch in Hohe des dem Klager\nzustehenden Auszahlbetrages, abgesenkt wird. Die ursprungliche\nBewilligungsentscheidung werde insoweit fur diesen Zeitraum gemaß § 48 Abs.\nSGB X aufgehoben. Zur Begrundung ist ausgefuhrt, der Klager sei trotz\nschriftlicher Belehrung uber die Rechtsfolgen zu dem Meldetermin am 01.03.2005\nnicht erschienen und ein wichtiger Grund hierfur sei nicht ersichtlich. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Bescheid vom 27.04.2005 bewilligte die Beklagte dem Klager sowie seiner\nEhefrau und den drei gemeinsamen minderjahrigen Kindern (G., R. und C.)\nLeistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Hohe von\nmonatlich 1.279,79 EUR fur die Zeit vom 01.05.2005 bis 31.10.2005. Eine\nAbsenkung der dem Klager zustehenden Regelleistung aufgrund des Bescheides vom\n19.04.2005 erfolgte nicht. Auf den Widerspruch des Klagers anderte die\nBeklagte diese Entscheidung ab und bewilligte dem Klager, seiner Ehefrau und\nden drei minderjahrigen Kindern fur die Zeit vom 01.05. bis 31.10.2005 mit\nBescheid vom 13.06.2005 Leistungen in Hohe von monatlich 1.333,96 EUR. Die\nBeklagte zog den Pauschbetrag von 30 EUR fur private Versicherungen vom\nEinkommen des Klagers ab und verzichtete darauf, bei den Kosten fur die\nHeizung einen Abzug fur die Warmwasseraufbereitung zu machen, weil die\nAufwendungen hierfur im Heizkostenanteil nicht enthalten waren. Im Übrigen\nwies sie den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2005 als\nunbegrundet zuruck. Hiergegen erhob der Klager am 28.06.2005 Klage beim SG (S\n12 AS 2606/05), die das SG mit Beschluss vom 02.08.2005 zur gemeinsamen\nVerhandlung und Entscheidung zum Verfahren S 12 AS 245/05 verband. Mit Urteil\nvom 08.09.2005 verurteilte das SG die Beklagte unter Aufhebung der ergangenen\nBescheide, ua dem Klager fur den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 31.10.2005\nLeistungen nach dem SGB II in der Form zu erbringen, dass beim Einkommen des\nKlagers das Kindergeld fur die am 23.05.1986 geborene Tochter in Hohe von\n160,25 EUR nicht mehr als einzusetzendes Einkommen berucksichtigt wird. Im\nÜbrigen wies es die Klagen ab. Auf die Berufung der Beklagten hob der Senat\ndas Urteil des SG auf und wies die Klagen mit rechtskraftig gewordenem Urteil\nvom 15.09.2006 insgesamt ab (L 8 AS 5071/05). \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Gegen den Bescheid vom 19.04.2005 legte der Klager am 02.05.2005\nWiderspruch ein und trug zur Begrundung vor, das Einladungsschreiben habe er\nnicht erhalten, weshalb er der Meldeaufforderung nicht habe folgen konnen. Die\nBeweislast fur den Zugang trage die Beklagte; im Übrigen sei eine Sanktion fur\ndie Dauer von drei Monaten in jedem Fall rechtswidrig, da die maximale\nSanktionsdauer bei einem Meldeversaumnis nach § 144 Abs. 6 SGB III nur eine\nWoche betragen durfe. Als Bezieher von Leistungen nach dem SGB II werde er bei\neinem Meldeversaumnis ansonsten gegenuber Leistungsbeziehern nach dem SGB III\nunverhaltnismaßig starker sanktioniert. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 13.06.2005 wurde auch der Widerspruch des\nKlagers gegen den Absenkungsbescheid vom 19.04.2005 zuruckgewiesen. Zur\nBegrundung wurde ausgefuhrt, § 31 Abs. 2 SGB II bestimme, dass das\nArbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlages nach § 24 SGB II in einer\nersten Stufe um 10 v.H. der fur den erwerbsfahigen Hilfebedurftigen nach § 20\nSGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt werde, wenn er eine Aufforderung\ndes zustandigen Tragers, sich bei ihm zu melden oder bei einem arztlichen oder\npsychologischen Untersuchungstermin zu erscheinen, trotz schriftlicher\nBelehrung uber die Rechtsfolgen nicht nachkomme und er keinen wichtigen Grund\nfur sein Verhalten nachweise. Der Klager sei von der Arbeitsgemeinschaft\nFreiburg schriftlich aufgefordert worden, sich am 01.03.2005 bei ihr zu\nmelden. Diese Aufforderung habe eine vollstandige und verstandliche Belehrung\nuber die moglichen Rechtsfolgen enthalten. Die Berechtigung zu dieser\nAufforderung ergebe sich aus § 59 SGB II i.V.m. § 309 Drittes Buch\nSozialgesetzbuch (SGB III). Daraus folge, dass eine Meldepflicht wahrend der\nZeit bestehe, fur die Leistungen der Grundsicherung fur Arbeitsuchende\nbeansprucht werde. Der Meldeaufforderung sei der Klager nicht nachgekommen.\nEin wichtiger Grund sei nicht nachgewiesen worden. Soweit der Klager geltend\nmache, er habe kein Einladungsschreiben erhalten, sei auf die Ermittlungen der\nWiderspruchsstelle hinzuweisen. Diese hatten ergeben, dass die Zustellung des\nMeldeaufforderungsschreibens in den Briefkasten des Widerspruchsfuhrers\ndokumentiert sei. Das Meldeaufforderungsschreiben sei laut Zustellerrollkarte\nam 23.02.2005 um 11.25 Uhr in den Briefkasten und damit in den\nVerfugungsbereich des Widerspruchsfuhrers gelangt. Dass der Klager behauptet\nhabe, keine Kenntnis der Meldeaufforderung erlangt zu haben, sei unglaubwurdig\nund als Schutzbehauptung zu werten; im Übrigen sei zur Wirksamkeit der\nMeldeaufforderung die tatsachliche Kenntnis bei nachgewiesener Zustellung in\nden Verfugungsbereich aber auch gar nicht erforderlich. Die Voraussetzungen\nfur die Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 10 v.H. der maßgebenden\nRegelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes seien daher erfullt. Der\nKlager sei auch vorher belehrt worden. Diese Belehrung sei am 19.04.2005\nerfolgt. Damit sei der Klager in die Lage versetzt worden, die konkreten\nAuswirkungen der Pflichtverletzung zu erkennen. Die Sanktion umfasse die\nKalendermonate Mai, Juni und Juli 2005. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Am 16.06.2005 hat der Klager gegen den Bescheid vom 19.04.2005 in der\nGestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2005 Klage zum Sozialgericht\nFreiburg (SG) erhoben mit dem Ziel, die Sanktion aufzuheben. Zur Begrundung\nhat er erganzend vorgetragen, bei der Versendung des Einladungsschreibens\nseien die Zustellungsvorschriften nach § 37 Abs. 2, Abs. 5 SGB X, § 65 SGB X,\n§§ 3, 4, 5, 6 VwZG nicht eingehalten worden. Da keine Zustellung erfolgt sei,\nsei die Meldeaufforderung nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 SGB X nichtig. Der\nSanktionsbescheid sei auch deswegen rechtswidrig, weil er nur eine isolierte\nAbsenkung des Arbeitslosengeldes ausspreche. Notwendig sei aber auch eine\nÄnderungsentscheidung uber die laufenden Leistungen im betroffenen Zeitraum\ninsgesamt. Es sei auch nicht notig, dass er von der Beklagten zu Gesprachen\nuber seine berufliche Situation eingeladen werde, da sein Bewerbungsprofil der\nBeklagten vorliege und diese seine Vermittlung in Arbeit generell eher\nverhindern als fordern wurde. Außerdem hatte er, selbst wenn er die Einladung\nerhalten hatte, einen wichtigen Grund gehabt, um zu dem Termin am 01.03.2005\nnicht zu erscheinen. Er habe an diesem Tag seine gesamte an Grippe erkrankte\nFamilie versorgen bzw. pflegen mussen. Schließlich sei die ihm zustehende\nRegelleistung durch die monatliche Absenkung in Hohe von 31,10 EUR unter das\nihm verfassungsrechtlich zustehende Existenzminimum gesunken. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Mit Urteil vom 09.11.2007 hat das SG die Klage abgewiesen und die Berufung\nim Hinblick auf die Beweisanforderungen bei der Zustellung von Einladungen zu\nMeldeterminen durch private Zustellerfirmen wegen grundsatzlicher Bedeutung\nzugelassen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Gegen das dem Klager mit Zustellungsurkunde am 21.11.2007 zugestellte\nUrteil hat der Klager am 23.11.2007 Berufung eingelegt. Zur Begrundung macht\ner geltend, mit dem Aufhebungsbescheid sei der Neuregelungsbescheid zu\nverbinden, was nicht realisiert worden sei. Außerdem werde mittels der Kurzung\ndas verfassungsrechtliche Existenzminimum unterschritten. Ihn hatte keine\nschriftliche Aufforderung zur Vorsprache erreicht. Die Meldeaufforderung\nbedurfe zur Wirksamkeit den Zugang des Schreibens. Die Verwaltung habe die\nobjektive Beweislast. Das Verwaltungszustellungsgesetz sei von der Beklagten\nnicht beachtet worden. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 9. November 2007 sowie den\nBescheid der Beklagten vom 19. April 2005 in der Gestalt des\nWiderspruchsbescheides vom 13. Juni 2005 aufzuheben. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Sie halt die angefochtene Entscheidung fur zutreffend. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten\ndes SG Freiburg und der Senatsakten Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 19 \n--- \n| Die gemaß §§ 143ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht\neingelegte Berufung ist zulassig und begrundet. Das SG hat die Klage zu\nUnrecht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 19.04.2005 in der Gestalt\ndes Widerspruchsbescheides vom 13.06.2005 ist rechtswidrig und verletzt den\nKlager in seinen Rechten. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Leistung des\nKlagers abzusenken. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Nach § 31 Abs. 2 SGB II in der vom 01.01.2005 bis 31.07.2006 geltenden\nFassung des Art. 1 Nr. 16 Buchst. a des Gesetzes zur optionalen Tragerschaft\nvon Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vom 30.7.2004 (BGBl I S. I\n2014) wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB\nII in einer ersten Stufe um 10 vom Hundert der fur den erwerbsfahigen\nHilfebedurftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn\nder erwerbsfahige Hilfebedurftige trotz schriftlicher Belehrung uber die\nRechtsfolgen einer Aufforderung des zustandigen Tragers, sich bei ihm zu\nmelden oder bei einem arztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu\nerscheinen, nicht nachkommt und keinen wichtigen Grund fur sein Verhalten\nnachweist. Rechtsgrundlage fur die Aufforderung, sich beim zustandigen Trager\nzu melden, ist § 59 SGB II iVm § 309 SGB III. Ob die Voraussetzungen des § 31\nAbs. 2 SGB II erfullt sind, lasst sich nicht nachweisen, weil nicht feststeht,\nob und mit welchem Inhalt dem Klager eine Meldeaufforderung zugegangen ist.\nDiese Nichterweislichkeit geht zu Lasten der Beklagten. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Meldeaufforderung nach § 309 SGB III (bzw. der Vorgangerregelung) ist\nzunachst in der Entscheidung des 7. Senats des BSG vom 20.03.1980 (SozR 4100 §\n132 Nr. 1) als Verwaltungsakt qualifiziert worden, weil sie die allgemeine\nMitwirkungspflicht fur den Einzelfall mit Verpflichtungswirkung gegenuber dem\nAdressaten konkretisiere. In spateren Entscheidungen hat das BSG die\nRechtsnatur der Aufforderung offen gelassen (BSG, Urteil vom 19.01.2005, B\n11a/11 AL 39/04 R, SozR 4-1300 § 63 Nr 2 mwN). Auch im vorliegenden Fall kann\ndahingestellt bleiben, ob die auf § 59 SGB II iVm § 309 SGB III gestutzte\nMeldeaufforderung des Grundsicherungstragers als Verwaltungsakt zu\nqualifizieren ist. Denn unabhangig von der Rechtsnatur der Meldeaufforderung\nsetzt eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II nach § 31 Abs.2 SGB II voraus,\ndass dem Hilfebedurftigen die Aufforderung zusammen mit einer schriftlichen\nBelehrung uber die Rechtsfolgen einer Aufforderung zugegangen ist. Wird wie im\nvorliegenden der Zugang der Meldeaufforderung bestritten, tragt der\nGrundsicherungstrager die Beweislast fur einen Zugang des Schriftstucks. Auch\ndies gilt unabhangig davon, ob die Aufforderung als Verwaltungsakt anzusehen\nist oder nicht. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Rechtsprechung hat bereits geklart, dass ohne eine nahere Regelung\nweder eine Vermutung fur den Zugang eines mit einfachem Brief ubersandten\nSchreibens besteht (Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 15.5.1991 -\n1 BvR 1441/90, NJW 1991, 2757; ebenso bereits Bundesfinanzhof <BFH> vom\n23.9.1966, BFHE 87, 203) noch insoweit die Grundsatze des Anscheinsbeweises\ngelten (BFH vom 14.3.1989, BFHE 156, 66 unter Aufgabe fruherer Rechtsprechung:\nS 73; Bundesgerichtshof <BGH> vom 5.4.1978 - IV ZB 20/78, VersR 1978, 671; BGH\nvom 24.4.1996 - VIII ZR 150/95, NJW 1996, 2033, 2035 aE; ebenso BSG, Urteil\nvom 26.07.2007, B 13 R 4/06 R, zit. nach juris). Denn die volle Überzeugung\ndes Gerichts vom Zugang lasst sich auf eine - wenn auch große -\nWahrscheinlichkeit nicht grunden (BFH vom 14.3.1989, BFHE 156, 66, 71). Vom\nAdressaten eines angeblich nicht eingetroffenen einfachen Briefes kann auch\nnicht mehr verlangt werden als ein schlichtes Bestreiten, das Schreiben\nerhalten zu haben. Denn ihm ist im Regelfall schon aus logischen Grunden nicht\nmoglich, naher darzulegen, ihm sei ein per einfachem Brief ubersandtes\nSchreiben nicht zugegangen. Anders ist die Sachlage beim behaupteten\nverspateten Zugang (hierzu zB BVerwG vom 24.4.1987 - 5 B 132/86) : Hier kann\nder Empfanger vortragen, wann genau und unter welchen Umstanden er die\nErklarung erhalten hat (BSG aaO). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Im vorliegenden Fall hat die Beklagte nicht den Nachweis erbracht, dass und\nmit welchem Inhalt der Klager eine Meldeaufforderung zu einem Termin am\n01.03.2005 erhalten hat. Der Klager hat den Zugang einer solchen Aufforderung\nbestritten und aus den Akten ist nicht ersichtlich, dass er die Aufforderung\nentgegen seinem Vorbringen doch erhalten hat. Auch genugen die Eintragungen\nder Zustellerfirma a. auf einer „Rollkarte", wonach am 23.02.2005 im Auftrag\nder Beklagten ein Schreiben an die Adresse des Klagers ausgeliefert worden\nist, im konkreten Fall nicht als Nachweis fur den Zugang der\nMeldeaufforderung. Unabhangig davon, welcher Beweiswert diesen Eintragungen\nallgemein zukommt, wird damit nur dokumentiert, dass ein Schreiben an die\nAnschrift des Klagers ausgeliefert worden ist. Es wird nicht bestatigt, dass\nder Brief in den Briefkasten des Klagers eingelegt worden ist. Zwar ist es\ndurchaus richtig, dass der Gesetzgeber die Verwaltung nicht verpflichtet hat,\nBescheide oder Meldeaufforderungen formlich zuzustellen, weil damit die in der\nRegel hoheren Kosten fur eine Zustellung eingespart werden konnen. Dies andert\naber nichts daran, dass die Verwaltung die Beweislast dafur tragt, dass ein\nvon ihr versandtes Schreiben auch tatsachlich beim Empfanger angekommen ist. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Hinzu kommt, dass sich schon nicht hinreichend sicher feststellen lasst,\nmit welchem Inhalt ein Schreiben an den Klager zur Versendung gebracht worden\nist. Es ist anhand der in den Akten enthaltenen Informationen noch nicht\neinmal zu klaren, ob ein Verwaltungsakt erlassen worden ist. Nach dem in der\nVerwaltungsakte befindlichen BewA-Ausdruck ist am 21.02.2005 die Versendung\neiner Meldeaufforderung veranlasst worden. Danach sollte diese Aufforderung\nfolgenden Inhalt haben: „Bitte kommen Sie am 01.03.05 um 09.15 Uhr in die\nAgentur fur Arbeit F., L. Str. .., Zimmer C .... Grund: Ich mochte mit Ihnen\nuber Ihr Bewerberangebot bzw. Ihre berufliche Situation sprechen." Ob und ggf.\nwelche Rechtsfolgenbelehrung dem Schriftstuck beigefugt war, lasst sich mit\ndiesem Eintrag in das Datenverarbeitungsprogramm der Beklagten aber nicht\nbeurteilen. Hierfur genugt auch der Hinweis der Beklagten auf einen Mustertext\n(Bl. 20/21 der SG-Akte) nicht. Der Senat halt es (auch) angesichts des\nUmstands, dass das Verwaltungsverfahren auf Gewahrung von Leistungen zur\nSicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II durch eine Vielzahl von\nBescheiden gekennzeichnet sein kann, fur unumganglich, dass sich der Inhalt\nder vom Grundsicherungstrager getroffenen Entscheidungen, eingeleiteten\nMaßnahmen und versandten Aufforderungen zweifelsfrei den Akten entnehmen\nlasst. Nur so ist es moglich, den verfassungsrechtlichen Anforderungen an das\nGebot der wirksamen Rechtsschutzgewahrung (Art 19 Abs. 4 Grundgesetz) gerecht\nzu werden. Mit Mutmaßungen daruber, welchen Inhalt ein Schriftstuck bei\nordnungsgemaßem Geschaftsgang und funktionierender Datenverarbeitung haben\nmusste, kann der zu beurteilende Sachverhalt nicht zuverlassig festgestellt\nwerden. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 19 \n--- \n| Die gemaß §§ 143ff Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht\neingelegte Berufung ist zulassig und begrundet. Das SG hat die Klage zu\nUnrecht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 19.04.2005 in der Gestalt\ndes Widerspruchsbescheides vom 13.06.2005 ist rechtswidrig und verletzt den\nKlager in seinen Rechten. Die Beklagte war nicht berechtigt, die Leistung des\nKlagers abzusenken. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Nach § 31 Abs. 2 SGB II in der vom 01.01.2005 bis 31.07.2006 geltenden\nFassung des Art. 1 Nr. 16 Buchst. a des Gesetzes zur optionalen Tragerschaft\nvon Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch vom 30.7.2004 (BGBl I S. I\n2014) wird das Arbeitslosengeld II unter Wegfall des Zuschlags nach § 24 SGB\nII in einer ersten Stufe um 10 vom Hundert der fur den erwerbsfahigen\nHilfebedurftigen nach § 20 SGB II maßgebenden Regelleistung abgesenkt, wenn\nder erwerbsfahige Hilfebedurftige trotz schriftlicher Belehrung uber die\nRechtsfolgen einer Aufforderung des zustandigen Tragers, sich bei ihm zu\nmelden oder bei einem arztlichen oder psychologischen Untersuchungstermin zu\nerscheinen, nicht nachkommt und keinen wichtigen Grund fur sein Verhalten\nnachweist. Rechtsgrundlage fur die Aufforderung, sich beim zustandigen Trager\nzu melden, ist § 59 SGB II iVm § 309 SGB III. Ob die Voraussetzungen des § 31\nAbs. 2 SGB II erfullt sind, lasst sich nicht nachweisen, weil nicht feststeht,\nob und mit welchem Inhalt dem Klager eine Meldeaufforderung zugegangen ist.\nDiese Nichterweislichkeit geht zu Lasten der Beklagten. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Meldeaufforderung nach § 309 SGB III (bzw. der Vorgangerregelung) ist\nzunachst in der Entscheidung des 7. Senats des BSG vom 20.03.1980 (SozR 4100 §\n132 Nr. 1) als Verwaltungsakt qualifiziert worden, weil sie die allgemeine\nMitwirkungspflicht fur den Einzelfall mit Verpflichtungswirkung gegenuber dem\nAdressaten konkretisiere. In spateren Entscheidungen hat das BSG die\nRechtsnatur der Aufforderung offen gelassen (BSG, Urteil vom 19.01.2005, B\n11a/11 AL 39/04 R, SozR 4-1300 § 63 Nr 2 mwN). Auch im vorliegenden Fall kann\ndahingestellt bleiben, ob die auf § 59 SGB II iVm § 309 SGB III gestutzte\nMeldeaufforderung des Grundsicherungstragers als Verwaltungsakt zu\nqualifizieren ist. Denn unabhangig von der Rechtsnatur der Meldeaufforderung\nsetzt eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II nach § 31 Abs.2 SGB II voraus,\ndass dem Hilfebedurftigen die Aufforderung zusammen mit einer schriftlichen\nBelehrung uber die Rechtsfolgen einer Aufforderung zugegangen ist. Wird wie im\nvorliegenden der Zugang der Meldeaufforderung bestritten, tragt der\nGrundsicherungstrager die Beweislast fur einen Zugang des Schriftstucks. Auch\ndies gilt unabhangig davon, ob die Aufforderung als Verwaltungsakt anzusehen\nist oder nicht. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Rechtsprechung hat bereits geklart, dass ohne eine nahere Regelung\nweder eine Vermutung fur den Zugang eines mit einfachem Brief ubersandten\nSchreibens besteht (Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 15.5.1991 -\n1 BvR 1441/90, NJW 1991, 2757; ebenso bereits Bundesfinanzhof <BFH> vom\n23.9.1966, BFHE 87, 203) noch insoweit die Grundsatze des Anscheinsbeweises\ngelten (BFH vom 14.3.1989, BFHE 156, 66 unter Aufgabe fruherer Rechtsprechung:\nS 73; Bundesgerichtshof <BGH> vom 5.4.1978 - IV ZB 20/78, VersR 1978, 671; BGH\nvom 24.4.1996 - VIII ZR 150/95, NJW 1996, 2033, 2035 aE; ebenso BSG, Urteil\nvom 26.07.2007, B 13 R 4/06 R, zit. nach juris). Denn die volle Überzeugung\ndes Gerichts vom Zugang lasst sich auf eine - wenn auch große -\nWahrscheinlichkeit nicht grunden (BFH vom 14.3.1989, BFHE 156, 66, 71). Vom\nAdressaten eines angeblich nicht eingetroffenen einfachen Briefes kann auch\nnicht mehr verlangt werden als ein schlichtes Bestreiten, das Schreiben\nerhalten zu haben. Denn ihm ist im Regelfall schon aus logischen Grunden nicht\nmoglich, naher darzulegen, ihm sei ein per einfachem Brief ubersandtes\nSchreiben nicht zugegangen. Anders ist die Sachlage beim behaupteten\nverspateten Zugang (hierzu zB BVerwG vom 24.4.1987 - 5 B 132/86) : Hier kann\nder Empfanger vortragen, wann genau und unter welchen Umstanden er die\nErklarung erhalten hat (BSG aaO). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Im vorliegenden Fall hat die Beklagte nicht den Nachweis erbracht, dass und\nmit welchem Inhalt der Klager eine Meldeaufforderung zu einem Termin am\n01.03.2005 erhalten hat. Der Klager hat den Zugang einer solchen Aufforderung\nbestritten und aus den Akten ist nicht ersichtlich, dass er die Aufforderung\nentgegen seinem Vorbringen doch erhalten hat. Auch genugen die Eintragungen\nder Zustellerfirma a. auf einer „Rollkarte", wonach am 23.02.2005 im Auftrag\nder Beklagten ein Schreiben an die Adresse des Klagers ausgeliefert worden\nist, im konkreten Fall nicht als Nachweis fur den Zugang der\nMeldeaufforderung. Unabhangig davon, welcher Beweiswert diesen Eintragungen\nallgemein zukommt, wird damit nur dokumentiert, dass ein Schreiben an die\nAnschrift des Klagers ausgeliefert worden ist. Es wird nicht bestatigt, dass\nder Brief in den Briefkasten des Klagers eingelegt worden ist. Zwar ist es\ndurchaus richtig, dass der Gesetzgeber die Verwaltung nicht verpflichtet hat,\nBescheide oder Meldeaufforderungen formlich zuzustellen, weil damit die in der\nRegel hoheren Kosten fur eine Zustellung eingespart werden konnen. Dies andert\naber nichts daran, dass die Verwaltung die Beweislast dafur tragt, dass ein\nvon ihr versandtes Schreiben auch tatsachlich beim Empfanger angekommen ist. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Hinzu kommt, dass sich schon nicht hinreichend sicher feststellen lasst,\nmit welchem Inhalt ein Schreiben an den Klager zur Versendung gebracht worden\nist. Es ist anhand der in den Akten enthaltenen Informationen noch nicht\neinmal zu klaren, ob ein Verwaltungsakt erlassen worden ist. Nach dem in der\nVerwaltungsakte befindlichen BewA-Ausdruck ist am 21.02.2005 die Versendung\neiner Meldeaufforderung veranlasst worden. Danach sollte diese Aufforderung\nfolgenden Inhalt haben: „Bitte kommen Sie am 01.03.05 um 09.15 Uhr in die\nAgentur fur Arbeit F., L. Str. .., Zimmer C .... Grund: Ich mochte mit Ihnen\nuber Ihr Bewerberangebot bzw. Ihre berufliche Situation sprechen." Ob und ggf.\nwelche Rechtsfolgenbelehrung dem Schriftstuck beigefugt war, lasst sich mit\ndiesem Eintrag in das Datenverarbeitungsprogramm der Beklagten aber nicht\nbeurteilen. Hierfur genugt auch der Hinweis der Beklagten auf einen Mustertext\n(Bl. 20/21 der SG-Akte) nicht. Der Senat halt es (auch) angesichts des\nUmstands, dass das Verwaltungsverfahren auf Gewahrung von Leistungen zur\nSicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II durch eine Vielzahl von\nBescheiden gekennzeichnet sein kann, fur unumganglich, dass sich der Inhalt\nder vom Grundsicherungstrager getroffenen Entscheidungen, eingeleiteten\nMaßnahmen und versandten Aufforderungen zweifelsfrei den Akten entnehmen\nlasst. Nur so ist es moglich, den verfassungsrechtlichen Anforderungen an das\nGebot der wirksamen Rechtsschutzgewahrung (Art 19 Abs. 4 Grundgesetz) gerecht\nzu werden. Mit Mutmaßungen daruber, welchen Inhalt ein Schriftstuck bei\nordnungsgemaßem Geschaftsgang und funktionierender Datenverarbeitung haben\nmusste, kann der zu beurteilende Sachverhalt nicht zuverlassig festgestellt\nwerden. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor. \n---\n\n
135,704
vg-stuttgart-2008-03-17-4-k-45608
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
4 K 456/08
2008-03-17
2019-01-07 11:13:56
2019-01-17 11:55:47
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO wird zuruckgewiesen.\n\nDer Antragsteller tragt die Kosten des Verfahrens.\n\nDer Wert des Streitgegenstands wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Antrag auf Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs Baden-\nWurttemberg vom 29.10.2007 (- 6 S 2159/07 -) ist nach § 80 Abs. 7 S. 2 VwGO\nzulassig. Mit diesem Beschluss hat der Verwaltungsgerichtshof auf die\nBeschwerde des Antragsgegners einen Beschluss der Kammer geandert, durch den\ndie aufschiebende Wirkung der Klage eines Fußball-Bundesligavereins gegen die\nUntersagung der Werbung fur Sportwetten wiederhergestellt worden war, und den\nAntrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Zulassigkeit des Antrags folgt daraus, dass sich die Antragstellerin\nauf eine Rechtsanderung beruft, die es grundsatzlich moglich erscheinen lasst,\ndass die fruhere Entscheidung anderungsbedurftig geworden ist (vgl. Schoch,\nin: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rn. 386; Funke-Kaiser, in:\nBader u.a., VwGO, 4. Aufl., § 80 Rn. 135). Das Verwaltungsgericht ist als\nGericht der Hauptsache fur die Entscheidung zustandig. Soweit vom\nAntragsteller im Rahmen des Änderungsbegehrens weitere in einem\nverfahrensmaßigen und inhaltlichen Kontext mit dem angegriffenen Beschluss\nstehende Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs benannt werden, sieht die\nKammer bei sachdienlicher Auslegung darin lediglich einen informatorischen\nHinweis zur verfahrensmaßigen und inhaltlichen Vollstandigkeit, nicht aber\neinen auch hierauf bezogenen formlichen Änderungsantrag. Ein solcher ware auch\nnicht zulassig, da Bezugspunkt fur eine Entscheidung nach § 80 Abs. 7 Satz 2\nVwGO ausschließlich die letzte Entscheidung im Rahmen eines Verfahrens nach §\n80 Abs. 5 VwGO sein kann. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Antrag ist aber unbegrundet. Denn durch das Inkrafttreten des\nGlucksspielstaatsvertrags zum 01.01.2008 (GBl. 2007, 571 und GBl. 2008, 56)\nund des baden-wurttembergischen Ausfuhrungsgesetzes hierzu vom 04.03.2008\n(GBl. 2008, 81) hat sich keine Änderung der bislang maßgeblichen Rechtslage\nergeben. Vielmehr sind die zentralen - insbesondere europarechtlichen -\nProbleme im Wesentlichen unverandert geblieben. Die Kammer hat hierzu in einem\nParallelverfahren (Beschluss vom 27.02.2008 - 4 K 213/08 -) ausgefuhrt: \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| „Die Kammer hat durch Beschlusse vom 24.07.2007 (4 K 4435/06 u.a.) mehrere\nKlageverfahren, die vergleichbare Untersagungsverfugungen betreffen,\nausgesetzt und den Europaischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung\nverschiedener im vorliegenden Kontext relevanter gemeinschaftsrechtlicher\nFragen ersucht, weil sie durchgreifende Bedenken gegen die Vereinbarkeit des\nSportwettenmonopols mit dem Gemeinschaftsrecht hat. Mit Rucksicht hierauf hat\ndas Gericht das hier zugrunde liegende Hauptsacheverfahren (4 K 212/08) durch\nBeschluss vom heutigen Tag in entsprechender Anwendung des § 94 VwGO bis zur\nEntscheidung des Europaischen Gerichtshofs ausgesetzt, da sich - wie im\nAussetzungsbeschluss naher ausgefuhrt - die maßgeblichen Fragen auch unter\nBerucksichtigung des seit 01.01.2008 geltenden Glucksspielstaatsvertrags\n(aaO), der nunmehr als Rechtsgrundlage Anwendung finden durfte (vgl. VGH BW,\nBeschl. v. 07.02.2008 - 6 S 78/08 - m.w.N.), weiterhin stellen. ..." \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| An dieser Einschatzung wird festgehalten. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Umstand, dass die Kammer in der zitierten Entscheidung, die ein\nVerfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO betraf, zur Anordnung der aufschiebenden\nWirkung gelangte, kann sich allerdings im vorliegenden Fall des § 80 Abs. 7\nVwGO nicht zugunsten des Antragstellers auswirken. Denn im vorliegenden\nVerfahren ist allein maßgeblich, ob gegenuber dem Bezugspunkt der letzten\nEntscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Wurttemberg neue Umstande\nvorliegen. Dies ist aber - wie ausgefuhrt - nicht der Fall (vgl. in diesem\nSinn auch VG Gießen, Beschl. v. 09.01.2008 - 10 G 4285/07 -, dort zur\nRechtslage in Hessen). \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Auch der vom Antragsteller gegebene Hinweis auf eine Berufungszulassung in\neinem Parallelverfahren (VGH Baden-Wurttemberg, Beschl. v.19.02.2008 - 6 S\n3030/07 -) fuhrt nicht auf einen neuen Umstand, der geeignet ware, dem Antrag\nnach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zum Erfolg zu verhelfen. Denn durch diesen\nBeschluss wird lediglich - im Rahmen eines Hauptsacheverfahrens - der Weg zur\ninhaltlichen Überprufung des erstinstanzlichen Urteils freigemacht; fur die\nEinschatzung der Interessenabwagung im Rahmen des vorlaufigen Rechtsschutzes\nergeben sich hieraus unmittelbar keine Folgerungen. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Ob schließlich dem genannten Berufungszulassungsbeschluss Ansatze zu einer\nÄnderung der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs entnommen werden\nkonnten, kann offen bleiben, da eine bloße Änderung der Rechtsauffassung des\nGerichts kein im Rahmen des § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO maßgeblicher Umstand ware\n(vgl. Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 80 Rn. 389 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Fur eine Änderung des angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofs\nBaden-Wurttemberg vom 29.10.2007 (- 6 S 2159/07 -) von Amts wegen im Rahmen\ndes § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO sieht die Kammer keinen Anlass. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 3 Nr. 2 und § 52 Abs.\n1 GKG. \n---\n\n
136,730
olgkarl-2004-03-26-11-wx-1304
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
11 Wx 13/04
2004-03-26
2019-01-07 12:02:06
2019-02-12 12:38:56
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Auf die weitere Beschwerde des Betreuers der Betroffenen wird der\nBeschluss des Landgerichts Heidelberg vom 22. Dezember 2003 - 2 T 71/03 -\naufgehoben und die Sache zur neuen Behandlung und Entscheidung an das\nLandgericht Heidelberg zuruckverwiesen.\n\n2\\. Der Geschaftswert fur das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf EUR\n3.000,00 festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| I. Die 96 Jahre alte Betroffene lebt seit 1993 in Pflegeheimen. Fur sie ist\nseit 1997 ihr Neffe mit den Wirkungskreisen Vermogenssorge und\nGesundheitsfursorge als Betreuer bestellt. Sie befindet sich im Endstadium\neiner Demenz mit einer volligen Reduktion der sprachlichen und psychischen\nLeistungen, sie ist standig bettlagerig und voll pflegebedurftig, zu einer\nmundlichen Kommunikation nicht mehr fahig. Seit einer Klinikeinweisung im\nAugust 2003 ist sie wegen unzureichender Nahrungs- und Flussigkeitsaufnahme\nmit einer durch die Nase eingefuhrten Magenverweilsonde versorgt. \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit Schreiben vom 8. September 2003 hat der Betreuer beim Amtsgericht\nHeidelberg den Antrag gestellt, seine Einwilligung in den Abbruch der\nkunstlichen Zwangsernahrung zu genehmigen. Das Amtsgericht hat mit Beschluss\nvom 03.11.2003 den Antrag auf Genehmigung des Abbruchs der kunstlichen\nZwangsernahrung zuruckgewiesen. Der dagegen eingelegten Beschwerde des\nBetreuers hat das Amtsgericht nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht\nHeidelberg vorgelegt. Dieses hat die Beschwerde als unbegrundet\nzuruckgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betreuer mit seiner weiteren\nBeschwerde, mit der er insbesondere eine Verletzung des\nSelbstbestimmungsrechtes der Betroffenen sowie die Fehlerhaftigkeit der vom\nAmtsgericht eingeholten arztlichen Gutachten rugt. \n--- \n| 3 \n--- \n| II. Die zu Protokoll der Rechtspflegerin des Landgerichts Heidelberg\neingelegte weitere Beschwerde ist zulassig (§§ 27 Abs. 1, 29 Abs. 1, Abs. 4,\n21 Abs. 2 S. 1 FGG). \n--- \n| 4 \n--- \n| Sie hat auch in der Sache Erfolg. Die Entscheidung des Landgerichts halt\nrechtlicher Nachprufung nicht stand. \n--- \n| 5 \n--- \n| Das Landgericht hat die materiellen Voraussetzungen, unter denen es die\nRechtsordnung gestattet, lebensverlangernde Maßnahmen zu unterlassen oder\nnicht fortzusetzen, zu eng gesehen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Zutreffend ist das Landgericht zwar davon ausgegangen, dass der\nBundesgerichtshof mit Beschluss vom 17. Marz 2003 (NJW 2003, 1588-1594) im\nWege der richterlichen Rechtsfortbildung fur die Verweigerung der Einwilligung\ndes Betreuers in eine lebensverlangernde oder -erhaltende Behandlung oder\nWeiterbehandlung eines nicht einwilligungsfahigen Betroffenen eine\nvormundschaftsgerichtliche Prufungszustandigkeit eroffnet hat. Wie vom\nLandgericht weiter zutreffend dargelegt, hat der Bundesgerichtshof die\nGenehmigungsfahigkeit von der Einwilligungsunfahigkeit des Betroffenen, vom\nVorliegen eines Grundleidens, das einen irreversibel todlichen Verlauf\nangenommen hat, und einer Entsprechung im Willen des Betroffenen, bei\nmangelnder Feststellbarkeit im mutmaßlichen Willen, abhangig gemacht. \n--- \n| 7 \n--- \n| Das Landgericht hat aber falschlich angenommen, dass ein Leiden mit einem\nirreversiblen todlichen Verlauf nur vorliege, wenn der Tod in kurzer Zeit\nbevorsteht. \n--- \n| 8 \n--- \n| Den Ausfuhrungen des Bundesgerichtshofes ist dies nicht zu entnehmen. Der\nBundesgerichtshof hat vielmehr unter Bezugnahme auf das Urteil des ersten\nStrafsenates vom 13. September 1994 (BGHSt 40, 257 = NJW 1995, 204-207)\nzwischen Hilfe beim Sterben, kurz: Sterbehilfe, und Hilfe zum Sterben oder\nSterbehilfe im weiteren Sinn differenziert. Sterbehilfe setzt danach voraus,\ndass das Grundleiden eines Kranken nach arztlicher Überzeugung unumkehrbar\n(irreversibel) ist, einen todlichen Verlauf angenommen hat und der Tod in\nkurzer Zeit eintreten wird. Doch auch in dem Fall, in dem der Sterbevorgang\nnoch nicht eingesetzt hat, ist danach der Abbruch einer einzelnen\nlebenserhaltenden Maßnahme bei entsprechendem Patientenwillen als Ausdruck der\nallgemeinen Entscheidungsfreiheit und des Rechts auf korperliche\nUnversehrtheit grundsatzlich anzuerkennen. Nach den weiteren Ausfuhrungen des\nBundesgerichtshofs sind dann jedoch an die Annahme des mutmaßlichen Willens\nerhohte Anforderungen zu stellen gegenuber der Sterbehilfe im eigentlichen\nSinn (vgl. BGHSt 40, 257 [260]). Aus der Differenzierung der Sterbehilfe folgt\ndemnach nicht, dass dann, wenn das Kriterium des „unmittelbar bevorstehenden\nTodes" fehlt, die Genehmigung der Einwilligung in den Abbruch\nlebensverlangernder Maßnahmen nicht erteilt werden darf, sondern es werden\nlediglich hohere Anforderungen an die Ermittlung und Annahme des mutmaßlichen\nWillens gestellt. Dass der Bundesgerichtshof das Kriterium des unmittelbar\nbevorstehenden Todes nicht fur maßgeblich erachtet, erhellt die Feststellung,\ndass das Vormundschaftsgericht der Entscheidung des Betreuers zustimmen musse,\nwenn feststehe, dass die Krankheit des Betroffenen einen irreversiblen\ntodlichen Verlauf genommen habe und die arztlicherseits angebotene Behandlung\ndem fruher erklarten und fortgeltenden Willen des Betroffenen, hilfsweise\ndessen (individuell-) mutmaßlichen Willen widerspreche (vgl. BGH NJW 2003,\n1588 [1593]). \nMit großerem zeitlichen Abstand zum Todesfall sollen sich die Anforderungen an\ndie Ermittlung des die Behandlung bzw. Nichtbehandlung bestimmenden\nPatientenwillens erhohen (vgl. Stackmann, NJW 2003, 1568). \n--- \n| 9 \n--- \n| Die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung durfte demnach nicht mit der\nBegrundung, eine akute lebensbedrohliche Erkrankung liege nicht vor - so das\nAmtsgericht - oder der Tod aufgrund der Erkrankung stehe nicht in zeitlicher\nNahe bevor - so das Landgericht - versagt werden. Bereits deshalb kann der\nangefochtene Beschluss keinen Bestand haben. \n--- \n| 10 \n--- \n| Auch die Feststellung des Landgerichts, ein auf den Abbruch\nlebenserhaltender Maßnahmen gerichteter Wille der Betroffenen sei nicht mit\nder erforderlichen Sicherheit nachweisbar, kann die Entscheidung nicht\nstutzen. Da auch die Moglichkeit einer Entsprechung im mutmaßlichen, nicht nur\nim explizit geaußerten Willen fur den Abbruch lebenserhaltender Maßnahmen\ngenugen kann, hatte es vorliegend fur die Beurteilung des Willensmomentes\nweiterer Sachaufklarung bedurft, bei der fruhere mundliche oder schriftliche\nÄußerungen der Betroffenen ebenso zu berucksichtigen sind wie ihre religiose\nÜberzeugung, ihre sonstigen personlichen Wertvorstellungen, ihre\naltersbedingte Lebenserwartung oder das Erleiden von Schmerzen (BGHSt 40,\n257<263> = NJW 1995, 204 ff.). \n--- \n| 11 \n--- \n| Amtsgericht und Landgericht haben es unterlassen, der Betroffenen einen\nVerfahrenspfleger zu bestellen. Gemaß § 67 Abs. 1 FGG ist jedoch in Verfahren,\nderen Gegenstand die vormundschaftsgerichtliche Zustimmung zu der Entscheidung\ndes Betreuers gegen eine lebenserhaltende oder - verlangernde Behandlung des\nPatienten ist, dem Betreuten zwingend ein Verfahrenspfleger zu bestellen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Zwar hat der Bundesgerichtshof diesen Gesichtspunkt bei der Erorterung des\nvormundschaftsgerichtlichen Verfahrens unerortert gelassen (vgl. BGH NJW 2003,\n1588 [1593]), daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, dass eine\nVerfahrenspflegerbestellung nicht erforderlich ist. Zwar ist lediglich in § 67\nAbs. 1 S. 5 FGG fur das Verfahren zur Genehmigung einer Einwilligung des\nBetreuers in die Sterilisation die Bestellung eines Verfahrenspflegers\nzwingend vorgegeben, doch ergibt sich aus der dem Verfahrenspfleger durch das\nGesetz zugedachten Rolle und der Bedeutung der Entscheidung, die den Konflikt\nzwischen dem Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen und dem Recht auf Leben\nlosen soll, zwingend die Notwendigkeit, dem einwilligungsunfahigen Betroffenen\nfur ein solches Genehmigungsverfahren einen Verfahrenspfleger zu bestellen.\nDie Bestellung eines Verfahrenspflegers soll nicht nur der Gewahrung\nrechtlichen Gehors dienen, sondern auch verhindern, dass der Betroffene zum\nObjekt des Verfahrens wird (vgl. Bienwald, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 67 FGG\nRn. 10). Da es bei der Entscheidung uber Abbruch oder Weiterfuhrung\nlebenserhaltender Maßnahmen um einen massiven Eingriff in die Grundrechte des\nBetroffenen geht, der als erheblicher zu bewerten ist als der Eingriff in die\npersonliche Unversehrtheit des Betroffenen durch eine Sterilisation, ergibt\nsich bereits aus der Auslegung des § 67 Abs. 1 FGG ihre zwingende\nNotwendigkeit (vgl. OLG Karlsruhe FamRZ 2002,488 <490>; Senat, Beschluss vom\n27.11.2001 11 Wx 64/01). Im Sinne der vom Bundesgerichtshof angestrebten\nEntlastung des Betreuers, aber auch zum Schutz des Betroffenen ist es deshalb\ngeboten, eine allein den Interessen des Betroffenen verpflichtete Person in\nden Entscheidungsprozess einzubeziehen, um beispielsweise zu weiterer\nAufklarung und kritischer Hinterfragung der Gutachten anzuregen,\ngegebenenfalls Interessenkonflikte zwischen Betreuer und Betroffenen\naufzuzeigen oder insbesondere die Ermittlung des mutmaßlichen Willens kritisch\nzu begleiten (vgl. Stackmann a.a.O. NJW 2003, 1569; Meier FGPrax 2003, 167\n<168>). \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Entscheidung des Landgerichts ist aufzuheben, da sie auf den\ndargelegten Rechtsfehlern beruht (§ 27 Abs. 1 FGG) bzw. auf dem aufgezeigten\nVerfahrensfehler beruhen kann und sich auch nicht aus anderen Grunden als\nrichtig darstellt. \n--- \n| 14 \n--- \n| Fur das weitere Verfahren ist darauf hinzuweisen, dass das vorliegende\ninternistische Gutachten vom 21.10.2003 die maßgebliche Frage, ob ein\nirreversibles Grundleiden mit todlichem Verlauf - ohne Todesnahe - besteht,\nnicht beantwortet. Nach dem Gutachten lag im Anschluss an eine\nKrankenhauseinweisung im August 2003 wegen fiebriger Infekte nach Ausheilung\nder Infekte und ausreichender Nahrungs- und Flussigkeitszufuhr mittels\nintravenoser Ernahrungstherapie sowie nachfolgender Einfuhrung einer\nMagenverweilsonde eine akute lebensbedrohliche Erkrankung der Betroffenen\nnicht mehr vor. Der Gutachter stellt jedoch fest, dass eine eigenstandige\nNahrungsaufnahme schon vor dem Krankenhausaufenthalt kaum moglich war. Die\ndann folgenden Ausfuhrungen zu ethischen und rechtlichen Gesichtspunkten der\nkunstlichen Ernahrung und deren Abbruch haben andere Fragestellungen als die\nhier maßgebliche im Blick. Den Inhalt des Gutachtens der Nervenarztin des\nGesundheitsamts wird das Landgericht im Hinblick auf die Ausfuhrungen unter II\n1 a und b erneut zu wurdigen haben. \n--- \n| 15 \n--- \n| Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Festsetzung des Geschaftswertes beruht auf §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 3 S.\n1 Abs. 2 S. 1 KostO. \n---\n\n
136,743
vg-karlsruhe-2004-03-29-12-k-368802
158
Verwaltungsgericht Karlsruhe
vg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
12 K 3688/02
2004-03-29
2019-01-07 12:02:11
2019-01-17 11:56:53
Urteil
## Tenor\n\nDie Klagen werden abgewiesen.\n\nDie Klager tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der\naußergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 als Gesamtschuldner. Die\nBeigeladenen zu 2 und 3 behalten ihre außergerichtlichen Kosten auf sich.\n\nDie Berufung wird zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klager wenden sich gegen die behordliche Genehmigung einer\nSchiedsstellenentscheidung, mit welcher das Budget und die Pflegesatze der\nbeigeladenen Klinik xxx (Beigeladene zu 1) im Pflegesatzzeitraum 1999\nfestgesetzt wurden. \n--- \n| 2 \n--- \n| Auf Antrag der Beigeladenen zu 1 hatte die Schiedsstelle zur Festsetzung\nder Krankenhauspflegesatze fur Baden-Wurttemberg (im Folgenden: Schiedsstelle)\nbereits am 07.09.1999 bzw. 11.01.2000 fur den Pflegesatzzeitraum 1999 den\nGesamtbetrag fur die Erlose auf 56.447.677 DM und Basis- und\nAbteilungspflegesatze festgesetzt. Das Regierungsprasidium Karlsruhe versagte\njedoch mit Bescheid vom 22.03.2000 auf Antrag der Kostentrager die Genehmigung\ndieser Schiedsstellenentscheidung, weil die Schiedsstelle zu Unrecht den von\nden Kostentragern geforderten Betrag in Hohe von 462.320,-- DM fur den Wegfall\nder Herztransplantationen nicht in Abzug gebracht habe. Nachdem das\nBundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 13.09.2001 - 3 C 41.00 -\nletztinstanzlich entschieden hatte, dass die Beigeladene zu 1 nicht zur\nVornahme von Herztransplantationen berechtigt ist, trafen die Beigeladenen am\n06.03.2002 eine Pflegesatzvereinbarung mit einem Gesamtbetrag der Erlose in\nHohe von 56.389.700 DM und riefen das bis dahin bei der Schiedsstelle\nausgesetzte Verfahren wieder an. Zur Begrundung machte die Beigeladene zu 1 in\nihrem Antrag vom 10.04.2002 geltend, man habe sich bei den Verhandlungen am\n05.12.2001 daruber geeinigt, dass das Mengengerust um Transplantationen und\nKunstherzen bereinigt werde und dass die wegfallenden Leistungen sowohl\nzahlenmaßig als auch erlosmaßig durch die prospektiv zu kalkulierenden\nLeistungen mindestens kompensiert wurden. Demgegenuber beantragten die Klager\nmit Schriftsatzen vom 03.05.2002 bzw. 22.05.2002, den Gesamtbetrag fur die\nErlose auf 55.927.380 DM (Differenz: 462.320 DM) bzw. 52.488.632 DM\n(Differenz: 3.901.068 DM wegen wesentlicher Leistungsstrukturanderungen)\nfestzusetzen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Beschluss vom 23.05.2002 setzte die Schiedsstelle entsprechend den\nAntragen der Beigeladenen den Gesamtbetrag fur die Erlose der Beigeladenen zu\n1 auf 56.389.700 DM (davon Budget: 3.238.425 DM) sowie den Basispflegesatz auf\n159,32 DM und die Abteilungspflegesatze auf 210,06 DM (Herzchirurgie) und\n1.848,11 DM (Intensivmedizin) fest und wies die Antrage der Klager zuruck. In\nden Grunden dieser Entscheidung ist im Wesentlichen ausgefuhrt: Maßgeblich\nsei, dass der Versorgungsauftrag der Klinik keine Herztransplantationen\numfasse, weshalb auch der Betrag in Hohe von 462.320 DM fur\nHerztransplantationen wegfalle. Allerdings habe die Beigeladene zu 1\ndargelegt, dass der Gesamtbetrag auch ohne den Betrag fur die\nHerztransplantationen leistungsgerecht sei. Dies ergebe sich daraus, dass dem\nWegfall der Herztransplantationen eine Steigerung der Fallzahlen (405\nMehrfalle in 1999 mit einem Volumen von 11.441.655 DM, was bei einem\nFallkostenanteil von 55 % den Betrag von 6.292.960 DM ergebe) und der Erlose\nim Vergleich zu 1998 gegenuberstehe. Unerheblich sei bei dieser Berechnung\neine Verkurzung der Verweildauer (nach Berechnung der Klager mit 1,45 Tagen je\nFall), zumal sich das Leistungsgeschehen uberwiegend im Fallpauschalenbereich\nabspiele. Zwar konne die Schiedsstelle nicht uber Modellvorhaben nach § 26\nBPflV entscheiden, sie gehe jedoch davon aus, dass sich die Parteien wirksam\nuber die Berechnung der Entgelte fur Modellvorhaben geeinigt hatten, und zwar\nin der Vereinbarung vom 27.01.2000 uber die Entgelte gem. § 26 Abs. 1 BPflV\nfur VAD-1-Kammer-Systeme und VAD-2-Kammer-Systeme und in der Vereinbarung vom\n29.06.2000 uber die Abrechnung von minimal-invasiven Bypassoperationen ohne\nVerwendung der Herz-Lungen-Maschine unter Einsatz des Octopus-Systems. \n--- \n| 4 \n--- \n| Soweit die Klager ihren bisherigen Antrag vom 03.05.2002 (Kurzung um\n462,320 DM) mit Schriftsatz vom 22.05.2002 erweitert hatten (weitere Kurzungen\num rund 3,4 Mio. DM), sei diese Verfahrensweise unzulassig, da es sich nicht\num eine zulassige Prazisierung und Erganzung des bisherigen Vorbringens,\nsondern um einen neuen Gegenstand gehandelt habe. Die Schiedsstelle habe sich\ngleichwohl mit diesem Antrag befasst und sei auch unter Berucksichtigung\ndieses Vorbringens zu keiner anderen Sachentscheidung gelangt. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Bescheid vom 28.08.2002 genehmigte das Regierungsprasidium Karlsruhe\nauf Antrag der Beigeladenen zu 1 das von der Schiedsstelle festgesetzte Budget\nund die Pflegesatze und lehnte den Antrag der Klager auf Versagung der\nGenehmigung der Schiedsstellenfestsetzung ab. In den Grunden des Bescheids\nfuhrte das Regierungsprasidium unter Bezugnahme auf die Entscheidung der\nSchiedsstelle unter anderem aus, die Schiedsstelle habe zutreffend\nfestgestellt, dass der von der Beigeladenen zu 1 beantragte Gesamtbetrag auch\nohne den Betrag fur Herztransplantationen leistungsgerecht sei. Die\nBerucksichtigung der Mehrkosten von Fallzahlsteigerungen sei auch insofern\nrechtmaßig, als Budget und Pflegesatze gem. § 3 BPflV prospektiv zu\nkalkulieren seien. Der bei der Festsetzung 1999 zugrunde gelegte Nutzungsgrad\nder Planbetten von 97,5 % (Soll-Auslastung) sei zwar hoch, dieser sei jedoch,\naufgrund einer durchschnittlichen Verweildauer von 10,51 Tagen (fur alle\nKlinikfalle) und der durch die Zusammenarbeit mit anderen Krankenhausern\ngeplanten Zahl der Behandlungsfalle (2.200 Falle in 1999), fur diese\nFachklinik nicht ungewohnlich und daher akzeptabel. Bei der Vereinbarung vom\n29.06.2000, in der von den Vertragsparteien festgelegt worden sei, dass auch\nminimal-invasive Bypassoperationen ohne Verwendung der Herz-Lungen-Maschine\n(HLM) unter Einsatz des Octopus-Systems mit den Fallpauschalen der Gruppe 9\nabgerechnet werden, handle es sich nicht um ein Modellvorhaben im Sinne von §\n26 BPflV, sondern vielmehr um eine wirksame und verbindliche Vereinbarung zur\nAuslegung des von den Parteien auf Bundesebene gem. § 15 Abs. 1 BPflV\nfestgelegten Fallpauschalenkataloges. Da bei oben genanntem Eingriff\ngelegentlich auf das konventionelle Verfahren wahrend der Operation\nkonvertiert werden musse, konnten diese Eingriffe nur in HLM-Bereitschaft\nstattfinden. Dies bedeute, dass der apparative, personelle und technische\nAufwand des konventionellen Operationsverfahrens jederzeit zur Verfugung\nstehen musse, also auch ein ahnlicher Kostenaufwand entstehe. Eine Abrechnung\ndieser Eingriffe uber die Fallpauschalen der Gruppe 9 sei somit\nzulassigerweise und wirksam vereinbart worden. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit ihrer am 27.09.2002 rechtzeitig beim Verwaltungsgericht eingegangenen\nKlage beantragen die Klager, \n--- \n| 7 \n--- \n| den Genehmigungsbescheid des Regierungsprasidiums Karlsruhe vom 28.08.2002\naufzuheben. \n--- \n| 8 \n--- \n| Sie machen geltend, \n--- \n| 9 \n--- \n| fur die Zuruckweisung ihres prazisierenden bzw. erweiternden Vorbringens im\nSchriftsatz vom 22.05.2002 gebe es keine Rechtsgrundlage. Der Beklagte hatte\nden Beschluss der Schiedsstelle daher nicht genehmigen durfen. Die\nSchiedsstelle habe sich mit ihrem Vorbringen nicht auseinandergesetzt, sondern\nlapidar ausgefuhrt, dass auch unter Berucksichtigung ihres Vorbringens keine\nandere Entscheidung in der Sache gefallen ware. Auch konne der\nGenehmigungsbescheid keinen Bestand haben, weil eine rechtswidrige\nSchiedsstellenentscheidung genehmigt worden sei. Die Schiedsstelle hatte\nnamlich entsprechend ihrem Antrag den Gesamtbetrag fur die Erlose des\nKrankenhauses um 3.901.068 DM reduzieren und auf 52.488.633 DM festsetzen\nmussen. Aufgrund von Leistungsstrukturanderungen hatte ein\nKompensationsvolumen von 4.806.902 DM ermittelt werden mussen, auf welches\n905.834 DM aufgrund von 74 Mehrfallen anzurechnen gewesen waren. Daraus ergebe\nsich eine Budgetanpassung von 3.901.068 DM. Es sei nicht verstandlich, dass\ndie Forderung der Beigeladenen zu 1, 2.200 Falle mit 10,51 Tagen und 97,5 %\nAuslastung zu kalkulieren, vollumfanglich durch die Schiedsstelle akzeptiert\nworden sei. Damit sei planerisch eine Zahl festgesetzt worden, die unter\nBerucksichtigung der tatsachlichen Verweildauer eine Belegung von uber 100 %\nbedeute (2.200 Falle - Verweildauer 10,88 Tage (in 1999) entsprachen einer\n100,9% Auslastung). Die krankenhausplanerischen Richtwerte sahen fur die\nHerzchirurgie einen Auslastungsgrad von 85 % vor. Da in herzchirurgischen\nEinrichtungen uberwiegend elektive Eingriffe durchgefuhrt wurden, konne dort\nallenfalls ein Auslastungsgrad von 90 % erreicht werden. Da im Rahmen der\nGanzjahresbetrachtung Belegungsschwankungen berucksichtigt und Kapazitaten fur\ndie Notfallversorgung freigehalten werden mussten, erscheine dieser\nAuslastungsgrad realistisch. \n--- \n| 10 \n--- \n| Ferner sei die Abrechnungsgenehmigung fur den Einsatz der Octopus-Systeme\nnicht schiedsstellenfahig. Bei der Vereinbarung vom 29.06.2000 handle es sich\nnach Ansicht des Regierungsprasidiums Karlsruhe um eine Vereinbarung zur\nAuslegung des von den Parteien auf Bundesebene gem. § 15 Abs. 1 BPflV\nfestgelegten Fallpauschalenkatalogs, eine Schiedsstellenentscheidung nach § 19\nBPflV komme somit nicht in Betracht. Die rechtliche Bewertung der von den\nPflegesatzparteien unterschriebenen Abrechnungsgenehmigung sei nicht korrekt;\nsie konne nicht zu einem Modellvorhaben gem. § 26 BPflV aufgewertet werden.\nDagegen wurden die VAD-Kreislaufunterstutzungssysteme dem landesweiten\nModellvorhaben zugefuhrt. \n--- \n| 11 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 19.12.2003 tragen die Klager weiter vor, bei\nZugrundelegung eines - bereits uberdurchschnittlichen - Nutzungsgrades von\n92,47 % und einer Ist-Verweildauer aus dem Jahre 1997 von 12,63 Tagen hatte\nallenfalls eine Fallzahl von 1.737 Fallen vereinbart werden konnen. Die von\nder Schiedsstelle angenommenen 405 Mehrfalle widersprachen dem\nKrankenhausbedarfsplan und dem Versorgungsauftrag. Bei Ansatz der\ntatsachlichen Verweildauer aus 1997 von 12,63 Tagen ergabe sich dann ein\nprognostischer Auslastungsgrad von 117,1 %. \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 13 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Der beantragten Genehmigung habe gem. § 18 Abs. 5 KHG entsprochen werden\nmussen, da die Schiedsstellenfestsetzung vom 23.05.2002 dem geltenden\nPflegesatzrecht entspreche. Durch diese Entscheidung seien die Punkte\nberucksichtigt worden, die dem Versagungsbescheid vom 22.03.2000 und dem\nAntrag der Klager vom 03.05.2002 zugrunde lagen. Was die Zuruckweisung des\nerweiterten Antrags der Klager vom 22.05.2002 als unzulassig betreffe,\nschließe sich das Regierungsprasidium der Rechtsauffassung der Schiedsstelle\nan. Im Übrigen habe sich die Schiedsstelle mit den dort angefuhrten Grunden\nbefasst. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beigeladene zu 1 beantragt, \n--- \n| 16 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 17 \n--- \n| Sie lasst vortragen, \n--- \n| 18 \n--- \n| der Schiedsstellenbeschluss sei formell rechtmaßig, da die Schiedsstelle\nweder den Mundlichkeitsgrundsatz noch den Grundsatz des rechtlichen Gehors\nverletzt habe. Auch wenn wegen des in § 18 Abs. 4 S. 1 KHG enthaltenen\nBeschleunigungsgrundsatzes eine Nichtberucksichtigung des Vortrags der Klager\nim Schriftsatz vom 22.05.2002 zu keiner Verletzung des Anspruchs auf\nrechtliches Gehor gefuhrt hatte, sei dieses Vorbringen dennoch von der\nSchiedsstelle bei der Entscheidungsfindung berucksichtigt worden, sodass ein\nVerstoß gegen Verfahrensrecht nicht vorliege. \n--- \n| 19 \n--- \n| Der genehmigte Schiedsspruch sei auch materiell rechtmaßig. Die von der\nSchiedsstelle angenommene Auslastung von 97,5 % sei realistisch und entspreche\ndem Versorgungsauftrag der Klinik. Die Bundespflegesatzverordnung gehe von\neiner prospektiven Vereinbarung der Erlose aus tagesgleichen Pflegesatzen\nsowie Fallpauschalen und Sonderentgelten aus. Der Vereinbarung sei der\nVersorgungsauftrag des Krankenhauses zugrunde zu legen, d.h., es durfe keine\nuber 100 % hinausgehende Nutzung der Planbetten vereinbart werden. Fur den\nFall, dass die Ist-Auslastung von der Soll-Auslastung abweiche, griffen im\nFolgejahr die Ausgleichsmechanismen der §§ 11 Abs. 8, 12 Abs. 4 BPflV. Das\nVorbringen der Klager, wonach die Klinik eine Ist-Belegung uber 100 % vorweise\nund insoweit Leistungen ohne Versorgungsvertrag erbringe, sei irrelevant, da\ndie fur die Festsetzung allein entscheidende Soll-Auslastung unter 100 %\nliege. Die Ist-Auslastung 1999 sei dagegen nicht Gegenstand der Festsetzungen\ndurch die Schiedsstelle fur den Pflegesatzzeitraum 1999 und damit auch nicht\nThema des streitgegenstandlichen Genehmigungsbescheides fur das Jahr 1999. Wie\nder Genehmigungsbescheid ausfuhre, sei der bei der Festsetzung 1999 zugrunde\ngelegte (jahresdurchschnittliche) Nutzungsgrad von 97,5 % fur eine\nSpezialklinik aufgrund der durch die Zusammenarbeit mit anderen Krankenhausern\ngeplanten Zahl der Behandlungsfalle nicht ungewohnlich hoch. Er konne\ninsbesondere nicht mit den Nutzungsgraden von Allgemeinkrankenhausern\nverglichen werden. Wie der Genehmigungsbescheid zu Recht hervorhebe,\nentspreche die Zusammenarbeit zwischen der Klinik der Beigeladenen zu 1 und\nAllgemeinkrankenhausern vernunftigen wirtschaftlichen Überlegungen einer\nsinnvollen, d.h., gerade auch optimalen Ausnutzung der jeweiligen personellen\nund sachlichen Kapazitaten. \n--- \n| 20 \n--- \n| Zu Recht habe die Schiedsstelle ferner entschieden, dass die von den\nKlagern geltend gemachte Verweildauerverkurzung in Hohe von 1,45 Tagen je Fall\nunerheblich sei, zumal sich das Leistungsgeschehen uberwiegend im\nFallpauschalenbereich abspiele. Vom festgesetzten und genehmigten Gesamtbetrag\nin Hohe von 56.389.700 DM entfielen nur 3.238.425 DM auf dem Budgetbereich.\nEine Verweildauerverkurzung in der genannten Hohe fuhre hier nicht zu\nmessbaren Einsparungen pro Fall, da die kostenintensiven Maßnahmen in der\nRegel am Beginn des stationaren Aufenthaltes durchgefuhrt wurden. Die\nEinsparungen wurden somit im Wesentlichen nur die Kosten fur Lebensmittel\nbetreffen und durch allgemeine Kostensteigerungen in anderen Bereichen\naufgefangen. \n--- \n| 21 \n--- \n| Was schließlich die Berucksichtigung von Modellvorhaben betreffe, sei\nfestzuhalten, dass eine auch von den Klagern unterschriebene Vereinbarung uber\ndie Abrechnung von minimal-invasiven Bypassoperationen ohne Verwendung der\nHerz-Lungen-Maschine vom 29.06.2000 vorliege. Ob es sich hierbei um ein\nModellvorhaben im Sinne von § 26 BPflV oder um eine Vereinbarung zur Auslegung\ndes Fallpauschalenkatalogs handle, brauche nicht entschieden zu werden. In\nbeiden Fallen handle es sich um einen wirksamen offentlich-rechtlichen Vertrag\nim Sinne von § 54 S. 1 VwVfG. Dieser zwischen allen Vertragsparteien\ngeschlossene Vertrag, der die Vergutung bestimmter Leistungen betreffe, sei\nauch der Festsetzung durch die Schiedsstelle zugrunde zu legen gewesen. Durch\ndie Vereinbarung sei neues Recht gesetzt worden, was sowohl von der\nSchiedsstelle als auch von der Genehmigungsbehorde zu beachten sei. Auch wenn\nes sich um ein Modellvorhaben handeln sollte, stunde § 19 Abs. 3 BPflV der\nZugrundelegung durch die Schiedsstelle nicht entgegen. § 19 Abs. 3 BPflV\nschließe nur aus, dass bei Scheitern eines Modellvorhabens die Schiedsstelle\nangerufen werde. Sei ein Modellvorhaben dagegen abgeschlossen worden, so sei\nes auch von der Schiedsstelle zu berucksichtigen. Ansonsten hatte der\nAbschluss derartiger Vereinbarungen keinerlei Rechtswirkungen. \n--- \n| 22 \n--- \n| Mit weiterem Schriftsatz vom 01.04.2003 lasst die Beigeladene zu 1 ferner\nvortragen, der streitgegenstandliche Genehmigungsbescheid sei auch deshalb\nrechtmaßig, weil die Genehmigungsbehorde gem. § 18 Abs. 5 S. 1 KHG auf eine\nreine Rechtskontrolle der Schiedsstellenfestsetzungen beschrankt sei und ihr\nkein eigener Gestaltungsspielraum zustehe. Im Rahmen der Rechtskontrolle durfe\nsie zudem nicht in den Beurteilungs- und Prognosespielraum der Schiedsstelle\neingreifen. Nach der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte komme der\nSchiedsstelle bei der Ausfullung der unbestimmten Rechtsbegriffe des KHG und\nder BPflV ein nur beschrankt von der Genehmigungsbehorde und vom Gericht\nuberprufbarer Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum zu. Insbesondere bei der\nFrage des moglichen Nutzungsgrades handle es sich nicht primar um eine\nRechtsfrage, sondern um eine betriebswirtschaftliche Beurteilung, zu wie viel\nProzent die Planbetten im Jahresdurchschnitt ausgelastet werden konnen. Den\nMitgliedern der Schiedsstelle komme diesbezuglich besonderer Sachverstand zu.\nHervorzuheben sei in diesem Zusammenhang, dass auch die ubrigen beigeladenen\nSozialleistungstrager mit dem zugrunde gelegten Nutzungsgrad einverstanden\ngewesen seien und sogar eine entsprechende Pflegesatzvereinbarung\nunterschrieben hatten. Eine rechtsrelevante Verletzung des der Schiedsstelle\ninsoweit zustehenden Beurteilungsspielraums sei nicht ersichtlich. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Beigeladenen zu 2 und 3 stellen keinen Antrag. \n--- \n| 24 \n--- \n| Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die\ngewechselten Schriftsatze verwiesen. Dem Gericht liegen 1 Band Originalakten\ndes Regierungsprasidiums Karlsruhe betreffend Pflegesatzverfahren 1999 sowie\ndie Gerichtsakte aus dem Verfahren 12 K 1557/00 vor. Ihr Inhalt war Gegenstand\nder Beratung. \n--- \n| 25 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung am 19.01.2004 haben die anwesenden\nBeteiligten zur gutlichen Beendigung des Rechtsstreits einen Vergleich\ngeschlossen, den die Klager mit rechtzeitig am 16.02.2004 beim\nVerwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 13.02.2004 widerrufen haben.\nFur diesen Fall haben die Beteiligten in der mundlichen Verhandlung auf die\nDurchfuhrung einer weiteren mundlichen Verhandlung verzichtet. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 26 \n--- \n| Mit dem Einverstandnis der Beteiligten konnte das Gericht ohne weitere\nmundliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Klagen sind zulassig. \n--- \n| 28 \n--- \n| Mit ihren Anfechtungsklagen wenden sich die Klager gegen die Genehmigung\ndes von der Schiedsstelle festgesetzten Budgets der Beigeladenen zu 1 durch\ndie zustandige Landesbehorde. Die Genehmigung vereinbarter oder festgesetzter\nPflegesatze stellt einen Verwaltungsakt dar, gegen den nach der ausdrucklichen\nRegelung in § 18 Abs. 5 S. 2 KHG der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Der\nDurchfuhrung eines Vorverfahrens bedurfte es gem. § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO i.V.m.\n§ 18 Abs. 5 S. 3 KHG nicht. Ferner fehlt es den Klagern nicht an der nach § 42\nAbs. 2 VwGO erforderlichen Klagebefugnis. Denn die Ersatzkassenverbande konnen\nals Arbeitsgemeinschaft von Sozialleistungstragern im Sinne von § 18 Abs. 2\nNr. 2 KHG Partei einer Pflegesatzvereinbarung sein und die Genehmigung eines\nvon der Schiedsstelle festgesetzten Pflegesatzes mit der Klage anfechten\n(BVerwG, Urt. v. 11.11.1999 - 3 C 33/98 -, Buchholz 451.74 § 18 KHG Nr. 9). \n--- \n| 29 \n--- \n| Die zulassigen Klagen sind jedoch nicht begrundet. Der angefochtene\nGenehmigungsbescheid des Regierungsprasidiums Karlsruhe vom 28.08.2002 ist\nrechtmaßig und verletzt die Klager nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1\nVwGO). \n--- \n1. \n--- \n| 30 \n--- \n| Rechtsgrundlage des angefochtenen Genehmigungsbescheids sind die §§ 18 Abs.\n5 S. 1 KHG, 20 BPflV. Nach der erstgenannten Vorschrift sind die vereinbarten\noder von der Schiedsstelle festgesetzten Pflegesatze von der zustandigen\nLandesbehorde zu genehmigen, wenn sie den Vorschriften des\nKrankenhausfinanzierungsgesetzes und sonstigem Recht entsprechen. Nach\nstandiger Rechtsprechung handelt es sich bei der Genehmigung eines\nvereinbarten oder von der Schiedsstelle festgesetzten Pflegesatzes um einen\nAkt der gebundenen Verwaltung, der sich ausschließlich auf eine\nRechtskontrolle erstreckt und der Genehmigungsbehorde nur die Alternative\nzubilligt, die Pflegesatzvereinbarung oder -festsetzung, sofern diese dem\ngeltenden Recht entspricht, zu genehmigen oder die Genehmigung wegen\nRechtsverstoßes zu versagen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.06.1995 - 3 C 34/93 -,\nBuchholz 451.74 § 18 KHG Nr. 5; sowie Urt. v. 26.09.2002 - 3 C 49.01 -, DVBl.\n2003, S. 674, 675). \n--- \n| 31 \n--- \n| Hiernach ist der angefochtene Genehmigungsbescheid rechtlich nicht zu\nbeanstanden, denn das Regierungsprasidium hat zu Recht das Budget und die\nPflegesatze fur die Beigeladene zu 1 auf der Grundlage der\nSchiedsstellenfestsetzung vom 23.05.2002 genehmigt. Auch nach Auffassung des\nerkennenden Gerichts lagen die rechtlichen Voraussetzungen fur eine\nGenehmigungserteilung im Sinne des § 18 Abs. 5 S. 1 KHG vor. \n--- \n2. \n--- \n| 32 \n--- \n| Grundlage der Schiedsstellenentscheidung ist § 18 Abs. 4 KHG i.V.m. § 19\nAbs. 1 BPflV. Danach setzt die Schiedsstelle (§ 18 a Abs. 1 KHG) auf Antrag\neiner Vertragspartei die Pflegesatze oder die Hohe der Entgelte unverzuglich\nfest, wenn eine Pflegesatzvereinbarung ganz oder teilweise nicht zustande\nkommt. Die Schiedsstelle ist dabei an die fur die Vertragsparteien geltenden\nRechtsvorschriften gebunden. Das bedeutet, dass die Schiedsstelle dieselben\nrechtlichen Grenzen zu beachten hat, die auch fur die Pflegesatzparteien\nselbst im Falle der Regelung durch Vereinbarung gelten (BVerwG, Urt. v.\n22.06.1995 - 3 C 34/93 -, aaO). Diese Grenzen hat die Schiedsstelle mit ihrem\nBeschluss vom 23.05.2002, mit welchem das Budget und die Pflegesatze der\nBeigeladenen zu 1 fur den Pflegesatzzeitraum 1999 festgesetzt worden sind,\nnicht uberschritten. \n--- \n| 33 \n--- \n| Dabei geht das erkennende Gericht davon aus, dass die zustandige\nLandesbehorde bei der - als reine Rechtskontrolle ausgestalteten (vgl. die\nobigen Ausfuhrungen) -Genehmigung der Schiedsstellenentscheidung nicht zu\neiner vollinhaltlichen Überprufung der Schiedsstellenentscheidung befugt ist,\nsondern lediglich zu einer rechtlichen Überprufung mit „eingeschrankter\nKontrolldichte" (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 01.12.1998 - 5 C 17.97 -, DVBl.\n1999 S. 1113 zur Schiedsstellenentscheidung im Rahmen des § 94 BSHG). Dies\nfolgt nach Auffassung der Kammer sowohl aus der der Schiedsstelle ubertragenen\nAufgabe (a) als auch aus dem Gegenstand der von der Schiedsstelle zu\ntreffenden Festsetzungen (b) und der Eigenart der Schiedsstelle als\nparitatisch besetzter Stelle zur Konfliktlosung nach dem Vereinbarungsprinzip\n(c). \n--- \na) \n--- \n| 34 \n--- \n| Wie bereits oben ausgefuhrt wurde, entscheidet die Schiedsstelle gem. § 18\nAbs. 4 KHG i.V.m. § 19 BPflV anstelle der Vertragsparteien, wenn eine\nPflegesatzvereinbarung nicht zustande gekommen ist. Die Schiedsstelle ist\nhierbei an die fur die Vertragsparteien geltenden Rechtsvorschriften gebunden,\nd.h. sie hat dieselben rechtlichen Grenzen zu beachten, die auch fur die\nPflegesatzparteien selbst im Fall der Regelung durch Vereinbarung gelten.\nInnerhalb dieser Grenzen hat die Schiedsstelle grundsatzlich die ansonsten den\nVertragsparteien zukommenden Gestaltungsmoglichkeiten, wobei lediglich § 19\nAbs. 3 BPflV gewisse Einschrankungen vorsieht. \n--- \nb) \n--- \n| 35 \n--- \n| Materieller Gegenstand der Schiedsstellenfestsetzung sind - wie im\nvorliegenden Sachverhalt - unter anderem auch Prognoseentscheidungen und\nRisikobewertungen, da die Pflegesatze nach § 17 Abs. 1 S. 2 KHG im voraus zu\nbemessen sind. In der Sache geht es somit unter anderem um die konkrete\nAusfullung der Rechtsgrundsatze der „medizinischen Leistungsgerechtigkeit",\nder „wirtschaftlichen Betriebsfuhrung", der „Erfullung des\nVersorgungsauftrags" und der „Beachtung der Beitragssatzstabilitat", wie sie\nin § 17 Abs. 1 S. 3 KHG im Einzelnen aufgezahlt sind. In Konfliktfallen steht\nder Schiedsstelle somit auch - wie im vorliegenden Sachverhalt geschehen - die\nEntscheidung uber Kalkulationsgrundlagen zu (s. dazu Dietz/Bofinger, KHG,\nBPflV und Folgerecht, Komm. Bd. I, § 19 BPflV Anm. 4: "Soweit den\nVertragsparteien bei Anwendung des materiellen Pflegesatzrechts ein\nBeurteilungsspielraum zusteht, tritt die Schiedsstelle, die gleiches Recht\nanzuwenden hat, in diese Rechtsposition ein. Dies gilt insbesondere bei\nprognostischen Elementen"). \n--- \nc) \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Einrichtung einer Schiedsstelle zur Konfliktlosung fur den Fall, dass\neine Pflegesatzvereinbarung zwischen den Vertragsparteien nicht zustande\nkommt, ist Ausdruck einer Konfliktlosung nach dem „Vereinbarungsprinzip".\nWahrend nach der bis 1986 geltenden Rechtslage der Pflegesatz bei\nNichteinigung der Vertragsparteien durch behordliche Entscheidung festgesetzt\nwurde, hat sich der Gesetzgeber mit dem Krankenhaus-Neuordnungsgesetz vom\n20.12.1984 (BGBl. I S. 1716) fur die sogenannte Selbstverwaltungslosung\nentschieden, wonach eine mit Vertretern der Krankenhauser und mit Vertretern\nder Krankenkassen paritatisch besetzte Schiedsstelle unter einem neutralen\nVorsitzenden die Pflegesatze festsetzt, wobei die Mitglieder der Schiedsstelle\nin Ausubung ihres Amtes nicht an Weisungen gebunden sind und die staatliche\nRolle auf eine Überprufung der Rechtmaßigkeit der Schiedsstellenfestsetzung\nbeschrankt ist (§ 18 a Abs. 2 und 3 KHG; vgl. hierzu Dietz/Bofinger, aaO, § 18\nKHG Anm. IV 1). \n--- \n| 37 \n--- \n| Die der Schiedsstelle ubertragene Aufgabe der Konfliktlosung anstelle der\nVertragsparteien, der materielle Gegenstand ihrer Festsetzungsbefugnis sowie\nihre paritatische Zusammensetzung lassen es nach Überzeugung des erkennenden\nGerichts geboten erscheinen, der Schiedsstelle bei ihrer Entscheidung einen\nweiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum einzuraumen. Im Hinblick auf die\ninsoweit gleichliegende Rechtsproblematik halt es das Gericht fur\ngerechtfertigt, auf die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu\nEntscheidungen ahnlicher Art entwickelten Grundsatze zuruckzugreifen (vgl.\nBVerwG, Urt. v. 01.12.1998, aaO; sowie jungst VGH Bad.-Wurtt., Urt. v.\n07.11.2003 - 14 S 730/03 - zur Festsetzung des Benutzungsentgelts durch die\nSchiedsstelle gem. § 28 Abs. 5 Rettungsdienstgesetz m.w.N. zur Rechtsprechung\ndes Bundessozialgerichts). Hiernach hat sich die Überprufung der\nSchiedsstellenentscheidung durch die zustandige Behorde im Rahmen der\nGenehmigung gem. § 18 Abs. 5 KHG unter Beachtung der der Schiedsstelle\nzustehenden Einschatzungsprarogative darauf zu beschranken festzustellen, ob\ndie Schiedsstelle die widerstreitenden Interessen der Vertragsparteien\nermittelt, alle fur die Abwagung erforderlichen tatsachlichen Erkenntnisse\ngewonnen und die Abwagung frei von Einseitigkeit in einem den gesetzlichen\nVorgaben entsprechenden fairen und willkurfreien Verfahren, inhaltlich\norientiert an den materiell-rechtlichen Vorgaben (hier: des Pflegesatzrechts)\nvorgenommen hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.12.1998, aaO zur\nSchiedsstellenentscheidung gem. § 94 BSHG). \n--- \n3. \n--- \n| 38 \n--- \n| Bei Anwendung dieser Grundsatze ist der angefochtene Genehmigungsbescheid\nvom 28.08.2002 rechtlich nicht zu beanstanden, da die\nSchiedsstellenfestsetzung vom 23.05.2002 rechtsfehlerfrei ergangen ist. \n--- \na) \n--- \n| 39 \n--- \n| Entgegen der Auffassung der Klager ist nicht erkennbar, inwieweit die\nSchiedsstelle gegen rechtsstaatliche Verfahrensgrundsatze verstoßen haben\nkonnte. Hierbei kann offen bleiben, ob die aus § 18 Abs. 4 S. 1 KHG\nhergeleitete Verfahrensforderungspflicht die Nichtberucksichtigung eines erst\nam Vorabend der Schiedsstellenverhandlung eingereichten Schriftsatzes (sc.:\nder Klager vom 22.05.2002) rechtfertigen konnte. Denn die Schiedsstelle hat\nsich - wie sich den Grunden der Schiedsstellenentscheidung eindeutig entnehmen\nlasst (vgl. II S. 8 des Beschlusses v. 23.05.2002) - unabhangig von der Frage\nder Zulassigkeit der Nichtberucksichtigung des nach Auffassung der\nSchiedsstelle verspateten Vorbringens mit dem Antragsvorbringen im Schriftsatz\nder Klager vom 22.05.2003 in der Sache befasst und - wenn auch mit kurzer\nBegrundung - ausgefuhrt, dass sie auch unter Berucksichtigung dieses\nVorbringens keine andere Entscheidung in der Sache treffen wurde. Einen\nVerfahrensverstoß vermag das erkennende Gericht bei dieser Sachlage nicht\nfestzustellen. \n--- \nb) \n--- \n| 40 \n--- \n| Die Genehmigung der Schiedsstellenfestsetzung war durch das\nRegierungsprasidium auch nicht deshalb zu versagen, weil das festgesetzte\nBudget materiellem Pflegesatzrecht widerspricht, wie die Klager behaupten.\nIhnen ist zwar zuzugeben, dass eine uber eine hundertprozentige Nutzung der\nPlanbetten hinausgehende Schiedsstellenfestsetzung wegen Übererfullung des\nVersorgungsauftrags des Krankenhauses nicht genehmigungsfahig ware (vgl. § 17\nAbs. 1 S. 3 KHG sowie Tuschen/Quaas, BPflV, Komm., 5. Aufl. Erlauterung zu §\n12 BPflV, S. 300). Im vorliegenden Sachverhalt ist die Schiedsstelle jedoch\nvon einem prognostischen Auslastungsgrad von (lediglich) 97,5 % ausgegangen\nbei Zugrundelegung von 2.200 Behandlungsfallen und einer angenommenen\nVerweildauer von 10,51 Tagen, sodass bei dieser Vorauskalkulation (§ 17 Abs. 1\nS. 2 KHG i.V.m. § 12 Abs. 1 BPflV) ein Verstoß gegen § 17 Abs. 1 S. 3 KHG\nnicht bejaht werden kann. Die Klager vertreten in ihrem Schriftsatz vom\n19.12.2003 - in Abanderung ihres bisherigen Vorbringens in der Klagebegrundung\n- nunmehr die Auffassung, die Schiedsstelle hatte bei der Berechnung des\nBudgets fur den Pflegesatzzeitraum 1999 bei Annahme von 2.200\nBehandlungsfallen richtigerweise auf die tatsachliche Krankenhaus-Verweildauer\n1997 (= 12, 63 Tage) zuruckgreifen mussen, woraus sich dann ein\n(prognostischer) Ausnutzungsgrad von 117,1 % ergebe. Dieser - in rechtlicher\nHinsicht nicht naher begrundeten -Rechtsauffassung vermag das erkennende\nGericht jedoch nicht zu folgen. Insbesondere ist fur das Gericht kein\nRechtssatz ersichtlich, wonach die Schiedsstelle bei der prospektiven\nBeurteilung der Verweildauer fur den in Rede stehenden Pflegesatzzeitraum\n(hier: 1999) zwingend an die Ist-Verweildauer eines vorangegangenen Jahres\n(hier: 1997) gebunden sein sollte. Vielmehr ist die prognostische Beurteilung\nder Verweildauer gerade Gegenstand der von der Schiedsstelle zu treffenden\nkrankenhausindividuellen vorausschauenden Beurteilung bei Bemessung der\nPflegesatze „im Voraus" gem. § 17 Abs. 1 S. 2 KHG i.V.m. § 12 Abs. 1 BPflV.\nZwar verbietet es der das Pflegesatzrecht beherrschende Grundsatz der\nProspektivitat, wonach das Budget auf der Grundlage der vorauskalkulierten\nSelbstkosten des Krankenhauses fur die Zukunft zu vereinbaren ist (vgl.\nBVerwG, Urt. v. 22.06.1995, 3 C 34/93 -, aaO), nicht, sich bei der\nVorauskalkulation am Ergebnis des laufenden und abgelaufenen\nPflegesatzzeitraums zu orientieren (Dietz/Bofinger, aaO, § 17 KHG Anm. 9 sowie\nBVerwG, Urt. v. 01.12.1998, aaO, S. 1116); der Grundsatz der Prospektivitat\nermachtigt aber andererseits die uberprufende Landesbehorde nicht dazu, eine\naus ex-ante-Sicht nicht zu beanstandende Vorauskalkulation der\nSelbstkostenentwicklungen des laufenden Jahres durch eine aus der\nzwischenzeitlich moglich gewordenen ex-post-Sicht berichtigte\nSelbstkostenrechnung zu ersetzen (so schon BVerwG im Urt. v. 19.01.1984 - 3 C\n45/81 - NJW 1984 S. 2648 zur alten Rechtslage). \n--- \n| 41 \n--- \n| Das Regierungsprasidium hatte sonach - unter Berucksichtigung der nur\neingeschrankten Rechtskontrolle der Behorde bei Erteilung der Genehmigung gem.\n§ 18 Abs. 5 KHG - keine Veranlassung, die Vorauskalkulation der Schiedsstelle\nwegen Annahme eines unzulassigen prognostischen Ausnutzungsgrades zu\nbeanstanden. Sowohl die Prognose der Schiedsstelle bezuglich der\nBehandlungsfalle (2.200 in 1999) als auch die prospektive Ermittlung der\nVerweildauer (10,51 Tage in 1999) halten sich im Rahmen des der Schiedsstelle\neinzuraumenden Prognose- bzw. Beurteilungsspielraums. Der sich hieraus\nergebende (Soll-)Ausnutzungsgrad von 97,5 % (dessen mathematische Richtigkeit\ndie Klager gegenuber der Beigeladenen zu 1 mit Schriftsatz vom 16.01.2002\nausdrucklich bestatigt haben; s. Gerichtsakten S. 63), wurde vom\nRegierungsprasidium in der Begrundung des Genehmigungsbescheids zwar\nausdrucklich als hoch anerkannt. Das Regierungsprasidium hat dazu jedoch\nausgefuhrt, dieser Ausnutzungsgrad sei fur die Beigeladene zu 1 als eine mit\nanderen Krankenhausern zusammenarbeitende Fachklinik nicht „ungewohnlich und\ndaher akzeptabel". Dieser Erwagung liegt nach Auffassung des erkennenden\nGerichts ein Rechtsverstoß nicht zugrunde. \n--- \nc) \n--- \n| 42 \n--- \n| Die Genehmigung der Schiedsstellenfestsetzung war vom Regierungsprasidium\nauch nicht wegen Verstoßes gegen materielles Pflegesatzrecht zu versagen,\nsoweit die Schiedsstelle bei der Pflegesatzfestsetzung die zwischen den\nBeteiligten am 29.06.2000 geschlossene Vereinbarung bezuglich der Abrechnung\nder minimal-invasiven Bypassoperationen ohne Verwendung der Herz-Lungen-\nMaschine unter Einsatz des Octopus-Systems nach dem bundesweiten\nEntgeltkatalog fur Fallpauschalen der Gruppe 9 einbezogen hat. \n--- \n| 43 \n--- \n| Zwar handelt es sich bei dieser Vereinbarung - entgegen der Beurteilung der\nSchiedsstelle in ihrem Beschluss vom 23.05.2002 - nicht um ein Modellvorhaben\nnach § 26 BPflV, da von vornherein nicht erkennbar ist, inwieweit hier die\neinschrankenden tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 S. 1 bis 4\nBPflV eingehalten sind. Fur die behordliche Entscheidung uber die Genehmigung\nder Schiedsstellenfestsetzung gem. § 18 Abs. 5 KHG ist jedoch die - hier\nunzutreffende -rechtliche Bezeichnung der Vereinbarung durch die Schiedsstelle\nnicht maßgeblich. Entscheidend ist vielmehr ihre materiell-rechtliche\nVereinbarkeit mit dem Pflegesatzrecht. Das erkennende Gericht kann offen\nlassen, ob es den vorliegenden Klagen bereits am Rechtsschutzbedurfnis\nmangelt, soweit sich die Klager - wie in der mundlichen Verhandlung am\n19.01.2004 klargestellt wurde - lediglich gegen die unzutreffende rechtliche\nEinordnung der Vereinbarung vom 29.06.2000 als Modellvorhaben durch die\nSchiedsstelle wenden, im Übrigen aber diese Vereinbarung in ihrem Bestand fur\nden hier fraglichen Pflegesatzzeitraum 1999 nicht in Frage stellen (s. auch\ndas bereits oben erwahnte Schreiben der Klager vom 16.01.2002 an die\nBeigeladene zu 1, wonach die Vergutung in der vereinbarten Form „bis\neinschließlich 2000 toleriert wird" [S. 4 des Schreibens v. 16.01.2002; s. S.\n69 der Gerichtsakten]; sowie S. 7 des Protokolls zu den Budget- und\nPflegesatzverhandlungen fur die Pflegesatzzeitraume 1999 und 2000 der Klinik\nfur Herzchirurgie Karlsruhe am 21.02.2002 in Karlsruhe [Gerichtsakten S. 83]).\nDenn das erkennende Gericht hat keine durchgreifenden Bedenken, diese\nVereinbarung als mit dem Pflegesatzrecht in Einklang stehende, zulassige\nAuslegungsabrede zu qualifizieren, wie das Regierungsprasidium Karlsruhe im\nangefochtenen Genehmigungsbescheid zutreffend ausgefuhrt hat. Denn die\nVertragsparteien verstoßen mit der fraglichen Vereinbarung weder gegen § 15\nBPflV, wonach die Vertragsparteien auf Bundesebene die Entgeltkataloge fur\nFallpauschalen und Sonderentgelte vereinbaren, noch gegen die Regelung in § 16\nBPflV, die die Vertragsparteien auf Landesebene ermachtigt, landesweit\ngeltende Punktwerte fur den Personalkosten- und den Sachkostenanteil der\nEntgelte zu vereinbaren. Die Beteiligten haben mit der Vereinbarung vom\n29.06.2000 gerade nicht die Vereinbarungskompetenz der Vertragsparteien auf\nBundes- oder Landesebene beeintrachtigt oder gar an sich gezogen, sondern sich\nlediglich daruber verstandigt, dass eine bestimmte, im Einzelnen bezeichnete\nKrankenhausleistung unter eine Leistungsdefinition des Fallpauschalenkatalogs\n(hier: Fallpauschale der Gruppe 9) zu subsumieren ist. Damit bewegen sich die\nBeteiligten innerhalb des den Vertragsparteien einzuraumenden\nHandlungsspielraums bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die eine\nwertende Beurteilung voraussetzen, oder die die kunftige Entwicklung\nbetreffen. Grundprinzipien des Pflegesatzrechts werden damit aber nicht\ngefahrdet (vgl. insoweit Dietz/Bofinger, aaO, § 18 KHG Anm. 6). Als zwischen\nden Vertragsparteien wirksam abgeschlossene Auslegungsvereinbarung hatte die\nSchiedsstelle diesen Sachverhalt bei ihrer Pflegesatzfestsetzung zu\nberucksichtigen. Dem steht auch nicht die Regelung in § 19 Abs. 3 BPflV\nentgegen. Denn diese Vorschrift bezeichnet lediglich im Einzelnen die nicht\nschiedsstellenfahigen Bereiche bei der Vereinbarung des Budgets und der\nPflegesatze (vgl. Tuschen/Quaas, aaO, Erlauterung zu § 19 S. 388), hindert die\nSchiedsstelle aber nicht daran, wirksam getroffene Vereinbarungen zwischen den\nVertragsparteien bei ihrer Festsetzung zu berucksichtigen. \n--- \n| 44 \n--- \n| Zusammenfassend ergibt sich somit, dass das Regierungsprasidium zu Recht\ndie Schiedsstellenfestsetzung genehmigt hat. Im Rahmen der der Landesbehorde\ngem. § 18 Abs. 5 S. 1 KHG nur eingeschrankt eroffneten Rechtskontrolle ergaben\nsich keine Anhaltspunkte dafur, dass die Schiedsstelle den ihr eingeraumten\nBeurteilungsspielraum uberschritten hatte oder dem Sinngehalt der von ihr\nanzuwendenden Rechtsnormen nicht gerecht geworden ware. Auch ist nichts dafur\nerkennbar, dass die Schiedsstelle den Sachverhalt nicht vollstandig ermittelt\noder sich von sachfremden Erwagungen hatte leiten lassen. \n--- \n| 45 \n--- \n| Die Klagen waren daher mit der Kostenfolge gem. § 154 Abs. 1 VwGO\nabzuweisen. Es entspricht der Billigkeit, den Klagern gem. § 162 Abs. 3 VwGO\nauch die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1\naufzuerlegen; denn diese hat einen Sachantrag gestellt und ist damit ein\neigenes Kostenrisiko eingegangen (154 Abs. 3 VwGO). Als notwendigen\nStreitgenossen (vgl. hierzu VGH Baden-Wurttemberg, Urt. v. 19.06.2001 - 9 S\n2208/00 -) konnten den Klagern die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner\nauferlegt werden (§ 159 S.2 VwGO). \n--- \n| 46 \n--- \n| Die Berufung war gem. § 124 a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO\nzuzulassen, da die Frage, ob die zustandige Landesbehorde bei der\nGenehmigungsentscheidung gem. § 18 Abs. 5 S. 1 KHG einen Beurteilungsspielraum\nder Schiedsstelle bei deren Festsetzung des Budgets und der Pflegesatze gem. §\n18 Abs. 4 KHG zu beachten hat, von grundsatzlicher Bedeutung ist. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 26 \n--- \n| Mit dem Einverstandnis der Beteiligten konnte das Gericht ohne weitere\nmundliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Klagen sind zulassig. \n--- \n| 28 \n--- \n| Mit ihren Anfechtungsklagen wenden sich die Klager gegen die Genehmigung\ndes von der Schiedsstelle festgesetzten Budgets der Beigeladenen zu 1 durch\ndie zustandige Landesbehorde. Die Genehmigung vereinbarter oder festgesetzter\nPflegesatze stellt einen Verwaltungsakt dar, gegen den nach der ausdrucklichen\nRegelung in § 18 Abs. 5 S. 2 KHG der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Der\nDurchfuhrung eines Vorverfahrens bedurfte es gem. § 68 Abs. 1 S. 2 VwGO i.V.m.\n§ 18 Abs. 5 S. 3 KHG nicht. Ferner fehlt es den Klagern nicht an der nach § 42\nAbs. 2 VwGO erforderlichen Klagebefugnis. Denn die Ersatzkassenverbande konnen\nals Arbeitsgemeinschaft von Sozialleistungstragern im Sinne von § 18 Abs. 2\nNr. 2 KHG Partei einer Pflegesatzvereinbarung sein und die Genehmigung eines\nvon der Schiedsstelle festgesetzten Pflegesatzes mit der Klage anfechten\n(BVerwG, Urt. v. 11.11.1999 - 3 C 33/98 -, Buchholz 451.74 § 18 KHG Nr. 9). \n--- \n| 29 \n--- \n| Die zulassigen Klagen sind jedoch nicht begrundet. Der angefochtene\nGenehmigungsbescheid des Regierungsprasidiums Karlsruhe vom 28.08.2002 ist\nrechtmaßig und verletzt die Klager nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1\nVwGO). \n--- \n1. \n--- \n| 30 \n--- \n| Rechtsgrundlage des angefochtenen Genehmigungsbescheids sind die §§ 18 Abs.\n5 S. 1 KHG, 20 BPflV. Nach der erstgenannten Vorschrift sind die vereinbarten\noder von der Schiedsstelle festgesetzten Pflegesatze von der zustandigen\nLandesbehorde zu genehmigen, wenn sie den Vorschriften des\nKrankenhausfinanzierungsgesetzes und sonstigem Recht entsprechen. Nach\nstandiger Rechtsprechung handelt es sich bei der Genehmigung eines\nvereinbarten oder von der Schiedsstelle festgesetzten Pflegesatzes um einen\nAkt der gebundenen Verwaltung, der sich ausschließlich auf eine\nRechtskontrolle erstreckt und der Genehmigungsbehorde nur die Alternative\nzubilligt, die Pflegesatzvereinbarung oder -festsetzung, sofern diese dem\ngeltenden Recht entspricht, zu genehmigen oder die Genehmigung wegen\nRechtsverstoßes zu versagen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.06.1995 - 3 C 34/93 -,\nBuchholz 451.74 § 18 KHG Nr. 5; sowie Urt. v. 26.09.2002 - 3 C 49.01 -, DVBl.\n2003, S. 674, 675). \n--- \n| 31 \n--- \n| Hiernach ist der angefochtene Genehmigungsbescheid rechtlich nicht zu\nbeanstanden, denn das Regierungsprasidium hat zu Recht das Budget und die\nPflegesatze fur die Beigeladene zu 1 auf der Grundlage der\nSchiedsstellenfestsetzung vom 23.05.2002 genehmigt. Auch nach Auffassung des\nerkennenden Gerichts lagen die rechtlichen Voraussetzungen fur eine\nGenehmigungserteilung im Sinne des § 18 Abs. 5 S. 1 KHG vor. \n--- \n2. \n--- \n| 32 \n--- \n| Grundlage der Schiedsstellenentscheidung ist § 18 Abs. 4 KHG i.V.m. § 19\nAbs. 1 BPflV. Danach setzt die Schiedsstelle (§ 18 a Abs. 1 KHG) auf Antrag\neiner Vertragspartei die Pflegesatze oder die Hohe der Entgelte unverzuglich\nfest, wenn eine Pflegesatzvereinbarung ganz oder teilweise nicht zustande\nkommt. Die Schiedsstelle ist dabei an die fur die Vertragsparteien geltenden\nRechtsvorschriften gebunden. Das bedeutet, dass die Schiedsstelle dieselben\nrechtlichen Grenzen zu beachten hat, die auch fur die Pflegesatzparteien\nselbst im Falle der Regelung durch Vereinbarung gelten (BVerwG, Urt. v.\n22.06.1995 - 3 C 34/93 -, aaO). Diese Grenzen hat die Schiedsstelle mit ihrem\nBeschluss vom 23.05.2002, mit welchem das Budget und die Pflegesatze der\nBeigeladenen zu 1 fur den Pflegesatzzeitraum 1999 festgesetzt worden sind,\nnicht uberschritten. \n--- \n| 33 \n--- \n| Dabei geht das erkennende Gericht davon aus, dass die zustandige\nLandesbehorde bei der - als reine Rechtskontrolle ausgestalteten (vgl. die\nobigen Ausfuhrungen) -Genehmigung der Schiedsstellenentscheidung nicht zu\neiner vollinhaltlichen Überprufung der Schiedsstellenentscheidung befugt ist,\nsondern lediglich zu einer rechtlichen Überprufung mit „eingeschrankter\nKontrolldichte" (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 01.12.1998 - 5 C 17.97 -, DVBl.\n1999 S. 1113 zur Schiedsstellenentscheidung im Rahmen des § 94 BSHG). Dies\nfolgt nach Auffassung der Kammer sowohl aus der der Schiedsstelle ubertragenen\nAufgabe (a) als auch aus dem Gegenstand der von der Schiedsstelle zu\ntreffenden Festsetzungen (b) und der Eigenart der Schiedsstelle als\nparitatisch besetzter Stelle zur Konfliktlosung nach dem Vereinbarungsprinzip\n(c). \n--- \na) \n--- \n| 34 \n--- \n| Wie bereits oben ausgefuhrt wurde, entscheidet die Schiedsstelle gem. § 18\nAbs. 4 KHG i.V.m. § 19 BPflV anstelle der Vertragsparteien, wenn eine\nPflegesatzvereinbarung nicht zustande gekommen ist. Die Schiedsstelle ist\nhierbei an die fur die Vertragsparteien geltenden Rechtsvorschriften gebunden,\nd.h. sie hat dieselben rechtlichen Grenzen zu beachten, die auch fur die\nPflegesatzparteien selbst im Fall der Regelung durch Vereinbarung gelten.\nInnerhalb dieser Grenzen hat die Schiedsstelle grundsatzlich die ansonsten den\nVertragsparteien zukommenden Gestaltungsmoglichkeiten, wobei lediglich § 19\nAbs. 3 BPflV gewisse Einschrankungen vorsieht. \n--- \nb) \n--- \n| 35 \n--- \n| Materieller Gegenstand der Schiedsstellenfestsetzung sind - wie im\nvorliegenden Sachverhalt - unter anderem auch Prognoseentscheidungen und\nRisikobewertungen, da die Pflegesatze nach § 17 Abs. 1 S. 2 KHG im voraus zu\nbemessen sind. In der Sache geht es somit unter anderem um die konkrete\nAusfullung der Rechtsgrundsatze der „medizinischen Leistungsgerechtigkeit",\nder „wirtschaftlichen Betriebsfuhrung", der „Erfullung des\nVersorgungsauftrags" und der „Beachtung der Beitragssatzstabilitat", wie sie\nin § 17 Abs. 1 S. 3 KHG im Einzelnen aufgezahlt sind. In Konfliktfallen steht\nder Schiedsstelle somit auch - wie im vorliegenden Sachverhalt geschehen - die\nEntscheidung uber Kalkulationsgrundlagen zu (s. dazu Dietz/Bofinger, KHG,\nBPflV und Folgerecht, Komm. Bd. I, § 19 BPflV Anm. 4: "Soweit den\nVertragsparteien bei Anwendung des materiellen Pflegesatzrechts ein\nBeurteilungsspielraum zusteht, tritt die Schiedsstelle, die gleiches Recht\nanzuwenden hat, in diese Rechtsposition ein. Dies gilt insbesondere bei\nprognostischen Elementen"). \n--- \nc) \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Einrichtung einer Schiedsstelle zur Konfliktlosung fur den Fall, dass\neine Pflegesatzvereinbarung zwischen den Vertragsparteien nicht zustande\nkommt, ist Ausdruck einer Konfliktlosung nach dem „Vereinbarungsprinzip".\nWahrend nach der bis 1986 geltenden Rechtslage der Pflegesatz bei\nNichteinigung der Vertragsparteien durch behordliche Entscheidung festgesetzt\nwurde, hat sich der Gesetzgeber mit dem Krankenhaus-Neuordnungsgesetz vom\n20.12.1984 (BGBl. I S. 1716) fur die sogenannte Selbstverwaltungslosung\nentschieden, wonach eine mit Vertretern der Krankenhauser und mit Vertretern\nder Krankenkassen paritatisch besetzte Schiedsstelle unter einem neutralen\nVorsitzenden die Pflegesatze festsetzt, wobei die Mitglieder der Schiedsstelle\nin Ausubung ihres Amtes nicht an Weisungen gebunden sind und die staatliche\nRolle auf eine Überprufung der Rechtmaßigkeit der Schiedsstellenfestsetzung\nbeschrankt ist (§ 18 a Abs. 2 und 3 KHG; vgl. hierzu Dietz/Bofinger, aaO, § 18\nKHG Anm. IV 1). \n--- \n| 37 \n--- \n| Die der Schiedsstelle ubertragene Aufgabe der Konfliktlosung anstelle der\nVertragsparteien, der materielle Gegenstand ihrer Festsetzungsbefugnis sowie\nihre paritatische Zusammensetzung lassen es nach Überzeugung des erkennenden\nGerichts geboten erscheinen, der Schiedsstelle bei ihrer Entscheidung einen\nweiten Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum einzuraumen. Im Hinblick auf die\ninsoweit gleichliegende Rechtsproblematik halt es das Gericht fur\ngerechtfertigt, auf die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu\nEntscheidungen ahnlicher Art entwickelten Grundsatze zuruckzugreifen (vgl.\nBVerwG, Urt. v. 01.12.1998, aaO; sowie jungst VGH Bad.-Wurtt., Urt. v.\n07.11.2003 - 14 S 730/03 - zur Festsetzung des Benutzungsentgelts durch die\nSchiedsstelle gem. § 28 Abs. 5 Rettungsdienstgesetz m.w.N. zur Rechtsprechung\ndes Bundessozialgerichts). Hiernach hat sich die Überprufung der\nSchiedsstellenentscheidung durch die zustandige Behorde im Rahmen der\nGenehmigung gem. § 18 Abs. 5 KHG unter Beachtung der der Schiedsstelle\nzustehenden Einschatzungsprarogative darauf zu beschranken festzustellen, ob\ndie Schiedsstelle die widerstreitenden Interessen der Vertragsparteien\nermittelt, alle fur die Abwagung erforderlichen tatsachlichen Erkenntnisse\ngewonnen und die Abwagung frei von Einseitigkeit in einem den gesetzlichen\nVorgaben entsprechenden fairen und willkurfreien Verfahren, inhaltlich\norientiert an den materiell-rechtlichen Vorgaben (hier: des Pflegesatzrechts)\nvorgenommen hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 01.12.1998, aaO zur\nSchiedsstellenentscheidung gem. § 94 BSHG). \n--- \n3. \n--- \n| 38 \n--- \n| Bei Anwendung dieser Grundsatze ist der angefochtene Genehmigungsbescheid\nvom 28.08.2002 rechtlich nicht zu beanstanden, da die\nSchiedsstellenfestsetzung vom 23.05.2002 rechtsfehlerfrei ergangen ist. \n--- \na) \n--- \n| 39 \n--- \n| Entgegen der Auffassung der Klager ist nicht erkennbar, inwieweit die\nSchiedsstelle gegen rechtsstaatliche Verfahrensgrundsatze verstoßen haben\nkonnte. Hierbei kann offen bleiben, ob die aus § 18 Abs. 4 S. 1 KHG\nhergeleitete Verfahrensforderungspflicht die Nichtberucksichtigung eines erst\nam Vorabend der Schiedsstellenverhandlung eingereichten Schriftsatzes (sc.:\nder Klager vom 22.05.2002) rechtfertigen konnte. Denn die Schiedsstelle hat\nsich - wie sich den Grunden der Schiedsstellenentscheidung eindeutig entnehmen\nlasst (vgl. II S. 8 des Beschlusses v. 23.05.2002) - unabhangig von der Frage\nder Zulassigkeit der Nichtberucksichtigung des nach Auffassung der\nSchiedsstelle verspateten Vorbringens mit dem Antragsvorbringen im Schriftsatz\nder Klager vom 22.05.2003 in der Sache befasst und - wenn auch mit kurzer\nBegrundung - ausgefuhrt, dass sie auch unter Berucksichtigung dieses\nVorbringens keine andere Entscheidung in der Sache treffen wurde. Einen\nVerfahrensverstoß vermag das erkennende Gericht bei dieser Sachlage nicht\nfestzustellen. \n--- \nb) \n--- \n| 40 \n--- \n| Die Genehmigung der Schiedsstellenfestsetzung war durch das\nRegierungsprasidium auch nicht deshalb zu versagen, weil das festgesetzte\nBudget materiellem Pflegesatzrecht widerspricht, wie die Klager behaupten.\nIhnen ist zwar zuzugeben, dass eine uber eine hundertprozentige Nutzung der\nPlanbetten hinausgehende Schiedsstellenfestsetzung wegen Übererfullung des\nVersorgungsauftrags des Krankenhauses nicht genehmigungsfahig ware (vgl. § 17\nAbs. 1 S. 3 KHG sowie Tuschen/Quaas, BPflV, Komm., 5. Aufl. Erlauterung zu §\n12 BPflV, S. 300). Im vorliegenden Sachverhalt ist die Schiedsstelle jedoch\nvon einem prognostischen Auslastungsgrad von (lediglich) 97,5 % ausgegangen\nbei Zugrundelegung von 2.200 Behandlungsfallen und einer angenommenen\nVerweildauer von 10,51 Tagen, sodass bei dieser Vorauskalkulation (§ 17 Abs. 1\nS. 2 KHG i.V.m. § 12 Abs. 1 BPflV) ein Verstoß gegen § 17 Abs. 1 S. 3 KHG\nnicht bejaht werden kann. Die Klager vertreten in ihrem Schriftsatz vom\n19.12.2003 - in Abanderung ihres bisherigen Vorbringens in der Klagebegrundung\n- nunmehr die Auffassung, die Schiedsstelle hatte bei der Berechnung des\nBudgets fur den Pflegesatzzeitraum 1999 bei Annahme von 2.200\nBehandlungsfallen richtigerweise auf die tatsachliche Krankenhaus-Verweildauer\n1997 (= 12, 63 Tage) zuruckgreifen mussen, woraus sich dann ein\n(prognostischer) Ausnutzungsgrad von 117,1 % ergebe. Dieser - in rechtlicher\nHinsicht nicht naher begrundeten -Rechtsauffassung vermag das erkennende\nGericht jedoch nicht zu folgen. Insbesondere ist fur das Gericht kein\nRechtssatz ersichtlich, wonach die Schiedsstelle bei der prospektiven\nBeurteilung der Verweildauer fur den in Rede stehenden Pflegesatzzeitraum\n(hier: 1999) zwingend an die Ist-Verweildauer eines vorangegangenen Jahres\n(hier: 1997) gebunden sein sollte. Vielmehr ist die prognostische Beurteilung\nder Verweildauer gerade Gegenstand der von der Schiedsstelle zu treffenden\nkrankenhausindividuellen vorausschauenden Beurteilung bei Bemessung der\nPflegesatze „im Voraus" gem. § 17 Abs. 1 S. 2 KHG i.V.m. § 12 Abs. 1 BPflV.\nZwar verbietet es der das Pflegesatzrecht beherrschende Grundsatz der\nProspektivitat, wonach das Budget auf der Grundlage der vorauskalkulierten\nSelbstkosten des Krankenhauses fur die Zukunft zu vereinbaren ist (vgl.\nBVerwG, Urt. v. 22.06.1995, 3 C 34/93 -, aaO), nicht, sich bei der\nVorauskalkulation am Ergebnis des laufenden und abgelaufenen\nPflegesatzzeitraums zu orientieren (Dietz/Bofinger, aaO, § 17 KHG Anm. 9 sowie\nBVerwG, Urt. v. 01.12.1998, aaO, S. 1116); der Grundsatz der Prospektivitat\nermachtigt aber andererseits die uberprufende Landesbehorde nicht dazu, eine\naus ex-ante-Sicht nicht zu beanstandende Vorauskalkulation der\nSelbstkostenentwicklungen des laufenden Jahres durch eine aus der\nzwischenzeitlich moglich gewordenen ex-post-Sicht berichtigte\nSelbstkostenrechnung zu ersetzen (so schon BVerwG im Urt. v. 19.01.1984 - 3 C\n45/81 - NJW 1984 S. 2648 zur alten Rechtslage). \n--- \n| 41 \n--- \n| Das Regierungsprasidium hatte sonach - unter Berucksichtigung der nur\neingeschrankten Rechtskontrolle der Behorde bei Erteilung der Genehmigung gem.\n§ 18 Abs. 5 KHG - keine Veranlassung, die Vorauskalkulation der Schiedsstelle\nwegen Annahme eines unzulassigen prognostischen Ausnutzungsgrades zu\nbeanstanden. Sowohl die Prognose der Schiedsstelle bezuglich der\nBehandlungsfalle (2.200 in 1999) als auch die prospektive Ermittlung der\nVerweildauer (10,51 Tage in 1999) halten sich im Rahmen des der Schiedsstelle\neinzuraumenden Prognose- bzw. Beurteilungsspielraums. Der sich hieraus\nergebende (Soll-)Ausnutzungsgrad von 97,5 % (dessen mathematische Richtigkeit\ndie Klager gegenuber der Beigeladenen zu 1 mit Schriftsatz vom 16.01.2002\nausdrucklich bestatigt haben; s. Gerichtsakten S. 63), wurde vom\nRegierungsprasidium in der Begrundung des Genehmigungsbescheids zwar\nausdrucklich als hoch anerkannt. Das Regierungsprasidium hat dazu jedoch\nausgefuhrt, dieser Ausnutzungsgrad sei fur die Beigeladene zu 1 als eine mit\nanderen Krankenhausern zusammenarbeitende Fachklinik nicht „ungewohnlich und\ndaher akzeptabel". Dieser Erwagung liegt nach Auffassung des erkennenden\nGerichts ein Rechtsverstoß nicht zugrunde. \n--- \nc) \n--- \n| 42 \n--- \n| Die Genehmigung der Schiedsstellenfestsetzung war vom Regierungsprasidium\nauch nicht wegen Verstoßes gegen materielles Pflegesatzrecht zu versagen,\nsoweit die Schiedsstelle bei der Pflegesatzfestsetzung die zwischen den\nBeteiligten am 29.06.2000 geschlossene Vereinbarung bezuglich der Abrechnung\nder minimal-invasiven Bypassoperationen ohne Verwendung der Herz-Lungen-\nMaschine unter Einsatz des Octopus-Systems nach dem bundesweiten\nEntgeltkatalog fur Fallpauschalen der Gruppe 9 einbezogen hat. \n--- \n| 43 \n--- \n| Zwar handelt es sich bei dieser Vereinbarung - entgegen der Beurteilung der\nSchiedsstelle in ihrem Beschluss vom 23.05.2002 - nicht um ein Modellvorhaben\nnach § 26 BPflV, da von vornherein nicht erkennbar ist, inwieweit hier die\neinschrankenden tatbestandlichen Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 S. 1 bis 4\nBPflV eingehalten sind. Fur die behordliche Entscheidung uber die Genehmigung\nder Schiedsstellenfestsetzung gem. § 18 Abs. 5 KHG ist jedoch die - hier\nunzutreffende -rechtliche Bezeichnung der Vereinbarung durch die Schiedsstelle\nnicht maßgeblich. Entscheidend ist vielmehr ihre materiell-rechtliche\nVereinbarkeit mit dem Pflegesatzrecht. Das erkennende Gericht kann offen\nlassen, ob es den vorliegenden Klagen bereits am Rechtsschutzbedurfnis\nmangelt, soweit sich die Klager - wie in der mundlichen Verhandlung am\n19.01.2004 klargestellt wurde - lediglich gegen die unzutreffende rechtliche\nEinordnung der Vereinbarung vom 29.06.2000 als Modellvorhaben durch die\nSchiedsstelle wenden, im Übrigen aber diese Vereinbarung in ihrem Bestand fur\nden hier fraglichen Pflegesatzzeitraum 1999 nicht in Frage stellen (s. auch\ndas bereits oben erwahnte Schreiben der Klager vom 16.01.2002 an die\nBeigeladene zu 1, wonach die Vergutung in der vereinbarten Form „bis\neinschließlich 2000 toleriert wird" [S. 4 des Schreibens v. 16.01.2002; s. S.\n69 der Gerichtsakten]; sowie S. 7 des Protokolls zu den Budget- und\nPflegesatzverhandlungen fur die Pflegesatzzeitraume 1999 und 2000 der Klinik\nfur Herzchirurgie Karlsruhe am 21.02.2002 in Karlsruhe [Gerichtsakten S. 83]).\nDenn das erkennende Gericht hat keine durchgreifenden Bedenken, diese\nVereinbarung als mit dem Pflegesatzrecht in Einklang stehende, zulassige\nAuslegungsabrede zu qualifizieren, wie das Regierungsprasidium Karlsruhe im\nangefochtenen Genehmigungsbescheid zutreffend ausgefuhrt hat. Denn die\nVertragsparteien verstoßen mit der fraglichen Vereinbarung weder gegen § 15\nBPflV, wonach die Vertragsparteien auf Bundesebene die Entgeltkataloge fur\nFallpauschalen und Sonderentgelte vereinbaren, noch gegen die Regelung in § 16\nBPflV, die die Vertragsparteien auf Landesebene ermachtigt, landesweit\ngeltende Punktwerte fur den Personalkosten- und den Sachkostenanteil der\nEntgelte zu vereinbaren. Die Beteiligten haben mit der Vereinbarung vom\n29.06.2000 gerade nicht die Vereinbarungskompetenz der Vertragsparteien auf\nBundes- oder Landesebene beeintrachtigt oder gar an sich gezogen, sondern sich\nlediglich daruber verstandigt, dass eine bestimmte, im Einzelnen bezeichnete\nKrankenhausleistung unter eine Leistungsdefinition des Fallpauschalenkatalogs\n(hier: Fallpauschale der Gruppe 9) zu subsumieren ist. Damit bewegen sich die\nBeteiligten innerhalb des den Vertragsparteien einzuraumenden\nHandlungsspielraums bei der Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die eine\nwertende Beurteilung voraussetzen, oder die die kunftige Entwicklung\nbetreffen. Grundprinzipien des Pflegesatzrechts werden damit aber nicht\ngefahrdet (vgl. insoweit Dietz/Bofinger, aaO, § 18 KHG Anm. 6). Als zwischen\nden Vertragsparteien wirksam abgeschlossene Auslegungsvereinbarung hatte die\nSchiedsstelle diesen Sachverhalt bei ihrer Pflegesatzfestsetzung zu\nberucksichtigen. Dem steht auch nicht die Regelung in § 19 Abs. 3 BPflV\nentgegen. Denn diese Vorschrift bezeichnet lediglich im Einzelnen die nicht\nschiedsstellenfahigen Bereiche bei der Vereinbarung des Budgets und der\nPflegesatze (vgl. Tuschen/Quaas, aaO, Erlauterung zu § 19 S. 388), hindert die\nSchiedsstelle aber nicht daran, wirksam getroffene Vereinbarungen zwischen den\nVertragsparteien bei ihrer Festsetzung zu berucksichtigen. \n--- \n| 44 \n--- \n| Zusammenfassend ergibt sich somit, dass das Regierungsprasidium zu Recht\ndie Schiedsstellenfestsetzung genehmigt hat. Im Rahmen der der Landesbehorde\ngem. § 18 Abs. 5 S. 1 KHG nur eingeschrankt eroffneten Rechtskontrolle ergaben\nsich keine Anhaltspunkte dafur, dass die Schiedsstelle den ihr eingeraumten\nBeurteilungsspielraum uberschritten hatte oder dem Sinngehalt der von ihr\nanzuwendenden Rechtsnormen nicht gerecht geworden ware. Auch ist nichts dafur\nerkennbar, dass die Schiedsstelle den Sachverhalt nicht vollstandig ermittelt\noder sich von sachfremden Erwagungen hatte leiten lassen. \n--- \n| 45 \n--- \n| Die Klagen waren daher mit der Kostenfolge gem. § 154 Abs. 1 VwGO\nabzuweisen. Es entspricht der Billigkeit, den Klagern gem. § 162 Abs. 3 VwGO\nauch die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1\naufzuerlegen; denn diese hat einen Sachantrag gestellt und ist damit ein\neigenes Kostenrisiko eingegangen (154 Abs. 3 VwGO). Als notwendigen\nStreitgenossen (vgl. hierzu VGH Baden-Wurttemberg, Urt. v. 19.06.2001 - 9 S\n2208/00 -) konnten den Klagern die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner\nauferlegt werden (§ 159 S.2 VwGO). \n--- \n| 46 \n--- \n| Die Berufung war gem. § 124 a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO\nzuzulassen, da die Frage, ob die zustandige Landesbehorde bei der\nGenehmigungsentscheidung gem. § 18 Abs. 5 S. 1 KHG einen Beurteilungsspielraum\nder Schiedsstelle bei deren Festsetzung des Budgets und der Pflegesatze gem. §\n18 Abs. 4 KHG zu beachten hat, von grundsatzlicher Bedeutung ist. \n---\n\n
136,746
olgkarl-2004-03-29-9-w-2704
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
9 W 27/04
2004-03-29
2019-01-07 12:02:13
2019-02-12 12:38:57
Beschluss
## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| I. Die Klagerin begehrte mit ihrer Klage vom beklagten Insolvenzverwalter\nzur Durchsetzung ihres dinglichen Abbauzinsanspruchs aus einem Erbbauvertrag\nin Verbindung mit §§ 9 Abs. 1 Erbbauverordnung, 1107, 1147 BGB Duldung der\nZwangsvollstreckung aus der Erbbauzinsreallast in das Erbbaurecht der\nSchuldnerin. Der Beklagte anerkannte den Anspruch unter Verwahrung gegen die\nKosten. Im Urteil wurden dem Beklagten die Kosten auferlegt mit der\nBegrundung, die Klagerin habe nicht davon ausgehen konnen, der Beklagte werde\nsich auf entsprechende Aufforderung der Zwangsvollstreckung unterwerfen,\nnachdem er die Zahlung des Erbbauzinses eingestellt hat. Mit der sofortigen\nBeschwerde begehrt der Beklagte, dass die Kosten des Rechtsstreits der\nKlagerin auferlegt werden. Die Nichtzahlung des Erbbauzinses indiziere nicht,\ndass er zur Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung nicht bereit gewesen\nsei, zumal er die Zahlung des Erbbauzinses zu Recht eingestellt habe, weil die\nvorherige Zahlung auf einen Rechtsirrtum beruht habe. Die Klagerin tragt vor,\nsie habe nur im Wege der Klage zu einem Duldungstitel kommen konnen. \n--- \n| 2 \n--- \n| II. Die sofortige Beschwerde ist nach § 99 Abs. 2 Satz 1 ZPO zulassig und\nbegrundet. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Kosten des Verfahrens waren nach § 93 ZPO der Klagerin aufzuerlegen, da\nder Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Anlass gegeben\nhat und den Anspruch sofort anerkannt hat. \n--- \n| 4 \n--- \n| Benotigt der Glaubiger einen Duldungstitel, muss er nach heute\nuberwiegender Ansicht den Schuldner vor Klageerhebung auffordern, sich der\nVollstreckung in notarieller Urkunde zu unterwerfen (Palandt/Bassenge, BGB,\n63. Aufl., § 1147 Rdnr. 3; Soergel/Konzen, BGB, 13. Aufl., § 1147 Rdnr. 7;\nMunchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 1147 Rdnr. 29; Zoller/Herget, ZPO.\n24. Aufl., § 93 Rdnr. 6, Stichwort Duldungsklage; Thomas/Putzo, ZPO, 25.\nAufl., § 93 Rdnr. 6 a; Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 93 Rdnr. 15; OLG Karlsruhe\nOLGZ 1987, 250; OLK Karlsruhe Justiz 1999, 445; OLG Hamm MDR 1999, 956; a.A.:\nStaudinger/Wolfsteiner, BGB (2002), § 47 Rdnr. 17 und OLG Koln NJW 1977, 256).\nEine Klage ist erst dann gerechtfertigt, wenn feststeht, dass die\nkostengunstigere außergerichtliche Moglichkeit (hier: ca. 24.000,00 EUR zu ca.\n2.300,00 EUR) nicht zum Erfolg fuhrt. \n--- \n| 5 \n--- \n| Ausreichende Tatsachen, die bei der Klagerin die Überzeugung hervorrufen\nmussten, nur im Wege der Klage zu einem Duldungstitel kommen zu konnen, liegen\nnicht vor. Die Einstellung der Zahlungen ist hierfur kein ausreichender Grund.\nWenn der Beklagte die Rechtslage inzwischen so beurteilte, dass er als\nInsolvenzverwalter schuldrechtlich nicht zur Zahlung des Erbbauzinses\nverpflichtet war, schloss dies nicht aus, dass er bei Darlegung des dinglichen\nAnspruchs und der dinglichen Haftung nach §§ 1107, 1147 BGB bereit gewesen\nware, sich auf entsprechende Aufforderung in einer Urkunde nach § 794 Abs. 1\nNr. 5 ZPO der Zwangsvollstreckung in das Erbbaurecht zu unterwerfen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Diese Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung ist kein Anspruch auf\nAbgabe einer Willenserklarung im Sinne von § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, sondern die\nWillenserklarung selbst. \n--- \n| 7 \n--- \n| Mahnungen und die Androhung von gerichtlichen Schritten nach\nZahlungseinstellung reichen nicht fur die Annahme aus, die Klagerin werde ohne\nKlage nicht zu ihrem Duldungstitel kommen. Dass der Klagerin moglicherweise\naus Verjahrungsgrunden keine Zeit fur eine außergerichtliche Aufforderung\nblieb, kann die außergerichtliche Aufforderung ebenfalls nicht entbehrlich\nmachen. \n---\n\n
136,790
ag-heilbronn-2005-03-01-5-c-547804
48
Amtsgericht Heilbronn
ag-heilbronn
Heilbronn
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Amtsgericht
5 C 5478/04
2005-03-01
2019-01-07 12:02:38
2019-01-17 11:56:56
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Der Beklagte wird verurteilt, die Wohnung ..., 1. Stock, bestehend aus 3\nZimmern, Kammer, Kuche, Diele, Bad, Toilette, Balkon, Kellerraum sowie Garage\nzu raumen und an die Klagerin herauszugeben.\n\n2\\. Die uber das Teilanerkenntnisurteil vom 15.02.2005 hinausgehende\nWiderklage wird abgewiesen.\n\n3\\. Der Beklagte tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n4\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die\nVollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Hohe 5.000.- Euro abwenden, wenn\nnicht zuvor die Klagerin in gleicher Hohe Sicherheit leistet.\n\nStreitwerte: | \n---|--- \nKlage | 4.800.- Euro (Jahreskaltmiete) \nStufenwiderklage Schlussel: | 50.- Euro \nWiderklage Minderungen: | 400.- Euro \nWiderklage Anwaltsgebuhr: | 236,35 Euro \n \n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin ist Eigentumerin der im Urteilstenor Ziffer 1 naher\nbezeichneten Wohnung. Diese hat der Beklagte gemaß Mietvertrag vom 17.02.2002\n(K 1, Blatt 4) ab 01.03.2002 fur eine Kaltmiete von monatlich 400.- Euro nebst\nNebenkostenvorschuss von monatlich 30.- Euro angemietet. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| § 23 des Mietvertrages enthalt unter anderem folgende handschriftliche\nRegelung: \n--- \n| 3 \n--- \n| "Tierhaltung ist nicht gestattet (Hunde und Katzen)" \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Bei einer Wohnungsbesichtigung am 06.10.2004 stellte die Klagerin fest,\ndass der Beklagten in der Wohnung einen Wickelbaren halt. Mit Anwaltsschreiben\nvom 20.10.2004 (K 2, Blatt 10) wurde der Beklagte, unter Fristsetzung bis\n30.10.2004 zur Entfernung des Tieres aus der Wohnung aufgefordert. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Anwaltschreiben vom 24.11.2004 (K 3, Blatt 12) wurde namens der\nKlagerin die fristlose Kundigung des Mietverhaltnisses erklart, mit der\nBegrundung, der Beklagte habe eindeutig erklart, dass er trotz des\nmietvertraglich vereinbarten Verbots der Tierhaltung nicht bereit sei, seinen\nWickelbaren zu entfernen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Klagerin tragt vor, \n--- \n| 7 \n--- \n| durch die Haltung des Wickelbaren sein die Wohnung vollig verdreckt, die\nTapete an mehreren Stellen zerrissen und im Parkett Urinflecken vorhanden.\nZudem verbreite der Wickelbar einen bestialischen Gestank. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Klagerin hat beantragt, wie im Urteilstenor Ziffer 1 entschieden. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und Widerklage erhoben. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Widerklagend hat er, nachdem ein Teilanerkenntnisurteil erging und Teile\nubereinstimmend fur erledigt erklart wurden, zur streitigen Entscheidung\nbeantragt: \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Es wird festgestellt, dass der Widerbeklagte/Klager (gemeint war erkennbar\nder Beklagte/Widerklager) zur Mietminderung berechtigt sind (richtig: ist) \n--- \n| 12 \n--- \n| a) fur den Zeitraum seit Mai 2004 in Hohe von mindestens 5% des\nBruttomietzinses wegen Einschrankungen in der Nutzung des Kellerraums durch\nden Einbau einer Heizung in diesem Bereich sowie dem Ausschluss von der\nGartennutzung, \n--- \n| 13 \n--- \n| b) fur den November 2004 in Hohe von mindestens 75% des Bruttomietzinses\nwegen vollstandigem Ausfall der Heizung in der gesamten Mietsache. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Klagerin/Widerbeklagte wird verurteilt, an den Beklagten/Widerklager\n236,35 Euro zzgl. Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz\nab Rechtshangigkeit (10.01.2005) zu zahlen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Beklagte/Widerklager tragt vor, \n--- \n| 16 \n--- \n| die Kundigung vom 24.11.2004 sei unwirksam, da kein wichtiger Grund\nsubstantiiert vorgetragen sei. Eine Umdeutung in eine fristgerechte Kundigung\nsei nicht moglich. \n--- \n| 17 \n--- \n| Zudem sei gemaß Mietvertrag lediglich die Haltung von Hund oder Katze\nausgeschlossen und das sei der Wickelbar nicht. Dieser befinde sich in\nKafighaltung und sei damit bestenfalls mit Kafigtieren zu vergleichen, die\nnach der Rechtsprechung zulassig seien. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Es werde bestritten, dass der Wickelbar erhebliche Schaden und\nBeeintrachtigungen in der Wohnung verursache. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Ein Anspruch auf Mietminderung in Hohe von 5 % bestehe, da er durch die\nMontage einer Heizanlage in seinem Kellerraum im April 2004 faktische\nEinschrankungen der Nutzungsmoglichkeit habe und ihm auch die Nutzung des\nGartens entzogen worden sein. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Wegen des Ausfalls der Heizung fur die Mietsache von Ende Oktober 2004 bis\nEnde November 2004 stehe ihm eine Minderung der Bruttomiete von 75 % fur den\nMonat November 2004 zu, da die Handwerker mangels eines Auftrags der Klagerin\nnicht hatten tatig werden konnen. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Da die Kundigung unberechtigt erfolgt sei, habe die Klagerin auch die nicht\nanrechenbaren außergerichtlichen Kosten des Beklagtenvertreters aus der Abwehr\ndes Anspruchs in Hohe von 236,35 Euro zu erstatten. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Klagerin/Widerbeklagte hat Abweisung der Widerklage beantragt. \n--- \n| 23 \n--- \n| Zur Begrundung tragt sie vor, der Beklagte sei im Gebrauch der Mietsache\nnicht eingeschrankt. Der im Keller neu eingebaute Brenner sei 38 cm tief, 48\ncm breit und 90 cm hoch. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Heizung sei nicht fur einen langeren Zeitraum ausgefallen. Die\nRaumtemperatur in der Wohnung habe sich immer auf 20 Grad einstellen lassen. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Da die Kundigung berechtigt erfolgt sei, seien auch die außergerichtlichen\nKosten des Beklagtenvertreters nicht zu erstatten. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die in der Akte befindlichen\nSchriftsatze verwiesen. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Wickelbar wurde in der mundlichen Verhandlung am 15.02.2005 in\nAugenschein genommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 28 \n--- \n| Die fristlose Kundigung ist berechtigt. \n--- \n| 29 \n--- \n| Gemaß der (nicht formularmaßigen) vertraglichen Vereinbarung der Parteien im\nMietvertrag ist Tierhaltung (Hunde - Katzen) nicht gestattet. Die Nennung der\nbeiden haufigsten Haustierarten, die nicht mehr zu den Kleintieren zahlen\n(mietrechtliche Definition der Kleintiere siehe Schmidt-Futterer, Mietrecht,\n8. Auflage, § 541 BGB Rn. 54), bedeutet damit nicht eine Beschrankung auf\ndiese Tierarten, sondern lediglich eine beispielhafte Umschreibung. Durch den\nAugenschein ist zur Überzeugung des Gerichts bewiesen, dass der Wickelbar\naufgrund seiner Große und lebhaften Art als Katze oder Hund im Sinne des\nMietrechts anzusehen ist. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Gemaß einem bebilderten Artikel in der Zeitschrift National Geographic\nDeutschland (Oktober 2003 S. 74 - 85) sind Wickelbaren ungefahr katzengroß. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Das Tierlexikon VOX (Internet Suchbegriff Wickelbar) enthalt folgende\nEintragung: \n--- \n| 32 \n--- \n| **Wickelb ar (Potos flavus)** \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| \\- Der Wickelbar gehort zur **Familie der Kleinb aren.** \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| \\- Der **Lebensraum** des Wickelbaren erstreckt sich uber Mittelamerika bis\nin die Nordhalfte Sudamerikas. Dort lebt er in den Wipfeln der tropischen\nWalder bis zu einer Hohe von 2.500 Metern uber dem Meeresspiegel. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| \\- Wickelbaren erreichen eine **K orperlange** von bis zu 110 cm bei einem\nGewicht von bis zu 4,5 kg. Der Rumpf ist lang, die Beine sind kurz und\nstammig. Der Kopf ist rund und lauft zur Schnauze hin dreieckig zu. Die Ohren\nsind klein, rundlich und behaart und sitzen weit auseinander, die Augen sind\ngroß, rund und braun. Die Zehen sind bis zu einem Drittel mit Hautchen\nverbunden, die Krallen stark gekrummt und scharf. Der kraftige runde\n**Wickelschwanz** nimmt die Halfte der Korperlange ein und ist bis zur Spitze\ngleichmaßig dick. Er fungiert als 5. Hand und eignet sich gut zum Klettern und\nFesthalten. Das Weibchen hat nur zwei Zitzen. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| \\- Das **Fell** ist sehr dicht, kurz und matt glanzend. Die Farbe variiert\nin verschiedenen Brauntonen, wobei der Rucken und die Außenseiten der Beine\ndunkler als der Bauch sind. Auf dem Rucken zeichnet sich ein Aalstrich ab. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| \\- Unterhalb des Mundwinkels, an der Kehle und in der Region des Nabels\nsitzen **Duftdr usen** , die der Wickelbar zur Markierung sowie zur Forderung\ndes Zusammenhalts innerhalb der Gemeinschaft benutzt. Die Drusenabsonderungen\nan Kehle und Maul des Weibchens wirken bei der Paarung anregend auf das\nMannchen. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| \\- Wickelbaren sind **nachtaktiv** und leben in **kleinen Gruppen** ohne\nstrenge Rangordnung. Das Sozialverhalten ist jedoch wenig ausgepragt. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| \\- Auf dem **Speisenplan** stehen hauptsachlich Fruchte wie Feigen, Mangos,\nAvocados und Guaven. Aber auch Nusse und Hulsenfruchte sowie Honig und\nVogeleier werden gerne genommen. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| \\- Die **Paarungszeit** ist nicht an eine bestimmte Jahreszeit gebunden.\nNach einer Tragzeit von bis zu 118 Tagen bringt das Weibchen ein bis zwei\nblinde und taube Junge zur Welt. Ihr Fell ist silbergrau mit dunklen Spitzen.\nIm Alter von 2 bis 3 Monaten erreicht der Schwanz seine volle Greifstarke, mit\neinem Jahr haben die Jungtiere ihr Babyfell abgelegt. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| \\- Wickelbaren werden sowohl in **Zoos** als auch von **Privatpersonen**\ngehalten. Dabei fallt vor allem ihr friedliches Wesen auf, wodurch die Tiere\nschnell sehr **zahm** werden. In ihrer Heimat werden Wickelbaren zum Teil wie\nKatzen gehalten und von vielen Indianerstammen auch gegessen. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Das Tierlexikon Oli\'s Wilde Welt vermeldet: \n--- \n| 43 \n--- \n| \n--- \n| **§ 1 Wickelbar** \nPotus flavus \nMit ihrer Schnauze und dem langen Schwanz sehen Wickelbaren auf den ersten\nBlick uberhaupt nicht wie Baren aus. Da sie gerne Honig mogen, werden sie auch\nHonigbaren genannt. \n--- \n| | **Aussehen** \nWickelbaren sehen ein bisschen so aus, als hatte man sie aus verschiedenen\nanderen Tieren zusammengebastelt: Mit ihrem Kopf und dem langen Wickelschwanz\nerinnern sie eher an Halbaffen oder an marderahnliche Tiere als an die Familie\nder Kleinbaren, zu der sie gehoren. \nIhr Korper ist 43 bis 56 Zentimeter lang, und noch mal so lang ist der runde,\nbehaarte Schwanz, den sie um Äste wickeln, um sich festzuhalten. Wickelbaren\nwiegen zwischen zwei und funf Kilogramm. Kopf und Ohren sind rund, die etwas\nvorstehende Schnauze ist stumpf und die Augen sind ziemlich groß und stehen\nleicht vor. \nIm Vergleich zu dem ziemlich langen Korper sind Vorder- und Hinterbeine\nrelativ kurz, die Krallen an den Vorder- und Hinterfußen sind stark gekrummt\nund ziemlich scharf. Wickelbaren haben ein dichtes, weiches, kurzes Fell. Es\nist am Rucken olivbraun, gelblich- bis rotlichbraun oder lehmfarben gefarbt\nund schimmert manchmal bronzefarben. \nAuf der Mitte des Ruckens verlauft bei manchen Tieren ein dunkler Streifen. Am\nBauch ist das Fell heller, manchmal sogar fast goldgelb. \n**Heimat** \nWickelbaren sind in Mittel- und Sudamerika von Sudmexiko bis Sudbrasilien zu\nHause. Dort kommen sie von der Kuste bis in Hohen von 2500 Meter vor. \n**Lebensraum** \nWickelbaren findet man nur in den tropischen Regenwaldern Mittel- und\nSudamerikas. \n**Rassen und Arten** \nIn den verschiedenen Gebieten Mittel- und Sudamerikas gibt es 14 verschiedene\nUnterarten des Wickelbaren, die sich vor allem in Fellfarbe und Große\nvoneinander unterscheiden. Wickelbaren sind nahe mit anderen Kleinbaren wie\netwa den Nasenbaren oder den nordamerikanischen Waschbaren verwandt. \n**Lebenserwartung** \nWickelbaren konnen bis zu 23 Jahre alt werden. Im Zoo sollen Tiere auch schon\nein Alter von 30 oder sogar 39 Jahren erreicht haben. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Der Wickelbar hat, im Vergleich zu dem vorgelegten Lichtbild (B2 Bl. 28) die\nzoologische Wachstumserwartung bislang voll erfullt, wie der Augenschein\nbestatigt hat. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Die vertragswidrige Haltung eines Tieres dieser Große kann zur fristlosen\nKundigung berechtigen (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. Auflage, § 535 BGB Rn.\n471 - unter Hinweis auf eine Entscheidung des AG Waldshut-Tiengen). \n--- \n| 46 \n--- \n| Auf eine Beeintrachtigung der Mietsache durch den Wickelbaren kommt es damit\nnicht an, da bereits seine Haltung, unabhangig von Beeintrachtigungen der\nMietsache vertragswidrig ist und damit einen wichtigen Grund fur eine\nfristlose Kundigung darstellt. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Die Widerklage ist, uber den anerkannten Teil hinaus, nicht begrundet. \n--- \n| 48 \n--- \n| Der Einbau der Heizung in den Kellerraum stellt bei den unstreitigen Maßen\ndieser Heizung noch keine eine an sich zur Minderung berechtigende\nBeeintrachtigung dar. Ein uber den geringfugigen Raumverlust hinausgehende\nBeeintrachtigung ist vom Beklagten nicht dargelegt. \n--- \n| 49 \n--- \n| Die Gartennutzungsberechtigung des Beklagten ergibt sich nicht aus dem\nMietvertrag, sondern lediglich seine Verpflichtung zur Gartenpflege. Damit\nwird die Gartennutzung als freiwillige Gegenleistung fur die Gartenpflege\nangesehen. Nachdem gemaß dem Vortrag des Beklagten dieser von der\nVerpflichtung zur Gartenpflege entbunden ist, konnte auch die freiwillige\nGestattung der Gartennutzung widerrufen werden, ohne dass dies zu einer\nMinderung berechtigt. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Der vom Beklagten behauptete Ausfall der Heizung im Oktober 2004 hat sich in\nder mundlichen Verhandlung als haltlos erwiesen. Es waren lediglich bei zwei\nvon insgesamt 6 Heizkorpern der Wohnung die Ventile nicht funktionsfahig.\nDieses gangige Heizungsproblem kann vermieden werden, wenn die Ventile auch\naußerhalb der Heizperiode gelegentlich betatigt werden. Im Übrigen war zur\nÜberzeugung des Gerichts die Wohnung aufgrund der funktionierenden Heizkorper\nbis zur Reparatur hinreichend beheizbar. Soweit die Beeintrachtigung den an\nTropentemperaturen gewohnten Wickelbaren betraf, begrundet dies keine\nMinderung, da dieser quasi "illegal" in der Wohnung hauste. Anspruch auf einen\nhoher temperierbaren Wickelbarraum besteht nicht. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Ebenso besteht kein Anspruch aus dem neu geschaffenen "perpetuum mobile" des\nanwaltlichen Gebuhrenrechts, da die Kosten der unberechtigten Abwehr der\nKundigung der Beklagte selbst zu tragen hat. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Die Gebuhren fur den\nanerkannten Teil der Widerklage fallen angesichts des geringen Streitwerts von\n50.- Euro nicht ins Gewicht. \n--- \n| 53 \n--- \n| Der Ausspruch uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit erfolgt gemaß §§ 708 Nr.\n7, 711 ZPO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 28 \n--- \n| Die fristlose Kundigung ist berechtigt. \n--- \n| 29 \n--- \n| Gemaß der (nicht formularmaßigen) vertraglichen Vereinbarung der Parteien im\nMietvertrag ist Tierhaltung (Hunde - Katzen) nicht gestattet. Die Nennung der\nbeiden haufigsten Haustierarten, die nicht mehr zu den Kleintieren zahlen\n(mietrechtliche Definition der Kleintiere siehe Schmidt-Futterer, Mietrecht,\n8. Auflage, § 541 BGB Rn. 54), bedeutet damit nicht eine Beschrankung auf\ndiese Tierarten, sondern lediglich eine beispielhafte Umschreibung. Durch den\nAugenschein ist zur Überzeugung des Gerichts bewiesen, dass der Wickelbar\naufgrund seiner Große und lebhaften Art als Katze oder Hund im Sinne des\nMietrechts anzusehen ist. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Gemaß einem bebilderten Artikel in der Zeitschrift National Geographic\nDeutschland (Oktober 2003 S. 74 - 85) sind Wickelbaren ungefahr katzengroß. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Das Tierlexikon VOX (Internet Suchbegriff Wickelbar) enthalt folgende\nEintragung: \n--- \n| 32 \n--- \n| **Wickelb ar (Potos flavus)** \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| \\- Der Wickelbar gehort zur **Familie der Kleinb aren.** \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| \\- Der **Lebensraum** des Wickelbaren erstreckt sich uber Mittelamerika bis\nin die Nordhalfte Sudamerikas. Dort lebt er in den Wipfeln der tropischen\nWalder bis zu einer Hohe von 2.500 Metern uber dem Meeresspiegel. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| \\- Wickelbaren erreichen eine **K orperlange** von bis zu 110 cm bei einem\nGewicht von bis zu 4,5 kg. Der Rumpf ist lang, die Beine sind kurz und\nstammig. Der Kopf ist rund und lauft zur Schnauze hin dreieckig zu. Die Ohren\nsind klein, rundlich und behaart und sitzen weit auseinander, die Augen sind\ngroß, rund und braun. Die Zehen sind bis zu einem Drittel mit Hautchen\nverbunden, die Krallen stark gekrummt und scharf. Der kraftige runde\n**Wickelschwanz** nimmt die Halfte der Korperlange ein und ist bis zur Spitze\ngleichmaßig dick. Er fungiert als 5. Hand und eignet sich gut zum Klettern und\nFesthalten. Das Weibchen hat nur zwei Zitzen. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| \\- Das **Fell** ist sehr dicht, kurz und matt glanzend. Die Farbe variiert\nin verschiedenen Brauntonen, wobei der Rucken und die Außenseiten der Beine\ndunkler als der Bauch sind. Auf dem Rucken zeichnet sich ein Aalstrich ab. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| \\- Unterhalb des Mundwinkels, an der Kehle und in der Region des Nabels\nsitzen **Duftdr usen** , die der Wickelbar zur Markierung sowie zur Forderung\ndes Zusammenhalts innerhalb der Gemeinschaft benutzt. Die Drusenabsonderungen\nan Kehle und Maul des Weibchens wirken bei der Paarung anregend auf das\nMannchen. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| \\- Wickelbaren sind **nachtaktiv** und leben in **kleinen Gruppen** ohne\nstrenge Rangordnung. Das Sozialverhalten ist jedoch wenig ausgepragt. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| \\- Auf dem **Speisenplan** stehen hauptsachlich Fruchte wie Feigen, Mangos,\nAvocados und Guaven. Aber auch Nusse und Hulsenfruchte sowie Honig und\nVogeleier werden gerne genommen. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| \\- Die **Paarungszeit** ist nicht an eine bestimmte Jahreszeit gebunden.\nNach einer Tragzeit von bis zu 118 Tagen bringt das Weibchen ein bis zwei\nblinde und taube Junge zur Welt. Ihr Fell ist silbergrau mit dunklen Spitzen.\nIm Alter von 2 bis 3 Monaten erreicht der Schwanz seine volle Greifstarke, mit\neinem Jahr haben die Jungtiere ihr Babyfell abgelegt. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| \\- Wickelbaren werden sowohl in **Zoos** als auch von **Privatpersonen**\ngehalten. Dabei fallt vor allem ihr friedliches Wesen auf, wodurch die Tiere\nschnell sehr **zahm** werden. In ihrer Heimat werden Wickelbaren zum Teil wie\nKatzen gehalten und von vielen Indianerstammen auch gegessen. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Das Tierlexikon Oli\'s Wilde Welt vermeldet: \n--- \n| 43 \n--- \n| \n--- \n| **§ 1 Wickelbar** \nPotus flavus \nMit ihrer Schnauze und dem langen Schwanz sehen Wickelbaren auf den ersten\nBlick uberhaupt nicht wie Baren aus. Da sie gerne Honig mogen, werden sie auch\nHonigbaren genannt. \n--- \n| | **Aussehen** \nWickelbaren sehen ein bisschen so aus, als hatte man sie aus verschiedenen\nanderen Tieren zusammengebastelt: Mit ihrem Kopf und dem langen Wickelschwanz\nerinnern sie eher an Halbaffen oder an marderahnliche Tiere als an die Familie\nder Kleinbaren, zu der sie gehoren. \nIhr Korper ist 43 bis 56 Zentimeter lang, und noch mal so lang ist der runde,\nbehaarte Schwanz, den sie um Äste wickeln, um sich festzuhalten. Wickelbaren\nwiegen zwischen zwei und funf Kilogramm. Kopf und Ohren sind rund, die etwas\nvorstehende Schnauze ist stumpf und die Augen sind ziemlich groß und stehen\nleicht vor. \nIm Vergleich zu dem ziemlich langen Korper sind Vorder- und Hinterbeine\nrelativ kurz, die Krallen an den Vorder- und Hinterfußen sind stark gekrummt\nund ziemlich scharf. Wickelbaren haben ein dichtes, weiches, kurzes Fell. Es\nist am Rucken olivbraun, gelblich- bis rotlichbraun oder lehmfarben gefarbt\nund schimmert manchmal bronzefarben. \nAuf der Mitte des Ruckens verlauft bei manchen Tieren ein dunkler Streifen. Am\nBauch ist das Fell heller, manchmal sogar fast goldgelb. \n**Heimat** \nWickelbaren sind in Mittel- und Sudamerika von Sudmexiko bis Sudbrasilien zu\nHause. Dort kommen sie von der Kuste bis in Hohen von 2500 Meter vor. \n**Lebensraum** \nWickelbaren findet man nur in den tropischen Regenwaldern Mittel- und\nSudamerikas. \n**Rassen und Arten** \nIn den verschiedenen Gebieten Mittel- und Sudamerikas gibt es 14 verschiedene\nUnterarten des Wickelbaren, die sich vor allem in Fellfarbe und Große\nvoneinander unterscheiden. Wickelbaren sind nahe mit anderen Kleinbaren wie\netwa den Nasenbaren oder den nordamerikanischen Waschbaren verwandt. \n**Lebenserwartung** \nWickelbaren konnen bis zu 23 Jahre alt werden. Im Zoo sollen Tiere auch schon\nein Alter von 30 oder sogar 39 Jahren erreicht haben. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Der Wickelbar hat, im Vergleich zu dem vorgelegten Lichtbild (B2 Bl. 28) die\nzoologische Wachstumserwartung bislang voll erfullt, wie der Augenschein\nbestatigt hat. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Die vertragswidrige Haltung eines Tieres dieser Große kann zur fristlosen\nKundigung berechtigen (Schmidt-Futterer, Mietrecht, 8. Auflage, § 535 BGB Rn.\n471 - unter Hinweis auf eine Entscheidung des AG Waldshut-Tiengen). \n--- \n| 46 \n--- \n| Auf eine Beeintrachtigung der Mietsache durch den Wickelbaren kommt es damit\nnicht an, da bereits seine Haltung, unabhangig von Beeintrachtigungen der\nMietsache vertragswidrig ist und damit einen wichtigen Grund fur eine\nfristlose Kundigung darstellt. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Die Widerklage ist, uber den anerkannten Teil hinaus, nicht begrundet. \n--- \n| 48 \n--- \n| Der Einbau der Heizung in den Kellerraum stellt bei den unstreitigen Maßen\ndieser Heizung noch keine eine an sich zur Minderung berechtigende\nBeeintrachtigung dar. Ein uber den geringfugigen Raumverlust hinausgehende\nBeeintrachtigung ist vom Beklagten nicht dargelegt. \n--- \n| 49 \n--- \n| Die Gartennutzungsberechtigung des Beklagten ergibt sich nicht aus dem\nMietvertrag, sondern lediglich seine Verpflichtung zur Gartenpflege. Damit\nwird die Gartennutzung als freiwillige Gegenleistung fur die Gartenpflege\nangesehen. Nachdem gemaß dem Vortrag des Beklagten dieser von der\nVerpflichtung zur Gartenpflege entbunden ist, konnte auch die freiwillige\nGestattung der Gartennutzung widerrufen werden, ohne dass dies zu einer\nMinderung berechtigt. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Der vom Beklagten behauptete Ausfall der Heizung im Oktober 2004 hat sich in\nder mundlichen Verhandlung als haltlos erwiesen. Es waren lediglich bei zwei\nvon insgesamt 6 Heizkorpern der Wohnung die Ventile nicht funktionsfahig.\nDieses gangige Heizungsproblem kann vermieden werden, wenn die Ventile auch\naußerhalb der Heizperiode gelegentlich betatigt werden. Im Übrigen war zur\nÜberzeugung des Gerichts die Wohnung aufgrund der funktionierenden Heizkorper\nbis zur Reparatur hinreichend beheizbar. Soweit die Beeintrachtigung den an\nTropentemperaturen gewohnten Wickelbaren betraf, begrundet dies keine\nMinderung, da dieser quasi "illegal" in der Wohnung hauste. Anspruch auf einen\nhoher temperierbaren Wickelbarraum besteht nicht. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Ebenso besteht kein Anspruch aus dem neu geschaffenen "perpetuum mobile" des\nanwaltlichen Gebuhrenrechts, da die Kosten der unberechtigten Abwehr der\nKundigung der Beklagte selbst zu tragen hat. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Die Gebuhren fur den\nanerkannten Teil der Widerklage fallen angesichts des geringen Streitwerts von\n50.- Euro nicht ins Gewicht. \n--- \n| 53 \n--- \n| Der Ausspruch uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit erfolgt gemaß §§ 708 Nr.\n7, 711 ZPO. \n---\n\n
137,051
olgstut-2007-04-13-4-ws-11907-4-ws-11
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
4 Ws 119/07; 4 Ws 119/2007
2007-04-13
2019-01-07 12:05:20
2019-02-12 12:39:13
Beschluss
## Tenor\n\nDie Sache wird an das Landgericht Tubingen **z u r u c k g e g e b e n .**\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \nI. \n--- \n| 1 \n--- \n| Das Landgericht verurteilte A. F. am 04. Dezember 2002 wegen gefahrlicher\nKorperverletzung zum Nachteil des Nebenklagers A. K. zu der Freiheitsstrafe\nvon sechs Jahren. Vor Beginn der Hauptverhandlung beantragte dieser im Wege\ndes Adhasionsverfahrens die Zuerkennung eines Schmerzensgeldes sowie die\nGewahrung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T.. Im\nHauptverhandlungstermin vom 29. November 2002 bewilligte die Strafkammer dem\nAntragsteller fur das Adhasionsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung\nvon Rechtsanwalt T., wobei sie ihm eine Ratenzahlungsverpflichtung in Hohe von\nmonatlich 15,00 EUR auferlegte. Im Anschluss hieran wurde eine vergleichsweise\nRegelung des Schmerzensgeldanspruches getroffen. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit Bescheid der Landesoberkasse Baden-Wurttemberg vom 26. Juni 2003 wurde\nder Antragsteller aufgefordert, ab dem 15. August 2003 die monatlichen\nRatenzahlungen in Hohe von 15,00 EUR aufzunehmen. Bislang hat er - mehrfach\ngemahnt und unterbrochen durch mehrere Stundungen - auf die\nRatenzahlungsverpflichtung insgesamt 270,00 EUR bezahlt. Durch Bescheid vom\n09. Marz 2006 wurde letztmals eine Stundung der aufgelaufenen Ruckstande und\nder laufenden Raten bis 15. April 2006 verfugt. Gleichwohl gingen danach keine\nweiteren Zahlungen ein. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Beschluss vom 27. November 2006 hob das Landgericht - Rechtpflegerin -\ndie dem Antragsteller bewilligte Prozesskostenhilfe gemaß § 124 Nr. 4 ZPO auf,\nda er langer als drei Monate mit der Zahlung der Monatsraten in Ruckstand\ngeraten war. Gegen diesen, am 29. November 2006 zugestellten, Beschluss hat\nder Adhasionsklager mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2006, beim Landgericht am\nfolgenden Tag eingegangen, „Rechtsmittel" eingelegt, welches er nicht\nbegrundete. \n--- \n--- \nII. \n--- \n| 4 \n--- \n| 1\\. Das Rechtmittel, das die Strafkammer gemaß § 127 ZPO als sofortige\nBeschwerde gewertet hat, ist nicht zulassig. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Zwar verweist § 404 Abs. 5 Satz 1 StPO sowohl hinsichtlich der\nVoraussetzungen der Prozesskostenbewilligung als auch fur das hierfur\nvorgesehene Verfahren auf die zivilprozessualen Vorschriften wie in\nburgerlichen Rechtsstreitigkeiten. Hiervon nicht erfasst sind jedoch die\nBestimmungen des § 127 Abs. 2, 3 ZPO uber Rechtsmittel. Denn insoweit enthalt\n§ 404 Abs. 5 Satz 3 2. HS StPO fur das Strafverfahren eine abschließende\nSonderregelung, nach welcher die in Prozesskostenhilfesachen ergehenden\nEntscheidungen nicht anfechtbar sind (OLG Dusseldorf JurBuro 1990, 908). Diese\nRegelung gilt sowohl hinsichtlich einer Rechtsmittelbefugnis der Staatskasse\n(OLG Dusseldorf a.a.O., OLG Koblenz, Beschluss vom 27. Dezember 1990 - 1 Ws\n600/90 - zitiert nach juris) wie auch hinsichtlich des vorliegenden\nRechtsmittels des Antragstellers. Aus dem systematischen Zusammenhang zwischen\n§ 404 Abs. 5 Satz 3 2. HS StPO und § 406 a Abs. 1 StPO wird namlich die\ngesetzgeberische Grundentscheidung deutlich, die Rechtsmittelbefugnisse in\nAdhasionssachen zu begrenzen, um das Strafverfahren nicht durch\nBeschwerdeverfahren uber die Prozesskostenhilfe zu belasten und zu verzogern\n(BT-Drucksache 10/5305, S.16). Der Senat verkennt nicht, dass vorliegend eine\nVerzogerung des Strafverfahrens aufgrund des mittlerweile rechtskraftigen\nAbschlusses nicht eintreten kann, jedoch sind auch fur Falle der vorliegenden\nArt Verfahrensgestaltungen moglich, bei denen eine Belastung des\nStrafverfahrens eintreten kann. Daher erfasst die Rechtsmittelbeschrankung des\n§ 404 Abs. 5 Satz 3 2. HS als lex specialis zu § 127 ZPO alle Entscheidungen\nin Prozesskostenhilfesachen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| 2\\. Dies fuhrt jedoch nicht dazu, dass dem Antragsteller gegen den\nBeschluss des Landgerichts Tubingen vom 27. November 2006 kein Rechtsbehelf\nzustunde. Gemaß § 404 Abs. 5 Satz 1 StPO i.V.m. §§ 114 ff ZPO, 20 Nr. 4 c\nRPflG fallt die vorliegende Entscheidung in die Kompetenz des Rechtspflegers\n(so auch BT-Drucksache a.a.O.). Da gegen dessen Entscheidung - wie vorstehend\n(1) ausgefuhrt - nach § 404 Abs. 5 Satz 3 2. HS das allgemeine Rechtsmittel\nder sofortigen Beschwerde nicht gegeben ist, findet binnen der fur die\nsofortige Beschwerde geltenden Frist die Erinnerung nach § 11 Abs. 2 RPflG\nstatt. Als ein solcher Rechtsbehelf ist das eingelegte Rechtsmittel\nauszulegen. Zur Entscheidung hieruber ist die Sache an die Strafkammer\nzuruckzugeben. \n---\n\n
137,054
olgkarl-2007-04-16-13-w-9806-lw
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
13 W 98/06 Lw
2007-04-16
2019-01-07 12:05:22
2019-02-12 12:39:13
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Die sofortige Beschwerde des Beteiligten F. gegen den Beschluss des\nAmtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Waldshut-Tiengen vom 13.10.2006 - 4 Lw\n5/05 - wird zuruckgewiesen.\n\n2\\. Der Beteiligte F. hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu\ntragen.\n\n3\\. Der Streitwert wird fur das Beschwerdeverfahren auf **EUR 410,00**\nfestgesetzt.\n\n4\\. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten Rolf S. (Gebruder) und Hermann F. schlossen am 05.09.2005\neinen Landpachtvertrag uber Ackerland auf der Gemarkung Schwaningen mit einer\nFlache von 2,05 ha. Der jahrliche Pachtzins wurde mit 410,00 EUR vereinbart.\nDer Pachtvertrag sollte am 01.11.2005 beginnen und war auf die Dauer von einem\nJahr abgeschlossen. Eine automatische Verlangerungsklausel um jeweils ein Jahr\nwurde vereinbart. Der Pachter F. ist Schweizer Landwirt und hat seinen\nBetriebssitz in der Schweiz. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Pachtvertrag wurde dem Landratsamt Waldshut-Tiengen -\nLandwirtschaftsamt - am 06.09.2005 vorgelegt, das am 09.09.2005\nZwischenbescheid erließ, zugestellt an den Verpachter am 10.09.2005 und an den\nPachter am 12.09.2005. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Bescheid vom 25.10.2005, den Pachtparteien zugestellt am 03.11.2005,\nbeanstandete das Landwirtschaftsamt den Pachtvertrag und forderte die\nVertragsbeteiligten auf, den Pachtvertrag unverzuglich aufzuheben. In der\nBegrundung wurde darauf hingewiesen, dass der Pachter F. als Schweizer\nLandwirt nicht einem deutschen Landwirt gleichzustellen sei. Die Verpachtung\nan ihn stelle eine ungesunde Verteilung von Grund und Boden dar, da zwei\ndeutsche Vollerwerbslandwirte zur Anpachtung des Grundstucks zu ortsublichen\nPreisen bereit seien. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Gegen diesen Bescheid, der eine Frist fur den Antrag auf gerichtliche\nEntscheidung nach § 7 Abs. 3 Landpachtverkehrsgesetz (LPachtVG) bis 02.12.2005\nbestimmt hatte, hat der Pachter Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt,\nder beim beim Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Waldshut-Tiengen am\n01.12.2005 einging. Zur Begrundung hat er ausgefuhrt, er sei entsprechend den\nbilateralen Vertragen zwischen der Europaischen Gemeinschaft und der Schweiz\neinem deutschen Landwirt gleichzustellen. Eine Beanstandung aufgrund einer\netwaigen ungesunden Verteilung von Grund und Boden sei danach nicht mehr\nmoglich. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Außerdem hat er fursorglich bestritten, dass die Anpachtung der\nstreitgegenstandlichen landwirtschaftlichen Nutzflache in Deutschland eine\nVerbesserung der Agrarstruktur fur deutsche Betriebe behindere. Eine ungesunde\nVerteilung von Grund und Boden liege nicht vor. Außerdem hat der Antragsteller\nbestritten, dass die benannten Haupterwerbslandwirte an den Pachtgrundstuck\ninteressiert seien und dass sie bereit seien, den vereinbarten Pachtpreis zu\nzahlen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Das Landwirtschaftsamt ist dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung\nentgegengetreten. Wegen der Einzelheiten wird auf die im\nlandwirtschaftsgerichtlichen Verfahren gewechselten Schriftsatze Bezug\ngenommen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Das Landwirtschaftsgericht hat uber die Sache am 19.07.2006 mundlich\nverhandelt und die Zeugen Z. und K. vernommen. (AS 79 f). \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit Beschluss vom 04. August 2006 hat das Landwirtschaftsgericht den\nPachtvertrag vom 05.09.2005 gemaß § 8 LPachtVG aufgehoben und zur Begrundung\nausgefuhrt, der Pachtvertrag sei zu Recht beanstandet worden. Eine\nBeanstandung konne erfolgen, wenn die Verpachtung eine ungesunde Verteilung\nder Bodennutzung bedeute. Gemaß § 4 Abs. 2 LPachtVG liege eine ungesunde\nVerteilung der Bodennutzung in der Regel vor, wenn die Verpachtung Maßnahmen\nzur Verbesserung der Agrarstruktur widerspreche, wobei nach standiger\nRechtsprechung auf Maßnahmen zur Verbesserung der deutschen Agrarstruktur\nabzustellen sei (siehe BGH MDR 1987, 844 = BGHZ 101, 95). Der Beteiligte F.\nsei Schweizer Landwirt und habe keinen Betriebssitz im Gebiet der\nBundesrepublik Deutschland, wahrend die als Zeugen vernommenen Landwirte Z.\nund K. nachvollziehbar dargelegt hatten, dass sie aus betriebswirtschaftlichen\nGrunden ein anerkennenswertes Interesse an einer Anpachtung der\nGrundstucksflache hatten und auch bereit seien, einen ortsublichen Pachtzins\nzu bezahlen. Dies wurde im einzelnen naher ausgefuhrt. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Nach Auffassung des Landwirtschaftsgerichts ist der Pachter F. als\nSchweizer Landwirt mit Betriebssitz in der Schweiz auch nach Inkrafttreten der\nbilateralen Vertrage nicht einem deutschen Landwirt gleichzustellen. Insoweit\nwerde zur weiteren Begrundung auf einen Beschluss des Amtsgerichts Singen vom\n05.02.2006 im Verfahren 8 Lw 1/05 verwiesen (AS. 67). Der Beteiligte F. sei\nselbstandiger Grenzganger mit Wohnsitz in der Schweiz. Fur ihn gelte keine\nGleichbehandlung mit einem Selbstandigen auf dem Gebiet der Europaischen\nUnion. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Dagegen wendet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers bzw.\nPachters. Er rugt, das Landwirtschaftsgericht habe nicht dazu Stellung\nbezogen, ob das Landpachtverkehrsgesetz aufgrund der bilateralen Vertrage mit\nder Schweiz uberhaupt Anwendung finden konne; es verweise lediglich pauschal\nauf eine Entscheidung des Amtsgerichts Singen. Insbesondere habe sich das\nerstinstanzliche Gericht weder mit der Frage befasst, ob Schweizer Landwirte\nGrenzganger im Sinne der bilateralen Vertrage seien und inwieweit diese auf\nGrenzganger anzuwenden seien, noch habe es diese Rechtsfragen, die ganz\noffensichtlich entscheidungserheblich seien, dem EuGH zur Prufung vorgelegt.\nDer Beschluss sei daher rechtswidrig und aufzuheben. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Beschwerdefuhrer regt an, das Verfahren auszusetzen und dem\neuropaischen Gerichtshof gemaß Art. 234 Abs. 2 EG bezuglich der Anwendung des\nFreizugigkeitsabkommens im Rahmen der bilateralen Vertrage zwischen der\nEuropaischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der\nSchweizerischen Eidgenossenschaft andererseits zur Vorabentscheidung\nvorzulegen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Beschwerdefuhrer weist darauf hin, dass nach Inkrafttreten des oben\ngenannten Abkommens am 01.06.2002 allgemein davon ausgegangen worden sei, dass\ndie Veraußerung und Verpachtung landwirtschaftlicher Flachen auf deutschem\nHoheitsgebiet an hauptberufliche Landwirte aus der Schweiz nicht mehr eine\nungesunde Verteilung von Grund und Boden bzw. der Bodennutzung darstelle und\ndeshalb eine Beanstandung von Kauf- bzw. Pachtvertragen nach damals\neinhelliger Auffassung nach den gleichen Maßstaben wie bei Inlandern moglich\nsei. Begrundet worden sei dies damit, dass ein Schweizer hauptberuflicher\nLandwirt, der von seiner in der Schweiz gelegenen Hofstelle aus neben seinen\nin der Schweiz gelegenen Wirtschaftsflachen auch landwirtschaftliche\nGrundstucke auf deutschem Hoheitsgebiet bewirtschafte, einem selbstandigen\nGrenzganger im Sinne des Art. 13 des Anhangs I des Abkommens gleichstehe.\nFolge davon sei, dass er nach Art. 15 des Anhangs I Anspruch darauf habe, dass\nihm hinsichtlich des Zugangs zu einer selbstandigen Erwerbstatigkeit und deren\nAusubung im EU-Mitgliedsstaat Deutschland eine Behandlung gewahrt werde, die\nnicht weniger gunstig sei als die, die der Mitgliedsstaat Deutschland seinen\neigenen Staatsangehorigen gewahre. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Eine Diskriminierung liege aber unzweifelhaft vor, wenn Schweizer\nhauptberufliche Landwirte allein aufgrund ihrer Staatsangehorigkeit bei Erwerb\noder Pacht von landwirtschaftlichen Grundstucken auf deutschem Hoheitsgebiet\nanders behandelt wurden als inlandische hauptberufliche Landwirte. Dabei\nergebe sich aus den Zielbestimmungen des Abkommens nach Art. 1, dass jede Form\nder wirtschaftlichen Betatigung von dem Abkommen erfasst sein solle. Ein\nAusschluss der Grenzganger, wie dies nun die Amtsgerichte Singen und Waldshut-\nTiengen vornahmen, sei erkennbar von keiner Vertragspartei gewollt gewesen.\nDie Auffassung des Landwirtschaftsgerichts Waldshut-Tiengen bzw. des\nAmtsgerichts Singen, dass Schweizer Landwirte, die von einer Hofstatte in der\nSchweiz heraus agierten, nicht Selbstandige im Sinne von Art. 12 Abs. 1 des\nAnhangs I des Abkommens seien, sondern vielmehr selbstandige Grenzganger im\nSinne von Art. 13 Abs. 1 des Anhangs I, fur die die\nGleichbehandlungsvorschrift des Art. 15 Abs. 1 des Anhangs I nicht gelte, sei\nnicht haltbar. Vielmehr seien selbstandige Grenzganger als Selbstandige im\nSinne des gesamten Abschnitts III des Anhangs I zum Abkommen zu behandeln, so\ndass auch fur diese die Gleichbehandlung nach Art. 15 gelte. Dies ergebe sich\nauch aus dem gesamten Regelungszusammenhang. Das zeige auch ein Vergleich mit\nden Regelungen fur die Arbeitnehmer unter II des Anhangs I des Abkommens. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Beschwerdefuhrer verweist darauf, dass zunachst die deutsche Verwaltung\nnach Inkrafttreten des bilateralen Abkommens der Auslegung gefolgt sei, dass\nein Schweizer Landwirt einem deutschen Landwirt infolge des Abkommens\ngleichzustellen sei. Erst auf Druck der deutschen Landwirte habe man nach\nLosungen gesucht. Die Europaische Kommission habe in einer vorlaufigen\nStellungnahme vorbehaltlich einer eingehenderen Prufung mitgeteilt, dass die\nRechte aus dem Freizugigkeitsabkommen nur fur Schweizer Landwirte gelten\nsollten, die sich zur Ausubung einer selbstandigen landwirtschaftlichen\nErwerbstatigkeit in einem Mitgliedsstaat der EU niederlassen wurden. Dieser\nvorlaufigen Bewertung habe sich die deutsche Verwaltung schnell angeschlossen\n[siehe Schreiben des Ministerium fur Ernahrung und landlichen Raum Baden-\nWurttemberg vom 19.10.2004 (AS 43)]. Dies habe auch die Auslegung zumindest\ndes Amtsgerichts Singen und ihm folgend des Amtsgerichts Waldshut-Tiengen\nbestimmt. Angesichts dieses Ablaufs bestunden sehr wohl Zweifel an der\nAuslegung des EG-Rechts, die eine Vorlage an den europaischen Gerichtshof im\nWege des Vorabentscheidungsverfahrens rechtfertige. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Beschluss des Amtsgerichts Waldshut-Tiengen sei dagegen rechtswidrig,\nda er sich mit den vorgenannten entscheidungserheblichen Fragen in keiner\nWeise auseinandersetze. Er verweise lediglich pauschal auf die Entscheidung\ndes Amtsgerichts Singen, der ohnehin ein anderer Sachverhalt zugrunde gelegen\nhabe. Dort sei es namlich um den Kauf eines Grundstucks gegangen, vorliegend\ngehe es um eine Anpachtung. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Auch bei Anwendung des Landpachtverkehrsgesetzes sei der Beschluss des\nAmtsgerichts rechtswidrig. Die Beweisaufnahme habe namlich die Behauptung im\nangefochtenen Bescheid nicht bestatigt, dass zwei deutsche Landwirte bereit\nseien, das Grundstuck zum gleichen Preis wie der Beteiligte Hermann F.\nanzupachten. Wahrend der Zeuge Z. zur Anpachtung zu einem Preis von EUR 1,70\nbis EUR 1,80 pro ar bereit gewesen sei, habe der Zeuge K. lediglich einen\nPreis von 1,00 EUR pro ar als ortsublichen Preis zahlen wollen. Demgegenuber\nbetrage der vereinbarte Pachtpreis EUR 2,00 je ar. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Das Amtsgericht stutze sich in seiner Entscheidung darauf, dass die Zeugen\nbereit gewesen seien, den ortsublichen Preis zu bezahlen, ohne jedoch\nFeststellungen dazu zu treffen, wie hoch der ortsubliche Pachtpreis in der\nGrenzregion Stuhlingen sei. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Auch die Annahme einer ungesunden Verteilung der Bodennutzung, weil\ndeutsche Vollerwerbslandwirte die Pachtflache dringend zur Schaffung und\nErhaltung leistungs- und wettbewerbsfahiger Betriebe benotigen wurden, liege\nnicht vor. Nach den Angaben der Zeugen scheine ein dringendes Erfordernis fur\nbeide Landwirte nicht vorzuliegen. In erster Linie seien sie wohl an den\nZahlungsanspruchen interessiert, die mitverpachtet wurden. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Das Regierungsprasidium Freiburg als zustandige Behorde ist der Beschwerde\nentgegengetreten und verteidigt den angefochtenen Beschluss. Der\nBeschwerdefuhrer F. unterliege als mit Betriebssitz in der Schweiz\nwirtschaftender Landwirt nach standiger Rechtsprechung nicht dem Schutzbereich\nder mit dem Grundstucks- und dem Landpachtverkehrsgesetz geforderten\nAgrarstruktur und durfe in Deutschland rechtlich einem Nichtlandwirt\ngleichgestellt werden. Daran habe auch das uber sieben Sektoren am 01.06.2002\nin Kraft getretene Abkommen der EU mit der Schweiz (EU-Amtsblatt vom 30.04.02\n- L 114/1) nichts geandert. Zwar habe das Land Baden-Wurttemberg zunachst eine\nGleichstellung deutscher und schweizerischer Landwirte im Zuge der\nAnwendbarkeit dieser Abkommen angenommen, diese Rechtsauffassung jedoch als\nunzutreffend aufgegeben, nachdem Kommissar Patten in einem Schreiben an\nMinister Stachele vom 02.04.2004 vorbehaltlich einer weiteren Überprufung\ndurch die Generaldirektion fur Außenbeziehungen zum Ausdruck gebracht habe,\ndass Landwirte mit Betriebssitz in der Schweiz nicht unter den\nAnwendungsbereich des Abkommens fallen wurden. Die Landwirtschaftsbehorden in\nder Schweiz waren uber diese Rechtsauslegung informiert und hatten dagegen\nkeine Gegenvorstellung erhoben, sondern vielmehr in Behordengesprachen ihre\nZustimmung zu dieser Verwaltungspraxis geaußert. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Nach dem Freizugigkeitsabkommen in Anhang I unterlagen schweizerische\nLandwirte mit Betriebssitz in der Schweiz als sog. selbstandige Grenzganger i.\nS. von Art. 13 im Unterschied zu den sich in der EU niederlassenden\nSelbstandigen i. S. von Art. 12 Abs. 1 nicht dem Gleichbehandlungsgebot des\nArt. 15 Abs. 1. Auch in Art. 25 sei hinsichtlich des Erwerbs von Immobilien\neine Differenzierung hinsichtlich Grenzgangern in Abs. 3 erfolgt und blieben\ndie Regelungen des Aufnahmestaates bezuglich unbebauter Grundstucke unberuhrt\n(Satz 3). Ferner ergebe sich aus den Zielsetzungen des Abkommens in Art. 1 a,\ndass nur die Niederlassung als Selbstandiger in vollem Umfang privilegiert\nsein solle und nicht die schlichte Betatigung als selbstandiger Grenzganger.\nEine Vorlage an den EuGH zur Auslegung des Freizugigkeitsabkommens sei deshalb\nnicht erforderlich. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Entgegen den Ausfuhrungen in der Beschwerdebegrundung ergebe sich die\nungesunde Bodenverteilung und agrarstrukturelle Relevanz der Pachtflache fur\ndie deutsche Agrarstruktur aus den Interessenmeldungen der Landwirte Zengel\nund Kaiser. Beide Landwirte seien aus nachvollziehbaren Grunden an einer\npachtweisen Aufstockung ihrer Betriebe interessiert und bedurftig und hatten\nihr Pachtinteresse bekundet. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Der Landwirt Z. wolle als Biobetrieb mit 120 ha aufstocken. Er konne diese\nFlachen auch konventionell mit Kleegras betriebswirtschaftlich sinnvoll\nbewirtschaften. Dabei sei es auch legitim, diese Bewirtschaftung unter dem\nGesichtspunkt der Aktivierung noch freier Zahlungsanspruche auf Grund von\nLandverlusten zu betrachten. Der betriebswirtschaftliche Gewinn in der\nLandwirtschaft ergebe sich allgemein aus der Zusammenschau von Erlosen fur die\nlandwirtschaftlichen Erzeugnisse sowie den staatlichen Ausgleichsleistungen.\nDas gelte auch fur den Betrieb Z. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Der Landwirt K. bewirtschafte 47 ha Ackerland und 12 ha Grunland, davon ca.\n38 ha in Wasserschutzgebieten. Neben 24 Milchkuhen halte der Betrieb ca. 4300\nLegehennen. Er bewirtschafte im Bereich der Pachtflache bereits andere\nFlachen. Sein Interesse sei deshalb strukturell sinnvoll. Das gelte auch fur\ndie Lage außerhalb eines Wasserschutzgebietes, da damit keine zusatzlichen\nRestriktionen fur die Gulleausbringung gegeben seien, was fur einen\nviehhaltenden Betrieb erhebliche Relevanz habe. Außerdem benotige der Betrieb\nfur die Futterung der Legehennen hofeigenes Getreide, das so bei den\nVermarktern ausgelobt sei. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Im ubrigen ergebe sich die Rechtmaßigkeit der Aufhebungsentscheidung des\nAmtsgerichts Waldshut aus § 6 AGGrdstVG BW (Gesetzblatt 2006, 85). Die\nverfahrensgegenstandlichen Pachtflachen befanden sich in Stuhlingen im Gebiet\nder Sonderregelungen des AGGrdstVG; danach konne ein Pachtvertrag zur Abwehr\nerheblicher Gefahren fur die Agrarstruktur uber die in § 4 LPachtVG genannten\nGrunde hinaus beanstandet und durch das Gericht sodann aufgehoben werden, wenn\ndie vereinbarte Pacht den durchschnittlichen ertragsangemessenen Pachtzins\nvergleichbarer Grundstucke in der Gemeinde um mehr als 20 % uberschreite.\nDiese 120 % Preisgrenze sei vorliegend uberschritten. Nach der\nPachtpreissammlung fur Stuhlingen ergebe sich ein Durchschnittspreis von 1,53\nEUR je ar. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Insoweit konne deshalb dahingestellt sein, ob die Interessenmeldung der\nLandwirte Z. und K. ausdrucklich den vereinbarten Pachtpreis erreichen musse\nbzw. erreicht habe oder ob der ortsubliche Pachtpreis hinreichend sei.\nJedenfalls sei in Fallen einer ubermaßigen Pachtzinsvereinbarung wie im\nvorliegenden Falle ein ortsubliches Pachtzinsangebot hinreichend. \n--- \n**II.** \n--- \n| 26 \n--- \n| Die sofortige Beschwerde ist zulassig, da die Zwei-Wochen-Frist zur\nEinlegung der sofortigen Beschwerde (§§ 22, 9 LwVG, § 22 FGG) eingehalten ist.\nÜber die Beschwerde wurde ohne mundliche Verhandlung entschieden, da keiner\nder Beteiligten eine mundliche Verhandlung beantragt hat (§ 15 Abs. 1 LwVG).\nDa der Beschwerdefuhrer anwaltlich vertreten ist, war eine mundliche\nVerhandlung zur Anhorung der Beteiligten nicht erforderlich. Da das Interesse\nder Beteiligten an einer baldigen Entscheidung vom Senat als vorrangig\nbewertet wurde, wurde - nach Aufhebung der ursprunglich anberaumten mundlichen\nVerhandlung aus Krankheitsgrunden (siehe AS. 255) - von der erneuten Anordnung\neiner mundlichen Verhandlung wegen der damit verbundenen erheblichen\nVerzogerung abgesehen. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Beschwerde des Beteiligten F. ist als unbegrundet zuruckzuweisen, da\ndas Landwirtschaftsgericht den Pachtvertrag vom 05.09.2005 zu Recht mit der\nBegrundung aufgehoben hat, die Verpachtung bedeute eine ungesunde Verteilung\nder Bodennutzung gemaß § 4 Abs. 1 Nr. 1 LPachtVG. Dabei ist nicht zu\nbeanstanden, dass das Landwirtschaftsgericht zu der Auffassung gelangt ist,\ndass der Pachter F. als Schweizer Landwirt mit Betriebssitz in der Schweiz\nauch nach Inkrafttreten der bilateralen Vertrage nicht einem deutschen\nLandwirt gleichzustellen ist. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| \n--- \n1. | | Personenfreizugigkeitsabkommen zwischen der EU und der Schweiz: \n--- \n| 29 \n--- \n| Ein Schweizer Landwirt mit Betriebssitz in der Schweiz ist bei der\nAnpachtung von Pachtflachen im Grenzgebiet nicht nach Art. 15 des Anhangs I\ndes Personenfreizugigkeitsabkommens (BGBl II 2001, 811ff) wie ein inlandischer\nLandwirt, sondern im Geltungsbereich des LPachtVG wie ein Nichtlandwirt zu\nbehandeln. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Der Senat lasst dahinstehen, ob ein Schweizer Landwirt, der von seiner\nHofstelle in der Schweiz mit dazugehorigen schweizerischen\nLandwirtschaftsflachen auch Pachtflachen im deutschen Grenzgebiet\nbewirtschaftet, uberhaupt als selbstandiger Grenzganger nach Art. 13 des\nAnhangs I des Abkommens anzusehen ist. Selbstandiger Grenzganger ist danach\nnamlich ein Staatsangehoriger einer Vertragspartei mit Wohnsitz im\nHoheitsgebiet einer Vertragspartei, der eine selbstandige Erwerbstatigkeit im\nHoheitsgebiet der anderen Vertragspartei ausubt und in der Regel taglich oder\nmindestens einmal in der Woche an seinen Wohnort zuruckkehrt. An der\nGrenzgangereigenschaft konnte es hier deshalb fehlen, weil der Landwirt mit\nHofstelle in der Schweiz seine deutschen Pachtflachen moglicherweise uber\nlangere Zeitraume als eine Woche nicht aufsucht. Der Senat brauchte diese\nFrage aber nicht abschließend zu entscheiden, zumal alle Beteiligten hier vom\nStatus eines selbstandigen Grenzgangers nach Art. 13 ausgehen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Die entscheidende Frage ist vorliegend, ob der Gleichbehandlungsgrundsatz\nin Art. 15 auch die selbstandigen Grenzganger einbeziehen soll. Nach seinem\nWortlaut gewahrt er nur dem Selbstandigen im Aufnahmestaat hinsichtlich des\nZugangs zu einer selbstandigen Erwerbstatigkeit und deren Ausubung eine\nBehandlung, die nicht weniger gunstig ist als die dem eigenen\nStaatsangehorigen gewahrte Behandlung. Nach der vertraglichen\nBegriffsdefinition (im Folgenden „Selbstandiger" genannt) in Art. 12 Abs. 1 S.\n1 ist derjenige Selbstandiger, der sich zwecks Ausubung einer selbstandigen\nErwerbstatigkeit im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei niederlasst. Ein\nSchweizer Landwirt mit Hofstelle in der Schweiz, der Pachtflachen in\nDeutschland bewirtschaftet, fallt mangels Niederlassungswillen nicht darunter.\nAnspruch auf Gleichbehandlung hatte er nur dann, wenn der Begriff des\nSelbstandigen in Art. 15 weiter zu verstehen ware in dem Sinne, dass er\nSelbstandige und selbstandige Grenzganger erfassen soll. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Der Beschwerdefuhrer macht dies geltend und stutzt sich dabei auf die\nArgumentation, die das Ministerium fur Ernahrung und landlichen Raum Baden-\nWurttemberg mit Schreiben vom 24.04.2003 zur Begrundung dafur angefuhrt hat,\ndass das Freizugigkeitsabkommen kunftig nicht mehr erlaube, Schweizer\nLandwirte wie Nichtlandwirte zu behandeln. Dort wird argumentiert, dass Art.\n15 des Anhangs I auch fur selbstandige Grenzganger gelte. Wenn nach Art. 25\nAbs. 3 des Anhangs I ein Grenzganger hinsichtlich des Erwerbs einer fur die\nAusubung einer Erwerbstatigkeit dienenden Immobilie die gleichen Rechte wie\nein Inlander habe, musse dies erst Recht fur die Pacht von Grundstucken\ngelten. Außerdem verbiete Art. 2 des Abkommens eine Diskriminierung von\nSchweizer Staatsangehorigen und im ubrigen ergebe sich aus den\nZielbestimmungen des Art. 1, dass jede Form der wirtschaftlichen Betatigung\nerfasst sein solle. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Entsprechend dem ministeriellen Schreiben vom 19.10.2004 wurde der fruhere\nErlass mit Schreiben vom 24.04.2004 durch Beschluss des Ministerrats Baden-\nWurttemberg vom 05.10.2004 aufgehoben. Der Ministerrat teilt die vorlaufige\nBewertung der Europaischen Kommission, dass die Rechte aus dem\nPersonenfreizugigkeitsabkommen nur fur Schweizer Landwirte gelten, die sich\nzur Ausubung einer selbstandigen landwirtschaftlichen Erwerbstatigkeit in\neinem Mitgliedsstaat der EU niederlassen. Dem liegt die Auffassung zugrunde,\nArt. 15 des Anhangs I gewahre nur dem Selbstandigen des Art. 12 die\nGleichbehandlung, nicht aber dem selbstandigen Grenzganger. Bestatigt werde\ndies durch Art. 1 des Abkommens, weil bei den dort unter a) aufgezahlten\nZielen ausdrucklich zwischen der Einraumung eines Rechts auf Einreise,\nAufenthalt und Zugang zu einer unselbstandigen Tatigkeit einerseits und dem\nRecht auf Niederlassung eines Selbstandigen andererseits differenziert werde.\nZusatzlich wird darauf hingewiesen, dass in Art. 25 Abs. 3 des Anhangs I fur\nGrenzganger eine Differenzierung insoweit vorgenommen werde, als die\nRegelungen des Aufnahmestaates bezuglich unbebauter Grundstucke unberuhrt\nblieben. Die Landwirtschaftsbehorde stutzt sich außerdem darauf, dass die\nLandwirtschaftsbehorden der Schweiz uber diese Rechtsauslegung informiert\nseien und sich zu dieser Verwaltungspraxis zustimmend geaußert hatten. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass Schweizer Landwirte im\nRahmen der Anwendung des GrdstVG und LPachtVG als Nichtlandwirte zu behandeln\nsind. Diese Auffassung uberzeugt deshalb, weil sie sich auf die\nBegriffsdefinitionen des „Selbstandigen" und des „selbstandigen Grenzgangers"\nin Art. 12 bis 15 des Anhangs I des Abkommens stutzen kann. Die mehr allgemein\ngehaltenen Erwagungen der Gegenmeinung unter Ruckgriff auf das\nDiskriminierungsverbot in Art. 2 des Abkommens sowie auf die mit dem Abkommen\nverfolgten Ziele vermogen letztlich diese an der engen Auslegung des Wortlauts\nund der eindeutigen vertraglichen Be-griffsdefinitionen ausgerichtete\nBeurteilung nicht zu entkraften. Auch aus dem gesamten Regelungszusammenhang\nund dem Vergleich mit den Regelungen fur die Arbeitnehmer unter II des Anhangs\nI des Abkommens kann entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht hergeleitet\nwerden, dass selbstandige Grenzganger als Selbstandige im Sinne des gesamten\nAbschnitts III des Anhangs I zum Abkommen zu behandeln sind, weil die\nunterschiedlichen Regelungsmaterien fur den abhangig beschaftigten Grenzganger\nin Art. 7 einerseits und den selbstandigen Grenzganger des Art. 13\nandererseits eine Übertragbarkeit verbieten. Außerdem ist wegen der vom\nBeschwerdefuhrer betonten Unterscheidung von Kauf und Pacht darauf\nhinzuweisen, dass das Abkommen hinsichtlich der Anpachtung von Grundstucken\nkeine Gleichbehandlung vorschreibt; aus Art. 25 lasst sich dies auch nicht\nnach dem Schluss „a majore ad minus" herleiten. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| \n--- \n2. | | Ist aber ein Schweizer Landwirt mit Hofstelle in der Schweiz bei Anpachtung von Pachtflachen im deutschen Grenzgebiet wie ein inlandischer Nichtlandwirt zu behandeln, liegen die Voraussetzungen fur eine Beanstandung des Pachtvertrages nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 LPachtVG vor, da es Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur zuwider laufen wurde, wenn landwirtschaftliche Grundstucke auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland durch Verpachtung an Schweizer Landwirte, deren Betriebsstatte in der Schweiz liegt, der Nutzung deutscher Landwirte entzogen wurden, die dieses Land dringend zur Schaffung und Erhaltung leistungs- und wettbewerbsfahiger Betriebe benotigen (BGH MDR 1987, 844 Rn. 12). Dass vorliegend ein dringendes Aufstockungsbedurfnis der Pachtinteressenten vorliegt, hat die vom Landwirtschaftsgericht durchgefuhrte Beweisaufnahme ergeben. Die dort vernommenen Landwirte Z. und K. haben jeweils ihr dringendes Aufstockungsbedurfnis plausibel dargelegt, wobei wegen der Einzelheiten auf die zutreffende Begrundung im angefochtenen Beschluss Bezug genommen werden kann. Generell kann fur alle Pachtinteressenten davon ausgegangen werden, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb zur Erhaltung seiner Wettbewerbsfahigkeit dringend darauf angewiesen ist, zusatzliche Landwirtschaftsflachen zu angemessenen Preisen anzupachten. \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Voraussetzung, dass Pachtinteressenten auch bereit und in der Lage sein\nmussen, den vom zunachst in Aussicht genommenen Pachter versprochenen\nPachtzins zu zahlen, kann im Verhaltnis zu einem Schweizer Pachter keine\nGeltung beanspruchen (vgl. BGH a.a.O.). Die dafur maßgeblichen Gesichtspunkte,\ndie in der angesprochenen Entscheidung des Bundesgerichtshofes aufgefuhrt\nsind, gelten unverandert. Es reicht deshalb aus, dass der deutsche Landwirt in\nder Lage und bereit sein muss, einen Pachtzins zu zahlen, der in angemessenem\nVerhaltnis zum nachhaltigen Ertrag bei ordnungsgemaßer Bewirtschaftung steht.\nDer vom Landwirtschaftsgericht angehorten Pachtinteressent Z. ist bereit und\nin der Lage, mit 1,70 bis 1,80 EUR pro ar einen Pachtzins zu zahlen, der in\nangemessenen Verhaltnis zum nachhaltigen Ertrag bei ordnungsgemaßer\nBewirtschaftung steht. Das ergibt sich aus den unwidersprochen gebliebenen\nDarlegungen der Landwirtschaftsbehorde zur Hohe des ortsublichen Preises, der\nnach der Pachtpreissammlung 1,53 EUR betragt (siehe Aufstellung AS. 243). \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Soweit im Jahre 2005 eine Änderung des Landpachtverkehrsgesetzes erfolgt\nist (Gesetz zur Änderung des Grundstucksverkehrsgesetzes und des LPachtVG vom\n14. August 2005 - Bundesgesetzblatt I 2005, 2449) bzw. darauf aufbauend durch\ndas Land Baden-Wurttemberg das Gesetz zur Abwehr von Gefahren fur die\nAgrarstruktur vom 19.12.2005 (Gesetzblatt Baden-Wurttemberg 2005, 799), sind\ndiese neuen Regelungen fur die hier vorliegenden Fallgestaltungen nicht\nrelevant. Das Landesgesetz ist namlich erst nach Abschluss der entsprechenden\nPachtvertrage und der Versagung der Genehmigung am 20.12.2005 in Kraft\ngetreten. Entsprechend § 12 LPachtVG (Überleitungsvorschrift), wonach sich bei\nanhangigen Verfahren vor Inkrafttreten des LPachtVG die Entscheidung nach den\nbisher geltenden Vorschriften richtet, muss Gleiches gelten bei Änderungen des\nGesetzes selbst oder des Ausfuhrungsgesetzes durch das jeweilige Bundesland. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Die Beschwerde des Beteiligten F. ist als unbegrundet zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Der Beteiligte F. hat gem. §§ 44, 34 Abs. 1, 33 LwVG i. V. m. § 2 KostO die\nGerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Ihre eigenen\naußergerichtlichen Kosten behalten die Beteiligten auf sich. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens entspricht gem. §§ 34 Abs. 2, 35\nAbs. 1 Nr. 1 LwVG, § 25 KostO dem Pachtzins der gesamten Vertragsdauer. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Der Anregung des Beschwerdefuhrers, das Verfahren auszusetzen und dem\neuropaischen Gerichtshof gemaß Art. 234 Abs. 2 EG bezuglich der Anwendung des\nFreizugigkeitsabkommens im Rahmen der bilateralen Vertrage zwischen der\nEuropaischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten einerseits und der\nSchweizerischen Eidgenossenschaft andererseits zur Vorabentscheidung\nvorzulegen, wird keine Folge gegeben. Eine Vorlagepflicht besteht nicht, weil\nkeine letztinstanzliche Entscheidung vorliegt und auch die Gultigkeit von\nGemeinschaftsrecht, wozu auch das vorliegende Abkommen gehort, nicht in Frage\nsteht. Die vorgenommene Auslegung entspricht der vorlaufigen Stellungnahme der\nEU-Kommission. Jedenfalls wird eine entgegenstehende Auffassung von Behorden\noder Gerichten ersichtlich nicht (mehr) vertreten. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Da die Rechtssache jedoch wegen der Betroffenheit der Landwirte im deutsch-\nschweizerischen Grenzgebiet grundsatzliche Bedeutung hat, wurde die\nRechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zuzulassen (§ 24 Abs. 1 Satz 2 LwVG). \n---\n\n
138,247
olgkarl-2005-03-23-1-ak-3604
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
1 AK 36/04
2005-03-23
2019-01-07 13:59:41
2019-02-12 12:40:11
Beschluss
## Tenor\n\nEs wird festgestellt, dass eine weitere Aufklarung des Sachverhalts notwendig\nist.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Gegen den sich seit 03.02.2005 aufgrund Auslieferungshaftbefehls des Senats\nvom 03.01.2005 in Auslieferungshaft befindlichen Verfolgten besteht in Polen\nein Europaischer Haftbefehl des Amtsgerichts K./Polen vom 10.03.2004, in\nwelchem diesem vorgeworfen wird, im Zeitraum von August 1998 bis Marz 1999 als\nInhaber und Geschaftsfuhrer der in Polen ansassigen Firma U. gemeinsam mit\nanderen Tatbeteiligten durch Ausstellung unberechtigter Fakturen\nMehrwertsteuer in Hohe von 2.432.607,27 Zloty hinterzogen zu haben (Tat Nr. I,\nstrafbar nach Art. 18 § 3 i.V.m. Art. 286 § 1 und Art. 294 § 1 des polnischen\nStGB, Art. 271 § 1 und § 3 i.V.m. Art 11 § 2 des polnischen StGB, Art. 12,\n65). Außerdem liegt ihm zur Last, im Zeitraum von Februar 1997 bis Dezember\n1998 in mehreren polnischen Stadten einer organisierten Verbrechensgruppe\nangehort zu haben, deren Ziel das Erschwindeln von Mehrwertsteuer gewesen sei\n(Tat Nr. II, strafbar nach Art. 258 des polnischen StGB). \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Nachdem die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe - der Verfolgte hat sich am\n3.2.2005 vor dem Haftrichter des Amtsgerichts Z. mit der vereinfachten\nAuslieferung nach Polen einverstanden erklart, jedoch mit Schreiben vom\n6.2.2005 hiergegen Einwendungen erhoben - einen Antrag nach § 29 Abs. 2 IRG\ngestellt und am 10.03.2005 beantragt hat, die Auslieferung fur zulassig zu\nerklaren, ist der Senat zur Entscheidung hieruber berufen. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Auch nach Inkrafttreten des Gesetzes vom 21.07.2004 zur Umsetzung des\nRahmenbeschlusses uber den Europaischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren\nzwischen den Mitgliedsstaaten der Europaischen Union vom 13.06.2002 am\n23.08.2004 ist bei einem auf einen Europaischen Haftbefehl gestutzten\nAuslieferungsersuchen eine Anforderung erganzender Auslieferungsunterlagen\nzulassig, wenn dies die Aufklarung des Sachverhalts zur Klarung der\nAuslieferungsvoraussetzungen gebietet. Dies ist insbesondere dann der Fall,\nwenn dies zur Prufung des Vorliegens einer Deliktsgruppentat nach § 81 Nr. 4\nIRG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 RbEuHb oder - wenn eine solche nicht vorliegt - der\nbeiderseitigen Strafbarkeit veranlasst ist (vgl. BT-Drucks. 15/1718 S. 18, 20;\nAhlbrecht StV 2005, 40 ff., 42, 46). \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Zur Prufung der Frage, ob die dem Verfolgten im Tatvorwurf Nr. II. -\nbezuglich des Tatvorwurfs Nr. I ergibt sich eine Strafbarkeit nach deutschem\nRecht nach vorlaufiger Bewertung aus §§ 3, 78, 81 Nr. 3 IRG i.V.m. § 370 AO -\nzur Last gelegte Zugehorigkeit zu einer „organisierten Verbrechensgruppe" bei\nsinngemaßer Umstellung des Sachverhalts (Schomburg/Lagodny, IRG, 3. Aufl.\n1998, § 3 Rn. 4) als strafbare Verabredung zu einem Verbrechen (vgl. hierzu\ndas Steuerverkurzungsbekampfungsgesetz - STVBG - vom 18.12.2001 - BGBl. I,\n3922 i.d.F. des Gesetzes zur Änderung des Steuerbeamten-Ausbildungsprivileges\nund zur Änderung von Steuergesetzes - StBAG - vom 23.07.2002, BGBl. I 2715)\nder gewerbsmaßigen oder bandenmaßigen Steuerhinterziehung nach §§ 30 Abs. 2\nStGB, 370 a AO) angesehen werden kann, bedarf es unbeschadet von Fragen der\nRuckwirkung (BVerfG StV 2005, 29 f.; Kohlmann Steuerstrafrecht;\nLoseblattkommentar, § 370 a AO Rn. 8) einer naheren Beschreibung der durch die\npolnischen Justizbehorden erhobenen Tatvorwurfe, eines eventuellen\nZusammenhangs beider Taten sowie einer naheren Erlauterung der Strukturen der\n„Verbrechensgruppe" und der Darlegung, ob deren Ziel auf eine Verkurzung von\nSteuern in großem Ausmaß (vgl. BGH StV 2004, 543 f.) oder der Erlangung von\nSteuervorteilen fur den Verfolgten oder einen Dritten gerichtet war. Außerdem\nmogen bezuglich beider Tatvorwurfe die anwendbaren gesetzlichen Bestimmungen\ndes polnischen Strafgesetzbuches ubermittelt sowie mitgeteilt werden, ob nach\ndem polnischen Strafgesetzbuch im Falle einer Verurteilung eine gesonderte\nStraffestsetzung bezuglich beider Straftaten erfolgt oder auf eine\neinheitliche Strafe erkannt werden wurde. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe wird um Einholung der\nentsprechenden Auslieferungsunterlagen bei den polnischen Justizbehorden\nersucht, wobei hierfur eine Beibringungsfrist von vier Wochen ab\nBeschlussdatum gesetzt wird (§ 30 Abs. 1 Satz 2 IRG). \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Außerdem wird die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe um Mitteilung\ngebeten, welches Ergebnis die von ihr vorgenommene Überprufung der\nStaatsangehorigkeit des Verfolgten erbracht hat. \n--- \n---\n\n
138,272
vg-stuttgart-2005-03-29-a-18-k-1037205
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
A 18 K 10372/05
2005-03-29
2019-01-07 13:59:55
2019-01-17 11:58:28
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag wird abgelehnt.\n\nDie Antragsteller tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der\nAntragsteller gegen die im Bescheid des Bundesamts fur die Anerkennung\nauslandischer Fluchtlinge vom 05.11.2004 enthaltene Anordnung der Abschiebung\nnach Finnland ist gem. Art. 16 a Abs. 2 S. 3 GG, § 34 a Abs. 2 AsylVfG nicht\nstatthaft. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Entgegen der Auffassung der Antragsteller hat der Antragsgegner zu Recht\neine Abschiebungsordnung gem. § 34 a Abs. 1 AsylVfG erlassen, so dass § 34 a\nAbs. 2 AsylVfG Anwendung findet. Unstreitig ist, dass der Asylantrag der\nAntragsteller in Deutschland gem. § 29 Abs. 3 S. 1 AsylVfG unbeachtlich ist,\nda Finnland als Mitgliedsstaat des Dubliner Übereinkommens und sicherer\nDrittstaat im Sinne von § 26 a Abs. 1 S. 1, Abs. 2 AsylVfG die Zustandigkeit\nfur die Durchfuhrung des Asylverfahrens ubernommen hat. § 35 S. 2 AsylVfG\nsieht zwar in den Fallen des § 29 Abs. 3 S. 1 AsylVfG den Erlass einer\nAbschiebungsandrohung mit dem ubernehmenden anderen Vertragsstaat als\nZielstaat vor, diese Regelung hindert jedoch nicht den Erlass einer\nAbschiebungsanordnung gem. § 34 a Abs. 1 S. 1 AsylVfG, wenn der Auslander aus\neinem sicheren Drittstaat eingereist ist, der zugleich nach dem\nZustandigkeitsabkommen zustandiger Vertragsstaat ist. Dies folgt aus § 29 Abs.\n3 S. 2 AsylVfG, der ausdrucklich bestimmt, dass § 26 a Abs. 1 AsylVfG auch bei\nnach § 29 Abs. 3 S. 1 AsylVfG unbeachtlichen Asylantragen unberuhrt bleibt.\nNach dem Willen des Gesetzgebers stellt § 29 Abs. 3 S. 2 AsylVfG klar, „dass\ndie Regelungen der §§ 26 a, 34 a AsylVfG Anwendung finden, wenn der Auslander\naus dem zustandigen Vertragsstaat eingereist ist" (vgl. BT-Drs.12/4984 S. 48).\nDer Auffassung der Antragsteller, die Vorbehaltsklausel des § 29 Abs. 3 S. 2\nAsylVfG sei nicht anzuwenden, wenn ein anderer Vertragsstaat fur die Prufung\ndes Asylbegehrens zustandig sei, ist danach nicht zu folgen (vgl. VG Bremen,\nBeschluss vom 07.04.2000 - 4 V 711/00.A -, Juris; VG Aachen, Beschluss vom\n28.06.2004 - 6 L 493/04.A -; a. A.: GK-AsylVfG, § 29 Rdnr. 48 und § 35 Rdnr.\n19; Marx, AsylVfG, 4. Aufl., § 29 Rdnr. 43). \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Übergeordnete Rechtsvorschriften stehen dieser Auslegung nicht entgegen.\nArt. 19 Abs. 2 S. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18.02.2003\nschreibt vor, dass dem Asylsuchenden im Falle eines unbeachtlichen Asylantrags\ndie Frist fur die Durchfuhrung der Überstellung in den anderen Vertragsstaat\nanzugeben ist und ihm „gegebenenfalls" der Zeitpunkt und der Ort zu nennen\nsind, zu dem bzw. an dem er sich zu melden hat, wenn er sich auf eigene\nInitiative in den zustandigen Mitgliedsstaat begibt. Die Frist fur die\nDurchfuhrung der Überstellung ist im angefochtenen Bescheid vom 05.11.2004 auf\nS. 2 anzugeben. Dort heißt es, dass die finnischen Behorden mit Schreiben vom\n03.11.2004 ihre Zustandigkeit fur die Bearbeitung der Asylantrage erklart\nhaben und dass Deutschland verpflichtet ist, die Antragsteller innerhalb von\nsechs Monaten nach der Zustimmung nach Finnland zu uberstellen. Eine Pflicht\nzur Erteilung einer Abschiebungsandrohung mit dem Ziel, den Betroffenen eine\nfreiwillige Ausreise zur Abwendung der Abschiebung zu ermoglichen, ist Art. 19\nAbs. 2 S. 2 der Verordnung Nr. 343/2003 nicht zu entnehmen. Die Formulierung\n„gegebenenfalls" verdeutlicht, dass die freiwillige Übersiedlung des\nAsylbewerbers in den anderen Vertragsstaat nur eine Verfahrensalternative ist.\nErganzende Vorschriften zur Durchfuhrung von Überstellungen im Sinne von Art.\n19 Abs. 5 der Verordnung enthalt Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der\nKommission vom 02.09.2003 (ABl. Nr. L 222 S. 3), die mit ihrer\nVeroffentlichung im Amtsblatt der Europaischen Union unmittelbare\nRechtswirksamkeit in der Bundesrepublik Deutschland erlangt hat (vgl. den\nHinweis in BGBl. I 2003, S. 1900). Nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr.\n1560/2003 kann die Überstellung in den zustandigen Mitgliedsstaat auf\nInitiative des Asylbewerbers innerhalb einer vorgegebenen Frist oder in Form\neiner behordlich kontrollierten Ausreise bzw. in Form einer behordlichen\nÜberstellung erfolgen. Die Wahl des Vorgehens im Einzelfall erfolgt danach\nnach den innerstaatlichen Vorschriften. Wie ausgefuhrt, sieht § 34 a Abs. 1\nAsylVfG hierfur den Erlass einer Abschiebungsanordnung vor. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 159 S. 1 VwGO i.V.m. § 100\nAbs. 1 ZPO. \n--- \n| 5 \n--- \n| Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83 b AsylVfG). \n--- \n| 6 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG). \n---\n\n
138,340
olgkarl-2006-03-27-9-sch-205
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
9 Sch 2/05
2006-03-27
2019-01-07 14:00:32
2019-02-12 12:40:16
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Der Schiedsspruch des Internationalen Kommerziellen Schiedsgerichts bei\nder Handels- und Industriekammer der Ukraine vom 28.01.2005 - No. ..., der die\nSchuldnerin verpflichtet, an die Glaubigerin 4.217,40 Euro Vertragsstrafe fur\nverspatete Lieferung, weitere 10.650,-- Euro Vertragsstrafe fur verspatete\nMangelbehebung, 2.875,50 Euro Fiskalstrafzinsen, 9.814,10 Euro entgangenen\nGewinn und 1.263,19 Schiedsgerichtskosten, insgesamt also 28.820,19 Euro, zu\nzahlen, wird fur vollstreckbar erklart.\n\n2\\. Die Schuldnerin tragt die Kosten des Vollstreckbarerklarungsverfahrens.\n\n3\\. Der Beschluss ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n4\\. Der Streitwert des Vollstreckbarerklarungsverfahrens wird auf 28.820,19\nEuro festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Glaubigerin erstrebt die Vollstreckbarerklarung des Schiedsspruchs des\nInternationalen Kommerziellen Schiedsgerichts bei der Handels- und\nIndustriekammer der Ukraine vom 28.01.05, in dem die Schuldnerin zur Zahlung\nvon insgesamt 28.820,19 Euro verurteilt ist. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Glaubigerin tragt im Wesentlichen vor, \n--- \n| 3 \n--- \n| der Schiedsspruch spreche Vertragsstrafen fur verzogerte Lieferung und\nverspatete Mangelbeseitigung, entgangenen Gewinn wegen Betriebsunterbrechung,\nFiskalstrafzinsen und Kosten zu. Der Schiedsspruch sei der Schuldnerin am\n01.03.05 durch Einschreiben mit Ruckschein zugestellt worden. Eine Fotokopie\ndes Schiedsspruchs mit deutscher Übersetzung sei mit einem Anwaltsschreiben\nvom 23.06.05, das eine letzte Zahlungsauforderung enthalten habe, der\nSchuldnerin zugegangen. Gleichwohl habe die Schuldnerin nicht binnen drei\nMonaten die Aufhebung des Schiedsspruchs beim Stadtgericht Kiew beantragt, wie\ndies die Verfahrensordnung der Internationalen Handelskammer vorsehe, und sei\ndeshalb mit ihren Einwanden gegen den Schiedsspruch prakludiert. Das\nSchiedsgericht habe teilweise aufgrund der Aktenlage entschieden, weil die\nSchuldnerin zum Termin am 28.01.05 nicht erschienen sei, obwohl das\nSchiedsgericht den ersten Termin auf Bitten der Schuldnerin vertagt und erst\neinen zweiten Vertagungsantrag unberucksichtigt gelassen habe. Eine Verletzung\nrechtlichen Gehors komme deshalb nicht in Frage. Eine sachliche Neuprufung des\nSchiedsspruchs sei dem Gericht der Vollstreckbarerklarung verwehrt. Er\nverstoße keinesfalls wegen Willkur gegen den deutschen ordre public. Auf ihre\nVerzugsschadensanspruche habe die Glaubigerin nie verzichtet, sondern nur ihre\nvorlaufige Berechnung storniert. Die Vertragsstrafe sei vertretbar berechnet,\nebenso der entgangene Gewinn auf der Basis des Vortrages der Glaubigerin. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Glaubigerin beantragt wie folgt: \n--- \n| 5 \n--- \n| Der zwischen den Parteien am 28. Januar 2005 ergangene Schiedsspruch des\nInternationalen Kommerziellen Schiedsgerichts bei der Handels- und\nIndustriekammer der Ukraine (Az.: No. ...) wird, wie folgt, fur vollstreckbar\nerklart: \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Firma M. GmbH ist verpflichtet, an die Offene Aktiengesellschaft „S"\neinen Betrag von 4.217,40 Euro Vertragsstrafe fur die Verzogerung der\nLieferung der Anlage, weitere 10.650,- Euro Vertragsstrafe fur die verspatete\nBehebung von Mangeln im Laufe der Garantiefrist, 2.875,50 Euro\nFiskalstrafzinsen, 9.814,10 Euro fur Verluste wegen entgangenen Gewinns\naufgrund Betriebsunterbrechung und schließlich 1.263,19 Aufwandserstattung\nbetreffend Schiedsgerichtsgebuhr, insgesamt also **28.820,19 Euro** zu zahlen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Schuldnerin beantragt, \n--- \n| 8 \n--- \n| den Antrag abzuweisen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Schuldnerin tragt vor, \n--- \n| 10 \n--- \n| der Schiedsspruch sei ihr entgegen der Behauptung der Glaubigerin nicht am\n01.03.05 zugestellt worden. Das Schiedsgericht habe das rechtliche Gehor\nverletzt, weil es dem Vertagungsantrag der Schuldnerin nicht gefolgt sei,\nobwohl dieser Antrag auf geschaftsbedingte Verhinderung gestutzt gewesen sei.\nDer Schiedsspruch sei vollig willkurlich. Er berucksichtige den Verzicht auf\nVertragsstrafe wegen Lieferungsverzugs nicht, berechne die Vertragsstrafe\nfalsch aus der Auftragssumme und nicht nach dem Wert defekter bzw. nicht\ngelieferter Teile und komme auf nicht nachvollziehbare Weise zu entgangenem\nGewinn. \n--- \nII. \n--- \n| 11 \n--- \n| Der zulassige Antrag der Glaubigerin auf Vollstreckbarerklarung des\nSchiedsspruches ist begrundet. Denn der Schiedsspruch ist nach § 1061 ZPO\ni.V.m. New Yorker Abkommen 1958 (UNÜ) fur vollstreckbar zu erklaren.\nAnerkennungsweigerungsgrunde konnen nicht mehr geltend gemacht werden und\nlagen im Übrigen auch gar nicht vor. \n--- \n| 12 \n--- \n| 1\\. Die Schuldnerin ist mit ihrer Berufung auf\nAnerkennungsverweigerungsgrunde prakludiert, weil sie ihre fristgemaße\nGeltendmachung im ukrainischen Aufhebungsverfahren versaumt hat. Nach\nuberkommener Rechtsprechung konnen Anerkennungsverweigerungsgrunde im\nVollstreckbarerklarungsverfahren nur berucksichtigt werden, wenn eine\nzulassige und inhaltlich einschlagige Aufhebungsklage im Herkunftsstaat des\nSchiedsspruches nicht verfristet ist (wohl zuletzt BGH NJW-RR 2001, 1059 f.).\nZwar ist unter Geltung des neuen § 1061 ZPO die Fortgeltung dieser\nRechtsprechung bestritten ( _Z oller/Geimer_ , ZPO, 25. Aufl. 2005, § 1061 Rn.\n29; BayObLG NJW-RR 2001, 431; Schleswig RIW 2000, 706), weil Art. V UNÜ keine\nRegelung eines Rugeverlustes enthalte. Eine restriktive Handhabung von\nAnerkennungsversagungsgrunden verwehrt den deutschen Gerichten aber weder die\nvolkervertragliche Geltung des UNÜ noch seine Geltung als einfaches Recht\naufgrund des Verweises in § 1061 ZPO. Das UNÜ verhindert keine\nanerkennungsfreundlichere Praxis nationalen Rechts (dazu Art. VII Abs. 1 UNÜ).\nDie teleologische Reduktion nationalen Rechts steht den Gerichten aber nach\nwie vor frei, sodass alle Grunde auch unter der neuen Regelung fortbestehen,\ndie eine Praklusion unter altem Recht gerechtfertigt haben (so insbesondere\nMunchKomm/ _M unch_ , ZPO, 2. Aufl. 2001, § 1061 Rn. 7;\n_Thomas/Putzo/Reichold_ , 27. Aufl. 2005, § 1061 Rn. 6; _Musielak/Voigt_ ,\nZPO, 4. Aufl. 2005, § 1061 Rn. 20). Bei deutschen Schiedsspruchen geht die\nNeuregelung eindeutig von einer Praklusion bei versaumtem Aufhebungsverfahren\naus (§ 1059 Abs. 2 S. 3 ZPO), auslandischen Praklusionsregelungen sollte\ndeshalb in gleicher Weise Geltung verschafft werden, um dem Gedanken der\nRechtssicherheit durch Schiedsspruche moglichst Rechnung zu tragen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Im Streitfall hat die Schuldnerin die Anerkennungsverweigerungsgrunde\nerstmals im Schriftsatz vom 07.10.05 (S. 37 ff. d.A.), bei Gericht eingegangen\nam 10.10.05, vorgetragen. Nach Art. 9.2(1) Spiegelstrich 2 und Art. 9.2(2)\nSpiegelstrich 2 der Verfahrensordnung des Ukrainischen Internationalen\nHandelsschiedsgerichts fuhren Verstoße gegen das rechtliche Gehor oder den\nOrdre public, wozu ohne weiteres die Willkurlichkeit einer Entscheidung\ngehort, zur Aufhebung durch das staatliche Gericht, das aber binnen drei\nMonaten „nach dem Eingang des Schiedsspruchs" angerufen sein muss (Art. 9.3\nVerfahrensordnung). Der Senat tragt trotz des Bestreitens der Schuldnerin\nkeine Bedenken anzunehmen, dass der Schiedsspruch der Schuldnerin am 01.03.05\nzugegangen ist, auch wenn hieruber nur die internationale\nReklamationsbestatigung der deutschen Post und nicht der unterschriebene\nRuckschein vorgelegt werden konnte, der offenbar verloren gegangen ist. Im\nÜbrigen ist unwidersprochen vorgetragen, dass der deutsche Anwalt der\nGlaubigerin mit dem Schreiben vom 23.06.05 den Schiedsspruch mit deutscher\nÜbersetzung ubersandt hat, sodass spatestens Ende Juni 2005 der Schiedsspruch\n„eingegangen" war. Am 10.10.05 war die Dreimonatsfrist deshalb auf jeden Fall\nabgelaufen mit der Folge der Praklusion der Schuldnerin. \n--- \n| 14 \n--- \n| 2\\. Im Übrigen sind Anerkennungsverweigerungsgrunde auch gar nicht gegeben. \n--- \n| 15 \n--- \n| a) Das rechtliche Gehor der Schuldnerin ist nicht verletzt worden (Art. V\nAbs.1 b UNÜ). Das Schiedsgericht musste seinen Verhandlungstermin nicht wegen\ngeschaftlicher Belastung der Schuldnerin verlegen, die einen geeigneten\nVertreter hatte entsenden konnen. Zudem war nach den Ausfuhrungen des\nSchiedsgerichts auf Wunsch der Schuldnerin schon einmal verlegt worden (S. 5/6\ndeutsche Fassung, Anlage), sodass weitere Rucksichtnahme das\nRechtsschutzinteresse der Glaubigerin missachtet hatte. \n--- \n| 16 \n--- \n| b) Der Vorwurf der Willkur und damit des ordre public-Verstoßes (Art. V\nAbs.2 b UNÜ) ist nicht haltbar. Er ist nur gegeben, wenn die\nEntscheidungsfindung nicht mehr nachvollziehbar erscheint, weil bei strengeren\nMaßstaben eine inhaltliche sachliche Kontrolle stattfande, die gerade nicht\nerlaubt sein soll. Der Schiedsspruch, der nach Aktenlage erging, erscheint im\nGegenteil sorgfaltig begrundet, sowohl was die Berechnung der Vertragsstrafen\nals auch was die Feststellung des entgangenen Gewinns angeht. Dass die\nÄußerung der Glaubigerin vom Februar 2004 (S. 49 d.A.) als Verzicht zu deuten\nsei, wie dies die Schuldnerin ursprunglich behauptet hat, ist von der\nGlaubigerin als Missverstandnis unwidersprochen klargestellt worden. Zur\nBegrundung willkurlichen Schiedsspruches ist auch dieser Vortrag nicht\ngeeignet. \n--- \n| 17 \n--- \n| 3\\. Nachdem die Schuldnerin mit ihren Anerkennungsverweigerungsgrunden\nprakludiert war und ihr Vortrag im Übrigen erforderlicher Substantiierung\nentbehrte, war eine mundliche Verhandlung (§ 1063 Abs. 2 ZPO) nicht\nunabdingbar (dazu BGHZ 142, 204, 207). Die Kostenentscheidung folgt aus § 91\nZPO, die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit aus § 1064 Abs. 2\nund 3 ZPO. \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Beschluss vom 27.03.2006 wurde von Amts wegen zugestellt: \n--- \n| 19 \n--- \n| a) Der Glaubigerin am 31.03.2006 \n--- \n| 20 \n--- \n| b) Der Schuldnerin am 21.04.2006 \n---\n\n
138,388
olgkarl-2006-04-05-7-u-18905
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
7 U 189/05
2006-04-05
2019-01-07 14:00:57
2019-02-12 12:40:20
Urteil
## Tenor\n\n> I. Auf die Berufung der Klagerin wird das Urteil des Landgerichts Baden-\n> Baden vom 12.07.2005 -1 O 321/04 -im Kostenpunkt aufgehoben und im ubrigen\n> wie folgt abgeandert:\n\n1\\. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagerin 27.004,30 Euro nebst Zinsen\nin Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem Basiszinssatz seit 03.03.2004 zu zahlen.\n\n2\\. Im ubrigen wird die Klage abgewiesen.\n\n> II. Von den Kosten des ersten Rechtszugs tragen die Klagerin 1/10 und die\n> Beklagte 9/10. Die dort entstandenen außergerichtlichen Kosten der\n> Streithelferin tragt die Klagerin zu 1/10, im ubrigen behalt die\n> Streithelferin sie auf sich.\n\nDie Kosten des zweiten Rechtszugs tragt die Beklagte. Außergerichtliche Kosten\nder Streithelferin werden nicht erstattet.\n\n> III. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDie Zwangsvollstreckung kann gegen Sicherheitsleistung in Hohe von 110% des\naus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die\nGegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in Hohe von 110 % des jeweils zu\nvollstreckenden Betrages leistet.\n\n> IV. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin begehrt von der Beklagten restlichen Werklohn aus einem von\nder Streithelferin fur die Beklagte nach der VOB ausgeschriebenen Bauvorhaben.\nDas Landgericht, auf dessen Urteil wegen des Sach- und Streitstands im ersten\nRechtszug sowie der getroffenen Feststellungen Bezug genommen wird, hat die\nKlage abgewiesen, weil die Klagerin zusatzliche Vergutung fur von einem\ngemeinsam mit der Beklagten erstellten Aufmaß abweichende Massen nicht geltend\nmachen konne und eine Mehrforderung aufgrund einer von der Ausschreibung\nabweichenden Ausfuhrung der Bauleistung ebenfalls nicht berechtigt sei. Mit\nder Berufung verfolgt die Klagerin nur noch ihren Anspruch auf Zusatzvergutung\nwegen einer angeblich vom Vertrag abweichenden Ausfuhrungsanordnung der\nBeklagten in Hohe von insgesamt 27.004,30 Euro nebst Zinsen in Hohe von 5\nProzentpunkten uber dem Basiszinssatz seit 03.03.2004. Die Beklagte und die\nStreithelferin beantragen, die Berufung zuruckzuweisen und verteidigen das\nlandgerichtliche Urteil. Wegen des weiteren Sach- und Streitstands im zweiten\nRechtszug wird auf die gewechselten Schriftsatze nebst Anlagen Bezug genommen. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Berufung ist zulassig und begrundet. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Zwischen den Parteien ist lediglich noch im Streit, ob die Klagerin\naufgrund der spateren Anordnung der Beklagten zur Verwendung des\nPflastersteines des Typs "Buhl" eine Mehrforderung gem. § 2 Nr. 5 VOB/B\ngeltend machen kann. Das Landgericht hat einen solchen Anspruch abgelehnt,\nweil die Ausschreibung im Leistungsverzeichnis Pos. 450, 452, 475 und 477 so\nauszulegen sei, dass die Verlegung des Pflasters des Typs "Buhl" geschuldet\nsei, die spatere Anordnung der Beklagten, statt des von der Klagerin\nvorgesehenen einfachen Betonpflasters ohne Granitvorsatz den "Typ Buhl" zu\nverwenden, deshalb keine Änderung der Ausfuhrung im Sinn des § 2 Nr. 5 VOB/B\nbegrundet habe. Diese Auslegung des Leistungsverzeichnisses ist fur den Senat\nnicht gem. § 529 Abs. 1 ZPO bindend und uberzeugt im Ergebnis auch nicht. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| 1\\. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist bei der Überprufung\ndes vom erstinstanzlichen Gerichts ermittelten Inhalts einer\nIndividualvereinbarung zu differenzieren, ob die Überprufung des ermittelten\nInhalts einer Individualvereinbarung ihren Schwerpunkt im tatsachlichen\nBereich, also bei der Feststellung des Erklarungstatbestands sowie der\nweiteren tatsachlichen Umstande, die fur das Verstandnis der Vereinbarung von\nBedeutung sind, liegt oder im normativen Bereich, in dem die festgestellten\nTatsachen uber den Inhalt einer Vereinbarung im Hinblick auf umstrittene\nRechtsfolgen zu wurdigen sind und dadurch der Inhalt des Vertrags rechtlich\nnaher zu bestimmen ist, was eine Anwendung des materiellen Rechts gem. § 546\nZPO ist (BGH, Urteil vom 14.07.2004 -VII ZR 164/03 -NJW 2004, 2751, 2752).\nDies bedeutet, dass fur die Feststellung des Erklarungstatbestands und\netwaiger anderen Tatsachen, die fur die Auslegung von Bedeutung sein konnten,\ndie Maßstabe des § 529 ZPO bei der Überprufung anzuwenden sind, also konkrete\nAnhaltspunkte fur Zweifel an der Vollstandigkeit und Richtigkeit der\nFeststellungen bestehen mussen, um die grundsatzliche Bindungswirkung der\nTatsachenfeststellung aufzuheben, wahrend bei der Wurdigung des\nVertragsinhalts und der Bestimmung der Rechtsfolgen, die von den Normen des\nmateriellen Rechts, insbesondere der §§ 133, 157 BGB und den daraus\nentwickelten methodischen Anweisungen (Gebot der Auslegung einer\nempfangsbedurftigen Willenserklarung nach ihrem objektiven Erklarungswert,\nGebot der beiderseits interessengerechten Auslegung) geleitet werden,\nlediglich eine rechtliche Überprufung (§ 546 ZPO) zu erfolgen hat (BGH a. a.\nO.). \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| 2\\. Nach diesen Grundsatzen ist der Senat nicht an die Auslegung des von\nden Parteien geschlossenen Vertrags -Angebot der Klagerin vom 15.01.2002, Anl.\nB 1, AH I 407, Auftragsschreiben der Beklagten vom 28.02.2002, Anl. K 1, AH I\n5 -durch das Landgericht gebunden. Es bestehen namlich konkrete Anhaltspunkte\nfur Zweifel an der Vollstandigkeit der Feststellungen der fur die Ermittlung\ndes Erklarungstatbestands zu berucksichtigenden Tatsachen gem. § 529 ZPO. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Werkvertrag zwischen den Parteien ist durch die Annahme des Angebots\nder Klagerin durch die Beklagte zustande gekommen. Fur die Auslegung des\nVertrags kommt es daher zunachst darauf an, wie gem. §§ 133, 157 BGB die\nBeklagte nach dem objektiven Erklarungswert das Angebot der Klagerin, das\nnicht durch Ausfullen des Leistungsverzeichnisses aus den\nAusschreibungsunterlagen, sondern auf eigenem Papier erfolgte, verstehen\ndurfte und musste. Denn daraus ergibt sich der Inhalt des Vertragsangebots. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| a) In dem Angebot werden zu den Pos. 01.01.0450, 0452, 0475 und 0477\njeweils "Pflaster aus Betonpflastersteinen" zu Einheitspreisen von 16,91 Euro\nbis max. 25,71 Euro (fur die Kleinflache) angeboten (Angebot vom 15.01.2002 S.\n5, AH I 415, 419). Eine nahere Bezeichnung der Steine erfolgt nicht. Es wird\nweder der Typ des angebotenen Steins, der Hersteller noch Farbe oder eine\nBeschreibung der Qualitat (mit oder ohne Granitvorsatz) aufgefuhrt. Dieser\nWortlaut, der gleichlautend mit dem Wortlaut fur die angebotenen Steine in der\nPos. 0455 ist (Stellplatzmarkierungen), die unstreitig bereits nach dem\nLeistungsverzeichnis ohne Granitvorsatz geschuldet waren, spricht zunachst\ndafur, dass Steine ohne Granitvorsatz gemeint waren. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| b) Fur diese Auslegung spricht aus der Sicht der Beklagten auch, die\ndaruber hinaus bei der Ausschreibung die Streithelferin als Architekt\neingeschaltet hatte, der angebotene Preis. Wie die Beklagte selbst ausfuhrt,\nwurden die Steine "Buhl" fur mehrere Bauvorhaben der S. verwendet. Der Stein\n"Buhl" ist aber unstreitig bereits im Einkaufspreis rund 14,30 Euro teuerer\nals der einfache Betonpflasterstein ohne Granitvorsatz. Dementsprechend hatte\nbei gehoriger Prufung des Angebots auffallen mussen, dass die Preisspanne fur\ndie Materialkosten erheblich unter dem ublichen Kalkulationspreis liegt. Dies\nhat entgegen der Auffassung der Streithelferin nichts mit der Erkennbarkeit\neines Kalkulationsirrtums zu tun, sondern ist ein Umstand der fur das\nobjektive Verstandnis eines mit der Ausschreibung vertrauten Angebotsprufers\nvon Bedeutung ist. Aus den von der Streithelferin vorgelegten Auswertung der\nAngebote ergibt sich dann auch -auf die Endpreise fur den Gesamtauftrag kommt\nes insoweit nicht an -die Diskrepanz zwischen dem Angebot der Klagerin und der\nMitbieter V. GmbH einerseits und den ubrigen Bietern andererseits, die fur die\nstreitigen Positionen ganz uberwiegend einen mehr als doppelt so hohen Preis\nverlangen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| c) Dieser Auslegung steht nicht das dem Angebot der Klagerin zugrunde\nliegenden Leistungsverzeichnis der Beklagten entgegen. Das Landgericht ist bei\nseiner Auslegung davon ausgegangen, durch den der Ausschreibung beigefugten\nÄnderungsvermerk (Anl. K 2, AH I 195) seien in den streitgegenstandlichen\nPositionen der Leistungsbeschreibung die Worte "mit Granitvorsatz" gestrichen\nworden und somit jedwede allgemeine Beschreibung der Qualitat entfallen. Durch\ndas Belassen der Zeile "Typ Buhl" sandgestrahlt sei danach die Beschaffenheit\ndes zu verwendenden Pflastersteines ausschließlich bestimmt worden, namlich in\nder Weise, dass ein Stein mit Vorsatz mit Granitanteilen in einer rosa\nFarbgebung geschuldet war. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Dieser Auslegung kann der Senat nicht beitreten. Es kann fur die Auslegung\ndes geanderten Leistungsverzeichnisses nicht der Wortlaut der\nÄnderungsanordnung außer Betracht bleiben. Dort heißt es, in den Positionen\n450, ... sei angegeben, "dass die Rechteckpflastersteine mit Granitvorsatz\nhergestellt werden". Unter "Änderung" heißt es dann, "fur die Pos. 450, ... -\n**ohne Granitvorsatz** ". Dies ist nach dem objektiven Empfangerhorizont der\nangesprochenen Fachkreise so zu verstehen, dass das Pflaster ohne\nGranitvorsatz herzustellen sei. Es handelt sich damit nicht lediglich um eine\nStreichung der Worte, sondern um eine positive Umschreibung. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Dabei ubersieht der Senat nicht, dass in dem Änderungsvermerk unter der\nPos. 455 ausdrucklich der Stein "Typ Buhl" gestrichen wurde und es konsequent\ngewesen ware, dies auch fur die anderen Positionen zu tun. Allerdings ist aus\nder Sicht der Bieter die Streichung des "Typ Buhl" in der Pos. 455 bereits zur\nVermeidung von Widerspruchen zwingend, da dort als Farbe anthrazit angegeben\nist, wahrend der Stein "Buhl" gerade durch die Farbgebung rosa definiert ist.\nInsoweit wurde ein offensichtlicher Widerspruch beseitigt. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Bei diesem Verstandnis schied allerdings der Stein "Buhl" der Fa K. fur die\nVerarbeitung aus, obwohl dieser als Bezeichnung in diesen Positionen der\nLeistungsbeschreibung verblieb. Denn dieser "Typ Buhl" ist definiert durch\neinen Vorsatz, der uberwiegend aus verschiedenen Graniten besteht und dem zur\nFarbgebung Porphyr zugemischt wird. Allerdings ist zu beachten, dass der Stein\n"Typ Buhl" unstreitig nur von der Fa. K. hergestellt wird, wahrend nach der\nLeistungsbeschreibung auch Steine anderer Hersteller angeboten werden konnten,\ndie gleichwertig waren. Unstreitig ist ein ahnlicher Stein dieser Farbgebung\nmit dem entsprechenden oder einem ahnlichen Vorsatz jedoch nicht auf dem\nMarkt. Da die Steinart im Zusammenhang mit dem Format des Steins, der\nVerlegeart und dem Fugenbild genannt ist, konnte danach, da angesichts des\nobjektiven Verstandnisses, dass ohne Granitvorsatz gearbeitet werden sollte,\nder genannte Stein nicht in Betracht kam, dieser als Hinweis fur die Optik\nverstanden werden, z. B. hinsichtlich der Farbgebung, die auch bei einem\neinfachen Betonpflasterstein verandert werden kann (vgl. das Schreiben der K.\nAG vom 23.12.2004, AH I 431). \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Nach alldem konnten die Bieter, so auch die Klagerin, davon ausgehen, dass\nnach der Änderung der aufgefuhrte Stein "Buhl" nur eine optische Beschreibung\ndarstellte, nicht aber das Angebot dieses Steins erforderte. Wird dieses\nobjektive Verstandnis zugrunde gelegt, so konnte wiederum die Beklagte das\nAngebot der Klagerin uber Betonpflastersteine ohne irgendwelche Zusatze zu\neinem weit unter dem Preis des Steines "Buhl" liegenden Preises nur dahin\nverstehen, dass hier einfacher Betonpflasterstein angeboten wurde. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Auffassung der Beklagten, durch die Änderung sei lediglich eine\nUnklarheit beseitigt worden, weil es sich bei dem Vorsatz des Steines "Buhl"\nnicht um einen Granitvorsatz handele, sondern um eine Mischung mehrerer\nGranite und etwas Porphyr, die spater durch Wasserstrahlen oder Sandstrahlen\nweiter bearbeitet wird, uberzeugt nicht. Vielmehr war zunachst fur Fachkreise\nklar, wie sich auch aus dem Schreiben der K. AG ergibt, dass ein Stein mit\nVorsatz zu verwenden ist. Durch den "Typ Buhl" wurde zusatzlich verdeutlicht,\ndass es um einen farblich bestimmt gestalteten Vorsatz handelt, der ganz\nhauptsachlich aus Granit besteht. Da die Beklagte in der Leistungsbeschreibung\nauch die Verwendung von Pflastersteinen anderer Hersteller, so weit diese\ngleichwertig waren, zugelassen hat, war zunachst klar, dass ein ahnlich\ngestalteter Stein mit entsprechendem Granitvorsatz verwendet werden konnte.\nGerade diese Klarheit wurde durch die Änderungsanordnung beseitigt. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| d) War das Angebot der Klagerin objektiv in dem soeben dargelegten Sinne\nAngebot einfacher Betonpflastersteine -zu verstehen, so konnte wiederum die\nKlagerin gem. §§ 133, 157 BGB vom Horizont eines verstandigen Empfangers das\nAuftragsschreiben der Beklagten nur so verstehen, dass ihr Angebot in dem\nobjektiv ermittelten Sinne ohne Vorbehalte angenommen wurde. Der Vertrag ist\ndem entsprechend in diesen Positionen uber die Verlegung einfacher\nBetonpflastersteine zustande gekommen. Danach handelte es sich bei der\nunstreitigen nachtraglichen Anordnung durch einen dazu berechtigten\nMitarbeiter der Beklagten, Steine des Typs "Buhl" zu verwenden, um eine\nabandernde Anordnung gem. § 2 Nr. 5 VOB/B, so dass die Klagerin berechtigt\nwar, eine Nachkalkulation vorzunehmen. Diese wurde von der Beklagten der Hohe\nnach nicht in Frage gestellt. Erstmals im Senatstermin(!) hat die Beklagte\nbemangelt, dass darin Zulagen enthalten seien, die nicht angesetzt werden\nkonnten. Dieses Bestreiten ist gem. § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO nicht zuzulassen,\nda weder vorgetragen noch ersichtlich ist, weshalb dieser Einwand nicht\nbereits im ersten Rechtszug erhoben wurde. Es ist daher von Nachlassigkeit\nauszugehen. Es ist auch nicht Aufgabe des Gerichts, die einzelnen Positionen\nder Schlussrechnung (hier jeweils Einheitspreis des Nachtrags: 18,09 Euro\nnetto), deren Angemessenheit nie bestritten wurde, anhand der Kalkulation\n(hier Nachtragskalkulation 1, AH I 397 f.) von Amts wegen zu uberprufen. Zumal\ninsbesondere die nunmehr bemangelte Berucksichtigung von Zulagen zum\nMaterialpreis nicht ohne weiteres als unberechtigt angesehen werden kann.\nSomit hat die Klagerin einen Anspruch in Hohe der noch geltend gemachten\n27.004,30 Euro. \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Zinsanspruch beruht auf §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. \n--- \nIII. \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO, die\nEntscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. \n--- \n---\n\n
138,561
lsgbw-2008-05-07-l-5-kr-612506
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 5 KR 6125/06
2008-05-07
2019-01-07 14:02:59
2019-01-17 11:58:45
Urteil
## Tenor\n\nDie Berufung der Klagerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom\n21.9.2006 wird zuruckgewiesen.\n\nDie Klagerin tragt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\nDer Streitwert wird auf 600.000 EUR festgesetzt.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin wendet sich gegen die Streichung von Untergruppen der\nProduktgruppe 32 (Therapeutische Bewegungsgerate) des\nHilfsmittelverzeichnisses, in denen (u.a.) technische Produktanforderungen und\nmedizinische Anwendungsbereiche fur fremdkraftbetriebene\nGelenkbewegungsschienen (Continuous Passive Motion Schienen - CPM-Schienen)\nbeschrieben waren. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin ist als nach eigener Darstellung großter deutscher Hersteller\nvon CPM-Schienen Leistungserbringerin der gesetzlichen Krankenkassen und hat\nbisher durchschnittlich etwa 20.000 ambulante Versorgungen pro Jahr bei\ngesetzlich Versicherten durchgefuhrt. Im Jahr 2003 hat sie nach eigenen\nAngaben etwa 39 Prozent ihres Umsatzes mit der Vermietung und dem Verkauf von\nCPM-Schienen erwirtschaftet und mit Herstellung, Vermietung, Vertrieb und\nWartung der CPM-Schienen etwa 127 Mitarbeiter beschaftigt. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Bekanntmachung vom 9.5.1996 (BAnZ Nr. 145; SG-Akte Klageverfahren I, S.\n119) hatten die Beklagten (Spitzenverbande der gesetzlichen Krankenkassen)\neine Produktgruppe 32 - Therapeutische Bewegungsgerate - in das\nHilfsmittelverzeichnis aufgenommen (vgl. Verwaltungsakte IV S. 879).\nFestgelegt wurden (in der zugehorigen Untergruppe) zunachst die\nAnwendungsorte. Unter dieser Rubrik waren verschiedene fremdkraftbetriebene\nBewegungsschienen aufgefuhrt, unter anderem unter Nr. 32.02.01\nSprunggelenksbewegungsschienen, unter Nr. 32.04.01 Kniebewegungsschienen,\nunter Nr. 32.05.01 Huftbewegungsschienen, unter Nr. 32.08.01\nEllenbogenbewegungsschienen und unter Nr. 32.09.01 Schulterbewegungsschienen.\nEs folgten Definition und Indikationsbereiche; letztere umfassten neben der\nstationaren auch den hauslichen Einsatz der CPM-Schienen. Schließlich waren\nins Einzelne gehende Vorgaben hinsichtlich der medizinischen und technischen\nAnforderungen an Motorbewegungsschienen benannt (i.e. SG-Akte Klageverfahren\nI, S. 119 ff.). \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Beschluss vom 8.7.2004 strichen die Spitzenverbande der gesetzlichen\nKrankenkassen die vorstehend genannten Produktuntergruppen der Produktgruppe\n32 (einschließlich der darin enthaltenen Definitionen, Indikationsbereiche und\ntechnischen sowie medizinischen Anforderungen) ersatzlos (i.e.:\nVerwaltungsakte II, S. 1607); zuvor hatten sie (u.a.) die Hersteller der in\nRede stehenden Hilfsmittel bzw. deren Verbande angehort. Ein\nGrundsatzgutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDS)\nvom 15.10.2002 (Verwaltungsakte IV S. 870 ff.) hatte den therapeutischen\nNutzen einer hauslich durchgefuhrten passiven Bewegungstherapie unter Einsatz\nvon CPM-Schienen als nicht bewiesen erachtet. Vor Erlass des Beschlusses vom\n8.7.2004 war der Verband CPM-Therapie e.V. angehort worden (Schreiben vom 5.\nDezember 2001). Der Beschluss wurde am 7.8.2004 bekannt gemacht (BAnZ Nr.\n147). \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Schreiben vom 17.8.2004 (Verwaltungsakte II, S. 1481) legte die Klagerin\nWiderspruch ein. Der Beklagte Nr. 1, insoweit im Namen der anderen Beklagten\nhandelnd, teilte der Klagerin unter dem 27.8.2004 mit, der Widerspruch sei\nunzulassig, weil es sich bei der Streichung von Produktuntergruppen aus dem\nHilfsmittelverzeichnis weder um einen Verwaltungsakt handele noch subjektive\nRechte der Klagerin betroffen seien (Verwaltungsakte II S. 1580). Den\nProduktuntergruppen des Hilfsmittelverzeichnisses komme allein eine interne\nOrdnungsfunktion zu, die erst durch die Verknupfung der inhaltlichen\nEntscheidung mit der Aufnahme eines (konkreten) Produktes in das\nHilfsmittelverzeichnis wesentlich aufgewertet werde. Die CPM-Schienen wurden\nim Übrigen bei stationaren Behandlungen nach wie vor eingesetzt. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Am 6.9.2004 erhob die Klagerin Klage beim Sozialgericht (SG) Freiburg.\nAußerdem suchte sie am 17.9.2004 um vorlaufigen Rechtsschutz nach. Zur\nBegrundung beider Rechtsbehelfe trug sie im Wesentlichen vor, im Jahr 1996\nseien die in Rede stehenden Produktuntergruppen durch Verwaltungsakt, und zwar\ndurch Allgemeinverfugung, in das Hilfsmittelverzeichnis aufgenommen worden.\nDeshalb stelle die Streichung der Produktuntergruppen als actus contrarius\nebenfalls einen Verwaltungsakt dar, gegen den (mit aufschiebender Wirkung)\nWiderspruch und Klage erhoben werden konne. Lehne man einen Verwaltungsakt ab,\nliege jedenfalls die Änderung einer normahnlichen Regelung vor; diese habe ihr\nRechte eingeraumt, in die mit der Streichung der Produktuntergruppen\neingegriffen werde. Deshalb habe sie das Recht, die Nichtigkeit bzw.\nUnanwendbarkeit der Streichung feststellen zu lassen. Durch die Entscheidung\nder Spitzenverbande der gesetzlichen Krankenkassen sei sie in massive\nwirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Richtig sei zwar, dass bis November 2001 (gar) keine fremdkraftbetriebenen\nBewegungsschienen als (konkrete) Einzelprodukte im Hilfsmittelverzeichnis\ngelistet gewesen seien und man in der Folgezeit - durch Bescheide vom\n29.11.2001 - (nur) zwei Kniebewegungsschienen eingetragen habe. Die\nbetroffenen Hersteller hatten jedoch allein wegen des hohen Kostenaufwandes\nauf die Eintragung weiterer Einzelprodukte verzichtet. Mit Bescheiden vom\n9.8.2004 seien auch die beiden einzigen gelisteten Produkte aus dem\nHilfsmittelverzeichnis gestrichen worden; dies sei aber Gegenstand eines\nanderen Rechtsstreits. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Fremdkraftbetriebene Bewegungsschienen fur Sprunggelenke, Hufte, Ellenbogen\nund Schulter wurden daher ausschließlich als nicht gelistete Produkte unter\nBeachtung der im Hilfsmittelverzeichnis (in Untergruppen) definierten\nQualitatsmaßstabe abgegeben. Diese Praxis habe sich aus der genauen\nUmschreibung der verordnungsfahigen Produkte bzw. der an sie gestellten\ntechnischen Anforderungen und der medizinischen Einsatzfelder entwickelt. Sie,\ndie Klagerin, habe die in Rede stehenden Hilfsmittel daher an gesetzlich\nVersicherte abgeben konnen, ohne dass es notwendig gewesen ware, sie als\neinzeln gelistete Produkte in das Hilfsmittelverzeichnis eintragen zu lassen.\nNur eine bestimmte Kniebewegungsschiene (Artromot K2 PRO) sei unter Produkt\nNr. 32.04.01.0002 eingetragen gewesen (vgl. Verwaltungsakte IV S. 934, 933);\ndie Loschung dieser Einzellistung sei aber nicht Gegenstand des vorliegenden\nVerfahrens. Die hier streitige Entscheidung der Beklagten zur Loschung der\nfraglichen Untergruppen finde im Gesetz keine Stutze. Außerdem sei das\nGrundsatzgutachten des MDS vom 15.10.2002 fehlerhaft und insgesamt\nunzutreffend. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Beklagte Nr. 1 trug vor, durch die Streichung der Produktuntergruppen\nsei die Klagerin in Rechten nicht betroffen. Produkte der Klagerin seien im\nHilfsmittelverzeichnis namlich nicht gelistet gewesen; darauf habe sie\nverzichtet und deshalb auch keine rechtlich geschutzte Position erworben. Auf\nwelcher Grundlage sie sich am Markt wirtschaftlich betatigen wolle, musse die\nKlagerin selbst entscheiden. Sie konne nicht beanspruchen, dass ihre\nbisherigen (tatsachlichen) Erwerbschancen unverandert bestehen blieben. Die\nFortschreibung der Produktgruppe 32 sei nicht durch Verwaltungsakt\n(Allgemeinverfugung) erfolgt. Vielmehr stelle das Hilfsmittelverzeichnis nur\neine verwaltungsinterne Orientierungshilfe dar und werde erst dann, wenn es um\ndie konkrete Entscheidung uber die Aufnahme (Listung) eines bestimmten\nProduktes gehe, als Entscheidungshilfe herangezogen. Schließlich wurden CPM-\nSchienen vor allem im stationaren Bereich nachgefragt; dort seien sie nach wie\nvor allgemein anerkannter Stand der medizinischen Versorgung. Zweifel seien\nnur hinsichtlich des therapeutischen Nutzens in der hauslichen Anwendung\naufgetreten. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Mit Beschluss vom 25.11.2004 wies das Sozialgericht den Antrag auf Erlass\neiner einstweiligen Anordnung zuruck. Zur Begrundung fuhrte es aus, die\nBeklagten hatten einen mit aufschiebender Wirkung anfechtbaren Verwaltungsakt\nnicht erlassen. Durch die Aufnahme der in Rede stehenden Produktuntergruppen\n(bzw. die damit vorgenommene Festschreibung bestimmter technischer und\nqualitativer Anforderungen an CPM-Schienen) seien namlich nur\nQualitatsstandards i. S. des § 139 Abs. 1 Satz 2 SGB V (a.F.; jetzt: § 139\nAbs. 2 SGB V i.d.F. des Gesetzes zur Starkung des Wettbewerbs in der\ngesetzlichen Krankenversicherung - GKV-WSG - vom 26.3.2007, BGBl I, S. 378) im\nHilfsmittelverzeichnis veroffentlicht, jedoch keine von der Leistungspflicht\numfassten (konkreten) Hilfsmittel aufgefuhrt worden. Aus § 139 Abs. 2 Satz 5\nSGB V (a.F.; § 139 Abs. 6 Satz 4 SGB V n.F.) gehe aber hervor, dass nur uber\ndie Aufnahme (Listung) bestimmter Hilfsmittel in das Hilfsmittelverzeichnis\nein Bescheid zu erteilen sei. Deshalb habe der Hersteller eines Hilfsmittels\nauch einen Anspruch auf Bescheidung eines Listungsantrags. Einen solchen\nAntrag habe die Klagerin jedoch nicht gestellt. Bei den in den\nProduktuntergruppen aufgefuhrten Qualitatsstandards handele es sich\ndemgegenuber um eine Art antizipierter Sachverstandigengutachten, die die\nSpitzenverbande bei der Entscheidung uber Antrage auf Aufnahme bestimmter\nneuer Hilfsmittel in das Hilfsmittelverzeichnis beachten mussten. Auch der\nErlass einer einstweiligen Anordnung sei nicht moglich. Eine Rechtsverletzung\nkonne die Klagerin nicht geltend machen. Denn sie habe lediglich faktische\nVorteile genutzt, die sich aus der Aufnahme der umstrittenen\nProduktuntergruppen in das Hilfsmittelverzeichnis fur sie ergeben hatten; es\nhabe sich namlich gezeigt, dass Vertragsarzte und Krankenhauser weitgehend die\nCPM-Schienen der Klagerin verordnen wurden. Auf die rechtliche Absicherung\ndieser gunstigen Marktposition durch einen Antrag auf Aufnahme ihrer Produkte\nin das Hilfsmittelverzeichnis habe die Klagerin jedoch verzichtet. Deshalb\nhabe sie auch keinen Rechtsanspruch darauf, dass die gunstigen\nMarktverhaltnisse ungeschmalert bestehen blieben. Ein solcher Anspruch folge\nauch nicht aus Art. 12 GG. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Auf den ihr am 29.11.2004 zugestellten Beschluss legte die Klagerin am\n29.12.2004 Beschwerde ein. Sie bekraftigte ihr bisheriges Vorbringen und trug\nerganzend vor, mit Blick auf die in Art. 19 Abs. 4 GG garantierte Gewahrung\neffektiven Rechtsschutzes musse es genugen, wenn nicht ausgeschlossen werden\nkonne, dass die Entscheidung der Spitzenverbande vom 8.7.2004 als\nVerwaltungsakt zu qualifizieren sei. Angesichts der berufsregelnden Tendenz\ndes Hilfsmittelverzeichnisses konne es auf dessen wahre Rechtsnatur\nletztendlich nicht ausschlaggebend ankommen; (vorlaufiger) Rechtsschutz musse\nwegen Art. 12 GG moglich sein. Aus den im Hilfsmittelverzeichnis - in den\nUntergruppen der Produktgruppe 32 - getroffenen Regelungen habe sich ergeben,\ndass die in den Untergruppen genau beschriebenen CPM-Schienen zu Lasten der\ngesetzlichen Krankenkassen hatten verordnet werden durfen. Rechtliche\nWirkungen habe das Hilfsmittelverzeichnis schon deshalb, weil die\nLeistungserbringer bei ihrer Zulassung vertraglich an dessen Inhalt gebunden\nseien und der Hersteller des Hilfsmittels Definitionen, Produktbeschreibungen\nund Qualitatsanforderungen beachten musse, wenn er sein Produkt im Bereich der\ngesetzlichen Krankenversicherung absetzen wolle. Schließlich musse vorlaufiger\nRechtsschutz bei Notwendigkeit einer Interessenabwagung auch deshalb gewahrt\nwerden, weil die Entscheidung der Spitzenverbande vom 8.7.2004 mangels\nErmachtigungsgrundlage rechtswidrig gewesen sei. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Sollte man die Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses nicht als\nVerwaltungsakt einstufen, ware eine einstweilige Anordnung zu erlassen. Die\nEntscheidung der Spitzenverbande weise eine Vielzahl von Mangeln auf und\nverletze ihre Grundrechte aus Art. 12 GG, da das Hilfsmittelverzeichnis fur\ndas Verordnungsverhalten der Vertragsarzte marktsteuernde Wirkung habe. Die\numstrittenen Änderungen gingen in ihren Konsequenzen weit uber die\nAuswirkungen der Loschung eines (bislang eingetragenen) einzelnen Hilfsmittels\nhinaus. Wegen der in den Produktuntergruppen enthaltenen umfassenden und sehr\nprazisen Beschreibung der verordnungsfahigen Gerate, Einsatzbereiche und\nErkrankungen habe man den Produktuntergruppen auch ohne Listung einzelner\nProdukte letztendlich entnehmen konnen, welche Gerate verordnungsfahig seien;\nes liege deshalb der Sache nach eine Gruppenlistung vor. Schließlich\nbehaupteten die Beklagten zu Unrecht, dass die Wirksamkeit der CPM-Therapie\nnicht nachgewiesen sei. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Beklagte Nr. 1 verteidigte den Beschluss des Sozialgerichts und trug\nvor, die Entscheidung uber die Aufnahme von Produktuntergruppen in das\nHilfsmittelverzeichnis bzw. deren Streichung sei kein Verwaltungsakt. Damit\nwurden nur Qualitatsstandards fur ahnliche oder gleichartige Produkte\nbeschrieben, die als Basisvoraussetzungen fur die Aufnahme in das\nHilfsmittelverzeichnis erfullt sein mussten. Keinesfalls konne diese abstrakte\nBeschreibung die Prufung eines speziellen Gerates im Einzelfall ersetzen. Nur\nhieruber werde aber durch Verwaltungsakt entschieden. Um einen solchen\nSachverhalt gehe es hier jedoch nicht. Die Klagerin erstrebe namlich gerade\nnicht die Listung eines ihrer Produkte und sie wende sich auch nicht gegen die\nStreichung eines bereits gelisteten Produktes aus dem Hilfsmittelverzeichnis.\nEin Eingriff in das Grundrecht aus Art. 12 GG liege nicht vor. Denn der\nKlagerin, deren Produkte nicht im Hilfsmittelverzeichnis gelistet gewesen\nseien und die dennoch nach eigener Aussage 20.000 gesetzlich\nKrankenversicherte habe versorgen konnen, sei weder vor noch nach der\nFortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses rechtlich garantiert gewesen,\ndass ihre Erzeugnisse zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet\nwerden konnten. Letztendlich hatten sich nur die fur die Klagerin gunstigen\nwirtschaftlichen Rahmenbedingungen in tatsachlicher Hinsicht geandert, was fur\ndie Annahme eines Grundrechtseingriffs freilich nicht genuge. Es stehe der\nKlagerin jederzeit frei, die Aufnahme eines Ihrer Produkte in das\nHilfsmittelverzeichnis zu beantragen; dafur seien Festlegungen in\nProduktuntergruppen nicht notwendig. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Mit Beschluss vom 10.6.2005 (- L 5 KR 5852/04 ER-B -) wies der Senat die\nBeschwerde zuruck. Zur Begrundung fuhrte er aus, die Anordnung der\naufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs nach § 86 b Abs. 1 SGG komme nicht\nin Betracht. Die Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses vom 8.7.2004 sei\nnicht durch Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch\n(SGB X) vorgenommen worden. Bei der Streichung von Produktuntergruppen im\nRahmen der Neuordnung des Inhaltsverzeichnisses des Hilfsmittelverzeichnisses\nfehle es an der Regelung oder der Gestaltung eines konkreten Einzelfalles, wie\ndies auch fur eine Allgemeinverfugung nach § 31 Satz 3 SGB X erforderlich sei\n(vgl. Krasney, in: Kasseler Kommentar, § 31 SGB X Rdnr. 14). Eine Regelung\nliege nur dann vor, wenn durch die Maßnahme ohne weiteren Umsetzungsakt Rechte\nbegrundet, geandert, aufgehoben oder verbindlich festgestellt wurden (so\nEngelmann, in: von Wulffen, Kommentar zum SGB X, § 31 Rdnr. 24). Das\nBundessozialgericht habe in seinem Urteil vom 31.8.2000 (- B 3 KR 21/99 R -,\nSozR 3-2500 § 139 Nr. 1) ausgefuhrt, dass nur die Entscheidung der\nSpitzenverbande der Krankenkassen uber die Aufnahme (Listung) eines\n(konkreten) Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis durch Verwaltungsakt\nvorgenommen werde. Im gegenwartigen Stadium seien fur die Produktgruppe 32\nkeine Hilfsmittel gelistet, sondern nur (in Untergruppen) abstrakt das\nHilfsmittel und dessen Indikationen sowie die medizinischen wie technischen\nAnforderungen beschrieben. Es bedurfe mithin noch der Umsetzung durch einen\nVerwaltungsakt, so entweder, wenn ein Hersteller, wie die Klagerin, die\nListung eines Hilfsmittels begehre oder der Versicherte mit einem konkreten\nHilfsmittel nach § 33 SGB V versorgt werden wolle. Das Hilfsmittelverzeichnis\nin seiner augenblicklichen Ausgestaltung der Produktgruppe 32 sei nur eine\nInformations- und Orientierungshilfe. Als solche konnten es die\nSpitzenverbande der Krankenkassen heranziehen, wenn sie uber einen Antrag auf\nListung eines neuen Hilfsmittels zu entscheiden hatten. Die Krankenkassen\nkonnten dem Hilfsmittelverzeichnis Anhaltspunkte fur die Prufung eines\nLeistungsantrags entnehmen. Das Verzeichnis entscheide aber nicht daruber, ob\nein konkretes Produkt zu Lasten der Krankenkasse verordnet werden durfe. Denn\nder Versicherte konne die Kostenubernahme noch immer einklagen, wenn er die\nNutzlichkeit des jeweiligen Hilfsmittels im Einzelfall nachweise. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses habe auch deshalb keinen\nRegelungscharakter, weil das Hilfsmittelverzeichnis selbst - ungeachtet seiner\nmarktsteuernden Wirkung fur das Verordnungsverhalten der Vertragsarzte - eine\neigenstandige Regelung uber die Verordnungsfahigkeit eines Hilfsmittels nicht\ntreffe (vgl. Knittel, in: Krauskopf, Kommentar zur gesetzlichen Kranken- und\nPflegeversicherung, § 128 Rdnr. 2). Der Anspruch des Versicherten auf\nVersorgung mit Hilfsmitteln richte sich namlich nur nach § 33 SGB V, d.h.\nmaßgebend sei allein die Notwendigkeit des konkreten Hilfsmittels im\nEinzelfall. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Das Hilfsmittelverzeichnis habe daher lediglich faktische Bedeutung. Daran\nandere es nichts, dass die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, die\nfur den Leistungsanspruch des Versicherten verbindlich seien (vgl. nunmehr §\n91 Abs. 9 SGB V), Regelungscharakter hatten und dass nach Nr. 8 der Heil- und\nHilfsmittelrichtlinien Hilfsmittel zu Lasten der Krankenkassen nur verordnet\nwerden konnten, sofern sie von der Leistungspflicht der gesetzlichen\nKrankenversicherung erfasst und im Hilfsmittelverzeichnis der Spitzenverbande\naufgefuhrt seien. Die Erstellung und Fortentwicklung des\nHilfsmittelverzeichnisses sei namlich allein Aufgabe der Spitzenverbande der\nKrankenkassen; der Gemeinsame Bundesausschuss wirke hieran unmittelbar nicht\nmit. Dieser solle zwar nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V Richtlinien u.a.\nuber die Verordnung von Heil- und Hilfsmitteln beschließen. Eine eigenstandige\nRegelung der Verordnungsfahigkeit von Hilfsmitteln durch den Bundesausschuss\nsei auf dieser Grundlage jedoch nicht erfolgt. Nr. 8 der Heil- und\nHilfsmittelRL enthalte demnach nur die Übernahme des Hilfsmittelverzeichnisses\nder Spitzenverbande im Sinne einer dynamischen Verweisung (BSG a.a.O. sowie\nSenatsbeschluss vom 18.5.2005 (- L 5 KR 5853/04 ER-B -). Auch gegenuber den\nHerstellern von Hilfsmitteln habe das Hilfsmittelverzeichnis in seiner\naugenblicklichen Ausgestaltung der Produktgruppe 32 allein faktische\nWirkungen. Rechtsfolgen wurden nur dann gesetzt und damit Regelungen durch\nVerwaltungsakt getroffen, wenn uber die Aufnahme eines konkreten Hilfsmittels,\netwa eines Produktes der Klagerin, in das Hilfsmittelverzeichnis oder uber\ndessen Streichung aus dem Hilfsmittelverzeichnis entschieden werde. Darum gehe\nes hier jedoch nicht. Vielmehr habe die Klagerin bewusst darauf verzichtet,\ndie Aufnahme ihrer Produkte in das Hilfsmittelverzeichnis zu betreiben, was\nihr eine entsprechende Rechtsposition verschafft hatte, deren Beseitigung nur\ndurch Verwaltungsakt moglich gewesen ware mit den daraus sich ergebenden\nFolgerungen fur die Gewahrung vorlaufigen Rechtsschutzes. Stattdessen habe sie\nsich mit den faktischen Wirkungen des Hilfsmittelverzeichnisses, die fur den\nerfolgreichen Absatz ihrer Produkte bislang offenbar ausreichten, zufrieden\ngegeben und konne deshalb jetzt nicht reklamieren, die Änderung dieser allein\nfaktischen Begunstigung vollziehe sich durch Rechts-, namentlich durch\nVerwaltungsakt. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Fur den Erlass einer damit allein in Betracht kommenden einstweiligen\nAnordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG fehle es am Anordnungsanspruch. Es\nkonne nicht festgestellt werden, dass die in der Hauptsache erhobene Klage\noffensichtlich zulassig und begrundet sei. Der Klagerin fehle es namlich an\neiner unmittelbaren Betroffenheit in eigenen Rechten. Die Fortschreibung des\nHilfsmittelverzeichnisses verandere zwar die wirtschaftliche Situation des\nHerstellers von Hilfsmitteln ebenso wie diejenige der Hilfsmittellieferanten\n(dazu Senatsbeschluss vom 18.5.2005, a. a. O.), greife aber nicht in seine\nRechtsstellung, auch nicht in sein Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG (i. V. m.\nArt. 19 Abs. 3 GG), ein. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Wie dargelegt, habe der Hersteller von Hilfsmitteln, wenn es um die Listung\nseines Produkts gehe, einen Anspruch darauf, dass ein von ihm gestellter\nAufnahmeantrag beschieden werde; das ergebe sich aus dem klaren Wortlaut des §\n139 Abs. 2 SGB V, wonach der Hersteller, wenn er Funktionstauglichkeit,\ntherapeutischen Nutzen und Qualitat nachweise, Anspruch auf Aufnahme des\nHilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis haben konne (so auch BSG a.a.O.).\nDie als Verwaltungsakt ergehende Entscheidung der Spitzenverbande befinde uber\nseine Aussichten, das (Listen-)Produkt auf dem Markt der GKV-Versicherten\nvertreiben zu konnen und beruhre seine Absatzmoglichkeiten nicht nur in\ntatsachlicher Hinsicht, sondern wirke unmittelbar auf seine Rechtsstellung\nein. Das gelte jedoch nicht, wenn - wie hier - nicht die Aufnahme eines\nkonkreten Produkts in das Hilfsmittelverzeichnis oder dessen Streichung in\nRede stehe, vielmehr nur (in Untergruppen des Hilfsmittelverzeichnisses)\nabstrakt Qualitatsstandards festgelegt und diese spater wieder gestrichen\nwurden. Denn damit veranderten sich allein die Rahmenbedingungen fur die\nwirtschaftliche Betatigung der Klagerin als Herstellerin von Hilfsmitteln in\ntatsachlicher Hinsicht und damit auch ihre tatsachlichen Erwerbsaussichten. In\nihre Rechtsstellung, insbesondere in ihre Rechte aus dem Grundrecht der\nBerufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), werde dadurch aber nicht eingegriffen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Wie der Senat in seinem Beschluss vom 18.5.2005 (a. a. O.) ausgefuhrt habe,\nfielen Regeln uber die Verordnungsfahigkeit von Hilfsmitteln primar in den\nSchutzbereich von Grundrechten der Versicherten, aber auch der Ärzte, soweit\nihr Verhalten und die Therapiefreiheit betroffen seien. Demgegenuber werde der\nSchutzbereich des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG bei den Herstellern (oder\nAnbietern) von Hilfsmitteln nicht beruhrt, wenn die Kostenubernahme gegenuber\nden Versicherten im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung geregelt\nwerde. Die Auswirkungen auf deren Berufsausubung seien bloßer Reflex der auf\ndas System der gesetzlichen Krankenversicherung bezogenen Regelung, aber kein\nGrundrechtseingriff (vgl. dazu auch BSG vom 24.11.2004, - B 3 KR 16/03 R -).\nDass faktisch Marktchancen betroffen wurden, andere hieran nichts.\nInsbesondere sichere Art. 12 Abs. 1 GG keine kunftigen Erwerbsmoglichkeiten\n(so auch BVerfG, Beschluss vom 20.11.1997, NJW 1998, 1218) und gebe auch\nkeinen grundrechtlichen Anspruch darauf, dass die Wettbewerbsbedingungen\nunverandert blieben. Ebenso wenig gewahrleiste das Grundrecht einen Anspruch\nauf Erfolg im Wettbewerb (vgl. BVerfGE 24, 236, 251; 34, 252, 256). Vielmehr\nunterlagen die Wettbewerbspositionen und damit auch der Umsatz und die Ertrage\ndem Risiko laufender Veranderung je nach den Marktverhaltnissen. Die\nBerufsfreiheit umfasse das Recht der am Markt Tatigen, die Bedingungen ihrer\nMarktteilhabe selbst festzusetzen. Insbesondere konne der Anbieter Art und\nQualitat sowie den Preis der angebotenen Guter und Leistungen selbst\nfestlegen. In gleicher Weise sei aber auch das Recht der Nachfrager geschutzt,\nzu entscheiden, ob sie zu diesen Bedingungen Guter erwerben oder Leistungen\nabnehmen wollten. Soweit Marktteilnehmer in ihrem Marktverhalten durch\ngesetzliche Regeln beschrankt wurden, sei dies an ihren Grundrechten zu\nmessen, nicht an denen der anderen Marktteilnehmer (so Senatsbeschluss vom\n18.5.2005, a. a. O.). \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Nach alledem konne die Klagerin die in Rede stehende Fortschreibung des\nHilfsmittelverzeichnisses bzw. die Loschung der in Untergruppen zur\nProduktgruppe 32 festgelegten technischen Anforderungen und medizinischen\nAnwendungsbereiche von CPM-Schienen auch mit ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs.\n1 GG nicht abwehren. Was galte, hatte die Klagerin die Listung ihrer Produkte\nbetrieben und sich nicht damit begnugt, die den Absatz tatsachlich\nbegunstigenden Folgewirkungen der recht konkret umschriebenen\nQualitatsstandards in den genannten Untergruppen des Hilfsmittelverzeichnisses\nauszunutzen, moge dahin stehen; ein solcher Fall liege, hier nicht vor. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Mit Urteil vom 21.9.2006 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begrundung\nnahm es im Wesentlichen auf die Grunde der im vorlaufigen\nRechtsschutzverfahren ergangenen Entscheidungen Bezug. Die Klagerin sei durch\ndie Streichung der fremdkraftbetriebenen Bewegungsschienen aus der\nProduktgruppe 32 des Hilfsmittelverzeichnisses in subjektiven Rechten nicht\nbetroffen. Einen Antrag auf Aufnahme eines bestimmten Hilfsmittels in das\nHilfsmittelverzeichnis habe die Klagerin nicht gestellt; nur uber Antrage\ndieser Art sei aber durch Verwaltungsakt zu entscheiden. Daran andere es\nnichts, dass die Qualitatsanforderungen, die Bewegungsschienen der\nProduktgruppe 32 erfullen mussten, detailliert festgelegt worden seien. Die im\nJahr 1996 vorgenommene Aufnahme der CPM-Bewegungsschienen in das\nHilfsmittelverzeichnis konne auch nicht mit der Festsetzung von Festbetragen\n(fur Arznei- und Verbandmittel) gem. § 35 Abs. 5 bis 7 SGB V verglichen\nwerden. Sie ahnele vielmehr eher der Bestimmung von Arzneimittelgruppen, fur\ndie Festbetrage festgesetzt werden konnten; hierzu erlassene Richtlinien des\nGemeinsamen Bundesausschusses stellten aber ebenfalls keine Verwaltungsakte\ndar. Die Streichung der CPM-Schienen und der zugehorigen technischen\nAnforderungen aus dem Hilfsmittelverzeichnis stelle daher (nur) einen Akt des\nVerwaltungsbinnenrechts, keinen Verwaltungsakt dar. Grundrechte der Klagerin\naus Art. 12 Abs. 1 GG seien ebenfalls nicht verletzt. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Auf das ihr am 14.11.2006 zugestellte Urteil hat die Klagerin am 8.12.2006\nBerufung eingelegt. Sie tragt erganzend vor, sie sei berechtigt, den Eingriff\nder Beklagten in den Regelungsbestand des Hilfsmittelverzeichnisses unter\nBerufung auf ihr Grundrecht aus Art 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) abzuwehren.\nAbzustellen sei auf die Rechtslage bei Streichung der in Rede stehenden\nProduktgruppe (Juli 2004); es komme auf die seinerzeit noch geltenden\nVorschriften an. Nach § 128 SGB V a. F. sei das Hilfsmittelverzeichnis weder\nals Rechtsverordnung noch als Satzung oder Richtlinie (Verwaltungsvorschrift)\neinzustufen. Zum Rechtscharakter des Hilfsmittelverzeichnisses habe sich das\nBSG noch nicht geaußert, jedoch entschieden, dass es keine fur Ärzte und\nKrankenkassen verbindliche Positivliste, sondern lediglich eine unverbindliche\nAuslegungshilfe fur die Krankenkassen darstelle. Demgegenuber scheine sich aus\nden Hilfsmittelrichtlinien, namentlich aus den diesen als Bestandteil\nbeigefugten Arztinformationen (Anlage 3 zu Nr. 8.2 der Hilfsmittelrichtlinien)\nbzw. dem BMV-Ä (vgl. § 92 Nr. 8 SGB V) eine Bindungswirkung fur die\nVertragsarzte zu ergeben; danach durften namlich nur die im\nHilfsmittelverzeichnis genannten Produkte zu Lasten der Krankenversicherung\nverordnet werden. Die Hilfsmittelrichtlinien hatten jedenfalls enorme\npraktische Bedeutung und marktsteuernde Wirkung, ungeachtet dessen, dass das\nBSG einen Widerspruch zur Gesetzeslage annehme (zuletzt: BSG, Urt. v.\n3.8.2006, - B 3 KR 25/05 R -). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Listung von Einzelprodukten sei entbehrlich, wenn das\nHilfsmittelverzeichnis Indikation und technische Produktanforderungen\neingehend vorgebe. Wurden die technischen Anforderungen eingehalten, sei das\njeweilige Hilfsmittel (auch ohne Einzellistung) verordnungsfahig. Damit spiele\ndas Hilfsmittelverzeichnis (fur CPM-Schienen) im ambulanten Bereich rechtlich\nund tatsachlich eine zentrale Rolle, ohne dass es darauf ankomme, ob das\nHilfsmittel nur allgemein erwahnt bzw. beschrieben oder als Einzelprodukt\ngelistet sei. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Im Hilfsmittelverzeichnis finde sich zu jeder der 39 Produktgruppen eine\nDefinition der ihr zugehorigen Hilfsmittel und eine Darstellung der\nIndikationen fur deren Anwendung (1. Ebene - Produktgruppe). Sodann wurden\nAnwendungsorte (Korperteile) fur den Hilfsmitteleinsatz benannt (2. Ebene -\nAnwendungsorte). Weiter wurden detaillierte Vorgaben zu den\nproduktartbezogenen medizinischen und technischen Anforderungen aufgestellt\n(3. Ebene - Untergruppe). Schließlich beziehe sich die Rubrik „Produktart" (4.\nEbene) auf die konkreten Produktgattungen (bspw. fremdkraftbetriebene\nKombinationstrainer fur Arme und Beine), die im Bereich „Beschreibung der\nProduktart" naher festgelegt und deren Abgabevoraussetzungen unter\n„Indikationen" detailliert geregelt wurden. Unter den „Produktarten" (4.\nEbene) wurden durch die Beklagten Einzelprodukte auf Antrag der Hersteller\nunter Vergabe einer vierstelligen Nummer gelistet, sofern diese die dafur\nnotwendigen Anforderungen erfullten. Die Einzellistung sei wegen der Vielzahl\nder Hilfsmittel derzeit noch unvollstandig und nur fur einzelne Produktgruppen\nabgeschlossen. Viele Produktgruppen enthielten noch gar keine oder nur wenige\nEinzelprodukte. Das spiele aber fur die (Verordnungs-)Praxis der Vertragsarzte\nkeine ausschlaggebende Rolle, weil die Verordnungsfahigkeit eines (nicht\n„einzelgelisteten" Produkts) schon aus der genauen Beschreibung der\nverordnungsfahigen Produkte folge. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| CPM-Schienen wurden als komplexe Medizinprodukte seit vielen Jahren weltweit\nsowohl stationar wie ambulant in der hauslichen Umgebung des Patienten\neingesetzt. Zur Verhinderung von Gelenkversteifungen sei eine kontrollierte\nfruhfunktionelle Bewegungstherapie mit CPM-Schienen nach Operationen wichtig\nund weltweit Standard. Nach vorheriger Einweisung und Anleitung konne der\nPatient die Therapie ohne zeitliche Unterbrechung (etwa durch Wochenenden)\nselbst zu Hause durchfuhren. Die Verwendung von CPM-Schienen stelle daher\nsowohl im stationaren wie im hauslichen Einsatz eine unverzichtbare Erganzung\nzur Physiotherapie dar. Damit musse unmittelbar postoperativ begonnen werden;\nhaufig wurden CPM-Schienen „aus der Klinik heraus" zur ambulanten Anwendung\nverordnet. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Das anerkannte und bewahrte Verfahren sei bis zum in Rede stehenden Eingriff\nder Beklagten in das Hilfsmittelverzeichnis von allen Krankenkassen anerkannt\nworden. Die Vertragsarzte hatten CPM-Schienen im Jahr 2003 etwa 50.000 mal\nverordnet. Der EBM 2000plus weise an zahlreichen Stellen Gebuhrennummern fur\ndie Behandlung bzw. die Überwachung der Behandlung mit CPM-Schienen im\nambulanten Bereich aus. Auch im ambulanten Bereich habe es sich daher nicht um\neine neue Behandlungsmethode gehandelt. Die Hersteller der CPM-Schienen hatten\ndennoch vor etwa 12 Jahren zusatzlich den Nachweis der Funktionstauglichkeit\nund des therapeutischen Nutzens i. S. d. § 139 SGB V erbracht. Daraufhin seien\ndie CPM-Schienen mit Bekanntmachung vom 9.5.1996 in einer eigenen neuen\nProduktgruppe 32 „Therapeutische Bewegungsgerate" in das\nHilfsmittelverzeichnis aufgenommen worden. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Ungeachtet dessen, dass erst mit Bescheiden vom 29.11.2001 zwei\nKniebewegungsschienen (als Einzelprodukte) gelistet worden seien (darunter ihr\nProdukt. „ARTROMOT K2 PRO") hatten die Krankenkassen schon seit 15.5.1996 die\nKosten fur verordnete Hilfsmittel der Produktgruppe 32 auch ohne Einzellistung\nubernommen, wenn die technischen Anforderungen der jeweiligen\nProduktuntergruppe erfullt worden seien. Aufgrund der vom Gemeinsamen\nBundesausschuss gemaß Nr. 8.2. der Hilfsmittelrichtlinien erstellten\nArztinformation habe es nur der Angabe der siebenstelligen Produktartnummer\nals solcher bedurft. Obwohl es dafur im SGB V (Stand 2004) keine\nRechtsgrundlage gebe, hatten die Beklagten im Hilfsmittelverzeichnis prazise\nproduktartbezogene medizinische und technische Anforderungen aufgestellt.\nInsgesamt sei der gesamte Bereich des Einsatzes von CPM-Schienen mit Hilfe\neiner Vielzahl von Definitionen, Standards, genauesten Beschreibungen der\nGerateanforderungen und insbesondere durch ausfuhrliche medizinische Hinweise\numfassend geregelt gewesen. Diese Regelungen mussten differenziert gewurdigt\nwerden; zumindest teilweise hatten sie den Charakter von Verwaltungsakten in\nder Form der Allgemeinverfugung. Die Beklagten hatten vor allem die\nIndikationen fur den Einsatz der CPM-Schienen im Hilfsmittelverzeichnis ohne\nentsprechende Rechtssetzungsermachtigung festgelegt. Sie hatten damit\nerreichen wollen und auch erreicht, dass die CPM-Schienen nur in den\nvorgesehenen Indikationsbereichen verordnet wurden. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Das Sozialgericht habe die Verwaltungsaktqualitat sowohl der Aufnahme wie\nder spateren Streichung der in Rede stehenden Produktuntergruppen daher zu\nUnrecht verneint. Hinweise auf technische Regelwerke (des\nImmissionsschutzrechts, § 48 BImSchG), wie die TA-Luft oder TA-Larm,\nuberzeugten nicht. Außerdem habe das Sozialgericht die hierzu ergangene\nRechtsprechung der Verwaltungsgerichte verkannt, wonach die genannten\nRegelwerke als auch fur die Gerichte eingeschrankt verbindliche\nnormkonkretisierende Verwaltungsvorschriften und nicht nur als antizipierte\nSachverstandigengutachten anzusehen seien. Das Hilfsmittelverzeichnis diene -\nanders als die technischen Anleitungen des Immissionsschutzrechts - nicht der\nKonkretisierung unbestimmter Rechtsbegriffe (wie des Begriffs der „schadlichen\nUmwelteinwirkung" in § 3 Abs. 1 BImSchG). Auch sollten damit keine\nErfahrungswerte (wie in den so genannten „Anhaltspunkten" des\nSchwerbehindertenrechts) festgelegt oder gutachterliche Erkenntnisse\nbeschrieben werden. § 139 SGB V eroffne den zustandigen Spitzenverbanden fur\ndas Hilfsmittelverzeichnis vielmehr einen weiten Handlungsspielraum und damit\ngleichsam eine Art gesetzgeberisches Ermessen. Sie konnten selbst daruber\nbefinden, welche Hilfsmittel zum Leistungskatalog der gesetzlichen\nKrankenkassen gehoren sollten. Um bloße Gesetzeskonkretisierung gehe es daher\nnicht. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Beklagten hatten ihre hier streitige Entscheidung (Streichung von\nUntergruppen der Produktgruppe 32) im Ansatz auf das Urteil des BSG vom\n30.8.2000 (- B 3 KR 21/99 R -) gestutzt und angenommen, dass sich die\nAnforderungen an die Aufnahme von Produkten in das Hilfsmittelverzeichnis\nverscharft hatten und die evidenzbasierten Kriterien fur die Bewertung neuer\nUntersuchungs- und Behandlungsmethoden nach den hierfur einschlagigen\nRichtlinien uber die Bewertung arztlicher Untersuchungs- und\nBehandlungsmethoden (BUB-Richtlinien) auch fur die Bewertung des\ntherapeutischen Nutzens von Hilfsmitteln maßgeblich seien. Davon ausgehend\nhabe der MDS im Rahmen einer Bewertung der vorliegenden Studien und\nStellungnahmen die Auffassung vertreten, dass der therapeutische Nutzen von\nCPM-Schienen fur den Einsatz im allgemeinen Lebensbereich der Patienten nicht\nhinreichend nachgewiesen sei. Im Hinblick darauf (und als Reaktion auf\nentsprechende Verlautbarungen und Rundschreiben) sei die Verordnung von CPM-\nSchienen praktisch vollig eingestellt worden. Dies verdeutliche die\n„Durchschlagskraft" der im vorliegenden Verfahren bekampften Entscheidung der\nBeklagten. Diese durfe nicht pauschal rechtlich qualifiziert werden. Vielmehr\nkonne bereits ein Teilakt (als Allgemeinverfugung) Verwaltungsaktqualitat\nhaben, was hier auch der Fall sei. Daher musse man die Streichung der in Rede\nstehenden Untergruppen als actus contrarius zu ihrer Einfugung in das\nHilfsmittelverzeichnis im Jahr 1996 einstufen. Diese habe aus 9 Seiten\ndetaillierter Regelungen zu mindestens 5 verschiedenen Bereichen bestanden.\nInsbesondere habe man sehr genau die Erkrankungen bzw. Verletzungen\nbeschrieben, bei denen CPM-Schienen eingesetzt werden durften. Diese\nmedizinischen Vorgaben seien von den technischen Gerateanforderungen zu\nunterscheiden. Jedenfalls den ganz speziellen medizinischen Vorgaben zur\nVerordnungsfahigkeit der 5 Gruppen von CPM-Schienen in der Bekanntmachung vom\n9.5.1996 komme Verwaltungsaktqualitat zu. Damit sei auch die jetzt vorgenommen\nStreichung als Verwaltungsakt anzusehen. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Im Hinblick auf die Befugnis zur Klageerhebung berufe sie sich auf das\nGrundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Dieses Grundrecht schutze\ndie Wettbewerbsfreiheit und auch die laufenden Geschaftsbeziehungen und\nAbsatzchancen eines Unternehmens. Ein Grundrechtseingriff liege schon dann\nvor, wenn das jeweilige hoheitliche Handeln Auswirkungen von einigem Gewicht\nhabe, in engem Zusammenhang mit der Ausubung des Berufs stehe und eine\nobjektiv berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen lasse. Die in Rede stehenden\nÄnderungen des Hilfsmittelverzeichnisses schlugen auf die Position eines\nHilfsmittelherstellers im Wettbewerb klar durch. Ohne Eintragung im\nHilfsmittelverzeichnis sei der Zugang zum Gesundheitsmarkt praktisch\nverschlossen. Mit der hier bekampften Änderung des Hilfsmittelverzeichnisses\nhabe man ihr die wirtschaftlich erfolgreiche Herstellung bzw. den\nerfolgreichen Vertrieb von CPM-Schienen massiv erschwert. So sei es zu einem\nUmsatzruckgang von 39% gekommen. Staatliche Maßnahmen hatten objektiv\nberufsregelnde Tendenz, wenn sie objektiv den Wettbewerb beeinflussten und so\ndie Berufsausubung behinderten; das sei hier der Fall. Um eine bloß\nreflexhafte (Fern-)Wirkung staatlichen Handelns gehe es nicht. Hier sei es\nvielmehr vorhersehbar (und beabsichtigt) zu einer schwerwiegenden\nBeeintrachtigung der Wettbewerbsfreiheit und der Geschaftschancen gekommen.\nDie Rechtsprechung zur Festbetragsregelung (etwa BSG, Urt. v. 24.11.2004, - B\n3 KR 16/03 R -) sei insoweit nicht einschlagig. Festbetrage konkretisierten\nnur die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung, beschrankten\ndiese auf wirtschaftliche Arznei- und Hilfsmittel (§ 23 SGB V) und sorgten fur\nTransparenz; ein Eingriff in die Berufsfreiheit der Unternehmen liege darin\nnicht. Die Streichung der hier maßgeblichen Untergruppen aus dem\nHilfsmittelverzeichnis habe demgegenuber ganzlich andere Auswirkungen. Sie\nverandere die Marktsituation massiv und mache eine bereits vorhandene Regelung\n- wie das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V - nicht nur transparent.\nDiese Auswirkungen seien, wie die e-Mail-Korrespondenz der Beklagten zeige,\nauch beabsichtigt gewesen. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Die angegriffene Maßnahme sei schließlich auch rechtswidrig. Sie konne sich\nnicht auf eine Rechtsgrundlage stutzen. § 139 SGB V (Stand Juli 2004) komme\ndafur nicht in Betracht, da dort nur von der Fortschreibung des\nHilfsmittelverzeichnisses die Rede sei; hierzu gehore allenfalls eine\nErganzung, Verfeinerung oder Prazisierung des Verzeichnisses, nicht aber die\nStreichung von Untergruppen bzw. der darin festgelegten Therapiehinweise. Im\nÜbrigen hatten die Beklagten auch ermessensfehlerhaft gehandelt. Ihre\nEntscheidung entspreche nicht dem allgemein anerkannten Stand der\nmedizinischen Erkenntnisse. Das Grundsatzgutachten des MDS vom 15.10.2002 zum\ntherapeutischen Nutzen des hauslichen Einsatzes von CPM-Schienen sei\nunrichtig. Der MDS habe die vorliegenden Studien unzureichend und willkurlich\ngepruft. Unabhangige Prufinstanzen (etwa das Forschungsinstitut CTTF oder\nProf. Dr. C., Universitatsklinik Heidelberg) hatten die Studie deswegen auch\nkritisiert. Danach sei die vom MDS behauptete Änderung der Erkenntnislage in\nder wissenschaftlichen Fachliteratur seit 1996 nicht nachvollziehbar. Nach wie\nvor sei der hausliche Einsatz von CPM-Schienen notwendig und sinnvoll, da\neindeutige Behandlungsvorteile zu beobachten seien. Hiermit hatten sich die\nBeklagten nicht hinreichend auseinandergesetzt. Davon abgesehen sei die\nBeklagte gar nicht berechtigt, in Anlehnung an das Urteil des BSG vom\n31.8.2000 (- B 3 KR 21/99 R -, „Magnetodyn") uberhaupt neue Studien nach der\nEvidenzstufe des § 9 Abs. 3 der BUB-Richtlinien zu verlangen. Das genannte\nUrteil habe namlich eine von der vertragsarztlichen Versorgung ausgeschlossene\nTherapie (nichtinvasive Magnetfeldtherapie) betroffen und sei auf Hilfsmittel,\ndie im Rahmen bereits geprufter und anerkannter Behandlungsmethoden eingesetzt\nwurden, von vornherein nicht anwendbar; das BSG habe dies im Urteil vom\n16.9.2004 (- B 3 KR 20/04 - ; „C-Leg") bestatigt (ebenso LSG Nordrhein-\nWestfalen, Urt. V. 20.9.2005, - L 5 KR 35/02 -). Die Beklagten hatten die BUB-\nRichtlinien- deren Anwendbarkeit unterstellt - damit fehlerhaft angewendet;\nneue und abweichende Erkenntnisse gebe es nicht. \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21.9.2006 aufzuheben und die\nEntscheidung der Beklagten Nr. 1 bis 7 vom 8.7.2004 (BAnz Nr. 147 vom\n7.8.2004) uber die Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses (Streichung\nder zur Produktgruppe 32 gehorenden Produktuntergruppen 32.02.01, 32.04.01,\n32.05.01, 32.08.01, 32.09.01 mit den darin enthaltenen technischen und\nmedizinischen Festlegungen fur die Anwendung von CPM-Schienen) sowie den\nWiderspruchsbescheid der Beklagten vom 27.8.2004 aufzuheben, \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| hilfsweise, \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21.9.2006 aufzuheben und\nfestzustellen, dass der genannten Entscheidung der Beklagten keine\nRechtswirkungen zukommen und deshalb nach wie vor die bis zum 6.8.2004\ngeltende Fassung des Hilfsmittelverzeichnisses anzuwenden ist. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Beklagten beantragen, \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Die in Rede stehenden\nProduktuntergruppen des Hilfsmittelverzeichnisses seien als antizipierte\nSachverstandigengutachten einzustufen, ahnlich den technischen Anleitungen des\nImmissionsschutzrechts. In den Produktuntergruppen habe der MDS auf Grund\nseines medizinisch technischen Sachverstands in ihrer Wirkungsweise\nvergleichbare Medizinprodukte zusammengefasst und hierfur gem. § 2 Abs. 1 Satz\n3 SGB V den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse und der\ntechnischen Notwendigkeit ermittelt. Die Vorgaben in den Qualitatsstandards\n(den Produktuntergruppen) stellten verwaltungsinterne Informationsquellen dar\nund wurden als solche von den Spitzenverbanden der gesetzlichen Krankenkassen\nin Verfahren zur Aufnahme neuer Hilfsmittel und von den einzelnen\nKrankenkassen zur Beurteilung von Hilfsmittelverordnungen herangezogen.\nAußerdem konne man die genannten Festlegungen auch als normkonkretisierende\nVerwaltungsvorschriften einstufen; sie konkretisierten die unbestimmten\nRechtsbegriffe „Qualitatsstandards" bzw. „Qualitatsanforderungen" in § 139 SGB\nV. Der Gesetzgeber habe diese Aufgabe den Spitzenverbanden der gesetzlichen\nKrankenversicherung zugewiesen, die sie mit Hilfe des MDS zu erfullen hatten.\nEntsprechende Regelungen fanden sich in vielen anderen Bestimmungen des SGB V\nund in anderen Versorgungsbereichen. Die Regelung in § 139 Abs. 2 SGB V n.F.\nbestatige dies. Danach konnten im Hilfsmittelverzeichnis indikations- oder\neinsatzbezogen besondere Qualitatsanforderungen festgelegt werden, soweit dies\nzur Gewahrleistung einer ausreichenden, zweckmaßigen und wirtschaftlichen\nVersorgung erforderlich sei. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Das Hilfsmittelverzeichnis konne seine Funktion als unverbindliche\nInformations- und Orientierungshilfe fur die Krankenkassen nur erfullen, wenn\nes regelmaßig fortgeschrieben, also aktualisiert werde und die gelisteten\nProdukte auch den neuesten medizinischen Erkenntnissen entsprachen. Das\nHilfsmittelverzeichnis besage nichts daruber, ob es auf dem Markt noch andere\nProdukte gebe, die genauso geeignet seien wie Listenprodukte. Auch\nhinsichtlich der Qualitatsstandards, also der Produktuntergruppen, diene das\nHilfsmittelverzeichnis nur als Orientierungshilfe. Die Krankenkassen konnten\ndaran nicht gelistete Produkte messen, die der Arzt im Einzelfall als aus\nseiner Sicht zweckmaßig und notwendig verordnet habe. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Bei der Entwicklung und Herstellung neuer Medizinprodukte durften sich die\nUnternehmen, die solche Produkte auf dem Hilfsmittelmarkt absetzen wollten,\nselbstverstandlich an den Qualitatsstandards des Hilfsmittelverzeichnisses\norientieren. Das sei freilich deren unternehmenspolitische Entscheidung. Eine\nRechtsbeziehung zur gesetzlichen Krankenversicherung bzw. deren\nLeistungstragern werde dadurch allein nicht begrundet; irgendwelche Rechte auf\nBesitzstandswahrung entstunden nicht. Vorliegend gehe es auch nicht um die\nListung bzw. Streichung eines bestimmten Einzelprodukts. Vielmehr stehe die\nallgemeine Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses hinsichtlich der (in\nProduktuntergruppen dargestellten) Qualitatsanforderungen in Rede, die sich am\nallgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse und am medizinischen\nFortschritt auszurichten und deswegen stetig weiter zu entwickeln hatten. Im\nHinblick darauf gehe es nicht an, einzelnen Beschreibungen des\nHilfsmittelverzeichnisses Regelungscharakter beizumessen, wie es die Klagerin\nunter Anwendung allgemein verwaltungsrechtlicher Grundsatze versuche. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Entgegen der Auffassung der Klagerin folge die Verordnungsfahigkeit von\nnicht im Hilfsmittelverzeichnis (einzel-)gelisteten Produkten nicht aus der\nErfullung der in den Untergruppen festgelegten Qualitatsstandards. Bei der\nGenehmigung einer Hilfsmittelverordnung sollten sich die Krankenkassen nur am\nHilfsmittelverzeichnis orientieren. Im alltaglichen Massengeschaft sei eine\neingehende Prufung nicht gelisteter Produkte nicht moglich. Verordne der Arzt\nein nicht gelistetes Hilfsmittel und außere der MDK keine Bedenken, werde die\nKasse die Verordnung akzeptieren, sofern im Hilfsmittelverzeichnis nicht ein\ngleichartiges oder gleichwertiges Produkt gelistet sei. Im Einzelfall komme es\nauf die Notwendigkeit des jeweils verordneten Hilfsmittels an.\nEinzelfallentscheidungen dieser Art hatten keine weiterreichende Bedeutung.\nWeder aus der Verordnungspraxis der Vertragsarzte noch aus der\nGenehmigungspraxis der Krankenkassen konnten allgemeine Aussagen uber die\nQualitat des Produkts abgeleitet werden. Hierfur komme es allein auf die\nAufnahme des Produkts in das Hilfsmittelverzeichnis an. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Die Produktuntergruppen (die darin beschriebenen allgemeinen\nQualitatsstandards) seien fur (noch) nicht gelistete Produkte insoweit von\nBelang, als danach deren Eignung zur Aufnahme (Listung) in das\nHilfsmittelverzeichnis zu beurteilen sei. Hieruber hatten nur die\nSpitzenverbande der Krankenkassen unter Mitwirkung des MDS zu befinden.\nHilfsmittelhersteller hatten Rechtsanspruche nur insoweit, als sie die\nAufnahme ihres Produkts in das Verzeichnis verlangen konnten, wenn\nFunktionstauglichkeit, therapeutischer Nutzen und Qualitat nachgewiesen seien\n(BSG, Urt. v. 31.8.2000, - B 3 KR 21/99 R -). Notwendig sei ein konkretes\nVerwaltungsverfahren zur Listung eines bestimmten Produkts. Die allgemeine\nNahe von Produkten zu den im Hilfsmittelverzeichnis allgemein beschriebenen\nStandards genuge nicht. Hersteller, die Produkte nicht zur Prufung gestellt\nhatten, konnten im Hinblick auf die Fortschreibung des\nHilfsmittelverzeichnisses keine Rechte auf Besitzstandswahrung geltend machen. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Die Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses sei als einheitlicher\nVorgang zu begreifen, der auch die Streichung einer Produktuntergruppe\nerfasse; dies sei vom Begriff „Änderung der Systematik und der Anforderungen"\ni.S.d. § 139 Abs. 8 SGB V umfasst. Aus der Einfuhrung einer neuen\nProduktgruppe im Jahr 1996 folge nicht, dass nunmehr alle Produkte, die deren\nHersteller als hiervon erfasst ansahen, nunmehr sogleich (als Einzelprodukte)\nin das Hilfsmittelverzeichnis aufzunehmen waren. Die Einfuhrung der neuen\nProduktgruppe zeige nur, dass sich die Spitzenverbande der gesetzlichen\nKrankenkassen gemeinsam mit dem MDS einer bestimmten Gruppe von Produkten\nsystematisch genahert hatten und fur diese Qualitatsstandards aufstellen oder\nuberarbeiten (aktualisieren) wollten. Der neuen Produktgruppe unterfallende\nund bereits - in der Auffangproduktgruppe 99 - gelistete Produkte habe man in\ndie neu geschaffene Produktgruppe (32) umgruppiert. Die Schaffung einer neuen\nProduktgruppe oder das Auffuhren von Qualitatsstandards in einer\nProduktuntergruppe entfalte keine unmittelbare Rechtswirkung. Konkrete\nRechtswirkungen bezogen sich immer nur auf ein bestimmtes Einzelprodukt, etwa\nin dem Fall, dass es als bereits gelistetes Produkt neue Qualitatsstandards\nnicht mehr erfulle oder dass es als noch nicht gelistetes Produkt zur Aufnahme\nin das Hilfsmittelverzeichnis anstehe. Die Regelungen uber den Widerruf der\nListung eines Produkts in § 139 Abs. 6 Satz 5 SGB V verdeutlichten dies\nzusatzlich. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Fur die Beschreibung der in Produktuntergruppen dargestellten\nQualitatsstandards werte der MDS nur die vorliegenden medizinischen\nErkenntnisse aus. Die Spitzenverbande der gesetzlichen Krankenversicherung\nlegten eigene Standards daher auch nicht (konstitutiv) fest; sie ermittelten\nnur die in der Wissenschaft vorgegebenen Standards. Deren Aufnahme in das\nHilfsmittelverzeichnis wirke auf Herstellerrechte daher nicht ein. Dazu komme\nes erst und nur dann, wenn die Listung konkreter Einzelprodukte betroffen sei.\nDeswegen gebe es auch keine „Sammellistung" von Produkten. Vielmehr werde\njedes Produkt fur sich beurteilt. Dazu bedurfe es freilich eines\nListungsantrags durch den Hersteller, mit dem das Listungsverfahren als\nVerwaltungsverfahren beginne. Solche Antrage habe die Klagerin aber nicht\ngestellt. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Entgegen der Auffassung der Klagerin konnten die Qualitatsstandards des\nHilfsmittelverzeichnisses nicht als Allgemeinverfugung angesehen werden. Als\nabstrakt generelle Regelungen stellten sie untergesetzliche Normen und keine\nVerwaltungsakte dar. Gegenuber den Leistungserbringern, Vertragsarzten,\nKrankenkassen oder Versicherten werde ein bestimmter (Einzel-)Vorgang nicht\ngeregelt. Rechtswirkung hatten die Qualitatsstandards erst dann, wenn ein\nListungsantrag gestellt werde. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Ein Eingriff in Grundrechte der Klagerin aus Art. 12 Abs. 1 GG liege\nebenfalls nicht vor. Die Klagerin konne ihre Produkte auf dem Markt der\ngesetzlichen Krankenversicherung nach wie vor absetzen. Durch die Änderung des\nHilfsmittelverzeichnisses seien nur ihre Absatzchancen und -erwartungen\nbetroffen; diese stunden nicht unter dem Schutz des Grundrechts. Das gehe aus\ndem Festbetragsurteil des BVerfG (vom 17.12.2002, - 1 BvL 28/95 -) klar\nhervor. Dieses sei auch hier einschlagig. Qualitatsvorgaben des\nHilfsmittelverzeichnisses seien insoweit mit der Festbetragsregelung\nvergleichbar. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Sie, die Beklagten, hatten ihre Entscheidung zur Streichung der in Rede\nstehenden Produktuntergruppen schließlich ermessensfehlerfrei auf Grund\ngesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse getroffen. Die insoweit erhobenen\nEinwendungen der Klagerin trafen nicht zu. Nach der Rechtsprechung des BSG\n(Urt. v. 16.6.1999, - B 1 KR 4/98 R -) sei es nicht Aufgabe des MDS, Meta-\nAnalysen - wie von der Klagerin gefordert - anzufertigen. Vielmehr musse er\ndie wissenschaftliche Literatur hinsichtlich des Nutzens der ambulanten\nAnwendung von CPM-Schienen auswerten. Die Anwendung im Krankenhaus unter den\ndortigen (hohen) Sicherheits- und Aufsichtsbedingungen sei nicht betroffen.\nFast alle der vom MDS dargestellten und bewerteten Studien befassten sich aber\ngerade mit dem stationaren Bereich. Demgegenuber gebe es keine\nStudienergebnisse, die - die in Werbebroschuren der Klagerin und anderer\nHersteller aufgestellten - Behauptungen belegten, wonach der (hausliche)\nEinsatz von CPM-Schienen Arbeitsunfahigkeits- oder Rehabilitationszeiten\nverkurze. Die Erkenntnisse des MDS seien von der Klagerin nicht stichhaltig in\nZweifel gezogen. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Die Klagerin bekraftigt abschließend, dass die Beklagten nicht berechtigt\nseien, im Hilfsmittelverzeichnis Indikationsbereiche (fur den\nHilfsmitteleinsatz) festzulegen. Zulassig seien nur indikations- und\neinsatzbezogene Qualitatsanforderungen. Unzulassig seien Anweisungen an den\nVertragsarzt, wann er ein bestimmtes Hilfsmittel verordnen durfe. Gerade dies\nbewirkten aber die Indikationsbeschreibungen des Hilfsmittelverzeichnisses.\nInsoweit hatten die Beklagten das Hilfsmittelverzeichnis missbraucht. Dem -\nunzulassigen - Indikationskatalog komme Verwaltungsaktcharakter als\nAllgemeinverfugung zu; das gelte auch fur andere Festlegungen der in Rede\nstehenden Untergruppen. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf deren Schriftsatze sowie die Akten der Beklagten des\nSozialgerichts und des Senats Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 50 \n--- \n| Die Berufung der Klagerin ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch\nsonst zulassig, aber nicht begrundet. Ihre gegen die Streichung von\nProduktuntergruppen aus dem Hilfsmittelverzeichnis gerichtete Klage ist nicht\nzulassig. Die Streichung solcher Untergruppen (hier durch Entscheidung der\nBeklagten vom 8.7.2004) stellt keinen Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X dar.\nAuch ein feststellungsfahiges Rechtsverhaltnis i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG\nliegt nicht vor. Damit ist weder die Anfechtungs- noch die Feststellungsklage\nstatthaft (§ 54 Abs. 1 bzw. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG; zur Frage des\nWiderspruchsverfahrens in Fallen der vorliegenden Art BSG, Urt. .v. 28.9.2006,\n- B 3 KR 28/05 R -). Das Sozialgericht hat die Klage daher zu Recht abgewiesen\nmit der Folge, dass sich die Berufung der Klagerin als unbegrundet erweist. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 10.6.2005 (im vorlaufigen\nRechtsschutzverfahren L 5 KR 5852/04 ER-B) entschieden, dass die Beklagten mit\nder Streichung der in Rede stehenden Produktuntergruppen und der darin\nenthaltenen Beschreibungen von Qualitatsstandards und medizinischen\nAnwendungsbereichen der jeweiligen Hilfsmittel gegenuber der Klagerin als\nHilfsmittelherstellerin keine Regelung getroffen und damit keinen\nVerwaltungsakt (§ 31 SGB X), auch keine Allgemeinverfugung, erlassen haben.\nHierfur wird auf die Grunde des unter den Beteiligten des vorliegenden\nVerfahrens ergangenen Senatsbeschlusses vom 10.6.2005 (a. a. O.) Bezug\ngenommen. Der Senat halt nach erneuter Prufung unter Berucksichtigung des\nBerufungsvorbringens der Beteiligten an seiner Rechtsansicht fest. Erganzend\nsei angemerkt: \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Wahrend des Berufungsverfahrens sind die hier einschlagigen\nRechtsvorschriften, namentlich in § 139 SGB V, durch das Gesetz zur Starkung\ndes Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-WSG - vom\n26.3.2007, BGBl I, S. 378 zum 1.4.2007 neu gefasst worden. Auswirkungen auf\ndas Begehren der Klagerin folgen daraus nicht. Auch unter Geltung des § 139\nSGB V n.F. - nicht anders als unter Geltung der §§ 128, 139 SGB V a.F. - kommt\nallein der Entscheidung der Spitzenverbande der gesetzlichen Krankenkassen\nuber die Aufnahme eines (konkreten) Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis\nRegelungswirkung und damit Verwaltungsaktcharakter zu. Nur uber einen hierauf\ngerichteten Aufnahmeantrag (Listungsantrag) des Herstellers ist nach\nDurchfuhrung des vorgesehenen Verwaltungsverfahrens (dazu § 139 Abs. 2 Satz 2\nbis 4 SGB V a.F. bzw. § 139 Abs. 3, 5, 6 Satz 1 bis 3, Abs. 7 SGB V n.F.) ein\nBescheid zu erteilen (§ 139 Abs. 2 Satz 5 SGB V a.F. bzw. § 139 Abs. 6 Satz 4\nSGB V n.F.). Die Voraussetzungen fur die Aufnahme (Listung) bestimmter\nHilfsmittel waren bzw. sind in § 139 Abs. 2 Satz 1 SGB V a.F. bzw. § 139 Abs.\n4, 5 SGB V n.F.) festgelegt. § 139 Abs. 2 Satz 1 SGB V a.F. verlangte den\nNachweis von Funktionstauglichkeit, therapeutischem Nutzen und Qualitat des\nHilfsmittels, die Regelungen in § 139 Abs. 4 und 5 SGB V n.F. haben diese\ngrundlegenden Anforderungen aufgenommen und prazisiert (zum\nVerwaltungsaktcharakter von Entscheidungen uber die Aufnahme von - einzelnen -\nHilfsmitteln in das Hilfsmittelverzeichnis etwa BSG, Urt. v. 31.8.2000, - B 3\nKR 21/99 R -; Urt. v. 28.9.2006, - B 3 KR 28/05 R -; LSG Nordrhein-Westfalen,\nUrt. v. 20.9.2005, - L 5 KR 35/02 -). \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Demgegenuber wurden und werden Festlegungen der Spitzenverbande der\ngesetzlichen Krankenkassen uber Qualitatsstandards von Hilfsmitteln (§ 139\nAbs. 1 Satz 1 SGB V a.F. bzw. § 139 Abs. 2 SGB V n.F.) sowie uber die\n(allgemeine) Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses (§ 128 Satz 3 SGB V\na.F. bzw. § 139 Abs. 8 n.F.) - mit Ausnahme der Aufnahme oder Streichung\nbestimmter Einzelprodukte - nicht durch Verwaltungsakt getroffen. Mit der\nNeufassung der einschlagigen Bestimmungen, insbesondere in § 139 Abs. 2 und 8\nSGB V n.F., hat der Gesetzgeber im Wesentlichen nur prazisierende und\nklarstellende Regelungen getroffen, ohne die bisherige Rechtslage - soweit\nhier von Belang - zu andern (vgl. die Begrundung des Gesetzentwurfs der\nFraktionen der CDU/CSU und SPD zum Entwurf des GKV-WSG, BT-Drs. 16/3100 S. 150\nzu Nr. 116 <§ 139 SGB V> bzw. S. 142 zu Nr. 94 <§ 128>). Namentlich die\nBestimmung des § 139 Abs. 8 SGB V n.F. uber die Fortschreibung des\nHilfsmittelverzeichnisses sollte nur klarstellen, dass die (bislang in § 128\nSatz 3 SGB V a.F. vorgesehene) Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses\nnicht nur die Weiterentwicklung und Änderung der Systematik und die Aufnahme\nvon (bestimmten) Hilfsmitteln (Produkten) umfasst, sondern auch die\nWeiterentwicklung der Qualitats- und sonstigen Anforderungen gemaß § 139 Abs.\n2 SGB V (n.F.) sowie die Streichung von Produkten, deren Aufnahme\nzuruckgenommen oder widerrufen wurde (BT-Drs. 16/3100, S. 151). Der rechtliche\nQualifizierung von Fortschreibungsentscheidungen der Spitzenverbande sollte\ndadurch nicht verandert werden. Dafur findet sich auch im Gesetz selbst keine\nStutze. Das Hilfsmittelverzeichnis stellt deshalb nach wie vor eine\nMeinungsaußerung der Spitzenverbande dar und gibt den Rechtsanwendern - soweit\nhier von Belang - nur unverbindliche Auslegungshilfen (vgl. etwa KassKomm-\nHofler, SGB V § 33 Rdnr. 31 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Gegenuber der Klagerin wurden daher weder durch die Einfuhrung noch durch\ndie Streichung der fraglichen Untergruppen des Hilfsmittelverzeichnisses\neinschließlich der dort niedergelegten Qualitatsanforderungen sowie\nmedizinischen und technischen Vorgaben fur den Einsatz von CPM-Schienen mit\nder Anfechtungsklage statthaft anfechtbare Regelungen getroffen. Die\nfaktischen Auswirkungen, die mit der Aufnahme und Streichung von Untergruppen\nder in Rede stehenden Art auf die Erwerbsaussichten von Hilfsmittelherstellern\nverbunden sind, andern daran nichts (vgl. Senatsbeschluss vom 10.6.2005, a. a.\nO. im vorlaufigen Rechtsschutzverfahren). Mit dem hierauf abstellenden und\nauch im Berufungsverfahren (erneut) wiederholten und bekraftigten Vorbringen\nkann die Klagerin den Regelungscharakter des von ihr bekampften\n(Fortschreibungs-)Beschlusses der Beklagten vom 8.7.2004 nicht begrunden. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| Der genannte Beschluss der Beklagten betrifft auch kein Rechtsverhaltnis\ni.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, weshalb die Klagerin ihr Ziel mit der\nFeststellungsklage ebenfalls nicht erreichen kann. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| Unter einem Rechtsverhaltnis i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG sind diejenigen\nrechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt\nauf Grund einer diesen Sachverhalt regelnden (offentlich-rechtlichen) Norm fur\ndas Verhaltnis naturlicher oder juristischer Personen untereinander oder einer\nPerson zu einer Sache ergeben. Ein (feststellungsfahiges) Rechtsverhaltnis\nliegt vor, wenn sich die Rechtsbeziehungen verdichtet haben. Voraussetzung\ndafur ist das Vorliegen eines uberschaubaren Sachverhalts, auf den die\n(offentlich-rechtliche) Norm angewendet werden kann. Im Allgemeinen sind\nRechtsverhaltnisse dieser Art durch subjektive Rechte und diesen entsprechende\nPflichten gekennzeichnet; abstrakte Rechtsfragen oder bloß (faktische)\n„Rechtspositionen" sind nicht feststellungsfahig (vgl. dazu etwa Sodan, in.\nSodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO § 43 Rdnr. 7, 9 ff.; Meyer-Ladewig, SGG § 55 Rdnr.\n5, jeweils m.w.N.). \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Davon ausgehend besteht zwischen den Beteiligten kein (konkretes und damit\nfeststellungsfahiges) Rechtsverhaltnis, in das die von der Klagerin bekampfte\nFortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses eingegriffen hatte.\nRechtsbeziehungen irgendwelcher Art zwischen Klagerin und Beklagten sind mit\nder 1996 vorgenommenen Aufnahme der in Rede stehenden Produktuntergruppen in\ndas Hilfsmittelverzeichnis nicht begrundet worden, selbst wenn man dem\nHilfsmittelverzeichnis anknupfend an seine Funktion als - von Sachkunde\ngetragener - Meinungsaußerung der Spitzenverbande und als Auslegungshilfe die\nEigenart eines „antizipierten Gutachtens" beilegen wollte. Daran anderte auch\ndie große praktische Bedeutung des Hilfsmittelverzeichnisses nichts (vgl.\nhierzu etwa BVerwG, Urt. v. 26.1.1996, - 8 C 19/94 -, BVerwGE 100, 262 zu\neiner Feststellungsklage gegen einen kommunalen Mietspiegel). Die Klagerin\nhatte in der Vergangenheit aus den - nunmehr weggefallenen - Festlegungen\n(insbesondere zu den medizinischen Anwendungsbereichen der CPM-Schienen) nur\nin tatsachlicher Hinsicht Nutzen gezogen. Subjektive Rechte sind ihr daraus\nnicht erwachsen. Das Hilfsmittelverzeichnis kann einem Hilfsmittelhersteller\nuber tatsachliche und als solche in ihrem Fortbestand nicht\nfeststellungsfahige Vorteile hinaus geschutzte Rechtspositionen aber nur dann\nzuweisen, wenn durch Bescheid gem. § 139 Abs. 2 Satz 5 SGB V a. F. (§ 139 Abs.\n6 Satz 4 SGB V n.F.) ein bestimmtes Hilfsmittel aus seinem Produktionsprogramm\ngelistet wird. Um eine Fallgestaltung dieser Art geht es vorliegend jedoch\nnicht. Die Klagerin hat sich bewusst mit der faktischen Begunstigungswirkung\nder in den Untergruppen enthaltenen technischen und medizinischen\nBeschreibungen zufrieden gegeben und auf die rechtliche Schutzwirkung eines\n(erfolgreichen) Listungsverfahrens (§ 139 Abs. 2 SGB V a.F. bzw. § 139 Abs. 2\nff. SGB V n.F.) bzw. des als dessen Abschluss ergangenen Bescheids verzichtet.\nSchließlich kann die Klagerin ein feststellungsfahiges Rechtsverhaltnis auch\nnicht mit ihrem Vorbringen zum Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1\nGG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG) begrunden. Unbeschadet der dargelegten\nAnforderungen an das Vorliegen feststellungsfahiger (konkreter)\nRechtsverhaltnisse scheitert dies im Ansatz schon daran, dass Änderungen\n(Fortschreibungen) des Hilfsmittelverzeichnisses der in Rede stehenden Art\nmangels objektiv berufsregelnder Tendenz in den Schutzbereich dieses\nGrundrechts nicht eingreifen. Der Senat hat dies in seinem im vorlaufigen\nRechtsschutzverfahren ergangenen Beschluss vom 10.6.2005 (a. a. O. unter\nHinweis auf den Senatsbeschluss vom 18.5.2005, - L 5 KR 5853/04 ER-B -)\nebenfalls entschieden; daran wird nach erneuter Prufung festgehalten. Das\nBerufungsvorbringen, mit dem die Klagerin im Kern ihr Vorbringen aus dem\nvorlaufigen Rechtsschutzverfahren wiederholt und bekraftigt, gibt keine\nVeranlassung zu einer anderen rechtlichen Bewertung. Das BSG hat in seinem\nUrteil v. 31.5.2006 (- B 6 KA 69/04 -) im Übrigen entschieden, dass die\nFolgewirkungen, die von dem in den Richtlinien des Gemeinsamen\nBundesausschusses zur hauslichen Krankenpflege (Krankenpflege-RL) festgelegten\nLeistungskatalog fur die einzelnen Betreiber von Pflegediensten ausgehen,\nlediglich zu einem unvermeidbaren Reflex auf deren Berufsausubung fuhren, und\nzwar selbst dann, wenn der Ausschluss einzelner Maßnahmen aus dem\nLeistungskatalog zu nachteiligen wirtschaftlichen Auswirkungen, insbesondere\nzu einer Verringerung der Aussicht auf Gewinnmoglichkeiten im Wettbewerb\nfuhrt. Der Senat sieht sich dadurch in seiner Rechtsauffassung bestarkt. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| Sofern der Klagerin mit ihrem Feststellungsbegehren die Durchfuhrung einer\nArt prinzipaler (abstrakter) Normenkontrolle vorschweben sollte, ware dies\nebenfalls nicht statthaft. Anders als die VwGO (dort § 47) sieht das SGG ein\nsolches Normenkontrollverfahren nicht vor. Nur in besonderen Ausnahmefallen\nkann Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtsnormen im Wege der\nFeststellungsklage oder auch der Leistungsklage in Betracht kommen (zu den\nVoraussetzungen naher etwa. Meyer-Ladewig, SGG § 55 Rdnr. 10a ff. unter\nHinweis auf die Rechtsprechung des BSG; BSG, Urt. v. 31.5.2006, - B 6 KA 69/04\nR -). Statthaft ware eine solche Feststellungsklage indessen von vornherein\nnur dann, wenn sie das Betroffensein der Klagerin (in subjektiven Rechten,\nnamentlich in Grundrechten) durch eine Rechtsnorm zum Gegenstand hatte (vgl.\nBSG, Urt. v. 31.5.2006, a. a. O.). Daran fehlt es hier. Die unter den\nBeteiligten streitigen Festlegungen bzw. Beschreibungen des\nHilfsmittelverzeichnisses treffen, wie bereits dargelegt wurde, namlich keine\nRegelung, weder als Einzelakt bzw. Verwaltungsakt (hier Allgemeinverfugung)\nnoch als Rechtsnorm. Sie sind auch nicht als Verwaltungsvorschriften - etwa\nals normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften und damit als eine Art\n„administratives Erganzungsrecht" (vgl. dazu Ziekow, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.),\nVwGO § 47 Rdnr. 124 ff.) - einzustufen. Davon abgesehen waren auch dann die\nVoraussetzungen fur eine Normenkontrolle im Wege der Feststellungsklage nach §\n55 Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht erfullt, da (Grund-)Rechte der Klagerin, wie\nebenfalls bereits dargelegt wurde, nicht (gegenwartig und unmittelbar)\nbetroffen sind (vgl. BSG 72,15; vgl. auch etwa BVerwG, a. a. O. zur\nUnzulassigkeit einer verwaltungsgerichtlichen abstrakten Normenkontrolle bei\nnormkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften). \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| Mangels Zulassigkeit der von der Klagerin gegen die hier streitige\nFortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses eingelegten Rechtbehelfe sind die\nmedizinischen Streitfragen zum ambulanten Einsatz von CPM-Schienen nicht zu\nklaren; hierauf und auf die Einwendungen der Klagerin gegen das Gutachten des\nMDS vom 15.10.2002 kommt es fur die Entscheidung des Senats nicht an.\nErmittlungen sind in dieser Hinsicht deshalb nicht anzustellen. \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. § 154 Abs. 2 VwGO. \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG). \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG. Fur die\nBerechnung des Streitwerts sind die Rechtsgrundsatze maßgeblich, die der Senat\nin seinem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 9.1.2006 (- L 5 KR 2412/05\n-; Streitwertfestsetzung im vorlaufigen Rechtsschutzverfahren L 5 KR 5852/04\nER-B) niedergelegt hat; hierauf wird Bezug genommen. Die Klagerin hat mit\nSchriftsatz vom 13.4.2007 (Verfahren L 5 KR 6126/06 W-A) unwidersprochen neue\nZahlenwerte zu den Umsatzruckgangen bei CPM-Schienen fur gesetzlich\nKrankenversicherte vorgelegt. Daraus ergibt sich eine jahrlich Umsatzeinbuße\nvon etwa 4.000.000 EUR. Hiervon sind fur die Streitwertberechnung 5 %\nanzusetzen (200.000 EUR). Der Streitwert bestimmt sich nach dem dreifachen\nJahresbetrag (600.000 EUR). \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 50 \n--- \n| Die Berufung der Klagerin ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch\nsonst zulassig, aber nicht begrundet. Ihre gegen die Streichung von\nProduktuntergruppen aus dem Hilfsmittelverzeichnis gerichtete Klage ist nicht\nzulassig. Die Streichung solcher Untergruppen (hier durch Entscheidung der\nBeklagten vom 8.7.2004) stellt keinen Verwaltungsakt i.S.d. § 31 SGB X dar.\nAuch ein feststellungsfahiges Rechtsverhaltnis i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG\nliegt nicht vor. Damit ist weder die Anfechtungs- noch die Feststellungsklage\nstatthaft (§ 54 Abs. 1 bzw. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG; zur Frage des\nWiderspruchsverfahrens in Fallen der vorliegenden Art BSG, Urt. .v. 28.9.2006,\n- B 3 KR 28/05 R -). Das Sozialgericht hat die Klage daher zu Recht abgewiesen\nmit der Folge, dass sich die Berufung der Klagerin als unbegrundet erweist. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 10.6.2005 (im vorlaufigen\nRechtsschutzverfahren L 5 KR 5852/04 ER-B) entschieden, dass die Beklagten mit\nder Streichung der in Rede stehenden Produktuntergruppen und der darin\nenthaltenen Beschreibungen von Qualitatsstandards und medizinischen\nAnwendungsbereichen der jeweiligen Hilfsmittel gegenuber der Klagerin als\nHilfsmittelherstellerin keine Regelung getroffen und damit keinen\nVerwaltungsakt (§ 31 SGB X), auch keine Allgemeinverfugung, erlassen haben.\nHierfur wird auf die Grunde des unter den Beteiligten des vorliegenden\nVerfahrens ergangenen Senatsbeschlusses vom 10.6.2005 (a. a. O.) Bezug\ngenommen. Der Senat halt nach erneuter Prufung unter Berucksichtigung des\nBerufungsvorbringens der Beteiligten an seiner Rechtsansicht fest. Erganzend\nsei angemerkt: \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Wahrend des Berufungsverfahrens sind die hier einschlagigen\nRechtsvorschriften, namentlich in § 139 SGB V, durch das Gesetz zur Starkung\ndes Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung - GKV-WSG - vom\n26.3.2007, BGBl I, S. 378 zum 1.4.2007 neu gefasst worden. Auswirkungen auf\ndas Begehren der Klagerin folgen daraus nicht. Auch unter Geltung des § 139\nSGB V n.F. - nicht anders als unter Geltung der §§ 128, 139 SGB V a.F. - kommt\nallein der Entscheidung der Spitzenverbande der gesetzlichen Krankenkassen\nuber die Aufnahme eines (konkreten) Hilfsmittels in das Hilfsmittelverzeichnis\nRegelungswirkung und damit Verwaltungsaktcharakter zu. Nur uber einen hierauf\ngerichteten Aufnahmeantrag (Listungsantrag) des Herstellers ist nach\nDurchfuhrung des vorgesehenen Verwaltungsverfahrens (dazu § 139 Abs. 2 Satz 2\nbis 4 SGB V a.F. bzw. § 139 Abs. 3, 5, 6 Satz 1 bis 3, Abs. 7 SGB V n.F.) ein\nBescheid zu erteilen (§ 139 Abs. 2 Satz 5 SGB V a.F. bzw. § 139 Abs. 6 Satz 4\nSGB V n.F.). Die Voraussetzungen fur die Aufnahme (Listung) bestimmter\nHilfsmittel waren bzw. sind in § 139 Abs. 2 Satz 1 SGB V a.F. bzw. § 139 Abs.\n4, 5 SGB V n.F.) festgelegt. § 139 Abs. 2 Satz 1 SGB V a.F. verlangte den\nNachweis von Funktionstauglichkeit, therapeutischem Nutzen und Qualitat des\nHilfsmittels, die Regelungen in § 139 Abs. 4 und 5 SGB V n.F. haben diese\ngrundlegenden Anforderungen aufgenommen und prazisiert (zum\nVerwaltungsaktcharakter von Entscheidungen uber die Aufnahme von - einzelnen -\nHilfsmitteln in das Hilfsmittelverzeichnis etwa BSG, Urt. v. 31.8.2000, - B 3\nKR 21/99 R -; Urt. v. 28.9.2006, - B 3 KR 28/05 R -; LSG Nordrhein-Westfalen,\nUrt. v. 20.9.2005, - L 5 KR 35/02 -). \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Demgegenuber wurden und werden Festlegungen der Spitzenverbande der\ngesetzlichen Krankenkassen uber Qualitatsstandards von Hilfsmitteln (§ 139\nAbs. 1 Satz 1 SGB V a.F. bzw. § 139 Abs. 2 SGB V n.F.) sowie uber die\n(allgemeine) Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses (§ 128 Satz 3 SGB V\na.F. bzw. § 139 Abs. 8 n.F.) - mit Ausnahme der Aufnahme oder Streichung\nbestimmter Einzelprodukte - nicht durch Verwaltungsakt getroffen. Mit der\nNeufassung der einschlagigen Bestimmungen, insbesondere in § 139 Abs. 2 und 8\nSGB V n.F., hat der Gesetzgeber im Wesentlichen nur prazisierende und\nklarstellende Regelungen getroffen, ohne die bisherige Rechtslage - soweit\nhier von Belang - zu andern (vgl. die Begrundung des Gesetzentwurfs der\nFraktionen der CDU/CSU und SPD zum Entwurf des GKV-WSG, BT-Drs. 16/3100 S. 150\nzu Nr. 116 <§ 139 SGB V> bzw. S. 142 zu Nr. 94 <§ 128>). Namentlich die\nBestimmung des § 139 Abs. 8 SGB V n.F. uber die Fortschreibung des\nHilfsmittelverzeichnisses sollte nur klarstellen, dass die (bislang in § 128\nSatz 3 SGB V a.F. vorgesehene) Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses\nnicht nur die Weiterentwicklung und Änderung der Systematik und die Aufnahme\nvon (bestimmten) Hilfsmitteln (Produkten) umfasst, sondern auch die\nWeiterentwicklung der Qualitats- und sonstigen Anforderungen gemaß § 139 Abs.\n2 SGB V (n.F.) sowie die Streichung von Produkten, deren Aufnahme\nzuruckgenommen oder widerrufen wurde (BT-Drs. 16/3100, S. 151). Der rechtliche\nQualifizierung von Fortschreibungsentscheidungen der Spitzenverbande sollte\ndadurch nicht verandert werden. Dafur findet sich auch im Gesetz selbst keine\nStutze. Das Hilfsmittelverzeichnis stellt deshalb nach wie vor eine\nMeinungsaußerung der Spitzenverbande dar und gibt den Rechtsanwendern - soweit\nhier von Belang - nur unverbindliche Auslegungshilfen (vgl. etwa KassKomm-\nHofler, SGB V § 33 Rdnr. 31 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Gegenuber der Klagerin wurden daher weder durch die Einfuhrung noch durch\ndie Streichung der fraglichen Untergruppen des Hilfsmittelverzeichnisses\neinschließlich der dort niedergelegten Qualitatsanforderungen sowie\nmedizinischen und technischen Vorgaben fur den Einsatz von CPM-Schienen mit\nder Anfechtungsklage statthaft anfechtbare Regelungen getroffen. Die\nfaktischen Auswirkungen, die mit der Aufnahme und Streichung von Untergruppen\nder in Rede stehenden Art auf die Erwerbsaussichten von Hilfsmittelherstellern\nverbunden sind, andern daran nichts (vgl. Senatsbeschluss vom 10.6.2005, a. a.\nO. im vorlaufigen Rechtsschutzverfahren). Mit dem hierauf abstellenden und\nauch im Berufungsverfahren (erneut) wiederholten und bekraftigten Vorbringen\nkann die Klagerin den Regelungscharakter des von ihr bekampften\n(Fortschreibungs-)Beschlusses der Beklagten vom 8.7.2004 nicht begrunden. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| Der genannte Beschluss der Beklagten betrifft auch kein Rechtsverhaltnis\ni.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, weshalb die Klagerin ihr Ziel mit der\nFeststellungsklage ebenfalls nicht erreichen kann. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| Unter einem Rechtsverhaltnis i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG sind diejenigen\nrechtlichen Beziehungen zu verstehen, die sich aus einem konkreten Sachverhalt\nauf Grund einer diesen Sachverhalt regelnden (offentlich-rechtlichen) Norm fur\ndas Verhaltnis naturlicher oder juristischer Personen untereinander oder einer\nPerson zu einer Sache ergeben. Ein (feststellungsfahiges) Rechtsverhaltnis\nliegt vor, wenn sich die Rechtsbeziehungen verdichtet haben. Voraussetzung\ndafur ist das Vorliegen eines uberschaubaren Sachverhalts, auf den die\n(offentlich-rechtliche) Norm angewendet werden kann. Im Allgemeinen sind\nRechtsverhaltnisse dieser Art durch subjektive Rechte und diesen entsprechende\nPflichten gekennzeichnet; abstrakte Rechtsfragen oder bloß (faktische)\n„Rechtspositionen" sind nicht feststellungsfahig (vgl. dazu etwa Sodan, in.\nSodan/Ziekow (Hrsg.), VwGO § 43 Rdnr. 7, 9 ff.; Meyer-Ladewig, SGG § 55 Rdnr.\n5, jeweils m.w.N.). \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Davon ausgehend besteht zwischen den Beteiligten kein (konkretes und damit\nfeststellungsfahiges) Rechtsverhaltnis, in das die von der Klagerin bekampfte\nFortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses eingegriffen hatte.\nRechtsbeziehungen irgendwelcher Art zwischen Klagerin und Beklagten sind mit\nder 1996 vorgenommenen Aufnahme der in Rede stehenden Produktuntergruppen in\ndas Hilfsmittelverzeichnis nicht begrundet worden, selbst wenn man dem\nHilfsmittelverzeichnis anknupfend an seine Funktion als - von Sachkunde\ngetragener - Meinungsaußerung der Spitzenverbande und als Auslegungshilfe die\nEigenart eines „antizipierten Gutachtens" beilegen wollte. Daran anderte auch\ndie große praktische Bedeutung des Hilfsmittelverzeichnisses nichts (vgl.\nhierzu etwa BVerwG, Urt. v. 26.1.1996, - 8 C 19/94 -, BVerwGE 100, 262 zu\neiner Feststellungsklage gegen einen kommunalen Mietspiegel). Die Klagerin\nhatte in der Vergangenheit aus den - nunmehr weggefallenen - Festlegungen\n(insbesondere zu den medizinischen Anwendungsbereichen der CPM-Schienen) nur\nin tatsachlicher Hinsicht Nutzen gezogen. Subjektive Rechte sind ihr daraus\nnicht erwachsen. Das Hilfsmittelverzeichnis kann einem Hilfsmittelhersteller\nuber tatsachliche und als solche in ihrem Fortbestand nicht\nfeststellungsfahige Vorteile hinaus geschutzte Rechtspositionen aber nur dann\nzuweisen, wenn durch Bescheid gem. § 139 Abs. 2 Satz 5 SGB V a. F. (§ 139 Abs.\n6 Satz 4 SGB V n.F.) ein bestimmtes Hilfsmittel aus seinem Produktionsprogramm\ngelistet wird. Um eine Fallgestaltung dieser Art geht es vorliegend jedoch\nnicht. Die Klagerin hat sich bewusst mit der faktischen Begunstigungswirkung\nder in den Untergruppen enthaltenen technischen und medizinischen\nBeschreibungen zufrieden gegeben und auf die rechtliche Schutzwirkung eines\n(erfolgreichen) Listungsverfahrens (§ 139 Abs. 2 SGB V a.F. bzw. § 139 Abs. 2\nff. SGB V n.F.) bzw. des als dessen Abschluss ergangenen Bescheids verzichtet.\nSchließlich kann die Klagerin ein feststellungsfahiges Rechtsverhaltnis auch\nnicht mit ihrem Vorbringen zum Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1\nGG i.V.m. Art. 19 Abs. 3 GG) begrunden. Unbeschadet der dargelegten\nAnforderungen an das Vorliegen feststellungsfahiger (konkreter)\nRechtsverhaltnisse scheitert dies im Ansatz schon daran, dass Änderungen\n(Fortschreibungen) des Hilfsmittelverzeichnisses der in Rede stehenden Art\nmangels objektiv berufsregelnder Tendenz in den Schutzbereich dieses\nGrundrechts nicht eingreifen. Der Senat hat dies in seinem im vorlaufigen\nRechtsschutzverfahren ergangenen Beschluss vom 10.6.2005 (a. a. O. unter\nHinweis auf den Senatsbeschluss vom 18.5.2005, - L 5 KR 5853/04 ER-B -)\nebenfalls entschieden; daran wird nach erneuter Prufung festgehalten. Das\nBerufungsvorbringen, mit dem die Klagerin im Kern ihr Vorbringen aus dem\nvorlaufigen Rechtsschutzverfahren wiederholt und bekraftigt, gibt keine\nVeranlassung zu einer anderen rechtlichen Bewertung. Das BSG hat in seinem\nUrteil v. 31.5.2006 (- B 6 KA 69/04 -) im Übrigen entschieden, dass die\nFolgewirkungen, die von dem in den Richtlinien des Gemeinsamen\nBundesausschusses zur hauslichen Krankenpflege (Krankenpflege-RL) festgelegten\nLeistungskatalog fur die einzelnen Betreiber von Pflegediensten ausgehen,\nlediglich zu einem unvermeidbaren Reflex auf deren Berufsausubung fuhren, und\nzwar selbst dann, wenn der Ausschluss einzelner Maßnahmen aus dem\nLeistungskatalog zu nachteiligen wirtschaftlichen Auswirkungen, insbesondere\nzu einer Verringerung der Aussicht auf Gewinnmoglichkeiten im Wettbewerb\nfuhrt. Der Senat sieht sich dadurch in seiner Rechtsauffassung bestarkt. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| Sofern der Klagerin mit ihrem Feststellungsbegehren die Durchfuhrung einer\nArt prinzipaler (abstrakter) Normenkontrolle vorschweben sollte, ware dies\nebenfalls nicht statthaft. Anders als die VwGO (dort § 47) sieht das SGG ein\nsolches Normenkontrollverfahren nicht vor. Nur in besonderen Ausnahmefallen\nkann Rechtsschutz gegen untergesetzliche Rechtsnormen im Wege der\nFeststellungsklage oder auch der Leistungsklage in Betracht kommen (zu den\nVoraussetzungen naher etwa. Meyer-Ladewig, SGG § 55 Rdnr. 10a ff. unter\nHinweis auf die Rechtsprechung des BSG; BSG, Urt. v. 31.5.2006, - B 6 KA 69/04\nR -). Statthaft ware eine solche Feststellungsklage indessen von vornherein\nnur dann, wenn sie das Betroffensein der Klagerin (in subjektiven Rechten,\nnamentlich in Grundrechten) durch eine Rechtsnorm zum Gegenstand hatte (vgl.\nBSG, Urt. v. 31.5.2006, a. a. O.). Daran fehlt es hier. Die unter den\nBeteiligten streitigen Festlegungen bzw. Beschreibungen des\nHilfsmittelverzeichnisses treffen, wie bereits dargelegt wurde, namlich keine\nRegelung, weder als Einzelakt bzw. Verwaltungsakt (hier Allgemeinverfugung)\nnoch als Rechtsnorm. Sie sind auch nicht als Verwaltungsvorschriften - etwa\nals normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften und damit als eine Art\n„administratives Erganzungsrecht" (vgl. dazu Ziekow, in: Sodan/Ziekow (Hrsg.),\nVwGO § 47 Rdnr. 124 ff.) - einzustufen. Davon abgesehen waren auch dann die\nVoraussetzungen fur eine Normenkontrolle im Wege der Feststellungsklage nach §\n55 Abs. 1 Nr. 1 SGG nicht erfullt, da (Grund-)Rechte der Klagerin, wie\nebenfalls bereits dargelegt wurde, nicht (gegenwartig und unmittelbar)\nbetroffen sind (vgl. BSG 72,15; vgl. auch etwa BVerwG, a. a. O. zur\nUnzulassigkeit einer verwaltungsgerichtlichen abstrakten Normenkontrolle bei\nnormkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften). \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| Mangels Zulassigkeit der von der Klagerin gegen die hier streitige\nFortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses eingelegten Rechtbehelfe sind die\nmedizinischen Streitfragen zum ambulanten Einsatz von CPM-Schienen nicht zu\nklaren; hierauf und auf die Einwendungen der Klagerin gegen das Gutachten des\nMDS vom 15.10.2002 kommt es fur die Entscheidung des Senats nicht an.\nErmittlungen sind in dieser Hinsicht deshalb nicht anzustellen. \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. § 154 Abs. 2 VwGO. \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG). \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG. Fur die\nBerechnung des Streitwerts sind die Rechtsgrundsatze maßgeblich, die der Senat\nin seinem den Beteiligten bekannten Beschluss vom 9.1.2006 (- L 5 KR 2412/05\n-; Streitwertfestsetzung im vorlaufigen Rechtsschutzverfahren L 5 KR 5852/04\nER-B) niedergelegt hat; hierauf wird Bezug genommen. Die Klagerin hat mit\nSchriftsatz vom 13.4.2007 (Verfahren L 5 KR 6126/06 W-A) unwidersprochen neue\nZahlenwerte zu den Umsatzruckgangen bei CPM-Schienen fur gesetzlich\nKrankenversicherte vorgelegt. Daraus ergibt sich eine jahrlich Umsatzeinbuße\nvon etwa 4.000.000 EUR. Hiervon sind fur die Streitwertberechnung 5 %\nanzusetzen (200.000 EUR). Der Streitwert bestimmt sich nach dem dreifachen\nJahresbetrag (600.000 EUR). \n---\n\n
139,635
olgstut-2003-12-02-8-ar-2203
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
8 AR 22/03
2003-12-02
2019-01-07 14:41:45
2019-02-12 12:19:14
Beschluss
## Tenor\n\nDas Amtsgericht Vormundschaftsgericht Stuttgart ist zur Übernahme des\nAdoptionsverfahrens verpflichtet.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| 1\\. Gegenstand des vormundschaftsgerichtlichen Verfahrens ist der von den\nBeteiligten gestellte Adoptionsantrag. Der Annehmende, der mit der Mutter des\nnichtehelichen Anzunehmenden verheiratet ist, mochte diesen adoptieren. Der\nminderjahrige, zwischenzeitlich 15 jahrige Anzunehmende und seine Mutter sind\nthailandische Staatsangehorige, wahrend der Annehmende deutscher\nStaatsangehoriger ist. Der leibliche thailandische Vater des Anzunehmenden ist\n1991 verstorben. \n--- \n| 2 \n--- \n| Da alle Beteiligten in Heilbronn leben, haben sie den notariell\nbeurkundeten Adoptionsantrag beim Amtsgericht Vormundschaftsgericht Heilbronn\ngestellt. Dieses hat das Verfahren durch Beschluss vom 12.5.2003\n(veroffentlicht in FamRZ 2003,1573) unter Bezugnahme auf § 43 b Abs. 2 Satz 2\nFGG i.V. mit § 5 Abs. 1 Satz 1 Adoptionswirkungsgesetz (AdWirkG) vom\n05.11.2001 an das Amtsgericht Vormundschaftsgericht Stuttgart abgegeben.\nDieses ist infolge der im Adoptionswirkungsgesetz vorgesehenen\nZustandigkeitskonzentration auf das Vormundschaftsgericht am Sitz des\nOberlandesgerichts fur alle Verfahren zustandig, in denen „auslandische\nSachvorschriften zur Anwendung kommen". Das Amtsgericht Heilbronn sieht diesen\nFall als gegeben an; zwar sei gem. Art. 22 EGBGB wegen der deutschen\nStaatsangehorigkeit des Annehmenden fur die Adoption deutsches Recht\nmaßgeblich, wegen der auslandischen Staatsangehorigkeit des minderjahrigen\nKindes sei aber gem. Art. 23 EGBGB zusatzlich dessen Heimatrecht, also\nthailandisches Recht, zu prufen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Das Amtsgericht Vormundschaftsgericht Stuttgart hat durch Beschluss vom\n10.7.2003 eine Übernahme abgelehnt. Damit ein Fall der\nZustandigkeitskonzentration angenommen werden konne, durfe sich die Anwendung\nauslandischen Rechts nicht nur - wie hier - auf Teil- oder Vorfragen beziehen;\nvielmehr musse sich die Annahme insgesamt nach auslandischen Sachvorschriften\nrichten. \n--- \n| 4 \n--- \n| 2\\. a) Die Voraussetzungen einer Zustandigkeitsbestimmung durch den Senat\nnach § 5 FGG liegen vor, nachdem das zum Landgerichtsbezirk Heilbronn\ngehorende Amtsgericht Heilbronn als Gericht des gewohnlichen Aufenthalts der\nBeteiligten die Sache an das zum Bezirk des Landgerichts Stuttgart gehorende\nAmtsgericht Stuttgart abgegeben, dieses aber die Übernahme abgelehnt hat. \n--- \n| 5 \n--- \n| b) Das Amtsgericht Vormundschaftsgericht Stuttgart ist zur Übernahme des\nAdoptionsverfahrens verpflichtet. Die Voraussetzungen fur eine Zustandigkeit\ndes „zentralen" Vormundschaftsgerichts am Sitz des Oberlandesgerichts liegen\nvor. \n--- \n| 6 \n--- \n| Nach § 43 b Abs. 2 Satz 1 FGG ist fur die Annahme eines Kindes das Gericht\nortlich zustandig, in dessen Bezirk der Annehmende seinen Wohnsitz hat. Da\nalle Beteiligten in Heilbronn wohnen, ware damit das Amtsgericht -\nVormundschaftsgericht - Heilbronn zustandig. \n--- \n| 7 \n--- \n| Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn § 43 b Abs. 2 Satz 2 FGG i.V. mit § 5\nAbs. 1 AdWirkG Anwendung findet. Danach verlagert sich fur Adoptionsverfahren,\nin denen „auslandische Sachvorschriften zur Anwendung kommen", die ortliche\nZustandigkeit auf das Vormundschaftsgericht am Sitz des Oberlandesgerichts fur\ndessen gesamten Bezirk. Das vorliegende Adoptionsverfahren unterliegt nach\nArt. 22 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB zwar deutschem Recht, aber uber\nArt. 23 EGBGB findet auch thailandisches Sachrecht Anwendung, denn die\nErforderlichkeit und die Erteilung der Zustimmung des Kindes und eines\nAngehorigen zur Annahme richten sich zusatzlich nach dem Heimatrecht des\nKindes. Nur soweit es zum Wohl des Kindes erforderlich ist, ist - subsidiar -\nstattdessen auch insoweit deutsches Recht anzuwenden. \n--- \n| 8 \n--- \n| Zwar wird unter Berufung auf die „Entstehungsgeschichte und ratio der\nVorschrift" (Steiger DNotZ 2002, 184, 206 Fn 42) vertreten, dass es bei der\n„Regel"-Zustandigkeit des § 43 b Abs. 2 Satz 1 FGG verbleibe, wenn nur „Teil-\noder Vorfragen" \\- wie hier die Frage der Erforderlichkeit und Erteilung der\nZustimmung des Kindes und Angehoriger - auslandischem Recht unterliegen. Dem\nsind das OLG Hamm (Beschl. v. 21.11.2002, FamRZ 2003, 1042) ohne nahere\nBegrundung und das LG Koblenz (Beschl. v. 15.1.2003 - 2 AR 10/02 - FamRZ 2003,\n1572) gefolgt; jedoch hat dieselbe Kammer des LG Koblenz im (vom AG Heilbronn\nbeigezogenen) Beschluss vom 17.4.2002 - 2 AR 26/02) gegenteilig entschieden.\nBusch (IPrax 2003, 13 (20)) hat das durch die Neuregelung entstandene\nZustandigkeitsproblem klar angesprochen, aber die Losung offengelassen,\nwahrend die Kommentierung von Engelhardt (in Keidel/Kuntze, FG 15. Aufl., §\n43b Rn 9) auf die hier zu beantwortende Frage nicht eingeht. \n--- \n| 9 \n--- \n| Nach Ansicht des Senats findet diese primar von Steiger vertretene\nAuslegung im Wortlaut des § 43 Abs. 2 Satz 2 FGG keinen Niederschlag. Danach\ngilt die Konzentration der ortlichen Zustandigkeit auf ein „zentrales"\nVormundschaftsgericht dann, wenn „auslandische Sachvorschriften zur Anwendung\nkommen". Eine Einschrankung auf die „Hauptsache" unter Ausgrenzung von\nTeilaspekten enthalt § 43 b Abs. 2 Satz 2 FGG nicht. Neben dem fur den\nRechtsvorgang der Annahme bestimmenden Grundstatut des Art. 22 EGBGB, hier\nalso den deutschen Sachnormen, ist uber Art. 23 EGBGB kumulativ primar das\nHeimatrecht des Kindes und damit auslandisches materielles Recht anzuwenden\n(vgl. Palandt/Heldrich, BGB, 63. Aufl., EGBGB Art. 23 Rn. 1 - 3); ohne\nErfullung dieser Zustimmungserfordernisse kann eine Adoption nicht bzw. nicht\nohne weiteres ausgesprochen werden. Warum die nach auslandischem Recht\nvorgesehenen Zustimmungserfordernisse des Art. 23 EGBGB keine „auslandischen\nSachnormen" sein sollen, ist nicht gesagt. \n--- \n| 10 \n--- \n| Soweit sich Steiger (Referent im Bundesjustizministerium - aaO) fur die\neinschrankende Auslegung auf die Gesetzgebungsgeschichte beruft, kann dies\nnach Ansicht des Senats angesichts des gesetzlichen Wortlauts nicht\ndurchgreifen. In den Materialien zum „Entwurf eines Gesetzes zur Regelung von\nRechtsfragen auf dem Gebiet der internationalen Adoption und zur\nWeiterentwicklung des Adoptionsvermittlungsrechts" wird die Änderung des § 43\nb FGG wie folgt begrundet: \n--- \n| 11 \n--- \n| „Der neue Satz 2 des § 43 b Abs. 2 FGG normiert fur Falle, in denen das\nVormundschaftsgericht bei seiner Entscheidung auslandisches Adoptionsrecht\nanzuwenden hat, eine Zustandigkeitskonzentration. Da in diesen Fallen zugleich\ndie Vorschriften des Adoptionswirkungsgesetzes zu beachten sind, wird die\nZustandigkeit fur das gesamte Verfahren dem nach § 5 Abs. 1 Satz 1 AdWirkG\nzustandigen Vormundschaftsgericht am Sitz des jeweiligen Oberlandesgerichts\n... ubertragen." (BT-Drucksache 14/6011, S. 57 zu Art. 4 Abs. 2). \n--- \n| 12 \n--- \n| Daraus kann nicht eindeutig entnommen werden, dass der Gesetzgeber eine\nEinschrankung beabsichtigt hat. Jedenfalls hat eine solche mogliche Absicht\ndes Gesetzgebers im Wortlaut des schließlich verabschiedeten Gesetzes keinen\nNiederschlag gefunden, obwohl dies ohne weiteres moglich gewesen ware. Wenn\ndies letztlich dazu fuhrt, dass damit praktisch alle Adoptionsverfahren mit\nAuslandsbezug bei einem Vormundschaftsgericht konzentriert werden, kann dies\nnicht als unsinniges, der Ratio des Gesetzes widersprechendes Ergebnis\nangesehen werden. Vielmehr erscheint dem Senat eine solche\nZustandigkeitskonzentration auch im Ergebnis sinnvoll, da auch Teil- und\nVorfragen, die unter Anwendung auslandischer Sachnormen zu beantworten sind,\nkomplexe und rechtlich schwierig zu losende Probleme aufwerfen konnen, die\nvernunftigerweise bei einem dafur personell und sachlich ausgestatteten (bzw.\nauszustattenden) zentralen Vormundschaftsgericht konzentriert werden. Fur die\nvom Senat vertretene Auslegung spricht außerdem die großere Klarheit der\nZustandigkeitsregelung, wahrend eine Zustandigkeitsabgrenzung nach\n„Hauptsache" und „Nebensache" bzw. durch Ausgliederung von „Teil- und\nVorfragen" nur zu vielfaltigen Zustandigkeitsstreitigkeiten fuhrt, die\ntunlichst moglichst vermieden werden sollten. \n--- \n| 13 \n--- \n| Eine Vorlage an den Bundesgerichtshof wegen der Abweichung des Senats von\nder oben zitierten Entscheidung des OLG Hamm ist nicht veranlasst; § 5 FGG\nsieht eine Vorlage im Gegensatz zu § 36 Abs. 3 ZPO nicht vor. \n---\n\n
139,761
lsgbw-2004-05-18-l-1-u-322503
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 1 U 3225/03
2004-05-18
2019-01-07 14:44:39
2019-01-17 11:59:56
Beschluss
## Tenor\n\nDie Berufung der Klagerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom\n22. Juli 2003 wird zuruckgewiesen.\n\nAußergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine progressive systemische\nSklerodermie (PSS) als Folge einer Berufskrankheit (BK) anzuerkennen ist. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die 1959 geborene Klagerin war von August 1977 bis November 1996 als\nZahntechnikerin beschaftigt; seitdem ist sie arbeitsunfahig krank. Im\nSeptember 1994 stellte sie sich beim Arzt fur Allgemeinmedizin Dr. E., P.,\nvor, der aufgrund der geschilderten Beschwerden eine Laboruntersuchung\nveranlasste, die erstmals den Verdacht auf das Vorliegen einer PSS ergab;\nspatestens seit 1996 ist die Diagnose einer PSS gesichert. Aufgrund der\nAngaben der Klagerin ist allerdings davon auszugehen, dass sich die ersten\nSymptome dieser Krankheit bereits 1992 gezeigt haben. Seit 15.11.1996 steht\ndie Klagerin unter regelmaßiger Kontrolle in der Sklerodermie-Spezialambulanz\nvon Prof. Dr. L., M. \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 05.11.1998 erstattete Dr. K., Oberarzt am R.-Krankenhaus in M., in dem\nsich die Klagerin wiederholt in stationarer Behandlung befand, bei der\nBeklagten eine Ärztliche Anzeige uber eine BK. In dem daraufhin eingeleiteten\nFeststellungsverfahren ließ die Beklagte die Klagerin durch Dr. E., Chefarzt\nan der Klinik L., untersuchen und begutachten. Der Gutachter diagnostizierte\nin seinem Gutachten vom 21.01.2000 eine PSS mit fibrosierender Alveolitis\nsowie eine atopische Konstitution (Ekzem, IgE-Erhohung) und empfahl die PSS\nanalog einer BK nach der Nr. 4101 (Quarzstaublungenerkrankung (Silikose)) der\nAnlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) anzuerkennen, wenn nachgewiesen\nwerden konne, dass die Klagerin am Arbeitsplatz einer Staubbelastung mit einem\nAnteil an kristallinen Silikaten von mehr als 10% ausgesetzt gewesen ist. Die\nMinderung der Erwerbsfahigkeit (MdE) wurde auf weniger als 20 vH eingeschatzt,\nweil die Volumenwerte nur gering vermindert waren und rontgenologisch kein\nNachweis einer Lungenbeherdung erbracht werden konnte. Die Beklagte\nbeauftragte anschließend ihre Praventionsabteilung mit der Durchfuhrung von\nMessungen am fruheren Arbeitsplatz der Klagerin. Bei den am 21.10.2000\ndurchgefuhrten Gefahrstoffmessungen konnte Feinstaub mit einem Anteil von\n1,33% des Grenzwertes festgestellt werden, die anderen Stoffen wie Cristobalit\nund Quarz konnten in der Luft nicht nachgewiesen werden. Dr. E. raumte\ndaraufhin in einer erganzenden Stellungnahme vom 15.01.2001 ein, dass damit\ndie Annahme der von ihm in seinem Gutachten unterstellten haftungsbegrundenden\nKausalitat entfallt. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Bescheid vom 09.05.2001 und Widerspruchsbescheid vom 23.11.2001 lehnte\ndie Beklagte die Anerkennung einer BK bei der Klagerin ab. Eine Lungenfibrose\nsei als BK nach der Nr. 4101 anzuerkennen, wenn es sich dabei um eine Silikose\nhandelt und diese durch Quarzstaub verursacht worden sei. Eine Silikose sei\naber nicht festgestellt worden. Die Sklerodermie sei nicht in der Liste der BK\naufgefuhrt. Es handele sich dabei um eine Autoimmunerkrankung, deren Ursache\nbis heute unbekannt sei. Die Krankheit konne auch nicht wie eine BK anerkannt\nwerden, weil keine medizinischen Erkenntnisse vorlagen, die einen Zusammenhang\nzwischen Quarzstaubexposition und Sklerodermie belegten. \n--- \n| 5 \n--- \n| Am 07.12.2001 hat die Klagerin Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG)\nerhoben. Auf Anfrage des SG hat das Bundesministerium fur Gesundheit und\nSozialordnung (BMG) mit Schreiben vom 20.02.2003 mitgeteilt, die PSS infolge\nExposition gegenuber Quarzstaub sei in der geltenden Liste der BK nicht\nenthalten. Der das BMG beratende arztliche Sachverstandigenbeirat - Sektion\n„Berufskrankheiten" habe diese Fragestellung eingehend gepruft. Die Beratungen\nseien im Jahr 1999 mit dem Ergebnis abgeschlossen worden, dass fur einen\nUrsachenzusammenhang zwischen Quarzstaub und dem Auftreten von PSS nach dem\nderzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft keine hinreichenden\nErkenntnisse im Sinne des § 9 SGB VII vorliegen. Seitdem habe sich der\nVerordnungsgeber nicht mehr mit der Fragestellung befasst. Mit Urteil vom\n22.07.2003 hat des SG die Klage abgewiesen. Die fur die Klagerin bestimmte\nAusfertigung des Urteils ist ihrem Prozessbevollmachtigten gegen\nEmpfangsbekenntnis am 01.08.2003 zugestellt worden. \n--- \n| 6 \n--- \n| Am 15.08.2003 hat die Klagerin Berufung eingelegt. Sie ist weiterhin der\nAuffassung, dass die PSS als BK oder wie eine BK anzuerkennen und zu\nentschadigen ist. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 8 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22. Juli 2003 sowie den Bescheid\nder Beklagten vom 09. Mai 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom\n23. November 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Sklerodermie\nals Berufskrankheit nach Nr. 4101 der Anlage zur BKVO, hilfsweise wie eine\nBerufskrankheit anzuerkennen und mit einer Verletztenrente nach einer MdE von\nmindestens 20 v.H. zu entschadigen. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 10 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Beklagte halt das Urteil des SG fur zutreffend. \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit Schreiben vom 24.02.2004 und\n26.04.2004 darauf hingewiesen, dass der Senat nach § 153 Abs. 4 SGG die\nBerufung auch ohne mundliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher\nRichter durch Beschluss zuruckweisen kann, wenn er sie einstimmig fur\nunbegrundet und eine mundliche Verhandlung nicht fur erforderlich halt. Er hat\ndarauf aufmerksam gemacht, dass diese Moglichkeit nach Aktenlage hier in\nBetracht kommt. Die Beteiligten haben Gelegenheit erhalten, zur Sache und zum\nbeabsichtigten Verfahren Stellung zu nehmen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens\nder Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die\nVerwaltungsakten der Beklagten verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 14 \n--- \n| Die gemaß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klagerin ist zulassig,\naber unbegrundet. Das SG und die Beklagte haben zu Recht die Anerkennung einer\nBK abgelehnt. \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Senat konnte die Berufung auch ohne mundliche Verhandlung und ohne\nMitwirkung ehrenamtlicher Richter gemaß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss\nzuruckweisen, da er die Berufung einstimmig fur unbegrundet und eine mundliche\nVerhandlung nicht fur erforderlich halt. Die Beteiligten haben Gelegenheit\nerhalten, sich zu der beabsichtigten Verfahrensweise zu außern. Eine\nStellungnahme zu der beabsichtigten Verfahrensweise ist nicht eingegangen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Der von der Klagerin verfolgte Anspruch richtet sich noch nach den bis zum\n31.12.1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) und der\nBKVO, da die geltend gemachte BK vor dem In-Kraft-Treten des Siebten Buches\nSozialgesetzbuch (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten sein soll (§ 212 SGB\nVII). \n--- \n| 17 \n--- \n| Nach § 547 RVO gewahrt der Trager der Unfallversicherung nach Eintritt des\nArbeitsunfalls Leistungen, bei Vorliegen eines Grades der Minderung der\nErwerbsfahigkeit (MdE) um wenigstens 20 v.H. auch Verletztenrente in der dem\nGrad der Erwerbsminderung entsprechenden Hohe (§ 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO). Als\nArbeitsunfall gilt gemaß § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine BK. BK sind\nKrankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung\ndes Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§\n539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tatigkeiten erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz\n2 RVO). Eine solche Bezeichnung nimmt die BKVO mit den sogenannten\nListenkrankheiten vor. Danach kann nach Nr. 4101 der Anlage 1 zur BKVO eine\nQuarzstaublungenerkrankung (Silikose) als BK anerkannt werden. \n--- \n| 18 \n--- \n| Fur die Gewahrung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung\nist ein ursachlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tatigkeit und der\nschadigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegrundende Kausalitat) und\nzwischen der schadigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits\n(haftungsausfullende Kausalitat) erforderlich. Dabei mussen die Krankheit, die\nversicherte Tatigkeit und die durch sie bedingten schadigenden Einwirkungen\neinschließlich deren Art und Ausmaß mit an Sicherheit grenzender\nWahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, wahrend fur den ursachlichen\nZusammenhang als Voraussetzung der Entschadigungspflicht der nach der auch\nsonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu\nbestimmen ist, grundsatzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit - nicht\nallerdings die bloße Moglichkeit - ausreicht. Hinreichende Wahrscheinlichkeit\nbedeutet, dass bei vernunftiger Abwagung aller Umstande den fur den\nZusammenhang sprechenden Umstanden ein deutliches Übergewicht zukommt, und\nernstliche Zweifel an einer anderen Verursachung ausscheiden (BSGE 45, 285,\n286). Lasst sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies\nnach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen\nBeweislast zu Lasten des Versicherten. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Anerkennung einer BK nach der Anlage 1 zur BKVO scheidet von vornherein\naus, weil eine Silikose (Nr. 4101) nicht nachgewiesen ist und die PSS, an der\ndie Klagerin leidet, nicht als BK bezeichnet ist. Es ist auch nicht\nnachgewiesen, dass die Klagerin einer hoheren Quarzstaubexposition als die\nubrige Bevolkerung ausgesetzt gewesen ist. Jedenfalls war am fruheren\nArbeitsplatz der Klagerin bei der Gefahrstoffmessung am 21.10.2000 in der Luft\nQuarzstaub nicht nachweisbar. \n--- \n| 20 \n--- \n| Die PSS kann auch nicht wie eine BK anerkannt werden, weil die\nVoraussetzungen des § 551 Abs. 2 RVO nicht erfullt sind. Erforderlich hierfur\nware, dass die Klagerin zu einer bestimmten Personengruppe gehort, die durch\nihre Arbeit in erheblich hoherem Grad als die ubrige Bevolkerung besonderen\nEinwirkungen ausgesetzt ist, die nach neuen Erkenntnissen der medizinischen\nWissenschaft eine PSS verursachen. Das Tatbestandsmerkmal der gruppentypischen\nRisikoerhohung ware hier dann als erfullt anzusehen, wenn hinreichende\nFeststellungen in Form medizinischer Erkenntnisse dafur getroffen waren, dass\ndie Personengruppe "Zahntechniker", zu der die Klagerin zu zahlen ist, durch\ndie Arbeit Einwirkungen ausgesetzt ware, mit denen die ubrige Bevolkerung\nnicht in diesem Maße in Kontakt kame (Einwirkungshaufigkeit) und die geeignet\nware, PSS hervorzurufen (generelle Geeignetheit). Das Erfordernis einer\nhoheren Gefahrdung bestimmter Personengruppen bezieht sich auf das allgemeine\nAuftreten einer Krankheit innerhalb dieser Gruppe. Auf eine Verursachung der\nKrankheit durch die gefahrdende Tatigkeit im Einzelfall kommt es dabei nicht\nan. Ob eine Krankheit innerhalb einer bestimmten Personengruppe im Rahmen der\nversicherten Tatigkeit haufiger auftritt als bei der ubrigen Bevolkerung,\nerfordert in der Regel den Nachweis einer Fulle gleichartiger\nGesundheitsbeeintrachtigungen und eine langfristige zeitliche Überwachung\nderartiger Krankheitsbilder, um dann daraus schließen zu konnen, dass die\nUrsache fur die Krankheit in einem schadigenden Arbeitsleben liegt (BSGE 59,\n250, 253 = SozR 3-2200 § 551 Nr 9 mwN; Brackmann/Krasney, SGB VII, § 9 RdNr 46\nmwN). \n--- \n| 21 \n--- \n| Ist im Ausnahmefall - wie hier - die gruppenspezifische Risikoerhohung\nnicht mit der im Allgemeinen notwendigen langfristigen zeitlichen Überwachung\nderartiger Krankheitsbilder zum Nachweis einer großeren Anzahl gleichartiger\nGesundheitsstorungen zu belegen, da etwa aufgrund der Seltenheit der\nErkrankung medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse durch statistisch\nabgesicherte Zahlen nicht erbracht werden konnen, kann zur Feststellung der\ngenerellen Geeignetheit der Einwirkung spezieller Noxen zur Verursachung der\nbetreffenden Krankheit auch auf Einzelfallstudien, auf Erkenntnisse aus\nanderen Staaten, sowie auf fruhere Anerkennungen entsprechender Krankheiten\nwie Berufskrankheiten nach § 551 Abs. 2 RVO und damit zusammenhangende\nmedizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zuruckgegriffen werden (BSG Urteil\nvom 4.6.2002 - B 2 U 20/01 R - mit weiteren Nachweisen). Auch das fur einen\nAusnahmefall (nur) erforderliche herabgestufte Maß an wissenschaftlicher\nForschung ist fur die Gruppe der Zahntechniker nicht erfullt. \n--- \n| 22 \n--- \n| Die gruppenspezifische Risikoerhohung muss sich daruber hinaus in jedem\nFall letztlich aus "Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft" ergeben. Mit\nwissenschaftlichen Methoden und Überlegungen muss zu begrunden sein, dass\nbestimmte Einwirkungen die generelle Eignung besitzen, eine bestimmte\nKrankheit zu verursachen. Solche Erkenntnisse liegen in der Regel dann vor,\nwenn die Mehrheit der medizinischen Sachverstandigen, die auf den jeweils in\nBetracht kommenden Gebieten uber besondere Erfahrungen und Kenntnisse\nverfugen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt ist. Es\nmuss sich um gesicherte Erkenntnisse handeln; nicht erforderlich ist, dass\ndiese Erkenntnisse die einhellige Meinung aller Mediziner sind. Andererseits\nreichen vereinzelte Meinungen einiger Sachverstandiger grundsatzlich nicht aus\n(BSG Urteil vom 4.6.2002 - B 2 U 20/01 R - mit weiteren Nachweisen). Auch\ndiese Voraussetzung sind hier nicht erfullt. \n--- \n| 23 \n--- \n| Nach dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Dr. E., das der\nSenat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, lasst sich uberdies im konkreten\nFall kein Zusammenhang zwischen der Erkrankung der Klagerin und einer\nberuflich bedingten Schadstoffexposition begrunden. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n| 25 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 14 \n--- \n| Die gemaß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klagerin ist zulassig,\naber unbegrundet. Das SG und die Beklagte haben zu Recht die Anerkennung einer\nBK abgelehnt. \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Senat konnte die Berufung auch ohne mundliche Verhandlung und ohne\nMitwirkung ehrenamtlicher Richter gemaß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss\nzuruckweisen, da er die Berufung einstimmig fur unbegrundet und eine mundliche\nVerhandlung nicht fur erforderlich halt. Die Beteiligten haben Gelegenheit\nerhalten, sich zu der beabsichtigten Verfahrensweise zu außern. Eine\nStellungnahme zu der beabsichtigten Verfahrensweise ist nicht eingegangen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Der von der Klagerin verfolgte Anspruch richtet sich noch nach den bis zum\n31.12.1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) und der\nBKVO, da die geltend gemachte BK vor dem In-Kraft-Treten des Siebten Buches\nSozialgesetzbuch (SGB VII) am 01.01.1997 eingetreten sein soll (§ 212 SGB\nVII). \n--- \n| 17 \n--- \n| Nach § 547 RVO gewahrt der Trager der Unfallversicherung nach Eintritt des\nArbeitsunfalls Leistungen, bei Vorliegen eines Grades der Minderung der\nErwerbsfahigkeit (MdE) um wenigstens 20 v.H. auch Verletztenrente in der dem\nGrad der Erwerbsminderung entsprechenden Hohe (§ 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO). Als\nArbeitsunfall gilt gemaß § 551 Abs. 1 Satz 1 RVO auch eine BK. BK sind\nKrankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung\ndes Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§\n539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tatigkeiten erleidet (§ 551 Abs. 1 Satz\n2 RVO). Eine solche Bezeichnung nimmt die BKVO mit den sogenannten\nListenkrankheiten vor. Danach kann nach Nr. 4101 der Anlage 1 zur BKVO eine\nQuarzstaublungenerkrankung (Silikose) als BK anerkannt werden. \n--- \n| 18 \n--- \n| Fur die Gewahrung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung\nist ein ursachlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tatigkeit und der\nschadigenden Einwirkung einerseits (haftungsbegrundende Kausalitat) und\nzwischen der schadigenden Einwirkung und der Erkrankung andererseits\n(haftungsausfullende Kausalitat) erforderlich. Dabei mussen die Krankheit, die\nversicherte Tatigkeit und die durch sie bedingten schadigenden Einwirkungen\neinschließlich deren Art und Ausmaß mit an Sicherheit grenzender\nWahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, wahrend fur den ursachlichen\nZusammenhang als Voraussetzung der Entschadigungspflicht der nach der auch\nsonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu\nbestimmen ist, grundsatzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit - nicht\nallerdings die bloße Moglichkeit - ausreicht. Hinreichende Wahrscheinlichkeit\nbedeutet, dass bei vernunftiger Abwagung aller Umstande den fur den\nZusammenhang sprechenden Umstanden ein deutliches Übergewicht zukommt, und\nernstliche Zweifel an einer anderen Verursachung ausscheiden (BSGE 45, 285,\n286). Lasst sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies\nnach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen\nBeweislast zu Lasten des Versicherten. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Anerkennung einer BK nach der Anlage 1 zur BKVO scheidet von vornherein\naus, weil eine Silikose (Nr. 4101) nicht nachgewiesen ist und die PSS, an der\ndie Klagerin leidet, nicht als BK bezeichnet ist. Es ist auch nicht\nnachgewiesen, dass die Klagerin einer hoheren Quarzstaubexposition als die\nubrige Bevolkerung ausgesetzt gewesen ist. Jedenfalls war am fruheren\nArbeitsplatz der Klagerin bei der Gefahrstoffmessung am 21.10.2000 in der Luft\nQuarzstaub nicht nachweisbar. \n--- \n| 20 \n--- \n| Die PSS kann auch nicht wie eine BK anerkannt werden, weil die\nVoraussetzungen des § 551 Abs. 2 RVO nicht erfullt sind. Erforderlich hierfur\nware, dass die Klagerin zu einer bestimmten Personengruppe gehort, die durch\nihre Arbeit in erheblich hoherem Grad als die ubrige Bevolkerung besonderen\nEinwirkungen ausgesetzt ist, die nach neuen Erkenntnissen der medizinischen\nWissenschaft eine PSS verursachen. Das Tatbestandsmerkmal der gruppentypischen\nRisikoerhohung ware hier dann als erfullt anzusehen, wenn hinreichende\nFeststellungen in Form medizinischer Erkenntnisse dafur getroffen waren, dass\ndie Personengruppe "Zahntechniker", zu der die Klagerin zu zahlen ist, durch\ndie Arbeit Einwirkungen ausgesetzt ware, mit denen die ubrige Bevolkerung\nnicht in diesem Maße in Kontakt kame (Einwirkungshaufigkeit) und die geeignet\nware, PSS hervorzurufen (generelle Geeignetheit). Das Erfordernis einer\nhoheren Gefahrdung bestimmter Personengruppen bezieht sich auf das allgemeine\nAuftreten einer Krankheit innerhalb dieser Gruppe. Auf eine Verursachung der\nKrankheit durch die gefahrdende Tatigkeit im Einzelfall kommt es dabei nicht\nan. Ob eine Krankheit innerhalb einer bestimmten Personengruppe im Rahmen der\nversicherten Tatigkeit haufiger auftritt als bei der ubrigen Bevolkerung,\nerfordert in der Regel den Nachweis einer Fulle gleichartiger\nGesundheitsbeeintrachtigungen und eine langfristige zeitliche Überwachung\nderartiger Krankheitsbilder, um dann daraus schließen zu konnen, dass die\nUrsache fur die Krankheit in einem schadigenden Arbeitsleben liegt (BSGE 59,\n250, 253 = SozR 3-2200 § 551 Nr 9 mwN; Brackmann/Krasney, SGB VII, § 9 RdNr 46\nmwN). \n--- \n| 21 \n--- \n| Ist im Ausnahmefall - wie hier - die gruppenspezifische Risikoerhohung\nnicht mit der im Allgemeinen notwendigen langfristigen zeitlichen Überwachung\nderartiger Krankheitsbilder zum Nachweis einer großeren Anzahl gleichartiger\nGesundheitsstorungen zu belegen, da etwa aufgrund der Seltenheit der\nErkrankung medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse durch statistisch\nabgesicherte Zahlen nicht erbracht werden konnen, kann zur Feststellung der\ngenerellen Geeignetheit der Einwirkung spezieller Noxen zur Verursachung der\nbetreffenden Krankheit auch auf Einzelfallstudien, auf Erkenntnisse aus\nanderen Staaten, sowie auf fruhere Anerkennungen entsprechender Krankheiten\nwie Berufskrankheiten nach § 551 Abs. 2 RVO und damit zusammenhangende\nmedizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zuruckgegriffen werden (BSG Urteil\nvom 4.6.2002 - B 2 U 20/01 R - mit weiteren Nachweisen). Auch das fur einen\nAusnahmefall (nur) erforderliche herabgestufte Maß an wissenschaftlicher\nForschung ist fur die Gruppe der Zahntechniker nicht erfullt. \n--- \n| 22 \n--- \n| Die gruppenspezifische Risikoerhohung muss sich daruber hinaus in jedem\nFall letztlich aus "Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft" ergeben. Mit\nwissenschaftlichen Methoden und Überlegungen muss zu begrunden sein, dass\nbestimmte Einwirkungen die generelle Eignung besitzen, eine bestimmte\nKrankheit zu verursachen. Solche Erkenntnisse liegen in der Regel dann vor,\nwenn die Mehrheit der medizinischen Sachverstandigen, die auf den jeweils in\nBetracht kommenden Gebieten uber besondere Erfahrungen und Kenntnisse\nverfugen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt ist. Es\nmuss sich um gesicherte Erkenntnisse handeln; nicht erforderlich ist, dass\ndiese Erkenntnisse die einhellige Meinung aller Mediziner sind. Andererseits\nreichen vereinzelte Meinungen einiger Sachverstandiger grundsatzlich nicht aus\n(BSG Urteil vom 4.6.2002 - B 2 U 20/01 R - mit weiteren Nachweisen). Auch\ndiese Voraussetzung sind hier nicht erfullt. \n--- \n| 23 \n--- \n| Nach dem im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des Dr. E., das der\nSenat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, lasst sich uberdies im konkreten\nFall kein Zusammenhang zwischen der Erkrankung der Klagerin und einer\nberuflich bedingten Schadstoffexposition begrunden. \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n| 25 \n--- \n| Grunde fur die Zulassung der Revision liegen nicht vor. \n---\n\n
139,889
vghbw-2004-06-23-11-s-137004
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
11 S 1370/04
2004-06-23
2019-01-07 14:46:07
2019-01-17 12:00:04
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag des Klagers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des\nVerwaltungsgerichts Karlsruhe vom 18. Marz 2004 - 2 K 2397/03 - wird\nabgelehnt.\n\nDer Klager tragt die Kosten des Zulassungsverfahrens.\n\nDer Streitwert fur das Zulassungsverfahren wird auf 4.000.-- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der auf die Zulassungsgrunde des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (ernstliche\nZweifel), § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (besondere tatsachliche oder rechtliche\nSchwierigkeiten), § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsatzliche Bedeutung) und § 124\nAbs. 2 Nr. 5 VwGO (Verfahrensmangel) gestutzte und fristgerecht gestellte und\nbegrundete (vgl. § 124a Abs. 4 VwGO) Antrag des Klagers, die Berufung gegen\ndas Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 18.3.2004 zuzulassen, mit dem\ndie Klage gegen die Verfugung des Regierungsprasidiums Karlsruhe vom 6.8.2003\n(Ausweisung und Abschiebungsandrohung) abgewiesen wurde, hat keinen Erfolg.\nDie vom Klager geltend gemachten Zulassungsgrunde liegen nicht vor. \n--- \n| 2 \n--- \n| 1\\. Fur die nach § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO gebotene Darlegung ernstlicher\nZweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO\nist erforderlich, dass ein die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragender\nRechtssatz oder eine dafur erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlussigen\nGegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. zu diesem Maßstab: BVerfG,\nBeschluss vom 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, VBlBW 2000, 392 = NVwZ 2000, 1163).\nBegrundet ist der Antrag, wenn eine Überprufung des dargelegten Vorbringens\naufgrund der Akten ergibt, dass derartige beachtliche Zweifel tatsachlich\nvorliegen. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Ruge des Klagers, das Verwaltungsgericht habe den besonderen\nAusweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG nicht berucksichtigt und\nzu Unrecht einen Regelfall im Sinne des § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG angenommen,\nbegrundet keine ernstlichen Zweifel im genannten Sinn. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1\nNr. 2 AuslG kann ein Auslander, der eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis\nbesitzt und als Minderjahriger in das Bundesgebiet eingereist ist, nur aus\nschwerwiegenden Grunden der offentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen\nwerden. Halt sich der Auslander nach seiner Einreise nicht durchgehend im\nBundesgebiet auf, ist er allerdings nur dann „als Minderjahriger in das\nBundesgebiet eingereist", wenn er bei seiner letzten Einreise noch\nminderjahrig gewesen ist. Seit dieser letzten Einreise muss eine Kontinuitat\ndes Aufenthalts vorliegen, die - abgesehen vom Fall des § 35 Abs. 1 AuslG -\nregelmaßig durch einen rechtmaßigen Aufenthaltsstatus zum Ausdruck kommt und\ninsbesondere nicht durch einen zwischenzeitlichen Auslandsaufenthalt und eine\nWiedereinreise als Volljahriger unterbrochen worden sein darf (vgl. VGH\nBad.-Wurtt., Urteil vom 4.5.1994 - 11 S 3084/93 -; Urteil vom 11.5.2000 - 13 S\n1242/99 -, EzAR 035 Nr. 28; Renner, Auslanderrecht in Deutschland, § 40 Rn\n295; Fraenkel, Einfuhrende Hinweise zum neuen Auslandergesetz, 1991, S. 257;\ns.a. AuslG-VwV Nr. 48.1.2). Wann ein Auslandsaufenthalt diese Kontinuitat\nunterbricht, ist am Maßstab des § 44 AuslG zu messen (vgl. VGH Bad.-Wurtt.,\nUrteil vom 11.5.2000 aaO.). Der dadurch hergestellte Zusammenhang zwischen der\nEinreise als Minderjahriger und dem Besitz der unbefristeten\nAufenthaltserlaubnis ergibt sich zwar nicht ohne weiteres aus dem Wortlaut des\n§ 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG, der lediglich auf das Vorhandensein beider\nTatbestandsmerkmale abstellt, ohne zwischen ihnen eine - auch sprachlich zum\nAusdruck kommende - innere Beziehung herzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom\n11.6.1996 - 1 C 24/94 -, VBlBW. 1997, 172 = InfAuslR 1997, 8 = NVwZ 1997, 297;\nGK-AuslR § 48 AuslG Rn 17; s. aber auch VGH Bad.-Wurtt., Urteil vom 11.5.2000,\naaO.). Jedoch folgt die Rechtfertigung der inhaltlichen Verknupfung beider\nVoraussetzungen aus dem vom Gesetzgeber mit der Regelung verfolgten Sinn und\nZweck. Nach der Begrundung des Regierungsentwurfs fur ein Gesetz zur\nNeuregelung des Auslanderrechts vom 27.1.1990 stellt § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2\nAuslG die Auslander der zweiten und folgenden Generationen den\nAufenthaltsberechtigten gleich, sobald ihr Aufenthaltsrecht verfestigt ist\n(vgl. BT-Drs. 11/6321, 73; <Hervorhebung durch den Senat>). Die Gleichstellung\nmit den aufenthaltsberechtigten Auslandern soll den minderjahrig eingereisten\nAuslander aufgrund seiner (aufenthalts-)rechtlich verfestigten Position und\nder in hoherem Maße bestehenden tatsachlichen Integration in die deutschen\nLebensverhaltnisse gegenuber einer Ausweisung besonders schutzen (vgl.\nSenatsurteil vom 4.5.1994, aaO.; BVerwG, Urteil vom 26.2.2002 - 1 C 21/00 -,\nInfAuslR 2002, 338 = NVwZ 2002, 1512; Hailbronner, JZ 1995, 127, 132; Renner,\naaO.). Dabei wird der begunstigte Auslander gegenuber einer Ausweisung so\ngestellt, als ob er nicht nur im Besitz einer unbefristeten\nAufenthaltserlaubnis, sondern sogar einer Aufenthaltsberechtigung ware und\ndamit den am starksten verfestigten und gesicherten Aufenthalt eines\nAuslanders im Bundesgebiet hatte. Diese vom Gesetzgeber gewollte\nPrivilegierung ist aber nur dann gerechtfertigt, wenn der Auslander auch\ntatsachlich unter den intendierten Personenkreis fallt, d.h. also als\nMinderjahriger der zweiten oder folgenden Generation (zum Begriff vgl.\nIgstadt, ZAR 1998, 99) eingereist ist und als solcher einen verfestigten\nAufenthaltsstatus hat. Die Auslander der zweiten oder folgenden Generation\nsind in der Regel entweder hier geboren oder im Wege des Nachzugs zu ihren\nEltern - und im Einzelfall auch zu ihren Ehegatten (vgl. BVerwG, Urteil vom\n26.2.2002, aaO.) - in die Bundesrepublik Deutschland gekommen und haben\naufgrund der einschlagigen gesetzlichen Regelungen eine Aufenthaltserlaubnis\nerhalten (vgl. §§ 20, 21 AuslG, 7 AufenthG/EWG), die nach Erfullung der\nVoraussetzungen unbefristet verlangert wurde (vgl. §§ 24, 26 AuslG, 7a Abs. 3\nAufenthG/EWG); sobald ihr Aufenthaltsrecht auf diese Weise verfestigt ist,\ngenießen sie den besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 AuslG.\nDemgegenuber fallt derjenige Auslander nicht mehr in den Anwendungsbereich des\n§ 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG, dessen Aufenthaltsverfestigung nicht mehr mit\nder Einreise als Minderjahriger zusammenhangt (vgl. Fraenkel, aaO.). Diesen\nAnforderungen steht der Wortlaut des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG nicht\nentgegen, insbesondere liegt darin keine unzulassige teleologische Reduktion\n(a.A. GK-AuslR § 48 AuslG Rn 17). Vielmehr handelt es sich um eine unter\nHeranziehung der Gesetzesmaterialien an Sinn und Zweck der gesetzlichen\nRegelung orientierte Klarung einer allein durch den Wortlaut des Gesetzes\nnicht eindeutig zu beantwortenden Zweifelsfrage, also um Auslegung. \n--- \n| 4 \n--- \n| Obwohl also der Klager zum Zeitpunkt der Ausweisung im Besitz einer am\n25.6.2001 erteilten unbefristeten Aufenthaltserlaubnis war und auch erstmals\nals Vierzehnjahriger am 26.1.1991 in das Bundesgebiet eingereist ist, genießt\ner nicht den besonderen Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AuslG,\nweil es an der beschriebenen Kontinuitat des Aufenthalts fehlt bzw. seine\nletzte Einreise nicht als Minderjahriger erfolgte. Der Klager kam am 26.1.1991\nohne die mit hoher Wahrscheinlichkeit nach § 3 Abs. 1 und 3 AuslG\nerforderliche und vor der Einreise einzuholende Aufenthaltsgenehmigung in das\nBundesgebiet. Die Befreiungsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 2 DV-AuslG (in der\nFassung vom 18.12.1990, BGBl, S. 2983) durften nicht vorgelegen haben. Zwar\nwar der Klager turkischer Staatsangehoriger und noch nicht 16 Jahre alt;\njedoch wollte er sich wohl langer als drei Monate im Bundesgebiet aufhalten\nbzw. hatte seine Mutter ihn „wegen der schlechten finanziellen Lage der\nFamilie" (Strafurteil des LG Karlsruhe vom 27.3.2003) - also nicht nur\nbesuchsweise - fur einen uber drei Monate hinausreichenden Zeitraum zu seiner\nTante in die Bundesrepublik Deutschland geschickt. Beabsichtigt war eine\nAdoption, die sich letztlich nur aus Grunden, die im turkischen Recht wurzeln,\nnicht realisieren ließ. Der Klager ist daher mit hoher Wahrscheinlichkeit\nunerlaubt eingereist (vgl. § 58 Abs. 1 Nr. 1 AuslG), weshalb sein Antrag auf\nErteilung einer Aufenthaltserlaubnis vom 23.3.1992 auch nicht die\nDuldungsfiktion des § 69 Abs. 2 Satz 1 AuslG auslosen konnte (vgl. § 69 Abs. 2\nSatz 2 Nr. 1 AuslG); auf die gleichwohl nach dieser Vorschrift durch die\nAuslanderbehorde erteilte Bescheinigung kam es nicht an, da eine solche\nBescheinigung nur deklaratorische Bedeutung hat (vgl. Senatsurteil vom\n23.11.1995 - 11 S 2986/94 -, AuAS 1996, 50 = InfAuslR 1996, 174). Legt man den\nVortrag des Klagers im Zulassungsverfahren zugrunde, nach dem er zunachst zu\nBesuchszwecken eingereist sei und sein langerer Aufenthalt sich erst nach\nlangen Gesprachen der Tante mit dem Klager und seiner Mutter ergeben habe,\nhatte der Antrag vom 23.3.1992 zwar zu der Duldungsfiktion des § 69 Abs. 2\nSatz 1 AuslG gefuhrt; gleichwohl ware dadurch kein Aufenthaltsrecht des\nKlagers entstanden, da die Ausreisepflicht (vgl. § 42 Abs. 1 AuslG) eines\nAuslanders auch im Fall der Duldung unberuhrt bleibt (vgl. § 56 Abs. 1 AuslG).\nDie Erlaubnisfiktion des § 69 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AuslG konnte der Antrag\nnicht bewirken, da sich der Klager spatestens nach einem eventuellen\nSinneswandel hinsichtlich des Aufenthaltszwecks nicht mehr rechtmaßig im\nBundesgebiet aufhielt. Der Klager wurde seitens der Auslanderbehorde auch\nnicht im Unklaren daruber gelassen, dass die Erteilung einer\nAufenthaltserlaubnis nur im Fall der erfolgreichen Adoption in Frage kommen,\naber auf jeden Fall wegen des bei der Anwendung des § 8 Abs. 1 Nr. 1 AuslG\nnach § 71 Abs. 2 Satz 2 AuslG vermuteten und vom Klager nicht widerlegten\nVisumsverstoßes die vorherige Ausreise und Wiedereinreise mit Visum\nvoraussetzen wurde (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 6.2.1992 - 1 S 15/92\n-, InfAuslR 1992, 134 = VBlBW 1992, 266). An die Stelle der Adoption trat zwar\nspater die Heirat des Klagers mit einer bleibeberechtigten turkischen\nStaatsangehorigen, die Forderung der Auslanderbehorde nach einer Ausreise und\neiner Wiedereinreise mit Visum blieb jedoch weiter bestehen. Der Klager hatte\ndaher zum Zeitpunkt seiner Ruckkehr in die Turkei im Jahr 1995 keinen\nrechtmaßigen Aufenthaltsstatus im oben beschriebenen Sinn. Unabhangig davon\nware eine etwaige Kontinuitat seines Aufenthalts aber auch durch die\n7-monatige Ruckkehr in sein Heimatland vom 28.10.1995 bis 30.5.1996\nunterbrochen worden (vgl. § 44 Abs. 1 Nr. 3 AuslG). Dabei ist die Dauer des\nAuslandsaufenthalts keinesfalls - wie vom Klager sinngemaß behauptet - nur auf\ndie Langwierigkeit des Visumverfahrens zuruckzufuhren. Wie den Akten zu\nentnehmen ist, ist der Klager zwar am 28.10.1995 in die Turkei zuruckgekehrt,\nhat den Visumsantrag bei der deutschen Auslandsvertretung in Izmir aber erst\nam 27.3.1996, also 5 Monate spater, gestellt. Die Zustimmung der zustandigen\nAuslanderbehorde erfolgte einen Monat danach, und das Visum wurde einen\nweiteren Monat spater erteilt. Eine Verfahrensdauer von zwei Monaten ist nicht\nungewohnlich und hatte vom Klager in Rechnung gestellt werden mussen. Eine\nErklarung dafur, warum er den Visumantrag erst funf Monate nach seiner\nAusreise in die Turkei gestellt hat, hat der Klager nicht gegeben. \n--- \n| 5 \n--- \n| Ernstliche Zweifel ergeben sich auch nicht aus der Annahme des\nVerwaltungsgerichts, dass das Sorgerecht fur die gemeinsamen Kinder nicht vom\nKlager, sondern von seiner geschiedenen Ehefrau ausgeubt werde. Ungeachtet\ndessen, dass es der Klager versaumt darzulegen, welche rechtlichen\nKonsequenzen sich daraus ergeben sollen, entspricht diese Einschatzung nach\ndem auch vom Verwaltungsgericht herangezogenen Beschluss des OLG Karlsruhe vom\n19.12.2002 der Rechtslage. Da der Klager aufgrund seiner Inhaftierung\ntatsachlich verhindert ist, die elterliche Sorge auszuuben, ubt die\ngeschiedene Ehefrau des Klagers und Mutter der gemeinsamen Kinder die\nelterliche Sorge allein aus (vgl. § 1678 Abs. 1 BGB). Außerdem hat sich der\nKlager auch nicht mit der weiteren Begrundung des Verwaltungsgerichts\nauseinandergesetzt, dass er nach seinen Angaben in der mundlichen Verhandlung\nnicht beabsichtige, ein Sorgerecht spater gegenuber der Kindesmutter\ndurchzusetzen. \n--- \n| 6 \n--- \n| Ohne Erfolg beruft sich der Klager auch darauf, dass das Verwaltungsgericht\naufgrund der Umstande der Tat und im Hinblick auf das Sorgerecht fur die\nKinder einen Ausnahmefall von der Regel des § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG hatte\nannehmen mussen. Insbesondere folgt der Senat dem Klager darin nicht, dass die\nTat aufgrund einer einmaligen Ausnahmesituation geschehen sei. Es ist im\nGegenteil davon auszugehen, dass die Motivationslage fur die Tat, wie sie dem\nstrafgerichtlichen Urteil zu entnehmen ist, nach wie vor besteht und daher\nauch die Gefahr der Wiederholung einer tatlichen Auseinandersetzung nicht\ngebannt ist. Denn der Klager fuhlte sich durch die Tatsache, dass seine\nEhefrau die Scheidung eingereicht hatte, zutiefst gekrankt und wurde deswegen\nauch von seinen Verwandten und Bekannten verspottet. Das Gefuhl der Krankung\nwurde durch die spatere Wiederverheiratung der Ehefrau verstarkt. Er setzte\ndie Kinder als Druckmittel ein, um seine geschiedene Ehefrau zu veranlassen,\nihren neuen Ehemann zu verlassen und wieder zu ihm zuruckzukehren. Bei dieser\nSachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Tat einer einmaligen,\nsich nicht wiederholenden Sondersituation entsprang. Die krankende Trennung\nvon der Ehefrau besteht nach wie vor, was insbesondere vor dem Hintergrund der\nschon fruher gezeigten Bereitschaft des Klagers zu Tatlichkeiten innerhalb der\nBeziehung hinreichendes Konfliktpotential auch fur kunftige Falle bietet. Die\ndementsprechenden Feststellungen des Strafgerichts beruhen zwar im\nwesentlichen allein auf den Angaben der ehemaligen Ehefrau des Klagers; der\nKlager selbst hatte sich in der Hauptverhandlung geweigert, Angaben zu machen.\nDas Strafgericht hat die Aussagen der Zeugin jedoch ausfuhrlich, auch im\nHinblick auf ihre Glaubwurdigkeit, gewurdigt. Dagegen hat der Klager nichts\nSubstantiiertes vorgetragen, so dass auch der Senat keinen Anlass sieht, den\nsachlichen Gehalt dieser Angaben zu bezweifeln, zumal sie durch den sonstigen\nInhalt der Strafakten gestutzt werden. In der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts ist geklart, dass die Auslanderbehorde \\- namentlich\nbei der Beurteilung, ob eine Ausnahme von der Regelausweisung gegeben ist - an\ndie tatsachlichen Feststellungen des Strafgerichts zwar rechtlich nicht\ngebunden ist, diese Feststellungen ihrer Entscheidung aber in der Regel\nzugrunde legen darf; allenfalls in Sonderfallen kann anderes gelten, wenn die\nAuslanderbehorde ausnahmsweise in der Lage ist, den Vorfall besser als die\nStrafverfolgungsorgane aufzuklaren, oder fur die Auslanderbehorde ohne\nweiteres erkennbar ist, dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruht (vgl.\nz.B. BVerwG, Beschluss vom 24.2.1998 - 1 B 21/98 -, InfAuslR 1998, 221;\nBeschluss vom 30.12.1993 - 1 B 185/93 - InfAuslR 1994, 181 = NVwZ 1994, 584 =\nEzAR 031 Nr. 1 = Buchholz 402.240 § 47 AuslG 1990 Nr. 3; Beschluss vom\n24.8.1995 - 1 B 254/94 - Buchholz 402.240 § 47 AuslG 1990 Nr. 6; Beschluss vom\n22.4.1992 - 1 B 61/92 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 63; Beschluss vom 16.9.1986 -\n1 B 143/86 - NVwZ 1987, 144 = InfAuslR 1986, 305 = Buchholz 402.24 § 10 AuslG\nNr. 112). Daran haben sich sowohl die Auslanderbehorde wie auch das\nVerwaltungsgericht in der Sache orientiert; auch der Senat sieht keine\nhinreichenden Anhaltspunkte dafur, dass ein Sonderfall im genannten Sinn\nvorliegt. \n--- \n| 7 \n--- \n| Auch die familiare Beziehung des Klagers zu seinen Sohnen, wie sie bis zu\nseiner Inhaftierung bestanden haben soll, begrundet keinen atypischen\nAusnahmefall. Richtig ist, dass ein Regelfall auch dann nicht vorliegt, wenn\nder Ausweisung hoherrangiges Recht entgegensteht, sie also insbesondere mit\nverfassungsrechtlichen Wertentscheidungen nicht vereinbar ist. Insoweit kommt\nauch Art. 6 Abs. 1 GG in Betracht (vgl. BVerwG, Beschluss vom 27.6.1997 - 1 B\n123.97 -, Buchholz 402.240 § 47 Nr. 15; Beschluss vom 15.1.1997 - 1 B 256.96\n-; Senatsbeschluss vom 11.10.2000 - 11 S 1206/00 - InfAuslR 2001,119). Art 6\nAbs. 1 GG verpflichtet die Auslanderbehorde, bei der Entscheidung uber\naufenthaltsbeendende Maßnahmen die familiare Bindung des Auslanders an\nPersonen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, entsprechend\ndem Gewicht dieser Bindungen zu berucksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom\n31.8.1999 - 2 BvR 1523/99 -, InfAuslR 2000, 67 = EzAR 622 Nr. 37 = AuAS 2000,\n43). Der Schutz des Art. 6 GG gilt dabei in erster Linie der Familie als\nLebens- und Erziehungsgemeinschaft und der darin zum Ausdruck kommenden\ntatsachlichen Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern. Geschutzt wird\naber auch - unabhangig vom Sorgerecht - der personliche Kontakt des\nElternteils mit dem Kind in Ausubung des Umgangsrechts (vgl. BVerfG,\nKammerbeschluss vom 30.1.2002 - 2 BvR 231/00 -, InfAuslR 2002, 171 = EzAR 020\nNr. 18 = NVwZ 2002, 849). Bei der Bewertung der familiaren Beziehungen\nverbietet sich allerdings eine schematische Einordnung und Qualifizierung als\nentweder aufenthaltsrechtlich grundsatzlich schutzwurdige Lebens- und\nErziehungsgemeinschaft oder Beistandsgemeinschaft oder aber als bloße\nBegegnungsgemeinschaft ohne aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen (vgl.\nBVerfG, Kammerbeschluss vom 30.1.2002, aaO.). Jedoch wirkt sich die Qualitat\nder Beziehungen maßgeblich auf deren Gewicht aus, das ihnen bei der Bewertung\nzuzumessen ist. Das hochste Schutzniveau genießt danach die familiare\nLebensgemeinschaft. Bestehen dagegen keine Lebensverhaltnisse, die einen uber\ndie Aufrechterhaltung einer Begegnungsgemeinschaft hinausgehenden\nfamilienrechtlichen Schutz angezeigt erscheinen lassen, ist die Einleitung\naufenthaltsbeendender Maßnahmen regelmaßig unbedenklich (vgl. BVerfG,\nKammerbeschluss vom 30.1.2002, aaO.). Dabei setzt die familiare\nLebensgemeinschaft zwar nicht notwendig eine hausliche Gemeinschaft voraus\n(vgl. Senatsbeschluss vom 8.7.1993 - 11 S 855/93 - FamRZ 1993, 1440 = NVwZ\n1994, 605); besteht aber - wie im Fall des Klagers - eine hausliche\nGemeinschaft nicht, kann eine familiare Lebensgemeinschaft zwischen Vater und\nKind regelmaßig nur dann angenommen werden, wenn deren Beziehung die Qualitat\nund Intensitat einer Beistandsgemeinschaft hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom\n12.12.1989 - 2 BvR 377/88 -, NJW 1990, 895; VGH Baden-Wurttemberg, Beschluss\nvom 26.10.1995 - 1 S 568/951 -, VBlBW 1996, 195). Anhaltspunkte dafur konnen\nintensive Kontakte, gemeinsam verbrachte Ferien, die Übernahme eines nicht\nunerheblichen Anteils an der Betreuung und der Erziehung des Kindes oder\nsonstige vergleichbare Beistandsleistungen sein, die geeignet sind, das Fehlen\neines gemeinsamen Lebensmittelpunktes weitgehend auszugleichen (vgl. BVerwG,\nUrteil vom 27.1.1998 - 1 C 28/96 - NVwZ 1998, 745 = InfAuslR 1998, 279 =\nBuchholz 402.240 § 19 AuslG 1990 Nr. 4; Urteil vom 20.2.2003 - 1 C 13.02 -\nEzAR 019 Nr. 19). Der auslandische Elternteil muss zusammen mit dem deutschen\nElternteil die notwendigen Entscheidungen uber die Pflege und Erziehung des\nKindes treffen, die entsprechenden Elternfunktionen tatsachlich auch\nwahrnehmen und regelmaßig bestimmte (nicht unbetrachtliche) Zeiten zusammen\nmit dem Kind verbringen (vgl. Senatsbeschluss vom 30.11.2001 - 11 S 1700/01 -\nAuAS 2002, 88). Erschopft sich der familiare Kontakt dagegen in nur\ngelegentlichen Besuchen und fehlen daruber hinausgehende Beistandsleistungen\noder andere Formen des familiaren Kontakts, handelt es sich um eine bloße\nBegegnungsgemeinschaft. \n--- \n| 8 \n--- \n| Gemessen daran besteht und bestand auch vor seiner Inhaftierung zwischen\ndem Klager und seinen Sohnen keine familiare Lebensgemeinschaft in diesem\nSinne. Nachdem der Klager seine Kinder zu seiner Mutter in die Turkei\ngeschickt hatte, konnte er seine Erziehungsfunktion nicht mehr wahrnehmen,\ndies tat vielmehr seine Mutter. Als die Kinder aus der Turkei wieder zu ihrer\nMutter zuruckkehrten, war der Klager bereits inhaftiert, so dass er seine\nErziehungsfunktion ebenfalls nicht mehr ausuben konnte. Wie bereits erwahnt,\nubt die geschiedene Ehefrau gegenwartig das Sorgerecht alleine aus, und der\nKlager hat nach seinen Bekundungen in der mundlichen Verhandlung vor dem\nVerwaltungsgericht nicht vor, ihr dieses Sorgerecht zukunftig streitig zu\nmachen. Auch wenn sich der Klager nunmehr im Zulassungsverfahren anders\neinlasst, bleibt es dabei, dass er zum maßgeblichen Zeitpunkt der\nAusweisungsverfugung sich allenfalls auf ein Umgangsrecht berufen konnte. Die\nauslanderrechtliche Bedeutung dieses Umgangsrechts hat das Verwaltungsgericht\nzutreffend dargestellt. Im Übrigen bewahrt die Existenz eines ehelichen Kindes\naus einer Ehe mit einer deutschen Staatsangehorigen den auslandischen\nElternteil nicht grundsatzlich vor einer Ausweisung (vgl. BVerfG,\nKammerbeschluss vom 12.4.2000 \\- 2 BvR 440/00 -). Besonderheiten, die im\nvorliegenden Fall eine Abweichung von diesem Grundsatz gebieten wurden oder\ndie dem Umgangsrecht ein das offentliche Interesse an der Ausweisung des\nKlagers uberwiegendes Gewicht beimessen wurden, liegen angesichts der -\naufgrund der Umstande - nur noch losen Beziehung zwischen dem Klager und\nseinen Kindern nicht vor. Bedenken gegen die diesbezuglichen Erwagungen des\nangegriffenen Bescheids bestehen nicht, zumal der familiaren Situation auch\ndurch eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung Rechnung getragen werden\nkann. \n--- \n| 9 \n--- \n| Hinsichtlich des vom Klager sinngemaß beanspruchten Ausweisungsschutzes\nnach Art. 14 ARB 1/80 legt der Klager nicht in der nach § 124a Abs. 4 Satz 4\nVwGO erforderlichen Weise dar, warum die auf der Rechtsprechung des Senats\nbasierende Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Verbußung von Strafhaft\nden Verlust bereits erworbener Anspruche nach Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 bewirke,\nernstlichen Zweifeln begegnet (vgl. Senatsurteil vom 27.9.1995 - 11 S 424/95\n-; ebenso VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 31.7.1996 - 13 S 466/96 -, InfAuslR\n1996, 333). Ebenso wenig setzt er sich mit der Argumentation des\nVerwaltungsgerichts auseinander, dass ein etwaiges Aufenthaltsrecht nach Art.\n7 Satz 1 ARB 1/80 durch die Scheidung von der stammberechtigten Ehefrau\nerloschen ist. \n--- \n| 10 \n--- \n| Keiner weiteren Begrundung bedarf es nach den Ausfuhrungen zu § 48 Abs. 1\nSatz 1 Nr. 2 AuslG dafur, dass der Klager sich zum maßgeblichen Zeitpunkt der\nAusweisung nicht seit zehn Jahren ordnungsgemaß im Bundesgebiet aufhielt und\ndamit auch nicht auf den Ausweisungsschutz nach Art. 3 Abs. 3 ENA berufen\nkann. Rechtmaßig und damit ordnungsgemaß war sein Aufenthalt erst ab der\nWiedereinreise am 30.5.1996. \n--- \n| 11 \n--- \n| Auch das Vorbringen des Klagers gegen die tragenden Entscheidungsgrunde des\nVerwaltungsgerichts zu Art. 8 EMRK begrundet keine ernstlichen Zweifel im\ngenannten Sinn. Nach der Rechtsprechung des Senats sind Korrekturen einer nach\nnationalen Vorschriften rechtmaßigen Ausweisung wegen Unverhaltnismaßigkeit\nnach dem Maßstab des Art. 8 Abs. 2 EMRK nur in außergewohnlichen Einzelfallen\ndenkbar, die entweder hinsichtlich des (gesteigerten) Gewichts der Schutzguter\n(Privat- und Familienleben) oder hinsichtlich der (geminderten) Bedeutung der\noffentlichen Ausweisungsziele (insbesondere offentliche Sicherheit,\nAufrechterhaltung der Ordnung, Verhutung von Straftaten, Schutz der Rechte und\nFreiheiten anderer) signifikante Besonderheiten aufweisen (vgl.\nSenatsbeschluss v. 23.10.2002 - 11 S 1410/02 -, EzAR 031 Nr. 9 = AuAS 2003, 64\n= NVwZ-RR 2003, 304 = VBlBW 2003, 324; Senatsurteil vom 28.11.2002 - 11 S\n1270/02 -, VBlBW 2003, 289 = EzAR 034 Nr. 14). Solche Besonderheiten liegen im\nFall des Klagers nicht vor. Dass und warum eine konkrete Wiederholungsgefahr\nbesteht, wurde bereits dargelegt. Ebenso wurde bereits begrundet, dass die\nBeziehung des Klagers zu seinen Sohnen auch unter dem Blickwinkel des Art. 6\nGG der Ausweisung nicht entgegensteht. Soweit sich aber der Schutzbereich des\nArt. 8 Abs. 1 EMRK mit dem des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG deckt, vermittelt Art. 8\nEMRK keinen weitergehenden Schutz (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.7.1993 - 1 C\n25.93 -; Senatsbeschluss v. 23.10.2002, aaO.). \n--- \n| 12 \n--- \n| Nicht hinreichend dargelegt wird schließlich, in welcher Hinsicht die\nEntscheidung des EuGH vom 29.4.2004 in den Rechtssachen Orfanopoulos und\nOliveri ernstliche Zweifel an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts\nbegrunden soll. \n--- \n| 13 \n--- \n| 2\\. Dem Zulassungsantrag des Klager ist auch nicht zu entnehmen, inwieweit\ndie Rechtssache besondere tatsachliche oder rechtliche Schwierigkeiten\naufweisen soll (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die Annahme besonderer\ntatsachlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2\nVwGO setzt voraus, dass der Rechtssache nicht nur allgemeine oder\ndurchschnittliche Schwierigkeiten zukommen. Dieser Zulassungsgrund liegt\nvielmehr nur dann vor, wenn sich der konkret zu entscheidende Fall in\ntatsachlicher oder rechtlicher Hinsicht von dem Spektrum der in\nverwaltungsgerichtlichen Verfahren zu entscheidenden Streitfalle abhebt. Diese\nVoraussetzungen sind hier ersichtlich nicht gegeben. Es genugt nicht, wenn der\nKlager lediglich darauf hinweist, dass das Verwaltungsgericht sich mit der\nEntscheidung uber den Eilantrag bis zur Entscheidung in der Hauptsache „Zeit\ngelassen" habe. \n--- \n| 14 \n--- \n| 3\\. Ohne Erfolg beruft sich der Klager des weiteren auf den Zulassungsgrund\nder grundsatzlichen Bedeutung (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Grundsatzliche\nBedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kommt einer Rechtssache dann\nzu, wenn das erstrebte weitere Gerichtsverfahren zur Beantwortung von\nentscheidungserheblichen konkreten Rechtsfragen oder im Bereich der\nTatsachenfragen nicht geklarten Fragen mit uber den Einzelfall\nhinausreichender Tragweite beitragen konnte, die im Interesse der\nEinheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts\nhohergerichtlicher Klarung bedurfen. Die Darlegung dieser Voraussetzungen\nverlangt vom Klager, dass er unter Durchdringung des Streitstoffes des\nerstinstanzlichen Urteils eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage aufzeigt,\nd.h. benennt, die fur die Entscheidung des Verwaltungsgerichts tragend war und\ndie auch fur die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich sein wird, und\neinen Hinweis auf den Grund gibt, der ihre Anerkennung als grundsatzlich\nbedeutsam rechtfertigen soll (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 5.6.1997 - 4\nS 1050/97 -, VBlBW 1997, 420 mwN.). \n--- \n| 15 \n--- \n| Diesen Anforderungen genugt die Antragsbegrundung des Klagers nicht. Er\nbenennt keine konkrete Rechtsfrage, die fur die Entscheidung des\nVerwaltungsgerichts tragend war und die auch fur die Entscheidung im\nBerufungsverfahren erheblich sein wurde. Soweit sich der Klager sinngemaß\ndarauf beruft, dass nach der jungsten Rechtsprechung des Europaischen\nGerichtshofs bei der Beurteilung der Gefahrdung der offentlichen Sicherheit\nund Ordnung durch den ausgewiesenen Gemeinschaftsburger maßgeblich auf die\nVerhaltnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen sei, und\ndass diese Rechtsprechung auch in seinem Fall auf ihn als turkischen\nStaatsangehorigen anzuwenden sei, fehlt es an der Entscheidungserheblichkeit.\nDer Klager hat namlich nicht dargelegt, welche neuen Umstande sich seit der\nAusweisungsverfugung vom 6.8.2003 ergeben haben sollen, die eine nach heutiger\nEinschatzung abweichende Entscheidung uber die Ausweisung rechtfertigen\nwurden; insbesondere hat sich hinsichtlich der vom Klager ausgehenden\nWiederholungsgefahr - wie bereits ausgefuhrt - nichts geandert. Nicht\nentscheidungserheblich ist auch - neben rechtlichen Bedenken hinsichtlich der\nÜbertragbarkeit der Entscheidung auf turkische Staatsangehorige -, die vom\nKlager behauptete Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der Regelausweisung, da der\nEuGH dieses Verdikt unter den Vorbehalt gestellt hat, dass das personliche\nVerhalten nicht gebuhrend berucksichtigt wurde; bei der Ausweisung des Klagers\nwurde sein personliches Verhalten jedoch insoweit gebuhrend berucksichtigt,\nals das Vorliegen eines Ausnahmefalls und die Verhaltnismaßigkeit der Maßnahme\nuntersucht worden sind. Ebenso wenig werfen die anderen vom Klager\nangesprochenen Punkte Rechtsfragen von grundsatzlicher Bedeutung auf: Das gilt\nfur das dem Klager seiner Meinung nach zustehende Sorgerecht, die Berufung auf\nArt. 6 GG, Art. 8 EMRK und Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80. Insoweit kann auf die\nAusfuhrungen des Senats zu diesen Vorschriften verwiesen werden. \n--- \n| 16 \n--- \n| 4\\. Schließlich liegt auch der geltend gemachte Zulassungsgrund des\nVerfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nicht vor. Insbesondere gibt es\nkeinen Anlass zu der vom Klager vorgetragenen Annahme, in der unterlassenen\nLadung und Anhorung der von ihm benannten und teilweise in die mundliche\nVerhandlung mitgebrachten Zeugen bzw. in der unterlassenen Beiziehung der\nAkten des Adoptions-, Sorge- und Umgangsrechtsverfahrens liege ein\nVerfahrensmangel, auf dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts beruhen\nkonne (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), weil es dadurch gegen die gerichtliche\nAufklarungspflicht verstoßen habe (vgl. § 86 Abs. 1 VwGO). Ein Gericht\nverstoßt grundsatzlich nicht gegen seine Pflicht zur erschopfenden Aufklarung\ndes Sachverhalts, wenn es von einer Beweiserhebung absieht, die eine von einem\nRechtsanwalt vertretene Partei nicht ausdrucklich beantragt hat (vgl. VGH\nBad.-Wurtt., Beschluss vom 30.4.1997 - 8 S 1040/97 -, VBlBW 1997, 299 im\nAnschluss an die standige Rspr. des BVerwG, vgl. u.a. Beschluss vom 26.6.1975\n- VI B 4.75 -, Buchholz 232 § 26 BBG Nr. 17). Die Prozessbevollmachtigte des\nKlagers, die den Klager bereits vor dem Verwaltungsgericht vertreten hat, hat\nausweislich des Sitzungsprotokolls einen auf die Vernehmung der Zeugen und\nBeiziehung der genannten Akten zielenden Beweisantrag nicht gestellt. Ihre\nschriftsatzlich formulierten Beweisantrage sind als Anregung zur\nBeweiserhebung fur das Gericht nicht bindend (vgl. § 86 Abs. 1 Satz 2 VwGO).\nDie Beweiserhebung musste sich dem Verwaltungsgericht auch nicht aufdrangen.\nWie die obigen Ausfuhrungen gezeigt haben, ware das Verwaltungsgericht\nvoraussichtlich auch dann, wenn es die Zeugen angehort und die Akten\nbeigezogen hatte, zu keiner anderen Entscheidung gekommen. Das gilt sowohl\nhinsichtlich der Frage, ob dem Klager aufgrund der Umstande der versuchten\nAdoption bereits als Minderjahrigem eine Aufenthaltserlaubnis hatte erteilt\nwerden mussen, als auch hinsichtlich des Hintergrundes der Tat, der\nemotionalen Anspannung des Klagers vor der Tat und der Umstande, wie die\nKindsmutter die Familie verlassen hat. Daher wurde auch dann, wenn man die\nfehlende Anhorung der Zeugen und die unterlassene Beiziehung der Akten als\nVerfahrensmangel betrachten wurde, das Urteil darauf nicht beruhen. Der Mangel\nkann hinweggedacht werden, ohne dass die Richtigkeit der Entscheidung in Frage\ngestellt ware (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.3.1994, - 11 C 48/92 -, NVwZ 1994,\n1095), so dass er nicht kausal fur die Entscheidung des Verwaltungsgerichts\ngeworden ist. Dies gilt auch nach der hier maßgeblich zugrunde zu legenden\nRechtsauffassung des Verwaltungsgerichts, da es an keiner Stelle seiner\nEntscheidung zu erkennen gegeben hat, dass es die Ausweisung anders beurteilen\nwurde, je nachdem, ob der Klager vor seiner Ausreise bereits einen Anspruch\nauf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gehabt hatte oder nicht; vielmehr hat\nes im Gegenteil diese Frage ausdrucklich offen gelassen. Auch ist nichts dafur\nersichtlich, dass das Verwaltungsgericht den Hintergrund der Tat, die\nemotionale Anspannung des Klagers vor der Tat und die Umstande, wie die\nKindsmutter die Familie verlassen hat, nicht berucksichtigt hatte bzw. dass\ndiese Umstande, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren umfangreich\nvorgetragen worden sowie Gegenstand der vom Verwaltungsgericht beigezogenen\nStrafakten sind und von denen daher auch ohne besondere Erwahnung im\nUrteilstext auszugehen ist, dass sie das Gericht zur Kenntnis genommen hat, zu\neiner anderen Entscheidung gefuhrt hatten. \n--- \n| 17 \n--- \n| Von einer weiteren Begrundung sieht der Senat ab. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; die\nStreitwertfestsetzung folgt aus den §§ 25 Abs. 2 Satz 1, 14 Abs. 3 und Abs. 1\nSatz 1 sowie § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG. \n--- \n| 19 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar \n---\n\n
139,895
lg-mosbach-2004-06-24-1-qs-5204
138
Landgericht Mosbach
lg-mosbach
Mosbach
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
1 Qs 52/04
2004-06-24
2019-01-07 14:46:10
2019-01-17 12:00:04
Beschluss
## Tenor\n\nDie sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Mosbach gegen den Beschluss\ndes Amtsgerichts Mosbach vom 2. Juni 2004 wird verworfen.\n\nDie Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des\nAngeschuldigten in diesem tragt die Staatskasse.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Mit Recht hat das Amtsgericht Mosbach den Erlass des beantragten\nStrafbefehls abgelehnt. Die Äußerungen und Gesten des Angeschuldigten erfullen\nden Tatbestand der Beleidigung nicht, weil es sich hierbei um Werturteile\nhandelt, die (noch) vom Grundrecht auf freie Meinungsaußerung gedeckt sind. \n--- \n| 2 \n--- \n| 1\\. Bei den Gesten und Äußerungen des Angeklagten handelt es sich um\n„Werturteile". Diese konnen zwar auch den Tatbestand der Beleidigung erfullen,\nsie mussen sich hierbei aber am Grundrecht der Meinungsfreiheit messen lassen.\nLediglich wenn sich eine Äußerung oder Geste als Angriff auf die\nMenschenwurde, als Formalbeleidigung oder als Schmahung darstellt (BVerfG, NJW\n1999, 2262 [2263]), muss dieses Grundrecht grundsatzlich zurucktreten, so dass\nin diesen Fallen eine Strafbarkeit wegen Beleidigung gegeben ware. \n--- \n| 3 \n--- \n| a. Die Aussage des Angeschuldigten „mein Niveau ist um einiges hoher, als\ndas Ihre" erfullt keines der drei Kriterien, zumal sie die Antwort auf einen\nVorwurf des Burgermeisters war, der das Niveau des Redebeitrags des\nAngeschuldigten gerugt hatte. \n--- \n| 4 \n--- \n| b. Die spatere Äußerung des Angeschuldigten „so einen wie Sie hatte man bei\nmeiner Bank noch nicht einmal als Pfortner eingestellt" erfullt ebenfalls\nkeines der drei Kriterien. Sie ist hier auch keine „Schmahung" des\nBurgermeisters. Die reine Schmahkritik erschopft sich im Gegensatz zum\nWerturteil in der Herabsetzung einer Person ohne jeglichen Bezug zu\nTatsachenbehauptungen. Eine uberzogene oder gar ausfallige Kritik macht eine\nÄußerung fur sich genommen noch nicht zur Schmahung. Hinzukommen muss\nvielmehr, dass die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Die Äußerung\nmuss jenseits auch polemischer und uberspitzter Kritik in der personlichen\nHerabsetzung bestehen (vgl. OLG Dusseldorf, NStZ-RR 1996, 164 [165]).Der hier\nangeklagten Äußerung ging jedoch ein Ausspruch des Burgermeisters voraus, der\nin Bezug auf die Person des Angeschuldigten sein Erstaunen geaußert hatte, wie\nes der Angeschuldigte in den Vorstand der B. - Bank geschafft habe. Vor diesem\nHintergrund ist die Antwort des Angeschuldigten zwar unsachlich und\nuberspitzt, ihr Aussagegehalt erschopft sich wegen des vorangegangenen\nVorwurfs des Burgermeisters jedoch nicht in dessen personlicher Herabsetzung. \n--- \n| 5 \n--- \n| c. Die Geste „flache Hand auf die Stirn" ist im Gegensatz zum „Vogel" keine\nFormalbeleidigung. Sie druckt nicht aus, dass der Gegenuber „verruckt" sei,\nsondern dass er „Unsinn geredet" oder „nicht nachgedacht" habe, so dass diese\nGeste ebenfalls als Kundgabe eines Werturteils aufzufassen ist. \n--- \n| 6 \n--- \n| 2\\. Allerdings kann auch die Kundgabe eines Werturteils den Tatbestand der\nBeleidigung erfullen. Eine ehrverletzende Meinungsaußerung, die sich weder als\nVerletzung der Menschenwurde, Formalbeleidigung oder Schmahkritik darstellt,\nmacht dann allerdings eine Abwagung zwischen Meinungsfreiheit und Ehrenschutz\nerforderlich, deren Ergebnis verfassungsrechtlich nicht vorgegeben ist, bei\nder jedoch alle wesentlichen Umstande des Falles zu berucksichtigen sind und\nbei der es auf die Schwere der Beeintrachtigung der betroffenen Rechtsguter\nankommt (BVerfG, NJW 1996, 1529; BVerfG, NJW 1999, 2262 [2263]). So hat ein\nVerletzter eine Einschrankung seines Ehrenschutzes insbesondere dann\nhinzunehmen, wenn er durch sein Verhalten begrundeten Anlass zur Kritik\ngegeben hat (BGHSt 12, 287 [294] = NJW 1959, 636). Unter dem Gesichtspunkt des\nso genannten Gegenschlags ist es einem Betroffenen dann auch nicht verwehrt,\nsogar starke Worte zu gebrauchen, die auch dem „Gegner unangenehm ins Ohr\nklingen konnen" (BGHSt 12, 287 = NJW 1959, 636; BVerfGE 12, 113 [132] = NJW\n1969, 819; BayObLG, NStZ 1983, 265 [266]), wobei die Verknupfung von Anlass\nund Reaktion nicht nur auf gegenseitige Angriffe und Beleidigungen beschrankt\nist (BVerfGE 24, 278 [286] = NJW 1969, 227; BayObLG, NStZ 1983, 265 [266]).\nWer dadurch Kritik auf sich lenkt, dass er in der Öffentlichkeit zu Fragen der\nPolitik betont Stellung bezieht, muss unter Umstanden eine scharfe\nubersteigerte Reaktion durch seine Gegner hinnehmen. Herabsetzende Äußerungen\nsind danach im Rahmen einer offentlichen, der allgemeinen Meinungsbildung\ndienenden Auseinandersetzung dann gerechtfertigt, wenn sie gemessen an den von\nder Gegenseite geaußerten Auffassungen oder ihrem Verhalten nicht\nunverhaltnismaßig erscheinen und noch als adaquate Reaktion auf den\nvorangegangenen Vorgang verstanden werden konnen (BVerfGE 24, 278 [283] = NJW\n1969, 227). \n--- \n| 7 \n--- \n| a. Daher hat es ein Burgermeister, der einem Gemeinderat sinngemaß\nfehlendes Niveau vorwirft, hinzunehmen, dass ihm dieser Gemeinderat erwidert,\ndass sein Niveau das des Burgermeisters ubersteige. \n--- \n| 8 \n--- \n| b. Auch die Aussage, „so einen wie Sie hatte man bei meiner Bank noch nicht\neinmal als Pfortner eingestellt" ist hier hinzunehmen. Sie ist als Antwort auf\ndie geaußerte Verwunderung des Burgermeisters, wie es der angeschuldigte\nGemeinderat zum Vorstandsmitglied einer Bank geschafft habe, zwar uberspitzt,\naber im politischen Schlagabtausch als spontane Reaktion auf einen Angriff des\nBurgermeisters vom Recht auf Meinungsaußerung gedeckt. \n--- \n| 9 \n--- \n| c. Entsprechendes gilt fur die Geste „Flache Hand auf die Stirn". Den\nstrafrechtlichen Tatbestand der Beleidigung erfullt diese Geste nicht. Der\nAngeschuldigte hat sich mit dieser Geste nach außen erkennbar inhaltlich mit\ndem Redebeitrag des Burgermeisters auseinandergesetzt. Diese Geste stellte\nzwar auch einen nicht sehr schwerwiegenden Angriff auf die Ehre des\nBurgermeisters dar. In einer - wie hier - von alle Seiten emotional gefuhrten\nDebatte ist dies jedoch strafrechtlich hinzunehmen. \n--- \n| 10 \n--- \n| 3\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 2 StPO. \n---\n\n
139,908
lg-stuttgart-2004-06-29-15-o-14604
142
Landgericht Stuttgart
lg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
15 O 146/04
2004-06-29
2019-01-07 14:46:15
2019-01-17 12:00:05
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Das beklagte Land wird verurteilt, die Loschungsbewilligung fur die im\nGrundbuch von M., Band 33, Blatt 1338, im Grundbuch des Amtsgerichtes A.\neingetragene Grundschuld auf der Fl.Nr. 1617 S., Campingplatz, Erholungsflache\nzu 1,9005 ha,\n\n> > \\- 97/14941 Anteile (Einlagebogen Nr. 4) \n>> --- \n>> \\- 108/14941 Anteile (Einlagebogen Nr. 5) \n>> \\- 97/14941 Anteile (Einlagebogen Nr. 11) \n>> \\- 108/14941 Anteile (Einlagebogen Nr. 12) \n>> \\- 120/14941 Anteile (Einlagebogen Nr. 22) \n>> \\- 144/14941 Anteile (Einlagebogen Nr. 23) \n>> \\- 72/14941 Anteile (Einlagebogen Nr. 36) \n>> \\- 72/14941 Anteile (Einlagebogen Nr. 56) \n>> \\- 108/14941 Anteile (Einlagebogen Nr. 62) \n>> \\- 72/14941 Anteile (Einlagebogen Nr. 67) \n>> \\- 37/14941 Anteile (Einlagebogen Nr. 68) \n>> \\- 157,5/14941 Anteile (Einlagebogen Nr. 69) \n>> \\- 105/14941 Anteile (Einlagebogen Nr. 71) \n>> \\- 112/14941 Anteile (Einlagebogen Nr. 78) \n>> \\- 164/14941 Anteile (Einlagebogen Nr. 81) \n>> \\- 120/14941 Anteile (Einlagebogen Nr. 83) \n>> \\- 110/14941 Anteile (Einlagebogen Nr. 88) \n>> \\- 108/14941 Anteile (Einlagebogen Nr. 92) \n>> \\- 216/14941 Anteile (Einlagebogen Nr. 93) \n>> \\- 72/14941 Anteile (Einlagebogen Nr. 94) \n>> \\- 2383/14941 Anteile (Einlagebogen Nr. 95) \n \nabzugeben.\n\n2\\. Es wird festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, die dem\nKlager anfallenden Kosten anlasslich der Loschung der Grundschuld zu tragen.\n\n3\\. Die Kosten des Rechtsstreits tragt das beklagte Land.\n\n4\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Das beklagte Land kann die\nZwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hohe von 100 % des\nvollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Klager vor der\nZwangsvollstreckung Sicherheit in Hohe von 110 % des zu vollstreckenden\nBetrages leistet.\n\nStreitwert: 150.000,00 EUR\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager macht als Insolvenzverwalter gegenuber dem beklagten Land\nAnspruche aus Insolvenzanfechtung geltend. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager wurde durch Beschluss des Amtsgerichts E. vom 31. Oktober 2003\n(Anlage K 1, Bl. 10 d.A.). zum Insolvenzverwalter uber das Vermogen der W.\nGmbH mit ehemaligem Sitz in D., bestellt. Voraus ging die Tatigkeit als\nvorlaufiger Insolvenzverwalter gemaß Beschluss des Amtsgerichts E. vom 22.\nSeptember 2003 (Anlage K 2, Bl. 11 d.A.). Das Insolvenzverfahren kam durch\nEigenantrag der Schuldnerin vom 22. September 2003 (Anlage K 3, Bl. 12 d.A.)\nin Gang und wurde mit Zahlungsunfahigkeit und Zahlungseinstellung ab 3.\nSeptember 2003 begrundet. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Schuldnerin ist Eigentumerin zahlreicher Parzellen eines in M. bei A.\ngelegenen Campingplatzes. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Sie schuldet dem Finanzamt Umsatzsteuern in Hohe von 361.067,62 EUR. Diese\nSteuerschuld beruht darauf, dass fur das Geschaftsjahr 2001 eine berichtigte\nUmsatzsteuererklarung abgegeben werden musste, weil zuvor massive Versaumnisse\ninnerhalb des schuldnerischen Unternehmens anlasslich der Erfassung von\nEingangs- und Ausgangsrechnungen sowie der Erstellung der gegenuber dem\nFinanzamt abzugebenden Umsatzsteuervoranmeldung festgestellt werden mussten.\nAnlasslich der berichtigten Steuererklarung wurde vom Finanzamt die\nentsprechende Steuerveranlagung vorgenommen und die Umsatzsteuernachzahlung\ngeltend gemacht. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Schreiben des fur die Schuldnerin tatigen Wirtschaftsprufers W. vom 28.\nApril 2003 (Anlage K 4, Bl. 13 d.A.) wurde dem Finanzamt der Sachverhalt\nnochmals erlautert und außerdem mitgeteilt: \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| „Zwischenzeitlich ist die Gesellschaft durch die uberall greifbare\nallgemeine wirtschaftliche Lage sowie die Kaufzuruckhaltung im\nKonsumentenbereich erheblich getroffen worden, was dazu fuhrt, dass derzeit\ndie liquiden Mittel zur fristgemaßen Begleichung der Umsatzsteuerrestzahlung\n2001 bedauerlicherweise nicht zur Verfugung stehen, obwohl der Gesellschafter,\nHerr K. W., erhebliche Gesellschafterleistungen in Form von\nGesellschafterdarlehen in die Gesellschaft eingebracht hat. Er hat daruber\nhinaus zu Lasten seines Privatvermogens erhebliche Besicherungen zur Verfugung\ngestellt, um die Gesellschaft und ca. 20 Arbeitsplatze zu erhalten. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Um es zum einen der Gesellschaft zu ermoglichen, ihren Geschaftsbetrieb\naufrecht zu erhalten, zum anderen fur das Finanzamt K. die\nUmsatzsteuerrestzahlung 2001 zu realisieren, beantrage ich im Auftrag der\nvorbezeichneten Gesellschaft Stundung, hilfsweise Vollstreckungsaufschub in\nder Weise, als mit sofortigem Beginn monatliche Teilzahlungen von 50.000,00\nEUR auf die Umsatzsteuerrestschuld bis zur endgultigen Begleichung bezahlt\nwerden. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Ich halte unter Berucksichtigung der vorgeschlagenen monatlichen Raten den\nSteueranspruch fur nicht gefahrdet, weshalb ich von der Gestellung der\nSicherheitsleistung Abstand zu nehmen bitte." \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Bescheid vom 02.05.2003 (Anlage K 5, Bl. 14 d.A.) wurde der\nStundungsantrag abgelehnt und mitgeteilt, dass wegen der Umsatzsteuerschuld\nvon 361.067,63 EUR in die Vollstreckung gegangen werde. Zur Abwendung von\nVollstreckungsmaßnahmen stellte das Finanzamt gegen entsprechende\nSicherheitsleistung und angemessene Ratenzahlung einen Vollstreckungsaufschub\nin Aufsicht. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Am 12.05.2003 fand zwischen dem Wirtschaftsprufer der Schuldnerin und dem\nFinanzamt K., vertreten durch Herrn F. und Frau S., eine Besprechung statt.\nÜber diese wurde vom Wirtschaftsprufer eine Aktennotiz (Anlage K 6, Bl. 15\nd.A.) gefertigt. Danach wurde vereinbart, dass die Schuldnerin monatliche\nRaten von 25.000,00 EUR an das Finanzamt zur Tilgung der ruckstandigen\nUmsatzsteuer zu bezahlen habe und dass Herr W. „als Besicherung eine\nGrundschuld zu Lasten der Grundstucke A., in entsprechender Hohe zur Verfugung\nstelle". Der Erlass von Saumniszuschlagen bis maximal 50 % wurde fur den Fall\nder Begleichung der Steuerschuld in Aussicht gestellt. Herr F. teilte in der\nBesprechung weiter mit, dass die Umsatzsteuer-Jahreserklarung als\nSelbstanzeige im Sinne des § 371 AO gewertet werden konne. Voraussetzung sei\naber, dass die Steuerschuld innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten\nausgeglichen sei, ansonsten konnten strafrechtliche Auswirkungen wohl nicht\nvermieden werden. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Antrag auf Eintragung der Grundschuld vom 12.06.2003 (Anlage K 7, Bl.\n16 d.A.) ging am 16.06.2003 beim Grundbuchamt A. ein (Anlage K 8, Bl. 17 d.A.)\nein Berichtigungsantrag (auf Veranlassung des Grundbuchamts) vom 01.07.2003\nging am 03.07.2003 beim Grundbuchamt A. ein (Anlage K 9, Bl. 18 d.A.). Beide\nAntrage wurden ausschließlich von der Schuldnerin gestellt. Die Eintragung der\nGrundschuld erfolgte am 03.07.2003 (Anlage K 10, Bl. 19 d.A.). \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Mit Schreiben vom 11.11.2003 (Anlage K 11, Bl. 20 d.A.) hat der Klager\ngegenuber dem Finanzamt die Insolvenzanfechtung geltend gemacht und zur Abgabe\nder Loschungsbewilligung fur die eingetragenen Grundschulden aufgefordert. Die\nBeklagte hat mit Schreiben vom 28.11.2003 die Anfechtung zuruckgewiesen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Der Klager vertritt die Auffassung, dass die Anfechtungstatbestande der §§\n131 Abs. 1 Nr. 2 und 3, 133 Abs. 1 InsO erfullt seien. Die anfechtbare\nRechtshandlung der Schuldnerin sei erst mit Eintritt ihrer Wirkungen am\n03.07.2003 erfolgt und damit innerhalb des Drei-Monats-Zeitraums des § 131\nAbs. 1 Ziff. 2 und 3 InsO. Es liege eine inkongruente Deckung vor und die\nSchuldnerin sei zur Zeit der Handlung zahlungsunfahig gewesen bzw. sei dem\nFinanzamt bekannt gewesen, dass eine Glaubigerbenachteiligung gegeben sei.\nSchließlich habe die Schuldnerin mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt und das\nFinanzamt habe hiervon Kenntnis gehabt (§ 133 Abs. 1 InsO). \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Klager beantragt: \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Wie aus Ziff. 1. und 2. des Urteilstenors ersichtlich. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Das beklagte Land beantragt: \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Klagabweisung. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Es ist der Meinung, dass es nicht auf den Zeitpunkt der Eintragung der\nGrundschuld ankomme, sondern auf den der ersten Antragstellung, weswegen die\nim Streit stehende Rechtshandlung der Schuldnerin außerhalb des Drei-Monats-\nZeitraums liege. Im Übrigen handle es sich um eine kongruente Deckung und die\nSchuldnerin habe nicht mit Benachteiligungsvorsatz gehandelt, zumindest sei\nein solcher dem Finanzamt nicht bekannt gewesen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen\ngewechselten Schriftsatze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt des\nSitzungsprotokolls vom 18.05.2003 (Bl. 41/43 d.A.) verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 20 \n--- \n| Die zulassige Klage ist begrundet. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Das beklagte Land ist gemaß § 143 Abs. 1 InsO verpflichtet, die Grundschuld\nauf ihre Kosten formgerecht an die Insolvenzschuldnerin zuruck zu ubertragen,\nweil es sich bei der Übertragung dieser Grundstucksrechte um eine anfechtbare\nRechtshandlung im Sinne der §§ 129 ff. InsO handelt. Statt der Ruckubertragung\nkann der Klager als Insolvenzverwalter die Loschung des Rechts verlangen\n(Munchener Kommentar, InsO, Band 2, 2002, Kirchhof, § 143, Rn. 35). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Eine anfechtbare Rechtshandlung des Insolenzschuldners im Sinne des § 129\nInsO ist jedes Handeln, das eine rechtliche Wirkung auslost, wie die\nBewilligung und der Antrag auf Eintragung der streitgegenstandlichen\nGrundschuld. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Diese Rechtshandlung ist ursachlich fur eine Benachteiligung der\nInsolvenzglaubiger. Dabei setzt § 129 InsO eine objektive Benachteiligung der\nGlaubiger in ihrer Gesamtheit voraus. Sie liegt vor, wenn sich die\nBefriedigung der Glaubiger im Falle des Unterbleibens der angefochtenen\nHandlung gunstiger gestaltet hatte. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Bei den hier in Betracht kommenden Anfechtungstatbestanden der §§ 131 Abs.\n1 Ziff. 2 und 3, 133 Abs. 1 InsO genugt eine mittelbare Benachteiligung, d. h.\nes reicht aus, dass zu der Rechtshandlung ein Umstand hinzu tritt, der zur\nGlaubigerbenachteiligung fuhrt. Dies steht vorliegend außer Zweifel, denn\ndurch die Belastung des Grundstuckes mit der Grundschuld zugunsten des\nbeklagten Landes in Hohe von 360.000,00 EUR ist dieser Vermogenswert\nwirtschaftlich der Insolvenzmasse entzogen worden, wodurch die\nBefriedigungsaussicht der Insolvenzglaubiger erheblich geschmalert wird. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Der Anfechtungsgrund des § 131 Abs. 1 Ziff. 2 InsO und auch der des § 131\nAbs. 1 Ziff. 3 InsO sind erfullt. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Nach § 131 Abs. 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem\nInsolvenzglaubiger eine Sicherung gewahrt, die er nicht oder nicht in der Art\noder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte (Inkongruente Deckung). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Unzweifelhaft war die Steuerschuld entstanden und zur Zahlung fallig zu\neinem Zeitpunkt, als dem beklagten Land keinerlei Anspruch gegenuber der\nSchuldnerin auf Besicherung zustand. Diese wurde vielmehr erst eingeraumt, als\nsich die Insolvenzschuldnerin bereits in der Krise befand. Das Schreiben des\nWirtschaftsprufers W. vom 28.04.2003 schildert unmissverstandlich dem\nFinanzamt die schwierige wirtschaftliche Lage der Schuldnerin, die im Übrigen\nauch der Behorde bekannt gewesen sein muss aufgrund der jahrlichen\nSteuererklarungen der Insolvenzschuldnerin. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Das beklagte Land lehnte eine die Falligkeit hinausschiebende Stundung ab\nund stellte lediglich unter fortgesetzter Erhebung der Saumniszuschlage einen\nVollstreckungsaufschub in Aussicht fur den Fall, dass eine Besicherung und\nRatenzahlungen erfolgen wurden. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Von einer Kreditierung gegen Grundschuldeinraumung kann keinesfalls die\nRede sein. Eine inkongruente Deckung wird vom Bundesgerichtshof seit seiner\nEntscheidung am 09.07.1997 (BGHZ 136, 309 ff.) in standiger Rechtsprechung\ndann angenommen, wenn der Schuldner in der Krise zur Vermeidung einer\nunmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung geleistet hat (BGH Urteil vom\n18.12.2003, Az. IX ZR 9/03; BGH, Urteil vom 18.12.2003, Az. IX ZR 199/02). \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Unzweifelhaft hat die Schuldnerin die Besicherung vorgenommen auf das\nDrangen des Finanzamtes, um die angedrohte Vollstreckung abzuwenden und zudem\nauch unter dem Druck des strafrechtlichen Steuerhinterziehungsverfahrens. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Von einem Bargeschaft im Sinne des § 142 InsO (Munchener\nKommentar/Kirchhof, a.a.O., § 142, Rn. 7) kann damit keinesfalls die Rede\nsein. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Hinzu kommt, dass die Sicherungsabrede vom 12.05.2003 ausweislich der\nAktenvermerk-Niederschrift des Finanzamtes K. vom selben Tag (Anlage B 1, Bl.\n37 d.A.) zu unbestimmt war, um einklagbar zu sein (Munchener\nKommentar/Kirchhof, a.a.O., § 131, Rn. 20). Denn es heißt dort: „Gewahrung\neiner Grundschuld auf ein unbelastetes Grundstuck in A." \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Diese Streitfrage zwischen den Parteien kann aber letztlich dahingestellt\nbleiben, weil auf jeden Fall aus den ubrigen zuvor genannten Grunden die\nInkongruenz der Deckung folgt. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Die anfechtbare Rechtshandlung ist auch innerhalb des Drei-Monats-Zeitraums\ndes § 131 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 InsO erfolgt. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Gemaß § 140 Abs. 1 InsO gilt eine Rechtshandlung als in dem Zeitpunkt\nvorgenommen, indem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Bei der Belastung\neines Grundstucks mit einem Recht setzt der Erwerb gemaß § 873 Abs. 1 BGB die\nEinigung uber den Eintritt der Rechtsanderung und die Eintragung der\nRechtsanderung in das Grundbuch voraus. Die Eintragung erfolgte ausweislich\ndes Grundbuchauszuges am 03.07.2003 und der Insolvenzeroffnungsantrag wurde am\n22.09.2003 gestellt, so dass die Rechtshandlung innerhalb des Drei-Monats-\nZeitraums erfolgt ist. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Eine Ruckwirkung auf den Zeitpunkt des Eintragungsantrags kommt nicht in\nBetracht, weil die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 InsO nicht vorliegen. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Das Gericht schließt sich dabei nicht der vom Beklagten im Einzelnen\ndargelegten und zitierten Literaturmeinung an, sondern der BGH-Rechtsprechung\n(BGH ZIP 1997, 423 ff.). Die dortigen Erwagungen gelten auch fur § 140 Abs. 2\nInsO, wie der BGH ausdrucklich feststellt. Danach setzt § 140 Abs. 2 InsO\nnicht nur die Bindung des Schuldners an die Willenserklarung gemaß § 873 Abs.\n2 BGB voraus, sondern insbesondere auch, dass der „andere Teil" \\- also der\nAnfechtungsgegner - den Antrag auf Eintragung der Rechtsanderung gestellt hat.\nGrund dafur ist die Erwagung, dass der Schuldner einen vom anderen Teil\ngestellten Antrag nicht seinerseits zurucknehmen kann. Erst mit einem eigenen\nAntrag hat der Anfechtungsgegner eine gesicherte Rechtsposition erlangt, die\nsogar durch die Eroffnung eines Insolvenzverfahrens nicht mehr beeintrachtigt\nwerden kann. Ist dagegen - wie vorliegend - der Eintragungsantrag allein vom\nSchuldner selbst gestellt worden, so vermag dieser - oder sein\nInsolvenzverwalter - den Antrag noch rechtswirksam zuruckzunehmen, solange die\nEintragung nicht vollendet ist. Dann konnte es nicht ohne ein zusatzliches\nEingreifen des Antragsberechtigten zur Eintragung kommen. Die Rechtslage des\nAnfechtungsgegners gilt noch nicht als hinreichend gesichert. Das hat er\nselbst zu verantworten, weil er ohne eigenen Eintragungsantrag nicht alles in\nseiner Macht Stehende veranlasst hat, um sich selbst zu schutzen. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Das Finanzamt hatte den Eintragungsantrag ohne weiteres vor Beginn des\nDrei-Monats-Zeitraums stellen konnen. Aufgrund seines Versaumnisses sind die\nVoraussetzungen des § 140 Abs. 2 InsO nicht gegeben. Es verbleibt bei der\nRegelung des § 140 Abs. 1 InsO (vgl. hierzu Munchener Kommentar/Kirchhof, §\n140, Rn. 39). \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Die Schuldnerin war auch zur Zeit der Handlung (03.07.2003) zahlungsunfahig\n(§ 131 Abs. 1 Ziff. 2 InsO). \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Gemaß § 17 Abs. 2 S. 1 InsO ist der Schuldner zahlungsunfahig, wenn er\nnicht in der Lage ist, die falligen Zahlungspflichten zu erfullen. Die\nZahlungseinstellung wird nicht verlangt, sondern ist lediglich ein Indiz fur\ndie Zahlungsunfahigkeit (§ 17 Abs. 2 S. 2 InsO). \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Die Schuldnerin sah sich einer falligen - vom Finanzamt zu keinem Zeitpunkt\ngestundeten - Umsatzsteuerschuld in Hohe von 361.067,62 EUR ausgesetzt, die zu\nerfullen sie nicht im Stande war, wie der Wirtschaftsprufer W. bereits im\nSchreiben vom 28. April 2003 dem Finanzamt unmissverstandlich mitteilte. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Dass das Unvermogen, eine fallige Zahlungspflicht in Hohe von 361.067,62\nEUR zu erfullen, ausreicht, um eine Zahlungsunfahigkeit im Sinne des § 17 Abs.\n2 S. 1 InsO und damit auch im Sinne des § 131 Abs. 1 Ziff. 2 InsO zu bejahen,\nsteht außer Frage. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Dass tatsachlich zur Abwendung von Vollstreckungsmaßnahmen von der\nSchuldnerin noch zwei Raten in Hohe von je 25.000,00 EUR am 24.06.2003 und am\n18.07.2003 bezahlt wurden, steht der Annahme der Zahlungsunfahigkeit nicht\nentgegen, da gerade keine Zahlungseinstellung verlangt wird. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Damit ist der Anfechtungsgrund des § 131 Abs. 1 Ziff. 2 InsO gegeben. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Aber auch der des § 131 Abs. 1 Ziff. 3 InsO ist erfullt. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Hier wird das Merkmal der „Zahlungsunfahigkeit" ersetzt durch die Kenntnis\ndes Glaubigers von der Benachteiligung der Insolvenzglaubiger. Nach § 131 Abs.\n2 InsO steht der Kenntnis der Benachteiligung die Kenntnis von Umstanden\ngleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Die Krise der Schuldnerin war dem Finanzamt bekannt durch die\nSteuererklarungen, auf jeden Fall aber durch das Schreiben des\nWirtschaftsprufers vom 28. April 2003. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Die eingeraumte Sicherheit stellt eine inkongruente Deckung im Sinne des §\n131 Abs. 1 InsO dar und zugleich ein nach § 286 ZPO zu wurdigendes\nBeweisanzeichen fur die Kenntnis von einer Glaubigerbenachteiligung (BGH,\nUrteil vom 18.12.2003, Az. IX ZR 199/02). \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Nach der standigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum fruheren Recht\nbildet eine inkongruente Deckung in der Regel ein starkes Beweisanzeichen fur\ndie Benachteiligungsabsicht des Schuldners und fur die Kenntnis des Glaubigers\nvon dieser Absicht. Voraussetzung ist allerdings, dass die Wirkungen der\nRechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintraten, als zumindest aus der Sicht des\nEmpfangers der Leistung Anlass bestand, an der Liquiditat des Schuldners zu\nzweifeln. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Diese Rechtsprechung hat auch unter der Geltung der Insolvenzordnung\nBestand (BGH, a.a.O., m.w.N.). Fur § 131 Abs. 1 Ziff. 3 InsO folgt daraus,\ndass der Inkongruenz dann ein gemaß § 286 ZPO zu berucksichtigendes\nBeweisanzeichen fur eine Kenntnis des Anfechtungsgegners von einer Glaubiger-\nBenachteiligung zu entnehmen sein kann, wenn er - was vom Insolvenzverwalter\nzu beweisen ist - bei Vorname der Handlung wusste, dass sich der Schuldner in\neiner finanziell beengten Lage befand. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Mit dem vorgelegten Schreiben vom 28. April 2003 hat der Klager hinreichend\nnachgewiesen, dass das Finanzamt wusste, dass sich die Schuldnerin tatsachlich\nin einer finanziell beengten Lage befand. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Damit ist auch der Anfechtungsgrund des § 131 Abs. 1 Ziff. 3 InsO gegeben. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Nachdem eine Anfechtung bereits gemaß § 131 InsO begrundet ist, kommt es\nauf den weiteren Streit der Parteien zum Vorliegen der Voraussetzungen des §\n133 Abs. 1 InsO nicht an. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass sich aus den vorgenannten\nAusfuhrungen und den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 27. Mai 2003,\nAz. IX ZR 169/02 und vom 18. Dezember 2003, Az. IX ZR 199/02 ohne weiteres\nergibt, dass bei der Schuldnerin Glaubigerbenachteiligungsvorsatz und beim\nbeklagten Land als Glaubiger Kenntnis hiervon vorlagen. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| Die Sicherheit wurde gewahrt unter der Androhung der Vollstreckung und des\nStrafverfahrens. Es lag eine inkongruente Deckung vor, und das Finanzamt\nwusste, dass sich die Schuldnerin in der Krise befand und durch die\nGrundschuldbestellung die Insolvenzmasse verkurzt wird. Dies war letztlich der\nZweck der Besicherung, sich vorab aus dem Grundstuck befriedigen zu konnen. Im\nÜbrigen genugt fur die Glaubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners\nbedingter Vorsatz, also das „billigende Inkaufnehmen" einer Benachteiligung\nder Insolvenzglaubiger, das dann zu bejahen ist, wenn der Schuldner das Ziel\nverfolgt, eine drohende Vollstreckung abzuwenden. Denn dann will er den einen\nGlaubiger bevorzugt vor den anderen befriedigen. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| Nachdem der Klager die Insolvenzanfechtung gegenuber dem beklagten Land\ngeltend gemacht hat, ist das beklagte Land gemaß § 143 Abs. 1 InsO\nverpflichtet, auf seine Kosten die Grundschuld zuruckzugewahren, indem es die\nLoschungsbewilligung abgibt und die anlasslich die Loschung der Grundschuld\nanfallenden Kosten tragt. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Der Klage war deshalb in vollem Umfang stattzugeben. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| Einer Einholung der von den Parteien angebotenen Beweise bedurfte es nicht,\nda die Entscheidung auf dem unstreitigen, von ihnen vorgetragenen Sachverhalt\neinschließlich der zugleich vorgelegten, ebenfalls unstreitigen Anlagen\nberuht. \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| Die nachgereichten - fur den Klager nachgelassenen, fur das beklagte Land\nnicht nachgelassenen - Schriftsatze gaben keine Veranlassung zur\nWiedereroffnung der mundlichen Verhandlung, nachdem das Urteil auf dem\nunstreitigen vor dem Verhandlungstermin vorgebrachten Tatsachenvortrag basiert\nund Rechtsausfuhrungen jederzeit moglich sind. Im Übrigen sah sich das\nbeklagte Land nicht veranlasst, auf den neuerlichen Vergleichsvorschlag des\nKlagers einzugehen oder hieruber zu verhandeln. \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO und die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 894, 895 ZPO. \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| Bei der Streitwertfestsetzung wurde § 6 S. 2 ZPO und damit der geringere\nGrundstuckswert berucksichtigt. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 20 \n--- \n| Die zulassige Klage ist begrundet. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Das beklagte Land ist gemaß § 143 Abs. 1 InsO verpflichtet, die Grundschuld\nauf ihre Kosten formgerecht an die Insolvenzschuldnerin zuruck zu ubertragen,\nweil es sich bei der Übertragung dieser Grundstucksrechte um eine anfechtbare\nRechtshandlung im Sinne der §§ 129 ff. InsO handelt. Statt der Ruckubertragung\nkann der Klager als Insolvenzverwalter die Loschung des Rechts verlangen\n(Munchener Kommentar, InsO, Band 2, 2002, Kirchhof, § 143, Rn. 35). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Eine anfechtbare Rechtshandlung des Insolenzschuldners im Sinne des § 129\nInsO ist jedes Handeln, das eine rechtliche Wirkung auslost, wie die\nBewilligung und der Antrag auf Eintragung der streitgegenstandlichen\nGrundschuld. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Diese Rechtshandlung ist ursachlich fur eine Benachteiligung der\nInsolvenzglaubiger. Dabei setzt § 129 InsO eine objektive Benachteiligung der\nGlaubiger in ihrer Gesamtheit voraus. Sie liegt vor, wenn sich die\nBefriedigung der Glaubiger im Falle des Unterbleibens der angefochtenen\nHandlung gunstiger gestaltet hatte. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Bei den hier in Betracht kommenden Anfechtungstatbestanden der §§ 131 Abs.\n1 Ziff. 2 und 3, 133 Abs. 1 InsO genugt eine mittelbare Benachteiligung, d. h.\nes reicht aus, dass zu der Rechtshandlung ein Umstand hinzu tritt, der zur\nGlaubigerbenachteiligung fuhrt. Dies steht vorliegend außer Zweifel, denn\ndurch die Belastung des Grundstuckes mit der Grundschuld zugunsten des\nbeklagten Landes in Hohe von 360.000,00 EUR ist dieser Vermogenswert\nwirtschaftlich der Insolvenzmasse entzogen worden, wodurch die\nBefriedigungsaussicht der Insolvenzglaubiger erheblich geschmalert wird. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Der Anfechtungsgrund des § 131 Abs. 1 Ziff. 2 InsO und auch der des § 131\nAbs. 1 Ziff. 3 InsO sind erfullt. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Nach § 131 Abs. 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem\nInsolvenzglaubiger eine Sicherung gewahrt, die er nicht oder nicht in der Art\noder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte (Inkongruente Deckung). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Unzweifelhaft war die Steuerschuld entstanden und zur Zahlung fallig zu\neinem Zeitpunkt, als dem beklagten Land keinerlei Anspruch gegenuber der\nSchuldnerin auf Besicherung zustand. Diese wurde vielmehr erst eingeraumt, als\nsich die Insolvenzschuldnerin bereits in der Krise befand. Das Schreiben des\nWirtschaftsprufers W. vom 28.04.2003 schildert unmissverstandlich dem\nFinanzamt die schwierige wirtschaftliche Lage der Schuldnerin, die im Übrigen\nauch der Behorde bekannt gewesen sein muss aufgrund der jahrlichen\nSteuererklarungen der Insolvenzschuldnerin. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Das beklagte Land lehnte eine die Falligkeit hinausschiebende Stundung ab\nund stellte lediglich unter fortgesetzter Erhebung der Saumniszuschlage einen\nVollstreckungsaufschub in Aussicht fur den Fall, dass eine Besicherung und\nRatenzahlungen erfolgen wurden. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Von einer Kreditierung gegen Grundschuldeinraumung kann keinesfalls die\nRede sein. Eine inkongruente Deckung wird vom Bundesgerichtshof seit seiner\nEntscheidung am 09.07.1997 (BGHZ 136, 309 ff.) in standiger Rechtsprechung\ndann angenommen, wenn der Schuldner in der Krise zur Vermeidung einer\nunmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung geleistet hat (BGH Urteil vom\n18.12.2003, Az. IX ZR 9/03; BGH, Urteil vom 18.12.2003, Az. IX ZR 199/02). \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Unzweifelhaft hat die Schuldnerin die Besicherung vorgenommen auf das\nDrangen des Finanzamtes, um die angedrohte Vollstreckung abzuwenden und zudem\nauch unter dem Druck des strafrechtlichen Steuerhinterziehungsverfahrens. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Von einem Bargeschaft im Sinne des § 142 InsO (Munchener\nKommentar/Kirchhof, a.a.O., § 142, Rn. 7) kann damit keinesfalls die Rede\nsein. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Hinzu kommt, dass die Sicherungsabrede vom 12.05.2003 ausweislich der\nAktenvermerk-Niederschrift des Finanzamtes K. vom selben Tag (Anlage B 1, Bl.\n37 d.A.) zu unbestimmt war, um einklagbar zu sein (Munchener\nKommentar/Kirchhof, a.a.O., § 131, Rn. 20). Denn es heißt dort: „Gewahrung\neiner Grundschuld auf ein unbelastetes Grundstuck in A." \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Diese Streitfrage zwischen den Parteien kann aber letztlich dahingestellt\nbleiben, weil auf jeden Fall aus den ubrigen zuvor genannten Grunden die\nInkongruenz der Deckung folgt. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Die anfechtbare Rechtshandlung ist auch innerhalb des Drei-Monats-Zeitraums\ndes § 131 Abs. 1 Ziff. 2 und 3 InsO erfolgt. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Gemaß § 140 Abs. 1 InsO gilt eine Rechtshandlung als in dem Zeitpunkt\nvorgenommen, indem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Bei der Belastung\neines Grundstucks mit einem Recht setzt der Erwerb gemaß § 873 Abs. 1 BGB die\nEinigung uber den Eintritt der Rechtsanderung und die Eintragung der\nRechtsanderung in das Grundbuch voraus. Die Eintragung erfolgte ausweislich\ndes Grundbuchauszuges am 03.07.2003 und der Insolvenzeroffnungsantrag wurde am\n22.09.2003 gestellt, so dass die Rechtshandlung innerhalb des Drei-Monats-\nZeitraums erfolgt ist. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Eine Ruckwirkung auf den Zeitpunkt des Eintragungsantrags kommt nicht in\nBetracht, weil die Voraussetzungen des § 140 Abs. 2 InsO nicht vorliegen. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Das Gericht schließt sich dabei nicht der vom Beklagten im Einzelnen\ndargelegten und zitierten Literaturmeinung an, sondern der BGH-Rechtsprechung\n(BGH ZIP 1997, 423 ff.). Die dortigen Erwagungen gelten auch fur § 140 Abs. 2\nInsO, wie der BGH ausdrucklich feststellt. Danach setzt § 140 Abs. 2 InsO\nnicht nur die Bindung des Schuldners an die Willenserklarung gemaß § 873 Abs.\n2 BGB voraus, sondern insbesondere auch, dass der „andere Teil" \\- also der\nAnfechtungsgegner - den Antrag auf Eintragung der Rechtsanderung gestellt hat.\nGrund dafur ist die Erwagung, dass der Schuldner einen vom anderen Teil\ngestellten Antrag nicht seinerseits zurucknehmen kann. Erst mit einem eigenen\nAntrag hat der Anfechtungsgegner eine gesicherte Rechtsposition erlangt, die\nsogar durch die Eroffnung eines Insolvenzverfahrens nicht mehr beeintrachtigt\nwerden kann. Ist dagegen - wie vorliegend - der Eintragungsantrag allein vom\nSchuldner selbst gestellt worden, so vermag dieser - oder sein\nInsolvenzverwalter - den Antrag noch rechtswirksam zuruckzunehmen, solange die\nEintragung nicht vollendet ist. Dann konnte es nicht ohne ein zusatzliches\nEingreifen des Antragsberechtigten zur Eintragung kommen. Die Rechtslage des\nAnfechtungsgegners gilt noch nicht als hinreichend gesichert. Das hat er\nselbst zu verantworten, weil er ohne eigenen Eintragungsantrag nicht alles in\nseiner Macht Stehende veranlasst hat, um sich selbst zu schutzen. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Das Finanzamt hatte den Eintragungsantrag ohne weiteres vor Beginn des\nDrei-Monats-Zeitraums stellen konnen. Aufgrund seines Versaumnisses sind die\nVoraussetzungen des § 140 Abs. 2 InsO nicht gegeben. Es verbleibt bei der\nRegelung des § 140 Abs. 1 InsO (vgl. hierzu Munchener Kommentar/Kirchhof, §\n140, Rn. 39). \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Die Schuldnerin war auch zur Zeit der Handlung (03.07.2003) zahlungsunfahig\n(§ 131 Abs. 1 Ziff. 2 InsO). \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Gemaß § 17 Abs. 2 S. 1 InsO ist der Schuldner zahlungsunfahig, wenn er\nnicht in der Lage ist, die falligen Zahlungspflichten zu erfullen. Die\nZahlungseinstellung wird nicht verlangt, sondern ist lediglich ein Indiz fur\ndie Zahlungsunfahigkeit (§ 17 Abs. 2 S. 2 InsO). \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Die Schuldnerin sah sich einer falligen - vom Finanzamt zu keinem Zeitpunkt\ngestundeten - Umsatzsteuerschuld in Hohe von 361.067,62 EUR ausgesetzt, die zu\nerfullen sie nicht im Stande war, wie der Wirtschaftsprufer W. bereits im\nSchreiben vom 28. April 2003 dem Finanzamt unmissverstandlich mitteilte. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Dass das Unvermogen, eine fallige Zahlungspflicht in Hohe von 361.067,62\nEUR zu erfullen, ausreicht, um eine Zahlungsunfahigkeit im Sinne des § 17 Abs.\n2 S. 1 InsO und damit auch im Sinne des § 131 Abs. 1 Ziff. 2 InsO zu bejahen,\nsteht außer Frage. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Dass tatsachlich zur Abwendung von Vollstreckungsmaßnahmen von der\nSchuldnerin noch zwei Raten in Hohe von je 25.000,00 EUR am 24.06.2003 und am\n18.07.2003 bezahlt wurden, steht der Annahme der Zahlungsunfahigkeit nicht\nentgegen, da gerade keine Zahlungseinstellung verlangt wird. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Damit ist der Anfechtungsgrund des § 131 Abs. 1 Ziff. 2 InsO gegeben. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Aber auch der des § 131 Abs. 1 Ziff. 3 InsO ist erfullt. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Hier wird das Merkmal der „Zahlungsunfahigkeit" ersetzt durch die Kenntnis\ndes Glaubigers von der Benachteiligung der Insolvenzglaubiger. Nach § 131 Abs.\n2 InsO steht der Kenntnis der Benachteiligung die Kenntnis von Umstanden\ngleich, die zwingend auf die Benachteiligung schließen lassen. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Die Krise der Schuldnerin war dem Finanzamt bekannt durch die\nSteuererklarungen, auf jeden Fall aber durch das Schreiben des\nWirtschaftsprufers vom 28. April 2003. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Die eingeraumte Sicherheit stellt eine inkongruente Deckung im Sinne des §\n131 Abs. 1 InsO dar und zugleich ein nach § 286 ZPO zu wurdigendes\nBeweisanzeichen fur die Kenntnis von einer Glaubigerbenachteiligung (BGH,\nUrteil vom 18.12.2003, Az. IX ZR 199/02). \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Nach der standigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum fruheren Recht\nbildet eine inkongruente Deckung in der Regel ein starkes Beweisanzeichen fur\ndie Benachteiligungsabsicht des Schuldners und fur die Kenntnis des Glaubigers\nvon dieser Absicht. Voraussetzung ist allerdings, dass die Wirkungen der\nRechtshandlung zu einem Zeitpunkt eintraten, als zumindest aus der Sicht des\nEmpfangers der Leistung Anlass bestand, an der Liquiditat des Schuldners zu\nzweifeln. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Diese Rechtsprechung hat auch unter der Geltung der Insolvenzordnung\nBestand (BGH, a.a.O., m.w.N.). Fur § 131 Abs. 1 Ziff. 3 InsO folgt daraus,\ndass der Inkongruenz dann ein gemaß § 286 ZPO zu berucksichtigendes\nBeweisanzeichen fur eine Kenntnis des Anfechtungsgegners von einer Glaubiger-\nBenachteiligung zu entnehmen sein kann, wenn er - was vom Insolvenzverwalter\nzu beweisen ist - bei Vorname der Handlung wusste, dass sich der Schuldner in\neiner finanziell beengten Lage befand. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Mit dem vorgelegten Schreiben vom 28. April 2003 hat der Klager hinreichend\nnachgewiesen, dass das Finanzamt wusste, dass sich die Schuldnerin tatsachlich\nin einer finanziell beengten Lage befand. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Damit ist auch der Anfechtungsgrund des § 131 Abs. 1 Ziff. 3 InsO gegeben. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Nachdem eine Anfechtung bereits gemaß § 131 InsO begrundet ist, kommt es\nauf den weiteren Streit der Parteien zum Vorliegen der Voraussetzungen des §\n133 Abs. 1 InsO nicht an. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass sich aus den vorgenannten\nAusfuhrungen und den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 27. Mai 2003,\nAz. IX ZR 169/02 und vom 18. Dezember 2003, Az. IX ZR 199/02 ohne weiteres\nergibt, dass bei der Schuldnerin Glaubigerbenachteiligungsvorsatz und beim\nbeklagten Land als Glaubiger Kenntnis hiervon vorlagen. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| Die Sicherheit wurde gewahrt unter der Androhung der Vollstreckung und des\nStrafverfahrens. Es lag eine inkongruente Deckung vor, und das Finanzamt\nwusste, dass sich die Schuldnerin in der Krise befand und durch die\nGrundschuldbestellung die Insolvenzmasse verkurzt wird. Dies war letztlich der\nZweck der Besicherung, sich vorab aus dem Grundstuck befriedigen zu konnen. Im\nÜbrigen genugt fur die Glaubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners\nbedingter Vorsatz, also das „billigende Inkaufnehmen" einer Benachteiligung\nder Insolvenzglaubiger, das dann zu bejahen ist, wenn der Schuldner das Ziel\nverfolgt, eine drohende Vollstreckung abzuwenden. Denn dann will er den einen\nGlaubiger bevorzugt vor den anderen befriedigen. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| Nachdem der Klager die Insolvenzanfechtung gegenuber dem beklagten Land\ngeltend gemacht hat, ist das beklagte Land gemaß § 143 Abs. 1 InsO\nverpflichtet, auf seine Kosten die Grundschuld zuruckzugewahren, indem es die\nLoschungsbewilligung abgibt und die anlasslich die Loschung der Grundschuld\nanfallenden Kosten tragt. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Der Klage war deshalb in vollem Umfang stattzugeben. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| Einer Einholung der von den Parteien angebotenen Beweise bedurfte es nicht,\nda die Entscheidung auf dem unstreitigen, von ihnen vorgetragenen Sachverhalt\neinschließlich der zugleich vorgelegten, ebenfalls unstreitigen Anlagen\nberuht. \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| Die nachgereichten - fur den Klager nachgelassenen, fur das beklagte Land\nnicht nachgelassenen - Schriftsatze gaben keine Veranlassung zur\nWiedereroffnung der mundlichen Verhandlung, nachdem das Urteil auf dem\nunstreitigen vor dem Verhandlungstermin vorgebrachten Tatsachenvortrag basiert\nund Rechtsausfuhrungen jederzeit moglich sind. Im Übrigen sah sich das\nbeklagte Land nicht veranlasst, auf den neuerlichen Vergleichsvorschlag des\nKlagers einzugehen oder hieruber zu verhandeln. \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO und die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711, 894, 895 ZPO. \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| Bei der Streitwertfestsetzung wurde § 6 S. 2 ZPO und damit der geringere\nGrundstuckswert berucksichtigt. \n--- \n---\n\n
139,988
vg-stuttgart-2004-07-14-3-k-341803
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
3 K 3418/03
2004-07-14
2019-01-07 14:47:09
2019-01-17 12:00:10
Urteil
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDie Kosten des Verfahrens tragt - mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten\nder Beigeladenen, die diese selbst tragt \\- der Klager.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Im Fruhjahr 1995 ist der ...-Verein ... e.V. an die Landeshauptstadt ...\nmit der Bitte herangetreten, die Verlegung seiner bisherigen Spielstatte in\n... auf das sogenannte ...-Areal am ... zu unterstutzen, wo sich die\nsogenannte ...-Halle, eine Anfang der 20er-Jahre als Lagerhalle und Anlage fur\nnachgeordnete Fertigungsprozesse von der ...-Handelsgesellschaft erstellter\ngroßer Hallenkomplex befand. Ende 1995 stimmte der Gemeinderat der Stadt ...\nder Modernisierung des Verwaltungsgebaudes in der Tragerschaft des ... e.V.\nzu. In der Folgezeit wurde die vom ...-Verein 1995 vorgestellte Projektidee\nauf der Grundlage einer von ihm erarbeiteten Konzeption in Abstimmung mit der\nStadt, dem Land und weiteren Beteiligten weiterentwickelt. Man einigte sich\ndarauf, zur Durchfuhrung des Projekts eine Stiftung zu grunden, deren Stifter\ndie Stadt ... sowie der ...-Verein sein sollten. Im Oktober 1998 stimmte der\nGemeinderat dem Bau, Programm und Finanzierungskonzept zum Umbau des\n...-Areals am ... zu und legte dabei einen Investitionsrahmen von 31,5\nMillionen DM (Grundstuckskosten sowie Investitionskosten fur den Umbau der\n...-Halle, den Neubau von ... sowie die Modernisierung des\nVerwaltungsgebaudes) fest, der im Wesentlichen durch Beitrage der Stadt (16,56\nMillionen DM einschließlich Übertragung des stadtischen Grundstucks im Wert\nvon 10,5 Millionen DM) und des Landes (11,43 Millionen DM) zu finanzieren sein\nsollte. Mit einem Eigenanteil von 3,3 Millionen DM sollte die zu grundende\nStiftung ...-, der die Bauherrschaft ubertragen wurde, in die Finanzierung mit\neinbezogen werden. Dementsprechend wurde von den Stiftern am 23.04. bzw.\n12.05.1999 das Stiftungsgeschaft unterzeichnet. Die Errichtung der Stiftung\nals rechtsfahige Stiftung burgerlichen Rechts wurde sodann am 22.06.1999 vom\nRegierungsprasidium ... genehmigt, was am 12.07.1999 im Staatsanzeiger ...\nbekannt gemacht wurde. \n--- \n| 2 \n--- \n| Nach § 2 Abs. 1 der Stiftungssatzung war es Aufgabe der Stiftung, unter\nanderem durch den Betrieb der ...-Halle und des dazugehorigen\nVerwaltungstrakts in ..., Kunst und Kunstler/innen des ... e.V. und mit ihm\nkooperierende kulturelle Einrichtungen sowie ... e.V. zu fordern, insbesondere\ndurch \n--- \n| 3 \n--- \n| a) die Ermoglichung aller Formen und Auspragungen theatralischer\nDarstellung, ihre Erprobung und offentlichen Auffuhrung; \n--- \n| 4 \n--- \n| b) die Ermoglichung zeitgenossischer Musik, die Erprobung und Umsetzung\nneuer musikalischer Werke, Ideen, Konzeptionen zeitgenossischer Komponisten im\nmodernen Konzertleben; \n--- \n| 5 \n--- \n| c) die Ermoglichung moderner Jugendarbeit, der sozialen und demokratischen\nEnkulturation Jugendlicher und junger Erwachsener durch vielfaltigste Formen\ngeistiger, musischer und sportlicher Betatigung; \n--- \n| 6 \n--- \n| d) die ideelle und finanzielle Unterstutzung der kunstlerischen Arbeit des\n... e.V. und ... e.V., \n--- \n| 7 \n--- \n| wobei festgelegt wurde, dass besondere Berucksichtigung neue Formen\nkultureller Betatigung Jugendlicher und junger Erwachsener finden sollte und\ndie Stiftung als international orientierte Kulturstiftung arbeite. Nach § 2\nAbs. 2 sollte der Stiftungszweck insbesondere durch die Beschaffung von\nMitteln, durch Ertrage aus dem Stiftungsvermogen und Spenden verwirklicht\nwerden sowie durch folgende Maßnahmen, die dem geforderten Zweck dienten: \n--- \n| 8 \n--- \n| a) Unterhaltung der ...-Halle und des zugehorigen Verwaltungsgebaudes; \n--- \n| 9 \n--- \n| b) Errichtung und Unterhaltung von Spielstatten fur Theater, Konzert, Film\netc. sowie Werkstatten, Probe und Lagerraumen; \n--- \n| 10 \n--- \n| c) Errichtung und Unterhaltung einer multifunktionalen Sport- und\nSpielflache fur unterschiedliche Formen sportlicher Betatigung; \n--- \n| 11 \n--- \n| d) Errichtung und Unterhaltung von Raumen fur Seminare, Workshops etc.. \n--- \n| 12 \n--- \n| Nach § 6 Abs. 1 der Satzung wurden als Organe der Stiftung der Vorstand,\nder Stiftungsrat und das Kuratorium vorgesehen. Dabei sollten nach § 7 Abs. 1\nder Satzung dem Vorstand angehoren: \n--- \n| 13 \n--- \n| a) Vier vom Vorstand des ... e.V. entsandte Personen; \n--- \n| 14 \n--- \n| b) eine vom Vorstand des ... e.V. entsandte Personen, wobei nach \n--- \n| 15 \n--- \n| c) der Vorstand bis um vier weitere Personlichkeiten erweitert werden\nkonnen sollte, die vom Vorstand benannt und vom Stiftungsrat bestatigt wurden. \n--- \n| 16 \n--- \n| In § 9 Abs. 1 der Satzung wurde geregelt, dass der Vorstand bei Anwesenheit\nder Mehrheit seiner Mitglieder beschlussfahig ist und Beschlusse mit der\nMehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder gefasst werden. Beschlusse zur\nSatzungsanderung oder Aufhebung der Stiftung bedurfen einer\nZweidrittelmehrheit. \n--- \n| 17 \n--- \n| Nach § 10 Abs. 1 der Satzung gehorten dem Stiftungsrat an: \n--- \n| 18 \n--- \n| a) Ein Vertreter der Kulturverwaltung der Stadt ...; \n--- \n| 19 \n--- \n| b) ein Vertreter der Finanzverwaltung der Stadt ..., \n--- \n| 20 \n--- \n| c) ein Vertreter des Ministeriums fur Wissenschaft, Forschung und Kunst des \n--- \n| 21 \n--- \n| d) ein Vertreter des Finanzministeriums des Landes ...; \n--- \n| 22 \n--- \n| e) vier Mitglieder des Gemeinderats der Stadt ...; \n--- \n| 23 \n--- \n| f) vier Mitglieder des Landtags von .... \n--- \n| 24 \n--- \n| Nach § 16 Abs. 1 der Satzung sollte die Aufhebung der Stiftung, die\nZusammenlegung mit einer anderen Stiftung und die Änderung des\nStiftungszweckes nur bei wesentlicher Änderung der Verhaltnisse zulassig sein.\nIn § 17 der Satzung wurde geregelt, dass im Falle der Aufhebung der Stiftung\n9/10 des Vermogens im Verhaltnis 2/3 zu 1/3 an die Stadt ... und das Land ...,\ndie es unmittelbar und ausschließlich fur Zwecke nach § 2 der Satzung zu\nverwenden hatten, falle. 1/10 des Vermogens falle dem ... e.V. zu.\nGrundstucksvermogen falle der Stadt ... zu, die die nach Satz 1 und Satz 2\nAnfallberechtigten mit dem Verkehrswert des Grundstucks entschadige. \n--- \n| 25 \n--- \n| Im Herbst 2000 wurde mit den Bauarbeiten begonnen. \n--- \n| 26 \n--- \n| Mit Schreiben vom 30.05.2001 setzte die Stiftung die Stadtverwaltung der\nStadt ... davon in Kenntnis, dass nach dem Stand der Kostenentwicklung der\nfestgelegte Investitionsrahmen um etwa 6,2 Millionen DM uberschritten werde.\nDaraufhin wurde vom Amt fur Stadterneuerung fur die Sanierungsmaßnahme ein\nModernisierungsberater, das Buro ..., eingeschaltet und damit beauftragt, die\nKostenentwicklung zu prufen bzw. zu analysieren. Dieser kam Anfang September\n2001 in Abstimmung mit dem planenden Architekten zu dem Ergebnis, dass von\neiner Kostenuberschreitung von 7,4 Millionen DM ausgegangen werden musse, die\nsich in nutzungsabhangige Mehrkosten von 4,65 Millionen DM und\nnutzungsunabhangige Mehrkosten von 2,75 Millionen DM aufgliedere. Der von der\nStiftung beauftragte Generalbevollmachtigte, Herr ... kam indessen im Zuge der\nKostenprufung mit Bericht vom 22.02.2002 zu dem Ergebnis, dass fur die\nErstellung eines spielfertigen Hauses uber die bislang fehlenden 7,4 Millionen\nDM hinaus weitere 4,1 Millionen DM notwendig seien. Anfang Marz 2002 drohte\ndie Stiftung zahlungsunfahig zu werden. Bereits am 20.12.2001 hatte der\nGemeinderat der Stadt ... im Rahmen der Haushaltsberatungen beschlossen, 2/3\nder bis dahin angenommenen Mehrkosten der nutzungsabhangigen Mehrkosten von\n4,65 Millionen DM, also 3,1 Millionen DM in den Stadthaushalt 2002\neinzustellen mit der Maßgabe bzw. der Erwartung, dass das verbleibende Drittel\nvom Land ubernommen werde. Die drohende Zahlungsunfahigkeit konnte in der\nFolgezeit schließlich durch Vorauszahlungen der Stadt und des Landes auf erst\nspater fallig werdende Zuschusse abgewendet werden. \n--- \n| 27 \n--- \n| Mit Beschluss des Gemeinderats der Landeshauptstadt ... vom 16.05.2002\nwurde sodann festgestellt, dass die Landeshauptstadt ... nicht bereit sei, der\nStiftung ... weitere Finanzierungsmittel zum Umbau des ...-Areals zur\nVerfugung zu stellen und sie erwarte, dass von den Stiftungsorganen\nunverzuglich die entsprechenden Schritte zur Auflosung der Stiftung in die\nWege geleitet wurden, weil der Stiftungszweck durch die Stiftung nicht mehr\nerreicht werden konne. Aus der Begrundung der Beschlussvorlage durch die\nVerwaltung geht hervor, dass ein wesentlicher Gesichtspunkte fur die\nErrichtung einer Stiftung die Erwartung gewesen sei, dadurch in entsprechendem\nUmfang Zuwendungen, Spenden und Zustiftungen von Dritten fur das Projekt\naktivieren zu konnen, die Stiftung jedoch noch weit davon entfernt sei, den\nEigenanteil uber Drittmittel zu finanzieren. Bislang habe sie lediglich rund 1\nMillion DM (unter anderem einen Zuschuss der ... in Hohe von 758.125,00 DM)\neinwerben konnen. \n--- \n| 28 \n--- \n| Der Klager ist seit 17.10.2001 Mitglied des Vorstandes der Stiftung. \n--- \n| 29 \n--- \n| In seiner Sitzung vom 06.06.2002 zu welcher der Vorsitzende des Vorstandes\ndie Vorstandsmitglieder per e-mail am 29.05.02 eingeladen hatte, beschloss der\nVorstand der Stiftung mit 3/1 Stimmen, die Stiftung gemaß der Empfehlung des\nGemeinderats der Stadt ... vom 16. Mai 2002 aufzulosen und dazu die Zustimmung\ndes Stiftungsrates zu beantragen. Daruber hinaus beschloss der Vorstand\neinstimmig, § 17 Abs. 1 der Stiftungssatzung dahingehend zu andern, dass im\nFalle der Aufhebung der Stiftung das Vermogen an die Stadt ... falle, die es\nunmittelbar und ausschließlich fur Zwecke nach § 2 der Satzung zu verwenden\nhabe. § 17 Abs. 2 bis 4 seien ersatzlos zu streichen. \n--- \n| 30 \n--- \n| Der Klager nahm an der Sitzung des Vorstandes vom 06.06.2002\nkrankheitshalber nicht teil. Aus dem Protokoll uber die Sitzung geht hervor,\ndass ein Faxbrief des Klagers verteilt, diskutiert und als Anlage zum\nProtokoll genommen wurde. \n--- \n| 31 \n--- \n| Mit Beschluss vom 10.06.2002 stimmte der Stiftungsrat dem Antrag des\nStiftungsvorstandes zur Auflosung der Stiftung ... e.V. zum 31.03.03\neinstimmig zu. Der Änderung des § 17 der Satzung, wonach im Falle der\nAufhebung der Stiftung das Vermogen an die Stadt ..., die es unmittelbar und\nausschließlich fur die Zwecke nach § 2 dieser Satzung zu verwenden habe, wurde\nebenfalls einstimmig zugestimmt. \n--- \n| 32 \n--- \n| Von diesen beiden Beschlussen setzte der Vorstand der Stiftung das\nRegierungsprasidium mit Schreiben vom 02.07.02 am 03.07.02 in Kenntnis. \n--- \n| 33 \n--- \n| Mit Verfugung vom 23.07.2002 genehmigte das Regierungsprasidium ... die vom\nVorstand und Stiftungsrat beschlossene Änderung des § 17 der Satzung gemaß § 6\nAbs. 4 des Stiftungsgesetzes ..., sodass danach § 17 der Satzung folgenden\nWortlaut erhielt: \n--- \n| 34 \n--- \n| „Im Falle der Aufhebung der Stiftung fallt das Vermogen an die Stadt ...,\ndie es unmittelbar und ausschließlich fur Zwecke nach § 2 dieser Satzung zu\nverwenden hat". \n--- \n| 35 \n--- \n| Daruber hinaus wurde die von beiden Gremien beschlossene Aufhebung der\nStiftung zum 31.03.2003 gemaß § 14 Abs. 2 des Stiftungsgesetzes genehmigt. \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Verfugung, die nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen und an\ndie Stiftung ... gerichtet gewesen ist, ging bei der Stiftung ... am 30. Juli\n2002 ein. \n--- \n| 37 \n--- \n| Im Oktober 2002 wurde die Genehmigung im Staatsanzeiger ... bekannt\ngemacht. \n--- \n| 38 \n--- \n| Der Klager erhielt eine Mehrfertigung des Genehmigungsbescheids erstmals am\n10. Dezember 2002. \n--- \n| 39 \n--- \n| Am 29.03.2003 wurde das neue ...- eingeweiht. \n--- \n| 40 \n--- \n| Mit Schreiben vom 15. Juli 2003 legte der Klager gegen die\nGenehmigungsentscheidung des Regierungsprasidiums ... vom 23.07.2002\nWiderspruch ein und begrundete diesen damit, die Beschlusse des Vorstandes und\ndes Stiftungsrates und damit die genehmigende Verfugung vom 23.07.2002 seien\nwegen eines Verstoßes gegen die satzungsmaßigen Voraussetzungen fur einen\nAuflosungsbeschluss, wegen eines Verstoßes gegen die Amtsermittlungspflicht\nund den Grundsatz der Gewahrung rechtlichen Gehors, der Verletzung der\nAufsichtspflicht durch den wesentlich vom Mitstifter bestimmten und\neingesetzten Stiftungsrat sowie der nachweisbaren Erreichung des\nStiftungszweckes, wegen eines durch die Nichtauflosung vermeidbaren\nVermogensschadens und wegen eines Verstoßes gegen die Pflicht zum besonderen\nSchutz der Theaterkultur als Teil der vom Grundgesetz geschutzten freien\nMeinungsaußerung nichtig. \n--- \n| 41 \n--- \n| Mit Schreiben vom 04.08.2003 wies das Regierungsprasidium ... den Klager\ndarauf hin, dass das richtige Rechtsmittel nach § 6 a des Gesetzes zur\nAusfuhrung der Verwaltungsgerichtsordnung nicht der Widerspruch, sondern die\nKlage vor dem Verwaltungsgericht sei, da § 6 a AGVwGO mit dem Gesetz zur\nEntlastung der Regierungsprasidien vom 10.05.1999 mit Wirkung zum 01.07.1999\neingefuhrt worden sei und die Durchfuhrung eines Vorverfahrens fur nicht\nerforderlich erklare, wenn das Regierungsprasidium den Verwaltungsakt erlassen\noder diesen abgelehnt habe. \n--- \n| 42 \n--- \n| Am 21. August 2003 hat der Klager Klage erhoben. Zur Begrundung seiner\nKlage tragt er vor, die Genehmigung des Regierungsprasidiums ... vom\n23.07.2002 sei rechtswidrig, da der ihr zugrundeliegende Beschluss des\nStiftungsvorstandes formell rechtswidrig zustande gekommen sei. Die Ladung zur\nSitzung vom 06.06.2002 datiere vom 29.05.2002, nach § 8 Abs. 5 der Satzung sei\njedoch eine Mindestladungsfrist von 12 Wochen vorgeschrieben. Eine\nHeilungsvorschrift fur Verletzungen von § 8 Abs. 5 der Satzung enthalte weder\ndie Stiftungssatzung selbst noch das subsidiar geltende allgemeine\nStiftungsrecht des BGB. Deshalb konne der Verstoß gegen § 8 Abs. 5\nStiftungssatzung im Verfahren nach § 14 Abs. 2 S. 2 Stiftungsgesetz selbst\ndann nicht als unbeachtlich angesehen werden, wenn er sich auf die Erreichung\nder erforderlichen qualifizierten Mehrheit (§ 9 Abs. 1 S. 3 Stiftungssatzung)\nnicht ausgewirkt hatte. Hier habe er sich aber ausgewirkt, denn die Erreichung\nder Zwei-Drittel-Mehrheit der anwesenden Vorstandsmitglieder in der Sitzung\nvom 06.06.2002 habe auf der Nichteinhaltung der Ladungsfrist des § 8 Abs. 5\nStiftungssatzung beruht. Wenn namlich die Zwolf-Wochen-Frist des § 8 Abs. 5\nder Satzung ab Zusendung der Einladung am 29.05.2002 eingehalten worden ware,\nhatte er, dann von der ihn an der Teilnahme am 06.06.2002 hindernden Krankheit\ngenesen, an der korrekt terminierten Vorstandssitzung teilnehmen konnen. \n--- \n| 43 \n--- \n| Der Beschluss des Stiftungsvorstands vom 06.06.2002 und der entsprechende\nBeschluss des Stiftungsrats vom 10.06.2002 seien aber auch materiell-\nrechtswidrig. § 87 BGB lasse eine Aufhebung durch die Stiftungsbehorde - und\ndamit auch eine Genehmigung einer Aufhebung - nur dann zu, wenn entweder die\nErfullung des Stiftungszwecks unmoglich geworden oder das Gemeinwohl gefahrdet\nsei. Durch die Regelung in § 16 Abs. 1 der Stiftungssatzung, wonach die\nAufhebung der Stiftung nur bei wesentlicher Änderung der Verhaltnisse zulassig\nsei, solle im Kern nichts anderes bestimmt werden. Eine wesentliche\nVeranderung liege nur dann vor, wenn letztendlich der durch die Satzung\ndefinierte Stiftungszweck uberhaupt nicht mehr erfullt werden konne. Der\nBeklagte tue so, als ob Stiftungszweck sei, die ...-Halle zu sanieren. Die\nSanierung der ...-Halle sei aber von den Stiftern nicht zum Stiftungszweck\nerhoben worden. Stiftungszweck seien allein die in § 2 Abs. 1 der\nStiftungssatzung unter Buchstaben a bis d beschriebenen Ziele. Eine Sanierung\nder ...-Halle werde auch in § 2 Abs. 2 Stiftungssatzung weder genannt noch zum\nHaupt- oder gar alleinigen Stiftungszweck erhoben. Danach werde der in Absatz\n1 definierte Stiftungszweck insbesondere durch die Beschaffung von\nfinanziellen Mitteln verwirklicht sowie durch die dort nachstehend\naufgefuhrten Maßnahmen, die dem geforderten Zweck dienten (ihn also nicht\nselbst darstellten). Auch dort sei die Sanierung der ...-Halle nicht\nausdrucklich genannt. Sie musse auch nicht mit der Errichtung und der\nUnterhaltung von Spielstatten von Theater, Konzert, Film etc. sowie\nWerkstatten, Probe- und Lagerraumen gleichgesetzt werden. Denn wenn insoweit -\nneben einer Reihe anderer Maßnahmen - auch Errichtungsarbeiten angesprochen\nwurden, seien sie weder zum Haupt- noch zum alleinigen Zweck der Stiftung\nerhoben worden. Auch im Stiftungsgeschaft werde die Sanierung und Herrichtung\nder ...-Halle auf dem ... weder zum ausschließlichen noch zum hauptsachlichen\nStiftungszweck erhoben. Zweck der Stiftung sei danach „die Forderung von Kunst\nund Kunstler(innen) des ... e.V. und mit ihm kooperierender kultureller\nEinrichtungen sowie von ... e.V. unter anderem durch den Betrieb (nicht durch\ndie Errichtung!) des Veranstaltungszentrums ...-Halle auf dem ....\nBaumaßnahmen im Zusammenhang mit der ...-Halle seien im Stiftungsgeschaft nur\nbeilaufig, nachrangig und mit einer Begrenzung behandelt. Es heiße dort, dass\nin diesem Zusammenhang (also im Zusammenhang mit dem anderweitigen Zweck der\nStiftung) vorgesehen sei, dass sich die Stiftung mit einem\nFinanzierungsbeitrag von rd. 3,3 Millionen DM an den Investitionskosten\nbeteiligen wollte. Darin liege nur eine rechtlich unverbindliche\nAbsichtserklarung der Stifter. Selbst wenn darin eine rechtlich verbindliche\nAussage lage, beschranke diese sich darauf, dass die Stiftung nur einen Teil\nder im Übrigen von anderen zu tragenden Investitionskosten aufzubringen habe,\nund zwar in einem Umfang von maximal 3,3 Millionen DM. Dies zeige, dass die\nbauliche Herstellung der ...-Halle nicht den Stiftungszweck ausgemacht habe,\nrichtiger Weise nicht einmal Bestandteil des Stiftungszweckes gewesen sei,\nsondern dass die Stifter allenfalls angestrebt hatten, dass die Stiftung einen\nbegrenzten finanziellen Beitrag zu der im Wesentlichen von anderen\nvorzunehmenden und zu finanzierenden Errichtung der ...-Halle zu ubernehmen\ngehabt habe. Das bedeute aber zugleich, dass die Erfullung des Stiftungszwecks\nnicht dadurch habe unmoglich werden konnen, dass die ...-Halle nicht von der\nStiftung, sondern von anderen (Landeshauptstadt ... ggf. mit Unterstutzung des\nLandes) hergerichtet und saniert werde. Ob ein Auflosungsgrund vorgelegen\nhaben wurde, wenn auf dem ... die in Aussicht genommene Spielstatte ...-Halle\nuberhaupt nicht zur Verfugung gestanden, weil sich die Landeshauptstadt ...\naus dem Projekt ganz zuruckgezogen hatte, brauche nicht entschieden zu werden,\nweil ein solcher Fall nicht eingetreten sei. Das sei im Übrigen auch schon im\nZeitpunkt der Genehmigung durch das Regierungsprasidium ... absehbar gewesen.\nDenn keine Gemeinderatsfraktion und auch nicht das Land hatten am ... eine\nhalbfertige Theaterruine stehen lassen wollen. \n--- \n| 44 \n--- \n| Die tatbestandlichen Voraussetzungen fur eine Aufhebung hatten aber auch\ndeshalb gefehlt, weil die Subsidiaritat der Aufhebung gegenuber einer\n„normalen" Satzungsanderung nicht beachtet worden sei. Der Beklagte habe aus\nden mit der Landeshauptstadt ... gefuhrten Gesprachen gewusst, dass es dieser\nin erster Linie um eine Erweiterung des Einflusses gegangen sei. Dies sei auch\ninnerhalb der Stiftung (durch Satzungsanderung) moglich gewesen und sei\nzwischen Landeshauptstadt und Regierungsprasidium vor dem Antrag auf Aufhebung\nder Stiftung erortert worden. Schließlich sei auch nicht erkennbar, dass das\nRegierungsprasidium ... das ihm bei erfulltem Tatbestand von § 14 Abs. 2 S. 2\nStiftungsgesetz eroffnete Ermessen ausgeubt habe. Vielmehr sei das\nRegierungsprasidium ... von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen. \n--- \n| 45 \n--- \n| Die sich aus alledem ergebende Rechtswidrigkeit der Genehmigung fuhre dazu,\ndass diese auf eine Anfechtungsklage hin aufhebbar sei und daruber hinaus,\ndass der Genehmigungsbescheid dazu, von Amts wegen oder auf Antrag nach § 48\nLVwVfG zuruckzunehmen sei. Selbst wenn das Regierungsprasidium bei Eingang\nseines Widerspruchsschreibens schon von der Bestandskraft des\nGenehmigungsbescheides ausgegangen sei, ware das Verfahren nach § 51 LVwVfG\nwieder aufzugreifen gewesen. Dies schon deshalb, weil der falschlicher Weise\nangenommene Stiftungszweck der Sanierung der ...-Halle zwischenzeitlich\neingetreten sei. \n--- \n| 46 \n--- \n| Die Genehmigung sei aber nicht nur rechtswidrig, sondern sogar nichtig im\nSinne von § 44 LVwVfG. Die Nichtigkeit ergebe sich aus § 44 Abs. 2 Nr. 5\nLVwVfG, weil der Genehmigungsbescheid die Begehung einer rechtswidrigen Tat\nverlange, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirkliche. Ein\n„verlangen" i.S.v. § 44 Abs. 2 Nr. 5 LVwVfG sei schon dann gegeben, wenn ein\nVerwaltungsakt die Begehung einer entsprechenden Tat erlaube. Der\nVerwaltungsakt erlaube dem Stiftungsvorstand eine Untreue zum Nachteil der\nStiftung, der Stifter und der Stiftungsberechtigten (Destinatare), indem er\ndie Abwicklung der Stiftung und damit das Verfahren nach § 17 der Satzung in\nGang setze. Es sei erst die Genehmigung des Regierungsprasidiums ..., die es\nden Stiftungsorganen ermogliche, die rechtswidrigen Aufhebungsbeschlusse vom\n06.06. und 10.06.2003 umzusetzen und das Vermogen der Stiftung an die - noch\ndazu kurzfristig veranderten - Anfallsberechtigten auszukehren, insbesondere\nan die Landeshauptstadt .... \n--- \n| 47 \n--- \n| Der Genehmigungsbescheid sei aber auch nach der Generalklausel des § 44\nAbs. 1 LVwVfG nichtig, weil er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leide\nund dies bei verstandiger Wurdigung aller in Betracht kommenden Umstande\noffensichtlich sei. Der formelle Fehler des Vorstandbeschlusses vom 06.06.2003\n(absichtlich keine fristgerechte Ladung und damit Verhinderung der Teilnahme\neines Vorstandsmitglieds, dessen Teilnahme zur Nichterreichung der Zwei-\nDrittel-Mehrheit gefuhrt hatte) sei mindestens ebenso schwerwiegend wie die\nMitwirkung von befangenen Organmitgliedern. Fur den Fall der Mitwirkung\nbefangener Organmitglieder habe das Oberlandesgericht Koblenz (mit Urteil vom\n17.12.2001 - 12 U 1334/03 -) ganz selbstverstandlich die Unwirksamkeit des\nAufhebungsbeschlusses angenommen. Das sei auf die Genehmigungsentscheidung\nnach § 14 Abs. 2 S. 2 Stiftungsgesetz ubertragbar. Im Übrigen fuhre die\nUnwirksamkeit des Vorstandsbeschlusses vom 06.06.2002 zum ganzlichen Fehlen\neines Antrags und damit ebenfalls zur Nichtigkeit der Genehmigung. Die\nGenehmigung leide aber nicht nur an schwerwiegenden Fehlern, sondern dies sei\nauch offensichtlich fur jeden aufmerksamen und verstandigen\nDurchschnittsbetrachter, der mit den in Betracht kommenden Umstanden vertraut\ngewesen sei. Da die Genehmigung nichtig gewesen sei, habe das\nRegierungsprasidium die Nichtigkeit feststellen konnen und sogar mussen, da\nein entsprechender Antrag mit dem Schreiben des Klagers vom 15.07.2003\nvorgelegen habe, denn dieses habe seinem Inhalt nach auf eine Beseitigung der\nGenehmigung gezielt. \n--- \n| 48 \n--- \n| Die am 21.08.2003 erhobene Klage konne bei keinem denkbaren Klageantrag\nverfristet oder verwirkt sein. Dies gelte unabhangig davon, ob es nach dem\nKlageantrag um die Feststellung der Nichtigkeit der Genehmigung oder um die\nAufhebung der Genehmigung wegen Rechtswidrigkeit gehe. Die an § 44 Abs. 5 2.\nHalbsatz LVwVfG anknupfende Klage sei nach allgemeiner Auffassung nicht\nfristgebunden und konne auch noch nach Ablauf der Fristen fur die Erhebung\neiner Anfechtungsklage gefuhrt werden. Aber auch im Hinblick auf einen\nAnfechtungsantrag sei die Klage nicht verfristet. § 58 Abs. 2 VwGO mit seiner\nJahresfrist sei bei fehlender Rechtsmittelbelehrung nicht einschlagig, weil er\nnur Falle erfasse, in denen dem Klager der Bescheid von der Behorde\nzugestellt, eroffnet oder verkundet worden sei. Der Beklagte habe die\nVerfugung nur gegenuber der Stiftung erlassen und den Bescheid den einzelnen\nVorstanden nicht bekannt gegeben. Selbst wenn man in der spateren Weitergabe\neiner Kopie der Genehmigung durch andere Mitglieder des Stiftungsvorstands an\nden Klager eine Zustellung, Eroffnung oder Verkundung i.S.d. § 58 Abs. 2 VwGO\nsehen wolle, habe der Klager die so in Gang gesetzte Jahresfrist klar\neingehalten. Denn die Weitergabe der Kopie der Genehmigungsurkunde sei\nwahrscheinlich erst im Jahr 2003 erfolgt und deshalb bei Klageerhebung am\n21.08.2003 weniger als ein Jahr zuruckgelegen. \n--- \n| 49 \n--- \n| Er sei auch zur Erhebung der Klage berechtigt. Dies gelte fur die an §§ 44\nAbs. 5, 2. Halbsatz LVwVfG anknupfende Klage deshalb, weil er an der\nbeantragten Feststellung ein berechtigtes Interesse habe. Das berechtigte\nInteresse konne ein rechtliches sein, musse es aber nicht. Nach allgemeiner\nAuffassung genugten auch wirtschaftliche oder ideelle Interessen. Selbst das\nbeklagte Land werde ihm als umfangreich ehrenamtlich tatigem Vorstandsmitglied\nund als geistigem Vater der durch die Genehmigung beseitigten\nStiftungskonstruktion jedenfalls ein ideelles Interesse nicht absprechen\nwollen. Deshalb habe er ein subjektiv offentliches Recht, dass die Nichtigkeit\ndes Verwaltungsakts durch das Regierungsprasidium festgestellt werde. Dies\nbegrunde dann die fur die entsprechende Verpflichtungsklage erforderliche\nKlagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Er sei auch hinsichtlich einer\nAnfechtungsklage klagebefugt. § 8 Abs. 5 der Stiftungssatzung solle durch die\nungewohnliche Lange des zeitlichen Vorlaufs bei einer solch schwerwiegenden\nEntscheidung allen Mitgliedern des Vorstands zum einen die Teilnahme\nermoglichen, zum anderen hinreichend Zeit fur die Suche und Erarbeitung\nweniger einschneidender Maßnahmen geben. Dieses Recht stehe den Mitgliedern\ndes Stiftungsvorstandes - jedem fur sich - zu, nicht dem Regierungsprasidium\n... als Stiftungsaufsicht. Deshalb werde er in seinen eigenen Rechten\nverletzt, wenn das Regierungsprasidium ... auf Antrag einiger\nVorstandsmitglieder die Aufhebung der Stiftung genehmige, obwohl der\nAufhebungsbeschluss des Vorstands unter Verletzung von § 8 Abs. 5\nStiftungssatzung zustande gekommen und in Wahrheit die erforderliche Zwei-\nDrittel-Mehrheit gar nicht erreicht worden sei. Eine gegenteilige Sichtweise\nverkenne auch, dass § 8 Abs. 5 Stiftungssatzung nur den Fall der Aufhebung der\nStiftung betreffe, also eine Situation, in der es zwangslaufig zum Wegfall der\nentsprechenden Vorstandsposition als solcher komme. Dies entspreche genau der\nSituation eines einzelnen Abgeordneten im Fall der Auflosung des Bundestages\nnach Art. 68 GG. Hier habe das Bundesverfassungsgericht dem einzelnen\nAbgeordneten gegen die Auflosungsanordnung des Bundesprasidenten die\nAntragsbefugnis mit der Begrundung zugebilligt, die Auflosungsanordnung richte\nsich zwar nach dem Wortlaut nur gegen den Bundestag, ziehe jedoch letztlich\ndas Erloschen des Mandats jedes einzelnen Abgeordneten nach sich. \n--- \n| 50 \n--- \n| Er beantragt, \n--- \n| 51 \n--- \n| den Beklagten zu verpflichten, die Nichtigkeit seines Bescheides vom\n23.07.2002 festzustellen, \n--- \n| 52 \n--- \n| hilfsweise, \nfestzustellen, dass der Bescheid des Regierungsprasidiums ... vom 23.07.2002\nnichtig ist, \n--- \n| 53 \n--- \n| hilfsweise, \nden Bescheid des Regierungsprasidiums ... vom 23.07.2002 aufzuheben. \n--- \n| 54 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 55 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 56 \n--- \n| Die Beigeladene stellt keinen Antrag. \n--- \n| 57 \n--- \n| Zur Begrundung des Klageabweisungsantrags tragt der Beklagte vor, die Klage\nsei unzulassig. Die Genehmigung sei der Stiftung ohne Rechtsbehelfsbelehrung\nam 23.07.2002 zugesandt worden, und am 11.10.2002 sei die Aufhebung der\nStiftung im Staatsanzeiger bekannt gemacht worden. Selbst wenn man zugunsten\ndes Klagers davon ausgehe, dass mangels Rechtsbehelfsbelehrung die Jahresfrist\ndes § 58 Abs. 2 VwGO zugrunde zulegen sei, sei die Klage am 21.08.2003\njedenfalls nach Ablauf der Jahresfrist eingereicht worden. Die fehlerhafte\nEinreichung des Widerspruchs beim Regierungsprasidium am 16.07.2003 genuge zur\nKlagefristwahrung nicht. Es sei auch zweifelhaft, ob die Jahresfrist uberhaupt\ngreife, denn der Klager trage selbst vor, trotz Kenntnis des Verfahrens und\ninsbesondere der Aufhebungsgenehmigung zugewartet zu haben, weil er erwartet\nhabe, dass die Landeshauptstadt ... sich weiterhin an der Fertigstellung des\n... beteilige. Unabhangig davon, dass diese Begrundung fur die Fristenfrage\nohne Relevanz sei, zeige dies jedenfalls, dass der Klager, obwohl er von dem\nKlagegrund bereits langere Zeit Kenntnis gehabt habe, mit Absicht erst zu\neinem Zeitpunkt Klage erhoben habe, in dem weder die Rechtsaufsichtsbehorde\nnoch die zunachst in Liquidation befindliche Stiftung damit habe rechnen\nmussen. Der Klager habe daher sein Klagerecht bereits vor Ablauf der\nJahresfrist verwirkt. \n--- \n| 58 \n--- \n| Im Übrigen sei der Klager nicht klagebefugt, denn er konne nicht geltend\nmachen, in eigenen subjektiv offentlichen Rechten verletzt zu sein. Die reine\nTatsache, dass er seit Oktober 2001 Mitglied des Stiftungsvorstandes gewesen\nsei, reiche hierfur nicht aus. Vielmehr musse eine gerade in der\nAufhebungsgenehmigung liegende Verletzung seiner Rechte in Frage kommen.\nVorliegend gehe es aber nicht um die Rechtsstellung der Organmitglieder, wie\netwa bei deren Abberufung oder sonstigen Eingriffen in deren satzungsmaßig\nverbriefte Rechte, sondern um die Aufhebung der Stiftung als solcher. \n--- \n| 59 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der dem Gericht\nvorliegenden Akten des Regierungsprasidiums ... sowie auf den Inhalt der\nGerichtsakten Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 60 \n--- \n| Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag, der auf Verpflichtung des Beklagten zu\nFeststellung der Nichtigkeit der Genehmigung des Regierungsprasidiums ... vom\n23.07.02 gerichtet ist, unzulassig. \n--- \n| 61 \n--- \n| Fur eine solche Klage besteht kein Rechtsschutzbedurfnis (vgl. Sodan in\nNKVwGO, § 43 RdNr. 70 und Kopp/Schenke, Komm. zur VwGO, § 43 RdNr. 20; Schmitt\nGlaeser, Verwaltungsprozessrecht, 12. Aufl., § 43 RdNr. 342; a. A. OVG\nMunster, NVwZ-RR 1991, 331, 332 und BSG, NVwZ 1989, 902, 903). Denn anders als\nim Fall der auf Erlass eines normalen Verwaltungsakts gerichteten\nVerpflichtungsklage ist dem Gericht durch § 43 Abs. 1 2. Alternative VwGO, was\ndurch § 43 Abs. 2 S. 3 VwGO nochmals ausdrucklich bestatigt wird, selbst die\nBefugnis eingeraumt worden, dem Klager direkt durch gerichtliche Entscheidung\ndas zu gewahren, was er begehrt. Anders als sonst ist das Gericht in diesem\nFall nicht darauf beschrankt, die Behorde zu einer Handlung zu verpflichten,\ndie es selbst nicht vornehmen kann. Daraus folgt, dass kein schutzwurdiges\nInteresse daran besteht, den Beklagten selbst zur Feststellung der Nichtigkeit\nseiner eigenen Entscheidung verpflichten zu lassen. Die etwa sich aus einer\nsolchen Verpflichtung ergebende Genugtuung, die moglicherweise darin liegen\nmag, dass der Beklagte eigenes Fehlverhalten selbst feststellen muss, kann\nnach Ansicht des Gerichts ein solches Rechtsschutzinteresse nicht begrunden. \n--- \n| 62 \n--- \n| Die Klage ist auch mit ihrem ersten Hilfsantrag, der auf\nNichtigkeitsfeststellung durch das Gericht gerichtet ist, unzulassig. \n--- \n| 63 \n--- \n| Denn der Klager hat kein schutzenswertes Interesse an der begehrten\nNichtigkeitsfeststellung, und selbst wenn er sich auf ein solches berufen\nkonnte, hatte er sein Klagerecht im Zeitpunkt der Klageerhebung durch\nVerwirkung bereits wieder verloren gehabt. \n--- \n| 64 \n--- \n| Nach der Rechtsprechung ist das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche\nberechtigte Interesse an der begehrten Feststellung zwar nicht gleichbedeutend\nmit einem „rechtlichen Interesse", sondern schließt uber ein solches Interesse\nhinaus jedes als schutzwurdig anzuerkennende Interesse auch wirtschaftlicher\noder ideeller Art ein. Gleichwohl folgt daraus nach dieser Rechtsprechung\njedoch nicht, dass jeder in diesem Sinne Interessierte auch ohne eigene\nRechtsbetroffenheit Feststellungsklage erheben kann. Vielmehr muss der\nVerwaltungsakt, dessen Nichtigkeit festgestellt werden soll, die eigene\nRechtsstellung des Klagers zumindest beruhren konnen, weshalb auf die\nFeststellungsklage nach § 43 VwGO zur Vermeidung der dem Verwaltungsprozess\nfremden Popularklage die Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO uber die\nKlagebefugnis entsprechend anzuwenden ist (so OVG Munster, Urt. v. 13.11.1996\n- 16 A 4461/95 - FamRZ 1997, 647; BVerwG, Urt. v. 29. Juni 1995 - 2 C 32/94 -\nBVerwGE 99, 64). \n--- \n| 65 \n--- \n| Eine solche Klagebefugnis steht dem Klager fur eine sich gegen die\nGenehmigung durch die Stiftungsaufsichtsbehorde richtende Klage jedoch nicht\nzu. Er kann sie insbesondere nicht aus seiner Stellung als Mitglied des\nVorstands der „Stiftung ..." (nachfolgend kurz: Stiftung) herleiten. \n--- \n| 66 \n--- \n| Denn nach der speziell zum Stiftungsrecht bislang ergangenen Rechtsprechung\ndient die Stiftungsaufsicht nicht den Interessen Einzelner, sondern liegt in\nerster Linie im offentlichen Interesse und daruber hinaus im Interesse der\nStiftung selbst (so OVG Luneburg, Urt. v. 18.09.1984 - 10 A 102/82 - NJW 1985,\n1572 unter Berufung auf BGH, Urt. vom 03.03.1977, - III ZR 10/74 (KG), NJW\n1977, 795; VGH Mannheim, Beschl. v. 17.09.1984 - 10 S 1697/84 - NJW 1985,\n1573); BVerwG, Urt. v. 22. September 1972, BVerwGE 40, 347). Die Einrichtung\nder Stiftungsaufsicht soll namlich dem Umstand Rechnung tragen, dass der\nStifter mit der Verselbststandigung des Stifterwillens den Einfluss auf die\nStiftung verliert und ein Überwachungsorgan - wie etwa bei einem Verein die\nMitgliederversammlung - fehlt, das die Bindung der Stiftungsverwaltung an den\nStiftungszweck und sonstige Vorschriften kontrolliert (vgl. OVG Berlin,\nBeschl. v. 01.11.2002 - 2 S 29/02 - NVwZ-RR 2003, 323, 324; OVG Luneburg, Urt.\nv. 18.09.1984 a.a.O.; VGH Mannheim, Beschl. v. 17.09.1987 a.a.O., Bayer. OLG,\nUrt. v. 09.10.1990 - RReg.2 Z 438/89 - NVwZ-RR 1991, 228). \n--- \n| 67 \n--- \n| Daraus abzuleiten ist, dass Dritten eine Klagebefugnis gegen die\nStiftungsaufsicht nicht zusteht (OVG Berlin, Beschl. v. 01.01.2002 2 S 29/02\nNVwZ-RR 2003, 323; OVG NW, Urt. v. 28.02.1992 - 15 A 2130, 2131 und 2132/90 -\nNWVBl. 1992, 360; BGH, Urt. v. 22.01.1987 - III ZR 26/85 - NJW 1987, 2364, VGH\nMannheim, Beschl. v. 17.09.1984 a.a.O.; OVG Luneburg, Urt. v. 18.09.1984\na.a.O.). Als Dritter in diesem Sinne ist auch der Klager als Vorstandsmitglied\nder Stiftung anzusehen (so ausdrucklich VGH Mannheim, Beschluss vom 17.09.1984\na.a.O.), zumal gerade fur die Stiftung, gegen deren Auflosung sich der Klager\nwehrt, der Gedanke, dass die Stiftungsaufsicht der Verwirklichung des\nStifterwillens Rechnung tragen soll, von weniger starkem Gewicht sein durfte,\nals in anderen Fallen. Diese Stiftung weist namlich die Besonderheit auf, dass\nnicht nur die beiden Stifter noch „vorhanden sind", sondern deren Geschicke\nauch selbst durch ihre Vertretung in deren beiden Organen haben lenken konnen,\nund daruber hinaus Destinatare der Stiftung - abgesehen von ... e.V. - nicht\nirgendwelche begunstigte Dritte, die mit dem Stifter selbst nichts zu tun\nhatten, gewesen sind, sondern im Wesentlichen gerade einer der Mitstifter\nselbst (vgl. § 2 Abs. 1 Buchst. d der Stiftungssatzung). \n--- \n| 68 \n--- \n| Die Verneinung der Klagebefugnis fuhrt auch nicht - wie das OVG Berlin (in\nseiner Entscheidung vom 01.11.2002 a.a.O.) meint, zu einer Rechtschutzlucke,\ndie ausnahmsweise dazu fuhren musste, dem Klager ein Klagerecht als\nProzessfuhrungsbefugter der Stiftung einzuraumen. Abgesehen davon, dass dies\nder Regelung der Satzung (§ 8 Abs. 2) widersprechen wurde, wonach die Stiftung\neben gerade vom Vorstand gerichtlich vertreten wird, halt die Kammer die\nbefurchtete Rechtsschutzlucke fur nicht gegeben. \n--- \n| 69 \n--- \n| Der Klager hatte seine organschaftlichen Rechte als Vorstandsmitglied - die\nwegen der den Bundestagsabgeordneten eigens durch § 64 Abs. 1\nBundesverfassungsgerichtsgesetz eingeraumten Klagebefugnis fur\nOrganstreitigkeiten nicht mit diesen vergleichbar sind - namlich im\nZivilrechtsweg geltend machen konnen, indem er dort den der Genehmigung\nzugrundeliegenden Beschluss des Vorstandes vom 06.06.2002 hatte uberprufen\nlassen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 26.04.1968 - VII 10 103/66 - NJW 1969, 339\nfur den Fall der Genehmigung des Stiftungsgeschafts; VGH Mannheim, Beschl. v.\n18.09.1984 a.a.O.). Diesen Beschluss hat der Klager aber nicht gerichtlich\nangegriffen. Er hat noch nicht einmal die Nichteinhaltung der Ladungsfrist\ngegenuber dem Vorstand oder dem Regierungsprasidium schriftlich gerugt oder\ndie Vertagung der Sitzung zur entsprechenden Beschlussfassung schriftlich\nbeantragt. \n--- \n| 70 \n--- \n| Selbst wenn der Klager jedoch entgegen der Ansicht des Gerichts ein\nberechtigtes Interesse an der Nichtigkeitsfeststellung gehabt hatte, ware es\nzum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits verwirkt gewesen. \n--- \n| 71 \n--- \n| Es kann dabei offen bleiben, ob fur den Klager die Jahresfrist des § 58\nAbs. 2 VwGO gegolten hat, oder aber eine solche mangels Zustellung, Eroffnung\noder Verkundung der Genehmigung gegenuber dem Klager - der sich die\nBekanntgabe gegenuber dem Vorstand nicht zurechnen lassen muss, weil er ja\ngerade die Verletzung personlicher Rechte geltend macht - gar nicht in Gang\ngesetzt worden ist. Denn selbst, wenn die Jahresfrist hier gegolten hatte,\nbedeutet das nicht, dass der Klager diese auf jeden Fall hatte ausnutzen\ndurfen. Der Beigeladenenvertreter hat unwidersprochen vorgetragen, dass der\nKlager in der Sitzung des Stiftungsvorstandes vom 10. Dezember 2002 erstmalig\neine Kopie der Genehmigung erhalten habe. Eine dadurch etwa in Lauf gesetzte\nKlagefrist hatte somit erst im Dezember 2003 geendet. Zwar ist in der Regel\ndavon auszugehen - worauf der Klagervertreter zu Recht hinweist -, dass eine\nVerwirkung vor Eintritt der Jahresfrist nicht eintritt (vgl. Kopp/Schenke, §\n74 RdNr. 20 und Funke-Kaiser in Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll,\nKommentar zur VwGO 2. Aufl., § 74 RdNr. 19). Gleichwohl kann eine Verwirkung\nvon prozessualen Rechten auch vor Ablauf der Jahresfrist eintreten, wenn\nbesondere Umstande vorliegen, die es gebieten, eine noch innerhalb dieser\nFrist, aber dennoch nach den konkreten Umstanden verzogert erhobene Klage als\ngegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßend zu bewerten. Das kommt\ninsbesondere dann in Betracht, wenn Gegenstand der Klage ein Verwaltungsakt\nist, der nicht nur Auswirkungen auf die Interessen des Klagers, sondern\ndaruber hinaus auf Dritte hat. In solchen Fallen des Verwaltungsakts mit\nDoppelwirkung trifft einen Klager, den mit demjenigen, der von der mit der\nGenehmigung ebenfalls noch betroffen ist, ein besonderes\nGemeinschaftsverhaltnis verbindet, auch eine besondere Rucksichtnahmepflicht\nin Bezug auf die zeitnahe Geltendmachung von Rechten. Diese vom\nBundesverwaltungsgericht auf dem Gebiet des Baurechts fur Grenznachbarn\nentwickelte Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall ubertragbar, denn es\ndurfte unzweifelhaft sein, dass auch zwischen zwei Mitstiftern einer Stiftung\nein besonderes Gemeinschaftsverhaltnis besteht. Dieses Gemeinschaftsverhaltnis\nverpflichtet den Klager als Mitglied des Vorstands der Stiftung, der\nuberwiegend aus Vertretern des ...-vereines, also des einen Stifters,\nzusammengesetzt gewesen und in dem der andere Stifter, namlich die Stadt ...,\nnicht vertreten gewesen ist, dazu, „durch ein zumutbares aktives Handeln\nmitzuwirken einen wirtschaftlichen Schaden" \\- den die Stadt ... ja gerade\ndurch die Stiftungsauflosung zu verhindern versucht hat - ... „zu vermeiden\noder den Vermogensverlust moglichst niedrig zu halten". Er muss „dieser\nVerpflichtung dadurch nachkommen, dass er nach Erkennen der Beeintrachtigung\n... ungesaumt seine ... Einwendungen geltend macht, wenn ihm nicht der\nGrundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden soll, weil er ohne\nausreichenden Grund mit seinen Einwendungen langer als notwendig zugewartet\nhat" (BVerwG, Urt. v. 25.01.1974 - IV C 2.72 - , BVerwGE 44, 294). Die\nBerucksichtigung dieser sich aus der Doppelwirkung des streitigen\nVerwaltungsaktes ergebenden Besonderheiten hat zur Folge, dass die erst spater\nvon der Rechtsprechung - allerdings nicht zu Verwaltungsakten mit\nDoppelwirkung - fortentwickelten Kriterien fur eine Verwirkung prozessualer\nRechte als erfullt angesehen werden mussen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v.\n09.12.1998 - 3 C 1/98 -, BVerwGE 108, 93; BVerwG, Urt. 31.08.1999 - 3 B 57/99\n-, NVwZ-RR 2000, 259; BVerwG v. 10.08.2000 - 4 A 11/99 -, NVwZ 2001, 206 und\nOVG Munster, Urt. v. 14.09.2001 - 12 A 1534/00 -, NVwZ-RR 2002, 798). \n--- \n| 72 \n--- \n| Danach setzt eine Verwirkung prozessualer Befugnisse „\\- erstens - das\nVerstreichen eines langeren Zeitraums seit der Moglichkeit der Geltendmachung\neines Rechts und - zweitens - besondere Umstande" voraus, die „die verspatete\nGeltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben" erscheinen lassen.\n"Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verpflichtete infolge\neines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass\ndieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde\n(Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsachlich darauf vertraut\nhat, dass das Recht nicht mehr ausgeubt werde (Vertrauenstatbestand) und sich\ninfolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass\nihm durch die verspatete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil\nentstehen wurde (so BVerwG, Urt. v. 31.08.1999 - 3 B 57/99 - a.a.O.). \n--- \n| 73 \n--- \n| Der Klager hat offenbar Kenntnis von der Absicht des Vorstandes, in seiner\nSitzung vom 06.06.2002 die Auflosung der Stiftung zu beschließen, gehabt. Er\nhat - da er an der Sitzung krankheitshalber nicht hat teilnehmen konnen -\ndeshalb seinen Vorstandskollegen vor dieser Sitzung per Fax einen Brief\nubermittelt, mit dem er diese davon zu uberzeugen versucht hat, dass die\nbeabsichtigte Entscheidung falsch sei. Aber er hat weder die Nichteinhaltung\nder Ladungsfrist schriftlich gerugt, noch einen schriftlichen Vertagungsantrag\ngestellt. Auch hat er sich nicht gegen den seiner Meinung nach falschen\nBeschluss des Vorstandes nachtraglich gewehrt - sei es vor den Zivilgerichten\noder auch nur in der Weise, dass er beim Regierungsprasidium unter Hinweis auf\ndie Fehlerhaftigkeit dieses Beschlusses darauf gedrungen hatte, die\nGenehmigung des Beschlusses nicht zu erteilen. Insoweit hat der Klager in der\nmundlichen Verhandlung vorgetragen, er habe es einfach nicht fur moglich\ngehalten, dass das Regierungsprasidium einen solchermaßen zustande gekommenen\nBeschluss genehmige. Mag dies moglicherweise noch entschuldigen, dass er nicht\nbereits alle Hebel gegen diesen Beschluss in Bewegung gesetzt hat, so kann\ndies aber keine Rechtfertigung dafur sein, dass der Klager nicht zumindest in\nangemessener Frist gegen die Genehmigung vorgegangen ist, nachdem er davon\nspatestens im Dezember 2002 durch Erhalt einer Mehrfertigung der Entscheidung\nKenntnis erhalten hatte. Dabei liegt es nahe, dass er von dem Ergehen der\nEntscheidung schon fruher erfahren hat. Sollte dies nicht der Fall gewesen\nsein, muss sich der Klager entgegenhalten lassen, dass es wohl geboten gewesen\nware, sich danach zu erkundigen. Vielmehr hat er erst am 21.03.2003 in der\nSitzung des Stiftungsrates den Auflosungsbeschluss bzw. die Genehmigung\nkritisiert und angekundigt diese rechtlich uberprufen zu lassen. Gleichwohl\nhat er dann noch knapp weitere vier Monate zugewartet, bis er sich schließlich\nunter dem 15.07.2003 an das Regierungsprasidium gewandt und am 31.08.2003 beim\nVerwaltungsgericht Klage erhoben hat. Aber weder das Regierungsprasidium noch\ndie Stadt ... als Mitstifterin hatten am 15.07.2003 noch mit der Einlegung\neines Widerspruchs rechnen mussen, bzw. mit einer Klageerhebung am 21. August\n2003. Vielmehr verstoßt die Einlegung von Rechtsmitteln zu diesen Zeitpunkten\ngegen Treu und Glauben, weil der Klager unter Verhaltnissen untatig geblieben\nist, „unter denen jedermann vernunftiger Weise etwas zur Wahrung des Rechts\nunternommen hatte"(so BVerwG, Urt. v. 10.08.2000 - 4 A 11/99 - a.a.O.). Unter\nden gegebenen Umstanden durfte namlich allen Beteiligten klar gewesen sein,\ndass die Stadt ... spatestens ab dem 26.05.02 nicht mehr bereit gewesen ist,\nder Stiftung weitere Mittel zum Zwecke der Fertigstellung des ..., welche\nnicht wie ursprunglich veranschlagt mit den Mitteln des Stiftungsvermogens in\nHohe von 31,5 Millionen DM bewerkstelligt hat werden konnen, zur Verfugung zu\nstellen, sondern zusatzlich benotigte Mittel (deren Gesamthohe sich auf 11,5\nMillionen DM belaufen hat) nur unter der Bedingung zu investieren bereit\ngewesen ist, dass die Stiftung aufgelost werde. Wenn der Stiftungsvorstand\ndiesem Druck letztendlich nachgegeben hat, und sei es auch nur deshalb, weil\ner befurchtet haben mag, die Fertigstellung des ... andernfalls zu gefahrden,\ndann erscheint es treuwidrig, erst nach Fertigstellung des Projekts unter\nAufwendung weiterer Mittel in Hohe von mehreren Millionen DM durch die\nMitstifterin Rechtsmittel zu ergreifen und damit auch noch vier Monate nach\nFertigstellung und Ablauf des Termins, zu dem die Auflosung der Stiftung\nerfolgen sollte, zuzuwarten. Auch wenn die Beschlussfassung des Vorstands\nformell rechtswidrig erfolgt ist, und dies zur Folge hat, dass diese\nRechtswidrigkeit auf die Genehmigung der Auflosung durchschlagt, erscheint es\ntreuwidrig, wenn ein Mitglied dieses Vorstandes - auch wenn er in\nrechtswidriger Weise an der Mitwirkung gehindert worden war - die Genehmigung,\ndie von diesem Vorstand beantragt worden war, noch nach einem Zeitraum von\nuber einem Jahr nach dieser Beschlussfassung in zulassiger Weise durch\nAnfechtung der Genehmigung gerichtlich geltend macht. Im konkreten Fall hatte\ndies zur Folge, dass dem Vorstand, den offenbar, wie den Ausfuhrungen seines\nVorsitzenden in der mundlichen Verhandlung zu entnehmen gewesen ist, die\nBeschlussfassung im Nachhinein gereut hat, die Korrektur dieses Beschlusses\nquasi „durch die Hintertur" ermoglicht werden wurde und dies zu einem\nZeitpunkt, in dem die Mitstifterin - aus welchen Motiven heraus auch immer -\nim Vertrauen auf den Bestand der Genehmigung erhebliche weitere Geldsummen\nzusatzlich zu dem ursprunglich von ihr eingebrachten Stiftungsvermogen\nbereitgestellt hatte. \n--- \n| 74 \n--- \n| Die Klage ist auch mit ihrem zweiten Hilfsantrag, der auf Aufhebung der\nGenehmigung gerichtet ist, unzulassig, weil es dem Klager - wie sich bereits\naus den obigen Ausfuhrungen ergibt - fur eine solche Klage ebenfalls an der\nnach § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Klagebefugnis fehlt. \n--- \n| 75 \n--- \n| Da die Klage mit ihren Haupt- und Hilfsantragen unzulassig ist, bedarf es\nkeiner Entscheidung daruber, ob die Genehmigung des Regierungsprasidiums vom\n23.07.02 nichtig oder rechtswidrig ist, wobei nach Ansicht des Gerichts fur\nLetzteres hinsichtlich der vorliegenden Verstoße gegen die Satzung lediglich\nin formeller Hinsicht einiges spricht. \n--- \n| 76 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Es\nentsprache nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der\nBeigeladenen dem Klager aufzuerlegen. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 60 \n--- \n| Die Klage ist mit ihrem Hauptantrag, der auf Verpflichtung des Beklagten zu\nFeststellung der Nichtigkeit der Genehmigung des Regierungsprasidiums ... vom\n23.07.02 gerichtet ist, unzulassig. \n--- \n| 61 \n--- \n| Fur eine solche Klage besteht kein Rechtsschutzbedurfnis (vgl. Sodan in\nNKVwGO, § 43 RdNr. 70 und Kopp/Schenke, Komm. zur VwGO, § 43 RdNr. 20; Schmitt\nGlaeser, Verwaltungsprozessrecht, 12. Aufl., § 43 RdNr. 342; a. A. OVG\nMunster, NVwZ-RR 1991, 331, 332 und BSG, NVwZ 1989, 902, 903). Denn anders als\nim Fall der auf Erlass eines normalen Verwaltungsakts gerichteten\nVerpflichtungsklage ist dem Gericht durch § 43 Abs. 1 2. Alternative VwGO, was\ndurch § 43 Abs. 2 S. 3 VwGO nochmals ausdrucklich bestatigt wird, selbst die\nBefugnis eingeraumt worden, dem Klager direkt durch gerichtliche Entscheidung\ndas zu gewahren, was er begehrt. Anders als sonst ist das Gericht in diesem\nFall nicht darauf beschrankt, die Behorde zu einer Handlung zu verpflichten,\ndie es selbst nicht vornehmen kann. Daraus folgt, dass kein schutzwurdiges\nInteresse daran besteht, den Beklagten selbst zur Feststellung der Nichtigkeit\nseiner eigenen Entscheidung verpflichten zu lassen. Die etwa sich aus einer\nsolchen Verpflichtung ergebende Genugtuung, die moglicherweise darin liegen\nmag, dass der Beklagte eigenes Fehlverhalten selbst feststellen muss, kann\nnach Ansicht des Gerichts ein solches Rechtsschutzinteresse nicht begrunden. \n--- \n| 62 \n--- \n| Die Klage ist auch mit ihrem ersten Hilfsantrag, der auf\nNichtigkeitsfeststellung durch das Gericht gerichtet ist, unzulassig. \n--- \n| 63 \n--- \n| Denn der Klager hat kein schutzenswertes Interesse an der begehrten\nNichtigkeitsfeststellung, und selbst wenn er sich auf ein solches berufen\nkonnte, hatte er sein Klagerecht im Zeitpunkt der Klageerhebung durch\nVerwirkung bereits wieder verloren gehabt. \n--- \n| 64 \n--- \n| Nach der Rechtsprechung ist das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche\nberechtigte Interesse an der begehrten Feststellung zwar nicht gleichbedeutend\nmit einem „rechtlichen Interesse", sondern schließt uber ein solches Interesse\nhinaus jedes als schutzwurdig anzuerkennende Interesse auch wirtschaftlicher\noder ideeller Art ein. Gleichwohl folgt daraus nach dieser Rechtsprechung\njedoch nicht, dass jeder in diesem Sinne Interessierte auch ohne eigene\nRechtsbetroffenheit Feststellungsklage erheben kann. Vielmehr muss der\nVerwaltungsakt, dessen Nichtigkeit festgestellt werden soll, die eigene\nRechtsstellung des Klagers zumindest beruhren konnen, weshalb auf die\nFeststellungsklage nach § 43 VwGO zur Vermeidung der dem Verwaltungsprozess\nfremden Popularklage die Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO uber die\nKlagebefugnis entsprechend anzuwenden ist (so OVG Munster, Urt. v. 13.11.1996\n- 16 A 4461/95 - FamRZ 1997, 647; BVerwG, Urt. v. 29. Juni 1995 - 2 C 32/94 -\nBVerwGE 99, 64). \n--- \n| 65 \n--- \n| Eine solche Klagebefugnis steht dem Klager fur eine sich gegen die\nGenehmigung durch die Stiftungsaufsichtsbehorde richtende Klage jedoch nicht\nzu. Er kann sie insbesondere nicht aus seiner Stellung als Mitglied des\nVorstands der „Stiftung ..." (nachfolgend kurz: Stiftung) herleiten. \n--- \n| 66 \n--- \n| Denn nach der speziell zum Stiftungsrecht bislang ergangenen Rechtsprechung\ndient die Stiftungsaufsicht nicht den Interessen Einzelner, sondern liegt in\nerster Linie im offentlichen Interesse und daruber hinaus im Interesse der\nStiftung selbst (so OVG Luneburg, Urt. v. 18.09.1984 - 10 A 102/82 - NJW 1985,\n1572 unter Berufung auf BGH, Urt. vom 03.03.1977, - III ZR 10/74 (KG), NJW\n1977, 795; VGH Mannheim, Beschl. v. 17.09.1984 - 10 S 1697/84 - NJW 1985,\n1573); BVerwG, Urt. v. 22. September 1972, BVerwGE 40, 347). Die Einrichtung\nder Stiftungsaufsicht soll namlich dem Umstand Rechnung tragen, dass der\nStifter mit der Verselbststandigung des Stifterwillens den Einfluss auf die\nStiftung verliert und ein Überwachungsorgan - wie etwa bei einem Verein die\nMitgliederversammlung - fehlt, das die Bindung der Stiftungsverwaltung an den\nStiftungszweck und sonstige Vorschriften kontrolliert (vgl. OVG Berlin,\nBeschl. v. 01.11.2002 - 2 S 29/02 - NVwZ-RR 2003, 323, 324; OVG Luneburg, Urt.\nv. 18.09.1984 a.a.O.; VGH Mannheim, Beschl. v. 17.09.1987 a.a.O., Bayer. OLG,\nUrt. v. 09.10.1990 - RReg.2 Z 438/89 - NVwZ-RR 1991, 228). \n--- \n| 67 \n--- \n| Daraus abzuleiten ist, dass Dritten eine Klagebefugnis gegen die\nStiftungsaufsicht nicht zusteht (OVG Berlin, Beschl. v. 01.01.2002 2 S 29/02\nNVwZ-RR 2003, 323; OVG NW, Urt. v. 28.02.1992 - 15 A 2130, 2131 und 2132/90 -\nNWVBl. 1992, 360; BGH, Urt. v. 22.01.1987 - III ZR 26/85 - NJW 1987, 2364, VGH\nMannheim, Beschl. v. 17.09.1984 a.a.O.; OVG Luneburg, Urt. v. 18.09.1984\na.a.O.). Als Dritter in diesem Sinne ist auch der Klager als Vorstandsmitglied\nder Stiftung anzusehen (so ausdrucklich VGH Mannheim, Beschluss vom 17.09.1984\na.a.O.), zumal gerade fur die Stiftung, gegen deren Auflosung sich der Klager\nwehrt, der Gedanke, dass die Stiftungsaufsicht der Verwirklichung des\nStifterwillens Rechnung tragen soll, von weniger starkem Gewicht sein durfte,\nals in anderen Fallen. Diese Stiftung weist namlich die Besonderheit auf, dass\nnicht nur die beiden Stifter noch „vorhanden sind", sondern deren Geschicke\nauch selbst durch ihre Vertretung in deren beiden Organen haben lenken konnen,\nund daruber hinaus Destinatare der Stiftung - abgesehen von ... e.V. - nicht\nirgendwelche begunstigte Dritte, die mit dem Stifter selbst nichts zu tun\nhatten, gewesen sind, sondern im Wesentlichen gerade einer der Mitstifter\nselbst (vgl. § 2 Abs. 1 Buchst. d der Stiftungssatzung). \n--- \n| 68 \n--- \n| Die Verneinung der Klagebefugnis fuhrt auch nicht - wie das OVG Berlin (in\nseiner Entscheidung vom 01.11.2002 a.a.O.) meint, zu einer Rechtschutzlucke,\ndie ausnahmsweise dazu fuhren musste, dem Klager ein Klagerecht als\nProzessfuhrungsbefugter der Stiftung einzuraumen. Abgesehen davon, dass dies\nder Regelung der Satzung (§ 8 Abs. 2) widersprechen wurde, wonach die Stiftung\neben gerade vom Vorstand gerichtlich vertreten wird, halt die Kammer die\nbefurchtete Rechtsschutzlucke fur nicht gegeben. \n--- \n| 69 \n--- \n| Der Klager hatte seine organschaftlichen Rechte als Vorstandsmitglied - die\nwegen der den Bundestagsabgeordneten eigens durch § 64 Abs. 1\nBundesverfassungsgerichtsgesetz eingeraumten Klagebefugnis fur\nOrganstreitigkeiten nicht mit diesen vergleichbar sind - namlich im\nZivilrechtsweg geltend machen konnen, indem er dort den der Genehmigung\nzugrundeliegenden Beschluss des Vorstandes vom 06.06.2002 hatte uberprufen\nlassen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 26.04.1968 - VII 10 103/66 - NJW 1969, 339\nfur den Fall der Genehmigung des Stiftungsgeschafts; VGH Mannheim, Beschl. v.\n18.09.1984 a.a.O.). Diesen Beschluss hat der Klager aber nicht gerichtlich\nangegriffen. Er hat noch nicht einmal die Nichteinhaltung der Ladungsfrist\ngegenuber dem Vorstand oder dem Regierungsprasidium schriftlich gerugt oder\ndie Vertagung der Sitzung zur entsprechenden Beschlussfassung schriftlich\nbeantragt. \n--- \n| 70 \n--- \n| Selbst wenn der Klager jedoch entgegen der Ansicht des Gerichts ein\nberechtigtes Interesse an der Nichtigkeitsfeststellung gehabt hatte, ware es\nzum Zeitpunkt der Klageerhebung bereits verwirkt gewesen. \n--- \n| 71 \n--- \n| Es kann dabei offen bleiben, ob fur den Klager die Jahresfrist des § 58\nAbs. 2 VwGO gegolten hat, oder aber eine solche mangels Zustellung, Eroffnung\noder Verkundung der Genehmigung gegenuber dem Klager - der sich die\nBekanntgabe gegenuber dem Vorstand nicht zurechnen lassen muss, weil er ja\ngerade die Verletzung personlicher Rechte geltend macht - gar nicht in Gang\ngesetzt worden ist. Denn selbst, wenn die Jahresfrist hier gegolten hatte,\nbedeutet das nicht, dass der Klager diese auf jeden Fall hatte ausnutzen\ndurfen. Der Beigeladenenvertreter hat unwidersprochen vorgetragen, dass der\nKlager in der Sitzung des Stiftungsvorstandes vom 10. Dezember 2002 erstmalig\neine Kopie der Genehmigung erhalten habe. Eine dadurch etwa in Lauf gesetzte\nKlagefrist hatte somit erst im Dezember 2003 geendet. Zwar ist in der Regel\ndavon auszugehen - worauf der Klagervertreter zu Recht hinweist -, dass eine\nVerwirkung vor Eintritt der Jahresfrist nicht eintritt (vgl. Kopp/Schenke, §\n74 RdNr. 20 und Funke-Kaiser in Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll,\nKommentar zur VwGO 2. Aufl., § 74 RdNr. 19). Gleichwohl kann eine Verwirkung\nvon prozessualen Rechten auch vor Ablauf der Jahresfrist eintreten, wenn\nbesondere Umstande vorliegen, die es gebieten, eine noch innerhalb dieser\nFrist, aber dennoch nach den konkreten Umstanden verzogert erhobene Klage als\ngegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßend zu bewerten. Das kommt\ninsbesondere dann in Betracht, wenn Gegenstand der Klage ein Verwaltungsakt\nist, der nicht nur Auswirkungen auf die Interessen des Klagers, sondern\ndaruber hinaus auf Dritte hat. In solchen Fallen des Verwaltungsakts mit\nDoppelwirkung trifft einen Klager, den mit demjenigen, der von der mit der\nGenehmigung ebenfalls noch betroffen ist, ein besonderes\nGemeinschaftsverhaltnis verbindet, auch eine besondere Rucksichtnahmepflicht\nin Bezug auf die zeitnahe Geltendmachung von Rechten. Diese vom\nBundesverwaltungsgericht auf dem Gebiet des Baurechts fur Grenznachbarn\nentwickelte Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Fall ubertragbar, denn es\ndurfte unzweifelhaft sein, dass auch zwischen zwei Mitstiftern einer Stiftung\nein besonderes Gemeinschaftsverhaltnis besteht. Dieses Gemeinschaftsverhaltnis\nverpflichtet den Klager als Mitglied des Vorstands der Stiftung, der\nuberwiegend aus Vertretern des ...-vereines, also des einen Stifters,\nzusammengesetzt gewesen und in dem der andere Stifter, namlich die Stadt ...,\nnicht vertreten gewesen ist, dazu, „durch ein zumutbares aktives Handeln\nmitzuwirken einen wirtschaftlichen Schaden" \\- den die Stadt ... ja gerade\ndurch die Stiftungsauflosung zu verhindern versucht hat - ... „zu vermeiden\noder den Vermogensverlust moglichst niedrig zu halten". Er muss „dieser\nVerpflichtung dadurch nachkommen, dass er nach Erkennen der Beeintrachtigung\n... ungesaumt seine ... Einwendungen geltend macht, wenn ihm nicht der\nGrundsatz von Treu und Glauben entgegengehalten werden soll, weil er ohne\nausreichenden Grund mit seinen Einwendungen langer als notwendig zugewartet\nhat" (BVerwG, Urt. v. 25.01.1974 - IV C 2.72 - , BVerwGE 44, 294). Die\nBerucksichtigung dieser sich aus der Doppelwirkung des streitigen\nVerwaltungsaktes ergebenden Besonderheiten hat zur Folge, dass die erst spater\nvon der Rechtsprechung - allerdings nicht zu Verwaltungsakten mit\nDoppelwirkung - fortentwickelten Kriterien fur eine Verwirkung prozessualer\nRechte als erfullt angesehen werden mussen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v.\n09.12.1998 - 3 C 1/98 -, BVerwGE 108, 93; BVerwG, Urt. 31.08.1999 - 3 B 57/99\n-, NVwZ-RR 2000, 259; BVerwG v. 10.08.2000 - 4 A 11/99 -, NVwZ 2001, 206 und\nOVG Munster, Urt. v. 14.09.2001 - 12 A 1534/00 -, NVwZ-RR 2002, 798). \n--- \n| 72 \n--- \n| Danach setzt eine Verwirkung prozessualer Befugnisse „\\- erstens - das\nVerstreichen eines langeren Zeitraums seit der Moglichkeit der Geltendmachung\neines Rechts und - zweitens - besondere Umstande" voraus, die „die verspatete\nGeltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben" erscheinen lassen.\n"Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn der Verpflichtete infolge\neines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass\ndieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde\n(Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsachlich darauf vertraut\nhat, dass das Recht nicht mehr ausgeubt werde (Vertrauenstatbestand) und sich\ninfolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass\nihm durch die verspatete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil\nentstehen wurde (so BVerwG, Urt. v. 31.08.1999 - 3 B 57/99 - a.a.O.). \n--- \n| 73 \n--- \n| Der Klager hat offenbar Kenntnis von der Absicht des Vorstandes, in seiner\nSitzung vom 06.06.2002 die Auflosung der Stiftung zu beschließen, gehabt. Er\nhat - da er an der Sitzung krankheitshalber nicht hat teilnehmen konnen -\ndeshalb seinen Vorstandskollegen vor dieser Sitzung per Fax einen Brief\nubermittelt, mit dem er diese davon zu uberzeugen versucht hat, dass die\nbeabsichtigte Entscheidung falsch sei. Aber er hat weder die Nichteinhaltung\nder Ladungsfrist schriftlich gerugt, noch einen schriftlichen Vertagungsantrag\ngestellt. Auch hat er sich nicht gegen den seiner Meinung nach falschen\nBeschluss des Vorstandes nachtraglich gewehrt - sei es vor den Zivilgerichten\noder auch nur in der Weise, dass er beim Regierungsprasidium unter Hinweis auf\ndie Fehlerhaftigkeit dieses Beschlusses darauf gedrungen hatte, die\nGenehmigung des Beschlusses nicht zu erteilen. Insoweit hat der Klager in der\nmundlichen Verhandlung vorgetragen, er habe es einfach nicht fur moglich\ngehalten, dass das Regierungsprasidium einen solchermaßen zustande gekommenen\nBeschluss genehmige. Mag dies moglicherweise noch entschuldigen, dass er nicht\nbereits alle Hebel gegen diesen Beschluss in Bewegung gesetzt hat, so kann\ndies aber keine Rechtfertigung dafur sein, dass der Klager nicht zumindest in\nangemessener Frist gegen die Genehmigung vorgegangen ist, nachdem er davon\nspatestens im Dezember 2002 durch Erhalt einer Mehrfertigung der Entscheidung\nKenntnis erhalten hatte. Dabei liegt es nahe, dass er von dem Ergehen der\nEntscheidung schon fruher erfahren hat. Sollte dies nicht der Fall gewesen\nsein, muss sich der Klager entgegenhalten lassen, dass es wohl geboten gewesen\nware, sich danach zu erkundigen. Vielmehr hat er erst am 21.03.2003 in der\nSitzung des Stiftungsrates den Auflosungsbeschluss bzw. die Genehmigung\nkritisiert und angekundigt diese rechtlich uberprufen zu lassen. Gleichwohl\nhat er dann noch knapp weitere vier Monate zugewartet, bis er sich schließlich\nunter dem 15.07.2003 an das Regierungsprasidium gewandt und am 31.08.2003 beim\nVerwaltungsgericht Klage erhoben hat. Aber weder das Regierungsprasidium noch\ndie Stadt ... als Mitstifterin hatten am 15.07.2003 noch mit der Einlegung\neines Widerspruchs rechnen mussen, bzw. mit einer Klageerhebung am 21. August\n2003. Vielmehr verstoßt die Einlegung von Rechtsmitteln zu diesen Zeitpunkten\ngegen Treu und Glauben, weil der Klager unter Verhaltnissen untatig geblieben\nist, „unter denen jedermann vernunftiger Weise etwas zur Wahrung des Rechts\nunternommen hatte"(so BVerwG, Urt. v. 10.08.2000 - 4 A 11/99 - a.a.O.). Unter\nden gegebenen Umstanden durfte namlich allen Beteiligten klar gewesen sein,\ndass die Stadt ... spatestens ab dem 26.05.02 nicht mehr bereit gewesen ist,\nder Stiftung weitere Mittel zum Zwecke der Fertigstellung des ..., welche\nnicht wie ursprunglich veranschlagt mit den Mitteln des Stiftungsvermogens in\nHohe von 31,5 Millionen DM bewerkstelligt hat werden konnen, zur Verfugung zu\nstellen, sondern zusatzlich benotigte Mittel (deren Gesamthohe sich auf 11,5\nMillionen DM belaufen hat) nur unter der Bedingung zu investieren bereit\ngewesen ist, dass die Stiftung aufgelost werde. Wenn der Stiftungsvorstand\ndiesem Druck letztendlich nachgegeben hat, und sei es auch nur deshalb, weil\ner befurchtet haben mag, die Fertigstellung des ... andernfalls zu gefahrden,\ndann erscheint es treuwidrig, erst nach Fertigstellung des Projekts unter\nAufwendung weiterer Mittel in Hohe von mehreren Millionen DM durch die\nMitstifterin Rechtsmittel zu ergreifen und damit auch noch vier Monate nach\nFertigstellung und Ablauf des Termins, zu dem die Auflosung der Stiftung\nerfolgen sollte, zuzuwarten. Auch wenn die Beschlussfassung des Vorstands\nformell rechtswidrig erfolgt ist, und dies zur Folge hat, dass diese\nRechtswidrigkeit auf die Genehmigung der Auflosung durchschlagt, erscheint es\ntreuwidrig, wenn ein Mitglied dieses Vorstandes - auch wenn er in\nrechtswidriger Weise an der Mitwirkung gehindert worden war - die Genehmigung,\ndie von diesem Vorstand beantragt worden war, noch nach einem Zeitraum von\nuber einem Jahr nach dieser Beschlussfassung in zulassiger Weise durch\nAnfechtung der Genehmigung gerichtlich geltend macht. Im konkreten Fall hatte\ndies zur Folge, dass dem Vorstand, den offenbar, wie den Ausfuhrungen seines\nVorsitzenden in der mundlichen Verhandlung zu entnehmen gewesen ist, die\nBeschlussfassung im Nachhinein gereut hat, die Korrektur dieses Beschlusses\nquasi „durch die Hintertur" ermoglicht werden wurde und dies zu einem\nZeitpunkt, in dem die Mitstifterin - aus welchen Motiven heraus auch immer -\nim Vertrauen auf den Bestand der Genehmigung erhebliche weitere Geldsummen\nzusatzlich zu dem ursprunglich von ihr eingebrachten Stiftungsvermogen\nbereitgestellt hatte. \n--- \n| 74 \n--- \n| Die Klage ist auch mit ihrem zweiten Hilfsantrag, der auf Aufhebung der\nGenehmigung gerichtet ist, unzulassig, weil es dem Klager - wie sich bereits\naus den obigen Ausfuhrungen ergibt - fur eine solche Klage ebenfalls an der\nnach § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Klagebefugnis fehlt. \n--- \n| 75 \n--- \n| Da die Klage mit ihren Haupt- und Hilfsantragen unzulassig ist, bedarf es\nkeiner Entscheidung daruber, ob die Genehmigung des Regierungsprasidiums vom\n23.07.02 nichtig oder rechtswidrig ist, wobei nach Ansicht des Gerichts fur\nLetzteres hinsichtlich der vorliegenden Verstoße gegen die Satzung lediglich\nin formeller Hinsicht einiges spricht. \n--- \n| 76 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO. Es\nentsprache nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der\nBeigeladenen dem Klager aufzuerlegen. \n---\n\n
140,147
vghbw-2004-08-25-12-s-64804
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
12 S 648/04
2004-08-25
2019-01-07 14:52:30
2019-01-17 12:00:21
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des\nVerwaltungsgerichts Karlsruhe vom 18. Dezember 2003 - 2 K 3094/02 - wird\nabgelehnt.\n\nDer Beklagte tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der auf die Zulassungsgrunde der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des\nUrteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der grundsatzlichen Bedeutung der\nRechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestutzte Antrag hat keinen Erfolg. \n--- \n| 2 \n--- \n| 1\\. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen\nEntscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind dann begrundet, wenn ein einzelner\ntragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit\nschlussigen Gegenargumenten derart in Frage gestellt wird, dass ein Erfolg der\nangestrebten Berufung nach den Erkenntnismoglichkeiten des\nZulassungsverfahrens moglich erscheint; maßgeblich ist, dass ernstliche\nZweifel gerade an der Richtigkeit des Ergebnisses des angegriffenen Urteils\nbestehen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.12.2003 - 7 AV 2.03 -, NVwZ 2004, 744;\nVGH Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 19.04.2004 - 12 S 1576/03 -; Bader/Funke-\nKaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO, 2. Aufl., § 124 RdNrn. 23 f.; Kopp/Schenke,\nVwGO, 13. Aufl., § 124 RdNr. 7a). Die Grunde hierfur sind darzulegen (§ 124a\nAbs. 4 Satz 4 VwGO). Hierzu bedarf es einer substantiierten Auseinandersetzung\nmit der angegriffenen Entscheidung, mit welcher der Streitstoff durchdrungen\nbzw. aufbereitet und aufgezeigt wird, welcher tragende Rechtssatz oder welche\nerhebliche Tatsachenfeststellung aus welchen Grunden fehlerhaft sein soll\n(vgl. Kopp/Schenke a.a.O. § 124a RdNrn. 49, 52; Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von\nAlbedyll a.a.O. § 124a RdNrn. 79, 82). Gemessen an diesen Anforderungen werden\nernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung nicht\naufgezeigt. \n--- \n| 3 \n--- \n| Im Hinblick auf den streitigen Antrag auf Gewahrung einer anteiligen\nWeihnachtsbeihilfe vom 23.11.2001 haben die Klager zur Begrundung ihrer Klage\n(u.a.) ausgefuhrt, sie hatten die Weihnachtsbeihilfe nicht in vollem Umfang\nansparen konnen, da mit der Pauschalierung (erst) innerhalb des laufenden\nJahres begonnen worden sei. Die - zeitgebundene - Weihnachtsbeihilfe dient\ndazu, es dem Hilfsempfanger zu ermoglichen, die Weihnachtsfeiertage mit einem\nbescheidenen Mehraufwand zu verbringen; sie ist als Pflichtleistung im Sinne\ndes § 12 BSHG anzusehen (vgl. VGH Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 09.03.1983,\nESVGH 33, 207; LPK-BSHG, 6. Aufl., § 21 Randnr. 58 m.w.N.). Nach dem\nVorbringen der Klager lag somit Ende November 2001 ein sozialhilferechtlich\nrelevanter Bedarf vor, der aus eigenen (angesparten) Mitteln nur zum Teil\ngedeckt werden konnte. In der angegriffenen Entscheidung verpflichtete das\nVerwaltungsgericht den Beklagten, den Klagern, denen monatliche Pauschalen fur\nregelmaßig wiederkehrende einmalige Bedarfe erst ab Mai 2001 gewahrt worden\nsind, jeweils eine anteilige Weihnachtsbeihilfe fur die Monate Januar bis\nApril 2001 zu gewahren. \n--- \n| 4 \n--- \n| Seitens des Beklagten wird hiergegen im Wesentlichen geltend gemacht, dass\ndie Klager seit Mai 2001 monatlich Pauschalbetrage zur Deckung der im Laufe\neines Jahres regelmaßig wiederkehrenden einmaligen Bedarfe erhalten hatten,\naus welchen die jeweiligen Bedarfe aus Anlass des Weihnachtsfest 2001 ohne\nweiteres hatten gedeckt werden konnen. Bei den gewahrten Pauschalen handele es\nsich nicht um Vorschusszahlungen, sondern mit ihnen wurden grundsatzlich alle\nAnspruche auf Leistungen fur die von ihnen erfassten Bedarfe abgegolten\nwerden. Es konne nicht auf den in einer einzelnen Monatspauschale enthaltenen\nAnteil fur einen bestimmten Bedarfsgegenstand abgestellt werden, sondern es\nkomme darauf an, ob die gewahrten Pauschalen in ihrer Gesamtheit der\nangemessenen Bedarfsdeckung dienten. Im Rahmen der durch § 101a BSHG\nermoglichten Modellprojekte sei das Prinzip der faktischen und gegenwartigen\nBedarfsdeckung modifiziert. Mit Ausnahme der Hartefalle komme es allein auf\ndie durchschnittlich bedarfsdeckende Bemessung der Monatspauschalen fur\neinmalige Leistungen an. Die Klager hatten nicht dargelegt, aus besonderen\nGrunden nicht in der Lage gewesen zu sein, den Mehrbedarf fur die\nWeihnachtszeit aus den in einem Zeitraum von 8 Monaten bezogenen\nPauschalbetragen anzusparen. Mit diesem Vorbringen zeigt der Beklagte jedoch\nkeine (uberwiegenden) Grunde auf, aus denen sich ergibt, dass die getroffene\nEntscheidung des Verwaltungsgerichts voraussichtlich im Ergebnis fehlerhaft\nist. \n--- \n| 5 \n--- \n| Nach § 101a Satz 3 BSHG sind die Pauschalbetrage fur einen bestimmten\nBedarf festzusetzen und mussen dem G r u n d s a t z d e r B e d a r f s d e c\nk u n g gerecht werden. Dieser Grundsatz wird durch die in § 101a BSHG\nvorgesehene Moglichkeit, fur bestimmte Bedarfe Pauschalbetrage festzusetzen,\npartiell modifiziert, zugleich werden aber auch durch ihn Grenzen und\ninhaltliche Maßstabe fur eine versuchsweise Pauschalierung aufgrund der\nExperimentierklausel des § 101a BSHG gesetzt (vgl. Rothkegel, ZFSH/SGB 2002,\n585, 587 ff. m.w.N.). Im Lichte des Bedarfsdeckungsgrundsatzes ist\ninsbesondere § 4 der Verordnung der Landesregierung zur Durchfuhrung von\nModellvorhaben zur Pauschalierung der Sozialhilfe vom 02.05.2000 - PauschVO -\n(GBl. S. 433), wonach neben den Pauschalen zusatzliche Leistungen fur die von\nden Pauschalen gedeckten Bedarfe nur in besonderen Hartefallen zulassig sind,\nauszulegen (vgl. auch VG Karlsruhe, Urteil vom 22.04.2004 - 2 K 2379/02 -).\nAus der seitens des Beklagten in der Antragsschrift zitierten Rechtsprechung\nfolgt im Wesentlichen nichts anderes: In der Entscheidung des Bayerischen\nVerwaltungsgerichtshofs vom 15.05.2003 - 12 N 02.1480 - (ZFSH/SGB 2003, 742)\nwird etwa ausgefuhrt, dass aufgrund der Ausnahme- bzw. Harteregelungen\ngesichert sei, dass der notwendige Bedarf der von den Ausfuhrungsbestimmungen\nerfassten Hilfeempfanger tatsachlich in vollem Umfang befriedigt werden konne,\n„auch wenn der Hilfeempfanger noch keine bedarfsdeckenden Betrage ansparen\nkonnte oder wollte". Im Urteil vom 08.08.2002 - 13 A 131/01 - fuhrt das\nSchleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht u.a. aus: \n--- \n| 6 \n--- \n| „Die Billigung einer einmaligen Beihilfepauschale fuhrt nicht grundsatzlich\ndazu, dass fur einen im Einzelfall bestehenden zusatzlichen Bedarf keine\nweiteren Leistungen bewilligt werden durfen. § 4 PauschVO schließt\nweitergehende Leistungen nur in der Regel aus. Die Anwendung des § 3 Abs. 1\nBSHG ist jedoch nicht beruhrt. Danach richten sich Art, Form und Maß der\nSozialhilfe nach der Besonderheit des Einzelfalles, vor allem nach der Person\ndes Hilfsempfangers, der Art seines Bedarfs und den ortlichen Verhaltnissen.\nIst der Hilfeempfanger nicht in der Lage, einen bestehenden unaufschiebbaren\nBedarf mit Hilfe der monatlichen Beihilfepauschale und moglicher Ansparungen\naus dieser Pauschale zu decken, mussen im Einzelfall zusatzliche Leistungen\nbewilligt werden, um dem Grundsatz der Bedarfsdeckung gerecht zu werden, wobei\nim Einzelfall allerdings Kostenersatzanspruche nach § 92a BSHG fur die\nBeklagte entstehen konnen." \n--- \n| 7 \n--- \n| Auch das Verwaltungsgericht Freiburg weist in seinem Urteil vom 01.07.2003\n- 8 K 708/01 - darauf hin, dass im Falle eines trotz gewahrter Pauschalen\nungedeckten Bedarfs ein Antrag auf Gewahrung einer einmaligen Beihilfe\ngestellt werden konne, da § 4 PauschVO die Moglichkeit der Gewahrung\nzusatzlicher Leistungen in besonderen Hartefallen eroffne. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Auffassung, der besondere Weihnachtsbedarf der Klager hatte ohne\nweiteres aus den ihnen gewahrten Pauschalen gedeckt werden konnen, trifft\n(abstrakt) nur dann zu, wenn auch alle anderen Bedarfe, die in der fraglichen\nBezugszeit von Mai bis Dezember 2001 aufgetreten sind, von den monatlichen\nPauschalbetragen fur die regelmaßig wiederkehrenden einmaligen Bedarfe hatten\ngedeckt werden konnen. Gerade in der Startphase bzw. bei einer nicht\nhinreichenden Ansparzeit konnen hierbei typischerweise Probleme entstehen\n(vgl. die amtliche Begrundung zu § 4 PauschVO, Satz 7; s.a. die „zugespitzten"\nFallbeispiele bei Putz, info also 2000, 5, 6 f.; ferner VG Augsburg, Beschluss\nvom 03.06.2002, info also 2003, 82). Soweit der Beklagte weiter geltend macht,\ndass die Klager nicht dargelegt hatten, „aus besonderen Grunden nicht in der\nLage gewesen zu sein, den Festbedarf fur die Weihnachtszeit aus den in einem\nZeitraum von 8 Monaten bezogenen Pauschalbetragen anzusparen" und ohne einen\nsolchen „Nachweis" wurde eine Bedarfsuberdeckung eintreten, reicht dies nicht,\num aufzuzeigen, dass im vorliegenden Fall keine zusatzlichen Leistungen\naufgrund der Hartefallregelung in § 4 PauschVO zu gewahren sind. Der vom\nBeklagten geforderte „Nachweis" durfte bei einer großeren Familiengemeinschaft\n- hier bestehend aus 6 Personen - nur erbracht werden konnen, wenn die\nHilfebezieher wahrend des gesamten Zeitraums des Hilfebezugs Buch daruber\nfuhren, welchen Bedarf sie aus den ihnen seit dem Beginn der Pauschalierung\ngezahlten Monatsbetragen jeweils gedeckt haben (vgl. Putz, a.a.O., S. 8). Die\nBegrundung des Zulassungsantrags erbringt nichts dafur, ob eine entsprechende\nPflicht oder Obliegenheit zur Buchfuhrung von Rechts wegen anzunehmen ist und\nob die Klager hierauf seitens des Beklagten beizeiten hingewiesen worden sind.\nUnklar ist, inwiefern seitens des Beklagten der relevante Sachverhalt\nermittelt worden ist (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X). \n--- \n| 9 \n--- \n| Das Antragsvorbringen verhalt sich nicht dazu, dass es sich bei der\nWeihnachtsbeihilfe um eine bereits bestehende Pauschale fur eine einmalige\nLeistung handelt (vgl. hierzu Rothkegel, ZFSH/SGB 2002, 585, 587 f.). § 101a\nSatz 1 BSHG ermachtigt jedoch - jedenfalls nach seinem Wortlaut - nur dazu,\ndie Pauschalierung w e i t e r e r Leistungen nach diesem Gesetz zu erproben.\nDementsprechend wurde im Gesetzgebungsverfahren zu § 101a BSHG der Standpunkt\neingenommen, dass von der Experimentierklausel schon praktizierte\nPauschalierungen einzelner einmaliger Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt\nwie etwa die Weihnachtshilfe nicht beruhrt wurden, wobei diese jedoch in die\nModellvorhaben einbezogen werden konnten (vgl. BT-Drucks. 14/820). Die\nVorstellung einer Einbeziehung schon praktizierter Pauschalierungen in den\nModellversuch hat jedoch keinen Eingang in die bundesgesetzliche Regelung\ngefunden (vgl. Rothkegel, ZFSH/SGB 2002, 657, 662). Bei einer solchen\nBetrachtungsweise betrafe die Einbeziehung der Weihnachtshilfe in den vom\nBeklagten monatlich gezahlten Pauschalbetrag fur die regelmaßig\nwiederkehrenden einmaligen Bedarfe moglicherweise nur die Zahlweise der\nWeihnachtspauschale, mit der Folge, dass allein deshalb die angegriffene\nEntscheidung im Ergebnis richtig sein wurde, ohne dass es auf die - hier\ndenkbare - Anwendbarkeit der Hartefallregelung in § 4 PauschVO noch ankommen\nwurde. \n--- \n| 10 \n--- \n| Aus dem Bedarfsdeckungsprinzip wird des Weiteren geschlossen, dass nur\nbereite, also tatsachlich zur Bedarfsdeckung zur Verfugung stehende Mittel die\nGewahrung von Sozialhilfe ausschließen. Ein Hilfeempfanger, dessen angesparter\nBetrag nicht ausreicht, um einen eingetretenen Bedarf (voll) zu decken, kann\ndaher (moglicherweise) trotz gezahlter Pauschale(n) die Gewahrung von\nLeistungen zur Deckung dieses gegenwartigen Bedarfs verlangen - und zwar ohne\nRucksicht darauf, warum ihm ein ausreichender Ansparbetrag nicht oder nicht\nmehr zur Verfugung steht und ob eine Besonderheit des Einzelfalls vorliegt\noder nicht. Der Sozialhilfetrager konnte allenfalls nach Maßgabe des § 92a\nAbs. 1 BSHG Kostenersatz verlangen oder die Hilfe nach § 25 Abs. 2 Nr. 1 oder\n2 BSHG einschranken (vgl. Putz, a.a.O., S. 7 f.; Rothkegel, ZFSH/SGB 2002,\n657, 658; derselbe, Die Strukturprinzipien des Sozialhilferechts, 1. Aufl.\n2000, S. 18 f.; W.Schellhorn/H.Schellhorn, BSHG, 16. Aufl., § 101a RdNr. 9;\nLPK-BSHG, a.a.O., § 101a RdNrn. 7, 12). Im Hinblick auf den von den Klagern\ngeltend gemachten, teilweise ungedeckten Weihnachtsbedarf spricht einiges\ndafur, dass die angegriffene Entscheidung auch deshalb vom Ergebnis her nicht\nzu beanstanden sein durfte. Die Begrundung des Zulassungsantrags setzt sich\nmit diesem Aspekt des Bedarfsdeckungsgrundsatzes nicht hinreichend\nauseinander. \n--- \n| 11 \n--- \n| 2\\. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsatzlichen Bedeutung der\nRechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt (vgl. §\n124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Im Hinblick auf das Erfordernis der\nEntscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Frage (vgl. Bader/Funke-\nKaiser/Kuntze/von Albedyll, a.a.O., § 124 RdNr. 48 m.w.N.) ist angesichts der\noben unter Ziff. 1 aufgezeigten Komplexitat der Problematik nicht hinreichend\ndeutlich gemacht worden, dass und warum sich die so gestellte Frage in einem\nspateren Berufungsverfahren stellen und in einer (abstrakten)\nverallgemeinerungsfahigen Weise beantworten lassen wurde. Das\nAntragsvorbringen geht insbesondere auch nicht auf den Umstand ein, dass die\nKlager einen damals noch teilweise offenen, konkreten Bedarf hinsichtlich des\nweihnachtsbedingten Mehraufwandes geltend gemacht haben. Ob in einem solchen\nFall zusatzliche Leistungen etwa aufgrund der Hartefallregelung in § 4\nPauschVO zu gewahren sind, ist zudem eine Frage, die anhand der konkreten\nUmstande des jeweiligen Einzelfalles zu beantworten ist. Bei auslaufendem\nRecht gilt uberdies, dass die grundsatzliche Bedeutung in der Regel zu\nverneinen bzw. an besondere Voraussetzungen geknupft ist; anderes gilt etwa,\nwenn die Beantwortung der Frage fur einen nicht uberschaubaren Personenkreis\nauf nicht absehbare Zeit auch kunftig noch Bedeutung hat (vgl. Bader/Funke-\nKaiser/Kuntze/von Albedyll, a.a.O., § 124 RdNr. 44 m.w.N.). Dass dies noch im\nZeitpunkt des Erlasses eines Urteils in einem spateren Berufungsverfahren der\nFall sein wurde, wird seitens des Beklagten nicht hinreichend verdeutlicht.\nBei § 101a BSHG handelt es sich um eine reine Erprobungsregelung\n(„Experimentierklausel"), deren Wirkungen trotz des in Satz 5 genannten\nZeitpunkts befristet sind bis zum 31.12.2004 (vgl. § 11 PauschVO; ferner das\nGesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom\n27.12.2003 - BGBl. I S. 3022 -, welches am 01.01.2005 in Kraft tritt; zur\nGeltungsdauer des § 101a BSHG siehe auch Oestreicher/Schelter/Kunz/Decker,\nBSHG, § 101a RdNrn. 1 f.). \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden\nnicht erhoben (§ 188 Satz 2 VwGO). \n--- \n| 13 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). \n---\n\n
140,175
vg-stuttgart-2004-09-01-4-k-279004
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
4 K 2790/04
2004-09-01
2019-01-07 14:52:49
2019-01-17 12:00:22
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag wird zuruckgewiesen.\n\nDie Kosten des Verfahrens tragt die Antragstellerin.\n\nDer Streitwert wird auf EUR 2.500.--festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Antrag, mit dem die Antragstellerin die Wiederherstellung bzw.\nAnordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage vom 01.09.2004 gegen die\nVerfugung des Landratsamts S. vom 26.05.2004 begehrt, ist zulassig (vgl. § 80\nAbs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 2 S. 3 VwGO i.V.m. § 12 LVwVG, § 80 Abs. 5 VwGO). Mit\ndieser Verfugung hat der Antragsgegner die Antragstellerin unter Fristsetzung\nbis 30.06.2004 aufgefordert, den Strom, der durch die elektrisierenden\nHangeketten im Wartestall in L. fließt, abzuschalten und die Ketten abzubauen\n(Ziff. I.1.) und die sofortige Vollziehbarkeit angeordnet (Ziff. I.2.). Fur\nden Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkomme, wurde ihr ein\nZwangsgeld in Hohe von 100.-- EUR angedroht (Ziff. I. 3.). \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Antrag ist jedoch nicht begrundet. \n--- \n| 3 \n--- \n| Im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine\nAbwagung zwischen dem offentlichen Interesse an einer Vollziehung der\nangegriffenen Verfugung vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit des\nVerwaltungsaktes und dem privaten Interesse des Antragstellers, wahrend des\nRechtsbehelfsverfahrens von dieser Vollziehung einstweilen verschont zu\nbleiben, vorzunehmen, wobei im Rahmen dieser Abwagung die Erfolgsaussichten\ndes Rechtsmittels eine wesentliche Rolle spielen. Im vorliegenden Fall wird\ndie Klage aller Voraussicht nach ohne Erfolg bleiben, so dass das offentliche\nInteresse an der sofortigen Vollziehbarkeit der angefochtenen Verfugung\ngegenuber dem privaten Interesse der Antragstellerin uberwiegt, zumal auch\nzusatzlich ein besonderes Vollzugsinteresse zu bejahen ist. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die angefochtene Verfugung beruht auf § 16 a Abs. 1 Satz 1 Tierschutzgesetz\n-TierSchG -. Nach dieser Vorschrift trifft die zustandige Behorde die zur\nBeseitigung festgestellter Verstoße und die zur Verhutung kunftiger Verstoße\nnotwendigen Anordnungen. Die von der Antragstellerin praktizierte seitliche\nAbtrennung der Bullen durch Strom fuhrende Ketten, die in einem jeweiligen\nAbstand von 1,35 m zwischen den Tieren und in einem jeweiligen Abstand von\n1,20 m von der Decke hangend in einer Hohe von 1,00 m uber dem Boden enden,\nstellt einen Verstoß gegen die besondere Verbotsnorm in § 3 Nr. 11 TierSchG\ndar. Danach ist es verboten, ein Gerat zu verwenden, das durch direkte\nStromeinwirkung das artgerechte Verhalten eines Tieres, insbesondere seine\nBewegung, erheblich einschrankt oder es zur Bewegung zwingt und dem Tier\ndadurch nicht unerhebliche Schmerzen, Leiden oder Schaden zufugt, soweit dies\nnicht nach bundes- oder landesrechtlichen Vorschriften zulassig ist. Denn\ndadurch wird zunachst das artgerechte Verhalten der Bullen, insbesondere ihre\nBewegungsfreiheit erheblich eingeschrankt. Zu Recht hat der Antragsgegner\nausgefuhrt, dass die Strom fuhrende Abgrenzung dazu fuhrt, dass die Tiere in\nihrer Bewegungsfreiheit derart eingeschrankt sind, dass sie nicht mehr in der\nLage sind, artgerechtes Verhalten, wie z.B. Lecken des Ruckens, Scheuern mit\nden Hinterextremitaten zu zeigen, wenn sie nicht in Beruhrung mit Strom\nfuhrenden Teilen kommen wollen. Wegen konkreter Einzelheiten hierzu wird auf\ndie entsprechenden Ausfuhrungen im Bescheid des Antragsgegners vom 26.05.2004\n(S. 2 und 3), im Widerspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Stuttgart vom\n30.07.2004 (S. 5 ff.) und im Schriftsatz des Antragsgegners vom 25.08.2004\nverwiesen. Dass dieser Kontakt mit den Strom fuhrenden Ketten fur die Tiere\nschmerzhaft ist, erschließt sich schon aus der Funktion dieser Einrichtung.\nWenn die Tiere diesen Kontakt als unerheblich empfanden, so verlore er seinen\nSinn und konnte kaum zu der beabsichtigten Verhaltenssteuerung eingesetzt\nwerden. Die aus der Vermeidung diese Kontakts resultierende Verhaltensanderung\nder Tiere fuhrt jedoch dazu, dass ihnen vermeidbare Leiden zugefugt werden,\nd.h. ein Verstoß gegen § 2 Nr. 2 TierSchG ebenfalls vorliegt. Ein vernunftiger\nGrund hierfur (vgl. § 1 Satz 1 TierSchG) ist fur das Gericht nicht erkennbar.\nDenn es ist nicht ersichtlich, dass die Rinder nicht ohne Zufugung\nentsprechender Schmerzen gehalten werden konnten. Dies ergibt sich gerade aus\nden von der Antragstellerin selbst publizierten Erkenntnissen (Nussle in RBW-\naktuell, April 2004). Angesichts dessen durfte der Antragsgegner die\nAbschaltung des Stroms als erforderliche, geeignete und am wenigsten\neinschneidende Maßnahme anordnen. Dass er zusatzlich den Abbau der Ketten\nverfugte, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Davon abgesehen, dass nur\ndadurch der Vollzug der erstgenannten Verfugung adaquat uberwacht werden kann,\nist zu berucksichtigen, dass die Tiere in der Zwischenzeit durch ihre\nnegativen Erfahrungen mit den Strom fuhrenden Ketten so konditioniert sind,\ndass sie den Kontakt mit diesen zu vermeiden versuchen, so dass die sie\nbeeintrachtigende Bewegungseinschrankung weiter besteht. \n--- \n| 5 \n--- \n| Ein besonderes Vollzugsinteresse ist ebenfalls zu bejahen, da die Tiere\nandernfalls bis zu einer rechtskraftigen Entscheidung weiterhin schmerzhaften\nBewegungseinschrankungen ausgesetzt waren. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die auf §§ 1, 19, 20 und 23 LVwVG gestutzte Zwangsgeldandrohung entspricht\nden hierin normierten Anforderungen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 53 Abs. 3 Nr. 1, 52\nAbs. 1 und 2 GKG. \n---\n\n
140,232
lsgbw-2004-09-14-l-11-kr-209004
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 11 KR 2090/04
2004-09-14
2019-01-07 14:53:16
2019-01-17 12:00:25
Urteil
## Tenor\n\nDie Berufung der Klagerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 18.\nMai 2004 wird zuruckgewiesen.\n\nAußergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Zwischen den Beteiligten ist die Kostenubernahme eines dritten\nBehandlungsversuches der kunstlichen Befruchtung (sog. IVF-Behandlung) in\nÖsterreich streitig. \n--- \n| 2 \n--- \n| Bei der 1968 geborenen, bei der Beklagten pflichtversicherten Klagerin\nbesteht seit 1999 wegen primarer Sterilitat tubarer Genese ein unerfullter\nKinderwunsch, weswegen ihr vom Universitatsklinikum H. (Frauenklinik -\nGynakologische Endokrinologie und Fertilitatsstorungen -) die zugige Übernahme\nin ein IVF-Programm (nach Eheschließung) empfohlen wurde. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Klagerin beantragte deswegen bei der Beklagten am 19. Dezember 2002 die\nKostenubernahme der IVF-Behandlung in Österreich bei Prof. Dr. Z., dessen\nSchwangerschaftsraten bei 80% lagen, wahrend die Erfolgsquote der hiesigen\nUniversitatsklinik nur 20 bis 25% betrage. Sie wolle auch aufgrund des\nRisikofaktors Alter nicht noch weitere Zeit verlieren. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Bescheid vom 29. Januar 2003 lehnte die Beklagte die Kostenubernahme\nmit der Begrundung ab, die IVF-Behandlung sei eine in Deutschland anerkannte\nVertragsleistung, die von den Vertragsbehandlern (z.B. Universitatsklinik H.)\ndirekt abgerechnet wurden. Deswegen sei eine Kostenubernahme einer gezielten\nBehandlung im Ausland nicht moglich. Bis 30. Juni 2002 seien zwar Leistungen\ndes Prof. Dr. Z. uber eine Ausnahmeregelung bezuschusst worden. Diese Praxis\nware jedoch mit dem 1. Juli 2002 eingestellt worden, da seit diesem Zeitpunkt\ndie Behandlung eine Kassenleistung darstelle. Auch sei Prof. Dr. Z. in\nÖsterreich ein reiner Privatarzt, der mit den Krankenkassen keinen Vertrag\nhabe. Die IVF-Behandlung selbst sei in Österreich keine Kassenleistung. \n--- \n| 5 \n--- \n| Zur Begrundung ihres dagegen eingelegten Widerspruchs machte die Klagerin\ngeltend, aufgrund scharferer Embryonenschutzgesetzes sei in Deutschland die\nIVF-Behandlung weniger erfolgreich als in Österreich. Deswegen wurden auch\nandere Krankenkassen die Behandlung bei Prof. Dr. Z. nach dem 1. Juli 2002\nubernehmen. Dieser behandle nur Paare, bei denen er eine realistische\nErfolgschance sehe, was zusatzlich auch wieder der Kostenersparnis diene. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 20. August 2003 wies die Beklagte den\nWiderspruch mit der Begrundung zuruck, ein Sachleistungsanspruch in Österreich\nbestehe nur dann, wenn Leistungen unaufschiebbar benotigt wurden oder der\nzustandige Leistungstrager der Behandlung vorher zustimme. Sofern ambulante\nLeistungen im Ausland erbracht wurden, sei mitentscheidend, ob der\nLeistungserbringer im Ausland in dem jeweiligen nationalen System des\nAufenthaltsstaates sachleistungsberechtigt sei. Das schließe die arztliche\nVersorgung durch Nichtvertragsbehandler im Ausland grundsatzlich aus. Bei\nProf. Dr. Z. (Institut fur Reproduktionsmedizin) aus B. handle es sich nicht\num einen Vertragsbehandler bzw. eine Vertragseinrichtung des osterreichischen\nKrankenversicherungstragers; vielmehr konnte er nur privat in Anspruch\ngenommen werden. Im ubrigen konnten Maßnahmen zur kunstlichen Befruchtung auch\nim Geschaftsgebiet der Kasse erbracht werden. \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit ihrer dagegen beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klage machte\ndie Klagerin geltend, sie habe zunachst versucht, die Hilfe einer anerkannten\ndeutschen Klinik in Anspruch zu nehmen, deren Bemuhungen um Herbeifuhrung\neiner Schwangerschaft aber zwecklos gewesen waren. Unter dem Gesichtspunkt der\nfreien Entfaltung ihrer Personlichkeit musse daher zugelassen werden, dass sie\nsich anderswo Hilfe hole. Die Beklagte habe auch - wie an zwei Beispielen\nersichtlich - die Behandlung bei Prof. Dr. Z. nach Inlandssatzen erstattet.\nDie AOK Bayern habe einen Vertrag mit Prof. Dr. Z. wegen der Vergutung der\nMaßnahmen zur Herbeifuhrung einer Schwangerschaft mit Wirkung ab 1. Juli 1996\ngeschlossen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Beklagte ist der Klage mit der Begrundung entgegengetreten, dass\noffensichtliches Ziel der Klagerin sei, eine Behandlung im Ausland zu\nerhalten, die in der Bundesrepublik nach dem Embryonenschutzgesetz verboten\nware. Hiervon betroffen seien u.a. Maßnahmen, die mit einer Selektion von\nEmbryonen einhergehen, wie z.B. die von Prof. Dr. Z. praktizierte\nBlastozystenkultur. Auch Prof. Dr. Z. fuhre seine hohere Erfolgsquote nur auf\ndie unterschiedlichen Moglichkeiten wegen der verschiedenen\nEmbryonenschutzgesetze zuruck. Es konne aber nicht Aufgabe der gesetzlichen\nKrankenversicherung sein, den Burgern der Bundesrepublik die Umgehung der hier\ngeltenden Gesetze zu finanzieren und sozusagen aktiv an einem Rechtsverstoß\nmitzuwirken. \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Urteil vom 18. Mai 2004, dem klagerischen Bevollmachtigten zugestellt\nam 27. Mai 2004, wies das SG die Klage mit der Begrundung ab, Maßnahmen zur\nkunstlichen Befruchtung nach § 27a Funftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)\ndurften nach § 121a Abs. 1 SGB V nur durch Vertragsarzte, ermachtigte Ärzte,\nermachtigte arztlich geleitete Einrichtungen oder zugelassene Krankenhauser,\ndenen die zustandige Behorde eine Genehmigung zur Durchfuhrung dieser Maßnahme\nerteilt habe, erbracht werden. Das sei bei der gewunschten Behandlung in\nÖsterreich nicht der Fall, fur die keine Genehmigung erteilt werden konne.\nInsbesondere erzwinge nicht die mogliche großere Erfolgsaussicht der\nkunstlichen Befruchtung durch die in Österreich praktizierte Methode die\nErteilung einer Genehmigung. Denn diese durfe ausdrucklich nur bei in einem\nbestimmten Genehmigungsverfahren zugelassenen Ärzten oder Einrichtungen\ndurchgefuhrt werden. Die Genehmigungsvoraussetzung sei deshalb normiert\nworden, um sicher zu stellen, dass der Arzt oder die Einrichtung die\npersonellen, sachlichen und organisatorischen Voraussetzungen erfulle, die\nmedizinisch notwendig seien und dabei durch Auswahl und Überwachung der\nMitarbeiter sicherstellen konne, dass keine mit dem Embryonenschutzgesetz\nunvereinbaren Maßnahmen durchgefuhrt wurden. Dies sei bei der\nBehandlungsmethode von Prof. Dr. Z. aber der Fall, da die Embryonenselektion\nnach den insoweit strengeren gesetzlichen Vorgaben in der Bundesrepublik\nDeutschland nicht zulassig sei. Im Falle einer Genehmigung zur Behandlung\nwurden daher diese Schutzbestimmungen umgangen werden. Auch der Umstand, dass\ndie Beklagte in einzelnen Fallen die Behandlung durch Prof. Dr. Z. ubernommen\nhabe, begrunde kein Rechtsanspruch auf entsprechende Gleichbehandlung, da kein\nAnspruch auf Gleichheit im Unrecht bestehe. \n--- \n| 10 \n--- \n| Hiergegen richtet sich die am 1. Juni 2004 eingelegte Berufung der\nKlagerin, mit der sie geltend macht, angesichts der Vielzahl von Einzelfallen,\nin der eine Praxis der Beklagten praeter legem entstanden sei, konne der\nGrundsatz nicht gelten, dass es eine Gleichheit im Unrecht nicht gebe.\nVielmehr habe sich ein Vertrauensschutz fur Versicherte der Beklagten\nherausgebildet. Auch habe die Rechtsprechung des Europaischen Gerichtshofes zu\neiner großeren Freizugigkeit der Leistungserbringung gefuhrt. Prof. Dr. Z.\nerfulle die erforderlichen Qualifikationsvoraussetzungen fur eine solche\nBehandlung. Sie wolle im Fruhjahr 2005 einen neuen Versuch starten, dessen\nKosten bei ca. 2.500,-- bis 3.000,-- EUR mit den Medikamenten lagen. Insgesamt\nhabe sie bereits zwei erfolglose Versuche durchgefuhrt, von denen sie bereits\neinen privat gezahlt habe. \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 12 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 18. Mai 2004 sowie den Bescheid\nvom 29. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August\n2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten einer kunstlichen\nBefruchtungsmaßnahme durch Prof. Dr. Z./B. - hilfsweise einem anderen\nLeistungserbringer in Österreich - zu ubernehmen, hilfsweise die Revision\nzuzulassen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 14 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Sie verweist darauf, dass aus einer fehlerhaften Leistungsgewahrung im\nEinzelfall kein Anspruch auf Beibehaltung rechtswidrigen Verwaltungshandelns\nabzuleiten sei. \n--- \n| 16 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die\nvon der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 17 \n--- \n| Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und\nfristgerecht eingelegte Berufung der Klagerin ist zulassig. Sie ist\ninsbesondere auch statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da die\nKlagerin die halftige Kostenubernahme einer kunstlichen Befruchtungsmaßnahme\nbegehrt, fur die insgesamt Kosten in Hohe von 2.500,-- bis 3.500,-- EUR\nentstehen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die zulassige Berufung der Klagerin ist indessen unbegrundet. Das SG hat zu\nRecht entschieden, dass die Klagerin keinen Anspruch auf die begehrte\nKostenubernahme hat. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 29. Januar\n2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2003 ist daher\nrechtmaßig und verletzt die Klagerin nicht in ihren Rechten. \n--- \n| 19 \n--- \n| Rechtsgrundlage hierfur ist der mit Wirkung vom 01.01.2004 angefugte § 13\nAbs. 4 SGB V. Das ergibt sich daraus, dass, solange eine Behandlung nicht\ndurchgefuhrt ist, regelmaßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der\nletzten mundlichen Verhandlung abgestellt werden muss (vgl. u.a. BSG SozR\n4-2500 § 28 Nr. 1). \n--- \n| 20 \n--- \n| Nach dieser Vorschrift sind Versicherte berechtigt, auch Leistungserbringer\nin anderen Staaten im Geltungsbereich des Vertrages zur Grundung der\nEuropaischen Gemeinschaft und des Abkommens uber den Europaischen\nWirtschaftsraum anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der\nKostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen fur diesen\nPersonenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu\nerstatten oder unterliegen aufgrund eines vereinbarten Erstattungsverzichts\nnicht der Erstattung. \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Anspruch nach § 13 Abs. 4 SGB V besteht nach Satz 3 hochstens in Hohe\nder Vergutung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland\nzu tragen hatte. \n--- \n| 22 \n--- \n| Das ist vorliegend - wie das SG zutreffend ausgefuhrt hat - § 27a i.V.m. §\n121a SGB V, weswegen der Senat zur Vermeidung unnotiger Wiederholungen hierauf\nnach § 153 Abs. 2 SGG Bezug nimmt. \n--- \n| 23 \n--- \n| § 13 Abs. 4 SGB V stellt nur eine Umsetzung der Rechtsprechung des\nEuropaischen Gerichtshofs (EuGH) dar (Rs. C 120/95 Decker NZS 1998, 283 und\nRs. C 158/96 Kohll NZS 1998, 208), wonach das Erfordernis einer vorherigen\nGenehmigung durch den (nationalen) Krankenversicherungstrager fur die\nErstattung einer in einem anderen EU-Mitgliedsstaat erbrachten\nGesundheitsleistung gegen die Warenverkehrs- (Art. 28 EGV-AV) bzw. die\nDienstleistungsfreiheit (Art. 49, 50 EGV-AV) verstoßt. Der Wegfall des\nGenehmigungserfordernisses hat zur Folge, dass weder gepruft wird, ob eine\nvergleichbare Leistung im Inland moglich ist noch diese von einer vorherigen\nGenehmigung der Krankenkasse abhangt (so der § 18 SGB V a.F.). Insgesamt wird\ndadurch lediglich der Zugang der europaischen Leistungserbringer zum\ninlandischen Gesundheitsmarkt eroffnet. Inwieweit und in welchem Umfang dann\ndie Behandlung im EU-Ausland zu erstatten ist, richtet sich weiterhin nach dem\nnationalen Sachleistungssystem. \n--- \n| 24 \n--- \n| Denn § 13 IV SGB V fuhrt keineswegs dazu, dass auch solche Behandlungen\nerstattet werden konnen, die nach den hiesigen Rechtsvorschriften verboten\nsind (vgl. auch BSG SozR 3-2500 § 18 Nr. 2 zur Organtransplantation nach\nbezahlter Organspende). Das ist auch darin begrundet, dass nach § 13 Abs. 1\nSGB V die Kostenerstattung grundsatzlich anstelle der Sachleistung tritt, d.h.\nnur dann ein Anspruch auf Kostenerstattung besteht, wenn die begehrte Leistung\nals Sachleistung erbracht werden konnte. \n--- \n| 25 \n--- \n| Das ist bei der von der Klagerin begehrten IVF-Behandlungsmethode von Prof.\nDr. Z. nicht der Fall, denn dieser fuhrt routinemaßig eine Embryonenselektion\ndurch. D.h. aus der Gesamtheit aller uber 3 bis 6 Tage kultivierten Embryonen\nwerden die am weitesten entwickelten und morphologisch am unauffalligsten\nAussehenden selektiert und transferiert, wobei das bevorzugte Stadium die nach\neiner Kulturdauer von 5 bis 6 Tagen entstandene expandierte Blastozyste ist.\nDiese Art der Selektion ist in Deutschland nach dem Embryonenschutzgesetz\nverboten, denn es durfen sich nur maximal 3 ausgewahlte Vorkernstadien zu\nEmbryonen entwickeln und mussen ubertragen werden, egal wie gut oder schlecht\ndiese Entwicklung abgelaufen ist. \n--- \n| 26 \n--- \n| Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber auch die Regelung des § 121a SGB V\neingefuhrt, wonach eine kunstliche Befruchtung nur von besonders zugelassenen\nLeistungserbringern durchgefuhrt werden kann. Hierdurch soll gesichert werden,\ndass kunstliche Befruchtung nur von zugelassenen, d.h. in einem\nZugangsverfahren besonders kontrollierten Leistungserbringern, unter Beachtung\nder Schutzvorschriften des Embryonenschutzgesetzes durchgefuhrt wird. \n--- \n| 27 \n--- \n| Da folglich die Behandlungsmethode von Prof. Dr. Z. zu einer Umgehung des\nEmbryonenschutzgesetzes fuhren wurde, ist eine solche Sachleistung nach § 27a\ni.V.m. § 121a SGB V ausgeschlossen, so dass auch ein Anspruch auf\nKostenubernahme einer solchen Behandlung nicht besteht. \n--- \n| 28 \n--- \n| Das SG hat weiter zutreffend festgestellt, dass, da die Kostenubernahme\nrechtswidrig ware, auch unter dem Gesichtspunkt einer Gleichbehandlung der\nKlagerin ein Kostenubernahmeanspruch nicht zusteht, da es keine\nGleichbehandlung im Unrecht gibt (vgl. BSG SozR 2200 § 1237 RVO Nr. 10). \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Berufung war daher als unbegrundet zuruckzuweisen, wobei die\nKostenentscheidung auf § 193 SGG beruht. \n--- \n| 30 \n--- \n| Grunde, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, da sich der Senat in\nÜbereinstimmung mit der Entscheidung des BSG vom 15.04.1997 (SozR 3-2500 § 18\nNr. 2) sieht. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 17 \n--- \n| Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und\nfristgerecht eingelegte Berufung der Klagerin ist zulassig. Sie ist\ninsbesondere auch statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da die\nKlagerin die halftige Kostenubernahme einer kunstlichen Befruchtungsmaßnahme\nbegehrt, fur die insgesamt Kosten in Hohe von 2.500,-- bis 3.500,-- EUR\nentstehen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die zulassige Berufung der Klagerin ist indessen unbegrundet. Das SG hat zu\nRecht entschieden, dass die Klagerin keinen Anspruch auf die begehrte\nKostenubernahme hat. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 29. Januar\n2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2003 ist daher\nrechtmaßig und verletzt die Klagerin nicht in ihren Rechten. \n--- \n| 19 \n--- \n| Rechtsgrundlage hierfur ist der mit Wirkung vom 01.01.2004 angefugte § 13\nAbs. 4 SGB V. Das ergibt sich daraus, dass, solange eine Behandlung nicht\ndurchgefuhrt ist, regelmaßig auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der\nletzten mundlichen Verhandlung abgestellt werden muss (vgl. u.a. BSG SozR\n4-2500 § 28 Nr. 1). \n--- \n| 20 \n--- \n| Nach dieser Vorschrift sind Versicherte berechtigt, auch Leistungserbringer\nin anderen Staaten im Geltungsbereich des Vertrages zur Grundung der\nEuropaischen Gemeinschaft und des Abkommens uber den Europaischen\nWirtschaftsraum anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der\nKostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen fur diesen\nPersonenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu\nerstatten oder unterliegen aufgrund eines vereinbarten Erstattungsverzichts\nnicht der Erstattung. \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Anspruch nach § 13 Abs. 4 SGB V besteht nach Satz 3 hochstens in Hohe\nder Vergutung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland\nzu tragen hatte. \n--- \n| 22 \n--- \n| Das ist vorliegend - wie das SG zutreffend ausgefuhrt hat - § 27a i.V.m. §\n121a SGB V, weswegen der Senat zur Vermeidung unnotiger Wiederholungen hierauf\nnach § 153 Abs. 2 SGG Bezug nimmt. \n--- \n| 23 \n--- \n| § 13 Abs. 4 SGB V stellt nur eine Umsetzung der Rechtsprechung des\nEuropaischen Gerichtshofs (EuGH) dar (Rs. C 120/95 Decker NZS 1998, 283 und\nRs. C 158/96 Kohll NZS 1998, 208), wonach das Erfordernis einer vorherigen\nGenehmigung durch den (nationalen) Krankenversicherungstrager fur die\nErstattung einer in einem anderen EU-Mitgliedsstaat erbrachten\nGesundheitsleistung gegen die Warenverkehrs- (Art. 28 EGV-AV) bzw. die\nDienstleistungsfreiheit (Art. 49, 50 EGV-AV) verstoßt. Der Wegfall des\nGenehmigungserfordernisses hat zur Folge, dass weder gepruft wird, ob eine\nvergleichbare Leistung im Inland moglich ist noch diese von einer vorherigen\nGenehmigung der Krankenkasse abhangt (so der § 18 SGB V a.F.). Insgesamt wird\ndadurch lediglich der Zugang der europaischen Leistungserbringer zum\ninlandischen Gesundheitsmarkt eroffnet. Inwieweit und in welchem Umfang dann\ndie Behandlung im EU-Ausland zu erstatten ist, richtet sich weiterhin nach dem\nnationalen Sachleistungssystem. \n--- \n| 24 \n--- \n| Denn § 13 IV SGB V fuhrt keineswegs dazu, dass auch solche Behandlungen\nerstattet werden konnen, die nach den hiesigen Rechtsvorschriften verboten\nsind (vgl. auch BSG SozR 3-2500 § 18 Nr. 2 zur Organtransplantation nach\nbezahlter Organspende). Das ist auch darin begrundet, dass nach § 13 Abs. 1\nSGB V die Kostenerstattung grundsatzlich anstelle der Sachleistung tritt, d.h.\nnur dann ein Anspruch auf Kostenerstattung besteht, wenn die begehrte Leistung\nals Sachleistung erbracht werden konnte. \n--- \n| 25 \n--- \n| Das ist bei der von der Klagerin begehrten IVF-Behandlungsmethode von Prof.\nDr. Z. nicht der Fall, denn dieser fuhrt routinemaßig eine Embryonenselektion\ndurch. D.h. aus der Gesamtheit aller uber 3 bis 6 Tage kultivierten Embryonen\nwerden die am weitesten entwickelten und morphologisch am unauffalligsten\nAussehenden selektiert und transferiert, wobei das bevorzugte Stadium die nach\neiner Kulturdauer von 5 bis 6 Tagen entstandene expandierte Blastozyste ist.\nDiese Art der Selektion ist in Deutschland nach dem Embryonenschutzgesetz\nverboten, denn es durfen sich nur maximal 3 ausgewahlte Vorkernstadien zu\nEmbryonen entwickeln und mussen ubertragen werden, egal wie gut oder schlecht\ndiese Entwicklung abgelaufen ist. \n--- \n| 26 \n--- \n| Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber auch die Regelung des § 121a SGB V\neingefuhrt, wonach eine kunstliche Befruchtung nur von besonders zugelassenen\nLeistungserbringern durchgefuhrt werden kann. Hierdurch soll gesichert werden,\ndass kunstliche Befruchtung nur von zugelassenen, d.h. in einem\nZugangsverfahren besonders kontrollierten Leistungserbringern, unter Beachtung\nder Schutzvorschriften des Embryonenschutzgesetzes durchgefuhrt wird. \n--- \n| 27 \n--- \n| Da folglich die Behandlungsmethode von Prof. Dr. Z. zu einer Umgehung des\nEmbryonenschutzgesetzes fuhren wurde, ist eine solche Sachleistung nach § 27a\ni.V.m. § 121a SGB V ausgeschlossen, so dass auch ein Anspruch auf\nKostenubernahme einer solchen Behandlung nicht besteht. \n--- \n| 28 \n--- \n| Das SG hat weiter zutreffend festgestellt, dass, da die Kostenubernahme\nrechtswidrig ware, auch unter dem Gesichtspunkt einer Gleichbehandlung der\nKlagerin ein Kostenubernahmeanspruch nicht zusteht, da es keine\nGleichbehandlung im Unrecht gibt (vgl. BSG SozR 2200 § 1237 RVO Nr. 10). \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Berufung war daher als unbegrundet zuruckzuweisen, wobei die\nKostenentscheidung auf § 193 SGG beruht. \n--- \n| 30 \n--- \n| Grunde, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, da sich der Senat in\nÜbereinstimmung mit der Entscheidung des BSG vom 15.04.1997 (SozR 3-2500 § 18\nNr. 2) sieht. \n---\n\n
140,388
olgstut-2004-10-21-2-u-7904
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
2 U 79/04
2004-10-21
2019-01-07 15:12:15
2019-02-12 12:20:00
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung der Verfugungsbeklagten gegen das Urteil des Vorsitzenden der\n36. Kammer fur Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 01.04.2004 wird\nzuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Verfugungsbeklagte tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\nGegenstandswert des Berufungsverfahrens: 20.000,00 EUR\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Berufung ist zulassig, der Sache nach ohne Erfolg. \n--- \n--- \nA \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Zum einen wird auf die Feststellungen im angegriffenen Urteil Bezug\ngenommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Erganzend: \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Das Landgericht hat einen Unterlassungsausspruch getroffen, weil die\nAnkundigung der Übernahme der Praxisgebuhr ein Angebot einer Zuwendung im\nSinne des § 7 Abs. 1 HWG darstelle und auch nicht vom\nGeringwertigkeitstatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 HWG gedeckt sei. Zudem liege\neine unsachliche und verschleiernde Werbung vor. Denn sie lege nicht offen,\ndass die Praxisgebuhr nicht schlechthin erstattet werde, sondern nur dann,\nwenn der Patient von einem Augenarzt komme. Tatsachlich erstatte die\nVerfugungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) aber auch in einem solchen Falle\ndie Praxisgebuhr nicht. Denn ein solcher Patient bringe bereits vom Augenarzt\neine geldwerte qualifizierte Sehstarkenprufung mit, die sonst in den eigenen\nLeistungsbereich der Beklagten gefallen ware und die sie sich insoweit erspart\nhabe. Sie erstatte mithin keine Gebuhr, sondern lasse nur ihren\nkalkulatorischen Gegenwert fur eine Minderleistung nach. Auch setze sich die\nhochgradig unsachliche Beeinflussung im Sinne des § 7 HWG darin fort, dass die\nAntragsgegnerin den verbreiteten Unmut uber ein gesundheitspolitisches\nSteuerungsinstrument zu ihrem Vorteil instrumentalisiere. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten, \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| die auch angesichts der Aufhebung der ZugabeVO und des RabattG ein\ngewandeltes Werteverstandnis einfordert und angesichts eines\ndurchschnittlichen Umsatzes von 250,00 EUR je Brillenverkaufsvorgang den zur\nRuckerstattung angebotenen Betrag von 10,00 EUR als geringfugige Zuwendung\neinstuft. Zudem wendet sie ein, dass die Anzeige einen klaren Hinweis darauf\nenthalte, dass nicht jedwede im Quartal bereits verauslagte Praxisgebuhr\nerstattet werde, sondern nur die im Zusammenhang mit einem Augenarztbesuch\nangefallene. Die angebliche Augenwischerei durch Verschleierung einer\nMinderleistung verfehle die tatsachliche und kalkulatorische Handhabung der\neigenen erganzenden Sehstarkenprufung. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Beklagte beantragt: \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 01.04.2004, AZ 36 O 41/04 KfH,\nwird aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer Einstweiligen Verfugung wird\nabgewiesen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Verfugungsklagerin (im Folgenden: Klagerin) beantragt, \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| die Berufung abzuweisen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig und fuhrt erstmals\nan, dass der vorliegende Barrabatt allemal nicht angangig sei, da § 7 Abs. 1\nNr. 1 HWG allenfalls nur die Gewahrung von „Gegenstanden" freigebe, nicht aber\nGeldzuwendungen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsatze sowie\ndie Verhandlungsniederschriften verwiesen. \n--- \n--- \nB \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die landgerichtliche Entscheidung kann im Ergebnis Bestand behalten. \n--- \n--- \n1. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Zutreffend hat das Landgericht mit ausfuhrlichen Nachweisen festgestellt,\ndass Brillen medizinisch-technische Instrumente im Sinne des § 3\nMedizinprodukteG darstellen und danach von § 7 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1\na HWG in der ab 01.01.2004 gultigen Fassung erfasst werden (so auch HansOLG\nHamburg U. v. 29.02.2004 - 3 U 142/03). Das lassen die Parteien auch gelten. \n--- \n--- \n2. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Soweit das Landgericht von sich aus, ohne dass sich entsprechender Vortrag\nder Klagerin dazu finden ließe, einen wettbewerbsrechtlichen Unwertgehalt in\nder Anzeige darin sieht, dass verschleiert wurde, dass dem, der nur beim\nAugenoptiker eine Sehscharfenbestimmung vornehmen lasse, ein 10,00 EUR -Betrag\nfur diese Leistung heimlich abverlangt werde, bleibt dieser feinsinnige\nkalkulatorische Ruckschluss des Landgerichtes schon ohne Glaubhaftmachung und\nerschließt sich auch sonst nicht aus sich heraus. Er bleibt ohne\nGlaubhaftmachung, weil dieser Wertungsansatz nicht vom Vorbringen der Klagerin\ngetragen war und schon deshalb auch keine Entsprechung in einer\nkalkulatorischen Aufbereitung von ihr finden konnte und bis jetzt auch nicht\ngefunden hat. Da die Klagerin sich diesen wettbewerbsrechtlichen\nWertungsansatz zu Eigen macht, heilt sie diese Art der Verfahrensbehandlung\ndurch das Landgericht (vgl. BGH NJW 2003, 2317 [zur Abweichung vom Klagegrund]\nund BGH NJW 1999, 61, 72 [zur Heilung eines Verstoßes gemaß § 308 ZPO auf\ndiese Weise]). Dieser Ansatz hatte aber der Glaubhaftmachung bedurft, da sich\ndiese Erwagung nicht als aus sich heraus zwingend darstellt. Die Mitglieder\ndes Senates, die allesamt Dienste von Augenoptikern in Anspruch nehmen mussen,\nhaben schon selbst erlebt, dass trotz augenarztlicher Vorgaben im Rezept eine\neigenstandige oder erganzende Sehscharfenprufung durch den Augenoptiker\nangeboten wurde und stattgefunden hat. Danach scheint vielmehr die\nEinschatzung gerechtfertigt, dieses Leistungsbild werde stets und ohne\nzwingende Abhangigkeit von einer augenarztlichen Vorarbeit vorgehalten, damit\nauch nicht gesondert kalkuliert und vergutet. Dass vorliegend die Beklagte ein\nLeistungsdefizit kaschiere und es von sich aus ausgleiche, hat nicht große\nLebensnahe fur sich. \n--- \n--- \n3. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Auch kann dem Landgericht nicht darin beigetreten werden, dass die Anzeige\ndarin irrefuhre, es werde jegliche im laufenden Quartal bereits verauslagte\nPraxisgebuhr erstattet. Auf einen solchen Irrefuhrungsgesichtspunkt hatte die\nKlagerin selbst nicht abgehoben. Er wird auch nicht durch die Anzeige gedeckt,\nda in der in großen Buchstaben gehaltenen und auch bei fluchtiger Betrachtung\nnicht zu ubersehenden Erlauterung die weitere kumulative Voraussetzung\nzweifelsfrei angefuhrt ist: „...und gegen Vorlage des Rezeptes Ihres\nAugenarztes verrechnen wir 10 Euro!". \n--- \n--- \n4. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Dem Landgericht kann auch nicht darin gefolgt werden, dass der Umstand,\ndass dem Patienten eine Gebuhr, die bei ihm Unmut und Verdruss auslose,\nabgenommen werde, schon fur sich wettbewerbsrechtlich anstoßig sei, da eine\nsolche Wohltat nur mit einer dumpfen Gefuhlslage der Betroffenen operiere und\ndiese zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil instrumentalisiere. Zwar ist\nzutreffend, dass der Zweck des § 7 Abs. 1 HWG vor allem darin besteht, durch\neine weitgehende Eindammung der Wertreklame im Gesundheitsbereich der\nabstrakten Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung zu begegnen, die von einer\nWerbung mit Geschenken ausgehen kann (BGH GRUR 2003, 624 [II 1 a] -\nKleidersack, noch zur alten, aber insoweit nicht geanderten Rechtslage). Eine\nmit den guten Sitten im Wettbewerb nicht zu vereinbarende Werbung mit\nbesonderen Vergunstigungen kann anzunehmen sein, wenn diese geeignet ist, den\numworbenen Verkehr dazu zu verleiten, seine Kaufentscheidung statt nach\nPreiswurdigkeit und Qualitat des angebotenen Produkts allein danach zu\ntreffen, ob ihm die zusatzlichen Vergunstigungen gewahrt werden. Ein solches\nAnlocken von Kunden ist aber nur dann wettbewerbswidrig, wenn es geeignet ist,\nauch bei einem verstandigen Verbraucher ausnahmsweise die Rationalitat der\nNachfrageentscheidung vollstandig in den Hintergrund treten zulassen (BGH WRP\n2004, 350 [II 2 b aa] - Treue-Punkte m.N.). Zwar ist bekannt, dass diese\nGebuhr nicht unverbreitet auf Unwillen stoßt. Dafur aber, dass diese\nGebuhrenerhebung einen solchen Grad an emotionalem Sprengstoff besaße, dass\nein Angebot, den Patienten von ihr zu befreien, sein Nachfrageverhalten\nsteuern wurde, ist Hinlangliches nicht uberliefert. \n--- \n--- \n5. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Das Landgericht kann aber Gefolgschaft darin verlangen, dass die\nRuckerstattung der Praxisgebuhr jedenfalls nicht unter den Ausnahmetatbestand\nder „geringwertigen Kleinigkeiten" fallt. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| a) Dabei kann der Senat offen lassen, ob der nur aus der Gegenuberstellung\nvon § 7 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 HWG hergeleiteten und ohne jegliche\nAuseinandersetzung mit (bisherigen) Gegenmeinungen gebliebenen Ansicht des LG\nMunster (U. v. 02.03.2004 - 25 O 13/04 = Bl. 99 bis 105) gefolgt werden kann,\ndass Geldzuwendungen in diesem Bereich des Gesundheitswesens nur an die\nbesonders qualifizierten Endverbraucher der Nr. 2 der genannten Vorschrift\nfreigestellt seien, jeglicher Rabatt oder sonstige Geldzuwendungen an den\nEndverbraucher aber generell verboten seien. Demgegenuber vertritt etwa das\nOLG Hamburg U. v. 26.02.2004 - 3 U 142/03 die Ansicht, Barrabatte seien im\nAnwendungsbereich des § 7 Abs. 1 HWG grundsatzlich ausgeschlossen, eroffnet\njedoch im Umfang etwa der Ausnahmevorschrift der Nr. 1 des genannten Absatzes\n(hier der „geringwertigen Kleinigkeiten"). \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Allerdings verfangt der argumentative Ansatz der Klagerin, unter\n„Gegenstanden" konne keine Geldzuwendung verstanden werden, nicht, da\nvorliegend nicht genau gekennzeichnete Gegenstande in Rede stehen, sondern\nauch nach dem Urteil des Landgerichtes nur „geringwertige Kleinigkeiten". \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| b) Selbst unterstellt, der Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung ware\nvorliegend grundsatzlich eroffnet, so ist jedenfalls die hier betroffene Hohe\nder Erstattung keine geringwertige Kleinigkeit mehr. Zwar hegt auch der Senat\nZweifel, ob die Grenze schon bei einer Geldzuwendung von (vormals) 1,00 DM\nliegt (vgl. Bulow in Bulow/Ring, HWG, 2. Aufl. [2001], § 7, 17). Die\nWerthaltigkeit kann auch nicht gemessen werden an irgendeinem\nDurchschnittsumsatz je Kunden, da dieser Ansatz die Lockwirkung fur einen\nnicht unerheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs nicht umgreift, der sich\nmit einem unterdurchschnittlichen Umsatzgeschaft begnugt. Der Gesetzgeber hat\naber in § 7 Abs. 1 Nr. 3 HWG in den Ausnahmekatalog einen Beispielsfall\naufgenommen, der ein handelsubliches Zubehor oder eine handelsubliche\nNebenleistung beschreibt (Erstattung von Fahrkosten des offentlichen\nPersonennahverkehrs in Zusammenhang mit dem Kaufvorgang) und damit zugleich\neine Leitlinie uber Wertgroßen, aber auch uber Wertschwellen mit an die Hand\ngegeben. 10,00 EUR verlassen fraglos diesen Üblichkeitsbereich bei weitem.\nFugt man dann noch hinzu, dass der Gesetzgeber diesen Beteiligungsbetrag des\nPatienten fur ausreichend, aber auch notwendig erachtet hat, um auch\nnachhaltig auf sein Verhalten bei der Inanspruchnahme der Dienste des\nGesundheitswesens einzuwirken, und zieht man dann hier heran, dass sich\ntatsachlich der eine oder andere Unmut an die Erhebung einer solchen Gebuhr in\ndieser Hohe knupft, so kann die Befreiung von diesem auch gewollt spurbaren\nSteuerungsinstrument im Gesundheitswesen nicht mehr unter den\nAusnahmetatbestand der geringfugigen Kleinigkeit eingeordnet werden. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| d) § 7 HWG kommt auch eine wettbewerbsrechtliche Schutzfunktion zu (HansOLG\nHamburg a.a.O. [B II 3 d]; so ersichtlich auch BGH GRUR 2003, 624 [II 1 und 2\na] - Kleidersack; Senat NJW-RR 1997, 359, 362). \n--- \n--- \n6. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Danach ist die Werbung im Ergebnis mit dem Landgericht, aber nur unter\ndiesem Gesichtspunkt, zu verbieten, nachdem auch die Voraussetzungen des\nvormaligen § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG und des jetzigen § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG erfullt\nsind. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 542 Abs. 2 i.V.m. § 3 ZPO. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Dass nur der eine Klagegrund als verbotsbegrundend zum Zuge kommt, stellt\nkein Teilunterliegen dar. Dass die Klagerin mehrere Wertungsansatze fur ihr\nVerbotsbegehren angefuhrt oder vom Landgericht ubernommen hat, stellt nicht\nmehrere Streitgegenstande dar, sondern nur unterschiedliche rechtliche\nErfassungsversuche eines einheitlichen gleichgerichteten Begehrens (vgl.\nTeplitzky, Wettbewerbsrechtliche Anspruche und Verfahren, 8. Aufl., Kap. 46, 4\nf). \n--- \n---\n\n
140,506
olgstut-2004-11-17-19-u-13004
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
19 U 130/04
2004-11-17
2019-01-07 15:16:17
2019-02-12 12:20:08
Urteil
## Tenor\n\nI. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der Einzelrichterin der 5.\nZivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 16. Juni 2004 5 O 95/04 Ki\nteilweise abgeandert\n\nund wie folgt neu gefasst:\n\n1\\. Die Beklagte wird verurteilt, an den Klager 10.858,83 EUR zuzuglich Zinsen\nin Hohe von 5 Prozentpunkten uber dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit\ndem 25. Februar 2004 zu zahlen, Zug um Zug gegen Ruckgabe des Fahrzeugs Marke\nFord Fiesta Ambiente, 1,4 l, mit der Fahrzeug-Ident.-Nr. ...\n\n2\\. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rucknahme des\nFahrzeuges in Annahmeverzug befindet.\n\n3\\. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\nII. Die weitergehende Berufung wird zuruckgewiesen.\n\nIII. Die Revision wird insoweit zugelassen, als dem Klager ein Rucktrittsrecht\nzuerkannt und deshalb zum Nachteil der Beklagten entschieden wurde.\n\nIV. Die Beklagte tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\nV. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDer Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch\nSicherheitsleistung oder Hinterlegung des vollstreckbaren Betrages zuzuglich\neines Aufschlages von 10 % abzuwenden, wenn nicht der Klager vor der\nVollstreckung Sicherheit in Hohe des zu vollstreckenden Betrages zuzuglich\neines Aufschlages von 10 % leistet.\n\nStreitwert der Berufung:\n\n> > Klageantrag zu 1: | 11.114,02 EUR \n>> ---|--- \n>> Klageantrag zu 2: | 150,00 EUR \n>> | 11.264,02 EUR \n \n## Gründe\n\n| | A. \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager verlangt Ruckabwicklung eines Kaufvertrages uber einen Ford\nFiesta. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Beklagte betreibt einen Handel mit Gebraucht- und Neufahrzeugen sowie\neine Werkstatt mit Lackiererei. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 28. Oktober 2003 kaufte der Klager, der nicht in Ausubung einer\ngewerblichen oder selbstandigen beruflichen Tatigkeit handelte, von der\nBeklagten einen als Vorfuhrwagen genutzten Ford Fiesta Ambiente, Baujahr 2001,\nErstzulassung 2002, zu einem Preis von 11.500,-- EUR. Sowohl ein Vertreter der\nBeklagten als auch der Klager unterzeichneten an diesem Tag ein mit\n„Gebrauchtwagen-Übergabeprotokoll" uberschriebenes Formular, das nach seinem\nWortlaut „Grundlage fur die einjahrige Sachmangelhaftung des Verkaufers\ngegenuber dem Kaufer" sein soll. In dem Protokoll wurden, jeweils durch\nAbhaken einer von drei vorgegebenen Moglichkeiten, u.a. die Karosserie (Nr.\n01) und die Sitze (Nr. 16) der Klassifizierung 1 sowie die Felgen der\nKlassifizierung 2 zugeordnet. Die Hinweise zum Gebrauchtwagen-\nÜbergabeprotokoll enthalten u. a. folgende Festlegungen: \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Klassifizierung 1: \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| einwandfreier Zustand, nur geringe Gebrauchsspuren und Verschleiß,\nregelmaßig gewartet, voll funktionstuchtig. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Klassifizierung 2: \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| ohne Mangel und funktionsfahig, Gebrauchsspuren und Verschleiß sind\naltersgerecht und laufleistungsbedingt, kein Reparaturbedarf. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Auf den Sitzen war ein Fleck vorhanden. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Kaufpreis wurde am Tag des Abschlusses des Kaufvertrages bezahlt und\ndas Fahrzeug ubergeben. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Mit Schreiben vom 26. November 2003 forderte der Klager die Beklagte unter\nFristsetzung bis zum 10. Dezember 2003 zur Erklarung der Bereitschaft zur\nBeseitigung folgender Mangel auf: \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| 1\\. Die Felge auf der hinteren rechten Seite ist schadhaft. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| 2\\. Der Rand am Kotflugel vorne rechts ist uneben, was auf eine\nNachbesserung nach einem Schadensereignis zuruckzufuhren sein konnte. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| 3\\. Der Rand am Kotflugel hinten links weist Lackbeschadigungen auf. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| 4\\. Auf der Sitzbank befindet sich ein großer Fleck, der vermutlich daraus\nresultiert, dass an dieser Stelle eine Flussigkeit ausgelaufen ist. Flecken\nbefinden sich des Weiteren am Beifahrersitz. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Beklagte bekundete ihre Bereitschaft innerhalb der gesetzten Frist, die\nFelge hinten rechts auszutauschen sowie den Rucksitz zu reinigen. Bezuglich\nder ubrigen vom Klager vorgebrachten Mangel, vertrat sie die Auffassung diese\nlagen nicht vor. Nachbesserungsmaßnahmen wurden nicht durchgefuhrt. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Nach Ablauf der gesetzten Frist erklarte der Klager mit Schreiben vom 10.\nFebruar 2004 den Rucktritt vom Kaufvertrag unter Aufforderung, das Fahrzeug\ngegen Ruckzahlung des Kaufpreises spatestens bis zum 25. Februar 2003\nzuruckzunehmen. Das Fahrzeug wird vom Klager weiter genutzt. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Der Klager hat vorgetragen, \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| das Fahrzeug sei bei der Übergabe mangelhaft gewesen, weil es den im\nSchreiben vom 26. November 2003 naher dargelegten Zustand aufgewiesen habe. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Er hat zunachst beantragt, \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.500,35 EUR zuzuglich Zinsen in Hohe\nvon 5 Prozentpunkten uber dem jeweiligen Basiszinssatz seit 25. Februar 2003\nzu zahlen. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Im Anschluss daran hat er wegen der von ihm gezogenen Nutzungen, deren\nBerucksichtigung die Beklagte eingewandt hat, beantragt, \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| die Beklagte zu verurteilen, an ihn 11.230,35 EUR zuzuglich Zinsen in Hohe\nvon 5 Prozentpunkten uber dem jeweiligen Basiszinssatz seit 25. Februar 2003\nzu zahlen \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| sowie \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| die Feststellung, dass der Rechtsstreit in Hohe von 269,65 EUR in der\nHauptsache erledigt ist. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Weiter hat er beantragt: \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rucknahme des\nvorgenannten Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Beklagte hat beantragt, \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Sie hat vorgetragen, bei der Übergabe des Fahrzeugs sei lediglich ein\nKratzer uber der Fahrertur festgestellt worden. Die Felge sei nicht schadhaft.\nDie Flecken auf den Sitzen seien ubersehen worden, weil die Polster noch nicht\nganz trocken gewesen seien. Im Übrigen seien keine weiteren Mangel bei\nÜbergabe vorhanden gewesen. Eine Lackabschurfung am linken Hinterrad hatte\nnicht ubersehen werden konnen. Dies hatte der Klager auch vor dem Kauf sehen\nmussen. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Das Landgericht hat, u. a. sachverstandig beraten, der Klage bezuglich des\nZahlungsbegehrens und der Feststellung des Annahmeverzugs stattgegeben. Zur\nBegrundung hat es im Wesentlichen ausgefuhrt: \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Das Fahrzeug sei mangelhaft. Die Karosserie entspreche nicht der\nvereinbarten Klassifizierung 1, weil, was der Sachverstandige festgestellt\nhabe, der vordere rechte Kotflugel und der Stoßfanger wegen einer seitlichen\nKrafteinwirkung leicht nach innen verformt seien. Zugunsten des Kaufers\nstreite die Bestimmung des § 476 BGB, nach welcher die Mangelhaftigkeit zum\nZeitpunkt des Gefahrubergangs vermutet werde. Die Beklagte habe den Beweis des\nGegenteils, das Nichtvorhandensein des Karosserieschadens am vorderen rechten\nKotflugel zum Zeitpunkt der Übergabe, nicht gefuhrt. Das Übergabeprotokoll sei\nhierzu nicht geeignet, da es nicht mit der notwendigen Sorgfalt erstellt\nworden sei. Auch die Vernehmung des Zeugen K. habe der Einzelrichterin nicht\ndie Überzeugung verschaffen konnen, dass bei Gefahrubergang jeder Mangel\ntatsachlich erfasst worden sei. Die gesetzte Nachfrist sei fruchtlos\nabgelaufen. Die Pflichtverletzung sei erheblich, das Fahrzeug weise neben dem\nSchaden vorne rechts, weiter einen Schaden an der Felge sowie Flecke auf der\nSitzbank auf, die sich nahezu auf die Halfte des Polsters erstreckten. Deshalb\nkonne offen bleiben, ob auch der Lackschaden hinten links am Radlauf den\nRucktritt vom Vertrag rechtfertigen konne. Im Rahmen der Ruckabwicklung seien\ndie vom Klager gezogenen Nutzungen einzustellen. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten der Feststellungen wird auf das Urteil des\nLandgerichts Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Sie ist der Auffassung, das Protokoll begrunde auch keine Verpflichtung der\nBeklagten. Bei der Verformung handle es sich um eine geringe Gebrauchsspur i.\nS. d. Klassifizierung. § 476 BGB finde keine Anwendung. Der Mangel habe sich\nnicht, was die Bestimmung aber voraussetze, innerhalb von sechs Monaten nach\nGefahrubergang „gezeigt". Die Verformung eines Karosserieteils trete sofort\nein und entwickle sich nicht. Ferner habe das Landgericht nicht beachtet, dass\ndie Vermutung des § 476 BGB keine Anwendung finde, wenn sie mit der Art des\nMangels unvereinbar sei. Das Übergabeprotokoll sei hinsichtlich des Flecks auf\nder Ruckbank nur deshalb unvollstandig, weil dieser bearbeitet worden sei,\nsich der Fleck aber erst nach der Austrocknung gezeigt habe. Nach Ablauf der\nBerufungsbegrundungsfrist hat die Beklagte weiter vorgetragen, das\nRucktrittsrecht des Klagers sei ausgeschlossen, weil die Verformung des\nKotflugels und der Stoßstange die Bagatellgrenze nicht uberschreite. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Beklagte beantragt: \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| 1\\. Das Urteil des Landgerichts Heilbronn vom 18. Juni 2004 wird\nabgeandert. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| 2\\. Die Klage wird abgewiesen. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Der Klager beantragt: \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Die Berufung wird zuruckgewiesen. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Er verteidigt das landgerichtliche Urteil. \n--- \n--- \nB. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Die zulassige Berufung ist nur zu einem geringen Teil begrundet. \n--- \n--- \nI. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass das Burgerliche\nGesetzbuch in seiner ab dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung anzuwenden ist,\nweil der Kaufvertrag am 28. Oktober 2003 abgeschlossen wurde (Art. 229 § 5\nSatz 1 EGBGB). Dagegen wird von der Berufung nichts erinnert. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Zu Recht ist das Landgericht auch zu dem Ergebnis gelangt, dass das\nFahrzeug mangelhaft ist und der Kaufer deshalb zum Rucktritt vom Kaufvertrag\ngemaß §§ 437 Nr. 2, 323 BGB berechtigt war. \n--- \n--- \n1. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB ist die Sache frei von Sachmangeln, wenn sie\nbei Gefahrubergang die vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Dabei ist die\nAuffassung des Landgerichts, durch die Unterzeichnung des Übergabeprotokolls\nsei eine Vereinbarung uber die Beschaffenheit des Fahrzeugs zustande gekommen,\nzutreffend. Die gegenteilige Auffassung der Berufung, das Protokoll solle\nkeine uber die vertraglich geschuldete Beschaffenheit hinausgehenden Rechte\nund Pflichten begrunden, ist unrichtig. Sie lasst außer Acht, dass das\nunterzeichnete Protokoll „Grundlage fur die einjahrige Sachmangelhaftung" sein\nsoll. \n--- \n--- \n2. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Gleichfalls zutreffend sind die Darlegungen der ersten Instanz, der Klager\nhabe bewiesen, dass das Fahrzeug nicht die vereinbarte Beschaffenheit\naufweise. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| a) Die Karosserie entspricht, wegen der durch seitliche Krafteinwirkung\nverursachten Verformung des vorderen rechten Kotflugels und der Stoßstange\nnach innen, nicht der im Übergabeprotokoll vereinbarten Klassifizierung 1, die\nmit „Einwandfreier Zustand, nur geringe Gebrauchsspuren und Verschleiß,\nregelmaßig gewartet, voll funktionstuchtig" umschrieben ist. Die anders\nlautende, erstmals in der Berufung geaußerte Auffassung, es handle sich um\n„geringe Gebrauchsspuren" im Sinne der Klassifizierung 1, was dem Werturteil\nund dem Willen der Vertragsparteien entsprochen habe, ist nicht zutreffend.\nSie setzt voraus, dass sowohl die Beklagte als auch der Klager von dieser\nErscheinung bei Vertragsschluss Kenntnis gehabt hatten. Damit, dass es sich\nbei den Verformungen nicht um objektiv geringe Gebrauchsspuren handelt, hat\nsich der Sachverstandige in seinem Gutachten auseinandergesetzt. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| b) Auch die vorhandene Beschadigung des Lacks am Radlauf hinten links\nentspricht nicht der fur die Karosserie gewahlten Klassifizierung 1, die\nVerformung der Felge hinten rechts, nicht jener der vereinbarten\nKlassifizierung 2. Ruckbank und Beifahrersitz weisen sichtbare Flecken auf,\ndie sich nahezu auf die Halfte der Polster erstrecken. Dagegen wird von der\nBerufung nichts erinnert. \n--- \n--- \n3. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Vergebens wendet sich das Rechtsmittel gegen die Annahme der ersten\nInstanz, die Verformung des vorderen rechten Kotflugels und der Stoßstange,\ndie einen Sachmangel darstellt, hatte zum Zeitpunkt des Gefahrubergangs, hier\nder Übergabe des Fahrzeugs am 28. Oktober 2003, vorgelegen. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| Macht der Kaufer, wie hier der Klager, unter Berufung auf das Vorliegen von\nMangeln Rechte gemaß § 437 BGB geltend, nachdem er die Kaufsache\nentgegengenommen hat, trifft ihn grundsatzlich die Darlegungs- und Beweislast\ndafur, dass die den Mangel begrundenden Umstande zum Zeitpunkt des\nGefahrubergangs vorgelegen haben. Im Fall des hier vorliegenden\nVerbrauchsguterkaufs (§ 474 Abs. 1 Satz 1 BGB) kehrt jedoch die Bestimmung des\n§ 476 BGB die Beweislast um. Ist ein Sachmangel binnen sechs Monaten seit\nGefahrubergang aufgetreten, wird in zeitlicher Hinsicht vermutet, dass der\nMangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrubergangs vorlag, es sei denn diese\nVermutung ist mit der Art der Sache oder der Art des Mangels unvereinbar. \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| a) Wenn das Rechtsmittel vorbringt, die Bestimmung des § 476 BGB fande nur\ndann Anwendung, wenn ein Mangel bei Gefahrubergang zwar vorhanden aber nicht\nerkennbar gewesen und erst nachtraglich in Erscheinung getreten sei, was aus\nder Formulierung „sich zeigen" folge, greift es nicht durch. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| aa) Die von der Berufung vorgenommene Auslegung des Wortlauts der Regelung\ndes § 476 BGB ist nicht zutreffend. Sie verkennt, dass der Anwendungsbereich\nder Bestimmung erst mit Gefahrubergang eroffnet ist. Steht fest, dass der\nSachmangel bereits bei Gefahrubergang vorhanden war, bedarf der Verbraucher\nals Kaufer der Beweislastumkehr des § 476 BGB nicht, um seine Rechte nach §\n437 BGB wahrnehmen zu konnen. Anders ist es dagegen jedenfalls auch dann, wenn\nnicht festgestellt werden kann, ob die einen Sachmangel begrundende\nErscheinung bereits bei Gefahrubergang vorlag, weil Kaufer sie erst nach\ndiesem Zeitpunkt wahrnimmt, ihm sich diese mithin erst nach Gefahrubergang\nzeigt (vgl. Graf v. Westphalen ZGS 2004, 341, Staudinger/Matusche-Beckmann BGB\n[2004] § 476 Rdnr. 13, 12 a.E.). \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| bb) Das steht im Einklang mit der Bestimmung des § 442 BGB und der\nersatzlosen Streichung der Regelung des § 464 BGB a.F. durch das Gesetz zur\nModernisierung des Schuldrechts. Nach § 442 BGB sind die Rechte des Kaufers\nbei Mangeln ausgeschlossen, wenn der Kaufer den Mangel bei Vertragsschluss\nkennt oder, soweit keine Arglist oder Garantieubernahme im Sinne des § 276\nAbs. 1 Satz 1 BGB seitens des Verkaufers vorliegt, ihm der Mangel infolge\ngrober Fahrlassigkeit unbekannt geblieben ist. Nach § 464 BGB in seiner bis\nzum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung waren Gewahrleistungsrechte daruber\nhinaus ausgeschlossen, wenn der Kaufer die Sache in Kenntnis des Mangels ohne\nVorbehalt angenommen hatte. Wegen des Wegfalls dieser Regelung durfte eine\ngrundsatzliche Beschrankung der Rechte des Kaufers als Verbraucher bei\nMangeln, die dieser bei der Annahme erkannt hat, nicht mehr in Betracht kommen\n(vgl. B. Wendlandt ZGS 2004, 88 ff, auch Kohler JZ 2003, 1081). Jedenfalls\nscheidet eine Einschrankung der Rechte aus, wenn der Verbraucher, wie hier,\nden Mangel nicht erkannt hat. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| b) Zutreffend stellt die Berufung dagegen nicht darauf ab, dass die\nVermutung wegen der Art der Sache, weil es sich um ein gebrauchtes\nKraftfahrzeug handelt, nicht zur Anwendung komme. Dabei kann offen bleiben, ob\ndieses Merkmal bei Vorliegen der tatsachlichen Voraussetzungen von Amts wegen\noder nur auf Einrede hin zu prufen ist (dazu Reinking ZGS 2003, 105, 105).\nEntgegen einer verbreiteten Auffassung sind Gebrauchtwagen keineswegs generell\ndem Ausnahmetatbestand des § 476 2. Halbsatz 1. Alt. BGB zu unterstellen (vgl.\nauch BGH, Urt. v. 2. Juni 2004 - VIII ZR 329/03, NJW 2004, 2299 z.V.b. BGHZ m.\nAnm. Graf v. Westphalen ZGS 2004, 341; Reinking DAR 2004, 550; St. Lorenz\nabrufbar unter www.lrz-muenchen.de/...Lorenz/schumod/index.htm dort unter\nEntscheidungen; ders. NJW 2004, 3020; Roth ZIP 2004, 2025; vgl. ferner\nStaudinger/Matusche-Beckmann BGB [2004] § 476 Rdnr. 28 ff m.w.Nachw.). Das\nware mit der Richtlinie 1999/44/EG des Europaischen Parlaments und des Rates\nvom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsguterkaufs und der\nGarantien fur Verbrauchsguter (ABlEG 1999 L 171/12, im Folgenden:\nVerbrauchsguterkauf-Richtlinie), die von ihrem sachlichen Anwendungsbereich\nher auch gebrauchte Sachen erfasst (Art. 1 (2) b; 7 Verbrauchsguterkauf\nRichtlinie), ebenso wenig zu vereinbaren, wie mit dem Umkehrschluss aus §§ 474\nAbs. 1 Satz 2, 478 Abs. 1 Satz 1 BGB, die Ausnahmebestimmungen fur gebrauchte\nSachen enthalten (dazu Mankowski EWIR § 476 BGB 1/03, 2003, 465 m. umfangr.\nNachw.). \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| c) Erfolglos macht das Rechtsmittel geltend, die in zeitlicher Hinsicht\nwirkende Vermutung, dass der Mangel bereits zum Zeitpunkt des Gefahrubergangs\nvorlag, sei nicht anwendbar, weil sie mit der Art des Mangels unvereinbar sei\n(§ 476 2. Halbs. 2. Alt BGB), da eine Vermutung dafur, dass der Schaden schon\nbei Gefahrubergang vorhanden gewesen sei, nicht bestehe. \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| aa) Naher getreten werden konnte dieser Auffassung dann, wenn die\nBeweisregelung des § 476 BGB nur auf dem allgemeinen Erfahrungssatz aufbaute,\nwas sich innerhalb von 6 Monaten zeigt, war vermutlich schon bei Übergabe\nvorhanden (Reinking/Eggert Der Autokauf 8. Aufl. Rdnr. 1345; Faust in\nBamberger/Roth, BGB, § 476 Rdnr. 4 m.w.Nachw., vgl. ferner\nStaudinger/Matusche-Beckmann aaO § 476 Rdnr. 35 ff. m.w.Nachw.; vgl. Lorenz\nNJW 2004, 3020, 3022; ders. in MunchKomm BGB 4. Aufl. § 476 Rdnr. 17). Kann -\nwie hier, weil eine nahere Eingrenzung nicht moglich ist, der Zeitpunkt der\nseitlichen Krafteinwirkung auf den vorderen rechten Kotflugel und die\nStoßstange ebenso gut in den Zeitraum nach Gefahrubergang fallen, hat der\nherangezogene allgemeine Erfahrungssatz keine Gultigkeit. Es gibt keine\nErfahrung hinsichtlich des Zeitpunkts des Schadenseintritts. Ein hinreichend\nwahrscheinlicher Ruckschluss auf das Vorliegen des Schadens bereits zur Zeit\ndes Gefahrubergangs ist also nicht moglich. \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| bb) Dass ausschließlich diese Erwagung der gesetzlichen Bestimmung des §\n476 BGB zugrunde liegt, lasst sich jedoch weder der Vorschrift selbst, ihrer\nsystematischen Stellung noch den Gesetzgebungsmaterialien entnehmen. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Die in § 476 BGB enthaltene Beweislastumkehr hat vielmehr einen spezifisch\nverbraucherschutzenden Charakter. Das ergibt sich aus der Stellung der\nBestimmung in dem mit Verbrauchsguterkauf uberschriebenen Unterabschnitt im 8.\nAbschnitt des 2. Buches des Burgerlichen Gesetzbuches (vgl. dazu statt aller\nDiskussionsentwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 4. August\n2000 S 532). Geht es um den Schutz des Verbrauchers beim Verbrauchsguterkauf,\nalso dann, wenn ein Verbraucher im Sinne des § 13 BGB von einem Unternehmer im\nSinne des § 14 BGB eine bewegliche Sache kauft (§ 474 Abs. 1 Satz 1 BGB),\nbezweckt die Bestimmung des § 476 BGB zum Schutz des Verbrauchers einen\nAusgleich der Stellung von Verbraucher und Unternehmer am Markt. Das\nauszugleichende Defizit liegt in der nur eingeschrankten tatsachlichen\nMoglichkeit des Verbrauchers, den ihm obliegenden Beweis zu fuhren, dass ein\nMangel, den er nach Gefahrubergang wahrnimmt, der sich also „zeigt" im Sinne\ndes § 476 BGB, bereits bei Gefahrubergang vorhanden war (§ 363 BGB). Dieser\nAuffassung liegt die bereits Mitte der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts\ngeaußerte Vorstellung zugrunde, dass es einem Gewerbetreibenden - jedenfalls\nim Regelfall - viel leichter sei, zu beweisen, dass die Vertragswidrigkeit\nnicht zum Zeitpunkt der Lieferung bestand und sie beispielsweise auf\nunsachgemaßen Gebrauch durch den Verbraucher zuruckzufuhren sei, als umgekehrt\nfur den Verbraucher, dass der Mangel bereits bei Lieferung vorgelegen habe\n(vgl. Unterrichtung des Bundesrats durch die Bundesregierung uber den\nVorschlag fur eine Richtlinie des Europaischen Parlaments und des Rates uber\nden Verbrauchsguterkauf und Garantien fur Verbrauchsguter vom 18. September\n1996; BR-Drs. 696/96 S. 13; Hermanns ZfS 2001, 437, 438). Das steht im\nEinklang mit Art. 5 (3) der Verbrauchsguterkauf-Richtlinie (dazu Staudenmayer\nin Grundmann/Medicus/Rolland, Europaisches Kaufgewahrleistungsrecht S. 40;\nders. NJW 1999, 2393, 2396) und entspricht den Darlegungen im\nDiskussionsentwurf eines Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes vom 4. August\n2000 (im Folgenden: DisK-E). Dort wird zu der, der Bestimmung des § 476 BGB\nentsprechenden, inhaltlich unveranderten Vorschrift des § 474 DisK-E\nausgefuhrt, „Grundlage der Vorschrift [sind] die schlechteren\nBeweismoglichkeiten des Verbrauchers und die - jedenfalls in engem zeitlichen\nZusammenhang mit der Übergabe - ungleich besseren Erkenntnismoglichkeiten des\nUnternehmers", weswegen die Bestimmung einen „spezifisch\nverbraucherschutzenden Charakter" habe. Die Formulierung des § 474 DisK-E\nwurde fur die nun in § 476 BGB enthaltene Regelung in den - gleichlautenden -\nEntwurfen eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 9. Mai 2001\n(BT-Druck 14/6040; BR-Drs. 338/01 jew. S. 245) beibehalten. Die unveranderte\nBestimmung des § 476 BGB ist Gesetz geworden. \n--- \n--- \n| 58 \n--- \n| Kommt es mithin - auch - auf die besseren Erkenntnismoglichkeiten des\nUnternehmers an, ist die in zeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung des § 476\nBGB wegen der Art des Mangels nicht schon dann ausgeschlossen, wenn nicht zu\nvermuten ist, dass der Mangel schon bei Gefahrubergang vorhanden war, weil es\nhierfur an einem allgemeinen Erfahrungssatz mangelt. Hinzukommen muss\nvielmehr, dass der Mangel, ware er bei Gefahrubergang vorhanden gewesen, auf\nGrund der dem Unternehmer zur Verfugung stehenden Erkenntnismoglichkeiten\nnicht hatte erkannt werden konnen (vgl. Wietoska ZGS 2004, 8, 10; vgl. Graf v.\nWestphalen ZGS 2004, 341, 342; vgl. Augenhofer ZGS 2004, 385, 386). Das ist\nvorliegend nicht der Fall. Der Zustand der vorderen rechten Seite des\nFahrzeugs hatte fur das ein Autohaus betreibende Unternehmen, das zudem uber\neine Werkstatt mit Lackiererei verfugt, bei der gebotenen Sorgfalt erkannt\nwerden mussen. \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| d) Wird der Anwendungsbereich der Bestimmung durch die Moglichkeit des\njederzeitigen Eintritts des Schadens nicht beruhrt, bedarf die Frage, unter\nwelchen Voraussetzungen die Beweislastumkehr wegen der Art Mangels\nausgeschlossen ist, hier keiner Entscheidung. Die Beklagte hat - worauf in der\nSitzung hingewiesen wurde - keine Tatsachen vorgetragen, die insoweit\nernstliche Zweifel begrunden konnten, dass der erkennbare Mangel nicht bereits\nbei Gefahrubergang vorhanden gewesen sein konnte. Deshalb kommt es nicht\ndarauf an, ob hinsichtlich der Verursachung des Schadens nach Gefahrubergang\nder Beweis des Gegenteils gefuhrt werden musste oder ob es ausreichend ware,\nwenn der Unternehmer Tatsachen vortragt und gegebenenfalls beweist, die die\nkonkrete Moglichkeit des Eintritts des Mangels nach Gefahrubergang nahe legen\n(vgl. dazu Reinking ZGS 2003, 105, 106; Wietoska aaO S. 10; Staudenmayer aaO;\nRoth aaO 2027). \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| e) Entgegen der Auffassung der Berufung hat die Beklagte den ihr wegen der\nAnwendbarkeit der Bestimmung des § 476 BGB obliegenden Beweis des Gegenteils\n(§ 292 ZPO), dass der Mangel zum Zeitpunkt des Gefahrubergangs nicht vorhanden\ngewesen sei, nicht gefuhrt. \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| aa) Das vorgelegte und im Zusammenhang mit der Übergabe gefertigte\nProtokoll ist unrichtig. Die Flecken auf den Sitzen sind nicht aufgefuhrt,\nobwohl sie bei Übergabe des Fahrzeugs unstreitig vorhanden waren. Wenn das\nLandgericht daraus den Schluss zieht, das spreche gegen eine sorgfaltige\nErstellung des Protokolls, mit der Folge, dass der Verkaufer die\nRuckwirkungsvermutung nicht widerlegt habe, dann ist diese Wurdigung nicht nur\nvertretbar, sondern nahe liegend; ihr folgt der Senat. Mit ihrer gegenteiligen\nWertung versucht die Berufung nur ihre Auffassung an die Stelle des\nLandgerichts zu setzen. Sie verkennt insbesondere dass dann, wenn vor der\nReinigung die Flecken festgestellt werden, erst der Erfolg der Maßnahme\nabzuwarten ist, bevor ein Zustand der Sitze des Fahrzeugs ohne Flecken durch\ndas Protokoll bescheinigt werden kann. \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| bb) Gleichfalls vermag die Berufung mit ihren Ausfuhrungen zum Inhalt und\nZustandekommen des Protokolls - wenn auch nur mittelbar - die Auffassung der\nersten Instanz, nicht in Frage zu stellen. Der Senat kann sich, wie schon das\nLandgericht, keine Überzeugung davon verschaffen, dass der Mangel am Fahrzeug\nvorne rechts, ware er vorhanden gewesen, vom Zeugen K... erkannt wurde,\nbeziehungsweise bei Erkennen im Protokoll seinen Niederschlag gefunden hatte.\nEine genaue Überprufung der Karosserie im Einzelnen war nicht erforderlich,\nweil in dem Protokoll eine Beschreibung eines jeden Bauteils nicht vorzunehmen\nwar. Die pauschale Umschreibung durch eine entsprechende Klassifizierung\ngenugte. Folglich war eine zielgerichtete Prufung insoweit nicht geboten (vgl.\nReinking ZGS 2003, 105, 106; Mankowski aaO), Hinzu kommt auch hier der\nUmstand, dass die unstreitig vorhandenen Flecke von dem Zeugen in dem\nProtokoll gerade nicht aufgefuhrt wurden. \n--- \n--- \n4. \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| Im Ergebnis zu Recht ist das Landgericht weiter zu der Auffassung gelangt,\nder Kaufvertrag sei ruckabzuwickeln, weil der Klager durch Erklarung vom 11.\nFebruar 2004 wirksam vom Vertrag zuruckgetreten sei (§ 349 BGB). Nach §§ 437\nNr. 2, 440, 323 Abs. 1, 2 BGB kann der Glaubiger nach Gefahrubergang bei einem\nbehebbaren Mangel vom Kaufvertrag zurucktreten, wenn er dem Schuldner\nerfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfullung gesetzt hat oder eine\nFristsetzung entbehrlich ist. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| a) Der vorliegende Sachmangel ist behebbar. Beide Parteien gehen\nubereinstimmend davon aus, dass die Verformungen beseitigt werden konnen, um\nden vertragsgemaßen Zustand des Fahrzeugs herzustellen. \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| b) Den erfolglosen Ablauf der vom Klager gesetzten angemessenen Frist zur\nNacherfullung stellt das Landgericht zutreffend fest, wogegen von den Parteien\nnichts erinnert wird. Allerdings war die Fristsetzung nicht auf die Vornahme\nder Nacherfullung, hier in Form der Nachbesserung, sondern auf die Erklarung\ndes Einverstandnisses hiermit bezogen. Jedoch kann die Frage, ob fur die Frist\nzur Nacherfullung nach § 323 Abs. 1 BGB die Aufforderung des Glaubigers an den\nSchuldner genugt, sich uber seine Leistungsbereitschaft zu erklaren (vgl. BGHZ\n142, 36, 42; vgl. Ramming ZGS 2002, 209), dahinstehen. Eine Fristsetzung,\nverbunden mit der Aufforderung die Nacherfullung vorzunehmen, war nach § 323\nAbs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich. Die Beklagte hat die Nacherfullung bezuglich des\nMangels am Fahrzeug vorne rechts ernsthaft und endgultig verweigert. Eine\nernsthafte und endgultige Verweigerung liegt vor allem dann vor, wenn der\nSchuldner seine Pflicht zur Beseitigung des Mangels schlechthin bestreitet\n(vgl. statt aller BGH, Urt. v. 5. Dezember 2002 - VII ZR 360/01, NJW 2003,\n580, BGHZ 50, 160, 166). So ist es hier. Die Beklagte hat sowohl vorprozessual\ninnerhalb der von dem Klager gesetzten Erklarungsfrist als auch noch im\nProzess eine Verantwortlichkeit fur die Verformung stets in Abrede gestellt.\nEs ist mithin nichts dafur ersichtlich, dass eine Aufforderung zur Vornahme\nder Nacherfullung verbunden mit einer Fristsetzung, eine Änderung dieser\nEinstellung hatte bewirken konnen. \n--- \n--- \n| 66 \n--- \n| c) Der Rucktritt ist nicht gemaß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen,\nweil die Beklagte jedenfalls in erster Instanz nicht dargelegt hat, dass die\nPflichtverletzung unerheblich sei. Dabei besteht die Pflichtverletzung\nfreilich nicht, wie das Landgericht zu meinen scheint, in der Leistung der\nmangelhaften Sache, sondern in der - verweigerten - Nichterfullung der\nNacherfullungsverpflichtung hinsichtlich der Beschadigung vorne rechts (statt\naller Lorenz NJW 2002, 2497; Ball NZV 2004, 217, 218). Die Pflichtverletzung\nist nicht unerheblich. Eine etwa in den Ausfuhrungen in der\nBerufungsbegrundungsschrift, es handle sich bei dieser Erscheinung um eine\n„geringe Gebrauchsspur" oder die Verformung sei „erkennbar aber kaum\nwahrnehmbar", enthaltene, anders lautende Behauptung, kann nicht\nberucksichtigt werden (§ 531 Abs. 2 ZPO). Abgesehen davon fehlt es weiter an\neinem innerhalb der Berufungsbegrundungsfrist gehaltenen Vortrag zu dem fur\ndie Mangelbeseitigung erforderlichen Aufwand, was der Beklagten aufgrund ihrer\nTatigkeit in der Automobilbranche ohne weiteres moglich gewesen ware und was\ndurch ihre Ausfuhrungen in dem Schriftsatz vom 27. Oktober 2004, der eine\nWoche vor dem Termin beim Senat eingegangen ist, belegt wird. Dass der\nBeklagte auf das Fehlen eines Vortrages hierzu - aufgrund des moglicherweise\nverfehlten aber maßgebenden rechtlichen Standpunkts des Landgerichts - hatte\nhingewiesen werden mussen (vgl. BGH, Urteile vom 19. Februar 2004 - III ZR\n147/03, NJW-RR 2004, 927; vom 23. September 2004 - VII ZR 173/03 z.V.b.),\nmacht die Berufung auch nicht mittelbar geltend. Aus diesem Grund kommt es\nnicht darauf an, ob sich - wie nicht (Haas in\nHaas/Medicus/Rolland/Schafer/Wendland, Das neue Schuldrecht, § 5 Rdnr. 172;\nSoergel/Huber BGB 12. Aufl. § 459 Rdnr. 77; Art. 3 (6) Verbrauchsguterkauf-\nRichtlinie) - die Unerheblichkeit der Pflichtverletzung anhand eines\nfeststehenden Verhaltnisses des Nachbesserungsaufwands zum Kaufpreis bestimmen\nließe (OLG Dusseldorf DAR 2004, 392), wovon die Berufung ausgeht. \n--- \n--- \n5. \n--- \n--- \n| 67 \n--- \n| Besteht das Recht zum Rucktritt wegen eines Mangels, ist unerheblich, ob,\nwas die Einzelrichterin offen gelassen hat, die Beschadigung hinten links und,\nwovon das Landgericht nur in einem Satz ausgeht, der jetzige Zustand der Felge\nbereits bei Gefahrubergang vorhanden waren. Gleichfalls kann es dahinstehen,\nob der Klager trotz der Bestimmung des § 266 BGB zu einer Entgegennahme der\nvon der Beklagten angebotenen Teilnacherfullung, namlich hinsichtlich der\nSitze und der Felge verpflichtet gewesen ware (vgl. BGH, Urteile vom 16. Mai\n2002 - VII ZR 479/00, NJW 2002, 3019; 8. Juli 2004 - VII ZR 317/02, BauR 2004,\n1616). \n--- \n--- \n6. \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| Weitere Feststellungen zum Zustand des Fahrzeugs bei Gefahrubergang sind\nnicht geboten, auch wenn der Beklagten insoweit, sollten die anderen\nErscheinungen nicht bereits bei Gefahrubergang vorgelegen haben, Wertersatz-\noder Schadensersatzanspruche zustehen konnten (§ 346 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs.\n3 Satz 1 Nr. 3, Abs. 4 BGB, vgl. z. B. die Darstellung des Meinungsstandes bei\nRheinlander ZGS 2004, 178). Solche hat die Beklagte nicht geltend gemacht,\nsondern lediglich Wertersatz fur die vom Klager gezogenen Nutzungen begehrt (§\n346 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 1 BGB). Die Methode zur Berechnung des Wertes der\ngezogenen Nutzungen durch das Landgericht nach § 287 Abs. 2 ZPO wird von\nParteien des Rechtsstreits ausdrucklich - auch fur die Berufungsinstanz -\nhingenommen. Da der Klager das Fahrzeug im bisherigen Umfang weiter nutzt, war\nder Wert dieser Nutzungen bis zum Zeitpunkt der letzten mundlichen Verhandlung\nvor dem Senat in Hohe von weiteren 255,19 EUR zu berucksichtigen. \n--- \n--- \nIII. \n--- \n--- \n| 69 \n--- \n| Weil die Beklagte zu einer Zug-um-Zug zu erbringenden Leistung zu\nverurteilen war, hat die erste Instanz dem weiteren Antrag des Klagers, den\nAnnahmeverzug des Schuldners hinsichtlich der ihm gebuhrenden Leistung\nfestzustellen, gleichfalls zu Recht entsprochen. \n--- \n--- \nC. \n--- \n--- \n1. \n--- \n--- \n| 70 \n--- \n| Die Revision ist zulassen. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen die in\nzeitlicher Hinsicht wirkende Vermutung des § 476 BGB zur Anwendung kommt, wenn\nsich ein Sachmangel innerhalb von 6 Monaten zeigt, hat grundsatzliche\nBedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). \n--- \n--- \n2. \n--- \n--- \n| 71 \n--- \n| Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2, 708 Nr. 10,\n711 ZPO. \n--- \n---\n\n
140,946
olgstut-2005-06-15-18-wf-26904
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
18 WF 269/04
2005-06-15
2019-01-08 16:53:18
2019-02-12 12:20:28
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Amtsgerichts\nReutlingen - Familiengericht vom 03.11.2004 (6 F 645/04) in seiner Ziff. 1\nSatz 1 (Gerichtskosten)\n\n> > abgeandert .\n\nDie Antragsgegnerin tragt die Halfte der Gerichtskosten. Im Übrigen wird von\nder Erhebung von Gerichtskosten im ersten Rechtszug abgesehen.\n\n2\\. Auf die Beschwerde der Prozessbevollmachtigten der Antragsteller wird\nZiff. 2 des Beschlusses vom 03.11.2004 (Gegenstandswert)\n\n> > abgeandert .\n\nDer Gegenstandswert des Verfahrens in erster Instanz wird auf 3.000,-- EUR\nfestgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde\n\n> > zuruckgewiesen .\n\n3\\. Gerichtskosten werden im Beschwerdeverfahren nicht erhoben.\nAußergerichtliche Auslagen der Beteiligten werden nicht erstattet.\n\n4\\. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens betreffend die Kosten des\nersten Rechtszuges betragt bis 1.500,-- EUR.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten stritten im erstinstanzlichen Verfahren um den Aufenthalt\ndes Kindes L. K., geb. am 24.11.2002. Das Kind lebt seit seiner Geburt im\nRahmen einer Vollzeitpflege bei den Antragstellern. Grund dafur ist, dass die\nAntragsgegnerin, welche fur L. allein sorgeberechtigt ist, aufgrund manischer\nDepression und leichter Minderbegabung der Erziehungsverantwortung nicht\ngewachsen ist. Auch die Antragsgegnerin lebte in psychiatrischer\nFamilienpflege bei den Antragstellern, soweit sie sich nicht in stationarer\nKrankenhausbehandlung befand. Aufgrund bestehender Anpassungsschwierigkeiten\nder Antragsgegnerin und sich zuspitzender Konflikte mit den Antragstellern\nverließ die Antragsgegnerin die Familie der Antragsteller und lebt seit\n01.02.2004 bei der Familie S., wahrend L. weiterhin bei den Antragstellern\nuntergebracht ist. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Antragsgegnerin außerte nach ihrem Auszug den Wunsch, das\nPflegeverhaltnis vom L. bei den Antragstellern zu beenden und die\nVollzeitpflege in der Familie S. weiter zu fuhren, womit diese einverstanden\nwar. Anfang Juni 2004 beantragten die Antragsteller, den Verbleib von L. in\nihrer Familie anzuordnen, hilfsweise erganzend ihnen das Recht der\nAufenthaltsbestimmung zu ubertragen. Die Antragsgegnerin trat dem entgegen und\nließ uber ihre Rechtsanwaltin beantragen, dass die Antragsteller verpflichtet\nwerden, L. an sie herauszugeben. Hiermit sollte ein Wechsel von L. in die\nPflegefamilie S. ermoglicht werden. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Im Verhandlungstermin vor dem Familiengericht sprachen sich die\nVerfahrenspflegerin und auch die Vertreter des Jugendamtes fur einen Verbleib\nvon L. bei den Antragstellern aus, weil ein solcher den Bedurfnissen von L.\nentspreche und eine Herausnahme mit einem zu großen Risiko fur das Kind\nverbunden sei. Auch der nichteheliche Vater von L. befurwortete den Verbleib\ndes Kindes bei den Antragstellern. Daraufhin erklarte die Antragsgegnerin,\ndass sie mit dem Aufenthalt von L. bei den Antragstellern bis auf weiteres\neinverstanden sei. Samtliche Beteiligten nahmen sodann ihre Antrage zuruck. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 03.11.2004 angeordnet, dass die\nAntragsteller, sowie die Antragsgegnerin die Gerichtskosten des Verfahrens je\nzur Halfte tragen und dass außergerichtliche Kosten nicht erstattet werden.\nDer Gegenstandswert des Verfahrens wurde auf 2.000,-- EUR festgesetzt. Der\nAntragsgegnerin wurde Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlungspflicht bewilligt. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die von der Prozessvertreterin der Antragsteller eingelegte Beschwerde\nrichtet sich sowohl gegen deren Verpflichtung, Verfahrenskosten zu ubernehmen,\nals auch gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes, welche dem Umfang und\nder Bedeutung der Angelegenheit nicht gerecht werde. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Beschwerde der Antragsteller gegen die Auferlegung der Halfte der\nGerichtskosten ist gem. § 20a Abs. 2 FGG zulassig. Sie ist auch begrundet,\nweil die Voraussetzungen von § 94 Abs. 3 Satz 2, 2. HS KostO fur das Absehen\nvon der Erhebung von Kosten vorliegen. \n--- \n--- \n1. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Zu Recht hat das Familiengericht eine Entscheidung uber die Gerichtskosten\ngetroffen, obgleich es nach beiderseitiger Antragsrucknahme zu einer\nEntscheidung in der Hauptsache nicht mehr gekommen ist. Das Unterbleiben einer\nKostenentscheidung oder deren Aufhebung im Beschwerdeverfahren hatte zum\nErgebnis gefuhrt, dass sowohl die Antragsteller als auch die Antragsgegnerin,\nwelche beide Sachantrage gestellt haben und auch am Ausgang des Verfahrens\ninteressiert waren, gem. § 2 KostO zur Zahlung der Kosten verpflichtet waren.\nIm Hinblick auf die Gesamtschuldnerschaft mehrerer Kostenschuldner gem. § 5\nAbs. 1 KostO stunde zu erwarten, dass die Antragsteller wegen der gesamten\nGerichtskosten in Anspruch genommen werden. Die Antragsgegnerin ist finanziell\nnicht leistungsfahig, weshalb ihr durch das Familiengericht Prozesskostenhilfe\nohne Ratenzahlungspflicht gewahrt wurde. Ein Ruckgriff der Antragsteller gegen\ndie Antragsgegnerin wegen eines Teil der Gerichtskosten ware somit nicht\nErfolg versprechend. Dieses Ergebnis ware weder mit dem Ausgang des\nerstinstanzlichen Verfahrens noch mit den Intentionen des Gesetzgebers, welche\ndieser mit der Neufassung von § 94 Abs. 3 Satz 2, 2. HS KostO verfolgt hat, zu\nvereinbaren. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Allerdings war in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass § 94 Abs. 3\nSatz 2 a. F. KostO nur zur Anwendung kommt, wenn eine der Alternativen des §\n94 Abs. 1 Nr. 3-6 KostO gegeben ist, also eine (positive) Entscheidung des\nFamiliengerichts uber eine der dort genannten Verfahrensgegenstande getroffen\nworden ist (OLG Koln, FamRZ 2001, 112, 113; Hartmann, 34. Aufl., § 94 KostO\nRn. 25 m. w. N.). Diese Ansicht war zutreffend, so lange § 94 KostO nur die\nAuferlegung von Gerichtsgebuhren regelte und die Verpflichtung zur Tragung von\ngerichtlichen Auslagen sich ausschließlich nach § 2 ff KostO richtete. Da die\nZuruckweisung eines gestellten Antrags auf Regelung der elterlichen Sorge,\nKindesherausgabe oder Verbleibensanordnung wie auch die Rucknahme solcher\nAntrage keine Gerichtsgebuhr auslost (§ 91 Satz 1 KostO), bedurfte es keiner\nEntscheidung, wer insoweit Gebuhrenschuldner ist. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Durch die zum 01.01.2002 in Kraft getretenen Änderung von § 94 Abs. 3 Satz\n2, 2. HS KostO ist der Anwendungsbereich der Vorschrift und damit auch die\nEntscheidungsbefugnis des Gerichts erweitert worden. Von der Moglichkeit,\neinen oder mehrere Verfahrensbeteiligte von der Zahlungspflicht zu befreien,\nkann nun auch in Bezug auf gerichtliche Auslagen Gebrauch gemacht werden. Dies\nhat fur die Beteiligten deswegen besondere wirtschaftliche Bedeutung, weil\nbeim Regelgeschaftswert von 3.000,-- EUR fur Sorge- und Umgangsrechtssachen\ndie Auslagen, beispielsweise fur Sachverstandigengutachten und\nVerfahrenspfleger, sich auf ein Vielfaches der Gerichtsgebuhr von 26,-- EUR\nbelaufen (Korinthenberg/Lappe, 15. Aufl., § 94 Rn. 33; Rohs/Waldner, § 94 Rn.\n27). Am Erlass einer Kostengrundentscheidung nach § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO\n(OLG Koblenz Rechtspfleger 2003, 693) besteht somit auch dann ein\nrechtschutzwurdiges Interesse, wenn zwar keine Gerichtsgebuhr entstanden ist,\nfur die Verfahrensbeteiligten bei Anwendung von § 2 KostO jedoch eine\nBelastung mit gerichtlichen Auslagen in erheblichem Umfang zu erwarten steht\n(vgl. OLG Nurnberg, FamRZ 2004, 391; OLG Karlsruhe OLGR 2005, 216\n[Antragsrucknahme in einer Sorgerechtssache]; AG Lobau FPR 2004, 479\n[Erledigung des Antrags auf Verbleibensanordnung]). Nach der Neufassung des\nGesetzes ist bei Anwendung von § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO eine an der Billigkeit\nund dem Interesse am Verfahrensausgang orientierte Aufteilung der\ngerichtlichen Gebuhren und Auslagen auf die Verfahrensbeteiligten vorzunehmen\n(OLG Koblenz, FamRZ 2004, 391, 392), soweit nicht von der Erhebung solcher\nKosten uberhaupt abgesehen wird. \n--- \n--- \n2. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Aus der nicht begrundeten Entscheidung des Familiengerichts vom 03.11.2004,\nsowie aus den Grunden des Nichtabhilfebeschlusses vom 18.11.2004 ergibt sich\nnicht, dass sich die Richterin der vom Gesetz eingeraumten Moglichkeit, von\nder Erhebung von Gerichtskosten abzusehen, bewusst war und diese Moglichkeit\nin ihre Billigkeitserwagungen einbezogen hat. Insofern liegt eine\nErmessensunterschreitung vor. Der Senat verzichtet darauf, die angefochtene\nEntscheidung deswegen aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung uber\ndie Kosten an das Familiengericht zuruckzuverweisen, weil der Sachverhalt\ninsoweit geklart erscheint und eine eigene Entscheidung des Senats uber die\nKosten moglich ist. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Zwar folgt der Senat nicht der teilweise vertretenen Ansicht, dass\nPflegeeltern bei beantragter Verbleibensanordnung von Verfahrenskosten\ngenerell zu befreien sind (OLG Hamm, FamRZ 1995, 1365; Hartmann, 34. Aufl., §\n94 Rn. 28; a. A. BayObLG FamRZ 1998, 37). Vielmehr konnen im Streit um eine\nVerbleibensanordnung fur das Pflegekind auch den Pflegeeltern Gerichtskosten\nauferlegt werden, wenn dies im Einzelfall der Billigkeit entspricht. Dies ist\nim vorliegenden Fall jedoch nicht anzunehmen. Vielmehr entspricht es hier der\nBilligkeit, von der Erhebung von Gerichtskosten auf Seiten der Antragsteller\nabzusehen (§ 94 Abs. 3 Satz 2, 2. HS KostO). Die Antragsteller hatten Anlass\nzu der Befurchtung, dass die allein aufenthaltsbestimmungsberechtigte\nAntragsgegnerin ihr Vorhaben in die Tat umsetzen und nach einem der Besuche\nvon L. bei ihr das Kind nicht zu den Antragstellern zuruckbringen, sondern bei\nsich behalten wurde, zumal die Familie S. einem solchen Vorhaben offenbar\npositiv gegenuber stand. Diese hatte, wie sich aus dem Bericht des Jugendamtes\nvom 26.08.2004 (Bl. 66) ergibt, im Fruhjahr 2004 ihre Anerkennung als\nPflegefamilie beantragt und auch erhalten. Diese Befurchtung bestatigte sich,\nals die Antragsgegnerin als Reaktion auf den Antrag auf Verbleibensanordnung\neinen Gegenantrag auf Kindesherausgabe stellte. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Bei der Billigkeitsentscheidung im Rahmen von § 94 Abs. 3 Satz 2 KostO ist\nweiterhin zu berucksichtigen, dass erst das Herausgabeverlangen der\nAntragsgegnerin eine umfassende Kindeswohlprufung unter Einschaltung einer\nVerfahrenspflegerin und die Einholung der psychiatrische Stellungnahme zur\nErziehungsfahigkeit der Antragsgegnerin notwendig machte. Der wesentliche Teil\nder gerichtlichen Auslagen ist erst in diesem Verfahrensstadium entstanden. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Außerdem kann bei der Kostenentscheidung nicht außer Betracht bleiben, dass\nim Falle einer Entscheidung des Familiengerichts in der Sache voraussichtlich\ndie Antragsteller obsiegt hatten. Samtliche am Verfahren beteiligte Personen\nund Stellen mit Ausnahme der Antragsgegnerin selbst haben sich fur einen\nVerbleib von L. bei den Antragstellern ausgesprochen. Es liegt nahe, dass die\nRucknahme des Antrags auf Verbleibensanordnung dadurch motiviert war, dass die\nAntragsgegnerin in der mundlichen Verhandlung erklart hat, sie sei vorlaufig\nmit dem Verbleib von L. bei den Antragstellern einverstanden. Damit ist das\nbis dahin bestehende Rechtschutzbedurfnis fur den Antrag nach § 1632 Abs. 4\nBGB entfallen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Schließlich ist bei der Billigkeitsentscheidung nach § 94 Abs. 3 Satz 2, 2.\nHS KostO von ganz wesentlicher Bedeutung, dass der Verbleib von L. bei den\nAntragstellern nach den wahrend des familiengerichtlichen Verfahrens\ngetroffenen Feststellungen dem Wohl des Kindes entspricht, wahrend eine\nHerausgabe an die Antragsgegnerin das Kindeswohl gefahrdet hatte. Damit haben\ndie Antragsteller im Verfahren nicht nur ihre eigenen Interessen, sondern\nzumindest gleichgewichtig auch die Interessen von L. verfolgt. \n--- \n--- \n3. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Soweit die zweite Halfte der Gerichtskosten der Antragsgegnerin auferlegt\nwurden, widerspricht dies nicht der Billigkeit. Sie hat hiergegen auch kein\nRechtsmittel eingelegt. Die Anordnung des Familiengerichts uber die Tragung\nder außergerichtlichen Kosten durch die Parteien ist mit der Beschwerde nicht\nangegriffen worden. Auch ist fraglich, ob ein Kostenerstattungsanspruch der\nAntragsteller nach § 13a Abs. 1 FGG bei der Antragsgegnerin realisierbar ware. \n--- \n--- \n4. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Beschwerde gegen die Wertfestsetzung fur das Verfahren in erster\nInstanz ist gem. § 31 Abs. 3 KostO zulassig. Soweit eine Erhohung des\nGegenstandswerts begehrt wird, liegt die Beschwerdeberechtigung ausschließlich\nbei der Prozessbevollmachtigten der Antragsteller (§ 32 Abs. 2 RVG), weil nur\ndiese beschwert ist. Aus der Formulierung des Beschwerdeschreibens ergibt\nsich, dass das Rechtsmittel auch in eigenem Namen eingelegt worden ist. Die\nBeschwerde der Prozessbevollmachtigten ist jedoch nur insoweit begrundet, als\nein unter dem Regelwert von 3.000,-- EUR liegender Wert angesetzt wurde. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Umstande des Falles sprechen nicht dafur, den Geschaftswert hoher\nfestzusetzen. Antrag und Gegenantrag betrafen dieselbe Frage, namlich den\nVerbleib des Kindes in der Pflegefamilie oder dessen Herausgabe an die Mutter.\nDie wirtschaftlichen Verhaltnisse der Verfahrensbeteiligten spielen hier nur\neine untergeordnete Rolle. Der Lebensunterhalt der Antragsgegnerin wird\nweitgehend vom Landeswohlfahrtsverband finanziert. Die Einkommensverhaltnisse\nder Antragsteller rechtfertigen ebenfalls keine Erhohung es Geschaftswertes.\nDer Pflegevater ist Alleinverdiener und verfugt nur uber ein\ndurchschnittliches Einkommen. Die Verfahrensdauer war mit funf Monaten nicht\nubermaßig lang. Die Bestellung einer Verfahrenspflegerin entsprach dem\nRegelfall dieser Verfahren. Der Schriftwechsel war im vorliegenden Verfahren\nebenfalls nicht ubermaßig umfangreich, weshalb aus diesen Grunden eine\nErhohung des Geschaftswerts uber 3.000,-- EUR hinaus nicht geboten ist. Eine\nAbweichung nach unter ist jedoch ebenfalls nicht angezeigt, sodass die\nWertfestsetzung insoweit abzuandern ist. \n--- \n--- \n4. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Kostenentscheidung hinsichtlich des Rechtsmittels der Antragsteller\nfolgt aus § 131 Abs. 1 Nr. 1 KostO. Das Beschwerdeverfahren der\nVerfahrensbevollmachtigten der Antragsteller wegen des Gegenstandswerts ist\ngem. § 31 Abs. 4 KostO gebuhrenfrei. \n--- \n---\n\n
141,085
vg-karlsruhe-2005-07-12-a-11-k-1024505
158
Verwaltungsgericht Karlsruhe
vg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
A 11 K 10245/05
2005-07-12
2019-01-08 17:32:03
2019-01-17 12:01:15
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Klage wird abgewiesen.\n\n2\\. Der Klager tragt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager wendet sich gegen den Widerruf der Feststellung, dass die\nVoraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen und begehrt hilfsweise\nAbschiebungsschutz. \n--- \n| 2 \n--- \n| Er ist Staatsangehoriger Serbien-Montenegros und albanischer\nVolkszugehoriger. Nach vorausgegangener verwaltungsgerichtlicher Verpflichtung\ndurch des Urteil des VG Stuttgart vom 12.08.1998 (...) stellte das Bundesamt\nmit Bescheid vom 22.10.1998 fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1\nAuslG vorliegen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Verfugung vom 03.11.2004 leitete das Bundesamt ein Widerrufsverfahren\nein. Dem Klager wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Bescheid vom 15.02.2005 widerrief das Bundesamt fur Migration und\nFluchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) die mit Bescheid vom 22.10.1998\ngetroffene Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG\nvorliegen. Zugleich stellte es fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1\nund Abs. 2 - 7 AufenthG nicht vorliegen. Der Bescheid wurde dem Klager am\n17.02.2005 zugestellt. \n--- \n| 5 \n--- \n| Am 25.02.2005 hat der Klager Klage erhoben, mit der er beantragt, \n--- \n| 6 \n--- \n| die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes fur die\nAnerkennung auslandischer Fluchtlinge vom 15.02.2005 zu verpflichten\nfestzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG erfullt sind; \n--- \n| 7 \n--- \n| hilfsweise festzustellen, \n--- \n| 8 \n--- \n| dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 - 5 AufenthG vorliegen; \n--- \n| 9 \n--- \n| weiter hilfsweise festzustellen, \n--- \n| 10 \n--- \n| dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG gegeben sind. \n--- \n| 11 \n--- \n| Zur Begrundung tragt er im Wesentlichen vor: Das Widerrufsverfahren\nunterliege den Bestimmungen des seit 01.01.2005 gultigen § 73 AsylVfG. Der\nBescheid des Bundesamtes vom 22.10.1998 sei seit dem Jahre 1998 rechtskraftig.\nBis Ende 2001 habe damit die Prufung der Durchfuhrung eines Widerrufs erfolgen\nmussen, was unstreitig nicht der Fall gewesen sei. Ein Widerruf sei insgesamt\nunzulassig. Auch eine Ermessensentscheidung sei nicht erfolgt. § 73 Abs. 2a\nAsylVfG sei seit dem 01.01.2005 anwendbar. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Beklagte hat schriftsatzlich beantragt, \n--- \n| 13 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Verwaltungsrechtssache wurde durch Beschluss vom 12.04.2005 auf die\nBerichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung ubertragen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Klager ist in der mundlichen Verhandlung nicht erschienen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Hinsichtlich des ubrigen Vorbringens der Beteiligten sowie der weiteren\nEinzelheiten des Sachverhaltes wird auf die gewechselten Schriftsatze, den\nInhalt der beigezogenen Behordenakten sowie die dem Klager mitgeteilten und\nzum Gegenstand der Verhandlung gemachten Erkenntnismittel verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 17 \n--- \n| Das Gericht konnte in der Sache verhandeln und entscheiden, obwohl die\nBeklagte in der mundlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Denn die dieser\nzugestellte Ladung enthielt einen entsprechenden Hinweis (§ 102 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 18 \n--- \n| Die zulassige Klage ist unbegrundet. \n--- \n| 19 \n--- \n| Der mit Bescheid vom 15.02.2005 ausgesprochene Widerruf der Feststellung,\ndass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, ist rechtmaßig und\nverletzt den Klager nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Das\nBundesamt hat es auch zu Recht abgelehnt, das Vorliegen der Voraussetzungen\ndes § 60 Abs. 1, 2 - 5 und 7 AufenthG festzustellen, ein solcher Anspruch\nbesteht nicht (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Bei dieser Beurteilung hat das Gericht\nauf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mundlichen Verhandlung\nabzustellen (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG). \n--- \n| 20 \n--- \n| Rechtsgrundlage des Widerrufs ist § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG in der seit dem\n01.01.2005 geltenden Fassung. Danach sind die Anerkennung als Asylberechtigter\nund die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG\n(fruher § 51 Abs. 1 AuslG) vorliegen, unverzuglich zu widerrufen, wenn die\nVoraussetzungen fur sie nicht mehr vorliegen. § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG gilt\nauch fur die Falle, in denen die Feststellung der Voraussetzungen des § 51\nAbs. 1 AuslG widerrufen wird (VG Karlsruhe, Urt. v. 04.02.2005 - A 3 K\n11689/04 -). \n--- \n| 21 \n--- \n| Die mit Urteil des VG Stuttgart vom 12.08.1998 (XXX) festgestellte\nSachlage, aufgrund derer das Bundesamt verpflichtet wurde festzustellen, dass\ndie Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Bundesrepublik\nJugoslawien (Republiken Serbien und Montenegro) vorliegen, hat sich\nnachtraglich so wesentlich geandert, dass eine Durchbrechung der Rechtskraft\ndes genannten Urteils gerechtfertigt ist. Die Feststellung, dass die\nVoraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, ist zu widerrufen, wenn die\nVoraussetzungen fur sie nicht mehr vorliegen, also insbesondere dann, wenn die\nGefahr politischer Verfolgung im Herkunftsstaat nicht mehr besteht. Dies ist\ndann der Fall, wenn sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen\nVerhaltnisse nachtraglich entscheidungserheblich verandert haben. Ein Widerruf\nist unabhangig davon zulassig, ob bei der Anerkennung eine Verfolgungsgefahr\nzu Recht oder zu Unrecht angenommen wurde. Hieran ist festzuhalten. Es spricht\nnamlich nichts dafur, dass der Gesetzgeber zu Unrecht anerkannte Asylbewerber\noder Fluchtlinge im Hinblick auf den Widerruf des Status bei spaterer\nerheblicher Veranderung der Verhaltnisse im Herkunftsland besser stellen\nwollte als rechtmaßig Anerkannte (BVerwG, Urt. v. 25.08.2004 - 1 C 22/03 -\n[juris]). Maßgeblicher Zeitpunkt bei der Prufung der Frage, wann eine Änderung\nder Sachlage eingetreten ist, ist beim Widerruf solcher Änderungsbescheide,\ndie in Erfullung eines rechtskraftigen Verpflichtungsurteils erlassen worden\nsind, derjenige, zu dem das zur Anerkennung verpflichtende Urteil ergangen ist\n(BVerwG; Urt. v. 08.05.2003, BVerwGE 118, 174 ff. = DVBl. 2003, 1280 ff.\nm.w.N.). Abzustellen ist danach auf die fur das rechtskraftig gewordene\nVerpflichtungsurteil maßgeblichen Verhaltnisse, d. h. auf die Sach- und\nRechtslage im Zeitpunkt der letzten mundlichen Verhandlung des\nTatsachengerichts bzw. - bei Entscheidungen ohne mundliche Verhandlung - des\nFallens seiner Entscheidung (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG). Alle spateren\nTatsachenlagen sind von dem rechtskraftigen Verpflichtungsurteil und\ndemzufolge auch von dem in Erfullung eines solchen Urteils ergehenden\nBescheids regelmaßig nicht erfasst (BVerwG, Urt. v. 08.03.2003, a.a.O.,). \n--- \n| 22 \n--- \n| Ausgehend hiervon haben sich die tatsachlichen Verhaltnisse seit Erlass des\nUrteils des VG Stuttgart in Bezug auf die fur den Klager dort angenommene\nVerfolgungsgefahr und der verfolgungsbedingten Gefahren im Kosovo geandert.\nDie Gefahr, dass der Klager wegen seiner Mitorganisation der antiserbischen\nDemonstration am 01.10.1997 auch heute noch von den serbischen Behorden\nverfolgt wird, trifft fur den Kosovo nicht mehr zu. Diesbezuglich wird auf die\nAusfuhrungen in dem angefochtenen Bescheid Bezug genommen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Zum gegenwartigen Zeitpunkt liegen in Bezug auf den Klager auch nicht die\nVoraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vor. Danach darf in Anwendung der\nGenfer Fluchtlingskonvention ein Auslander nicht in einen Staat abgeschoben\nwerden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion,\nStaatsangehorigkeit, seiner Zugehorigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe\noder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist (S. 1). Dabei kann eine\nVerfolgung im Sinne von S. 1 ausgehend von a) dem Staat, b) Parteien oder\nOrganisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets\nbeherrschen oder c) nicht staatlichen Akteuren, sofern die unter den\nBuchstaben a) und b) genannten Akteure einschließlich internationaler\nOrganisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht Willens sind,\nSchutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhangig davon, ob in dem Land\neine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es\nbesteht eine inlandische Fluchtalternative (S. 4). \n--- \n| 24 \n--- \n| Grunde, aus denen nach § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG von einem Widerruf\nabzusehen ware, sind vorliegend nicht erkennbar. Es bedarf keiner Entscheidung\ndaruber, ob der Widerruf „unverzuglich" im Sinne von § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG\nerfolgte. Denn der Klager ware auch dann nicht in seinen Rechten verletzt,\nwenn diese Pflicht verletzt worden ware (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO) (BVerwG,\nBeschl. v. 27.06.1997 - 9 B 280/97 - [juris]; VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v.\n26.03.1997 - A 14 S 2854/96 -, AuAS 1997, S. 162 f. m.w.N.). \n--- \n| 25 \n--- \n| Der angegriffene Bundesamtsbescheid verstoßt aber auch nicht gegen die\nJahresfrist des § 48 Abs. 4 S. 1 i.V.m. § 49 Abs. 2 S. 2 VwVfG, da fur deren\nerganzende Anwendung im Rahmen der Regelung des § 73 Abs. 1 AsylVfG kein Raum\nist (VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 12.08.2003, AuAS 2003, 274 = InfAuslR 2003, 455\n= VBlBW 2004, 36). Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar bislang offen\ngelassen, ob die Jahresfrist bei einem Widerruf nach § 73 AsylVfG uberhaupt\nanwendbar ist (BVerwGE 118, 174 [179]). Aber auch nach der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts hatte die Jahresfrist fruhestens nach der Anhorung\ndes Klagers mit einer angemessenen Frist zur Stellungnahme zu laufen begonnen\n(vgl. BVerwGE 118, 174 [179]; BVerwG, Urt. v. 20.09.2001 - 7 C 6.91 -,\nBuchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 103). Nachdem der Klager mit Schreiben vom\n03.11.2004 angehort und der Widerruf mit Bescheid vom 15.02.2005 verfugt\nwurde, ist die Jahresfrist jedenfalls gewahrt. \n--- \n| 26 \n--- \n| Der Widerruf ist nicht deshalb rechtswidrig, weil ihm keine\nErmessensentscheidung zugrunde liegt. Nach der mit Zuwanderungsgesetz vom\n30.07.2004 (BGBl. I S. 1950) eingefuhrten und ab 01.01.2005 geltenden\nVorschrift des § 73 Abs. 2a S. 1 i.V.m. Abs. 3 AsylVfG (Art. 15 Abs. 3\nZuwanderungsgesetz) hat die Prufung, ob die Voraussetzungen fur einen Widerruf\nnach Abs. 1 oder eine Rucknahme nach Abs. 2 vorliegen, spatestens nach Ablauf\nvon drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu erfolgen. Das\nErgebnis ist der Auslanderbehorde mitzuteilen (S. 2). Ist nach der Prufung ein\nWiderruf oder eine Rucknahme nicht erfolgt, so steht eine spatere Entscheidung\nnach Abs. 1 oder Abs. 2 im Ermessen (S. 3). Die Erforderlichkeit der\nErmessensentscheidung ist an die vorherige Durchfuhrung eines Prufverfahrens\ngekoppelt, das spatestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit\nder Entscheidung zu erfolgen hat. \n--- \n| 27 \n--- \n| § 73 Abs. 2a AsylVfG ist hier nicht anwendbar. Fur diese Änderung des § 73\nAsylVfG existiert keine ausdrucklich geregelte Übergangsvorschrift. Die\nVorschriften in den §§ 87 ff. AsylVfG gelten unmittelbar nur fur fruhere\nRechtsanderungen. Fehlt eine Übergangsvorschrift, sind die konkrete Rechtsnorm\nund ihre Auslegung maßgeblich dafur um die Frage zu beantworten, auf welche\nRechtsverhaltnisse die Norm angewandt werden soll (BVerfG, Beschl. v.\n16.01.2001 - 1 BvL 6/01 -; vgl. zu Widerrufsentscheidungen nach § 73 Abs. 1\nAsylVfG, die vor dem 01.01.2005 wirksam bekannt gegeben worden sind: VG\nKarlsruhe, Urt. v. 10.03.2005 - A 2 K 12193/03 - u. Urt. v. 17.01.2005 - A 2 K\n12256/03 - m.w.N. u. Urt. v. 04.02.2005 - A 3 K 11689/04 -; vgl. auch VG\nDarmstadt Urt. v. 12.01. 2005 - 1 E 1226/03.A(3) -). \n--- \n| 28 \n--- \n| Der Wortlaut § 73 Abs. 2a AsylVfG und ein Vergleich mit § 73 Abs. 1 AsylVfG\nin der heute fort geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 27.07.1993 (BGBl. I\nS. 1361) lassen die Auslegung zu, dass die Drei-Jahres-Frist des § 73 Abs. 2a\nS. 1 AsylVfG bei den vor dem 01.01.2005 unanfechtbar abgeschlossenen positiven\nAsylverfahren und Feststellungen gemaß § 51 Abs. 1 AuslG nicht an die\nUnanfechtbarkeit der vorausgegangenen Bescheide gebunden sein kann, weil in\nFallen wie hier drei Jahre seit Unanfechtbarkeit bis zur Widerrufsentscheidung\nnach dem 01.01.2005 bereits vergangen sind und es vor dem 01.01.2005 keine\n„Prufung" im Sinne des § 73 Abs. 2a AsylVfG gab. Auf diese „Prufung" bezieht\nsich Satz 3 dieser Bestimmung, indem er eine spatere Entscheidung nach § 73\nAbs. 1 oder 2 AsylVfG in das Ermessen der Behorde stellt, wenn ein Widerruf\noder eine Rucknahme nicht nach der „Prufung" erfolgt ist. § 73 Abs. 1 AsylVfG\ni.d.F. vom 27.07.1993 sah fur Widerrufsverfahren bislang lediglich vor, die\nAnerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die\nVoraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, seien „unverzuglich" zu\nwiderrufen, wenn die Voraussetzungen fur sie nicht mehr vorlagen. Faktisch mag\ndem aufgrund der Rechtslage vor dem 01.01.2005 ergangenen Widerruf zwar eine\n„Prufung" (BT-Drs. 15/420 S. 129) vorausgegangen sein, namlich um\nfestzustellen, ob unverzuglich zu widerrufen ist. Die Widerrufsbestimmungen im\nAsylVfG kannten den Begriff „Prufung" bis zur Einfuhrung des § 73 Abs. 2a\nAsylVfG nicht. § 73 Abs. 3 - 6 AsylVfG in der bis heute geltenden Fassung der\nBekanntmachung vom 27.07.1993 verwendet die Begriffe „Entscheidung" (Abs. 3),\nbzw. „Entscheidungen" und „Mitteilungen" (Abs. 5) sowie das Verb „entscheidet"\n(Abs. 4 S. 1). Eine fristgebundene (nach Ablauf von drei Jahren ergangene)\n„Prufung" konnte deshalb in den vor dem 01.01.2005 eingeleiteten\nWiderrufsverfahren, wie hier, nicht durchgefuhrt werden, auch wenn der\nWiderrufsbescheid nach dem 01.01.2005 erlassen wurde. Mit anderen Worten: Hat\nes fur Widerrufsverfahren vor dem 01.01.2005 keine „Prufung" gegeben, kann fur\neine spatere nach dem 01.01.2005 ergangene Widerrufsentscheidung im Sinne des\n§ 73 Abs. 2a S. 3 AsylVfG keine - eine solche „Prufung" voraussetzende -\nErmessensentscheidung gefordert werden, sie erfolgt nicht „nach der Prufung"\nim Sinne des § 73 Abs. 2a AsylVfG. Selbst wenn in der Dauer des Ende 2004\neingeleiteten Widerrufsverfahrens bis zum Erlass des Widerrufs am 15. 02.2005\neine „Prufung" zu sehen ware, waren hier die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2a\nAsylVfG nicht erfullt, weil die Entscheidung uber den Widerruf vom 02.05.2005\nnach der Anhorung und ohne Mitteilung eines Prufungsergebnisses an die\nAuslanderbehorde angeordnet wurde, sie erging nicht spater. \n--- \n| 29 \n--- \n| Diese am Wortlaut orientierte Auslegung wird unterstutzt durch den\nZusammenhang einer spateren Entscheidung uber den Widerruf mit der\nMitteilungspflicht uber das Prufungsergebnis (§ 73 Abs. 2a S. 2 AsylVfG) und\nder darauf bezogenen auslanderrechtlichen Position des Betroffenen gemaß § 26\nAbs. 3 AufenthG in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung vom 30.07.2004 (Art. 15\nAbs. 2 Zuwanderungsgesetz). Danach ist einem Auslander, der seit drei Jahren\neine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 oder 2 besitzt, eine\nNiederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt fur Migration und\nFluchtlinge gemaß § 73 Abs. 2a AsylVfG mitgeteilt hat, dass die\nVoraussetzungen fur den Widerruf oder die Rucknahme nicht vorliegen. Der\nBesitz einer Niederlassungserlaubnis nach vorausgegangener Mitteilung wird bei\neiner spateren Entscheidung uber den Widerruf im Rahmen der\nErmessensentscheidung zu berucksichtigen sein und hierfur macht die Einraumung\neines Ermessensspielraums Sinn. Das AuslG sah die Erteilung einer befristeten\nund unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (§§ 15, 24 AuslG) und unter den\nVoraussetzungen des § 27 Abs. 3 Nr. 3 AuslG eine Aufenthaltsberechtigung vor.\nKeines dieser Rechte setzte die Mitteilung des Prufungsergebnisses voraus,\nweil es eine solche Prufung nicht gab. Das in § 73 Abs. 2a S. 3 AsylVfG\nangeordnete Ermessen gilt nur fur den nach der Mitteilung an die\nAuslanderbehorde angeordneten Widerruf. \n--- \n| 30 \n--- \n| Sinn und Zweck des Gesetzes und der in der Gesetzesbegrundung zum Ausdruck\ngebrachte Willen des Gesetzgebers bestatigen die vorstehende Auslegung. Mit\nder „Einfuhrung einer obligatorischen Überprufungspflicht (§ 73 Abs. 2a)" soll\nerreicht werden, dass die Vorschriften uber den Widerruf und die Rucknahme,\ndie in der Praxis bislang weitgehend leer gelaufen sind, „an Bedeutung\ngewinnen" (BT-Drs. 15/420 S. 112). Eine obligatorische Überprufung nach drei\nJahren dient der Beschleunigung der Widerrufsverfahren und der\nRechtssicherheit fur die Auslanderbehorden und die Betroffenen sowie deren\nSchutz. Hierzu ist in der Gesetzesbegrundung weiter ausgefuhrt, spatestens\nnach Ablauf von drei Jahren ist vom Bundesamt zu prufen, ob die ursprunglichen\nAnerkennungsvoraussetzungen nachtraglich weggefallen oder zu Unrecht\nangenommen worden sind. Diese Überprufungen sollen generell anhand der\naktuellen Landerberichte des Auswartigen Amtes erfolgen. Ergibt sich hieraus\neine neue Situation ist das Bundesamt gehalten, die entsprechenden\nAnerkennungsentscheidungen auf der Grundlage der neuen Landerberichte erneut\nzu uberprufen. Die Ergebnisse der Prufung sind der Auslanderbehorde\nmitzuteilen, damit diese uber den Aufenthaltstitel (§ 26 Abs. 3 AufenthG)\nbefinden kann (BT-Drs. 15/420 S. 112 u. S. 80). Die Gesetzesbegrundung hebt\nferner mit der Formulierung „Einfuhrung" eines obligatorischen\nÜberprufungsrechts binnen drei Jahren hervor, dass damit fur Widerrufs- und\nRucknahmeverfahren ein neues Instrumentarium geschaffen wurde. Die\n„Einfuhrung" der Prufung ist ohne Überleitungsvorschrift nur fur auf der\nGrundlage des § 73 Abs. 1 i.V.m. 2a AsylVfG ergangene Widerrufs- oder\nRucknahmeverfahren gedacht (ebenso VG Gottingen, Urt. v. 26.04.2005 - 2 A\n222/04 -). Der Wille des Gesetzgebers, § 73 Abs. 2a AsylVfG nicht auf Falle\nanzuwenden, in denen vor dem 01.01.2005 Rechtsstellungen der auslandischen\nFluchtlinge widerrufen wurden, hat auch in den Vorschlagen im\nGesetzgebungsverfahren zu einer nicht in Kraft getretenen\nÜberleitungsvorschrift in § 104 Abs. 6 AufenthG seinen Niederschlag gefunden\n(BT-Drs. 15/4173 v. 10.11.2004, S. 29, 40, 45 zu § 104 Abs. 6 AufenthG, BT-\nDrs. 15/4491 u. BT-Drs. 918/1/04 v. 23.11.04, BT-Drs. 987/04 v. 15.12.2004; VG\nGottingen, Urt. v. 26.04.2005 - 2 A 222/04 -). \n--- \n| 31 \n--- \n| Die gegenteilige Auffassung stutzt sich darauf, die Rechtsposition des\nanerkannten Asylbewerbers sei nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers\njeweils der neuen - gegebenenfalls fur den Asylbewerber gunstigeren\nRechtsposition - anzupassen, was auch das Fehlen einer Übergangsregelung zeige\n(VG Arnsberg, Urt. v. 14.01.2005 - 12 521/04.A -). Dem kann nach dem zu\nWortlaut und Gesetzesbegrundung Gesagten nicht gefolgt werden. \n--- \n| 32 \n--- \n| Ob sich der Klager auf eine fehlende Ermessensentscheidung berufen kann,\nbzw. ob die Drei-Jahres-Frist des § 73 Abs. 2a AsylVfG im Interesse des vom\nWiderruf Betroffenen steht, bedarf keiner abschließenden Entscheidung\n(bejahend, VG Karlsruhe, Urt. v. 10.03.2005, a.a.O.,; a.A., VG Braunschweig,\nUrt. v. 17.02.2005 - 6 A 524/04 -; vgl. BVerwGE 39, 238 f.). Zur Klarstellung\nmerkt das Gericht an: Eine Ermessensentscheidung ist nicht schon deshalb\nentbehrlich, weil kein Vertrauensschutz zu beachten ist (so aber VG Karlsruhe,\nUrt. v. 27.04.2005 - A 11 K 11712/04 - u. v. 10.03.2005 - A 2 K 12193/03 und A\n2 K 12256/03 -). Die Ermessensentscheidung nach § 73 Abs. 2a S. 3 AsylVfG ist\nam Zweck der Ermachtigungsgrundlage zu orientieren, an § 73 Abs. 1 AsylVfG und\nam Zweck des nach Prufung ergangenen spateren Widerrufs. Dabei sind\noffentliche und private Belange gegeneinander abzuwagen und der\nGleichheitsgrundsatz zu beachten. Zu den privaten Belangen rechnet u.a. die\nWirkung der Mitteilung nach § 73 Abs. 2a AsylVfG auf die Erteilung der\nAufenthaltserlaubnis nach § 26 Abs. 2 AufenthG und die damit einhergehende\nVerfestigung seines Aufenthalts. Denkbar sind ferner mehrere offentliche\nBelange mit unterschiedlichem Gewicht, die eine nur im offentlichen Interesse\nliegende Ermessensentscheidung gebieten konnen, etwa eine per Erlass geregelte\nReihenfolge des vom Widerruf betroffenen Personenkreises nach zeitlichen und\nsachlichen Gesichtspunkten. Die zustandigen Behorden sind an diese Materie\nregelnde Verwaltungsvorschriften aufgrund Art. 3 Abs. 1 GG gebunden, und zwar\nauch dann, wenn sie nicht dem Schutz des Burgers dienen und dieser keinen\nAnspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hat (vgl. zum Ganzen: Durig: in\nMaunz/Durig/Herzog/Scholz, GG, Art. 3 Rdnr. 428 ff. 433; Kopp, VwVfG, Komm.,\n7. Aufl., § 40 Rdnr. 66; VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 13.12.1999 - 4 S 2518/97-,\nVGHBW-Ls 2000, Beilage 3 B). Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass\nsolche Erlassregelungen unter Verstoß gegen Art. 3 GG angewendet wurden. \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Frage, ob in Widerrufsfallen nach dem 01.01.2005 ohne vorausgegangene\nPrufung und Mitteilung nach § 73 Abs. 2a S. 1 und 2 AsylVfG aufgrund\nbesonderer Umstande des Einzelfalles eine Ermessensentscheidung geboten und\ndeshalb § 73 Abs. 2a S. 3 AsylVfG entsprechend anwendbar ist, bedarf hier\nkeiner Entscheidung. Denn im Falle des Klagers sind keine Gesichtspunkte\nerkennbar, die eine Ermessensausubung gebieten wurden, insbesondere hat das\nBundesamt seit der Feststellung des § 51 Abs. 1 AuslG bis zum Widerruf keinen\nVertrauenstatbestand geschaffen, der nach dem im offentlichen Recht geltenden\nGrundsatz von Treu und Glauben (BVerwGE 44, 339, 343; E 48, 247,250; E 52, 16\nff., 25) zu berucksichtigen ware. \n--- \n| 34 \n--- \n| Im Falle des Klagers liegen auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 - 7\nAufenthG nicht vor. Insoweit fehlt es nach den obigen Ausfuhrungen an\ntatsachlichen Anhaltspunkten. \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG verlangt\nwegen der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG dann, wenn sich der\nAuslander nur auf Gefahren beruft, denen die Bevolkerung oder die\nBevolkerungsgruppe, der der Auslander angehort, allgemein ausgesetzt ist, dass\neine Gefahrenlage gegeben ist, die landesweit so beschaffen ist, dass der von\neiner Abschiebung Betroffene gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder\nschwersten Verletzungen ausgeliefert oder der extremen Gefahr ausgesetzt ware,\nmangels ausreichender Existenzmoglichkeiten an Hunger oder Krankheit zu\nsterben (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.07.2001 - 1 C 2.01 -, DVBl. 2001, 1531).\nDiese zu § 53 Abs. 6 AuslG ergangene Rechtsprechung gilt auch fur § 60 Abs. 7\nAufenthG, weil es sich insoweit nur um eine redaktionelle Änderung handelt\n(BT-Drs. 15/420, S. 91). Eine derart extreme Gefahrenlage besteht fur den\nKlager im Kosovo im Hinblick auf die allgemeine soziale und wirtschaftliche\nSituation und die Sicherheitslage nicht (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urt. v.\n23.08.2004 - A 6 S 70/04 -). \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b Abs. 1 AsylVfG. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 17 \n--- \n| Das Gericht konnte in der Sache verhandeln und entscheiden, obwohl die\nBeklagte in der mundlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Denn die dieser\nzugestellte Ladung enthielt einen entsprechenden Hinweis (§ 102 Abs. 2 VwGO). \n--- \n| 18 \n--- \n| Die zulassige Klage ist unbegrundet. \n--- \n| 19 \n--- \n| Der mit Bescheid vom 15.02.2005 ausgesprochene Widerruf der Feststellung,\ndass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, ist rechtmaßig und\nverletzt den Klager nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Das\nBundesamt hat es auch zu Recht abgelehnt, das Vorliegen der Voraussetzungen\ndes § 60 Abs. 1, 2 - 5 und 7 AufenthG festzustellen, ein solcher Anspruch\nbesteht nicht (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Bei dieser Beurteilung hat das Gericht\nauf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mundlichen Verhandlung\nabzustellen (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG). \n--- \n| 20 \n--- \n| Rechtsgrundlage des Widerrufs ist § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG in der seit dem\n01.01.2005 geltenden Fassung. Danach sind die Anerkennung als Asylberechtigter\nund die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG\n(fruher § 51 Abs. 1 AuslG) vorliegen, unverzuglich zu widerrufen, wenn die\nVoraussetzungen fur sie nicht mehr vorliegen. § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG gilt\nauch fur die Falle, in denen die Feststellung der Voraussetzungen des § 51\nAbs. 1 AuslG widerrufen wird (VG Karlsruhe, Urt. v. 04.02.2005 - A 3 K\n11689/04 -). \n--- \n| 21 \n--- \n| Die mit Urteil des VG Stuttgart vom 12.08.1998 (XXX) festgestellte\nSachlage, aufgrund derer das Bundesamt verpflichtet wurde festzustellen, dass\ndie Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der Bundesrepublik\nJugoslawien (Republiken Serbien und Montenegro) vorliegen, hat sich\nnachtraglich so wesentlich geandert, dass eine Durchbrechung der Rechtskraft\ndes genannten Urteils gerechtfertigt ist. Die Feststellung, dass die\nVoraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, ist zu widerrufen, wenn die\nVoraussetzungen fur sie nicht mehr vorliegen, also insbesondere dann, wenn die\nGefahr politischer Verfolgung im Herkunftsstaat nicht mehr besteht. Dies ist\ndann der Fall, wenn sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen\nVerhaltnisse nachtraglich entscheidungserheblich verandert haben. Ein Widerruf\nist unabhangig davon zulassig, ob bei der Anerkennung eine Verfolgungsgefahr\nzu Recht oder zu Unrecht angenommen wurde. Hieran ist festzuhalten. Es spricht\nnamlich nichts dafur, dass der Gesetzgeber zu Unrecht anerkannte Asylbewerber\noder Fluchtlinge im Hinblick auf den Widerruf des Status bei spaterer\nerheblicher Veranderung der Verhaltnisse im Herkunftsland besser stellen\nwollte als rechtmaßig Anerkannte (BVerwG, Urt. v. 25.08.2004 - 1 C 22/03 -\n[juris]). Maßgeblicher Zeitpunkt bei der Prufung der Frage, wann eine Änderung\nder Sachlage eingetreten ist, ist beim Widerruf solcher Änderungsbescheide,\ndie in Erfullung eines rechtskraftigen Verpflichtungsurteils erlassen worden\nsind, derjenige, zu dem das zur Anerkennung verpflichtende Urteil ergangen ist\n(BVerwG; Urt. v. 08.05.2003, BVerwGE 118, 174 ff. = DVBl. 2003, 1280 ff.\nm.w.N.). Abzustellen ist danach auf die fur das rechtskraftig gewordene\nVerpflichtungsurteil maßgeblichen Verhaltnisse, d. h. auf die Sach- und\nRechtslage im Zeitpunkt der letzten mundlichen Verhandlung des\nTatsachengerichts bzw. - bei Entscheidungen ohne mundliche Verhandlung - des\nFallens seiner Entscheidung (§ 77 Abs. 1 S. 1 AsylVfG). Alle spateren\nTatsachenlagen sind von dem rechtskraftigen Verpflichtungsurteil und\ndemzufolge auch von dem in Erfullung eines solchen Urteils ergehenden\nBescheids regelmaßig nicht erfasst (BVerwG, Urt. v. 08.03.2003, a.a.O.,). \n--- \n| 22 \n--- \n| Ausgehend hiervon haben sich die tatsachlichen Verhaltnisse seit Erlass des\nUrteils des VG Stuttgart in Bezug auf die fur den Klager dort angenommene\nVerfolgungsgefahr und der verfolgungsbedingten Gefahren im Kosovo geandert.\nDie Gefahr, dass der Klager wegen seiner Mitorganisation der antiserbischen\nDemonstration am 01.10.1997 auch heute noch von den serbischen Behorden\nverfolgt wird, trifft fur den Kosovo nicht mehr zu. Diesbezuglich wird auf die\nAusfuhrungen in dem angefochtenen Bescheid Bezug genommen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Zum gegenwartigen Zeitpunkt liegen in Bezug auf den Klager auch nicht die\nVoraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vor. Danach darf in Anwendung der\nGenfer Fluchtlingskonvention ein Auslander nicht in einen Staat abgeschoben\nwerden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion,\nStaatsangehorigkeit, seiner Zugehorigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe\noder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist (S. 1). Dabei kann eine\nVerfolgung im Sinne von S. 1 ausgehend von a) dem Staat, b) Parteien oder\nOrganisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets\nbeherrschen oder c) nicht staatlichen Akteuren, sofern die unter den\nBuchstaben a) und b) genannten Akteure einschließlich internationaler\nOrganisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht Willens sind,\nSchutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhangig davon, ob in dem Land\neine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es\nbesteht eine inlandische Fluchtalternative (S. 4). \n--- \n| 24 \n--- \n| Grunde, aus denen nach § 73 Abs. 1 S. 3 AsylVfG von einem Widerruf\nabzusehen ware, sind vorliegend nicht erkennbar. Es bedarf keiner Entscheidung\ndaruber, ob der Widerruf „unverzuglich" im Sinne von § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG\nerfolgte. Denn der Klager ware auch dann nicht in seinen Rechten verletzt,\nwenn diese Pflicht verletzt worden ware (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO) (BVerwG,\nBeschl. v. 27.06.1997 - 9 B 280/97 - [juris]; VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v.\n26.03.1997 - A 14 S 2854/96 -, AuAS 1997, S. 162 f. m.w.N.). \n--- \n| 25 \n--- \n| Der angegriffene Bundesamtsbescheid verstoßt aber auch nicht gegen die\nJahresfrist des § 48 Abs. 4 S. 1 i.V.m. § 49 Abs. 2 S. 2 VwVfG, da fur deren\nerganzende Anwendung im Rahmen der Regelung des § 73 Abs. 1 AsylVfG kein Raum\nist (VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 12.08.2003, AuAS 2003, 274 = InfAuslR 2003, 455\n= VBlBW 2004, 36). Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar bislang offen\ngelassen, ob die Jahresfrist bei einem Widerruf nach § 73 AsylVfG uberhaupt\nanwendbar ist (BVerwGE 118, 174 [179]). Aber auch nach der Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts hatte die Jahresfrist fruhestens nach der Anhorung\ndes Klagers mit einer angemessenen Frist zur Stellungnahme zu laufen begonnen\n(vgl. BVerwGE 118, 174 [179]; BVerwG, Urt. v. 20.09.2001 - 7 C 6.91 -,\nBuchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 103). Nachdem der Klager mit Schreiben vom\n03.11.2004 angehort und der Widerruf mit Bescheid vom 15.02.2005 verfugt\nwurde, ist die Jahresfrist jedenfalls gewahrt. \n--- \n| 26 \n--- \n| Der Widerruf ist nicht deshalb rechtswidrig, weil ihm keine\nErmessensentscheidung zugrunde liegt. Nach der mit Zuwanderungsgesetz vom\n30.07.2004 (BGBl. I S. 1950) eingefuhrten und ab 01.01.2005 geltenden\nVorschrift des § 73 Abs. 2a S. 1 i.V.m. Abs. 3 AsylVfG (Art. 15 Abs. 3\nZuwanderungsgesetz) hat die Prufung, ob die Voraussetzungen fur einen Widerruf\nnach Abs. 1 oder eine Rucknahme nach Abs. 2 vorliegen, spatestens nach Ablauf\nvon drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu erfolgen. Das\nErgebnis ist der Auslanderbehorde mitzuteilen (S. 2). Ist nach der Prufung ein\nWiderruf oder eine Rucknahme nicht erfolgt, so steht eine spatere Entscheidung\nnach Abs. 1 oder Abs. 2 im Ermessen (S. 3). Die Erforderlichkeit der\nErmessensentscheidung ist an die vorherige Durchfuhrung eines Prufverfahrens\ngekoppelt, das spatestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit\nder Entscheidung zu erfolgen hat. \n--- \n| 27 \n--- \n| § 73 Abs. 2a AsylVfG ist hier nicht anwendbar. Fur diese Änderung des § 73\nAsylVfG existiert keine ausdrucklich geregelte Übergangsvorschrift. Die\nVorschriften in den §§ 87 ff. AsylVfG gelten unmittelbar nur fur fruhere\nRechtsanderungen. Fehlt eine Übergangsvorschrift, sind die konkrete Rechtsnorm\nund ihre Auslegung maßgeblich dafur um die Frage zu beantworten, auf welche\nRechtsverhaltnisse die Norm angewandt werden soll (BVerfG, Beschl. v.\n16.01.2001 - 1 BvL 6/01 -; vgl. zu Widerrufsentscheidungen nach § 73 Abs. 1\nAsylVfG, die vor dem 01.01.2005 wirksam bekannt gegeben worden sind: VG\nKarlsruhe, Urt. v. 10.03.2005 - A 2 K 12193/03 - u. Urt. v. 17.01.2005 - A 2 K\n12256/03 - m.w.N. u. Urt. v. 04.02.2005 - A 3 K 11689/04 -; vgl. auch VG\nDarmstadt Urt. v. 12.01. 2005 - 1 E 1226/03.A(3) -). \n--- \n| 28 \n--- \n| Der Wortlaut § 73 Abs. 2a AsylVfG und ein Vergleich mit § 73 Abs. 1 AsylVfG\nin der heute fort geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 27.07.1993 (BGBl. I\nS. 1361) lassen die Auslegung zu, dass die Drei-Jahres-Frist des § 73 Abs. 2a\nS. 1 AsylVfG bei den vor dem 01.01.2005 unanfechtbar abgeschlossenen positiven\nAsylverfahren und Feststellungen gemaß § 51 Abs. 1 AuslG nicht an die\nUnanfechtbarkeit der vorausgegangenen Bescheide gebunden sein kann, weil in\nFallen wie hier drei Jahre seit Unanfechtbarkeit bis zur Widerrufsentscheidung\nnach dem 01.01.2005 bereits vergangen sind und es vor dem 01.01.2005 keine\n„Prufung" im Sinne des § 73 Abs. 2a AsylVfG gab. Auf diese „Prufung" bezieht\nsich Satz 3 dieser Bestimmung, indem er eine spatere Entscheidung nach § 73\nAbs. 1 oder 2 AsylVfG in das Ermessen der Behorde stellt, wenn ein Widerruf\noder eine Rucknahme nicht nach der „Prufung" erfolgt ist. § 73 Abs. 1 AsylVfG\ni.d.F. vom 27.07.1993 sah fur Widerrufsverfahren bislang lediglich vor, die\nAnerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die\nVoraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen, seien „unverzuglich" zu\nwiderrufen, wenn die Voraussetzungen fur sie nicht mehr vorlagen. Faktisch mag\ndem aufgrund der Rechtslage vor dem 01.01.2005 ergangenen Widerruf zwar eine\n„Prufung" (BT-Drs. 15/420 S. 129) vorausgegangen sein, namlich um\nfestzustellen, ob unverzuglich zu widerrufen ist. Die Widerrufsbestimmungen im\nAsylVfG kannten den Begriff „Prufung" bis zur Einfuhrung des § 73 Abs. 2a\nAsylVfG nicht. § 73 Abs. 3 - 6 AsylVfG in der bis heute geltenden Fassung der\nBekanntmachung vom 27.07.1993 verwendet die Begriffe „Entscheidung" (Abs. 3),\nbzw. „Entscheidungen" und „Mitteilungen" (Abs. 5) sowie das Verb „entscheidet"\n(Abs. 4 S. 1). Eine fristgebundene (nach Ablauf von drei Jahren ergangene)\n„Prufung" konnte deshalb in den vor dem 01.01.2005 eingeleiteten\nWiderrufsverfahren, wie hier, nicht durchgefuhrt werden, auch wenn der\nWiderrufsbescheid nach dem 01.01.2005 erlassen wurde. Mit anderen Worten: Hat\nes fur Widerrufsverfahren vor dem 01.01.2005 keine „Prufung" gegeben, kann fur\neine spatere nach dem 01.01.2005 ergangene Widerrufsentscheidung im Sinne des\n§ 73 Abs. 2a S. 3 AsylVfG keine - eine solche „Prufung" voraussetzende -\nErmessensentscheidung gefordert werden, sie erfolgt nicht „nach der Prufung"\nim Sinne des § 73 Abs. 2a AsylVfG. Selbst wenn in der Dauer des Ende 2004\neingeleiteten Widerrufsverfahrens bis zum Erlass des Widerrufs am 15. 02.2005\neine „Prufung" zu sehen ware, waren hier die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2a\nAsylVfG nicht erfullt, weil die Entscheidung uber den Widerruf vom 02.05.2005\nnach der Anhorung und ohne Mitteilung eines Prufungsergebnisses an die\nAuslanderbehorde angeordnet wurde, sie erging nicht spater. \n--- \n| 29 \n--- \n| Diese am Wortlaut orientierte Auslegung wird unterstutzt durch den\nZusammenhang einer spateren Entscheidung uber den Widerruf mit der\nMitteilungspflicht uber das Prufungsergebnis (§ 73 Abs. 2a S. 2 AsylVfG) und\nder darauf bezogenen auslanderrechtlichen Position des Betroffenen gemaß § 26\nAbs. 3 AufenthG in der ab 01.01.2005 geltenden Fassung vom 30.07.2004 (Art. 15\nAbs. 2 Zuwanderungsgesetz). Danach ist einem Auslander, der seit drei Jahren\neine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 oder 2 besitzt, eine\nNiederlassungserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt fur Migration und\nFluchtlinge gemaß § 73 Abs. 2a AsylVfG mitgeteilt hat, dass die\nVoraussetzungen fur den Widerruf oder die Rucknahme nicht vorliegen. Der\nBesitz einer Niederlassungserlaubnis nach vorausgegangener Mitteilung wird bei\neiner spateren Entscheidung uber den Widerruf im Rahmen der\nErmessensentscheidung zu berucksichtigen sein und hierfur macht die Einraumung\neines Ermessensspielraums Sinn. Das AuslG sah die Erteilung einer befristeten\nund unbefristeten Aufenthaltserlaubnis (§§ 15, 24 AuslG) und unter den\nVoraussetzungen des § 27 Abs. 3 Nr. 3 AuslG eine Aufenthaltsberechtigung vor.\nKeines dieser Rechte setzte die Mitteilung des Prufungsergebnisses voraus,\nweil es eine solche Prufung nicht gab. Das in § 73 Abs. 2a S. 3 AsylVfG\nangeordnete Ermessen gilt nur fur den nach der Mitteilung an die\nAuslanderbehorde angeordneten Widerruf. \n--- \n| 30 \n--- \n| Sinn und Zweck des Gesetzes und der in der Gesetzesbegrundung zum Ausdruck\ngebrachte Willen des Gesetzgebers bestatigen die vorstehende Auslegung. Mit\nder „Einfuhrung einer obligatorischen Überprufungspflicht (§ 73 Abs. 2a)" soll\nerreicht werden, dass die Vorschriften uber den Widerruf und die Rucknahme,\ndie in der Praxis bislang weitgehend leer gelaufen sind, „an Bedeutung\ngewinnen" (BT-Drs. 15/420 S. 112). Eine obligatorische Überprufung nach drei\nJahren dient der Beschleunigung der Widerrufsverfahren und der\nRechtssicherheit fur die Auslanderbehorden und die Betroffenen sowie deren\nSchutz. Hierzu ist in der Gesetzesbegrundung weiter ausgefuhrt, spatestens\nnach Ablauf von drei Jahren ist vom Bundesamt zu prufen, ob die ursprunglichen\nAnerkennungsvoraussetzungen nachtraglich weggefallen oder zu Unrecht\nangenommen worden sind. Diese Überprufungen sollen generell anhand der\naktuellen Landerberichte des Auswartigen Amtes erfolgen. Ergibt sich hieraus\neine neue Situation ist das Bundesamt gehalten, die entsprechenden\nAnerkennungsentscheidungen auf der Grundlage der neuen Landerberichte erneut\nzu uberprufen. Die Ergebnisse der Prufung sind der Auslanderbehorde\nmitzuteilen, damit diese uber den Aufenthaltstitel (§ 26 Abs. 3 AufenthG)\nbefinden kann (BT-Drs. 15/420 S. 112 u. S. 80). Die Gesetzesbegrundung hebt\nferner mit der Formulierung „Einfuhrung" eines obligatorischen\nÜberprufungsrechts binnen drei Jahren hervor, dass damit fur Widerrufs- und\nRucknahmeverfahren ein neues Instrumentarium geschaffen wurde. Die\n„Einfuhrung" der Prufung ist ohne Überleitungsvorschrift nur fur auf der\nGrundlage des § 73 Abs. 1 i.V.m. 2a AsylVfG ergangene Widerrufs- oder\nRucknahmeverfahren gedacht (ebenso VG Gottingen, Urt. v. 26.04.2005 - 2 A\n222/04 -). Der Wille des Gesetzgebers, § 73 Abs. 2a AsylVfG nicht auf Falle\nanzuwenden, in denen vor dem 01.01.2005 Rechtsstellungen der auslandischen\nFluchtlinge widerrufen wurden, hat auch in den Vorschlagen im\nGesetzgebungsverfahren zu einer nicht in Kraft getretenen\nÜberleitungsvorschrift in § 104 Abs. 6 AufenthG seinen Niederschlag gefunden\n(BT-Drs. 15/4173 v. 10.11.2004, S. 29, 40, 45 zu § 104 Abs. 6 AufenthG, BT-\nDrs. 15/4491 u. BT-Drs. 918/1/04 v. 23.11.04, BT-Drs. 987/04 v. 15.12.2004; VG\nGottingen, Urt. v. 26.04.2005 - 2 A 222/04 -). \n--- \n| 31 \n--- \n| Die gegenteilige Auffassung stutzt sich darauf, die Rechtsposition des\nanerkannten Asylbewerbers sei nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers\njeweils der neuen - gegebenenfalls fur den Asylbewerber gunstigeren\nRechtsposition - anzupassen, was auch das Fehlen einer Übergangsregelung zeige\n(VG Arnsberg, Urt. v. 14.01.2005 - 12 521/04.A -). Dem kann nach dem zu\nWortlaut und Gesetzesbegrundung Gesagten nicht gefolgt werden. \n--- \n| 32 \n--- \n| Ob sich der Klager auf eine fehlende Ermessensentscheidung berufen kann,\nbzw. ob die Drei-Jahres-Frist des § 73 Abs. 2a AsylVfG im Interesse des vom\nWiderruf Betroffenen steht, bedarf keiner abschließenden Entscheidung\n(bejahend, VG Karlsruhe, Urt. v. 10.03.2005, a.a.O.,; a.A., VG Braunschweig,\nUrt. v. 17.02.2005 - 6 A 524/04 -; vgl. BVerwGE 39, 238 f.). Zur Klarstellung\nmerkt das Gericht an: Eine Ermessensentscheidung ist nicht schon deshalb\nentbehrlich, weil kein Vertrauensschutz zu beachten ist (so aber VG Karlsruhe,\nUrt. v. 27.04.2005 - A 11 K 11712/04 - u. v. 10.03.2005 - A 2 K 12193/03 und A\n2 K 12256/03 -). Die Ermessensentscheidung nach § 73 Abs. 2a S. 3 AsylVfG ist\nam Zweck der Ermachtigungsgrundlage zu orientieren, an § 73 Abs. 1 AsylVfG und\nam Zweck des nach Prufung ergangenen spateren Widerrufs. Dabei sind\noffentliche und private Belange gegeneinander abzuwagen und der\nGleichheitsgrundsatz zu beachten. Zu den privaten Belangen rechnet u.a. die\nWirkung der Mitteilung nach § 73 Abs. 2a AsylVfG auf die Erteilung der\nAufenthaltserlaubnis nach § 26 Abs. 2 AufenthG und die damit einhergehende\nVerfestigung seines Aufenthalts. Denkbar sind ferner mehrere offentliche\nBelange mit unterschiedlichem Gewicht, die eine nur im offentlichen Interesse\nliegende Ermessensentscheidung gebieten konnen, etwa eine per Erlass geregelte\nReihenfolge des vom Widerruf betroffenen Personenkreises nach zeitlichen und\nsachlichen Gesichtspunkten. Die zustandigen Behorden sind an diese Materie\nregelnde Verwaltungsvorschriften aufgrund Art. 3 Abs. 1 GG gebunden, und zwar\nauch dann, wenn sie nicht dem Schutz des Burgers dienen und dieser keinen\nAnspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung hat (vgl. zum Ganzen: Durig: in\nMaunz/Durig/Herzog/Scholz, GG, Art. 3 Rdnr. 428 ff. 433; Kopp, VwVfG, Komm.,\n7. Aufl., § 40 Rdnr. 66; VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 13.12.1999 - 4 S 2518/97-,\nVGHBW-Ls 2000, Beilage 3 B). Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass\nsolche Erlassregelungen unter Verstoß gegen Art. 3 GG angewendet wurden. \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Frage, ob in Widerrufsfallen nach dem 01.01.2005 ohne vorausgegangene\nPrufung und Mitteilung nach § 73 Abs. 2a S. 1 und 2 AsylVfG aufgrund\nbesonderer Umstande des Einzelfalles eine Ermessensentscheidung geboten und\ndeshalb § 73 Abs. 2a S. 3 AsylVfG entsprechend anwendbar ist, bedarf hier\nkeiner Entscheidung. Denn im Falle des Klagers sind keine Gesichtspunkte\nerkennbar, die eine Ermessensausubung gebieten wurden, insbesondere hat das\nBundesamt seit der Feststellung des § 51 Abs. 1 AuslG bis zum Widerruf keinen\nVertrauenstatbestand geschaffen, der nach dem im offentlichen Recht geltenden\nGrundsatz von Treu und Glauben (BVerwGE 44, 339, 343; E 48, 247,250; E 52, 16\nff., 25) zu berucksichtigen ware. \n--- \n| 34 \n--- \n| Im Falle des Klagers liegen auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 - 7\nAufenthG nicht vor. Insoweit fehlt es nach den obigen Ausfuhrungen an\ntatsachlichen Anhaltspunkten. \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG verlangt\nwegen der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 S. 2 AufenthG dann, wenn sich der\nAuslander nur auf Gefahren beruft, denen die Bevolkerung oder die\nBevolkerungsgruppe, der der Auslander angehort, allgemein ausgesetzt ist, dass\neine Gefahrenlage gegeben ist, die landesweit so beschaffen ist, dass der von\neiner Abschiebung Betroffene gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder\nschwersten Verletzungen ausgeliefert oder der extremen Gefahr ausgesetzt ware,\nmangels ausreichender Existenzmoglichkeiten an Hunger oder Krankheit zu\nsterben (vgl. BVerwG, Urt. v. 12.07.2001 - 1 C 2.01 -, DVBl. 2001, 1531).\nDiese zu § 53 Abs. 6 AuslG ergangene Rechtsprechung gilt auch fur § 60 Abs. 7\nAufenthG, weil es sich insoweit nur um eine redaktionelle Änderung handelt\n(BT-Drs. 15/420, S. 91). Eine derart extreme Gefahrenlage besteht fur den\nKlager im Kosovo im Hinblick auf die allgemeine soziale und wirtschaftliche\nSituation und die Sicherheitslage nicht (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urt. v.\n23.08.2004 - A 6 S 70/04 -). \n--- \n| 36 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b Abs. 1 AsylVfG. \n--- \n \n## Sonstige Literatur\n\n| \n---|--- \n| 37 \n--- \n| RECHTSMITTELBELEHRUNG: \n--- \n| 38 \n--- \n| Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem\nVerwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg zugelassen wird. Der Antrag auf\nZulassung der Berufung ist innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des\nUrteils beim Verwaltungsgericht Karlsruhe, Postfach 11 14 51, 76064 Karlsruhe,\noder Nordliche Hildapromenade 1, 76133 Karlsruhe, zu stellen. \n--- \n| 39 \n--- \n| Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die\nGrunde, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung ist\nnur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsatzliche Bedeutung hat oder das\nUrteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des\nBundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshofe\ndes Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser\nAbweichung beruht oder ein in § 138 VwGO bezeichneter Verfahrensmangel geltend\ngemacht wird und vorliegt. \n--- \n| 40 \n--- \n| Lasst der Verwaltungsgerichtshof die Berufung zu, wird das Antragsverfahren\nals Berufungsverfahren fortgesetzt. \n--- \n| 41 \n--- \n| Bei der Beantragung der Zulassung der Berufung muss sich jeder Beteiligte\ndurch einen Rechtsanwalt oder Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im\nSinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befahigung zum Richteramt als\nBevollmachtigten vertreten lassen. \n--- \n| 42 \n--- \n| Juristische Personen des offentlichen Rechts und Behorden konnen sich auch\ndurch Beamte oder Angestellte mit der Befahigung zum Richteramt sowie\nDiplomjuristen im hoheren Dienst vertreten lassen. \n---\n\n
141,104
lg-stuttgart-2005-07-15-10-t-22402
142
Landgericht Stuttgart
lg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
10 T 224/02
2005-07-15
2019-01-08 17:32:11
2019-01-17 12:01:16
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Auf die sofortige Beschwerde des Schuldners wird der Beschluss des\nAmtsgerichts Kirchheim unter Teck vom 6.5.2005 (Az.: 1 M 474/04)\n\nabgeandert:\n\nDem Schuldner wird die ihm durch den Vergleich des Arbeitsgerichts Stuttgart\nvom 6.4.2005 zugesprochene Abfindung in Hohe von 4.000 Euro freigegeben.\n\n2\\. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragt die Glaubigerin.\n\nBeschwerdewert: 2.388,69 Euro\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n--- \n| 1 \n--- \n| Durch Beschluss des Amtsgerichts Kirchheim vom 12.3.2004 wurde das\nArbeitseinkommen des Schuldners bei der Drittschuldnerin gepfandet und der\nGlaubigerin zur Einziehung uberwiesen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Im April 2005 hat der Schuldner Pfandungsschutz gemaß § 850 i Abs. I ZPO\nbeantragt mit dem Vorbringen, er habe aufgrund eines Prozessvergleichs vor dem\nArbeitsgericht vom 6.4.2005 einen noch nicht befriedigten Anspruch gegen die\nDrittschuldnerin auf Zahlung einer Sozialabfindung aus Anlass der Beendigung\neines Arbeitsverhaltnisses in Hohe von 4.000 Euro. Die Abfindung decke die\nDifferenz zwischen seinem bisherigen Arbeitslohn in Hohe von 1.300 Euro netto\nund dem von ihm nunmehr bezogenen Arbeitslosengeld in Hohe von 161 Euro netto\nab, weshalb die Abfindung in voller Hohe freizugeben sei. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Beschluss vom 6.5.2005 hat das Amtsgericht einen Betrag in Hohe von\n1.611,31 Euro freigegeben. Zur Begrundung hat es ausgefuhrt, der Umfang des\nnotwendigen Unterhalts bestimme sich nach den Maßstaben des § 850 d Abs. I S.\n2 ZPO. Dieser betrage fur den Schuldner bis zum 31.3.2005 925 Euro und ab\n1.4.2005 - wegen erhohter Wohnkosten - 945 Euro. Fur den Zeitraum Oktober 2004\nbis April 2005, fur welchen nach dem Vorbringen des Schuldners der\nAbfindungsbetrag bestimmt gewesen sei, benotige der Schuldner aus dem\nAbfindungsguthaben einen Betrag von 1.611,31 Euro um - zusammen mit dem\nbezogenen Arbeitslosengeld in Hohe von 697,67 Euro monatlich - seinen\nsozialhilferechtlichen Mindestbedarf zu decken. \n--- \n| 4 \n--- \n| Gegen diese dem Schuldner am 11.5.2005 zugestellte Entscheidung hat der\nSchuldner mit am 17.5.2005 bei dem Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz\nsofortige Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 2.6.2005\nnicht abgeholfen hat. \n--- \n--- \nII. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Das Rechtsmittel ist gem. § 793 ZPO statthaft, rechtzeitig eingelegt und\nmithin zulassig. Es hat auch in der Sache Erfolg. \n--- \n| 6 \n--- \n| In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, wie der "notwendige\nUnterhalt" im Sinne von § 850 i ZPO zu bestimmen ist. \n--- \n| 7 \n--- \n| Nach einer Auffassung soll sich dieser an den Satzen des § 850 d ZPO i.V.m.\nmit den Vorschriften des 3. u. 11. Kapitels des SGB XII [ab 1.1.2005] bzw.\ni.V.m. mit den Vorschriften des 2. und 4. Abschnitts des BSHG [bis 31.12.2004]\norientieren (OLG Dusseldorf, NJW 1979, 2520; LG Mainz, Jur Buro 2000, 157; LG\nHeilbronn, JurBuro 2003, 157 m.w.N.; Stober in Zoller, ZPO, § 850i, Rdnr. 2\nm.w.N.). Hierfur spreche zunachst der Wortlaut der Bestimmung, der mit dem des\n§ 850 d ZPO ubereinstimme. Dass eine Orientierung an den Pfandungsgrenzen des\n§ 850 c ZPO vom Gesetzgeber offensichtlich nicht gewollt gewesen sei, ergebe\nsich auch aus § 850 i Abs. I S. 3 ZPO, wonach dem Schuldner nicht mehr zu\nbelassen sei, als ihm nach freier Schatzung des Gerichts verbleiben wurde,\nwenn sein Arbeitseinkommen aus laufendem Arbeits- oder Dienstlohn bestunde.\nHier werde fur den dem Schuldner zu belassenden Betrag entsprechend den\nPfandungsgrenzen des § 850 c ZPO eine Obergrenze gezogen, deren es nicht\nbedurfe, wenn der dem Schuldner zu belassende Betrag stets den\nPfandungsgrenzen des § 850 c ZPO entspreche (LG Heilbronn a.a.O.). \n--- \n| 8 \n--- \n| Nach Auffassung des erkennenden Beschwerdegerichts ist demgegenuber die in\n§ 850 i Abs. I S. 3 ZPO bestimmte Obergrenze regelmaßig Ausgangspunkt fur die\nBestimmung des notwendigen Unterhalts im Sinne von § 850 i ZPO. Dem Schuldner\nist also regelmaßig soviel zu belassen, wie ihm verbliebe, wurde er ein der\neinmaligen Vergutung seiner Arbeitsleistung entsprechendes Arbeitseinkommen\nnach § 850 ZPO beziehen. Die Freibetrage im Sinne von § 850 i ZPO sind also\nzunachst nach Maßgabe der §§ 850 a bis 850 e ZPO zu ermitteln, wobei vom\nSchuldner auch besondere Belastungen, die nach § 850 f Abs. I ZPO zu\nberucksichtigen waren, geltend gemacht werden konnten. Nur so kann die mit §\n850 i ZPO bezweckte Gleichstellung von Schuldnern mit einmaligen\nVergutungsanspruchen mit in einem festen Dienst- oder Arbeitsverhaltnis\nstehenden Schuldnern erreicht werden (Stober, Forderungspfandung, 13. Aufl.,\nRdnr. 1238, Fn 16; LG Halle, Rpfleger 2001, 440; wohl auch BGH, NJW-RR 2004,\n644 zu III 2). \n--- \n| 9 \n--- \n| § 850 i Abs. I S. 3 ZPO steht dieser Auslegung nicht entgegen. Diese\nBestimmung nimmt gerade nicht (nur) Bezug auf die Pfandungsgrenzen des § 850 c\nZPO - was in der Tat sinnlos ware, wenn der dem Schuldner zu belassende Betrag\nstets den Pfandungsgrenzen des § 850 c ZPO entsprache - sondern verweist auf\nsamtliche Bestimmungen, die fur die Pfandung von Arbeitseinkommen gelten. Nach\nMaßgabe dieser Vorschriften ist der Freibetrag des Schuldners nach oben\nbegrenzt. Abweichungen nach unten sind moglich, wenn die wirtschaftlichen\nVerhaltnisse des Schuldners insbesondere seine sonstigen\nVerdienstmoglichkeiten dies erfordern (§ 850 i Abs. I S. 2 ZPO). \n--- \n| 10 \n--- \n| Der sich mit § 850 d ZPO deckende Wortlaut des § 850 i Abs. I S. 1 ZPO\nsteht dieser Auslegung ebenfalls nicht entgegen, weil der notwendige Unterhalt\nim Sinne des § 850 d ZPO ein anderer sein kann, als derjenige im Sinne von §\n850 i ZPO. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Weil die Glaubigerin keine privilegierte Forderung vollstreckt, ergeben\nsich die Pfandungsgrenzen mithin aus § 850 c ZPO. \n--- \n| 12 \n--- \n| Danach ergibt sich bei einer Unterhaltsverpflichtung gegenuber einem\nUnterhaltsberechtigten ein monatlicher Freibetrag von 1.280 Euro. Unter Abzug\ndes dem Schuldner gewahrten Arbeitslosengeldes von 697,97 Euro monatlich,\nverbleibt ein monatlicher Bedarf von 582,03 Euro, bzw. ein Bedarf von 4.074,21\nEuro fur den Zeitraum Oktober 2004 bis April 2005. \n--- \n| 13 \n--- \n| Dies hat zur Folge, dass der gesamte Abfindungsbetrag freizugeben ist. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Wertfestsetzung auf § 3\nZPO. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Rechtsbeschwerde wird im Hinblick auf die zitierte Entscheidung des\nBundesgerichtshofs vom 12.12.2003 (NJW-RR 2004, 644) nicht zugelassen (§ 574\nZPO). \n--- \n--- \n---\n\n
141,319
arbg-freiburg-2005-09-13-5-ca-29105
117
Arbeitsgericht Freiburg
arbg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Arbeitsgerichtsbarkeit
5 Ca 291/05
2005-09-13
2019-01-08 18:44:16
2019-01-17 12:01:29
Urteil
## Tenor\n\n1. | | Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhaltnis der Parteien durch die Kundigung der Beklagten vom 29.4.2005 nicht beendet wird. \n---|---|--- \n \n2. | | Die Beklagte wird verurteilt, die Klagerin bis zum rechtskraftigen Abschluß des Kundigungsschutzverfahrens als Montiererin weiterzubeschaftigen. \n---|---|--- \n \n3. | | Der Auflosungsantrag wird zuruckgewiesen. \n---|---|--- \n \n4. | | Die Kosten des Rechtsstreits tragt die Beklagte. \n---|---|--- \n \n5. | | Der Streitwert wird auf EUR 5.100,- festgesetzt. \n---|---|--- \n \n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Im Streit steht die Beendigung des Arbeitsverhaltnisses zwischen den\nParteien nach arbeitgeberseitiger ordentlicher Kundigung zum 31.12.2005 sowie\ndas Weiterbeschaftigungsverlangen der Klagerin. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin ist seit 5.6.1984 als Arbeiterin in der Montage beschaftigt.\nSie ist am 23.7.1966 geboren, verheiratet und einer Person gegenuber zum\nUnterhalt verpflichtet. Die Beklagte beschaftigt weitaus mehr als 5\nArbeitnehmer im Sinne von § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG. Mit Schreiben vom\n29.4.2005, der Klagerin am 12.5.2005 zugegangen, erklarte die Beklagte die\nKundigung des Arbeitsverhaltnisses zum 31.12.2005. \n--- \n| 3 \n--- \n| Bei einer Qualitatskontrolle am 25.11.2003 hatte die Beklagte festgestellt,\ndaß ein von der Klagerin montierter Walzkorper nicht in die Laufbahn eingefugt\nwar und schrag verklemmt in der Bohrung stand. Die Beklagte erteilte der\nKlagerin daraufhin unter dem Datum vom 27.11.2003 eine Abmahnung (Anlage B 1\nzum Schriftsatz vom 9.6.2005, Aktenblatt 16), in welcher sie der Klagerin\nvorwarf, sie habe die vorgesehene Prufung uber den Hullkreisdorn versaumt,\nandernfalls der Fehler von ihr hatte festgestellt werden mussen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Unter dem Datum vom 20.1.2005 war der Klagerin eine weitere Abmahnung\n(Anlage B 2 zum Schriftsatz vom 9.6.2005, Aktenblatt 17) erteilt worden. Die\nKlagerin hatte bei der Montage eines Walzlagers eine zugehorige Scheibe nicht\nmontiert und, obwohl zur Kontrolle der Vollstandigkeit der Montage eine Waage\neinzusetzen ist, welche durch eine Ampel und eine Hupe die Unterschreitung des\nSollgewichtes anzeigt, hatte die Klagerin dieses Walzlager freigegeben und\nverpackt. \n--- \n| 5 \n--- \n| Am 15.4.2005 gab die Klagerin ein Walzlager frei, an dessen Außenring zwei\ndeutlich erkennbare Beschadigungsrillen in axialer Richtung vorhanden waren.\nWenige Tage spater wurde die Klagerin vom Qualitatssicherungsverantwortlichen,\nHerrn ... darauf hingewiesen, daß beim Einpressen des Sicherungsringes die\nvorhandenen Werkzeuge benutzt werden mussen. Die Klagerin hatte zuvor den\nSicherungsring von Hand eingepresst. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Beklagte horte den Betriebsrat zur beabsichtigten Kundigung am\n21.4.2005 an. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Klagerin tragt vor, sie benutze zum Einpressen der Sicherungsringe\nublicherweise das vorgesehene Werkzeug. Es habe sich um das letzte fehlende\nTeil zur Vervollstandigung eines Kartons fur den letzten Karton einer Palette\ngehandelt. Auf die Frage des Qualitatssicherungsverantwortlichen habe sie nur\ngeantwortet, es ginge von Hand schneller. Sie habe nicht mehrfach aufgefordert\nwerden mussen, das Werkzeug zu benutzen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Zur Abmahnung vom 20.1.2005 tragt die Klagerin vor, es sei moglich, daß das\nfehlerhafte Teil nach erfolgter Prufung infolge von Unachtsamkeit statt in den\nAusschußkarton in den Fertigungskarton gelegt worden sei. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Zur Abmahnung vom 27.11.2003 tragt die Klagerin vor, sie habe die Prufung\nuber den Hullkreisdorn vorgenommen. Zur Feststellung des fehlerhaften\nWalzlagers sei es deswegen gekommen, weil die Mitarbeiterin ... beim Aufraumen\ngefundene Teile eines Restkartons in den von der Klagerin angefangenen\nFertigungskarton gesetzt habe, weswegen eine Unterscheidung der von der\nKlagerin gefertigten und gepruften Teile mit den hinzugefugten Teilen aus dem\nRestkarton nicht moglich gewesen sei. Aufgrund des Zeitdrucks habe sie es\nunterlassen, alle Teile des Kartons nochmals zu uberprufen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Klagerin behauptet, die Arbeitsbelastung innerhalb der Abteilung habe\nim Jahre 2004 um 50 % zugenommen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Klagerin hat zuletzt beantragt: \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| \n--- \n1. | | Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhaltnis der Parteien durch die Kundigung der Beklagten vom 29.4.2005 nicht beendet wird. \n--- \n| 13 \n--- \n| \n--- \n2. | | Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1 wird die Beklagte verurteilt, die Klagerin bis zum rechtskraftigen Abschluß des Kundigungsschutzverfahrens als Montiererin weiterzubeschaftigen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Beklagte hat beantragt, \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| die Klage abzuweisen, \n--- \n| 16 \n--- \n| hilfsweise das Arbeitsverhaltnis gegen Zahlung einer Abfindung aufzulosen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Klagerin hat beantragt, \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| den Auflosungsantrag zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Beklagte tragt vor, die Klagerin habe bei Fertigung des am 25.11.2003\nals fehlerhaft aufgefallenen Walzkorpers eine Prufung mittels des\nHullkreisdorns versaumt. \n--- \n| 20 \n--- \n| Auf den Hinweis des Qualitatssicherungsverantwortlichen, Herrn ... beim\nEinpressen des Sicherungsringes das dafur vorhandene Werkzeug zu benutzen,\nhabe die Klagerin im April 2005 zunachst abweisend reagiert und sei erst nach\nmehrmaliger Aufforderung bereit gewesen, das Werkzeug zu benutzen. Wegen des\nVortrages zu Abmahnungen aus den Jahren 1988 bis 1995 wird auf Seite 2 des\nSchriftsatzes der Beklagten vom 8.7.2005 Bezug genommen. \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Beklagte begrundet den hilfsweise gestellten Auflosungsantrag mit der\nUnzuverlassigkeit der Klagerin. Die Beklagte selbst stehe unter hohem\nQualitatserwartungsdruck ihrer Kunden und konne sich unzuverlassige\nMitarbeiter nicht leisten. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten\nSchriftsatze nebst Anlagen Bezug genommen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Hinsichtlich des Inhalts der mundlichen Verhandlung wird auf die\nSitzungsniederschrift vom 30.8.2005 verwiesen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 24 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet; der Auflosungsantrag ist unbegrundet. \n--- \n--- \n**I.** \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| \n--- \n1. | | Hinreichende verhaltensbedingte Grunde zur Rechtfertigung der Kundigung im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bestehen nicht. \n--- \n| 26 \n--- \n| \n--- \na) | | Die Klagerin hat sich nicht generell im April 2005 gegenuber dem Qualitatssicherungsverantwortlichen geweigert, das zur Verfugung stehende Werkzeug zum Einpressen des Sicherungsringes zu benutzen. Sie hat den dahingehenden Hinweis nicht widerspruchslos hingenommen. Dazu ist sie auch nicht verpflichtet. Die Klagerin ist berechtigt, bei entgegenstehenden Anweisungen ihre eigenen Überlegungen zumindest vorzubringen und daruber mit dem jeweiligen Vorgesetzten auch zu diskutieren. Letztlich ist sie verpflichtet, die Anweisungen der Vorgesetzten zu akzeptieren. Dem ist die Klagerin allerdings auch nachgekommen. Die Beklagte selbst tragt nicht vor, die Klagerin hatte auch nach der entsprechenden Anweisung weiterhin den Sicherungsring per Hand eingepresst. Der Klagerin wird lediglich vorgeworfen, nicht widerspruchslos und sofort der Anweisung nachgekommen zu sein, sondern den eigenen Standpunkt vertreten zu haben. Auch wenn der Standpunkt der Klagerin aus der berechtigten Sicht des Qualitatssicherungsverantwortlichen nicht uberzeugend war, war die Klagerin dennoch nicht verpflichtet, ihren gegenteiligen Standpunkt zuruckzuhalten und die Anweisung ohne weiteres zu akzeptieren. Es liegt im wohlverstandenen Interesse der Beklagten, die gegenteiligen Auffassungen der Mitarbeiter zumindest zur Kenntnis zu nehmen. Nach Abwagung der Grunde ist die Beklagte allerdings berechtigt, die eigene Auffassung uber die Arbeitsablaufe einseitig anzuordnen. Dem hat sich die Klagerin nicht verweigert. \n--- \n| 27 \n--- \n| \n--- \nb) | | Es gibt keinen Nachweis daruber, daß die Klagerin generell Hilfs- und Prufmittel zur eigenen Arbeitserleichterung und auf Kosten der Qualitat nicht verwendet. \n| 28 \n--- \n| In der Abmahnung vom 27.11.2003 wird der Klagerin vorgeworfen, sie habe den\nHullkreisdorn zur Prufung der korrekten Einfuhrung des Walzlagers in die\nLaufbahn nicht verwendet. Die Klagerin hat dagegen eingewandt, sie habe den\nHullkreisdorn verwendet, fehlerhafte Teile seien aber dadurch aufgetaucht, daß\nandere Teile aus einem Restekarton dem Fertigungskarton der Klagerin\nhinzugefugt worden seien. Jedenfalls ist nicht auszuschließen, daß die\nentdeckten fehlerhaften Teile aus diesem Restekarton stammen. Die Beklagte\ntragt die Darlegungs- und Beweislast bei der verhaltensbedingten Kundigung\nauch hinsichtlich des Ausschlusses der vom Arbeitnehmer vorgebrachten\nRechtfertigungsgrunde (vergl. BAG vom 6.8.1987, DB 1988, 451). \n--- \n| 29 \n--- \n| Ebenso verhalt es sich mit dem der Abmahnung vom 20.1.2005\nzugrundeliegenden Sachverhalt. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, daß die\nKlagerin infolge fahrlassiger Unachtsamkeit ein zusammengesetztes Walzlager\nmit fehlender Scheibe in den falschen Karton einlegte. Die Beklagte hat\njedenfalls nicht nachgewiesen, daß die Klagerin die zur Kontrolle des\nmontierten Teiles bestimmte Waage nicht benutzte. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| \n--- \nc) | | Festzustellen ist jedoch, daß die Klagerin in 3 Fallen unsorgfaltig arbeitete. Im November 2003 hatte es die Klagerin nicht zulassen durfen, daß Teile ungeklarter Herkunft in ihren Fertigungskarton eingelegt werden, ohne diese Teile erneut zu uberprufen oder zumindest den Vorgesetzten hieruber Mitteilung zu machen, damit diese eine Überprufung veranlassen konnten. \n--- \n| 31 \n--- \n| Hinsichtlich des der Abmahnung vom 20.1.2005 zugrundeliegenden\nSachverhaltes besteht zumindest ein Augenblicksversagen der Klagerin beim\nEinlegen des fehlerhaften Lagers in den Fertigungskarton. Dieses Verhalten ist\nder Klagerin vorwerfbar. Es ist jedoch auch zu berucksichtigen, daß im Laufe\neines langen Arbeitsverhaltnisses auch ein grundsatzlich aufmerksam\narbeitender Arbeitnehmer ein derartiges Augenblicksversagen nicht ganzlich\nausschließen kann. \n--- \n| 32 \n--- \n| Schließlich ist der Klagerin das Verhalten am 15.4.2005 vorzuwerfen. Das\nvon ihr montierte Walzlager wurde von ihr freigegeben, ohne die\nBeschadigungsrillen zu erkennen. Der im Termin vom 30.8.2005 durchgefuhrte\nAugenschein hat ergeben, daß die Beschadigungsrillen tatsachlich leicht zu\nerkennen sind. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die wiederholten Unaufmerksamkeiten sind grundsatzlich als Kundigungsgrund\ngeeignet, nachdem die Klagerin bereits am 27.11.2003 und 20.1.2005 abgemahnt\nworden war und sie am 15.4.2005 erneut unsorgfaltig gearbeitet hat. Nach\nAuffassung der Kammer ergibt jedoch die vorzunehmende Interessenabwagung, daß\nder Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhaltnisses gleichwohl zumutbar\nist. Eine Kundigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn dem Arbeitgeber\nunter umfangreicher Abwagung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des\nArbeitsverhaltnisses nicht zugemutet werden kann. Dabei sind unter anderem die\nIntensitat der Vertragsverletzung, die Beharrlichkeit, der Verschuldensgrund,\ndie konkreten Auswirkungen im Betriebsablauf und eventuelle fruhere\nPflichtverletzungen im Arbeitsverhaltnis zu beachten. Das Verhalten der\nKlagerin im November 2003 liegt bereits 2 Jahre zuruck und die Klagerin war\nnicht selbst Verursacherin der Vermengung von Teilen in ihrem\nFertigungskarton. Die falsche Ablage des fehlerhaften Teiles im Januar 2005\nist zwar ein schwerwiegender Vorfall. Ein Augenblicksversagen ist jedoch in\neinem langen Arbeitsverhaltnis nicht vollig auszuschließen und die\nWiederholungsgefahr ist durch diesen einmaligen Vorfall nicht indiziert.\nHinsichtlich des Verhaltens der Klagerin am 15.4.2005 ist die Schwere des\nSchuldvorwurfes nicht klar ersichtlich. Einerseits hatte die Klagerin die\nBeschadigungsrillen erkennen konnen. Andererseits hat die Beklagte nicht\nvorgetragen, mit welcher Haufigkeit auch solche Fehler im Produktionsablauf\nauftreten. Aufgrund der bestehenden Qualitatssicherung wurde die\nFehlerhaftigkeit der Teile im Produktionsablauf noch rechtzeitig erkannt. Die\nSchlechtleistungen der Klagerin beruhen nicht auf einer beharrlichen Weigerung\nder Nutzung von Hilfs- und Prufmitteln. Weitere von der Beklagten vorgetragene\nAbmahnungen lagen im Kundigungszeitpunkt bereits langer als 10 Jahre zuruck.\nEs ist davon auszugehen, daß die Klagerin zwischenzeitlich sorgfaltig\narbeitete. Die Klagerin war im Kundigungszeitpunkt bereits 21 Jahre lang bei\nder Beklagten beschaftigt. Gerade im Laufe einer langjahrigen Beschaftigung\nist auch nicht auszuschließen, daß sich fahrlassige Unachtsamkeiten zufallig\nhaufen konnen. Nach Auffassung der Kammer besteht kein hinreichender\nAnhaltspunkt fur eine Prognose, wonach zukunftig weiter mit einer Haufung von\nSorgfaltspflichtverletzungen zu rechnen ist. Die Fortsetzung des\nArbeitsverhaltnisses nach gegebenenfalls erneuter Abmahnung des Verhaltens der\nKlagerin am 15.4.2005 erscheint der Beklagten daher insgesamt noch zumutbar. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| \n--- \n2. | | Personenbedingte Kundigungsgrunde liegen nicht vor. Ein Hinweis auf eine generelle fehlende Eignung der Klagerin infolge der Sorgfaltspflichtverletzungen besteht nicht, nachdem die Klagerin ihre Eignung in 21 Jahren ihrer Beschaftigung unter Beweis gestellt hat. \n--- \n| 35 \n--- \n| \n--- \n3. | | Die Klagerin hat auch Anspruch auf Weiterbeschaftigung bis zum Abschluß des Kundigungsrechtsstreites im Rahmen ihrer Tatigkeit als Montagearbeiterin gemaß dem sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Beschaftigungsanspruch und dessen Auslegung im Hinblick auf Artikel 1 und 2 Grundgesetz und des Sozialstaatsprinzips (vergl. BAG Großer Senat AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschaftigungspflicht). Gemaß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts besteht der allgemeine Weiterbeschaftigungsanspruch nach erfolgter Kundigung, sofern der Arbeitnehmer, wie im vorliegenden Fall, mit dem Kundigungsschutzantrag obsiegt. Entgegenstehende besondere Interessen der Beklagten, die Klagerin nicht weiterzubeschaftigen, bestehen aus Sicht der Kammer nicht. Befurchtungen der Beklagten, die Klagerin konnte Hilfs- und Prufmittel nicht verwenden, konnen durch eine intensivierte Aufsicht uber die Klagerin Rechnung getragen werden. \n--- \n**II.** \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Der Auflosungsantrag der Beklagten ist unbegrundet. Gemaß § 9 Abs., 1 Satz\n2 KSchG kann das Arbeitsverhaltnis auf Antrag des Arbeitgebers aufgelost\nwerden, wenn Grunde vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere\nZusammenarbeit nicht erwarten lassen. Die Auflosung des Arbeitsverhaltnisses\nstellt einen gesetzlich normierten Ausnahmefall dar, dessen Voraussetzungen\ngrundsatzlich eng auszulegen sind. Der Arbeitgeber kann den Auflosungsantrag\nnicht allein auf Grunde stutzen, die die Kundigung nicht zu rechtfertigen\nvermogen (vergl. BAG vom 30.9.1976, AP Nr. 3 zu § 9 KSchG 1969; BAG vom\n14.1.1993, NZA 94, 309, 311). Die Kammer verkennt nicht, daß die Beklagte ein\nvitales Interesse an der Einhaltung der Qualitatsanforderung bei der Fertigung\nihrer Produkte hat Gehaufte Fehlleistungen muß die Beklagte daher nicht\nsanktionslos und dauerhaft hinnehmen. Auch unter erhohten\nQualitatsanforderungen ist jedoch die Fehlerhaftigkeit menschlichen Verhaltens\nnicht auszuschließen. Die Qualitatssicherung muß diesem Umstand auch Rechnung\ntragen. Auch hinsichtlich des Auflosungsantrages ist nach Auffassung der\nKammer im vorliegenden Fall entscheidend, daß aus den bekannten Vorfallen noch\nkeine negative Prognose gerechtfertigt erscheint, die Klagerin wurde auch in\nZukunft haufig und unzumutbar fehlerhaft arbeiten. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Kosten des Rechtsstreits waren der Beklagten als der unterliegenden\nPartei gemaß § 46 Abs. 2 ArbGG, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO aufzuerlegen. \n--- \n| 38 \n--- \n| Die Streitwertfestsetzung beruht dem Grunde nach auf § 61 Abs. 1 ArbGG. Die\nStreitwerthohe entspricht einem Vierteljahresverdienst der Klagerin gemaß § 42\nAbs. 4 Satz 1 GKG. \n--- \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 24 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und begrundet; der Auflosungsantrag ist unbegrundet. \n--- \n--- \n**I.** \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| \n--- \n1. | | Hinreichende verhaltensbedingte Grunde zur Rechtfertigung der Kundigung im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG bestehen nicht. \n--- \n| 26 \n--- \n| \n--- \na) | | Die Klagerin hat sich nicht generell im April 2005 gegenuber dem Qualitatssicherungsverantwortlichen geweigert, das zur Verfugung stehende Werkzeug zum Einpressen des Sicherungsringes zu benutzen. Sie hat den dahingehenden Hinweis nicht widerspruchslos hingenommen. Dazu ist sie auch nicht verpflichtet. Die Klagerin ist berechtigt, bei entgegenstehenden Anweisungen ihre eigenen Überlegungen zumindest vorzubringen und daruber mit dem jeweiligen Vorgesetzten auch zu diskutieren. Letztlich ist sie verpflichtet, die Anweisungen der Vorgesetzten zu akzeptieren. Dem ist die Klagerin allerdings auch nachgekommen. Die Beklagte selbst tragt nicht vor, die Klagerin hatte auch nach der entsprechenden Anweisung weiterhin den Sicherungsring per Hand eingepresst. Der Klagerin wird lediglich vorgeworfen, nicht widerspruchslos und sofort der Anweisung nachgekommen zu sein, sondern den eigenen Standpunkt vertreten zu haben. Auch wenn der Standpunkt der Klagerin aus der berechtigten Sicht des Qualitatssicherungsverantwortlichen nicht uberzeugend war, war die Klagerin dennoch nicht verpflichtet, ihren gegenteiligen Standpunkt zuruckzuhalten und die Anweisung ohne weiteres zu akzeptieren. Es liegt im wohlverstandenen Interesse der Beklagten, die gegenteiligen Auffassungen der Mitarbeiter zumindest zur Kenntnis zu nehmen. Nach Abwagung der Grunde ist die Beklagte allerdings berechtigt, die eigene Auffassung uber die Arbeitsablaufe einseitig anzuordnen. Dem hat sich die Klagerin nicht verweigert. \n--- \n| 27 \n--- \n| \n--- \nb) | | Es gibt keinen Nachweis daruber, daß die Klagerin generell Hilfs- und Prufmittel zur eigenen Arbeitserleichterung und auf Kosten der Qualitat nicht verwendet. \n| 28 \n--- \n| In der Abmahnung vom 27.11.2003 wird der Klagerin vorgeworfen, sie habe den\nHullkreisdorn zur Prufung der korrekten Einfuhrung des Walzlagers in die\nLaufbahn nicht verwendet. Die Klagerin hat dagegen eingewandt, sie habe den\nHullkreisdorn verwendet, fehlerhafte Teile seien aber dadurch aufgetaucht, daß\nandere Teile aus einem Restekarton dem Fertigungskarton der Klagerin\nhinzugefugt worden seien. Jedenfalls ist nicht auszuschließen, daß die\nentdeckten fehlerhaften Teile aus diesem Restekarton stammen. Die Beklagte\ntragt die Darlegungs- und Beweislast bei der verhaltensbedingten Kundigung\nauch hinsichtlich des Ausschlusses der vom Arbeitnehmer vorgebrachten\nRechtfertigungsgrunde (vergl. BAG vom 6.8.1987, DB 1988, 451). \n--- \n| 29 \n--- \n| Ebenso verhalt es sich mit dem der Abmahnung vom 20.1.2005\nzugrundeliegenden Sachverhalt. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, daß die\nKlagerin infolge fahrlassiger Unachtsamkeit ein zusammengesetztes Walzlager\nmit fehlender Scheibe in den falschen Karton einlegte. Die Beklagte hat\njedenfalls nicht nachgewiesen, daß die Klagerin die zur Kontrolle des\nmontierten Teiles bestimmte Waage nicht benutzte. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| \n--- \nc) | | Festzustellen ist jedoch, daß die Klagerin in 3 Fallen unsorgfaltig arbeitete. Im November 2003 hatte es die Klagerin nicht zulassen durfen, daß Teile ungeklarter Herkunft in ihren Fertigungskarton eingelegt werden, ohne diese Teile erneut zu uberprufen oder zumindest den Vorgesetzten hieruber Mitteilung zu machen, damit diese eine Überprufung veranlassen konnten. \n--- \n| 31 \n--- \n| Hinsichtlich des der Abmahnung vom 20.1.2005 zugrundeliegenden\nSachverhaltes besteht zumindest ein Augenblicksversagen der Klagerin beim\nEinlegen des fehlerhaften Lagers in den Fertigungskarton. Dieses Verhalten ist\nder Klagerin vorwerfbar. Es ist jedoch auch zu berucksichtigen, daß im Laufe\neines langen Arbeitsverhaltnisses auch ein grundsatzlich aufmerksam\narbeitender Arbeitnehmer ein derartiges Augenblicksversagen nicht ganzlich\nausschließen kann. \n--- \n| 32 \n--- \n| Schließlich ist der Klagerin das Verhalten am 15.4.2005 vorzuwerfen. Das\nvon ihr montierte Walzlager wurde von ihr freigegeben, ohne die\nBeschadigungsrillen zu erkennen. Der im Termin vom 30.8.2005 durchgefuhrte\nAugenschein hat ergeben, daß die Beschadigungsrillen tatsachlich leicht zu\nerkennen sind. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die wiederholten Unaufmerksamkeiten sind grundsatzlich als Kundigungsgrund\ngeeignet, nachdem die Klagerin bereits am 27.11.2003 und 20.1.2005 abgemahnt\nworden war und sie am 15.4.2005 erneut unsorgfaltig gearbeitet hat. Nach\nAuffassung der Kammer ergibt jedoch die vorzunehmende Interessenabwagung, daß\nder Beklagten die Fortsetzung des Arbeitsverhaltnisses gleichwohl zumutbar\nist. Eine Kundigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn dem Arbeitgeber\nunter umfangreicher Abwagung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des\nArbeitsverhaltnisses nicht zugemutet werden kann. Dabei sind unter anderem die\nIntensitat der Vertragsverletzung, die Beharrlichkeit, der Verschuldensgrund,\ndie konkreten Auswirkungen im Betriebsablauf und eventuelle fruhere\nPflichtverletzungen im Arbeitsverhaltnis zu beachten. Das Verhalten der\nKlagerin im November 2003 liegt bereits 2 Jahre zuruck und die Klagerin war\nnicht selbst Verursacherin der Vermengung von Teilen in ihrem\nFertigungskarton. Die falsche Ablage des fehlerhaften Teiles im Januar 2005\nist zwar ein schwerwiegender Vorfall. Ein Augenblicksversagen ist jedoch in\neinem langen Arbeitsverhaltnis nicht vollig auszuschließen und die\nWiederholungsgefahr ist durch diesen einmaligen Vorfall nicht indiziert.\nHinsichtlich des Verhaltens der Klagerin am 15.4.2005 ist die Schwere des\nSchuldvorwurfes nicht klar ersichtlich. Einerseits hatte die Klagerin die\nBeschadigungsrillen erkennen konnen. Andererseits hat die Beklagte nicht\nvorgetragen, mit welcher Haufigkeit auch solche Fehler im Produktionsablauf\nauftreten. Aufgrund der bestehenden Qualitatssicherung wurde die\nFehlerhaftigkeit der Teile im Produktionsablauf noch rechtzeitig erkannt. Die\nSchlechtleistungen der Klagerin beruhen nicht auf einer beharrlichen Weigerung\nder Nutzung von Hilfs- und Prufmitteln. Weitere von der Beklagten vorgetragene\nAbmahnungen lagen im Kundigungszeitpunkt bereits langer als 10 Jahre zuruck.\nEs ist davon auszugehen, daß die Klagerin zwischenzeitlich sorgfaltig\narbeitete. Die Klagerin war im Kundigungszeitpunkt bereits 21 Jahre lang bei\nder Beklagten beschaftigt. Gerade im Laufe einer langjahrigen Beschaftigung\nist auch nicht auszuschließen, daß sich fahrlassige Unachtsamkeiten zufallig\nhaufen konnen. Nach Auffassung der Kammer besteht kein hinreichender\nAnhaltspunkt fur eine Prognose, wonach zukunftig weiter mit einer Haufung von\nSorgfaltspflichtverletzungen zu rechnen ist. Die Fortsetzung des\nArbeitsverhaltnisses nach gegebenenfalls erneuter Abmahnung des Verhaltens der\nKlagerin am 15.4.2005 erscheint der Beklagten daher insgesamt noch zumutbar. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| \n--- \n2. | | Personenbedingte Kundigungsgrunde liegen nicht vor. Ein Hinweis auf eine generelle fehlende Eignung der Klagerin infolge der Sorgfaltspflichtverletzungen besteht nicht, nachdem die Klagerin ihre Eignung in 21 Jahren ihrer Beschaftigung unter Beweis gestellt hat. \n--- \n| 35 \n--- \n| \n--- \n3. | | Die Klagerin hat auch Anspruch auf Weiterbeschaftigung bis zum Abschluß des Kundigungsrechtsstreites im Rahmen ihrer Tatigkeit als Montagearbeiterin gemaß dem sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden Beschaftigungsanspruch und dessen Auslegung im Hinblick auf Artikel 1 und 2 Grundgesetz und des Sozialstaatsprinzips (vergl. BAG Großer Senat AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschaftigungspflicht). Gemaß der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts besteht der allgemeine Weiterbeschaftigungsanspruch nach erfolgter Kundigung, sofern der Arbeitnehmer, wie im vorliegenden Fall, mit dem Kundigungsschutzantrag obsiegt. Entgegenstehende besondere Interessen der Beklagten, die Klagerin nicht weiterzubeschaftigen, bestehen aus Sicht der Kammer nicht. Befurchtungen der Beklagten, die Klagerin konnte Hilfs- und Prufmittel nicht verwenden, konnen durch eine intensivierte Aufsicht uber die Klagerin Rechnung getragen werden. \n--- \n**II.** \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Der Auflosungsantrag der Beklagten ist unbegrundet. Gemaß § 9 Abs., 1 Satz\n2 KSchG kann das Arbeitsverhaltnis auf Antrag des Arbeitgebers aufgelost\nwerden, wenn Grunde vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere\nZusammenarbeit nicht erwarten lassen. Die Auflosung des Arbeitsverhaltnisses\nstellt einen gesetzlich normierten Ausnahmefall dar, dessen Voraussetzungen\ngrundsatzlich eng auszulegen sind. Der Arbeitgeber kann den Auflosungsantrag\nnicht allein auf Grunde stutzen, die die Kundigung nicht zu rechtfertigen\nvermogen (vergl. BAG vom 30.9.1976, AP Nr. 3 zu § 9 KSchG 1969; BAG vom\n14.1.1993, NZA 94, 309, 311). Die Kammer verkennt nicht, daß die Beklagte ein\nvitales Interesse an der Einhaltung der Qualitatsanforderung bei der Fertigung\nihrer Produkte hat Gehaufte Fehlleistungen muß die Beklagte daher nicht\nsanktionslos und dauerhaft hinnehmen. Auch unter erhohten\nQualitatsanforderungen ist jedoch die Fehlerhaftigkeit menschlichen Verhaltens\nnicht auszuschließen. Die Qualitatssicherung muß diesem Umstand auch Rechnung\ntragen. Auch hinsichtlich des Auflosungsantrages ist nach Auffassung der\nKammer im vorliegenden Fall entscheidend, daß aus den bekannten Vorfallen noch\nkeine negative Prognose gerechtfertigt erscheint, die Klagerin wurde auch in\nZukunft haufig und unzumutbar fehlerhaft arbeiten. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Die Kosten des Rechtsstreits waren der Beklagten als der unterliegenden\nPartei gemaß § 46 Abs. 2 ArbGG, § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO aufzuerlegen. \n--- \n| 38 \n--- \n| Die Streitwertfestsetzung beruht dem Grunde nach auf § 61 Abs. 1 ArbGG. Die\nStreitwerthohe entspricht einem Vierteljahresverdienst der Klagerin gemaß § 42\nAbs. 4 Satz 1 GKG. \n--- \n--- \n---\n\n
141,379
vg-stuttgart-2005-10-26-11-k-208304
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
11 K 2083/04
2005-10-26
2019-01-08 19:27:58
2019-01-17 12:01:33
Urteil
## Tenor\n\nDie Verfugung der Beklagten vom 05. September 2003 und der\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Stuttgart vom 21. April 2004\nwerden aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den Klager in den deutschen\nStaatsverband einzuburgern.\n\nDie Beklagte tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der am 05.05.1964 geborene Klager ist turkischer Staatsangehoriger. Er kam\nam 22.06.1981 im Wege der Familienzusammenfuhrung nach Deutschland. Seit\n05.09.1989 ist er im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung. \n--- \n| 2 \n--- \n| Am 25. Marz 1999 beantragte der Klager uber das Burgermeisteramt A. bei der\nBeklagten seine Einburgerung in den deutschen Staatsverband. Nach\nZusammenstellung der notwendigen Unterlagen, die keine Beanstandungen ergaben,\nerteilte die Beklagte dem Klager unter dem 09.06.1999 eine\nEinburgerungszusicherung. Darin wird, mit einem Gultigkeitszeitraum bis zum\n08.06.2001, dem Klager die Einburgerung fur den Fall zugesagt, dass der\nVerlust der turkischen Staatsangehorigkeit nachgewiesen werde und diese\nZusicherung wurde zugleich unter dem Vorbehalt erteilt, dass sich die fur die\nEinburgerung maßgebliche Sach- und Rechtslage, insbesondere die personlichen\nVerhaltnisse, bis zur Einburgerung nicht anderten. \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Klager beantragte daraufhin beim turkischen Generalkonsulat die\nEntlassung aus dem turkischen Staatsverband und erhielt von dort gemaß § 403\nAbs. 20 des turkischen Staatsangehorigkeitsgesetzes Anfang 2001 die\nGenehmigung uber den Austritt aus der turkischen Staatsangehorigkeit. In der\nhierzu erteilten Urkunde heißt es, die (endgultige) Urkunde zum Verlust der\nturkischen Staatsangehorigkeit erhalte der Klager erst, nachdem die Annahme\nder deutschen Staatsangehorigkeit nachgewiesen sei. \n--- \n| 4 \n--- \n| Nachdem der Klager die Beklagte telefonisch uber diese ihm erteilte\nGenehmigung informiert hatte, begann die Beklagte ab 18.04.2001 mit der\nAktualisierung der vorliegenden Unterlagen. In diesem Zusammenhang teilte das\nLandesamt fur Verfassungsschutz Baden-Wurttemberg unter dem 07.06.2001 nun\nmit, der Vorgang sei dem Innenministerium Baden-Wurttemberg zur weiteren\nEntscheidung vorgelegt worden. In einem Aktenvermerk vom 13.06.2001 hielt die\nBeklagte hierzu fest, der Klager sei laut Auskunft des Amtsgerichts B.\nweiterhin stellvertretender Vorsitzender der Islamischen Gemeinschaft Milli\nGorus im Ortsverein S.. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Beklagte legte daraufhin ebenfalls die Einburgerungsakte dem\nInnenministerium vor. Dieses teilt unter dem 05.04.2002 der Beklagten mit, der\nKlager sei am 15.02.1998 vom Bundesvorstand der Islamischen Gemeinschaft Milli\nGorus e.V. (IGMG) zum stellvertretenden Vorsitzenden des IGMG-Ortsvereins S.\nernannt worden. Dem Landratsamt sei vom Amtsgericht B. auf Anfrage bestatigt\nworden, dass der Einburgerungsbewerber diese Funktion weiterhin inne habe.\nDieses Engagement sei unvereinbar mit der vom Klager abgegebenen\nLoyalitatserklarung. Aufgrund der getroffenen Feststellung konne es\nzweifelhaft sein, ob sich der Einburgerungsbewerber im Sinne von § 85 Abs. 1\nNr. 1 AuslG zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekenne. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Beklagte horte den Klager unter dem 18.04.2002 hierzu an. Daraufhin\nlegte der Klager eine Bestatigung des Ortsvereins S. der Islamischen\nGemeinschaft Milli Gorus vor, wonach er seit dem 25.02.2001 nicht mehr im\nVorstand der IGMG Ortsvereins S. vertreten sei. Zugleich erklarte der Klager,\nes konne ihm nicht zur Last gelegt werden, wenn dieser Umstand im\nVereinregister durch den jetzigen Vereinsvorstand noch nicht eingetragen\nworden sei. Auf die Bitte der Beklagten um weiteren Auskunfte hierzu erklarte\nder Klager unter dem 05.08.2002, er sei nach wie vor Mitglied der Islamischen\nGemeinschaft Milli Gorus. Dem lagen aber keine politischen Interessen\nzugrunde, sondern es gehe im einzig und allein darum, Kontakt zu Landsleuten\nzu knupfen und zu pflegen. Er sei seinerzeit gebeten worden, im Vorstand mit\nzu arbeiten, da er im Umgang mit Behorden geubter gewesen sei. So habe er fur\nden Verein auch zahlreiche Behordengange erledigt. Mit Rucksicht auf seine\nFamilie und seine berufliche Tatigkeit habe er dann aber von einer weiteren\nVorstandstatigkeit Abstand genommen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Verfugung vom 05.09.2003 schließlich lehnte die Beklagte den Antrag des\nKlagers auf Einburgerung in den deutschen Staatsverband ab. Zur Begrundung\nheißt es, ein Einburgerungsanspruch nach § 85 Abs. 1 Nr. 1 AuslG bestehe\nnicht, wenn der Einburgerungsbewerber zwar ein Bekenntnis zur freiheitlich\ndemokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes abgegeben habe, jedoch\ntatsachliche Anhaltspunkte fur eine verfassungsfeindliche oder extremistische\nBetatigung des Einburgerungsbewerbers vorlagen. Aufgrund des Verhaltens des\nKlagers in der Vergangenheit biete dieser nicht die Gewahr dafur, sich zur\nfreiheitlich demokratischen Grundordnung zu bekennen. Unter Darstellung der\ngeschichtlichen Entwicklung und der Aktivitaten der IGMG heißt es sodann\nweiter, durch die Mitgliedschaft im Vorstand des Ortsvereins S. und die\nverfahrenstaktische Reaktion auf die entsprechende Anfrage der Beklagten bei\nder die weiter bestehende Mitgliedschaft zunachst nicht offenbart worden sei,\nbestunden tatsachliche Anhaltspunkte, dass der Klager Bestrebungen verfolgt\noder unterstutzt oder verfolgt oder unterstutzt habe, die gegen die\nfreiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind und durch Anwendung von\nGewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswartige Belange der\nBundesrepublik Deutschland gefahrde. Damit liege ein Ausschlussgrund fur die\nbegehrte Einburgerung gemaß § 86 Nr. 2 AuslG vor. \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Klager legte hiergegen Widerspruch ein und beriefe sich insbesondere\ndarauf, dass das Verwaltungsgericht Karlsruhe mit Urteil vom 26.02.2003 (4 K\n2234/01) im Falle eines Ortsvereinsvorsitzenden der IGMG kein\nEinburgerungshindernis erkannt habe. \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 21.04.2004 wies das Regierungsprasidium\nStuttgart den Widerspruch des Klagers zuruck. Zur Begrundung wird auf die\nangegriffene Verfugung der Beklagten verwiesen. Der Widerspruchsbescheid wurde\nam 23.04.2004 zugestellt. \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Klager hat am 24.05.2004, einem Montag, das Verwaltungsgericht\nangerufen. Zur Begrundung beruft er sich auf sein bisheriges Vorbringen.\nDaneben verweist er darauf, dass er zwischenzeitlich funf Kinder habe von\ndenen die beiden jungsten, geboren am 20.07.2000 und am 04.02.2004, die\ndeutsche Staatsangehorigkeit gemaß § 4 Abs. 3 StAG bereits besitzen. Zu seinen\nAktivitaten fur die IGMG fuhrt der Klager aus, er habe fruher bei seinem Vater\nunter derselben Anschrift gewohnt, wo auch der Ortsverein der IGMG seinen Sitz\nhabe. Dadurch habe er dort Leute kennen gelernt und Freunde gefunden. Er sei\ndann spater von einem Vereinsfunktionar gefragt worden, ob er nicht eine\nAufgabe im Vorstand ubernehmen wolle, da er sehr gut deutsch spreche und auch\nuber Kontakte zum damaligen Auslanderbeauftragten der Stadt verfugte. Er habe\ndem zugestimmt ohne sich allerdings intensiv mit der Ideologie des Vereins zu\nbeschaftigen. Er unterstutze aktiv die parlamentarische Demokratie der\nBundesrepublik Deutschland und lehne andere Regierungs- und Staatsformen ab.\nDie Handhabung im Ortsverein der IGMG sei der Gestalt, dass die Mitglieder den\nersten Vorsitzenden wahlten und dieser dann den zweiten Vorsitzenden ernenne.\nEine Einflussnahme des Bundesvorstandes von Milli Gorus gebe es nicht. Soweit\ndie Beklagte behaupte, der Klager sei vom Bundesvorstand der IGMG zum\nstellvertretenden Vorsitzenden des Ortsvereins S. ernannt worden, sei dies\nnachweislich falsch. Der Klager habe noch nie verfassungsfeindliche\nBestrebungen unterstutzt und sei ein aufrechter Demokrat. \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 12 \n--- \n| die Beklagte unter Aufhebung ihrer Verfugung vom 05.09.2003 und des\nWiderspruchsbescheides des Regierungsprasidiums Stuttgart vom 21.04.2004 zu\nverpflichten, den Klager in den deutschen Staatsverband einzuburgern. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 14 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Zur Begrundung bezieht sie sich zunachst auf die angegriffenen Bescheide.\nDie vom Klager abgegebene Loyalitatserklarung mit einem Bekenntnis zur\nfreiheitlich demokratischen Grundordnung vom 10.05.2001 entspreche nicht der\nWahrheit. Der Klager sei von Februar 1998 bis Juli 2002 stellvertretender\nVorsitzender des IGMG -Ortsvereins S. gewesen und nach seinem Ausscheiden aus\nder Vorstandschaft dort noch Mitglied geblieben. Die IGMG unterstutze\nBestrebungen, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet\nsind. Dies ergebe sich aus einer Vielzahl von Gerichtsentscheidungen sowie aus\nden Verfassungsschutzberichten Baden-Wurttemberg 2001 und 2003. Mit seiner\nTatigkeit als stellvertretender Vorsitzender habe der Klager diese\nBestrebungen auch aktiv unterstutzt. Dem Klager sei als stellvertretendem\nVereinsvorsitzenden auch die Ideologie der IGMG zuzurechnen. Derartige\nFuhrungspositionen wurden vom Dachverband der IGMG mitbestimmt. Dieser lege\ndie bundesweite Vereinspolitik fest, nach der sich die lokalen Gliederungen zu\nrichten hatten. Aufgrund der Struktur der Organisation sei nicht zu erwarten,\ndass ein Funktionar einer lokalen Gliederung unabhangig von der Zentrale\nhandeln konne. Der Vortrag des Klagers, in seinem Fall habe der Bundesvorstand\nder IGMG bei seiner Übernahme des stellvertretenden Ortsvereinsvorsitzes nicht\nmitgewirkt, sei unzutreffend. Ausweislich der auch zum Vereinsregister\nvorgelegten Unterlagen sei er direkt vom Bundesvorstand ernannt worden.\nSchließlich sei weder vorgetragen noch zu erkennen, dass sich der Klager von\nseinen Bestrebungen inzwischen abgewandt habe. Er habe im Verfahren nur\ntaktisch reagiert. Schließlich komme auch eine Ermessenseinburgerung nach § 8\nStAG aus den gleichen Grunden nicht in Betracht. \n--- \n| 16 \n--- \n| Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten\nSchriftsatze, die Gerichtsakten, sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der\nBeklagten und des Regierungsprasidiums Stuttgart sowie die beigezogenen\nAuslanderakten der Stadt S. verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 17 \n--- \n| Die zulassige Klage ist begrundet. Der angegriffene Bescheid der Beklagten\nvom 05.09.2003 und der diesen bestatigende Widerspruchsbescheid des\nRegierungsprasidiums Stuttgart vom 21.04.2004 sind rechtswidrig und verletzen\nden Klager in seinen Rechten. Sie mussten daher unter Ausspruch einer\nentsprechenden Verpflichtung vom Gericht aufgehoben werden (§ 113 Abs. 1 Satz\n1 u. Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Klager hat einen Anspruch auf Einburgerung in\nden deutschen Staatsverband. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Frage, ob dem Klager der von ihm geltend gemachte Anspruch zukommt,\nbeurteilt sich nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der\nmundlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.08.1996 - 1 B 82.95 -,\nInfAuslR 1996, 399 und VGH Ba.-Wu., Urt. v. 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - zit.\nnach <juris>). Staatsangehorigkeitsrechtlich kommen als Rechtsgrundlage daher\ndie §§ 8 ff. StAG i.d.F. des Art. 5 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004\n(BGBl. I S. 1950, 1996 ff.), in Kraft getreten am 01.01.2005 (vgl. Art. 15\nAbs. 3), zuletzt geandert durch Art. 6 des Gesetzes zur Änderung des\nAufenthaltsgesetzes und weiterer Gesetze vom 14.03.2005 (BGBl. I S. 721), in\nKraft getreten insoweit am 18.03.2005, in Betracht. Die Weiteranwendung von §§\n85 ff. des außer Kraft getretenen Auslandergesetzes in der vor dem 01.01.2000\ngeltenden Fassung gemaß § 40 c StAG kommt hier nicht in Betracht, da der\nEinburgerungsantrag des Klagers erst am 25.03.1999 und damit (wenige Tage)\nnach dem insoweit maßgeblichen Stichtag, dem 16.03.1999, gestellt worden ist. \n--- \n| 19 \n--- \n| Einen Einburgerungsanspruch unmittelbar nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG besitzt\nder Klager indes nicht. Nach § 10 Abs. 1 StAG ist ein Auslander, der seit acht\nJahren rechtmaßig seinen gewohnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat, - was\nhier unstreitig gegeben ist - einzuburgern, wenn er die in dieser Vorschrift\nunter Nr. 1 bis Nr. 5 bezeichneten Voraussetzungen, sofern von diesen nicht\nnach § 12 oder nach § 12 a Abs. 1 StAG abgesehen wird oder abgesehen werden\nkann, erfullt und kein Grund vorliegt, der gemaß § 11 Satz 1 StAG diesen\nEinburgerungsanspruch hindert. \n--- \n| 20 \n--- \n| Als solcher, den Einburgerungsanspruch hindernder Umstand kommt in Betracht\ndass \n--- \n| 21 \n--- \n| 1\\. Tatsachen die Schlussfolgerungen rechtfertigen, dass der\nEinburgerungsbewerber einer Vereinigung angehort oder angehort hat, die den\nTerrorismus unterstutzt (§ 11 S. 1 Nr. 3 StAG i. V. m. § 54 Nr. 5 AufenthG,1.\nAlt.), \n--- \n| 22 \n--- \n| 2\\. Tatsachen die Schlussfolgerungen rechtfertigen, dass der\nEinburgerungsbewerber eine Vereinigung unterstutzt oder unterstutzt hat, die\nden Terrorismus unterstutzt (§ 11 S. 1 Nr. 3 StAG i. V. m. § 54 Nr. 5\nAufenthG, 2. Alt.), \n--- \n| 23 \n--- \n| 3\\. der Einburgerungsbewerber die freiheitliche demokratische Grundordnung\ngefahrdet (§ 11 S. 1 Nr. 3 StAG i. V. m. § 54 Nr. 5a AufenthG, 1. Alt.), \n--- \n| 24 \n--- \n| 4\\. der Einburgerungsbewerber die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland\ngefahrdet (§ 11 S. 1 Nr. 3 StAG i. V. m. § 54 Nr. 5a AufenthG, 2. Alt.), \n--- \n| 25 \n--- \n| 5\\. der Einburgerungsbewerber sich bei der Verfolgung politischer Ziele an\nGewalttatigkeiten beteiligt (§ 11 S. 1 Nr. 3 StAG i. V. m. § 54 Nr. 5a\nAufenthG, 3. Alt.), \n--- \n| 26 \n--- \n| 6\\. der Einburgerungsbewerber bei der Verfolgung politischer Ziele\noffentlich zur Gewaltanwendung aufruft (§ 11 S. 1 Nr. 3 StAG i. V. m. § 54 Nr.\n5a AufenthG, 4. Alt.), \n--- \n| 27 \n--- \n| 7\\. der Einburgerungsbewerber bei der Verfolgung politischer Ziele mit\nGewaltanwendung droht (§ 11 S. 1 Nr. 3 StAG i. V. m. § 54 Nr. 5a AufenthG, 5.\nAlt.), \n--- \n| 28 \n--- \n| 8\\. tatsachliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der\nEinburgerungsbewerber Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, die gegen die\nfreiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (§ 11 S. 1 Nr. 2 StAG,\n1. Alt.), \n--- \n| 29 \n--- \n| 9\\. tatsachliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der\nEinburgerungsbewerber Bestrebungen unterstutzt oder unterstutzt hat, die gegen\ndie freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (§ 11 S. 1 Nr. 2\nStAG, 2. Alt.), \n--- \n| 30 \n--- \n| 10\\. tatsachliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der\nEinburgerungsbewerber Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, die gegen den\nBestand des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (§ 11 S. 1 Nr. 2 StAG, 3.\nAlt.), \n--- \n| 31 \n--- \n| 11\\. tatsachliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der\nEinburgerungsbewerber Bestrebungen unterstutzt oder unterstutzt hat, die gegen\nden Bestand des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (§ 11 S. 1 Nr. 2 StAG,\n4. Alt.), \n--- \n| 32 \n--- \n| 12\\. tatsachliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der\nEinburgerungsbewerber Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, die gegen die\nSicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (§ 11 S. 1 Nr. 2 StAG,\n5. Alt.), \n--- \n| 33 \n--- \n| 13\\. tatsachliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der\nEinburgerungsbewerber Bestrebungen unterstutzt oder unterstutzt hat, die gegen\ndie Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (§ 11 S. 1 Nr. 2\nStAG, 6. Alt.), \n--- \n| 34 \n--- \n| 14\\. tatsachliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der\nEinburgerungsbewerber Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, die eine\nungesetzliche Beeintrachtigung der Amtsfuhrung der Verfassungsorgane des\nBundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben (§ 11 S. 1 Nr.\n2 StAG, 7. Alt.), \n--- \n| 35 \n--- \n| 15\\. tatsachliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der\nEinburgerungsbewerber Bestrebungen unterstutzt oder unterstutzt hat, die auf\neine ungesetzliche Beeintrachtigung der Amtsfuhrung der Verfassungsorgane des\nBundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben (§ 11 S. 1 Nr.\n2 StAG, 8. Alt.), \n--- \n| 36 \n--- \n| 16\\. tatsachliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der\nEinburgerungsbewerber Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, die durch\nAnwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlung auswartige\nBelange der Bundesrepublik Deutschland gefahrden (§ 11 S. 1 Nr. 2 StAG, 9.\nAlt.), \n--- \n| 37 \n--- \n| 17\\. tatsachliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der\nEinburgerungsbewerber Bestrebungen unterstutzt oder unterstutzt hat, die durch\nAnwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswartige\nBelange der Bundesrepublik Deutschland gefahrden (§ 11 S. 1 Nr. 2 StAG, 10.\nAlt.), \n--- \n| 38 \n--- \n| es sei denn in den Fallen von Ziffer 6 bis 17, dass sich der\nEinburgerungsbewerber von der fruheren Verfolgung oder Unterstutzung derartige\nBestrebungen abgewendet hat. \n--- \n| 39 \n--- \n| Die Konstruktion dieser Anspruchs-Ausschlussgrunde durfte allerdings nahe\nder Grenze dessen liegen, was das rechtsstaatliche Gebot der\nNormenbestimmtheit und Normenklarheit (vgl. hierzu etwa BVerfG, Beschl. v.\n03.03.2004 - 1 BvF 3/92 - , BVerfGE 110, 33 = NJW 2004, 2213) erlaubt.\nZahlreiche einburgerungswillige Auslander und ihre Verfahrensbevollmachtigten,\naber auch die mit dem Vollzug des Gesetzes betrauten unteren\nVerwaltungsbehorden und selbst die zur Rechtsaufsicht berufene oberste\nLandesbehorde sowie zahlreiche Verwaltungsgerichte haben augenscheinlich - wie\nsich u.a. aus zahlreichen bei der Kammer anhangigen Verfahren ergibt -\nerhebliche Schwierigkeiten, einen bei einem Einburgerungsbewerber gegebenen\nUmstand zutreffend unter einen der genannten Ausschlussgrunde zu subsumieren.\nDementsprechend heißt es auch im Erlass des Innenministeriums Baden-\nWurttemberg vom 20.06.2003 zum Fall des Klagers, der wortlich in den\nangegriffenen Bescheid der Beklagten vom 05.09.2003 ubernommen wurde, (es)\n„bestehen tatsachliche Anhaltspunkte, dass (der Klager) Bestrebungen verfolgt\noder unterstutzt oder verfolgt oder unterstutzt hat, die gegen die\nfreiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind und durch Anwendung\nvon Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswartige Belange\nder Bundesrepublik Deutschland gefahrden". Dabei bleibt unklar, welche\nUnterstutzung von Vorbereitungshandlungen zu Gewalt die Behorden beim Klager\nerkannt zu haben glauben. \n--- \n| 40 \n--- \n| Ausgehend vom einzig konkreten Vorwurf gegenuber dem Klager, seiner\nVorstandstatigkeit im Ortsverein S. der Islamischen Gemeinschaft Milli Gorus -\nIGMG -, uber die keine terroristischen Aktivitaten bekannt sind, scheidet ein\nAusschlussgrund nach Nr. 1 und 2 (vgl. oben) aus. Auch eine Beteiligung an,\nAufruf zur oder Drohung mit Gewalt ausgehend vom Klager ist nicht zu erkennen\n(Nr. 5, 6, 7, vgl. oben). Da uber die konkreten Aktivitaten, die der Klager im\nRahmen seiner Vorstandstatigkeit fur die IGMG entfaltet hat, nichts bekannt\nist, liegt auch ein Ausschlussgrund nach Nr. 3 und 4 (vgl. oben) nicht vor, da\ndieser voraussetzt, dass der Betreffende personlich eine Gefahr darstellt\n(BVerwG, Urt. v. 31.05.1994 - 1 C 5/93 -, BVerwGE 96, 86 = InfAuslR 1994, 405\n= NVwZ 1995, 1127, zur fruheren, insoweit identischen Rechtslage). Aus\ndemselben Grund, fehlender Kenntnis uber die konkreten Aktivitaten, scheidet\nauch ein Ausschlussgrund in Bezug auf eine „Verfolgungshandlung" (Nr. 8, 10,\n12, 14, 16, vgl. oben) aus, da insoweit vorausgesetzt wird, dass der\nBetreffende Handlungen entfaltet, die objektiv geeignet sind, die genannten\ninkriminierten Ziele voranzutreiben (Berlit in GK-StAR, § 11 StAG Anm. 95).\nOhne nahere Einzelheiten insoweit ist solches bei einem stellvertretenden\nVorsitzenden eines Ortsvereins der IGMG aber noch nicht zu erkennen. \n--- \n| 41 \n--- \n| Dass die Aktivitaten der IGMG gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes\ngerichtet sind, eine ungesetzliche Beeintrachtigung der Amtsfuhrung eines\nVerfassungsorgans zum Ziele haben oder durch Anwendung von Gewalt oder darauf\ngerichtete Vorbereitungshandlungen auswartige Belange der Bundesrepublik\nDeutschland gefahrden, wird - soweit ersichtlich - auch von niemandem\nbehauptet, weshalb auch ein Ausschlussgrund nach den Nr. 11, 15 und 17 (vgl.\noben) ausscheidet. \n--- \n| 42 \n--- \n| Der Ausschlussgrund der Unterstutzung von Bestrebungen, die gegen die\nSicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (Nr. 13, vgl. oben),\nsetzt nach der Legaldefinition in § 4 Abs. 1 lit. b) BVerfSchG voraus, dass\ndie inkriminierten Bestrebungen darauf gerichtet sind, Bund, Lander oder deren\nEinrichtungen erheblich zu beeintrachtigen (Berlit a.a.O. Rz. 119). Der\nBegriff der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ist dementsprechend\nenger zu verstehen als die offentliche Sicherheit nach allgemeinem\nPolizeirecht. Er schutzt Bestand und Funktionstuchtigkeit des Staates und\nseiner Einrichtungen. Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt\nund Drohungen mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein (\nBVerwG, Urt. vom 31.05.1994, a.a.O. ). Mit Blick auf die IGMG besteht derzeit\naber kein Anlass zur der Annahme, das Erreichen des Fernziels, ganz Europa mit\neiner islamistischen Staats- und Gesellschaftsordnung zu uberziehen, werde\ndurch Einsatz von Gewalt angestrebt (BVerwG, Urt. v. 11.11.2004 - 3 C 8/04 -,\nBVerwGE 122, 182 = NVwZ 2005, 450). Zwar wurde nach den Terroranschlagen in\nden USA eine auf der Homepage des „IGMG Mannheim/Fatih-Moschee" noch am\n25.08.2000 enthaltener Link zu „www.qoqaz.de" geloscht, wo sich unter anderem\nein die militarische Ausbildung jeglicher Art als islamische Verpflichtung mit\nTrainings-Anleitungen, unter anderem zum Umgang mit Handfeuerwaffen,\npropagierender Beitrag fand, „Wie kann ich fur den Jihad trainieren?" (VG\nStuttgart, Urt. v. 09.07.2004 - 18 K 1474/04 - ). Außer einer solchen\n„Verlinkung" gibt es derzeit aber keine Anzeichen fur eine Gewaltbereitschaft\nder IGMG, so dass auch fur das Vorliegen dieses Ausschlussgrundes keine\ntatsachlichen Anhaltspunkte gegeben sind. \n--- \n| 43 \n--- \n| Letztlich kommt daher vorliegend im Rahmen der Anwendung des § 11 Satz 1\nStAG allein der Ausschlussgrund nach Nr. 9 (vgl. oben) in Betracht, dass der\nKlager Bestrebungen unterstutzt oder unterstutzt hat, die gegen die\nfreiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Darunter fallen gemaß\nder auch insoweit in § 4 BVerfSchG enthaltenen Legaldefinition solche\npolitisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem\noder fur einen Personenzusammenschluss, die darauf gerichtet sind, einen oder\nmehrere der zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zahlenden\nVerfassungsmaßstabe zu beseitigen, namentlich das Recht des Volkes, die\nStaatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der\nGesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuuben und\ndie Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und\ngeheimer Wahl zu wahlen; die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmaßige\nOrdnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an\nGesetz und Recht; das Recht auf Bildung und Ausubung einer parlamentarischen\nOpposition; die Ablosbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit\ngegenuber der Volksvertretung; die Unabhangigkeit der Gerichte; der Ausschluss\njeder Gewalt- und Willkurherrschaft und die im Grundgesetz konkretisierten\nMenschenrechte. \n--- \n| 44 \n--- \n| Hierzu hat das OVG Koblenz mit Urteil vom 24.05.2005 (- 7 A 10953/04.OVG -,\nsoweit ersichtlich derzeit nur im Internet unter\nhttp://www.asyl.net/Magazin/Docs/ 2005/M-5/7001.pdf. abrufbar) entschieden: \n--- \n| 45 \n--- \n| „Die IGMG strebt trotz gegenteiliger offizieller Bekundungen nicht nur die\nBeseitigung der laizistischen Gesellschaftsordnung der Turkei an, sondern es\ngeht ihr daruber hinaus um die Errichtung einer islamischen Ordnung auf der\nGrundlage der Scharia zumindest in den Staaten, in denen - wie in der\nBundesrepublik -, Muslime leben. Unter Ersetzung der vorhandenen staatlichen\nHerrschaftssysteme sollen in der von der IGMG angestrebten islamischen Ordnung\ndie Lebensbereiche so gestaltet werden, wie es von Gott durch den Koran, den\nPropheten und die Sunna verbindlich vorgegeben ist. Diese theokratische\nHerrschaftsform schließt - in der Sache liegend - die nach dem\nDemokratieverstandnis des Grundgesetzes in Art. 20 Abs. 2 GG festgelegte\nStaatsgewalt des Volkes aus. Indem sie einen islamischen Gottesstaat anstrebt,\nrichtet sich die IGMG daher vor allem gegen das in Art. 20 Abs. 1 GG\nverankerte Demokratieprinzip. \n--- \n| 46 \n--- \n| Diese Einschatzung des Senats grundet sich auf der ideologischen Ausrichtung\nder IGMG an der Weltanschauung der Milli Gorus. \n--- \n| 47 \n--- \n| Die 1995 gegrundete „Islamische Gemeinschaft Milli Gorus e.V." (IGMG) hat in\nder Bundesrepublik Deutschland ca. 26.500 Mitglieder (Verfassungsschutzbericht\n- im Folgenden: VB - des Bundesministeriums des Innern 2003, 194; VB\nNordrhein-Westfalen 2004, 146; VB Rheinland-Pfalz 2004, 67). Der Verein,\ndessen Europazentrale in K... ansassig ist, gliedert sich in 30\nRegionalverbande, darunter 15 innerhalb der Bundesrepublik mit einigen 100\nortlichen Moscheevereinen. Er unterhalt hier mehr als 300 Einrichtungen, uber\n2.000 sollen es europaweit sein, deren Besucherzahl bei etwa 300.000 Personen\nliegen soll (VB Bundesministerium des Innern a.a.O.). Der Immobilienbesitz des\nVereins wird seit 1995 von der „Europaische Moscheebau- und\nUnterstutzungsgemeinschaft e.V." (EMUG) verwaltet. \n--- \n| 48 \n--- \n| Die IGMG geht zuruck auf in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts\nvon turkischen Arbeitern in Deutschland gegrundete Moscheegemeinden. Deren\nMitglieder - sie entstammten im Wesentlichen den landlichen Gebieten der\nTurkei, in denen ein islamisch-traditionalistisches Milieu vorherrschte -\nsuchten den religiosen/weltanschaulichen Anschluss an islamische Gruppierungen\nin der Turkei. Hierzu gehorte die 1972 gegrundete Milli Selamet Partisi\n(National-Religiose Heilspartei) - MSP -, die sich programmatisch auf die von\nNecmettin Erbakan konzipierte Milli Gorus zuruckfuhrte (Schiffauer, Die\nislamische Gemeinschaft Milli Gorus - ein Lehrstuck zum verwickelten\nZusammenhang von Migration, Religion und sozialer Integration, S. 67 ff.). Die\nMSP wurde 1980 verboten (Schiffauer, a.a.O., S. 71). In der Folgezeit kam es\nzu erheblichen Differenzen innerhalb der in Deutschland ansassigen Bewegung,\ndie schließlich zur Abspaltung der Kaplan-Gemeinde fuhrten. Die in der Turkei\nals Nachfolgepartei der MSP ins Leben gerufene Refah Partisi - RP -\n(Wohlfahrtspartei) nahm zu Beginn der achtziger Jahre des vergangenen\nJahrhunderts maßgeblich die Reorganisation der deutschen Gemeinden in die Hand\nund band sie an das Zentrum in Ankara, an dessen Spitze Necmettin Erbakan\nstand, der nunmehr auch die Leitungsspitzen in Deutschland, die er zuvor durch\nEid an sich gebunden hatte, einsetzte. In der Folgezeit traten bei\nVeranstaltungen nicht nur Geistliche aus der Turkei, sondern auch turkische\nPolitiker in Deutschland auf (Schiffauer, a.a.O., S. 75). Umgekehrt\nunterstutzte die deutsche Gemeinde die RP materiell bei Wahlkampf. \n--- \n| 49 \n--- \n| 1985 entstand schließlich die „Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa\ne.V." (AMGT) als Vorlaufer der heutigen IGMG (VB Bad.-Wurtt. 2003, 63). Die\nRP, deren Fuhrer Erbakan 1996/97 Ministerprasident war, wurde in der Turkei,\nda nach der dortigen Auffassung gegen das Grundprinzip des Laizismus\nverstoßend, Anfang 1998 verboten. Kurz zuvor war die Tugendpartei (Fazilet\nPartisi) gegrundet worden, die am 22. Juni 2001 ebenfalls aufgelost wurde. Als\nFolge davon schlossen sich die Traditionalisten mit Erbakan im Hintergrund zur\nSaadet Partisi - SP - (Gluckseligkeitspartei) zusammen, die derzeit nicht im\nParlament vertreten ist; die Reformer fanden sich in der Gerechtigkeits- und\nAufbaupartei - AKP - zusammen, die mit Tayyip Erdogan den Ministerprasidenten\nstellt (AA, Lagebericht Turkei vom 9. Oktober 2002 sowie Lagebericht vom 19.\nMai 2004). \n--- \n| 50 \n--- \n| Die Weltanschauung der Milli Gorus (Nationale Weltsicht) basiert auf dem\n1975 von Necmettin Erbakan veroffentlichten gleichnamigen Werk. In diesem hat\nErbakan seine „Vision" zur Losung der gesellschaftlichen und politischen\nProbleme beschrieben und zugleich den Absolutheitsanspruch von Milli Gorus\nfestgelegt: „Milli Gorus vertritt den wahren und rechten Weg." (Zitat aus: VB\nBad.-Wurtt. 2003, 65). Milli Gorus beschwort die nach ihrer geschichtlichen\nWertung ruhmreiche und große Geschichte der Turkei, ihre Sitten und Gebrauche\nund wendet sich gegen die ihrer Auffassung nach in die turkische Verfassung\neingedrungene „linke und liberale Weltsicht", die einen falschen und\nunrechtmaßigen Weg darstelle (VB Bad.-Wurtt., a.a.O.). Die aus der Milli Gorus\nentwickelte „Gerechte Ordnung" \\- Adil Duzen - bezeichnet die westliche\nZivilisation als auf Gewalt beruhende „nichtige" Ordnung, die durch eine\nislamische, auf der gottlichen Wahrheit und dem daraus abgeleiteten Recht\nbasierende „Gerechte Ordnung" abzulosen sei (VB Nordrhein-Westfalen 2003, 224\nund 2004, 147). Ziel ist die Umgestaltung des Staatswesens in eine islamische\nRepublik, wobei eine Unvereinbarkeit von islamischer und westlicher Ordnung\nhergestellt wird (Schiffauer, Gutachten im Verwaltungsstreitverfahren Sakin\n./. Burgermeister der Stadt Gladbeck vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen,\nS. 8). Adil Duzen sieht den Schlussel zur Überwindung von Kapitalismus und\nSozialismus, die - nach Überzeugung Necmettin Erbakans - an ihrem Ende\nangelangt sind in einem richtigen Rechtsverstandnis, welches sich an zeitlose\nislamische Prinzipien bindet und an eine islamische Kultur knupft (Schiffauer,\na.a.O., S. 7 ff.). \n--- \n| 51 \n--- \n| Zur Verbreitung ihrer Ideologie bedient sich Milli Gorus verschiedener\nMedien. Besonders hervorzuheben ist die Zeitung Milli Gazete, die auch in\neiner Deutschlandausgabe erscheint. Zwar formal von der Milli Gorus/IGMG\nunabhangig, ist sie ihrer Sache jedoch eng verbunden. Sie ist keine\nunabhangige Zeitung, vielmehr Sprachrohr der Bewegung und Verbreiter ihrer\nIdeologie. Dieser Ruckschluss ergibt sich fur den Senat aus den Äußerungen\nNecmettin Erbakans zur Milli Gazete und der Einschatzung der Zeitung selbst\neinschließlich ihres Erscheinungsbildes. Angesichts dessen konnen Äußerungen\nin der Milli Gazete als reprasentativ fur das Islam- und Politikverstandnis\nder Milli Gorus und damit der IGMG angesehen werden. \n--- \n| 52 \n--- \n| Necmettin Erbakan erklarte zum Tag der Milli Gazete am 8. Dezember 2001 in\nDusseldorf: „Jeder Haushalt sollte die Milli Gazete abonnieren. Dies ist ein\nMuss, um die Geschehnisse richtig zu verstehen und um sich daruber zu\ninformieren." (VB Bundesministerium des Innern 2001, 215). In Konsequenz\ndieser Haltung ihres geistigen Fuhrers wird auf IGMG-Veranstaltungen fur\nAbonnements geworben; Bucher von Kolumnisten der Zeitung konnten uber den\nBuchkatalog der IGMG geworben werden (VB Bundesministerium des Innern 2002,\n190). \n--- \n| 53 \n--- \n| Auf seiner Internetseite pries Necmettin Erbakan die Milli Gazete ebenfalls\nan. Sie sei eine Rose, eine Schonheit im Sumpf der Presse, sie stehe fur eine\ngroßartige Bewegung, die den islamischen Glauben in der Welt an die Macht\nbringen werde. Sie gebe den Menschen Richtung und sei diejenige Zeitung, deren\nEtikett und deren Einfluss am großten sei (VB Bad.-Wurtt. 2003, 70). Diese\nÄußerungen Erbakans unterblieben wohl, wenn die Milli Gazete nicht die\nIdeologie der Milli Gorus teilte und verbreitete. Fur einen maßgeblichen\nEinfluss von Milli Gorus auf die Zeitung spricht weiter eine Äußerung des\ndamaligen IGMG-Vorsitzenden in „Die Welt" vom 2. Dezember 2001, in der die\nRede davon ist, man habe das Sagen bei der Milli Gazete (VB Nordrhein-\nWestfalen 2003, 227). \n--- \n| 54 \n--- \n| Umgekehrt lasst auch die Milli Gazete keinen Zweifel an ihrer Bindung zur\nMilli Gorus. Am 14. Januar 2003 heißt es in der Zeitung u.a., die Milli Gazete\nsei stets unerschrockene Verteidigerin der Anliegen von Milli Gorus gewesen\n(VB Bundesministerium des Innern 2003, 198). Es gibt keine Anhaltspunkte\ndafur, dass sich dieses Verstandnis heute gewandelt hatte. \n--- \n| 55 \n--- \n| In Übereinstimmung damit steht auch das Erscheinungsbild der Milli Gazete in\nDeutschland: Prioritat genießt die Berichterstattung zu Themen der Milli\nGorus, zu Veranstaltungen der IGMG und deren sozialem Umfeld. Im weiteren\nfinden sich zahlreiche private Anzeigen von IGMG-Mitgliedern (VB Bad.-Wurtt.\n2003, 68 ff., 71; VB Nordrhein-Westfalen 2004, 149; VB Rheinland-Pfalz 2004,\n69). \n--- \n| 56 \n--- \n| Der Widerspruch der Milli Gorus zum Demokratieprinzip der Bundesrepublik\nDeutschland kann somit auch anhand verschiedenster Äußerungen in der Milli\nGazete nachvollzogen werden: \n--- \n| 57 \n--- \n| Danach ist die Religion nicht nur eine Gewissensangelegenheit, sondern eine\nweltliche und gesellschaftliche Angelegenheit. Ohne die Beachtung der Vorgaben\nvon Scharia, Sunna und Koran sei auf keinen Fall ein muslimischer Fortschritt\ndenkbar (Milli Gazete vom 11. Juli 2003, VB Freie und Hansestadt Hamburg 2003,\n59). Ähnlich hieß es bereits am 2. Marz 2000: „Uns reicht nicht nur unsere\neigene Befreiung. Wir setzen uns fur die Befreiung der ganzen Menschheit ein\n... . Die Befreiung der Menschheit, ihr Wohl und Gluck sind uber den Koran\nmoglich" (VB Bundesministerium des Innern 2000, 207). In der Milli Gazete vom\n12. Mai 1998 wird aus der Rede des damaligen Vorsitzenden der IGMG Ali Yuksel\nzitiert, in der es heißt, die Gegner der IGMG vertraten das Unrecht, die von\nihnen behaupteten und verteidigten Systeme seien damals wie heute zum\nUntergang verurteilt (VB Bundesministerium des Innern 1998, 161). Die\nAblehnung eines sakularen Rechtssystems zeigt sich auch in folgender Äußerung\nin der Milli Gazete vom 7. August 2001: „Ein religioser Muslim ist\ngleichzeitig auch ein Verfechter der Scharia. Der Staat, die Medien und die\nGerichtsbarkeit haben nicht das Recht sich einzumischen. ... Die Verbundenheit\neines Muslims zur Scharia darf nicht dazu fuhren, dass er deswegen verurteilt\noder ins Kreuzverhor genommen wird" (VB Bundesministerium des Innern 2001,\n219). Weiter heißt es am 22. Juli 2002 in einem Artikel: „Fester Glaube in der\nheutigen Zeit bedeutet, die Bestimmungen der Scharia und der islamischen\nRechtswissenschaft in ihrer Urform zu schutzen und anzuerkennen" (VB\nBundesministerium des Innern 2002, 191). Die Ablehnung eines demokratischen\nSystems im Sinne der Verfassung verdeutlicht auch das nachfolgende Zitat aus\nder Milli Gazete vom 27. Juli 2004 (VB Bund 2004, 216): "Doch alle\nPrasidenten, Konige und orientalischen Herrscher dieser Welt verfugen nicht\nuber ein Einspruchsrecht gegen einen einzigen Vers im Buch Gottes. Denn wenn\nman im sozialen, politischen und individuellen Leben ein anderes System als\ndas System Gottes will, kommt es im gesellschaftlichen Gefuge zu einem\nErdbeben." \n--- \n| 58 \n--- \n| Konsequenterweise sind Islamisten, die ihre Dienste und Taten nicht an dem\nBuch Gottes, der Sunna des Propheten, den Geboten und Prinzipien der Scharia\nund Mystik ausrichten, auf dem falschen Weg (Milli Gazete vom 11. Juli 2003,\nVB Bundesministerium des Innern 2003, 199). Schließlich wird in einem Artikel\nder Milli Gazete vom 7. Juni 2004 (zitiert nach VB Nordrhein-Westfalen 2004,\n149) verlautbart, Vision der Milli Gorus sei es, die gesamte Welt auf\ngerechten Grundlagen neu zu strukturieren. \n--- \n| 59 \n--- \n| Die hier deutlich zum Ausdruck kommende religios-politische Botschaft wird\nso auch in den Moscheen der IGMG und im Internet verbreitet, oftmals verbunden\nmit dem Aufruf zum Djihad. So wurden bei einer Predigt in der „Ömer ul Faruk\nCamii" in Koln am 26. September 2003 die Glaubigen dazu aufgerufen, Staaten\nmit sakularen Ausrichtungen zu bekampfen, einhergehend mit der Aufforderung,\nsich fur den gemeinsamen Kampf zu organisieren, denn Gott werde die Muslime\nbeim Djihad unterstutzen (Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen vom\n7. November 2003 an BFV Koln sowie weitere Landesamter fur Verfassungsschutz). \n--- \n| 60 \n--- \n| Anlasslich einer Predigt im April 2002 in einer bayerischen IGMG-Moschee\nerklarte der Prediger, die Unglaubigen mussten bis in die tiefste Holle\ngetrieben werden. Man selbst musse zusammenhalten und sich ruhig verhalten,\nbis es soweit sei. Es sei alles in Vorbereitung und laufe im Verborgenen (VB\nBayern 2003, 171). Im November 2002 hieß es in einer Predigt, man musse\nErbakan gehorsam sein und seine Befehle ausfuhren. Wenn es verlangt werde,\nmusse das Leben geopfert werden; jeder Moslem musse jede Sekunde vorbereitet\nsein zum Djihad (VB Bayern, a.a.O.). \n--- \n| 61 \n--- \n| Die Verbreitung des Islam uber die rein religiose Betatigung hinaus wird\nauch in einer Äußerung auf der Internetseite der IGMG-USA/Kanada von Anfang\n1999 erkennbar, auf der es hieß, die jungen Soldaten der Milli Gorus seien auf\ndie Welt gekommen, um der Welt eine neue Ordnung zu geben, um die Glieder der\nKette (der Sklaverei) zu brechen, um den Thron des Tyrannen zu sturzen. Ihr\nWegweiser sei der Koran, ihr Fuhrer der Prophet, die Staatsgewalt gehe von\nAllah aus. Sie, die jungen Soldaten der Milli Gorus, seien als Nachfolger von\nEroberern fur neue Eroberungen (VB Bundesministerium des Innern 1999, 165). \n--- \n| 62 \n--- \n| Auch wenn in offiziellen Erklarungen Krieg und Gewalt eine Absage erteilt\nwerden und die Übereinstimmung mit der verfassungsmaßigen Ordnung der\nBundesrepublik Deutschland betont wird, kann kein Zweifel daran bestehen, dass\ndie Vorherrschaft der Scharia auch fur Europa und Deutschland angestrebt wird.\nBereits am 1. Juni 1998 erklarte der IGMG-Vorsitzende Yuksel, man musse fur\neine Eroberung des Islams in Europa kampfen, aber nicht mit Krieg und Gewalt,\nsondern mit einem sinnvollen Vorgehen (VB Bundesministerium des Innern 1998,\n160). Ein internes Papier der IGMG fuhrt dazu aus, die Aktivitaten und\nMethoden des An-die-Machtbringens und Vorherrschens des islamischen Rechtes,\ndas großte Ziel und die schonste Aufgabe, mussten in schonster und\nsystematischer Form erklart werden (VB Bundesministerium des Innern, a.a.O.).\nSo solle nicht der Kern der Dienstleistungen der IGMG, sondern die Form ihrer\nDarbietung und die Methode der Zeit gemaß neu bewertet werden (VB Bad.-Wurtt.\n2003, 84). \n--- \n| 63 \n--- \n| Einer der Wege zur Einflussnahme fuhrt aus Sicht der IGMG uber die Teilhabe\nan politischen Gestaltungsrechten. Dementsprechend wurden die IGMG-Mitglieder\nuber Anzeigen in der Milli Gazete und uber die vereinseigene Homepage\naufgerufen, die Staatsangehorigkeit ihrer Gastlander anzunehmen (VB\nBad.-Wurtt., a.a.O.). Mit dem Potential der Muslime in Deutschland sei man in\nder Lage, eine islamische Partei zu grunden, die dann ins Parlament kommen\nkonne (VB Bayern 2003, 173). \n--- \n| 64 \n--- \n| Der Senat schließt aus diesen Erkenntnisquellen, dass die IGMG, im Gegensatz\nzu gewaltbereiten islamistischen Organisationen, unter Ausnutzung der von der\nVerfassung selbst gebotenen Gestaltungs- und Mitwirkungsmoglichkeiten die\ndemokratische Grundordnung und damit die Verfassung der Bundesrepublik\nuberwinden will. \n--- \n| 65 \n--- \n| Der Senat vermochte schließlich nicht zu der Einschatzung zu gelangen, die\nIGMG stelle sich aufgrund von Reformbestrebungen nicht mehr als einheitlich zu\nbeurteilender Block dar oder sie habe gar eine neue Ausrichtung erfahren und\nsich von der Ideologie Erbakans getrennt: Zwar mag die Abspaltung und Grundung\nder AKP von der SP sowie deren Niederlage bei den Parlamentswahlen in der\nTurkei im November 2002 innerhalb der IGMG zu Diskussionen uber eine Neu- oder\nUmorientierung hin zum Kurs der AKP gefuhrt haben (VB Berlin 2003, 111).\nGreifbare Konturen dieser „Diskussion" lassen sich bislang jedoch nicht\nerkennen. Ein Reformflugel, der sich innerhalb der Bewegung artikuliert,\nbeispielsweise durch Diskussionsbeitrage, in Arbeitskreisen oder auf\nVeranstaltungen ist nicht auszumachen, ebenso wenig bestimmte Personen, auf\ndie der Begriff des Reformers zutreffen konnte. Der Verweis auf eine in Gang\ngesetzte Loslosung von der Ideologie Erbakans ist letztlich nicht an\nentsprechenden Tatsachen festzumachen, ebenso wenig die Behauptung des\nProzessbevollmachtigten des Klagers, Erbakan habe keinen Einfluss mehr auf\nPolitik und Gestaltung der IGMG. Die Erkenntnisquellen des Senats fuhren zu\neiner anderen Einschatzung. Danach pragt und dominiert nach wie vor die\ntraditionalistische Weltanschauung Erbakans die IGMG, ohne fur abweichende\nAuffassungen Raum zu lassen: \n--- \n| 66 \n--- \n| Fur die IGMG in Deutschland gilt nach wie vor, trotz der politischen\nMachtverluste in der Turkei und (moglichen) Differenzen uber den kunftigen\nKurs, Erbakan als geistiger Fuhrer der Bewegung (Schiffauer, aaO, S. 45) und\nIntegrationsfigur (so der Milli Gorus-Generalsekretar Oguz Ücuncu, „Die\nTageszeitung" vom 7. Mai 2004 „Es geht darum, uns weh zu tun"). Der Gutachter\nSchiffauer raumt selbst ein, dass die Fuhrungsspitze in Deutschland noch immer\ndie Zustimmung von Erbakan braucht, um als legitim zu gelten (aaO, S. 48).\nDaruber hinaus verfuge Erbakan uber eine erhebliche, wenn nicht gar\nunanfechtbare Autoritat (Schiffauer, a.a.O.). \n--- \n| 67 \n--- \n| Dass Erbakan den Einfluss auf Milli Gorus nicht verloren hat, bekraftigte\nauch der SP-Vorsitzende Kutan bei einem Empfang des SP-Ortsvereins Ankara. Er\nhob die Kontinuitat der Fuhrungsrolle Erbakans hervor und betonte, dessen\nFuhrung der Milli Gorus werde weitergehen (Milli Gazete vom 05. Februar 2004,\nVB Bund2004, 214). Bereits auf einem Treffen von IGMG-Fuhrungsfunktionaren am\n22. Juni 2003 kritisierten Redner die AKP und warnten vor einer Losung von der\nSP. Auch der zur Wahl als Generalvorsitzender vorgeschlagene Yavuz Celik\nKarahan betonte in seiner Ansprache die Verbundenheit zu Milli Gorus (VB\nNordrhein-Westfalen 2003, 230; VB Hamburg 2003, 55). So wurden wiederum im\nJahr 2004 Grußbotschaften Erbakans bei IGMG-Veranstaltungen in Deutschland\nlive ubertragen (VB Bund 2004, 215). Die Dominanz der politischen Zielrichtung\nNecmettin Erbakans in der IGMG geht daruber hinaus auch aus einem E-Mail\nSchriftwechsel zwischen einem Kritiker am offiziellen Auftreten der IGMG und\neinem Funktionar der IGMG hervor, bei dem Letzterer darauf hinweist, an der\nIdee der „Gerechten Ordnung" werde festgehalten (VB Nordrhein-Westfalen 2004,\n151). Dementsprechend ist bis heute, trotz offentlicher\nDemokratiebekenntnisse, keine Loslosung von Erbakan und seiner Ideologie\nerfolgt (ebenso VB Berlin 2004, 113f.), weder von Seiten der Fuhrungsspitze,\nnoch von Seiten eines - ohnedies nicht greifbaren (s.o.) - Reformflugels. \n--- \n| 68 \n--- \n| Zusammenfassend bleibt deshalb festzuhalten, dass mangels eines ernsthaften\nreformerischen Ansatzes die Absichten der IGMG insgesamt und trotz\ngegenteiliger Bekundungen, im Kern gegen das in der Verfassung verankerte\nDemokratieverstandnis und damit gegen die freiheitlich-demokratische\nGrundordnung gerichtet sind." \n--- \n| 69 \n--- \n| Dem schließt sich der Berichterstatter in vollem Umfang an. Der Klager hat\ndie entsprechenden gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung\ngerichteten Bestrebungen durch seine Vorstandstatigkeit im Ortsverein S. der\nIGMG von 1998 bis (mindestens) Anfang 2001 auch unterstutzt i.S.d. § 11 Satz 1\nNr. 2 StAG. \n--- \n| 70 \n--- \n| Als Unterstutzung i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG ist jede eigene Handlung\nanzusehen, die fur Bestrebungen i.S.d. Bestimmung objektiv vorteilhaft ist.\nDazu zahlen etwa die offentliche oder nichtoffentliche Befurwortung von\nBestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG, die Gewahrung finanzieller\nUnterstutzung oder die Teilnahme an Aktivitaten zur Verfolgung oder\nDurchsetzung der inkriminierten Ziele (vgl. VGH Munchen, Urt. v. 27.05.2003 -\n5 B 01.1805 - Juris -; Berlit in GK-StAR § 11 StAG RdNr. 96 ff.). Allerdings\nmuss die eine Unterstutzung der Bestrebungen gegen die freiheitliche\ndemokratische Grundordnung bezweckende Zielrichtung des Handelns fur den\nAuslander regelmaßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. An einem\nUnterstutzen fehlt es hingegen, wenn jemand allein einzelne politische,\nhumanitare oder sonstige Ziele einer Organisation, nicht aber auch deren\nBestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung befurwortet -\nsich hiervon ggf. deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine\nvereinsrechtlich erlaubten mitgliedschaftlichen Tatigkeiten nach außen\nvertritt (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 -, zum insoweit\nverwandten Begriff des „Unterstutzens einer Vereinigung, die ihrerseits den\ninternationalen Terrorismus unterstutzt" \\- Ausweisungs- und besonderer\nVersagungsgrund nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Alternative, § 47 Abs. 2 Nr. 4\nAuslG, NVwZ 2005, 1091). \n--- \n| 71 \n--- \n| Dass der Einburgerungsbewerber sicherheitsrelevante Bestrebungen in diesem\nSinne unterstutzt, muss nicht mit dem ublichen Grad der Gewissheit\nfestgestellt werden. Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr ein\ntatsachengestutzter hinreichender Tatverdacht. Damit soll nach dem Willen des\nGesetzgebers angesichts der Nachweisprobleme gegenuber vielfach verkappt\nagierenden Aktivisten unter Senkung der Nachweisschwelle die Einburgerung von\nPKK-Aktivisten oder radikalen Islamisten auch dann verhindert werden, wenn\nentsprechende Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen werden konnen (vgl. BT-\nDrs. 14/533 S. 18 f.). Andererseits genugen allgemeine Verdachtsmomente, die\nnicht durch bezeichenbare, konkrete Tatsachen gestutzt sind, nicht.\nErforderlich ist eine wertende Betrachtungsweise, bei der auch die Auslandern\nzustehenden Grundrechte (Art. 5 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 3 GG) zu\nberucksichtigen sind. Dabei konnen aber auch legale Betatigungen herangezogen\nwerden (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - Juris -; VGH\nMunchen, Urt. v. 27.05.2003 - 5 B 01.1805 - a.a.O.; Berlit, a.a.O. RdNr. 87\nff.). Mit § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG wird der Sicherheitsschutz im\nEinburgerungsrecht weit vorverlagert in Handlungsbereiche, die strafrechtlich\nnoch nicht beachtlich sind und fur sich betrachtet auch noch keine\nunmittelbare Gefahrdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung\ndarstellen (vgl. VGH Munchen, Urt. v. 27.05.2003 - 5 B 01.1805 - a.a.O.). \n--- \n| 72 \n--- \n| Gemessen an diesen Maßstaben ist die Annahme gerechtfertigt, dass der Klager\ndie entsprechenden Bestrebungen der IGMG unterstutzt hat. Die Tatigkeit eines\nortlichen Vorstandsmitgliedes ist im o.g. Sinne ohne weiteres forderlich fur\ndie Aktivitaten einer solchen Organisation. Daneben hat der Klager auch\nausdrucklich angegeben, da er im Umgang mit Behorden geubt gewesen sei, habe\ner fur den Verein auch zahlreiche Behordengange erledigt. Aber auch die\nvorausgesetzte Erkenn- und Zurechenbarkeit (vgl. oben) seiner Handlungen in\nBezug auf die inkriminierten Bestrebungen muss vorliegend bejaht werden. Der\nKlager ist - worauf die Beklagte stets hingewiesen hat - ausweislich der zum\nVereinsregister vorgelegten „Ernennungsurkunde" vom 15.02.1998 durch den\nVorstand des IGMG Bundesverbandes (A. Yuksel, M. Erbakan, O. Doring) zum\nortlichen Vorstandsmitglied ernannt worden, wie dies auch in § 11.2 der\nebenfalls zum Vereinsregister vorgelegten ortlichen Vereinssatzung\nausdrucklich vorgesehen ist. Darin ist zugleich das Recht des Bundesvorstands\nnormiert, den ortlichen Vereinsvorstand jederzeit abzuberufen. Angesichts der\nhierarchischen Struktur der IGMG (vgl. oben), wie sie gerade auch durch eine\nsolche Satzungsbestimmung deutlich wird, ist die Schlussfolgerung\ngerechtfertigt, nur „linientreue" Mitglieder, die den Zielen der IGMG nicht\ndistanziert gegenuberstehen, kommen fur eine solche Vorstandstatigkeit in\nFrage. Jedenfalls genugt dieser tatsachliche Anhaltspunkt um - wie es § 11\nSatz 1 Nr. 2 StAG erfordert - die Annahme zu rechtfertigen, der Klager habe\nentsprechende Bestrebungen unterstutzt. \n--- \n| 73 \n--- \n| Der Klager hat nicht glaubhaft gemacht, dass er sich von den nach § 11 Satz\n1 Nr. 2 StAG inkriminierten Bestrebungen abgewandt hat. \n--- \n| 74 \n--- \n| Ein Abwenden im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG erfordert mehr als ein bloß\naußeres - zeitweiliges oder situationsbedingtes - Unterlassen der fruheren\nUnterstutzungshandlungen und setzt einen individuellen oder mitgetragenen\nkollektiven Lernprozess voraus, aufgrund dessen angenommen werden kann, dass\nmit hinreichender Gewissheit zukunftig die Verfolgung oder Unterstutzung\ninkriminierter Bestrebungen auszuschließen ist (vgl. VGH Munchen, Urteile vom\n27.05.2003 - 5 B 00.1819 und 5 B 01.1805, jeweils Juris; Berlit, a.a.O., § 11\nStAG Rdnr. 149 ff.). Die Glaubhaftmachung einer solchen Abwendung erfordert\nzunachst, dass der Einburgerungsbewerber einraumt oder zumindest nicht\nbestreitet, fruher eine durch § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG inkriminierte Bestrebung\nunterstutzt zu haben (vgl. VGH Baden-Wurttemberg, Urteil vom 11.07.2002 - 13 S\n1111/01 - Juris -). Der Einburgerungsbewerber muss zwar zur Glaubhaftmachung\nder Abwendung die fruheren Aktivitaten weder bedauern noch ihnen abschworen\n(vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 13.12.2004, InfAuslR 2005, 64). Es muss\naber erkennbar sein, aus welchen Grunden sich die personlichen\nRahmenbedingungen verandert haben, wie es etwa durch die Darlegung der\nEinsicht in die Sinn- und Erfolglosigkeit des bisherigen Bestrebens geschehen\nkann (vgl. Berlit aaO Rdnr. 155). Der Einburgerungsbewerber hat die Umstande,\ndie seine Abwendung belegen, so substantiiert und einleuchtend darzulegen,\ndass man diese Grunde als „triftig" anerkennen kann; Nachvollziehbarkeit der\nErklarung im Hinblick auf einen inneren Gesinnungswandel kann dann genugen,\nwenn dieser auch durch Handlungen nach Außen hin erkennbar wird (vgl. VGH\nBad.-Wurtt., Beschluss vom 13.12.2004, aaO). Liegen die\neinburgerungschadlichen Aktivitaten bereits erhebliche Zeit zuruck, fuhrt dies\nzu einer zusatzlichen Herabsetzung der Anforderungen an die Glaubhaftmachung\ninnerer Lernprozesse (vgl. Berlit aaO Rdnr. 165; VGH Bad.-Wurtt., Beschluss\nvom 13.12.2004, aaO). \n--- \n| 75 \n--- \n| Eine individuelle Abwendung des Klagers von der fruheren Unterstutzung von\ngegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen\nder IGMG ist hier nicht glaubhaft gemacht. Der Klager hat sich mit seinen\nfruheren Aktivitaten weder kritisch auseinandergesetzt noch ein Umdenken\nvorgetragen. Hinzu kommt, dass der Klager immer noch bestreitet, fruher eine\ndurch § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG inkriminierte Bestrebung unterstutzt zu haben.\nSchließlich ist das gesamte Verhalten des Klagers auf ein systematisches\n„Herunterspielen" seiner Aktivitaten ausgerichtet, das einer glaubhaften\nAbwendung von diesen Bestrebungen entgegensteht. Nach wie vor ist er - wenn\nauch einfaches - Mitglied der IGMG. \n--- \n| 76 \n--- \n| Auch eine Abwendung der IGMG selbst von den hier zu beurteilenden\nBestrebungen - was im Rahmen des § 11 Satz 1 Nr. 2, letzter Halbsatz StAG\nausreichen konnte - ist nicht glaubhaft gemacht. Es gibt keine hinreichenden\nAnhaltspunkte dafur, dass sich die IGMG von ihren Bestrebungen gegen die\nfreiheitliche demokratische Grundordnung abgewandt haben konnte, was eine\nweiter bestehende Nahe zu dieser Organisationen nunmehr als unbeachtlich im\nRahmen des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG erscheinen ließe (vgl. oben, OVG Koblenz,\na.a.O.). \n--- \n| 77 \n--- \n| Bereits damit scheidet ein Einburgerungsanspruch des Klagers unmittelbar\nnach § 10 Abs. 1 StAG aus. \n--- \n| 78 \n--- \n| Insoweit kann dahinstehen, ob weiter auch ein Einburgerungsanspruch\nunmittelbar aus § 10 Abs. 1 StAG mit Blick darauf ausscheiden wurde, dass dem\nKlager nicht abgenommen werden kann, dass er sich zur freiheitlichen\ndemokratischen Grundordnung bekennt (§ 10 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbs. StAG). Der\nBerichterstatter neigt allerdings auch zu der Ansicht, dass ein rein verbales\nBekenntnis des Einburgerungsbewerbers zur freiheitlichen demokratischen\nGrundordnung zur Erfullung der Einburgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz\n1 Nr. 1 StAG nicht ausreicht; dieses Bekenntnis vielmehr auch inhaltlich\nzutreffen muss und nicht nur eine rein formelle Einburgerungsvoraussetzung\ndarstellt (so Jakober/Welte, Aktuelles Auslanderrecht, § 86 RdNr. 21; a.A. mit\nbeachtlichen Gegenargumenten Berlit, a.a.O., § 10 StAG RdNrn. 126 ff.). § 10\nAbs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG verlangt fur die Einburgerung andererseits auch nicht\nmehr als ein materiell vorliegendes „Bekenntnis", also nicht daruber hinaus,\ndass der Einburgerungsbewerber auch Gewahr dafur bietet, dass er jederzeit -\nauch kampferisch - fur die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne\ndes Grundgesetzes eintritt (Berlit, a.a.O., § 10 StAG RdNr. 130). Wenn aber -\nwie hier (vgl. oben) - tatsachliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen,\ndass der Einburgerungsbewerber Bestrebungen unterstutzt hat, die gegen die\nfreiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, so liegt selbstredend\nnahe, dass das abgegebene Bekenntnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbs. StAG\nunzutreffend ist. Zwar kommt der Behorde hier die in § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG\nangeordnete Beweiserleichterung, wonach das Vorliegen tatsachlicher\nAnhaltspunkte zur Rechtfertigung einer entsprechenden Annahme insoweit genugt,\nnicht zugute. Jedoch durfte es sich bei einem solchen Bekenntnis um eine vom\nEinburgerungsbewerber zu belegende Tatbestandsvoraussetzung seiner erstrebten\nEinburgerung handeln. Ohne besondere Umstande des Einzelfalles kann danach\nzwar angenommen werden, der ein solches Bekenntnis schriftlich abgebende\nEinburgerungsbewerber erfulle die maßgebliche Voraussetzung. Hier jedoch hat\nder Klager diesbezuglich selbst Zweifel geweckt (vgl. oben), so dass ihm\nanzusinnen ware, das erforderliche entsprechende Bekenntnis noch anderweitig\nnachzuweisen. Dies kann hier letztlich dahinstehen, da sich die Nicht-\nErfullung der unmittelbaren Anspruchsvoraussetzungen einerseits hier bereits\naus § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG ergibt (vgl. oben), andererseits der Erfolg der\nKlage gleichwohl ebenfalls einem anderen Umstand geschuldet ist. \n--- \n| 79 \n--- \n| Die Beklagte hat dem Klager namlich bereits am 09.06.1999 eine\nEinburgerungszusicherung erteilt. Dieses dem allgemeinen\nVerwaltungsverfahrensrecht (vgl. § 38 LVwVfG) entlehnte Institut, das in\nEinburgerungsverfahren in standiger Praxis auf Falle drohender Mehrstaatigkeit\nangewandt wird, soll einerseits Intervalle mehrfacher Staatsangehorigkeit,\nandererseits aber auch temporare Staatenlosigkeit vermeiden (vgl. VGH Ba.-Wu.,\nUrt. v. 06.07.1994 - 13 S 2147/93 -, InfAuslR 1995, 116). Damit wird im\nEinburgerungsverfahren die Prufung der Einburgerungsvoraussetzungen\nverbindlich abgeschlossen und dem Einburgerungsbewerber seine Einburgerung fur\nden Fall zugesagt, dass der Verlust der bisherigen Staatsangehorigkeit\nnachgewiesen wird. Gemaß § 38 Abs. 3 LVwVfG ist die Behorde an die Zusicherung\nnur dann nicht mehr gebunden, wenn sich nach Abgabe der Zusicherung die Sach-\noder Rechtslage derart andert, dass die Behorde bei Kenntnis der nachtraglich\neingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hatte oder aus\nrechtlichen Grunden nicht hatte geben durfen. Dieser gesetzlichen\nEinschrankung entspricht hier auch der der konkreten Einburgerungszusicherung\nvom 09.06.1999 beigefugte Vorbehalt. Daneben kann die Behorde gemaß § 38 Abs.\n2 LVwVfG eine einmal gegebene Zusicherung in entsprechender Anwendung des § 48\nLVwVfG zurucknehmen. \n--- \n| 80 \n--- \n| Von der einmal gegebenen Zusicherung ist die Beklagte hier nicht gemaß § 38\nAbs. 3 LVwVfG befreit. Eine Änderung der Sachlage ist namlich nicht\neingetreten. Der Klager war bereits seit 1998, also vor Erteilung der\nEinburgerungszusicherung, Vorstandsmitglied des ortlichen IGMG-Vereins. Dass\ndie Behorden dies erst nachtraglich erkannten, stellt aber keine geanderte\nSachlage dar (VGH Ba.-Wu., Urt. v. 02.07.1990 - 8 S 524/90 -, NVwZ 1991, 79).\nEntsprechend liegt aber auch keine geanderte Rechtslage vor. Der Umstand, dass\ndie sog. „Regelanfrage" zum Landesamt fur Verfassungsschutz erst nach\nErteilung der Einburgerungszusicherung eingefuhrt wurde (und dann auch im\nFalle des Klagers erst bei der abschließenden Verfahrensbearbeitung im Jahre\n2001 so praktiziert wurde), stellt lediglich eine geanderte\nVerwaltungs(-verfahrens)praxis dar. Die maßgeblichen Rechtsvoraussetzungen\nselbst haben sich aber nicht geandert. \n--- \n| 81 \n--- \n| Die Beklagte kann sich vorliegend auch nicht darauf berufen, in\nentsprechender Anwendung von § 48 LVwVfG sei die ursprunglich erteilte\nEinburgerungszusicherung vom 09.06.1999 zuruckgenommen worden. Eine\nausdruckliche Rucknahmeentscheidung liegt nicht vor. Zwar wird die Auffassung\nvertreten, solches sei insoweit nicht erforderlich, es genuge, wenn die\nBehorde das Vorliegen von Rucknahmegrunden im Rahmen des (weiteren) Verfahrens\nuber den tatsachlichen Erlass des zugesicherten Verwaltungsakts berucksichtige\n(Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. § 38 Rz 35.). Dem vermag sich der\nBerichterstatter aber nur insoweit anzuschließen, als der Umstand einer\nRucknahme der ursprunglichen Einburgerungszusicherung einschließlich der\nAusubung des insoweit gebotenen Rucknahmeermessens aus der (endgultig)\nablehnenden Entscheidung dann deutlich werden muss und sich die letztgenannte\nEntscheidung noch innerhalb des von § 48 Abs. 4 LVwVfG vorgegebenen zeitlichen\nRahmens halt. Keine dieser Voraussetzungen sind hier erfullt. Die angegriffene\nVerfugung der Beklagten vom 05.09.2003 lasst an keiner Stelle erkennen, dass\ndie Beklagte damit eine Rucknahme ihrer ursprunglichen\nEinburgerungszusicherung vom 09.06.1999 intendierte. Der Umstand der zuvor\nerteilten Einburgerungszusicherung ist an keiner Stelle erwahnt; weder die\nVorschrift des § 48 LVwVfG noch eine diesbezugliche Ermessensbetatigung finden\nsich dort. Daneben erlangte die Beklagte ausweislich der (insoweit auffallend\nwenig aussagekraftigen) Verwaltungsakten nach der schriftlichen Mitteilung des\nLandesamtes fur Verfassungsschutz vom 07.06.2001 (Verw.-AS 33), die Akten\nwurden dem Innenministerium vorgelegt, bereits am 13.06.2001 (vgl. den\nAktenvermerk auf AS 35) durch ein Telefonat mit dem Amtsgericht B. (ohne dass\nin irgendeiner Weise deutlich wurde, was dieses Telefonat veranlasst haben\nkonnte) die Kenntnis, dass der Klager stellvertretender Vorsitzender des IGMG-\nOrtsvereins S. war. Selbst wenn in der hier angegriffenen ablehnenden\nVerfugung vom 05.09.2003 daher zugleich die Rucknahme der vormaligen\nEinburgerungszusicherung zu sehen ware, so ware die Jahresfrist des § 48 Abs.\n4 LVwVfG uberschritten. \n--- \n| 82 \n--- \n| Schließlich ist die vorliegende Einburgerungszusicherung vom 09.06.1999 auch\nnicht deshalb im jetzt maßgeblichen Zeitpunkt der mundlichen Verhandlung (vgl.\noben) unbeachtlich, weil sie von der Beklagten auf den 08.06.2001 befristet\nwurde. Zwar ist die Beifugung einer solchen Bestimmung grundsatzlich moglich.\nDer Inhalt einer Zusicherung und deren Bindungswirkung wird neben dem\nbindenden Versprechen, den zugesicherten Verwaltungsakt zu erlassen, auch von\nderartigen beigefugten Beschrankungen wie Vorbehalten, Bedingungen,\nBefristungen usw. bestimmt (Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rz 7). \n--- \n| 83 \n--- \n| Die Beklagte ist jedoch gehindert, sich im vorliegenden Verfahren auf die\nabgelaufene Frist zu berufen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ( § 242\nBGB ), der auf einem allgemeinen Rechtsgedanken beruht und daher auch im\noffentlichen Recht gilt (vgl. Standige Rechtsprechung des BVerwG, z.B. Urt. v.\n22.01.1993 - 8 C 46.91 -, NVwZ 1993, 1102) darf sich niemand auf einen\nFristablauf berufen, der zuvor allein fur das Verstreichen dieser Frist\nverantwortlich war (Rechtsgedanke aus § 162 BGB). So liegt es hier. Der Klager\nhat innerhalb der in der Einburgerungszusicherung genannten Frist die einzige\nihm danach noch auferlegte Bedingung, die Entlassung aus seiner ursprunglichen\nturkischen Staatsangehorigkeit herbeizufuhren, erfullt. Er erhielt Anfang 2001\ndie Genehmigung uber den Austritt aus der turkischen Staatsangehorigkeit und\ninformierte die Beklagte bereits vorab telefonisch uber diese ihm erteilte\nGenehmigung. Wiewohl ein entsprechender Aktenvermerk fehlt, muss angenommen\nwerden, da die Beklagte ab dem 18.04.2001 mit der Aktualisierung der\nvorliegenden Unterlagen begann, dass diese Unterrichtung an diesem Tag erfolgt\nist. Nachdem aber keine geanderte Sach- und Rechtslage gegeben war (vgl.\noben), hatte die Beklagte zu diesem Zeitpunkt, also noch innerhalb des\nGultigkeitszeitraums der Einburgerungszusicherung, die Einburgerung des\nKlagers vollziehen konnen und mussen. Fur den weiteren Zeitablauf war nunmehr\nallein die Beklagte verantwortlich. Sie ist daher gehindert, im jetzigen\nVerfahren einzuwenden, die Einburgerungszusicherung vom 09.06.1999 sei wegen\nFristablaufs gegenstandslos. Vielmehr ist sie entsprechend dieser Zusicherung\nverpflichtet, den Klager einzuburgern. \n--- \n| 84 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 17 \n--- \n| Die zulassige Klage ist begrundet. Der angegriffene Bescheid der Beklagten\nvom 05.09.2003 und der diesen bestatigende Widerspruchsbescheid des\nRegierungsprasidiums Stuttgart vom 21.04.2004 sind rechtswidrig und verletzen\nden Klager in seinen Rechten. Sie mussten daher unter Ausspruch einer\nentsprechenden Verpflichtung vom Gericht aufgehoben werden (§ 113 Abs. 1 Satz\n1 u. Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Klager hat einen Anspruch auf Einburgerung in\nden deutschen Staatsverband. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Frage, ob dem Klager der von ihm geltend gemachte Anspruch zukommt,\nbeurteilt sich nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der\nmundlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.08.1996 - 1 B 82.95 -,\nInfAuslR 1996, 399 und VGH Ba.-Wu., Urt. v. 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - zit.\nnach <juris>). Staatsangehorigkeitsrechtlich kommen als Rechtsgrundlage daher\ndie §§ 8 ff. StAG i.d.F. des Art. 5 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.07.2004\n(BGBl. I S. 1950, 1996 ff.), in Kraft getreten am 01.01.2005 (vgl. Art. 15\nAbs. 3), zuletzt geandert durch Art. 6 des Gesetzes zur Änderung des\nAufenthaltsgesetzes und weiterer Gesetze vom 14.03.2005 (BGBl. I S. 721), in\nKraft getreten insoweit am 18.03.2005, in Betracht. Die Weiteranwendung von §§\n85 ff. des außer Kraft getretenen Auslandergesetzes in der vor dem 01.01.2000\ngeltenden Fassung gemaß § 40 c StAG kommt hier nicht in Betracht, da der\nEinburgerungsantrag des Klagers erst am 25.03.1999 und damit (wenige Tage)\nnach dem insoweit maßgeblichen Stichtag, dem 16.03.1999, gestellt worden ist. \n--- \n| 19 \n--- \n| Einen Einburgerungsanspruch unmittelbar nach § 10 Abs. 1 Satz 1 StAG besitzt\nder Klager indes nicht. Nach § 10 Abs. 1 StAG ist ein Auslander, der seit acht\nJahren rechtmaßig seinen gewohnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat, - was\nhier unstreitig gegeben ist - einzuburgern, wenn er die in dieser Vorschrift\nunter Nr. 1 bis Nr. 5 bezeichneten Voraussetzungen, sofern von diesen nicht\nnach § 12 oder nach § 12 a Abs. 1 StAG abgesehen wird oder abgesehen werden\nkann, erfullt und kein Grund vorliegt, der gemaß § 11 Satz 1 StAG diesen\nEinburgerungsanspruch hindert. \n--- \n| 20 \n--- \n| Als solcher, den Einburgerungsanspruch hindernder Umstand kommt in Betracht\ndass \n--- \n| 21 \n--- \n| 1\\. Tatsachen die Schlussfolgerungen rechtfertigen, dass der\nEinburgerungsbewerber einer Vereinigung angehort oder angehort hat, die den\nTerrorismus unterstutzt (§ 11 S. 1 Nr. 3 StAG i. V. m. § 54 Nr. 5 AufenthG,1.\nAlt.), \n--- \n| 22 \n--- \n| 2\\. Tatsachen die Schlussfolgerungen rechtfertigen, dass der\nEinburgerungsbewerber eine Vereinigung unterstutzt oder unterstutzt hat, die\nden Terrorismus unterstutzt (§ 11 S. 1 Nr. 3 StAG i. V. m. § 54 Nr. 5\nAufenthG, 2. Alt.), \n--- \n| 23 \n--- \n| 3\\. der Einburgerungsbewerber die freiheitliche demokratische Grundordnung\ngefahrdet (§ 11 S. 1 Nr. 3 StAG i. V. m. § 54 Nr. 5a AufenthG, 1. Alt.), \n--- \n| 24 \n--- \n| 4\\. der Einburgerungsbewerber die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland\ngefahrdet (§ 11 S. 1 Nr. 3 StAG i. V. m. § 54 Nr. 5a AufenthG, 2. Alt.), \n--- \n| 25 \n--- \n| 5\\. der Einburgerungsbewerber sich bei der Verfolgung politischer Ziele an\nGewalttatigkeiten beteiligt (§ 11 S. 1 Nr. 3 StAG i. V. m. § 54 Nr. 5a\nAufenthG, 3. Alt.), \n--- \n| 26 \n--- \n| 6\\. der Einburgerungsbewerber bei der Verfolgung politischer Ziele\noffentlich zur Gewaltanwendung aufruft (§ 11 S. 1 Nr. 3 StAG i. V. m. § 54 Nr.\n5a AufenthG, 4. Alt.), \n--- \n| 27 \n--- \n| 7\\. der Einburgerungsbewerber bei der Verfolgung politischer Ziele mit\nGewaltanwendung droht (§ 11 S. 1 Nr. 3 StAG i. V. m. § 54 Nr. 5a AufenthG, 5.\nAlt.), \n--- \n| 28 \n--- \n| 8\\. tatsachliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der\nEinburgerungsbewerber Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, die gegen die\nfreiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (§ 11 S. 1 Nr. 2 StAG,\n1. Alt.), \n--- \n| 29 \n--- \n| 9\\. tatsachliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der\nEinburgerungsbewerber Bestrebungen unterstutzt oder unterstutzt hat, die gegen\ndie freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind (§ 11 S. 1 Nr. 2\nStAG, 2. Alt.), \n--- \n| 30 \n--- \n| 10\\. tatsachliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der\nEinburgerungsbewerber Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, die gegen den\nBestand des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (§ 11 S. 1 Nr. 2 StAG, 3.\nAlt.), \n--- \n| 31 \n--- \n| 11\\. tatsachliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der\nEinburgerungsbewerber Bestrebungen unterstutzt oder unterstutzt hat, die gegen\nden Bestand des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (§ 11 S. 1 Nr. 2 StAG,\n4. Alt.), \n--- \n| 32 \n--- \n| 12\\. tatsachliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der\nEinburgerungsbewerber Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, die gegen die\nSicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (§ 11 S. 1 Nr. 2 StAG,\n5. Alt.), \n--- \n| 33 \n--- \n| 13\\. tatsachliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der\nEinburgerungsbewerber Bestrebungen unterstutzt oder unterstutzt hat, die gegen\ndie Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (§ 11 S. 1 Nr. 2\nStAG, 6. Alt.), \n--- \n| 34 \n--- \n| 14\\. tatsachliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der\nEinburgerungsbewerber Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, die eine\nungesetzliche Beeintrachtigung der Amtsfuhrung der Verfassungsorgane des\nBundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben (§ 11 S. 1 Nr.\n2 StAG, 7. Alt.), \n--- \n| 35 \n--- \n| 15\\. tatsachliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der\nEinburgerungsbewerber Bestrebungen unterstutzt oder unterstutzt hat, die auf\neine ungesetzliche Beeintrachtigung der Amtsfuhrung der Verfassungsorgane des\nBundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben (§ 11 S. 1 Nr.\n2 StAG, 8. Alt.), \n--- \n| 36 \n--- \n| 16\\. tatsachliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der\nEinburgerungsbewerber Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, die durch\nAnwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlung auswartige\nBelange der Bundesrepublik Deutschland gefahrden (§ 11 S. 1 Nr. 2 StAG, 9.\nAlt.), \n--- \n| 37 \n--- \n| 17\\. tatsachliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass der\nEinburgerungsbewerber Bestrebungen unterstutzt oder unterstutzt hat, die durch\nAnwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswartige\nBelange der Bundesrepublik Deutschland gefahrden (§ 11 S. 1 Nr. 2 StAG, 10.\nAlt.), \n--- \n| 38 \n--- \n| es sei denn in den Fallen von Ziffer 6 bis 17, dass sich der\nEinburgerungsbewerber von der fruheren Verfolgung oder Unterstutzung derartige\nBestrebungen abgewendet hat. \n--- \n| 39 \n--- \n| Die Konstruktion dieser Anspruchs-Ausschlussgrunde durfte allerdings nahe\nder Grenze dessen liegen, was das rechtsstaatliche Gebot der\nNormenbestimmtheit und Normenklarheit (vgl. hierzu etwa BVerfG, Beschl. v.\n03.03.2004 - 1 BvF 3/92 - , BVerfGE 110, 33 = NJW 2004, 2213) erlaubt.\nZahlreiche einburgerungswillige Auslander und ihre Verfahrensbevollmachtigten,\naber auch die mit dem Vollzug des Gesetzes betrauten unteren\nVerwaltungsbehorden und selbst die zur Rechtsaufsicht berufene oberste\nLandesbehorde sowie zahlreiche Verwaltungsgerichte haben augenscheinlich - wie\nsich u.a. aus zahlreichen bei der Kammer anhangigen Verfahren ergibt -\nerhebliche Schwierigkeiten, einen bei einem Einburgerungsbewerber gegebenen\nUmstand zutreffend unter einen der genannten Ausschlussgrunde zu subsumieren.\nDementsprechend heißt es auch im Erlass des Innenministeriums Baden-\nWurttemberg vom 20.06.2003 zum Fall des Klagers, der wortlich in den\nangegriffenen Bescheid der Beklagten vom 05.09.2003 ubernommen wurde, (es)\n„bestehen tatsachliche Anhaltspunkte, dass (der Klager) Bestrebungen verfolgt\noder unterstutzt oder verfolgt oder unterstutzt hat, die gegen die\nfreiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind und durch Anwendung\nvon Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswartige Belange\nder Bundesrepublik Deutschland gefahrden". Dabei bleibt unklar, welche\nUnterstutzung von Vorbereitungshandlungen zu Gewalt die Behorden beim Klager\nerkannt zu haben glauben. \n--- \n| 40 \n--- \n| Ausgehend vom einzig konkreten Vorwurf gegenuber dem Klager, seiner\nVorstandstatigkeit im Ortsverein S. der Islamischen Gemeinschaft Milli Gorus -\nIGMG -, uber die keine terroristischen Aktivitaten bekannt sind, scheidet ein\nAusschlussgrund nach Nr. 1 und 2 (vgl. oben) aus. Auch eine Beteiligung an,\nAufruf zur oder Drohung mit Gewalt ausgehend vom Klager ist nicht zu erkennen\n(Nr. 5, 6, 7, vgl. oben). Da uber die konkreten Aktivitaten, die der Klager im\nRahmen seiner Vorstandstatigkeit fur die IGMG entfaltet hat, nichts bekannt\nist, liegt auch ein Ausschlussgrund nach Nr. 3 und 4 (vgl. oben) nicht vor, da\ndieser voraussetzt, dass der Betreffende personlich eine Gefahr darstellt\n(BVerwG, Urt. v. 31.05.1994 - 1 C 5/93 -, BVerwGE 96, 86 = InfAuslR 1994, 405\n= NVwZ 1995, 1127, zur fruheren, insoweit identischen Rechtslage). Aus\ndemselben Grund, fehlender Kenntnis uber die konkreten Aktivitaten, scheidet\nauch ein Ausschlussgrund in Bezug auf eine „Verfolgungshandlung" (Nr. 8, 10,\n12, 14, 16, vgl. oben) aus, da insoweit vorausgesetzt wird, dass der\nBetreffende Handlungen entfaltet, die objektiv geeignet sind, die genannten\ninkriminierten Ziele voranzutreiben (Berlit in GK-StAR, § 11 StAG Anm. 95).\nOhne nahere Einzelheiten insoweit ist solches bei einem stellvertretenden\nVorsitzenden eines Ortsvereins der IGMG aber noch nicht zu erkennen. \n--- \n| 41 \n--- \n| Dass die Aktivitaten der IGMG gegen den Bestand des Bundes oder eines Landes\ngerichtet sind, eine ungesetzliche Beeintrachtigung der Amtsfuhrung eines\nVerfassungsorgans zum Ziele haben oder durch Anwendung von Gewalt oder darauf\ngerichtete Vorbereitungshandlungen auswartige Belange der Bundesrepublik\nDeutschland gefahrden, wird - soweit ersichtlich - auch von niemandem\nbehauptet, weshalb auch ein Ausschlussgrund nach den Nr. 11, 15 und 17 (vgl.\noben) ausscheidet. \n--- \n| 42 \n--- \n| Der Ausschlussgrund der Unterstutzung von Bestrebungen, die gegen die\nSicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (Nr. 13, vgl. oben),\nsetzt nach der Legaldefinition in § 4 Abs. 1 lit. b) BVerfSchG voraus, dass\ndie inkriminierten Bestrebungen darauf gerichtet sind, Bund, Lander oder deren\nEinrichtungen erheblich zu beeintrachtigen (Berlit a.a.O. Rz. 119). Der\nBegriff der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ist dementsprechend\nenger zu verstehen als die offentliche Sicherheit nach allgemeinem\nPolizeirecht. Er schutzt Bestand und Funktionstuchtigkeit des Staates und\nseiner Einrichtungen. Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt\nund Drohungen mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein (\nBVerwG, Urt. vom 31.05.1994, a.a.O. ). Mit Blick auf die IGMG besteht derzeit\naber kein Anlass zur der Annahme, das Erreichen des Fernziels, ganz Europa mit\neiner islamistischen Staats- und Gesellschaftsordnung zu uberziehen, werde\ndurch Einsatz von Gewalt angestrebt (BVerwG, Urt. v. 11.11.2004 - 3 C 8/04 -,\nBVerwGE 122, 182 = NVwZ 2005, 450). Zwar wurde nach den Terroranschlagen in\nden USA eine auf der Homepage des „IGMG Mannheim/Fatih-Moschee" noch am\n25.08.2000 enthaltener Link zu „www.qoqaz.de" geloscht, wo sich unter anderem\nein die militarische Ausbildung jeglicher Art als islamische Verpflichtung mit\nTrainings-Anleitungen, unter anderem zum Umgang mit Handfeuerwaffen,\npropagierender Beitrag fand, „Wie kann ich fur den Jihad trainieren?" (VG\nStuttgart, Urt. v. 09.07.2004 - 18 K 1474/04 - ). Außer einer solchen\n„Verlinkung" gibt es derzeit aber keine Anzeichen fur eine Gewaltbereitschaft\nder IGMG, so dass auch fur das Vorliegen dieses Ausschlussgrundes keine\ntatsachlichen Anhaltspunkte gegeben sind. \n--- \n| 43 \n--- \n| Letztlich kommt daher vorliegend im Rahmen der Anwendung des § 11 Satz 1\nStAG allein der Ausschlussgrund nach Nr. 9 (vgl. oben) in Betracht, dass der\nKlager Bestrebungen unterstutzt oder unterstutzt hat, die gegen die\nfreiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Darunter fallen gemaß\nder auch insoweit in § 4 BVerfSchG enthaltenen Legaldefinition solche\npolitisch bestimmten, ziel- und zweckgerichteten Verhaltensweisen in einem\noder fur einen Personenzusammenschluss, die darauf gerichtet sind, einen oder\nmehrere der zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung zahlenden\nVerfassungsmaßstabe zu beseitigen, namentlich das Recht des Volkes, die\nStaatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der\nGesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung auszuuben und\ndie Volksvertretung in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und\ngeheimer Wahl zu wahlen; die Bindung der Gesetzgebung an die verfassungsmaßige\nOrdnung und die Bindung der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung an\nGesetz und Recht; das Recht auf Bildung und Ausubung einer parlamentarischen\nOpposition; die Ablosbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit\ngegenuber der Volksvertretung; die Unabhangigkeit der Gerichte; der Ausschluss\njeder Gewalt- und Willkurherrschaft und die im Grundgesetz konkretisierten\nMenschenrechte. \n--- \n| 44 \n--- \n| Hierzu hat das OVG Koblenz mit Urteil vom 24.05.2005 (- 7 A 10953/04.OVG -,\nsoweit ersichtlich derzeit nur im Internet unter\nhttp://www.asyl.net/Magazin/Docs/ 2005/M-5/7001.pdf. abrufbar) entschieden: \n--- \n| 45 \n--- \n| „Die IGMG strebt trotz gegenteiliger offizieller Bekundungen nicht nur die\nBeseitigung der laizistischen Gesellschaftsordnung der Turkei an, sondern es\ngeht ihr daruber hinaus um die Errichtung einer islamischen Ordnung auf der\nGrundlage der Scharia zumindest in den Staaten, in denen - wie in der\nBundesrepublik -, Muslime leben. Unter Ersetzung der vorhandenen staatlichen\nHerrschaftssysteme sollen in der von der IGMG angestrebten islamischen Ordnung\ndie Lebensbereiche so gestaltet werden, wie es von Gott durch den Koran, den\nPropheten und die Sunna verbindlich vorgegeben ist. Diese theokratische\nHerrschaftsform schließt - in der Sache liegend - die nach dem\nDemokratieverstandnis des Grundgesetzes in Art. 20 Abs. 2 GG festgelegte\nStaatsgewalt des Volkes aus. Indem sie einen islamischen Gottesstaat anstrebt,\nrichtet sich die IGMG daher vor allem gegen das in Art. 20 Abs. 1 GG\nverankerte Demokratieprinzip. \n--- \n| 46 \n--- \n| Diese Einschatzung des Senats grundet sich auf der ideologischen Ausrichtung\nder IGMG an der Weltanschauung der Milli Gorus. \n--- \n| 47 \n--- \n| Die 1995 gegrundete „Islamische Gemeinschaft Milli Gorus e.V." (IGMG) hat in\nder Bundesrepublik Deutschland ca. 26.500 Mitglieder (Verfassungsschutzbericht\n- im Folgenden: VB - des Bundesministeriums des Innern 2003, 194; VB\nNordrhein-Westfalen 2004, 146; VB Rheinland-Pfalz 2004, 67). Der Verein,\ndessen Europazentrale in K... ansassig ist, gliedert sich in 30\nRegionalverbande, darunter 15 innerhalb der Bundesrepublik mit einigen 100\nortlichen Moscheevereinen. Er unterhalt hier mehr als 300 Einrichtungen, uber\n2.000 sollen es europaweit sein, deren Besucherzahl bei etwa 300.000 Personen\nliegen soll (VB Bundesministerium des Innern a.a.O.). Der Immobilienbesitz des\nVereins wird seit 1995 von der „Europaische Moscheebau- und\nUnterstutzungsgemeinschaft e.V." (EMUG) verwaltet. \n--- \n| 48 \n--- \n| Die IGMG geht zuruck auf in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts\nvon turkischen Arbeitern in Deutschland gegrundete Moscheegemeinden. Deren\nMitglieder - sie entstammten im Wesentlichen den landlichen Gebieten der\nTurkei, in denen ein islamisch-traditionalistisches Milieu vorherrschte -\nsuchten den religiosen/weltanschaulichen Anschluss an islamische Gruppierungen\nin der Turkei. Hierzu gehorte die 1972 gegrundete Milli Selamet Partisi\n(National-Religiose Heilspartei) - MSP -, die sich programmatisch auf die von\nNecmettin Erbakan konzipierte Milli Gorus zuruckfuhrte (Schiffauer, Die\nislamische Gemeinschaft Milli Gorus - ein Lehrstuck zum verwickelten\nZusammenhang von Migration, Religion und sozialer Integration, S. 67 ff.). Die\nMSP wurde 1980 verboten (Schiffauer, a.a.O., S. 71). In der Folgezeit kam es\nzu erheblichen Differenzen innerhalb der in Deutschland ansassigen Bewegung,\ndie schließlich zur Abspaltung der Kaplan-Gemeinde fuhrten. Die in der Turkei\nals Nachfolgepartei der MSP ins Leben gerufene Refah Partisi - RP -\n(Wohlfahrtspartei) nahm zu Beginn der achtziger Jahre des vergangenen\nJahrhunderts maßgeblich die Reorganisation der deutschen Gemeinden in die Hand\nund band sie an das Zentrum in Ankara, an dessen Spitze Necmettin Erbakan\nstand, der nunmehr auch die Leitungsspitzen in Deutschland, die er zuvor durch\nEid an sich gebunden hatte, einsetzte. In der Folgezeit traten bei\nVeranstaltungen nicht nur Geistliche aus der Turkei, sondern auch turkische\nPolitiker in Deutschland auf (Schiffauer, a.a.O., S. 75). Umgekehrt\nunterstutzte die deutsche Gemeinde die RP materiell bei Wahlkampf. \n--- \n| 49 \n--- \n| 1985 entstand schließlich die „Vereinigung der neuen Weltsicht in Europa\ne.V." (AMGT) als Vorlaufer der heutigen IGMG (VB Bad.-Wurtt. 2003, 63). Die\nRP, deren Fuhrer Erbakan 1996/97 Ministerprasident war, wurde in der Turkei,\nda nach der dortigen Auffassung gegen das Grundprinzip des Laizismus\nverstoßend, Anfang 1998 verboten. Kurz zuvor war die Tugendpartei (Fazilet\nPartisi) gegrundet worden, die am 22. Juni 2001 ebenfalls aufgelost wurde. Als\nFolge davon schlossen sich die Traditionalisten mit Erbakan im Hintergrund zur\nSaadet Partisi - SP - (Gluckseligkeitspartei) zusammen, die derzeit nicht im\nParlament vertreten ist; die Reformer fanden sich in der Gerechtigkeits- und\nAufbaupartei - AKP - zusammen, die mit Tayyip Erdogan den Ministerprasidenten\nstellt (AA, Lagebericht Turkei vom 9. Oktober 2002 sowie Lagebericht vom 19.\nMai 2004). \n--- \n| 50 \n--- \n| Die Weltanschauung der Milli Gorus (Nationale Weltsicht) basiert auf dem\n1975 von Necmettin Erbakan veroffentlichten gleichnamigen Werk. In diesem hat\nErbakan seine „Vision" zur Losung der gesellschaftlichen und politischen\nProbleme beschrieben und zugleich den Absolutheitsanspruch von Milli Gorus\nfestgelegt: „Milli Gorus vertritt den wahren und rechten Weg." (Zitat aus: VB\nBad.-Wurtt. 2003, 65). Milli Gorus beschwort die nach ihrer geschichtlichen\nWertung ruhmreiche und große Geschichte der Turkei, ihre Sitten und Gebrauche\nund wendet sich gegen die ihrer Auffassung nach in die turkische Verfassung\neingedrungene „linke und liberale Weltsicht", die einen falschen und\nunrechtmaßigen Weg darstelle (VB Bad.-Wurtt., a.a.O.). Die aus der Milli Gorus\nentwickelte „Gerechte Ordnung" \\- Adil Duzen - bezeichnet die westliche\nZivilisation als auf Gewalt beruhende „nichtige" Ordnung, die durch eine\nislamische, auf der gottlichen Wahrheit und dem daraus abgeleiteten Recht\nbasierende „Gerechte Ordnung" abzulosen sei (VB Nordrhein-Westfalen 2003, 224\nund 2004, 147). Ziel ist die Umgestaltung des Staatswesens in eine islamische\nRepublik, wobei eine Unvereinbarkeit von islamischer und westlicher Ordnung\nhergestellt wird (Schiffauer, Gutachten im Verwaltungsstreitverfahren Sakin\n./. Burgermeister der Stadt Gladbeck vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen,\nS. 8). Adil Duzen sieht den Schlussel zur Überwindung von Kapitalismus und\nSozialismus, die - nach Überzeugung Necmettin Erbakans - an ihrem Ende\nangelangt sind in einem richtigen Rechtsverstandnis, welches sich an zeitlose\nislamische Prinzipien bindet und an eine islamische Kultur knupft (Schiffauer,\na.a.O., S. 7 ff.). \n--- \n| 51 \n--- \n| Zur Verbreitung ihrer Ideologie bedient sich Milli Gorus verschiedener\nMedien. Besonders hervorzuheben ist die Zeitung Milli Gazete, die auch in\neiner Deutschlandausgabe erscheint. Zwar formal von der Milli Gorus/IGMG\nunabhangig, ist sie ihrer Sache jedoch eng verbunden. Sie ist keine\nunabhangige Zeitung, vielmehr Sprachrohr der Bewegung und Verbreiter ihrer\nIdeologie. Dieser Ruckschluss ergibt sich fur den Senat aus den Äußerungen\nNecmettin Erbakans zur Milli Gazete und der Einschatzung der Zeitung selbst\neinschließlich ihres Erscheinungsbildes. Angesichts dessen konnen Äußerungen\nin der Milli Gazete als reprasentativ fur das Islam- und Politikverstandnis\nder Milli Gorus und damit der IGMG angesehen werden. \n--- \n| 52 \n--- \n| Necmettin Erbakan erklarte zum Tag der Milli Gazete am 8. Dezember 2001 in\nDusseldorf: „Jeder Haushalt sollte die Milli Gazete abonnieren. Dies ist ein\nMuss, um die Geschehnisse richtig zu verstehen und um sich daruber zu\ninformieren." (VB Bundesministerium des Innern 2001, 215). In Konsequenz\ndieser Haltung ihres geistigen Fuhrers wird auf IGMG-Veranstaltungen fur\nAbonnements geworben; Bucher von Kolumnisten der Zeitung konnten uber den\nBuchkatalog der IGMG geworben werden (VB Bundesministerium des Innern 2002,\n190). \n--- \n| 53 \n--- \n| Auf seiner Internetseite pries Necmettin Erbakan die Milli Gazete ebenfalls\nan. Sie sei eine Rose, eine Schonheit im Sumpf der Presse, sie stehe fur eine\ngroßartige Bewegung, die den islamischen Glauben in der Welt an die Macht\nbringen werde. Sie gebe den Menschen Richtung und sei diejenige Zeitung, deren\nEtikett und deren Einfluss am großten sei (VB Bad.-Wurtt. 2003, 70). Diese\nÄußerungen Erbakans unterblieben wohl, wenn die Milli Gazete nicht die\nIdeologie der Milli Gorus teilte und verbreitete. Fur einen maßgeblichen\nEinfluss von Milli Gorus auf die Zeitung spricht weiter eine Äußerung des\ndamaligen IGMG-Vorsitzenden in „Die Welt" vom 2. Dezember 2001, in der die\nRede davon ist, man habe das Sagen bei der Milli Gazete (VB Nordrhein-\nWestfalen 2003, 227). \n--- \n| 54 \n--- \n| Umgekehrt lasst auch die Milli Gazete keinen Zweifel an ihrer Bindung zur\nMilli Gorus. Am 14. Januar 2003 heißt es in der Zeitung u.a., die Milli Gazete\nsei stets unerschrockene Verteidigerin der Anliegen von Milli Gorus gewesen\n(VB Bundesministerium des Innern 2003, 198). Es gibt keine Anhaltspunkte\ndafur, dass sich dieses Verstandnis heute gewandelt hatte. \n--- \n| 55 \n--- \n| In Übereinstimmung damit steht auch das Erscheinungsbild der Milli Gazete in\nDeutschland: Prioritat genießt die Berichterstattung zu Themen der Milli\nGorus, zu Veranstaltungen der IGMG und deren sozialem Umfeld. Im weiteren\nfinden sich zahlreiche private Anzeigen von IGMG-Mitgliedern (VB Bad.-Wurtt.\n2003, 68 ff., 71; VB Nordrhein-Westfalen 2004, 149; VB Rheinland-Pfalz 2004,\n69). \n--- \n| 56 \n--- \n| Der Widerspruch der Milli Gorus zum Demokratieprinzip der Bundesrepublik\nDeutschland kann somit auch anhand verschiedenster Äußerungen in der Milli\nGazete nachvollzogen werden: \n--- \n| 57 \n--- \n| Danach ist die Religion nicht nur eine Gewissensangelegenheit, sondern eine\nweltliche und gesellschaftliche Angelegenheit. Ohne die Beachtung der Vorgaben\nvon Scharia, Sunna und Koran sei auf keinen Fall ein muslimischer Fortschritt\ndenkbar (Milli Gazete vom 11. Juli 2003, VB Freie und Hansestadt Hamburg 2003,\n59). Ähnlich hieß es bereits am 2. Marz 2000: „Uns reicht nicht nur unsere\neigene Befreiung. Wir setzen uns fur die Befreiung der ganzen Menschheit ein\n... . Die Befreiung der Menschheit, ihr Wohl und Gluck sind uber den Koran\nmoglich" (VB Bundesministerium des Innern 2000, 207). In der Milli Gazete vom\n12. Mai 1998 wird aus der Rede des damaligen Vorsitzenden der IGMG Ali Yuksel\nzitiert, in der es heißt, die Gegner der IGMG vertraten das Unrecht, die von\nihnen behaupteten und verteidigten Systeme seien damals wie heute zum\nUntergang verurteilt (VB Bundesministerium des Innern 1998, 161). Die\nAblehnung eines sakularen Rechtssystems zeigt sich auch in folgender Äußerung\nin der Milli Gazete vom 7. August 2001: „Ein religioser Muslim ist\ngleichzeitig auch ein Verfechter der Scharia. Der Staat, die Medien und die\nGerichtsbarkeit haben nicht das Recht sich einzumischen. ... Die Verbundenheit\neines Muslims zur Scharia darf nicht dazu fuhren, dass er deswegen verurteilt\noder ins Kreuzverhor genommen wird" (VB Bundesministerium des Innern 2001,\n219). Weiter heißt es am 22. Juli 2002 in einem Artikel: „Fester Glaube in der\nheutigen Zeit bedeutet, die Bestimmungen der Scharia und der islamischen\nRechtswissenschaft in ihrer Urform zu schutzen und anzuerkennen" (VB\nBundesministerium des Innern 2002, 191). Die Ablehnung eines demokratischen\nSystems im Sinne der Verfassung verdeutlicht auch das nachfolgende Zitat aus\nder Milli Gazete vom 27. Juli 2004 (VB Bund 2004, 216): "Doch alle\nPrasidenten, Konige und orientalischen Herrscher dieser Welt verfugen nicht\nuber ein Einspruchsrecht gegen einen einzigen Vers im Buch Gottes. Denn wenn\nman im sozialen, politischen und individuellen Leben ein anderes System als\ndas System Gottes will, kommt es im gesellschaftlichen Gefuge zu einem\nErdbeben." \n--- \n| 58 \n--- \n| Konsequenterweise sind Islamisten, die ihre Dienste und Taten nicht an dem\nBuch Gottes, der Sunna des Propheten, den Geboten und Prinzipien der Scharia\nund Mystik ausrichten, auf dem falschen Weg (Milli Gazete vom 11. Juli 2003,\nVB Bundesministerium des Innern 2003, 199). Schließlich wird in einem Artikel\nder Milli Gazete vom 7. Juni 2004 (zitiert nach VB Nordrhein-Westfalen 2004,\n149) verlautbart, Vision der Milli Gorus sei es, die gesamte Welt auf\ngerechten Grundlagen neu zu strukturieren. \n--- \n| 59 \n--- \n| Die hier deutlich zum Ausdruck kommende religios-politische Botschaft wird\nso auch in den Moscheen der IGMG und im Internet verbreitet, oftmals verbunden\nmit dem Aufruf zum Djihad. So wurden bei einer Predigt in der „Ömer ul Faruk\nCamii" in Koln am 26. September 2003 die Glaubigen dazu aufgerufen, Staaten\nmit sakularen Ausrichtungen zu bekampfen, einhergehend mit der Aufforderung,\nsich fur den gemeinsamen Kampf zu organisieren, denn Gott werde die Muslime\nbeim Djihad unterstutzen (Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen vom\n7. November 2003 an BFV Koln sowie weitere Landesamter fur Verfassungsschutz). \n--- \n| 60 \n--- \n| Anlasslich einer Predigt im April 2002 in einer bayerischen IGMG-Moschee\nerklarte der Prediger, die Unglaubigen mussten bis in die tiefste Holle\ngetrieben werden. Man selbst musse zusammenhalten und sich ruhig verhalten,\nbis es soweit sei. Es sei alles in Vorbereitung und laufe im Verborgenen (VB\nBayern 2003, 171). Im November 2002 hieß es in einer Predigt, man musse\nErbakan gehorsam sein und seine Befehle ausfuhren. Wenn es verlangt werde,\nmusse das Leben geopfert werden; jeder Moslem musse jede Sekunde vorbereitet\nsein zum Djihad (VB Bayern, a.a.O.). \n--- \n| 61 \n--- \n| Die Verbreitung des Islam uber die rein religiose Betatigung hinaus wird\nauch in einer Äußerung auf der Internetseite der IGMG-USA/Kanada von Anfang\n1999 erkennbar, auf der es hieß, die jungen Soldaten der Milli Gorus seien auf\ndie Welt gekommen, um der Welt eine neue Ordnung zu geben, um die Glieder der\nKette (der Sklaverei) zu brechen, um den Thron des Tyrannen zu sturzen. Ihr\nWegweiser sei der Koran, ihr Fuhrer der Prophet, die Staatsgewalt gehe von\nAllah aus. Sie, die jungen Soldaten der Milli Gorus, seien als Nachfolger von\nEroberern fur neue Eroberungen (VB Bundesministerium des Innern 1999, 165). \n--- \n| 62 \n--- \n| Auch wenn in offiziellen Erklarungen Krieg und Gewalt eine Absage erteilt\nwerden und die Übereinstimmung mit der verfassungsmaßigen Ordnung der\nBundesrepublik Deutschland betont wird, kann kein Zweifel daran bestehen, dass\ndie Vorherrschaft der Scharia auch fur Europa und Deutschland angestrebt wird.\nBereits am 1. Juni 1998 erklarte der IGMG-Vorsitzende Yuksel, man musse fur\neine Eroberung des Islams in Europa kampfen, aber nicht mit Krieg und Gewalt,\nsondern mit einem sinnvollen Vorgehen (VB Bundesministerium des Innern 1998,\n160). Ein internes Papier der IGMG fuhrt dazu aus, die Aktivitaten und\nMethoden des An-die-Machtbringens und Vorherrschens des islamischen Rechtes,\ndas großte Ziel und die schonste Aufgabe, mussten in schonster und\nsystematischer Form erklart werden (VB Bundesministerium des Innern, a.a.O.).\nSo solle nicht der Kern der Dienstleistungen der IGMG, sondern die Form ihrer\nDarbietung und die Methode der Zeit gemaß neu bewertet werden (VB Bad.-Wurtt.\n2003, 84). \n--- \n| 63 \n--- \n| Einer der Wege zur Einflussnahme fuhrt aus Sicht der IGMG uber die Teilhabe\nan politischen Gestaltungsrechten. Dementsprechend wurden die IGMG-Mitglieder\nuber Anzeigen in der Milli Gazete und uber die vereinseigene Homepage\naufgerufen, die Staatsangehorigkeit ihrer Gastlander anzunehmen (VB\nBad.-Wurtt., a.a.O.). Mit dem Potential der Muslime in Deutschland sei man in\nder Lage, eine islamische Partei zu grunden, die dann ins Parlament kommen\nkonne (VB Bayern 2003, 173). \n--- \n| 64 \n--- \n| Der Senat schließt aus diesen Erkenntnisquellen, dass die IGMG, im Gegensatz\nzu gewaltbereiten islamistischen Organisationen, unter Ausnutzung der von der\nVerfassung selbst gebotenen Gestaltungs- und Mitwirkungsmoglichkeiten die\ndemokratische Grundordnung und damit die Verfassung der Bundesrepublik\nuberwinden will. \n--- \n| 65 \n--- \n| Der Senat vermochte schließlich nicht zu der Einschatzung zu gelangen, die\nIGMG stelle sich aufgrund von Reformbestrebungen nicht mehr als einheitlich zu\nbeurteilender Block dar oder sie habe gar eine neue Ausrichtung erfahren und\nsich von der Ideologie Erbakans getrennt: Zwar mag die Abspaltung und Grundung\nder AKP von der SP sowie deren Niederlage bei den Parlamentswahlen in der\nTurkei im November 2002 innerhalb der IGMG zu Diskussionen uber eine Neu- oder\nUmorientierung hin zum Kurs der AKP gefuhrt haben (VB Berlin 2003, 111).\nGreifbare Konturen dieser „Diskussion" lassen sich bislang jedoch nicht\nerkennen. Ein Reformflugel, der sich innerhalb der Bewegung artikuliert,\nbeispielsweise durch Diskussionsbeitrage, in Arbeitskreisen oder auf\nVeranstaltungen ist nicht auszumachen, ebenso wenig bestimmte Personen, auf\ndie der Begriff des Reformers zutreffen konnte. Der Verweis auf eine in Gang\ngesetzte Loslosung von der Ideologie Erbakans ist letztlich nicht an\nentsprechenden Tatsachen festzumachen, ebenso wenig die Behauptung des\nProzessbevollmachtigten des Klagers, Erbakan habe keinen Einfluss mehr auf\nPolitik und Gestaltung der IGMG. Die Erkenntnisquellen des Senats fuhren zu\neiner anderen Einschatzung. Danach pragt und dominiert nach wie vor die\ntraditionalistische Weltanschauung Erbakans die IGMG, ohne fur abweichende\nAuffassungen Raum zu lassen: \n--- \n| 66 \n--- \n| Fur die IGMG in Deutschland gilt nach wie vor, trotz der politischen\nMachtverluste in der Turkei und (moglichen) Differenzen uber den kunftigen\nKurs, Erbakan als geistiger Fuhrer der Bewegung (Schiffauer, aaO, S. 45) und\nIntegrationsfigur (so der Milli Gorus-Generalsekretar Oguz Ücuncu, „Die\nTageszeitung" vom 7. Mai 2004 „Es geht darum, uns weh zu tun"). Der Gutachter\nSchiffauer raumt selbst ein, dass die Fuhrungsspitze in Deutschland noch immer\ndie Zustimmung von Erbakan braucht, um als legitim zu gelten (aaO, S. 48).\nDaruber hinaus verfuge Erbakan uber eine erhebliche, wenn nicht gar\nunanfechtbare Autoritat (Schiffauer, a.a.O.). \n--- \n| 67 \n--- \n| Dass Erbakan den Einfluss auf Milli Gorus nicht verloren hat, bekraftigte\nauch der SP-Vorsitzende Kutan bei einem Empfang des SP-Ortsvereins Ankara. Er\nhob die Kontinuitat der Fuhrungsrolle Erbakans hervor und betonte, dessen\nFuhrung der Milli Gorus werde weitergehen (Milli Gazete vom 05. Februar 2004,\nVB Bund2004, 214). Bereits auf einem Treffen von IGMG-Fuhrungsfunktionaren am\n22. Juni 2003 kritisierten Redner die AKP und warnten vor einer Losung von der\nSP. Auch der zur Wahl als Generalvorsitzender vorgeschlagene Yavuz Celik\nKarahan betonte in seiner Ansprache die Verbundenheit zu Milli Gorus (VB\nNordrhein-Westfalen 2003, 230; VB Hamburg 2003, 55). So wurden wiederum im\nJahr 2004 Grußbotschaften Erbakans bei IGMG-Veranstaltungen in Deutschland\nlive ubertragen (VB Bund 2004, 215). Die Dominanz der politischen Zielrichtung\nNecmettin Erbakans in der IGMG geht daruber hinaus auch aus einem E-Mail\nSchriftwechsel zwischen einem Kritiker am offiziellen Auftreten der IGMG und\neinem Funktionar der IGMG hervor, bei dem Letzterer darauf hinweist, an der\nIdee der „Gerechten Ordnung" werde festgehalten (VB Nordrhein-Westfalen 2004,\n151). Dementsprechend ist bis heute, trotz offentlicher\nDemokratiebekenntnisse, keine Loslosung von Erbakan und seiner Ideologie\nerfolgt (ebenso VB Berlin 2004, 113f.), weder von Seiten der Fuhrungsspitze,\nnoch von Seiten eines - ohnedies nicht greifbaren (s.o.) - Reformflugels. \n--- \n| 68 \n--- \n| Zusammenfassend bleibt deshalb festzuhalten, dass mangels eines ernsthaften\nreformerischen Ansatzes die Absichten der IGMG insgesamt und trotz\ngegenteiliger Bekundungen, im Kern gegen das in der Verfassung verankerte\nDemokratieverstandnis und damit gegen die freiheitlich-demokratische\nGrundordnung gerichtet sind." \n--- \n| 69 \n--- \n| Dem schließt sich der Berichterstatter in vollem Umfang an. Der Klager hat\ndie entsprechenden gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung\ngerichteten Bestrebungen durch seine Vorstandstatigkeit im Ortsverein S. der\nIGMG von 1998 bis (mindestens) Anfang 2001 auch unterstutzt i.S.d. § 11 Satz 1\nNr. 2 StAG. \n--- \n| 70 \n--- \n| Als Unterstutzung i.S.d. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG ist jede eigene Handlung\nanzusehen, die fur Bestrebungen i.S.d. Bestimmung objektiv vorteilhaft ist.\nDazu zahlen etwa die offentliche oder nichtoffentliche Befurwortung von\nBestrebungen i.S.v. § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG, die Gewahrung finanzieller\nUnterstutzung oder die Teilnahme an Aktivitaten zur Verfolgung oder\nDurchsetzung der inkriminierten Ziele (vgl. VGH Munchen, Urt. v. 27.05.2003 -\n5 B 01.1805 - Juris -; Berlit in GK-StAR § 11 StAG RdNr. 96 ff.). Allerdings\nmuss die eine Unterstutzung der Bestrebungen gegen die freiheitliche\ndemokratische Grundordnung bezweckende Zielrichtung des Handelns fur den\nAuslander regelmaßig erkennbar und ihm deshalb zurechenbar sein. An einem\nUnterstutzen fehlt es hingegen, wenn jemand allein einzelne politische,\nhumanitare oder sonstige Ziele einer Organisation, nicht aber auch deren\nBestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung befurwortet -\nsich hiervon ggf. deutlich distanziert - und lediglich dies durch seine\nvereinsrechtlich erlaubten mitgliedschaftlichen Tatigkeiten nach außen\nvertritt (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.03.2005 - 1 C 26/03 -, zum insoweit\nverwandten Begriff des „Unterstutzens einer Vereinigung, die ihrerseits den\ninternationalen Terrorismus unterstutzt" \\- Ausweisungs- und besonderer\nVersagungsgrund nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 letzte Alternative, § 47 Abs. 2 Nr. 4\nAuslG, NVwZ 2005, 1091). \n--- \n| 71 \n--- \n| Dass der Einburgerungsbewerber sicherheitsrelevante Bestrebungen in diesem\nSinne unterstutzt, muss nicht mit dem ublichen Grad der Gewissheit\nfestgestellt werden. Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr ein\ntatsachengestutzter hinreichender Tatverdacht. Damit soll nach dem Willen des\nGesetzgebers angesichts der Nachweisprobleme gegenuber vielfach verkappt\nagierenden Aktivisten unter Senkung der Nachweisschwelle die Einburgerung von\nPKK-Aktivisten oder radikalen Islamisten auch dann verhindert werden, wenn\nentsprechende Bestrebungen nicht sicher nachgewiesen werden konnen (vgl. BT-\nDrs. 14/533 S. 18 f.). Andererseits genugen allgemeine Verdachtsmomente, die\nnicht durch bezeichenbare, konkrete Tatsachen gestutzt sind, nicht.\nErforderlich ist eine wertende Betrachtungsweise, bei der auch die Auslandern\nzustehenden Grundrechte (Art. 5 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 3 GG) zu\nberucksichtigen sind. Dabei konnen aber auch legale Betatigungen herangezogen\nwerden (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 11.07.2002 - 13 S 1111/01 - Juris -; VGH\nMunchen, Urt. v. 27.05.2003 - 5 B 01.1805 - a.a.O.; Berlit, a.a.O. RdNr. 87\nff.). Mit § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG wird der Sicherheitsschutz im\nEinburgerungsrecht weit vorverlagert in Handlungsbereiche, die strafrechtlich\nnoch nicht beachtlich sind und fur sich betrachtet auch noch keine\nunmittelbare Gefahrdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung\ndarstellen (vgl. VGH Munchen, Urt. v. 27.05.2003 - 5 B 01.1805 - a.a.O.). \n--- \n| 72 \n--- \n| Gemessen an diesen Maßstaben ist die Annahme gerechtfertigt, dass der Klager\ndie entsprechenden Bestrebungen der IGMG unterstutzt hat. Die Tatigkeit eines\nortlichen Vorstandsmitgliedes ist im o.g. Sinne ohne weiteres forderlich fur\ndie Aktivitaten einer solchen Organisation. Daneben hat der Klager auch\nausdrucklich angegeben, da er im Umgang mit Behorden geubt gewesen sei, habe\ner fur den Verein auch zahlreiche Behordengange erledigt. Aber auch die\nvorausgesetzte Erkenn- und Zurechenbarkeit (vgl. oben) seiner Handlungen in\nBezug auf die inkriminierten Bestrebungen muss vorliegend bejaht werden. Der\nKlager ist - worauf die Beklagte stets hingewiesen hat - ausweislich der zum\nVereinsregister vorgelegten „Ernennungsurkunde" vom 15.02.1998 durch den\nVorstand des IGMG Bundesverbandes (A. Yuksel, M. Erbakan, O. Doring) zum\nortlichen Vorstandsmitglied ernannt worden, wie dies auch in § 11.2 der\nebenfalls zum Vereinsregister vorgelegten ortlichen Vereinssatzung\nausdrucklich vorgesehen ist. Darin ist zugleich das Recht des Bundesvorstands\nnormiert, den ortlichen Vereinsvorstand jederzeit abzuberufen. Angesichts der\nhierarchischen Struktur der IGMG (vgl. oben), wie sie gerade auch durch eine\nsolche Satzungsbestimmung deutlich wird, ist die Schlussfolgerung\ngerechtfertigt, nur „linientreue" Mitglieder, die den Zielen der IGMG nicht\ndistanziert gegenuberstehen, kommen fur eine solche Vorstandstatigkeit in\nFrage. Jedenfalls genugt dieser tatsachliche Anhaltspunkt um - wie es § 11\nSatz 1 Nr. 2 StAG erfordert - die Annahme zu rechtfertigen, der Klager habe\nentsprechende Bestrebungen unterstutzt. \n--- \n| 73 \n--- \n| Der Klager hat nicht glaubhaft gemacht, dass er sich von den nach § 11 Satz\n1 Nr. 2 StAG inkriminierten Bestrebungen abgewandt hat. \n--- \n| 74 \n--- \n| Ein Abwenden im Sinne des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG erfordert mehr als ein bloß\naußeres - zeitweiliges oder situationsbedingtes - Unterlassen der fruheren\nUnterstutzungshandlungen und setzt einen individuellen oder mitgetragenen\nkollektiven Lernprozess voraus, aufgrund dessen angenommen werden kann, dass\nmit hinreichender Gewissheit zukunftig die Verfolgung oder Unterstutzung\ninkriminierter Bestrebungen auszuschließen ist (vgl. VGH Munchen, Urteile vom\n27.05.2003 - 5 B 00.1819 und 5 B 01.1805, jeweils Juris; Berlit, a.a.O., § 11\nStAG Rdnr. 149 ff.). Die Glaubhaftmachung einer solchen Abwendung erfordert\nzunachst, dass der Einburgerungsbewerber einraumt oder zumindest nicht\nbestreitet, fruher eine durch § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG inkriminierte Bestrebung\nunterstutzt zu haben (vgl. VGH Baden-Wurttemberg, Urteil vom 11.07.2002 - 13 S\n1111/01 - Juris -). Der Einburgerungsbewerber muss zwar zur Glaubhaftmachung\nder Abwendung die fruheren Aktivitaten weder bedauern noch ihnen abschworen\n(vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 13.12.2004, InfAuslR 2005, 64). Es muss\naber erkennbar sein, aus welchen Grunden sich die personlichen\nRahmenbedingungen verandert haben, wie es etwa durch die Darlegung der\nEinsicht in die Sinn- und Erfolglosigkeit des bisherigen Bestrebens geschehen\nkann (vgl. Berlit aaO Rdnr. 155). Der Einburgerungsbewerber hat die Umstande,\ndie seine Abwendung belegen, so substantiiert und einleuchtend darzulegen,\ndass man diese Grunde als „triftig" anerkennen kann; Nachvollziehbarkeit der\nErklarung im Hinblick auf einen inneren Gesinnungswandel kann dann genugen,\nwenn dieser auch durch Handlungen nach Außen hin erkennbar wird (vgl. VGH\nBad.-Wurtt., Beschluss vom 13.12.2004, aaO). Liegen die\neinburgerungschadlichen Aktivitaten bereits erhebliche Zeit zuruck, fuhrt dies\nzu einer zusatzlichen Herabsetzung der Anforderungen an die Glaubhaftmachung\ninnerer Lernprozesse (vgl. Berlit aaO Rdnr. 165; VGH Bad.-Wurtt., Beschluss\nvom 13.12.2004, aaO). \n--- \n| 75 \n--- \n| Eine individuelle Abwendung des Klagers von der fruheren Unterstutzung von\ngegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen\nder IGMG ist hier nicht glaubhaft gemacht. Der Klager hat sich mit seinen\nfruheren Aktivitaten weder kritisch auseinandergesetzt noch ein Umdenken\nvorgetragen. Hinzu kommt, dass der Klager immer noch bestreitet, fruher eine\ndurch § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG inkriminierte Bestrebung unterstutzt zu haben.\nSchließlich ist das gesamte Verhalten des Klagers auf ein systematisches\n„Herunterspielen" seiner Aktivitaten ausgerichtet, das einer glaubhaften\nAbwendung von diesen Bestrebungen entgegensteht. Nach wie vor ist er - wenn\nauch einfaches - Mitglied der IGMG. \n--- \n| 76 \n--- \n| Auch eine Abwendung der IGMG selbst von den hier zu beurteilenden\nBestrebungen - was im Rahmen des § 11 Satz 1 Nr. 2, letzter Halbsatz StAG\nausreichen konnte - ist nicht glaubhaft gemacht. Es gibt keine hinreichenden\nAnhaltspunkte dafur, dass sich die IGMG von ihren Bestrebungen gegen die\nfreiheitliche demokratische Grundordnung abgewandt haben konnte, was eine\nweiter bestehende Nahe zu dieser Organisationen nunmehr als unbeachtlich im\nRahmen des § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG erscheinen ließe (vgl. oben, OVG Koblenz,\na.a.O.). \n--- \n| 77 \n--- \n| Bereits damit scheidet ein Einburgerungsanspruch des Klagers unmittelbar\nnach § 10 Abs. 1 StAG aus. \n--- \n| 78 \n--- \n| Insoweit kann dahinstehen, ob weiter auch ein Einburgerungsanspruch\nunmittelbar aus § 10 Abs. 1 StAG mit Blick darauf ausscheiden wurde, dass dem\nKlager nicht abgenommen werden kann, dass er sich zur freiheitlichen\ndemokratischen Grundordnung bekennt (§ 10 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbs. StAG). Der\nBerichterstatter neigt allerdings auch zu der Ansicht, dass ein rein verbales\nBekenntnis des Einburgerungsbewerbers zur freiheitlichen demokratischen\nGrundordnung zur Erfullung der Einburgerungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Satz\n1 Nr. 1 StAG nicht ausreicht; dieses Bekenntnis vielmehr auch inhaltlich\nzutreffen muss und nicht nur eine rein formelle Einburgerungsvoraussetzung\ndarstellt (so Jakober/Welte, Aktuelles Auslanderrecht, § 86 RdNr. 21; a.A. mit\nbeachtlichen Gegenargumenten Berlit, a.a.O., § 10 StAG RdNrn. 126 ff.). § 10\nAbs. 1 Satz 1 Nr. 1 StAG verlangt fur die Einburgerung andererseits auch nicht\nmehr als ein materiell vorliegendes „Bekenntnis", also nicht daruber hinaus,\ndass der Einburgerungsbewerber auch Gewahr dafur bietet, dass er jederzeit -\nauch kampferisch - fur die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne\ndes Grundgesetzes eintritt (Berlit, a.a.O., § 10 StAG RdNr. 130). Wenn aber -\nwie hier (vgl. oben) - tatsachliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen,\ndass der Einburgerungsbewerber Bestrebungen unterstutzt hat, die gegen die\nfreiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind, so liegt selbstredend\nnahe, dass das abgegebene Bekenntnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbs. StAG\nunzutreffend ist. Zwar kommt der Behorde hier die in § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG\nangeordnete Beweiserleichterung, wonach das Vorliegen tatsachlicher\nAnhaltspunkte zur Rechtfertigung einer entsprechenden Annahme insoweit genugt,\nnicht zugute. Jedoch durfte es sich bei einem solchen Bekenntnis um eine vom\nEinburgerungsbewerber zu belegende Tatbestandsvoraussetzung seiner erstrebten\nEinburgerung handeln. Ohne besondere Umstande des Einzelfalles kann danach\nzwar angenommen werden, der ein solches Bekenntnis schriftlich abgebende\nEinburgerungsbewerber erfulle die maßgebliche Voraussetzung. Hier jedoch hat\nder Klager diesbezuglich selbst Zweifel geweckt (vgl. oben), so dass ihm\nanzusinnen ware, das erforderliche entsprechende Bekenntnis noch anderweitig\nnachzuweisen. Dies kann hier letztlich dahinstehen, da sich die Nicht-\nErfullung der unmittelbaren Anspruchsvoraussetzungen einerseits hier bereits\naus § 11 Satz 1 Nr. 2 StAG ergibt (vgl. oben), andererseits der Erfolg der\nKlage gleichwohl ebenfalls einem anderen Umstand geschuldet ist. \n--- \n| 79 \n--- \n| Die Beklagte hat dem Klager namlich bereits am 09.06.1999 eine\nEinburgerungszusicherung erteilt. Dieses dem allgemeinen\nVerwaltungsverfahrensrecht (vgl. § 38 LVwVfG) entlehnte Institut, das in\nEinburgerungsverfahren in standiger Praxis auf Falle drohender Mehrstaatigkeit\nangewandt wird, soll einerseits Intervalle mehrfacher Staatsangehorigkeit,\nandererseits aber auch temporare Staatenlosigkeit vermeiden (vgl. VGH Ba.-Wu.,\nUrt. v. 06.07.1994 - 13 S 2147/93 -, InfAuslR 1995, 116). Damit wird im\nEinburgerungsverfahren die Prufung der Einburgerungsvoraussetzungen\nverbindlich abgeschlossen und dem Einburgerungsbewerber seine Einburgerung fur\nden Fall zugesagt, dass der Verlust der bisherigen Staatsangehorigkeit\nnachgewiesen wird. Gemaß § 38 Abs. 3 LVwVfG ist die Behorde an die Zusicherung\nnur dann nicht mehr gebunden, wenn sich nach Abgabe der Zusicherung die Sach-\noder Rechtslage derart andert, dass die Behorde bei Kenntnis der nachtraglich\neingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hatte oder aus\nrechtlichen Grunden nicht hatte geben durfen. Dieser gesetzlichen\nEinschrankung entspricht hier auch der der konkreten Einburgerungszusicherung\nvom 09.06.1999 beigefugte Vorbehalt. Daneben kann die Behorde gemaß § 38 Abs.\n2 LVwVfG eine einmal gegebene Zusicherung in entsprechender Anwendung des § 48\nLVwVfG zurucknehmen. \n--- \n| 80 \n--- \n| Von der einmal gegebenen Zusicherung ist die Beklagte hier nicht gemaß § 38\nAbs. 3 LVwVfG befreit. Eine Änderung der Sachlage ist namlich nicht\neingetreten. Der Klager war bereits seit 1998, also vor Erteilung der\nEinburgerungszusicherung, Vorstandsmitglied des ortlichen IGMG-Vereins. Dass\ndie Behorden dies erst nachtraglich erkannten, stellt aber keine geanderte\nSachlage dar (VGH Ba.-Wu., Urt. v. 02.07.1990 - 8 S 524/90 -, NVwZ 1991, 79).\nEntsprechend liegt aber auch keine geanderte Rechtslage vor. Der Umstand, dass\ndie sog. „Regelanfrage" zum Landesamt fur Verfassungsschutz erst nach\nErteilung der Einburgerungszusicherung eingefuhrt wurde (und dann auch im\nFalle des Klagers erst bei der abschließenden Verfahrensbearbeitung im Jahre\n2001 so praktiziert wurde), stellt lediglich eine geanderte\nVerwaltungs(-verfahrens)praxis dar. Die maßgeblichen Rechtsvoraussetzungen\nselbst haben sich aber nicht geandert. \n--- \n| 81 \n--- \n| Die Beklagte kann sich vorliegend auch nicht darauf berufen, in\nentsprechender Anwendung von § 48 LVwVfG sei die ursprunglich erteilte\nEinburgerungszusicherung vom 09.06.1999 zuruckgenommen worden. Eine\nausdruckliche Rucknahmeentscheidung liegt nicht vor. Zwar wird die Auffassung\nvertreten, solches sei insoweit nicht erforderlich, es genuge, wenn die\nBehorde das Vorliegen von Rucknahmegrunden im Rahmen des (weiteren) Verfahrens\nuber den tatsachlichen Erlass des zugesicherten Verwaltungsakts berucksichtige\n(Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. § 38 Rz 35.). Dem vermag sich der\nBerichterstatter aber nur insoweit anzuschließen, als der Umstand einer\nRucknahme der ursprunglichen Einburgerungszusicherung einschließlich der\nAusubung des insoweit gebotenen Rucknahmeermessens aus der (endgultig)\nablehnenden Entscheidung dann deutlich werden muss und sich die letztgenannte\nEntscheidung noch innerhalb des von § 48 Abs. 4 LVwVfG vorgegebenen zeitlichen\nRahmens halt. Keine dieser Voraussetzungen sind hier erfullt. Die angegriffene\nVerfugung der Beklagten vom 05.09.2003 lasst an keiner Stelle erkennen, dass\ndie Beklagte damit eine Rucknahme ihrer ursprunglichen\nEinburgerungszusicherung vom 09.06.1999 intendierte. Der Umstand der zuvor\nerteilten Einburgerungszusicherung ist an keiner Stelle erwahnt; weder die\nVorschrift des § 48 LVwVfG noch eine diesbezugliche Ermessensbetatigung finden\nsich dort. Daneben erlangte die Beklagte ausweislich der (insoweit auffallend\nwenig aussagekraftigen) Verwaltungsakten nach der schriftlichen Mitteilung des\nLandesamtes fur Verfassungsschutz vom 07.06.2001 (Verw.-AS 33), die Akten\nwurden dem Innenministerium vorgelegt, bereits am 13.06.2001 (vgl. den\nAktenvermerk auf AS 35) durch ein Telefonat mit dem Amtsgericht B. (ohne dass\nin irgendeiner Weise deutlich wurde, was dieses Telefonat veranlasst haben\nkonnte) die Kenntnis, dass der Klager stellvertretender Vorsitzender des IGMG-\nOrtsvereins S. war. Selbst wenn in der hier angegriffenen ablehnenden\nVerfugung vom 05.09.2003 daher zugleich die Rucknahme der vormaligen\nEinburgerungszusicherung zu sehen ware, so ware die Jahresfrist des § 48 Abs.\n4 LVwVfG uberschritten. \n--- \n| 82 \n--- \n| Schließlich ist die vorliegende Einburgerungszusicherung vom 09.06.1999 auch\nnicht deshalb im jetzt maßgeblichen Zeitpunkt der mundlichen Verhandlung (vgl.\noben) unbeachtlich, weil sie von der Beklagten auf den 08.06.2001 befristet\nwurde. Zwar ist die Beifugung einer solchen Bestimmung grundsatzlich moglich.\nDer Inhalt einer Zusicherung und deren Bindungswirkung wird neben dem\nbindenden Versprechen, den zugesicherten Verwaltungsakt zu erlassen, auch von\nderartigen beigefugten Beschrankungen wie Vorbehalten, Bedingungen,\nBefristungen usw. bestimmt (Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rz 7). \n--- \n| 83 \n--- \n| Die Beklagte ist jedoch gehindert, sich im vorliegenden Verfahren auf die\nabgelaufene Frist zu berufen. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ( § 242\nBGB ), der auf einem allgemeinen Rechtsgedanken beruht und daher auch im\noffentlichen Recht gilt (vgl. Standige Rechtsprechung des BVerwG, z.B. Urt. v.\n22.01.1993 - 8 C 46.91 -, NVwZ 1993, 1102) darf sich niemand auf einen\nFristablauf berufen, der zuvor allein fur das Verstreichen dieser Frist\nverantwortlich war (Rechtsgedanke aus § 162 BGB). So liegt es hier. Der Klager\nhat innerhalb der in der Einburgerungszusicherung genannten Frist die einzige\nihm danach noch auferlegte Bedingung, die Entlassung aus seiner ursprunglichen\nturkischen Staatsangehorigkeit herbeizufuhren, erfullt. Er erhielt Anfang 2001\ndie Genehmigung uber den Austritt aus der turkischen Staatsangehorigkeit und\ninformierte die Beklagte bereits vorab telefonisch uber diese ihm erteilte\nGenehmigung. Wiewohl ein entsprechender Aktenvermerk fehlt, muss angenommen\nwerden, da die Beklagte ab dem 18.04.2001 mit der Aktualisierung der\nvorliegenden Unterlagen begann, dass diese Unterrichtung an diesem Tag erfolgt\nist. Nachdem aber keine geanderte Sach- und Rechtslage gegeben war (vgl.\noben), hatte die Beklagte zu diesem Zeitpunkt, also noch innerhalb des\nGultigkeitszeitraums der Einburgerungszusicherung, die Einburgerung des\nKlagers vollziehen konnen und mussen. Fur den weiteren Zeitablauf war nunmehr\nallein die Beklagte verantwortlich. Sie ist daher gehindert, im jetzigen\nVerfahren einzuwenden, die Einburgerungszusicherung vom 09.06.1999 sei wegen\nFristablaufs gegenstandslos. Vielmehr ist sie entsprechend dieser Zusicherung\nverpflichtet, den Klager einzuburgern. \n--- \n| 84 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n---\n\n
141,530
olgkarl-2005-11-25-2-ws-7605
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
2 Ws 76/05
2005-11-25
2019-01-08 19:29:33
2019-02-12 12:20:59
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des\nLandgerichts - Strafvollstreckungskammer - F. vom 14. Marz 2005 aufgehoben.\n\nDie Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch uber die Kosten des\nBeschwerdeverfahrens, an das Landgericht F. zuruckgegeben.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Mit der angefochtenen Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer des\nLandgerichts F. die Fortdauer der mit Urteil des Landgerichts H. vom 2.9.1986\nangeordneten und seit dem 15.7.1992 vollzogenen Sicherungsverwahrung\nangeordnet. Die sofortige Beschwerde des Verurteilten hat den aus dem Tenor\nersichtlichen - vorlaufigen - Erfolg. Das von der Strafvollstreckungskammer\nihrer Entscheidung zugrundegelegte Prognosegutachten genugt nicht den vom\nBundesverfassungsgericht aufgestellten Anforderungen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Nach § 67 d Abs. 3 StGB dauert die Unterbringung in der\nSicherungsverwahrung uber zehn Jahre hinaus fort, wenn die Gefahr besteht,\ndass der Untergebrachte infolge seines Hangs erhebliche Straftaten begehen\nwird, durch die die Opfer seelisch oder korperlich schwer geschadigt werden.\nMit diesen Voraussetzungen hat der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich\nunbedenklicher Weise (BVerfG NJW 2004, 739, 743) den Anforderungen, die sich\naus dem Spannungsverhaltnis zwischen dem mit zunehmender Dauer der\nSicherungsverwahrung erstarkenden Freiheitsanspruch des betroffenen Einzelnen\nauf der einen Seite und dem Sicherungsbedurfnis der Allgemeinheit vor zu\nerwartenden erheblichen Rechtsgutsverletzungen auf der anderen Seite ergeben,\nRechnung getragen, indem er die Fortdauer der Sicherungsverwahrung nach Ablauf\nvon zehn Jahren an deutlich engere Voraussetzungen als die vorangegangenen\nEntscheidungen nach §§ 66, 67 c und 67 d Abs. 2 StGB geknupft hat. § 67d Abs.\n3 StGB begrundet ein Regel-Ausnahmeverhaltnis, indem regelmaßig Erledigung\nangeordnet und nur ausnahmsweise fur den Fall einer positiven Gefahrenprognose\ndie Fortsetzung der Vollstreckung gestattet wird. Wahrend eine\nMaßregelaussetzung nach § 67 d Abs. 2 StGB bei positiver Erwartung kunftiger\nUngefahrlichkeit zulassig ist, setzt die Fortdauerentscheidung nach § 67 d\nAbs. 3 StGB die Überzeugung des Gerichts voraus, dass der Verurteilte\nweiterhin gefahrlich ist. Damit ist die Erledigung der Maßregel nicht von\neiner positiven, sondern ihr Fortbestand von einer negativen Prognose\nabhangig. Eine Fortsetzung der Maßregel jenseits der Zehnjahresgrenze kommt\nnur bei demjenigen in Betracht, dessen nunmehr vermutete Ungefahrlichkeit\nwiderlegt ist (BVerfG NJW 2004, 739, 742). \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Prognose einer fortbestehenden Gefahrlichkeit ist vom Richter zu\ntreffen. Er darf die Fortdauer einer Sicherungsverwahrung nur anordnen, wenn\nkonkrete und gegenwartige Anhaltspunkte fur eine andauernde Gefahrlichkeit\nsprechen. Allgemeine Erwagungen und die schlichte Fortschreibung unwiderlegter\nGefahrlichkeitshypothesen genugen nicht (BVfG NJW 2004, 739, 742). Eine bloß\nabstrakte, auf statistische Wahrscheinlichkeit gestutzte Prognoseentscheidung\nist dem Gericht untersagt (BVerfG NJW 2004, 750, 759). Um fur diese Prognose\neine ausreichende Sachaufklarung zu gewahrleisten, ist nach § 463 Abs. 3 S. 4\nStPO zwingend ein Sachverstandigengutachten zu erheben, das anerkannten\nwissenschaftlichen Standards genugen muss und dem Gericht die tatsachlichen\nGrundlagen vermittelt, die es ihm ermoglichen, eigenstandig eine Prognose zu\ntreffen. Das Gericht darf sich der gutachterlichen Wahrscheinlichkeitsaussage\nuber das erwartete Legalverhalten des Untergebrachten nicht einfach\nanschließen. Vielmehr muss es dem arztlichen Gutachten richterliche Kontrolle\nentgegensetzen, die sich nicht allein auf das Untersuchungsergebnis, sondern\nauch auf die Qualitat der gesamten Wahrscheinlichkeitsprognose bezieht. Er\nmuss also prufen, ob das Gutachten wissenschaftlichen Mindeststandards genugt\nund das Ergebnis der Begutachtung einer kritischen Hinterfragung unterziehen\n(BVerfG NJW 2004, 739, 743; BGH StV 2005, 124 f.). \n--- \n| 4 \n--- \n| Der besonderen Tragweite und dem Ausnahmecharakter der nach § 67 d Abs. 3\nStGB zu treffenden Entscheidung ist vom Gericht schon bei der Auswahl des\nSachverstandigen Rechnung zu tragen, wobei das Bundesverfassungsgericht von\neinem Arzt mit psychiatrischer Ausbildung und Erfahrung spricht. Regelmaßig\nsoll ein externer Sachverstandiger mit der Begutachtung beauftragt werden, um\nauszuschließen, dass anstaltsinterne Belange oder die Beziehung zwischen\nTherapeuten und Untergebrachten das Gutachten beeinflussen. Um der Gefahr von\nRoutinebegutachtungen zu begegnen, kann es auch angezeigt sein, einen\nSachverstandigen hinzuzuziehen, der im Vollstreckungsverfahren noch nicht mit\nder Untersuchung des Untergebrachten befasst war (BVerfG NJW 2004, 739, 743). \n--- \n| 5 \n--- \n| Bereits diesen Vorgaben wird die Person des von der\nStrafvollstreckungskammer beauftragten Sachverstandigen Prof. K. nicht\ngerecht, bei dem es sich um einen Psychologen und Kriminologen und damit nicht\num einen Arzt mit psychiatrischer Ausbildung und Erfahrung handelt. Zwar\nvermag es der Senat nicht auszuschließen, dass es Falle geben mag, in denen\ndas Gutachten eines Psychologen mit kriminologischer Erfahrung auch\nverfassungsrechtlichen Anforderungen genugt (vgl. Boetticher NStZ 2005, 417,\n420). Dies kann aber dann nicht gelten, wenn bei dem Untergebrachten wie\nvorliegend ausgepragte Personlichkeitsauffalligkeiten in Frage stehen. Im\nGutachten des Sachverstandigen Prof. K. wird die Personlichkeitsstruktur des\nUntergebrachten als „abnorm" bezeichnet, auch wenn eine\n„Personlichkeitsstorung oder sonstige psychische Storung im engeren Sinne"\nnicht vorliege. Diese Umschreibung der Personlichkeitsstruktur des\nUntergebrachten geht auf die anlasslich der Hauptverhandlung im Jahre 1984\nerfolgte psychiatrische Begutachtung des Untergebrachten zuruck, in der er als\nschwach begabte, haltschwache, kontaktarme und leicht erregbare Personlichkeit\nbeschrieben wird. Dem aktuellen wissenschaftlichen Standard werden diese nicht\nan den international anerkannten Diagnosesystemen des ICD 10 und DSM III\norientierten Begriffen zur Beschreibung der Personlichkeitsstruktur, die wegen\nihrer Ungenauigkeiten und Beliebigkeit vielfaltige Kritik erfahren haben\n(Kinzig, R&P 1997, 9ff., 15; Habermeyer/Saß, Der Nervenarzt 2004, 1061,\n1065f.) nicht mehr gerecht (Habermeyer/Saß, Der Nervenarzt 2004, 1061, 1065).\nDa der Untergebrachte seit dieser Beurteilung soweit ersichtlich nur\npsychologischen Testverfahren unterzogen wurde, hatten die offensichtlich\nvorliegenden Auffalligkeiten in seiner Personlichkeit unbedingt der klinischen\nUntersuchung durch einen psychiatrischen Sachverstandigen bedurft, da sie mit\npsychologischen Testverfahren nur unzureichend erfasst werden konnen (vgl.\nauch Krober NStZ 1999, 593, 596). Hinzu kommt, dass der Sachverstandige Prof.\nK. den Untergebrachten in der Vergangenheit uber einen langeren Zeitraum\nhinweg therapeutisch behandelt hat und deshalb nach den vom\nBundesverfassungsgericht geforderten Maßstaben wegen einer moglichen\nBeeinflussung des Gutachtenergebnisses durch die Beziehung zwischen\nTherapeuten und Untergebrachten ausscheidet. Schließlich hatte vorliegend\nerwogen werden mussen, einen im Vollstreckungsverfahren noch nicht mit der\nUntersuchung des Untergebrachten befassten Sachverstandigen hinzuzuziehen, um\nder Gefahr von Routinebegutachtungen zu begegnen (BVerfG NJW 2004, 739, 743). \n--- \n| 6 \n--- \n| Damit genugt das Gutachten schon hinsichtlich der Person des\nSachverstandigen nicht den vom Bundesverfassungsgericht fur die Begutachtung\nim Verfahren uber eine Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung\nnach § 67d Abs. 3 StGB aufgestellten Maßstaben. Die angefochtene Entscheidung\nist deshalb aufzuheben und an die Strafvollstreckungskammer zuruckzuverweisen,\ndie aufgrund einer neuerlichen kriminalprognostischen Begutachtung des\nUntergebrachten erneut uber die Fortdauer der Sicherungsverwahrung wird\nentscheiden mussen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Hinsichtlich dieser neuerlichen Begutachtung weist der Senat auf folgendes\nhin: Um den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten inhaltlichen und\nqualitativen Anforderungen zu genugen, muss das Gutachten wissenschaftlichen\nAnforderungen entsprechen. Es muss auf einer hinreichend breiten Prognosebasis\nerstellt werden, die die sorgfaltige Auswertung des Aktenmaterials und eine\neingehende Untersuchung des Probanden verlangt. Der Gesprachsinhalt und der\npsychische Befund sind schriftlich aufzuzeichnen und die Ergebnisse zu\ngewichten und in einen Gesamtzusammenhang einzustellen (vgl. auch Krober NStZ\n1999, 593, 594 ff.). Über das kunftige Legalverhalten ist in\nAuseinandersetzung mit dem Anlassdelikt, der pradeliktischen Personlichkeit,\nder postdeliktischen Personlichkeitsentwicklung sowie dem sozialen\nEmpfangsraum eine Wahrscheinlichkeitsaussage zu treffen. In der Darstellung\nmuss das Gutachten nachvollziehbar und transparent sein. Anknupfungs- und\nBefundtatsachen mussen klar und vollstandig dargestellt werden. Seine\nHypothesen muss der Sachverstandige offenlegen (BVerfG NJW 2004, 739, 743;\nvgl. auch BGH NStZ 2000, 100,104). Welcher wissenschaftlicher Methoden sich\nder Sachverstandige zur Gewinnung seiner Wahrscheinlichkeitsaussage bedient,\nliegt allerdings in seinem Ermessen. Die richterliche Qualitatskontrolle\nbeschrankt sich auf die Überprufung, ob das Gutachten nach anerkannten\nwissenschaftlichen Standards (vgl. dazu Krober NStZ 1999, 593 ff.; Muller-Metz\nStV 2003, 42 ff., Nedopil, Prognosen in der forensischen Psychiatrie, 344,\n346; 45) und auf einer hinreichend breite Prognosebasis erstellt wurde.\nDeshalb sieht sich der Senat entgegen dem Beschwerdevorbringen weder\nveranlasst, dem Sachverstandigen die Verwendung von Kriterienkatalogen zu\nuntersagen noch ihm aufzugeben, in Anlehnung an das wissenschaftliche Vorgehen\nbei Glaubwurdigkeitsbegutachtungen die „Nullhypothese" einer zwischenzeitlich\neingetretenen Ungefahrlichkeit zu uberprufen, solange die Prognoseforschung im\nRahmen anerkannter wissenschaftlicher Standards anderen Vorgehensweisen folgt\n(vgl. auch Boetticher NStZ 2005, 419, 419 f.). Diese umfassen nach heutigem\nStandard ersichtlich eine klinische Untersuchung, die die Frage zum\nAusgangspunkt hat, welche uberdauernden Wahrnehmungsweisen, Einstellungen und\nVerhaltensmuster die fruhere Delinquenz des Probanden gefordert haben, um dann\nin einem weiteren Schritt anhand des gegenwartigen Befundes zu uberprufen, ob\nsich an diesen risikotrachtigen Strukturen etwas geandert hat, so dass eine\nRuckfallgefahr herabgesetzt oder gar ausgeschlossen ist (vgl. Krober NStZ\n1999, 593, 594). Erganzend kommen statistische Verfahren zur Anwendung (dazu\nNedopil, Prognosen in der forensischen Psychiatrie, 344, 346; Muller-Metz StV\n2003, 42, 45). Eine Beschrankung auf statistische Verfahren wird allerdings\nabgelehnt (Nedopil aaO. S. 125 ff.: ders. NStZ 2002, 344, 346 f.).\nInsbesondere kann es nicht angehen, eine ungunstige Kriminalprognose nur mit\neiner hohen Summe von Risikofaktoren zu begrunden, die schematisch\nzusammengezahlt werden (Nedopil NStZ 2002, 344, 347; Boetticher NStZ 2005,\n417, 420). \n--- \n| 8 \n--- \n| Der besonderen Tragweite und deren Ausnahmecharakter der richterlichen\nEntscheidung uber die Fortdauer einer zehn Jahre uberdauernden\nSicherungsverwahrung muss insbesondere bei der Zusammenstellung und Bewertung\nder Prognosetatsachen Rechnung getragen werden. Da sich die eine Fortdauer der\nUnterbringung begrundende Gefahrlichkeitsprognose nach der Rechtsprechung des\nBundesverfassungsgerichts nur auf konkrete Tatsachen stutzen darf, scheiden\nallgemeine Erwagungen, die fur eine fortbestehende Gefahrlichkeit sprechen,\naus. Dass die Prognosetatsachen auch „gegenwartig" sein mussen, bedeutet aber\nnicht, dass die Gefahrlichkeitsprognose allein mit aktuellen Tatsachen und\nohne Betrachtung der Anlassdelikte begrundet werden durfte, da eine solide\nPrognose nur unter Einbeziehung aller verfugbaren Erkenntnisse einschließlich\ndes deliktischen Vorlebens gewonnen werden kann (vgl. BVerfG NJW 2004, 739,\n743 f.; BVerfG NJW 2004, 750, 753, 758; Muller-Metz StV 2003, 42, 45). Doch\nvermag andererseits die in den Ausgangsdelikten zum Ausdruck gekommene\nGefahrlichkeit nicht fur sich allein, sondern nur in Abwagung mit der\ngegenwartigen Situation des Untergebrachten, insbesondere seiner Entwicklung\nder letzten Jahre sowie einer moglichen Entlassungssituation, eine\nGefahrlichkeitsprognose zu begrunden. Insbesondere darf sich das Gutachten\nnicht auf die Feststellung beschranken, dass die Personlichkeitsstruktur, die\nzu den Taten gefuhrt hat, nicht bearbeitet wurde. Vielmehr muss untersucht\nwerden, ob andere Personlichkeitsaspekte - sei es durch Nachreifung,\nabnehmende Impulsivitat, Hospitalisierung usw. - die fortbestehende\nPersonlichkeitsproblematik nicht dergestalt uberlagern, dass eine\nRuckfallgefahr nicht oder nur in geringem Maße wahrscheinlich erscheint. Dabei\nkommt der Beobachtung des Verhaltens in Vollzugslockerungen eine entscheidende\nBedeutung zu, die als Belastungserprobung einen geeigneten Indikator fur die\nkunftige Legalbewahrung darstellen (BVerfG NJW 2004, 739, 744: Muller-Metz StV\n2003, 42, 45). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durfen\nsich die Vollstreckungsgerichte mit einer unzureichend begrundeten\nVerweigerung von Lockerungen durch die Vollzugsbehorden nicht abfinden. Die\nPrognosegutachten im Rahmen der Fortdauerentscheidungen nach § 67d Abs. 3 StGB\nmussen sich deshalb zwingend auch mit der Lockerungseignung des\nUntergebrachten befassen, wobei nicht ubersehen werden darf, dass der Maßstab\nfur die Entscheidung uber das Vorliegen einer die Gewahrung von Lockerungen\nausschließenden Flucht- oder Missbrauchsgefahr nach § 11 StVollzG nicht die\nFrage ist, ob uberhaupt in der Person des Verurteilten die Gefahr der erneuten\nBegehung von Straftaten oder eine Fluchtgefahr besteht, sondern ob zu\nbefurchten ist, der Verurteilte werde eine bestimmte Lockerung zu Straftaten\noder zur Flucht missbrauchen (OLG Karlsruhe StV 2002, 34 f.; vgl. auch OLG\nCelle StV 2000, 572 f.). Das Gutachten muss deshalb differenziert zur Flucht-\nund Missbrauchsgefahr bei hinsichtlich der Kontrollmoglichkeiten gestufter\nLockerungen Stellung nehmen. \n---\n\n
141,724
fg-baden-wurttemberg-2006-04-20-3-k-23902
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
3 K 239/02
2006-04-20
2019-01-08 22:21:26
2019-01-17 12:01:54
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager war - neben Herrn Z - von Oktober 1997 bis zu seiner Abberufung\nam 10.06.1999 Geschaftsfuhrer der im Februar 2001 geloschten A (im Folgenden\nGmbH). Die GmbH war durch notarielle Urkunde vom 21.10.1997 unter dem Namen B\nGmbH gegrundet und spater umbenannt worden. Geschaftsgegenstand der GmbH war\nder Handel mit Textil- und Haushaltswaren. \n--- \n| 2 \n--- \n| Am 20.4.2000 hat das AG E - Registergericht - die Vermogenslosigkeit der\nGmbH festgestellt. Mit Beschluss des AG F - Insolvenzgericht - vom 7.6.2000\n(Az. 9 IN/IK 121/00) wurde der Antrag der GmbH auf Insolvenzeroffnung vom\n28.3.2000 mangels Masse abgewiesen. Gemaß dem vom Insolvenzgericht eingeholten\nSachverstandigengutachten des Rechtsanwalts K vom 28.4.2000 konnte die GmbH\nihre Geschafte in den Jahren 1997 und 1998 noch "einigermaßen erfolgreich"\ngestalten. Im Jahr 1998 habe die GmbH ihre Tatigkeit umstrukturiert und uber\nGroßfirmen (Fa. … und …) defekte Haushaltsgerate ubernommen, diese nach\nBulgarien zur Reparatur und wieder zuruck an die Kunden nach Deutschland\nverbracht. Im Jahr 1999 seien die Geschafte dann - nach Angabe der spateren\nGeschaftsfuhrerin, Frau Y - rapide zuruckgegangen, da keine Erlose aus\nReparaturleistungen mehr hatten erwirtschaftet werden konnen. Auf die weiteren\nAusfuhrungen des Gutachtens wird erganzend Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Von Beginn an hat die GmbH Steueranmeldungen und - erklarungen teilweise\nverspatet oder gar nicht eingereicht. Fur das 1. Quartal 1998 meldete die GmbH\nUmsatze in Hohe von 51.094 DM und Umsatzsteuer in Hohe von 396 DM, fur das 2.\nQuartal 1998 Umsatze in Hohe von 37.523 DM und Umsatzsteuer in Hohe von ./.\n118 DM und fur das 3. Quartal 1998 Umsatze in Hohe von 12.909 DM und\nUmsatzsteuer in Hohe von 16,53 DM an. Fur die Voranmeldungszeitraume Oktober,\nNovember Dezember 1998 erfolgte eine Schatzung des Finanzamts von Umsatzen in\nHohe von insgesamt 27.800 DM und Umsatzsteuer in Hohe von 4.248 DM. Mit\nJahressteuerbescheid fur 1997 vom 6.8.1999 setze das Finanzamt Umsatzsteuer in\nHohe von 2.000 DM und mit Jahressteuerbescheid fur 1998 vom 29.11.1999\nUmsatzsteuer in Hohe von 6.210 DM fest. Gemaß den Erlauterungen der Bescheide\nwurden die Besteuerungsgrundlagen gemaß § 162 der Abgabenordnung geschatzt, da\nkeine Steuererklarungen abgegeben worden waren. Weder die geschatzten\nVoranmeldungszeitraume noch die Jahressteuerbescheide wurden von der GmbH\nangefochten. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Schreiben vom 29. Mai 2000 wies das FA den Klager auf die Moglichkeit\neiner Haftungsinanspruchnahme fur die Steuerschulden der GmbH hin und forderte\nihn auf, naher darzustellen, welche Schulden von der GmbH im Haftungszeitraum\nvom 16.10.1998 bis 10.6.1999 mit welchen Mitteln getilgt worden seien. Der\nKlager machte die angeforderten Angaben nicht. Daraufhin erließ das FA gegen\nihn am 25.07.2000 einen Haftungsbescheid, in dem es ihn fur\nUmsatzsteuerruckstande der GmbH in Hohe von insgesamt 5.545,15 DM = 2.835,19\nEUR in Anspruch nahm. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der Inhaftungnahme lagen laut der Anlage zum Haftungsbescheid folgende\nUmsatzsteuerruckstande zugrunde: \n--- \n| 6 \n--- \n| \n--- \nZeitraum | | fallig \n--- \n| Betrag in DM \n--- \n| Verspatungszuschlage \n--- \n| Saumniszuschlage \n--- \n4\\. Vj.97 | | 16.10.98 \n--- \n| 806,06 \n--- \n| \n--- \n| 127,00 \n--- \n1\\. Vj.98 | | 16.10.98 \n--- \n| 196,06 \n--- \n| \n--- \n| 71,00 \n--- \n2\\. Vj.98 | | 16.10.98 \n--- \n| \n--- \n| \n--- \n| 50,00 \n--- \n3.Vj.98 | | 22.02.99 \n--- \n| 16,53 \n--- \n| \n--- \n| \n--- \nOkt.98 | | 22.02.99 \n--- \n| 1.000,00 \n--- \n| \n--- \n| 40,00 \n--- \nNov.98 | | 22.02.99 \n--- \n| 1.200,00 \n--- \n| \n--- \n| 48,00 \n--- \nDez.98 | | 19.04.99 \n--- \n| 1.920,50 \n--- \n| 30,00 \n--- \n| 40,00 \n--- \n| \n--- \nSummen | | \n--- \n| 5.139,15 \n--- \n| 30,00 \n--- \n| 376,00 \n--- \n| \n--- \nHaftungsbetrag | | \n--- \n| \n--- \n| 5.545,15 DM = 2.835,19 EUR \n--- \n| \n--- \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Neben dem Klager nahm das FA auch den weiteren Geschaftsfuhrer der GmbH,\nHerrn Z, und die spatere Geschaftsfuhrerin, Frau Y, in Haftung. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit Schreiben vom 23.11.2005 kundigte das FA dem Klager die Vollstreckung\naus dem Haftungsbescheid vom 25.7.2000 an. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Gegen den Haftungsbescheid legte der Klager am 24.08.2000 ohne nahere\nBegrundung Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 8. August 2002\nals unbegrundet zuruckgewiesen wurde. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die hiergegen am 11. September 2002 erhobene Klage begrundet der Klager wie\nfolgt: \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Hohe der vom Haftungsbescheid erfassten Betrage beruhten auf Willkur.\nEs habe sich bei der GmbH um einen Kleinstbetrieb mit null Gewinn und\ngeringfugigen Umsatzzahlen gehandelt. Der Klager habe dem Steuerburo in F\nsamtliche geschaftlichen Unterlagen zur Bearbeitung ubergeben. Das Steuerburo\nfuhre diese aufgrund der Insolvenz der GmbH nicht mehr durch. Bei einer\nBearbeitung der Unterlagen ergebe sich sogar ein Umsatzsteuerguthaben fur die\nGmbH. Vom AG F sei ein Insolvenzprufer bestellt worden. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Klager beantragt sinngemaß, den Haftungsbescheid vom 25.07.2000 und die\nEinspruchsentscheidung vom 08.08.2002 aufzuheben. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Das FA beantragt, die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Mit Beschluss vom 30. Marz 2006 wurde der Rechtsstreit auf die\nEinzelrichterin ubertragen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Mit Ladung vom 30.3.2006, die dem Klager am 1.4.2006 zugestellt wurde, hat\ndie Einzelrichterin Termin zur mundlichen Verhandlung auf den 20.4.2006\nbestimmt. Die Ladung zu diesem Termin enthalt den Hinweis, dass gemaß § 91\nAbs. 2 FGO beim Ausbleiben eines Beteiligten zur mundlichen Verhandlung auch\nohne ihn verhandelt und entschieden werden kann. Auf das Protokoll uber die\nmundliche Verhandlung wird erganzend Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Dem Gericht lagen bei seiner Entscheidung die vom FA fur die GmbH gefuhrten\nUmsatzsteuerakten, Vertragsakten und Betriebsprufungsakten sowie ein Band\nHaftungsakten und Vollstreckungsakten fur den Klager, sowie die Akte des AG F\nuber das Insolvenzverfahren gegen die GmbH Az: vor. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 17 \n--- \n| Die zulassige Klage ist unbegrundet. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Das FA hat den Klager zur Recht mit Haftungsbescheid vom 25.07.2000 in\nAnspruch genommen. Die Zahlungsverjahrung des Haftungsbescheides wurde durch\ndie Vollstreckungsankundigung vom 23.11.2005 gemaß § 231 Abs. 1 AO wirksam\nunterbrochen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Nach § 69 Satz 1 AO haften u. a. die in § 34 AO bezeichneten Personen,\nsoweit Anspruche aus dem Steuerschuldverhaltnis infolge vorsatzlicher oder\ngrob fahrlassiger Pflichtverletzung nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt\noder erfullt werden. Eine solche Pflichtverletzung liegt im Streitfall darin,\ndass der Klager als Geschaftsfuhrer der GmbH weder fur die Abgabe von\nSteuererklarungen noch dafur gesorgt hat, dass die GmbH die vom FA\nfestgesetzten Steuerbetrage fristgerecht zahlte. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Er kann nicht mit Erfolg einwenden, dass die dem Haftungsbescheid zugrunde\nliegenden Umsatzsteuerforderungen unzutreffend seien, denn er hat diese\nEinlassung weder substantiiert dargelegt noch belegt. Zudem hat er die\nbestandskraftigen Voranmeldungen gemaß § 166 AO gegen sich gelten zu lassen,\nda er als Geschaftsfuhrer der GmbH in der Lage gewesen ware, diese\nanzufechten. Der Regelungsgehalt der dem Haftungsbescheid zugrunde gelegten\nVoranmeldungen blieb auch von dem spateren Erlass des Jahressteuerbescheides\nfur 1997 vom 6.8.1999 und fur 1998 vom 29.11.1999 unberuhrt, da diese keine\nFeststellungen daruber enthielten, dass die Voranmeldungen bzw. Festsetzungen\nder Umsatzsteuer fur bestimmte Monate fehlerhaft waren (BFH Urteil vom 12.\nOktober 1999 VII R 98/98 BStBl II 2000, 486). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Haftung nach § 69 Satz 1 AO erstreckt sich auf diejenigen\nSteuerschulden, die bei ordnungsgemaßer Erfullung der sich aus § 34 AO\nergebenden Pflichten von der GmbH beglichen worden waren. Hierbei findet\nhinsichtlich der Umsatzsteuer der Grundsatz Anwendung, dass im Fall einer\nwirtschaftlichen Krise einer Kapitalgesellschaft der Geschaftsfuhrer nur zu\neiner "anteiligen" Berucksichtigung der Steuerschulden verpflichtet ist.\nDieser Grundsatz besagt, dass aus den zur Verfugung stehenden Mitteln der GmbH\ndie falligen Steuerforderungen zwar nicht vorrangig, jedoch zumindest im\ngleichen Verhaltnis wie die Anspruche sonstiger Glaubiger der GmbH bedient\nwerden mussen. Eine Haftung des Geschaftsfuhrers besteht hiernach nur\nhinsichtlich desjenigen Betrags, um den die tatsachlich entrichteten\nSteuerbetrage hinter demjenigen zuruckbleiben, der bei gleichmaßiger Bedienung\nvon Steuer- und sonstigen Forderungen getilgt worden ware (BFH Urteil vom 7.\nNovember 1989 VII R 34/87, BStBl II 1990, 201; BFH-Beschluss vom 18. August\n1999 VII B 106/99, BFH/NV 2000, 541 , 543, m.w.N.). Eine sich hieraus\nergebende Haftungsbegrenzung kann jedoch nur dann eintreten, wenn der Haftende\nzur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts beitragt. Zu diesem Zweck muss er\nAngaben machen sowie Aufzeichnungen und Belege beibringen, aus denen sich\nergibt, in welchem Umfang die Gesellschaft im Haftungszeitraum Zahlungen an\nandere Glaubiger geleistet hat (BFH Beschluss vom 18. August 1999 VII B\n106/99, BFH/NV 2000, 541, 543). Das ist im Streitfall nicht geschehen. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Danach war das FA zur Schatzung berechtigt. Denn solange der Klager die\nvorgenannten Zahlen nicht selbst ermittelt und vorgelegt hat, konnte das FA\nvon seiner Schatzungsbefugnis Gebrauch machen. Der Klager kann sich in diesem\nZusammenhang auch nicht darauf berufen, dass ihm Unterlagen der GmbH nicht zur\nVerfugung stehen; er hatte zumindest substantiiert vortragen mussen, dass er\nsich erfolglos um eine Zusammenstellung der geforderten Zahlen und eine\nEinsicht in diese Unterlagen bemuht hat. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Auch die Hohe der Schatzung mit einer Haftungsquote von 100 % ist nicht zu\nbeanstanden. Ein Schatzungsfehler kann dem FA, das im Streitfall keinerlei\nAngaben uber die Gesamtverbindlichkeiten und die Gesamtsumme der bezahlten\nVerbindlichkeiten erhalten hat, nicht vorgeworfen werden. Auch sprechen die\nbeigezogenen Akten des Insolvenzgerichts dafur, dass sich die Schatzung des FA\ninnerhalb des zulassigen Schatzungsrahmens befand. So wurde in dem vom\nInsolvenzgericht angeforderten Gutachten des RA K vom 28.4.2000 festgestellt,\ndass sich die Geschafte der GmbH in den Jahren 1997 und 1998 noch\n"einigermaßen erfolgreich gestalteten", so dass die Annahme einer 100 %\nTilgungsquote fur den vorliegenden Haftungszeitraum, der mehr als zwei Jahr\nvor Insolvenzantragstellung lag, vertretbar ist. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO\nabschließend angefuhrten Zulassungsgrunde vorliegt. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 17 \n--- \n| Die zulassige Klage ist unbegrundet. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Das FA hat den Klager zur Recht mit Haftungsbescheid vom 25.07.2000 in\nAnspruch genommen. Die Zahlungsverjahrung des Haftungsbescheides wurde durch\ndie Vollstreckungsankundigung vom 23.11.2005 gemaß § 231 Abs. 1 AO wirksam\nunterbrochen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Nach § 69 Satz 1 AO haften u. a. die in § 34 AO bezeichneten Personen,\nsoweit Anspruche aus dem Steuerschuldverhaltnis infolge vorsatzlicher oder\ngrob fahrlassiger Pflichtverletzung nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt\noder erfullt werden. Eine solche Pflichtverletzung liegt im Streitfall darin,\ndass der Klager als Geschaftsfuhrer der GmbH weder fur die Abgabe von\nSteuererklarungen noch dafur gesorgt hat, dass die GmbH die vom FA\nfestgesetzten Steuerbetrage fristgerecht zahlte. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Er kann nicht mit Erfolg einwenden, dass die dem Haftungsbescheid zugrunde\nliegenden Umsatzsteuerforderungen unzutreffend seien, denn er hat diese\nEinlassung weder substantiiert dargelegt noch belegt. Zudem hat er die\nbestandskraftigen Voranmeldungen gemaß § 166 AO gegen sich gelten zu lassen,\nda er als Geschaftsfuhrer der GmbH in der Lage gewesen ware, diese\nanzufechten. Der Regelungsgehalt der dem Haftungsbescheid zugrunde gelegten\nVoranmeldungen blieb auch von dem spateren Erlass des Jahressteuerbescheides\nfur 1997 vom 6.8.1999 und fur 1998 vom 29.11.1999 unberuhrt, da diese keine\nFeststellungen daruber enthielten, dass die Voranmeldungen bzw. Festsetzungen\nder Umsatzsteuer fur bestimmte Monate fehlerhaft waren (BFH Urteil vom 12.\nOktober 1999 VII R 98/98 BStBl II 2000, 486). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Haftung nach § 69 Satz 1 AO erstreckt sich auf diejenigen\nSteuerschulden, die bei ordnungsgemaßer Erfullung der sich aus § 34 AO\nergebenden Pflichten von der GmbH beglichen worden waren. Hierbei findet\nhinsichtlich der Umsatzsteuer der Grundsatz Anwendung, dass im Fall einer\nwirtschaftlichen Krise einer Kapitalgesellschaft der Geschaftsfuhrer nur zu\neiner "anteiligen" Berucksichtigung der Steuerschulden verpflichtet ist.\nDieser Grundsatz besagt, dass aus den zur Verfugung stehenden Mitteln der GmbH\ndie falligen Steuerforderungen zwar nicht vorrangig, jedoch zumindest im\ngleichen Verhaltnis wie die Anspruche sonstiger Glaubiger der GmbH bedient\nwerden mussen. Eine Haftung des Geschaftsfuhrers besteht hiernach nur\nhinsichtlich desjenigen Betrags, um den die tatsachlich entrichteten\nSteuerbetrage hinter demjenigen zuruckbleiben, der bei gleichmaßiger Bedienung\nvon Steuer- und sonstigen Forderungen getilgt worden ware (BFH Urteil vom 7.\nNovember 1989 VII R 34/87, BStBl II 1990, 201; BFH-Beschluss vom 18. August\n1999 VII B 106/99, BFH/NV 2000, 541 , 543, m.w.N.). Eine sich hieraus\nergebende Haftungsbegrenzung kann jedoch nur dann eintreten, wenn der Haftende\nzur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts beitragt. Zu diesem Zweck muss er\nAngaben machen sowie Aufzeichnungen und Belege beibringen, aus denen sich\nergibt, in welchem Umfang die Gesellschaft im Haftungszeitraum Zahlungen an\nandere Glaubiger geleistet hat (BFH Beschluss vom 18. August 1999 VII B\n106/99, BFH/NV 2000, 541, 543). Das ist im Streitfall nicht geschehen. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Danach war das FA zur Schatzung berechtigt. Denn solange der Klager die\nvorgenannten Zahlen nicht selbst ermittelt und vorgelegt hat, konnte das FA\nvon seiner Schatzungsbefugnis Gebrauch machen. Der Klager kann sich in diesem\nZusammenhang auch nicht darauf berufen, dass ihm Unterlagen der GmbH nicht zur\nVerfugung stehen; er hatte zumindest substantiiert vortragen mussen, dass er\nsich erfolglos um eine Zusammenstellung der geforderten Zahlen und eine\nEinsicht in diese Unterlagen bemuht hat. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Auch die Hohe der Schatzung mit einer Haftungsquote von 100 % ist nicht zu\nbeanstanden. Ein Schatzungsfehler kann dem FA, das im Streitfall keinerlei\nAngaben uber die Gesamtverbindlichkeiten und die Gesamtsumme der bezahlten\nVerbindlichkeiten erhalten hat, nicht vorgeworfen werden. Auch sprechen die\nbeigezogenen Akten des Insolvenzgerichts dafur, dass sich die Schatzung des FA\ninnerhalb des zulassigen Schatzungsrahmens befand. So wurde in dem vom\nInsolvenzgericht angeforderten Gutachten des RA K vom 28.4.2000 festgestellt,\ndass sich die Geschafte der GmbH in den Jahren 1997 und 1998 noch\n"einigermaßen erfolgreich gestalteten", so dass die Annahme einer 100 %\nTilgungsquote fur den vorliegenden Haftungszeitraum, der mehr als zwei Jahr\nvor Insolvenzantragstellung lag, vertretbar ist. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 115 Abs. 2 FGO\nabschließend angefuhrten Zulassungsgrunde vorliegt. \n---\n\n
141,963
vg-stuttgart-2006-06-21-17-k-32106
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
17 K 321/06
2006-06-21
2019-01-08 22:44:21
2019-01-17 12:02:10
Urteil
## Tenor\n\n****\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDie Klagerin tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin ist Sonderschullehrerin. Zum 01.02.1983 wurde sie in das\nBeamtenverhaltnis auf Widerruf berufen unter gleichzeitiger Beurlaubung ohne\nDienstbezuge fur die Tatigkeit an einer privaten Schule, der .... In der\nFolgezeit wurde sie zur Sonderschullehrerin z. A., spater zur\nLebenszeitbeamtin ernannt. Die Beurlaubung ohne Dienstbezuge fur die Tatigkeit\neiner privaten Schule wurde immer wieder verlangert. Vom 01.08.1989 bis zum\n31.07.1991 wurde die Klagerin ohne Dienstbezuge fur ein Zusatzstudium\nbeurlaubt. Ab 01.08.1991 erfolgte erneut eine Beurlaubung fur die Tatigkeit an\neiner privaten Schule. Die Beurlaubungen erfolgten jeweils unter Anerkennung\neines dienstlichen Interesses an der Beurlaubung. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Beurlaubung endete am 31.07.2005. Ab 01.08.2005 wurde die Klagerin in\neine Planstelle A 13 eingewiesen und erhielt einen Teillehrauftrag von 21/26\nWochenstunden. \n--- \n| 3 \n--- \n| Fur den Monat August 2005 erhielt die Klagerin eine Sonderzahlung nach dem\nLandessonderzahlungsgesetz von 178,18 EUR. Mit Schreiben vom 03.08.2005 teilte\nihr das Landesamt fur Besoldung und Versorgung Baden-Wurttemberg (LBV) mit,\ndass ihr die Sonderzahlung nicht zustehe; sie werde deshalb von den laufenden\nBezugen einbehalten. \n--- \n| 4 \n--- \n| Dagegen legte die Klagerin Widerspruch ein. Sie berief sich darauf, ab\n01.08.2005 stunden ihr die Sonderzahlungen zu. § 1a Abs. 2 Satz 2 LSZG musse\nauf sie entsprechend angewandt werden. Denn die Privatschulen erhielten\nZuwendungen fur die Bezuge der dort tatigen Landesbeamten. Ansonsten lage ein\nVerstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz vor. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.2005 wies das LBV den Widerspruch\nzuruck. Zur Begrundung fuhrte es aus, die Klagerin habe am 01.08.2005 erstmals\nAnspruch auf Dienstbezuge gehabt. Sie falle deshalb unter § 1a LSZG. Die\nAusnahmetatbestande nach § 1a Abs. 2 - 4 LSZG seien bei ihr nicht erfullt. \n--- \n| 6 \n--- \n| Dagegen hat die Klagerin am 18.11.2005 Klage erhoben. Sie bezieht sich im\nWesentlichen auf ihr bisheriges Vorbringen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 8 \n--- \n| den Widerspruchsbescheid des LBV vom 17.10.2005 aufzuheben und den\nBeklagten zu verurteilen, an sie 712,72 EUR nebst Zinsen in Hohe von 5\nProzentpunkten uber dem Basiszinssatz aus jeweils 178,18 EUR ab 01.08.,\n01.09., 01.10. und 01.11.2005 zu zahlen, und festzustellen, dass ihr ab\n01.08.2005 der Landesanteil Besoldung in voller Hohe zustehe, \n--- \n| 9 \n--- \n| hilfsweise festzustellen, \n--- \n| 10 \n--- \n| dass Art. 1 § 1a Abs. 1 Haushaltsstrukturgesetz 2005 verfassungswidrig ist. \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 12 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Er beruft sich zusatzlich darauf, es liege kein Verstoß gegen den\nGleichheitsgrundsatz vor. § 1a Abs. 1 LSZG knupfe nicht an den Berufseinstieg\nan, vielmehr an den Anspruch auf Dienstbezuge aus einem Eingangsamt. Der\nGesetzgeber habe einen weiten Gestaltungsspielraum. Die Klagerin konne sich\nauch nicht auf Art. 33 Abs. 5 GG berufen. Im Übrigen sei nicht die Grenze zur\nUnteralimentation unterschritten. \n--- \n| 14 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen\nBehordenakten verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 15 \n--- \n| Die Klage ist zulassig, soweit die Klagerin die Zahlung begehrt. Die Klage\nist insoweit aber nicht begrundet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmaßig\nund verletzt die Klagerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf\ndie geltend gemachten Betrage. \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Anspruch auf Sonderzahlungen ist im Gesetz uber die Gewahrung von\nSonderzahlungen in Baden-Wurttemberg - Landesanteil Besoldung vom 29.10.2003\n(GBl. S. 693), zuletzt geandert durch Art. 1 Haushaltsstrukturgesetz 2005 vom\n01.03.2005 (GBl. S. 145) - LSZG - geregelt. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 LSZG\nerhalten u. a. Beamte des Beklagten Sonderzahlungen nach diesem Gesetz. § 1a\nAbs. 1 LSZG schrankt den Kreis der Berechtigten ein. Danach erhalten Beamte,\nfur die nach dem 31.12.2004 Anspruch auf Dienstbezuge aus einem Eingangsamt\nder Besoldungsgruppen A 12 und hoher entsteht, fur die Dauer von drei Jahren\nnach Entstehen des Anspruchs keine Sonderzahlungen. Unter diesen Personenkreis\nfallt die Klagerin. Denn sie hatte erstmals am 01.08.2005 Anspruch auf\nDienstbezuge. Im Zeitraum ihrer Beurlaubung hatte sie keinen Anspruch auf\nDienstbezuge, sondern nur Anspruch auf Bezahlung entsprechend dem Vertrag mit\nder privaten Schule. \n--- \n| 17 \n--- \n| § 1a Abs. 2 und 3 LSZG enthalt Ausnahmen von dem in § 1a Abs. 1 LSZG\ngenannten Personenkreis. Unter die Einschrankung des § 1a Abs. 1 LSZG fallen\ndanach nicht Beamte, denen spatestens am 31.12.2004 im Geltungsbereich dieses\nGesetzes Dienstbezuge zugestanden haben (§ 1a Abs. 1 Satz 1 LSZG). Dies gilt\nentsprechend bei einem Wechsel nach dem 31.12.2004 in das Beamtenverhaltnis\naus einem vor dem 01.01.2005 begrundeten Angestelltenverhaltnis zum Beklagten,\nzu den Gemeinden, den Gemeindeverbanden oder den sonstigen der Aufsicht des\nLandes unterstehenden Korperschaften, Anstalten und Stiftungen des\noffentlichen Rechts (§ 1a Abs. 2 Satz 2 LSZG). § 1a Abs. 1 gilt ebenfalls\nnicht fur Beamte, denen bis zur Entstehung des Anspruchs auf Dienstbezuge\nDienstbezuge aus einem anderen Amt im Geltungsbereich dieses Gesetzes\nzugestanden haben (§ 1a Abs. 3 LSZG). Diese in § 1a Abs. 2 und 3 LSZG\ngenannten Voraussetzungen fur eine Ausnahme von § 1a Abs. 1 LSZG erfullt die\nKlagerin nicht. \n--- \n| 18 \n--- \n| Es verstoßt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 GG, dass die\nKlagerin nicht entsprechend den in § 1a Abs. 2 und 3 LSZG genannten\nPersonengruppen behandelt wird. Es liegen vielmehr sachliche Gesichtspunkte\nvor, die geeignet sind, eine unterschiedliche Regelung zu rechtfertigen. Bei\nden in § 1a Abs. 2 und 3 LSZG erfassten Personengruppen handelt es sich um\n(unmittelbare) Angehorige des offentlich Dienstes. Die Klagerin war\ndemgegenuber bis zum Ende ihrer Beurlaubung am 31.07.2005 nicht im\noffentlichen Dienst tatig, sondern in einem privaten Beschaftigungsverhaltnis.\nDies gilt unabhangig davon, wie und in welchem Umfang private Schulen\noffentlich gefordert werden. Insoweit liegen unterschiedliche Sachverhalte\nvor, die eine unterschiedliche Behandlung ermoglichen. \n--- \n| 19 \n--- \n| Dem steht nicht entgegen, dass die Beurlaubung der Klagerin jeweils unter\nAnerkennung eines dienstlichen Interesses an der Beurlaubung erfolgte. Denn\ndas Bestehen eines dienstlichen Interesses ist nicht mit einer (unmittelbaren)\nBeschaftigung im offentlichen Dienst vergleichbar. \n--- \n| 20 \n--- \n| Art. 33 Abs. 5 GG wird ebenfalls nicht verletzt. Denn der Schutz dieser\nVorschrift erfasst nicht die Sonderzahlungen (vgl. Urteil des erkennenden\nGerichts vom 09.09.2005 - 17 K 1823/05 - m.w.N.). \n--- \n| 21 \n--- \n| Damit stehen der Klagerin auch nicht die geltend gemachten Zinsen zu. \n--- \n| 22 \n--- \n| Der Feststellungsantrag der Klagerin ist zwar zulassig. Er ist aber aus den\nausgefuhrten Grunden nicht begrundet. \n--- \n| 23 \n--- \n| Es kann offen bleiben, ob der Hilfsantrag zulassig ist. Er ist jedenfalls\naus den genannten Grunden ebenfalls unbegrundet. \n--- \n| 24 \n--- \n| Damit hat die Klagerin schließlich auch keinen Anspruch darauf, dass die\nZuziehung eines Bevollmachtigten fur das Vorverfahren fur notwendig erklart\nwird (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO). \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur die Zulassung der Berufung durch das\nVerwaltungsgericht gemaß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4\nVwGO liegen nicht vor. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 15 \n--- \n| Die Klage ist zulassig, soweit die Klagerin die Zahlung begehrt. Die Klage\nist insoweit aber nicht begrundet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmaßig\nund verletzt die Klagerin nicht in ihren Rechten. Sie hat keinen Anspruch auf\ndie geltend gemachten Betrage. \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Anspruch auf Sonderzahlungen ist im Gesetz uber die Gewahrung von\nSonderzahlungen in Baden-Wurttemberg - Landesanteil Besoldung vom 29.10.2003\n(GBl. S. 693), zuletzt geandert durch Art. 1 Haushaltsstrukturgesetz 2005 vom\n01.03.2005 (GBl. S. 145) - LSZG - geregelt. Nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 LSZG\nerhalten u. a. Beamte des Beklagten Sonderzahlungen nach diesem Gesetz. § 1a\nAbs. 1 LSZG schrankt den Kreis der Berechtigten ein. Danach erhalten Beamte,\nfur die nach dem 31.12.2004 Anspruch auf Dienstbezuge aus einem Eingangsamt\nder Besoldungsgruppen A 12 und hoher entsteht, fur die Dauer von drei Jahren\nnach Entstehen des Anspruchs keine Sonderzahlungen. Unter diesen Personenkreis\nfallt die Klagerin. Denn sie hatte erstmals am 01.08.2005 Anspruch auf\nDienstbezuge. Im Zeitraum ihrer Beurlaubung hatte sie keinen Anspruch auf\nDienstbezuge, sondern nur Anspruch auf Bezahlung entsprechend dem Vertrag mit\nder privaten Schule. \n--- \n| 17 \n--- \n| § 1a Abs. 2 und 3 LSZG enthalt Ausnahmen von dem in § 1a Abs. 1 LSZG\ngenannten Personenkreis. Unter die Einschrankung des § 1a Abs. 1 LSZG fallen\ndanach nicht Beamte, denen spatestens am 31.12.2004 im Geltungsbereich dieses\nGesetzes Dienstbezuge zugestanden haben (§ 1a Abs. 1 Satz 1 LSZG). Dies gilt\nentsprechend bei einem Wechsel nach dem 31.12.2004 in das Beamtenverhaltnis\naus einem vor dem 01.01.2005 begrundeten Angestelltenverhaltnis zum Beklagten,\nzu den Gemeinden, den Gemeindeverbanden oder den sonstigen der Aufsicht des\nLandes unterstehenden Korperschaften, Anstalten und Stiftungen des\noffentlichen Rechts (§ 1a Abs. 2 Satz 2 LSZG). § 1a Abs. 1 gilt ebenfalls\nnicht fur Beamte, denen bis zur Entstehung des Anspruchs auf Dienstbezuge\nDienstbezuge aus einem anderen Amt im Geltungsbereich dieses Gesetzes\nzugestanden haben (§ 1a Abs. 3 LSZG). Diese in § 1a Abs. 2 und 3 LSZG\ngenannten Voraussetzungen fur eine Ausnahme von § 1a Abs. 1 LSZG erfullt die\nKlagerin nicht. \n--- \n| 18 \n--- \n| Es verstoßt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikel 3 GG, dass die\nKlagerin nicht entsprechend den in § 1a Abs. 2 und 3 LSZG genannten\nPersonengruppen behandelt wird. Es liegen vielmehr sachliche Gesichtspunkte\nvor, die geeignet sind, eine unterschiedliche Regelung zu rechtfertigen. Bei\nden in § 1a Abs. 2 und 3 LSZG erfassten Personengruppen handelt es sich um\n(unmittelbare) Angehorige des offentlich Dienstes. Die Klagerin war\ndemgegenuber bis zum Ende ihrer Beurlaubung am 31.07.2005 nicht im\noffentlichen Dienst tatig, sondern in einem privaten Beschaftigungsverhaltnis.\nDies gilt unabhangig davon, wie und in welchem Umfang private Schulen\noffentlich gefordert werden. Insoweit liegen unterschiedliche Sachverhalte\nvor, die eine unterschiedliche Behandlung ermoglichen. \n--- \n| 19 \n--- \n| Dem steht nicht entgegen, dass die Beurlaubung der Klagerin jeweils unter\nAnerkennung eines dienstlichen Interesses an der Beurlaubung erfolgte. Denn\ndas Bestehen eines dienstlichen Interesses ist nicht mit einer (unmittelbaren)\nBeschaftigung im offentlichen Dienst vergleichbar. \n--- \n| 20 \n--- \n| Art. 33 Abs. 5 GG wird ebenfalls nicht verletzt. Denn der Schutz dieser\nVorschrift erfasst nicht die Sonderzahlungen (vgl. Urteil des erkennenden\nGerichts vom 09.09.2005 - 17 K 1823/05 - m.w.N.). \n--- \n| 21 \n--- \n| Damit stehen der Klagerin auch nicht die geltend gemachten Zinsen zu. \n--- \n| 22 \n--- \n| Der Feststellungsantrag der Klagerin ist zwar zulassig. Er ist aber aus den\nausgefuhrten Grunden nicht begrundet. \n--- \n| 23 \n--- \n| Es kann offen bleiben, ob der Hilfsantrag zulassig ist. Er ist jedenfalls\naus den genannten Grunden ebenfalls unbegrundet. \n--- \n| 24 \n--- \n| Damit hat die Klagerin schließlich auch keinen Anspruch darauf, dass die\nZuziehung eines Bevollmachtigten fur das Vorverfahren fur notwendig erklart\nwird (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO). \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur die Zulassung der Berufung durch das\nVerwaltungsgericht gemaß §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4\nVwGO liegen nicht vor. \n---\n\n
142,212
fg-baden-wurttemberg-2006-08-10-3-v-1005
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
3 V 10/05
2006-08-10
2019-01-08 23:42:32
2019-01-17 12:02:24
Beschluss
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| I. Streitig ist, ob es sich bei der baulichen Sanierung eines unter\nDenkmalschutz stehenden Gebaudes in L um nachtragliche Herstellungsarbeiten\noder um die Herstellung eines Neubaus handelt. Streitig ist weiter die Hohe\nder (Restwert-)Absetzung fur Abnutzung - AfA - fur ein bebautes Grundstuck in\nR., die Hohe der Einkunfte aus Vermietung und Verpachtung aus bebauten\nGrundstucken in F sowie Zinsen zur Einkommensteuer 1994. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Antragsteller erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 15.3.1991 das\nGrundstuck Mstr. 35 (vormals M Str. 35) in L, das mit einem im Jahr 1890 in\ntraditioneller Ziegelbauweise errichteten mehrgeschossigen Wohnhaus bebaut\nwar. Das Gebaude war voll unterkellert und stand unter Denkmalschutz. Im\nHofbereich des Grundstucks befand sich ein nicht unterkellertes\nzweigeschossiges ehemaliges Werkstattgebaude. Der Kaufpreis fur das bebaute\nGrundstuck belief sich auf 330.000 DM. Dieser wurde aufgrund spater\nfestgestellter Baumangel auf 300.000 DM gemindert. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Nach dem Auszug der Mieter in den Jahren 1992 - 1995 (die letzten Mieter\nwurden im August 1995 zwangsgeraumt) wurde das Hauptgebaude bis in das Jahr\n2002 umfassend saniert und umgebaut. Der Antragsteller wandte fur die\nSanierung bis Oktober 2002 lt. einer Gesamtkostenaufstellung fur die\nS......... Aufbaubank vom 16.10.2002 Kosten in Hohe von 2.185.035,85 DM (+\n48.033,04 DM fur die Außenanlagen + 362.049,65 DM fur die Baunebenkosten) auf. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Gemaß der vorliegenden Baubeschreibung vom 7.4.1995, auf die erganzend\nBezug genommen wird (Betriebsprufungsakten 1997 - 2001 Akt.-Bl. 72 ff.),\nbefand sich das Gebaude vor seiner Sanierung in einem "sehr desolaten\nZustand": Aufgrund von umfangreichen Nasseschaden (vorrangig durch fehlende\nDachentwasserung und fehlenden Außenputz), als auch durch aufsteigende\nFeuchtigkeit aus den erdberuhrten Bauteilen (fehlende horizontale und\nvertikale Bauwerkssperren) waren die Holzbalkendecken großflachig durch\n"Echten-Hausschwamm-Befall" zerstort und zu ersetzen. Hierdurch wurde eine\numfangreiche Mauerwerkssanierung bzw. ein Austausch des Mauerwerks\nerforderlich, die nach der Baubeschreibung folgende Baumaßnahmen umfasste: \n--- \n| 5 \n--- \n| Das Gebaude war bis zur Unterkante der Decke des 3. OG abzutragen und die\nDecke des 4. OG als Fertigteildecke neu herzustellen. Die straßenseitigen\nDecken des 1. und 2. OG waren als Ziegeldecken neu zu errichten. Ab dem 4. OG\nsollten alle Wande neu eingezogen werden. In den darunter liegenden Geschossen\nsollten Wande in großem Umfang entfernt und ersetzt werden. Aufgrund der\numfangreichen Lastumlagerungen durch das Entfernen von Wanden und die hoheren\nLasten durch die neuen Massivdecken sollten die Fundamente umfangreich\nunterfangen werden. Der Dachstuhl sollte abgerissen und ein komplett neues\nDach errichtet werden. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Bauablauf war nach der Baubeschreibung in den einzelnen Bauphasen in\nvertikale Bauabschnitte zu untergliedern, um eine ausreichende Standsicherheit\ndes Gebaudes zu gewahrleisten. Die straßenseitige Außenwand musste durch\nvorhandene Querwande ausreichend gehalten werden, da eine Halterung durch die\nzerstorten Deckenbalken nicht mehr gegeben war. Das Bauvorhaben sollte in\nallen Bauphasen von einem Statiker begleitet werden, um sicherzustellen, dass\nkein kritischer Bauzustand auftrat. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Im Jahr 1996 ließ der Ast. bezuglich des Objektes ein Holzschutzgutachten\n(datierend vom 28.3.1996) erstellen, das er dem Gericht auszugsweise vorlegte\n(Anlage K 15). Nach den Feststellungen des Gutachters waren Holzbauteile und\ndas Mauerwerk des Gebaudes durch holzzerstorende Organismen befallen. Der\nGutachter wies darauf hin, dass die Standsicherheit des Objektes durch einen\nBaustatiker gepruft werden musse. Als Maßnahmen schlug er u. a. vor, eine\nhorizontale Bauwerkssperre einzubringen, den holzernen Fußboden im Erdgeschoss\nzu entfernen, das Mauerwerk in den Befallsbereichen einer Schwammsanierung zu\nunterziehen und die Deckenbalken, Geschossdecken sowie den Dachstuhl zu\nerneuern. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit Schreiben vom 16.5.1995 stellte der Ast. bei der Stadt L bezuglich des\nStreitobjektes einen Antrag auf Zweckentfremdung zweier Wohnungen zu\nBuroraumen. Zur Begrundung trug er vor, die oberen Geschosse des Gebaudes\nseien baufallig und das Erdgeschoss wegen totaler Durchnassung unbewohnbar.\nDer Antrag wurde mit "Negativattest" vom 27.06.1995 abgelehnt. Zur Begrundung\nfuhrte das Amt fur Wohnungswesen aus, dass sich das gesamte Gebaude in einem\n"ruinosen" Zustand befinde. Der Erdgeschossbereich weise erhebliche Schaden\ndurch Nasseeinwirkung und Schimmelbefall auf. Im 3. Obergeschoss seien zum\nTeil die Fußboden durchgefault und im Dachgeschoss die Decken eingesturzt. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Gegenuber dem Finanzamt L III machte der Ast. in seinem Schreiben vom\n12.3.1997 geltend, es handele sich bei dem Objekt um eine "unbewohnte" Ruine,\nso dass der Grundsteuerberechnung der Wert eines unbebauten Grundstuckes\nzugrunde zu legen sei. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Antragsgegner - das Finanzamt - FA - ordnete mit Prufungsanordnung vom\n6.5.2003 eine abgekurzte Außenprufung an. Prufungsgegenstand waren die Angaben\ndes Ast. in den Einkommensteuererklarungen fur die Jahre 1996 - 2001,\ninsbesondere in Bezug auf die Objekte Ystr. 25/25 A und Xstr. 75 in F, Mstr 35\n(ehemals M Str. 35) in L und Dstr. 7 in R.. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Prufer stellte fest, dass es sich hinsichtlich der Baumaßnahmen bei dem\nObjekt Mstr. 35 in L nicht um nachtragliche Herstellungsarbeiten, sondern um\ndie Herstellung eines bautechnisch neuen Gebaudes gehandelt habe. Dem Prufer\nlag eine gutachterliche Stellungnahme des Bausachverstandigen des FA L III,\nHerrn B., vom 10.10.2003 vor, nach der bei dem streitigen Objekt - geschatzte\n- 52,25 % der tragenden Bauteile erneuert worden seien. Auf die Ausfuhrungen\ndes Gutachters wird erganzend verwiesen (BP-Akte Akt.-Bl. 68 ff.). Nach den\nPrufungsfeststellungen war danach nicht die vom Ast. beanspruchte begunstigte\nRestwertabschreibung auf 10 Jahre gemaß § 4 Abs. 3 Fordergebietsgesetz\n-FoGbG-, sondern lediglich die Sonderabschreibung fur die\nTeilherstellungskosten zu gewahren, die vor dem 1.1.1999 entstanden waren\n(nach den Feststellungen des Prufers beliefen sich diese fur die\nVeranlagungszeitraume - VZ - 1995 und 1996 auf 50 % und fur die VZ 1997 und\n1998 auf 40 % der von dem Ast. geltend gemachten Umbauaufwendungen). Fur die\nJahre 1999 bis 2001 war nach den Prufungsfeststellungen keine AfA zu gewahren,\nda die Sanierung des Gebaudes erst im Jahr 2002 abgeschlossen worden sei. Auf\ndie weiteren Prufungsfeststellungen, insbesondere hinsichtlich der\nVermietungsobjekte Dstr. 7 in R. sowie Xstr. 75 und Ystr. 25/25 A in F, wird\nerganzend Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Das FA folgte den Feststellungen des Prufers und erließ jeweils am\n29.12.2004 gemaß § 165 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO - geanderte\nEinkommensteuerbescheide fur die Streitjahre 1995 - 1997, 1999 - 2001 und\neinen nach § 10d Abs. 1 S. 2 Einkommensteuergesetz - EStG - geanderten\nEinkommensteuerbescheid fur das Jahr 1994. Der Ast. legte gegen die Bescheide\nam 27.1.2005 mit Schreiben gleichen Datums Einspruch ein, uber den das FA\nbisher nicht entschieden hat. Gleichzeitig beantragte er die Aussetzung der\nVollziehung -AdV- der angefochtenen Änderungsbescheide. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Mit Verfugung vom 10.3.2005 gab das FA dem Aussetzungsantrag teilweise\nstatt. Hinsichtlich der streitigen Vermietungseinkunfte fur das Objekt Mstr.\n35, L gewahrte es insoweit Aussetzung der Vollziehung, als es\nAnschaffungskosten fur das Altgebaude, dessen Restwert sich am 1.1.1995 auf\n137.520 DM belief, in dem Umfang seines Abbruchs als Werbungskosten\nanerkannte. Dabei ging es im Aussetzungsverfahren davon aus, dass der Restwert\nder abgebrochenen Gebaudeteile in der Summe etwa 137.520 DM entsprach und sich\ndie Abbrucharbeiten auf den Zeitraum von 1995 - 1999 erstreckten. Entsprechend\nwurden der Besteuerung zum Zwecke der Aussetzung der Vollziehung jahrlich\nweitere Werbungskosten in Hohe von 27.504 DM = 137.520 DM x 1/5 zugrunde\ngelegt und die Teilherstellungskosten entsprechend gekurzt. Als weitere\nWerbungskosten berucksichtigte das FA in seiner Aussetzungsverfugung 10 % der\nBaukosten fur das Hinterhaus als sofort abziehbare nachtragliche\nHerstellungskosten. Bezuglich des Vermietungsobjektes Dstr. 7 in R. gewahrte\nes im Aussetzungsverfahren die lineare AfA aus dem vollen AfA-Volumen in Hohe\nvon 6.344 DM (1/12 x 76.130 DM) fur das Jahr 1996 sowie in Hohe von jeweils\n76.340 DM fur die Folgejahre. Zusatzlich berucksichtigte es die verbleibende\nSonder-AfA in Hohe von 37.184 DM verteilt auf den Zeitraum 1996 bis 2000. Im\nÜbrigen wies es den AdV-Antrag als unbegrundet ab. Auf die Aufstellung der\nausgesetzten Betrage in der Anlage zu der Aussetzungsverfugung des FA vom\n10.3.2005 wird erganzend verwiesen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Mit bei Gericht am 11.4.2005 eingegangenem Schriftsatz beantragt der Ast.\ndie vollumfangliche gerichtliche Aussetzung der geanderten\nEinkommensteuerbescheide 1994, 1996 bis 1997 und 1999 bis 2001. Zur Begrundung\nseines Antrages tragt er Folgendes vor: \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Bei der streitbefangenen Sanierung handele es sich nicht um die Herstellung\neines bautechnisch neuen Gebaudes. Das außere Erscheinungsbild des Gebaudes\nsei unverandert geblieben. Ein Überwiegen der Neubauteile sei nicht gegeben.\nDas Gutachten des FA L sei fehlerhaft. Es stutze sich lediglich auf die nach\nder Baubeschreibung vorgesehene Planung. Handwerkerrechnungen seien dagegen\nder Beurteilung nicht zugrunde gelegt worden. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Nach den Berechnungen des den Ast. beratenden Bausachverstandigen liege der\nAnteil der erneuerten tragenden Bauteile nur bei 35,94 %. Die Erneuerung des\nDaches sei in die Berechnung nicht mit einzubeziehen. Die Tatsache, dass der\nDachstuhl wegen Schaden bzw. Abnutzung durch Zeitablauf habe erneuert werden\nmussen, fuhre zu Erhaltungsaufwand, der zwar die Nutzungsdauer des Gebaudes\nerhohe, aber deshalb nicht dem Gesamtgebaude das bautechnische Geprage eines\nneuen Gebaudes gebe. Die teilweise Unterfahrung der Fundamente infolge neuer\nLastverteilung sei unschadlich, da die alten Fundamente erhalten geblieben\nseien. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Das Gebaude habe auch keinem Vollverschleiß unterlegen; entsprechend\nschwere Substanzschaden an den fur die Nutzbarkeit des Baus pragenden Teilen\nhatten nicht vorgelegen. Aus dem Gutachten "GU", der Baubeschreibung und den\nHandwerkerrechnungen sei erkennbar, dass die fur die Nutzungsdauer des\nGebaudes bestimmenden tragenden Teile durch die Sanierung nicht grundlegend\nberuhrt worden seien. Auch der teilweise Austausch von Balken und\nDeckenelementen habe die Gebaudesubstanz nicht so tiefgreifend beeinflusst,\ndass von der Herstellung eines Neubaus gesprochen werden konne. Dasjenige, was\ndas Gebaude in seiner Denkmalschutzwurdigkeit ausgemacht habe, sei vielmehr\nerhalten geblieben. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Das Vorgehen des FA entspreche zudem nicht dem Sinn und Zweck des FoGbG,\nmit welchem durch erhohte Abschreibungsmoglichkeiten Kapital zur Sanierung des\nGebaudealtbestandes habe angelockt werden sollen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Im Übrigen habe der Betriebsprufer die Bauaufwendungen nur unvollstandig\nberucksichtigt. Baukosten seien entsprechend den Aufstellungen in den Anlagen\nK 7 - 12 entstanden. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Es sei fur den Ast. unverstandlich, warum das FA die Zinsen zur\nEinkommensteuer 1994 nicht in voller Hohe (7.556,31 EUR), sondern lediglich in\nHohe von 1.522 EUR ausgesetzt habe. Der Einkommensteuerbescheid 1994 sei wegen\nzwischenzeitlich eingetretener Bestandskraft nicht mehr anderbar gewesen. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Wegen zu gering gewahrter Abschreibungen hinsichtlich des Objekts in R.\nhabe das FA zu hohe Einkunfte aus Vermietung und Verpachtung angesetzt. Von\ndem unbestrittenen Sonder-AfA-Volumen in Hohe von 1.903.268 DM seien als\nSonder-AfA auf Anzahlungen im Jahr 1995 1.866.084 DM in Anspruch genommen\nworden. Die verbleibende Sonder-AfA in Hohe von 37.184 DM sei auf den Zeitraum\n1996 bis 2000 zu verteilen. Neben der Sonder-AfA sei zwingend die AfA gemaß §\n7 Abs. 4 EStG in Hohe von 2 % aus 3.806.536 DM mit 76.130 DM im Zeitraum 1996\nbis einschließlich 2000 zu berucksichtigen. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Einkunfte aus selbstandiger Arbeit habe das FA in den angefochtenen\nEinkommensteuerbescheiden zu hoch erfasst. Das FA habe es versaumt, den\nGrundsteueranteil fur die beruflich genutzten Raume in der Ystr. 25/25 in A\nbei den Betriebsausgaben zu berucksichtigen. Der betriebliche Anteil der\nGrundsteuer liege bei 56,50 %. Danach seien hinsichtlich der Grundsteuer\nWerbungskosten in Hohe von 1.121 DM anzusetzen. Das FA habe jedoch nur einen\nBetrag in Hohe von 935 DM berucksichtigt. Daruber hinaus sei der Gewinn zu\nUnrecht um den Eigenverbrauch hinsichtlich der privaten Raumkostenanteile\nerhoht worden. Die Privatanteile seien bereits verbucht gewesen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Wegen des weiteren Vorbringens des Antragstellers wird auf die im\nvorliegenden Antragsverfahren eingereichten Schriftsatze verwiesen. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Der Antragsteller beantragt, die geanderten Einkommensteuerbescheide 1996 -\n1997, 1999 - 2001 und die Festsetzung der Zinsen zur Einkommensteuer 1994\njeweils vom 29.12.2004 in voller Hohe von der Vollziehung auszusetzen. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Das FA beantragt, den Antrag abzuweisen. \n--- \n| 26 \n--- \n| Hinsichtlich des Objekts Mstr. 35, L vertritt es unter Bezugnahme auf die\nRechtsprechung des BFH die Auffassung, dass durch die umfangreiche Sanierung\nbautechnisch ein neues Gebaude entstanden sei. Der Restwert des Altgebaudes,\nder am 1.1.1995 noch 137.250 DM betragen habe, sowie die Abschreibung fur das\nHinterhaus seien bei der Aussetzung durch das FA bereits großzugig\nberucksichtigt worden. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Das Abschreibungsvolumen fur das Gebaude in R. sei in dem beantragten\nUmfang berucksichtigt worden. Der Ast. habe den Erhohungsbetrag lediglich\nanders auf den Begunstigungszeitraum verteilt. Dadurch ergaben sich in den\neinzelnen Jahren zwangslaufig Verschiebungen. Die Abschreibungsverlagerungen\nglichen sich im streitigen Zeitraum jedoch weitgehend aus, so dass eine\nsteuerliche Auswirkung lediglich uber eventuelle Progressionsspitzen eintreten\nkonne. Die großte Abweichung betreffe das Jahr 1996 und sei darauf\nzuruckzufuhren, dass das FA nur 1/12 der Jahres-AfA gewahrt habe, da das\nGebaude erst im Dezember 1996 bezugsfertig geworden sei. Bleibe der von dem\nAst. ohne nahere Angaben geltend gemachte Abwasserbeitrag als unklare Position\nunberucksichtigt, konnten nachtraglich lediglich weitere 952 DM zu einer\nAussetzung der Vollziehung fuhren. Aufgrund der großzugig anerkannten\nErhaltungsaufwendungen fur das Hinterhaus des L- Objekts sei eine Aufstockung\ndes bereits ausgesetzten Betrages jedoch nicht geboten. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Hinsichtlich der Einkunfte aus selbstandiger Arbeit komme wegen der\ngeringen steuerlichen Auswirkung der vom Ast. erhobenen Einwendungen\n(zusatzlich zu berucksichtigende Werbungskosten 1996: 389 DM, 1997: 1.040 DM,\n1998 bis 2001 jeweils jahrlich 87,50 DM) und der großzugigen Berucksichtigung\nder Werbungskosten fur den Umbau des Hinterhauses in L eine weitere Aussetzung\nder Vollziehung gleichfalls nicht in Betracht. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Der Antrag des Ast., Zinsen zur Einkommensteuer 1994 in Hohe von weiteren\n6.034,27 EUR von der Vollziehung auszusetzen, sei unbegrundet. Die in dieser\nHohe bestandskraftig festgesetzten Zinsen beruhten nicht auf den streitigen\nPrufungsfeststellungen. Lediglich Zinsen in Hohe von 1.522 EUR seien auf den\ngeanderten Verlustrucktrag aus dem Jahr 1995 zuruckzufuhren. Das FA habe daher\nzu Recht nur diesen Betrag von der Vollziehung ausgesetzt. \n--- \n| 30 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie\nauf den Inhalt der vorgelegten Behordenakten (3 Bande Einkommensteuerakten, 2\nBande Rechtsbehelfsakten, 1 Band BP-Akten) Bezug genommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 31 \n--- \n| II. Der zulassige Antrag ist unbegrundet. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Nach § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung -FGO- kann das Gericht die\nVollziehung eines Steuerbescheides auf Antrag eines Steuerpflichtigen ganz\noder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmaßigkeit\nbestehen oder wenn die Vollziehung fur den Steuerpflichtigen eine unbillige,\nnicht durch uberwiegende offentliche Interessen gebotene Harte zur Folge\nhatte. Da dem Steuerpflichtigen durch eine Aussetzung der Vollziehung nur ein\nvorlaufiger Rechtsschutz gewahrt werden soll, beschrankt sich das Verfahren\nauf eine summarische Prufung der Sach- und Rechtslage aufgrund des zwischen\nden Beteiligten unstreitigen Sachverhalts und der vorliegenden Beweismittel.\nEine weiterreichende Sachverhaltsermittlung durch das Gericht ist weder\ngeboten noch erforderlich. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Gemessen an diesen Grundsatzen kommt bei der gebotenen, aber auch\nausreichenden summarischen Beurteilung der vorliegenden Erkenntnisgrundlagen\neine weitergehende als die vom FA mit seiner Verfugung vom 10.3.2005 bereits\ngewahrte Aussetzung der Vollziehung nicht in Betracht. Nach den dem Gericht\nvorliegenden Unterlagen wurden an dem Gebaude Mstr. 35 in L derart\numfangreiche Sanierungsmaßnahmen durchgefuhrt, dass bei uberschlagiger\nBetrachtung von der Herstellung eines neuen Gebaudes auszugehen ist. Danach\nbestehen keine ernstlichen Zweifel, dass der Besteuerung in den Streitjahren\nlediglich die Sonder-AfA fur die Herstellung eines neuen Wirtschaftsgutes und\nnicht die begunstigte Restwertabschreibung fur nachtragliche\nHerstellungskosten zugrunde gelegt werden kann. Zu berucksichtigen ist zudem,\ndass das FA in dem streitigen VZ 1997 zu Gunsten des Ast. eine zu hohe\nSonderabschreibung (40 % anstelle der gesetzlich vorgeschriebenen 25 % der\nUmbaukosten) gewahrt hat, so dass eine weitergehende Aussetzung auch unter dem\nGesichtspunkt der Saldierung nicht in Betracht kommt. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| 1\\. Bei uberschlagiger Prufung der vorliegenden Beweismittel ist davon\nauszugehen, dass die Sanierung des Gebaudes Mstr. 35 in L zur Herstellung\neines neuen Wirtschaftsgutes (Neubaus) fuhrte. Es bestehen ausreichend\nAnhaltspunkte dafur, dass die neu eingefugten Gebaudeteile dem Gesamtgebaude\nin bautechnischer Hinsicht das Geprage gaben. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| a) Gemaß § 3 S. 1 FoGbG sind die Anschaffung und Herstellung von\nabnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgutern sowie Modernisierungsmaßnahmen und\nandere nachtragliche Herstellungsarbeiten an abnutzbaren unbeweglichen\nWirtschaftsgutern begunstigt. Der Umfang der Begunstigung bemisst sich nach §\n4 FoGbG. Nach § 4 Abs. 3 FoGbG gilt die begunstigte Restwertabschreibung auf\n10 Jahre nur bei Herstellungskosten, die fur nachtragliche\nHerstellungsarbeiten im Sinne des § 3 S. 1 FoGbG aufgewendet worden sind, und\nbei Anschaffungskosten, die auf Modernisierungsmaßnahmen und andere\nnachtragliche Herstellungsarbeiten im Sinne des § 3 S. 2 Nr. 3 FoGbG\nentfallen, nicht jedoch fur die Herstellung eines neuen Wirtschaftsgutes. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 FoGbG der Satz von 25 %, soweit die unbeweglichen\nWirtschaftsguter nach ihrer Anschaffung oder Herstellung zu Wohnzwecken\ndienen. Nach § 4 Abs. 2 S. 3 FoGbG gilt dieser Satz 2 nicht bei\nModernisierungsmaßnahmen und anderen nachtraglichen Herstellungsarbeiten an\nunbeweglichen Wirtschaftsgutern. Dies bedeutet, dass die erhohte\nSonderabschreibung von 40 % nur dann gewahrt werden kann, wenn es sich bei den\nbetreffenden Maßnahmen um Modernisierungsmaßnahmen oder nachtragliche\nHerstellungsarbeiten an dem betreffenden abnutzbaren unbeweglichen\nWirtschaftsgut handelt. Stellen die betreffenden Maßnahmen die Herstellung\neines abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsguts dar, so kommt nach Satz 2 des\n§ 4 Abs. 2 nur eine Sonderabschreibung in Hohe von 25 % in Betracht. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Somit kommt der Frage, inwieweit es sich bei den jeweils im Streit\nbefindlichen Baumaßnahmen, Umgestaltungen und Sanierungsvorgangen um\nModernisierungsmaßnahmen bzw. nachtragliche Herstellungsarbeiten oder um die\nHerstellung eines neuen oder anderen Wirtschaftsguts handelt, fur die Hohe der\nzu gewahrenden Sonderabschreibung entscheidende Bedeutung zu. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| b) Da das Fordergebietsgesetz selbst uber die sachlichen Inhalte dieser\nTatbestandsvoraussetzungen keinen Aufschluss gibt, ist die Rechtsprechung des\nBundesfinanzhofs zu den Voraussetzungen des Vorliegens eines neuen Gebaudes,\ndie zu den Bestimmungen des § 10 e EStG und § 7 Abs. 5 EStG ergangen ist,\nheranzuziehen. Dafur spricht zum einen, dass es vor dem Hintergrund des Gebots\nder Einheitlichkeit der Rechtsordnung, zumindest der Steuerrechtsordnung, aus\nGrunden der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes als unverzichtbar\nangesehen werden muss, identische Begriffe jedenfalls im begrenzten Bereich\ndes Ertragsteuerrechts einheitlich auszulegen und zu verwenden. Zum anderen\nhandelt es sich bei dem Fordergebietsgesetz ebenso wie bei der\nWohnungseigentumsforderung gemaß § 10 e EStG bzw. bei der Wohnungsbauforderung\ngemaß § 7 Abs. 5 EStG um Subventionsnormen, die vor dem Hintergrund eines\neinheitlichen oder zumindest vergleichbaren Forderungsziels einer\neinheitlichen Auslegung und Anwendung bedurfen (ebenso FG Koln Urteil vom\n8.12.2004 7 K 1308/02, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2005, 551\nff.; Paus, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1994, 1633, 1637). \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| c) Nach den strengen Maßstaben, die der Bundesfinanzhof - BFH - fur die\ndegressive Gebaude-AfA nach § 7 Abs. 5 EStG entwickelt hat, ist ein Gebaude\nnicht schon dann hergestellt, wenn Herstellungsaufwendungen in großerem Umfang\nanfallen. Deshalb fuhren auch umfassende Reparatur- und\nModernisierungsaufwendungen nicht zur Herstellung eines neuen Wirtschaftsguts.\nDas Herstellen eines Neubaus setzt in Umbaufallen vielmehr voraus, dass\nentweder die bisher vorhandene Gebaudesubstanz - mit Rucksicht auf die fur die\nNutzungsdauer bestimmenden Gebaudeteile (z. B. Fundamente, tragende Innen- und\nAußenmauern, Geschossdecken, Dachkonstruktion) - nicht mehr nutzbar war (sog.\nVollverschleiß) oder --sofern dies nicht gegeben ist -, dass die neu\neingefugten Gebaudeteile dem Gesamtgebaude in bautechnischer Hinsicht das\nGeprage geben (BFH-Urteil vom 25.5.2004 VIII R 6/01, Bundessteuerblatt - BStBl\n- II 2004, 783 mit weiteren Nachweisen). \n--- \n| 40 \n--- \n| Vollig unbrauchbar im Sinne eines Vollverschleißes ist ein Gebaude nicht\nschon dann, wenn es beispielsweise deshalb nicht vermietbar ist, weil es wegen\nAbnutzung und Verwahrlosung zeitgemaßen Wohnvorstellungen nicht mehr\nentspricht. Es mussen vielmehr schwere Substanzschaden an den fur die\nNutzbarkeit als Bau und die Nutzungsdauer des Gebaudes bestimmenden Teilen,\nwie z. B. Fundamenten, tragenden Außen- und Innenwanden, Geschossdecken und\nder Dachkonstruktion vorliegen. Die Altbausubstanz muss so tiefgreifend\numgestaltet oder in einem solchen Ausmaße erweitert werden, dass die neu\neingefugten Gebaudeteile dem entstandenen Objekt das Geprage geben und die\nverwendeten Altteile wertmaßig untergeordnet erscheinen. Bei einem Vergleich\ndes Wertes der Altbausubstanz mit dem Wert des angefallenen Bauaufwandes\nmussen jedoch typische Erhaltungsaufwendungen außer Betracht bleiben. (so\nausdrucklich BFH-Urteil vom 17.12.1997 X R 54/96, Sammlung der Entscheidungen\ndes Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 1998, 841 m. w. N.). \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| d) Unter Berucksichtigung dieser Tatbestandsvoraussetzungen fur die\nHerstellung eines neuen oder anderen Wirtschaftsgutes rechtfertigen die an dem\nGebaude Mstr. 35 in L vorgenommenen Sanierungsaufwendungen bei summarischer\nPrufung die Annahme der Herstellung eines neuen/anderen Wirtschaftsgutes.\nDabei kann die Frage, ob ein Vollverschleiß des Gebaudes vor seiner Sanierung\nvorlag, letztlich offen bleiben, da ausreichend Anhaltspunkte dafur bestehen,\ndass die neu eingefugten Gebaudeteile unabhangig von dem Bestehen eines\nVollverschleißes dem Gesamtgebaude in bautechnischer Hinsicht das Geprage\ngaben. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| aa) Die vom FA vorgelegten Beweismittel sprechen zunachst dafur, dass\nwahrscheinlich ein Vollverschleiß des Gebaudes vor seiner Sanierung gegeben\nwar: \n--- \n| 43 \n--- \n| Nach dem "Negativattest" der Stadt L vom 27.6.1995, mit dem der Antrag des\nAst. auf Zweckentfremdung abgelehnt wurde, befand sich das gesamte Gebaude vor\nseiner Sanierung in einem "ruinosen" Zustand. Der Erdgeschossbereich wies\nerhebliche Schaden durch Nasseeinwirkung und Schimmelbefall auf. Im 3.\nObergeschoss waren zum Teil die Fußboden durchgefault und im Dachgeschoss die\nDecken eingesturzt. Diese Feststellungen decken sich mit der Einlassung des\nAst. gegenuber dem Finanzamt L III in seinem Schreiben vom 12.3.1997, wonach\nes sich bei dem Objekt Mstr. 35 um eine "unbewohnte Ruine" handele, so dass\nder Grundsteuerberechnung der Wert eines unbebauten Grundstuckes zugrunde zu\nlegen sei. Danach entsprach das Gebaude nicht nur hinsichtlich seiner\nAbnutzung und Verwahrlosung nicht mehr zeitgemaßen Wohnvorstellungen; es lagen\nvielmehr schwere Substanzschaden an den fur die Nutzbarkeit des Gebaudes\nbestimmenden Teilen, den Fußboden, Decken und dem Dachgeschoss vor. Dies\nspricht dafur, dass das Gebaude vollig unbrauchbar im Sinne eines\nVollverschleißes war. Dem steht nicht entgegen, dass das Gebaude bis kurz vor\nseiner Sanierung im Jahr 1995 noch teilweise bewohnt war. Soweit die Mieter\nunter Gefahrdung ihrer Gesundheit Nasse, Schimmel und die Einsturzgefahr des\nGebaudes hinnahmen, spricht dies nicht zwingend gegen den "ruinosen" Zustand\ndes Gebaudes im Sinne eines Vollverschleißes. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| bb) Letztlich kann die Frage, ob ein Vollverschleiß des Gebaudes vorlag,\njedoch offen bleiben, da nach der dem Gericht vorliegenden Baubeschreibung\ndurch die Umbaumaßnahmen die Altbausubstanz jedenfalls so tiefgreifend\numgestaltet und in einem solchen Ausmaß erweitert wurde, dass die neu\neingefugten Gebaudeteile dem entstandenen Gebaude das Geprage gaben und die\nverwendeten Altteile wertmaßig untergeordnet erscheinen. Allein die komplette\nErneuerung des Dachstuhls als eines fur die Nutzungsdauer bestimmenden\nBauteils wurde dem Gesamtgebaude zwar nicht das bautechnische Geprage eines\nneuen Gebaudeteils geben. Aus der Baubeschreibung ist jedoch erkennbar, dass\nim Streitfall noch weitere fur die Nutzungsdauer des Gebaudes bestimmende\ntragende Teile des Objektes wie dessen Fundament, tragende Außen- und\nInnenwande und Geschossdecken durch die Baumaßnahmen grundlegend beruhrt\nwurden: Das Gebaude wurde bis zur Unterkante der Decke des 3. OG abgetragen\nund die Decke des 4. OG als Fertigteildecke neu hergestellt. Die\nstraßenseitigen Decken des 1. und 2. OG wurden als Ziegeldecken neu errichtet.\nAb dem 4. OG wurden alle Wande neu eingezogen. In den darunter liegenden\nGeschossen wurden tragende Wande in großem Umfang entfernt und ersetzt.\nAufgrund der umfangreichen Lastumlagerungen durch das Entfernen von Wanden und\ndie hoheren Lasten durch die neuen Massivdecken mussten die Fundamente\numfangreich unterfangen werden. Der Dachstuhl wurde abgerissen und ein\nkomplett neues Dach errichtet. Die straßenseitige Außenwand musste durch\nvorhandene Querwande ausreichend gehalten werden, da eine Halterung durch die\nzerstorten Deckenbalken nicht mehr gegeben war. Somit wurde weitaus mehr als\nnur ein die Nutzungsdauer bestimmendes Gebaudeteil - wie etwa nur der\nDachstuhl - erneuert. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Unerheblich ist dabei, ob die historisch getreue Wiederherstellung der\nGebaude durch die Denkmalschutzbehorden angeordnet worden war. Denn auch bei\neinem Abriss eines historischen Gebaudes und dem originalgetreuen Wiederaufbau\ndieses Gebaudes, quasi als Kopie des alten, handelt es sich um die Errichtung\neines bautechnisch neuen Gebaudes. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| cc) Nachdem angesichts der beschriebenen Baumaßnahmen (Unterfangung des\nFundamentes, Austausch tragender Wande und Decken und Errichtung eines neuen\nDachstuhls) ausreichend Anhaltspunkte dafur bestehen, dass die Altbausubstanz\nauch unter Abzug der typischen Erhaltungsaufwendungen so tiefgreifend\numgestaltet wurde, dass die neu eingefugten Gebaudeteile dem Objekt das\nGeprage gaben und die verwendeten Altteile wertmaßig untergeordnet erscheinen,\nhatte es dem Ast. oblegen, den von ihm geltend gemachten gegenteiligen\nSachverhalt glaubhaft zu machen. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Dies hat der Ast. versaumt. Er beschrankte sich zur Glaubhaftmachung seines\nVortrags, die Sanierungsmaßnahmen hatten sich auf die Modernisierung und\nnachtragliche Herstellungsarbeiten beschrankt, auf die Vorlage von\nSummenlisten der Baukosten sowie auf die Bezugnahme auf Berechnungen seines\nberatenden Sachverstandigen, ohne die Baurechnungen oder das\nSachverstandigengutachten selbst vorzulegen. Der Senat muss danach einstweilen\ndavon ausgehen, dass die Sanierungsmaßnahmen der Baubeschreibung entsprechen,\nnach der die verwendete Bausubstanz so tiefgreifend umgestaltet wurde, dass\ndie eingefugten Teile dem Gebaude das Geprage gaben. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Dabei kann sich der Ast. nicht darauf berufen, es hatten vom Gericht\nBeweise - etwa die Einholung eines Sachverstandigengutachtens - erhoben werden\nmussen. Im vorliegenden Verfahren des vorlaufigen Rechtsschutzes findet keine\nBeweisaufnahme statt. Vielmehr beschrankt sich die Prufung des Gerichts auf\ndie vorliegenden Beweismittel. Insoweit hat es der Ast. versaumt, die\nentsprechenden Beweismittel zur Glaubhaftmachung vorzulegen. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| dd) Bei summarischer Prufung der vorliegenden Unterlagen ist danach davon\nauszugehen, dass die Sanierung des Gebaudes Mstr. 35 in L zur Herstellung\neines Neubaus fuhrte. Diese Wurdigung widerspricht nicht dem Sinn und Zweck\ndes Fordergebietsgesetzes. Dieses unterscheidet selbst zwischen\nSonderabschreibungen auf Modernisierungskosten und nachtraglichen\nHerstellungskosten einerseits, sowie Sonderabschreibungen fur neu errichtete\nGebaude andererseits. Das Gesetz ordnet nicht an, dass fur ein bautechnisch\nneu errichtetes Gebaude, abweichend von den geltenden Rechtsgrundsatzen, stets\ndie erhohte Sonderabschreibung fur nachtragliche Herstellungs- bzw.\nModernisierungskosten zu gewahren ist. Das Maß der baulichen Sanierung folgt\nvielmehr den bautechnischen Vorgaben sowie der Investitionsentscheidung des\nBautragers, der die Art der anzuwendenden Sonderabschreibung damit selbst in\nder Hand hat (Hessisches Finanzgericht Beschluss vom 20.12.2004 2 V 3169/04,\nDeutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst - DStRE - 2005, 503 f.). \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Die Berucksichtigung der von dem Ast. geltend gemachten\nErhaltungsaufwendungen - etwa fur den Einsatz neuer Fenster, Turen,\nelektrischer Leitungen usw. - kommt neben der Sonderabschreibung fur die\nHerstellungskosten des Neubaus nicht in Betracht. Bei summarischer Prufung\nstanden die Erhaltungsmaßnahmen in engem raumlichen, zeitlichen und sachlichen\nZusammenhang mit den reinen Herstellungsmaßnahmen (Austausch der Fußboden,\nDecken und Wande, Neuerrichtung des 4. Obergeschosses und des Dachgeschosses,\nAustausch der tragenden Balken) und wurden großteils durch diese bedingt, so\ndass beide in ihrer Gesamtheit eine einheitliche Baumaßnahme bildeten. Die vom\nAst. hierfur getragenen Aufwendungen sind somit insgesamt als\nHerstellungskosten fur den Neubau zu qualifizieren und unterliegen\nausschließlich der Sonderabschreibung nach § 4 FoGbG (FG Baden-Wurttemberg\nUrteil vom 7.12.2004 11 K 271/00, EFG 2005, 856 ff.). \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| e) Hinsichtlich der Bemessungsgrundlage der Sonderabschreibung geht der\nSenat einstweilen von den Teilherstellungskosten aus, die das FA seiner\nBerechnung zugrunde gelegt hat. Diese entsprechen den Angaben des Ast. in\nseinen Einkommensteuererklarungen fur die Streitjahre. Der Ast. hat seinen\nVortrag, es seien hohere Teilherstellungskosten entstanden, nicht glaubhaft\ngemacht. Den zur Glaubhaftmachung vorgelegten Summenlisten sind die im\nEinzelnen abgerechneten Baumaßnahmen nicht zu entnehmen. Sie konnen daher im\nvorliegenden Verfahren nicht berucksichtigt werden. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| f) Die Sonderabschreibung betragt fur das Streitjahr 1996 - wie vom FA\nangenommen - nach § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 a) FoGbG 50 % der entstandenen\nTeilherstellungskosten. Fur das Streitjahr 1997 (sowie fur das vorliegend\nnicht streitige Jahr 1998) belauft sich die Sonderabschreibung nach § 4 Abs. 2\nS. 2 Nr. 1 auf 25 % der entstandenen Teilherstellungskosten, so dass die vom\nFA mit 40 % der Teilherstellungskosten berucksichtigte Sonder-AfA zu Gunsten\ndes Ast. zu hoch angesetzt wurde: \n--- \n| 53 \n--- \n| Bei Investitionen, die wie im vorliegenden Fall nach dem 31. Dezember 1998\nabgeschlossen werden, betragt die Sonderabschreibung, soweit nach dem 31.\nDezember 1996 und vor dem 1. Januar 1999 Teilherstellungskosten entstanden\nsind, 40 % der entstandenen Teilherstellungskosten (§ 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 b)\nFoGbG). Diese Regelung steht jedoch unter dem Vorbehalt des § 4 Abs. 2 S. 2\nFoGbG. Danach tritt bei Baumaßnahmen nach § 3 FoGbG an die Stelle des Satzes\nvon 40 % der Satz von 25 %, soweit die unbeweglichen Wirtschaftsguter\nmindestens funf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung Wohnzwecken\ndienen. S. 2 gilt nach S. 3 jedoch nicht bei Modernisierungsmaßnahmen oder\nanderen nachtraglichen Herstellungsarbeiten an unbeweglichen Wirtschaftsgutern\nund nicht in den Fallen des § 3 S. 2 Nr. 3 FoGbG. Diese negativen\nTatbestandsvoraussetzungen sind nach dem Ergebnis der summarischen Prufung\nnicht erfullt, da es sich bei der Sanierung wahrscheinlich um die Herstellung\neines Neubaus handelte. Somit gilt § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 FoGbG und belauft\nsich die Sonderabschreibung auf lediglich 25%. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Der Besteuerung hatte danach im VZ 1997 lediglich eine Sonderabschreibung\nin Hohe von 231.378,5 DM (25 % Sonder-AfA aus 925.514 DM) - und im\nunstreitigen VZ 1998 in Hohe von 118.694 DM (25 % Sonder-AfA aus 474.779,31\nDM) - zugrunde gelegt werden durfen. Das FA gewahrte dem Ast. dagegen fur den\nVZ 1997 eine Sonderabschreibung in Hohe von 370.061,68 DM (40 % Sonder-AfA aus\n925.514 DM) und fur den VZ 1998 eine Sonderabschreibung in Hohe von 185.030 DM\n(40 % Sonder-AfA aus 474.779,31 DM). \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| 2\\. Hinsichtlich der weiteren Einwendungen des Ast. kommt - auch unter\nBerucksichtigung der im VZ 1997 in Hohe von 138.683 DM = 370.061,68 DM ./.\n231.378,5 DM zu hoch gewahrten Sonder-AfA - eine uber die Aussetzungsverfugung\ndes FA vom 10.3.2005 hinausgehende gerichtliche AdV nicht in Betracht: \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| a) Entgegen dem Vorbringen des Ast. hat das FA bezuglich des Objekts in R.\nin seiner Aussetzungsverfugung vom 10.3.2005 die geltend gemachte jahrliche\nAbschreibung in Hohe von 76.340 DM und die Sonderabschreibung in Hohe von\ninsgesamt 42.415 DM bereits in vollem Umfang berucksichtigt. Lediglich fur das\nJahr 1996 hat das FA nicht den von dem Ast. beantragten vollen AfA-Betrag,\nsondern lediglich 1/12 der Jahres-AfA anerkannt, da das Gebaude erst im\nDezember 1996 bezugsfertig geworden war. Dies entspricht dem Grundsatz, dass\ndie Bemessungsgrundlage zeitanteilig auf den gesamten Abschreibungszeitraum zu\nverteilen ist und in einem Kalenderjahr Abschreibungen nur fur so viele Monate\nvorgenommen werden durfen, wie das Wirtschaftsgut zur Einkunftserzielung\nverwendet wird. Dies war im Jahr 1996 lediglich ein Monat. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Die Frage, ob die vom Ast. daruber hinaus geltend gemachten\nAbwasserbeitrage in Hohe von 6.428,19 DM und die nachtraglich geltend\ngemachten Werbungskosten in Hohe von 952 DM zu einer Verminderung der\nBesteuerungsgrundlagen fuhren, kann offen bleiben, da insoweit eine Saldierung\nmit der in Hohe von 138.683 DM zu hoch gewahrten Sonderabschreibung fur das\nObjekt in L erfolgen musste. \n--- \n| 58 \n--- \n| b) Gleiches gilt fur die Einwendungen des Ast. gegen die Hohe der vom FA\nder Besteuerung zugrunde gelegten Einkunfte aus selbstandiger Arbeit\n(zusatzlich zu berucksichtigende Werbungskosten 1996: 389 DM, 1997: 1.040 DM,\n1998 bis 2001 jeweils jahrlich 87,50 DM) und die Hohe der Zinsen zur\nEinkommensteuer 1994 (11.826 DM = 6.034.27 EUR). \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| 3\\. Grunde dafur, dass die Vollziehung fur den Ast. eine unbillige, nicht\ndurch uberwiegende offentliche Interessen gebotene Harte zur Folge hatte,\nwurden weder vorgetragen noch sind diese aus den Akten ersichtlich. \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| 4\\. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung\n- FGO-. \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| 5\\. Die Beschwerde war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen der\nnach § 128 Abs. 3 S. 2 FGO entsprechend anwendbaren Regelung des § 115 Abs. 3\nFGO erfullt ist. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 31 \n--- \n| II. Der zulassige Antrag ist unbegrundet. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Nach § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung -FGO- kann das Gericht die\nVollziehung eines Steuerbescheides auf Antrag eines Steuerpflichtigen ganz\noder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmaßigkeit\nbestehen oder wenn die Vollziehung fur den Steuerpflichtigen eine unbillige,\nnicht durch uberwiegende offentliche Interessen gebotene Harte zur Folge\nhatte. Da dem Steuerpflichtigen durch eine Aussetzung der Vollziehung nur ein\nvorlaufiger Rechtsschutz gewahrt werden soll, beschrankt sich das Verfahren\nauf eine summarische Prufung der Sach- und Rechtslage aufgrund des zwischen\nden Beteiligten unstreitigen Sachverhalts und der vorliegenden Beweismittel.\nEine weiterreichende Sachverhaltsermittlung durch das Gericht ist weder\ngeboten noch erforderlich. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Gemessen an diesen Grundsatzen kommt bei der gebotenen, aber auch\nausreichenden summarischen Beurteilung der vorliegenden Erkenntnisgrundlagen\neine weitergehende als die vom FA mit seiner Verfugung vom 10.3.2005 bereits\ngewahrte Aussetzung der Vollziehung nicht in Betracht. Nach den dem Gericht\nvorliegenden Unterlagen wurden an dem Gebaude Mstr. 35 in L derart\numfangreiche Sanierungsmaßnahmen durchgefuhrt, dass bei uberschlagiger\nBetrachtung von der Herstellung eines neuen Gebaudes auszugehen ist. Danach\nbestehen keine ernstlichen Zweifel, dass der Besteuerung in den Streitjahren\nlediglich die Sonder-AfA fur die Herstellung eines neuen Wirtschaftsgutes und\nnicht die begunstigte Restwertabschreibung fur nachtragliche\nHerstellungskosten zugrunde gelegt werden kann. Zu berucksichtigen ist zudem,\ndass das FA in dem streitigen VZ 1997 zu Gunsten des Ast. eine zu hohe\nSonderabschreibung (40 % anstelle der gesetzlich vorgeschriebenen 25 % der\nUmbaukosten) gewahrt hat, so dass eine weitergehende Aussetzung auch unter dem\nGesichtspunkt der Saldierung nicht in Betracht kommt. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| 1\\. Bei uberschlagiger Prufung der vorliegenden Beweismittel ist davon\nauszugehen, dass die Sanierung des Gebaudes Mstr. 35 in L zur Herstellung\neines neuen Wirtschaftsgutes (Neubaus) fuhrte. Es bestehen ausreichend\nAnhaltspunkte dafur, dass die neu eingefugten Gebaudeteile dem Gesamtgebaude\nin bautechnischer Hinsicht das Geprage gaben. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| a) Gemaß § 3 S. 1 FoGbG sind die Anschaffung und Herstellung von\nabnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgutern sowie Modernisierungsmaßnahmen und\nandere nachtragliche Herstellungsarbeiten an abnutzbaren unbeweglichen\nWirtschaftsgutern begunstigt. Der Umfang der Begunstigung bemisst sich nach §\n4 FoGbG. Nach § 4 Abs. 3 FoGbG gilt die begunstigte Restwertabschreibung auf\n10 Jahre nur bei Herstellungskosten, die fur nachtragliche\nHerstellungsarbeiten im Sinne des § 3 S. 1 FoGbG aufgewendet worden sind, und\nbei Anschaffungskosten, die auf Modernisierungsmaßnahmen und andere\nnachtragliche Herstellungsarbeiten im Sinne des § 3 S. 2 Nr. 3 FoGbG\nentfallen, nicht jedoch fur die Herstellung eines neuen Wirtschaftsgutes. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 FoGbG der Satz von 25 %, soweit die unbeweglichen\nWirtschaftsguter nach ihrer Anschaffung oder Herstellung zu Wohnzwecken\ndienen. Nach § 4 Abs. 2 S. 3 FoGbG gilt dieser Satz 2 nicht bei\nModernisierungsmaßnahmen und anderen nachtraglichen Herstellungsarbeiten an\nunbeweglichen Wirtschaftsgutern. Dies bedeutet, dass die erhohte\nSonderabschreibung von 40 % nur dann gewahrt werden kann, wenn es sich bei den\nbetreffenden Maßnahmen um Modernisierungsmaßnahmen oder nachtragliche\nHerstellungsarbeiten an dem betreffenden abnutzbaren unbeweglichen\nWirtschaftsgut handelt. Stellen die betreffenden Maßnahmen die Herstellung\neines abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsguts dar, so kommt nach Satz 2 des\n§ 4 Abs. 2 nur eine Sonderabschreibung in Hohe von 25 % in Betracht. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Somit kommt der Frage, inwieweit es sich bei den jeweils im Streit\nbefindlichen Baumaßnahmen, Umgestaltungen und Sanierungsvorgangen um\nModernisierungsmaßnahmen bzw. nachtragliche Herstellungsarbeiten oder um die\nHerstellung eines neuen oder anderen Wirtschaftsguts handelt, fur die Hohe der\nzu gewahrenden Sonderabschreibung entscheidende Bedeutung zu. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| b) Da das Fordergebietsgesetz selbst uber die sachlichen Inhalte dieser\nTatbestandsvoraussetzungen keinen Aufschluss gibt, ist die Rechtsprechung des\nBundesfinanzhofs zu den Voraussetzungen des Vorliegens eines neuen Gebaudes,\ndie zu den Bestimmungen des § 10 e EStG und § 7 Abs. 5 EStG ergangen ist,\nheranzuziehen. Dafur spricht zum einen, dass es vor dem Hintergrund des Gebots\nder Einheitlichkeit der Rechtsordnung, zumindest der Steuerrechtsordnung, aus\nGrunden der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes als unverzichtbar\nangesehen werden muss, identische Begriffe jedenfalls im begrenzten Bereich\ndes Ertragsteuerrechts einheitlich auszulegen und zu verwenden. Zum anderen\nhandelt es sich bei dem Fordergebietsgesetz ebenso wie bei der\nWohnungseigentumsforderung gemaß § 10 e EStG bzw. bei der Wohnungsbauforderung\ngemaß § 7 Abs. 5 EStG um Subventionsnormen, die vor dem Hintergrund eines\neinheitlichen oder zumindest vergleichbaren Forderungsziels einer\neinheitlichen Auslegung und Anwendung bedurfen (ebenso FG Koln Urteil vom\n8.12.2004 7 K 1308/02, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2005, 551\nff.; Paus, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1994, 1633, 1637). \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| c) Nach den strengen Maßstaben, die der Bundesfinanzhof - BFH - fur die\ndegressive Gebaude-AfA nach § 7 Abs. 5 EStG entwickelt hat, ist ein Gebaude\nnicht schon dann hergestellt, wenn Herstellungsaufwendungen in großerem Umfang\nanfallen. Deshalb fuhren auch umfassende Reparatur- und\nModernisierungsaufwendungen nicht zur Herstellung eines neuen Wirtschaftsguts.\nDas Herstellen eines Neubaus setzt in Umbaufallen vielmehr voraus, dass\nentweder die bisher vorhandene Gebaudesubstanz - mit Rucksicht auf die fur die\nNutzungsdauer bestimmenden Gebaudeteile (z. B. Fundamente, tragende Innen- und\nAußenmauern, Geschossdecken, Dachkonstruktion) - nicht mehr nutzbar war (sog.\nVollverschleiß) oder --sofern dies nicht gegeben ist -, dass die neu\neingefugten Gebaudeteile dem Gesamtgebaude in bautechnischer Hinsicht das\nGeprage geben (BFH-Urteil vom 25.5.2004 VIII R 6/01, Bundessteuerblatt - BStBl\n- II 2004, 783 mit weiteren Nachweisen). \n--- \n| 40 \n--- \n| Vollig unbrauchbar im Sinne eines Vollverschleißes ist ein Gebaude nicht\nschon dann, wenn es beispielsweise deshalb nicht vermietbar ist, weil es wegen\nAbnutzung und Verwahrlosung zeitgemaßen Wohnvorstellungen nicht mehr\nentspricht. Es mussen vielmehr schwere Substanzschaden an den fur die\nNutzbarkeit als Bau und die Nutzungsdauer des Gebaudes bestimmenden Teilen,\nwie z. B. Fundamenten, tragenden Außen- und Innenwanden, Geschossdecken und\nder Dachkonstruktion vorliegen. Die Altbausubstanz muss so tiefgreifend\numgestaltet oder in einem solchen Ausmaße erweitert werden, dass die neu\neingefugten Gebaudeteile dem entstandenen Objekt das Geprage geben und die\nverwendeten Altteile wertmaßig untergeordnet erscheinen. Bei einem Vergleich\ndes Wertes der Altbausubstanz mit dem Wert des angefallenen Bauaufwandes\nmussen jedoch typische Erhaltungsaufwendungen außer Betracht bleiben. (so\nausdrucklich BFH-Urteil vom 17.12.1997 X R 54/96, Sammlung der Entscheidungen\ndes Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 1998, 841 m. w. N.). \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| d) Unter Berucksichtigung dieser Tatbestandsvoraussetzungen fur die\nHerstellung eines neuen oder anderen Wirtschaftsgutes rechtfertigen die an dem\nGebaude Mstr. 35 in L vorgenommenen Sanierungsaufwendungen bei summarischer\nPrufung die Annahme der Herstellung eines neuen/anderen Wirtschaftsgutes.\nDabei kann die Frage, ob ein Vollverschleiß des Gebaudes vor seiner Sanierung\nvorlag, letztlich offen bleiben, da ausreichend Anhaltspunkte dafur bestehen,\ndass die neu eingefugten Gebaudeteile unabhangig von dem Bestehen eines\nVollverschleißes dem Gesamtgebaude in bautechnischer Hinsicht das Geprage\ngaben. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| aa) Die vom FA vorgelegten Beweismittel sprechen zunachst dafur, dass\nwahrscheinlich ein Vollverschleiß des Gebaudes vor seiner Sanierung gegeben\nwar: \n--- \n| 43 \n--- \n| Nach dem "Negativattest" der Stadt L vom 27.6.1995, mit dem der Antrag des\nAst. auf Zweckentfremdung abgelehnt wurde, befand sich das gesamte Gebaude vor\nseiner Sanierung in einem "ruinosen" Zustand. Der Erdgeschossbereich wies\nerhebliche Schaden durch Nasseeinwirkung und Schimmelbefall auf. Im 3.\nObergeschoss waren zum Teil die Fußboden durchgefault und im Dachgeschoss die\nDecken eingesturzt. Diese Feststellungen decken sich mit der Einlassung des\nAst. gegenuber dem Finanzamt L III in seinem Schreiben vom 12.3.1997, wonach\nes sich bei dem Objekt Mstr. 35 um eine "unbewohnte Ruine" handele, so dass\nder Grundsteuerberechnung der Wert eines unbebauten Grundstuckes zugrunde zu\nlegen sei. Danach entsprach das Gebaude nicht nur hinsichtlich seiner\nAbnutzung und Verwahrlosung nicht mehr zeitgemaßen Wohnvorstellungen; es lagen\nvielmehr schwere Substanzschaden an den fur die Nutzbarkeit des Gebaudes\nbestimmenden Teilen, den Fußboden, Decken und dem Dachgeschoss vor. Dies\nspricht dafur, dass das Gebaude vollig unbrauchbar im Sinne eines\nVollverschleißes war. Dem steht nicht entgegen, dass das Gebaude bis kurz vor\nseiner Sanierung im Jahr 1995 noch teilweise bewohnt war. Soweit die Mieter\nunter Gefahrdung ihrer Gesundheit Nasse, Schimmel und die Einsturzgefahr des\nGebaudes hinnahmen, spricht dies nicht zwingend gegen den "ruinosen" Zustand\ndes Gebaudes im Sinne eines Vollverschleißes. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| bb) Letztlich kann die Frage, ob ein Vollverschleiß des Gebaudes vorlag,\njedoch offen bleiben, da nach der dem Gericht vorliegenden Baubeschreibung\ndurch die Umbaumaßnahmen die Altbausubstanz jedenfalls so tiefgreifend\numgestaltet und in einem solchen Ausmaß erweitert wurde, dass die neu\neingefugten Gebaudeteile dem entstandenen Gebaude das Geprage gaben und die\nverwendeten Altteile wertmaßig untergeordnet erscheinen. Allein die komplette\nErneuerung des Dachstuhls als eines fur die Nutzungsdauer bestimmenden\nBauteils wurde dem Gesamtgebaude zwar nicht das bautechnische Geprage eines\nneuen Gebaudeteils geben. Aus der Baubeschreibung ist jedoch erkennbar, dass\nim Streitfall noch weitere fur die Nutzungsdauer des Gebaudes bestimmende\ntragende Teile des Objektes wie dessen Fundament, tragende Außen- und\nInnenwande und Geschossdecken durch die Baumaßnahmen grundlegend beruhrt\nwurden: Das Gebaude wurde bis zur Unterkante der Decke des 3. OG abgetragen\nund die Decke des 4. OG als Fertigteildecke neu hergestellt. Die\nstraßenseitigen Decken des 1. und 2. OG wurden als Ziegeldecken neu errichtet.\nAb dem 4. OG wurden alle Wande neu eingezogen. In den darunter liegenden\nGeschossen wurden tragende Wande in großem Umfang entfernt und ersetzt.\nAufgrund der umfangreichen Lastumlagerungen durch das Entfernen von Wanden und\ndie hoheren Lasten durch die neuen Massivdecken mussten die Fundamente\numfangreich unterfangen werden. Der Dachstuhl wurde abgerissen und ein\nkomplett neues Dach errichtet. Die straßenseitige Außenwand musste durch\nvorhandene Querwande ausreichend gehalten werden, da eine Halterung durch die\nzerstorten Deckenbalken nicht mehr gegeben war. Somit wurde weitaus mehr als\nnur ein die Nutzungsdauer bestimmendes Gebaudeteil - wie etwa nur der\nDachstuhl - erneuert. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Unerheblich ist dabei, ob die historisch getreue Wiederherstellung der\nGebaude durch die Denkmalschutzbehorden angeordnet worden war. Denn auch bei\neinem Abriss eines historischen Gebaudes und dem originalgetreuen Wiederaufbau\ndieses Gebaudes, quasi als Kopie des alten, handelt es sich um die Errichtung\neines bautechnisch neuen Gebaudes. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| cc) Nachdem angesichts der beschriebenen Baumaßnahmen (Unterfangung des\nFundamentes, Austausch tragender Wande und Decken und Errichtung eines neuen\nDachstuhls) ausreichend Anhaltspunkte dafur bestehen, dass die Altbausubstanz\nauch unter Abzug der typischen Erhaltungsaufwendungen so tiefgreifend\numgestaltet wurde, dass die neu eingefugten Gebaudeteile dem Objekt das\nGeprage gaben und die verwendeten Altteile wertmaßig untergeordnet erscheinen,\nhatte es dem Ast. oblegen, den von ihm geltend gemachten gegenteiligen\nSachverhalt glaubhaft zu machen. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| Dies hat der Ast. versaumt. Er beschrankte sich zur Glaubhaftmachung seines\nVortrags, die Sanierungsmaßnahmen hatten sich auf die Modernisierung und\nnachtragliche Herstellungsarbeiten beschrankt, auf die Vorlage von\nSummenlisten der Baukosten sowie auf die Bezugnahme auf Berechnungen seines\nberatenden Sachverstandigen, ohne die Baurechnungen oder das\nSachverstandigengutachten selbst vorzulegen. Der Senat muss danach einstweilen\ndavon ausgehen, dass die Sanierungsmaßnahmen der Baubeschreibung entsprechen,\nnach der die verwendete Bausubstanz so tiefgreifend umgestaltet wurde, dass\ndie eingefugten Teile dem Gebaude das Geprage gaben. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Dabei kann sich der Ast. nicht darauf berufen, es hatten vom Gericht\nBeweise - etwa die Einholung eines Sachverstandigengutachtens - erhoben werden\nmussen. Im vorliegenden Verfahren des vorlaufigen Rechtsschutzes findet keine\nBeweisaufnahme statt. Vielmehr beschrankt sich die Prufung des Gerichts auf\ndie vorliegenden Beweismittel. Insoweit hat es der Ast. versaumt, die\nentsprechenden Beweismittel zur Glaubhaftmachung vorzulegen. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| dd) Bei summarischer Prufung der vorliegenden Unterlagen ist danach davon\nauszugehen, dass die Sanierung des Gebaudes Mstr. 35 in L zur Herstellung\neines Neubaus fuhrte. Diese Wurdigung widerspricht nicht dem Sinn und Zweck\ndes Fordergebietsgesetzes. Dieses unterscheidet selbst zwischen\nSonderabschreibungen auf Modernisierungskosten und nachtraglichen\nHerstellungskosten einerseits, sowie Sonderabschreibungen fur neu errichtete\nGebaude andererseits. Das Gesetz ordnet nicht an, dass fur ein bautechnisch\nneu errichtetes Gebaude, abweichend von den geltenden Rechtsgrundsatzen, stets\ndie erhohte Sonderabschreibung fur nachtragliche Herstellungs- bzw.\nModernisierungskosten zu gewahren ist. Das Maß der baulichen Sanierung folgt\nvielmehr den bautechnischen Vorgaben sowie der Investitionsentscheidung des\nBautragers, der die Art der anzuwendenden Sonderabschreibung damit selbst in\nder Hand hat (Hessisches Finanzgericht Beschluss vom 20.12.2004 2 V 3169/04,\nDeutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst - DStRE - 2005, 503 f.). \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| Die Berucksichtigung der von dem Ast. geltend gemachten\nErhaltungsaufwendungen - etwa fur den Einsatz neuer Fenster, Turen,\nelektrischer Leitungen usw. - kommt neben der Sonderabschreibung fur die\nHerstellungskosten des Neubaus nicht in Betracht. Bei summarischer Prufung\nstanden die Erhaltungsmaßnahmen in engem raumlichen, zeitlichen und sachlichen\nZusammenhang mit den reinen Herstellungsmaßnahmen (Austausch der Fußboden,\nDecken und Wande, Neuerrichtung des 4. Obergeschosses und des Dachgeschosses,\nAustausch der tragenden Balken) und wurden großteils durch diese bedingt, so\ndass beide in ihrer Gesamtheit eine einheitliche Baumaßnahme bildeten. Die vom\nAst. hierfur getragenen Aufwendungen sind somit insgesamt als\nHerstellungskosten fur den Neubau zu qualifizieren und unterliegen\nausschließlich der Sonderabschreibung nach § 4 FoGbG (FG Baden-Wurttemberg\nUrteil vom 7.12.2004 11 K 271/00, EFG 2005, 856 ff.). \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| e) Hinsichtlich der Bemessungsgrundlage der Sonderabschreibung geht der\nSenat einstweilen von den Teilherstellungskosten aus, die das FA seiner\nBerechnung zugrunde gelegt hat. Diese entsprechen den Angaben des Ast. in\nseinen Einkommensteuererklarungen fur die Streitjahre. Der Ast. hat seinen\nVortrag, es seien hohere Teilherstellungskosten entstanden, nicht glaubhaft\ngemacht. Den zur Glaubhaftmachung vorgelegten Summenlisten sind die im\nEinzelnen abgerechneten Baumaßnahmen nicht zu entnehmen. Sie konnen daher im\nvorliegenden Verfahren nicht berucksichtigt werden. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| f) Die Sonderabschreibung betragt fur das Streitjahr 1996 - wie vom FA\nangenommen - nach § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 a) FoGbG 50 % der entstandenen\nTeilherstellungskosten. Fur das Streitjahr 1997 (sowie fur das vorliegend\nnicht streitige Jahr 1998) belauft sich die Sonderabschreibung nach § 4 Abs. 2\nS. 2 Nr. 1 auf 25 % der entstandenen Teilherstellungskosten, so dass die vom\nFA mit 40 % der Teilherstellungskosten berucksichtigte Sonder-AfA zu Gunsten\ndes Ast. zu hoch angesetzt wurde: \n--- \n| 53 \n--- \n| Bei Investitionen, die wie im vorliegenden Fall nach dem 31. Dezember 1998\nabgeschlossen werden, betragt die Sonderabschreibung, soweit nach dem 31.\nDezember 1996 und vor dem 1. Januar 1999 Teilherstellungskosten entstanden\nsind, 40 % der entstandenen Teilherstellungskosten (§ 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 b)\nFoGbG). Diese Regelung steht jedoch unter dem Vorbehalt des § 4 Abs. 2 S. 2\nFoGbG. Danach tritt bei Baumaßnahmen nach § 3 FoGbG an die Stelle des Satzes\nvon 40 % der Satz von 25 %, soweit die unbeweglichen Wirtschaftsguter\nmindestens funf Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung Wohnzwecken\ndienen. S. 2 gilt nach S. 3 jedoch nicht bei Modernisierungsmaßnahmen oder\nanderen nachtraglichen Herstellungsarbeiten an unbeweglichen Wirtschaftsgutern\nund nicht in den Fallen des § 3 S. 2 Nr. 3 FoGbG. Diese negativen\nTatbestandsvoraussetzungen sind nach dem Ergebnis der summarischen Prufung\nnicht erfullt, da es sich bei der Sanierung wahrscheinlich um die Herstellung\neines Neubaus handelte. Somit gilt § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 FoGbG und belauft\nsich die Sonderabschreibung auf lediglich 25%. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Der Besteuerung hatte danach im VZ 1997 lediglich eine Sonderabschreibung\nin Hohe von 231.378,5 DM (25 % Sonder-AfA aus 925.514 DM) - und im\nunstreitigen VZ 1998 in Hohe von 118.694 DM (25 % Sonder-AfA aus 474.779,31\nDM) - zugrunde gelegt werden durfen. Das FA gewahrte dem Ast. dagegen fur den\nVZ 1997 eine Sonderabschreibung in Hohe von 370.061,68 DM (40 % Sonder-AfA aus\n925.514 DM) und fur den VZ 1998 eine Sonderabschreibung in Hohe von 185.030 DM\n(40 % Sonder-AfA aus 474.779,31 DM). \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| 2\\. Hinsichtlich der weiteren Einwendungen des Ast. kommt - auch unter\nBerucksichtigung der im VZ 1997 in Hohe von 138.683 DM = 370.061,68 DM ./.\n231.378,5 DM zu hoch gewahrten Sonder-AfA - eine uber die Aussetzungsverfugung\ndes FA vom 10.3.2005 hinausgehende gerichtliche AdV nicht in Betracht: \n--- \n--- \n| 56 \n--- \n| a) Entgegen dem Vorbringen des Ast. hat das FA bezuglich des Objekts in R.\nin seiner Aussetzungsverfugung vom 10.3.2005 die geltend gemachte jahrliche\nAbschreibung in Hohe von 76.340 DM und die Sonderabschreibung in Hohe von\ninsgesamt 42.415 DM bereits in vollem Umfang berucksichtigt. Lediglich fur das\nJahr 1996 hat das FA nicht den von dem Ast. beantragten vollen AfA-Betrag,\nsondern lediglich 1/12 der Jahres-AfA anerkannt, da das Gebaude erst im\nDezember 1996 bezugsfertig geworden war. Dies entspricht dem Grundsatz, dass\ndie Bemessungsgrundlage zeitanteilig auf den gesamten Abschreibungszeitraum zu\nverteilen ist und in einem Kalenderjahr Abschreibungen nur fur so viele Monate\nvorgenommen werden durfen, wie das Wirtschaftsgut zur Einkunftserzielung\nverwendet wird. Dies war im Jahr 1996 lediglich ein Monat. \n--- \n--- \n| 57 \n--- \n| Die Frage, ob die vom Ast. daruber hinaus geltend gemachten\nAbwasserbeitrage in Hohe von 6.428,19 DM und die nachtraglich geltend\ngemachten Werbungskosten in Hohe von 952 DM zu einer Verminderung der\nBesteuerungsgrundlagen fuhren, kann offen bleiben, da insoweit eine Saldierung\nmit der in Hohe von 138.683 DM zu hoch gewahrten Sonderabschreibung fur das\nObjekt in L erfolgen musste. \n--- \n| 58 \n--- \n| b) Gleiches gilt fur die Einwendungen des Ast. gegen die Hohe der vom FA\nder Besteuerung zugrunde gelegten Einkunfte aus selbstandiger Arbeit\n(zusatzlich zu berucksichtigende Werbungskosten 1996: 389 DM, 1997: 1.040 DM,\n1998 bis 2001 jeweils jahrlich 87,50 DM) und die Hohe der Zinsen zur\nEinkommensteuer 1994 (11.826 DM = 6.034.27 EUR). \n--- \n--- \n| 59 \n--- \n| 3\\. Grunde dafur, dass die Vollziehung fur den Ast. eine unbillige, nicht\ndurch uberwiegende offentliche Interessen gebotene Harte zur Folge hatte,\nwurden weder vorgetragen noch sind diese aus den Akten ersichtlich. \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| 4\\. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung\n- FGO-. \n--- \n--- \n| 61 \n--- \n| 5\\. Die Beschwerde war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen der\nnach § 128 Abs. 3 S. 2 FGO entsprechend anwendbaren Regelung des § 115 Abs. 3\nFGO erfullt ist. \n---\n\n
142,565
vghbw-2006-10-23-13-s-194306
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
13 S 1943/06
2006-10-23
2019-01-09 09:14:21
2019-01-17 12:02:43
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag des Antragstellers, ihm fur eine noch einzulegende Beschwerde gegen\nden die Gewahrung vorlaufigen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des\nVerwaltungsgerichts Stuttgart vom 25. Juli 2006 - 5 K 1618/06\n-Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt ... Stuttgart, beizuordnen,\nwird abgelehnt.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Nach § 114 ZPO, der gemaß § 166 VwGO im verwaltungsgerichtlichen Verfahren\nentsprechende Anwendung findet, erhalt eine Partei, die nach ihren\npersonlichen und wirtschaftlichen Verhaltnissen die Kosten der Prozessfuhrung\nnicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag\nProzesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder\nRechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig\nerscheint. Unter den gleichen Voraussetzungen erfolgt nach Maßgabe des § 121\nAbs. 2 Satz 1 ZPO die Beiordnung eines Rechtsanwalts. \n--- \n| 2 \n--- \n| Nach standiger Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte und auch des\nBundesverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 5.2.2003 - 1 BvR 1526/02 -, NJW\n2003, 1857) ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, die Gewahrung von\nProzesskostenhilfe davon abhangig zu machen, dass die beabsichtigte\nRechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat\nund nicht mutwillig erscheint. Die Fachgerichte unterschreiten den\nEntscheidungsspielraum, der ihnen bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals\n„hinreichende Erfolgsaussicht" zukommt, wenn sie die Anforderungen an die\nErfolgsaussicht uberspannen und dadurch den Zweck der Prozesskostenhilfe, dem\nUnbemittelten den weitgehend gleichen Zugang wie dem Bemittelten zum Gericht\nzu ermoglichen, deutlich verfehlen. Daher reicht es aus, wenn sich die\nErfolgsaussicht des Rechtsmittels aus tatsachlichen oder aus rechtlichen\nGrunden als offen darstellt. Weder durfen Beweiswurdigungen vorgenommen werden\nnoch sollen schwierige Rechtsfragen geklart werden, die in vertretbarer Weise\nauch anders beantwortet werden konnen. Denn die Prufung der Erfolgsaussicht\nsoll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in\ndas Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern. Hinreichende\nErfolgsaussicht ist damit regelmaßig dann anzunehmen, wenn im\nRechtsmittelverfahren eine dem Rechtsmittelfuhrer gunstige Entscheidung bei\nuberschlagiger Prufung nach Lage der Akten ernsthaft in Betracht kommt (vgl.\nBVerfG, Beschluss vom 14.4.2003 - 1 BvR 1998/02 -, NJW 2003, 2976 und\nBeschluss vom 14.6.2006 - 2 BvR 626/06 -, InfAuslR 2006, 377) . \n--- \n| 3 \n--- \n| Gemessen hieran konnen im Fall des Antragstellers hinreichende\nErfolgsaussichten fur die von ihm gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts\nStuttgart vom 25.7.2006 beabsichtigte Beschwerde, mit der er die Verpflichtung\nder Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung erreichen will, ihm\ndie Aufnahme der Beschaftigung bei der ... Stuttgart, ... vorlaufig zu\nerlauben, nicht bejaht werden. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die hinreichende Erfolgsaussicht fehlt allerdings nicht schon deshalb, weil\ndie noch einzulegende Beschwerde und deren Begrundung durch einen Rechtsanwalt\nverspatet ware. Denn insoweit ware dem Antragsteller gemaß § 60 Abs. 2 VwGO\nWiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewahren. In Fallen, in denen ein\nRechtsmittel nur unter Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts eingelegt werden\nkann, hat der mittellose Beteiligte, der ein solches Rechtsmittel einlegt,\nAnspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn er - wie der\nAntragsteller - bis zum Ablauf der Rechtsmittelfrist ein\nProzesskostenhilfegesuch eingereicht hat, uber das erst nach Ablauf der Frist\nentschieden wird (vgl. VGH Bad.-Wurtt., Beschluss vom 5.5.1997 - 6 S 708/97 -,\nVBlBW 1997, 381 und Hess. VGH, Beschluss vom 27.5.1997 - 13 UZ 1213/97 -, NVwZ\n1998, 203). \n--- \n| 5 \n--- \n| Die hinreichende Erfolgsaussicht fehlt auch nicht deshalb, weil - wovon das\nVerwaltungsgericht ausgegangen ist (vgl. insoweit auch seinen Beschluss vom\n6.4.2006 - 5 K 477/06 -) - vorlaufiger Rechtsschutz bezuglich der vom\nAntragsteller angestrebten sofortigen Ermoglichung der Aufnahme einer\nBeschaftigung bei der ... in Stuttgart im Hinblick auf die in § 123 Abs. 5\nVwGO getroffene Regelung nur im Wege eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO\ngewahrt werden durfte, der auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtete\nAntrag des Antragstellers mithin nicht statthaft ware. Vorlaufiger\nRechtsschutz, wie ihn der Antragsteller zur vorlaufigen Gestattung einer\nunselbstandigen Erwerbstatigkeit begehrt, kann in seinem Fall namlich entgegen\nder vom Verwaltungsgericht vertretenen Ansicht nur durch Erlass einer\neinstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO gewahrt werden. Dies ergibt sich aus\nfolgenden Erwagungen: \n--- \n| 6 \n--- \n| § 80 VwGO dient dem vorlaufigen Rechtsschutz des Burgers grundsatzlich in\nallen Fallen, in denen in den entsprechenden Hauptsacheverfahren fur den\nRechtsschutz die Anfechtungsklage gegeben ist und dem Rechtsschutzinteresse\ndurch die Aussetzung der Vollziehung eines belastenden Verwaltungsakts bzw.\ndie Ruckgangigmachung einer bereits stattgefundenen Vollziehung Genuge getan\nwird. Besonderheiten gelten, wenn die Ablehnung eines beantragten\nVerwaltungsakts uber sie hinausreichende Belastungswirkung entfaltet, d.h. die\nAblehnung die Rechtsposition des Antragstellers verschlechtert, dieser etwa\ndamit zugleich eine bereits bestehende Rechtsstellung verliert. Dies ist, wie\ndas Verwaltungsgericht zu Recht gesehen hat, u.a. im Auslanderrecht der Fall.\nWird die Erteilung oder Verlangerung eines Aufenthaltstitels versagt, verliert\nder Betroffene ein fiktives Verweilrecht in der Bundesrepublik Deutschland,\ndas seine Antragstellung unter bestimmten Voraussetzungen begrundet hat (vgl.\n§ 81 Abs. 3 und 4 AufenthG). Vorlaufiger Rechtsschutz ist in solchen Fallen\ngrundsatzlich nach § 80 Abs. 5 VwGO zu suchen, wegen des Wegfalls der\naufschiebenden Wirkung von Rechtsbehelfen nach § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG im\nWege eines Antrags nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz VwGO (vgl. Beschluss\ndes Senats vom 8.2.2006 - 13 S 18/06 -, ZAR 2006, 112 und Funke-Kaiser, GK-\nAufenthG, § 81 Rn 56, 72). Von dieser Rechtsschutzmoglichkeit hat der\nAntragsteller, der Staatsangehoriger der Vereinigten Staaten von Amerika ist,\nvisumsfrei in das Bundesgebiet einreisen, sich dort aufhalten und einen\nerforderlichen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet einholen kann (vgl. § 41 Abs.\n1 Aufenthaltsverordnung - AufenthV - vom 25.1.2004, BGBl. I S. 2945), auch\nGebrauch gemacht. Auf seinen Antrag vom 11.1.2006 hat das Verwaltungsgericht\nmit Beschluss vom 6.4.2006 - 5 K 477/06 - die aufschiebende Wirkung seines\nWiderspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16.12.2005 angeordnet,\nmit dem diese seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu\nErwerbszwecken abgelehnt und ihm die Abschiebung in die Vereinigten Staaten\nvon Amerika angedroht hat. Diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts hat\njedoch lediglich zur Folge, dass der weitere Verbleib des Antragstellers in\nder Bundesrepublik Deutschland einstweilen gesichert ist (vgl. § 80b Abs. 1\nVwGO); denn die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung des\nWiderspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom\n16.12.2005 fuhrte lediglich zum Wegfall der Vollziehbarkeit der\nAusreisepflicht (vgl. Funke-Kaiser, a.a.O., § 81 AufenthG Rn 72; Renner,\nAuslR, 8. Aufl., § 81 AufenthG Rn 33; Beschluss des Senats vom 3.5.2006 - 13 S\n2412/05 -), verlieh ihm jedoch nicht das Recht zur Aufnahme einer\nErwerbstatigkeit. Auf § 84 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, der wahrend der Frist zur\nErhebung von Widerspruch und Klage und wahrend eines etwaigen\nverwaltungsgerichtlichen (Eil)Verfahrens den Fortbestand eines\nAufenthaltstitels im Interesse des Auslanders zum Zwecke der Erwerbstatigkeit\nfingiert, kann sich der Antragsteller, wie zwischen den Beteiligten unstreitig\nist, nicht berufen, da er bislang nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels war,\nder ihm die Aufnahme einer Erwerbstatigkeit gestattet hat (vgl. Funke-Kaiser,\na.a.O., § 84 AufenthG, Rn 29 und 30). Zur Gewahrleistung des in Art. 19 Abs. 4\nGG verburgten effektiven Rechtsschutzes halt es der Senat daher fur angezeigt,\ndass ein Auslander, der erstmalig einen zur Erwerbstatigkeitsaufnahme\nberechtigenden Aufenthaltstitel anstrebt, dessen Antragstellung bei der\nAuslanderbehorde jedoch wie vorliegend das gesetzliche Aufenthaltsrecht nach §\n81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ausgelost hat, neben dem nach Ablehnung seines\nAntrags - nur - seinen einstweiligen Verbleib im Bundesgebiet sichernden\nAntrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 1. Halbsatz VwGO zur einstweiligen Gestattung\nder Aufnahme einer Erwerbstatigkeit zusatzlich auch noch den vorlaufigen\nRechtsschutz nach § 123 VwGO fur sich in Anspruch nehmen konnen muss. Gleiches\nmuss auch fur die Falle gelten, in denen ein Antrag eines Auslanders auf\nErteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke einer Erwerbstatigkeit die\nFortgeltungsfiktion nach § 81 Abs. 4 AufenthG bzw. die gesetzliche Aussetzung\nder Abschiebung nach § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG ausgelost hat, dem Auslander\neine Erwerbstatigkeit bzw. die angestrebte konkrete Erwerbstatigkeit bislang\njedoch nicht gestattet war. Denn in all diesen Fallen bewirkt die\naufschiebende Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage gegen den die Erteilung\neines Aufenthaltstitels zu Erwerbstatigkeitszwecken ablehnenden Bescheid der\nAuslanderbehorde fur den Betroffenen bis zur Entscheidung in der Hauptsache\nkeinen ausreichenden effektiven Rechtsschutz im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG.\nEs muss daher in diesen Fallen Rechtsschutz nach den §§ 80 ff. und nach § 123\nVwGO gewahrt werden. Mit der Systematik des Aufenthaltsgesetzes, insbesondere\naber mit den in den §§ 81 und 84 AufenthG getroffenen Regelungen lasst sich\ndies ohne weiteres vereinbaren, da es in diesen Fallen - jedenfalls was die\nAufnahme einer Erwerbstatigkeit angeht - um keine Rechtsposition geht, die dem\nbetroffenen Auslander durch den Ablehnungsbescheid der Auslanderbehorde\ngenommen worden ist und die im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80\nAbs. 5 VwGO gesichert werden konnte. Letztlich wird in all diesen Fallen von\ndem betroffenen Auslander eine - wenn auch nur vorlaufige - Erweiterung des\nRechtskreises angestrebt, so dass auch der in § 123 Abs. 5 VwGO verankerte\nVorrang des Verfahrens nach den §§ 80 (Abs. 5) ff. VwGO der Statthaftigkeit\neines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO nicht\nentgegensteht (so im Ergebnis auch Funke-Kaiser, a.a.O., § 4 AufenthG Rn 141;\nHailbronner, AuslR, Stand Juni 2006, § 39 AufenthG Rn 86 und Marx, ZAR 2005,\n48, 51). Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang, dass mit § 84 Abs. 2 Satz 2\nAufenthG eine gesetzliche Regelung vorhanden ist, die unter der Voraussetzung,\ndass mit der Stellung eines Antrags auf Verlangerung einer\nAufenthaltserlaubnis der Eintritt der Fortgeltungsfiktion nach § 81 Abs. 4\nAufenthG verbunden war, die Fortgeltungsfiktion uber die ablehnende\nEntscheidung hinaus erstreckt mit der Folge, dass die Betroffenen eine nach\ndem fruheren Titel zulassige Erwerbstatigkeit in erlaubter Weise weiter\nwahrend der Rechtsbehelfsfristen ausuben durfen und vorlaufiger Rechtsschutz\nallein im Wege eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO erreicht werden kann.\nDenn diese Vorschrift ist ersichtlich - unter anderem auch - im Interesse\nderjenigen Auslander ergangen, die - anders als der Antragsteller - bereits\nuber eine schutzenswerte aufenthaltsrechtliche Position verfugt haben. Es ist\ndaher nicht gerechtfertigt, ihr den Charakter einer abschließenden Regelung in\ndem Sinne beizumessen, dass vorlaufiger Rechtsschutz nach § 123 VwGO nicht in\nBetracht kommen kann, soweit neben der vorlaufigen Sicherung des Aufenthalts\nauch die Aufnahme einer Erwerbstatigkeit im Wege des vorlaufigen\nRechtsschutzes erstrebt wird. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die vom Antragsteller beabsichtigte Beschwerde hat jedoch deshalb keine\nhinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 ZPO, weil der\nAntragsteller auch bei Berucksichtigung seines Vorbringens in diesem Verfahren\nden fur den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erforderlichen\nAnordnungsanspruch (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 1. Alt. ZPO)\nnicht glaubhaft gemacht hat und auch nichts dafur ersichtlich ist, dass ihm\ndies in dem angestrebten Beschwerdeverfahren gelingen konnte. Hierzu bedurfte\nes der Glaubhaftmachung hinreichender Anhaltspunkte dafur, dass die\nAblehnungsentscheidung der Antragsgegnerin vom 16.12.2005 in der Fassung des\nWiderspruchsbescheids des Regierungsprasidiums Stuttgart vom 20.9.2006\nrechtswidrig ist und ihm mit uberwiegender Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf\nErteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der angestrebten\nErwerbstatigkeit zusteht. Hieran fehlt es jedoch. \n--- \n| 8 \n--- \n| Nach der Neuregelung des Zugangs von Auslandern zum Arbeitsmarkt durch das\nZuwanderungsgesetz vom 30.7.2004 (BGBl. I S. 1950) muss sich die Erlaubnis zur\nAusubung einer Beschaftigung grundsatzlich unmittelbar aus dem\nAufenthaltstitel oder (etwa bei geduldeten Auslandern) sonstigen\nauslanderrechtlichen Bescheinigung - positiv - ergeben und muss die Erlaubnis\nfur den potentiellen Arbeitgeber eindeutig erkennbar sein (vgl. § 4 Abs. 2 und\n3 AufenthG). Auslander durfen eine Beschaftigung mithin nur ausuben, wenn der\nAufenthaltstitel es erlaubt (§ 4 Abs. 3 Satz 1 AufenthG). Nach § 18 Abs. 2\nAufenthG kann einem Auslander ein Aufenthaltstitel zur Ausubung einer\nBeschaftigung erteilt werden, wenn die Bundesagentur fur Arbeit nach § 39\nAufenthG zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung nach § 42 AufenthG oder\ndurch zwischenstaatliche Vereinbarungen bestimmt ist, dass die Ausubung der\nBeschaftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur fur Arbeit zulassig ist. Gemaß\n§ 18 Abs. 3 AufenthG darf eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausubung einer\nBeschaftigung nach § 18 Abs. 2 AufenthG, die - wie die vom Antragsteller\nbeabsichtigte Tatigkeit als ungelernter Fliesen-/Plattenleger - keine\nqualifizierte Berufsausbildung voraussetzt, nur dann erteilt werden, wenn dies\ndurch zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist (1. Alt.) oder wenn\naufgrund einer Rechtsverordnung nach § 42 AufenthG die Erteilung der\nZustimmung zu einer Aufenthaltserlaubnis fur diese Beschaftigung zulassig ist\n(2. Alt). Diese Regelungen bewirken eine Integration des\nArbeitserlaubnisverfahrens in das auslanderbehordliche Verfahren.\nBeschaftigungserlaubnisse werden nicht mehr wie Arbeitserlaubnisse alten\nRechts von der beigeladenen Bundesagentur fur Arbeit, sondern (konzentriert)\nnur noch von den Auslanderbehorden - mit Zustimmung der Beigeladenen - erteilt\n(vgl. hierzu VGH Bad.-Wurtt. Beschluss vom 12.10.2005 - 11 S 1011/05 -, VBlBW\n2006, 113 sowie Funke/Kaiser, a.a.O. § 4 AufenthG Rn 59 f.). In der Sache\nbedeutet dies, dass die Erlaubnis zur Ausubung einer Beschaftigung mit der\nVerpflichtungsklage gegen die Auslanderbehorde zu erstreiten ist bzw.\nvorlaufiger Rechtsschutz durch Erlass einer einstweiligen Anordnung gewahrt\nwerden kann, sofern nicht der Ausnahmefall des § 84 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG\nvorliegt. Die fehlende Zustimmung der Beigeladen wird gegebenenfalls durch die\ngerichtliche Verpflichtung der Auslanderbehorde zur Erteilung der begehrten\nErlaubnis ersetzt (vgl. Funke/Kaiser, a.a.O. § 4 AufenthG Rn 130 und 133). \n--- \n| 9 \n--- \n| Vorliegend hat die Beigeladene die Zustimmung zu der vom Antragsteller\nangestrebten Beschaftigung mit Schreiben vom 27.10.2005 an die Antragsgegnerin\ngemaß § 39 Abs. 2 AufenthG mit der Begrundung versagt, fur die Stelle als\nungelernter Fliesen-/Plattenleger stunden bevorrechtigte Arbeitnehmer zur\nVerfugung. In einem weiteren Schreiben an die Antragsgegnerin vom 23.1.2006\nhat die Beigeladene noch zusatzlich ausgefuhrt, die Vorrangprufung fur die vom\nAntragsteller beantragte Tatigkeit habe allein fur den Agenturbezirk der\nArbeitsagentur Stuttgart 220 bevorrechtigte Arbeitnehmer ergeben. Dies hat der\nAntragsteller letztlich nicht in Abrede gestellt. Er vertritt jedoch die\nAnsicht, dass er als Staatsburger der Vereinigten Staaten von Amerika bereits\naufgrund des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags zwischen der\nBundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (im\nfolgenden: FHSV) vom 29.10.1954 (BGBl. 1956 II S. 487) einen Anspruch auf\nErteilung der Zustimmung der Beigeladenen zu der von ihm angestrebten Aufnahme\neiner unselbstandigen Erwerbstatigkeit habe und dass diese uberdies gemaß § 34\nBeschaftigungsverordnung - BeschV - vom 22.11.2004 (BGBl. I S. 2937 ) ohnehin\nnicht von einer Arbeitsmarktprufung nach § 39 Abs. 2 AufenthG abhangig gemacht\nwerden durfe. \n--- \n| 10 \n--- \n| Dem vermag der Senat nach der im Verfahren des vorlaufigen Rechtsschutzes\ngebotenen und auch nur moglichen summarischen Prufung der Rechts- und Sachlage\nnicht zu folgen. Hierbei kann offen bleiben, ob der FHSV uberhaupt einzelnen\nPersonen ein subjektiv-offentliches Recht gewahrt (vgl. OVG Nordrhein-\nWestfalen, Urteil vom 30.9.2004 - 14 A 1937/99 - juris und - zweifelnd\nhinsichtlich der in Art. VII Abs. 4 FHSV geregelten Meistbegunstigungsklausel\n- BVerwG, Beschluss vom 5.4.2005 - 6 B 2/05 -, juris). Denn unabhangig hiervon\nlasst sich den Vorschriften des FHSV, insbesondere aber aus dessen Art. VII\nAbs. 1 bzw. Art. III Abs. 1 Satz 3, nicht entnehmen, dass der Antragsteller\neinen Anspruch auf Zustimmung der Beigeladenen zur angestrebten\nunselbstandigen Erwerbstatigkeit ohne Vorrangprufung im Sinne des § 39 Abs. 2\nAufenthG hatte. Dagegen spricht bereits Art. II Abs. 1 Satz 1 FHSV, nach dem\ndie Staatsangehorigen eines Vertragsteils (nur) nach Maßgabe der Gesetze uber\ndie Einreise und den Aufenthalt von Auslandern das Gebiet des anderen\nVertragsteils betreten, darin frei reisen und an Orten ihrer Wahl wohnen\ndurfen. Damit haben die Vertragsparteien, soweit der Vertrag nichts\nAbweichendes bestimmt, u.a. ihr jeweils geltendes nationales Aufenthaltsrecht\nvorbehalten und zugleich den Staatsangehorigen des Vertragspartners einen\nAnspruch - soweit dieser nicht ohnehin besteht - darauf eingeraumt, dass uber\neinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach diesem Recht\nentschieden wird, was aus dem bloßen Vorhandensein des nationalen\nAufenthaltsrechts nicht ohne weiteres folgt. Der Vorbehalt gilt mangels\nanderweitiger Anhaltspunkte fur das formelle und materielle Aufenthaltsrecht.\nDem Vertrag ist nichts dafur zu entnehmen, dass ohne diesen Vorbehalt das\nformelle Aufenthaltsrecht fur die Staatsangehorigen des jeweils anderen\nVertragsstaates ganz oder teilweise abgeandert werden sollte. Die wirkliche\nBedeutung des Vorbehalts liegt daher in seiner Bezugnahme auf das jeweilige\nmaterielle Aufenthaltsrecht der Vertragsstaaten. Die Rechte aus Art. VII Abs.\n1 FHSV (Inlanderbehandlung) und Art. VII Abs. 4 FHSV (Meistbegunstigung) kann\nein Staatsburger der Vereinigten Staaten von Amerika daher nur beanspruchen\nwenn er sich bereits erlaubt zu einem der dort genannten Zwecke im\nBundesgebiet aufhalt. Mit anderen Worten: Neu einreisende Staatsburger der\nVereinigten Staaten von Amerika unterfallen grundsatzlich den Regelungen der\n§§ 4 und 18 AufenthG (vgl. Kloesel/Christ/Haußer, Deutsches Aufenthalts- und\nAuslanderrecht, Bd. 3, Nr. 432 Art. 2 Rn 1 und Art. 7 Rn 1). Einen Anspruch\nauf Erteilung eines die unselbstandige Tatigkeit als Fliesen-/Plattenleger\nerlaubenden Aufenthaltstitels kann der Antragsteller mithin unmittelbar aus\nArt. 7 Abs. 1 bzw. Abs. 4 FHSV nicht herleiten. \n--- \n| 11 \n--- \n| Gleiches gilt im ubrigen auch fur Art. III Abs. 1 Satz 4 FHSV. Dies ergibt\nsich jedoch bereits daraus, dass sich der mit dieser Vertragsbestimmung\nzugesagte Schutz lediglich auf Gefahren, denen Auslander wie Inlander auf dem\nGebiet des Vertragsstaates ausgesetzt sein konnen, bezieht, nicht jedoch auf\ndie Gestattung der Aufnahme einer selbstandigen oder unselbstandigen\nErwerbstatigkeit. \n--- \n| 12 \n--- \n| Auch § 34 BeschV gewahrt dem Antragsteller keinen Anspruch auf Zustimmung\nder Beigeladenen zu einem Aufenthaltstitel zur Ausubung einer Beschaftigung\nohne Arbeitsmarkt- bzw. Vorrangprufung im Sinne von § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a\nund b AufenthG. Nach § 34 BeschV kann u.a. Staatsangehorigen der Vereinigten\nStaaten von Amerika die Zustimmung zu einem Aufenthaltstitel zur Ausubung\neiner Beschaftigung erteilt werden. Diese Vorschrift befreit jedoch nur vom\nauch nach Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes weiter geltenden (vgl.\ninsoweit Feldgen, ZAR 2006, 168, 173 und Eicher/Schlegel, Arbeitsforderung,\nAnl. 3 zu § 284 SGB III Rn 1) Anwerbestopp, enthalt jedoch keine Ausnahme vom\nErfordernis der in § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a und b AufenthG grundsatzlich\nvorgesehenen Arbeitsmarkt- und Vorrangprufung. Dies macht bereits der Wortlaut\ndes § 1 BeschV deutlich, entspricht aber auch der Intention des\nVerordnungsgebers. Denn in der Begrundung zu § 34 BeschV (vgl.\nBundesratsdrucksache 727/04 vom 23.9.2004) heißt es ausdrucklich: Die\nVorschrift bestimmt, dass die Staatsangehorigen der genannten Staaten -\nvorbehaltlich des Arbeitsmarktvorrangs bevorrechtigter Bewerber - entsprechend\nder bisherigen Regelung des § 9 ASAV auch weiterhin zu grundsatzlich jeder\nBeschaftigung im Bundesgebiet zugelassen werden konnen. Insoweit ist noch\nanzumerken, dass auch zu Vorlaufernorm des § 34 BeschV, namlich der in § 9\nASAV getroffenen Regelung, uberwiegend die Ansicht vertreten wurde, dass die\ndadurch geregelte Ausnahme nur vom Anwerbestopp und dem Verbot des § 285 Abs.\n3 SGB III befreite, jedoch im Grundsatz der Arbeitsmarktvorbehalt aus § 285\nAbs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 SGB III weiterhin zu beachten war (vgl.\nRademacker in Hauck/Noftz, SGB III, § 285 Rn 89; Bieback in Gagel, SGB III,\nStand 2000, § 285 Rn 110 bis 112; Renner, AuslR in Deutschland, § 33 Rn 84;\nSpellbrink/Eicher, a.a.O., und Niebel, SGB III, 2. Aufl., § 285 Rn 32 f.).\nDiesem Verstandnis des § 34 BeschV mit dem Erfordernis der Arbeitsmarkt- und\nVorrangprufung nach § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a und b AufenthG stehen auch die\nBestimmungen des FHSV nicht entgegen. Dies macht auch Ziff. 8 des Protokolls\nzu diesem Vertrag deutlich; denn hiernach lassen die Bestimmungen des Art. VII\nAbs. 1 FHSV das Recht jedes Vertragsteils unberuhrt, fur auslandische\nArbeitnehmer innerhalb seines Gebiets das Erfordernis von Arbeitsgenehmigungen\nvorzusehen. Dies beinhaltet aber auch das Recht der Vertragspartner, die\nErteilung der Arbeitserlaubnis bzw. der nunmehr nach § 39 AufenthG\nvorgesehenen Zustimmung der Bundesagentur fur Arbeit zu einem die Ausubung\neiner Beschaftigung erlaubenden Aufenthaltstitel - wie in § 39 Abs. 2 Satz 1\nNr. 1a und b geschehen - von arbeitsmarkpolitischen Erwagungen und\nentsprechenden rechtlichen Voraussetzungen abhangig zu machen. \n--- \n| 13 \n--- \n| Hiernach spricht keine uberwiegende Wahrscheinlichkeit dafur, dass die\nBundesagentur fur Arbeit die Zustimmung zu der vom Antragsteller\nbeabsichtigten Erwerbstatigkeit als Fliesenleger/Plattenleger zu Unrecht\nverweigert hat. Denn eine positive Entscheidung der Bundesagentur fur Arbeit\nist in § 39 Abs. 2 AufenthG u.a. daran geknupft, dass bevorrechtigte\nArbeitnehmer fur den in Betracht kommenden Arbeitsplatz nicht zur Verfugung\nstehen (vgl. § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1b AufenthG). \n--- \n| 14 \n--- \n| Dem Antragsteller war hiernach die begehrte Prozesskostenhilfe fur die von\nihm beabsichtigte Beschwerde zu versagen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 152 Abs. 1 VwGO). \n---\n\n
142,690
olgstut-2006-11-20-19-w-6206-19-w-63
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
19 W 62/06; 19 W 63/06
2006-11-20
2019-01-09 09:15:43
2019-02-12 13:11:00
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts\nHechingen vom 31.08.2006 (AZ: 2 O 140/06) wird\n\n**als unzul assig verworfen.**\n\n2\\. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des\nLandgerichts Hechingen vom 04.08.2006 (AZ: 2 O 140/06) wird\n\n**zur uckgewiesen.**\n\n3\\. Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten zu tragen; außergerichtliche\nAuslagen werden nicht erstattet.\n\n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Bei dem Beschluss des Landgerichts Hechingen vom 31.08.2006 handelt es sich\num einen Vorlagebeschluss, der keine eigene Beschwer enthalt. Den Streitwert\nvon 4.000,00 EUR hatte das Landgericht bereits in seinem Beschluss vom\n04.08.2006 festgesetzt. Diese Wertfestsetzung ist im Rahmen des\nBeschwerdeverfahrens uber die Versagung von Prozesskostenhilfe zu prufen (vgl.\nnachstehend Ziff. II). \n--- \n**II.** \n--- \n| 2 \n--- \n| Die sofortige Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe ist\nzulassig, aber nicht begrundet, da die beabsichtigte Rechtsverfolgung, soweit\nsie Aussicht auf Erfolg bietet, nicht der landgerichtlichen Zustandigkeit\nunterfallt. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| 1\\. Fur den im Wege der Stufenklage (§ 254 ZPO) geltend gemachten Anspruch\nauf Auskunft betrug die Verjahrungsfrist gemaß § 195 BGB a. F. 30 Jahre;\ngleiches gilt gemaß § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB n. F. (vgl. dazu BGHZ 108, 393,\n399; MunchKomm/Frank, BGB, 3. Aufl., § 2314 Rn. 24; MunchKomm/Lange, BGB, 4.\nAufl., § 2314 Rn. 24). \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| 2\\. Hingegen verjahren die Anspruche auf den Pflichtteil\n(Pflichtteilsanspruch sowie Pflichtteilserganzungsanspruch) nach § 2332 Abs. 1\nBGB in drei Jahren. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| 3\\. Ist hinsichtlich des Hauptanspruches die Verjahrungseinrede erhoben\nworden, kann der Auskunftsanspruch dann nicht weiter verfolgt werden, wenn der\nPflichtteilsberechtigte kein objektives Informationsbedurfnis nachweisen kann\n(BGH NJW 1985, 384; BGHZ 108, 393, 399; MunchKomm/Lange, a.a.O., § 2314 Rn.\n24). \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| 4\\. Bezuglich des Pflichtteilsanspruchs sind die Verjahrungsvoraussetzungen\nanzunehmen. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| a) Kenntnis vom Tod ihrer Mutter, der Erblasserin M. A., am 11.05.1987 hatte\ndie Antragstellerin alsbald. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| b) Es ist auch davon auszugehen, dass die Antragstellerin kurz nach dem\n19.08.1987 von der weiterhin gultigen Enterbung gemaß dem gemeinschaftlichen\nTestament ihrer Eltern vom 10.06.1975 erfahren hat, da ihr das Testament durch\nSchreiben des Notariats M... vom 19.08.1987, wie sich aus der Nachlassakte des\nNotariats M... betreffend M.A. (AZ: GR N 212/87) sowie dem von dem\nAntragsgegner vorgelegten vollstandigen Übersendungsschreibens (Anl. B 2.1 - B\n2.6 = Bl. 35 - 40 d. A.) ergibt, ubersandt worden ist. \n--- \n| 9 \n--- \n| Soweit die Antragstellerin beinahe 20 Jahre spater den Zugang dieses\nSchreibens bestreitet, ist dies erkennbar unwahres Vorbringen und hat deshalb\ngemaß § 138 ZPO i.V.m. § 286 ZPO unberucksichtigt zu bleiben (vgl.\nZoller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 138 Rn. 7). Die Antragstellerin vermag\nnamlich keinerlei Erklarungen abzugeben, weshalb der vom Notariat M... am\n19.08.1987 abgesandte Benachrichtigungsbrief (vgl. Ab-Vermerk Bl. 5 der\nNachlassakte) nicht bei ihr eingegangen sein soll, nachdem ein - bereits wenig\nwahrscheinlicher - Verlust durch die Post ausgeschlossen ist, nachdem der\nBenachrichtigungsbrief im Original dem Antragsgegner vorliegt. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| 5\\. Hingegen kann bezuglich eines moglichen Pflichtteilserganzungsanspruches\nnicht von einer Verjahrung ausgegangen werden. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| a) Bei dem Pflichtteilerganzungsanspruch handelt es sich um einen\nselbstandigen Anspruch, der unabhangig vom Pflichtteilsanspruch entsteht (BGH\nNJW 1973, 995; BGHZ 103, 333, 337; MunchKomm/Lange, a.a.O., § 2325 Rn. 4). \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| b) Die Verjahrungsfrist fur den Pflichtteilserganzungsanspruch, wenn der\nPflichtteilsberechtigte sowohl durch eine Verfugung unter Lebenden als auch\neine Schenkung von Todes wegen beeintrachtigt worden ist, beginnt erst zu\nlaufen, wenn er sowohl von der Verfugung von Todes wegen, als auch von der\nSchenkung Kenntnis erlangt hat (BGHZ 103, 333, 337; BGH NJW 1995, 1157, 1158;\nMunchKomm/Lange, a.a.O., § 2332 Rn. 8). \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| c) Der Antragsgegner hat nicht behauptet, die Antragstellerin habe bei\nEinreichung des Prozesskostenhilfeantrags bereits langer als drei Jahre von\nsie beeintrachtigenden Schenkungen der Erblasserin gewusst. Er hat sich nur\npauschal auf Verjahrung berufen und dabei auf die Kenntnis der Antragstellerin\nvom Inhalt der letztwilligen Verfugung abgehoben. Der Antragstellerin geht es\nmit ihrem Auskunftsbegehren auch darum, zu erfahren, ob solche dem\nPflichtteilserganzungsanspruch unterfallenden Schenkungen erfolgt sind, also\ndie erforderlichen Informationen zu erlangen, auch wenn ihr diesbezuglicher\nAntrag zu weit gefasst ist (vgl. auch BGH NJW 1995, 1157, 1158). \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| 6\\. Allerdings ist nach dem bisherigen Sachvortrag der Antragstellerin davon\nauszugehen, dass fur den Erfolg versprechenden Teil der beabsichtigten Klage\nkeine Zustandigkeit des Landgerichts gegeben ist (vgl. Zoller/Philippi,\na.a.O., § 114 Rn. 22 a). \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Zwar kommt es bezuglich des Zustandigkeitsstreitwertes gemaß § 5 ZPO zu\neiner Zusammenrechnung von Leistungs- und Vorbereitungsanspruch\n(Zoller/Herget, a.a.O., § 3 Rn. 16 Rubrik Stufenklage; Thomas/Putzo/Hußtege,\nZPO, 27. Aufl., § 3 Rn. 141), wobei es bezuglich des Leistungsbegehrens auf\ndie Vorstellung des Antragstellers zu Beginn des Prozesses ankommt\n(Zoller/Herget, a.a.O., § 3 Rn. 16 Rubrik Stufenklage a. E.). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Antragstellerin hat ihre Vorstellungen pauschal mit 6.000,00 EUR\nangegeben. Es kann bislang nicht angenommen werden, dass auf den Erfolg\nversprechenden Teil des Antrags mehr als die Halfte dieses Betrages entfallt,\nnachdem die Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegrundung vom 24.10.2006 (S.\n3) sogar den gesamten angegebenen Wert von 6.000,00 EUR ausschließlich auf den\nWert des Nachlasses der Erblasserin am Todestag bezogen hat. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Damit ist eine Zustandigkeit des Landgerichts nicht gegeben. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| 7\\. Die Kostenentscheidung ergibt sich hinsichtlich der außergerichtlichen\nAuslagen aus § 127 Abs. 4 ZPO, bezuglich der Gerichtskosten aus § 22 GKG\ni.V.m. Nr. 1811 KV. \n---\n\n
143,065
olgstut-2007-06-13-5-w-1107
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
5 W 11/07
2007-06-13
2019-01-09 15:01:27
2019-02-12 13:25:58
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 18.01.2007 wird der\nBeschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 02.01.2007 - 7 O\n128/06 - teilweise\n\n**a b g e a n d e r t :**\n\nDem Beklagten wird Prozesskostenhilfe fur den 1. Rechtszug bewilligt, soweit\ner sich gegen eine Inanspruchnahme in Hohe von 10.882,35 EUR nebst Zinsen\nverteidigt.\n\nIhm wird Rechtsanwalt H zu den Bedingungen eines am Ort des Prozessgerichts\nansassigen Rechtsanwaltes beigeordnet.\n\nDer Beklagte hat keine monatlichen Raten an die Landeskasse zu leisten.\n\nIm Übrigen wird der Prozesskostenhilfeantrag zuruckgewiesen.\n\n2\\. Die weitergehende sofortige Beschwerde des Beklagten wird zuruckgewiesen.\n\n3\\. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebuhrenfrei. Außergerichtliche Kosten\nwerden nicht erstattet.\n\n4\\. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Parteien streiten uber Anspruche aus einem gewerblichen Mietverhaltnis\nbetreffend den Zeitraum Januar 2003 bis Februar 2005. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Beklagte mietete mit Vertrag vom 20.11.2001 Raumlichkeiten im Gebaude U.\nzur Nutzung als Verkaufslager an zu einem monatlichen Mietzins in Hohe von\n1.023,10 EUR brutto zzgl. Nebenkostenvorauszahlung, die sich derzeit auf\n357,90 EUR belauft (vgl. Anlage K 1). Das Mietverhaltnis begann am 15.01.2002\nund wurde fur 5 Jahre geschlossen; dem Beklagten wurde eine\nVerlangerungsoption fur weitere 5 Jahre eingeraumt (§ 3 Abs. 1 des\nMietvertrages). Nach § 7 ist eine Aufrechnung und die Ausubung eines\nMinderungs- oder Zuruckbehaltungsrechts gegenuber Anspruchen des Vermieters\nnur mit unbestrittenen oder rechtskraftig festgestellten Forderungen moglich,\nwobei der Mieter den Vermieter hieruber wenigstens einen Monat vor Falligkeit\nder Mietzinsforderung, gegen welche aufgerechnet oder zuruckbehalten werden\nsoll, benachrichtigen muss. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Im Jahr 2002 hat die Klagerin die vorerwahnte Immobilie von der Vermieterin\nerworben. Am 17.03.2003 kam es zu einem Wassereinbruch, der zu Beschadigungen\nvon Waren des Beklagten fuhrte, als eine Reinigungsfirma die Fassade des\nGebaudes reinigte. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Über das Vermogen des Beklagten wurde mit Beschluss des AG Ludwigsburg vom\n02.12.2003 - 5 IN 533/03 - das Insolvenzverfahren eroffnet. Die Klagerin hat\nAnspruche aus dem Mietverhaltnis nicht im Insolvenzverfahren zur Tabelle\nangemeldet. Mit weiterem Beschluss des Insolvenzgerichtes vom 16.03.2005 wurde\ndem Schuldner gem. § 291 InsO die Restschuldbefreiung angekundigt; die\nWohlverhaltensperiode (§ 287 Abs. 2 InsO) endet am 02.12.2009. Am 28.04.2005\nwurde das (Verbraucher-) Insolvenzverfahren aufgehoben. Eine Kundigung des\nMietverhaltnisses durch den Insolvenzverwalter ist nicht erfolgt. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit der beim Landgericht Stuttgart rechtshangigen Klage vom 21.06.2006 hat\ndie Klagerin den Beklagten aus dem Mietverhaltnis auf Zahlung von 12.241,24\nEUR in Anspruch genommen. Nach der von der Klagerin vorgelegten und vom\nBeklagten nicht streitig gestellten Forderungsaufstellung belauft sich ihre\nForderung aus dem Mietvertrag einschl. Nebenkosten bzw.\nNebenkostenvorauszahlungen fur den Zeitraum Januar 2003 bis Februar 2005 (26\nMonate) auf 20.740,98 EUR. Hiervon hat die Klagerin Gegenanspruche des\nBeklagten in Hohe von 7.099,74 EUR fur Hausmeisterdienste etc. in Abzug\ngebracht, ferner weitere 1.400.- EUR, nachdem ein Schaden des Beklagten in\ndieser Hohe aufgrund des Wassereinbruchs vom 17.03.2003 zwischen den Parteien\nunstreitig ist. Wegen der Einzelheiten der Forderungsberechnung wird auf die\nKlagschrift vom 21.06.2006 Bezug genommen (Bl. 1/8 d.A.). \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass vor Eroffnung des\nInsolvenzverfahrens entstandene Forderungen nach § 87 InsO im\nInsolvenzverfahren hatten geltend gemacht werden mussen, nach Eroffnung des\nInsolvenzverfahrens entstandene gem. §§ 108, 109 ff. InsO gegenuber dem\nInsolvenzverwalter. Außerdem hat der Beklagte mit weiteren\nSchadensersatzanspruchen aus dem Wassereinbruch die Aufrechnung erklart und\ndie Einrede der Verjahrung erhoben. Mit Schriftsatz vom 19.07.2006 hat der\nBeklagte die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Auf den ubereinstimmenden Antrag der Parteien wurde am 16.11.2006 das Ruhen\ndes Verfahrens angeordnet. Mit Beschluss vom 02.01.2007 hat das Landgericht\nStuttgart den PKH-Antrag des Beklagten mit der Begrundung zuruckgewiesen, die\nRechtsverteidigung des Beklagten biete keine Aussicht auf Erfolg. Bei der\noffenen Forderung der Klagerin handele es sich um eine Masseschuld gemaß § 55\nAbs. 1 Nr. 2 InsO. Da die Masseverbindlichkeit bereits vor Eroffnung des\nInsolvenzverfahrens begrundet worden sei, sei die Klagerin berechtigt, ihren\nAnspruch auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens im Klagewege gegen den\nBeklagten geltend zu machen. Aufrechnungsforderungen des Beklagten seien nicht\nausreichend substantiiert vorgetragen worden, außerdem scheitere eine\nAufrechnung am im Mietvertrag vereinbarten Aufrechnungsverbot. Anspruche der\nKlagerin seien nicht verjahrt. Der Klage fehle trotz der in Aussicht\ngestellten Restschuldbefreiung nicht das Rechtsschutzinteresse. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Gegen diesen Beschluss, der dem Prozessbevollmachtigten des Beklagten am 10.\n01.2007 zugestellt worden ist, wendet sich der Beklagte mit seiner am\n18.01.2007 eingegangenen sofortigen Beschwerde, mit der er insbesondere\ngeltend macht, eine Masseverbindlichkeit lage allenfalls teilweise vor, weil\nForderungen aus dem Mietverhaltnis zum Teil vor der Insolvenzeroffnung\nentstanden seien. Bei der Aufrechnungsforderung handele es sich um einen\nAnspruch, der aus einem unstreitigen Wasserschaden resultiere. Die\nbeschadigten Gegenstande seien ausreichend beschrieben und fur den jeweiligen\nZeitwert Beweis durch Einholung eines Sachverstandigengutachtens angetreten\nworden. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Das Landgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Akten dem\nOberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. \n--- \n**II.** \n--- \n| 10 \n--- \n| Die nach den §§ 127 Abs. 2 Satz 2, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 Abs. 1 und 2 ZPO\nstatthafte, frist- und formgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des\nBeklagten ist begrundet und fuhrt zur Bewilligung der beantragten\nProzesskostenhilfe. Anspruche der Klagerin sind zwar gem. §§ 195, 199 BGB\ni.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB noch nicht verjahrt. Dennoch bietet die\nRechtsverteidigung des Beklagten hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.v. § 114\nZPO. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| 1\\. Fur die bis zur Eroffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen\nForderungen aus dem Mietverhaltnis ist der Beklagte passivlegitimiert. Gemaß §\n108 Abs. 2 InsO sind derartige Forderungen Insolvenzforderungen. Fur diese hat\nder Beklagte nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens (§§ 200, 289 Abs. 2 InsO)\ngrundsatzlich unbeschrankt einzustehen, § 201 Abs. 1 InsO. Dafur, dass die\nVoraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des § 55 Abs. 2 Satz 2 InsO vorliegen\n(Gebrauchsuberlassung nach Beantragung des Insolvenzverfahrens an einen\nvorlaufigen Insolvenzverwalter), hat der Beklagte nichts vorgetragen.\nForderungen, die nicht zur Tabelle angemeldet oder festgestellt wurden, werden\ndurch das Insolvenzverfahren nicht beruhrt (vgl. § 201 Abs. 2 InsO;\nIrschlinger in Heidelberger Kommentar zur InsO, 4. Aufl., RN 9 zu § 201 InsO).\nSie konnen ohne Einschrankungen nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens\ngegenuber dem Schuldner im Klagewege verfolgt werden. Daher besteht eine\nNachhaftung des Beklagten fur alle Anspruche aus dem streitgegenstandlichen\nMietverhaltnis, die bis zum 02.12.2003 entstanden sind. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Ob dem Beklagten nach Ablauf der Wohlverhaltensperiode eine\nRestschuldbefreiung erteilt werden wird mit der Folge, dass gem. §§ 201 Abs.\n3, 301 Abs. 1 InsO eine Nachhaftung des Insolvenzschuldners ausscheidet, ist\nnoch offen, sodass ein Rechtsschutzbedurfnis fur die Klage nicht verneint\nwerden kann. Vielmehr muss es der Klagerin moglich sein, die Verjahrung durch\nKlageerhebung zu hemmen (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB), um fur den Fall der\nVersagung einer Restschuldbefreiung einen Titel gegen den Beklagten zu\nerhalten. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| 2\\. Nicht gefolgt werden kann dem Landgericht allerdings, soweit es\nangenommen hat, die Klagerin konne samtliche Masseforderungen nach Aufhebung\ndes Insolvenzverfahrens im Klagewege gegen den Beklagten unbeschrankt geltend\nmachen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| a) Zutreffend geht das Landgericht im Ausgangspunkt davon aus, dass das\nMietverhaltnis des Insolvenzschuldners nach Eroffnung des Insolvenzverfahrens\nmit Wirkung fur die Insolvenzmasse weiter Bestand hatte und die danach\nentstandenen Forderungen als Masseforderungen zu qualifizieren sind (§ 108\nAbs. 1 InsO). Schuldner der Masseglaubiger ist der Insolvenzschuldner als\nTrager der Insolvenzmasse, die §§ 87 ff. InsO sind daher nicht anwendbar\n(Eickmann in Heidelberger Kommentar zur InsO, 4. Aufl., RN 4 zu § 53 InsO;\nSchumacher in Frankfurter Kommentar zur InsO, 3. Aufl., RN 11 zu § 53 InsO).\nFur Masseschulden, die nach Verfahrensbeendigung nicht befriedigt sind, hat\ndeshalb der Insolvenzschuldner grundsatzlich einzustehen (BGH NJW 1955, 339;\nEickmann, a.a.O., RN 11 zu § 53 InsO). Dies gilt grundsatzlich auch fur durch\nHandlungen des Insolvenzverwalters begrundete Masseschulden (BGH NJW 1968,\n300). \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| b) Fur vom Insolvenzverwalter erst begrundete Verbindlichkeiten haftet der\nInsolvenzschuldner nach Beendigung des Insolvenzverfahrens jedoch nach h.M.\nnur beschrankt in Hohe der ihm zuruckgegebenen Insolvenzmasse. Denn die\nMasseverwaltung und das Handeln des Insolvenzverwalters soll nicht dem\nEigeninteresse des Gemeinschuldners, sondern den Interessen der Gesamtheit\nseiner Glaubiger dienen. Der Insolvenzschuldner hat auf die Maßnahmen des\nInsolvenzverwalters keinen Einfluss. Aus diesen Grunden kann der\nInsolvenzverwalter den Insolvenzschuldner nicht unbeschrankt verpflichten.\nVielmehr ist seine Befugnis, zulasten des Insolvenzschuldners Verpflichtungen\neinzugehen, auf die Insolvenzmasse beschrankt (BGH NJW 1955, 339; LAG Munchen\nZIP 1990, 1217 mit weiteren Nachweisen; Schumacher, a.a.O., RN 25 zu § 55\nInsO; Kubler/Prutting, RN 32 zu § 53 InsO; Andres in Nerlich/Romermann, RN 7\nzu § 53 InsO; Irschlinger in Heidelberger Kommentar zur InsO, 4. Aufl., RN 2\nzu § 201 InsO). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| c) Im Falle eines Sonderkundigungsrechts nach § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO\nhaftet der Insolvenzschuldner nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens\nunbeschrankt mit seinem ganzen Vermogen fur Verbindlichkeiten aus dem bereits\nbestehenden gegenseitigen Mietverhaltnis bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der\nInsolvenzverwalter dieses Vertragsverhaltnis fruhestens hatte kundigen konnen.\nKundigt der Insolvenzverwalter das Mietverhaltnis nicht zum fruhest moglichen\nTermin, beschrankt sich die Haftung des Insolvenzschuldners auf das ihm\nausgeantwortete Vermogen (Andres in Nerlich/Romermann, RN 7 zu § 53 InsO;\nBerscheid in Uhlenbruck, Kommentar zur InsO, RN 54 zu 55 InsO). \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| d) Daraus folgt fur den vorliegenden Fall, dass eine unbeschrankte Haftung\ndes Beklagten nur fur solche Masseschulden gem. § 55 Abs.1 Nr. 2 2. Alt. InsO\nin Betracht kommt, die bis zu dem Zeitpunkt entstanden sind, zu dem das\nMietverhaltnis fruhestens nach § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO hatte gekundigt werden\nkonnen. Nach § 580a Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 BGB ware eine Kundigung spatestens am\ndritten Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nachsten\nKalendervierteljahres zulassig gewesen. Da das Insolvenzverfahren am\n02.12.2003 eroffnet worden ist, hatte das Mietverhaltnis mit der Klagerin zum\n30.06.2004 gekundigt werden konnen. Somit ist die Haftung des Beklagten fur\ndie geltend gemachten Anspruche ab Juli 2004 beschrankt. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Fur den weiteren Zeitraum bis Februar 2005 bleibt fur eine unbeschrankte\nHaftung des Beklagten kein Raum, weil das Insolvenzverfahren erst am\n28.04.2005 beendet worden ist. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| 3\\. Im Ergebnis kann der Beklagte fur Mietzinsanspruche einschl. Nebenkosten\nfur den Zeitraum Januar 2003 bis Juni 2004 (= 18 Monate) personlich und\nunbeschrankt in Anspruch genommen werden, nicht jedoch fur den Zeitraum Juli\n2004 bis Februar 2005 (= 8 Monate). Die Rechtsverteidigung des Beklagten hat\ndemzufolge in folgendem Umfang Erfolgsaussichten: \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| \n--- \n\\- Mietzins fur 8 Monate: 8 x 1.023,10 EUR = | | 8.184,80 EUR \n--- \n\\- Nebenkosten fur den Zeitraum 7/04 bis 12/04: 6/12 von 3.963,50 EUR = | | 1.981,75 EUR \n--- \n\\- Nebenkostenvorauszahlung Januar und Februar 2005: 2 x 357,90 EUR = | | 715,80 EUR \n--- \n**Summe:** | | **10.882,35 EUR** \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Insoweit kann sich der Beklagte auf die Beschrankung seiner Haftung berufen.\nEs ist nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, dass dem Beklagten nach\nBeendigung des Insolvenzverfahrens kein ins Gewicht fallendes verwertbares\nVermogen vom Insolvenzverwalter zuruckgegeben worden ist. Fur das\nProzesskostenhilfeverfahren kann dies unterstellt werden, im\nHauptsacheverfahren waren dazu - sollte die Klagerin ihren Klaganspruch weiter\nverfolgen - weitere Ermittlungen erforderlich. Weil die Klagerin einen\nAnspruch in dieser Hohe gegen den Beklagten vermutlich nicht wird realisieren\nkonnen, kann rechnerisch dieser Betrag von der Forderung des Klagers in Hohe\nvon 20.740,98 EUR in Abzug gebracht werden. Unter Berucksichtigung des\nunstreitigen Gegenforderung des Beklagten in Hohe von 7.099,74 EUR und des\nebenfalls unstreitigen Wasserschadens in Hohe von 1.400.- EUR verbliebe dann\nzugunsten der Klagerin lediglich ein Anspruch in Hohe von 1.358,89 EUR, der\neine unbeschrankte Inanspruchnahme des Beklagten zuließe. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Zur Aufrechnung mit weiteren Gegenanspruchen ist der Beklagte nicht\nberechtigt. Die erklarte Aufrechnung scheitert an dem in § 7 des Mietvertrages\nwirksam vereinbarten Aufrechnungsverbot. Danach ist eine Aufrechnung nur mit\nunbestrittenen oder rechtskraftig festgestellten Forderungen moglich. Hier ist\nnicht nur eine Haftung der Klagerin dem Grunde nach fur die zusatzlichen\nSchaden aus dem Wassereinbruch, die der Beklagte behauptet hat, streitig,\nsondern auch die einzelnen Schadenspositionen, soweit diese den von der\nKlagerin akzeptierten Betrag von 1.400.- EUR uberschreiten. \n--- \n**III.** \n--- \n| 23 \n--- \n| Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Von der Erhebung einer\nFestgebuhr gem. Nr. 1811 des Kostenverzeichnisses zum GKG ist abzusehen,\nnachdem das Rechtsmittel zum weit uberwiegenden Teil Erfolg hat.\nAußergerichtliche Kosten sind gemaß § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen, wird von einer\nZulassung der Rechtsbeschwerde abgesehen. \n---\n\n
143,166
vg-stuttgart-2007-07-16-6-k-415203
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
6 K 4152/03
2007-07-16
2019-01-09 15:02:28
2019-01-17 12:03:20
Urteil
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDie Kosten des Verfahrens werden der Klagerin auferlegt.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin wendet sich gegen die Versagung der Genehmigung eines\nFlachennutzungsplans. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Zwischen der Klagerin und der Gemeinde S. besteht seit 1977 eine vereinbarte\nVerwaltungsgemeinschaft. Nach § 1 der Vereinbarung erfullt die Klagerin fur\ndie Nachbargemeinde die Aufgaben eines Gemeindeverwaltungsverbands. Als\nerfullende Gemeinde erfullt sie an Stelle der Nachbargemeinde in eigener\nZustandigkeit u. a. die vorbereitende Bauleitplanung (Flachennutzungsplan).\nVorsitzender des gemeinsamen Ausschusses ist der Burgermeister der erfullenden\nGemeinde (§ 2 Abs. 4 der Vereinbarung). \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 21.07.99 beschloss der Gemeinsame Ausschuss der vereinbarten\nVerwaltungsgemeinschaft E./S., den Flachennutzungsplan fortzuschreiben und die\nTrager offentlicher Belange auf der Basis des Vorentwurfs vom 21.07.99\nfruhzeitig zu beteiligen. Dieser sah u. a. in E. zwischen Martinstraße und\nBahnlinie die Ausweisung einer Wohnbauflache vor. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Ausweisung der Wohnbauflache war bereits Gegenstand des\n_Bebauungsplanverfahrens_ „Martinstraße-Mitte". Wegen der Lage an der\nBahnlinie hatte das Landratsamt G. bereits in diesem Verfahren Bedenken\nvorgebracht und schließlich am 18.09.2000 die Genehmigung des Bebauungsplans\ninsbesondere wegen der Nichtentwicklung aus dem Flachennutzungsplan, der den\nfraglichen Bereich als Flache fur die Landwirtschaft darstellt, und wegen\nnicht ausreichender Berucksichtigung der allgemeinen Anforderungen an gesunde\nWohn- und Arbeitsverhaltnisse versagt. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Der damals vorliegenden schalltechnischen Untersuchung des Ingenieurburos\n_B. + S. vom Oktober 1995_ war zu entnehmen, dass bei Errichtung einer 4 m\nhohen Larmschutzwand entlang der Bahnlinie die Orientierungswerte von 55 dB(A)\ntags und 45 dB(A) nachts fur ein WA-Gebiet uberschritten werden. Auf Grund der\ndeutlichen Überschreitung der Richtwerte seien passive Schallschutzmaßnahmen\nunabdingbar. Angesichts der Larmbelastung werde die Ausweisung eines Gebiets\nmit moglichst geringem Schutzcharakter angeraten. Bei den passiven\nSchallschutzmaßnahmen werde empfohlen, zur Minderung der\nLarmbeeintrachtigungen die Grundrisse so zu planen, dass schutzbedurftige\nRaume an den vom Larm abgewandten Seiten angeordnet wurden. Auch an den\nGebaudeseiten sollten keine derartigen Raume geplant werden. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Im Rahmen der Beteiligung der Trager offentlicher Belange machte das\nLandratsamt G. mit Schreiben vom 29.03.2000 Bedenken hinsichtlich der\nAusweisung dieser Wohnbauflache im Flachennutzungsplan geltend. Es konne nicht\ndavon ausgegangen werden, dass diese Wohnbauflache mit den Grundsatzen einer\ngeordneten Bauleitplanung in Einklang stehe. Die Belange gemaß § 1 Abs. 5\nZiff. 1 und 8 BauGB konnten nicht als ausreichend berucksichtigt angesehen\nwerden. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Auch der vom Gemeinsamen Ausschuss am 12.10.2000 anerkannte Entwurf vom\n02.06./28.08.2000 hielt an der Wohnbauflache „Martinstraße" fest. Im\nErlauterungsbericht zu den Ergebnissen der Anhorung, dem zugestimmt wurde,\nhieß es hierzu, das Bebauungsplanverfahren „Martinstraße-Mitte" liege derzeit\nzur Genehmigung beim Landratsamt. Der Gemeinderat habe bereits im Zuge des\nBebauungsplanverfahrens die Belange abgewogen, die Bedenken zuruckgewiesen und\ndie Realisierung des Baugebiets beschlossen. Das Gebiet sei auf der Grundlage\ndes Bebauungsplanverfahrens in den Flachennutzungsplan ubernommen worden. Auf\nGrund der sehr beschrankten Wohnbauflachenpotentiale in der Kernstadt und der\nbeabsichtigten Starkung der Kernstadt durch die Bereitstellung von\nWohnbaugrundstucken konne auf die Darstellung der Wohnbauflache nicht\nverzichtet werden. Durch geeignete Larmschutzmaßnahmen an den Gebauden und\ndurch einen Larmschutzwall konne dem Erfordernis nach gesunden Wohn- und\nArbeitsverhaltnissen Rechnung getragen werden. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| In seiner Stellungnahme vom 12.01.2001 hielt das Landratsamt G. die mit\nSchreiben vom 29.03.2000 mitgeteilten Bedenken hinsichtlich der Wohnbauflache\nzwischen Martinstraße und Bahnlinie aufrecht. Die Ausfuhrungen im\nErlauterungsbericht uberzeugten nicht und seien nicht ausreichend, um die\nAbwagung rechtsfehlerfrei erscheinen zu lassen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Am 19.07.2001 stellte der Gemeinsame Ausschuss die 2. Fortschreibung des\nFlachennutzungsplans der „Vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft E. - S." fest.\nDabei wurde den Beschlussvorschlagen der Verwaltungen vom 09.07.2001 zu den\nErgebnissen der Anhorung zugestimmt. In der Stellungnahme zur Wohnbauflache\n„Martinstraße" mit dem Beschlussvorschlag, die Bedenken des Landratsamts\nzuruckzuweisen, ist - im Wesentlichen wie in der fruheren Stellungnahme -\nausgefuhrt, der Gemeinderat habe bereits im Zuge des Bebauungsplanverfahrens\ndie Belange abgewogen, die Bedenken zuruckgewiesen und die Realisierung des\nBaugebiets beschlossen. Das Gebiet sei auf der Grundlage des\nBebauungsplanverfahrens in den Flachennutzungsplan ubernommen worden. Auf\nGrund der sehr beschrankten Wohnbauflachenpotentiale in der Kernstadt und der\nbeabsichtigten Starkung der Kernstadt durch die Bereitstellung von\nWohnbaugrundstucken konne auf die Darstellung der Wohnbauflache nicht\nverzichtet werden. Weiterhin entspreche es den Zielen der Raumordnung und\nLandesplanung, die offentliche Infrastruktur, vor allem den offentlichen\nNahverkehr, durch Errichtung von Wohnraum im fußlaufigen Umfeld der\nHaltestellen zu starken. Die als Hinderungsgrund fur die Genehmigung des\nBebauungsplans genannten Risikopotentiale Schadstoffverunreinigung des Bodens,\ninhomogene Auffullung in einem Teilbereich des Planungsgebiets und\nLarmbelastung durch den Zugverkehr, die jeweils in Fachgutachten nachgewiesen\nworden seien, konnten durch geeignete Maßnahmen so beseitigt werden, dass die\nBelange „Erfordernis von gesunden Wohn- und Arbeitsverhaltnissen" sowie\n„Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevolkerung" berucksichtigt wurden. _Dieser\nNachweis k onne und werde sinnvoller Weise erst im Rahmen des\nBebauungsplanverfahrens erfolgen_ . Das Gebiet „Martinstraße" solle mit seiner\nDarstellung in der Fortschreibung des Flachennutzungsplans lediglich fur eine\nkunftige Wohnnutzung gesichert werden. Insoweit stehe die Darstellung mit den\nGrundsatzen einer geordneten Bauleitplanung im Einklang. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Mit Schreiben vom 14.01.2002 beantragte die Klagerin beim Landratsamt G.,\ndie Fortschreibung des Flachennutzungsplans zu genehmigen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Mit Bescheid vom 10.06.2002, zugestellt am 14.06.2002, erteilte das\nLandratsamt G. die Genehmigung, allerdings unter Ausschluss der Wohnbauflache\n„Martinstraße", fur die die Genehmigung versagt wurde. Zur Begrundung wurde\nausgefuhrt, die in § 1 Abs. 5 Ziff. 1 BauGB genannten Belange seien nicht\nausreichend berucksichtigt worden. Es konne nicht davon ausgegangen werden,\ndass die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhaltnisse\nund die Sicherheit der Wohn- und Arbeitsbevolkerung in hinreichendem Maß\nerfullt wurden. Die bereits im Bebauungsplanverfahren vorgelegten und\nentscheidungserheblichen Unterlagen hatten ergeben, dass der Boden durch\n_Schadstoffe_ (polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe - PAK -)\nverunreinigt sei. Im Hinblick auf Kinderspielflachen werde der Prufwert\nteilweise um mehr als 50 % uberschritten. Nachdem ein Kontakt von Kindern mit\ndem Boden nicht ausgeschlossen werden konne, sei ohne Durchfuhrung von\nMaßnahmen zum Schutz vor Schadstoffaufnahme durch spielende Kinder auf den\nnicht uberbauten Flachen eine Gefahrdung gegeben. Zudem sei laut der\n_Baugrund_ erkundung vom 11.05.1999 im Plangebiet eine inhomogene Auffullung\nvorhanden. In Ziff. 3.4 der Hinweise im Textteil des Bebauungsplans werde\ndarauf aufmerksam gemacht, dass das Gelande nur bedingt zur Grundung von\nGebauden geeignet sei. Die Eignung des Baugrunds sei im Einzelfall im Rahmen\nder statischen Berechnungen nachzuweisen. Solange die Geeignetheit des\nBaugebiets nicht nachgewiesen werden bzw. die erforderlichen\nGrundungsmaßnahmen nicht in hinreichendem Maße konkretisiert werden konnten,\nlagen die Voraussetzungen fur eine Plangenehmigung nicht vor. Außerdem wurden\ndie _L armorientierungswerte_ selbst fur ein MI-Gebiet selbst bei einer 4 m\nhohen Larmschutzwand mit einer Lange von ca. 450 m entlang der Bahnanlage\ndeutlich uberschritten. Dies ergebe sich aus dem Larmschutzgutachten des\nIngenieurburos B. + S. vom Oktober 1995. Darin werde angesichts der\nLarmbelastung die Ausweisung eines Gebiets mit moglichst geringem\nSchutzcharakter angeraten. Bei den passiven Schallschutzmaßnahmen werde\nempfohlen, zur Minderung der Larmbeeintrachtigungen die Grundrisse so zu\nplanen, dass schutzbedurftige Raume an den vom Larm abgewandten Seiten\nangeordnet wurden. Außerdem werde angeregt, an den Gebaudeseiten keine\nderartigen Raume zu planen. Eine Aussage, dass die Einhaltung der\nOrientierungswerte fur ein Wohngebiet mit konkret bezeichneten\nVorkehrungsmaßnahmen gewahrleistet werden konnte, sei aus dem Gutachten nicht\nzu entnehmen. Im vorliegenden Flachennutzungsplanverfahren sei in der Abwagung\nunter Hinweis auf die o. g. Punkte lediglich mit der Starkung der Kernstadt\nund des offentlichen Nahverkehrs argumentiert worden. Dabei sei jedoch nur auf\ngeeignete Maßnahmen zur Beseitigung der konkret bestehenden Risikopotenziale\nverwiesen worden, ohne tatsachlich mogliche Maßnahmen darzulegen. Dies solle\nvielmehr dem Bebauungsplanverfahren vorbehalten bleiben. Nachweislich habe\njedoch in dem parallel durchgefuhrten Bebauungsplanverfahren kein positives\nUntersuchungsergebnis zu Gunsten der betreffenden Flache dargelegt werden\nkonnen. Die generelle Geeignetheit von Bauflachen konne aber nicht der\nsekundaren Überprufung im Bebauungsplanverfahren uberlassen werden. Insoweit\nsei die Fortschreibung des Flachennutzungsplans abwagungsfehlerhaft. Die\nBedenken bezuglich der Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhaltnisse\nseien nicht hinreichend berucksichtigt und entsprechend dem tatsachlichen\nGefahrenpotenzial abgewogen worden. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Gegen den ablehnenden Teil des Bescheids vom 10.06.2002 erhob die Klagerin\nam 12.07.2002 Widerspruch, unterzeichnet vom Burgermeister. Zur Begrundung\nmachte sie geltend, sie habe die Moglichkeiten zur Verbesserung des\nLarmschutzes durch einen hoheren Larmschutzwall nochmals untersucht und auch\neine weitere Stellungnahme zur Baugrundbeschaffenheit eingeholt. Es habe sich\nergeben, dass sich die fur die Versagung wesentlichen Faktoren Larm, Grundung\nund Altlasten durchaus bewaltigen ließen, so dass die Versagung der\nGenehmigung fur diesen Bereich nicht mehr gerechtfertigt erscheine. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Beigefugt war eine schalltechnische Stellungnahme des Ingenieurburos _B. +\nS. vom 21.11.2002_ . Dieser ist zu entnehmen, dass bei einer Reduzierung der\nHohe der Wall-/Wandkombination auf 4,0 m bzw. 4,5 m die Orientierungswerte fur\nein allgemeines Wohngebiet tags und nachts fast durchweg uberschritten werden.\nBei einer Hohe von 5,0 m konnen die Orientierungswerte tags fur alle\nErdgeschosse eingehalten werden, nicht uberall jedoch in den 1. Obergeschossen\nund nachts uberhaupt nicht. Zur Minderung der Larmbeeintrachtigungen seien die\nGrundrisse moglichst so zu gestalten, dass schutzbedurftige Raume (z. B.\nSchlaf- und Kinderzimmer) an den vom Larm abgewandten Seiten angeordnet\nwurden. Außerdem seien passive Schallschutzmaßnahmen vorzusehen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| In der ebenfalls beigefugten Stellungnahme der Firma ... vom 11.03.2003 zur\nGeeignetheit des Baugrundes kommt diese zum Ergebnis, zur Beseitigung der\npotentiellen Gefahrdung durch PAK-Schadstoffe im Boden sei es ausreichend, in\nden nicht uberbauten bzw. nicht versiegelten Bereichen einen Austausch des\nOberbodens bis zu einer Tiefe von 40 cm vorzunehmen. Das Baugebiet sei auch\nhinsichtlich des Baugrundes als geeignet zu bezeichnen. Die festgestellten\nAuffullungen bereiteten grundungs- und bautechnisch keine gravierenden\nProbleme. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 22.09.2003 wies das Regierungsprasidium S. den\nWiderspruch zuruck. In der Begrundung heißt es, der durch den Burgermeister\nder Klagerin eingelegte Widerspruch sei zulassig. Die Klagerin erfulle die\nvorbereitende Bauleitplanung fur die Verwaltungsgemeinschaft in eigener\nZustandigkeit. Vorsitzender des Gemeinsamen Ausschusses sei der Burgermeister\nder erfullenden Gemeinde, der diese nach außen vertrete. Daher sei der\nWiderspruch wirksam erhoben. Dieser sei jedoch nicht begrundet. Die\nFestsetzung der Wohnbauflache widerspreche § 1 Abs. 6 i. V. mit Abs. 5 Ziff. 1\nBauGB, da der Beschluss insoweit an einem Abwagungsdefizit leide. Die\nBewaltigung der Probleme Larmbelastung und Untergrund konnten nicht dem\nBebauungsplanverfahren uberlassen bleiben. Die Frage der Geeignetheit der\nFestsetzung sei ein ungeschriebener Planungsgrundsatz. Mit dieser Frage habe\nsich der Ausschuss nicht auseinander gesetzt. Zwar durften nach der im\nWiderspruchsverfahren vorgelegten Stellungnahme zum Baugrund die Bedenken\ninsoweit ausgeraumt werden konnen. Der fragliche Bereich sei jedoch als\nWohnbauflache ungeeignet, da die Larmwerte sowohl fur ein WA-Gebiet als auch\nfur ein MI-Gebiet nur teilweise eingehalten werden konnten, nicht jedoch\nnachts. Damit fuhre die Festsetzung zu einem Verstoß gegen die Anforderungen\nan gesunde Wohn- und Arbeitsverhaltnisse i. S. v. § 1 Abs. 5 Ziff. 1 BauGB. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Klagerin hat am 16.10.2003 namens der Vereinbarten\nVerwaltungsgemeinschaft E./S. Klage erhoben. Sie vertritt nach wie vor die\nAuffassung, die Genehmigungsbehorde sei auf eine Rechtskontrolle beschrankt.\nEine Kontrolle der Zweckmaßigkeit sei nicht zulassig. Der Bescheid vom\n10.06.2002 ersetze jedoch zu Unrecht das Planungsermessen der Stadt. Ein\nVerstoß gegen formelle oder materielle Rechtsvorschriften im\nGenehmigungsverfahren sei nicht dargelegt. Es liege auch kein Verstoß gegen\ndas Abwagungsgebot vor. Nach dem Schallschutzgutachten der Firma B. + S.\nkonnten durch eine entsprechende Hohe der Larmschutzanlage die geltenden\nLarmwerte eingehalten werden. Auch das Problem der Bodenbelastungen konne\ndurch einen Austausch des Bodens ausgeraumt werden. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| den Bescheid des Landratsamts G. vom 10.06.2002, soweit die Genehmigung der\nFortschreibung des Flachennutzungsplans der vereinbarten\nVerwaltungsgemeinschaft E./S. versagt wurde, sowie den Widerspruchsbescheid\ndes Regierungsprasidiums S. vom 22.09.2003 aufzuheben und den Beklagten zu\nverpflichten, die Genehmigung des Flachennutzungsplans auch auf die\nWohnbauflache „Martinstraße - Mitte" auf Gemarkung E. zu erstrecken, \n--- \n| 19 \n--- \n| sowie die Zuziehung eines Bevollmachtigten im Vorverfahren durch die\nKlagerin fur notwendig zu erklaren. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Er halt die ablehnenden Bescheide fur rechtmaßig. Er vertritt die\nAuffassung, der Widerspruch sei unzulassig, weil dieser nicht namens der\nVereinbarten Verwaltungsgemeinschaft erhoben worden sei und auch keine\nBeschlussermachtigung seitens des Verbandsausschusses vorgelegen habe.\nZumindest sei die Klage nicht begrundet. Auch die außerhalb des Verfahrens vom\nPlanungsburo M. und P. eingeholten nachtraglichen Stellungnahmen vom\n27.08.2002 und vom 21.11.2002 hatten ergeben, dass selbst bei einer\nWall-/Wandkombination mit einer Hohe von 7,10 m die Orientierungswerte nachts\nuberschritten wurden. Eine Aussage daruber, dass die Einhaltung der\nOrientierungswerte fur ein Wohngebiet mit konkret bezeichneten\nVorkehrungsmaßnahmen gewahrleistet werden konnte, sei dem Gutachten nicht zu\nentnehmen. Auch die Frage der Geeignetheit des Baugrundes sei vorab nicht\ngrundsatzlich und abschließend geklart worden. Dies gelte auch fur die\nBewertung des Risikopotenzials im Hinblick auf die festgestellten PAK-Werte.\nDamit konne nicht von einer grundsatzlichen Geeignetheit der Flache\nausgegangen werden. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung stellte sich heraus, dass die Klagerin im\nBesitz einer weiteren schalltechnischen Stellungnahme des Ingenieurburos _B. +\nS. vom 01.03.2004_ ist, die dem Landratsamt G. nach eigenem Bekunden bis dahin\nnicht vorgelegen hatte. Darin heißt es, als bisheriges Ergebnis sei\nfestzuhalten, dass aktive Schallschutznahmen nicht ausreichten, um die\nOrientierungswerte fur WA-Gebiete tags und nachts einzuhalten. Auch durch eine\nentsprechende Grundrissgestaltung konnten nicht alle schutzenswerten Raume zu\nden dem Larm abgewandten Gebaudeseiten orientiert werden. Deshalb mussten\nzusatzlich fur schutzenswerte Raume passive Maßnahmen erbracht werden, d. h.\ndurch eine entsprechende Ausgestaltung der Außenfassaden sowie evtl.\nfensterunabhangige Luftungseinrichtungen bei Schlafraumen. Eine Wohnbebauung\nsei im Untersuchungsgebiet jedoch moglich. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die dem Gericht vorliegenden\nBehordenakten sowie auf die Gerichtsakten Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Klage ist zulassig. Entgegen der Auffassung des Beklagten fehlt es\nnicht an einem zulassigen Widerspruch. Insbesondere wurde dieser vom dafur\nzustandigen Organ eingelegt. Es ist auch nicht rechtsfehlerhaft, dass der\nWiderspruch fur „die Stadt E." erhoben wurde. Die Klagerin ist nach § 59 Abs.\n1 GemO i. V. m. § 1 der Vereinbarung uber die Verwaltungsgemeinschaft die\n„erfullende Gemeinde". In dieser Eigenschaft besitzt sie die eigene\nZustandigkeit fur die vorbereitende Bauleitplanung. Über die\nErfullungsaufgaben entscheidet der „Gemeinsame Ausschuss" an Stelle des\nGemeinderats der erfullenden Gemeinde. Dessen Vorsitzender ist der\nBurgermeister der erfullenden Gemeinde (§ 2 Abs. 4 der Vereinbarung), der die\nBeschlusse auch vollzieht (§ 43 Abs. 1 GemO). Der Burgermeister hat deshalb zu\nRecht fur die Klagerin als in eigener Zustandigkeit handelnde „erfullende\nGemeinde" den Widerspruch erhoben. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Klage ist jedoch nicht begrundet. Die Klagerin hat hinsichtlich der\nvorgesehenen Wohnbauflache „Martinstraße - Mitte" auf Gemarkung E. keinen\nAnspruch auf Genehmigung der Fortschreibung des Flachennutzungsplans der\nvereinbarten Verwaltungsgemeinschaft E./S.. Damit sind der Bescheid des\nLandratsamts G. vom 10.06.2002, soweit dieser angefochten wurde, und der\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums S. vom 22.09.2003 rechtmaßig und\nbeide verletzen die Klagerin nicht in ihren Rechten. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Nach § 6 Abs. 2 BauGB darf die Genehmigung des Flachennutzungsplans nur\nversagt werden, wenn dieser nicht ordnungsgemaß zustande gekommen ist oder\ndiesem Gesetzbuch, den auf Grund dieses Gesetzbuchs erlassenen oder sonstigen\nRechtsvorschriften widerspricht. Gemessen an dieser Vorgabe ist die\nDarstellung der Wohnbauflache „Martinstraße - Mitte" im Flachennutzungsplan\nnicht genehmigungsfahig. Mit der Entscheidung, diese an der Bahnlinie gelegene\nFlache fur eine Wohnbebauung vorzusehen, hat die Klagerin die durch das\nAbwagungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB gezogenen Grenzen der gemeindlichen\nPlanungsfreiheit uberschritten. Aus den Planungsunterlagen ist nicht\nhinreichend deutlich zu entnehmen, dass sich die Klagerin mit den im\nPlanaufstellungsverfahren geaußerten Bedenken hinsichtlich der Geeignetheit\nder Flache als Wohngebiet im Sinne einer Abwagung in ausreichendem Umfang\nauseinander gesetzt hat. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Der Flachennutzungsplan muss im Zeitpunkt seiner Beschlussfassung auch\ninhaltlich rechtmaßig sein. Dies gilt insbesondere fur die nach § 1 Abs. 7\nBauGB gebotene Abwagung. Insoweit regelt § 214 Abs. 3 S. 1 BauGB, dass fur die\nAbwagung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung uber den\nFlachennutzungsplan maßgebend ist. Fur die Genehmigungsbehorde bedeutet dies,\ndass sie nicht verpflichtet werden kann, einen Flachennutzungsplan zu\ngenehmigen, der abwagungsfehlerhaft zustande gekommen ist. Geht es darum, im\nRahmen der Fortschreibung eines Flachennutzungsplans fur eine Flache eine\nbestimmte bauliche Nutzung vorzusehen, so gehort zum maßgeblichen Inhalt der\nAbwagung auch, aufgekommene Bedenken hinsichtlich der Geeignetheit der Flache\nfur die beabsichtigte Nutzung zu prufen und zu klaren. Die endgultige Klarung\nder Frage, ob eine bestimmte Flache als Baugebiet uberhaupt geeignet ist, darf\nnicht dem nachfolgenden Bebauungsplanverfahren uberlassen werden. Es ist\nvielmehr ein Gebot der Rechtsklarheit, dass sich der Burger darauf verlassen\nkonnen muss, dass in den Flachennutzungsplan keine Darstellung aufgenommen\nwird, die nach dem derzeitigen Rechtszustand aus Rechtsgrunden moglicherweise\nnicht verwirklicht werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.10.1999 - 4 C 1/99 -,\nBVerwGE 109, 371 = ZfBR 2000, 202). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Gemessen an diesen Grundsatzen leidet die am 19.07.2001 beschlossene\nFortschreibung des Flachennutzungsplans an einem Abwagungsmangel. Die damals\nvorliegende schalltechnische Untersuchung des Ingenieurburos _B. + S. vom\nOktober 1995_ kam zum Ergebnis, dass bei Errichtung einer 4 m hohen\nLarmschutzwand entlang der Bahnlinie die Orientierungswerte von 55 dB(A) tags\nund 45 dB(A) nachts fur ein WA-Gebiet uberschritten werden. Auf Grund der\ndeutlichen Überschreitung der Richtwerte seien passive Schallschutzmaßnahmen\nunabdingbar. Angesichts der Larmbelastung werde die Ausweisung eines Gebiets\nmit moglichst geringem Schutzcharakter angeraten. Bei den passiven\nSchallschutzmaßnahmen werde empfohlen, zur Minderung der\nLarmbeeintrachtigungen die Grundrisse so zu planen, dass schutzbedurftige\nRaume an den vom Larm abgewandten Seiten angeordnet wurden. Auch an den\nGebaudeseiten sollten keine derartigen Raume geplant werden. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| In der Beschlussvorlage vom 29.09.2000 fur die Sitzung des Gemeinsamen\nAusschusses vom 12.10.2000 fand sich auch eine Stellungnahme zu den vom\nLandratsamt G. vorgebrachten Bedenken hinsichtlich der vorgesehenen\nWohnbauflache „Martinstraße". Hierzu hieß es, das Bebauungsplanverfahren\n„Martinstraße-Mitte" liege derzeit zur Genehmigung beim Landratsamt. Der\nGemeinderat habe bereits im Zuge des Bebauungsplanverfahrens die Belange\nabgewogen, die Bedenken zuruckgewiesen und die Realisierung des Baugebiets\nbeschlossen. Das Gebiet sei auf der Grundlage des Bebauungsplanverfahrens in\nden Flachennutzungsplan ubernommen worden. Auf Grund der sehr beschrankten\nWohnbauflachenpotentiale in der Kernstadt und der beabsichtigten Starkung der\nKernstadt durch die Bereitstellung von Wohnbaugrundstucken konne auf die\nDarstellung der Wohnbauflache nicht verzichtet werden. Durch geeignete\nLarmschutzmaßnahmen an den Gebauden und durch einen Larmschutzwall konne dem\nErfordernis nach gesunden Wohn- und Arbeitsverhaltnissen Rechnung getragen\nwerden. Es werde vorgeschlagen, die Bedenken zuruckzuweisen. Diesem\nBeschlussantrag stimmte der Gemeinsame Ausschuss am 12.10.2000 zu. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| In der Beschlussvorlage vom 09.07.2001 fur die Sitzung des Gemeinsamen\nAusschusses vom 19.07.2001 wurde ebenfalls vorgeschlagen, die Bedenken des\nLandratsamts zuruckzuweisen. In der dazu gehorigen Stellungnahme zur\nWohnbauflache „Martinstraße" wurde wiederum ausgefuhrt, der Gemeinderat habe\nbereits im Zuge des Bebauungsplanverfahrens die Belange abgewogen, die\nBedenken zuruckgewiesen und die Realisierung des Baugebiets beschlossen. Das\nGebiet sei auf der Grundlage des Bebauungsplanverfahrens in den\nFlachennutzungsplan ubernommen worden. Auf Grund der sehr beschrankten\nWohnbauflachenpotentiale in der Kernstadt und der beabsichtigten Starkung der\nKernstadt durch die Bereitstellung von Wohnbaugrundstucken konne auf die\nDarstellung der Wohnbauflache nicht verzichtet werden. Weiterhin entspreche es\nden Zielen der Raumordnung und Landesplanung, die offentliche Infrastruktur,\nvor allem den offentlichen Nahverkehr, durch Errichtung von Wohnraum im\nfußlaufigen Umfeld der Haltestellen zu starken. Die als Hinderungsgrund fur\ndie Genehmigung des Bebauungsplans genannten Risikopotentiale\nSchadstoffverunreinigung des Bodens, inhomogene Auffullung in einem\nTeilbereich des Planungsgebiets und Larmbelastung durch den Zugverkehr, die\njeweils in Fachgutachten nachgewiesen worden seien, konnten durch geeignete\nMaßnahmen so beseitigt werden, dass die Belange „Erfordernis von gesunden\nWohn- und Arbeitsverhaltnissen" sowie „Sicherheit der Wohn- und\nArbeitsbevolkerung" berucksichtigt wurden. _Dieser Nachweis k onne und werde\nsinnvoller Weise erst im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens erfolgen._ Das\nGebiet „Martinstraße" solle mit seiner Darstellung in der Fortschreibung des\nFlachennutzungsplans lediglich fur eine kunftige Wohnnutzung gesichert werden.\nInsoweit stehe die Darstellung mit den Grundsatzen einer geordneten\nBauleitplanung im Einklang. Diesem Beschlussvorschlag stimmte der Gemeinsame\nAusschuss am 19.07.2001 zu und stellte die 2. Fortschreibung des\nFlachennutzungsplans fest. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Gerade der dem Feststellungsbeschluss vom 19.07.2001 zu Grunde liegenden\nStellungnahme ist zu entnehmen, dass der Gemeinsame Ausschuss als maßgeblicher\nPlanungstrager selbst nicht davon ausging, die Frage der Geeignetheit des\nGebiets „Martinstraße" als Wohnbauflache sei geklart. Er wollte vielmehr den\nNachweis, die Larmbelastung durch den Zugverkehr auf ein fur Wohngebiete\nzulassiges Maß reduzieren zu konnen, dem Bebauungsplanverfahren uberlassen.\nDer Umstand, dass die Frage der Geeignetheit als Wohnbauflache noch als offen\nangesehen wurde, beruht offensichtlich auf der damals vorliegenden\nschalltechnische Untersuchung des Ingenieurburos _B. + S. vom Oktober 1995_ ,\nin der die Ausweisung eines Gebiets mit moglichst geringem Schutzcharakter\nangeraten wurde und passive Schallschutzmaßnahmen fur unabdingbar erklart\nwurden. Insbesondere wurde empfohlen, zur Minderung der Larmbeeintrachtigungen\ndie Grundrisse so zu planen, dass schutzbedurftige Raume an den vom Larm\nabgewandten Seiten angeordnet werden. Auch an den Gebaudeseiten sollten keine\nderartigen Raume geplant werden. Dass der Gemeinsame Ausschuss angesichts der\nVorgabe, schutzbedurftige Raume nur nach einer einzigen Seite der Gebaude\nausrichten zu konnen, nicht von einer generellen Geeignetheit des Gebiets als\nFlache fur Wohnungen ausgehen konnte und dies auch nicht tat, liegt auf der\nHand. Statt diesen wichtigen Punkt zu klaren, wurde die Frage, ob und ggf. mit\nwelchen Maßnahmen die Larmobergrenzen fur ein Wohngebiet eingehalten werden\nkonnen, dem nachfolgenden Bebauungsplanverfahren uberlassen. Mit der\nWohnbauflache „Martinstraße" wurde damit eine Darstellung in den\nFlachennutzungsplan aufgenommen, die nach dem damaligen Erkenntnisstand aus\nRechtsgrunden moglicherweise nicht wurde verwirklicht werden konnen. In der\nNichtauflosung dieser Ungewissheit liegt ein Abwagungsmangel. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die spateren erganzenden Stellungnahmen des Ingenieurburos _B. + S. vom\n27.08.2002 und 21.11.2002_ vermogen den Abwagungsmangel nicht zu heilen. Zum\neinen ist - wie bereits ausgefuhrt - fur die Abwagung die Sach- und Rechtslage\nim Zeitpunkt der Beschlussfassung uber den Flachennutzungsplan maßgebend (§\n214 Abs. 3 S. 1 BauGB). Zum anderen wurden in diesen Stellungnahmen keine\nkonkret geeigneten Maßnahmen zur Einhaltung der zulassigen\nLarmorientierungswerte genannt. Lediglich in der erst in der mundlichen\nVerhandlung vorgelegten Stellungnahme des Ingenieurburos _B. + S. vom\n01.03.2004_ wird im Untersuchungsgebiet eine Wohnbebauung ausdrucklich fur\nmoglich gehalten. Wegen der hohen Überschreitung der Orientierungswerte wurden\njedoch neben einem aktiven Larmschutz passive Schallschutzmaßnahmen fur\nerforderlich erachtet, vor allem Schallschutzfenster. Außerdem seien bei\nSchlafraumen zur Sicherstellung eines hygienisch einwandfreien Luftwechsels\nschalldammende, evtl. fensterunabhangige Luftungseinrichtungen vorzusehen.\nSelbst wenn die Stellungnahme in dieser Form dem Planungstrager im Zeitpunkt\nder Abwagung bereits vorgelegen hatte, erscheint hochst fraglich, ob\nangesichts derartiger Schallschutzmaßnahmen davon ausgegangen hatte werden\nkonnen, die Ausweisung einer Wohnbauflache sei stadtebaulich sinnvoll und die\nFrage der Geeignetheit sei ausreichend geklart. Es spricht vielmehr alles\ndafur, dass sich fur den Planungstrager die Frage hatte aufdrangen mussen, ob\ndie Flache angesichts der erforderlichen gravierenden passiven\nSchallschutzmaßnahmen uberhaupt fur Wohnzwecke geeignet ist und unter welchem\nGesichtspunkt eine solche Planung sinnvoll erscheint. Hierzu hatte es einer\nausfuhrlichen Abwagung im Rahmen des Flachennutzungsplanverfahrens bedurft. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Ist die Fortschreibung des Flachennutzungsplans somit rechtsfehlerhaft zu\nStande gekommen, weil die Frage, ob die Larmbelastung durch den Zugverkehr die\nAusweisung einer Wohnbauflache uberhaupt moglich erscheinen lasst, offen\ngelassen wurde, so war das Landratsamt G. auch nicht verpflichtet, die\nGenehmigung zu erteilen. Ob daruber hinaus die Probleme der\nSchadstoffverunreinigung des Bodens und der Geeignetheit des Baugrundes\n(Auffullungen) in der Abwagung ausreichend berucksichtigt wurden, braucht\ndeshalb nicht entschieden zu werden. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Klage ist zulassig. Entgegen der Auffassung des Beklagten fehlt es\nnicht an einem zulassigen Widerspruch. Insbesondere wurde dieser vom dafur\nzustandigen Organ eingelegt. Es ist auch nicht rechtsfehlerhaft, dass der\nWiderspruch fur „die Stadt E." erhoben wurde. Die Klagerin ist nach § 59 Abs.\n1 GemO i. V. m. § 1 der Vereinbarung uber die Verwaltungsgemeinschaft die\n„erfullende Gemeinde". In dieser Eigenschaft besitzt sie die eigene\nZustandigkeit fur die vorbereitende Bauleitplanung. Über die\nErfullungsaufgaben entscheidet der „Gemeinsame Ausschuss" an Stelle des\nGemeinderats der erfullenden Gemeinde. Dessen Vorsitzender ist der\nBurgermeister der erfullenden Gemeinde (§ 2 Abs. 4 der Vereinbarung), der die\nBeschlusse auch vollzieht (§ 43 Abs. 1 GemO). Der Burgermeister hat deshalb zu\nRecht fur die Klagerin als in eigener Zustandigkeit handelnde „erfullende\nGemeinde" den Widerspruch erhoben. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Klage ist jedoch nicht begrundet. Die Klagerin hat hinsichtlich der\nvorgesehenen Wohnbauflache „Martinstraße - Mitte" auf Gemarkung E. keinen\nAnspruch auf Genehmigung der Fortschreibung des Flachennutzungsplans der\nvereinbarten Verwaltungsgemeinschaft E./S.. Damit sind der Bescheid des\nLandratsamts G. vom 10.06.2002, soweit dieser angefochten wurde, und der\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums S. vom 22.09.2003 rechtmaßig und\nbeide verletzen die Klagerin nicht in ihren Rechten. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Nach § 6 Abs. 2 BauGB darf die Genehmigung des Flachennutzungsplans nur\nversagt werden, wenn dieser nicht ordnungsgemaß zustande gekommen ist oder\ndiesem Gesetzbuch, den auf Grund dieses Gesetzbuchs erlassenen oder sonstigen\nRechtsvorschriften widerspricht. Gemessen an dieser Vorgabe ist die\nDarstellung der Wohnbauflache „Martinstraße - Mitte" im Flachennutzungsplan\nnicht genehmigungsfahig. Mit der Entscheidung, diese an der Bahnlinie gelegene\nFlache fur eine Wohnbebauung vorzusehen, hat die Klagerin die durch das\nAbwagungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB gezogenen Grenzen der gemeindlichen\nPlanungsfreiheit uberschritten. Aus den Planungsunterlagen ist nicht\nhinreichend deutlich zu entnehmen, dass sich die Klagerin mit den im\nPlanaufstellungsverfahren geaußerten Bedenken hinsichtlich der Geeignetheit\nder Flache als Wohngebiet im Sinne einer Abwagung in ausreichendem Umfang\nauseinander gesetzt hat. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Der Flachennutzungsplan muss im Zeitpunkt seiner Beschlussfassung auch\ninhaltlich rechtmaßig sein. Dies gilt insbesondere fur die nach § 1 Abs. 7\nBauGB gebotene Abwagung. Insoweit regelt § 214 Abs. 3 S. 1 BauGB, dass fur die\nAbwagung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung uber den\nFlachennutzungsplan maßgebend ist. Fur die Genehmigungsbehorde bedeutet dies,\ndass sie nicht verpflichtet werden kann, einen Flachennutzungsplan zu\ngenehmigen, der abwagungsfehlerhaft zustande gekommen ist. Geht es darum, im\nRahmen der Fortschreibung eines Flachennutzungsplans fur eine Flache eine\nbestimmte bauliche Nutzung vorzusehen, so gehort zum maßgeblichen Inhalt der\nAbwagung auch, aufgekommene Bedenken hinsichtlich der Geeignetheit der Flache\nfur die beabsichtigte Nutzung zu prufen und zu klaren. Die endgultige Klarung\nder Frage, ob eine bestimmte Flache als Baugebiet uberhaupt geeignet ist, darf\nnicht dem nachfolgenden Bebauungsplanverfahren uberlassen werden. Es ist\nvielmehr ein Gebot der Rechtsklarheit, dass sich der Burger darauf verlassen\nkonnen muss, dass in den Flachennutzungsplan keine Darstellung aufgenommen\nwird, die nach dem derzeitigen Rechtszustand aus Rechtsgrunden moglicherweise\nnicht verwirklicht werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 21.10.1999 - 4 C 1/99 -,\nBVerwGE 109, 371 = ZfBR 2000, 202). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Gemessen an diesen Grundsatzen leidet die am 19.07.2001 beschlossene\nFortschreibung des Flachennutzungsplans an einem Abwagungsmangel. Die damals\nvorliegende schalltechnische Untersuchung des Ingenieurburos _B. + S. vom\nOktober 1995_ kam zum Ergebnis, dass bei Errichtung einer 4 m hohen\nLarmschutzwand entlang der Bahnlinie die Orientierungswerte von 55 dB(A) tags\nund 45 dB(A) nachts fur ein WA-Gebiet uberschritten werden. Auf Grund der\ndeutlichen Überschreitung der Richtwerte seien passive Schallschutzmaßnahmen\nunabdingbar. Angesichts der Larmbelastung werde die Ausweisung eines Gebiets\nmit moglichst geringem Schutzcharakter angeraten. Bei den passiven\nSchallschutzmaßnahmen werde empfohlen, zur Minderung der\nLarmbeeintrachtigungen die Grundrisse so zu planen, dass schutzbedurftige\nRaume an den vom Larm abgewandten Seiten angeordnet wurden. Auch an den\nGebaudeseiten sollten keine derartigen Raume geplant werden. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| In der Beschlussvorlage vom 29.09.2000 fur die Sitzung des Gemeinsamen\nAusschusses vom 12.10.2000 fand sich auch eine Stellungnahme zu den vom\nLandratsamt G. vorgebrachten Bedenken hinsichtlich der vorgesehenen\nWohnbauflache „Martinstraße". Hierzu hieß es, das Bebauungsplanverfahren\n„Martinstraße-Mitte" liege derzeit zur Genehmigung beim Landratsamt. Der\nGemeinderat habe bereits im Zuge des Bebauungsplanverfahrens die Belange\nabgewogen, die Bedenken zuruckgewiesen und die Realisierung des Baugebiets\nbeschlossen. Das Gebiet sei auf der Grundlage des Bebauungsplanverfahrens in\nden Flachennutzungsplan ubernommen worden. Auf Grund der sehr beschrankten\nWohnbauflachenpotentiale in der Kernstadt und der beabsichtigten Starkung der\nKernstadt durch die Bereitstellung von Wohnbaugrundstucken konne auf die\nDarstellung der Wohnbauflache nicht verzichtet werden. Durch geeignete\nLarmschutzmaßnahmen an den Gebauden und durch einen Larmschutzwall konne dem\nErfordernis nach gesunden Wohn- und Arbeitsverhaltnissen Rechnung getragen\nwerden. Es werde vorgeschlagen, die Bedenken zuruckzuweisen. Diesem\nBeschlussantrag stimmte der Gemeinsame Ausschuss am 12.10.2000 zu. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| In der Beschlussvorlage vom 09.07.2001 fur die Sitzung des Gemeinsamen\nAusschusses vom 19.07.2001 wurde ebenfalls vorgeschlagen, die Bedenken des\nLandratsamts zuruckzuweisen. In der dazu gehorigen Stellungnahme zur\nWohnbauflache „Martinstraße" wurde wiederum ausgefuhrt, der Gemeinderat habe\nbereits im Zuge des Bebauungsplanverfahrens die Belange abgewogen, die\nBedenken zuruckgewiesen und die Realisierung des Baugebiets beschlossen. Das\nGebiet sei auf der Grundlage des Bebauungsplanverfahrens in den\nFlachennutzungsplan ubernommen worden. Auf Grund der sehr beschrankten\nWohnbauflachenpotentiale in der Kernstadt und der beabsichtigten Starkung der\nKernstadt durch die Bereitstellung von Wohnbaugrundstucken konne auf die\nDarstellung der Wohnbauflache nicht verzichtet werden. Weiterhin entspreche es\nden Zielen der Raumordnung und Landesplanung, die offentliche Infrastruktur,\nvor allem den offentlichen Nahverkehr, durch Errichtung von Wohnraum im\nfußlaufigen Umfeld der Haltestellen zu starken. Die als Hinderungsgrund fur\ndie Genehmigung des Bebauungsplans genannten Risikopotentiale\nSchadstoffverunreinigung des Bodens, inhomogene Auffullung in einem\nTeilbereich des Planungsgebiets und Larmbelastung durch den Zugverkehr, die\njeweils in Fachgutachten nachgewiesen worden seien, konnten durch geeignete\nMaßnahmen so beseitigt werden, dass die Belange „Erfordernis von gesunden\nWohn- und Arbeitsverhaltnissen" sowie „Sicherheit der Wohn- und\nArbeitsbevolkerung" berucksichtigt wurden. _Dieser Nachweis k onne und werde\nsinnvoller Weise erst im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens erfolgen._ Das\nGebiet „Martinstraße" solle mit seiner Darstellung in der Fortschreibung des\nFlachennutzungsplans lediglich fur eine kunftige Wohnnutzung gesichert werden.\nInsoweit stehe die Darstellung mit den Grundsatzen einer geordneten\nBauleitplanung im Einklang. Diesem Beschlussvorschlag stimmte der Gemeinsame\nAusschuss am 19.07.2001 zu und stellte die 2. Fortschreibung des\nFlachennutzungsplans fest. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Gerade der dem Feststellungsbeschluss vom 19.07.2001 zu Grunde liegenden\nStellungnahme ist zu entnehmen, dass der Gemeinsame Ausschuss als maßgeblicher\nPlanungstrager selbst nicht davon ausging, die Frage der Geeignetheit des\nGebiets „Martinstraße" als Wohnbauflache sei geklart. Er wollte vielmehr den\nNachweis, die Larmbelastung durch den Zugverkehr auf ein fur Wohngebiete\nzulassiges Maß reduzieren zu konnen, dem Bebauungsplanverfahren uberlassen.\nDer Umstand, dass die Frage der Geeignetheit als Wohnbauflache noch als offen\nangesehen wurde, beruht offensichtlich auf der damals vorliegenden\nschalltechnische Untersuchung des Ingenieurburos _B. + S. vom Oktober 1995_ ,\nin der die Ausweisung eines Gebiets mit moglichst geringem Schutzcharakter\nangeraten wurde und passive Schallschutzmaßnahmen fur unabdingbar erklart\nwurden. Insbesondere wurde empfohlen, zur Minderung der Larmbeeintrachtigungen\ndie Grundrisse so zu planen, dass schutzbedurftige Raume an den vom Larm\nabgewandten Seiten angeordnet werden. Auch an den Gebaudeseiten sollten keine\nderartigen Raume geplant werden. Dass der Gemeinsame Ausschuss angesichts der\nVorgabe, schutzbedurftige Raume nur nach einer einzigen Seite der Gebaude\nausrichten zu konnen, nicht von einer generellen Geeignetheit des Gebiets als\nFlache fur Wohnungen ausgehen konnte und dies auch nicht tat, liegt auf der\nHand. Statt diesen wichtigen Punkt zu klaren, wurde die Frage, ob und ggf. mit\nwelchen Maßnahmen die Larmobergrenzen fur ein Wohngebiet eingehalten werden\nkonnen, dem nachfolgenden Bebauungsplanverfahren uberlassen. Mit der\nWohnbauflache „Martinstraße" wurde damit eine Darstellung in den\nFlachennutzungsplan aufgenommen, die nach dem damaligen Erkenntnisstand aus\nRechtsgrunden moglicherweise nicht wurde verwirklicht werden konnen. In der\nNichtauflosung dieser Ungewissheit liegt ein Abwagungsmangel. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Die spateren erganzenden Stellungnahmen des Ingenieurburos _B. + S. vom\n27.08.2002 und 21.11.2002_ vermogen den Abwagungsmangel nicht zu heilen. Zum\neinen ist - wie bereits ausgefuhrt - fur die Abwagung die Sach- und Rechtslage\nim Zeitpunkt der Beschlussfassung uber den Flachennutzungsplan maßgebend (§\n214 Abs. 3 S. 1 BauGB). Zum anderen wurden in diesen Stellungnahmen keine\nkonkret geeigneten Maßnahmen zur Einhaltung der zulassigen\nLarmorientierungswerte genannt. Lediglich in der erst in der mundlichen\nVerhandlung vorgelegten Stellungnahme des Ingenieurburos _B. + S. vom\n01.03.2004_ wird im Untersuchungsgebiet eine Wohnbebauung ausdrucklich fur\nmoglich gehalten. Wegen der hohen Überschreitung der Orientierungswerte wurden\njedoch neben einem aktiven Larmschutz passive Schallschutzmaßnahmen fur\nerforderlich erachtet, vor allem Schallschutzfenster. Außerdem seien bei\nSchlafraumen zur Sicherstellung eines hygienisch einwandfreien Luftwechsels\nschalldammende, evtl. fensterunabhangige Luftungseinrichtungen vorzusehen.\nSelbst wenn die Stellungnahme in dieser Form dem Planungstrager im Zeitpunkt\nder Abwagung bereits vorgelegen hatte, erscheint hochst fraglich, ob\nangesichts derartiger Schallschutzmaßnahmen davon ausgegangen hatte werden\nkonnen, die Ausweisung einer Wohnbauflache sei stadtebaulich sinnvoll und die\nFrage der Geeignetheit sei ausreichend geklart. Es spricht vielmehr alles\ndafur, dass sich fur den Planungstrager die Frage hatte aufdrangen mussen, ob\ndie Flache angesichts der erforderlichen gravierenden passiven\nSchallschutzmaßnahmen uberhaupt fur Wohnzwecke geeignet ist und unter welchem\nGesichtspunkt eine solche Planung sinnvoll erscheint. Hierzu hatte es einer\nausfuhrlichen Abwagung im Rahmen des Flachennutzungsplanverfahrens bedurft. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Ist die Fortschreibung des Flachennutzungsplans somit rechtsfehlerhaft zu\nStande gekommen, weil die Frage, ob die Larmbelastung durch den Zugverkehr die\nAusweisung einer Wohnbauflache uberhaupt moglich erscheinen lasst, offen\ngelassen wurde, so war das Landratsamt G. auch nicht verpflichtet, die\nGenehmigung zu erteilen. Ob daruber hinaus die Probleme der\nSchadstoffverunreinigung des Bodens und der Geeignetheit des Baugrundes\n(Auffullungen) in der Abwagung ausreichend berucksichtigt wurden, braucht\ndeshalb nicht entschieden zu werden. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n---\n\n
151,836
vg-sigmaringen-2007-10-10-3-k-10206
159
Verwaltungsgericht Sigmaringen
vg-sigmaringen
Sigmaringen
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
3 K 102/06
2007-10-10
2019-01-09 21:09:55
2019-01-17 12:04:32
Urteil
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDie Klager tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.\n\nDas Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorlaufig vollstreckbar. Die Klager\nkonnen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Hohe\ndes zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor\nVollstreckung Sicherheit in gleicher Hohe leistet.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die fruhere selbststandige Gemeinde H. ist heute ein Ortsteil der Gemeinde\nG.-H.. Die Klager wenden sich gegen die Schließung der Grundschule H.. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die ehemalige Gemeinde H. wurde aufgrund der Vereinbarung uber die\nVereinigung der Gemeinden G. und H. vom 06.06.1974 und der Genehmigung des\nRegierungsprasidiums T. vom 25.06.1974 mit der damaligen Gemeinde G. mit\nWirkung zum 01.01.1975 zur beklagten Gemeinde G.-H. vereinigt. Bis zu diesem\nZeitpunkt wurde sowohl in G. als auch in H. eine Grundschule unterhalten. Auch\nnach der Vereinigung der beiden Gemeinden wurde weiterhin in diesen\nGrundschulen unterrichtet. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| In der Vereinigungsvereinbarung wurden u. a. Regelungen uber die Schulen in\nG. und H. getroffen. § 19 der Vereinbarung lautet wie folgt: \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| \n--- \n| _„ § 19 Schulwesen_ \n--- \n| _(1) Die Grundschulen in G. und H. m ussen, solange dies gesetzlich moglich\nist, im Sinne der bestehenden Vereinbarung vom 23.07.1973 erhalten bleiben._ \n--- \n| _(2) Die Schulr aume in H. mussen dabei im Rahmen von Abs. 1 unter eigener\nLeitung stets mit 3 Klassen belegt sein."_ \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Gegenstand der Vereinbarung vom 23.07.1973 war im Wesentlichen die\nVerteilung der Schulkinder der Stadt O. aus der ehemaligen Gemeinde R. ohne W.\nauf die Grundschulen der ehemaligen Gemeinden G. und H.. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Zu dieser Zeit besuchten etwa 100 Kinder in drei Jahrgangsklassen die\nGrundschule H., in die Grundschule G. gingen damals etwa 170 Kinder in funf\nJahrgangsklassen. Nachdem im Jahre 1985 die Grundschule R. wieder eroffnet\nwurde, kundigte die Stadt O. die Vereinbarung uber die\nNachbarschaftsgrundschulen am 25.07.1985 und am 24.06.1986 gemaß § 5 der\nVereinbarung. Die hiergegen gerichteten Klagen der jetzigen Beklagten blieben\nerfolglos (VGH Baden-Wurttemberg, Urteil vom 19.05.1988 - 9 S 2255/87). Da die\nKinder aus diesem Gebiet die Grundschulen G. und H. nicht mehr besuchten,\nwurden bis 2002 die Grundschuler in Jahrgangsklassen zusammengefasst und\nwechselweise in G. und H. eingeschult. Fur das Schuljahr 2004/2005 wurde die\nin G. frei gewordene Rektorenstelle durch das Staatliche Schulamt B. nicht neu\nbesetzt. Die Leitung der Grundschule G. wurde der Rektorin der Grundschule H.\nubertragen. Das Staatliche Schulamt B. schlug der Beklagten mit Schreiben vom\n07.06.2004 vor, beide Grundschulen zusammenzulegen. Als Grunde wurden die\nSchulerzahlen und ein effizienterer Lehrereinsatz angefuhrt. Im Schuljahr\n2004/2005 besuchten insgesamt 97 Schulkinder die Grundschule G.-H. im Teilort\nG.. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Gemeinderat der Beklagten entschied sich am 19.07.2004, ab dem Schuljahr\n2004/2005 die Schulkinder der Gemeinde lediglich in G. zu unterrichten. Nach\nÜberprufung durch das Landratsamt B. wurde diese Entscheidung am 27.08.2004 im\nAmtsblatt der Beklagten bekannt gemacht. Mit Schreiben vom 25.08.2004 stimmte\ndas Ministerium fur Kultus, Jugend und Sport der Aufhebung der Grundschule H.\nund der Erweiterung des Schulbezirks der Grundschule G. um den ehemaligen\nSchulbezirk der Grundschule H. zu. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| In der Folge wurden von den Einwohnern einige Widerspruche eingelegt sowie\neinstweiliger Rechtsschutz beantragt. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Nachdem sich der Gemeinderat der Beklagten hierauf mehrmals fur eine\nZusammenlegung der Grundschulen aussprach und dagegen von\nGemeinderatsmitgliedern jeweils der Rechtsweg beschritten wurde, wurde das\ndiesem Verfahren vorangehende Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen\nvergleichsweise beendet. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Zunachst fand ein Mediationsverfahren mit Vertretern des Oberschulamts T.\nund den Gemeinderaten erfolglos statt. Nach entsprechender Absprache mit den\ndortigen Beteiligten blieb der Prozessvertreter der ehemaligen Gemeinde H.\nnach der ersten Sitzung fern. Hierauf entschied der Gemeinderat der Beklagten\nam 25.07.2005 erneut, die beiden Grundschulen zusammenzulegen. Dieser\nBeschluss wurde am 29.07.2005 im Mitteilungsblatt der Beklagten offentlich\nbekannt gemacht. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Am 16.08.2005 legte der Prozessvertreter mit Vollmachten von drei ehemaligen\nGemeinderaten der fruheren Gemeinde H. Widerspruch gegen den Beschluss ein,\nder offenbar nicht beschieden wurde. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Am 27.01.2006 erhoben die Klager fur die ehemalige Gemeinde H. gegen die\nbeklagte Gemeinde G.-H. Klage beim Verwaltungsgericht Sigmaringen. Zur\nBegrundung tragen sie zur Zulassigkeit der Klage im Wesentlichen vor, in\nStreitigkeiten aus Eingemeindungsvertragen seien untergegangene Gemeinden im\nRahmen eines gerichtlichen Verfahrens beteiligungsfahig. Diese Befugnis\numfasse Streitigkeiten uber Regelungen die als Gegenleistung zur Aufgabe der\nSelbststandigkeit der untergegangenen Gemeinde aufgenommen wurden. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die ordnungsgemaße Bevollmachtigung des Prozessvertreters folge aus\nentsprechenden Erklarungen dreier ehemaliger Gemeinderate, eines im Gebiet der\nehemaligen Gemeinde H. wohnhaften derzeitigen Gemeinderats sowie eines\nZehntels der derzeitigen Bewohner des Teilorts. Die Vorschriften uber\nBurgerentscheide und Burgerbegehren seien hinsichtlich der Artikulation des\nWillens dieses Bevolkerungsanteils entsprechend heranzuziehen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Um dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes gemaß Art. 19 Abs. 4 GG genugen\nzu konnen, sei zumindest die Bestellung eines Pflegers zur Durchsetzung der\nRechte der ehemaligen Gemeinde H. geboten. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Klage sei auch begrundet, weil die Beklagte gemaß § 19 der Vereinbarung\nverpflichtet sei, die Grundschule in H. zu erhalten. Die Regelungen seien\nunabhangig von Schulerzahlen in die Vereinigungsvereinbarung aufgenommen\nworden. Daher konne ein Ruckgang der Schulerzahlen kein Kriterium fur die\nSchließung der Grundschule darstellen. Da in § 20 Abs. 2 des Vertrags\nRegelungen fur sinkende Kinderzahlen im Bezug auf die Kindergarten aufgenommen\nwurden, konne man schließen, dass wegen fehlender entsprechender Regelung in §\n19 der Vereinbarung die Schulerzahl fur den Erhalt der Grundschulen\nunbeachtlich gewesen sein soll. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Um gemaß § 12 der Vereinbarung vergleichbare Lebensbedingungen in G. und H.\ngewahrleisten zu konnen, sei jeweils eine Grundschule zwingend erforderlich.\nHierfur spreche auch § 7 des Vertrags, der die Erfullung der Vereinbarung im\nGeiste der Gleichbehandlung fordere. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Des Weiteren sei mit § 19 Abs. 2 der Vereinbarung ausdrucklich dem\nFortbestand der Grundschule H. ein Vorzug eingeraumt. Bloße Schwierigkeiten\nder Beklagten bei der Finanzierung der beiden Grundschulen in H. und G. wurden\neine Zusammenlegung nicht rechtfertigen, da der Betrieb beider Schulen zwar\nmit Anstrengungen, aber dennoch im gesetzlichen Rahmen moglich sei. Zudem sei\ndas Schulgebaude in H. in funktionsfahigem Zustand. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die gesetzlichen Voraussetzungen fur eine Schule in H. seien auch nicht mit\nder Aufhebung der Vereinbarung vom 23.07.1973 entfallen. Vielmehr sei auch\nweiterhin ein offentliches Bedurfnis am Erhalt der Schule gegeben, da\nverbindliche Zusagen der zustandigen obersten Schulbehorde mit den Schreiben\ndes Ministeriums fur Kultus und Sport Baden-Wurttemberg vom 21.11.1985 und vom\n23.02.1986 gegeben worden seien. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| In der Beschlussfassung habe die Beklagte die Auswirkungen einer\nSchulschließung auf die Schulkinder nicht ausreichend berucksichtigt,\nfinanzielle Erwagungen hatten statt dessen im Vordergrund gestanden. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Ein Anspruch der Beklagten auf Vertragsanpassung sei schon deshalb nicht\ngegeben, weil die Parteien bei Abschluss der Vereinbarung bereits mit\nrucklaufigen Kinderzahlen gerechnet hatten, wie § 20 Abs. 2 der Vereinbarung\nzeige, weshalb dies keine unvorgesehene Änderung des zu Grunde liegenden\nSachverhalts darstellen konne. Das Fernbleiben vom Mediationsverfahren konne\nder ehemaligen Gemeinde H. nicht angelastet werden, da dies im Einverstandnis\nmit dem Gemeinderat der Beklagten erfolgt sei. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Klager beantragen, \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| festzustellen, dass der Beschluss des Gemeinderats der Beklagten vom\n25.07.2005, offentlich bekannt gemacht am 29.07.2005, rechtswidrig ist und die\nBeklagte gemaß § 19 der Vereinbarung uber die Vereinigung der Gemeinden G. und\nH. zu verpflichten, im Ortsteil H. weiterhin eine Grundschule zu unterhalten. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 24 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Beklagte ist der Auffassung, die ehemalige Gemeinde H. sei nicht mehr\nbeteiligungsfahig. Nachdem sie in der Beklagten als deren Rechtsnachfolgerin\naufgegangen sei, obliege die Vertretung dem Gemeinderat der Beklagten, nicht\nmehr dem ehemaligen Gemeinderat der untergegangenen Gemeinde H.. Aufgrund der\nunechten Teilortswahl sei auch eine ausreichende Reprasentation der Bewohner\nder ehemaligen Gemeinde H. gewahrleistet. Da kein Ortschaftsrat fur den\nTeilort H. existiere, konne der derzeitige Gemeinderat B. keine\nVertretungsbefugnis beanspruchen. Gleiches gelte fur die im Teilort H.\nwohnende Bevolkerung, welche fur eine Bevollmachtigung zur Vertretung der\nehemaligen Gemeinde H. unterschrieben hat. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Eine außergerichtliche Streitbeilegung sei nicht unternommen worden, obwohl\n§ 29 der Vereinigungsvereinbarung dieser einen Vorrang einraume. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Beschluss des Gemeinderats der Beklagten vom 25.07.2005 sei außerdem\nrechtmaßig und verletze die ehemalige Gemeinde H. nicht in deren Rechten. Nach\nAbwagung aller in Frage stehenden Argumente stehe auch nicht § 19 der\nVereinbarung entgegen. Diese Regelung der Vereinbarung durfe die Beklagte bei\neiner wesentlichen Änderung der Verhaltnisse finanziell nicht unvertretbar\neinschranken. Die von den Klagern zitierten Schreiben des Kultusministeriums\nwurden keine rechtsverbindlichen Zusagen darstellen, sondern nur politische\nAussagen enthalten. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Wegen der Bezugnahme des § 19 der Vereinigungsvereinbarung auf die\nVereinbarung vom 23.07.1973 habe sich der Sachverhalt, welcher der\nVereinigungsvereinbarung zu Grunde lag, wesentlich geandert. Da nach\nvorheriger, wirksamer Kundigung der Vereinbarung vom 23.07.1973 die\nGrundschule in R. wieder geoffnet wurde, nahmen die Schuler aus dieser Gegend\nnicht mehr am Schulbetrieb in G. und H. teil - dies habe einen erheblichen\nRuckgang der Schulerzahl nach sich gezogen. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Aufgrund der stetig schlechter werdenden Haushaltslage sei es der Beklagten\nnicht langer zuzumuten, die Grundschule in H. zu betreiben, zumal\nRenovierungen in großerem Umfang an den beiden Schulgebauden in H. und G.\nnotwendig seien. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Wegen der weiteren Beteiligtenvorbringen wird auf die Verfahrensakten nebst\nAnlagen verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 31 \n--- \n| Nachdem die Beteiligten ubereinstimmend auf weitere mundliche Verhandlung\nverzichtet haben, konnte das Gericht gemaß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mundliche\nVerhandlung entscheiden. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Klage ist unzulassig, weil die ehemalige Gemeinde H., fur die die Klager\nhandeln wollen, nicht gemaß § 61 VwGO beteiligtenfahig ist. Zwar ist in der\nRechtsprechung anerkannt, dass nach der Eingliederung einer Gemeinde in eine\nandere Gemeinde die untergegangene Gemeinde trotz ihrer Auflosung befugt ist,\ndie Rechte in einem gerichtlichen Rechtsschutzverfahren geltend zu machen, die\nmit ihrem Untergang in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen (vgl. z.B. VGH\nBaden-Wurttemberg, Urteil vom 29.03.1979 - I 1367/78 -, DÖV 1979, 605-606\nm.w.N.). Dies wird zum einen damit begrundet, dass sonst die vertraglich\nvereinbarten Rechte mit Inkrafttreten des Vertrags gegenstandslos wurden, weil\nes an einem „Klager" fehlen wurde, der diese Rechte geltend machen konnte. Zum\nanderen wird der Regelung in § 9 Abs. 1 S. 4 GemO, nach der in der\nEingliederungsvereinbarung Bestimmungen uber eine befristete Vertretung der\neingegliederten Gemeinde bei Streitigkeiten uber die Vereinbarung zu treffen\nsind, entnommen, dass auch der Gesetzgeber von einem Fortbestand der\nuntergegangenen Gemeinde fur Streitigkeiten aus dem Vertrag ausgeht. Diese\nVerpflichtung besteht aber nur fur die Konstellation des § 9 Abs. 1 S. 3 GemO\n(Eingliederung einer Gemeinde in eine andere Gemeinde), bei der die\naufnehmende Gemeinde - wenn auch in veranderter Form - bestehen bleibt, nicht\njedoch fur den Fall des § 9 Abs. 1 S. 2 GemO (Bildung einer neuen Gemeinde),\nbei dem keine der bisherigen Gemeinden fortbesteht, sondern ausschließlich\neine neue Gemeinde entsteht. Ganz offensichtlich hat der Gesetzgeber die\nBestimmung in § 9 Abs. 1 S. 4 GemO nicht auch fur diese Konstellation\ngetroffen, weil er ein Fortbestehen der bisherigen Gemeinden nicht einmal fur\nStreitigkeiten aus dem Vereinigungsvertrag angenommen hat. Auch die der Kammer\nbekannten Entscheidungen anderer Verwaltungsgerichte behandeln nur\nEingemeindungen in andere Gemeinden (so auch das Urteil es VG Freiburg vom\n02.02.2005 - 7 K 1212/04 -, auf das sich die Klager berufen). Eine analoge\nAnwendung auf die Situation des § 9 Abs. 1 S. 2 GemO ist nicht zulassig. Da §\n9 Abs. 1 S. 4 GemO ausdrucklich auf den Satz 3 beschrankt worden ist, kann dem\nGesetzgeber nicht unterstellt werden, dass es sich hierbei um ein Versehen und\ndamit um eine Gesetzeslucke handelt. Vielmehr muss davon ausgegangen werden,\ndass es sich um eine bewusste Differenzierung handelt, weil unterschiedliche\nAuslegungen der Grundungsvereinbarung vom neu zu wahlenden Gemeinderat der\nneuen Gemeinde, in dem die Bevolkerung ihrem Anteil entsprechend vertreten\nist, entschieden werden sollen. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Entgegen der Ansicht der Klager verliert die Vereinigungsvereinbarung damit\nnicht jeglichen Wert, weil die Einhaltung ihrer Bestimmungen nicht durch die\nehemalige Gemeinde durchgesetzt werden kann. Nach dem verfassungsrechtlichen\nGrundsatz der Gesetzmaßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) ist die neu\nentstandene Gemeinde gehalten, die vertraglich festgelegten Verpflichtungen zu\nbeachten. Gemaß § 118 Abs. 1 GemO ist die Rechtsaufsichtsbehorde berechtigt\nund verpflichtet, die Beachtung des Verfassungsgrundsatzes zu uberwachen und\nnotfalls mit Aufsichtsmaßnahmen durchzusetzen (§§ 120 bis 124 GemO; vgl. auch\nAltenmuller DÖV 1977, 34 / 38). Im Rahmen einer Maßnahme der Kommunalaufsicht\nkonnte dann auch gerichtlich gepruft werden, ob ein Verstoß gegen die\nVereinigungsvereinbarung vorliegt. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Klage ist auch deshalb unzulassig, weil eine fingierte ehemalige\nGemeinde H. nicht prozessfahig im Sinne des § 62 Abs. 3 VwGO ist. Danach\nhandeln fur Vereinigungen, zu denen auch die juristischen Personen gehoren\n(vgl. Kopp / Schenke, VwGO, 13. Aufl., Rdnr. 14 zu § 62), ihre gesetzlichen\nVertreter, Vorstande oder besonders Beauftragten. Die vertragsschließenden\nGemeinden haben in der Vereinbarung vom 06.06.1974 keine Bevollmachtigten fur\netwaige Rechtsstreitigkeiten bestellt, was der gesetzlichen Vorgabe entsprach.\nDenn in § 9 Abs. 1 S. 4 GemO werden Bestimmungen uber eine befristete\nVertretung bei Streitigkeiten uber die Vereinbarung nur fur den Fall des\nSatzes 3 verlangt, d.h. bei der Eingliederung einer Gemeinde in eine andere\nGemeinde, nicht jedoch bei der Bildung einer neuen Gemeinde aus mehreren\nGemeinden (Satz 2). \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Eine Vertretung durch die drei ehemaligen Gemeinderate der ehemaligen\nGemeinde H., die als deren Vertreter auftreten, verbietet sich aus\ngrundsatzlichen kommunalrechtlichen Erwagungen. Zum einen konnen nicht\neinzelne Gemeinderatsmitglieder fur die Gemeinde handeln, sondern immer nur\nder Gemeinderat oder beschließende Ausschusse als Gremium aufgrund eines mit\nMehrheit gefassten Beschlusses (vgl. §§ 23, 24, 37 und 39 GemO). Zum anderen\nhatten Gemeinderate schon immer ein zeitlich befristetes Mandat (fruher vier\nJahre, jetzt funf Jahre). Nach Ablauf dieses Mandats sind sie nicht einmal\nmehr befugt, an der Willensbildung der Gemeinde unmittelbar mitzuwirken; noch\nweniger konnen sie Rechte der Gemeinde geltend machen. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Deshalb kann auch ein einzelnes Gemeinderatsmitglied, das noch im Amt ist,\nselbst dann nicht die Rechte der ehemaligen Gemeinde wahrnehmen, wenn es\naufgrund der unechten Teilortswahl fur den Teilort der untergegangenen\nGemeinde gewahlt worden ist, wie von den Klagern hilfsweise geltend gemacht\nworden ist. Selbst alle fur diesen Teilort gewahlten Vertreter gemeinsam waren\nhierzu nicht befugt, weil sie zum einen kein handlungs- und\nentscheidungsfahiges Kommunalgremium darstellen und zum anderen von den\nBurgern der gesamten Gemeinde und nicht nur von denen des Teilorts gewahlt\nwerden. Sie reprasentieren somit nicht nur die Bewohner des Teilorts, sondern\ndie Bevolkerung der gesamten Gemeinde (vgl. auch Altenmuller DÖV 1977, 34 /\n40). \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Ebenso wenig konnen 10 v.H. der wahlberechtigten Gemeindeeinwohner die\nehemalige Gemeinde vertreten, obwohl sie im Teilort H. wohnen. Da das\nKommunalverfassungsrecht eine solche Vertretung nicht kennt, kann sie schon\ndeshalb nicht als Hilfskonstruktion fur die Vertretung einer ehemaligen\nGemeinde herangezogen werden. Daruber hinaus konnen Burger in dieser Anzahl\nlediglich erreichen, dass ein Burgerentscheid durchgefuhrt wird (vgl. § 21\nAbs. 3 GemO). Fur eine verbindliche Entscheidung ist eine qualifizierte\nMehrheit von 25 v. H. der Stimmberechtigten erforderlich (§ 21 Abs. 6 GemO).\nDa aber gemaß § 21 Abs. 2 Nr. 7 GemO ein Burgerentscheid bei Entscheidungen in\nRechtsmittelverfahren nicht zulassig ist, ist es hochst fraglich, ob selbst\nbei extensiver Auslegung diese qualifizierte Mehrheit fur die ehemalige\nGemeinde die Erhebung einer Klage beschließen konnte. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Schließlich kame auch die ins Gesprach gebrachte Bestellung eines\nProzesspflegers nicht in Betracht. Schon gemaß § 173 VwGO in Verbindung mit §\n59 ZPO, auf den verwiesen wird, ist nur dem Beklagten unter bestimmten\nVoraussetzungen ein Prozesspfleger zu bestellen. Der ehemaligen Gemeinde H.\nkonnte diese Norm nicht weiterhelfen (Baumbach / Lauterbach / Albers /\nHartmann, ZPO 61. Aufl., Rdnr. 3 zu § 57). Vor allem aber sind juristische\nPersonen des offentlichen Rechts als solche nicht prozessfahig i. S. des § 62\nAbs. 1 VwGO, sondern handeln durch ihre gesetzlichen Vertreter (vgl. auch Kopp\n/ Schenke, VwGO, 13. Aufl., Rdnr. 14 zu § 62). Wer gesetzlicher Vertreter ist,\nergibt sich aus dem materiellen Recht, so dass sich fur die ehemalige Gemeinde\nauch in diesem Zusammenhang wieder die oben erorterten Probleme stellen. Sie\nkonnen durch die im Gesetz fur einen Klager grundsatzlich nicht vorgesehene\nBestellung eines Prozesspflegers nicht umgangen werden. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Die Klage ist aber auch nicht in Bezug auf die Klager selbst zulassig. Die\nKlager konnen nicht geltend machen, dass durch den Gemeinderatsbeschluss vom\n25.07.2005 die Moglichkeit der Verletzung eigener Rechte im Sinne des § 42\nAbs. 2 VwGO gegeben ist, da sie durch den Beschluss rechtlich nicht betroffen\nsind und § 19 der Vereinbarung keine Individualrechte begrundet hat. Ebenso\nwenig haben sie (personlich) ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 43 Abs.\n1 VwGO an der beantragten Feststellung dargelegt. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Die Klage hat aber auch dann keinen Erfolg, wenn man die Zulassigkeit der\nKlage und eine wirksame Vertretung der ehemalige Gemeinde H. unterstellt _._\nAuch unter Berucksichtigung des § 19 der Vereinbarung vom 06.06.1974 ist der\nBeschluss des Gemeinderats der Beklagten vom 25.07.2005 nicht rechtswidrig und\nist die Beklagte nicht verpflichtet, im Teilort H. weiterhin eine Grundschule\nzu unterhalten. Gemaß § 19 Abs. 1 der Vereinbarung besteht diese Verpflichtung\nnur, „solange dies gesetzlich moglich ist". Da auch die Gemeinden gehalten\nsind, bei ihrem Handeln Recht und Gesetz zu beachten, sind freiwillige\noffentlich-rechtliche Verpflichtung grundsatzlich unter Beachtung bindender\ngesetzlicher Vorgaben auszulegen. Die in § 19 der Vereinbarung enthaltene\nEinschrankung „solange dies gesetzlich moglich ist" kann nicht nur auf\nschulrechtliche Normen beschranken werden. Die Gemeinden sind gemaß § 77 Abs.\n2 GemO verpflichtet, die Haushaltswirtschaft sparsam und wirtschaftlich zu\nfuhren. Die Verpflichtung aus § 19 Abs. 1 der Vereinbarung besteht deshalb nur\nsolange, wie dies unter Beachtung auch des § 77 Abs. 2 GemO moglich ist, weil\nsonst ein Verstoß gegen zwingendes Recht gegeben ware. Die Renovierung und\nweitere Unterhaltung eines zweiten Schulgebaudes, obwohl alle Schuler\nproblemlos in dem Gebaude im Teilort G. Platz haben, wurde gegen den Grundsatz\nder sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsfuhrung verstoßen. Ob die Beklagte\ndie Renovierungskosten in jeder Hinsicht richtig ermittelt hat, ist in diesem\nZusammenhang rechtlich ohne Bedeutung, denn unter den gegebenen Verhaltnissen\nist jede Renovierung der Schule im Teilort H. zu schulischen Zwecken\nunwirtschaftlich. Bei der geringen Entfernung und dem von der Beklagten\norganisierten Bustransfer zur Schule konnen alle Grundschuler aus dem Teilort\nH. muhelos die Grundschule im Teilort G. besuchen. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Da schon aus diesem Grund § 19 der Vereinbarung die Beklagte nicht zur\nErhaltung der Schule im Teilort H. verpflichtet, braucht nicht weiter\nuntersucht zu werden, welche Auswirkungen die Nichtigkeit des § 19 Abs. 2 der\nVereinbarung auf den Absatz 1 hat (vgl. § 59 Abs. 3 LVwVfG). Mit der\nBestimmung, dass die Schule im Teilort H. unter eigener Leitung betrieben\nwerde musse, haben die Vertragsschließenden etwas Unmogliches vereinbart, weil\ndie Schulleitung von der staatlichen Schulverwaltung und nicht vom Schultrager\nbestellt wird. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Schließlich gilt auch fur offentlich-rechtliche Vertrage die sog. „clausula\nrebus sic stantibus", die in § 60 Abs. 1 LVwVfG ihren Niederschlag gefunden\nhat. Haben sich die Verhaltnisse, die fur die vertragliche Regelung maßgebend\ngewesen sind, seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geandert, dass einer\nVertragspartei das Festhalten an der ursprunglichen vertraglichen Regelung\nnicht mehr zuzumuten ist, so ist entweder der Vertrag den aktuellen\nVerhaltnissen anzupassen oder, sofern dies nicht moglich ist, die vertragliche\nBestimmung nicht mehr verbindlich. Zwar kann dieser Grundsatz\nhochstwahrscheinlich nicht unmittelbar angewandt werden, weil die Beklagte\nnicht Vertragspartnerin im eigentlichen Sinne ist (vgl. oben Ziffer 1), doch\ngilt dieser Rechtsgedanke auch bei einer Vereinbarung zur Grundung einer neuen\nGemeinde. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Eine wesentliche Änderung ist in zweierlei Hinsicht eingetreten. Zum einen\nist die Vereinbarung mit der Stadt O. vom 23.07.1973, die in § 19 Abs. 1 der\nVereinbarung ausdrucklich erwahnt ist, 1985 und 1986 gekundigt worden. Dies\nist eine Tatsache, so dass es nicht entscheidend darauf ankommt, ob diese\nBestimmung vor allem im Hinblick auf die Schulvereinbarung getroffen worden\nist. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Zum anderen besuchten bei Inkrafttreten der Vereinbarung etwa so viele\nKinder allein die Grundschule in H. wie heute aus beiden Teilorten zusammen\neingeschult sind. Die Gesamtschulerzahl belauft sich heute auf etwa ein\nDrittel der damaligen Schulerzahl (98: 270). Schon allein in dieser Tatsache\nliegt eine so wesentliche Veranderung der maßgebenden Umstande, dass die\nUnterhaltung von zwei Schulgebauden insbesondere im Hinblick auf § 77 Abs. 2\nGemO der Beklagten nicht mehr zuzumuten ist. Aus diesem Grund ist es der\nBeklagten auch nicht zuzumuten, das Schulgebaude im Teilort H. zu erweitern,\num diesen Schulstandort zu erhalten, obwohl das Raumangebot im Teilort G.\nausreichend ist. Schließlich kann dem § 19 der Vereinbarung auch keine\nBevorzugung des Teilorts H. zu Lasten des Teilorts G. entnommen werden. Die\ndamaligen Vertragspartner sind ganz offensichtlich davon ausgegangen, dass der\nStandort G. nicht zur Disposition steht. Das wird insbesondere durch die\nBezugnahme auf die Schulvereinbarung vom 23.07.1973 deutlich, weil zum\nStichtag 15.10.1972 von den 100 Schulern in H. 49 aus R. stammten, wahrend bei\n170 Schulern in G. nur 24 aus R. kamen. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 159 S. 2 VwGO. Zwar sind\ndie Kosten grundsatzlich dem unterliegenden Beteiligten auch dann\naufzuerlegen, wenn er wegen seiner Prozessunfahigkeit unterliegt. Ist jedoch\nfur eine nicht existente juristische Person Klage erhoben worden, konnen die\nKosten nur denjenigen naturlichen Personen auferlegt werden, die als Vertreter\nder nicht existenten Beteiligten auftreten. Die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. mit §§ 708 Nr. 11 und\n711 ZPO. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Die Berufung war nicht gemaß § 124 a Abs. 1 VwGO in der Fassung des Gesetzes\nzur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess zuzulassen, weil\nkeiner der Grunde des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO vorliegt.\nInsbesondere liegt keine Divergenz zum Urteil des VGH Baden-Wurttemberg vom\n29.03.1979 - I 1367/78 - vor, weil dieser Entscheidung im maßgeblichen Punkt\nein anderer Sachverhalt zugrunde lag. Klagerin war eine ehemalige Gemeinde,\ndie in eine andere Gemeinde eingemeindet worden war, und nicht eine ehemalige\nGemeinde, die sich mit einer anderen Gemeinde zu einer vollig neuen Gemeinde\nzusammen geschlossen hatte. Im Übrigen ist die Unzulassigkeit der Klage nicht\ndie allein tragende Begrundung des Urteil, den die Kammer hat die Klage auch -\nbei unterstellter Zulassigkeit - als unbegrundet abgewiesen, wie im Einzelnen\nausgefuhrt worden ist. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 31 \n--- \n| Nachdem die Beteiligten ubereinstimmend auf weitere mundliche Verhandlung\nverzichtet haben, konnte das Gericht gemaß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mundliche\nVerhandlung entscheiden. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Klage ist unzulassig, weil die ehemalige Gemeinde H., fur die die Klager\nhandeln wollen, nicht gemaß § 61 VwGO beteiligtenfahig ist. Zwar ist in der\nRechtsprechung anerkannt, dass nach der Eingliederung einer Gemeinde in eine\nandere Gemeinde die untergegangene Gemeinde trotz ihrer Auflosung befugt ist,\ndie Rechte in einem gerichtlichen Rechtsschutzverfahren geltend zu machen, die\nmit ihrem Untergang in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen (vgl. z.B. VGH\nBaden-Wurttemberg, Urteil vom 29.03.1979 - I 1367/78 -, DÖV 1979, 605-606\nm.w.N.). Dies wird zum einen damit begrundet, dass sonst die vertraglich\nvereinbarten Rechte mit Inkrafttreten des Vertrags gegenstandslos wurden, weil\nes an einem „Klager" fehlen wurde, der diese Rechte geltend machen konnte. Zum\nanderen wird der Regelung in § 9 Abs. 1 S. 4 GemO, nach der in der\nEingliederungsvereinbarung Bestimmungen uber eine befristete Vertretung der\neingegliederten Gemeinde bei Streitigkeiten uber die Vereinbarung zu treffen\nsind, entnommen, dass auch der Gesetzgeber von einem Fortbestand der\nuntergegangenen Gemeinde fur Streitigkeiten aus dem Vertrag ausgeht. Diese\nVerpflichtung besteht aber nur fur die Konstellation des § 9 Abs. 1 S. 3 GemO\n(Eingliederung einer Gemeinde in eine andere Gemeinde), bei der die\naufnehmende Gemeinde - wenn auch in veranderter Form - bestehen bleibt, nicht\njedoch fur den Fall des § 9 Abs. 1 S. 2 GemO (Bildung einer neuen Gemeinde),\nbei dem keine der bisherigen Gemeinden fortbesteht, sondern ausschließlich\neine neue Gemeinde entsteht. Ganz offensichtlich hat der Gesetzgeber die\nBestimmung in § 9 Abs. 1 S. 4 GemO nicht auch fur diese Konstellation\ngetroffen, weil er ein Fortbestehen der bisherigen Gemeinden nicht einmal fur\nStreitigkeiten aus dem Vereinigungsvertrag angenommen hat. Auch die der Kammer\nbekannten Entscheidungen anderer Verwaltungsgerichte behandeln nur\nEingemeindungen in andere Gemeinden (so auch das Urteil es VG Freiburg vom\n02.02.2005 - 7 K 1212/04 -, auf das sich die Klager berufen). Eine analoge\nAnwendung auf die Situation des § 9 Abs. 1 S. 2 GemO ist nicht zulassig. Da §\n9 Abs. 1 S. 4 GemO ausdrucklich auf den Satz 3 beschrankt worden ist, kann dem\nGesetzgeber nicht unterstellt werden, dass es sich hierbei um ein Versehen und\ndamit um eine Gesetzeslucke handelt. Vielmehr muss davon ausgegangen werden,\ndass es sich um eine bewusste Differenzierung handelt, weil unterschiedliche\nAuslegungen der Grundungsvereinbarung vom neu zu wahlenden Gemeinderat der\nneuen Gemeinde, in dem die Bevolkerung ihrem Anteil entsprechend vertreten\nist, entschieden werden sollen. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Entgegen der Ansicht der Klager verliert die Vereinigungsvereinbarung damit\nnicht jeglichen Wert, weil die Einhaltung ihrer Bestimmungen nicht durch die\nehemalige Gemeinde durchgesetzt werden kann. Nach dem verfassungsrechtlichen\nGrundsatz der Gesetzmaßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG) ist die neu\nentstandene Gemeinde gehalten, die vertraglich festgelegten Verpflichtungen zu\nbeachten. Gemaß § 118 Abs. 1 GemO ist die Rechtsaufsichtsbehorde berechtigt\nund verpflichtet, die Beachtung des Verfassungsgrundsatzes zu uberwachen und\nnotfalls mit Aufsichtsmaßnahmen durchzusetzen (§§ 120 bis 124 GemO; vgl. auch\nAltenmuller DÖV 1977, 34 / 38). Im Rahmen einer Maßnahme der Kommunalaufsicht\nkonnte dann auch gerichtlich gepruft werden, ob ein Verstoß gegen die\nVereinigungsvereinbarung vorliegt. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Die Klage ist auch deshalb unzulassig, weil eine fingierte ehemalige\nGemeinde H. nicht prozessfahig im Sinne des § 62 Abs. 3 VwGO ist. Danach\nhandeln fur Vereinigungen, zu denen auch die juristischen Personen gehoren\n(vgl. Kopp / Schenke, VwGO, 13. Aufl., Rdnr. 14 zu § 62), ihre gesetzlichen\nVertreter, Vorstande oder besonders Beauftragten. Die vertragsschließenden\nGemeinden haben in der Vereinbarung vom 06.06.1974 keine Bevollmachtigten fur\netwaige Rechtsstreitigkeiten bestellt, was der gesetzlichen Vorgabe entsprach.\nDenn in § 9 Abs. 1 S. 4 GemO werden Bestimmungen uber eine befristete\nVertretung bei Streitigkeiten uber die Vereinbarung nur fur den Fall des\nSatzes 3 verlangt, d.h. bei der Eingliederung einer Gemeinde in eine andere\nGemeinde, nicht jedoch bei der Bildung einer neuen Gemeinde aus mehreren\nGemeinden (Satz 2). \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Eine Vertretung durch die drei ehemaligen Gemeinderate der ehemaligen\nGemeinde H., die als deren Vertreter auftreten, verbietet sich aus\ngrundsatzlichen kommunalrechtlichen Erwagungen. Zum einen konnen nicht\neinzelne Gemeinderatsmitglieder fur die Gemeinde handeln, sondern immer nur\nder Gemeinderat oder beschließende Ausschusse als Gremium aufgrund eines mit\nMehrheit gefassten Beschlusses (vgl. §§ 23, 24, 37 und 39 GemO). Zum anderen\nhatten Gemeinderate schon immer ein zeitlich befristetes Mandat (fruher vier\nJahre, jetzt funf Jahre). Nach Ablauf dieses Mandats sind sie nicht einmal\nmehr befugt, an der Willensbildung der Gemeinde unmittelbar mitzuwirken; noch\nweniger konnen sie Rechte der Gemeinde geltend machen. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Deshalb kann auch ein einzelnes Gemeinderatsmitglied, das noch im Amt ist,\nselbst dann nicht die Rechte der ehemaligen Gemeinde wahrnehmen, wenn es\naufgrund der unechten Teilortswahl fur den Teilort der untergegangenen\nGemeinde gewahlt worden ist, wie von den Klagern hilfsweise geltend gemacht\nworden ist. Selbst alle fur diesen Teilort gewahlten Vertreter gemeinsam waren\nhierzu nicht befugt, weil sie zum einen kein handlungs- und\nentscheidungsfahiges Kommunalgremium darstellen und zum anderen von den\nBurgern der gesamten Gemeinde und nicht nur von denen des Teilorts gewahlt\nwerden. Sie reprasentieren somit nicht nur die Bewohner des Teilorts, sondern\ndie Bevolkerung der gesamten Gemeinde (vgl. auch Altenmuller DÖV 1977, 34 /\n40). \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Ebenso wenig konnen 10 v.H. der wahlberechtigten Gemeindeeinwohner die\nehemalige Gemeinde vertreten, obwohl sie im Teilort H. wohnen. Da das\nKommunalverfassungsrecht eine solche Vertretung nicht kennt, kann sie schon\ndeshalb nicht als Hilfskonstruktion fur die Vertretung einer ehemaligen\nGemeinde herangezogen werden. Daruber hinaus konnen Burger in dieser Anzahl\nlediglich erreichen, dass ein Burgerentscheid durchgefuhrt wird (vgl. § 21\nAbs. 3 GemO). Fur eine verbindliche Entscheidung ist eine qualifizierte\nMehrheit von 25 v. H. der Stimmberechtigten erforderlich (§ 21 Abs. 6 GemO).\nDa aber gemaß § 21 Abs. 2 Nr. 7 GemO ein Burgerentscheid bei Entscheidungen in\nRechtsmittelverfahren nicht zulassig ist, ist es hochst fraglich, ob selbst\nbei extensiver Auslegung diese qualifizierte Mehrheit fur die ehemalige\nGemeinde die Erhebung einer Klage beschließen konnte. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Schließlich kame auch die ins Gesprach gebrachte Bestellung eines\nProzesspflegers nicht in Betracht. Schon gemaß § 173 VwGO in Verbindung mit §\n59 ZPO, auf den verwiesen wird, ist nur dem Beklagten unter bestimmten\nVoraussetzungen ein Prozesspfleger zu bestellen. Der ehemaligen Gemeinde H.\nkonnte diese Norm nicht weiterhelfen (Baumbach / Lauterbach / Albers /\nHartmann, ZPO 61. Aufl., Rdnr. 3 zu § 57). Vor allem aber sind juristische\nPersonen des offentlichen Rechts als solche nicht prozessfahig i. S. des § 62\nAbs. 1 VwGO, sondern handeln durch ihre gesetzlichen Vertreter (vgl. auch Kopp\n/ Schenke, VwGO, 13. Aufl., Rdnr. 14 zu § 62). Wer gesetzlicher Vertreter ist,\nergibt sich aus dem materiellen Recht, so dass sich fur die ehemalige Gemeinde\nauch in diesem Zusammenhang wieder die oben erorterten Probleme stellen. Sie\nkonnen durch die im Gesetz fur einen Klager grundsatzlich nicht vorgesehene\nBestellung eines Prozesspflegers nicht umgangen werden. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Die Klage ist aber auch nicht in Bezug auf die Klager selbst zulassig. Die\nKlager konnen nicht geltend machen, dass durch den Gemeinderatsbeschluss vom\n25.07.2005 die Moglichkeit der Verletzung eigener Rechte im Sinne des § 42\nAbs. 2 VwGO gegeben ist, da sie durch den Beschluss rechtlich nicht betroffen\nsind und § 19 der Vereinbarung keine Individualrechte begrundet hat. Ebenso\nwenig haben sie (personlich) ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 43 Abs.\n1 VwGO an der beantragten Feststellung dargelegt. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Die Klage hat aber auch dann keinen Erfolg, wenn man die Zulassigkeit der\nKlage und eine wirksame Vertretung der ehemalige Gemeinde H. unterstellt _._\nAuch unter Berucksichtigung des § 19 der Vereinbarung vom 06.06.1974 ist der\nBeschluss des Gemeinderats der Beklagten vom 25.07.2005 nicht rechtswidrig und\nist die Beklagte nicht verpflichtet, im Teilort H. weiterhin eine Grundschule\nzu unterhalten. Gemaß § 19 Abs. 1 der Vereinbarung besteht diese Verpflichtung\nnur, „solange dies gesetzlich moglich ist". Da auch die Gemeinden gehalten\nsind, bei ihrem Handeln Recht und Gesetz zu beachten, sind freiwillige\noffentlich-rechtliche Verpflichtung grundsatzlich unter Beachtung bindender\ngesetzlicher Vorgaben auszulegen. Die in § 19 der Vereinbarung enthaltene\nEinschrankung „solange dies gesetzlich moglich ist" kann nicht nur auf\nschulrechtliche Normen beschranken werden. Die Gemeinden sind gemaß § 77 Abs.\n2 GemO verpflichtet, die Haushaltswirtschaft sparsam und wirtschaftlich zu\nfuhren. Die Verpflichtung aus § 19 Abs. 1 der Vereinbarung besteht deshalb nur\nsolange, wie dies unter Beachtung auch des § 77 Abs. 2 GemO moglich ist, weil\nsonst ein Verstoß gegen zwingendes Recht gegeben ware. Die Renovierung und\nweitere Unterhaltung eines zweiten Schulgebaudes, obwohl alle Schuler\nproblemlos in dem Gebaude im Teilort G. Platz haben, wurde gegen den Grundsatz\nder sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsfuhrung verstoßen. Ob die Beklagte\ndie Renovierungskosten in jeder Hinsicht richtig ermittelt hat, ist in diesem\nZusammenhang rechtlich ohne Bedeutung, denn unter den gegebenen Verhaltnissen\nist jede Renovierung der Schule im Teilort H. zu schulischen Zwecken\nunwirtschaftlich. Bei der geringen Entfernung und dem von der Beklagten\norganisierten Bustransfer zur Schule konnen alle Grundschuler aus dem Teilort\nH. muhelos die Grundschule im Teilort G. besuchen. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Da schon aus diesem Grund § 19 der Vereinbarung die Beklagte nicht zur\nErhaltung der Schule im Teilort H. verpflichtet, braucht nicht weiter\nuntersucht zu werden, welche Auswirkungen die Nichtigkeit des § 19 Abs. 2 der\nVereinbarung auf den Absatz 1 hat (vgl. § 59 Abs. 3 LVwVfG). Mit der\nBestimmung, dass die Schule im Teilort H. unter eigener Leitung betrieben\nwerde musse, haben die Vertragsschließenden etwas Unmogliches vereinbart, weil\ndie Schulleitung von der staatlichen Schulverwaltung und nicht vom Schultrager\nbestellt wird. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Schließlich gilt auch fur offentlich-rechtliche Vertrage die sog. „clausula\nrebus sic stantibus", die in § 60 Abs. 1 LVwVfG ihren Niederschlag gefunden\nhat. Haben sich die Verhaltnisse, die fur die vertragliche Regelung maßgebend\ngewesen sind, seit Abschluss des Vertrags so wesentlich geandert, dass einer\nVertragspartei das Festhalten an der ursprunglichen vertraglichen Regelung\nnicht mehr zuzumuten ist, so ist entweder der Vertrag den aktuellen\nVerhaltnissen anzupassen oder, sofern dies nicht moglich ist, die vertragliche\nBestimmung nicht mehr verbindlich. Zwar kann dieser Grundsatz\nhochstwahrscheinlich nicht unmittelbar angewandt werden, weil die Beklagte\nnicht Vertragspartnerin im eigentlichen Sinne ist (vgl. oben Ziffer 1), doch\ngilt dieser Rechtsgedanke auch bei einer Vereinbarung zur Grundung einer neuen\nGemeinde. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| Eine wesentliche Änderung ist in zweierlei Hinsicht eingetreten. Zum einen\nist die Vereinbarung mit der Stadt O. vom 23.07.1973, die in § 19 Abs. 1 der\nVereinbarung ausdrucklich erwahnt ist, 1985 und 1986 gekundigt worden. Dies\nist eine Tatsache, so dass es nicht entscheidend darauf ankommt, ob diese\nBestimmung vor allem im Hinblick auf die Schulvereinbarung getroffen worden\nist. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Zum anderen besuchten bei Inkrafttreten der Vereinbarung etwa so viele\nKinder allein die Grundschule in H. wie heute aus beiden Teilorten zusammen\neingeschult sind. Die Gesamtschulerzahl belauft sich heute auf etwa ein\nDrittel der damaligen Schulerzahl (98: 270). Schon allein in dieser Tatsache\nliegt eine so wesentliche Veranderung der maßgebenden Umstande, dass die\nUnterhaltung von zwei Schulgebauden insbesondere im Hinblick auf § 77 Abs. 2\nGemO der Beklagten nicht mehr zuzumuten ist. Aus diesem Grund ist es der\nBeklagten auch nicht zuzumuten, das Schulgebaude im Teilort H. zu erweitern,\num diesen Schulstandort zu erhalten, obwohl das Raumangebot im Teilort G.\nausreichend ist. Schließlich kann dem § 19 der Vereinbarung auch keine\nBevorzugung des Teilorts H. zu Lasten des Teilorts G. entnommen werden. Die\ndamaligen Vertragspartner sind ganz offensichtlich davon ausgegangen, dass der\nStandort G. nicht zur Disposition steht. Das wird insbesondere durch die\nBezugnahme auf die Schulvereinbarung vom 23.07.1973 deutlich, weil zum\nStichtag 15.10.1972 von den 100 Schulern in H. 49 aus R. stammten, wahrend bei\n170 Schulern in G. nur 24 aus R. kamen. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und 159 S. 2 VwGO. Zwar sind\ndie Kosten grundsatzlich dem unterliegenden Beteiligten auch dann\naufzuerlegen, wenn er wegen seiner Prozessunfahigkeit unterliegt. Ist jedoch\nfur eine nicht existente juristische Person Klage erhoben worden, konnen die\nKosten nur denjenigen naturlichen Personen auferlegt werden, die als Vertreter\nder nicht existenten Beteiligten auftreten. Die Entscheidung uber die\nvorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. mit §§ 708 Nr. 11 und\n711 ZPO. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Die Berufung war nicht gemaß § 124 a Abs. 1 VwGO in der Fassung des Gesetzes\nzur Bereinigung des Rechtsmittelrechts im Verwaltungsprozess zuzulassen, weil\nkeiner der Grunde des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO vorliegt.\nInsbesondere liegt keine Divergenz zum Urteil des VGH Baden-Wurttemberg vom\n29.03.1979 - I 1367/78 - vor, weil dieser Entscheidung im maßgeblichen Punkt\nein anderer Sachverhalt zugrunde lag. Klagerin war eine ehemalige Gemeinde,\ndie in eine andere Gemeinde eingemeindet worden war, und nicht eine ehemalige\nGemeinde, die sich mit einer anderen Gemeinde zu einer vollig neuen Gemeinde\nzusammen geschlossen hatte. Im Übrigen ist die Unzulassigkeit der Klage nicht\ndie allein tragende Begrundung des Urteil, den die Kammer hat die Klage auch -\nbei unterstellter Zulassigkeit - als unbegrundet abgewiesen, wie im Einzelnen\nausgefuhrt worden ist. \n---\n\n
160,026
arbg-karlsruhe-2008-06-11-4-bv-1507
119
Arbeitsgericht Karlsruhe
arbg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Arbeitsgerichtsbarkeit
4 BV 15/07
2008-06-11
2019-01-10 11:47:51
2019-01-17 12:04:51
Beschluss
## Tenor\n\nDem Arbeitgeber wird aufgegeben, der Betriebsratsvorsitzenden L. B. ein\nMobiltelefon zur Verfugung zu stellen und es kommunikationsbereit zu halten.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n**I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Betriebsrat verlangt vom Arbeitgeber, seiner Vorsitzenden, die auch\nuberbetriebliche Betriebsratsamter wahrzunehmen hat, ein Mobiltelefon zur\nVerfugung zu stellen und dieses kommunikationsbereit zu halten. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Betriebsrat ist fur den Verkaufsstellen-Bezirk R. zustandig. In diesem\nBezirk unterhalt der Arbeitgeber 25 Filialen, in denen er ca. 90 Arbeitnehmer\nbeschaftigt. Seit Januar 1996 ist L. B. Vorsitzende des Betriebsrats. Ihre\nStellvertreterin H. G. ist seit September 2002 im Amt. Insgesamt hat der\nBetriebsrat funf Mitglieder. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Auf uberbetrieblicher Ebene nimmt L. B. folgende Ämter wahr: \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| \n--- \n| \\- Schriftfuhrerin des Gesamtbetriebsrats (GBR) \n--- \n| \\- Schriftfuhrerin des Gesamtbetriebsausschusses \n--- \n| \\- (seit 15.04.2008) Vorsitzende des GBR-Personal- und Bildungsausschusses\n(Der Arbeitgeber hatte dem Vorganger in diesem Amt ein Diensthandy zur\nVerfugung gestellt.) \n--- \n| \\- (seit 01.10.2007) Vorsitzende des GBR-Ausschusses fur Altersteilzeit /\nAltersvorsorge / Rente \n--- \n| \\- Schriftfuhrerin des GBR-Arbeits- und Gesundheitsausschusses \n--- \n| \\- Ersatzmitglied der Vertreterversammlung der Hamburger Pensionskasse. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Sitzungen der GBR-Ausschusse finden in P. bei K. statt. Dort unterhalt\nder Gesamtbetriebsrat ein Sekretariat. L. B. fahrt mit der Bahn nach P. und\nbenotigt je nach Strecke und Verbindungen fur die einfache Fahrt fahrplanmaßig\nzwischen 3,5 und 4 Stunden. Der Gesamtbetriebsrat selbst tagt in G.. Die\neinfache Fahrt dorthin nimmt in etwa die gleiche Zeit in Anspruch wie eine\nBahnfahrt nach P.. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| **2007** war L. B. wegen ihrer uberbetrieblichen Ämter in folgendem Umfang\nnicht dem Verkaufsstellen-Bezirk R. erreichbar: \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| \n--- \n| **Januar** \n--- \n| \\- 02.01. bis 05.01. \n--- \n| Ausschusssitzung Altersteilzeit / Altersvorsorge / Rente \n--- \n| \\- 08.01. bis 12.01. \n--- \n| Personal- und Bildungsausschuss \n--- \n| \\- 16.01. bis 19.01. \n--- \n| Gesamtbetriebsausschusssitzung \n--- \n| \\- 23.01. bis 26.01. \n--- \n| Arbeits- und Gesundheitsausschusssitzung \n--- \n| \\- 29.01. bis 02.02. \n--- \n| Gesamtbetriebsratssitzung \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| \n--- \n| **Februar** \n--- \n| \\- 12.02. \n--- \n| Regionalversammlung des Gesamtbetriebsrats in Karlsruhe \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| \n--- \n| **M arz** \n--- \n| \\- 06.03. bis 09.03. \n--- \n| Gesamtbetriebsausschusssitzung \n--- \n| \\- 13.03. bis 16.03. \n--- \n| Arbeits- und Gesundheitsausschusssitzung \n--- \n| \\- 19.03. bis 23.03. \n--- \n| Personal- und Bildungsausschuss \n--- \n| \\- 26.03. bis 30.03. \n--- \n| Gesamtbetriebsratssitzung \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| \n--- \n| **April** \n--- \n| \\- 17.04. bis 20.04. \n--- \n| Ausschusssitzung Altersteilzeit / Altersvorsorge / Rente \n--- \n| \\- 24.04. bis 27.04. \n--- \n| Gesamtbetriebsausschusssitzung \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| \n--- \n| **Mai** \n--- \n| \\- 02.05. bis 04.05. \n--- \n| Schulungsveranstaltung in Kassel \n--- \n| \\- 07.05. bis 11.05. \n--- \n| Personal- und Bildungsausschusssitzung \n--- \n| \\- 22.05. bis 25.05. \n--- \n| Arbeits- und Gesundheitsausschusssitzung \n--- \n| \\- 29.05. bis 31.05. \n--- \n| zusatzliche Gesamtbetriebsratssitzung \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| \n--- \n| **Juni** \n--- \n| \\- 12.06. bis 15.06. \n--- \n| Gesamtbetriebsausschusssitzung \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| \n--- \n| **August** \n--- \n| \\- 06.08. bis 10.08. \n--- \n| Gesamtbetriebsratssitzung \n--- \n| \\- 21.08. bis 24.08. \n--- \n| Gesamtbetriebsausschusssitzung \n--- \n| \\- 27.08. bis 31.08. \n--- \n| Personal- und Bildungsausschusssitzung \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| \n--- \n| **September** \n--- \n| \\- 04.09. bis 07.09. \n--- \n| Arbeits- und Gesundheitsausschusssitzung \n--- \n| \\- 11.09. bis 14.09. \n--- \n| Ausschusssitzung Altersteilzeit / Altersvorsorge / Rente \n--- \n| \\- 17.09. bis 21.09. \n--- \n| Gesamtbetriebsratssitzung und bundesweite \nBetriebsratekonferenz \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| \n--- \n| **Oktober** \n--- \n| \\- 16.10. bis 19.10. \n--- \n| Ausschusssitzung Altersteilzeit / Altersvorsorge / Rente \n--- \n| \\- 23.10. bis 26.10. \n--- \n| Gesamtbetriebsausschusssitzung \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| \n--- \n| **November** \n--- \n| \\- 05.11. bis 09.11. \n--- \n| Personal- und Bildungsausschuss \n--- \n| \\- 12.11. bis 16.11. \n--- \n| Gesamtbetriebsratssitzung \n--- \n| \\- 20.11. bis 23.11. \n--- \n| Arbeits- und Gesundheitsausschusssitzung \n--- \n| \\- 27.11. bis 30.11. \n--- \n| Ausschusssitzung Altersteilzeit / Altersvorsorge / Rente \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| \n--- \n| **Dezember** \n--- \n| \\- 04.12. bis 07.12. \n--- \n| Gesamtbetriebsausschusssitzung \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Am 01.10.2007 beschloss der Betriebsrat, beim Arbeitgeber zu beantragen,\ndass dieser L. B. ein Geschaftshandy zur Verfugung stellt. Der Arbeitgeber\nlehnte das mit Schreiben vom 23.10. ab. Er verwies auf den Festnetzanschluss\nim Betriebsratsburo. Daraufhin beschloss der Betriebsrat in seiner Sitzung vom\n29.10. wegen des Handys fur L. B. ein Beschlussverfahren einzuleiten und die\nProzessbevollmachtigten hiermit zu beauftragen. Der Antragsschriftsatz ging am\n28.11. bei Gericht ein und wurde dem Arbeitgeber am 06.12.2007 zugestellt. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| **2008** nahm L. B. die folgenden auswartigen Termine wahr bzw. sind die\nfolgenden auswartigen Termine, die sie wahrzunehmen hat, geplant: \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| \n--- \n| **Januar** \n--- \n| \\- 08.01. bis 11.01. \n--- \n| Gesamtbetriebsausschusssitzung \n--- \n| \\- 15.01. bis 18.01. \n--- \n| Personal- und Bildungsausschusssitzung \n--- \n| \\- 22.01. bis 25.01. \n--- \n| Gesamtbetriebsratssitzung \n--- \n| \\- 29.01. bis 01.02. \n--- \n| Altersteilzeit-Altersvorsorgeausschusssitzung (AAA) \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| \n--- \n| **Februar** \n--- \n| \\- 26.02. bis 29.02. \n--- \n| Arbeits- und Gesundheitsausschusssitzung \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| \n--- \n| **M arz** \n--- \n| \\- 04.03. bis 06.03. \n--- \n| Seminar der Berufsgenossenschaft Einzelhandel \n--- \n| \\- 11.03. bis 14.03. \n--- \n| geplante Teilnahme an der GBA-Sitzung, tatsachlich \nwar die Betriebsratsvorsitzende vom 10.03. bis 29.03.2008 \narbeitsunfahig erkrankt \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| \n--- \n| **April** \n--- \n| \\- 01.04. bis 04.04. \n--- \n| geplante Teilnahme an der GBR-Sitzung, tatsachlich hatte \ndie Betriebsratsvorsitzende auf Grund ihrer langen \nArbeitsunfahigkeit im Monat Marz in dieser Woche ihren \nverschobenen Urlaub \n--- \n| \\- 08.04. bis 11.04. \n--- \n| ungeplante im GBR-Buro in der Funktion als \nStellvertreterin der Stellvertreterin der GBR-Vorsitzenden \nwahrzunehmende Krankheitsvertretung \n--- \n| \\- 15.04. bis 18.04. \n--- \n| Personal- und Bildungsausschusssitzung \n--- \n| \\- 22.04. bis 25.04. \n--- \n| AAA-Sitzung \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| \n--- \n| **Mai** \n--- \n| \\- 06.05. bis 09.05. \n--- \n| Gesamtbetriebsausschusssitzung \n--- \n| \\- 13.05. bis 16.05. \n--- \n| Arbeits- und Gesundheitsausschusssitzung \n--- \n| \\- 27.05. bis 30.05. \n--- \n| Gesamtbetriebsratssitzung \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| \n--- \n| **Juni** \n--- \n| \\- 10.06. bis 13.06. \n--- \n| AAA-Sitzung \n--- \n| \\- 24.06. bis 27.06. \n--- \n| Personal- und Bildungsausschusssitzung \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| \n--- \n| **Juli** \n--- \n| \\- 01.07. bis 04.07. \n--- \n| Gesamtbetriebsausschusssitzung \n--- \n| \\- 08.07. bis 11.07. \n--- \n| Arbeits- und Gesundheitsausschusssitzung \n--- \n| \\- 22.07. bis 25.07. \n--- \n| Gesamtbetriebsratssitzung \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| \n--- \n| **September** \n--- \n| \\- 02.09. bis 05.09. \n--- \n| Personal- und Bildungsausschusssitzung \n--- \n| \\- 09.09. bis 12.09. \n--- \n| Gesamtbetriebsausschusssitzung \n--- \n| \\- 15.09. bis 19.09. \n--- \n| Gesamtbetriebsratssitzung und bundesweite \nBetriebsratekonferenz oder alternativ \n--- \n| \\- 22.09. bis 26.09. \n--- \n| Gesamtbetriebsratssitzung und bundesweite \nBetriebsratekonferenz \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| \n--- \n| **Oktober** \n--- \n| \\- 07.10. bis 10.10. \n--- \n| Arbeits- und Gesundheitsausschusssitzung \n--- \n| \\- 28.10. bis 30.10. \n--- \n| AAA-Sitzung \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| \n--- \n| **November** \n--- \n| \\- 04.11. bis 07.11. \n--- \n| Gesamtbetriebsausschusssitzung \n--- \n| \\- 18.11. bis 21.11. \n--- \n| Personal- und Bildungsausschusssitzung \n--- \n| \\- 25.11. bis 28.11. \n--- \n| Gesamtbetriebsratssitzung \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| \n--- \n| \\- **Dezember** \n--- \n| \\- 02.12. bis 05.12. \n--- \n| Arbeits- und Gesundheitsausschusssitzung \n--- \n| \\- 09.12. bis 12.12. \n--- \n| Gesamtbetriebsausschusssitzung \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Der Betriebsrat hat Angebote fur Handy-Tarife recherchiert. Je nach\nLeistungsumfang ergeben sich monatliche Rechnungsbetrage von 10,-- bzw. 18,--\nEUR (s. Anlage zum Schriftsatz des Betriebrats vom 04.06.2008, Blatt 84 f. der\nAkte). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Der Betriebsrat tragt vor, \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| im Hinblick auf den hohen Anteil auswartiger Termine der\nBetriebsratsvorsitzenden und der damit verbundenen Fahrzeiten sei es fur seine\nArbeit erforderlich, dass die Vorsitzende mit einem Handy ausgestattet werde.\nSie musse auch auswarts jederzeit erreichbar sein. Sie koordiniere die\nBetriebsratsarbeit und berate als erfahrenste Kollegin die ubrigen\nBetriebsratsmitglieder. Zudem musse sie als Ansprechpartnerin fur die\nMitarbeiterinnen, die mit ihr zu sprechen wunschten, zur Verfugung stehen. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Ohne ein Handy sei L. B. wahrend der langen Fahrzeiten und am Standort G.\ntelefonisch uberhaupt nicht, am Standort P. uber den Festnetzanschluss des\nGesamtbetriebsrats nur begrenzt erreichbar, weil die Ausschusssitzungen in\neinem raumlich getrennten Hotel stattfanden. Abgesehen von einem Abschnitt\nzwischen B. und K., wo fur etwa 30 Minuten kein Mobilnetzanschluss bestehe,\nkonne auf der Strecke R.-P. ohne Probleme per Handy telefoniert werden. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Der Betriebsrat beantragt, \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| **dem Antragsgegner wird aufgegeben, der Betriebsratsvorsitzenden des\nAntragstellers ein Mobiltelefon auf Kosten des Antragsgegners zur Verf ugung\nzu stellen und dieses regelmaßig zu unterhalten.** \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Der Arbeitgeber beantragt, \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| **den Antrag zur uckzuweisen.** \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Er tragt vor, \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| es sei nicht erforderlich, fur die Vorsitzende des Betriebsrats ein\nMobiltelefon anzuschaffen. Sie werde vor Ort durch ihre Stellvertreterin\nvertreten. Sie sei sowohl im P. als auch in G. telefonisch erreichbar. In G.\nkonnten Anrufe an das Hotel erfolgen, in dem L. B. ubernachte. Das Hotel konne\ndie eingehenden Anrufe notieren und sie L. B. mitteilen. Die Zugstrecke R.-P.\nsei weitgehend ohne Mobilnetzanschluss. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Es sei auch zu berucksichtigen, dass der GBR-Ausschuss\nAltersteilzeit/Altersvorsorge/Rente unzulassig sei, weil er sich mit Themen\nbefasse, die nicht zu den gesetzlichen Aufgaben des Gesamtbetriebsrats\ngehorten. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 42 \n--- \n| Der zulassige Antrag ist begrundet. Der Arbeitgeber ist gem. § 40 Abs. 2\nBetrVG dem Betriebsrat gegenuber verpflichtet, dessen Vorsitzender, L. B., ein\nHandy zur Verfugung zu stellen und es kommunikationsbereit zu halten. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| 1\\. Gemaß § 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat u. a. fur\ndie laufende Geschaftsfuhrung im erforderlichen Umfang Informations- und\nKommunikationstechnik zur Verfugung zu stellen. Zur Kommunikationstechnik\ngehoren auch Mobiltelefone. Ob bestimmte Sachmittel, hier das Mobiltelefon,\nfur seine Arbeit notwendig sind, entscheidet der Betriebsrat in eigener\nVerantwortung. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Nach standiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts wird allerdings vom\nBetriebsrat verlangt, dass er bei seiner Entscheidungsfindung die\nbetrieblichen Verhaltnisse und die sich ihm stellenden Aufgaben\nberucksichtigt. Dabei hat der Betriebsrat die Interessen der Belegschaft an\neiner sachgerechten Ausubung des Betriebsratsamts und berechtigte Interessen\ndes Arbeitgebers, auch soweit sie auf eine Begrenzung seiner\nKostentragungspflicht gerichtet sind, gegeneinander abzuwagen. Der Betriebsrat\ndarf seine Entscheidung nicht allein von subjektiven Bedurfnissen abhangig\nmachen (vgl. BAG, Beschluss vom 03.09.2003, 7 ABR 12/03, AP Nr. 78 zu § 40\nBetrVG 1972 Bl. 1 R; Beschluss vom 23.08.2006, 7 ABR 55/05, AP Nr. 88 zu § 40\nBetrVG 1972 Bl. 1 R; Beschluss vom 16.05.2007, 7 ABR 45/06, AP Nr. 90 zu § 40\nBetrVG 1972, Bl. 5). \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Das Arbeitsgericht uberpruft die Entscheidung des Betriebsrats, muss dabei\njedoch dessen Beurteilungsspielraum beachten. Das bedeutet, dass sich die\narbeitsgerichtliche Prufung darauf beschrankt festzustellen, ob das verlangte\nSachmittel auf Grund der konkreten betrieblichen Situation der Erledigung\neiner gesetzlichen Aufgabe des Betriebsrats dient und ob der Betriebsrat nicht\nnur die Interessen der Belegschaft berucksichtigt, sondern bei seiner\nEntscheidung auch berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rechnung getragen\nhat. Dient das jeweilige Sachmittel der Erledigung\nbetriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben, und halt sich die Interessenabwagung\nim Rahmen eines Beurteilungsspielraums, kann das Arbeitsgericht die\nEntscheidung des Betriebsrats nicht durch eine eigene ersetzen (so das BAG in\nden bereits zitierten Beschlussen: AP Nr. 78 Bl. 1 R f., Nr. 88 Bl. 1 R f.,\nNr. 90 Bl. 5). \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| 2\\. Auch unter Berucksichtigung der Kosteninteressen des Arbeitgebers\nbenotigt der Betriebsrat fur seine Vorsitzende auf Grund der betrieblichen\nGegebenheiten ein Handy, damit er seine gesetzlichen Aufgaben erfullen kann.\nL. B. ist auf Grund uberbetrieblicher Termine an nahezu der Halfte der im Jahr\nzur Verfugung stehenden Arbeitstage nicht in der Lage, vor Ort in R. ihren\nAufgaben als Betriebsratsvorsitzende nachzukommen: \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| \n--- \n| \\- **2007** : \n--- \n| Insgesamt 230 Arbeitstage (250 Jahresarbeitstage abzuglich \ngesetzlichen Mindesturlaubs), davon 125 Arbeitstage mit \nauswartigen Verpflichtungen (54 % - ohne die Sitzungen des \nAusschusses fur Altersteilzeit/Altersvorsorge/Rente: 46 %). \n--- \n| \n| \\- **2008** : \n--- \n| Insgesamt 231 Arbeitstage, davon 115 Arbeitstage mit auswartigen \nVerpflichtungen (50 % - ohne die Sitzungen des Ausschusses fur \nAltersteilzeit/Altersvorsorge/Rente: 43 %). \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| a) Angesichts des hohen Anteils dienstlicher Abwesenheitszeiten der\nBetriebsratsvorsitzenden erfordert es zum einen die notwendige Kommunikation\nmit den Arbeitnehmern, dass die Betriebsratsvorsitzende mit einem Handy\nausgestattet wird. Es gehort zur laufenden Geschaftsfuhrung des Betriebsrats,\ndass dieser die Arbeitnehmer uber die sie betreffenden Angelegenheiten\nangemessen informiert. Dabei unterliegt der Betriebsrat keinen gesetzlichen\nVorgaben (vgl. BAG AP Nr. 78 zu § 40 BetrVG 1972 Bl. 2, 2 R). Der\nBetriebsratsvorsitzenden muss es moglich sein, zumindest bei Angelegenheiten,\ndie einzelne Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen betreffen, dieses\nbeispielsweise nach Unterredungen mit dem Arbeitgeber zeitnah personlich uber\nden aktuellen Sachstand ihrer Angelegenheit zu unterrichten. Lasst sich das an\nden Tagen der Anwesenheit wegen dringlicherer anderer Termine oder versetzter\nArbeitszeiten nicht bewerkstelligen, gewahrleistet ein Mobiltelefon, dass die\nerforderliche Unterrichtung zeitnah auch dann erfolgen kann, wenn sich die\nBetriebsratsvorsitzende wieder auf Dienstreise befindet. Umgekehrt kann\nwiederum nur durch ein Mobiltelefon sichergestellt werden, dass Arbeitnehmer,\ndie ihr Anliegen L. B. personlich vortragen wollen (s. auch §§ 82 Abs. 2, 83\nAbs. 1 und 84 Abs. 1 BetrVG) trotz der haufigen Abwesenheitszeiten zeitnah mit\nihr Kontakt aufnehmen und ggf. ihr Anliegen mit ihr naher besprechen konnen. \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| b) Zum anderen macht auch die notwendige interne Kommunikation des\nBetriebsrats es notwendig, dass L. B. ein Handy erhalt. Zu ihren Aufgaben als\nVorsitzende des Betriebsrats gehort die Vorbereitung und Durchfuhrung von\nBetriebsratssitzungen (§ 29 Abs. 2 BetrVG). Sie ist wegen ihrer auswartigen\nTerminverpflichtungen fast regelmaßig mehrere Tage vor den\nBetriebsratssitzungen, die montags stattfinden, ortsabwesend. Damit der\nBetriebsrat in seinen Sitzungen auch auf kurzfristige Entwicklungen reagieren\nkann, ist es erforderlich, dass sich die Betriebsratsvorsitzende und ihre\nStellvertreterin hieruber austauschen. Die eine benotigt die Informationen\nuber neuere Entwicklungen, um die Betriebsratssitzung sachgerecht leiten zu\nkonnen. Die andere benotigt die Abstimmung mit der Vorsitzenden, um ggf. in\nderen Abwesenheit weitere vorbereitende Maßnahmen zu ergreifen. Der\nBetriebsrat weist daruber hinaus zu Recht darauf hin, dass die\nBetriebsratsvorsitzende die Arbeit des Betriebsrats koordiniert. Das bedeutet,\ndass auch in ihrer Abwesenheit Termine und Prioritaten mit ihr abgestimmt\nwerden mussen und sie grundsatzlich auf dem Laufenden zu halten ist. Auch\nhierfur wird das Handy benotigt. Je großer die Zahl der Abwesenheitstage ist,\ndesto großer wird der Kommunikationsbedarf zwischen Betriebsrat und\nVorsitzender, der zuverlassig und zeitnah nur uber ein Mobiltelefon\nbewerkstelligt werden kann (s. auch unten d). \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| c) Der Betriebsrat kann daher nicht darauf verwiesen werden, dass die\nStellvertreterin bei Abwesenheit der Betriebsratsvorsitzenden deren Aufgaben\nubernimmt (§ 26 Abs. 2 Satz 1 BetrVG) und deshalb kein erheblicher mobiler\nKommunikationsbedarf bestehe (vgl. aber LAG Munchen, Beschluss vom 20.12.2005,\n8 TaBV 57/05, II 2.2.2, S. 12 f., Blatt 46 f. der Akte). Zum einen andert die\nVertretung nichts an dem unmittelbaren Kommunikationsbedarf zwischen der\nVorsitzenden und einzelnen Arbeitnehmer. Dem Betriebsrat kann in diesem\nZusammenhang nicht aufgegeben werden, betroffene Arbeitnehmer nur aus zweiter\nHand zu informieren, wenn das unmittelbar kundige Betriebsratsmitglied\nortsabwesend ist. Zum anderen arbeiten Betriebsratsvorsitzende und\nStellvertreterin nicht nebeneinander her. Weil ihre Zustandigkeit bedingt\ndurch die auswartigen Termine L. B. standig wechselt, besteht ein hoher\nAbstimmungsbedarf, der bei dienstlicher Abwesenheit der Vorsitzenden nur uber\neine Kommunikationseinrichtung befriedigt werden kann. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| d) Insoweit kann der Betriebsrat schließlich nicht auf die\nFestnetzanschlusse des Gesamtbetriebsrats bzw. der Hotels verwiesen werden, in\ndenen L. B. ubernachtet. Sowohl die Kommunikation der Betriebsratsvorsitzenden\nmit den Arbeitnehmern als auch die mit dem Betriebsrat bzw. ihrer\nStellvertreterin muss zuverlassig und zeitnah erfolgen. Das gewahrleisten die\nFestnetzanschlusse, auf die sich der Arbeitgeber beruft, nicht. Samtliche\neingehenden Anrufe konnen nicht unmittelbar an L. B. weitergeleitet, sondern\nmussen uber Dritte mitgeteilt werden. Ruckrufe und Anrufe L. B.s konnen nur\nerfolgen, wenn das Sekretariat des Gesamtbetriebsrats außerhalb der\nSitzungszeiten besetzt ist bzw. wenn sich L. B. zu den Arbeitszeiten in R. im\nHotel aufhalt. Wahrend der nicht unerheblichen Reisezeiten ist sie ohne Handy\nweder erreichbar, noch kann sie eventuell erforderliche Anrufe erledigen. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| Ein uber das Diensthandy eingehender Anruf erreicht die\nBetriebsratsvorsitzende dagegen unmittelbar, auch wenn er zunachst auf die\nMailbox gesprochen oder lediglich registriert wird. Die Antwort kann zeitnah\nin einer Sitzungspause erfolgen. Vor allem lassen sich erforderliche Anrufe\nwahrend der Reisezeiten erledigen. In diesem Zusammenhang brauchte dem Einwand\ndes Arbeitgebers, die Zugstrecke R.-P. sei weitgehend ohne Anschluss an ein\nMobilnetz, nicht nachgegangen zu werden. Es gibt keine feststehende Zugstrecke\nR.-P.. Je nach Uhrzeit werden Zugverbindungen uber Ko. Hbf./A., uber K.\nHbf./A. oder uber B.-S./B. Hbf./A. angeboten. \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| e) Der Betriebsrat hat somit zu Recht festgestellt, dass seine Vorsitzende\nein Mobiltelefon benotigt, damit er bzw. die Betriebsratsvorsitzende ihre\ngesetzlichen Aufgaben erfullen konnen. Die Entscheidung des Betriebsrats, ein\nsolches Mobiltelefon vom Arbeitgeber zu verlangen, missachtet auch nicht\ndessen berechtigte Interessen. Die mit der Erstanschaffung und Unterhaltung\neines Handys verbundenen Kosten sind - wie die Recherchen des Betriebsrats\nbezuglich der laufenden Kosten zeigen - nicht unverhaltnismaßig. Das macht\nauch der Umstand deutlich, dass der Arbeitgeber dem bisherigen Vorsitzenden\ndes GBR-Personal- und Bildungsausschlusses ein Diensthandy finanzierte. \n--- \n--- \n| 54 \n--- \n| Der Betriebsrat kann folglich gem. § 40 Abs. 2 BetrVG vom Arbeitgeber\nverlangen, seiner Vorsitzenden ein Mobiltelefon zur Verfugung zu stellen und\nes kommunikationsbereit zu halten. Seinem Antrag war stattzugeben. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n| 55 \n--- \n| Diese Entscheidung ergeht gem. § 2 Abs. 2 GKG kostenfrei. \n---\n\n
161,023
olgstut-2008-07-15-10-u-14707
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
10 U 147/07
2008-07-15
2019-01-10 12:11:00
2019-02-12 12:21:59
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Auf die Berufung des Klagers wird das Urteil des Landgerichts Ravensburg\nvom 29.04.2004, Az. 1 O 178/03,\n\nabgeandert\n\nund die Beklagte verurteilt, an den Klager 3.125,48 EUR nebst Zinsen in Hohe\nvon 5 Prozentpunkten uber dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. hierauf seit dem\n01.07.2001 zu zahlen.\n\n2\\. Im Übrigen wird die Berufung des Klagers gegen das Urteil des Landgerichts\nRavensburg vom 29.04.2004, Az. 1 O 178/03,\n\nzuruckgewiesen.\n\n3\\. Der Klager tragt die Kosten des Rechtsstreits in allen Instanzen.\n\n4\\. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorlaufig vollstreckbar. Die\nBeklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hohe von 110 %\ndes aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Klager\nvor der Vollstreckung Sicherheit in Hohe von 110 % des jeweils zu\nvollstreckenden Betrages leistet. Der Klager kann die Vollstreckung durch\nSicherheitsleistung in Hohe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren\nBetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in\nHohe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.\n\n5\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\nStreitwerte:\n\n1\\. Instanz und Berufungsverfahren 10 U 119/04: | 179.135,51 EUR \n---|--- \nBGH und Berufungsverfahren 10 U 147/07: | 74.413,83 EUR \n \n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager macht als Insolvenzverwalter gegen die Beklagte jetzt noch\nRuckzahlungsanspruche aus Insolvenzanfechtung in Hohe von insgesamt 74.413,83\nEUR nebst Zinsen geltend aus einem Wechsel der Beklagten an eigene Order vom\n27.12.2000, den die Schuldnerin als Bezogene angenommen und am 30.3.2001\nbezahlt hat (48.981,17 EUR), und einer Scheckzahlung vom 15.3.2001 uber\n25.432,66 EUR, die dem Geschaftskonto der Schuldnerin am 21.3.2001 belastet\nund auf dem Konto der Beklagten am 19.3.2001 gutgeschrieben worden ist.\nStreitig ist zwischen den Parteien, ob die Voraussetzungen einer jetzt allein\nnoch in Betracht kommenden Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfullt\nsind. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Gesellschafter und Geschaftsfuhrer der Schuldnerin waren Otto Sch. und sein\nSohn Wolfgang Sch.. Der Gesellschafter Otto Sch. zog sich ab 1996 immer mehr\naus der aktiven Geschaftsfuhrung zuruck und uberließ seinem Sohn insbesondere\nden Bereich Finanzen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Beklagte wurde 1983 von Otto Sch. und seinem Sohn Dieter Sch. gegrundet.\nBis zum Ausscheiden des Vaters aus allen Funktionen am 20.8.2001 waren beide\nGesellschafter und Geschaftsfuhrer. \n--- \n| 4 \n--- \n| Von 1983 bis zur Insolvenzeroffnung am 1.7.2001 standen die Beklagte und die\nSchuldnerin in einer standigen Geschaftsbeziehung. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| 1996 geriet die Schuldnerin in eine schwierige finanzielle Lage. Mit\nSchreiben vom 2. Juni 1997 kundigte die D. Bank der Schuldnerin samtliche\nKredite und verlangte bis 30. Juni 1997 die Ruckzahlung von 4.144.598,93 DM.\nHierzu war die Schuldnerin nicht in der Lage. Nach Verhandlungen erklarte sich\ndie Bank jedoch am 3.12.1997 bereit, unter bestimmten Voraussetzungen bis 31.\nDezember 1998 still zu halten. Diese Frist wurde in der Folgezeit mehrfach\nverlangert. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die mit der D. Bank vereinbarten Zinszahlungen von jeweils monatlich\n26.000,-- DM konnte die Schuldnerin fur November und Dezember 2000 nicht mehr\nerbringen, weshalb die D. Bank mit Schreiben vom 19.1.2001 erklarte, zu einem\nweiteren Stillhalten nicht mehr in der Lage zu sein. Mit Schreiben vom\n30.1.2001 erklarte sie sich jedoch sodann zur Stundung der Raten bereit. \n--- \n| 7 \n--- \n| Nachdem ein Sanierungskonzept der Schuldnerin gescheitert war, stellte sie\nam 23.5.2001 Insolvenzantrag. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Das Landgericht Ravensburg hat in der Sitzung vom 4.3.2004 Wolfgang Sch.,\nOtto Sch., Johannes B., Karl-Hinrich F. und Edith Fr. zur wirtschaftlichen\nEntwicklung der Gemeinschuldnerin und der Kenntnis des Herrn Otto Sch. hiervon\nvernommen. Die Klage auf Ruckzahlungsanspruche aus Insolvenzanfechtung in Hohe\nvon ursprunglich insgesamt 179.135,51 EUR wurde im Anschluss daran durch\nUrteil des Landgerichts Ravensburg vom 29.4.2004 abgewiesen und die dagegen\neingelegte Berufung des Klagers durch Urteil des Senats vom 7.12.2004\nzuruckgewiesen. Zum Sach- und Streitstand bis zur ersten Entscheidung des\nSenats sowie die tragenden Grunde der Entscheidungen wird auf Tatbestand und\ndie Entscheidungsgrunde beider Urteile verwiesen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die auf den Wechsel der Beklagten vom 27.12.2001 und die Scheckzahlung vom\n15.3.2001 beschrankte Revision des Klagers hatte insoweit Erfolg, als der\nBundesgerichtshof mit Urteil vom 21.6.2007 das Urteil des Senats vom 7.12.2004\nim Kostenpunkt und in der Entscheidung uber eine Klagforderung von 74.413,83\nEUR nebst Zinsen aufgehoben und das Verfahren insoweit zur neuen Verhandlung\nund Entscheidung auch uber die Kosten des Revisionsverfahrens an das\nBerufungsgericht zuruckverwiesen hat. Nach derzeitigem Sachstand sei eine\nerfolgreiche Anfechtung wegen kongruenter Deckung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO\nnicht auszuschließen. Zahlungsunfahigkeit der Schuldnerin sei spatestens zum\n1.7.1997 eingetreten, weil die Schuldnerin nach Ablauf der Zahlungsfrist gemaß\ndem Schreiben der D. Bank vom 2.6.1997 langer als drei Wochen die Forderung\nnicht erfullt habe und sie deshalb gemaß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO ihre\nZahlungen eingestellt habe. Dies begrunde die gesetzliche Vermutung fur die\nZahlungsunfahigkeit, die vom Prozessgegner zu widerlegen sei. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die einmal eingetretene Zahlungseinstellung konne nur dadurch wieder\nbeseitigt werden, dass der Schuldner seine Zahlungen allgemein wieder\naufnehme. Dies habe derjenige zu beweisen, der sich hierauf berufe, also die\nBeklagte. Zwar sei die Annahme des Berufungsgerichts, die Zusage der Bank vom\n3.12.1997 beinhalte eine Stundung, nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht\nhabe jedoch nicht gepruft, ob die Schuldnerin - von der Verpflichtung der Bank\ngegenuber abgesehen - ihre Zahlungen allgemein wieder aufgenommen habe. \n--- \n| 11 \n--- \n| Sollte die Schuldnerin ihre Zahlungen allgemein wieder aufgenommen haben,\nware zu prufen, ob aufgrund der Ereignisse Ende 2000 / Anfang 2001 eine\nerneute Zahlungsunfahigkeit eingetreten sei und diese durch die allgemeine\nWiederaufnahme der Zahlungen wieder entfallen sei. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Anfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO setze weiter voraus, dass\ndie Beklagte entweder die Zahlungsunfahigkeit selbst (Absatz 1 Satz 1 Nr. 1)\noder die Umstande gekannt habe, die zwingend darauf schließen ließen (Absatz\n2). Gegenuber einer Person, die dem Schuldner zur Zeit der Handlung nahe\nstehe, werde die Kenntnis der Zahlungsunfahigkeit vermutet (Absatz 3).\nAngesichts der Verbindung des Otto Sch. mit der Schuldnerin und der Beklagten\nsei die Beklagte fur die Schuldnerin eine nahestehende Person gemaß § 130 Abs.\n2 Nr. 2 i.V.m. Nr. 1 InsO gewesen. Vom Berufungsgericht sei noch\nfestzustellen, ob diese Vermutung des § 130 Abs. 3 InsO widerlegt sei. Die\nUmstande sprachen jedoch gegen eine Widerlegung der Vermutung. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die nach § 130 InsO erforderliche mittelbare Glaubigerbenachteiligung konne\nentgegen dem Berufungsgericht nicht mit dem Hinweis auf die noch im Jahr 2001\ngeflossenen Zahlungen von uber 9 Millionen DM und die in diesem Verhaltnis\ngeringfugigen streitgegenstandlichen Zahlungen verneint werden. Die Glaubiger\nwurden benachteiligt, weil diese Zahlungen die Aktivmasse der Schuldnerin\nverkurzt und in dieser Hohe die Befriedigungsmoglichkeit der Glaubiger\nreduziert hatten. Auch wenn die Beklagte geltend mache, die Waren seien unter\nEigentumsvorbehalt geliefert worden, sei damit noch nicht ausreichend\ndargelegt, dass eine Glaubigerbenachteiligung fehle. Die Beklagte habe nicht\nvorgetragen, auf welche konkreten Lieferungen die Zahlungen erfolgt seien und\nob danach unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Waren sich noch bei der\nSchuldnerin befunden hatten, die Schuldnerin also durch die Zahlung noch\nEigentum habe erwerben konnen. Ein privilegiertes Bargeschaft liege nicht vor. \n--- \n| 14 \n--- \n| Bezuglich der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des\nBundesgerichtshofs vom 21.6.2007, AZ: IX ZR 231/04, verwiesen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Im Anschluss an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat der Klager\nvorgetragen, eine einmal eingetretene Zahlungseinstellung werde nicht dadurch\nbeseitigt, dass die Falligkeit einer Verbindlichkeit beseitigt werde. Vielmehr\nmusse ein aktives Tun des Schuldners hinzukommen. Dass die Schuldnerin ihre\nZahlungen gegenuber der Glaubigergesamtheit seit Ende Juli 1997 wieder\naufgenommen habe, habe die Beklagte weder dargelegt noch sei dies sonst\nersichtlich. Die Einlassung der Beklagten, die Schuldnerin habe ihre Zahlungen\nim Januar 1998 allgemein wieder aufgenommen, sei unsubstantiiert. Es fehle ein\nausreichend konkreter Tatsachenvortrag. Dieser Vortrag werde durch\nBeweisangebote nicht ersetzt. Die Behauptung der Beklagten, die Glaubiger der\nim Schriftsatz des Klagers vom 28.9.2007 gelisteten Forderungen hatten in eine\nspatere oder nachrangige Befriedigung eingewilligt, sei unsubstantiiert und\nfalsch. Es habe bis zur Insolvenzantragstellung weder Diskussionen noch\nAbsprachen mit Glaubigern der Schuldnerin gegeben. Auch die Darlehensforderung\nder Investitionsbank des Landes B. sei am 31.1.2001 in voller Hohe fallig\ngewesen. Die Schuldnerin sei deshalb von Ende Juli 1997 bis zu den in Rede\nstehenden Zahlungen im Marz 2001 zahlungsunfahig gewesen. Im Übrigen habe die\nSchuldnerin jedenfalls Ende 2000 erneut die Zahlungen wieder eingestellt. Die\nZahlungseinstellung sei spatestens am 22.12.2000, namlich nach Ablauf von drei\nWochen seit Eintritt der Falligkeit der Zinszahlung fur den Monat November\n2000, eingetreten. Erst am 30.1.2001 habe die Schuldnerin mit der D. Bank AG\nhinsichtlich dieser Zinszahlung eine Stundungsvereinbarung getroffen. Der\nKlager listet auf, welche Verbindlichkeiten der Schuldnerin fallig und bis\nheute unbezahlt geblieben seien. Bezuglich der Einzelheiten wird auf den\nSchriftsatz vom 28.9.2007 verwiesen. Wenn im fraglichen Zeitpunkt fallige\nVerbindlichkeiten bestanden hatten, die bis zur Insolvenzeroffnung nicht mehr\nbeglichen worden seien, sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs\nregelmaßig von einer Zahlungsunfahigkeit zu diesem Zeitpunkt auszugehen. Da\nsich die Beklagte die Kenntnisse des Geschaftsfuhrers Otto Sch., der\ngleichzeitig Geschaftsfuhrer der Schuldnerin gewesen sei, zurechnen lassen\nmusse, konne die Beklagte den Vortrag des Klagers nicht einfach bestreiten. \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Bundesgerichtshof habe ausgefuhrt, die Beklagte habe die Vermutung, dass\nsie die Zahlungsunfahigkeit der Schuldnerin im Zeitpunkt der hier in Rede\nstehenden Zahlungen kannte (§ 130 Abs. 3 InsO), nicht widerlegt. Daran sei das\nBerufungsgericht gebunden. Schon die Beweisaufnahme vor dem Landgericht\nRavensburg habe ergeben, dass der damalige Geschaftsfuhrer der Beklagten Otto\nSch. Kenntnis von der desolaten wirtschaftlichen Situation der Schuldnerin\ngehabt habe. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21.6.2007 stehe die\nGlaubigerbenachteiligung fest. Das Berufungsgericht musse die eindeutige\nEntscheidung des Bundesgerichtshofs, dass eine Glaubigerbenachteiligung\nvorliege, seiner Entscheidung gemaß § 563 Abs. 3 ZPO zugrunde legen. Der\nBundesgerichtshof habe den Rechtsstreit nicht an das Berufungsgericht\nzuruckverwiesen, damit es eine Glaubigerbenachteiligung prufe. Das\nBerufungsgericht habe ausschließlich zu prufen, ob die spatestens Ende Juli\n1997 eingetretene Zahlungseinstellung der Schuldnerin spater durch eine\nallgemeine Wiederaufnahme der Zahlungen beseitigt worden sei. \n--- \n| 18 \n--- \n| Es sei unstreitig, dass etwaige von der Beklagten an die Schuldnerin unter\nEigentumsvorbehalt gelieferte Waren schon zum Zeitpunkt der Insolvenzeroffnung\nuber das Vermogen der Schuldnerin nicht mehr vorhanden gewesen seien. Weil\neine mittelbare Glaubigerbenachteiligung genuge, beurteile sich diese nach dem\nZeitpunkt der letzten mundlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz\ndes Anfechtungsprozesses. Wenn die Beklagte entgegen dem Regelfall geltend\nmachen wolle, trotz des hier in Rede stehenden unstreitigen Geldabflusses aus\ndem Vermogen der Schuldnerin fehle es an einer Glaubigerbenachteiligung, so\ntrage sie hierfur die primare Darlegungs- und Beweislast. Deshalb habe der\nBundesgerichtshof ausgefuhrt, dass die Beklagte ihrer diesbezuglichen\nDarlegungslast nicht nachgekommen sei. Im Übrigen sei der neue Vortrag der\nBeklagten zum vermeintlichen Eigentumsvorbehalt verspatet. \n--- \n| 19 \n--- \n| Außerdem ware ein Verkauf der Beklagten an die Schuldnerin unter\nEigentumsvorbehalt nichts anderes als ein Eigenkapital ersetzendes Darlehen\nder Beklagten an die Schuldnerin gewesen. Deshalb hatte die Beklagte ihre\nvermeintlichen Eigentumsvorbehaltsanspruche nicht durchsetzen konnen. Der\nKlager bestreite weiterhin, dass die Beklagte mit der Schuldnerin wirksam\nEigentumsvorbehalte vereinbart habe und die von der Beklagten an die\nSchuldnerin gelieferten Kanalspulschlauche im Marz 2001 noch bei der\nSchuldnerin vorhanden gewesen seien. Zum Zeitpunkt der Wechselzahlung Ende\nMarz 2001 seien samtliche von der Beklagten im Jahr 2000 an die Schuldnerin\ngelieferten Waren langst verbraucht gewesen. Die Schuldnerin habe Waren\nangesichts ihrer Liquiditatsnot nur noch in den von ihr kurzfristig benotigten\nMengen und stets auftragsbezogen eingekauft. Die Waren seien nach Auslieferung\ndurch die Beklagte sofort von der Schuldnerin verbraucht, an Kunden der\nSchuldnerin ausgeliefert oder in Fahrzeuge eingebaut worden, welche die\nSchuldnerin im Kundenauftrag gebaut und noch im Jahr 2000 an die Auftraggeber\nausgeliefert habe. \n--- \n| 20 \n--- \n| Ab Entstehen des Ruckgewahranspruchs mit Eroffnung des Insolvenzverfahrens\nsei dieser Anspruch zu verzinsen. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 24.1.2008 hat der Klager das Verzeichnis der\nMassegegenstande, die Vermogensubersicht gemaß § 153 InsO und das\nGlaubigerverzeichnis gemaß § 152 InsO in Kopie zur Akte gereicht. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Der Klager beantragt nunmehr: \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Beklagte wird verurteilt, an den Klager EUR 74.413,83 nebst Zinsen in\nHohe von 5 %-Punkten uber dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. hierauf seit dem\n1.7.2001 zu zahlen. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Beklagte beantragt: \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Berufung wird zuruckgewiesen. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Beklagte behauptet, die Schuldnerin habe ihre Zahlungen im Januar 1998,\nnachdem die D. Bank im Dezember 1997 ihre Kredite gestundet habe, allgemein\nwieder aufgenommen. Es habe bis zur Scheck- und Wechseleinlosung zu keinem\nZeitpunkt mehr als uber drei Wochen hinweg eine Liquiditatslucke von mehr als\n10 % ihrer falligen Gesamtverbindlichkeiten bestanden. Durch weitere\nBetriebsmittelkredite der X-Bank und der Investitionsbank des Landes B. habe\nsich ihre Liquiditat im Juni 1998 um 3 Millionen DM erhoht. Sie habe ihre\nLiquiditat circa 1 Jahr in die Zukunft geplant. Ende Dezember 2000 sei\naufgrund mehrerer noch nicht abrechenbarer Großauftrage ein momentaner\nLiquiditatsengpass aufgetragen. Wahrend die X-Bank in eine Erhohung der\nKreditlinie um 100.000,-- DM bis zum 15.2.2001 und um 50.000,-- DM bis zum\n16.2.2001 sowie die Investitionsbank des Landes B. in eine Stundung fallig\nwerdender Zins- und Tilgungszahlungen eingewilligt hatten, habe die D. Bank\nuber die von ihr erbetene Krediterhohung vorlaufig nicht entschieden, sondern\nfallige Zins- und Tilgungszahlungen vorlaufig gestundet, die Kreditanfrage im\nJanuar 2001 zunachst negativ beschieden und mit Schreiben vom 19.1.2001 die\nRuckzahlung ihrer Kredite bis zum 19.2.2001 verlangt, jedoch nach Zahlung von\n26.000,-- DM fur November 2000 am 31.1.2001, also noch vor Auslaufen der\nZahlungsfrist bis 19.2.2001, die Zinsrate von 26.000,-- DM fur Dezember 2000\nbis 15.2. bzw. 16.3.2001 gestundet. \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Liquiditat der Schuldnerin habe stets ausgereicht, um voll produzieren\nzu konnen. Die Schuldnerin habe ihre Zahlungen im Januar 1998, nachdem die D.\nBank im Dezember 1997 ihre Kredite gestundet habe, allgemein wieder\naufgenommen. Neben den Arbeitnehmern, den Lieferanten, der X-Bank, der\nVolksbank etc., deren Forderungen fortlaufend bedient worden seien, habe sie\nfortan auch ihre Zahlungen gegenuber der D. Bank wieder aufgenommen, die ab\nJanuar 1998 monatliche Zins- und Tilgungszahlungen in Hohe von 26.000,- EUR\nerhalten habe. Bis zum 31.5.2001 seien die Kreditlinien der Schuldnerin bei\nder X-Bank, der Volksbank B. und der Sparkasse O. zu keinem Zeitpunkt\nvollstandig ausgeschopft gewesen. Der geschaftsfuhrende Gesellschafter der\nSchuldnerin Wolfgang Sch. sei jederzeit in der Lage gewesen, die Liquiditat\nder Schuldnerin mittels eines Kredits oder einer Kapitalrucklage um ca.\n600.000,-- DM zu erhohen. Hierfur habe er jedoch keine Notwendigkeit gesehen.\nIn der Zeit von Januar 2001 bis Mai 2001 habe die Schuldnerin an ihre\nGlaubiger uber 9 Millionen DM bezahlt. Auf die Beklagte seien hiervon nur\n252.680,40 DM, also circa 3 %, entfallen. \n--- \n| 28 \n--- \n| Der Klager habe bislang nicht dargelegt, dass die Forderungen, die er in\nseinem Schriftsatz vom 28.9.2007 aufgelistet habe, zu den maßgeblichen\nZeitpunkten von den Glaubigern der Schuldnerin ernsthaft eingefordert worden\nseien. \n--- \n| 29 \n--- \n| Alle Glaubiger der Forderungen, die der Klager in seinem Schriftsatz vom\n28.9.2007 aufgelistet habe, hatten in eine spatere oder nachrangige\nBefriedigung eingewilligt. Der Geschaftsfuhrer der Schuldnerin Wolfgang Sch.\nsei mit allen Glaubigern permanent in Kontakt gewesen. Alle Forderungen, bei\ndenen die Glaubigerin der Schuldnerin in eine spatere oder nachrangige\nBefriedigung eingewilligt hatten, seien ungeeignet gewesen, eine\nZahlungsunfahigkeit der Schuldnerin im Sinn von § 17 InsO zu begrunden. Der\nBundesgerichtshof halte an dem Tatbestandsmerkmal des ernsthaften Einforderns\nfest. Die Forderung eines Glaubigers, der in eine spatere oder nachrangige\nBefriedigung eingewilligt habe, durfe deshalb nicht berucksichtigt werden. Die\nBeklagte verweist insoweit auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom\n19.7.2007, AZ: IX ZB 36/07. Die Beklagte nimmt zu einzelnen Forderungen in\nihrem Schriftsatz vom 10.3.2006 ab Seite 8 ff. naher Stellung. Es seien\nRatenzahlungen und langfristige Zahlungsziele vereinbart gewesen. Die Beklagte\nlegt den Umfang von Zahlungen an die einzelnen Glaubiger dar. Die Forderung\nder Investitionsbank des Landes B. uber 237.578,10 DM sei bis Mai 2001\ngestundet worden. Über das Urlaubsgeld fur das Jahr 1998 habe die Schuldnerin\nmit dem Betriebsrat in der Betriebsvereinbarung Nr. 1/98 vom 26.6.1998 und dem\nZusatz vom 26.10.2000 eine spatere bzw. nachrangige Befriedigung vereinbart.\nAuf Weihnachtsgratifikationen hatten die Arbeitnehmer der Schuldnerin keinen\nAnspruch gehabt. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Beklagte habe keine Kenntnis von einer Zahlungsunfahigkeit der\nSchuldnerin gehabt. Auch Umstande, die eine solche indizieren konnten, seien\nihr nicht bekannt gewesen. Ihr Geschaftsfuhrer Dieter Sch. habe aufgrund der\nlangjahrigen Geschaftsbeziehung gewusst, dass die Schuldnerin ihren\nZahlungspflichten nachgekommen sei. Die Liquiditatslucken seien ihm nicht\nbekannt gewesen. Die Scheck- und Wechselzahlungen vom 19.3.2001 bzw. 20.3.2001\nseien fur ihn regelmaßige Vorgange im laufenden Geschaftsverkehr gewesen. \n--- \n| 31 \n--- \n| Otto Sch. sei bekannt gewesen, dass die Schuldnerin ihren Zahlungspflichten\nnachgekommen sei. Über die Ruckfuhrung der Kredite, insbesondere jener der D.\nBank, sei er nicht im einzelnen informiert gewesen. Seine Kenntnisse hatten\nsich auf mundliche Mitteilungen seines Sohnes Wolfgang Sch. und des\nUnternehmensberaters Johannes B. beschrankt. Herr Otto Sch. habe ab 1997 /\n1998 nur noch selten Zahlungen fur die Schuldnerin veranlasst. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Scheckzahlung vom 19.3.2001 und die Wechselzahlung vom 30.3.2001 hatten\ndie Glaubiger der Schuldnerin nicht benachteiligt, soweit hierdurch Waren\nbezahlt worden seien, die unter Eigentumsvorbehalt der Beklagten gestanden\nhatten. Zum Zeitpunkt der Scheckeinlosung am 19.3.2001 seien die damit\nbezahlten und gelieferten Schlauche noch im Besitz der Schuldnerin gewesen.\nSie seien bewegliche Ausstattung eines Kommunalfahrzeugs gewesen, das im Mai\n2001 nach Bombai/Indien exportiert und dort zusammen mit den Schlauchen am\n23.05.2001 ubereignet worden sei. Die gelieferten Kanalspulschlauche seien bis\ndahin noch unter dem Eigentumsvorbehalt der Beklagten gestanden. Die mit dem\nWechsel bezahlten 24 Rechnungen der Beklagten hatten - mit Ausnahme von drei\nRechnungen im Umfang von 6.112,90 DM (3.125,48 EUR) fur erbrachte\nDienstleistungen - Warenlieferungen betroffen. Die Waren seien zum Zeitpunkt\nder Wechseleinlosung am 30.3.2001 unverarbeitet im Lager der Schuldnerin\nvorhanden gewesen und seien bis zur vollstandigen Bezahlung unter einem\nEigentumsvorbehalt der Beklagten gestanden. \n--- \n| 33 \n--- \n| Die vom Klager vorgelegten Verzeichnisse und Übersichten uber die\nMassengegenstande seien unvollstandig bzw. fehlerhaft. In Wahrheit habe die\nSchuldnerin am 1.7.2001 ein Vielfaches mehr an Vorraten und halbfertigen\nArbeiten gehabt, namlich annahernd so viel wie zum Zeitpunkt der\nInsolvenzantragstellung am 23.5.2001. Zu diesem Zeitpunkt habe die Schuldnerin\nVorrate im Wert von circa 3.921.000,-- DM und halbfertige Arbeiten im Wert von\nca. 1.077.454,-- DM gehabt. \n--- \n| 34 \n--- \n| Tatsachen wie eine Glaubigerbenachteiligung seien vom Bundesgerichtshof in\nseinem Urteil vom 21.6.2007 nicht festgestellt worden. Vielmehr habe der\nBundesgerichtshof nur rechtliche Hinweise erteilt. Der Klager habe\ngrundsatzlich fur alle objektiven und subjektiven Voraussetzungen der\nInsolvenzanfechtung die Darlegungs- und Beweislast. Insbesondere habe er auch\ndie Glaubigerbenachteiligung darzulegen und zu beweisen. Er habe deshalb zu\nbeweisen, dass mit der angefochtenen Scheck- bzw. Wechselzahlung eine\nGegenleistung der Beklagten nicht verbunden gewesen sei. \n--- \n| 35 \n--- \n| Ein Eigenkapital ersetzendes Darlehen der Beklagten habe es nicht gegeben.\nDie Schuldnerin bzw. deren Gesellschafter hatten die Beklagte nicht\nbeherrscht. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Bezuglich der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf die\ngewechselten Schriftsatze nebst Anlagen in allen Instanzen verwiesen. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Der Senat hat die Zeugen Otto Sch., Johannes B. und Wolfgang Sch. vernommen.\nBezuglich deren Angaben wird auf die Sitzungsniederschrift vom 23.06.2008\nverwiesen. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 38 \n--- \n| Die zulassige Berufung des Klagers ist nur in Hohe von 3.125,48 EUR nebst\nZinsen begrundet. \n--- \n--- \n1. \n--- \n| 39 \n--- \n| Nach § 563 Abs. 2 ZPO hat der Senat die rechtliche Beurteilung, auf der die\nAufhebung durch den Bundesgerichtshof beruht, auch seiner Entscheidung zu\nGrunde zu legen. An eine sonstige Begrundung, insbesondere an Voraussetzungen,\ndie keine Rechtssatze darstellen, ist der Senat nicht gebunden. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs sind nunmehr noch die\nVoraussetzungen fur eine Anfechtbarkeit der Scheck- und Wechselzahlung nach §\n130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO zu prufen. \n--- \n| 41 \n--- \n| Ohne Änderung des Sachverhalts in tatsachlicher Hinsicht steht aufgrund des\nUrteils des Bundesgerichtshofs vom 21.6.2007, AZ: IX ZR 231/04, WM 2007, 1616,\nfest, dass Zahlungsunfahigkeit der Schuldnerin spatestens zum 1.7.1997\neingetreten war. \n--- \n| 42 \n--- \n| Entgegen der Auffassung des Klagers hat der Bundesgerichtshof in seinem\nUrteil vom 21.6.2007 nicht die ubrigen Voraussetzungen fur eine\nInsolvenzanfechtung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO bindend festgestellt,\nsondern im Übrigen nur Hinweise fur den Fortgang des Berufungsverfahrens vor\ndem OLG Stuttgart gegeben. \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| In der Folge muss nun die Beklagte darlegen und beweisen, dass die einmal\neingetretene Zahlungseinstellung wieder dadurch beseitigt wurde, dass die\nBeklagte ihre Zahlungen allgemein wieder aufgenommen hat (vgl. unten 2.).\nDabei haben die Forderungen der D. Bank jedenfalls bis November 2000 außer\nBetracht zu bleiben, nachdem der Senat mit Urteil vom 7.12.2004 eine\nStundungsvereinbarung hinsichtlich der Verbindlichkeiten der Beklagten bei der\nD. Bank, beginnend mit dem Schreiben der D. Bank vom 3.12.1997, angenommen hat\nund der Bundesgerichtshof diese Auslegung nicht beanstandet hat. Der weitere\nVortrag der Parteien gibt keinen Anlass, dieser Vereinbarung ein anderes\nVerstandnis zukommen zu lassen. \n--- \n| 44 \n--- \n| Nach den Ausfuhrungen des Bundesgerichtshofs ist gemaß §§ 130 Abs. 1 Satz 1\nNr. 1, Abs. 2, Abs. 3 InsO zu vermuten, dass die Beklagte die\nZahlungsunfahigkeit der Schuldnerin zum Zeitpunkt der Scheck- und\nWechselzahlung kannte. Insoweit hat der Senat erganzende Feststellungen zu\ntreffen (unten 3.). \n--- \n| 45 \n--- \n| Hinsichtlich der durch die Scheck- und Wechselzahlung ausgelosten\nmittelbaren Glaubigerbenachteiligung hat der Bundesgerichtshof einen\nausreichenden Sachvortrag der Beklagten vermisst, ob ein Eigentumsvorbehalt\nder durch die Zahlungen eingetretenen objektiven Glaubigerbenachteiligung\nentgegensteht (hierzu unten zu 4.). \n--- \n--- \n2. \n--- \n| 46 \n--- \n| Eine einmal eingetretene Zahlungseinstellung wird grundsatzlich erst\nbeseitigt, wenn die geschuldeten Zahlungen an die Gesamtheit der Glaubiger im\nAllgemeinen wieder aufgenommen werden. Die Stundung von Forderungen genugt\nhierzu erst, wenn danach die geschuldeten Ratenzahlungen allgemein wieder\naufgenommen werden. Allenfalls ein nicht wesentlicher Teil falliger\nForderungen darf unerfullt bleiben (BGHZ 149, 100, Juris RN 25; 178, Juris RN\n35;). Die Beklagte hat danach darzulegen und zu beweisen, dass die Schuldnerin\n- von der Verpflichtung der D. Bank gegenuber abgesehen - ihre Zahlungen\nallgemein wieder aufgenommen hat (BGH WM 2007, 1616, Juris RN 35). Dies ist\nihr nicht gelungen. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| a) Die Beklagte hat die allgemeine Wiederaufnahme der Zahlungen durch die\nSchuldnerin nicht ausreichend dargelegt. Sie tragt lediglich vor, dass die\nSchuldnerin ab dem Jahr 1998 ihre Zahlungen allgemein wieder aufgenommen und\nbis zur Insolvenzantragstellung nicht wieder eingestellt habe. Es fehlen aber\nAusfuhrungen dazu, welche falligen Verbindlichkeiten die Schuldnerin ab dem\n1.1.1998 gehabt hat und wann sie diese jeweils erfullt hat. \n--- \n| 48 \n--- \n| Die Beklagte hat lediglich zu denjenigen Verbindlichkeiten der Schuldnerin\nvorgetragen, die zum Zeitpunkt der Insolvenzeroffnung noch fortbestanden\nhaben. Hierzu hat sie im wesentlichen Stundungen vorgetragen. Es fehlt aber\nein ausreichend substantiierter Vortrag, wann mit welchem Geschaftspartner\nwelche Stundungsvereinbarung getroffen wurde, insbesondere ob bestimmte\nZahlungsziele oder Ratenzahlungen vereinbart wurden, die dann auch eingehalten\nworden sind. Den Anlagen B 38 bis 41 zum Schriftsatz vom 19.06.2008 ist zu\nentnehmen, dass die Stundungen zumindest teilweise erst vereinbart wurden,\nwenn uber eine langere Zeit erhebliche fallige Verbindlichkeiten aufgelaufen\nwaren. Dies steht einer allgemeinen Wiederaufnahme der Zahlungen entgegen. Im\nÜbrigen beseitigen nicht schon die Stundungen als solche die\nZahlungseinstellung, sondern erst eine mit Hilfe der Stundung erfolgte\nallgemeine Wiederaufnahme der Zahlungen im Übrigen, seien es auch zunachst nur\nRatenzahlungen (BGH LM Nr. 1 zu § 30 KO). \n--- \n--- \n| 49 \n--- \n| b) Sogenannte „erzwungene Stundungen", die dadurch zustande kommen, dass der\nSchuldner seine falligen Verbindlichkeiten mangels liquider Mittel nicht mehr\noder nur noch mit Verzogerungen begleicht, die Glaubiger aber nicht sofort\nklagen und vollstrecken, weil sie dies ohnehin fur aussichtslos halten oder\nsie nicht den sofortigen Zusammenbruch des Schuldners verantworten wollen,\nfuhren nicht zu einer Zahlungsfahigkeit (BGH WM 2007, 1616, Juris RN 22). Fur\n„erzwungene Stundungen" der Arbeitnehmer gilt dies in besonderem Maße. Werden\nsie daruber informiert, dass das Ausbleiben punktlicher Lohnzahlungen auf eine\nernsthafte finanzielle Krise des Arbeitgebers zuruckzufuhren ist, werden sie\noft aus Sorge, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, stillhalten. Blieben ihre\nLohnforderungen bei der Prufung der Zahlungsunfahigkeit unberucksichtigt,\nwurde nicht selten der richtige Zeitpunkt fur die Eroffnung des\nInsolvenzverfahrens verfehlt (BGH a.a.O., Juris RN 23). Tatsachlich haben die\nArbeitnehmer mit der Protokollnotiz vom 26.6.1998 im Hinblick auf die\nSanierungsbemuhungen der Geschaftsleitung einen Rangrucktritt vereinbart.\nDamit sollten diese Anspruche nur aus kunftigen Gewinnen, aus einem\nLiquiditatsuberschuss oder, nach Überwindung der Krise, aus einem die\nsonstigen Schulden ubersteigenden Vermogen der Schuldnerin beglichen werden\n(Anlage K 9, Bl. 599). Nachdem die Schuldnerin diese Forderungen nicht\nbeglichen hat, ist daraus zu schließen, dass sie die im Jahr 1998 eingetretene\nKrise bis zum Insolvenzverfahren nicht uberwunden hat. Die Angaben des Zeugen\nB. verdeutlichen den Druck, der auf die Arbeitnehmer zum Abschluss einer\nStundungsvereinbarungen fur Urlaubsgeld ausgeubt wurde. Ihnen wurde klar vor\nAugen gefuhrt, dass ihre Verweigerung den ganzen Sanierungsplan und damit das\nganze Unternehmen gefahrden wurde. So hat der Zeuge Johannes B., der die\nSchuldnerin ab August 1997 als Wirtschaftsberater begleitet hat, in seiner\nZeugenaussage vor dem Landgericht Ravensburg auch bekundet hat, dass sich die\nMitarbeiter mit einem Verzicht einverstanden erklaren mussten . \n--- \n| 50 \n--- \n| Danach fuhren die Betriebsvereinbarungen Nr. 1/98 vom 26.6.1998 und im\nZusatz vom 26.10.2000 uber die Stundung von Urlaubsgeld fur das Jahr 1998\nnicht zu einem Stillhalten, das diese Forderungen der Arbeitnehmer der\nSchuldnerin bei der Frage der allgemeinen Wiederaufnahme der Zahlungen\nausklammern konnte. Die zu berucksichtigenden Urlaubsgelder stehen einer\nallgemeinen Wiederaufnahme der Zahlungen entgegen. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| c) Nach den Angaben des Zeugen B. wurde vergleichbar den Arbeitnehmern der\nSchuldnerin auch den Lieferanten der Ernst der Situation deutlich gemacht.\nSoweit es unter diesen Umstanden zu Stundungen gekommen es, handelt es sich um\nerzwungene Stundungen. Die diesen Stundungen zu Grunde liegenden\nVerbindlichkeiten konnen bei der Frage der allgemeinen Wiederaufnahme der\nZahlungen nicht unberucksichtigt bleiben. \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| d) Allein der Vortrag, die Schuldnerin habe von Januar 2001 bis Mai 2001 an\nihre Glaubiger uber 9 Millionen DM bezahlt, genugt nicht fur die Darlegung\neiner allgemeinen Wiederaufnahme der Zahlungen. Eine Zahlungsunfahigkeit des\nSchuldners schließt nicht aus, dass er noch einzelne - sogar betrachtliche -\nZahlungen erbringt (BGHZ 149, 178, Juris RN 36). Es ist weiterhin weder\nvorgetragen noch ersichtlich, welchen falligen Verbindlichkeiten die\nSchuldnerin bis zum Zeitpunkt der streitgegenstandlichen Zahlungen insgesamt\nausgesetzt war (vgl. auch BGH WM 2007, 1616, Juris RN 38). \n--- \n--- \n| 53 \n--- \n| Auch die wirtschaftlichen Rahmendaten lassen eine allgemeine Wiederaufnahme\nder Zahlungen nicht erkennen. Ausweislich des Tatbestands des Urteils des\nSenats vom 7.12.2004 erwirtschaftete die Schuldnerin laut ihren\nJahresabschlussen zum 31.12.1997 eine Unterdeckung von 1.852.000,-- DM, zum\n31.12.1999 eine Unterdeckung von 1.713.000,-- DM und zum 31.12.2000 eine\nUnterdeckung von 4.133.000,-- DM. Die Gewinn- und Verlustrechnung fur das Jahr\n1999 wies einen Fehlbetrag von 958.000,-- DM und fur das Jahr 2000 einen\nFehlbetrag von 2.420.000,-- DM auf. \n--- \n| 54 \n--- \n| Aus den Lageberichten der S. Treuhand uber die Prufung des Jahresabschlusses\nzum 31.12.1998 ergibt sich lediglich, dass eine punktgenaue Liquiditats-\nEinkaufs- und Produktionsplanung umgesetzt sei und die Gesamtkosten durch\nstrikte Sparmaßnahmen, weitere Anpassungen in den Personalkosten und\nweitgehendsten Investitionsstopp gegenuber 1997 um weitere 20 % zum Umsatz\nreduziert werden konnten. Im Bericht des Wirtschaftsprufers Wilhelm H. uber\ndie Prufung des Jahresabschlusses zum 31.12.1999 wird mitgeteilt, dass\naufgrund des negativen Cash Flow die Finanzlage der Gesellschaft nicht\nbefriedigend gewesen sei. Voraussetzung fur eine wesentliche Verbesserung der\nVermogens-, Finanz- und Ertragslage seien die Durchsetzung der in Angriff\ngenommenen Maßnahmen sowie weitere zusatzliche Maßnahmen, die zur Zeit\nzwischen Gesellschaftern und Banken erortert wurden (Anlagen B 25 und B 26). \n--- \n--- \n| 55 \n--- \n| Ohne bestimmte, erhebliche Behauptungen der Beklagten oblag es dem Klager\nnicht, aufgrund der ihm verfugbaren Unterlagen der Schuldnerin durch ein\nsubstantiiertes Bestreiten zur Aufklarung des Sachverhalts beizutragen (BGHZ\n149, 100, Juris RN 28; 178, Juris RN 36). \n--- \n--- \n3. \n--- \n| 56 \n--- \n| Zur Frage der Widerlegung der Vermutung der Kenntnis der Zahlungsunfahigkeit\nbei Entgegennahme der Leistungen der Schuldnerin (§ 130 Abs. 3 InsO) wurden\nvom Senat die Zeugen Otto und Wolfgang Sch. sowie Johannes B. vernommen. Das\nLandgericht hat die von ihm vorgenommene Beweisaufnahme nicht unter diesem\nrechtlichen Gesichtspunkt gewurdigt, so dass der Senat auf die Beweiswurdigung\ndes Landgerichts nicht zuruckgreifen konnte, sondern die Zeugen erneut horen\nmusste. \n--- \n| 57 \n--- \n| Danach kann sich der Senat nicht davon uberzeugen, dass die Beklagte uber\nihren Geschaftsfuhrer Otto Sch. von der wirtschaftlichen Situation der\nSchuldnerin und ihrer Zahlungsunfahigkeit keine Kenntnis gehabt hatte. Es\nspricht sogar vieles fur eine solche Kenntnis. \n--- \n| 58 \n--- \n| Der Zeuge Otto Sch. hat versucht, dem Senat seine Unkenntnis von der\nwirtschaftlichen Situation der Schuldnerin glauben zu machen. Er raumte aber\nein, personlich eine Burgschaft uber 1 Mio DM zu Gunsten der I. und der X-\nBank ubernommen zu haben, um die wirtschaftliche Lage der Schuldnerin zu\nstabilisieren. Ihm war auch bekannt, dass fur eine Sanierung seines\nUnternehmens, der Schuldnerin, der Zeuge Johannes B. von der Stadt H. zur\nVerfugung gestellt worden war. Der Senat nimmt dem Zeugen Otto Sch. nicht ab,\ndass er sich fur das Schicksal der Schuldnerin, die er viele Jahre als\nGeschaftsfuhrer geleitet hatte und in der er im streitgegenstandlichen\nZeitraum noch tatig war, nicht mehr interessiert haben sollte. Plausibel sind\ndemgegenuber die Angaben seines Sohnes Wolfgang Sch., der Zeuge Otto Sch. sei\ndaran interessiert gewesen, dass das Unternehmen fortbestehe. Er habe mit\nseinem Vater besprochen, mit wem Gesprache gefuhrt wurden, mit welchen Banken,\nmit der Stadt H. etc.. Auch wenn er seinen Vater uber die Einzelheiten wie\neinzelne Zahlungen oder ahnliches nicht informiert hat, musste der Zeuge Otto\nSch. uber die allgemeinen Informationen zu Gesprachen im Hinblick auf die\nSanierung von der Zahlungseinstellung der Schuldnerin zum Zeitpunkt der\nstreitgegenstandlichen Zahlungen und damit von ihrer Zahlungsunfahigkeit\ngewusst haben. \n--- \n--- \n4. \n--- \n| 59 \n--- \n| Fur die Anfechtung nach § 130 InsO genugt eine mittelbare\nGlaubigerbenachteiligung. Mittelbar sind die Insolvenzglaubiger benachteiligt,\nwenn es zwar an einer unmittelbaren Benachteiligung durch die Rechtshandlung\nfehlt, sich aber im Zeitpunkt der letzten mundlichen Tatsachenverhandlung im\nAnfechtungsprozess ergibt, dass die Moglichkeit der Glaubiger, sich aus dem\nVermogen des Schuldners zu befriedigen, durch den Hinzutritt weiterer Umstande\nbeeintrachtigt wurde. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die\nGegenleistung den Insolvenzglaubigern nicht mehr zur Verfugung steht oder an\nWert verloren hat (HK-InsO / Kreft, 4. Aufl. § 129 RN 45). \n--- \n--- \n| 60 \n--- \n| Die Beklagte hat sich hinsichtlich der Warenlieferungen auf den in ihren\nallgemeinen Geschaftsbedingungen enthaltenen einfachen Eigentumsvorbehalt\nberufen. Die Schuldnerin habe durch die streitgegenstandlichen Zahlungen\nvorbehaltloses Eigentum an den gelieferten Waren erhalten, die den\nInsolvenzglaubigern noch zur Verfugung stunden. \n--- \n| 61 \n--- \n| Der Bundesgerichtshof hat insoweit einen Vortrag der Beklagten vermisst, auf\nwelche konkreten Lieferungen die Zahlungen erfolgt sind und ob danach unter\nEigentumsvorbehalt gelieferte Waren sich noch bei der Schuldnerin befanden,\ndie Schuldnerin also durch die Zahlung noch Eigentum erwerben konnte (BGH WM\n2007, 1616, Juris, RN 49). \n--- \n--- \n| 62 \n--- \n| a) Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 30.9.2007 einzeln dargelegt, auf\nwelche Leistungen ihre Rechnungsstellung beruhte, die mit der\nstreitgegenstandlichen Scheck- und Wechselzahlung erfullt werden sollten. \n--- \n--- \n| 63 \n--- \n| b) In Hohe von insgesamt 6.112,90 DM = 3.125,48 EUR erfolgte die\nRechnungsstellung fur erbrachte Dienstleistungen. Durch die Wechselzahlung vom\n17.12.2000 und die Wechseleinlosung am 30.3.2001 ist dem Vermogen der\nSchuldnerin insoweit keine Gegenleistung zugewachsen. Hier beeintrachtigte die\nWechselzahlung die Befriedigungsmoglichkeiten der Glaubiger. In diesem Umfang\nhat deshalb die Klage Erfolg. \n--- \n--- \n| 64 \n--- \n| c) Etwas anderes gilt jedoch hinsichtlich der Warenlieferungen. Insoweit hat\ndie Beklagte in der Folge des vorangegangenen Urteil des Bundesgerichtshofs\nsubstantiiert und nachvollziehbar dargelegt, warum hier eine\nGlaubigerbenachteiligung nicht eingetreten sein soll. \n--- \n--- \n| 65 \n--- \n| aa) Die Beklagte hat ausreichend dargelegt und bewiesen, dass die\nabgerechneten Waren unter einem einfachen Eigentumsvorbehalt geliefert worden\nsind. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die als Anlage B 1 vorgelegten\nVerkaufs- und Lieferbedingungen der Beklagten bei jeder der aufgelisteten\nAuftragserteilungen oder Rechnungen beigelegt waren. Der Geschaftsfuhrer der\nBeklagten hat uberzeugend dargelegt, dass die Allgemeinen Geschaftsbedingungen\nim streitgegenstandlichen Zeitraum zwar noch nicht auf der Ruckseite der\nRechnungen abgedruckt waren, aber dem Schriftverkehr und den Rechnungen\nublicherweise auf dunnem Papier gedruckt beigefugt worden waren. Der Zeuge\nWolfgang Sch. hat bekundet, dass ublicherweise bei Lieferungen der Beklagten\nderen AGB Grundlage der Geschafte waren, wahrend bei Lieferungen der\nSchuldnerin die AGB der Schuldnerin einbezogen worden seien. Er hat bestatigt,\ndass die Allgemeinen Geschaftsbedingungen der Beklagten mit einem gesonderten\nBlatt aus Leichtpapier regelmaßig beigefugt waren. Die Schuldnerin und die\nBeklagte befanden sich in einer standigen Geschaftsbeziehung, die sich ab dem\nJahr 1997, als der Zeuge Wolfgang Sch. die Geschaftsfuhrung der Schuldnerin\nubernahm, fortgesetzt hat. Nachdem der Zeuge Wolfgang Sch. ab 1997 die\nkaufmannische Leitung der Schuldnerin ubernommen hatte, stammen seine\nKenntnisse uber die Verwendung der Allgemeinen Geschaftsbedingungen aus den\nJahren vor dem streitgegenstandlichen Zeitraum der Rechnungen aus dem Jahr\n2000 sowie am 9.2.2001 (Kanalspulschlauche). \n--- \n| 66 \n--- \n| Durch die langjahrige Übung zwischen den Parteien wurden die Allgemeinen\nGeschaftsbedingungen des jeweiligen Lieferanten durch schlussiges Verhalten in\nden einzelnen Vertrag einbezogen. Gemaß § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB bedarf es fur\nGeschafte zwischen Unternehmern keiner ausdrucklichen Einbeziehung Allgemeiner\nGeschaftsbedingungen in einen Vertrag nach § 305 Abs. 1 und Abs. 2 BGB. Im\nkaufmannischen Geschaftsverkehr ist auch eine stillschweigende Unterwerfung\nausreichend (BGH WM 2005, 1892, Juris RN 16 f.; WM 1991, 459, Juris RN 24; BGH\nDB 1978, 1587; WM 1977, 76, 77; NJW 1965, 1324, 1325). Die Beklagte hatte in\nder standigen Geschaftsbeziehung stets ihre Rechnungen mit den genannten\nGeschaftsbedingungen ubermittelt. Die Schuldnerin hatte zu keiner Zeit\nEinwendungen gegen diese von der Beklagten gestellten Bedingungen erhoben und\nwusste, dass diese ihre weiteren Lieferungen nur zu ihren Geschaftsbedingungen\ntatigen wollte. Indem die Schuldnerin bei der Beklagten ohne Widerspruch neue\nWaren bestellt hat, hat sie ihr stillschweigendes Einverstandnis damit zum\nAusdruck gebracht, dass auch die jeweils kunftig abzuschließenden einzelnen\nKaufvertrage den Geschaftsbedingungen der Beklagten unterliegen sollten (BGH\nWM 2005, 1892, a.a.O.). Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich dabei um\neine jederzeit kundbare Rahmenvereinbarung handelte oder ob die Einbeziehung\nder Geschaftsbedingungen durch jeweils schlussiges Verhalten fur jedes\neinzelne kunftige Rechtsgeschaft erfolgte (BGH DB a.a.O.). \n--- \n| 67 \n--- \n| Im Übrigen geht es vorliegend um die Einbeziehung eines einfachen\nEigentumsvorbehalts. Die Einbeziehung eines einfachen Eigentumsvorbehalts ist\nim Warenverkehr zwischen Unternehmen ublich, zumal wenn im laufenden\nGeschaftsverkehr Rechnungen auf den Eigentumsvorbehalt verweisen (BGHZ 42, 53,\n55; WM 1977, a.a.O.). Dies gilt im vorliegenden Fall um so mehr, als wegen der\nvereinbarten Zahlungsfristen und der Zahlung durch Wechsel zwischen Lieferung\nund deren Bezahlung ein nicht unerheblicher Zeitraum vergehen konnte, fur den\nein Kaufmann ublicherweise eine Sicherheit wie z.B. einen zumindest einfachen\nEigentumsvorbehalt begehrt. \n--- \n--- \n| 68 \n--- \n| bb) Nachdem die Beklagte die Vereinbarung eines Eigentumsvorbehalts bewiesen\nhat, die betroffenen Waren im einzelnen bezeichnet hat, den Besitz der\nSchuldnerin zum Zeitpunkt der Zahlungen behauptet und sich auf den\nEigentumsubergang an Waren aufgrund der von ihr erhaltenen Zahlungen berufen\nhat, hat sie ausreichend substantiiert eine Gegenleistung fur die Zahlungen\nvorgetragen. Nunmehr muss der Insolvenzverwalter, also der Klager, der die\nDarlegungs- und Beweislast fur die Glaubigerbenachteiligung tragt, vortragen\nund gegebenenfalls beweisen, dass es an einer Gegenleistung des\nAnfechtungsgegners fehlt oder diese im Zeitpunkt der letzten mundlichen\nVerhandlung in der Tatsacheninstanz nicht - mehr - vorhanden oder vollwertig\nwar (BGH WM 1962, 1316, 1318; WM 1991, 1570, Juris RN 30; HK-Kreft, a.a.O. RN\n61; Munchner Kommentar-Kirchhof, InsO § 129 RN 228; Uhlenbruck, InsO 12.\nAufl., § 129 RN 130). Es ist nicht erkennbar, dass sich der Bundesgerichtshof\nvon dieser standigen Rechtsprechung mit der in diesem Verfahren ergangenen\nEntscheidung (BGH WM 2007, 1616, Juris RN 49) losen wollte. \n--- \n| 69 \n--- \n| Was mit den gelieferten Waren geschehen ist, ist fur die Beklagte nicht\nleichter aufzuklaren und darzulegen als fur den Klager. Die Beklagte trifft\ninsoweit keine sekundare Darlegungslast (vgl. hierzu BGH WM 2006, 490, Juris\nRN 11; WM 2007, 1377, Juris RN 18; BGH WM 2000, 1209, Juris RN 11 f.). \n--- \n--- \n| 70 \n--- \n| Der Insolvenzverwalter muss deshalb beweisen, dass zum Zeitpunkt der Scheck-\nund Wechselzahlung die gelieferten Waren nicht mehr vorhanden waren, also die\nZahlungen ohne Gegenleistung erfolgt sind (BGH WM 1962, 1316, 1318; WM 1991,\n1570, Juris RN 30). Hierauf ist er mit Verfugung des Senats vom 11.4.2008\nausdrucklich hingewiesen worden. Er hatte zuvor seiner Beweislast im Hinblick\nauf den Verbleib der gelieferten Waren nicht genugt, indem er das Verzeichnis\nder vorhandenen Massegegenstande und die Vermogensubersicht gemaß § 153 InsO\nvorgelegt hat, weil diese Übersichten den Warenstand zum Zeitpunkt der\nZahlungen nicht wiedergeben. Die Richtigkeit dieser Aufstellungen hat die\nBeklagte im Übrigen bestritten. Auch nach dem Hinweis des Senats vom 11.4.2008\nund in der mundlichen Verhandlung vom 23.06.2008 hat er keinen weiteren Beweis\nangeboten, sondern seine Beweislast abgestritten. \n--- \n| 71 \n--- \n| Mit Schriftsatz vom 1.07.2008 hat er seiner Beweislast hinsichtlich der\nKanalspulschlauche nicht genugt. Der Zeuge Wolfgang Sch. hat gerade nicht\nbestatigt, dass vor der Zahlung eine Übereignung des Kommunalfahrzeugs mit den\nKanalspulschlauchen, die diesem als Ausstattung beigefugt waren, statt\ngefunden hatte. Die Scheckzahlung ist nach seinen glaubhaften Angaben erfolgt,\nnachdem die Endabnehmerin aus Indien nach dem Abschicken des Fahrzeugs eine\nAbschlagszahlung geleistet hat. Die Übereignung durch Übergabe hat erst spater\nmit Billigung des Insolvenzverwalters in Bombay stattgefunden. \n--- \n| 72 \n--- \n| Durch die Zahlungen hatte die Schuldnerin - vom Klager unwiderlegt -\nEigentum an den gelieferten Waren erlangt. Ohne die Scheck- bzw.\nWechselzahlung und den damit verbundenen Eigentumsubergang hatte die Beklagte\ndie Moglichkeit gehabt, im Insolvenzverfahren - auch noch zum Schluss der\nmundlichen Verhandlung - sich ihr Eigentum zu sichern und die Waren gemaß § 47\nInsO auszusondern und herauszuverlangen (BGH LM § 30 KO Nr. 8). Unter\neinfachem Eigentumsvorbehalt stehende Warenbestande gehoren nicht zur\nInsolvenzmasse und unterliegen daher dem Aussonderungsrecht des\nEigentumsvorbehaltsverkaufers (BGH WM 1997, 1679, Juris RN 9). Es kann nicht\nunterstellt werden, die Schuldnerin oder der (vorlaufige) Insolvenzverwalter\nhatten ohne die Zahlungen das von der Beklagten vorbehaltene Eigentum an den\ngelieferten Waren missachtet und diese unbefugt unter Bruch fremden Eigentums\nverarbeitet oder veraußert. Auf die Frage einer Ersatzaussonderungsmoglichkeit\n(§ 48 InsO) bei unbefugter Veraußerung von unter Eigentumsvorbehalt der\nBeklagten stehenden Waren durch die Schuldnerin (vgl. BGHZ 102, 293) kommt es\ndeshalb nicht an. \n--- \n| 73 \n--- \n| Einem Aussonderungsrecht der Beklagte waren nicht die Regeln uber\nkapitalersetzende Leistungen entgegengestanden. Der Zeuge Otto Sch. hielt an\nder Beklagten ab dem Jahr 1983 lediglich einen Gesellschaftsanteil von 10 %.\nDie Kapitalersatzregeln (§§ 30, 31 GmbHG) sind jedoch erst bei einer\nmaßgeblichen Beteiligung, namlich von uber 50%, anwendbar (vgl. BGH, Urteil\nvom 14.02.2008, Az. IX ZR 38/04, Juris RN 38; WM 1999, 1621) \n--- \n--- \n| 74 \n--- \n| Vorliegend sind die Insolvenzglaubiger durch die Scheck- und Wechselzahlung\nnicht benachteiligt worden, weil ohne die Scheck- und Wechselzahlung Waren in\nentsprechendem Wert in der Insolvenzmasse verblieben waren, die die Beklagte\nhatte aussondern durfen. \n--- \n--- \n5. \n--- \n| 75 \n--- \n| Gemaß § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO hat die Beklagte einen Teil der erhaltenen\nZahlungen in Hohe von 3.125,48 EUR zur Insolvenzmasse zuruckzugewahren. Bei\nanfechtbarem Erwerb von Geld hat der Anfechtungsgegner Prozesszinsen ab\nEroffnung des Insolvenzverfahrens zu entrichten. Gemaß § 143 Abs. 1 Satz 2\nInsO kann der Klager hinsichtlich des Ruckgewahrbetrags Zinsen in Hohe von 5\n%-Punkten uber dem Basiszinssatz ab Eroffnung des Insolvenzverfahrens\nverlangen (BGH WM 2007, 556, Juris RN 11 ff.). \n--- \n--- \n6. \n--- \n| 76 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus den §§ 92 Abs. 1 und 2 Nr. 1, 97 Abs.\n1 ZPO. Der Entscheidung zur vorlaufigen Vollstreckbarkeit liegen die §§ 708\nNr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO zu Grunde. \n--- \n| 77 \n--- \n| Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO fur eine Zulassung der Revision\nliegen nicht vor. \n--- \n--- \n| 78 \n--- \n| Die Schriftsatze der Parteien vom 1.7.2008 und 11.7.2008 geben keine\nVeranlassung, die mundliche Verhandlung wieder zu eroffnen (§§ 296a, 156 ZPO). \n---\n\n
161,089
arbg-mannheim-2008-07-29-8-bvga-208
121
Arbeitsgericht Mannheim
arbg-mannheim
Mannheim
Baden-Württemberg
Arbeitsgerichtsbarkeit
8 BVGa 2/08
2008-07-29
2019-01-10 12:11:51
2019-01-17 12:05:58
Beschluss
## Tenor\n\nDie Antrage werden zuruckgewiesen.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n**A.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfugungsverfahrens\num die Feststellung, dass die Betriebsratsmitglieder Dr. H. und Dr. S. uber\nden 30.06.2008 hinaus Mitglieder des Betriebsrates der Beteiligten zu 3.)\nsind. Hilfsweise begehrt der Antragsteller, die Beteiligte zu 2.) zu\nverpflichten, vorgenannte Betriebsratsmitglieder fur die Betriebsratstatigkeit\nbei der Beteiligten zu 3.) freizustellen. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der antragstellende Betriebsrat vertritt die 88 Beschaftigten der\nBeteiligte zu 3.), am Standort in W.. Er wurde am 11.05.2006 in der\nNiederlassung W. gewahlt und setzt sich aus funf Mitgliedern, darunter die\nBeteiligten zu 4.) und 5.), Herr Dr. H. und Herr Dr. S., zusammen. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Bis zum 30.06.2008 waren die vom Antragsteller vertretenen Beschaftigten\nder Beteiligten zu 3.) am Standort W. in den Bereichen kundenorientierte\nSoftwareentwicklung, Vertrieb, Geschaftsprozesstransformationen, IBM S, IBM D.\nsowie im Bereich G. tatig. Anlasslich der konzernweiten\nUmstrukturierungsmaßnahme O. hat die IBM C. mit ihrem Konzernbetriebsrat einen\nInteressenausgleich, auf dessen Inhalt verwiesen wird (Abl. 8 ff.),\ngeschlossen. Ein Bestandteil der hierin festgelegten Konzernumstrukturierung\nist die Neugrundung der IBM D., der Beteiligten zu 2.). Ziel der Maßnahme ist\nes seitens des Konzerns, die bisher bei der Beteiligten zu 3.) angesiedelte\nTatigkeit der kundenorientierten Unternehmenssoftwareentwicklung zukunftig bei\nder Beteiligten zu 2.) zu konzentrieren. In Umsetzung dieses Vorhabens\nerhielten die Beteiligten zu 4.) und 5.), wie auch weitere in dem betroffenen\nGeschaftsbereich tatige Beschaftigte ein auf den 20.05.2008 datiertes\numfangreiches Schreiben der Beteiligten zu 3.), in dem detailliert auf den\nÜbergang der Arbeitsverhaltnisse mit der Beteiligten zu 3.) auf die Beteiligte\nzu 2.) mit Wirkung zum 01.07.2008 hingewiesen wurde. Bezuglich des konkreten\nInhaltes des Schreibens wird auf Abl. 14 ff. verwiesen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Nach vorprozessualen Angaben der Beteiligten zu 3.) seien neben etwa 10\nBeschaftigten des Standortes W. weitere 20 Beschaftigte der IBM D.,\nNiederlassung M., sowie ein Beschaftigter aus der Niederlassung in K.,\nbeziehungsweise 2 Beschaftigte der Niederlassung S. betroffen.\nBeschaftigungsort aller Mitarbeiter solle W. sein, weshalb sich fur die\nBeteiligten zu 4.) und zu 5.) in Bezug auf die betriebliche Organisation\nnichts andere. Wie bereits zuvor seien namlich tatsachlich alle\narbeitsvertraglichen Verpflichtungen, soweit nicht im Einzelfall\nprojektbedingt anders angewiesen, am Standort in W. zu erbringen. Dabei sei\ndie Arbeit unter denselben Vorgesetzten wie zuvor zu leisten. Beide\nBeteiligten hatten, so der Antragsteller, Nutzungsmoglichkeiten der gleichen\nmateriellen und immateriellen Betriebsmittel und benutzten die\nSozialeinrichtung wie z.B. Kantine wie zuvor. Trotz der Abspaltung des auf die\nBeteiligte zu 2) ubergegangenen Betriebsteils der Beteiligten zu 3.) und des\nBetriebsuberganges mit der Folge des § 613 a BGB liege demnach in W. ein\ngemeinschaftlicher Betrieb der Beteiligten zu 2.) und zu 3.) vor. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Daher ist der antragstellende Betriebsrat der Auffassung, dass die\nBeteiligten zu 4.) und 5.) weiterhin auch nach dem 30.06.2008 dem\nBetriebsratsgremium bei der Beteiligten zu 3.) angehoren. Die Klarung der\naufgeworfenen betriebsverfassungsrechtlichen Zuordnungsfrage sei auch\neilbedurftig, da der Betriebsrat als kollektives Organ ganz besonders im\nHinblick auf die zu fassenden Beschlusse darauf angewiesen sei, dass diese\nrechtmaßig erfolgten. Dies konne aber nur dann der Fall sein, wenn die\nBeschlusse in der richtigen Zusammensetzung des Betriebsratsgremiums\nerfolgten. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Antragsteller **b e a n t r a g t** \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| 1\\. Es wird festgestellt, dass die Betriebsratsmitglieder Dr. H. und Dr. S.\nuber den 30.06.2008 hinaus Mitglieder des Betriebsrates der Firma IBM D.,\nNiederlassung W. sind. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| 2\\. Es wird festgestellt, dass die Betriebsratsmitglieder Dr. H. und Dr. S.\nuber den 30.06.2008 hinaus Mitglieder des Betriebsrats der Firma IBM D.,\nNiederlassung W., sind, langstens jedoch bis zum 31.05.2010. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| 3\\. Die Firma IBM D. wird verpflichtet, die Betriebsratsmitglieder Dr. H.\nund Dr. S. auch nach dem 30.06.2008 fur erforderliche Betriebsratsarbeit im\nRahmen ihrer fortdauernden Mitgliedschaft im Betriebsrat IBM D., Niederlassung\nW., freizustellen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Antragsgegnerinnen, die Beteiligten zu 2.) und zu 3.) kundigten mit\nSchriftsatz vom 28.07.2008 an, die Zuruckweisung der Antrage zu beantragen. Im\nAnhorungstermin vor der Kammer sind die Beteiligten zu 2.) und3.) saumig\ngeblieben. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Nach richterlichem Hinweis im Erorterungstermin, dass es vorliegend aus\nmehreren Grunden wohl an einem hinreichenden Verfugungsgrund mangele,\nerklarten die Beteiligten zu 4.) und zu 5.), dass ihnen das\nMitteilungsschreiben vom 20.05.2008 am 02.06.2008 zugegangen sei. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Bezuglich des weiteren Sachvortrages wird auf die gewechselten Schriftsatze\nsowie auf das Protokoll der mundlichen Verhandlung verwiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n**B.** \n--- \n| 13 \n--- \n| Die zulassigen Antrage sind unbegrundet, da es nach Auffassung der Kammer\nnach dem bisherigen Sachvortrag an einem hinreichend glaubhaft gemachten\nVerfugungsgrund des Antragstellers fehlt. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| 1.) Fur das vorliegende Beschlussverfahren gelten die Vorschriften des 8.\nBuches der ZPO uber die einstweilige Verfugung entsprechend, § 85 Abs. 2\nArbGG. Der begehrte Erlass einer einstweiligen Verfugung setzt demnach das\nVorliegen und die Glaubhaftmachung eines Verfugungsgrundes voraus. Unter einem\nsolchen Verfugungsgrund versteht man im Allgemeinen die Gefahrdung von\nInteressen des Antragstellers, die ein Eilverfahren und im Rahmen dieses\nEilverfahrens Maßnahmen der Sicherung, der vorlaufigen Regelung oder der\neinstweiligen Befriedigung erforderlich machen. Es mussen also Umstande\nbestehen und dargetan werden, die nach dem objektiven Urteil eines\nvernunftigen Menschen befurchten lassen, dass die Verwirklichung des geltend\ngemachten Anspruchs durch bevorstehende Ereignisse gefahrdet wird. Es muss die\nbegrundete Besorgnis bestehen, dass die Verwirklichung eines Rechts ohne die\nbegehrte alsbaldige einstweilige Regelung vereitelt oder wesentlich erschwert\nwird (so Germelmann-Matthes, ArbGG, 6. Aufl., § 85 Rn. 35; vergl. auch\nOstrowicz/Kunzl/Schafer, Handbuch des Arbeitsgerichtsverfahrens, 3. Auflage,\nRn. 847 unter Hinweis auf Prutting RdA 1995, Seite 257 (263)); siehe ferner\nMuKo - ZPO, 3. Auflage, § 935, Rn. 21 ff.). \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Im Rahmen dieser Prufung sind die dem Antragsgegner drohenden Nachteile\ngegen die Interessen des Antragstellers abzuwagen. Aber auch wenn\ngegebenenfalls der endgultige Rechtsverlust auf Seiten des Antragstellers\ndroht, kommt der Erlass einer einstweiligen Verfugung nur dann in Betracht,\nwenn sie nicht mit unverhaltnismaßigen Nachteilen fur den Antragsgegner\nverbunden ist. Keinesfalls kann demnach der bloße Hinweis auf die Verletzung\nbetriebsverfassungsrechtlicher Regelungen als solcher fur den Verfugungsgrund\nausreichen. Zu dessen Annahme kommt es daher nicht in erster Linie darauf an,\nwelches Interesse der Betriebsrat an der Mitbestimmung in dem fraglichen\nRegelungsbereich oder an der Einhaltung der entsprechenden\nbetriebsverfassungsrechtlichen Vorgaben hat, sondern darauf, ob mit dem\nAbwarten einer Hauptsachentscheidung der mit der Einraumung des\nMitbestimmungsrechts bezweckte Schutz der Arbeitnehmer unwiederbringlich\nvereitelt wird und somit die Hauptsachenentscheidung ohne eine\nanspruchssichernde einstweilige Verfugung wertlos wurde (vergl. Prutting,\na.a.O.,Seite 263; Ostrowicz/Kunzl/Schafer, a.a.O., Rn. 847; Germelmann-\nMatthes, a.a.O., Rn. 37 ). Nicht ist es aber Sinn einer einstweiligen\nVerfugung, eine moglichst schnelle Erfullung des Verfugungsanspruches zu\nermoglichen (so ausdrucklich Germelmann-Matthes, a.a.O. Rn. 35 ). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| a) Unter Berucksichtigung dieser Überlegungen fehlt es bezuglich der von dem\nAntragsteller auf die Feststellung der Betriebszugehorigkeit der Beteiligten\nzu 4.) und zu 5.) gerichteten Antrage am Verfugungsgrund. Die begehrte\ngerichtliche Entscheidung im Verfugungsverfahren ist namlich nicht der\nmateriellen Rechtskraft fahig und kann daher nicht die personelle\nZusammensetzung der Betriebsratsgremiums bei der Beteiligten zu 3.)\nrechtskraftig feststellen. Daher vermag sie auch nicht dem antragstellenden\nBetriebsrat bzw. den gegebenenfalls betroffenen Betriebsratsmitgliedern, den\nBeteiligten zu 4.) und 5.), die begehrte Rechtssicherheit zu verschaffen (so\nauch LAG Dusseldorf vom 06.09.1995, Az.: 12 TaBV 69/95, Juris ). Eine solche\nerstrebte einstweilige Verfugung sichert keinen Individualanspruch (§ 935 ZPO)\nund kann in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhaltnis nicht vor wesentlichen\nNachteilen bewahren (§ 940 ZPO). Aus diesen Grunden wird die speziell im\nBeschlussverfahren diskutierte Moglichkeit einer Feststellungsverfugung vollig\nzu Recht in der Literatur und Rechtsprechung - soweit ersichtlich -\nuberwiegend abgelehnt (vergl. Germelmann-Matthes a.a.O., Rn. 29;\nOstrowicz/Kunzl/Schafer, a.a.O., Rn. 847 sowie Rn. 826;\nHerbst/Bertelsmann/Reiter, Arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren, Rn. 350\nunter Hinweis auf LAG Frankfurt vom 16.11.1976, Az.: 5 TaBV 57/76; LAG\nFrankfurt vom 18.09.1997, Az.: 4 TaBVGa 57/79; LAG Dusseldorf vom 06.09.1995,\n12 TaBV 5/95; im Ergebnis so wohl auch Stein-Jonas, ZPO. 22. Auflage, § 935,\nRn. 60). Vorliegend liefe die begehrte feststellende einstweilige Verfugung im\nErgebnis auf eine gutachterliche Stellungnahme des Arbeitsgerichtes hinaus mit\ndem Ziel, die personelle Zusammensetzung des Betriebsrates der Beteiligten zu\n3.) in dem Verfahren vorlaufigen Rechtschutzes zu uberprufen. Dies ist nach\nAuffassung der Kammer jedoch nicht statthaft. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| b) Ferner fehlt es vorliegend fur die auf Feststellung gerichteten Antrage\nals auch fur den hilfsweise gestellten Freistellungsantrag unter\nBerucksichtigung des Grundsatzes der Selbstwiderlegung an einem hinreichend\nglaubhaft gemachten Verfugungsgrund. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Ein Verfugungsgrund fehlt namlich wegen Selbstwiderlegung der\nEilbedurftigkeit bzw. Dringlichkeit, wenn der Antragsteller nach Eintritt der\nGefahrdungslage lange Zeit mit einem Antrag zuwartet oder das Verfahren nicht\nzugig betreibt. Der Grundsatz der Selbstwiderlegung ist ursprunglich im\nWettbewerbsrecht entwickelt worden, enthalt aber nach allgemeiner Auffassung\n(vergl. MuKo, ZPO, 3. Auflage, § 935, Rn. 19 m.w.N.; siehe auch ferner MuKo-\nZPO, a.a.O. Rn. 484; Zimmermann, ZPO, 7. Auflage, § 940, Rn. 3; Zoller,\nZPO,26. Auflage § 940, Rn. 8) einen verallgemeinerungsfahigen\nAusschlussgedanken hinsichtlich Verfugungsgrundes, der in anderen\nRechtsgebieten - so auch im Arbeitsrecht - ebenfalls Gultigkeit besitzt. Unter\nwelchen Umstanden von einer Widerlegung behaupteter Eilbedurftigkeit auf Grund\neigenen zogerlichen Verhaltens auszugehen ist, lasst sich nicht allgemein\nbestimmen und hangt auch von der Art des zu schutzenden Anspruches ab (vergl.\nMuKo - ZPO, a.a.O., Rn. 19 m.w.N.). An der Dringlichkeit bzw. Eilbedurftigkeit\nfehlt es aber nach der Rechtsprechung (vergl. z.B. OLG Munchen, WRP 1981,\nSeite 50; siehe auch Nachweise bei Zoller a.a.O., Rn. 4), wenn der\nAntragsteller trotz Kenntnis des gerugten Rechtsverstoßes den Antrag auf\nErlass einstweiliger Verfugung nach Zuwarten von einem Monat oder langer\nstellt. Diese Monatsfrist ist in Anbetracht des im arbeitsgerichtlichen\nVerfahren allgemein gultigen Beschleunigungsgrundsatzes des § 9 Abs. 1 ArbGG\n(vergl. hierzu ErfK-Koch, 8. Auflage, § 9 ArbGG, Rn. 1; Germelmann-Prutting,\na.a.O., § 9 Rn. 2). nach Auffassung der Kammer auch auf den Bereich\neinstweiligen Rechtsschutzes im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zu\nubertragen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Demgemaß hatte der Antragsteller spatestens binnen eines Monates ab Zugang\ndes Mitteilungsschreibens vom 20.05.2007, in dem die Beteiligten zu 4.) und\n5.) auf den Übergang des Arbeitsverhaltnisses zum 01.07.2008 im Wege der\ngesetzlichen Regelung des § 613 BGB umfassend hingewiesen worden sind, das\nvorliegende einstweilige Verfugungsverfahren einleiten mussen. Trotz der\nbehaupteten Eilbedurftigkeit hat der Antragsteller aber nach eigenem Vortrag\nvom Zeitpunkt des Zuganges dieses Schreibens ( 02.06.2008 ) bis zum 21.07.2008\n- also rund sieben Wochen - zugewartet. Diesen Widerspruch zwischen\nbehaupteter Eilbedurftigkeit bzw. Dringlichkeit der Gewahrung vorlaufigen\nRechtsschutzes und eigenem zogerlichen Prozessverhalten haben weder der\nAntragsteller noch die Beteiligten zu 4.) und zu 5.) im Anhorungstermin vor\nder Kammer erklaren konnen. Im Ergebnis ist daher das Vorliegen des\nerforderlichen Eilbedurfnisses nicht glaubhaft gemacht, weshalb es nach\nAuffassung der Kammer bezuglich der gestellten Antrage an einem\nVerfugungsgrund fehlt. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| 2.) Im Übrigen ist unter Anknupfung an die vorangegangenen Ausfuhrungen\nnachfolgendes zu bedenken: \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Bei einstweiligen Verfugungen zur Sicherung von Beteiligungsrechten des\nBetriebsrates wird, wie vorliegend von dem Antragsteller geltend gemacht,\nregelmaßig die Gefahr bestehen, dass deren Wahrnehmung ohne die Gewahrung\nvorlaufigen Rechtsschutzes vereitelt wird. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| a) Wie zuvor schon ausgefuhrt, rechtfertigt dies jedoch allein eine\neinstweilige Verfugung nicht. Das durch die Gewahrung vorlaufigen\nRechtsschutzes zu sichernde Beteiligungsrecht des Betriebsrates ist namlich\nkein subjektives, absolutes Recht, sondern lediglich eine Berechtigung, zum\nSchutz der Arbeitnehmer durch Ausubung des jeweiligen Beteiligungsrechtes\nmitgestaltend tatig zu werden ( so ausdrucklich Germelmann-Matthes, a.a.O., §\n85, Rn. 37 m.w.N.). Daher kommt es fur die Feststellung eines\nVerfugungsgrundes - entgegen der Auffassung des Antragstellers - nicht\nentscheidend darauf an, ob dem Betriebsrat die Ausubung seiner\nBeteiligungsrechte ganz oder jedenfalls fur die Vergangenheit unmoglich\ngemacht wird, sondern allein darauf, ob fur die Zeit bis zur rechtskraftigen\nEntscheidung in der Hauptsache der damit bezweckte notwendige Schutz der\nArbeitnehmer unwiderbringlich vereitelt wird. Dies ist aber abhangig davon,\nwie sich die Verletzung von Beteiligungsrechten im Verhaltnis zwischen\nArbeitgeber und Arbeitnehmer auswirkt und in welchem Umfang die Arbeitnehmer\nin diesem Fall vor negativen Folgen abgesichert werden. Sind die Folgen einer\nMissachtung von Beteiligungsrechten abschließend geregelt und ist der damit\nbewirkte Schutz von Arbeitnehmern auch ohne eine einstweilige Verfugung nicht\neingeschrankt, kommt die Gewahrung vorlaufigen Rechtsschutzes durch Erlass\neiner einstweiligen Verfugung mangels Vorliegen eines erforderlichen\nVerfugungsgrundes nicht in Betracht (vergl. Germelmann-Matthes, a.a.O., Rn. 37\nmit zahlreichen Nachweisen). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| b) Demgemaß ist in der Rechtsprechung und in der Literatur (vergl. LAG Koln,\nNZA-RR 1998, Seite 266; LAG Koln, NZA-RR 2003, Seite 425; Fitting, BetrVG, 23.\nAuflage, § 24, Rn. 16 unter Hinweis auf umfassende LAG-Rechtsprechung)\nallgemein anerkannt, dass zu Gunsten eines außerordentlich gekundigten\nBetriebsratsmitgliedes, das uber die Wirksamkeit der Kundigung mit dem\nArbeitgeber einen Rechtsstreit fuhrt, keine einstweilige Verfugung zum Schutz\nder Betriebsratstatigkeit erlassen werden kann. Kundigt der Arbeitgeber nach\nZustimmung des Betriebsrates oder einer diese Zustimmung ersetzenden\nrechtkraftigen arbeitsgerichtlichen Entscheidung einem Betriebsratsmitglied\naußerordentlich, so endet mit Zugang der Kundigungserklarung das\nArbeitsverhaltnis und damit die Mitgliedschaft im Betriebsrat. Erhebt das\nBetriebsratsmitglied aber eine Kundigungsschutzklage, so bleibt die\nWirksamkeit der Kundigung bis zur rechtskraftigen Entscheidung des\nKundigungsschutzprozesses offen. Gleichwohl ist das gekundigte\nBetriebsratsmitglied wahrend des Kundigungsschutzprozesses wegen seiner\nEntlassung nicht in der Lage, sein Betriebsratsamt wahrzunehmen. Es ist\nvielmehr wahrend dieser Zeit im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG an der\nAusubung seines Amtes gehindert; an seine Stelle tritt zeitweilig ein\nErsatzmitglied in den Betriebsrat ein ( vergl. Fitting, a.a.O., § 24, Rn. 16\nmit Hinweis auf BAG vom 14.05.1997, AP Nr. 6 zu § BetrVG; LAG Dusseldorf, DB\n1974, S. 2164; LAG Schleswig-Holstein, DB 1976, Seite 1974; GK- Oetker,\nBetrVG, 8. Auflage, § 25 Rn. 27 **;** Heinze, RfA 1986, Seite 288). Stellt das\nArbeitsgericht schließlich rechtskraftig fest, dass die Kundigung zu Recht\nerfolgte, folgt das Ersatzmitglied endgultig nach. Ist dagegen auf Grund\nrechtskraftiger Gerichtsentscheidung die fristlose Kundigung unwirksam,\nbesteht die Mitgliedschaft im Betriebsrat fort und das Ersatzmitglied verliert\nseine Funktion als Betriebsratsmitglied mit Wirkung fur die Zukunft (vergl.\nDaubler-Buschmann,11. Auflage, § 25, Rn. 23 unter Hinweis auf BAG vom\n14.05.1997, a.a.O.). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| c) In rechtlicher Hinsicht ist oben beschriebene Konstellation vergleichbar\nmit vorliegender, in der die Betriebsratsmitglieder Ziff. 4.) und Ziff. 5.)\nauf einen Teilbetriebsubergang auf die Beteiligte Ziff. 2 in umfassendem\nMitteilungsschreiben hingewiesen worden sind. Da sie diesem - im Übrigen nicht\nbestrittenen - Teilbetriebsubergang zum 01.07.2008 nicht widersprochen haben,\nsind sie bis zur gerichtlichen Klarung in einem Hauptsacheverfahren an der\nAusubung ihres (ehemaligen) Betriebsratsamtes fur den beim fruheren\nArbeitgeber verbleibenden Restbetrieb zeitweilig verhindert im Sinne des § 25\nAbs. 1 Satz 2 BetrVG. Wie bereits das LAG Koln (Beschluss vom 27.06.1997, NZA-\nRR 1998, Seite 266) in seiner uberzeugenden Entscheidungsbegrundung\nfestgestellt hat, gibt es wie bei der Kundigung des Betriebsratsmitgliedes\nnach erfolgter Zustimmung des Betriebsrates so auch im Falle des Überganges\ndes Arbeitsverhaltnisses eines Betriebsratsmitgliedes im Wege des § 613 a BGB\nbezuglich der Frage der weiteren Amtsausfuhrung im Ursprungsbetrieb zunachst\neinen Schwebezustand, der im Grunde zwei Losungsmoglichkeiten eroffnet: Die\neinstweilige Amtsfortfuhrung durch ein Ersatzmitglied oder durch den\nehemaligen Amtsinhaber selbst. Hierbei ist jedoch die Vertretung durch das\nErsatzmitglied vorzuziehen, denn die fortgesetzte Amtsfuhrung durch den\nehemaligen Amtsinhaber ist mit erheblichen Gefahren fur die Wirksamkeit der\nAusubung der Mitbestimmung verbunden. Sie birgt namlich das Risiko, dass ein\nBetriebsfremder ohne Betriebsratsmandat an der Willensbildung des\nBetriebsrates mitwirkt, wodurch den dort gefassten Betriebsratsbeschlussen\nbzw. geschlossenen Betriebsvereinbarungen im Nachhinein der Boden entzogen\nwerden konnte. Die durch den Teilbetriebsubergang eintretende Änderung der\nRechtsverhaltnisse ergibt sich namlich ebenso wie im Fall einer wirksamen\nKundigung unmittelbar von Rechts wegen und verschiebt sich nicht auf den\nZeitpunkt ihrer gerichtlichen Feststellung. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Auch der seitens des Antragstellers erhobene Einwand, trotz der Abspaltung\ndes auf die Beteiligte zu 2.) ubergegangenen Betriebsteils lage ein\ngemeinschaftlicher Betrieb der Beteiligten zu 2.) und 3.) vor, kann in\nAnbetracht der obigen Ausfuhrungen die Kammer nicht uberzeugen. Zu\nberucksichtigen ist namlich, dass die gesetzlichen Vorgaben des\nUmwandlungsgesetzes - bei deren tatsachlichem Vorliegen - von der zuvor\nbeschriebenen Rechtsfolge des § 613 a BGB uberlagert werden (vergl. statt\nvieler hierzu Schmitt/Hortnagel/Stratz, VerWG, 4. Aufl., § 131, Rn. 52 f) und\nfolglich eine abweichende Betrachtungsweise nicht veranlasst ist. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Da die Ausubung der Mitbestimmungsrechte und der damit bezweckte Schutz der\nArbeitnehmer demnach durch eine etwaige Vertretungslosung und Schutzlucke\ngewahrleistet ist, ist der Erlass einer einstweiligen Verfugung zum Zwecke der\nFeststellung bzw. der Gefahrenabwehr nicht erforderlich. Es fehlt demnach auch\naus diesen Überlegungen an einem Verfugungsgrund. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n**B.** \n--- \n| 13 \n--- \n| Die zulassigen Antrage sind unbegrundet, da es nach Auffassung der Kammer\nnach dem bisherigen Sachvortrag an einem hinreichend glaubhaft gemachten\nVerfugungsgrund des Antragstellers fehlt. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| 1.) Fur das vorliegende Beschlussverfahren gelten die Vorschriften des 8.\nBuches der ZPO uber die einstweilige Verfugung entsprechend, § 85 Abs. 2\nArbGG. Der begehrte Erlass einer einstweiligen Verfugung setzt demnach das\nVorliegen und die Glaubhaftmachung eines Verfugungsgrundes voraus. Unter einem\nsolchen Verfugungsgrund versteht man im Allgemeinen die Gefahrdung von\nInteressen des Antragstellers, die ein Eilverfahren und im Rahmen dieses\nEilverfahrens Maßnahmen der Sicherung, der vorlaufigen Regelung oder der\neinstweiligen Befriedigung erforderlich machen. Es mussen also Umstande\nbestehen und dargetan werden, die nach dem objektiven Urteil eines\nvernunftigen Menschen befurchten lassen, dass die Verwirklichung des geltend\ngemachten Anspruchs durch bevorstehende Ereignisse gefahrdet wird. Es muss die\nbegrundete Besorgnis bestehen, dass die Verwirklichung eines Rechts ohne die\nbegehrte alsbaldige einstweilige Regelung vereitelt oder wesentlich erschwert\nwird (so Germelmann-Matthes, ArbGG, 6. Aufl., § 85 Rn. 35; vergl. auch\nOstrowicz/Kunzl/Schafer, Handbuch des Arbeitsgerichtsverfahrens, 3. Auflage,\nRn. 847 unter Hinweis auf Prutting RdA 1995, Seite 257 (263)); siehe ferner\nMuKo - ZPO, 3. Auflage, § 935, Rn. 21 ff.). \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Im Rahmen dieser Prufung sind die dem Antragsgegner drohenden Nachteile\ngegen die Interessen des Antragstellers abzuwagen. Aber auch wenn\ngegebenenfalls der endgultige Rechtsverlust auf Seiten des Antragstellers\ndroht, kommt der Erlass einer einstweiligen Verfugung nur dann in Betracht,\nwenn sie nicht mit unverhaltnismaßigen Nachteilen fur den Antragsgegner\nverbunden ist. Keinesfalls kann demnach der bloße Hinweis auf die Verletzung\nbetriebsverfassungsrechtlicher Regelungen als solcher fur den Verfugungsgrund\nausreichen. Zu dessen Annahme kommt es daher nicht in erster Linie darauf an,\nwelches Interesse der Betriebsrat an der Mitbestimmung in dem fraglichen\nRegelungsbereich oder an der Einhaltung der entsprechenden\nbetriebsverfassungsrechtlichen Vorgaben hat, sondern darauf, ob mit dem\nAbwarten einer Hauptsachentscheidung der mit der Einraumung des\nMitbestimmungsrechts bezweckte Schutz der Arbeitnehmer unwiederbringlich\nvereitelt wird und somit die Hauptsachenentscheidung ohne eine\nanspruchssichernde einstweilige Verfugung wertlos wurde (vergl. Prutting,\na.a.O.,Seite 263; Ostrowicz/Kunzl/Schafer, a.a.O., Rn. 847; Germelmann-\nMatthes, a.a.O., Rn. 37 ). Nicht ist es aber Sinn einer einstweiligen\nVerfugung, eine moglichst schnelle Erfullung des Verfugungsanspruches zu\nermoglichen (so ausdrucklich Germelmann-Matthes, a.a.O. Rn. 35 ). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| a) Unter Berucksichtigung dieser Überlegungen fehlt es bezuglich der von dem\nAntragsteller auf die Feststellung der Betriebszugehorigkeit der Beteiligten\nzu 4.) und zu 5.) gerichteten Antrage am Verfugungsgrund. Die begehrte\ngerichtliche Entscheidung im Verfugungsverfahren ist namlich nicht der\nmateriellen Rechtskraft fahig und kann daher nicht die personelle\nZusammensetzung der Betriebsratsgremiums bei der Beteiligten zu 3.)\nrechtskraftig feststellen. Daher vermag sie auch nicht dem antragstellenden\nBetriebsrat bzw. den gegebenenfalls betroffenen Betriebsratsmitgliedern, den\nBeteiligten zu 4.) und 5.), die begehrte Rechtssicherheit zu verschaffen (so\nauch LAG Dusseldorf vom 06.09.1995, Az.: 12 TaBV 69/95, Juris ). Eine solche\nerstrebte einstweilige Verfugung sichert keinen Individualanspruch (§ 935 ZPO)\nund kann in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhaltnis nicht vor wesentlichen\nNachteilen bewahren (§ 940 ZPO). Aus diesen Grunden wird die speziell im\nBeschlussverfahren diskutierte Moglichkeit einer Feststellungsverfugung vollig\nzu Recht in der Literatur und Rechtsprechung - soweit ersichtlich -\nuberwiegend abgelehnt (vergl. Germelmann-Matthes a.a.O., Rn. 29;\nOstrowicz/Kunzl/Schafer, a.a.O., Rn. 847 sowie Rn. 826;\nHerbst/Bertelsmann/Reiter, Arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren, Rn. 350\nunter Hinweis auf LAG Frankfurt vom 16.11.1976, Az.: 5 TaBV 57/76; LAG\nFrankfurt vom 18.09.1997, Az.: 4 TaBVGa 57/79; LAG Dusseldorf vom 06.09.1995,\n12 TaBV 5/95; im Ergebnis so wohl auch Stein-Jonas, ZPO. 22. Auflage, § 935,\nRn. 60). Vorliegend liefe die begehrte feststellende einstweilige Verfugung im\nErgebnis auf eine gutachterliche Stellungnahme des Arbeitsgerichtes hinaus mit\ndem Ziel, die personelle Zusammensetzung des Betriebsrates der Beteiligten zu\n3.) in dem Verfahren vorlaufigen Rechtschutzes zu uberprufen. Dies ist nach\nAuffassung der Kammer jedoch nicht statthaft. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| b) Ferner fehlt es vorliegend fur die auf Feststellung gerichteten Antrage\nals auch fur den hilfsweise gestellten Freistellungsantrag unter\nBerucksichtigung des Grundsatzes der Selbstwiderlegung an einem hinreichend\nglaubhaft gemachten Verfugungsgrund. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Ein Verfugungsgrund fehlt namlich wegen Selbstwiderlegung der\nEilbedurftigkeit bzw. Dringlichkeit, wenn der Antragsteller nach Eintritt der\nGefahrdungslage lange Zeit mit einem Antrag zuwartet oder das Verfahren nicht\nzugig betreibt. Der Grundsatz der Selbstwiderlegung ist ursprunglich im\nWettbewerbsrecht entwickelt worden, enthalt aber nach allgemeiner Auffassung\n(vergl. MuKo, ZPO, 3. Auflage, § 935, Rn. 19 m.w.N.; siehe auch ferner MuKo-\nZPO, a.a.O. Rn. 484; Zimmermann, ZPO, 7. Auflage, § 940, Rn. 3; Zoller,\nZPO,26. Auflage § 940, Rn. 8) einen verallgemeinerungsfahigen\nAusschlussgedanken hinsichtlich Verfugungsgrundes, der in anderen\nRechtsgebieten - so auch im Arbeitsrecht - ebenfalls Gultigkeit besitzt. Unter\nwelchen Umstanden von einer Widerlegung behaupteter Eilbedurftigkeit auf Grund\neigenen zogerlichen Verhaltens auszugehen ist, lasst sich nicht allgemein\nbestimmen und hangt auch von der Art des zu schutzenden Anspruches ab (vergl.\nMuKo - ZPO, a.a.O., Rn. 19 m.w.N.). An der Dringlichkeit bzw. Eilbedurftigkeit\nfehlt es aber nach der Rechtsprechung (vergl. z.B. OLG Munchen, WRP 1981,\nSeite 50; siehe auch Nachweise bei Zoller a.a.O., Rn. 4), wenn der\nAntragsteller trotz Kenntnis des gerugten Rechtsverstoßes den Antrag auf\nErlass einstweiliger Verfugung nach Zuwarten von einem Monat oder langer\nstellt. Diese Monatsfrist ist in Anbetracht des im arbeitsgerichtlichen\nVerfahren allgemein gultigen Beschleunigungsgrundsatzes des § 9 Abs. 1 ArbGG\n(vergl. hierzu ErfK-Koch, 8. Auflage, § 9 ArbGG, Rn. 1; Germelmann-Prutting,\na.a.O., § 9 Rn. 2). nach Auffassung der Kammer auch auf den Bereich\neinstweiligen Rechtsschutzes im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zu\nubertragen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Demgemaß hatte der Antragsteller spatestens binnen eines Monates ab Zugang\ndes Mitteilungsschreibens vom 20.05.2007, in dem die Beteiligten zu 4.) und\n5.) auf den Übergang des Arbeitsverhaltnisses zum 01.07.2008 im Wege der\ngesetzlichen Regelung des § 613 BGB umfassend hingewiesen worden sind, das\nvorliegende einstweilige Verfugungsverfahren einleiten mussen. Trotz der\nbehaupteten Eilbedurftigkeit hat der Antragsteller aber nach eigenem Vortrag\nvom Zeitpunkt des Zuganges dieses Schreibens ( 02.06.2008 ) bis zum 21.07.2008\n- also rund sieben Wochen - zugewartet. Diesen Widerspruch zwischen\nbehaupteter Eilbedurftigkeit bzw. Dringlichkeit der Gewahrung vorlaufigen\nRechtsschutzes und eigenem zogerlichen Prozessverhalten haben weder der\nAntragsteller noch die Beteiligten zu 4.) und zu 5.) im Anhorungstermin vor\nder Kammer erklaren konnen. Im Ergebnis ist daher das Vorliegen des\nerforderlichen Eilbedurfnisses nicht glaubhaft gemacht, weshalb es nach\nAuffassung der Kammer bezuglich der gestellten Antrage an einem\nVerfugungsgrund fehlt. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| 2.) Im Übrigen ist unter Anknupfung an die vorangegangenen Ausfuhrungen\nnachfolgendes zu bedenken: \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Bei einstweiligen Verfugungen zur Sicherung von Beteiligungsrechten des\nBetriebsrates wird, wie vorliegend von dem Antragsteller geltend gemacht,\nregelmaßig die Gefahr bestehen, dass deren Wahrnehmung ohne die Gewahrung\nvorlaufigen Rechtsschutzes vereitelt wird. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| a) Wie zuvor schon ausgefuhrt, rechtfertigt dies jedoch allein eine\neinstweilige Verfugung nicht. Das durch die Gewahrung vorlaufigen\nRechtsschutzes zu sichernde Beteiligungsrecht des Betriebsrates ist namlich\nkein subjektives, absolutes Recht, sondern lediglich eine Berechtigung, zum\nSchutz der Arbeitnehmer durch Ausubung des jeweiligen Beteiligungsrechtes\nmitgestaltend tatig zu werden ( so ausdrucklich Germelmann-Matthes, a.a.O., §\n85, Rn. 37 m.w.N.). Daher kommt es fur die Feststellung eines\nVerfugungsgrundes - entgegen der Auffassung des Antragstellers - nicht\nentscheidend darauf an, ob dem Betriebsrat die Ausubung seiner\nBeteiligungsrechte ganz oder jedenfalls fur die Vergangenheit unmoglich\ngemacht wird, sondern allein darauf, ob fur die Zeit bis zur rechtskraftigen\nEntscheidung in der Hauptsache der damit bezweckte notwendige Schutz der\nArbeitnehmer unwiderbringlich vereitelt wird. Dies ist aber abhangig davon,\nwie sich die Verletzung von Beteiligungsrechten im Verhaltnis zwischen\nArbeitgeber und Arbeitnehmer auswirkt und in welchem Umfang die Arbeitnehmer\nin diesem Fall vor negativen Folgen abgesichert werden. Sind die Folgen einer\nMissachtung von Beteiligungsrechten abschließend geregelt und ist der damit\nbewirkte Schutz von Arbeitnehmern auch ohne eine einstweilige Verfugung nicht\neingeschrankt, kommt die Gewahrung vorlaufigen Rechtsschutzes durch Erlass\neiner einstweiligen Verfugung mangels Vorliegen eines erforderlichen\nVerfugungsgrundes nicht in Betracht (vergl. Germelmann-Matthes, a.a.O., Rn. 37\nmit zahlreichen Nachweisen). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| b) Demgemaß ist in der Rechtsprechung und in der Literatur (vergl. LAG Koln,\nNZA-RR 1998, Seite 266; LAG Koln, NZA-RR 2003, Seite 425; Fitting, BetrVG, 23.\nAuflage, § 24, Rn. 16 unter Hinweis auf umfassende LAG-Rechtsprechung)\nallgemein anerkannt, dass zu Gunsten eines außerordentlich gekundigten\nBetriebsratsmitgliedes, das uber die Wirksamkeit der Kundigung mit dem\nArbeitgeber einen Rechtsstreit fuhrt, keine einstweilige Verfugung zum Schutz\nder Betriebsratstatigkeit erlassen werden kann. Kundigt der Arbeitgeber nach\nZustimmung des Betriebsrates oder einer diese Zustimmung ersetzenden\nrechtkraftigen arbeitsgerichtlichen Entscheidung einem Betriebsratsmitglied\naußerordentlich, so endet mit Zugang der Kundigungserklarung das\nArbeitsverhaltnis und damit die Mitgliedschaft im Betriebsrat. Erhebt das\nBetriebsratsmitglied aber eine Kundigungsschutzklage, so bleibt die\nWirksamkeit der Kundigung bis zur rechtskraftigen Entscheidung des\nKundigungsschutzprozesses offen. Gleichwohl ist das gekundigte\nBetriebsratsmitglied wahrend des Kundigungsschutzprozesses wegen seiner\nEntlassung nicht in der Lage, sein Betriebsratsamt wahrzunehmen. Es ist\nvielmehr wahrend dieser Zeit im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG an der\nAusubung seines Amtes gehindert; an seine Stelle tritt zeitweilig ein\nErsatzmitglied in den Betriebsrat ein ( vergl. Fitting, a.a.O., § 24, Rn. 16\nmit Hinweis auf BAG vom 14.05.1997, AP Nr. 6 zu § BetrVG; LAG Dusseldorf, DB\n1974, S. 2164; LAG Schleswig-Holstein, DB 1976, Seite 1974; GK- Oetker,\nBetrVG, 8. Auflage, § 25 Rn. 27 **;** Heinze, RfA 1986, Seite 288). Stellt das\nArbeitsgericht schließlich rechtskraftig fest, dass die Kundigung zu Recht\nerfolgte, folgt das Ersatzmitglied endgultig nach. Ist dagegen auf Grund\nrechtskraftiger Gerichtsentscheidung die fristlose Kundigung unwirksam,\nbesteht die Mitgliedschaft im Betriebsrat fort und das Ersatzmitglied verliert\nseine Funktion als Betriebsratsmitglied mit Wirkung fur die Zukunft (vergl.\nDaubler-Buschmann,11. Auflage, § 25, Rn. 23 unter Hinweis auf BAG vom\n14.05.1997, a.a.O.). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| c) In rechtlicher Hinsicht ist oben beschriebene Konstellation vergleichbar\nmit vorliegender, in der die Betriebsratsmitglieder Ziff. 4.) und Ziff. 5.)\nauf einen Teilbetriebsubergang auf die Beteiligte Ziff. 2 in umfassendem\nMitteilungsschreiben hingewiesen worden sind. Da sie diesem - im Übrigen nicht\nbestrittenen - Teilbetriebsubergang zum 01.07.2008 nicht widersprochen haben,\nsind sie bis zur gerichtlichen Klarung in einem Hauptsacheverfahren an der\nAusubung ihres (ehemaligen) Betriebsratsamtes fur den beim fruheren\nArbeitgeber verbleibenden Restbetrieb zeitweilig verhindert im Sinne des § 25\nAbs. 1 Satz 2 BetrVG. Wie bereits das LAG Koln (Beschluss vom 27.06.1997, NZA-\nRR 1998, Seite 266) in seiner uberzeugenden Entscheidungsbegrundung\nfestgestellt hat, gibt es wie bei der Kundigung des Betriebsratsmitgliedes\nnach erfolgter Zustimmung des Betriebsrates so auch im Falle des Überganges\ndes Arbeitsverhaltnisses eines Betriebsratsmitgliedes im Wege des § 613 a BGB\nbezuglich der Frage der weiteren Amtsausfuhrung im Ursprungsbetrieb zunachst\neinen Schwebezustand, der im Grunde zwei Losungsmoglichkeiten eroffnet: Die\neinstweilige Amtsfortfuhrung durch ein Ersatzmitglied oder durch den\nehemaligen Amtsinhaber selbst. Hierbei ist jedoch die Vertretung durch das\nErsatzmitglied vorzuziehen, denn die fortgesetzte Amtsfuhrung durch den\nehemaligen Amtsinhaber ist mit erheblichen Gefahren fur die Wirksamkeit der\nAusubung der Mitbestimmung verbunden. Sie birgt namlich das Risiko, dass ein\nBetriebsfremder ohne Betriebsratsmandat an der Willensbildung des\nBetriebsrates mitwirkt, wodurch den dort gefassten Betriebsratsbeschlussen\nbzw. geschlossenen Betriebsvereinbarungen im Nachhinein der Boden entzogen\nwerden konnte. Die durch den Teilbetriebsubergang eintretende Änderung der\nRechtsverhaltnisse ergibt sich namlich ebenso wie im Fall einer wirksamen\nKundigung unmittelbar von Rechts wegen und verschiebt sich nicht auf den\nZeitpunkt ihrer gerichtlichen Feststellung. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Auch der seitens des Antragstellers erhobene Einwand, trotz der Abspaltung\ndes auf die Beteiligte zu 2.) ubergegangenen Betriebsteils lage ein\ngemeinschaftlicher Betrieb der Beteiligten zu 2.) und 3.) vor, kann in\nAnbetracht der obigen Ausfuhrungen die Kammer nicht uberzeugen. Zu\nberucksichtigen ist namlich, dass die gesetzlichen Vorgaben des\nUmwandlungsgesetzes - bei deren tatsachlichem Vorliegen - von der zuvor\nbeschriebenen Rechtsfolge des § 613 a BGB uberlagert werden (vergl. statt\nvieler hierzu Schmitt/Hortnagel/Stratz, VerWG, 4. Aufl., § 131, Rn. 52 f) und\nfolglich eine abweichende Betrachtungsweise nicht veranlasst ist. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Da die Ausubung der Mitbestimmungsrechte und der damit bezweckte Schutz der\nArbeitnehmer demnach durch eine etwaige Vertretungslosung und Schutzlucke\ngewahrleistet ist, ist der Erlass einer einstweiligen Verfugung zum Zwecke der\nFeststellung bzw. der Gefahrenabwehr nicht erforderlich. Es fehlt demnach auch\naus diesen Überlegungen an einem Verfugungsgrund. \n---\n\n
161,151
olgstut-2008-08-21-2-u-1308
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
2 U 13/08
2008-08-21
2019-01-10 12:12:47
2019-02-12 12:22:03
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 3. Kammer fur\nHandelssachen des Landgerichts Heilbronn vom 28.12.2008 wird mit der Maßgabe\n\nz u r u c k g e w i e s e n ,\n\ndass der Tenor Ziff. 1 insgesamt (nur) lautet:\n\nDer Verfugungsbeklagten wird untersagt, im geschaftlichen Verkehr zu\nWettbewerbszwecken zu behaupten und/oder behaupten zu lassen, die\nKragplattenanschlusse _„ H.-ElementT"_ seien mit den Kragplattenanschlussen _„\nI."_ der Verfugungsklagerin hinsichtlich der Warmedammleistung gleichwertig.\n\n2\\. Die Beklagte tragt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\nDie Kosten des ersten Rechtszugs werden gegeneinander aufgehoben.\n\nGegenstandswert des Berufungsverfahrens: 125.000,00 EUR\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n**I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Berufung der Beklagten ist zulassig, sie hat der Sache nach im Ergebnis\nkeinen Erfolg. \n--- \n**A** \n--- \n| 2 \n--- \n| Zum einen wird auf die Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen\n(§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Kurz zusammenfassend: \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Verfugungsklagerin [im Folgenden kurz: Klagerin] und die\nVerfugungsbeklagte [im Folgenden kurz: Beklagte] sind Wettbewerber auf dem\nGebiet von Warmedammprodukten wie z.B. Balkonanschluss-Elemente. \n--- \n| 5 \n--- \n| Nach antragsgemaßem Erlass des Verfugungsbeschlusses vom 31.10.2007 (Bl. 36\nbis 37), der einschrankungslos jegliche Gleichwertigkeitsbehauptung\nhinsichtlich der \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| \n--- \n| Beklagtenkragplattenanschlusse „H.-ElementT" \n--- \n| und den \n--- \n| Klagerkragplattenanschlussen „I." \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| verboten hatte, hat das **Landgericht** in seinem Urteil diesen Ausspruch\ndahin _„ abgeandert bzw. erganzt"_ , dass es solche\nGleichwertigkeitsberuhmungen verbiete, \n--- \n| 8 \n--- \n| _ohne dass gleichzeitig auf eine u. U. unterschiedliche W armedammleistung\nder Produkte hingewiesen wird, wenn und so lange diese vorliegt.",_ \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| da die mundliche Verhandlung ergeben habe, dass es der Klagerin _„ in erster\nLinie darum [gehe], eine Irrefuhrung des Inhalts zu verhindern, dass die\njeweiligen Kragplattenanschlusse speziell in Bezug auf die Warmedammleistung\ngleichwertig seien"._ Diesen Eindruck erwecke das Standard-\nErlauterungsschreiben der Beklagten (ASt 2) auf Ausschreibungen mit\nKlagerelementen als Referenzprodukt mit einer Öffnungsklausel fur\ngleichwertige Fabrikate, woran trotz einer auf die Klagerabmahnung hin\nerfolgten Beschrankung (ASt 8) festzuhalten sei. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Dies greift die **Berufung der Beklagten** an, da ihre Standarderklarung nur\ndie DIN-Gleichwertigkeit ihres Produktes bestatige, nicht aber eine\nGleichwertigkeitsbehauptung in Bezug auf die Warmedammleistung enthalte, auf\nwelche es einem Ausschreibenden, wenn nicht besonders nachgefragt werde, bei\nseiner Gleichwertigkeitsanforderung nicht ankomme. Jedenfalls sei die Klagerin\nihrer Glaubhaftmachungslast nicht nachgekommen, dass die Beklagte mit ihren\nProdukten die Gleichwertigkeit der Warmedammleistung verfehle. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 12 \n--- \n| unter Abanderung das Urteils des Landgerichts Heilbronn vom 27.12.2007 (23 O\n146/07 KfH) und Aufhebung der Beschlussverfugung vom 31.10.2007 den Antrag auf\nErlass einer einstweiligen Verfugung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 14 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung als richtig. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die Schriftsatze sowie\ndie Verhandlungsniederschriften verwiesen (§ 313 Abs. 2 S. 2 ZPO). \n--- \n--- \n**B** \n--- \n| 17 \n--- \n| 1\\. a) Soweit die Beklagte die von Amts wegen zu beachtende, aber nicht zu\nermittelnde (Pfalz. OLG Zweibrucken MDR 1998, 123; Reichold in Thomas/Putzo,\nZPO, 28. Aufl. [2007], § 929, 2) Einhaltung der Vollziehungsfrist gemaß §§\n928, 929 Abs. 2, 936 ZPO rugt, vermag sie damit im Ergebnis nicht\ndurchzudringen. Allerdings hat der Senat, obgleich er mit der in NJW-RR 1998,\n622, 623 veroffentlichten Entscheidung noch verbreitet zitiert wird (vgl. etwa\nTeplitzky, Wettbewerbsrechtliche Anspruche und Verfahren, 9. Aufl. [2007],\nKap. 55, 38 FN 128; Vollkommer in Zoller, ZPO, 26. Aufl. [2007], § 929, 12;\nKohler in Hefermehl/Kohler/Bornkamm, UWG, 26. Aufl. [2008], § 12, 3.62;\nBerneke in Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 5. Aufl. [2005], Kap. 57, 11 [FN\n16]; Retzer in Harte/Henning, UWG [2004], § 12, 521), wofur der Senat zum Teil\nauch sehr heftige Kritik erfahren hat (Teplitzky WRP 1998, 935, 936) und in\nder er zur Vollziehung einer mit Ordnungsmittelandrohung versehenen\nUrteilsverfugung die Amtszustellung hat genugen lassen, nicht zuletzt aus\nGrunden der Rechtseinheitlichkeit diese Rechtsmeinung schon seit geraumer Zeit\naufgegeben. Er halt danach mit der herrschenden Meinung dafur, dass die\nManifestation des Vollziehungswillens die - gegebenenfalls zur amtswegigen\nZustellung zusatzliche - Parteizustellung erfordert (so schon BGHZ 120, 73,\n78; vgl. auch OLG Koln WRP 2003, 738; OLG Schleswig MDR 2001, 231; Vollkommer\nin Zoller a.a.O. § 929, 12; Buscher in Fezer, UWG [2005], § 12, 129; Piper in\nPiper/Ohly, UWG, 4. Aufl. [2006], § 12, 136; Retzer a.a.O. § 12, 520; Huber in\nMusielak, ZPO, 6. Aufl. [2008], § 936, 5). \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| b) Auf dieser Grundlage entspricht es auch einer ganz herrschenden und vom\nSenat geteilten Rechtsauffassung, dass, wird ein Verfugungsbeschluss, der\nseinerseits mit einer Ordnungsmittelandrohung versehen und fristgerecht\nvollzogen worden ist, im Verfugungsurteil vollinhaltlich bestatigt, dieses\nnicht wiederum durch Parteizustellung vollzogen werden muss (Karlsruhe OLG-\nReport 2003, 410, 412; OLG Frankfurt WRP 2001, 66, 67; KG NJWE-WettbR 2000,\n197; Teplitzky a.a.O. Kap. 55, 48; Melullis, Handbuch der\nWettbewerbsprozesses, 3. Aufl. [2000], Rdn. 229; Huber in Musielak a.a.O. §\n929, 5; Piper a.a.O. § 12, 168; Berneke, Die einstweilige Verfugung in\nWettbewerbssachen, 2. Aufl. [2003], Rdn. 300; Reichold in Thomas/Putzo a.a.O.\n§ 929, 3; Schuschke in Schuschke/ Walker, Vollstreckung und Vorlaufiger\nRechtsschutz, 3. Aufl. [2005], § 929, 11). \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| c) Ferner halt der Senat dafur, dass eine neue Parteizustellung jedoch dann\nerforderlich ist, wenn der vollzogene Verfugungsbeschluss im Verfugungsurteil\ninhaltlich geandert oder gar erweitert worden ist (OLG Koln WRP 2003, 738; KG\na.a.O. 197; OLG Hamm RPfl 1995, 467, 468; Kohler a.a.O. § 12, 3.66; Buscher\na.a.O. § 12, 133; Piper a.a.O. § 12, 168; Retzer a.a.O. § 12, 514; Berneke in\nAhrens a.a.O. Kap. 57, 24; Vollkommer in Zoller a.a.O. § 929, 15; Reichold in\nThomas/Putzo a.a.O. § 929, 3). \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| d) Zudem teilt der Senat die Ansicht, dass eine bereits vollzogene\neinstweilige Verfugung nicht erneut vollzogen zu werden braucht, wenn sie nur\nteilweise bestatigt, im Übrigen aber aufgehoben worden ist, die getroffene\nAnordnung inhaltlich mithin nur eingeschrankt worden ist (Berneke in Ahrens\na.a.O. Kap. 57, 22 und derselbe a.a.O. Rdn. 300; Schuschke a.a.O. § 929, 11;\neinschrankend Melullis a.a.O. 229) oder prazisiert worden ist (Karlsruhe OLG-\nReport 2003, 410, 412; Kohler a.a.O. § 12, 3.66; Teplitzky a.a.O. Kap. 55, 48\nund FN 187; Berneke in Ahrens a.a.O. 25 und derselbe a.a.O. Rdn. 301; Piper\na.a.O. 168; Retzer a.a.O. § 12, 514; Schuschke a.a.O. § 929, 11). In der Regel\nbedarf es mithin keiner erneuten Zustellung, wenn der Verfugungsbeschluss im\nVerfugungsurteil etwa nur auf ein Gebot beschrankt wird und sich danach als\nreines Minus darstellt (Karlsruhe a.a.O. 412; OLG Koln WRP 2003, 738; Berneke\nin Ahrens a.a.O. 24; Teplitzky a.a.O. 49, FN 196). Denn in diesem Falle hat\nder Glaubiger seinen Vollziehungswillen bereits mit der Parteizustellung des\nweiterreichenden Verfugungsbeschlusses manifestiert. Bleibt das\nVerfugungsurteil im Wege eines klar abgrenzbaren Minus\' dahinter zuruck, kann\naus der Sicht des Schuldners verstandlicherweise nicht angenommen werden, der\nGlaubiger habe an dem Verfugungsrest, den er im Verfugungsurteil noch zu\nretten vermochte, kein Interesse mehr. Das Gegenteil ist der Fall. Der\nGlaubiger wird in der Regel auf dem beharren, was er im Ergebnis als Minus\nwenigstens noch zugesprochen erhalten hat. Eine erneute Zustellung liefe\ndanach auf eine bloße Formelei hinaus und ist nach dem Zweck des § 929 Abs. 2\nZPO (vgl. hierzu etwa OLG Karlsruhe a.a.O. 412) nicht mehr geboten. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| e) So liegt der Fall hier, wie sogleich im Zusammenhang mit der Erfassung\ndes Streitgegenstandes und der Prufung der Bestimmtheit des Antrages und des\nTenors gleichgerichtet darzustellen ist. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Es folgen einzelfallbezogene Ausfuhrungen zur Festlegung des\nStreitgegenstandes, zum Werbecharakter der beanstandeten Äußerung und zu\nFragen deren Unlauterkeit nach §§ 3, 5, 6 UWG. \n---\n\n
161,302
vg-karlsruhe-2008-10-21-8-k-263606
158
Verwaltungsgericht Karlsruhe
vg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
8 K 2636/06
2008-10-21
2019-01-16 06:40:25
2019-01-17 12:06:20
Urteil
## Tenor\n\nDie Klage wird abgewiesen.\n\nDie Klagerin tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin begehrt die Erteilung einer Genehmigung fur die Anbringung von\nZusatzschildern auf Hinweisschildern an einer Bundesautobahn. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin betreibt einen Autohof bei ... an der Bundesautobahn AX. Eines\nder Betriebsgebaude auf dem Autohof hat sie an die Betreiber eines „Erotic\nStores" vermietet. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Antrag vom 28.07.2006 begehrte die Klagerin die Erteilung einer\nGenehmigung fur die Anbringung von Zusatzschildern mit den Logos „Esso", „Mc\nDonalds", Segafredo", „Casino" und „Erotic Store" auf Schildern an der\nBundesautobahn AX, km ...,... und ..., ..., die auf den Autohof bei ...\nhinweisen. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Bescheid vom 11.09.2006, zur Post gegeben am 21.09.2006, gab der\nBeklagte dem Antrag hinsichtlich der Logos „Esso", „Mc Donalds" und Segafredo"\nstatt, lehnte aber die Genehmigung der Logos „Casino" und „Erotic Store" ab.\nZur Begrundung wird vorgetragen, die Logos „Casino" und „Erotic Store" seien\nsowohl nach § 33 Abs. 1 StVO als auch nach dem Allgemeinen Rundschreiben\nStraßenbau (ARS 6/2006) nicht genehmigungsfahig, weil diese Dienstleistungen -\nzumindest nicht direkt - den Belangen der Verkehrsteilnehmer auf der\nBundesautobahn und somit der Verkehrssicherheit dienten, sondern der\nWerbeeffekt im Vordergrund stehe. Durch derartige Werbung sei zu befurchten,\ndass durch langere Blickabwendung, unter Vernachlassigung der Konzentration\ndie Verkehrsteilnehmer in einer gefahrdenden oder erschwerenden Weise\nabgelenkt oder belastigt wurden; dadurch konne die Sicherheit und Leichtigkeit\ndes Verkehrs nachteilig beeinflusst werden. Zudem seien nach dem ARS 6/2006\nmaximal 4 Symbole in der zusatzlichen Hinweisbeschilderung zulassig. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Klagerin hat am 25.10.2006 Klage erhoben. Zur Begrundung macht sie\ngeltend, sie habe einen Anspruch auf Anbringung der Zusatzbeschilderung aus\neinem offentlich-rechtlichen Benutzungsverhaltnis. Anspruchsgrundlage sei § 33\nAbs. 3 StVO. Die Anbringung der Zusatzschilder mit dem Logo des „Erotic\nStores" sei nach § 33 Abs. 3 StVO zulassig, da sie auf Dienstleistungen\nhinwiesen, die den Belangen der Verkehrsteilnehmer auf der Bundesautobahn\ndienten. Insbesondere die Lkw-Fahrer entspannten sich im „Erotic Store" mit\nangegliedertem Kino und deckten dort ihren Reisebedarf. Die Anbringung des\nLogos sei nicht im Sinne des § 33 Abs. 1 StVO geeignet, Verkehrsteilnehmer zu\ngefahrden, abzulenken oder zu belastigen. Die behordliche Entscheidung\nverletze die Klagerin in ihrer durch Art. 12 GG gewahrleisteten\nBerufsausubungsfreiheit. Zudem verstoße sie gegen Art. 3 GG, da wegen der\nGenehmigung der Logos anderer Gewerbebetriebe nicht aber des Logos des „Erotic\nStores" eine unzulassige Ungleichbehandlung vorliege. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Klagerin beantragt sinngemaß, \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| den Bescheid des Beklagten vom 11.09.2006 aufzuheben, soweit der Beklagte\ndie Erteilung der beantragten Genehmigung zur Anbringung von Zusatzschildern\nmit dem Logo des „Erotic Stores" in der amtlichen Hinweisbeschilderung an der\nBundesautobahn AX auf den Autohof bei ... abgelehnt hat und den Beklagten zu\nverpflichten, diese Genehmigung zu erteilen. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Er tragt vor, die Klage sei bereits als unzulassig, weil eine Klagebefugnis\nnicht vorliege. Denn die Klagerin sei nicht Betreiberin des „Erotic Stores".\nZudem sei eine Anspruchsgrundlage fur die Erteilung der beantragten\nGenehmigung nicht ersichtlich. Insbesondere stelle § 33 Abs. 3 StVO keine\nAnspruchsgrundlage dar, sondern nur eine Ermachtigung der Bundesrepublik\nDeutschland als Tragerin der Straßenbaulast, unter bestimmten Voraussetzungen\nan ihrem eigenen Schild Werbung Dritter anzubringen. Den Werbeinteressen des\n„Erotic Stores" sei bereits durch einen baurechtlich genehmigten 35 m hohen\nWerbepylon, der von der Autobahn einsehbar sei, hinreichend Rechnung getragen.\nDie Klage sei auch unbegrundet. Die Klagerin habe nicht beantragt, eine eigene\nWerbung auf einem eigenen Werbeschild gemaß § 33 Abs. 1 Ziff. 3 StVO\nanzubringen. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 3 StVO lagen nicht vor, da die\nim „Erotic Store" angebotenen Dienstleistungen nicht unmittelbar den Belangen\nder Verkehrsteilnehmer dienten. Die Große der Verkaufs- und Betriebsflache von\n425 m², das große Sortiment und die Moglichkeit einer Club-Mitgliedschaft\nspreche dafur, dass sich der Gewerbebetrieb, vergleichbar einem großen\nElektromarkt, an ein allgemeines Publikum richte und nicht unmittelbar an die\nPersonen, die die Autobahn als Verkehrsteilnehmer nutzten. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den\nInhalt der Schriftsatze der Beteiligten sowie der Verwaltungsakten des\nBeklagten (1 Heft) verwiesen, die dem Gericht vorlagen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Klage ist zulassig. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Klagefrist wurde gemaß § 74 Abs. 2 VwGO fristgerecht erhoben. Nach dem\nAbgangsvermerk des Beklagten ist der Bescheid vom 11.09.2006 am 21.09.2006 zur\nPost gegeben worden. Gemaß der gesetzlichen Regelung des § 41 Abs. 2 Satz 1\nLVwVfG gilt ein Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post im Inland\nam dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Vorliegend ware\ndanach von einer Bekanntgabe am 24.09.2006 auszugehen. Die Klagefrist ware\ndann am 24.10.2206 abgelaufen, und die am Mittwoch, den 25.10.2006 erhobene\nKlage ware verfristet. Allerdings gilt die Fiktion des § 41 Abs. 2 Satz 1\nLVwVfG gemaß § 41 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG nicht, wenn der Verwaltungsakt zu einem\nspateren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behorde den Zeitpunkt\ndes Zugangs nachzuweisen. Hier hat die Klagerin vorgetragen, der Bescheid sei\ndem Klager erst am 26.09.2006 zugegangen. Der Klager konne sich noch an den\nEingang des Schreibens und daran erinnern, dass er am selben Tag mit seiner\nProzessvertreterin telefonisch Kontakt aufgenommen habe. Die\nProzessvertreterin bestatigt diese Aussage durch Vorlage der Kopie einer\nGesprachsnotiz vom 26.09.2006. Der Beklagte hat sich zur Frage des\nZugangszeitpunktes nicht geaußert. Es ist daher im Zweifel von einem Zugang am\n26.09.2006 auszugehen. Die Klage wurde damit am 25.10.2006 innerhalb der\nMonatsfrist erhoben. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Klagerin ist nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, da nicht von vorn herein\nausgeschlossen ist, dass sie einen Anspruch auf Anbringung der Zusatzschilder\nhat. Ein solcher Anspruch konnte sich aus § 33 Abs. 3 StVO ergeben. Es\nerscheint nicht von vorn herein ausgeschlossen, dass § 33 Abs. 3 StVO\nzumindest neben dem Schutz von offentlichen Interessen auch dem Schutz\nprivater Interessen zu dienen bestimmt ist. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Klage ist jedoch nicht begrundet. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Bescheid des Beklagten vom 11.09.2006 ist rechtmaßig und verletzt die\nKlagerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klagerin hat\nkeinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Genehmigung zur Anbringung des\n„Erotic Store"-Logos. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Dieser Anspruch kann nicht auf § 33 Abs. 3 StVO gestutzt werden. Gemaß § 33\nAbs. 3 StVO sind Hinweise auf Dienstleistungen, die unmittelbar den Belangen\nder Verkehrsteilnehmer auf den Bundesautobahnen dienen, in der\nHinweisbeschilderung fur Nebenbetriebe an den Bundesautobahnen und fur\nAutohofe von den (Werbe-)Verboten des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 und des Absatzes\n2 Satz 2 StVO ausgenommen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Nach Auffassung des Gerichts stellt § 33 Abs. 3 StVO bereits keine\nAnspruchsgrundlage dar. Eine gesetzliche Regelung ist nach der\nSchutznormtheorie nur dann als Anspruchsgrundlage zu qualifizieren, wenn sie\nzumindest auch dem Schutz von Privatinteressen zu dienen bestimmt ist.\nVorliegend dient die gesetzliche Regelung des § 33 Abs. 3 StVO ausschließlich\ndem Schutz von Allgemeininteressen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Zwar konnte die Entstehungsgeschichte der Norm des § 33 Abs. 3 StVO fur eine\nAnspruchsqualitat dieser Vorschrift sprechen. § 33 Abs. 3 StVO wurde durch die\n14. Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrsordnung vom 06.08.2005 (BGBl I\nS. 2418) in § 33 StVO aufgenommen. In der amtlichen Begrundung in BR-Drucks.\n469/05 heißt es: „Durch die Neuregelung konnen bei den Regelungsadressaten\n(Konzessionare von Autobahnnebenbetrieben und Betreibern von Autohofen)\nzusatzliche Kosten entstehen, sofern sie von der neuen Werbemoglichkeit\nGebrauch machen." Der Wortlaut des § 33 Abs. 3 StVO spricht dagegen eindeutig\ngegen die Anspruchsqualitat dieser Vorschrift. Nach § 33 Abs. 3 StVO sind\nHinweise in der Hinweisbeschilderung fur Nebenbetriebe an den Bundesautobahnen\nund Autohofe auf Dienstleistungen, die unmittelbar den Belangen der\nVerkehrsteilnehmer auf den Bundesautobahnen dienen, von den Verboten des § 33\nAbs. 1 Satz 1 Nr. 3 und des Absatzes 2 Satz 2 StVO ausgenommen. Die\ngesetzliche Regelung des § 33 Abs. 3 StVO normiert damit nach ihrem Wortlaut\neine Ausnahme von einem generellen Werbeverbot in Verbindung mit\nVerkehrszeichen. Nach ihrer systematischen Stellung im Abschnitt „Allgemeine\nVerkehrsregeln" und der Überschrift des § 33 StVO „Verkehrsbeeintrachtigungen"\nsteht § 33 Abs. 3 StVO im Zusammenhang mit dem Schutz der Sicherheit und\nLeichtigkeit des Verkehrs. § 33 Abs. 3 StVO soll nicht den Konzessionaren von\nAutobahnnebenbetrieben und Betreibern von Autohofen eine zusatzliche\nWerbemoglichkeit verschaffen, sondern der verbesserten Information der\nVerkehrsteilnehmer und der Vermeidung von Verkehrsbeeintrachtigungen und\nVerkehrsgefahrdungen dienen. Dies bringt auch die amtliche Begrundung der\nNeuregelung des § 33 Abs. 3 StVO in BR-Drucks. 469/05 zum Ausdruck, wonach §\n33 Abs. 3 StVO „eine bessere Information von Verkehrsteilnehmern (ermoglichen\nsoll), die den Service von Autobahnnebenbetreiben sowie Autohofen (…) in\nAnspruch nehmen." „Überflussige Verkehrsvorgange", die „zu unerwunschtem\nDurchgangsverkehr auf bewirtschafteten Rastanlagen fuhren", der die\nVerkehrssicherheit auf der Rastanlage beeintrachtigen kann, sollen durch die\nRegelung vermieden werden. Dies spricht dafur, dass die Entscheidung daruber,\nob Zusatzschilder im Sinne des § 33 Abs. 3 StVO angebracht werden, ggf. nach\nAntragstellung oder Anregung durch den Konzessionar des Autobahnnebenbetriebes\nbzw. den Betreiber des Autohofes, allein der zustandigen Straßenbaubehorde\nobliegt. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Im Ergebnis kann die Frage der Anspruchsqualitat des § 33 Abs. 3 StVO\ndahinstehen, da die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 33 Abs. 3 StVO\njedenfalls nicht vorliegen. Der Regelung des § 33 Abs. 3 StVO unterfallen\nnicht samtliche Hinweise auf Dienstleistungen, die im Rahmen von\nNebenbetrieben an den Bundesautobahnen und Autohofen angeboten werden, sondern\nnur solche, die unmittelbar den Belangen der Verkehrsteilnehmer auf den\nBundesautobahnen dienen. Diejenigen Dienstleistungen, die im „Erotic Store"\nangeboten werden, dienen nicht unmittelbar den Belangen der\nVerkehrsteilnehmer. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Regelung des § 33 Abs. 3 StVO nimmt auf die Verkehrsteilnehmer Bezug.\nDiese unterscheiden sich von der Allgemeinheit durch ihre Verkehrsteilnahme.\nVerkehrsteilnehmer im Sinne der Regelung des § 33 Abs. 3 StVO ist nicht, wer\nnur deshalb mit seinem Fahrzeug die Autobahn befahrt, um zu einem bestimmten\nDienstleistungsunternehmen auf der Rastanlage zu gelangen, sondern nur\nderjenige, der die Autobahn zu anderen (Fortbewegungs-)Zwecken befahrt.\nUnmittelbar den Belangen dieser Verkehrsteilnehmer dienen nur solche\nDienstleistungen, die der Befriedigung ihrer Bedurfnisse in ihrer Eigenschaft\nals Verkehrsteilnehmer dienen. Der Begriff der Unmittelbarkeit ist notwendig\neng zu verstehen, um dem Regelungszweck des § 33 Abs. 3 StVO als\nAusnahmevorschrift gerecht zu werden. Im Fall einer weiten Auslegung der\nDienstleistungen, die unmittelbar den Belangen der Verkehrsteilnehmer dienen,\nwurde das in § 33 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 2 StVO normierte grundsatzliche\nWerbeverbot praktisch ausgehohlt; die Beschrankung der Dienstleistungen auf\nsolche, die unmittelbar den Belangen der Verkehrsteilnehmer dienen, wurde\nweitgehend uberflussig. Die Regelung des § 33 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 2\nStVO soll verhindern, dass eine ubermaßige (Werbe-)Beschilderung an Autobahnen\nerfolgt, die die Verkehrssicherheit beeintrachtigen kann. Dem wurde eine weite\nAuslegung der Ausnahmevorschrift des § 33 Abs. 3 StVO widersprechen. Zu den\nDienstleistungen, die unmittelbar den Belangen der Verkehrsteilnehmer dienen,\nzahlen nur solche, die der Befriedigung der Grundbedurfnisse der\nVerkehrsteilnehmer dienen, und zwar derjenigen Grundbedurfnisse, deren\nBefriedigung notwendig ist, um eine verkehrsgerechte Teilnahme am\nStraßenverkehr zu ermoglichen oder zu fordern. Hierzu zahlen insbesondere die\ngastronomische, sanitare und technische Versorgung sowie die sonstigen\nServiceleistungen rund um das Fahrzeug. Auch das Regenerationsbedurfnis der\nVerkehrsteilnehmer fallt hierunter; dieses ist allerdings in einem engen Sinne\nzu verstehen und erfasst nicht jegliche Form der Zerstreuung und\nFreizeitbeschaftigung. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Nach diesen Maßgaben dienen die von einem Erotik-Shop angebotenen\nDienstleistungen nicht im Sinne von § 33 Abs. 3 StVO unmittelbar den Belangen\nder Verkehrsteilnehmer. Sie dienen nicht der Ermoglichung oder Forderung einer\nweiteren verkehrsgerechten Teilnahme am Straßenverkehr. Insbesondere dienen\nsie nicht unmittelbar dem Regenerationsbedurfnis der Verkehrsteilnehmer. Denn\nRegeneration in diesem Sinne ist nach den Ausfuhrungen oben eng zu verstehen.\nHierunter fallt nicht jede Zerstreuung und Freizeitbeschaftigung, die im\nweitesten Sinne der Erholung und Ablenkung dient. Der Besuch eines „Erotic\nStores" oder eines Erotikkinos dient nicht der Erholung im Sinne eines\nAusruhens von der Beanspruchung durch die Teilnahme am Straßenverkehr. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Frage, ob ein Anspruch auf Anbringung von Zusatzschildern in der\namtlichen Hinweisbeschilderung auf sonstige Anspruchsgrundlagen gestutzt\nwerden konnte, braucht nicht entschieden zu werden, da die Anbringung der\nZusatzschilder mit dem Logo des „Erotic Stores" jedenfalls gegen das Verbot\ndes § 33 Abs. 2 Satz 2 StVO verstoßt. Nach § 33 Abs. 2 Satz 2 StVO ist Werbung\nin Verbindung mit Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen unzulassig ohne\ndass es, wie im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 3 StVO darauf ankommt, dass durch die\nWerbung Verkehrsteilnehmer in einer den Verkehr gefahrdenden oder\nerschwerenden Weise abgelenkt oder belastigt werden konnen. Das Zusatzschild\nmit dem Logo des „Erotic Stores" soll an einem Verkehrszeichen angebracht\nwerden und zwar an einem Verkehrzeichen in Form eines Richtzeichens nach § 39\nAbs. 2 Satz 1, 42 Abs. 8 StVO (Zeichen 448.1), das einen Autohof ankundigt.\nAuch die an dem Verkehrszeichen zusatzlich angebrachten Sinnbilder fur\nTankstelle und Gasthaus sind amtliche Zusatzschilder gemaß § 39 Abs. 1 Satz 2\nStVO (Zeichen 361 und 376). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 33 Abs.\n3 StVO, der Ausnahmen von dem Verbot des § 33 Abs. 2 Satz 2 StVO zulasst,\nliegen - wie oben dargelegt - nicht vor. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Das Verbot der Anbringung des Zusatzschildes verletzt die Klagerin nicht in\nihrer durch Art. 12 GG gewahrleisteten Berufsausubungsfreiheit. Denn die\nBerufsausubungsfreiheit gewahrleistet jedenfalls nicht die Inanspruchnahme\nstaatlicher Verkehrseinrichtungen zu Werbungszwecken. Art. 3 GG ist nicht\nverletzt, da fur die Ungleichbehandlung der gastronomischen Betriebe und des\n„Erotic Stores" ein sachlicher Grund besteht. Anders als die Logos „Esso", „Mc\nDonalds" und Segafredo" dient das Logo des „Erotic Stores" nicht unmittelbar\nden Belangen der Verkehrsteilnehmer. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| **Beschluss** \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Streitwert wird gemaß § 52 Abs. 1 GKG auf EUR 10.000,-- festgesetzt. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Hinsichtlich der Beschwerdemoglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird\nauf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Klage ist zulassig. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Klagefrist wurde gemaß § 74 Abs. 2 VwGO fristgerecht erhoben. Nach dem\nAbgangsvermerk des Beklagten ist der Bescheid vom 11.09.2006 am 21.09.2006 zur\nPost gegeben worden. Gemaß der gesetzlichen Regelung des § 41 Abs. 2 Satz 1\nLVwVfG gilt ein Verwaltungsakt bei der Übermittlung durch die Post im Inland\nam dritten Tage nach der Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. Vorliegend ware\ndanach von einer Bekanntgabe am 24.09.2006 auszugehen. Die Klagefrist ware\ndann am 24.10.2206 abgelaufen, und die am Mittwoch, den 25.10.2006 erhobene\nKlage ware verfristet. Allerdings gilt die Fiktion des § 41 Abs. 2 Satz 1\nLVwVfG gemaß § 41 Abs. 2 Satz 2 LVwVfG nicht, wenn der Verwaltungsakt zu einem\nspateren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behorde den Zeitpunkt\ndes Zugangs nachzuweisen. Hier hat die Klagerin vorgetragen, der Bescheid sei\ndem Klager erst am 26.09.2006 zugegangen. Der Klager konne sich noch an den\nEingang des Schreibens und daran erinnern, dass er am selben Tag mit seiner\nProzessvertreterin telefonisch Kontakt aufgenommen habe. Die\nProzessvertreterin bestatigt diese Aussage durch Vorlage der Kopie einer\nGesprachsnotiz vom 26.09.2006. Der Beklagte hat sich zur Frage des\nZugangszeitpunktes nicht geaußert. Es ist daher im Zweifel von einem Zugang am\n26.09.2006 auszugehen. Die Klage wurde damit am 25.10.2006 innerhalb der\nMonatsfrist erhoben. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Klagerin ist nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, da nicht von vorn herein\nausgeschlossen ist, dass sie einen Anspruch auf Anbringung der Zusatzschilder\nhat. Ein solcher Anspruch konnte sich aus § 33 Abs. 3 StVO ergeben. Es\nerscheint nicht von vorn herein ausgeschlossen, dass § 33 Abs. 3 StVO\nzumindest neben dem Schutz von offentlichen Interessen auch dem Schutz\nprivater Interessen zu dienen bestimmt ist. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Klage ist jedoch nicht begrundet. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Bescheid des Beklagten vom 11.09.2006 ist rechtmaßig und verletzt die\nKlagerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klagerin hat\nkeinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Genehmigung zur Anbringung des\n„Erotic Store"-Logos. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Dieser Anspruch kann nicht auf § 33 Abs. 3 StVO gestutzt werden. Gemaß § 33\nAbs. 3 StVO sind Hinweise auf Dienstleistungen, die unmittelbar den Belangen\nder Verkehrsteilnehmer auf den Bundesautobahnen dienen, in der\nHinweisbeschilderung fur Nebenbetriebe an den Bundesautobahnen und fur\nAutohofe von den (Werbe-)Verboten des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 und des Absatzes\n2 Satz 2 StVO ausgenommen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Nach Auffassung des Gerichts stellt § 33 Abs. 3 StVO bereits keine\nAnspruchsgrundlage dar. Eine gesetzliche Regelung ist nach der\nSchutznormtheorie nur dann als Anspruchsgrundlage zu qualifizieren, wenn sie\nzumindest auch dem Schutz von Privatinteressen zu dienen bestimmt ist.\nVorliegend dient die gesetzliche Regelung des § 33 Abs. 3 StVO ausschließlich\ndem Schutz von Allgemeininteressen. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Zwar konnte die Entstehungsgeschichte der Norm des § 33 Abs. 3 StVO fur eine\nAnspruchsqualitat dieser Vorschrift sprechen. § 33 Abs. 3 StVO wurde durch die\n14. Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrsordnung vom 06.08.2005 (BGBl I\nS. 2418) in § 33 StVO aufgenommen. In der amtlichen Begrundung in BR-Drucks.\n469/05 heißt es: „Durch die Neuregelung konnen bei den Regelungsadressaten\n(Konzessionare von Autobahnnebenbetrieben und Betreibern von Autohofen)\nzusatzliche Kosten entstehen, sofern sie von der neuen Werbemoglichkeit\nGebrauch machen." Der Wortlaut des § 33 Abs. 3 StVO spricht dagegen eindeutig\ngegen die Anspruchsqualitat dieser Vorschrift. Nach § 33 Abs. 3 StVO sind\nHinweise in der Hinweisbeschilderung fur Nebenbetriebe an den Bundesautobahnen\nund Autohofe auf Dienstleistungen, die unmittelbar den Belangen der\nVerkehrsteilnehmer auf den Bundesautobahnen dienen, von den Verboten des § 33\nAbs. 1 Satz 1 Nr. 3 und des Absatzes 2 Satz 2 StVO ausgenommen. Die\ngesetzliche Regelung des § 33 Abs. 3 StVO normiert damit nach ihrem Wortlaut\neine Ausnahme von einem generellen Werbeverbot in Verbindung mit\nVerkehrszeichen. Nach ihrer systematischen Stellung im Abschnitt „Allgemeine\nVerkehrsregeln" und der Überschrift des § 33 StVO „Verkehrsbeeintrachtigungen"\nsteht § 33 Abs. 3 StVO im Zusammenhang mit dem Schutz der Sicherheit und\nLeichtigkeit des Verkehrs. § 33 Abs. 3 StVO soll nicht den Konzessionaren von\nAutobahnnebenbetrieben und Betreibern von Autohofen eine zusatzliche\nWerbemoglichkeit verschaffen, sondern der verbesserten Information der\nVerkehrsteilnehmer und der Vermeidung von Verkehrsbeeintrachtigungen und\nVerkehrsgefahrdungen dienen. Dies bringt auch die amtliche Begrundung der\nNeuregelung des § 33 Abs. 3 StVO in BR-Drucks. 469/05 zum Ausdruck, wonach §\n33 Abs. 3 StVO „eine bessere Information von Verkehrsteilnehmern (ermoglichen\nsoll), die den Service von Autobahnnebenbetreiben sowie Autohofen (…) in\nAnspruch nehmen." „Überflussige Verkehrsvorgange", die „zu unerwunschtem\nDurchgangsverkehr auf bewirtschafteten Rastanlagen fuhren", der die\nVerkehrssicherheit auf der Rastanlage beeintrachtigen kann, sollen durch die\nRegelung vermieden werden. Dies spricht dafur, dass die Entscheidung daruber,\nob Zusatzschilder im Sinne des § 33 Abs. 3 StVO angebracht werden, ggf. nach\nAntragstellung oder Anregung durch den Konzessionar des Autobahnnebenbetriebes\nbzw. den Betreiber des Autohofes, allein der zustandigen Straßenbaubehorde\nobliegt. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Im Ergebnis kann die Frage der Anspruchsqualitat des § 33 Abs. 3 StVO\ndahinstehen, da die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 33 Abs. 3 StVO\njedenfalls nicht vorliegen. Der Regelung des § 33 Abs. 3 StVO unterfallen\nnicht samtliche Hinweise auf Dienstleistungen, die im Rahmen von\nNebenbetrieben an den Bundesautobahnen und Autohofen angeboten werden, sondern\nnur solche, die unmittelbar den Belangen der Verkehrsteilnehmer auf den\nBundesautobahnen dienen. Diejenigen Dienstleistungen, die im „Erotic Store"\nangeboten werden, dienen nicht unmittelbar den Belangen der\nVerkehrsteilnehmer. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Regelung des § 33 Abs. 3 StVO nimmt auf die Verkehrsteilnehmer Bezug.\nDiese unterscheiden sich von der Allgemeinheit durch ihre Verkehrsteilnahme.\nVerkehrsteilnehmer im Sinne der Regelung des § 33 Abs. 3 StVO ist nicht, wer\nnur deshalb mit seinem Fahrzeug die Autobahn befahrt, um zu einem bestimmten\nDienstleistungsunternehmen auf der Rastanlage zu gelangen, sondern nur\nderjenige, der die Autobahn zu anderen (Fortbewegungs-)Zwecken befahrt.\nUnmittelbar den Belangen dieser Verkehrsteilnehmer dienen nur solche\nDienstleistungen, die der Befriedigung ihrer Bedurfnisse in ihrer Eigenschaft\nals Verkehrsteilnehmer dienen. Der Begriff der Unmittelbarkeit ist notwendig\neng zu verstehen, um dem Regelungszweck des § 33 Abs. 3 StVO als\nAusnahmevorschrift gerecht zu werden. Im Fall einer weiten Auslegung der\nDienstleistungen, die unmittelbar den Belangen der Verkehrsteilnehmer dienen,\nwurde das in § 33 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 2 StVO normierte grundsatzliche\nWerbeverbot praktisch ausgehohlt; die Beschrankung der Dienstleistungen auf\nsolche, die unmittelbar den Belangen der Verkehrsteilnehmer dienen, wurde\nweitgehend uberflussig. Die Regelung des § 33 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2 Satz 2\nStVO soll verhindern, dass eine ubermaßige (Werbe-)Beschilderung an Autobahnen\nerfolgt, die die Verkehrssicherheit beeintrachtigen kann. Dem wurde eine weite\nAuslegung der Ausnahmevorschrift des § 33 Abs. 3 StVO widersprechen. Zu den\nDienstleistungen, die unmittelbar den Belangen der Verkehrsteilnehmer dienen,\nzahlen nur solche, die der Befriedigung der Grundbedurfnisse der\nVerkehrsteilnehmer dienen, und zwar derjenigen Grundbedurfnisse, deren\nBefriedigung notwendig ist, um eine verkehrsgerechte Teilnahme am\nStraßenverkehr zu ermoglichen oder zu fordern. Hierzu zahlen insbesondere die\ngastronomische, sanitare und technische Versorgung sowie die sonstigen\nServiceleistungen rund um das Fahrzeug. Auch das Regenerationsbedurfnis der\nVerkehrsteilnehmer fallt hierunter; dieses ist allerdings in einem engen Sinne\nzu verstehen und erfasst nicht jegliche Form der Zerstreuung und\nFreizeitbeschaftigung. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Nach diesen Maßgaben dienen die von einem Erotik-Shop angebotenen\nDienstleistungen nicht im Sinne von § 33 Abs. 3 StVO unmittelbar den Belangen\nder Verkehrsteilnehmer. Sie dienen nicht der Ermoglichung oder Forderung einer\nweiteren verkehrsgerechten Teilnahme am Straßenverkehr. Insbesondere dienen\nsie nicht unmittelbar dem Regenerationsbedurfnis der Verkehrsteilnehmer. Denn\nRegeneration in diesem Sinne ist nach den Ausfuhrungen oben eng zu verstehen.\nHierunter fallt nicht jede Zerstreuung und Freizeitbeschaftigung, die im\nweitesten Sinne der Erholung und Ablenkung dient. Der Besuch eines „Erotic\nStores" oder eines Erotikkinos dient nicht der Erholung im Sinne eines\nAusruhens von der Beanspruchung durch die Teilnahme am Straßenverkehr. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Frage, ob ein Anspruch auf Anbringung von Zusatzschildern in der\namtlichen Hinweisbeschilderung auf sonstige Anspruchsgrundlagen gestutzt\nwerden konnte, braucht nicht entschieden zu werden, da die Anbringung der\nZusatzschilder mit dem Logo des „Erotic Stores" jedenfalls gegen das Verbot\ndes § 33 Abs. 2 Satz 2 StVO verstoßt. Nach § 33 Abs. 2 Satz 2 StVO ist Werbung\nin Verbindung mit Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen unzulassig ohne\ndass es, wie im Fall des § 33 Abs. 1 Nr. 3 StVO darauf ankommt, dass durch die\nWerbung Verkehrsteilnehmer in einer den Verkehr gefahrdenden oder\nerschwerenden Weise abgelenkt oder belastigt werden konnen. Das Zusatzschild\nmit dem Logo des „Erotic Stores" soll an einem Verkehrszeichen angebracht\nwerden und zwar an einem Verkehrzeichen in Form eines Richtzeichens nach § 39\nAbs. 2 Satz 1, 42 Abs. 8 StVO (Zeichen 448.1), das einen Autohof ankundigt.\nAuch die an dem Verkehrszeichen zusatzlich angebrachten Sinnbilder fur\nTankstelle und Gasthaus sind amtliche Zusatzschilder gemaß § 39 Abs. 1 Satz 2\nStVO (Zeichen 361 und 376). Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 33 Abs.\n3 StVO, der Ausnahmen von dem Verbot des § 33 Abs. 2 Satz 2 StVO zulasst,\nliegen - wie oben dargelegt - nicht vor. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Das Verbot der Anbringung des Zusatzschildes verletzt die Klagerin nicht in\nihrer durch Art. 12 GG gewahrleisteten Berufsausubungsfreiheit. Denn die\nBerufsausubungsfreiheit gewahrleistet jedenfalls nicht die Inanspruchnahme\nstaatlicher Verkehrseinrichtungen zu Werbungszwecken. Art. 3 GG ist nicht\nverletzt, da fur die Ungleichbehandlung der gastronomischen Betriebe und des\n„Erotic Stores" ein sachlicher Grund besteht. Anders als die Logos „Esso", „Mc\nDonalds" und Segafredo" dient das Logo des „Erotic Stores" nicht unmittelbar\nden Belangen der Verkehrsteilnehmer. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| **Beschluss** \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Streitwert wird gemaß § 52 Abs. 1 GKG auf EUR 10.000,-- festgesetzt. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Hinsichtlich der Beschwerdemoglichkeit gegen die Streitwertfestsetzung wird\nauf § 68 Abs. 1 Satz 1, 3 und 5 GKG verwiesen. \n---\n\n
193,634
lagrlp-2008-12-04-2-sa-54908
899
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
lagrlp
Rheinland-Pfalz
Arbeitsgerichtsbarkeit
2 Sa 549/08
2008-12-04
2019-02-12 09:24:52
2019-02-12 14:02:56
Urteil
ECLI:DE:LAGRLP:2008:1204.2SA549.08.0A
### ![weitere\nFundstellen einblenden](/jportal/cms/technik/media/img/prodjur/icon/plusRed.gif)weitere\nFundstellen ...\n\n#### Tenor\n\n \n\n \n\n1\\. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts\nTrier vom 12.08.2008 - 2 Ca 527/08 - wird auf seine Kosten zuruckgewiesen.\n\n \n\n \n\n2\\. Die Revision wird zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten uber die Wirksamkeit der Befristung ihres\nArbeitsverhaltnisses.\n\n \n\n2\n\n \n\nDie Klagerin ist am … 1974 geboren. Seit 01.04.2002 ist sie aufgrund\nbefristeter Vertrage als Assistentin in Fachbereich Modedesign der\nFachhochschule D-Stadt beschaftigt.\n\n \n\n3\n\n \n\nGrundlage des Arbeitsverhaltnisses war zunachst der Dienstvertrag vom\n05.04.2002, in welchem die Verwaltungsvorschrift des Ministeriums fur\nWissenschaft und Weiterbildung uber die Beschaftigung von hauptberuflichen\nAssistenten an der Fachhochschule R.-P. vom 16.06.1993 als Bestandteil der\narbeitsvertraglichen Vereinbarungen in Bezug genommen wurde. Weiter war\nvereinbart, dass der BAT im Ausnahme der Bestimmungen uber die Eingruppierung\ngelten solle. Das Rechtsverhaltnis war befristet vom 01.04.2002 bis\n31.03.2007. Die Klagerin wurde mit der Halfte der wochentlichen Arbeitszeit\nbeschaftigt. Die im Vertrag in Bezug genommene Verwaltungsvorschrift lag bei\nVertragsabschluss der Klagerin in vollstandigem Wortlaut vor.\n\n \n\n4\n\n \n\nIn Abanderung des Dienstvertrages wurde am 10.09.2004 ein Änderungsvertrag\nabgeschlossen, wonach § 1 des ursprunglichen Vertrages ersetzt wurde, dass die\nKlagerin ab 11.09.2004 als nicht voll beschaftigte Angestellte (Assistentin)\nfur die Zeit vom 11.09.2004 bis 16.01.2005 mit 16 Stunden und fur die Zeit vom\n17.01.2005 bis 16.07.2006 mit der Halfte der wochentlichen Arbeitszeit als\nAngestellte zur Eigenvertretung im Rahmen ihrer Elternzeit weiterbeschaftigt\nwird. Weiter wurde vereinbart, dass ab 17.07.2006 das Dienstverhaltnis\nentsprechend dem Arbeitsvertrag vom 05.04.2002 weiter fortgesetzt wird.\n\n \n\n5\n\n \n\nUnter dem 10.05.2006 vereinbarten die Parteien einen weiteren Änderungsvertrag\nzum Dienstvertrag vom 05.04.2002, wonach § 1 durch die Vereinbarung ersetzt\nwerde, dass die Klagerin ab 15.05.2006 als nicht voll beschaftigte Angestellte\nfur die Zeit vom 15.05.2006 bis 14.11.2006 mit 16 Stunden befristet als\nAngestellte zur Eigenvertretung im Rahmen ihrer Elternzeit weiter beschaftigt\nwird. Weiter findet sich die Regelung, dass ab 15.11.2006 das Dienstverhaltnis\nentsprechend dem Arbeitsvertrag vom 05.04.2002 weiter fortgesetzt wird.\n\n \n\n6\n\n \n\nMit Schreiben vom 27.02.2007, uberschrieben mit "Antrag auf Verlangerung der\nbefristeten Assistentenstelle" stellte die Klagerin den Antrag, den\nArbeitsvertrag fur die Assistentenstelle um ein Jahr auf die im\nHochschulgesetz unter § 56 Abs. 7 festgelegte maximale Hochstdauer von sechs\nJahren zu verlangern. Der Antrag wurde vom Dekan des Fachbereichs Gestaltung\nbefurwortet.\n\n \n\n7\n\n \n\nDie Parteien vereinbarten sodann unter dem 19.03.2007 einen Änderungsvertrag,\nder wortlich lautet:\n\n \n\n8\n\n \n--- \n"Zwischen \ndem Land Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Prasidenten der Fachhochschule\nD-Stadt, (Arbeitgeber) \nund \n**Frau C.,** \n**Anschrift: C-Stra ße, C-Stadt,** \n**geboren am …** \nwird in Abanderung des Arbeitsvertrages vom **05.04.2002** \nin der Fassung des Änderungsvertrages vom **10.05.2006** folgender \n**Ä n d e r u n g s v e r t r a g** \ngeschlossen: \n \n \n\n \n\n**§ 1**\n\n \n\n9\n\n \n--- \n(1) § 1 wird durch folgende Vereinbarung ersetzt: \nFrau **C.** \nwird ab 01.04.2007 \nals Teilzeitbeschaftigte \nmit **50 v. H** . der durchschnittlichen regelmaßigen wochentlichen\nArbeitszeit eines entsprechenden Vollbeschaftigten \nbis zum **31.03.2008** weiterbeschaftigt. \nDie Teilzeitbeschaftigte ist im Rahmen begrundete dienstlicher Notwendigkeiten\nzur Leistung von Bereitschaftsdienst, Rufbereitschaft, Überstunden und\nMehrarbeit verpflichtet. \n \n \n\n10\n\n \n--- \n(2) Der Wortlaut zu § 1 und § 4 erhalt folgende Fassung: \n"Fur das Arbeitsverhaltnis gelten \n\\- der Tarifvertrag fur den offentlichen Dienst der Lander (TV-L), \n\\- der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschaftigten der Lander in den TV-L\nund zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Lander) sowie \n\\- die Tarifvertrage, die den TV-L und den TVÜ-Lander erganzen, andern und\nersetzen, \nin der Fassung, die fur den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Lander und\nfur das Land Rheinland-Pfalz jeweils gilt" \n \n \n\n11\n\n \n--- \n(3) Es wird - k e i n e - Nebenabrede vereinbart. \n \n \n\n \n\n**§ 2**\n\n12\n\n \n\nDieser Änderungsvertrag tritt mit Wirkung vom 01.04.2007 in Kraft."\n\n \n\n13\n\n \n\nMit am 14.04.2008 beim Arbeitsgericht Trier eingegangener Klage hat die\nKlagerin die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhaltnis aufgrund der\nBefristung des Arbeitsvertrages vom 05.04.2002 in Abanderung des\nArbeitsvertrages vom 04.03.2002 und in der Fassung des Änderungsvertrages vom\n10.05.2006 nicht beendet worden ist, sondern zu unveranderten Bedingungen\nfortbesteht.\n\n14\n\n \n\nDie Klagerin hat die Auffassung vertreten, die Befristung ihres\nArbeitsverhaltnisses sei unwirksam. Sachliche Grunde fur eine Befristung\nbestunden nicht. Das beklagte Land konne sich nicht auf Befristungsgrunde aus\ndem Bereich des Hochschulrechts berufen, weil das zitierte Gebot nicht\neingehalten worden sei.\n\n \n\n15\n\n \n\n**Die Kl agerin hat beantragt,**\n\n16\n\n \n\nes wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende\nArbeitsverhaltnis aufgrund der Befristung in dem Verlangerungsvertrag vom\n19.03.2007 nicht beendet worden ist.\n\n \n\n17\n\n \n\n**Das beklagte Land hat beantragt,**\n\n18\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n \n\n19\n\n \n\nEs hat vorgetragen, die Befristungshochstdauer von sechs Jahren gemaß § 56\nAbs. 7 des Hochschulgesetzes Rheinland-Pfalz sei der sachliche Grund fur die\nBefristung des letzten Arbeitsvertrages. Auch habe die Klagerin selbst um eine\nVerlangerung des befristeten Vertrages um ein Jahr gebeten. Sie setze sich\nhierzu mit der vorliegenden Klage in Widerspruch.\n\n \n\n20\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz\nwird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Trier vom 12.08.2008\nund die dort in Bezug genommenen Anlagen verwiesen.\n\n \n\n21\n\n \n\nDas Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Es hat im Wesentlichen\nausgefuhrt, die Klagefrist des § 17 TzBfG sei gewahrt. Die auf Feststellung\nder Unwirksamkeit der Befristung zum 31.03.2008 gerichtete Klage sei am\n14.04.2008, also vor Ablauf von drei Wochen erhoben worden. Die fruheren\nBefristungen gelten mangels Klageerhebung als von Anfang an wirksam.\n\n \n\n22\n\n \n\nDie Befristung des Vertrages vom 19.03.2007 sei unwirksam. Sie sei nicht nach\n§ 57 b Abs. 1 Satz 1 HRG zulassig. Das beklagte Land konne die Befristung auf\ndiese Bestimmungen nicht stutzen, denn nach § 57 b Abs. 3 Satz 1 HRG sei im\nArbeitsvertrag anzugeben, ob die Befristung auf Vorschriften dieses Gesetzes\nberuht. Fehle diese Angabe, konne die Befristung nicht hierauf gestutzt\nwerden. Der Dienstvertrag vom 19.03.2007 enthalte keine Bezugnahme auf das\nHRG.\n\n \n\n23\n\n \n\nAuch § 56 Abs. 7 Satz 4 des Hochschulgesetzes Rheinland-Pfalz vom 21.07.2003\nrechtfertige die Befristung nicht. Nach dieser Vorschrift werden\nAssistentinnen und Assistenten fur hochstens sechs Jahre als Angestellte\nbeschaftigt. Ein Zitiergebot bestehe anders als im HRG nicht. Allerdings\nenthalte § 56 Abs. 7 Satz 4 Hochschulgesetz Rheinland-Pfalz keine\nRechtsgrundlage fur eine Befristung. Die Befristung und Moglichkeiten fur\nArbeitsvertrage seien bundesgesetzlich abschließend geregelt, so dass\nLandesgesetze mangels Regelungskompetenz fur das Arbeitsrecht keine\nweitergehenden Befristungsmoglichkeiten schaffen konnen.\n\n \n\n24\n\n \n\nEine sachgrundlose Befristung scheide aus.\n\n \n\n25\n\n \n\nEs liege auch kein sachlicher Grund im Sinne des § 14 Abs. 1 TzBfG fur die\nBefristung vor. Dem beklagten Land sei zwar zuzugeben, dass die Erwagung,\nwissenschaftliche Nachwuchskrafte im Assistentenbereich nur zeitlich befristet\nzu fordern, um durch Fluktuation die wissenschaftliche Weiterbildung nach\nAbschluss des Studiums einen moglichst großen Personenkreis zu ermoglichen,\nnachvollziehbar und anerkennenswert sei. Dies sei jedoch gerade der Grund\ndafur, dass der Gesetzgeber in § 57 b HRG die weit uber die Grenzend es § 14\nAbs. 2 TzBfG hinausgehenden eigenstandigen Befristungsmoglichkeiten fur\nArbeitsvertrage des wissenschaftlichen Nachwuchses vorgesehen habe. Das HRG\nwurde ausgehohlt, wenn man nach Ausschopfen der in § 57 b HRG genannten Zeiten\nuber § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 TzBfG mit derselben Begrundung eine beliebig\nlange weitere Befristung zuließe.\n\n \n\n26\n\n \n\nDie Befristung sei auch nicht durch in der Person der Klagerin liegenden\nGrunde gerechtfertigt. Zwar konne der Wunsch des Arbeitnehmers, einen\nbefristeten Arbeitsvertrag abzuschließen, einen in der Person des\nArbeitnehmers liegenden Grund darstellen und deshalb die Befristung sachlich\nrechtfertigen. Hiervon sei aber nur auszugehen, wenn der Arbeitnehmer ein\nInteresse gerade an einer befristeten Beschaftigung habe und nur fur einen\nbegrenzten Zeitraum arbeiten konne oder wolle. Die Klagerin habe die\nVerlangerung um nur ein Jahr beantragt, allerdings in ihrem Schreiben auf die\nHochstdauer der Befristung Bezug genommen, so dass davon auszugehen sei, dass\nsie keine Moglichkeit sah, einen weitergehenden Vertrag zu erhalten. Es lagen\nkeine objektiven Anhaltspunkte dafur vor, dass die Klagerin, wenn ihr vom\nbeklagten Land der Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages angeboten\nworden ware, gleichwohl nur einen befristeten vereinbart hatte.\n\n \n\n27\n\n \n\nSchließlich gebe auch § 30 TV-L keine Rechtsgrundlage fur eine Befristung,\nsondern setze ein solche voraus.\n\n \n\n28\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten der Urteilsbegrundung wird auf die\nvorbezeichneten Entscheidung verwiesen.\n\n \n\n29\n\n \n\nDas Urteil wurde dem beklagten Land am 03.09.2008 zugestellt. Es hat hiergegen\nam 29.09.2008 Berufung eingelegt und die Berufung letztlich mit am 14.10.2008\neingegangenem Schriftsatz begrundet.\n\n \n\n30\n\n \n\nDas beklagte Land nimmt Bezug auf § 1 des ursprunglichen Dienstvertrages vom\n05.04.2002, worin ausdrucklich auf die vom Ministerium fur Wissenschaften und\nWeiterbildung erlassene Verwaltungsvorschrift uber die Beschaftigung von\nhauptberuflichen Assistentinnen und Assistenten an der Fachhochschule\nRheinland-Pfalz vom 16.06.1993 Bezug werde. Über den mit dem Vertragsabschluss\nverfolgten Zweck konne kein Zweifel bestehen. Die Klagerin sei wahrend der\nDauer ihrer Tatigkeit ausschließlich mit den fur Assistenten typischen\nAufgaben beschaftigt worden. Sonstige Tatigkeiten, die sie im Rahmen einer\ngenehmigten Nebentatigkeit wahrgenommen habe, blieben hierbei außer Betracht.\nDer Änderungsvertrag vom 19.03.2007 sei ordnungsgemaß abgeschlossen worden,\nder Vertragsschluss konne nicht isoliert betrachtet werden. Vielmehr\nenthielten die dort getroffenen Vereinbarungen alle typischen Elemente eines\nbefristeten Vertrages mit einem wissenschaftlichen Mitarbeiter, der in der\nFunktion eines Assistenten beschaftigt werden solle. Eine andere Beschaftigung\nals die einer Assistentin sei zu keiner Zeit gewollt. Dies werde schon durch\nden Aufgabenbereich der Stelle, auf der die Klagerin beschaftigt worden ist,\ndeutlich. Da es eines besonderen Zitats der einschlagigen gesetzlichen\nBestimmungen nicht bedurfe, wenn sich aus den Gesamtumstanden Art und Umfang\nsowie Dauer der Befristung fur die Beteiligten unmittelbar aus dem sachlichen\nZusammenhang herleiten ließe, dies auch der Rechtsprechung des\nBundesarbeitsgerichts entspreche, sei das Zitiergebot beachtet. Das beklagte\nLand nimmt hierbei nochmals Bezug auf den Inhalt der im Arbeitsvertrag\nvereinbarten Verwaltungsvorschrift.\n\n \n\n31\n\n \n\n**Das beklagte Land beantragt,**\n\n32\n\n \n\n1\\. das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom 12.08.2008 - 2 Ca 527/08 - wird\nabgeandert,\n\n \n\n33\n\n \n\n2\\. die Klagerin tragt die Kosten des Rechtsstreits.\n\n \n\n34\n\n \n\n**Die Kl agerin beantragt,**\n\n35\n\n \n\ndie Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Trier vom\n12.08.2008 - 2 Ca 527/08 - kostenfallig zuruckzuweisen.\n\n \n\n36\n\n \n\nSie verteidigt das angefochtene Urteil, weist daraufhin, dass nach ihrer\nAuffassung der Änderungsvertrag nicht die ursprunglichen Vereinbarungen\nbeinhaltete, sondern auch unter Vereinbarung neuer tariflicher Bestimmungen\neine andere Rechtsgrundlage geschaffen habe.\n\n \n\n37\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im\nBerufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsatze der\nParteien, die Gegenstand der mundlichen Verhandlung waren, verwiesen. Weiter\nwird verwiesen auf die Feststellungen des Sitzungsprotokolls vom 04.12.2008.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n \n\n \n\n**I.**\n\n38\n\n \n\nDie Berufung ist zulassig. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt\nund begrundet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG in Verbindung mit § 520\nZPO).\n\n \n\n39\n\n \n\nDas Rechtsmittel der Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Dabei ist\nes unschadlich, dass das beklagte Land ausdrucklich nur eine Abanderung des\nangefochtenen Urteils beantragt hat und nicht beantragt hat, die Klage der\nKlagerin abzuweisen. Aus dem gesamten Inhalt der Berufungsbegrundung ergibt\nsich, dass es die Feststellung des Arbeitsgerichts, dass das Arbeitsverhaltnis\nnicht aufgrund der Befristung vom 19.103.2007 beendet worden ist, bekampft und\neinem entsprechenden Feststellungsantrag der Klagerin abzuweisen ware.\n\n \n\n \n\n**II.**\n\n40\n\n \n\nDie Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Im Ergebnis und in der\nBegrundung vollkommen zutreffend hat das Arbeitsgericht Trier die Klage der\nKlagerin abgewiesen. Die Berufungskammer nimmt, um unnotige Wiederholungen zu\nvermeiden voll umfanglich Bezug auf den begrundenden Teil des angefochtenen\nUrteils und nimmt die Entscheidung in ihre eigenen Entscheidungsgrunde auf.\n\n \n\n41\n\n \n\nWegen der Angriffe im Berufungsverfahren sei lediglich auf Folgendes\nhinzuweisen:\n\n \n\n42\n\n \n\nDas beklagte Land stutzt die Berufung im Wesentlichen auf die Begrundung, das\nArbeitsgericht habe die Reichweite des Zitiergebots, insbesondere die\nReichweite der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Einhaltung des\nZitiergebots nicht beachtet. Hierzu nimmt das beklagte Land Bezug auf die\nEntscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.08.1992, 7 AZR 560/91.\n\n \n\n43\n\n \n\nDiese Rechtsaufassung kann der Berufung nicht zum Erfolg verhelfen.\n\n \n\n44\n\n \n\nNach standiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die Kammer\nanschließt, kommt es fur die Frage, ob die Befristung des Arbeitsverhaltnisses\nwirksam oder unwirksam ist, bei mehreren aneinander gereihten befristeten\nArbeitsvertragen grundsatzlich nur auf den zuletzt abgeschlossenen\nArbeitsvertrag an. Mit dem Abschluss eines weiteren befristeten\nArbeitsvertrages bringen die Parteien in der Regel zum Ausdruck, dass fur ihre\nRechtsbeziehungen fortan der neue Arbeitsvertrag allein maßgeblich sein soll.\nWill der Arbeitnehmer dieses Ergebnis vermeiden und sich seine Rechte aus\neiner etwaigen Unwirksamkeit der Befristung des vorangegangenen Vertrages\nsichern, muss er mit dem Arbeitgeber einen Vorbehalt eines Inhalts\nvereinbaren, dass der neue befristete Vertrag nur gelten solle, wenn die\nParteien schon nicht aufgrund des vorangegangenen Vertrages in einem\nunbefristeten Arbeitsverhaltnis stehen. Im vorliegenden Fall ist ein\nderartiger Vorbehalt nicht vereinbart worden. Auch hat die Klagerin gegen die\nim ursprunglichen Dienstvertrag vereinbarte Befristung mit Ablauf 31.03.2007\nnicht innerhalb der Fristen des § 17 TzBfG Feststellungsklage erhoben.\n\n \n\n45\n\n \n\nDie im Arbeitsvertrag vom 19.03.2007 vereinbarte Befristung des\nArbeitsverhaltnisses bis zum 31.03.2008 ist nicht nach § 57 b HRG, welches im\nZeitpunkt des Vertragsabschlusses am 19.03.2007 noch galt (das Gesetz wurde\nerst uber das Wissenschaftszeitvertragsgesetz mit Wirkung vom 18.04.2007\ngeandert) gerechtfertigt.\n\n \n\n46\n\n \n\nNach § 57 a dieses Gesetzes galten fur den Abschluss fur Arbeitsvertragen fur\neine bestimmte Zeit mit wissenschaftlichen und kunstlerischen Mitarbeiterinnen\nund Mitarbeitern sowie mit wissenschaftlichen und kunstlerischen Hilfskraften\ndie §§ 57 b und 57 c HRG. Nach § 57 b Abs. 1 HRG ist die Befristung von\nArbeitsvertragen mit dem in § 57 a Abs. 1 Satz 1 HRG genanntem Personal, das\nnicht promoviert ist, bis zu einer Dauer von sechs Jahren zulassig. Nach § 57\nb Abs. 3 HRG, in der zum Zeitpunkt des Vertragsschluss gultigen Fassung ist im\nArbeitsvertrag anzugeben, ob die Befristung auf den Vorschriften dieses\nGesetzes beruht. Fehlt diese Angabe, kann die Befristung nicht auf\nVorschriften dieses Gesetzes gestutzt werden. Die Dauer der Befristung muss\nkalendermaßig bestimmt oder bestimmbar sein.\n\n \n\n47\n\n \n\nDie im Arbeitsvertrag enthaltene Befristung ist nicht nach § 57 b Abs. 1 Satz\n1 HRG in der im Marz 2007 geltenden Fassung gerechtfertigt. Ein sachlicher\nGrund kann aus den Bestimmungen dieses Gesetzes nicht hergeleitet werden.\n\n \n\n48\n\n \n\nDie Klagerin war zwar in einer Fachhochschule beschaftigt. Fachhochschule ist\neine Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes. Assistenten, wie die\nKlagerin sind in den Wissenschafts- und Lehrbetrieb der Fachhochschulen\neingegliedert. Vorgesetzter ist der Professor, dem der Assistent zur\nDienstleistung zugewiesen wurde. Soweit sie nicht einem Professor zur\nDienstleistung zugewiesen wurden, ist der Dekan des Fachbereichs oder der\nLeitung oder geschaftsfuhrende Leiter der Betriebseinheit, der zugeordnet ist,\nVorgesetzter.\n\n \n\n49\n\n \n\nFachhochschulassistenten haben die Aufgabe, die Professoren bei der Erfullung\nihrer Aufgaben zu unterstutzen. Die Professoren nehmen in ihren Fachern die\nAufgaben der Fachhochschule in Wissenschaft, Kunst und Lehre sowie in\nForschung und Entwicklung nach naherer Ausgestaltung ihrer Dienstverhaltnisse\nwahr.\n\n \n\n50\n\n \n\nGleichwohl kann sich das beklagte Land nicht auf die Befristungsform des § 57\nb HRG berufen. Der Befristungstatbestand ist zwar großzugiger gefasst als die\nin der Rechtsprechung und im Teilzeit- und Beschaftigungsgesetz genannte\nBefristungsgrunde. Dies kommt auch schon aus der deutlich verlangerten\nBefristungshochstdauer zum Ausdruck.\n\n \n\n51\n\n \n\nAuf den Befristungsgrund kann sich das beklagte Land jedoch nicht stutzen. Die\nBerufung hierauf ist ihm nach § 57 b Abs. 3 HRG verwehrt. Diese Bestimmung\nbeschreibt wie dargelegt vor, dass im Arbeitsvertrag anzugeben ist, ob die\nBefristung auf den Vorschriften dieses Gesetzes beruht. Fehlt die Angabe, kann\ndie Befristung nicht auf Vorschriften dieses Gesetzes gestutzt werden.\n\n \n\n52\n\n \n\nIm vorliegenden Rechtsstreit fehlt es sowohl an der Angabe der gesetzlichen\nBestimmungen als auch an sonstigen Bezugnahmen auf die Grunde der Befristung,\ndie in sonstiger Weise Gegenstand des Arbeitsvertrages gewesen sein sollen.\n\n \n\n53\n\n \n\nIm Unterschied zur Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.08.1992 (7\nAZR 560/91 = AP Nr. 2 zu § 57 b HRG) ist die Verweisung auf die\nVerwaltungsvorschriften uber die Beschaftigung von Assistenten an der\nFachhochschule des Landes Rheinland-Pfalz im vorliegenden Vertrag weder\nerfolgt noch aus sonstigen Umstanden ersichtlich.\n\n \n\n54\n\n \n\nBei dem Zitiergebot ist die Bezeichnung des einschlagigen gesetzlichen\nTatbestandes, auf den die Befristung gestutzt werden soll, und eine nahere\nKonkretisierung des den Einzelfall maßgeblichen Befristungsgrundes nicht\ngeboten. Daraus folgt zwar kein Zitiergebot des Inhalts, dass die einschlagige\ngesetzliche Bestimmung ausdrucklich zu nennen ist. Es reicht vielmehr aus,\ndass dem Arbeitsvertrag zu entnehmen ist, auf welche Grunde die Befristung\ngestutzt wird und welchem Sachverhalt des § 57 b HRG diese Grunde zuzuordnen\nsind. Zu strengeren Anforderungen fuhren weder Wortlaut noch Sinn und Zweck\ndes § 57 b HRG. Die vorgeschriebene Angabe des Befristungsgrundes im\nArbeitsvertrag soll bei den Vertragsparteien von vornherein Klarheit daruber\nschaffen, ob zur Rechtfertigung der Befristung des Arbeitsvertrages der in §\n57 b HRG besonders normierte Befristungsgrund in Anspruch genommen werden\nsoll. Dafur genugt es, wenn sich im Wege der Vertragsauslegung mit\nhinreichender Deutlichkeit ergibt, dass die Befristung auf diesen\nBefristungsgrund gestutzt wird.\n\n \n\n55\n\n \n\nDer vorliegende Arbeitsvertrag vom 19.03.2007 lasst eine derartige Auslegung\nnicht zu.\n\n \n\n56\n\n \n\nZunachst ist der Auffassung des beklagten Landes nicht zu folgen, dass eine\nVerweisung auf den ursprunglichen Dienstvertrag enthalten ist. Die maßgebenden\nmateriell-rechtlichen Vereinbarungen des ursprunglichen Dienstvertrages waren\nin §§ 1 bis 3 des ursprunglichen Vertrages geregelt. Die gewahlte Formulierung\nvom 19.03.2007 dagegen ersetzt ausdrucklich § 1 des ursprunglichen\nDienstvertrages durch eine neue eigenstandige Regelung. Danach wird die\nKlagerin ab 01.04.2007 als Teilzeitbeschaftigte weiterbeschaftigt. Weiter\ngelten nicht die ursprunglich vereinbarten tariflichen Beziehungen, sondern\ninfolge Umgestaltung in der Tariflandschaft neue tarifliche Regelungen.\nNebenabreden sind nicht vereinbart.\n\n \n\n57\n\n \n\nIm Vertrag vom 19.03.2007 ist weder festgelegt, dass die Klagerin als\nAssistentin beschaftigt wird, die Beschaftigung erfolgt ausschließlich offen\nals Teilzeitbeschaftigte, welche weiterbeschaftigt wird ohne Bezugnahme auf\nirgendwelche Funktionen innerhalb der Fachhochschule des beklagten Landes.\nWeiter ist auch ein Bezug auf die Verwaltungsvorschrift fur die Beschaftigung\nvon Assistenten nicht in den Vertrag aufgenommen worden. Fur sich betrachtet\nist aus dem Vertrag nur ersichtlich, dass die Klagerin als Angestellte des\nLandes Rheinland-Pfalz, vertreten durch den Prasidenten der Fachhochschule\nD-Stadt, mit 50 % der durchschnittlichen regelmaßigen wochentlichen\nArbeitszeit eines entsprechenden Vollbeschaftigten bis zum 31.03.2008\nweiterbeschaftigt wird. Weitere Angaben, insbesondere da die Urkunde die\nVermutung der Vollstandigkeit fur sich hat und Nebenabreden nicht vereinbart\nsind, lassen sich dem Vertrag nicht entnehmen.\n\n \n\n58\n\n \n\nFur die Kammer ist es vollig unverstandlich, wie die Verwaltung der\nFachhochschule angesichts der Kenntnis der Befristungskontrollrechtsprechung\ndes Bundesarbeitsgerichts (das von dem beklagten Land zitierte Urteil erging\nebenfalls im Bereich der Fachhochschule D-Stadt) nicht genutzt hat, um\nwenigstens andeutungsweise auf den Befristungsgrund des\nHochschulrechtsrahmengesetzes im Arbeitsvertrag hinzuweisen.\n\n \n\n59\n\n \n\nDer Umstand, dass die Verwaltungsvorschrift mittlerweile nicht mehr gultig ist\nund eine neue Verwaltungsvorschrift noch nicht erarbeitet werden konnte, steht\ndem nicht entgegen. Es ware der den Vertrag entwerfenden Behorde unschwer\nmoglich gewesen, durch einen Hinweis auf die befristete\nBeschaftigungsmoglichkeit von Assistenten wenigstens andeutungsweise in den\nVertrag den Befristungsgrund zu zitieren.\n\n \n\n60\n\n \n\nAus dem Arbeitsvertrag ist der Zusammenhang zwischen dem vom beklagten Land\nvorausgesetzten Zweck des Arbeitsverhaltnisses und der Befristung nicht\nhergestellt worden. Es wird keine Zweckbestimmung angesprochen und als den fur\ndas neue befristete Arbeitsverhaltnis entscheidenden Umstand angegeben. Es\nwird auch kein Bezug genommen auf den Wunsch der Klagerin, eine weitere\neinjahrige Beschaftigung an das ursprunglich abgelaufene\nBeschaftigungsverhaltnis anzuschließen. Im Arbeitsvertrag sind keine\nVerwaltungsvorschriften in Bezug genommen. Fur die Klagerin war es daher nicht\nhinreichend deutlich zu ersehen, dass das beklagte Land mit ihr wegen des\nFort- und Weiterbildungszweckes von Assistenten einen weiteren befristeten\nArbeitsvertrag abschließen wollte.\n\n \n\n61\n\n \n\nHat somit das beklagte Land das Zitiergebot nicht beachtet, kann es sich nach\nden einschlagigen gesetzlichen Bestimmungen auf die Befristungstatbestande des\n§ 57 b HRG nicht berufen.\n\n \n\n \n\n**III.**\n\n62\n\n \n\nDie weiteren Ausfuhrungen des Arbeitsgerichts uber das Fehlen eines sachlichen\nGrundes werden von der Berufungskammer wie dargestellt voll umfanglich\ngeteilt, sie brauchen nicht nochmals wiederholt zu werden, auf sie wird Bezug\ngenommen.\n\n \n\n \n\n**IV.**\n\n63\n\n \n\nNach allem war die Berufung des beklagten Landes mit der Kostenfolge des § 97\nAbs.1 ZPO zuruckzuweisen.\n\n \n\n64\n\n \n\nDie Kammer hat wegen der grundsatzlichen Bedeutung die Revision zugelassen.\n\n
193,658
lagrlp-2008-11-20-10-sa-42108
899
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
lagrlp
Rheinland-Pfalz
Arbeitsgerichtsbarkeit
10 Sa 421/08
2008-11-20
2019-02-12 09:25:34
2019-02-12 14:03:00
Urteil
ECLI:DE:LAGRLP:2008:1120.10SA421.08.0A
\n\n#### Tenor\n\n \n\n \n\n1\\. Die Berufung des Klagers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom\n24. Juni 2008, Az.: 3 Ca 2939/07, wird kostenpflichtig zuruckgewiesen.\n\n \n\n \n\n2\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n \n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten daruber, ob die beklagte Bundesrepublik verpflichtet\nist, mit dem Klager einen Altersteilzeitarbeitsvertrag im Blockmodell\nabzuschließen.\n\n \n\n2\n\n \n\nDer Klager (geb. am … 1954) steht seit dem 01.01.1974 in den Diensten der W.-\nund S. S.. Er wird in Vollzeit als Wasserbaumeister im Außenbezirk A-Stadt\nbeschaftigt. Auf das Arbeitsverhaltnis finden die Tarifvertrage fur\nBeschaftigte des Bundes, darunter der Tarifvertrag zur Regelung der\nAltersteilzeitarbeit (TV ATZ) vom 05.05.1998 Anwendung. Mit Schreiben vom\n17.12.2006 reichte der Klager einen Altersteilzeitantrag ein, den die\nDienststelle am 16.04.2007 ablehnte.\n\n \n\n3\n\n \n\nZur Vermeidung von Wiederholungen wird von einer nochmaligen Darstellung des\nerstinstanzlichen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens\ngemaß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf die Zusammenfassung im Urteil des\nArbeitsgerichts Koblenz vom 24.06.2008 (dort Seite 2-7 = Bl. 77-82 d. A.)\nBezug genommen.\n\n \n\n4\n\n \n\n**Der Kl ager hat erstinstanzlich beantragt,**\n\n5\n\n \n\ndie Beklagte zu verurteilen, mit ihm einen Altersteilzeitvertrag im\nBlockmodell gemaß § 2 des Tarifvertrages zur Regelung der Altersteilzeit (TV\nATZ) gemaß Schreiben vom 17.12.2006, beginnend mit dem 29.10.2009,\nArbeitsphase vom 29.10.2009 bis 28.10.2014, Freistellungsphase vom 29.10.2014\nbis 28.10.2019, zu schließen.\n\n \n\n6\n\n \n\n**Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,**\n\n7\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n \n\n8\n\n \n\nDas Arbeitsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 24.06.2008 die Klage mit der\nBegrundung abgewiesen, der Klager habe keinen Anspruch auf Abschluss eines\nAltersteilzeitarbeitsvertrages im gewunschten Blockmodell nach § 2 Abs. 1 TV\nATZ. Die ablehnende Ermessensentscheidung der Beklagten sei unter\nBerucksichtigung der Rechtsprechungsgrundsatze des BAG nicht zu beanstanden.\n\n \n\n9\n\n \n\nEs sei nicht unbillig i.S.d. § 2 Abs. 1 TV ATZ, wenn sich die Beklagte darauf\nberufe, dass die im Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern (BMI) vom\n22.11.2005 genannten Ausnahmen, bei deren Vorliegen Altersteilzeit fur die\nBeschaftigten der Altersgruppe 55 bis 59 bewilligt werden konnen, nicht\nvorlagen. Da in den dortigen Fallgestaltungen die Bewilligung von\nAltersteilzeit aus besonderen Sachgrunden, z.B. besondere Rucksichtnahme auf\nschwerbehinderte Mitarbeiter oder Kostengesichtspunkte, gerechtfertigt sei,\nuberschreite eine Versagung von Altersteilzeit die Grenzen billigen Ermessens\nnach § 2 Abs. 1 TV ATZ nicht, wenn kein Ausnahmetatbestand eingreife. Zwischen\nden Parteien sei insoweit unstreitig, dass der Klager weder zu den\nschwerbehinderten Beschaftigten gehore (Abs. 2 Nr. 1) noch Altersteilzeit im\nTeilzeitmodell beantragt habe (Abs. 2 Nr. 4). Auch liege die Ausnahme des Abs.\n2 Nr. 3 des BMI-Rundschreibens nicht vor, nach der Altersteilzeit in\nStellenabbaubereichen bewilligt werden konne, wenn auf die Ausbringung einer\nErsatzplanstelle verzichtet werde. Die Behauptung des Klagers, die W.- und S.\n(WSV) stelle einen Stellenabbaubereich im Sinne des Abs. 2 Nr. 2 des\nRundschreibens dar, berucksichtige nicht, dass als Stellenabbaubereiche im\nBMI-Rundschreiben vom 08.03.2006 nur die Bundeswehrverwaltung und die\nBundesmonopolverwaltung fur Branntwein genannt seien. Selbst wenn man\nunterstelle, dass auch andere Verwaltungszweige Stellenabbaubereiche im Sinne\nder Ausnahmevorschrift sein konnen, habe der Klager nicht dargelegt, dass im\nFalle seines Ausscheidens auf einen Ersatz verzichtet werden konnte. Sein\npauschaler Vortrag, in seiner Dienststelle sei eine Umstrukturierung leicht\nmoglich, auch Abordnungen, Versetzungen oder Änderung der Vergabe der\nArbeitsaufgaben kamen in Betracht, genuge nicht, da nicht ersichtlich sei, wie\ndie Aufgaben des Klagers konkret auf die anderen Mitarbeiter verteilt werden\nsollen, ohne dass diese uberobligatorisch belastet wurden. Inwieweit ein\nbegrundeter Einzelfall aus personalwirtschaftlichen Grunden angesichts\nbesonderer Belange eines einzelnen Ressorts nach Abs. 2 Nr. 3 des BMI-\nRundschreibens vorliegen soll, sei ebenfalls nicht erkennbar.\n\n \n\n10\n\n \n\nUngeachtet des BMI-Rundschreibens vom 22.11.2005 habe die Beklagte auch\nansonsten Erwagungen angefuhrt, aufgrund derer sie die Gewahrung von\nAltersteilzeit zulassigerweise habe ablehnen durfen. So habe sie vorgetragen,\nangesichts der im Einzelnen dargestellten knappen Personalressourcen im\nHinblick auf den Schleusendienst, die Urlaubs- und Krankheitsvertretung sowie\ndie Streckenunterhaltung im Außenbezirk A-Stadt sei eine Umverteilung der\nAufgaben des Klagers in der Freistellungsphase nicht moglich. Diesen Vortrag\nhabe der Klager nicht substantiiert widerlegt. Schließlich habe die Beklagte\nzur Versagung der Altersteilzeit finanzielle Grunde angefuhrt und darauf\nverwiesen, dass im Stellenhaushalt fur seit dem 01.01.2005 bewilligte Neufalle\nnach § 15 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Haushaltsgesetz 2008 keine Ersatzstellen\nmehr zur Verfugung gestellt werden. Aus welchen Grunden sich die Haushaltslage\nin Zukunft nachhaltig andern sollte, habe der Klager nicht vorgetragen.\n\n \n\n11\n\n \n\nWegen weiterer Einzelheiten der Entscheidungsgrunde des Arbeitsgerichts wird\nauf Seite 7 bis 14 des Urteils (= Bl. 82 - 89 d. A.) Bezug genommen.\n\n \n\n12\n\n \n\nDer Klager, dem das Urteil am 14.07.2008 zugestellt worden ist, hat am\n29.07.2008 Berufung zum Landesarbeitsgericht eingelegt und diese innerhalb der\nbis zum 14.10.2008 verlangerten Berufungsbegrundungsfrist mit am 14.10.2008\nbeim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begrundet.\n\n \n\n13\n\n \n\nDer Klager ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe die Darlegungs- und\nBeweislast verkannt. Die Voraussetzungen fur die berechtigte Ablehnung des\nAltersteilzeitantrags habe die Beklagte darzulegen. Dazu gehore gerade im\nHinblick auf das Rundschreiben des BMI vom 22.11.2005, dass die dort genannten\nAusnahmen nicht vorliegen. Die Beklagte habe insoweit nicht vollstandig\nvorgetragen. Sie habe zunachst nur allgemein auf finanzielle Belastungen und\nzunehmende personalwirtschaftliche Probleme sowie darauf hingewiesen, dass die\nvon ihm wahrzunehmenden Aufgaben vollstandig auf die ohnehin schon knappen\nPersonalressourcen des Außenbezirks A-Stadt verteilt werden mussten. Seit 1993\nsei die Anzahl der Beschaftigten dort von 54 auf 41 reduziert worden. Das\nArbeitsgericht habe verkannt, dass dieser Vortrag letztlich zu pauschal sei,\num uberhaupt einlassungsfahig zu sein. Deshalb reiche insoweit auch ein\npauschales Bestreiten aus. Wie die Beklagte z.B. darauf komme, die Verteilung\nseiner Aufgaben auf die verbleibenden Arbeitnehmer sei nicht moglich, sei\nnicht nachvollziehbar. Die Beklagte weise doch selbst darauf hin, dass seit\n1993 kontinuierlich Stellen abgebaut worden seien. Es sei der Beklagten\noffensichtlich stets gelungen, die zu erledigenden Arbeiten so zu\norganisieren, dass die verbliebenen Beschaftigten trotz des Ausscheidens von\nMitarbeitern keine uberobligatorischen Leistungen hatten erbringen mussen.\nWeshalb ausgerechnet in seinem Fall ein entsprechendes Vorgehen nicht moglich\nsein soll, habe die Beklagte nicht ausreichend dargelegt. Deshalb sei er nicht\nverpflichtet, den Vortrag der Beklagten substantiiert zu widerlegen. Insoweit\nliege jedenfalls ein aus personalwirtschaftlichen Grunden begrundeter\nEinzelfall vor. Eine uberobligatorische Belastung der verbleibenden\nMitarbeiter sei angesichts der dargestellten Umstande nicht zu befurchten.\n\n \n\n14\n\n \n\nSoweit sich die Beklagte schließlich darauf berufe, fur die seit dem\n01.01.2005 bewilligten Neufalle wurden nach dem Haushaltsgesetz 2008 keine\nErsatzstellen mehr zur Verfugung gestellt, sei darauf hinzuweisen, dass nach §\n15 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 dieses Gesetzes neue Planstellen nur\nausgebracht werden, wenn sichergestellt sei, dass die Ausgaben fur die neuen\nPlanstellen, die Einsparungen aufgrund der Altersteilzeitbeschaftigung nicht\nubersteigen. Dies bedeute also nicht, dass generell keine Ersatzstellen mehr\nzu Verfugung gestellt wurden. Die Beklagte hatte vielmehr zunachst errechnen\nmussen, welche Einsparungen durch seine Altersteilzeitarbeit zu erzielen\nseien. Die ersparten Betrage hatten dann ohne weiters fur eine Ersatzstelle\naufgewendet werden konnen.\n\n \n\n15\n\n \n\nWegen weiterer Einzelheiten der Berufungsbegrundung wird auf den Schriftsatz\ndes Klagers vom 14.10.2008 (Bl. 109-112 d. A.) Bezug genommen.\n\n \n\n16\n\n \n\n**Der Kl ager beantragt zweitinstanzlich,**\n\n17\n\n \n\ndas Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 24.06.2008, Az.: 3 Ca 2939/07,\nabzuandern und die Beklagte zu verurteilen, sein Angebot auf Abschluss eines\nAltersteilzeitvertrages im Blockmodell nach § 2 des Tarifvertrages zur\nRegelung der Altersteilzeit (TV ATZ) gemaß seinem Schreiben vom 17.12.2006,\nbeginnend mit dem 29.10.2009, Arbeitsphase vom 29.10.2009 bis 28.10.2014,\nFreistellungsphase vom 29.10.2014 bis 28.10.2019, anzunehmen.\n\n \n\n18\n\n \n\n**Die Beklagte beantragt zweitinstanzlich,**\n\n19\n\n \n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\n \n\n20\n\n \n\nSie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie habe auf der Basis der\ngeneralisierenden Regelungen in den Rundschreiben des BMI den Antrag des\nKlagers auf Bewilligung von Altersteilzeitarbeit im Blockmodell\nberechtigterweise abgelehnt. Aufgrund der angespannten Haushaltslage konnten\nkeine neuen Stellen als Ersatz fur Altersteilzeitbeschaftigte geschaffen\nwerden. Wenn der Klager in der Freistellungsphase nicht mehr arbeite, fehle im\nAußenbezirk A-Stadt eine Arbeitskraft. In diesem Außenbezirk sei die Anzahl\nder Beschaftigten seit 1993 bereits von 54 auf 41 zuruckgegangen. Ihr sei es\nnicht moglich, die Arbeitsdichte fur die verbliebenen Mitarbeiter noch weiter\nzu erhohen. Es liege auf der Hand, dass fur den Arbeitgeber durch die\nSchaffung einer Alterteilzeitstelle und Wiederbesetzung der Stelle ein\nfinanzieller Mehraufwand entstehe, selbst wenn eine Forderung durch die\nBundesagentur fur Arbeit moglich sei. Da vorliegend eine Forderung nicht in\nBetracht komme, musse sie die Aufstockungsbetrage aus eigenen Haushaltsmitteln\nubernehmen. Auch diese finanzielle Erwagung reiche als sachlicher Grund nach\nder Rechtsprechung des BAG aus.\n\n \n\n21\n\n \n\nWegen weiterer Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz\nder Beklagten vom 17.11.2008 (Bl. 121-124 d. A.) Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n \n\n \n\n**I.**\n\n22\n\n \n\nDie nach § 64 Abs. 1 und Abs. 2 ArbGG statthafte Berufung des Klagers ist\ngemaß §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG i. V. m. §§ 517, 519 ZPO form- und\nfristgerecht eingelegt und begrundet worden. Sie ist somit zulassig.\n\n \n\n \n\n**II.**\n\n23\n\n \n\nIn der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Die beklagte\nBundesrepublik ist nicht verpflichtet, mit dem Klager ein\nAltersteilzeitarbeitsverhaltnis fur die Zeit vom 29.10.2009 bis zum 28.10.2019\nim Blockmodell zu begrunden. Dies hat das Arbeitsgericht im Ergebnis und in\nder Begrundung vollkommen zutreffend erkannt. Die Berufungskammer folgt den\nausfuhrlichen und sorgfaltig dargestellten Entscheidungsgrunden des\nerstinstanzlichen Urteils und stellt dies hiermit ausdrucklich gemaß § 69 Abs.\n2 ArbGG fest. Von einer Darstellung eigener Entscheidungsgrunde wird daher\nabgesehen.\n\n \n\n24\n\n \n\nIm Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klagers erscheinen lediglich\nfolgende Erganzungen angezeigt:\n\n \n\n25\n\n \n\n**1.** Die beklagte Bundesrepublik ist nicht schon deshalb zur Änderung des\nmit dem Klager geschlossenen Vollzeitarbeitsvertrages verpflichtet, weil die\nVoraussetzungen des § 2 Abs. 1 TV ATZ erfullt sind. Wie das\nBundesarbeitsgericht mit Urteil vom 12.12.2000 (9 AZR 706/99 - AP Nr. 1 zu § 3\nATG) bereits entscheiden hat, begrundet diese Vorschrift keinen Anspruch des\nArbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Abschluss eines\nAltersteilzeitvertrages. Der Arbeitnehmer hat lediglich einen Anspruch darauf,\ndass der Arbeitgeber bei der Entscheidung uber den Antrag auf Abschluss des\nAltersteilzeitvertrages in entsprechender Anwendung des § 315 Abs. 1 BGB\nbilliges Ermessen wahrt.\n\n \n\n26\n\n \n\n§ 2 Abs. 1 TV ATZ enthalt keine Vorgaben, welche Tatsachen der Arbeitgeber bei\nseiner Entscheidung zu berucksichtigen hat. § 2 Abs. 3 TV ATZ, wonach der\nArbeitgeber einen Antrag auf Altersteilzeit nur wegen entgegenstehender\ndringender dienstlicher oder betrieblicher Grunde ablehnen darf, bezieht sich\nlediglich auf Arbeitnehmer nach Vollendung des 60. Lebensjahres (§ 2 Abs. 2 TV\nATZ) und nicht auf Arbeitnehmer der Altersgruppe des Klagers (BAG Urteil vom\n12.12.2000 - 9 AZR 706/99, a.a.O.), die bereits mit Vollendung des 55.\nLebensjahres fur zehn Jahre in Altersteilzeit arbeiten mochten. Die beklagte\nBundesrepublik durfte danach grundsatzlich alle Umstande in Rechnung stellen,\ndie sich aus einem Wechsel des Klagers in die Altersteilzeit ergeben.\n\n \n\n27\n\n \n\nFur die Beurteilung der Entscheidung der beklagten Bundesrepublik gilt daher\ndie allgemeine Regel, wonach der Arbeitgeber billiges Ermessen dann wahrt,\nwenn er die wesentlichen Umstande des Einzelfalls und die beiderseitigen\nInteressen angemessen berucksichtigt. Ob dies geschehen ist, unterliegt der\ngerichtlichen Kontrolle (vgl. auch BAG Urteil vom 26.06.2001 - 9 AZR 244/00 -\nAP Nr. 2 zu § 3 ATG).\n\n \n\n28\n\n \n\n**2.** Das Ermessen des Arbeitgebers bei der Entscheidung uber Altersteilzeit\nhat sich auch nicht dadurch reduziert, dass der Gesetzgeber im RV-\nAltersgrenzenanpassungsgesetz fur Rentenversicherte, die - wie der Klager -\nvor dem 01.01.1955 geboren sind, die Regelaltersgrenze von 65 Jahren nicht\nschrittweise auf 67 Jahre angehoben hat, wenn sie vor dem 01.01.2007\nAltersteilzeit vereinbart haben (§ 235 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 SGB VI). Der\nentsprechende Gesetzentwurf fur diese Vertrauensschutzregelung wurde am\n12.12.2006 in den Bundestag eingebracht (Drucksache 16/3794) und veranlasste\nden Klager ausweislich seiner Antragsbegrundung noch am 17.12.2006 den Antrag\nauf Altersteilzeit zu stellen. Anhaltspunkte dafur, dass der Gesetzgeber das\nErmessen des Arbeitgebers bei der Entscheidung uber Altersteilzeit reduzieren\nwollte, sind weder vorgetragen noch aus den Motiven ersichtlich (so auch LAG\nBaden-Wurttemberg Urteil vom 23.06.2008 - 4 Sa 5/08 - dokumentiert in Juris).\n\n \n\n29\n\n \n\n**3.** Entgegen der Ansicht des Klagers ist die Ermessensentscheidung der\nBeklagten nicht deshalb zu beanstanden, weil sie sich unter anderem auf die\nBMI-Rundschreiben vom 08.03.2006 und vom 22.11.2005 (D II 2 - 220 770 - 1/18)\ngestutzt hat.\n\n \n\n30\n\n \n\nZwar verlangt die Ermessensentscheidung des Arbeitgebers regelmaßig eine\nBerucksichtigung der Umstande des Einzelfalls. Das schließt nach der\nRechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts aber generelle Vorentscheidungen des\nArbeitgebers, wie er eine Tarifnorm in die Praxis umsetzt, nicht aus.\nDerartige Regelungen dienen zum einen einer einheitlichen Anwendung der\nTarifvorschriften. Sie tragen außerdem dem Bedurfnis nach Transparenz\nRechnung; der Arbeitnehmer weiß, welche Kriterien fur die Entscheidung des\nArbeitgebers maßgeblich sind (BAG Urteil vom 12.12.2000 - 9 AZR 706/99,\na.a.O.). Es ist anerkannt, dass Ermessen im Sinne des § 315 BGB auch in\ngeneralisierter Form durch eine ubergeordnete Behorde ausgeubt werden kann.\nDas BMI hat mit den Rundschreiben vom 08.03.2006 und vom 22.11.2005 Direktiven\nfur den Ermessensgebrauch aufgestellt. Das ist nicht zu beanstanden, wenn -\nwie hier - die ablehnende Entscheidung nicht allein mit dem in den\nRundschreiben angeordneten grundsatzlichen Ausschluss von Altersteilzeit im\nBlockmodell begrundet wird (ebenso: LAG Schleswig-Holstein Urteil vom\n31.10.2007 - 6 Sa 136/07 - dokumentiert in Juris).\n\n \n\n31\n\n \n\n**4.** Die in den BMI-Rundschreiben vom 08.03.2006 und vom 22.11.2005 (D II 2\n- 220 770 - 1/18) genannten Ausnahmetatbestande liegen nicht vor. Die Ansicht\ndes Klagers, die Beklagte habe zum Nichtvorliegen der Ausnahmen nicht\nvollstandig vorgetragen, ist unzutreffend.\n\n \n\n32\n\n \n\nDas jungste BMI-Rundschreiben vom 08.03.2006 (Bl. 25-26 d. A.) hat - soweit\nvorliegend von Interesse - folgenden Wortlaut:\n\n33\n\n \n\n„... Weder aus § 2 TV ATZ noch aus § 3 TV ATZ lasst sich jedoch ein\nRechtsanspruch der bzw. des Beschaftigten auf die Vereinbarung eines\nbestimmten Arbeitszeitmodells wahrend der Altersteilzeitarbeit ableiten.\n\n \n\n34\n\n \n\nVor diesem Hintergrund und unter Verfolgung des Grundsatzes, dass die\nBewilligung von Altersteilzeitarbeitsverhaltnissen zu keinen zusatzlichen\nfinanziellen Belastungen des Bundeshaushalts fuhren darf, ist in Erganzung\nunseres Bezugsrundschreibens vom 22.11.2005 bei der Entscheidung uber Antrage\nauf Altersteilzeitarbeit nach dem TV ATZ ab sofort (Stichtag 17.02.2006) wie\nfolgt zu verfahren:\n\n \n\n35\n\n \n\n1\\. Ab sofort soll Altersteilzeit grundsatzlich nur noch nach § 3 Abs.2\nBuchst. b TV ATZ als Teilzeitmodell bewilligt werden. Bewilligungen im\nBlockmodell nach § 3 Abs.2 Buchst. a TV ATZ sind ab sofort ausgeschlossen.\n\n36\n\n \n\n2\\. Ausnahmen von den Einschrankungen nach Ziffer 1 gelten\n\n \n\n37\n\n \n--- \n1\\. bei Kraftfahrern im Sinne des …..(KraftfahrerTV Bund), \n2\\. fur die nachfolgend im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen\nfestgelegten Stellenabbaubereiche: \n \n \n\n38\n\n \n--- \n\\- Bundeswehrverwaltung, \n\\- Bundesmonopolverwaltung fur Branntwein. \n \n \n\n39\n\n \n\nWeitere Stellenabbaubereiche konnen im Einvernehmen mit den Ressorts und dem\nBundesministerium der Finanzen durch Anpassung dieses Rundschreibens\nfestgelegt werden.\n\n \n\n40\n\n \n\nSchwerbehinderte Tarifbeschaftigte konnen auch weiterhin einen Antrag auf\nAltersteilzeitarbeit ab Vollendung des 55. Lebensjahres stellen. Eine\nBewilligung ist aber ab sofort nur noch im Teilzeitmodell nach § 3 Abs. 2\nBuchst. b TV ATZ, nicht jedoch im Blockmodell moglich.\n\n \n\n41\n\n \n\nDie bisherigen Einschrankungen der Altersteilzeitarbeit durch mein\nBezugsrundschreiben vom 22.11.2005 gelten weiterhin. …"\n\n \n\n42\n\n \n\nDas Bezugsrundschreiben vom 22.11.2005 (Bl. 28-29 d. A.) hat auszugsweise\nfolgenden Wortlaut:\n\n43\n\n \n\n„... Vor diesem Hintergrund und mit Bezug auf den Grundsatz, dass die\nBewilligung von Altersteilzeitarbeitsverhaltnissen zu keinen zusatzlichen\nfinanziellen Belastungen des Bundeshaushalts fuhren darf, ist ab sofort bei\nder Entscheidung uber Antrage auf Altersteilzeitarbeit nach dem TV ATZ von\nTarifbeschaftigten der Altersgruppe 55 bis 59 wie folgt zu verfahren:\n\n \n\n44\n\n \n--- \n1\\. Antragen auf Altersteilzeitarbeitsverhaltnisse soll grundsatzlich nicht\nmehr entsprochen werden. \n2\\. Ausnahmen von den Einschrankungen nach Ziffer 1 gelten \n \n \n\n45\n\n \n--- \n1\\. bei schwerbehinderten Beschaftigten, \n2\\. in Stellenabbaubereichen, wenn auf Ausbringung einer Ersatzstelle\nverzichtet wird, \n3\\. aus personalwirtschaftlichen Grunden in begrundeten Einzelfallen, um\nbesonderen Belangen einzelner Ressorts Rechnung zu tragen, \n4\\. beim Teilzeitmodell (§ 3 Abs.2 Buchst. b TV ATZ), wenn keine Mehrkosten\nentstehen. \n…" \n \n \n\n46\n\n \n\nNach dem Wortlaut des jungsten BMI-Rundschreibens vom 08.03.2006 ist\nAltersteilzeit im Blockmodell, die der Klager beantragt hat, ausnahmsweise\nnoch bei Kraftfahrern im Sinne des KraftfahrerTV Bund und bei Beschaftigten\nder Bundeswehrverwaltung und der Bundesmonopolverwaltung fur Branntwein\nmoglich. Zu diesem Personenkreis gehort der Klager unstreitig nicht. Fur den\nBereich der W.- und S. des Bundes wurde auch nicht im Einvernehmen mit dem\nBundesministerium der Finanzen durch Anpassung des Rundschreibens vom\n08.03.2006 ein weiterer Stellenabbaubereich festgelegt. Weitere Ausnahmen sind\nnicht vorgesehen.\n\n \n\n47\n\n \n\nDurch das BMI-Rundschreiben vom 08.03.2006 sind die Anforderungen an die\nBewilligung von Altersteilzeit im Blockmodell gegenuber den Anforderungen im\nRundschreiben vom 22.11.2005 verscharft worden. Bewilligungen im Blockmodell\nwurden grundsatzlich ausgeschlossen. Weil der Klager keine Altersteilzeit im\nTeilzeitmodell - auch nicht hilfsweise - beantragt hat, kann dahinstehen, ob\ner die Ausnahmen im Bezugsrundschreiben vom 22.11.2005 erfullt, die sich nur\nnoch auf das Teilzeitmodell beziehen. Im Ergebnis lassen die BMI-Rundschreiben\ndie Bewilligung von Altersteilzeit in der Altersgruppe von 55 bis 59 Jahren\nnur noch fur Tarifbeschaftigte mit Schwerbehinderung (nur im Teilzeitmodell)\nund fur Tarifbeschaftigte in den festgelegten Stellenabbaubereichen (im\nTeilzeit - oder im Blockmodell) zu. Fur alle anderen Tarifbeschaftigten in\ndieser Altersgruppe von 55 bis 59 Jahren, zu der der Klager erst im Oktober\n2009 gehort, ist die Bewilligung von Altersteilzeit ausgeschlossen.\n\n \n\n48\n\n \n\n**5.** Die Entscheidung, mit Beschaftigten der Altersgruppe von 55 bis 59\nJahren grundsatzlich keine Altersteilzeitvertrage mehr abzuschließen, ist ein\nausreichender Ablehnungsgrund (ebenso: LAG Rheinland-Pfalz Urteil vom\n03.03.2005 - 4 Sa 990/04 - dokumentiert in Juris).\n\n \n\n49\n\n \n\nDem steht nicht entgegen, dass bei dieser Handhabung die nach der Praambel des\nTV ATZ verfolgten Ziele fur die Altersgruppe des Klagers nicht erreicht\nwerden. Altersteilzeit eroffnet Beschaftigungsmoglichkeiten fur Auszubildende\nund Arbeitslose nur, wenn freiwerdende Stellen wieder besetzt werden. Auch die\nBeschaftigung eines so genannten Wiederbesetzers fuhrt bei der durch die\nBundesagentur fur Arbeit geforderten Altersteilzeitregelung zu einer\nMehrbelastung des Arbeitgebers, da die nach dem TV ATZ vorgesehenen Leistungen\nvon 83 % der Mindestnettovergutung (§ 5 Abs. 2 TV ATZ) und die zusatzlich\nanfallenden Arbeitgeberanteile im Vergleich zu den Forderungsleistungen von 70\n% (Mindestnettovergutung) diese ubersteigen. Zudem hat der Arbeitgeber neben\nden von ihm zu tragenden Sozialversicherungsbeitragen die nach § 5 Abs. 4 TV\nATZ dem Arbeitnehmer zustehenden Beitrage zur gesetzlichen Rentenversicherung\nzu zahlen. Diese mussen mindestens so hoch sein, dass der Unterschiedsbetrag\n90 % des Entgelts, das die Beschaftigten fur eine entsprechende\nVollzeitbeschaftigung erhalten wurden, zusatzlich versichert wird. Von diesen\nzusatzlich zu entrichtenden Beitragen fur die Altersteilzeitbezuge tragt der\nArbeitgeber den Arbeitnehmer- und den Arbeitgeberanteil (vgl. BAG Urteil vom\n12.12.2000 - 9 AZR 706/99, a.a.O.).\n\n \n\n50\n\n \n\nDer Klager kann deshalb nicht ernsthaft bestreiten, dass eine\nErsatzeinstellung, selbst wenn sie im Oktober 2014 moglich ware, zu keiner\nzusatzlichen finanziellen Belastung der Beklagten fuhrt. Die zusatzlichen\nKosten ergeben sich unmittelbar aus den Reglungen des TV ATZ i.V.m. dem\nAltersteilzeitgesetz (ATG). Es liegt auf der Hand, dass fur den Arbeitgeber\ndurch die Schaffung einer Altersteilzeitstelle fur zehn Jahre und deren\nWiederbesetzung fur funf Jahre ein finanzieller Mehraufwand entsteht, selbst\nwenn eine Forderung durch die Bundesagentur fur Arbeit moglich ist, die im\nÜbrigen Erstattungsleistungen nur fur langstens sechs Jahre erbringt (§ 4 Abs.\n1 ATG). Wenn mangels Nachbesetzung des Arbeitsplatzes keine Forderung in\nBetracht kommt, musste die Beklagte die Aufstockungsbetrage komplett aus\neigenen Haushaltsmitteln ubernehmen. Der Klager macht deshalb ohne Erfolg\ngeltend, die Beklagte hatte ihm die zusatzlichen Kosten vorrechnen mussen.\n\n \n\n51\n\n \n\n**6.** Schließlich macht der Klager auch ohne Erfolg geltend, das\nArbeitsgericht habe die Darlegungslast fur die Ermessensausubung verkannt.\n\n \n\n52\n\n \n\nDie Beklagte hat ihre ablehnende Entscheidung nicht ausschließlich mit dem im\nBMI-Rundschreiben vom 08.03.2006 angeordneten grundsatzlichen Ausschluss von\nAltersteilzeit im Blockmodell begrundet. Sie hat vielmehr nachvollziehbare\nsachliche Grunde dafur vorgetragen, weshalb sie im vorliegenden Einzelfall den\nAbschluss eines Altersteilzeitvertrages im Blockmodell abgelehnt hat.\n\n \n\n53\n\n \n\nWas der Arbeitgeber darlegen muss, um nachzuweisen, dass er den Arbeitnehmer\nin der Freistellungsphase nicht entbehren kann, bestimmt sich nach den\nUmstanden des Einzelfalls. Es genugt, wenn der Arbeitgeber unter\nBerucksichtigung der vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitsaufgabe und des\nUmfangs der durch den Wechsel in die Altersteilzeit freiwerdenden Stelle die\nfehlende Entbehrlichkeit nachvollziehbar darlegt. Der Arbeitnehmer, der trotz\neiner in sich nachvollziehbaren und damit plausiblen Begrundung des\nArbeitgebers weiterhin eine fehlerhafte Ermessensausubung rugt, muss dies\nseinerseits dann naher konkretisieren. Das ist ihm auch zumutbar, da\nAltersteilzeit ohnehin nur altere Arbeitnehmer in Anspruch nehmen konnen, die\nregelmaßig uber hinreichende Kenntnis uber die Beschaftigungs- und\nEinstellungspraxis im Betrieb bzw. in der Behorde verfugen (so ausdrucklich:\nBAG Urteil vom 26.06.2001 - 9 AZR 244/00, a.a.O.).\n\n \n\n54\n\n \n\nDie Darlegungen der Beklagten sind nachvollziehbar. Fur die\nWeiterbeschaftigung des Klagers bis zu dessen Eintritt in das Rentenalter\nbesteht bei der Beklagten Bedarf. Der Klager hat als Wasserbaumeister im\nAußenbezirk A-Stadt eine qualifizierte Arbeitsaufgabe. Seine Aufgaben mussten\nwahrend der Freistellungsphase ab 29.10.2014 auf die anderen Mitarbeiter\nverteilt werden. Im Außenbezirk A-Stadt ist die Anzahl der Beschaftigten seit\n1993 von 54 auf 41 reduziert worden. Von diesen 41 Beschaftigten sind zurzeit\n17 Beschaftigte jeweils von Ostern bis Ende Oktober jeden Jahres als\nSchichtleiter an den Schleusen der Lahn eingesetzt. Weitere 7 Beschaftigte,\ndie in der Regel in der Streckenunterhaltung als Wasserbauer oder auf den\nschwimmenden Fahrzeugen tatig sind, mussen im Schleusendienst standig fur\nUrlaubs- und Krankheitsvertretungen sowie fur den Wochenenddienst eingesetzt\nwerden. Das stellt der Klager nicht in Abrede.\n\n \n\n55\n\n \n\nSoweit der Klager geltend macht, seine Arbeitsaufgaben konnten in der\nfunfjahrigen Freistellungsphase von Oktober 2014 bis Oktober 2019 auf das\nvorhandene Personal umverteilt werden, wenn die Beklagte aufgrund der\nhaushaltsrechtlichen Vorgaben keine Ersatzstelle schaffen konne, kann er damit\nnicht durchdringen. Wie der Klager in seinem Antragsschreiben selbst\nausgefuhrt hat, ist zwar geplant, die Schleusen an der Lahn sukzessive zu\nautomatisieren, die Baumaßnahmen werden sich jedoch uber viele Jahre\nerstrecken, so dass eine weitere Personalreduzierung fur die Jahre 2014 bis\n2019 nicht prognostiziert werden kann. Wenn die Beklagte eine weitere\nArbeitsverdichtung der derzeit 41 Beschaftigten im Außenbezirk A-Stadt nicht\nbeabsichtigt, dann kann sich der Klager nicht darauf berufen, die Beklagte\nkonne seine Arbeiten ohne uberobligatorische Mehrbelastung auf die\nverbleibenden Mitarbeiter verteilen, um ihm Altersteilzeit und damit letztlich\naufgrund der Vertrauensschutzregelung im Rentenversicherungsanpassungsgesetz\neinen Renteneintritt mit 65 Jahren (statt fur den Geburtsjahrgang 1954 acht\nMonate spater) zu ermoglichen.\n\n \n\n \n\n**III.**\n\n56\n\n \n\nNach alledem ist die Berufung des Klagers mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1\nZPO zuruckzuweisen.\n\n \n\n57\n\n \n\nEin Grund, der nach den hierfur maßgeblichen gesetzlichen Kriterien des § 72\nAbs. 2 ArbGG die Zulassung der Revision rechtfertigen konnte, besteht nicht.\n\n
193,832
lg-landau-in-der-pfalz-2008-09-24-3-qs-13008
905
Landgericht Landau in der Pfalz
lg-landau-in-der-pfalz
Landau in der Pfalz
Rheinland-Pfalz
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
3 Qs 130/08
2008-09-24
2019-02-12 09:30:39
2019-02-12 14:03:27
Beschluss
ECLI:DE:LGLANPF:2008:0924.3QS130.08.0A
### ![weitere\nFundstellen einblenden](/jportal/cms/technik/media/img/prodjur/icon/plusRed.gif)weitere\nFundstellen ...\n\n### ![Diese Entscheidung wird\nzitiert ausblenden](/jportal/cms/technik/media/img/prodjur/icon/minus.gif)Diese\nEntscheidung wird zitiert\n\n \n\n#### Tenor\n\n \n\n \n\nDie Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des\nErmittlungsrichters beim Amtsgericht Landau i.d.Pf. vom 15.09.2008 (Gs 902/08)\nwird als unbegrundet verworfen.\n\n#### Grunde\n\n \n\n \n\n**I.**\n\n1\n\n \n\nDie Staatsanwaltschaft Landau i.d.Pf. fuhrt gegen den Betroffenen verschiedene\nErmittlungsverfahren jeweils wegen des Vorwurfs des Betruges. Unter dem\nAktenzeichen xy ubersandte sie dem Ermittlungsrichter beim Amtsgericht Landau\nin der Pfalz die Ermittlungsakte nebst dreier Fallakten verbunden mit einem\nAntrag auf Anordnung verschiedener Ermittlungsmaßnahmen. Dieser Antrag, der\nzunachst die Personalien des Beschuldigten wiedergibt, lautet inhaltlich im\nÜbrigen wie folgt:\n\n \n\n2\n\n \n\n" Anordnung gem. § 98 StPO\n\n \n\n3\n\n \n\nGemaß § 98 StPO wird die Beschlagnahme der folgenden Gegenstande angeordnet:\n\n4\n\n \n\nComputer, Schriftstucke uber den An- und Verkauf von Hunden, Passe und\nImpfzeugnisse betreffend Hunde, Schriftstucke uber den Bezug und Bezahlung von\nWaren, insbes. Mobel.\n\n \n\n5\n\n \n\nBegrundung\n\n \n\n6\n\n \n\nNach den bisherigen Ermittlungen besteht gegen den Beschuldigten der Verdacht\ndes Betruges (§ 263 StGB).\n\n \n\n7\n\n \n\nDer Tatverdacht ergibt sich aus den bisherigen polizeilichen Ermittlungen.\n\n \n\n8\n\n \n\nDie oben genannten Gegenstande sind als Beweismittel erforderlich. Dies ergibt\nsich aus Bl. § 50 ff.\n\n \n\n9\n\n \n\nAnordnung gem. § 102 StPO\n\n \n\n10\n\n \n\nGemaß §§ 102, 162 Abs. 1 StPO wird die Durchsuchung der Wohnung und anderer\nRaume des Beschuldigten U.S. sowie seiner Person und der ihm gehorenden Sachen\nggf. einschließlich Kraftfahrzeuge angeordnet.\n\n \n\n11\n\n \n\nBegrundung\n\n \n\n12\n\n \n\nNach den bisherigen Ermittlungen besteht gegen den Beschuldigten der Verdacht\ndes Betruges (§ 263 StGB).\n\n \n\n13\n\n \n\nDer Tatverdacht ergibt sich aus den bisherigen polizeilichen Ermittlungen.\n\n \n\n14\n\n \n\nDie Durchsuchung ist erforderlich zur Auffindung von Beweismitteln,\ninsbesondere der Gegenstande die beschlagnahmt werden sollen.\n\n \n\n15\n\n \n\nAnordnung gem. § 103 StPO\n\n \n\n16\n\n \n\nGemaß §§ 103 Abs. 1, 162 Abs. 1 StPO wird die Durchsuchung der Wohnung und\nanderer Raume folgender Person angeordnet:\n\n \n\n17\n\n \n\nC. und H. R. P..\n\n \n\n18\n\n \n\nBegrundung\n\n \n\n19\n\n \n\nNach den bisherigen Ermittlungen besteht gegen den Beschuldigten der Verdacht\ndes Betruges (§ 263 StGB).\n\n \n\n20\n\n \n\nDer Tatverdacht ergibt sich aus den bisherigen polizeilichen Ermittlungen. Die\nMaßnahme dient dem Auffinden von Unterlagen uber den Hundehandel des\nBeschuldigten."\n\n \n\n21\n\n \n\nDer Ermittlungsrichter außerte mit Verfugung vom 22.08.08 Bedenken gegen die\nZulassigkeit des Antrags, da diesem der Sachverhalt und die Begrundung der\nVerdachtslage fehle. Nachdem die Staatsanwaltschaft den Antrag unverandert\naufrecht hielt, wies der Ermittlungsrichter mit Beschluss vom 15.09.2008 den\nAntrag zuruck. Im Rahmen der Beschlussgrunde fuhrt das Amtsgericht\ninsbesondere aus, die beantragten Maßnahmen fielen zwar in die\nAnordnungskompetenz des Ermittlungsrichters. Die Staatsanwaltschaft habe aber\nden Tatsachenstoff, aus dem sie Verstoße gegen bestimmte Strafrechtsnormen\nherleite, in ihrem Antrag zu schildern. Es durfe nicht dem Ermittlungsrichter\nuberlassen werden, den gesamten Akteninhalt auszuwerten und sich gleichsam\neinen Tatsachenstoff zusammenzutragen, der die beantragte\nUntersuchungshandlung rechtfertige. Die dem Beschuldigten von der\nStaatsanwaltschaft vorgeworfenen Taten seien in dem Antrag der\nStaatsanwaltschaft weder nach Tatzeit und Tatort, noch nach konkreten\nLebenssachverhalten naher geschildert. Es werde daruber hinaus auch nicht\nangegeben, woraus sich im Einzelfall der konkrete Tatverdacht ergebe. Auf der\nGrundlage der vorliegenden Antrage durften die beantragten richterlichen\nUntersuchungshandlungen nach Auffassung des Ermittlungsrichters nicht\nangeordnet werden.\n\n \n\n22\n\n \n\nGegen diese Entscheidung legte die Staatsanwaltschaft Landau in der Pfalz mit\nVerfugung vom 17.09.2008 Beschwerde ein. Zur Begrundung fuhrt sie aus, dass\ndie §§ 102 ff., 162 StPO keine Vorgaben dazu enthielten, wie und in welchem\nUmfang die Staatsanwaltschaft ihre Antrage auf Anordnung der Durchsuchung und\nder Beschlagnahme gegenuber dem Ermittlungsrichter zu begrunden habe. Es\ngenuge insoweit ein bestimmter Antrag und die Mitteilung der tatsachlichen\nGrundlagen fur diesen Antrag. Diese Anforderungen genuge der Antrag vom\n14.08.2008. Insbesondere sei eine Sachverhaltsschilderung in Form der\nÜbermittlung der Ermittlungsakte erfolgt. Die angefochtene Entscheidung beruhe\ndeshalb auf einem rechtsfehlerhaften Verstandnis vom Umfang der\nPrufungskompetenz des Ermittlungsrichters bei Durchsuchungsantragen der\nStaatsanwaltschaft.\n\n \n\n23\n\n \n\nDer Ermittlungsrichter hat der Beschwerde nicht abgeholfen und der Kammer zur\nEntscheidung vorgelegt.\n\n \n\n \n\n**II.**\n\n24\n\n \n\nDie in verfahrensrechtlicher Sicht unbedenkliche Beschwerde der\nStaatsanwaltschaft ist in der Sache nicht begrundet. Die Grunde des\nangefochtenen Beschlusses bestehen insoweit auch gegenuber dem\nBeschwerdevorbringen weiter fort.\n\n \n\n25\n\n \n\nZutreffend hat der Ermittlungsrichter darauf abgestellt, dass sich neben Art\nund Zielrichtung der Maßnahme aus dem Antrag der Staatsanwaltschaft auch\nergeben muss, aus welchen tatsachlichen Umstanden sie die jeweiligen\ngesetzlichen Voraussetzungen dafur herleitet (Erb in LR-StPO, 25. Aufl. § 162\nRz. 11). Die Kammer schließt sich der Rechtsauffassung des Ermittlungsrichters\nan, dass diese Angaben nicht durch einen pauschalen Verweis auf die\n"bisherigen polizeilichen Ermittlungen" und die nicht durch weitere\ntatsachliche Angaben naher konkretisierte Mitteilung, gegen den Beschuldigten\nbestunde "der Verdacht des Betruges (§ 263 StGB)" ersetzt werden konnen. Die\nStaatsanwaltschaft weist im Rahmen der Beschwerdebegrundung zwar im Ansatz\nzutreffend darauf hin, dass der Ermittlungsrichter vor Anordnung einer\nDurchsuchungsmaßnahme in seiner Entscheidung uber das Vorliegen der\nVoraussetzungen der beantragten Eingriffsmaßnahme nicht an die dem Antrag der\nStaatsanwaltschaft zugrunde liegende Rechtsauffassung gebunden ist und auch\ndie Frage des Vorliegens eines Anfangsverdachts in eigener Verantwortung\nanhand des Akteninhalts prufen muss (vgl. u.a. Bundesverfassungsgericht StV\n2006, 505; OLG Dusseldorf MDR 1991, 78; Meyer-Goßner StPO 51. Aufl., § 105 Rz.\n2) Dies entpflichtet die Staatsanwaltschaft jedoch nicht davon, die Tat, deren\nAufklarung die beantragte Maßnahme dienen soll, hinreichend durch tatsachliche\nAngaben zu konkretisieren und von anderen moglichen Taten des Beschuldigten\nabzugrenzen. An den Antrag der Staatsanwaltschaft sind nicht deshalb geringere\ninhaltliche Anforderungen zu stellen, weil bei Maßnahmen, die mit\nZwangseingriffen in verfassungsrechtlich geschutzte Rechte verbunden sind,\nauch dem Ermittlungsrichter eine eigene Prufungskompetenz zukommt.\n\n \n\n26\n\n \n\nDie demnach erforderlichen tatsachlichen Angaben im Antrag der\nStaatsanwaltschaft konnen auch nicht etwa durch eine schlichte Übersendung der\nErmittlungsakte ersetzt werden, da unklar bleibt, welche konkreten Taten die\nStaatsanwaltschaft selbst ihren weiteren Ermittlungen zugrunde legen will.\nDies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, als nach den vorgelegten Fallakten\nmehrere selbststandige Vergehen des Betrugs in Betracht kommen und nicht\nzwanglos ersichtlich ist, hinsichtlich welcher potentiellen Vorwurfe die\nStaatsanwaltschaft selbst einen zur Anordnung der beantragten\nEingriffsmaßnahmen hinreichenden Anfangsverdacht sieht. Die Entscheidung,\nhinsichtlich welcher der in Betracht kommenden prozessualen Taten eine\nVerfolgung mittels der beantragten Aufklarungsmaßnahmen betrieben werden soll,\nkann nicht dem Ermittlungsrichter ubertragen werden (vgl. zu einem\nvergleichbaren Sachverhalt: LG Koln, StV 1997, 180).\n\n
104,226
olgsh-2008-06-09-15-w-208
1,070
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
olgsh
Schleswig-Holstein
Oberlandesgericht
15 W 2/08
2008-06-09
2018-11-23 22:30:25
2019-02-14 06:38:24
Beschluss
ECLI:DE:OLGSH:2008:0609.15W2.08.0A
#### Tenor\n\n \n\nDer Antrag der Antragsgegnerin vom 5. Mai 2008 auf Bewilligung von\nProzesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.\n\n \n\nAuf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des\nLandgerichts Kiel vom 16. April 2008, durch den der Antrag der Antragsgegnerin\nauf Bewilligung von Prozesskostenhilfe als unzulässig zurückgewiesen worden\nist, aufgehoben.\n\n \n\nDas ihm zugrunde liegende Verfahren wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung\nan das Landgericht Kiel zurückverwiesen.\n\n#### Gründe\n\n \n\nI.\n\n1\n\n \n\nDie früheren Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin hatten diese in\neinem Prozesskostenhilfeverfahren vertreten. Sie hatten für den Fall, dass dem\ndamaligen Antragsteller Prozesskostenhilfe bewilligt werden sollte, den Antrag\nauf Abweisung der Klage angekündigt und dafür Prozesskostenhilfe beantragt,\nferner Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Widerklage.\n\n2\n\n \n\nNachdem die zuständige Einzelrichterin vermerkt hatte, ohne weitere Aufklärung\ndes Sachverhalts könne über das Prozesskostenhilfegesuch des Antragstellers\nnicht positiv entschieden werden, und die Sache der Mediationsabteilung des\nLandgerichts vorgelegt hatte, hatten die Parteien des Ausgangsverfahrens ihre\nZustimmung zur Mediation erteilt; für die Dauer des Mediationsverfahrens wurde\ndas Ruhen des Verfahrens angeordnet. Die Mediation scheiterte.\n\n3\n\n \n\nDer Antragsteller beantragte sodann Fortsetzung des Verfahrens und trat im\nProzesskostenhilfeverfahren mit geänderten Anträgen hervor.\n\n4\n\n \n\nDurch Beschluss vom 4. September 2007 wurde der Antrag des Antragstellers auf\nBewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.\n\n5\n\n \n\nDie früheren Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin haben die\nFestsetzung einer Vergütung gegen diese gemäß § 11 RVG in Höhe von zuletzt\n4.036,87 € beantragt (Verfahrensgebühr unter Anrechnung der Geschäftsgebühr\nsowie eine Terminsgebühr nach dem vom Landgericht festgesetzten\nGegenstandswert von 289.508,74 €).\n\n6\n\n \n\nDie Antragsgegnerin hat eingewandt, sie halte die Rechnung für das Ausfüllen\nund Einreichen des Prozesskostenhilfeformulars für falsch. Ihre\nProzessbevollmächtigten seien darüber hinaus zu nichts weiter beauftragt\nworden. Die Mediation habe kostenlos sein sollen. Im Übrigen habe sich der\nAntragsteller des Hauptverfahrens bereit erklärt, die Gebühren zu zahlen; sie\nhabe insoweit Ansprüche gegen ihn an ihre früheren Verfahrensbevollmächtigten\nabgetreten.\n\n7\n\n \n\nDie früheren Verfahrensbevollmächtigten sind dem entgegengetreten. Sie seien\nbeauftragt und bevollmächtigt gewesen, den gegnerischen\nProzesskostenhilfeantrag abzuwehren. Auf die auch für die Mediation\nanfallenden Gebühren sei die Antragsgegnerin ebenso hingewiesen worden wie auf\ndiejenigen, die anfallen würden, wenn die persönlichen und wirtschaftlichen\nVoraussetzungen der Prozesskostenhilfe nicht vorliegen würden. Eine Abtretung,\ndie ohnehin nicht erfüllungshalber erfolgen könne, hätten sie nicht\nangenommen.\n\n8\n\n \n\nDurch Beschluss vom 18. März 2008 hat das Landgericht die Vergütung\nantragsgemäß festgesetzt und ausgeführt, Einwendungen außerhalb des\nGebührenrechts seien nicht erhoben worden.\n\n9\n\n \n\nGegen den ihr am 1. April 2008 zugestellten Festsetzungsbeschluss hat die\nAntragsgegnerin am 4. April 2008 Beschwerde mit dem Ziel eingelegt, den Antrag\nauf Vergütungsfestsetzung zurückzuweisen. Zugleich hat sie Prozesskostenhilfe\nfür die Rechtsverteidigung gegen den Vergütungsfestsetzungsantrag beantragt.\n\n10\n\n \n\nDie Antragsgegnerin behauptet, sie sei nicht darauf hingewiesen worden, dass\nAnwaltskosten zu ihren Lasten anfallen würden. Sie habe ihre\nVerfahrensbevollmächtigten auf der Basis beauftragt, dass jene ihre Gebühren\nim Wege der Prozesskostenhilfe erhalten würden. Es sei bekannt gewesen, dass\nsie über kein pfändbares Einkommen verfügt habe und nicht zahlungsfähig\ngewesen sei. Eine Rechnung habe sie auch bis heute nicht erhalten, es fehle\ndeshalb an der Fälligkeit (§ 10 RVG).\n\n11\n\n \n\nDie früheren Verfahrensbevollmächtigten haben die Zurückweisung der Beschwerde\nbeantragt und vorgetragen, darauf hingewiesen zu haben, dass für das\nProzesskostenhilfeprüfungsverfahren Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden\nund dass die Bewilligung auch an den persönlichen und wirtschaftlichen\nVerhältnissen der Antragsgegnerin scheitern könne. Die Antragsgegnerin habe\nwiederholt telefonisch und schriftlich darum gebeten, ihr gegenüber die\nGebühren festsetzen zu lassen, da erst unter dieser Voraussetzung der\nAntragsteller des Hauptverfahrens die Gebühr erstatten werde. Das gesamte\nVorbringen diene nur der Verzögerung, sei falsch und unbeachtlich.\n\n12\n\n \n\nDas Landgericht hat den Prozesskostenhilfeantrag als unzulässig mit der\nBegründung zurückgewiesen, die Vorschriften über die Prozesskostenhilfe in der\nZPO seien im Vergütungsfestsetzungsverfahren des RVG nicht für entsprechend\nanwendbar erklärt worden.\n\n13\n\n \n\nGegen den ihr am 21. April 2008 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin\nam 25. April Beschwerde eingelegt und ausgeführt, die Festsetzung sei Ausfluss\neines in der ZPO geregelten Verfahrens. Sie werde nur auf Grund ihrer\nschlechten wirtschaftlichen Lage rechtlos gestellt.\n\n14\n\n \n\nFür das Beschwerdeverfahren beantragt die Antragsgegnerin Prozesskostenhilfe.\n\n15\n\n \n\nDie früheren Verfahrensbevollmächtigten beantragen, die Beschwerde\nzurückzuweisen.\n\n \n\nII.\n\n16\n\n \n\n1\\. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das\nBeschwerdeverfahren ist zurückzuweisen.\n\n17\n\n \n\nDie Beschwerde der Antragsgegnerin ist eine sofortige Beschwerde gegen die\nVersagung von Prozesskostenhilfe gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz ZPO.\nFür das Prozesskostenhilfeverfahren einschließlich des Beschwerdeverfahrens\nkann nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa Beschluss vom 16.\nAugust 2005 - 15 WF 206/05), die der überwiegend vertretenen Auffassung\nentspricht (vgl. statt vieler Zöller-Philippi, 26. Aufl., Rn. 3 zu § 114 ZPO),\nkeine Prozesskostenhilfe bewilligt werden.\n\n18\n\n \n\n2\\. Die gemäß §§ 127 Abs. 2 Satz 2 und 3, 567 ff. ZPO zulässige sofortige\nBeschwerde gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe für das\nVergütungsfestsetzungsverfahren ist begründet und führt zur Aufhebung des\nangefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung des\nProzesskostenhilfeprüfungsverfahrens.\n\n19\n\n \n\na) Der vom Landgericht vertretenen Auffassung, die Bewilligung von\nProzesskostenhilfe komme mangels Vorschriften zur entsprechenden Anwendung der\n§§ 114 ff. ZPO für das Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG nicht in\nBetracht, ist unzutreffend.\n\n20\n\n \n\nDie Rechte und Pflichten eines Rechtsanwalts ergeben sich grundsätzlich nicht\naus dem RVG, sondern aus den privatrechtlichen Vorschriften über den\nDienstvertrag bzw. den Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 611 ff., 675 Abs. 1, 662\nff. BGB). Das RVG tritt nur hinsichtlich Grund und Höhe einer Vergütung\nergänzend zu jenen sachlich-rechtlichen Vorschriften hinzu (vgl. statt vieler\nHartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., Rn. 12 ff., 20 Grdz. RVG m.w.N.). U.a.\nermöglicht es in seinem § 11 dem Rechtsanwalt, über seine Gebühren gegen die\nPartei in einem vereinfachten Verfahren einen Titel zu erlangen. Das berührt\ndie Einordnung des Verfahrens als zivilrechtlichen Streit um die Vergütung aus\ndem anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag nicht. Einer Vorschrift, die die\nAnwendung der §§ 114 ff. ZPO auf das Vergütungsfestsetzungsverfahren\nausdrücklich regelt, bedarf es danach nicht.\n\n21\n\n \n\nb) Die Rechtsverfolgung der Antragsgegnerin im Vergütungsfestsetzungsverfahren\nnach § 11 RVG hat hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 114 Satz 1\nZPO. Die Antragsgegnerin erhebt Einwendungen, die nicht im Gebührenrecht ihren\nGrund haben mit der Folge, dass die Festsetzung abzulehnen ist (§ 11 Abs. 5\nSatz 1 RVG).\n\n22\n\n \n\nZwar lässt eine offensichtlich aus der Luft gegriffene Einwendung nicht\ngebührenrechtlicher Art das Recht und die Pflicht zur Festsetzung im Verfahren\nnach § 11 RVG ausnahmsweise bestehen. Ein solcher Fall liegt aber nur dann\nvor, wenn die Einwendung unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt Bestand haben\nkann (vgl. Hartmann, a.a.O., Rn. 56 ff. zu § 11 RVG m.w.N.). Der Vortrag des\nMandanten, der Rechtsanwalt habe ihn nicht darüber aufgeklärt, dass in einem\nProzesskostenhilfeprüfungsverfahren Rechtsanwaltskosten entstehen können, ist\nein solcher, der die vereinfachte Festsetzung grundsätzlich hindert (OLG\nKoblenz, JurBüro 2006, 199). Die Antragsgegnerin bringt im Kern wiederholt\ndiesen sowie den Vorwurf vor, eine Vergütung für die Mediation habe nicht im\nRaum gestanden. Den Sachverhalt dahingehend aufzuklären, was konkret über den\nUmfang der Vergütung mit der Antragsgegnerin besprochen wurde darf ebenso\nwenig Gegenstand des Festsetzungsverfahrens wie die Klärung der Frage sein, ob\ndie Einwände schon wegen widersprüchlichen Vorbringens oder Verhaltens der\nAntragsgegnerin zu dem Vergütungsverlangen ihrer früheren\nVerfahrensbevollmächtigten nicht substantiiert sind.\n\n23\n\n \n\nc) Da das Landgericht aus seiner Sicht folgerichtig die persönlichen und\nwirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe\nnicht geprüft hat, wird das Verfahren zur erneuten Prüfung und Entscheidung\ngemäß § 572 Abs. 3 ZPO an das Landgericht zurückverwiesen.\n\n24\n\n \n\nDie Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).\n\n \n\n
104,692
lagmv-2008-07-15-1-sa-52805
476
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
lagmv
Mecklenburg-Vorpommern
Arbeitsgerichtsbarkeit
1 Sa 528/05
2008-07-15
2018-11-24 03:30:19
2019-02-14 06:55:13
Urteil
#### Tenor\n\n \n\n1\\. Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts\nNeubrandenburg vom 19.10.2005 zum Aktenzeichen 5 Ca 917/05 im Punkt 2 und im\nKostenpunkt und das Urteil des Arbeitsgerichts Neubrandenburg vom 30.04.2007\nzum Aktenzeichen 4 Ca 919/06 ebenfalls im Punkt 2 und im Kostenpunkt\nabgeändert und die Klage insoweit abgewiesen.\n\n \n\n2\\. Im Übrigen wird die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen.\n\n \n\n3\\. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 1/7 und das beklagte Land\nzu 6/7.\n\n \n\n4\\. Die Revision wird für das beklagte Land zugelassen\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier Änderungskündigungen, mit\ndenen das beklagte Land das Ziel verfolgt, das Vollzeitarbeitsverhältnis der\nParteien in ein Teilzeitarbeitsverhältnis zu verwandeln, hilfsweise um einen\nWiedereinstellungsantrag des Klägers sowie um Weiterbeschäftigung.\n\n2\n\n \n\nDer 1954 geborene Kläger steht seit 1993 in einem Arbeitsverhältnis zum\nbeklagten Land. Er ist Lehrer und unterrichtet die Schulfächer Spanisch und\nEnglisch. Er ist dem Schulamt Neubrandenburg zugeteilt und wird am\n...-Gymnasium in Neubrandenburg (Stammdienststelle) eingesetzt. Er ist\nvollbeschäftigt und eingruppiert in die Vergütungsgruppe IIa des BAT/BAT-O. Er\nverdient bei Vollbeschäftigung rund 3.800,00 brutto monatlich.\n\n3\n\n \n\nBeide streitgegenständlichen Änderungskündigungen stehen im Zusammenhang mit\ndem Rückgang der Schülerzahl in Mecklenburg-Vorpommern und dem sich daraus\nergebenden personellen Anpassungsbedarf im Lehrerbereich.\n\n4\n\n \n\nZur sozialverträglichen Bewältigung des Anpassungsbedarfs hat das beklagte\nLand mit den Gewerkschaften und weiteren Berufsverbänden der Lehrerschaft\nMitte der 90er Jahre ein Rahmenabkommen - das Lehrerpersonalkonzept (LPK) -\nabgeschlossen, das verschiedene gezielte Personalabbaumaßnahmen zur Vermeidung\nbetriebsbedingter Beendigungskündigungen vorsieht. Der Text des\nLehrerpersonalkonzeptes ist in der Landtagsdrucksache 2/1176 vom 11.01.1996\nwiedergegeben. Er ergibt sich aber auch aus den öffentlich zugänglichen\nInformationsbroschüren zum Lehrerpersonalkonzept, die das Bildungsministerium\nherausgibt. Soweit nicht anders angegeben beziehen sich die Verweise im\nvorliegenden Urteil stets auf die derzeit aktuelle Informationsbroschüre 6,\ndie im August 2006 veröffentlicht wurde. Dort ist der Text des\nLehrerpersonalkonzeptes mit späteren Änderungen auf den derzeit gültigen Stand\nvom 28.04.2005 auf Seite 6 ff (Die Seitenangaben beziehen sich auf die Fassung\naus einer hier vorliegenden pdf-Datei; die in anderen Rechtsstreitigkeiten\nüberreichte gedruckte Fassung weist in der Seitennummerierung geringfügige\nUnterschiede auf) abgedruckt.\n\n5\n\n \n\nIn dem vorerwähnten beiderseits unterzeichneten Lehrerpersonalkonzept sind die\nvorgesehenen Maßnahmen nur stichwortartig, teilweise ergänzt durch für wichtig\nerachtete Einzelregelungen, benannt. Die gesamten Einzelheiten der\nverschiedenen Maßnahmen werden in sogenannten Anwendungsregelungen zum LPK\nverbindlich festgesetzt. Die Anwendungsregelungen entstehen im ständigen\nDialog zwischen dem beklagten Land und den beteiligten Gewerkschaften und\nVerbänden. Der Dialog ist informell und ohne förmliche Abstimmungen oder\nWiderspruchsrechte ausgestaltet.\n\n6\n\n \n\nDie zentrale Maßnahme des Lehrerpersonalkonzeptes ist die Option des beklagten\nLandes, die Arbeitsverhältnisse mit den im Regelfall vollbeschäftigten\nLehrkräften in Teilzeitarbeitsverhältnisse mit schuljahresbezogenen\nwechselnden Teilzeitquoten umzuwandeln. Die flexible Teilzeitarbeit wird immer\ndann eingeführt, wenn trotz der Ausschöpfung der anderen Maßnahmen (z. B.\nAusscheiden gegen Abfindung, Altersteilzeit usw.) ein Arbeitskräfteüberhang\nverbleibt. Die Entscheidung zum Einstieg in die flexible Teilzeitarbeit wird\nschulamtsbezogen und schulartgruppenbezogen getroffen. Da das\nLehrerpersonalkonzept auf der freiwilligen Teilnahme der Lehrkräfte aufbaut,\nwird auch bei dem Übergang zur flexiblen Teilzeitarbeit keine Lehrkraft\ngezwungen, an dieser Maßnahme teilzunehmen. Vielmehr vollzieht sich der\nÜbergang zur flexiblen Teilzeitarbeit auf vertraglicher Basis.\n\n7\n\n \n\nDer Übergang zur flexiblen Teilzeitarbeit der Schulen der Schulartgruppe 2 (zu\nihr gehören die Haupt- und Realschulen bzw. inzwischen die Regionalschulen\nsowie die Gesamtschulen und die Gymnasien [vgl. Informationsbroschüre Nr. 6\nAnwendungsregelungen zur Maßnahme Teilzeitbeschäftigung, Allgemeiner Teil, Nr.\n1, Informationsbroschüre 6 Seite 45]) ist im Schulamt Neubrandenburg mit dem\nSchuljahr 2004/2005 vollzogen worden. Der Kläger hat dies möglicherweise nicht\nregistriert, da er auf Grund der von ihm unterrichteten Schulfächer, die man\nlange Jahre als Mangelfächer bezeichnet hatte, im ersten Jahr von der\nflexiblen Teilzeit noch verschont geblieben war.\n\n8\n\n \n\nDen Lehrern, die nach den Verteilungsregelungen der flexiblen Teilzeitarbeit\nzur Teilzeitarbeit übergehen müssen, unterbreitet das beklagte Land ein\nAngebot zum Abschluss von zwei Änderungsverträgen. Es ist dies ein sogenannter\nGrundvertrag im Umfang der nach Lehrerpersonalkonzept garantierten\nMindestbeschäftigung. Diese liegt in der Schulartgruppe 2 für Ein-Fach-Lehrer\nbei 50 Prozent und für die anderen umfassend ausgebildeten Lehrer bei 66\nProzent der Vollbeschäftigung.\n\n9\n\n \n\nZusätzlich wird der Lehrkraft der Abschluss eines auf ein Schuljahr (12\nMonate) befristeten Arbeitsvertrages angetragen, mit dem das\nTeilzeitarbeitsverhältnis entsprechend dem prognostizierten tatsächlichen\nBedarf für das anstehende Schuljahr um weitere Stunden aufgestockt wird.\nDieser Vertrag wird "X-Vertrag" genannt.\n\n10\n\n \n\nEin solches Angebot bekommen alle Lehrkräfte, die nicht bereits an anderen\nMaßnahmen des Lehrerpersonalkonzeptes (z. B. Altersteilzeit) teilnehmen. Das\nAngebot ist insbesondere unabhängig davon, ob die Lehrkraft bei der Anfrage\nder Teilnahmebereitschaft in den 90er Jahren sich zur Teilnahme bereit erklärt\nhatte. Daher hat auch der Kläger im Vorlauf zum Schuljahr 2005/2006 das\nAngebot zum Abschluss eines Grund- und eines X-Vertrages erhalten, obwohl er\nin den 90er Jahren die Teilnahme am LPK abgelehnt hatte bzw. ihr nur unter\npersönlich formulierten Bedingungen zugestimmt hatte (auf Anlage K5 Blatt 14\nwird Bezug genommen).\n\n11\n\n \n\nLehnt eine Lehrkraft den Abschluss eines Grund- und X-Vertrages und damit den\nÜbergang zur flexiblen Teilzeitarbeit ab, wird sie - nach weiteren\nVerfahrensschritten, die hier nicht von Bedeutung sind (vgl.\nInformationsbroschüre Nr. 6 Seite 71) - vom beklagten Land als Nichtteilnehmer\nbehandelt. Die Nichtteilnehmer müssen mit dem Ausspruch von\nÄnderungskündigungen rechnen, mit denen ihr Beschäftigungsgrad der\nTeilzeitquote angepasst wird, die für sie gelten würde, wenn sie den Grund-\nund den X-Vertrag unterzeichnet hätten. Sie bleiben aber Nichtteilnehmer und\nmüssen, da die Schülerzahlen weiter dramatisch zurückgehen, in den Folgejahren\nstets wieder mit weiteren Stundenabsenkungen rechnen. Ein abermaliges Angebot\nauf Abschluss eines Grund- und X-Vertrages (nachträgliche Teilnahme) wird\ndiesen Lehrkräften jedoch nicht nochmals unterbreitet.\n\n12\n\n \n\nDie Ermittlung der persönlichen Teilzeitquote erfolgt für Teilnehmer wie für\nNichtteilnehmer gemeinsam auf Grund einer sehr vielschichtigen Berechnung, die\nin den Anwendungsregelungen (Informationsbroschüre Nr. 6 Teil C Grundsätze der\nErmittlung ... in der Schulartgruppe 2, Seite 55 ff) näher erläutert ist;\nhierauf wird ergänzend Bezug genommen. Die textliche Darstellung des\nRechenwerkes und der dabei erforderlichen gedanklichen Schritte ist allerdings\netwas aufwendiger und kann nicht auf einer Textseite erfolgen.\n\n13\n\n \n\nDie persönliche jeweils für ein Schuljahr gültige Teilzeitquote einer jeden\nLehrkraft errechnet sich aus dem Verhältnis des Unterrichtsbedarfs zu der\nAnzahl der Lehrer, die Unterricht erteilen. Die Verteilung der Stunden erfolgt\njeweils bezogen auf das Schulamt und ist in der Schulartgruppe 2 zusätzlich\nabhängig von den Unterrichtsfächern der Lehrkraft.\n\n14\n\n \n\n(1) Jeweils im April des Jahres wird der Unterrichtsbedarf für das nach den\nSommerferien beginnende neue Schuljahr ermittelt. Unter Zugrundelegung der\nStundentafeln und der Regeln zur Klassenbildung melden die Schulen dem\nSchulamt den zukünftigen Bedarf, wobei das Schülerverhalten soweit\nerforderlich (Schulwahlentscheidung, Unterricht in Wahlfächern) auf Basis\nstatistischer Erfahrungswerte und auf Basis von Abfragen an den Schulen\nabgeschätzt wird.\n\n15\n\n \n\nZum Zwecke der gerechten Verteilung wird der Unterrichtsbedarf in zwei Töpfen\n(Komponenten) erfasst. Der Unterrichtsbedarf, der sich einzelnen\nUnterrichtsfächern der Stundentafel zuordnen lässt, wird in der "Komponente 1"\nerfasst; er wird an die Lehrer mit der dazugehörenden Lehrbefähigung oder\nFachlichkeit verteilt. In der "Komponente 2" wird der gesamte zusätzliche\nUnterrichtsbedarf erfasst, der sich nicht einem bestimmten Fach der\nStundentafel zuordnen lässt (z. B. Klassenleiterstunden, Projektunterricht in\nder gymnasialen Oberstufe, Zusatzbedarf Ganztagschule usw. - zu den\nEinzelheiten vgl. Seite 7 der Klageerwiderung vom 11.09.2006, Blatt 59 der\nBeiakte).\n\n16\n\n \n\nZusätzlich findet Berücksichtigung, dass viele Lehrer nicht voll für die\nUnterrichtserteilung zur Verfügung stehen, da sie Anspruch auf Anrechnungs-\noder Ermäßigungsstunden haben (z. B. Unterrichtsermäßigung für Schulleiter,\nPersonalräte, Fachberater usw. - wegen der Einzelheiten wird auf Seite 16 f\nder vorerwähnten Klageerwiderung Bezug genommen, Blatt 68 f der Beiakte).\nRechnerisch unschädlich, aber für das Verständnis etwas verwirrend, wird diese\nGröße nicht als Abzugsposten beim Unterrichtspotential der Lehrkräfte\nverbucht, sondern als weiterer zusätzlicher Unterrichtsbedarf. Es handelt sich\nder Sache nach aber lediglich um fiktiven Unterrichtsbedarf für Lehrkräfte,\ndie anteilig tatsächlich nicht für Unterrichtszwecke zur Verfügung stehen.\n\n17\n\n \n\nGrob vereinfachend kann man sagen, dass der gesamte Unterrichtsbedarf etwa zu\n90 Prozent auf den schulfachbezogenen Unterricht entfällt (Komponente 1) und\ndie Komponente 2 sowie der fiktive Bedarf zum rechnerischen Ausgleich der\nAnrechnungs- und Ermäßigungsstunden jeweils etwa fünf Prozent der\nUnterrichtsmasse ausmachen.\n\n18\n\n \n\n(2) Dem so ermittelten und strukturierten Unterrichtsbedarf werden die\nLehrkräfte gegenübergestellt, auf die die Stunden verteilt werden können. Das\nsind alle Lehrkräfte der Schulen der Schulartgruppe 2, es sei denn, sie seien\nderzeit von der Pflicht zur Arbeitsleistung befreit (z. B. wegen Elternzeit).\nMaßgeblich ist der tatsächliche Einsatz der Lehrkraft, bei gleichzeitigem\nEinsatz an Grundschulen (Schulartgruppe 1) und weiterführenden Schulen der\nSchulartgruppe 2 zählt der überwiegende Einsatz. Lehrer mit Lehrbefähigungen\nfür Schularten, die nicht zur Schulartgruppe 2 gehören, werden in die Rechnung\nmit einbezogen, wenn sie ausschließlich in der Schulartgruppe 2 tätig sind und\nauch zukünftig in dieser Schulartgruppe tätig bleiben sollen\n(Anwendungsregelungen, Besonderer Teil Schulartgruppe 2 Nr. 1,\nInformationsbroschüre 6 S. 55).\n\n19\n\n \n\n(3) Bevor das so ermittelte Unterrichtspotenzial dem Unterrichtsbedarf\ngegenübergestellt wird, werden allerdings in einem ersten Schritt die Stunden\nder Lehrkräfte beim zur Verfügung stehenden Unterrichtsbedarf in Abzug\ngebracht, die aus besonderen Gründen vollbeschäftigt bleiben sollen bzw. deren\nBeschäftigungsumfang nicht abgeändert werden soll. Das sind in erster Linie\nTeilnehmer an anderen Maßnahmen des Lehrerpersonalkonzepts (z. B. Lehrer in\nAltersteilzeit). Zum anderen zählen zu diesem Kreis aber auch die wenigen\nbeamteten Lehrkräfte im Dienst des beklagten Landes. Die dafür verbrauchten\nUnterrichtsstunden werden bei dem fächerspezifischen Unterrichtsbedarf\n(Komponente 1) entsprechend der Fächer der betroffenen Lehrkräfte in Abzug\ngebracht. Es ist allerdings nicht mitgeteilt worden, ob insoweit nur auf die\nLehrbefähigungen oder auf den tatsächlichen Unterrichtseinsatz abgestellt\nwird, und ob jede Lehrbefähigung und Fachlichkeit mit dem gleichen Anteil\ngewertet wird oder ob auf den bisherigen oder zukünftigen Einsatz abgestellt\nwird.\n\n20\n\n \n\n(4) Der nach diesem Vorwegabzug von Stunden verbleibende Unterrichtsbedarf\nwird auf die verbleibenden Lehrkräfte unabhängig davon, ob sie als Teilnehmer\noder als Nichtteilnehmer eingestuft sind, verteilt.\n\n21\n\n \n\nIn erster Linie maßgebend ist dabei der fächerspezifische Unterrichtsbedarf\nder Komponente 1, der fächerbezogen auf die Lehrer verteilt wird, die eine\nLehrbefähigung für dieses Fach besitzen oder wenigstens die "Fachlichkeit".\n"Fachlichkeit" ist ein Begriff aus dem Lehrerpersonalkonzept. Grob\nvereinfachend gesagt erhalten die Lehrer ohne Lehrbefähigung in einem Fach die\nFachlichkeit zuerkannt, wen sie in den letzten drei Jahren in dem Fach\ntatsächlich Unterricht erteilt haben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf\nPunkt C 2 Seite 55 der Informationsbroschüre Nr. 6 verwiesen.\n\n22\n\n \n\n(4.1) In einem ersten Rechenschritt wird die schuljahres- und\nschulamtsbezogene Bedarfsquote für jedes Unterrichtsfach ermittelt. Dazu wird\nder Bedarf für jedes Unterrichtsfach aus der Komponente 1 aufsummiert. Das\nErgebnis wird der Anzahl der für das jeweilige Unterrichtsfach zur Verfügung\nstehenden Lehrkräfte gegenübergestellt, das dafür unter Berücksichtigung des\nRegelstundenmaßes von Vollzeitstellen in potenzielles Unterrichtsvolumen\nausgedrückt in Unterrichtsstunden umgerechnet wird, ins Verhältnis gesetzt und\nin einem Prozentwert umgerechnet. Dabei wird bei jeder Lehrkraft fiktiv\nunterstellt, sie würde in jedem ihrer Fächer zu 100 Prozent Unterricht\nerteilen. Ein Lehrer mit der Lehrbefähigung bzw. Fachlichkeit für Deutsch und\nEnglisch wird also beispielsweise sowohl bei der Bildung der Bedarfsquote im\nFach Deutsch als auch bei der Bildung der Bedarfsquote im Fach Englisch\njeweils mit seiner vollen Stundenzahl (27 Wochenstunden) berücksichtigt.\n\n23\n\n \n\n(4.2) Diese fächerbezogenen Bedarfsquoten bilden die Grundlage für die\nErmittlung der persönlichen Teilzeitquote für jede einzelne Lehrkraft. Dazu\nwerden zunächst für jede Lehrkraft die Bedarfsquoten für ihre\nUnterrichtsfächer (Lehrbefähigung oder Fachlichkeit) aufsummiert. Der sich\ndaraus ergebende Prozentwert wird an eine Lehrervollzeitstelle angelegt und\nergibt die für das kommende Schuljahr gültige Teilzeitquote.\n\n24\n\n \n\nLiegt beispielsweise die Bedarfsquote in Physik bei 35 Prozent, in Mathematik\nbei 42 Prozent und in Astronomie bei 20 Prozent, so erreicht ein Lehrer, der\ndie Lehrbefähigungen für Mathematik und Physik sowie die Fachlichkeit für\nAstronomie besitzt, eine Teilzeitquote von 97 Prozent eines Vollbeschäftigten\n(35 + 42 + 20).\n\n25\n\n \n\n(4.3) Dieses erste Rohergebnis wird dann allerdings noch durch weitere\nergänzende Rechenschritte verfeinert.\n\n26\n\n \n\n(4.3.1) In einem ersten Verfeinerungsschritt werden die Teilzeitquoten bei all\nden an der flexiblen Teilzeitarbeit teilnehmenden Lehrern angehoben, die nach\nden bisherigen Rechenschritten eine Teilzeitquote erhalten würden, die\nunterhalb der garantierten Mindestbeschäftigung aus ihrem Grundvertrag liegen\nwürde (50 Prozent einer Vollzeitstelle bei Ein-Fach-Lehrern sowie 66 Prozent\nbei den übrigen Lehrkräften). Es muss hervorgehoben werden, dass die\nTeilzeitquote bei nicht teilnehmenden Lehrern - und damit auch gegebenenfalls\nbeim Kläger - nicht angehoben würden, wenn sie rechnerisch unter 50 bzw. 66\nProzent einer Vollbeschäftigung absinken würden.\n\n27\n\n \n\nUm die Stundenanhebungen bis zur garantierten Mindestbeschäftigung durchführen\nzu können, ohne den Landeshaushalt zu belasten, werden die dafür benötigten\nStellen bzw. Stellenanteile zunächst dem Topf zum Ausgleich der Anrechnungs-\nund Ermäßigungsstunden entnommen. Ist dieser Topf erschöpft, findet eine\nVerrechnung mit den Stunden aus der Komponente 2 statt (fächerunspezifischer\nUnterrichtsbedarf).\n\n28\n\n \n\n(4.3.2) In einem zweiten Verfeinerungsschritt wird nunmehr noch der\nverbleibende Unterrichtsbedarf aus dem Topf des Ausgleichs für die\nAnrechnungs- und Ermäßigungsstunden und aus dem Topf des nicht fächerbezogenen\nUnterrichtsbedarfs (Komponente 2) nach Köpfen gleichmäßig auf alle Lehrkräfte\nverteilt. Sind diese Töpfe bereits durch die Verrechnung zur Ermöglichung der\nMindestbeschäftigungsgarantie erschöpft, fällt dieser Rechenschritt aus (so\nhier bei der zweiten Änderungskündigung des Klägers im Jahre 2006).\n\n29\n\n \n\n(4.3.3) Im dritten und letzten Verfeinerungsschritt wird noch das Problem\nbehandelt, dass einzelne Lehrkräfte durch das Aufsummieren der einzelnen\nBedarfs- und Kopfquoten Werte über 100 Prozent erhalten können. Da nicht\ngewollt ist, dass einzelne Lehrkräfte zu mehr als 100 Prozent einer\nVollzeitlehrerstelle beschäftigt werden, werden diese persönlichen\nTeilzeitquoten bei 100 Prozent gekappt. Der dadurch wieder zur Verfügung\nstehende Unterrichtsbedarf wird nach Köpfen gleichmäßig auf alle Lehrer\nverteilt, deren persönliche Teilzeitquote unter 100 Prozent liegt, mit\nAusnahme der Lehrkräfte, deren Beschäftigungsumfang bereits künstlich auf 50\nbzw. 66 Prozent wegen der garantierten Mindestbeschäftigung angehoben werden\nmusste. Erwerben durch diesen Rechenschritt wieder einzelne Lehrer mehr als\n100 Prozent Stellenanteile, wird dieses Rechenverfahren so lange durchgeführt,\nbis kein Wert mehr über 100 Prozent liegt.\n\n30\n\n \n\nDer vorstehend dargestellte dritte Verfeinerungsschritt (Kappen der über 100\nProzent liegenden Quoten) ist hier stark vereinfacht dargestellt. Tatsächlich\nfindet dieses Kappen während des Rechenprozesses mehrfach statt. Insbesondere\nwerden die über 100 Prozent liegenden Quoten bereits ein erstes Mal gekappt\nund verteilt, bevor es zu den Quotenanhebungen zur Verwirklichung der\nGarantiebeschäftigung (Verfeinerungsschritt 1) kommt. Die Aufteilung und das\nmehrfache Wiederholung des dritten Verfeinerungsschrittes führt dazu, dass der\nUmfang der notwendigen künstlichen Quotenanhebungen zur Sicherung der\nGarantiebeschäftigung sinkt und damit die flexible Teilzeitarbeit mit der\ngarantierten Mindestbeschäftigung insgesamt länger ohne Subventionseffekte aus\ndem Landeshaushalt auskommt. Für das Gesamtverständnis des Rechenwerkes und\nseiner "Philosophie" ist dieses Detail jedoch unwichtig.\n\n31\n\n \n\n(5) Die nach diesen drei Verfeinerungsschritten ermittelte endgültige\nTeilzeitquote wird an das Regelstundenmaß eines vollbeschäftigten Lehrers\nangelegt, um zu ermitteln, wie viele Unterrichtsstunden die jeweilige\nLehrkraft im kommenden Schuljahr zu erteilen hat. Bei diesem Rechenvorgang\nwerden die sich eventuell daraus ergebenden Nachkommastellen stets\nabgeschnitten oder anders ausgedrückt stets nach unten abgerundet. Ein\nerrechnetes Stundenmaß von 19,803 Stunden wird also beispielsweise auf 19\nStunden abgerundet. Daraus ergibt sich ein eingespartes Stundenpotential, das\nim vorliegenden Fall in beiden Jahren (2005 und 2006) um die 300\nUnterrichtswochenstunden (die Parteien sprechen von "Rundungsstunden") umfasst\nhat, was etwas mehr als 11 Vollzeitstellen entspricht (300 : 27).\n\n32\n\n \n\n(6) Der Vollständigkeit halber soll noch abschließend erwähnt werden, wie das\nbeklagte Land die Teilzeitquote bei Lehrkräften ermittelt, die Anspruch auf\nAnrechnungs- und Ermäßigungsstunden - auf den Kläger nicht zutreffend - haben.\nDie Anrechnungs- und Ermäßigungsstunden werden vollständig und nicht in\nAbhängigkeit von der persönlichen Teilzeitquote gewährt. Um dies zu\nbewerkstelligen, wird bei der Umrechnung der persönlichen Teilzeitquote in das\npersönliche Stundenmaß vorab vom Regelstundenmaß die Anzahl der\nanrechnungsfähigen Stunden in Abzug gebracht. An die restlichen Stunden wird\ndie Teilzeitquote angelegt und zu dem Ergebnis (abgerundet) wird die Anzahl\nder Anrechnungs- und Ermäßigungsstunden zum Zwecke der Vergütungsberechnung\nwieder hinzu gerechnet.\n\n33\n\n \n\nAuch dieses Ergebnis wird nochmals kontrolliert und gegebenenfalls korrigiert.\nDazu wird es mit dem Mindestbeschäftigungsumfang verglichen, der Lehrkräften\nmit Anrechnungs- und Ermäßigungsstunden zusteht. Maßgebend ist hierfür eine\numfängliche Tabelle, die z. B. in der Informationsbroschüre Nr. 6 ab Seite 64\nals Anlage zu den Anwendungsregelungen zur Maßnahme Teilzeitbeschäftigung\nveröffentlicht ist; es wird Bezug genommen. Im Rahmen dieses\nVergleichsverfahrens kann es ebenfalls zu Quotenanhebungen kommen, die allein\nauf Versprechungen im Lehrerpersonalkonzept und nicht auf dem Bedarf nach\nUnterricht beruhen. Diese Anhebungen werden aus dem Stundenpotential der\nRundungsstunden geschöpft. Zum weiteren Umgang mit den Rundungsstunden wird\nauf die Ziffer C.2 der Anwendungsregelungen zur Maßnahme Teilzeitbeschäftigung\nverwiesen (Informationsbroschüre 6, Seite 57).\n\n34\n\n \n\nIm Schulamtsbezirk Neubrandenburg waren in der Schulartgruppe 2 im Schuljahr\n2001/2002 noch 36.242 Schüler und Schülerinnen zu beschulen. Zu\nSchuljahresbeginn 2003/2004 ist diese Zahl auf 31.620 gesunken, sie sank dann\nweiter ab auf 26.417 im Schuljahr 2004/2005, auf 22.956 im Schuljahr 2005/2006\nsowie auf 20.088 im Schuljahr 2006/2007 (letzteres ein Prognosewert,\ntatsächlich waren dann nur noch 19.708 Schüler in dem Schuljahr zu beschulen).\nDie Entwicklung hält an und wird sich 2008/2009 noch dadurch verschärfen, dass\nim Frühjahr 2008 sowohl die 13. Klassen als auch die 12. Klassen an den\nGymnasien gleichzeitig das Abitur hinter sich gebracht haben.\n\n35\n\n \n\nDa der Kläger im Mai 2005 das Angebot des beklagten Landes, das\nArbeitsverhältnis auf flexible Teilzeitarbeit nach dem Lehrerpersonalkonzept\numzustellen, abgelehnt hatte, erhielt der Kläger im Vorlauf zum Schuljahr\n2005/2006 eine Änderungskündigung, mit der das beklagte Land das Ziel\nverfolgt, das Vollbeschäftigungsarbeitsverhältnis auf ein\nTeilzeitarbeitsverhältnis umzustellen. Dabei sollte die Teilzeitquote gelten,\ndie auch für die Teilnehmer am Lehrerpersonalkonzept in der Summe aus\nGrundvertrag- und X-Vertrag mit der Fächerkombination des Klägers im\nbetroffenen Schulamt gilt. Die Kündigung ist unter dem 21.06.2005 zum\n31.12.2005 ausgesprochen und mit ihr sollte die Teilzeitquote auf 25/27 eines\nVollbeschäftigungsverhältnisses herabgesetzt werden. Auf die überreichte Kopie\nder am 23.06.2005 zugegangenen Kündigung wird Bezug genommen (Blatt 17 d. A.).\nDer Kläger hat die Änderungskündigung unter Vorbehalt angenommen und mit\nSchriftsatz vom 13.07.2005, Gerichtseingang am selben Tag,\nÄnderungskündigungsschutzklage erhoben und gleichzeitig Weiterbeschäftigung zu\nden alten Bedingungen in Vollbeschäftigung begehrt.\n\n36\n\n \n\nIm Vorlauf zum darauf folgenden Schuljahr 2006/2007 hat der Kläger mit\nderselben Zielstellung abermals eine Änderungskündigung erhalten. Sie ist\nunter dem 30.06.2006 zum 31.12.2006 ausgesprochen und mit ihr sollte die\nTeilzeitquote auf nunmehr 20/27 eines Vollbeschäftigungsverhältnisses\nabgesenkt werden. Auf die überreichte Kopie der Kündigung wird Bezug genommen\n(Blatt 16 der Beiakte). Der Kläger hat auch diese Änderungskündigung unter dem\nVorbehalt ihrer sozialen Rechtfertigung angenommen und mit Schreiben vom\n19.07.2006, Gerichtseingang am 20.07.2006, abermals\nÄnderungskündigungsschutzklage erhoben und Weiterbeschäftigung begehrt\n(Arbeitsgericht Neubrandenburg 4 Ca 919/06).\n\n37\n\n \n\nAus den vom beklagten Land verarbeiteten Daten ergibt sich für das Schuljahr\n2005/2006 eine fächerspezifische Bedarfsquote für das Fach Englisch in Höhe\nvon 44,082 Prozent und für das Fach Spanisch in Höhe von 45,726 Prozent. Aus\nder Verteilung nach Köpfen ergeben sich weitere 3,423 Prozent, so dass\nLehrkräfte mit der Fächerkombination des Klägers eine Teilzeitquote von 93,596\nProzent erreichten, was rechnerisch 25,27 Unterrichtsstunden bedeutet und was\nauf 25 Stunden gerundet wird. Dieses Stundenmaß ist dem Kläger im Mai 2005 per\nGrund- und X-Vertrag angeboten worden und auf dieses Stundenmaß soll das\nArbeitsverhältnis mit der ersten streitgegenständlichen Änderungskündigung vom\n21.06.2005 eingekürzt werden.\n\n38\n\n \n\nAus den vom beklagten Land verarbeiteten Daten ergibt sich für das Schuljahr\n2006/2007 eine fächerbezogene Bedarfsquote im Fach Englisch in Höhe von 43,936\nProzent und im Fach Spanisch in Höhe von 32,621 Prozent. Nach Köpfen zu\nverteilender Unterrichtsbedarf war in diesem Schuljahr nicht mehr vorhanden,\nso dass sich die persönliche Teilzeitquote für Lehrkräfte mit der\nFächerkombination des Klägers auf 76,557 Prozent entsprechend 20,67\nWochenstunden, abgerundet also 20 Wochenstunden, beläuft.\n\n39\n\n \n\nIm Fach Spanisch stellt sich die Situation in den beiden\nstreitgegenständlichen Schuljahren wie folgt dar. In beiden Schuljahren gab es\njeweils 13 Lehrkräfte, die Spanischunterricht erteilt haben oder hätten\nerteilen dürfen. Eine weitere Spanischlehrerin befindet sich bereits in\nAltersteilzeit; ihr Stundenanteil (12,5 Unterrichts-Wochen-Stunden) unterfällt\ndem Vorabzug vor Verteilung der Stunden. Sie ist bei den 13 Lehrkräften nicht\nmitgezählt.\n\n40\n\n \n\nZum Schuljahresbeginn 2005 wurde Frau G., die auch Spanisch unterrichten kann,\nim Rahmen des Einstellungskorridors als junge Lehrerin neu eingestellt. Da die\nEinstellung eingeplant war, ist die fachbezogene Bedarfsquote bereits unter\nBerücksichtigung dieser zukünftigen Einstellung berechnet worden. Frau G. ist\nseit November 2005 im Mutterschutz und anschließend in Elternzeit gewesen.\n\n41\n\n \n\nIm Schuljahr 2005/2006 gab es 173 Unterrichtsstunden zu unterrichten, woraus\nsich die Bedarfsquote von 45,726 Prozent errechnet [(173 - 12,5) : (13 x 27) x\n100].\n\n42\n\n \n\nZu Beginn des Schuljahres 2006/2007 wurde Frau H., die auch Spanisch\nunterrichten kann, im Rahmen des Einstellungskorridors als junge Lehrerin neu\neingestellt. Auch Frau H. wurde bei der Berechnung der Fachquote für das\nSchuljahr 2006/2007 mit einberechnet, da mit ihre Einstellung zu rechnen war.\nZu Beginn des Schuljahres 2007/2008 hat das beklagte Land abermals eine Stelle\nfür eine Spanischlehrkraft im Schulamt Neubrandenburg ausgeschrieben.\n\n43\n\n \n\nDer Bedarf nach Spanischunterricht ist im Schuljahr 2006/2007 auf 127\nUnterrichtsstunden (Vorjahreswert: 173) abgesunken, die Anzahl der Lehrkräfte\nist konstant geblieben (13). Dementsprechend ist die Fachquote auf 32,621\nProzent abgesunken.\n\n44\n\n \n\nZwischen dem Planungsabschluss für die Berechnung der Bedarfsquoten (April\n2006) und dem Ausspruch der zweiten streitgegenständlichen Änderungskündigung\nunter dem 30.06.2006 hatte sich die Bedarfssituation im Fach Spanisch im\nSchulamt Neubrandenburg verändert. So hatte sich das Sportgymnasium\nNeubrandenburg in dieser Zeitspanne nachträglich noch entschlossen, zusätzlich\nSpanisch als Unterrichtsfach anzubieten, was vom Schulamt auch genehmigt wurde\n(10 Unterrichts-Wochen-Stunden). An der Schule des Klägers ist im gleichen\nZeitraum einer der in der 10. Klassenstufe parallel gehaltenen Spanischkurse\ngestrichen worden (3 Unterrichtsstunden). Auch an der KGS Friedland wurde der\nan sich geplante Spanischunterricht in Klasse 10 und 11 nur in Klasse 11\ndurchgeführt, wodurch 4 Unterrichtsstunden weggefallen sind.\n\n45\n\n \n\nZusätzlich hatte der Lehrer Herr T., bisher zugeordnet dem Schulamt\nGreifswald, nach Abschluss der Planungen im April 2006 einen Versetzungsantrag\nin das Schulamt Neubrandenburg gestellt, dem entsprochen worden ist. Er war an\nder Schule des Klägers bereits im Stundenplan mit neun Wochenstunden\nSpanischunterricht vorgesehen. Herr T. wurde jedoch kurzfristig auf seinem\nAntrag hin Sonderurlaub bewilligt, so dass er seine Arbeit bisher nicht\nantreten musste. Da Herr T. den Dienst nicht antreten musste, ist an der\nklägerischen Schule Spanischunterricht ausgefallen. Insoweit ist zwischen den\nParteien unstreitig, dass das Schulamt dafür Sorge getragen hat, dass der\nKläger bereits mit Beginn des Schuljahres 2006/2007 nur noch so verplant\nwurde, wie wenn er nur 20 Wochenstunden zur Verfügung stehen würde; die\nweiteren Stunden, die dem Kläger bis zum Ablauf der Kündigungsfrist noch zu\nvergüten waren, sollten ausschließlich zur Abdeckung von Vertretungsbedarf\ngenutzt werden.\n\n46\n\n \n\nDer Kläger hält beide Kündigungen für unwirksam.\n\n47\n\n \n\nDer Bedarfsrückgang sei rechtswidrig vom beklagten Land dadurch herbeigeführt\nworden, dass das beklagte Land mit Erlass vom 5. Mai 2004 das Regelstundenmaß\nfür Lehrkräfte an Gymnasien von 25 auf 27 Unterrichts-Wochen-Stunden angehoben\nhabe. Das widerspreche dem Lehrerpersonalkonzept und führe auch zu einer\nArbeitsbelastung der Lehrkräfte jenseits der für Lehrkräfte maßgeblichen\n40-Stunden-Woche.\n\n48\n\n \n\nIm Übrigen hätte kein Anlass für die Änderungskündigung bestanden, da man\nebenso die Stunden der an der Teilzeit teilnehmenden Lehrer geringer hätte\nanheben können. Es wäre richtig gewesen, die Stunden den Lehrkräften\nzuzuteilen, die unter Leistungsgesichtspunkten die am besten qualifizierten\nLehrer wären. Außerdem widersprächen die ständigen Neueinstellungen den\nGrenzen des Einstellungskorridors aus dem Lehrerpersonalkonzept.\n\n49\n\n \n\nDas Rechenwerk zur Ermittlung der persönlichen Teilzeitquote verstoße gegen\n"kündigungsschutzrechtliche Grundsätze", da man den Bedarf nicht\nschulartübergreifend ermitteln könne, denn die Lehrer an den einzelnen\nSchularten seien untereinander nicht vergleichbar.\n\n50\n\n \n\nFür seine Änderungskündigung im Jahre 2006 habe das Land auch nicht auf den\nPlanungsstand im April abstellen dürfen. Stattdessen hätte das beklagte Land\nauf den Planungsstand zum Zeitpunkt der Kündigung Ende Juni 2006 abstellen\nmüssen. Zu diesem Zeitpunkt habe Mehrbedarf bestanden, da der zusätzliche\nUnterrichtsbedarf am Sportgymnasium in Neubrandenburg neu entstanden sei und\nda durch den Ausfall von Herrn T. an seiner eigenen Schule eine Bedarfslücke\naufgetreten sei.\n\n51\n\n \n\nSollte diese Bedarfslücke erst im laufenden Schuljahr eingetreten sein und\ndamit nach Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung - und im Hinblick\nauf die Neueinstellung von Frau H. im August 2006 - sei jedenfalls der nunmehr\nhilfsweise gestellte Wiedereinstellungsantrag des Klägers begründet.\n\n52\n\n \n\nDie Änderungskündigung vom 30.06.2006 verstoße aber auch gegen § 612 a BGB.\nDenn an seiner Schule sei der Spanischunterricht nur deshalb reduziert worden,\nweil das Schulamt den Schulleiter angewiesen habe, ihm - dem Kläger - ab dem\nSchuljahresbeginn 2006/2007 nicht mehr als 20 Stunden regulären Unterricht\nzuzuweisen. Diese Weisung erfolge nur, weil er am Lehrerpersonalkonzept nicht\nteilnehme und weil er die ihm 2005 ausgesprochene Änderungskündigung vor\nGericht überprüfen lasse.\n\n53\n\n \n\nDas Arbeitsgericht Neubrandenburg hat der Änderungskündigungsschutzklage\nhinsichtlich der ersten Änderungskündigung aus dem Jahr 2005 mit Urteil vom\n19.10.2005 stattgegeben und das beklagte Land verurteilt, den Kläger weiterhin\nals vollbeschäftigten Angestellten zu beschäftigen. Der Kläger ist darauf auch\ntatsächlich über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus ab Januar 2006 weiter\nvollbeschäftigt gewesen.\n\n54\n\n \n\nAuch die Klage gegen die zweite Änderungskündigung war erfolgreich. Das\nArbeitsgericht Neubrandenburg (4 Ca 919/06) hat mit Urteil vom 30.04.2007\nfestgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Änderungskündigung vom\n30.06.2006 nicht abgeändert wurde und hat das beklagte Land abermals zur\nWeiterbeschäftigung des Klägers als vollbeschäftigten Angestellten verurteilt.\n\n55\n\n \n\nGegen beide Urteile hat das beklagte Land - anwaltlich vertreten - fristgemäß\nBerufung eingelegt und diese auch fristgemäß begründet.\n\n56\n\n \n\nDa hinsichtlich der ersten Änderungskündigung vom 21. Juni 2005 ein\nStreitpunkt der Parteien die Frage war, ob das beklagte Land 2004 berechtigt\nwar, das Regelstundenmaß der Gymnasiallehrer von 25 auf 27 Wochenstunden zu\nerhöhen, wurde das Berufungsverfahren zunächst einvernehmlich zum Ruhen\ngebracht, bis das Bundesarbeitsgericht die Rechtsstreitigkeiten zu dieser\nFrage entschieden hatte (BAG-Urteile vom 03.04.2007 zum Aktenzeichen 9 AZR\n283/06 AP Nr. 21 zu § 2 BAT SR 2l = EzTöD 200 § 44 Nr. 2 TV-L Nr. 4 und\nweitere Urteile des 9. Senats vom selben Tage). Das Landesarbeitsgericht hat\nnach dem Wiederaufruf des ruhenden Verfahrens beide anhängigen Verfahren zur\ngemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.\n\n57\n\n \n\nDas beklagte Land verfolgt auch im Berufungsrechtszug das Ziel der\nKlagabweisung im vollen Umfang weiter. Beide Kündigungen seien wirksam.\n\n58\n\n \n\nDie Erhöhung des Regelstundenmaßes 2004 sei rechtmäßig gewesen. Das habe das\nBundesarbeitsgericht inzwischen rechtskräftig entschieden.\n\n59\n\n \n\nEs könne dahinstehen, ob man den Kläger, wie von ihm vorgeschlagen, sinnvoll\nauch in Vollzeitarbeit beschäftigen könnte, denn das beklagte Land habe sich\ndazu entschlossen, keinen Lehrer mehr Unterrichtsanteile zukommen zu lassen,\nals den Teilnehmern an der Maßnahme der flexiblen Teilzeitarbeit jeweils\nzustehe. Daher scheide auch eine Sonderstellung des unbestritten hoch\nqualifizierten Klägers aus.\n\n60\n\n \n\nDie schulartübergreifende Bedarfsermittlung werde von der ständigen\nRechtsprechung des Landesarbeitsgerichtes als rechtskonform akzeptiert. Auch\nder Einstellungskorridor sei vom Landesarbeitsgericht bereits in mehreren\nEntscheidungen akzeptiert worden. Es könne auch nicht gesagt werden, dass es\nzu Lasten der Einsatzquote zu übermäßig vielen neuen Einstellungen im Fach\nSpanisch gekommen sei, immerhin sei die Anzahl der Lehrer, auf die die Stunden\naufgeteilt werden, konstant geblieben.\n\n61\n\n \n\nSoweit der Kläger die Verwendung der Planzahlen aus April 2006 bei der\nÄnderungskündigung vom 30.06.2006 kritisiere, sei darauf hinzuweisen, dass es\ndem Land unzumutbar sei, für solche Einzelfälle das gesamte Rechenwerk\nfortzuschreiben. Im Übrigen habe sich die Beschäftigungssituation nicht\ngeändert. Und wenn sich die Bedarfssituation tatsächlich geändert haben\nsollte, würde der Mehrbedarf auf die teilnehmenden Lehrer verteilt und nicht\nauf den Kläger, der sich der Solidarität verweigert habe.\n\n62\n\n \n\nDaher sei auch der Wiedereinstellungsantrag unbegründet. Die\nÄnderungskündigung vom 30.6.2006 verstoße auch nicht gegen § 612 a BGB, was\nsich schon daraus ergebe, dass sie sozial gerechtfertigt sei.\n\n63\n\n \n\nDas beklagte Land beantragt,\n\n64\n\n \n\ndie Klage - auch hinsichtlich des Hilfsantrages - unter Abänderung der Urteile\ndes Arbeitsgerichtes Neubrandenburg vom 19.10.2005 (5 Ca 917/05) und vom\n30.04.2007 (4 Ca 919/06) abzuweisen.\n\n65\n\n \n\nDer Kläger beantragt,\n\n66\n\n \n\n1\\. die Berufung zurückzuweisen;\n\n67\n\n \n\n2\\. hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Kündigungsschutzantrag\nder Kündigung vom 30.06.2006 das beklagte Land zu verurteilen, den Kläger\nwieder vollbeschäftigt einzustellen.\n\n68\n\n \n\nDer Kläger verteidigt die arbeitsgerichtlichen Urteile und vertieft seine\nbisherigen Ausführungen.\n\n69\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten wird auf die überreichten Schriftsätze nebst\nAnlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n70\n\n \n\nDie Berufung ist nur zu einem kleinen Teil, nämlich hinsichtlich der vom\nArbeitsgericht Neubrandenburg ausgesprochenen Verurteilung des beklagten\nLandes zur Weiterbeschäftigung, erfolgreich. Im Übrigen ist die Berufung\nunbegründet.\n\n \n\nA.\n\n71\n\n \n\nAuf die Berufung des beklagten Landes ist die in beiden Verfahren erfolgte\nVerurteilung zur Weiterbeschäftigung des Klägers zu den alten Bedingungen\nabzuändern und insoweit die Klage abzuweisen.\n\n72\n\n \n\nDie Verurteilung zur Weiterbeschäftigung hat das beklagte Land mit der\nBerufung ausweislich der beiden Berufungsbegründungen nicht ausdrücklich\nangegriffen und begründet. Die Berufung ist gleichwohl auch in Hinblick auf\ndie Verurteilung zur Weiterbeschäftigung zulässig, da das beklagte Land seine\nAuffassung ausführlich begründet hat, wonach die Kündigungen wirksam sein\nsollen. Denn damit hat es auch indirekt den Berufungsantrag zur Abweisung der\nKlage hinsichtlich der Verurteilung zur Weiterbeschäftigung ausreichend\nbegründet.\n\n73\n\n \n\nDie 5. Kammer des Arbeitsgerichts Neubrandenburg hat in ihrem Urteil vom\n19.10.2005 - ebenso wie später die 4. Kammer - das beklagte Land zur\nWeiterbeschäftigung des Klägers zu unveränderten Arbeitsbedingungen\n(Vollbeschäftigung) verurteilt und dies ausführlich und unter\nAuseinandersetzung mit der gegenteiligen Rechtsprechung des\nBundesarbeitsgerichts (BAG 18.01.1990 - 2 AZR 183/89 - BAGE 64, 24 = AP Nr. 27\nzu § 2 KSchG 1969 = DB 1990, 1773) begründet. Es hat dazu die Auffassung\nvertreten, durch die erstinstanzliche Entscheidung sei die Rechtslage zunächst\neinmal geklärt, so dass dem Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers wieder\nder Vorrang vor dem Interesse des Arbeitgebers an der Durchsetzung seiner\ngeänderten Arbeitsbedingungen gebühre. Die Situation sei vergleichbar mit der\nvorläufigen Vollstreckbarkeit der erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen\nUrteile.\n\n74\n\n \n\nDieser Auffassung vermag sich das Berufungsgericht jedenfalls in dieser\nAllgemeinheit nicht anzuschließen. Der richterrechtlich anerkannte\nprozessbegleitende Weiterbeschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers nach\ngewonnenem erstinstanzlichem Kündigungsschutzprozess ist im Kern eine Reaktion\nauf die Beobachtung, dass viele Arbeitsverhältnisse trotz Obsiegens des\nArbeitnehmers im Kündigungsschutzprozess nicht fortgesetzt werden, was\nallgemein auf den Verlust der Betriebsbindung des Arbeitnehmers nach Ablauf\nder Kündigungsfrist zurückgeführt wird. Die richterrechtliche Zuerkennung des\nprozessbegleitenden Weiterbeschäftigungsanspruchs soll daher helfen, die\nBetriebsbindung aufrecht zu erhalten, damit die Chance erhöht wird, dass das\nArbeitsverhältnis beim Obsiegen im Kündigungsschutzprozess tatsächlich weiter\nfortgesetzt wird.\n\n75\n\n \n\nDa bei der Änderungskündigung, die der Arbeitnehmer unter dem Vorbehalt der\nsozialen Rechtsfertigung annimmt, der Verlust der Betriebsbindung gar nicht zu\nbefürchten ist, kann der für die Beendigungskündigung anerkannte\nprozessbegleitende Weiterbeschäftigungsanspruch nicht auf die Situation im\nÄnderungskündigungsschutzprozess übertragen werden. Ein solcher\nWeiterbeschäftigungsanspruch während des Änderungskündigungsschutzprozess\nkönnte daher allenfalls für besondere Sachverhalte anerkannt werden, etwa wenn\nes um örtliche Versetzungen geht und dem Arbeitnehmer selbst die vorläufige\nWeiterarbeit am entfernten neuen Arbeitsort nicht zumutbar ist, oder wenn mit\nder Änderungskündigung ein Element der Herabsetzung oder Herabwürdigung des\nArbeitnehmers verbunden ist. Die Einzelheiten dazu können offen bleiben, denn\nvorliegend drohen dem Kläger aus der Beschäftigung während des Prozesses nach\nMaßgabe der erklärten Vorbehaltsannahme keine Nachteile, die man nicht\nhinterher im Falle eines Obsiegens des Klägers vollständig ausgleichen könnte.\n\n \n\nB.\n\n76\n\n \n\nDie Berufung des beklagten Landes ist im Übrigen nicht begründet. Zutreffend\nhat das Arbeitsgericht Neubrandenburg den beiden streitgegenständlichen\nKündigungen die soziale Rechtfertigung im Sinne von § 1 KSchG versagt.\n\n77\n\n \n\nEine betriebsbedingte Änderungskündigung ist nach §§ 2, 1 KSchG sozial\ngerechtfertigt, wenn sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten\nAnlass zum Eingriff in den Vertrag darauf beschränkt hat, lediglich solche\nÄnderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss.\nDas beklagte Land mag hier zwar einen anerkennenswerten Anlass zur Kündigung\ngehabt haben, es hat sich jedoch nicht darauf beschränkt, lediglich solche\nÄnderungen vorzuschlagen, die der Kläger billigerweise hinnehmen muss.\n\n \n\nI.\n\n78\n\n \n\nZur Feststellung des "an sich anerkennenswerten Anlasses" für eine\nÄnderungskündigung ist zu prüfen, ob das Beschäftigungsbedürfnis für den\nbetreffenden Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist.\nDie die ordentliche Änderungskündigung sozial rechtfertigenden dringenden\nbetrieblichen Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1, § 2 KSchG setzen dazu\nvoraus, dass das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im\nBetrieb überhaupt oder zu den bisherigen Bedingungen entfallen ist (BAG\n22.04.2004 - 2 AZR 385/03 - BAGE 110, 188 = AP Nr. 74 zu § 2 KSchG 1969 = DB\n2004, 1890 = NZA 2004, 1158; BAG 27. September 2001 - 2 AZR 246/00 - EzA KSchG\n§ 2 Nr. 41).\n\n79\n\n \n\n1\\. Der Wegfall des Bedürfnisses zur weiteren Beschäftigung eines\nArbeitnehmers im bisherigen Umfang wird sich häufig - wie bei der\nBeendigungskündigung - aus einem Rückgang der Arbeitsmenge ergeben. Das\nBedürfnis für die weitere Beschäftigung des Klägers im bisherigen Umfang\n(Vollbeschäftigung) lässt sich allerdings nicht allein mit einen Rückgang der\nArbeitsmenge begründen.\n\n80\n\n \n\nEs kann keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, dass der dramatische Rückgang\nder Schülerzahlen der Schulartgruppe 2 dazu führt, dass die Anzahl der Lehrer,\ndie man für eine ordnungsgemäße Beschulung der Schüler benötigt und damit die\nbenötigte Arbeitsmenge, ebenfalls zurückgegangen sein muss. Ebenso\nzweifelsfrei ist aber auch der Umstand, dass in den Fächern, die der Kläger\nunterrichtet, nach wie vor ein erheblicher Bedarf an Lehrerarbeitskraft\nbesteht. Ist aber die Arbeitsmenge nicht vollkommen weggefallen, sondern\nlediglich zurückgegangen, richtet sich die Auswahl der Arbeitnehmer, die\nweiter beschäftigt werden müssen, nach den Regeln der Sozialauswahl (§ 1 Abs.\n3 KSchG). Für eine gleichförmige Reduzierung der Arbeitszeit aller Lehrkräfte\nist dabei kein Raum.\n\n81\n\n \n\nDaher ist in der bisherigen Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts immer\nhervorgehoben worden, der Kündigungsgrund ergebe sich aus der Entscheidung des\nbeklagten Landes, zukünftig keine Vollzeitstellen mehr zur Verfügung zu\nstellen, um über Teilzeitverträge die Arbeit unter dem Gesichtspunkt der\nVerteilungsgerechtigkeit vergeben zu können. Das mag zwar im Ergebnis treffend\nsein, man muss jedoch hervorheben, dass diese Entscheidung des beklagten\nLandes keinen Einfluss auf die noch vorhandene Arbeitmenge nimmt. Das\nbedeutet, dass die hier streitbefangenen Änderungskündigungen zwar auf einer\nEntscheidung des beklagten Landes beruhen, dass aber diese Entscheidung -\nanders als in den üblichen Fällen - nicht eine Verringerung der Arbeitsmenge\nzur Folge hatte. Denn die Veränderung der Arbeitsmenge war weder Ziel, noch\nMittel noch (Neben-)Effekt der Grundentscheidung des beklagten Landes, die\nverbleibende Arbeit durch Teilzeitarbeit gerecht auf die Lehrerschaft zu\nverteilen. Anlass der Änderungskündigung ist also allein der Umstand, dass\neine als gegeben angenommene bestimmte Arbeitsmenge, die nicht zur\nVollbeschäftigung aller ausreicht, "gerecht" mit Teilzeitverträgen auf die\nunter Vertrag stehenden Lehrer verteilt werden soll.\n\n82\n\n \n\n2\\. Es ist allerdings denkbar, dass sich der Wegfall des Bedürfnisses zur\nweiteren Beschäftigung eines Arbeitnehmers ausnahmsweise auch bei einer auf\nden ersten Blick unveränderten Arbeitsmenge ergeben kann. Führt die\nunternehmerische Entscheidung - wie hier - nicht zu einer Reduzierung der\nArbeitsmenge, so wird eine gleichwohl ausgesprochene Änderungskündigung als\nAustauschkündigung allerdings im Regelfall unwirksam sein (BAG 23. November\n2000 - 2 AZR 617/99 - BAGE 96, 294 = AP Nr. 63 zu § 2 KSchG 1969 = NZA 2001,\n500). Ausnahmsweise kann das aber nach der Rechtsprechung des\nBundesarbeitsgerichts anders sein, wenn nämlich betriebsorganisatorische\nGründe eine bestimmte Lage oder Dauer der Arbeitszeit erfordern und die\nvertraglich geschuldete Lage und Dauer der Arbeitszeit nicht (mehr) zu den\nbetrieblichen Notwendigkeiten passt.\n\n83\n\n \n\nDass sich der Wegfall des Bedürfnisses für die Zusammenarbeit mit dem Kläger\nim bisherigen Umfang aus solchen betriebsorganisatorischen Notwendigkeiten\nergibt, kann allerdings nicht festgestellt werden.\n\n84\n\n \n\na) Ein betriebsbedingter Grund zur Kündigung oder Änderungskündigung kann auch\ndann vorliegen, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der vertraglichen Absprachen\nzur Dauer oder Lage seiner Arbeitszeit nicht mehr in die Arbeitszeitstruktur\ndes Betriebes passt. Möchte zum Beispiel ein Arbeitgeber einen bei ihm\nvorhandenen Teilzeitarbeitsplatz in einen Vollzeitarbeitsplatz umwandeln, ist\naber die derzeitige Teilzeitarbeitnehmerin nicht bereit, zukünftig Vollzeit zu\narbeiten, ist ein Anlass zur betriebsbedingten Kündigung gegeben, obwohl die\nArbeitsmenge sich nicht verringert sondern sogar vermehrt hat (vgl. aus der\nRechtsprechung LAG Hamburg 20.11.1996 - 4 Sa 56/96 - LAGE § 2 KSchG Nr. 25;\nLAG Rheinland-Pfalz 10.05.1988 -9 Sa 21/88- NZA 1989, 273 = LAGE § 1 KSchG\nBetriebsbedingte Kündigung Nr. 16 = DB 1988, 2263 mit der Einschränkung, dass\ndie Einstellung einer weiteren Halbtagskraft für den Betrieb technisch,\norganisatorisch oder wirtschaftlich untragbar sein müsse; aus der Literatur v.\nHoyningen-Huene/Linck § 1 KSchG Rn 854 f und § 2 KSchG Rn 147; Ascheid\nKündigungsschutzrecht Rn. 287). Ähnliches gilt, wenn der Arbeitgeber vom\n1-Schicht-Betrieb zum 2-Schicht-Betrieb mit wechselndem Schichtrhythmus\nübergeht und einzelne Arbeitnehmerinnen nicht in der Lage sind, auch in\nSpätschicht zu arbeiten (BAG 18.01.1990 - 2 AZR 183/89 - a. a. O.).\nSchließlich hat das Bundesarbeitsgericht den Wegfall des Bedürfnisses für die\nweitere Zusammenarbeit im bisherigen Umfang in einem Fall anerkannt, in dem\nder Arbeitgeber eine Vollzeitstelle in zwei Halbtagsstellen umwandeln wollte,\ndamit zu bestimmten Stoßzeiten zwei Arbeitnehmerinnen gleichzeitig zur\nVerfügung stehen (BAG 22.04.2004 a. a. O.). In all diesen Fällen sind die\nArbeitnehmerinnen mit ihrer vertraglich festgelegten Arbeitszeit innerhalb der\nneuen Betriebsstruktur nicht mehr einsetzbar, ihr bisheriger Arbeitsplatz mit\nder zum Arbeitsvertrag passenden Arbeitszeit ist in einem übertragenen Sinne\ndaher ebenfalls weggefallen.\n\n85\n\n \n\nb) Diese Rechtsprechung lässt sich allerdings nicht ohne Weiteres auf die\nSituation der Parteien des vorliegenden Rechtstreits übertragen. Denn das\nbeklagte Land würde keinerlei betriebsorganisatorische Probleme bekommen, wenn\nes den Kläger weiterhin in Vollzeit beschäftigen müsste. Das ergibt sich\ndaraus, dass auch die Anwendungsregeln zur Verteilung der Arbeit dazu führen\nkönnen, dass einzelne Lehrkräfte nach wie vor im vollen Stellenumfang benötigt\nwerden. Zusätzlich kann auf die - zugegeben wenigen - beamteten Lehrkräfte\nverwiesen werden, die generell von den Maßnahmen des LPK ausgenommen sind und\ndaher im Regelfall vollbeschäftigt tätig sind. Daraus lässt sich allgemein der\nSchluss ziehen, dass der Schulbetrieb vom beklagten Land so organisiert ist,\ndass Lehrkräfte mit allen denkbaren Teilzeitquoten ab 50 bzw. 66 Prozent\naufwärts bis zur Vollbeschäftigung ohne betriebsorganisatorische Problem\nsinnvoll beschäftigt werden können.\n\n86\n\n \n\n3\\. Es spricht allerdings viel dafür, dass die Überlegungen in der bisherigen\nRechtsprechung auf den vorliegenden Fall trotz der nicht nachweisbaren\nbetriebsorganisatorischen Verankerung der Maßnahme übertragbar sind.\n\n87\n\n \n\nEinige Stimmen in der Literatur halten die gleichmäßige Verteilung der\nverbleibenden Arbeit auf viele Teilzeitbeschäftigte generell für zulässig\n(Löwisch, Viertagewoche durch Änderungskündigung? BB 1993, 2371; Precklein,\nPrüfungsmaßstab bei der Änderungskündigung, Berlin 1995 S. 70; Plander,\nArbeitsplatzabbau trotz Stellenabbaus im Schulwesen des Landes Mecklenburg-\nVorpommern: Gesetzes- oder tarifwidrig? PersR 1997, 289, 292). Diese Autoren\nhaben oder müssten in der Grundentscheidung des beklagten Landes, die\nverbleibende Arbeit nach Gerechtigkeitskriterien zu verteilen, einen\nausreichenden Anlass (ge-)sehen, bestehende Vollzeitarbeitsverhältnisse im\nWege der Änderungskündigung abzuändern.\n\n88\n\n \n\nAndererseits hat sich insbesondere Berkowsky dagegen gewandt, den Wunsch nach\ngleichmäßiger Verteilung der noch verbliebenen Arbeit auf alle Arbeitnehmer\ndurch Teilzeit als einen Anlass anzuerkennen, bestehende Verträge durch\nÄnderungskündigung abzuändern (Die betriebsbedingte Änderungskündigung, Baden-\nBaden, 2000, Seite 124 ff). Bei seiner Kritik stellt der den Umstand in den\nMittelpunkt, dass eine damit begründete Umverteilung der Arbeit blind sei\ngegenüber der unterschiedlichen sozialen Schutzbedürftigkeit der verschiedenen\nArbeitnehmer innerhalb der Belegschaft, sie bevorzuge sozial weniger\nschutzbedürftige Arbeitnehmer und benachteilige die Arbeitnehmer, die nach den\nRegeln des Kündigungsschutzgesetzes besonders sozial schutzbedürftig seien.\nDiesen Aspekt hat auch das BAG in seiner Entscheidung vom 19.05.1993 (- 2 AZR\n584/92 - BAGE 73, 151 = AP Nr. 31 zu § 2 KSchG 1969 = DB 1993, 1879)\nhervorgehoben, geht aber gleichwohl davon aus, der Arbeitgeber könne sich\ndafür entscheiden, einen gegebenen Personalüberhang statt durch\nBeendigungskündigungen durch eine entsprechend höhere Anzahl von\nÄnderungskündigungen abzubauen. Andererseits hat das Bundesarbeitsgericht zu\neiner tariflich bewirkten Absenkung der regulären wöchentlichen Arbeitszeit\nzur Beschäftigungssicherung angenommen, durch die Arbeitszeitabsenkung sei das\nGrundrecht auf Berufsfreiheit der Arbeitnehmer nach Art. 12 GG berührt (BAG\n25.10.2000 - 4 AZR 438/99 - BAGE 96, 168 = AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge:\nInternationaler Bund = DB 2001, 547 = NZA 2001, 328) und hat dessen\nEinschränkung nur gebilligt, weil die Tarifvertragsparteien -in Grenzen- auch\nberechtigt seien, zur Durchsetzung ihrer Ziele die Grundrechte der\nArbeitnehmer einzuschränken; dieses Recht würde so selbstverständlich weder\ndem beklagten Land allein, noch den Unterzeichnern des LPK zustehen, da das\nLPK keine tariflichen Normen geschaffen hat und nur eine schuldrechtliche\nkollektive Vereinbarung eigener Art darstellt (BAG 14.04.2004 - 4 AZR 232/03 -\nBAGE 110, 164 = AP Nr. 188 zu § 1 TVG Auslegung = DB 2004, 2703).\n\n89\n\n \n\nJenseits dieser prinzipiellen Standpunkte verdient es jedenfalls hervorgehoben\nzu werden, dass die betriebsorganisatorische Verankerung der gewollten neuen\nArbeitszeitstruktur gefordert wird, um sie vom Verdacht der Willkür oder\nBeliebigkeit zu befreien. Wenn die Möglichkeit von Willkür oder Beliebigkeit\nauf andere Weise ausgeschlossen werden kann, müssten daher auch andere Anlässe\nfür eine neue Arbeitszeitstruktur als betriebsbedingt akzeptiert werden, auch\nwenn sie sich nicht aus betriebsorganisatorischen Zwängen oder Wünschen\nableiten lassen. In diesem Sinne wäre auch die vom beklagten Land angestrebte\numfassende Teilzeitarbeit vom Verdacht der Willkür oder Beliebigkeit befreit,\ndenn sie erfolgt vor dem Hintergrund einer Beschäftigungskrise mit\nhistorischen Dimensionen und ist Ergebnis eines Verhandlungsprozesses mit den\nGewerkschaften und Verbänden der Lehrerschaft. Das Modell der flexiblen\nTeilzeitarbeit könnte man daher als durch "betriebliche Gründe" im Sinne der\nerwähnten BAG-Rechtsprechung (BAG 22.04.2004 - 2 Sa 385/03 - a. a. O.) bedingt\nansehen. Denn das Versprechen, die verbleibende Arbeit gerecht auf alle\nLehrkräfte zu verteilen, ist die Leistung des Landes für die Gegenleistung der\nLehrerschaft, sich in das Schicksal der Teilzeit zu fügen. Ohne Einlösung\ndieses Versprechens wäre das gesamte Konzept der flexiblen Teilzeitarbeit nach\ndem Lehrerpersonalkonzept nicht durchführbar.\n\n90\n\n \n\nDie vom beklagten Land angestrebte gerechte Verteilung der noch vorhandenen\nArbeit würde dann nach diesem Standpunkt zwingend erfordern, die\nVollzeitarbeitsplätze aufzugeben und nur noch Teilzeitarbeit nach Maßgabe der\nVerteilungsregeln anzubieten. Allein mit dieser Entscheidung des beklagten\nLandes, keine Vollzeitarbeitsplätze mehr vorzusehen und den Schulbetrieb mit\nTeilzeitkräften durchzuführen, wäre danach der Anlass gegeben, das\nVollzeitarbeitsverhältnis des Klägers abzuändern, denn hierdurch wäre der zum\nVollzeitarbeitsvertrag der Parteien passende Vollzeitarbeitsplatz ebenfalls in\neinem übertragenen Sinne in Fortfall geraten.\n\n91\n\n \n\nDiese Sichtweise stünde jedenfalls in Einklang mit der bisherigen\nRechtsprechung des Landesarbeitsgerichts. So hat die 5. Kammer in ihren\nUrteilen (02.12.2003 - 5 Sa 280/03 und 5 Sa 281/03 - sowie 30.03.2004 - 5 Sa\n251/03 - und 11.01.2005 - 5 Sa 459/03 - alle nicht, auch nicht auf juris.de,\nveröffentlicht) ausdrücklich hervorgehoben, eine gestalterische Entscheidung\ndes Arbeitgebers mit Einfluss auf die Beschäftigungsmöglichkeiten müsse sich\nnicht notwendig auf die Betriebsstruktur beziehen, sondern könne ihre Wurzel\nauch in Absprachen mit den Gewerkschaften und Berufsverbänden der Lehrerschaft\nhaben. Auch die anderen Kammern haben in der Entscheidung des beklagten Landes\nzum Übergang zur Teilzeitarbeit durchweg einen ausreichenden Anlass für die\nÄnderungskündigung zum Übergang in die Teilzeitarbeit gesehen (vgl. Urteil der\nerkennenden Kammer vom 18.10.2001 - 1 Sa 75/01 - auf juris.de veröffentlicht,\ndort RN 91ff sowie die Entscheidungen der 2. Kammer vom 03.07.2003 - 2 Sa\n62/03 - und 25.09.2003 - 2 Sa 210/03 - beide allerdings zum Grundschulbereich\nsowie 15.09.2004 - 2 Sa 58/04 - alle nicht, auch nicht auf juris.de,\nveröffentlicht).\n\n92\n\n \n\nFür die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits kann offen bleiben, ob an\nder bisherigen Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts, nach der die\ngleichmäßige Verteilung der vorhandenen Arbeit als Grund für die\nÄnderungskündigung der nicht teilnehmenden Lehrkräfte anerkannt ist, weiter\nfestgehalten werden kann. Denn die beiden streitgegenständlichen Kündigungen\nsind vom einen wie vom anderen Standpunkt aus sozial nicht gerechtfertigt.\n\n93\n\n \n\nWürde man die gleichmäßige Verteilung der noch vorhandenen Arbeit nicht als\nGrund zur Änderungskündigung für die nicht teilnehmenden Lehrkräfte\nanerkennen, gäbe es insgesamt gar keinen tragfähigen Anlass, der der weiteren\nZusammenarbeit im bisherigen Umfang (Vollbeschäftigung) entgegen steht. Es\nwürde damit feststehen, dass den beiden streitbefangenen Kündigungen die\nsoziale Rechtfertigung fehlt. Dasselbe Ergebnis ergibt sich jedoch auch auf\nder Basis, dass an der bisherigen Rechtsprechung festgehalten wird, denn die\nsoziale Rechtfertigung der Kündigungen kann dann nicht festgestellt werden,\nweil die vom beklagten Land angebotene Änderung der Arbeitsbedingungen\nunverhältnismäßig ist (dazu unten).\n\n94\n\n \n\nFür die weiteren Ausführungen wird daher unterstellt, dass das Ziel, die noch\nvorhandene Arbeit nach Kriterien der Verteilungsgerechtigkeit auf alle\nLehrkräfte zu verteilen, ein ausreichender Anlass zur Änderungskündigung\ngegenüber dem Kläger sei.\n\n95\n\n \n\n4\\. Die Entscheidung des beklagten Landes, die noch vorhandene Arbeit\n"gerecht" auf die unter Vertrag stehenden Lehrkräfte zu verteilen und daher\npraktisch nur noch mit Lehrkräften in Teilzeitarbeit zusammenzuarbeiten,\nentzieht sich - wenn man sie einmal hypothetisch der weiteren Argumentation zu\nGrunde legt - einer weiteren Kontrolle anhand kündigungsschutzrechtlicher\nMaßstäbe. Die Entscheidung ist vielmehr den weiteren Überlegungen zum\nVorliegen eines Kündigungsgrundes als gegeben zu Grunde zu legen.\n\n96\n\n \n\nEs entspricht der ständigen Rechtsprechung des BAG bei Kündigungen, die auf\neinem Rückgang der Arbeitsmenge beruhen, die unternehmerischen Entscheidungen,\ndie diesen Rückgang hervorrufen (Rationalisierung, Veränderung der\nBetriebsabläufe, Betriebsstilllegung usw.) keiner kündigungsschutzrechtlichen\nÜberprüfung zu unterziehen. Sie müssen vielmehr als Ausgangsdatum den weiteren\nÜberlegungen zu der Frage, ob sich aus der unternehmerischen Entscheidung der\nWegfall des Beschäftigungsbedürfnisses ergibt, als gegeben zu Grunde gelegt\nwerden. Lediglich, um dem Missbrauch der unternehmerischen\nEntscheidungsfreiheit vorzubeugen, wird kontrolliert, ob der Arbeitgeber seine\nbehaupteten unternehmerischen Entscheidungen auch tatsächlich umgesetzt hat\nund ob sich die Maßnahme, die zum Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses\nführt, willkürlich ergriffen worden ist (vgl. nur BAG 23.06.2005 - 2 AZR\n642/04 - BAGE 115, 149 = AP Nr 81 zu § 2 KSchG 1969 = DB 2006, 285 = NZA 2006,\n92).\n\n97\n\n \n\nDiese Grundsätze gelten gleichermaßen, wenn der Arbeitgeber - ohne\nAuswirkungen auf die Arbeitsmenge an sich - aus betriebsorganisatorischen\nÜberlegungen heraus Teilzeitarbeitsplätze in Vollzeitarbeitsplätze oder\nVollzeitarbeitsplätze in Teilzeitarbeitsplätze umwandelt. Das hat das\nBundesarbeitsgericht zunächst in einem etwas anderen Sinnzusammenhang\nherausgearbeitet, nämlich bei der Frage der Vergleichbarkeit von Vollzeit- und\nTeilzeitarbeitnehmern im Rahmen der Sozialauswahl. Hier hat das Gericht\nanerkannt, dass eine Vergleichbarkeit ausscheidet, wenn die Arbeit auf den\nVollzeitarbeitsplätzen aus betriebsorganisatorischen Gründen nur in Vollzeit\nerbracht werden könne (BAG 03.12.1998 - 2 AZR 341/98 - AP Nr. 39 zu § 1 KSchG\n1969 Soziale Auswahl = DB 1999, 487 = NZA 1999, 431 = NJW 1999, 1733 sowie für\nden öffentlichen Dienst im gleichen Sinne BAG, Urteil vom 12. August 1999 - 2\nAZR 12/99 - AP Nr. 44 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl = NJW 2000, 533 = NZA\n2000, 30 = DB 2000, 228; vgl. zu einer ähnliche Konstellation auch BAG\n22.04.2004 - 2 AZR 385/03 - a. a. O.). Sodann hat das BAG entschieden, dass es\ndem Arbeitgeber frei stehe, auf einen Rückgang des Beschäftigungsvolumens\nstatt mit Beendigungskündigungen mit einer entsprechend größeren Zahl an\nÄnderungskündigungen zu reagieren (BAG 19. Mai 1993 - 2 AZR 584/92 - a. a.\nO.). Aus dieser Rechtsprechung lässt sich verallgemeinernd schließen, dass die\nFrage, ob der Arbeitgeber mit Vollzeitarbeitnehmern oder lieber mit\nTeilzeitarbeitnehmern zusammen arbeiten will, zum Bereich der von den\nArbeitsgerichten nur beschränkt überprüfbaren "Unternehmenspolitik" gehört\n(BAG 22.04.2004 a. a. O.).\n\n98\n\n \n\nDiese Grundsätze müssen dann aber auch für die Entscheidung des beklagten\nLandes gelten, in Erfüllung der Absprachen aus dem LPK die noch verbliebene\nArbeit "gerecht" zu verteilen.\n\n99\n\n \n\nDie Entscheidung des beklagten Landes die noch vorhandene Arbeit für\nLehrkräfte an den öffentlichen Schulen gerecht auf die unter Vertrag stehenden\nLehrer zu verteilen, ist nicht willkürlich im aufgezeigten Sinne. Im\nGegenteil, sie ist angesichts der monopolartigen Stellung des beklagten Landes\nals Arbeitgeber für voll ausgebildete Lehrkräfte sogar sachlich sehr gut\nnachzuvollziehen (so schon LAG M-V 02.12.2003 - 5 Sa 280/03 und 5 Sa 281/03 -\nsowie 30.03.2004 - 5 Sa 251/03 - a. a. O.). Dass diese Entscheidung\nmöglicherweise unter bildungspolitischen Gesichtspunkten zu Problemen führt,\ndarf das Arbeitsgericht bei der kündigungsschutzrechtlichen Bewertung nicht\ninteressieren. Auch der Umstand, dass das Konzept unter dem Gesichtspunkt der\nGenerationengerechtigkeit Fragen offen lässt und es zudem zu einer\nNivellierung des Schutzniveaus für alle Lehrer unabhängig von ihrer sozialen\nSchutzbedürftigkeit führt, reicht nicht aus, um die Grundentscheidung zur\ngerechten Verteilung der Einkommenschancen durch Teilzeitarbeit als\nwillkürlich zu bezeichnen.\n\n100\n\n \n\n5\\. Mit der oben vorgenommenen genaueren Bezeichnung der Umstände, die zum\nWegfall des Bedürfnisses für die weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger in der\nbisherigen Form geführt haben, erledigt sich bereits ein Großteil der\nArgumente, die der Kläger gegen die streitgegenständlichen Kündigungen ins\nFeld geführt hat. Der Kläger betont immer wieder die von ihm gesehenen\nMöglichkeiten, ihn tatsächlich noch in Vollbeschäftigung sinnvoll weiter\neinsetzen zu können, etwa wenn man weder H. noch Frau G. eingestellt hätte,\noder wenn man ihm die Stunden, die für Herrn T. verplant waren, übertragen\nhätte. Damit kann der Kläger die vorliegenden Kündigungen nicht wirkungsvoll\nangreifen. Denn das beklagte Land hat die Kündigung nicht ausgesprochen, weil\nes etwa den Kläger nicht mehr sinnvoll vollbeschäftigt einsetzen könnte.\nVielmehr will man dem Kläger Anteile seiner Vollbeschäftigung wegnehmen, damit\nman sie im Rahmen der ausgehandelten Gerechtigkeitsvorstellungen auf andere\nLehrer aufteilen kann, und damit die anderen Lehrkräfte, die sich der\nTeilzeitarbeit unterworfen haben, nicht neidisch auf den Kläger und seine\nVollbeschäftigung schauen müssen.\n\n101\n\n \n\nAus der hier vorgenommenen genaueren Bezeichnung der Umstände, die zum Wegfall\ndes Bedürfnisses für die weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger in der\nbisherigen Form geführt haben, ergibt sich zusätzlich eine Abweichung von der\nRechtsprechung der 5. Kammer des Gerichts zu vergleichbaren Sachverhalten\n(Urteile vom 02.12.2003, vom 30.03.2004 und 11.01.2005 a. a. O.). Denn die 5.\nKammer ist in ihren Urteilen noch davon ausgegangen, dass der Wegfall der\nbisherigen Beschäftigungsmöglichkeit der an der flexiblen Teilzeit nicht\nteilnehmenden Lehrkräfte sich aus dem Rückgang der Arbeitsmenge ergebe, der\ndurch den Rückgang der Schülerzahlen indiziert sei. Da es keinen direkten\nZusammenhang zwischen Schülerzahlen und fachspezifischem Unterrichtsbedarf\ngibt, hat die 5. Kammer dann angenommen, dass dieser Zusammenhang durch die\nAnwendungsregelungen zur Maßnahme Teilzeitarbeit nach dem LPK hergestellt\nwerde. Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist die richtige Anwendung der\nAnwendungsregelungen und ein sich daraus ergebender Bedarf zur Reduzierung der\nArbeitszeit die Voraussetzung, die erfüllt sein muss, um überhaupt per\nÄnderungskündigung den Vertragsinhalt anzugreifen. Das kann nicht richtig\nsein. Denn die Frage des "richtigen" Teilzeitmaßes, das sich aus der Anwendung\nder Anwendungsregeln zur Maßnahme Teilzeitarbeit nach LPK ergeben mag, ist\nerst dann von Bedeutung, wenn untersucht wird, ob sich das beklagte Land bei\neinem gegebenen Anlass zur Änderungskündigung mit der angebotenen Änderung auf\ndas beschränkt hat, was angesichts der betrieblichen Situation der Billigkeit\nentspricht. Dagegen ergibt sich der Anlass zum Eingriff in das\nArbeitsverhältnis allein schon aus dem Umstand, dass das beklagte Land keine\nvollbeschäftigten Lehrkräfte mehr beschäftigen will, es sei denn, die\nVollbeschäftigung ergäbe sich aus den Regeln des LPK.\n\n \n\nII.\n\n102\n\n \n\nDas beklagte Land hat dem Kläger allerdings bei beiden Kündigungen geänderte\nArbeitsbedingungen angeboten, die nicht der Billigkeit entsprechen. Daher ist\nkeine der beiden Kündigungen sozial gerechtfertigt im Sinne von §§ 2, 1 KSchG.\n\n103\n\n \n\nOb der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen\nmuss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln (BAG 29. März\n2007 - 2 AZR 31/06 - NZA 2007, 855 EzA § 2 KSchG Nr. 66 = ZTR 2007, 631; 2.\nMärz 2006 - 2 AZR 64/05 - AP KSchG 1969 § 2 Nr. 84 = EzA KSchG § 2 Nr. 58; 23.\nJuni 2005 - 2 AZR 642/04 - AP KSchG 1969 § 2 Nr. 81 = EzA KSchG § 2 Nr. 54).\nDie angetragenen Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den\nInhalt des Arbeitsvertrages den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten\nanzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen\n(vgl. BAG 3. Juli 2003 - 2 AZR 617/02 - BAGE 107, 56; KR-Rost 8. Auflage § 2\nKSchG Rn. 106e; HaKo-Pfeiffer KSchG 3. Auflage § 2 Rn. 39; v. Hoyningen-\nHuene/Linck KSchG 14. Auflage § 2 Rn. 165). Ausgangspunkt ist die bisherige\nvertragliche Regelung, das heißt, die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht\nweiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als zur\nErreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG 29.03.2007 - 2 AZR\n31/06 - a. a. O.; 2. März 2006 - 2 AZR 64/05 - a. a. O.; 23. Juni 2005 - 2 AZR\n642/04 - a. a. O.). Aus dem Vorbringen des Arbeitgebers muss erkennbar sein,\ndass er auch unter Berücksichtigung der vertraglich eingegangenen besonderen\nVerpflichtungen alles Zumutbare unternommen hat, die durch die\nunternehmerische Entscheidung notwendig gewordenen Anpassungen auf das\nunbedingt erforderliche Maß zu beschränken (BAG 29.03.2007 - 2 AZR 31/06 - a.\na. O.; 2. März 2006 - 2 AZR 64/05 - a. a. O. ; 17. März 2005 - 2 ABR 2/04 - AP\nKSchG 1969 § 15 Nr. 58 = EzA KSchG § 15 nF Nr. 59).\n\n104\n\n \n\n1\\. Entgegen der Auffassung des Klägers genügen die in den Jahren 2005 und\n2006 durch das beklagte Land angebotenen Änderungen diesem Maßstab, soweit das\nAusmaß der zukünftigen Zusammenarbeit, also die Teilzeitquote in Rede steht.\n\n105\n\n \n\nIn beiden Jahren war es das Ziel des beklagten Landes, durch die\nÄnderungskündigungen die Teilzeitquote im Arbeitsverhältnis der Parteien der\nTeilzeitquote anzupassen, die man anderen Lehrkräften mit der\nFächerkombination des Klägers, die am Lehrerpersonalkonzept teilnehmen, im\nRahmen des Grund- und des X-Vertrages anbieten konnte. Der Kläger, der selbst\nnicht am Lehrerpersonalkonzept teilnimmt, sollte also mit den teilnehmenden\nLehrern hinsichtlich des Beschäftigungsumfangs bzw. der Teilzeitquote\ngleichgestellt werden, damit das bei ihm frei werdende Unterrichtsvolumen\nzusätzlich verteilt werden kann und damit die teilnehmenden Lehrer sich auch\nim Verhältnis zum nicht teilnehmenden Kläger noch gerecht behandelt fühlen\nkönnen. Dazu war es erforderlich, das Stundenmaß im Arbeitsverhältnis zum\nKläger zunächst auf 25 Stunden (2005) und dann auf 20 Stunden (2006)\nabzusenken, denn dieses Stundenmaß ergibt sich unter Heranziehung der Regeln\nzur Stundenverteilung nach dem Lehrerpersonalkonzept.\n\n106\n\n \n\nInsoweit kann offen bleiben, ob bereits die Feststellung ausreichen würde,\ndass die teilnehmenden Lehrkräfte tatsächlich mit Grund- und X-Vertrag auf\ndieses Stundenmaß gesetzt wurden (so wohl die 2. Kammer des\nLandesarbeitsgerichts im Urteil vom 15.09.2004 - 2 Sa 58/04 - nicht, auch\nnicht auf juris.de, veröffentlicht mit dem Leitsatz: "Der gesunkene Bedarf ist\nin der Regel schon dargelegt, wenn die den Nichtteilnehmern angebotene\nStundenzahl mit der Stundenzahl übereinstimmt, die die übrigen Teilnehmer am\nLehrerpersonalkonzept in dem jeweiligen Schuljahr angeboten erhalten") oder ob\nman weitergehend prüfen kann und muss, ob das angebotene Stundenmaß sich auch\nrechnerisch aus den Regeln zur Verteilung des Unterrichtsvolumens aus dem LPK\nergibt. Denn das dem Kläger in beiden Jahren angetragene Stundenmaß ergibt\nsich aus den Regeln des LPK zur Verteilung der noch vorhandenen\nUnterrichtsstunden.\n\n107\n\n \n\na) Gegen die in den Anwendungsregelungen zum LPK vorgesehenen Einzelheiten zur\nErhebung des Unterrichtsbedarfs im jeweils kommenden Schuljahr hat der Kläger\nkeine durchgreifenden Einwendungen erhoben. Solche sind auch nicht\nersichtlich.\n\n108\n\n \n\nDie Erhebung des Unterrichtsbedarfs ist ein Erkenntnisprozess mit\nprognostischen Elementen. Es gibt daher keine rechtlichen Regeln, die bei der\nBedarfserhebung zu beachten sind. Man könnte insoweit allenfalls den - an sich\nselbstverständlichen - Anspruch formulieren, die Erhebungen müssten\nsachgerecht und umfassend vorgenommen werden. Dieser Maßstab ist erkennbar\neingehalten.\n\n109\n\n \n\nEs ist nicht zu beanstanden, dass die Planungen für das jeweils kommende\nSchuljahr auf Daten beruhen, die abschließend im März oder April und damit\neinige Monate vor Schuljahresbeginn erhoben werden. Ein solcher Vorlauf in der\nPlanung ist wegen der vielfältigen Maßnahmen, die von der Planung abhängen,\nunumgänglich und ergibt sich damit aus der Sache selbst. Dass die Realität des\nlaufenden Schuljahres dann von der Planung abweichen kann, ist\nselbstverständlich; daraus ergibt sich jedoch kein Argument gegen die Planung\nselbst, zu der es keine Alternative gibt. Dass die Realität von der Planung\nabweichen kann, haben auch die Unterzeichner des LPK gesehen. Denn für den\nFall, dass die von der Planung abweichende Realität tatsächlich dazu führt,\ndass die X-Verträge um wenigstens eine ganze Unterrichtswochenstunde\naufgestockt werden müssten, so hat dies auch nachträglich noch zu erfolgen\n(vgl. Anwendungsregelungen zur Maßnahme Teilzeitbeschäftigung, Allgemeiner\nTeil Ziffer 13, Informationsbroschüre 6 Seite 47). Damit ist in ausreichendem\nMaße dafür gesorgt, dass Unzulänglichkeiten in der Planung nicht zu Lasten der\nLehrkräfte gehen. - Im Übrigen ist es ein Denkfehler des Klägers, wenn er\nmeint, dass die Stunden, die in Abweichung von der Planung zusätzlich\nunterrichtet werden müssen, in erster Linie ihm zu stehen. Denn nach der\nGrundentscheidung des beklagten Landes zur gerechten Verteilung der Stunden\nauf alle in Betracht kommenden Lehrkräfte, müssen auch diese Stunden möglichst\ngleichmäßig auf die Lehrkräfte verteilt werden.\n\n110\n\n \n\nIn diesem Sinne ist es auch nicht zu beanstanden, dass das beklagte Land den\nnoch vorhandenen Unterrichtsbedarf nicht getrennt nach Schularten und damit\nauch nicht getrennt nach dem tarifrechtlichen Status der dort unterrichtenden\nLehrer erhebt, sondern gemeinsam für alle Schularten, die in der\nSchulartgruppe 2 zusammengefasst sind. Denn die dadurch gewonnenen Daten\nwerden durch die gemeinsame Erfassung nicht falsch; allenfalls ist der sich\naus den Daten ergebende Erkenntniswert durch diese zusammengefasste Erhebung\neingeschränkt. Das wäre dann aber kein Problem der Datenerhebung mehr, sondern\nein Problem, das sich allenfalls bei der Verwendung der korrekt erhobenen\nDaten zeigen könnte.\n\n111\n\n \n\nb) Das beklagte Land hat zu Lasten der Teilzeitquote auf die Bedarfsberechnung\ndadurch Einfluss genommen hat, dass es im Mai 2004 durch Erlass das\nRegelstundenmaß unter anderem für Lehrkräfte an Gymnasien von 25 auf 27\nWochenstunden erhöht hat. Damit ist ein erhöhtes Unterrichtspotenzial der\nunter Vertrag stehenden Lehrkräfte entstanden, was dann unter Zugrundelegung\nder Verteilungsregeln nach LPK zu einer Verschlechterung der Bedarfsquoten für\ndie einzelnen Schulfächer geführt hat. Die sinkenden Bedarfsquoten haben sich\ndann - jedenfalls für die teilnehmenden Lehrer - durch entsprechend geringere\nX-Verträge auch bei der Vergütung negativ ausgewirkt. Nach den klärenden\nUrteilen des Bundesarbeitsgerichts vom 03.04.2007 - 9 AZR 283/06 - und andere\n(a. a. O.) ist allerdings davon auszugehen, dass dieses Vorgehen weder gegen\ngesetzliche Vorschriften noch gegen Absprachen aus dem Lehrerpersonalkonzept\nverstößt. Einwände gegen die Ermittlung des Unterrichtspotenzials der unter\nVertrag stehenden Lehrkräfte können daher nicht erhoben werden.\n\n112\n\n \n\nc) Auch die Regelungen des LPK zur Verteilung des festgestellten\nUnterrichtsbedarfs halten einer rechtlichen Überprüfung stand.\n\n113\n\n \n\nLegt man allein den kündigungsschutzrechtlichen Maßstab an, ließen sich die\nvom beklagten Land angewendeten Verteilungsregeln allenfalls daraufhin\nüberprüfen, ob sie willkürlich sind. Denn wie bereits oben hervorgehoben\nwurde, gehört die Grundentscheidung des beklagten Landes zur "gerechten"\nVerteilung der verbleibenden Unterrichtsstunden - wenn man sie überhaupt als\nausreichenden Anlass zur Kündigung ansehen will - zum Bereich der\n"Unternehmenspolitik", die nur in einem eingeschränkten Maße einer rechtlicher\nKontrolle im Sinne der Willkürkontrolle unterliegt. Diese Zurückhaltung der\nGerichte muss dann aber auch konsequenterweise für die Verteilungsgrundsätze\ngelten, denn auch diese sind Ausdruck der "Unternehmenspolitik" und entziehen\nsich daher einer kündigungsschutzrechtlichen Bewertung. In diesem Sinne\nunterliegen die Regeln zur Verteilung des Unterrichts keinen Bedenken, sie\nsind nicht willkürlich. Denn mit ihnen werden anerkennenswerte Ziele unter\nEinsatz sachlich begründbarer Mittel verfolgt.\n\n114\n\n \n\nAllerdings hat das BAG in anderem Zusammenhang stets betont, dass das der\nKündigung zu Grunde liegende (neue) unternehmerische Konzept nur dann bei der\nPrüfung des Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit als gegeben zu Grunde zu\nlegen ist, wenn es nicht gegen das Gesetz verstößt. Da der Arbeitgeber - zumal\nder öffentliche Arbeitgeber - dann, wenn er Grundsätze zur Verteilung von\nBeschäftigungsvolumen aufstellt, an den arbeitsrechtlichen und gegebenenfalls\nauch an den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden ist,\nkönnen und müssen die im LPK verabredeten Grundsätze zur Verteilung des\nverbleibenden Unterrichtsvolumens am Maßstab der Gleichbehandlung gemessen\nwerden.\n\n115\n\n \n\nDer arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist vom Arbeitgeber stets zu\nbeachten, wenn er nach generalisierenden Regelungen die bei ihm unter Vertrag\nstehenden Arbeitnehmer mit Vor- oder Nachteilen bedenkt. Die Rechtsprechung\nhat sich insbesondere an den Fällen der Gewährung freiwilliger Leistungen\nentwickelt. Dazu heißt es, gewähre der Arbeitgeber auf Grund einer abstrakten\nRegelung eine freiwillige Leistung nach einem erkennbar generalisierenden\nPrinzip und legt er gemäß dem mit der Leistung verfolgten Zweck die\nAnspruchsvoraussetzungen für die Leistung fest, darf er einzelne Arbeitnehmer\nvon der Leistung nur ausnehmen, wenn dies sachlichen Kriterien genügt. Bei\nfreiwilligen Leistungen muss der Arbeitgeber deshalb die\nAnspruchsvoraussetzungen so abgrenzen, dass ein Teil der Arbeitnehmer von der\nVergünstigung nicht sachwidrig oder willkürlich ausgeschlossen wird. Eine\nsachfremde Benachteiligung einzelner Arbeitnehmer liegt nicht vor, wenn sich\nnach dem Zweck der Leistung Gründe ergeben, die es unter Berücksichtigung\naller Umstände rechtfertigen, diesen Arbeitnehmern die den anderen\nArbeitnehmern gewährte Leistung vorzuenthalten (st. Rechtsprechung vgl. nur\nBAG 20.09.2007 - 10 AZR 569/06 - DB 2007, 2778 = NZA 2007, 1424 = AP Nr. 205\nzu § 242 BGB Gleichbehandlung; BAG 28.03.2007 - 10 AZR 261/06 - AP Nr. 265 zu\n§ 611 BGB Gratifikation = NZA 2007, 687).\n\n116\n\n \n\nDiese Grundsätze müssen auf die Verteilung der Unterrichtsstunden durch das\nbeklagte Land übertragen werden, da mit der Zuteilung der Unterrichtsstunden\nEinkommenschancen zugeteilt werden. Das beklagte Land verteilt die\nUnterrichtsstunden auch ganz bewusst nach allgemeinen Regeln, nämlich nach den\nverabredeten Regeln im Rahmen des LPK, wie sie in den Anwendungsregeln\ndokumentiert und veröffentlicht sind.\n\n117\n\n \n\nVerstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz bei der Verteilung der\nUnterrichtsstunden sind allerdings nicht erkennbar.\n\n118\n\n \n\nVon der Verteilung der Stunden werden zunächst einmal keine Lehrkräfte aus\nunsachlichen Gründen ausgeschlossen. Selbst die Lehrer, die - wie der Kläger -\nnicht an der Maßnahme der flexiblen Teilzeitarbeit nach dem LPK teilnehmen,\nbekommen im selben Umfang Stunden zugeteilt wie die teilnehmenden Lehrkräfte\nmit dem Grund- und dem X-Vertrag.\n\n119\n\n \n\nAuch die Verteilung der Unterrichtsstunden auf die in die Verteilung\neinbezogenen Lehrkräfte führt nicht zu einer unsachgemäßen Schlechterstellung\neinzelner Lehrkräfte oder einzelner Gruppen von Lehrkräften. Dazu ist\nanerkannt, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht nur dazu dient,\nAußenseitern Zugang zu ihnen vorenthaltenden Leistungen zu verschaffen.\nVielmehr ist in dem Gleichbehandlungsgedanken auch die Vorstellung enthalten,\ndass Systeme, die man schafft, um Güter zu verteilen, die nur in\nunzureichendem Maße vorhanden sind, auch in sich stimmig ausgestaltet sein\nmüssen. Das Regelungssystem in Gänze muss eine angemessene Reaktion auf das zu\nGrunde liegende Verteilungsproblem darstellen. Dabei darf die Rechtsprechung\nnicht ihre eigenen Gerechtigkeitsvorstellungen an die Stelle der Vorstellungen\nder Personen stellen, die das Verteilungssystem entwickelt und verabredet\nhaben. Vielmehr hat der Arbeitgeber bei der Ausgestaltung eines solchen\nSystems einen weiten Rahmen der Gestaltungsfreiheit. Das gilt insbesondere im\nvorliegenden Fall, da die Verteilungsregeln nicht einseitig vom Arbeitgeber\nvorgegeben werden, sondern sie das Ergebnis des ständigen Dialogs der\nUnterzeichner des Lehrerpersonalkonzepts darstellen. Man kann daher davon\nausgehen, dass in den Verteilungsgrundsätzen sowohl die Arbeitgeber- wie die\nArbeitnehmerinteressen bereits ihren Niederschlag gefunden haben. Es kann\ndaher nur geprüft werden, ob zur Erreichung der gesteckten Ziele die\ngeeigneten Mittel vorgesehen sind und ob die Besonderheiten der vorgegebenen\nSituation in ausreichendem Maße Berücksichtigung gefunden haben.\n\n120\n\n \n\nDiesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab werden die Regeln zur Verteilung der\nnoch vorhandenen Unterrichtsstunden gerecht.\n\n121\n\n \n\naa) Die Verteilungsregeln negieren die gesetzlich anerkannten Parameter\nsozialer Schutzbedürftigkeit wie sie in § 1 Abs. 3 KSchG (Sozialauswahl) zum\nAusdruck kommen, vollständig. Die Sicherheit vor der Gefahr betriebsbedingter\nKündigungen, die nach § 1 Abs. 3 KSchG vor allem mit der Dauer der\nBetriebszugehörigkeit und dem Lebensalter zunimmt und die durch bestehende\nUnterhaltspflichten noch signifikant gesteigert werden kann, ist für die\nTeilnehmer an der flexiblen Teilzeitarbeit nichts mehr wert, denn die noch\nvorhandene Arbeit wird nach einem egalitären Ansatz auf alle ohne jede\nRücksicht auf ihre individuelle soziale Schutzbedürftigkeit verteilt. Insoweit\nmuss schon hervorgehoben werden, dass die Verteilungsregeln den vorgegebenen\nUnterschieden innerhalb der Lehrerschaft in einem ganz wesentlichen Punkt\nkeine Aufmerksamkeit schenken. Bei der Bewertung dieses Befundes muss\nallerdings beachtet werden, dass die Nivellierung sozialer\nSchutzbedürftigkeit, wie man sie aus der Tradition des\nKündigungsschutzgesetzes kennt, regelmäßig mit\nBeschäftigungssicherungskonzepten, die auf eine Verkürzung der Arbeitszeit zur\nVermeidung betriebsbedingte Kündigungen setzen, einhergeht. Dies kann\nallenfalls dann gebilligt werden, wenn es sich wie bei der Kurzarbeit um eine\nReaktion auf eine Krise handelt und daher nur vorübergehender Natur ist (BAG\n25.10.2000 - 4 AZR 438/99 -a. a. O.). Diesem Maßstab genügt das LPK.\n\n122\n\n \n\nDas Lehrerpersonalkonzept ist eine wohl kalkulierte Reaktion auf eine\nhistorisch einmalige Situation, die durch die Wiedervereinigung und die\ndadurch ausgelösten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verwerfungen\nentstanden ist. Der Personalüberhang im Lehrerbereich wird durch die zwar\nmäßig dafür aber nachhaltig wieder ansteigenden Schülerzahlen im\nGrundschulbereich und durch die bereits beginnende Verrentung der Lehrer aus\nden geburtenstarken Jahrgängen aus der Mitte des letzten Jahrhunderts\ninnerhalb der nächsten 10 Jahre verschwinden. Außerdem hat sich das beklagte\nLand im Lehrerpersonalkonzept ausdrücklich zum Leitbild des vollbeschäftigten\nLehrkraft bekannt (Ziffer 1 des Vertragstextes). Die mit den Verteilungsregeln\neinhergehende Nivellierung des sozialen Schutzniveaus ist also auch hier nur\nvorübergehender Natur.\n\n123\n\n \n\nZudem muss beachtet werden, dass das Verteilkonzept auf seine eigene Art auch\nsoziale Differenzierungen nach dem Maß der Schutzbedürftigkeit enthält, etwa\nindem innerhalb des Systems eine Beschäftigungsgarantie im Umfang des\nGrundvertrages enthalten ist oder indem das Stundenmaß schlecht bezahlter\nLehrer besonders angehoben werden kann (vgl. Anwendungsregel Nr. 19,\nInformationsbroschüre 6 S. 49). Das ist auch ein Sozialschutz, und zwar einer,\nder sich an der Einkommenssituation der Lehrkräfte orientiert, und damit ganz\ndirekte Bezüge zur sozialen Situation der Lehrkräfte aufweist. Man kann und\nmuss dem Konzept daher bescheinigen, dass gewisse vorgegebene Unterschiede in\nder Lehrerschaft durchaus beachtet worden sind und es auch von seinen\nTeilnehmern eine Art Solidarität mit in diesem Sinne sozial besonders\nschutzbedürftigen Lehrern abfordert. Die Unterzeichner des LPK haben eben nur\nmit einer anderen Brille auf die Unterschiede in der Lehrerschaft geblickt und\nhaben die soziale Schutzbedürftigkeit wie sie durch § 1 Abs. 3 KSchG geformt\nwird, als nicht so bedeutend angesehen und haben mehr egalitäre Ansätze in den\nVordergrund gerückt, was für eine Mangelverwaltung sogar durchaus typisch ist.\n\n124\n\n \n\nDer Kläger kann letztlich auch nicht verlangen, dass die Verteilungsregeln für\ndie Stunden an der Leistung der einzelnen Lehrkräfte orientiert werden. Das\nvon Neugier geprägte Fragen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung hat\nzwar eine bemerkenswerte Vita und Qualifikation des Klägers zu Tage gefördert.\nBei allem Respekt vor dieser Lebensleistung darf aber nicht verkannt werden,\ndass der Leistungsmaßstab aus Artikel 33 Abs. 2 GG anerkanntermaßen kein\ngeeignetes Kriterium darstellt, um in einer Krisensituation den Mangel gerecht\nverwalten zu können (so schon die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts im\nUrteil vom 02.12.2003 - 5 Sa 280/03 a. a. O.). Das zeigt bereits ein Blick auf\ndie Regeln der Sozialauswahl, die nur allzu oft zu Ergebnissen führen, die bei\nAnwendung von Artikel 33 Abs. 2 GG als Differenzierungskriterium anders\nausfallen würden. Das ist der notwendige Preis des allseits gewollten Schutzes\nsozial schutzbedürftiger Arbeitnehmer. Daher muss es der Kläger hinnehmen,\ndass ein Teil der Stunden, die er durch die Änderungskündigung abgeben muss,\nnunmehr einer Kollegin zugeteilt werden, deren Qualifikation nur bis zum\nUnterricht in der 10. Klasse ausreicht.\n\n125\n\n \n\nbb) Der Umstand, dass die Unterrichtsstunden schulartübergreifend gleichmäßig\nauf alle Lehrer verteilt werden, ist unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten\nebenfalls unproblematisch. Die fächerbezogene Verteilung des\nUnterrichtsbedarfs in der Schulartgruppe 2 ist sachlich angemessen und schützt\nauf diese Weise - jedenfalls im Regelfall - die eigene Investition in die\nberufliche Qualifikation. Die fächerbezogene Verteilung des Unterrichtsbedarfs\nwird nicht dadurch entwertet, dass die fachbezogene Bedarfsquote\nschulartübergreifend ermittelt wird. Der darauf aufbauenden Kritik des Klägers\nund der 5. Kammer des Arbeitsgerichts Neubrandenburg in seinem Urteil vom\n19.10.2005 vermag sich das Berufungsgericht nicht anzuschließen.\n\n126\n\n \n\nDazu muss zunächst einmal hervorgehoben werden, dass die Bedeutung der\nschulartübergreifenden Verteilung der vorhandenen Unterrichtsstunden für das\nStundenmaß der betroffenen Lehrkräfte wohl deutlich überschätzt wird. Denn\nunter dem extremen Geburtenrückgang leiden alle Schularten aus der\nSchulartgruppe 2 gleichermaßen. Es ist daher davon auszugehen, dass eine\nschulartbezogene Bildung der fächerbezogenen Bedarfsquote (vgl. Schritt 3 aus\nder im Tatbestand wiedergegebenen Berechnung) cum granu salis in allen\nbeteiligten Schularten vergleichbar hoch ausfallen würde. Das zeigt sich in\ndem Schulfach Spanisch, das dem Kläger besonders am Herzen liegt, deutlich.\nDenn Spanisch wird nur an 4 Schulen des gesamten Schulamts unterrichtet,\nnämlich an 3 Gymnasien und an der KGS Friedland (Werte aus 2006 zum\nPlanungsstand im April 2006 - vgl. den erstinstanzlichen Schriftsatz des\nbeklagten Landes in der Beiakte vom 22.11.2006, S. 3, hier Blatt 159 BA). Von\nden 13 zum Spanischunterricht berechtigten Lehrkräften unterrichten 11 an\nGymnasien und 2 an kooperativen Gesamtschulen (KGS); vgl. dazu die Folgeseite\nin dem vorerwähnten Schriftsatz. Hätte man also die 2 Lehrer, die an einer KGS\nunterrichten, aus der Betrachtung ausgeschlossen und hätte man dann auch den\ngeplanten Spanischbedarf an der KGS Friedland nicht berücksichtigt (8\nUnterrichtsstunden), wären von den insgesamt 127 geplanten Stunden ein\nUnterrichtsbedarf von 119 Stunden auf die Gymnasien gefallen, von denen\nzunächst wieder 12,5 Stunden für die in Altersteilzeit befindliche Kollegin\nB., die am Gymnasium in Waren beschäftigt war, und daher bei den Gymnasien\ngezählt werden muss, abzuziehen gewesen wären. Die verbleibenden 106,5 Stunden\nwären auf 11 Lehrkräfte mit insgesamt 11 x 27 = 297 Stunden\nUnterrichtspotenzial zu verteilen, was eine Bedarfsquote in Höhe von 35,690\nProzent ergibt. Diese liegt nur geringfügig oberhalb der\nschulartgruppenübergreifend vom beklagten Land ermittelten Bedarfsquote von\n32,621 Prozent.\n\n127\n\n \n\nDie von der 5. Kammer des Arbeitsgerichts im Urteil vom 19.10.2005\nhervorgehobene Gefahr, es könne in Folge der "falschen" Berechnung der\nfächerbezogenen Bedarfsquote ein Zwang zu schulartübergreifenden\nVersetzungsmaßnahmen, die das beklagte Land einseitig per Ausübung des\nDirektionsrechts gar nicht durchsetzen könnte, kommen, ist daher bereits wegen\nder nur geringfügigen rechnerischen Unterschiede der verschiedenen\nHerangehensweisen nur von geringer Überzeugungskraft. Zudem muss beachtet\nwerden, dass das beklagte Land gar nicht vor hat, in Folge der Verteilung der\nStunden nach den Regeln des LPK schulartübergreifende Versetzungsmaßnahmen\ndurchzuführen. Diese wären selbst bei größeren rechnerischen Abweichungen\nzwischen den Schularten der Schulartgruppe 2 auch nicht zwingend erforderlich,\nda man durch die jeweils mehreren Fächer, die die Lehrkräfte im Regelfall\nunterrichten können, jede Menge Flexibilität hat, um auf unterschiedliche\nkonkrete Bedarfe an konkreten Schulen zu reagieren. Und selbst wenn es damit\nnicht gelingt, den notwendigen Unterricht abzudecken, verbleibt immer noch die\nMöglichkeit der regionalen (Teil-)Abordnung der Lehrkräfte innerhalb ihrer\nSchulart, oder letztlich auch die Möglichkeit des vorübergehenden fachfremden\nEinsatzes einzelner Lehrer.\n\n128\n\n \n\nAber selbst dann, wenn man in den rechnerischen Unterschieden zwischen einer\nschulartbezogenen und einer schulartübergreifenden Ermittlung der\nfächerbezogenen Bedarfsquote mehr als eine zu vernachlässigende Größe\nerblicken würde, muss festgestellt werden, dass es für die\nschulartübergreifende Verteilung der verbleibenden Unterrichtsstunden auch\nsachliche Gründe gibt. Diese sind zwar vom beklagten Land nicht vorgetragen,\nsie liegen jedoch auf der Hand. Zum einen wird dadurch eine\nPrognoseunsicherheit ausgeschaltet, die sich daraus ergeben würde, dass man\ndie Schulwahlentscheidung der Eltern und Kinder beim Übergang von der\nGrundschule bzw. der Orientierungsstufe in die weiterführenden Schulen nur\nbegrenzt vorhersagen kann. Zum anderen wird durch die schulartübergreifende\nVerteilung der Stunden einem derzeit noch nicht gewollten Wettbewerb der\nSchulen bzw. Schularten untereinander um die Schüler und um Unterricht in\nWahl- und Wahlpflichtfächern vorgebeugt.\n\n129\n\n \n\ncc) Auch der im Rahmen des LPK verabredete Einstellungskorridor führt nicht zu\neiner gleichheitswidrigen Benachteiligung des Klägers.\n\n130\n\n \n\nAus Ziffer 1.3 des beiderseits unterzeichneten Lehrerpersonalkonzepts\n(Informationsbroschüre 6 S. 9) ergibt sich, dass das beklagte Land berechtigt\nsein soll, jährlich 170 Neueinstellungen vorzunehmen, mit dem Lehrermangel in\nMangelfächern ausgeglichen werden soll, und der Berufsanfängern eine\nAnstellungschance geben soll.\n\n131\n\n \n\nDer Kläger vertritt dazu die Auffassung, solange das beklagte Land Lehrkräfte\neinstelle, die genau seine oder jedenfalls eine teilweise gleiche\nFächerkombination hätten, sei es nicht berechtigt, seine Arbeitszeit durch\nÄnderungskündigung zu kürzen. Es ist bereits oben hervorgehoben worden, dass\ndiese Argumentation nicht tragfähig ist, da der Kläger nicht wegen des\nRückgangs der Arbeitsmenge gekündigt worden ist, sondern zum Zwecke der\ngleichmäßigen Verteilung des Stundenvolumens.\n\n132\n\n \n\nGleichwohl berühren die Neueinstellungen die Systemgerechtigkeit der Regeln\nzur Verteilung des verbleibenden Unterrichtsbedarfs. Eine gleichheitswidrige\nBenachteiligung der Lehrkräfte ergibt sich aus dem vereinbarten\nEinstellungskorridor gleichwohl nicht.\n\n133\n\n \n\nDas hängt in erster Linie mit der Dimension des Einstellungskorridors\nzusammen, der weit unterhalb des durchschnittlichen Personalverlusts durch\nnatürliche Fluktuation liegt. Genaue Zahlen sind hierzu zwar nicht\nvorgetragen. Der Größenordnung nach lassen sie sich jedoch aus bekannten\nUmständen erschließen.\n\n134\n\n \n\nWenn man davon ausgeht, dass die Arbeitsverhältnisse des beklagten Landes zur\nLehrerschaft im Durchschnitt 35 Berufsjahre andauern, was ein aus der Sicht\nder Lehrer sehr optimistischer Wert ist, ergibt sich eine jährliche natürliche\nPersonalfluktuation in Höhe von rund 3 Prozent (100 : 35 = 2,857 Prozent). Zu\nBeginn des Lehrerpersonalkonzepts Mitte der 90er Jahre standen grob gerechnet\nnoch 20.000 Lehrkräfte unter Vertrag, es war also mit einer natürlichen\nFluktuation in der Größenordnung von 600 Lehrkräften (3 Prozent von 20.000)\npro Jahr zu rechnen. Im Endeffekt soll die Zahl der Lehrkräfte auf etwa 9.000\nStellen abgebaut werden; dann wird die natürliche Fluktuation also auf etwa\n270 Personen pro Jahr abgesunken sein (3 Prozent von 9.000). Damit kann aber\nfestgehalten werden, dass der Personalverlust durch die natürliche Fluktuation\nüber die gesamte Laufzeit des LPK stets wesentlich größer sein wird, als die\nverabredeten Neueinstellungen. Unter Außerachtlassung der - noch nicht\nangebrochenen - letzten Jahre der Laufzeit des LPK wird die Gesamtzahl der\nNeueinstellungen immer noch weniger als die Hälfte der Abgänge durch die\nnatürliche Fluktuation umfassen. Umgekehrt ausgedrückt wird mehr als die\nHälfte der Abgänge durch die natürliche Fluktuation dafür genutzt, die\nTeilzeitquoten der Lehrer in Teilzeit zu stabilisieren.\n\n135\n\n \n\nDaher ist der Einstellungskorridor im Umfang von jährlich 170 Stellen\nangesichts des schulpolitischen Interesses an einer halbwegs ausgewogenen\nAltersstruktur innerhalb der Lehrerschaft und angesichts der beruflichen\nNeueinsteiger, die auf eine Anstellung hoffen, insgesamt noch als ausgewogen\nanzusehen. Dies ist auch in der bisherigen Rechtsprechung des\nLandesarbeitsgerichts bereits anerkannt worden (vgl. dazu das Grundsatzurteil\nder erkennenden Kammer vom 18.10.2001 - 1 Sa 75/01 - auf juris.de\nveröffentlicht, dort RN. 116 mit weiteren Nachweisen; so auch die 2. Kammer\nmit Urteilen vom 25.09.2003 - 2 Sa 210/03 - sowie vom 15.09.2004 - 2 Sa 58/04\n- beide nicht, auch nicht auf juris.de, veröffentlicht).\n\n136\n\n \n\nc) Handwerkliche Fehler bei der Anwendung der Verteilungsregeln sind wohl\nnicht zu beobachten.\n\n137\n\n \n\naa) In dem Zusammenhang kann offen bleiben, ob der Kläger verlangen könnte,\ndass für die Ermittlung der für ihn gültigen persönlichen Teilzeitquote die\nder Verteilung zu Grunde liegenden Daten auf den Tag des Ausspruchs der\nÄnderungskündigung im Juni 2005 bzw. 2006 fortgeschrieben werden. Denn auch\nbei Fortschreibung der Planungsdaten ergeben sich keine veränderten\nTeilzeitquoten.\n\n138\n\n \n\nFür 2005 hat der Kläger dies selbst nicht vorgetragen. Im Vorlauf zu seiner 2.\nÄnderungskündigung vom 30.6.2006 gab es allerdings einige Veränderungen der\nzugrundeliegenden Daten. Die Veränderungen wirken sich aber nicht so aus, dass\ndie Teilzeitquote erhöht werden könnte oder müsste.\n\n139\n\n \n\nDa im April 2006 bei der Datenerhebung noch unbekannt war, dass Herr T. in das\nSchulamt Neubrandenburg kommen sollte, ist diese Lehrkraft bei der Bildung der\nfächerspezifischen Bedarfsquote nicht berücksichtigt worden. Zwischenzeitlich\nwar dann vorgesehen, dass Herr T. dem Schulamt zugeteilt wird, was bei\nBerücksichtigung rechnerisch zu einer Verschlechterung der Bedarfsquote\ngeführt hätte; solche nachträglichen Kürzungen werden jedoch grundsätzlich\nnicht durch abermalige Vertragsänderungen nachvollzogen. Da Herrn T. dann\nSonderurlaub bewilligt wurde, wurden die Planungsdaten aus April 2006\nnachträglich wieder aktuell; ein Zusatzbedarf an Lehrkräften lässt sich daraus\nnicht erschließen.\n\n140\n\n \n\nDass sich das Sportgymnasium in Neubrandenburg nach Abschluss der Planungen im\nApril 2006 dann im Mai noch entschlossen hatte, ebenfalls künftig\nSpanischunterricht anbieten zu wollen, hat in der Summe auch nicht zu einer\nBedarfsveränderung geführt, da der geplante Unterricht an der KGS Friedland\nnicht zustande kam, und an der Schule des Klägers einzelne Spanischkurse\ngestrichen wurden; dadurch wurde der Mehrbedarf des Sportgymnasiums nahezu\nausgeglichen; die verbleibende Differenz von 3 Unterrichtsstunden rechtfertigt\njedenfalls keine Abänderung der Teilzeitquoten.\n\n141\n\n \n\nbb) Ob das beklagte Land allerdings die Grenzen des Einstellungskorridors zu\nLasten des Klägers überdehnt hat, soll hier bewusst offen gelassen werden.\n\n142\n\n \n\nDas Lehrerpersonalkonzept enthält neben der Begrenzung der maximal möglichen\njährlichen Neueinstellungen auf 170 und dem Hinweis auf die Mangelfächer und\nden beruflichen Nachwuchs keine weiteren Regelungen, die das beklagte Land bei\nNeueinstellungen im Rahmen des Korridors zu beachten hätte. Gleichwohl muss\ndas beklagte Land bei seinen Einstellungsentscheidungen das Interesse der\nunter Vertrag stehenden Lehrkräfte - Stabilisierung der Teilzeitquoten auf\neinem möglichst hohen Niveau - mit berücksichtigen. Unter diesem Gesichtspunkt\nist es zumindest auffällig, dass in zwei Schuljahren hintereinander die an\nsich ja gewollte Verringerung der für den Spanischunterricht zur Verfügung\nstehenden Lehrkräfte dadurch verhindert wurde, dass in beiden Schuljahren\njunge Kolleginnen neu eingestellt wurden obwohl bekannt war, dass der Bedarf\nauch im Schulfach Spanisch rückläufig ist.\n\n143\n\n \n\nKäme es nur auf die Verhältnisse im Fach Spanisch an, hätte die erkennende\nKammer jedenfalls in der 2. Neueinstellung zum Schuljahr 2006/2007 eine\ndeutliche Überdehnung des Spielraums des beklagten Landes erblickt, denn wenn\nman nur auf die 13 Lehrkräfte abgestellt, würde man nach der oben angenommenen\ntypischen beruflichen Karriere als Lehrer beim beklagten Land mit 35\nBerufsjahren allenfalls alle 3 Jahre eine Neueinstellung benötigen, um die\nnatürliche Fluktuation unter den Lehrern ausgleichen zu können. Da man hier\nsogar Personal abbauen will, müsste sich der Zeitraum zwischen mehreren\nEinstellungen sogar noch vergrößern.\n\n144\n\n \n\nEin endgültiges Urteil in diesem Punkt hätte jedoch eine umfassende\nBetrachtung auch der Situation in den anderen Unterrichtsfächern der beiden\njungen Kolleginnen erfordert. Diese wäre nur nach nochmaliger Gewährung\nrechtlichen Gehörs zu dieser Frage möglich gewesen. Da das Gericht seine\nEntscheidung auch auf andere Gesichtspunkte stützen kann, war eine darauf\ngestützte Vertagung nicht angezeigt.\n\n145\n\n \n\n2\\. Beiden Kündigungen fehlt dennoch die soziale Rechtfertigung, da es eine\nmildere Alternative zu den ausgesprochenen Änderungskündigungen gegeben hätte,\nnämlich die Änderungskündigung mit dem Ziel, dem Kläger trotz seiner Ablehnung\nder Vertragsänderung im Vertragsgespräch im Mai 2005 die volle Teilnahme am\nLPK durch Abschluss eines Grundvertrages zur Maßnahme flexible Teilzeitarbeit\nanzubieten.\n\n146\n\n \n\na) Der Maßstab für die Prüfung, ob der Arbeitnehmer die angetragenen\nÄnderungen billigerweise zugemutet werden können, ist das\nVerhältnismäßigkeitsprinzip. Die tatsächlich angebotene Vertragsänderung ist\ndanach unverhältnismäßig, wenn es eine Alternative gegeben hätte, die ebenso\ngeeignet wäre, das vom Arbeitgeber mit der Änderungskündigung verfolgte Ziel\nzu verwirklichen, die jedoch den Arbeitnehmer weniger hart getroffen hätte.\n\n147\n\n \n\nb) Wie bereits mehrfach hervorgehoben verfolgt das beklagte Land mit beiden\nstreitgegenständlichen Kündigungen das Ziel, die Teilzeitquote im\nArbeitsverhältnis der Parteien der Quote anzupassen, die für die Teilnehmer an\nder Maßnahme der flexiblen Teilzeitarbeit gilt.\n\n148\n\n \n\nDieses Ziel könnte das beklagte Land in gleicher Weise erreichen, wenn es dem\nKläger im Rahmen der Änderungskündigung den Abschluss eines Grundvertrages auf\nBasis des LPK angeboten hätte.\n\n149\n\n \n\nDas Angebot zum Abschluss eines Grundvertrages auf Basis des LPK wäre für den\nKläger auch milder gewesen als die tatsächlich ausgesprochene\nÄnderungskündigung zur Absenkung der Teilzeitquote auf das Maß, das sich aus\nGrund- und X-Vertrag für teilnehmende Lehrer ergibt.\n\n150\n\n \n\naa) Mit dieser Feststellung weicht die erkennende Kammer von der bisherigen\nRechtsprechung des Landesarbeitsgerichts ab.\n\n151\n\n \n\nDie erkennende Kammer ist zwar in dem Grundsatzurteil vom 18.10.2001 (- 1 Sa\n75/01 - auf juris.de veröffentlicht) von der Vorstellung ausgegangen, man\nkönne die nicht teilnehmenden Lehrkräfte im Wege einer Änderungskündigung zur\nTeilnahme an der Maßnahme flexible Teilzeitarbeit zwingen, denn die Kammer hat\ndies als die mildere Alternative zu der seinerzeit streitigen\nBeendigungskündigung gegenüber einer nicht teilnehmenden Lehrkraft angesehen\nund der Kündigung mit diesem Argument die Wirksamkeit versagt. Allerdings war\ndamit aufgrund des seinerzeitigen Streitgegenstandes nicht die Aussage\nverbunden, die per Änderungskündigung erzwungene Teilnahme an der flexiblen\nTeilzeitarbeit sei stets und immer die mildeste Alternative, der auch im\nVerhältnis zu einer Änderungskündigung zur bloßen Stundenabsenkung - wie hier\nvorliegend - der Vorrang gebührt.\n\n152\n\n \n\nDer in dem Grundsatzurteil vom 18.10.2001 aufgezeigte Weg ist in der Folgezeit\nvom beklagten Land nicht aufgegriffen worden. Vielmehr ist das beklagte Land\nin der Folgezeit dazu übergegangen, den nicht teilnehmenden Lehrern\nÄnderungskündigungen der hier streitigen Art auszusprechen, mit der lediglich\ndas Stundenmaß dem Stundenmaß der teilnehmenden Lehrer angeglichen wird, die\nstrikte Trennung zwischen Teilnehmern und Nichtteilnehmern jedoch aufrecht\nerhalten bleibt. Diese Art von Änderungskündigungen hat das\nLandesarbeitsgericht in der Folgezeit als sozial gerechtfertigt angesehen.\n\n153\n\n \n\nDies ist erstmals in dem Urteil der erkennenden Kammer vom 12.09.2002 (- 1 Sa\n345/01 - auf juris.de veröffentlicht) anerkannt worden, das zwischen den\nselben Parteien ergangen ist, wie das Urteil vom 18.10.2001 a. a. O.. Weitere\nÜberlegungen zur Frage, ob diese Änderungskündigung oder eine\nÄnderungskündigung zur Erzwingung der vollständigen Teilnahme am LPK milder\ngewesen wäre, hatte die Kammer seinerzeit nicht angestellt, da der\nseinerzeitige Kläger die damit verbundenen Arbeitsbedingungen "in den\nVorprozessen als rechtswidrig und unzumutbar qualifiziert" habe, es also\nsinnlos gewesen wäre, ihm abermals im Rahmen der Änderungskündigung ein\nsolches Angebot zu unterbreiten.\n\n154\n\n \n\nDieser Rechtsprechung haben sich die 2. Kammer (03.07.2003 - 2 Sa 62/03 - und\n25.09.2003 - 2 Sa 210/03 - beide allerdings zum Grundschulbereich sowie\n15.09.2004 - 2 Sa 58/04) und die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts (Urteile\nvom 02.12.2003 - 5 Sa 280/03 und 5 Sa 281/03 sowie 30.03.2004 - 5 Sa 251/03 -\nund 11.01.2005 - 5 Sa 459/03) angeschlossen. Die 3. Kammer hat sich zunächst\nim Ergebnis und in der Argumentation stark an die 2. Kammer angelehnt (Urteile\nvom 06.01.2004 - 3 Sa 211/03 und 3 Sa 209/03), hat später jedoch grundlegende\nBedenken geäußert, über die nicht entschieden werden musste, da die Kündigung\nwegen Beteiligungsfehlern nach dem Landespersonalvertretungsgesetz als\nunwirksam erachtet wurde (25.04.2004 - 3 Sa 245/03 - alle in diesem Absatz\nzitierten Urteile sind nicht, auch nicht auf juris.de, veröffentlicht).\n\n155\n\n \n\nMit den bisherigen Gründen kann diese Rechtsprechung nicht aufrecht erhalten\nwerden.\n\n156\n\n \n\nNachdem das BAG inzwischen entschieden hat, dass der Arbeitgeber auch nach\neinem vergeblichen Vertragsgespräch die im Gespräch vom Arbeitnehmer\nabgelehnten Änderungen bis auf Ausnahmen in "Extremfällen" im Wege der\nÄnderungskündigung anbieten muss (BAG 21.04.2005 - 2 AZR 132/04 - BAGE 114,\n243 = AP Nr. 79 zu § 2 KSchG 1969 = NZA 2005, 1289), lässt sich mit der\nArgumentation der 1. Kammer aus dem Urteil vom 12.09.2002 die Stellungnahme\nzur Frage, welche der beiden Änderungskündigungen milder ist, nicht mehr\nvermeiden.\n\n157\n\n \n\nDie 5. Kammer ist bei ihren Urteilen zunächst von der falschen Vorstellung\nausgegangen, das beklagte Land ermögliche den nicht teilnehmenden Lehrkräften\nauf Wunsch auch noch nachträglich und vorbehaltlos die Teilnahme. Es kann\ndahinstehen, ob diese Vorstellung seinerzeit noch den Tatsachen entsprach,\ndenn jedenfalls ist inzwischen gerichtsbekannt, dass das beklagte Land im Mai\n2004 die Grundsatzentscheidung getroffen hat, nunmehr keine nachträgliche\nTeilnahme mehr zu ermöglichen.\n\n158\n\n \n\nDie 5. Kammer hat in ihren Entscheidungen (02.12.2003 - 5 Sa 280/03 und 281/03\nund spätere) in der Sache den Standpunkt vertreten, die Änderungskündigung zur\nbloßen Stundenreduzierung sei gegenüber der Änderungskündigung zur Erzwingung\nder Teilnahme am LPK milder, weil bei Unterwerfung unter das LPK die Lehrkraft\ndem beklagten Land "ein jährlich neu auszuübendes Bestimmungsrecht über den\nUmfang der Zusammenarbeit" einräumen müsse, das "nur eingeschränkt gerichtlich\nüberprüfbar" sei. Bei Lichte betrachtet übt das beklagte Land freilich kein\nBestimmungsrecht aus, sondern es bietet den Abschluss eines befristeten\nVertrages an (X-Vertrag). Unabhängig von dieser Ungenauigkeit dürfte die von\nder 5. Kammer vorgenommene Bewertung aber auch aufgrund der weiteren\nEntwicklung der Rechtsprechung des BAG inzwischen überholt sein. Denn das BAG\nhat zunächst für ein ähnliches Beschäftigungssicherungskonzept für die\nLehrerschaft im Lande Brandenburg entschieden, dass der Einsatz der\nbefristeten Zusatzverträge nicht rechtswidrig sei; es liege insbesondere keine\nunangemessene Benachteiligung der unterworfenen Lehrkräfte im Sinne von § 307\nBGB vor (BAG 27.07.2005 - 7 AZR 486/04 - BAGE 115, 274 = AP Nr. 6 zu § 307 BGB\n= NZA 2006, 40). Diese Rechtsprechung hat das BAG sodann zunächst auf die\nVerhältnisse in Sachsen (BAG Urteil vom 18.01.2006 - 7 AZR 191/05 - EzA § 307\nBGB 2002 Nr. 13 = AP Nr. 8 zu § 305 BGB) und später auch auf die Verhältnisse\ndes Lehrerpersonalkonzepts in Mecklenburg-Vorpommern übertragen (BAG Urteil\nvom 3. April 2007 - 9 AZR 283/06 - AP Nr. 21 zu § 2 BAT SR 2l = EzTöD 200 § 44\nNr. 2 TV-L Nr. 4). Der Sache nach hat die erkennende Kammer dies bereits im\nUrteil vom 18.10.2001 - 1 Sa 75/01 - (a. a. O.) freilich ohne Bezug auf den\nseinerzeit noch nicht in Kraft getretenen § 307 BGB - ebenso gesehen.\n\n159\n\n \n\nbb) Für den Vergleich der beiden in Rede stehenden Änderungskündigungen sind\ndie damit verbundenen Vor- und Nachteile gegenüber zu stellen.\n\n160\n\n \n\nDie Änderungskündigung zur Erzwingung der Teilnahme an der flexiblen\nTeilzeitarbeit nach LPK würde tiefer in den bisherigen Arbeitsvertrag des\nKlägers eingreifen, denn das Arbeitsverhältnis würde in ein\nTeilzeitarbeitsverhältnis mit einer Teilzeitquote von 66 Prozent (18 von 27\nStunden) umgewandelt, während dem Kläger mit den hier streitigen\nÄnderungskündigungen eine höhere Stundenzahl (20 bzw. 25 von 27) angeboten\nwurde.\n\n161\n\n \n\nDer Unterschied in der Anzahl der Stunden reduziert sich jedoch auf Null, wenn\nman mit berücksichtigt, dass der Kläger nach den Regeln des LPK einen Anspruch\nauf den zusätzlichen Abschluss des befristeten X-Vertrages hat, mit dem sein\nStundenmaß für 12 Monate genau auf das Maß angehoben worden wäre, das er mit\nden beiden hier streitgegenständlichen Änderungskündigungen erhalten sollte.\n\n162\n\n \n\nDer verbleibende Unterschied zwischen beiden Konzepten zeigt sich daher erst\nim Vorlauf zum danach folgenden Schuljahr. Während der Kläger als Teilnehmer\nsozusagen als Bittsteller für einen neuen X-Vertrag dastehen würde, hat er als\nNichtteilnehmer einen voll gültigen Arbeitsvertrag über die gesamte Höhe von\nGrund- und X-Vertrag, der nur durch eine erneute Änderungskündigung an die\ndann gültigen Parameter angepasst werden kann.\n\n163\n\n \n\nDiesem Vorteil stehen gravierende Nachteile als Nichtteilnehmer gegenüber.\nDenn die nicht teilnehmenden Lehrkräfte stehen nach wie vor außerhalb des\nLehrerpersonalkonzepts. Sie sind daher nicht vor weiteren Kündigungen\ngesichert, auch wenn die tatsächliche Bedarfquote unter die im LPK garantierte\nMindestbeschäftigungsquote in Höhe von 66 Prozent rutscht, was derzeit bereits\nin manchen Fächerkombinationen und Schulämtern zu beobachten ist (vgl. zum\nBeispiel nur das noch nicht entschiedene Verfahren 5 Sa 147/07 mit denselben\nProzessbevollmächtigten auf beiden Seiten). Außerdem möchte das beklagte Land\nbei einem nachhaltigen Anstieg der Schülerzahlen oder jedenfalls bei der\nErmittlung besserer Bedarfsquoten in der Zukunft den dadurch ermöglichten\nerweiterten Beschäftigungsumfang ausschließlich den teilnehmenden Lehrkräften\nzukommen lassen. Letztlich ist noch hervorzuheben, dass das beklagte Land\nderzeit die nicht teilnehmenden Lehrer bewusst von der Vergabe weiterer\nStunden ausschließt, die während des laufenden Schuljahres wegen nicht\ngeplanter Veränderungen (Krankheit, Elternzeit usw.) zugeteilt werden müssen\n(sog. "Y-Verträge"). Das zeigt sich auch an der Einflussnahme des Schulamtes\nbei der Frage, ob dem Kläger die Erteilung des ausfallenden Spanisch-\nUnterrichts an seiner Schule übertragen werden könnte.\n\n164\n\n \n\nIn der notwendigen bewertenden Gesamtbetrachtung überwiegen die Nachteile der\nhier streitigen Änderungskündigung den einzigen Vorteil bei weitem. Die\nausgesprochenen Änderungskündigungen greifen zwar nicht so stark in das\nVertragsgefüge ein wie die Änderungskündigung zur Erzwingung der Teilnahme am\nLPK. Mit den Garantien und Versprechungen aus dem LPK würde sich der Kläger\naber insgesamt besser stellen. Daher ist die Änderungskündigung zur Erzwingung\nder vollständigen Teilnahme am LPK die mildere Maßnahme gegenüber den beiden\nstreitgegenständlichen Änderungskündigungen.\n\n165\n\n \n\nDabei muss auch hervorgehoben werden, dass der Rechtsstatus des Teilnehmers\nbei der Vergabe der X-Verträge bei Lichte betrachtet selbstverständlich nicht\nder eines Bittstellers ist, wie das oben bildhaft ausgedrückt wurde. Denn auch\ndem teilnehmenden Lehrer bleibt es unbenommen, den ihm angetragenen X-Vertrag\nauf seine Rechtmäßigkeit kontrollieren zu lassen. Dazu hat die 2. Kammer des\nLandesarbeitsgerichts bereits zutreffend ausgeführt, man könne einen\nteilnehmenden Lehrer nicht deshalb wie ein Nichteilnehmer behandeln, nur weil\ner den X-Vertrag unter Vorbehalt unterzeichnet hat, weil er der Auffassung\nwar, dass die Bedarfsquote in seinem Fach falsch berechnet worden sei; ein\nsolches Vorgehen verstoße gegen § 612a BGB (Urteil vom 08.03.2005 - 2 Sa\n354/04 - auf juris.de veröffentlicht). Der Gedanke ist zu verallgemeinern.\nJeder teilnehmende Lehrer kann, wenn er den X-Vertrag für falsch berechnet\nhält, ihn mit dem Vorbehalt der Übereinstimmung mit den Grundsätzen für die\nVerteilung der Unterrichtsstunden nach dem LPK unterzeichnen. Das beklagte\nLand ist dann gezwungen, diesen Vorbehalt zu akzeptieren und sich einer\ngerichtlichen Auseinandersetzung um das richtige Maß des X-Vertrages\nkonstruktiv zu stellen.\n\n166\n\n \n\ncc) Die Änderungskündigung auf das Stundenmaß, das sich aus dem LPK ergibt,\nohne gleichzeitig die Vorteile des LPK zu gewähren, verstößt zudem gegen den\narbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, den der Arbeitgeber auch beim\nAusspruch von Änderungskündigungen zu beachten hat; ein Änderungsangebot, das\ndem Gleichbehandlungsgrundsatz widerspricht, ist unverhältnismäßig (BAG\n03.07.2003 - 2 AZR 617/02 - BAGE 107, 56 = AP Nr. 73 zu § 2 KSchG 1969 = DB\n2004, 655).\n\n167\n\n \n\nDer arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die sachfremde\nSchlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in\nvergleichbarer Lage. Sachfremd ist eine Differenzierung, wenn es für die\nunterschiedliche Behandlung keine billigenswerten Gründe gibt, wenn also für\neine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die Regelung als\nwillkürlich anzusehen ist. Im Bereich der Vergütung gilt der\nGleichbehandlungsgrundsatz zwar nur eingeschränkt, weil der Grundsatz der\nVertragsfreiheit Vorrang hat. Anders ist dies aber, wenn der Arbeitgeber die\nLeistung nach einem allgemeinen Prinzip gewährt, indem er bestimmte\nVoraussetzungen oder Zwecke festlegt. Von einer solchen Regelung darf er\nArbeitnehmer nur aus sachlichen Gründen ausschließen (st. Rspr. vgl. BAG 25.\nApril 2001 - 5 AZR 368/99 - BAGE 97, 350; vgl. dazu auch LAG Mecklenburg-\nVorpommern Urteil vom 27.02.2008 - 2 Sa 259/07 auf juris.de veröffentlicht).\nEin Arbeitgeber, der nach einem selbstgesetzten System vergütet, muss dabei\nVerteilungsgerechtigkeit üben, weil ein System stets den gedanklichen\nZusammenhang mit anderen Tatbeständen und anderen Arbeitnehmern und damit\nVergleichbarkeit herstellt (BAG 03.07.2003 a. a. O. unter Berufung auf\nWiedemann Die Gleichbehandlungsgebote im Arbeitsrecht 2001 S. 20 f.).\n\n168\n\n \n\nDiese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall anwendbar. Die Parteien\nstreiten zwar nicht um die Vergütung. Das beklagte Land hat jedoch durch das\nLPK ein System zur Verteilung von Einkommenschancen geschaffen, das ähnlich\nweitreichende Auswirkungen auf die Arbeitnehmer hat, wie ein System der\nVergütung.\n\n169\n\n \n\nDas beklagte Land verlangt durch die Änderungskündigungen vom Kläger, sich der\nSolidarität zu unterwerfen und zu Gunsten einer gleichmäßigen Verteilung der\nvorhandenen Arbeit auf eigene Einkommenschancen aus dem Arbeitsverhältnis zu\nverzichten ohne ihn an den Ausgleichsmechanismen teilhaben zu lassen, die für\ndieses Opfer im LPK vorgesehen sind. Die Weigerung des Klägers im\nVertragsgespräch im Vorlauf zur Kündigung aus Mai 2005, sich freiwillig am LPK\nzu beteiligen, ist kein ausreichender Grund, der die vom beklagten Land\nvorgenommene Differenzierung rechtfertigen könnte. Im Gegenteil, die\nVerweigerung der freiwilligen Teilnahme wäre sogar ein zusätzliches Argument\ngewesen, dem Kläger nunmehr im Wege der Änderungskündigung die zunächst\nabgelehnten Änderungen zu unterbreiten, damit dem Kläger die Chance eingeräumt\nwird, gerichtlich klären zu lassen, ob für seine außergerichtliche Weigerung\nder Vertragsanpassung ausreichend Gründe gegeben sind. Dies gilt\nselbstverständlich auch für die Kündigung vom 30.06.2006, zu der es im Vorfeld\nnicht einmal mehr ein Vertragsgespräch zur Anpassung des Arbeitsverhältnisses\nan die Regeln des LPK gegeben hat.\n\n \n\nC.\n\n170\n\n \n\nDa die Kündigungen bereits aus den dargestellten Gründen nicht wirksam sind,\nkommt es auf die weiteren Argumente des Klägers insbesondere auf den Vorwurf\ndes Verstoßes gegen § 612a BGB nicht an.\n\n171\n\n \n\nDa die Kündigungen nicht wirksam geworden sind und damit der Kläger bereits\nmit seinen Hauptanträgen obsiegt, fällt der zur Kündigung vom 30.06.2006\nhilfsweise gestellte Antrag auf Wiedereinstellung nicht zur Entscheidung an.\n\n \n\nD.\n\n172\n\n \n\nDie vorgenommene Kostenteilung ergibt sich aus § 92 ZPO und entspricht den\nWerten der Streitgegenstände, mit denen die Parteien jeweils unterliegen. Da\nbeide Kündigungen zeitlich weit auseinander liegen, hat das Gericht für beide\nKündigungen den Wert von drei Gehältern zu Grunde gelegt. Der\nWeiterbeschäftigungsanspruch ist mit insgesamt einem weiteren Gehalt in die\nBewertung eingeflossen.\n\n173\n\n \n\nDas Gericht hat die Revision für das beklagte Land wegen der grundsätzlichen\nBedeutung der Rechtssache (§ 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG) zugelassen. Zur Zulassung\nder Revision für den Kläger besteht kein Anlass.\n\n
104,898
lsgsh-2008-03-05-l-4-ka-707
1,068
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
lsgsh
Schleswig-Holstein
Sozialgerichtsbarkeit
L 4 KA 7/07
2008-03-05
2018-11-24 07:30:11
2019-02-14 07:04:38
Beschluss
ECLI:DE:LSGSH:2008:0305.L4KA7.07.0A
#### Tenor\n\n \n\nDer Streitwert wird für das Klageverfahren in Abänderung des Beschlusses des\nSozialgerichts vom 26. Januar 2007 und für das Berufungsverfahren auf\n20.488,00 EUR festgesetzt.\n\n#### Gründe\n\n1\n\n \n\nIm Berufungsverfahren hat der Kläger sein Ziel weiterverfolgt, höhere Honorare\nfür die Quartale III/03 bis II/04 auf der Grundlage höherer individueller\nPunktzahlvolumina (IPZV) auch über einen Härtefallantrag zu erhalten.\n\n2\n\n \n\nRechtsgrundlage für die - Änderung der - Streitwertfestsetzung ist § 197a Abs.\n1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 1 Nr. 4, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1\nGerichtskostengesetz (GKG).\n\n3\n\n \n\nNach § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des\nKlägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.\nAbgestellt wird dabei auf das wirtschaftliche Interesse des Klägers an der\nangestrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen.\n\n4\n\n \n\nDas im Berufungsverfahren weiterverfolgte Begehren ist gerichtet auf ein\nhöheres Honorar durch Festlegung eines höheren individuellen Punktzahlvolumens\n(IPZV) sinngemäß mit dem Ziel, dass die bis zum Fachgruppendurchschnitt der\nInternisten erbrachten ärztlichen Leistungen mit einem Punktwert in Höhe des\nZielpunktwertes von 4,5 Cent vergütet werden.\n\n5\n\n \n\nNach der von der Beklagten im Januar 2007 überreichten Aufstellung (Bl. 55 GA)\nüber die Entwicklung der individuellen Punktzahlvolumina sowie der Honorare im\nVergleich zum Fachgruppendurchschnitt für die Quartale III/03 bis II/04 ergibt\nsich Folgendes: Quartal III/03 Fachgruppendurchschnitt 779.419 Punkte, IPZV\ndes Klägers 666.037 Punkte, Mehrleistungen 435.835 Punkte, davon bis zum\nFachgruppendurchschnitt 113.382 Punkte; Quartal IV/03 Fachgruppendurchschnitt\n828.581 Punkte, IPZV des Klägers 675.521 Punkte, Mehrleistungen 403.188\nPunkte, davon bis zum Fachgruppendurchschnitt 153.060 Punkte; Quartal I/04\nFachgruppendurchschnitt 895.701 Punkte, IPZV des Klägers 738.864 Punkte,\nMehrleistungen 357.941 Punkte, davon bis zum Fachgruppendurchschnitt 156.837\nPunkte; Quartal II/04 Fachgruppendurchschnitt 839.071 Punkte, IPZV des Klägers\n801.948 Punkte, Mehrleistungen 324.972 Punkte, davon bis zum\nFachgruppendurchschnitt 37.123 Punkte.\n\n6\n\n \n\nDie Gesamtsumme der erbrachten Mehrleistungen bis zum Fachgruppendurchschnitt\nbeträgt damit 460.402 Punkte (113.382 + 153.060 + 156.837 + 37.123 = 460.402)\n\n7\n\n \n\nSein wirtschaftliches Ziel ist demnach darauf gerichtet, für die sein IPZV\nübersteigenden erbrachten Mehrleistungen bis zur Höhe des\nFachgruppendurchschnitts höheres Honorar in Höhe der Vergütungen für\nReferenzleistungen zu erhalten, also für Leistungen mit 460.402 Punkten.\n\n8\n\n \n\nDer Senat wendet für die Streitwertbemessung den Zielpunktwert von 4,5 Cent\nan, obwohl ihm bewusst ist, dass der tatsächliche Punktwert in den streitigen\nQuartalen jeweils unter dem Zielpunktwert lag und auch nach Kassenarten\ndifferierte. Dem Senat ist zudem bewusst, dass der Auszahlungspunktwert noch\nweiter unter dem Zielpunktwert liegen müsste, wenn, dem Begehren des Klägers\nentsprechend, die das IPZV des Klägers übersteigenden Leistungen mit dem\nZielpunktwert abgerechnet würden. Bei der Berechnung des Streitwerts, zumal in\neinem auf Neubescheidung gerichteten Verfahren, ist jedoch eine\npauschalierende Betrachtung angemessen, wobei hier auch berücksichtigt ist,\ndass von dem Kläger unter anderem auch das Nichterreichen des Zielpunktwerts\ngerügt worden ist.\n\n9\n\n \n\nVon dem Zielpunktwert von 4,5 Cent ist die von dem Kläger angegebene Vergütung\nmit dem Mehrleistungspunktwert von 0,05 Cent abzuziehen, so dass für die\nweitere Berechnung ein Punktwert von 4,45 Cent zugrunde zu legen ist.\n\n10\n\n \n\nBei Mehrleistungen von 460.402 Punkten im Verhältnis zum\nFachgruppendurchschnitt in den vier Quartalen III/03 bis II/04 ergibt sich bei\ndem rechnerisch anzuwendenden Punktwert von 4,45 Cent ein Betrag von 20.487,89\nEUR, gerundet 20.488,00 EUR. Dieser Betrag entspricht im Rahmen der bei der\nStreitwertbemessung gebotenen pauschalierenden Betrachtung dem\nwirtschaftlichen Ziel des Klägers mit einer höheren Vergütung\n\n11\n\n \n\nfür erbrachte ärztliche Leistungen in den Quartalen III/03 bis II/04.\n\n12\n\n \n\nDieser Beschluss ist nicht anfechtbar.\n\n \n\n
105,975
vg-greifswald-2008-03-11-3-a-189805
489
Verwaltungsgericht Greifswald
vg-greifswald
Greifswald
Mecklenburg-Vorpommern
Verwaltungsgerichtsbarkeit
3 A 1898/05
2008-03-11
2018-11-24 16:30:07
2019-02-26 18:48:29
Urteil
#### Tenor\n\n \n\n1\\. Der Bescheid des Beklagten vom 09.05.2005 - ... in der Gestalt seines\nWiderspruchsbescheides vom 29.08.2005 wird aufgehoben.\n\n \n\n2\\. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.\n\n \n\n3\\. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird\nnachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der\nVollstreckungsschuld abzuwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in\ngleicher Höhe leistet.\n\n \n\n4\\. Die Berufung wird zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Beteiligten streiten über die Erhebung von Feuerwehrgebühren. Der Kläger\nbetreibt ein Fuhrunternehmen. In den Abendstunden des 10.01.2005 befuhr sein\nMitarbeiter, Herr C. V., mit einem mit Getreideschrot beladenen Sattelzug die\nBundesstraße 196 in Z., OT S., in Richtung S.. Beim Abbiegen in eine\nBuswendeschleife rutschte der Auflieger in den Graben.\n\n2\n\n \n\nBei der Bergung des Fahrzeugs kamen Fahrzeuge, Gerätschaften und Personal der\nFreiwilligen Feuerwehr der Gemeinde L-G sowie der im Rahmen der\nNachbarschaftshilfe eingesetzten Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde OB B. zum\nEinsatz.\n\n3\n\n \n\nMit Bescheid vom 09.05.2005 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger für den\nEinsatz eine Gebühr i.H.v. EUR 8.584,97 fest, wovon auf den Einsatz der\nFreiwilligen Feuerwehr L-G EUR 1.330,75 und den der Freiwilligen Feuerwehr B.\nEUR 7.254,22 entfallen. Der letztgenannte Betrag war vom Bürgermeister der\nGemeinde B. gegenüber dem Beklagten mit Bescheid vom 03.05.2005 festgesetzt\nworden. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid\nvom 29.08.2005 zurück.\n\n4\n\n \n\nAm 21.09.2005 hat der Kläger Anfechtungsklage erhoben und zu Begründung u.a.\nausgeführt, die Feuerwehrgebührensatzung sei mangels ordnungsgemäßer\nGebührenkalkulation unwirksam. Es dürften nicht die betriebswirtschaftlich\nermittelten Jahreskosten, sondern nur die Kosten des konkreten Einsatzes\nberücksichtigt werden.\n\n5\n\n \n\nDer Kläger beantragt,\n\n6\n\n \n\nden Bescheid des Beklagten vom 09.05.2005 - ... - in der Gestalt seines\nWiderspruchsbescheides vom 29.08.2005 aufzuheben.\n\n7\n\n \n\nDer Beklagten verteidigt den angegriffenen Bescheid und beantragt,\n\n8\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n9\n\n \n\nMit Beschluss vom 19.10.2007 hat das Gericht den Rechtsstreit zur Entscheidung\nauf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.\n\n10\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die\ngewechselten Schriftsätze Bezug genommen. Dem Gericht haben bei der\nEntscheidung die beim Beklagten entstandenen Verwaltungsvorgänge sowie die\nbeigezogenen Gerichtsakten des Verfahrens 3 B 1970/05 vorgelegen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n11\n\n \n\nDie zulässige Klage ist auch begründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist\nrechtswidrig und verletzt den Kläger daher in seinen Rechten, § 113 Abs. 1\nSatz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Er kann - was die Kosten der\nFreiwilligen Feuerwehr L-G angeht - weder auf die Gebührensatzung für die\nDienstleistung der Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde L-G\n(Feuerwehrgebührensatzung - FwGS L-G) vom 14.04.2003 (1.) noch auf die\nBestimmungen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 683 BGB) bzw. die §§ 70a\ni.V.m. 114 Sicherheits- und Ordnungsgesetz (SOG M-V) gestützt werden (2). Dies\ngilt auch für die Kosten der Freiwilligen Feuerwehr B. (3.). Der\nzwischenzeitlich erlassenen Neufassung der Feuerwehrgebührensatzung der\nGemeinde L-G kommt für den vorliegenden Fall keine entscheidungserhebliche\nBedeutung zu, da dieser Satzung nach den Bekundungen der Vertreter des\nBeklagten in der mündlichen Verhandlung keine Rückwirkung zukommt.\n\n12\n\n \n\n1\\. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Kommunalabgabengesetz (KAG M-V) dürfen Abgaben nur\naufgrund einer (wirksamen) Satzung erhoben werden. Die\nFeuerwehrgebührensatzung weist jedoch mangels ordnungsgemäßer\nGebührenkalkulation keine wirksamen Gebührensätze (vgl. § 4 Abs. 1 FwGS L-G\ni.V.m. dem Gebührenverzeichnis) auf. Die Satzung ist damit unvollständig\ni.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG M-V und damit insgesamt unwirksam.\n\n13\n\n \n\nDie Maßgaben des § 2 KAG M-V gelten auch für die Feuerwehrgebührensatzung.\nZwar findet sich die Ermächtigung zur Erhebung von Feuerwehrgebühren nicht im\nKommunalabgabengesetz, sondern in § 26 Abs. 2 Satz 1 Brandschutz- und\nHilfeleistungsgesetzes M-V (BrSchG). Jedoch bestimmt § 1 Abs. 4 Satz 1 zweite\nVar. KAG M-V, dass dieses Gesetz auch für Abgaben gilt, die von den in den\nAbsätzen 1 und 2 genannten Körperschaften im Bereich der Aufgaben des eigenen\nund des übertragenen Wirkungskreises aufgrund anderer Gesetze erhoben werden.\nDies trifft auf Feuerwehrgebühren zu, weil der abwehrende Brandschutz und die\nTechnische Hilfeleistung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 BrSchG zu den gemeindlichen\nAufgaben im eigenen Wirkungskreis zählen.\n\n14\n\n \n\nDie den Gebührensätzen zu Grunde liegende Gebührenkalkulation dürfte gegen §\n26 Abs. 2 Satz 1 BrSchG verstoßen. Nach dieser Vorschrift sind für andere,\nd.h. entgeltliche Einsätze und Leistungen der öffentlichen Feuerwehren die\nKosten nach allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen oder nach örtlichen\nGebührenvorschriften zu erstatten. Bei der Ermittlung dieser Kosten hat die\nGemeinde grundsätzlich die Wahl zwischen den beiden in § § 26 Abs. 2 Satz 1\nBrSchG normierten Möglichkeiten. Sie kann die Kosten entweder im einzelnen\nermitteln und die Höhe des Kostenersatzanspruches konkret berechnen oder sie\nkann in einer Satzung Pauschalbeträge festlegen, die sich allerdings der Höhe\nnach in etwa an den tatsächlichen Kosten messen lassen müssen.\n\n15\n\n \n\nAllerdings sind von § 26 Abs. 2 Satz 1 BrSchG nur die durch den konkreten\nFeuerwehreinsatz bedingten Kosten gemeint. Dies ergibt sich aus folgenden\nErwägungen: Nach § 25 Abs. 1 BrSchG haben die Gemeinden die Kosten für ihnen\nnach diesem Gesetz obliegenden Aufgaben zu tragen. Dabei sind zwei\nKostengruppen zu unterscheiden, nämlich erstens Kosten, die Folgen konkreter\nFeuerwehreinsätze sind, und zweitens Kosten, die unabhängig von den Einsätzen\nanfallen. Während zu den ersteren die tatsächlich angefallenen Personal- und\nSachkosten zählen (Kraftstoffverbrauch, Reinigung, Ersatz für verbrauchtes\nMaterial bzw. beschädigte oder unbrauchbar gewordene Geräte usw.), handelt es\nsich bei der zweiten Kostengruppe um so genannte Vorhaltekosten für die\nSachgüter, die gleichmäßig das ganze Jahr anfallen, unabhängig davon, ob es zu\nPflichteinsätzen der Feuerwehr kommt oder nicht. Auch diese Kosten sind für\nden Zeitraum, in dem kostenerstattungsfähige Einsätze gefahren werden, durch\nden Einsatz verursacht und damit grundsätzlich erstattungsfähig.\n\n16\n\n \n\nBei der Ermittlung der Vorhaltekosten ist aber zu berücksichtigen, dass § 26\nAbs. 2 Satz 1 BrSchG einen eigenständigen Kostenerstattungsanspruch enthält.\nDamit dürften die Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes auch unter\nBerücksichtigung der Verweisung in § 1 Abs. 4 KAG M-V nur insoweit anwendbar\nsein, als sie dem Charakter des Erstattungsanspruchs nicht widersprechen (OVG\nRheinland-Pfalz, Urt. v. 18.11.2004 - 12 A 11382/04, zit. nach juris; vgl.\nauch Siemers in: Aussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand 05/07, § 6 Anm. 20).\nJedenfalls ein vollständiger Rückgriff auf die Bestimmungen für die\nKalkulation einer Benutzungsgebühr in § 6 KAG M-V dürfte daher ausgeschlossen\nsein. . Hiernach wäre die Kalkulation bereits deshalb fehlerhaft, weil der\nAbschreibung der Kosten des Löschfahrzeugs TSF-W der volle Anschaffungspreis\nvon EUR 94.169,92 zu Grunde gelegt worden ist, obwohl sich der gemeindliche\nAnteil daran auf nur EUR 12.340,64 beläuft.\n\n17\n\n \n\nDies bedarf vorliegend jedoch keiner Vertiefung, denn jedenfalls der Ansatz\nder Maßstabseinheiten der Gebührenkalkulation ist in Ansehung der\nVorhaltekosten fehlerhaft; es liegt ein Verstoß gegen den\nverfassungsrechtlichen Grundsatz der Abgabengerechtigkeit (Art. 3 Grundgesetz\n- GG) vor. Denn die Kosten für die Fahrzeuge und Gerätschaften der\nFreiwilligen Feuerwehr L-G werden auf die Jahres-Einsatzstunden der jeweiligen\nFahrzeuge und Gerätschaften umgelegt. Dies ist unzulässig, denn dabei wird\nnicht berücksichtigt, dass die Gemeinde nach § 2 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 lit. a\nBrSchG verpflichtet ist, die den abwehrenden Brandschutz und die Technische\nHilfeleistung in ihrem Gebiet sicherzustellen und dabei insbesondere eine den\nörtlichen Verhältnissen entsprechende leistungsfähige öffentliche Feuerwehr\naufzustellen, auszurüsten, zu unterhalten und einzusetzen. Diese Verpflichtung\nbesteht ganzjährig, auch wenn die Fahrzeuge und Gerätschaften\n(glücklicherweise) nur relativ selten zum Einsatz kommen (müssen). Maßstab\nkönnen daher nicht die Jahres-Einsatzstunden, sondern nur die Jahresstunden\nsein. Damit hat die Aufteilung der Vorhaltekosten nach dem Verhältnis der\nJahresstunden zur einzelnen Einsatzstunde im Verhältnis 1 : (24 x 365) zu\nerfolgen; eine Umlegung dieser Kosten nur auf sämtliche Einsatzstunden ist\nunzulässig.\n\n18\n\n \n\nDas Gericht verkennt dabei nicht, dass die Befolgung dieser Maßgaben zu einer\nerheblichen Absenkung des Gebührenaufkommens bei der Feuerwehrgebühr führt.\nDoch es ist zu beachten, dass nur diese Berechnungsweise auch zu einer\ngerechten Abrechnung der Kosten führt, die der Leistungsstärke und den\ntatsächlich anfallenden Betriebskosten der jeweiligen Fahrzeuge gerecht wird.\nDenn die Höhe des Stundentarifs eines Fahrzeugs darf nicht von der Häufigkeit\nseines Einsatzes abhängen, sondern muss entscheidend auf den durch den Einsatz\nkonkret entstehenden Kosten basieren. Ansonsten kann es zu dem unbilligen\nErgebnis kommen, dass der Stundentarif für ein größeres und teuereres Fahrzeug\nniedriger sein kann als für ein leistungsschwächeres, das nur wenige Male im\nJahr eingesetzt wird. Das Risiko, wie häufig ein Feuerwehrfahrzeug zum Einsatz\nkommt, kann jedoch nicht auf die Personengruppen abgewälzt werden, für die der\nGesetzgeber in § 26 Abs. 2 BrSchG ausnahmsweise eine Kostenerstattungspflicht\nfür Feuerwehreinsätze vorgesehen hat (vgl. VG Neustadt a.d.W., Urt. v.\n25.06.2004 - 7 K 3613/03.NW, zit. nach juris).\n\n19\n\n \n\n2\\. In Ansehung der Kosten der Freiwilligen Feuerwehr L-G kann der Bescheid\nauch nicht als Bescheid über einen Aufwendungsersatzanspruch aus\nGeschäftsführung ohne Auftrag (vgl. § 683 BGB) teilweise aufrecht erhalten\nwerden. Dies bereits deshalb nicht, weil es selbst beim Bestehen eines solchen\nAnspruchs an der Ermächtigung des Beklagten fehlt, den Anspruch durch\nVerwaltungsakt festzusetzen. Weitere Ausführungen zu dieser Frage sind daher\nentbehrlich.\n\n20\n\n \n\nEine Umdeutung in einen Bescheid über die Kosten einer unmittelbaren\nAusführung gemäß §§ 70a i.V.m. 114 SOG M-V scheidet ebenfalls aus. Denn nach §\n26 Abs. 2 Satz 1 BrSchG besteht in Ansehung des Kostenerstattungsanspruchs ein\nWahlrecht der Gemeinde. Der Anspruch kann von der Gemeinde nur alternativ\ngeltend gemacht werden. Dieses Wahlrecht hat die Gemeinde L-G mit dem Erlass\nder Feuerwehrgebührensatzung dergestalt ausgeübt, dass die Kostenerstattung\nauf satzungsrechtlicher Grundlage im Sinne der zweiten Variante der Vorschrift\nerfolgen soll. Hierbei handelt es sich um eine Art "Regimeentscheidung", die\neinen Rückgriff auf allgemeine Rechtsgrundlagen - und damit auch die der §§\n70a, 114 SOG M-V - nicht nur bei Wirksamkeit der Gebührensatzung (vgl. hierzu:\nOVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 26.06.2002 - 1 M 23/02, zit. nach\njuris), sondern auch dann ausschließt, wenn sich die Gebührensatzung - wie\nhier - als unwirksam erweist. Denn maßgeblich ist nicht die Wirksamkeit der\nGebührensatzung, sondern der in ihrem Erlass zum Ausdruck kommende Wille der\nGemeindevertretung. Solange diese nicht zu erkennen gibt, dass die\nKostenerstattung nicht mehr auf Grundlage einer Gebührensatzung erfolgen soll,\nscheidet eine Geltendmachung nach § 114 SOG M-V aus.\n\n21\n\n \n\nEntsprechendes gilt für alle anderen in Betracht kommenden allgemeinen\ngesetzlichen Bestimmungen.\n\n22\n\n \n\n3\\. In Ansehung der Kosten der Freiwilligen Feuerwehr B. scheidet ein\nRückgriff auf das Institut der Geschäftsführung ohne Auftrag aus den bereits\nerwähnten Gründen ebenfalls aus. Zweifelhaft ist jedoch, ob die Bestimmungen\nder §§ 70a i.V.m. 114 SOG M-V herangezogen werden können. Zwar ist eine\nErstattung der Kosten für die Inanspruchnahme der nachbarschaftlichen\nLöschhilfe ("passive" Löschhilfe) in der Feuerwehrgebührensatzung der Gemeinde\nL-G nicht geregelt (vgl. VG Greifswald, Beschl. v. 14.12.2005 - 3 B 1970/05,\nS. 6 des Entscheidungsumdrucks). Daraus kann jedoch nicht hinreichend sicher\ngeschlossen werden, dass die Kosten der "passiven" Löschhilfe nach dem Willen\nder Gemeindevertretung nach allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen geltend\ngemacht werden sollen. Denn die Frage der Kosten der Löschhilfe ist von\nGemeinde gesehen und in der Satzung geregelt worden. Nach § 4 Abs. 2 i.V.m. §\n5 Abs. 2 FwGS besteht ein Kostenersatzanspruch in den Fällen, in denen die\nFeuerwehr der Gemeinde L-G eine nachbarschaftliche Löschhilfe oder\nHilfeleistung erbracht hat. Da die Gemeinde das Problem der Kostenerstattung\ngesehen, aber nur in Ansehung der "aktiven" Löschhilfe geregelt hat, kann\nnicht ausgeschlossen werden, dass eine Abwälzung der Kosten der "passiven"\nLöschhilfe nicht gewollt ist.\n\n23\n\n \n\nDies bedarf vorliegend aber ebenfalls keiner Vertiefung, denn für eine\nAbwälzung der Kosten der von der Freiwilligen Feuerwehr B. erbrachten\nNachbarhilfe auf den Kläger ist auch dann kein Raum, wenn man der Auffassung\nist, dass insoweit die Vorschriften der §§ 70a i.V.m. 114 SOG M-V oder andere\nallgemeine gesetzliche Bestimmungen (im Verhältnis zum Kläger) anwendbar sind.\nDenn derzeit besteht kein Kostenerstattungsanspruch der Gemeinde B. gegen die\nGemeinde L-G, der auf den Kläger abgewälzt werden könnte. Zum einen ist die\nSatzung über die Erhebung von Gebühren für Dienstleistungen der Freiwilligen\nFeuerwehr der Gemeinde B. (Feuerwehrgebührensatzung B. - FwGS B.) vom\n26.08.2003 ebenfalls unwirksam. Die Kalkulation des Gebührentarifs leidet an\ndemselben Fehler, wie die Kalkulation des Gebührentarifs der\nFeuerwehrgebührensatzung L-G. Auch hier werden die Vorhaltekosten auf die\nEinsatzstunden der Fahrzeuge und Gerätschaften verteilt, was - wie erwähnt -\nunzulässig ist.\n\n24\n\n \n\nZum anderen bestimmt § 4 Abs. 2 FwGS B., dass für die nachbarliche Löschhilfe\ngemäß § 2 Abs. 3 des Brandschutzgesetzes die entstehenden Kosten\n(Betriebsmittel, Sonderlöschmittel, Verdienstausfall einschließlich\nVersicherungsanteil zur Sozialversicherung sowie Aufwand für Verpflegung und\nErfrischung des Personals) zu erstatten sind, soweit sie EUR 1.000,-\nübersteigen. Zwar ist wegen der Verweisung auf § 2 Abs. 3 BrSchG davon\nauszugehen, dass die Bestimmung des § 4 Abs. 2 FwGS B. trotz des engeren\nWortlauts ("Löschhilfe") auch die Kosten der Technischen Hilfeleistung erfasst\n(vgl. auch § 5 Nr. 3 FwGS B.). Allerdings kommt - bei unterstellter\nWirksamkeit der Satzung - ein Erstattungsanspruch der Gemeinde B. gegen die\nGemeinde L-G nur im Umfang des § 4 Abs. 2 FwGS in Betracht. Diese Kosten sind\naber in dem Bescheid vom 03.05.2005 nicht angegeben. Statt dessen werden die\nGebührensätze für die eingesetzten Löschfahrzeuge, Sonderfahrzeuge, sonstigen\nFahrzeuge und der Personalaufwand abgerechnet. Die Gebührensätze umfassen\njedoch vornehmlich Vorhaltekosten, die nach § 4 Abs. 2 FwGS B. im Verhältnis\nder Gemeinden gerade nicht erstattungsfähig sind.\n\n25\n\n \n\nEtwas anderes folgt schließlich nicht aus dem Umstand, dass die Gemeinde OB B.\nihren vermeintlichen Kostenerstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten mit\n(wohl bestandskräftigem) Bescheid vom 03.05.2005 festgesetzt und damit eine\neigenständige Anspruchsgrundlage geschaffen hat. Denn dieser Bescheid ist auch\ndann offensichtlich rechtswidrig, wenn man die Wirksamkeit der\nFeuerwehrgebührensatzung B. unterstellt, weil nach § 4 Abs. 2 FwGS B.\nVorhaltekosten zwischen den Gemeinden nicht und die Kosten des konkreten\nEinsatzes nur insoweit erstattungsfähig sind, als sie den Betrag von EUR\n1.000,- übersteigen. Es wäre daher die Sache des Beklagten gewesen, gegen den\nBescheid Widerspruch einzulegen und seine Aufhebung herbeizuführen. Unterlässt\ner dies, kann er sich nach den auch im öffentlichen Recht geltenden\nRechtsgedanken aus §§ 242 und 254 Abs. 1 BGB gegenüber dem Kläger nicht darauf\nberufen, selbst zur Kostenerstattung herangezogen worden zu sein.\n\n26\n\n \n\nAuf die übrigen Einwände des Klägers kommt es entscheidungserheblich nicht\nmehr an.\n\n27\n\n \n\nDie Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; die Nebenentscheidung zur\nvorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711\nZivilprozessordnung (ZPO). Die Berufung war wegen grundsätzlicher Bedeutung\nder Rechtssache (§§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) zuzulassen.\n\n
105,986
ovgmv-2008-03-13-1-m-1408
484
Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern
ovgmv
Mecklenburg-Vorpommern
Verwaltungsgerichtsbarkeit
1 M 14/08
2008-03-13
2018-11-24 16:30:08
2019-02-26 18:49:48
Beschluss
#### Tenor\n\n \n\nDie Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts\nGreifswald vom 18. Dezember 2007 - 3 B 1359/07 - wird zurückgewiesen.\n\n \n\nDer Antragsgegner hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.\n\n \n\nDer Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 10,- EURO\nfestgesetzt.\n\n#### Gründe\n\n1\n\n \n\nDie am 21. Januar 2008 eingegangene Beschwerde des Antragsgegners gegen den\nihm am 8. Januar 2008 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts ist\nfristgerecht erhoben (§ 147 Abs. 1 VwGO) und mit am 29. Januar 2008 beim\nOberverwaltungsgericht eingegangenem Schriftsatz ebenso frist- und formgerecht\nbegründet worden (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 2 VwGO). Sie hat jedoch in der\nSache keinen Erfolg.\n\n2\n\n \n\nIm Beschwerdeverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist der Gegenstand der\ngerichtlichen Prüfung gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO darauf beschränkt, den\nangefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts an Hand derjenigen Gründe\nnachzuprüfen, die der Beschwerdeführer darlegt.\n\n3\n\n \n\nVor diesem Hintergrund verlangt das Darlegungserfordernis von dem\nBeschwerdeführer, dass die Beschwerdebegründung auf die rechtlichen oder\ntatsächlichen Erwägungen eingeht, auf die das Verwaltungsgericht seine\nEntscheidung gestützt hat. Die Beschwerdebegründung muss an die tragenden\nErwägungen des Verwaltungsgerichts anknüpfen und aufzeigen, weshalb sich diese\naus der Sicht des Beschwerdeführers nicht als tragfähig erweisen bzw. aus\nwelchen rechtlichen und tatsächlichen Gründen der Ausgangsbeschluss unrichtig\nsein soll und geändert werden muss. Dies erfordert eine Prüfung, Sichtung und\nrechtliche Durchdringung des Streitstoffes und damit eine sachliche\nAuseinandersetzung mit den Gründen des angefochtenen Beschlusses. Nach diesem\nMaßstab führen die mit der Beschwerde vorgetragenen Erwägungen des\nAntragsgegners nicht zu Bedenken an der Richtigkeit der\nverwaltungsgerichtlichen Entscheidung.\n\n4\n\n \n\nDas Verwaltungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt, der angefochtene\nAbgabenbescheid vom 09. Oktober 2006 sei voraussichtlich rechtswidrig, denn\ndie Antragsteller unterlägen nicht der Zweitwohnungssteuerpflicht, da ihre\nGartenlaube im Kleingartenverein in Ückeritz die für die Annahme einer\n"Wohnung" erforderlichen Voraussetzungen der Satzung der Gemeinde Ückeritz\nüber die Erhebung einer Zweitwohnungssteuer vom 16. August 2006 - ZWS -\n(veröffentlicht im Usedomer Amtsblatt vom 16.09.2006) nach dem gegenwärtigen\nErkenntnisstand der Kammer nicht erfülle. Die Gartenlaube sei aufgrund\nfehlender Trinkwasserversorgung, eingeschränkter Stromversorgung sowie\nfehlender Abwasserentsorgung weder eine Wohnung nach § 2 Abs. 2 ZWS noch sei\nsie eine zum "dauerhaften Wohnen" geeignete Gartenlaube, die nach § 2 Abs. 4\nSatz 2 ZWS dem Steuertatbestand unterfalle. Dass eine ausreichende\nTrinkwasserversorgung nicht gegeben sei, folge im Eilverfahren aus dem von den\nAntragstellern vorgelegten Prüfbericht der Industrie- und Umweltlaboratorium\nVorpommern GmbH vom 08. September 2005 über eine an der Entnahmestelle "Garten\nÜckeritz" gezogene Wasserprobe. Tatsachen, die den Schluss auf eine dennoch\nausreichende Trinkwasserqualität erlaubten, habe der Antragsgegner nicht\nvorgetragen.\n\n5\n\n \n\nDiese zutreffende rechtliche Bewertung ist auch unter Berücksichtigung des\nBeschwerdevorbringens keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken ausgesetzt.\nBei der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen aber auch ausreichenden\nsummarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage, bei der jedenfalls in\nAbgabensachen eine Beweisaufnahme grundsätzlich nicht in Betracht kommt (vgl.\nBeschlüsse des Senats: 07.07.2003 - 1 M 57/03 -, juris; 11.12.2003 - 1 M\n218/03 -, juris; 13.11.2003 - 1 M 170/03 -, juris), verfügt die Gartenlaube\nder Antragsteller über keine Versorgung mit einwandfreiem Trinkwasser. Sie ist\ndamit keine "Wohnung" i.S.d. maßgeblichen Zweitwohnungssteuersatzung und\nebenso wenig eine "dauernd zu Wohnzwecken genutzte" Laube nach § 2 Abs. 4 Satz\n2 ZWS.\n\n6\n\n \n\nDas Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass als Wohnung\ni.S.v. § 2 Abs. 2 ZWS eine Räumlichkeit anzusehen ist, die von ihrer\nAusstattung her zumindest zum zeitweisen Wohnen geeignet sein muss, was u.a.\neine Versorgung mit Trinkwasser und Strom sowie das Vorhandensein einer\nAbwasserbeseitigung voraussetze, wobei es dafür ausreiche, wenn diese\nAusstattungen in vertretbarer Nähe zur Verfügung stünden. § 2 ZWS regelt zwar\nnicht selbst ausdrücklich im Sinne einer Begriffsdefinition, welche\nRäumlichkeiten mit welcher Ausstattung unter den Begriff der "Wohnung" bzw.\n"Zweitwohnung" fallen sollen. Es entspricht jedoch der Rechtsprechung des\nSenats, in diesen Fällen im Rahmen einer Auslegung der\nZweitwohnungssteuersatzung anzunehmen, dass der Ortsgesetzgeber mit Blick auf\nden von ihm vorausgesetzten Wohnungsbegriff zumindest Wohnungen im Sinne eines\nüblichen und allgemeinen Sprachgebrauchs bzw. Wohneinheiten, die als\nMindestausstattung typischerweise bestimmte Ausstattungsmerkmale aufweisen,\nder Steuer unterwerfen wollte. Als Wohnungen in diesem Sinne sind\nabgeschlossene oder räumlich erkennbar selbständige Wohneinheiten mit\nsanitärer Ausstattung und Kochgelegenheit zu qualifizieren. Bei einer\n"Wohnung" handelt es sich um Räume, die tatsächlich zum - zumindest\nvorübergehenden - Wohnen geeignet sind. Da zum Wohnen zweifellos vor allem\nKörperhygiene, Essen und Schlafen gehören, lassen sich bereits hieraus die\nerforderlichen Rückschlüsse auf die Mindestausstattung der Räume ziehen, damit\ndiese als Wohnung eingestuft werden können. Hierzu gehören jedenfalls\nKochgelegenheit, Wasserversorgung, Ausguss, Toilette und Heizungsmöglichkeiten\n(Senatsurteil, 20.06.2007 - 1 L 257/06 -, juris; 20.06.2007 - NordÖR 2007,\n376).\n\n7\n\n \n\nDer Senat sieht keinen Anlass daran zu zweifeln, dass die hier in Rede\nstehende Gartenlaube der Antragsteller keine - für die Annahme einer Wohnung\nnach § 2 Abs. 2 ZWS erforderliche - Versorgung mit einwandfreiem Trinkwasser\nhat, sondern hier offenbar nur keimbelastetes (Garten-)Wasser aus dem zur\nKleingartenanlage gehörenden Brunnen zur Verfügung steht. Dies folgt zunächst\naus dem o.g. Prüfbericht vom 08. September 2005, wonach die im "Garten\nÜckeritz" von der "P... GmbH" entnommene, mit "Trinkwasser" bezeichnete Probe\neine wesentlich über den Grenzwerten der Trinkwasserverordnung (vgl. Anlage 1\nzu § 5 Abs. 2 und 3 der Trinkwasserverordnung, Teil I, Lfd. Nr. 1 und 3)\nliegende Belastung mit coliformen Keimen, Escherichia Coli sowie Mangan\naufweist. Das Beschwerdevorbringen erschöpft sich zu diesem Punkt in der\nÄußerung von Zweifeln, dass die P... GmbH tatsächlich eine Wasserprobe von der\nEigentrinkwasseranlage der Gartensparte gezogen habe. Denn die Insel Usedom\nfalle nicht in das Tätigkeitsfeld dieser Firma. Zweifel an der Zuverlässigkeit\nder Untersuchung vermag dies indes nicht zu begründen. So kommt ohne Weiteres\nin Betracht, dass diese Firma aus dem Kreis der Gartenlaubenbesitzer in\nÜckeritz beauftragt wurde, auch wenn sie in sonstigen Fällen ihr\nTätigkeitsgebiet außerhalb Usedoms haben sollte. Offenbar trifft dies auf die\nweitere Wasserprobenuntersuchung vom 08. Mai 2007 zu, die die Antragsteller im\nBeschwerdeverfahren vorgelegt haben. Diese soll von einem Mitglied des\nVorstandes des Kleingartenvereins in Auftrag gegeben worden sein. Auch in\nBezug auf diesen Umstand sieht der Senat keinen vernünftigen Anlass zu\nZweifeln. Auch diese zweite Trinkwasseruntersuchung vom 08. Mai 2007 sagt\nüberdies aus, dass die an der Entnahmestelle "Gartensparte e.V. A... A...,\nÜckeritz" durch die "Pee..." gezogene Wasserprobe Coliforme Keime (9 in 100\nml, Grenzwert: 0) enthalten habe und die Anforderungen der\nTrinkwasserverordnung nicht erfülle. Der Antragsgegner ist diesem Vortrag\nnicht mehr entgegengetreten.\n\n8\n\n \n\nAuch das weitere Beschwerdevorbringen des Antragsgegners zur Frage der\nTrinkwasserversorgung kann nicht zum Erfolg führen. Er vertritt die\nAuffassung, die Zentrale Trinkwasserversorgung sei (ebenso wie die\nAbwasserentsorgung) in der unmittelbar benachbarten F.straße vorhanden. Der\nZweckverband Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung Insel Usedom wünsche\nausdrücklich den Anschluss der Gartenanlage an das zentrale Trinkwasser- und\nAbwassernetz. Dies hätten die Laubenbesitzer bislang jedoch mit der Begründung\nabgelehnt, dass sie die Anschlusskosten hierfür nicht aufbringen möchten und\nsich stattdessen ihr Wasser zum Trinken und Essenkochen lieber mitbrächten. Es\nkönne demnach nicht von einer fehlenden Trinkwasserversorgung gesprochen\nwerden. Dieses Ausstattungsmerkmal stehe vielmehr in vertretbarer Nähe zur\nVerfügung. Es werde lediglich von den Zweitwohnungsinhabern abgelehnt.\n\n9\n\n \n\nWenn der Antragsgegner damit ersichtlich auf die Ausführungen des\nVerwaltungsgerichts zu der notwendigen Ausstattung einer "Wohnung" nach § 2\nAbs. 2 ZWS Bezug nimmt, so verkennt er die damit angesprochenen Anforderungen.\nTrinkwasser steht für eine Räumlichkeit, die als Wohnung i.S.d. § 2 Abs. 2 ZWS\nangesehen werden soll, nur dann "in vertretbarer Nähe zu Verfügung" (vgl.\nallg. Kasper, Kommunale Steuern, S. 252; Mohl/Dohr, Zum Steuergegenstand im\nZweitwohnungssteuerrecht, insbesondere zu Problemen des Wohnungsbegriffs, KStZ\n2001, 83 ff.), wenn diese "Nähe" es mit zumutbarem Aufwand ermöglicht, das mit\ndem "Wohnen" zusammenhängende Bedürfnis nach Trinkwassergebrauch (Trinken,\nKochen, Zubereitung von Speisen und Getränken, Körperpflege, -reinigung etc.\nvgl. § 3 Nr. 1a Trinkwasserverordnung) zu befriedigen. Unerheblich ist deshalb\nin diesem Zusammenhang, ob ein Trinkwasseranschluss an eine zentrale\nVersorgungsanlage hätte hergestellt werden können und ob sich der Betroffene\nLaubeninhaber gegen die Schaffung eines solchen Anschlusses ausgesprochen hat.\nSolange die Gartenlaube nicht über eine Versorgung mit unbedenklichem\nTrinkwasser verfügt, wobei sich dieser tatsächlich vorhandene Anschluss in der\nLaube oder in "vertretbarer Nähe" (etwa im Garten) befinden kann, ist sie\nkeine "Wohnung" im Sinne der Zweitwohnungssteuersatzung.\n\n10\n\n \n\nErfüllt die Gartenlaube der Antragsteller nicht die Anforderungen an eine\n"Wohnung" nach § 2 Abs. 2 ZWS, so unterliegt sie aus demselben Grund auch\nnicht nach § 2 Abs. 4 Satz 2 ZWS der Steuerpflicht. Danach sind von dem in § 2\nAbs. 4 Satz 1 ZWS geregelten, in § 3 Abs. 1 Satz 5 KAG M-V gleichlautend\nbestimmten Grundsatz, dass Gartenlauben im Sinne des § 3 Abs. 2 BKleingG und\ndes §20a BKleingG der Zweitwohnungssteuer nicht unterfallen, ausgenommen\nGartenlauben nach §20a Abs. 8 Bundeskleingartengesetz, deren Inhabern vor dem\n3. Oktober 1990 eine Befugnis zur dauernden Nutzung der Laube zu Wohnzwecken\nerteilt wurde oder die dauernd zu Wohnzwecken genutzt werden. Diese\nSatzungsbestimmung entspricht wörtlich § 3 Abs. 1 Satz 6 KAG M-V. Mit dieser\nmit der Novelle des Kommunalabgabengesetzes vom 14. März 2005 neu gefassten\nVorschrift sollte sichergestellt werden, dass neben den bestandsgeschützten\nLauben i.S.d. §20a Abs. 8 BKleingG, für die dem Kleingärtner vor dem\nWirksamwerden des Beitritts die Befugnis zur dauernden Wohnnutzung erteilt\nworden ist, auch diejenigen Lauben, die tatsächlich nach ihrer Beschaffenheit\neine dauernde Wohnnutzung ermöglichen, von der Steuerpflicht erfasst bleiben\n(vgl. LT-Drucksache 4/1307, S. 29; vgl. zum Ganzen auch Holz in:\nAussprung/Siemers/Holz, KAG M-V, Stand Mai 2007, § 3 Erl. 3.4.4.). Dem Zweck\nder Vorschrift entsprechend kommt es demnach auch hier auf die - vorliegend\nnicht gegebene - objektive Eignung der Laube zu dauernden Wohnzwecken an und\nnicht allein auf eine tatsächliche Nutzung oder Nichtnutzung der Laube. Dies\nhat das Verwaltungsgericht im Übrigen zutreffend ausgeführt. Darauf wird Bezug\ngenommen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).\n\n11\n\n \n\nDie Klärung der weiteren zwischen den Beteiligten streitigen Fragen nach dem\nVorhandensein einer ordnungsgemäßen Abwasserentsorgung, einer ausreichenden\nStromversorgung oder sanitärer Einrichtungen kann damit für das vorliegende\nEilverfahren dahinstehen. Auf ihre Beantwortung kommt es bereits wegen einer\nallem Anschein nach fehlenden schadstofffreien Trinkwasserversorgung der\nGartenlaube nicht an. Hinzu kommt, dass auch die weiteren Fragen etwa nach dem\nVorhandensein einer Innentoilette, der Leistung der Stromversorgung oder einer\netwaigen Manipulation des von den Antragstellern ausgefüllten Erklärungsbogens\nvom 14. September 2006, ihre Entscheidungserheblichkeit unterstellt, eine\nAufklärung mit den Mitteln des Hauptsacheverfahrens erforderlich machen\ndürften.\n\n12\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.\n\n13\n\n \n\nDie Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53\nAbs. 3 Nr. 2 GKG. Der Senat setzt in ständiger Rechtsprechung in Eilverfahren\nin Abgabensachen ein Viertel des für das Hauptsacheverfahren in Betracht\nkommenden Streitwertes (hier 40,- Euro) fest.\n\n14\n\n \n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5\ni.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).\n\n
106,224
ovgsh-2007-04-27-2-lb-1206
1,066
Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht
ovgsh
Schleswig-Holstein
Verwaltungsgerichtsbarkeit
2 LB 12/06
2007-04-27
2018-11-24 19:30:10
2019-02-26 19:01:37
Urteil
ECLI:DE:OVGSH:2007:0427.2LB12.06.0A
#### Tenor\n\n \n\nDie Berufung des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen\nVerwaltungsgerichts - Einzelrichter der 6. Kammer - vom 15. Juli 2005 wird\nzurückgewiesen.\n\n \n\nDer Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\n \n\nDas Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Dem\nKläger wird nachgelassen, die vorläufige Vollstreckung durch\nSicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht\nder Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.\n\n \n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDer in ... wohnhafte Kläger ist gemeinsam mit seiner Ehefrau Eigentümer eines\nReihenhauses in der Gemeinde .... Er war für die Jahre 2001 bis 2003 vom\nBeklagten für diese Wohnung zu einer Zweitwohnungssteuer herangezogen worden.\nDas damalige Verfahren wurde mit bestandskräftigem Widerspruchsbescheid vom\n14. April 2003 abgeschlossen.\n\n2\n\n \n\nFür das Jahr 2004 hatte der Kläger dem Beklagten mit Schreiben vom 20.\nDezember 2003 mitgeteilt, dass er das Haus ab dem 01. Januar 2004\ndauervermietet habe. Ein entsprechender Mietvertrag mit der „... Verwaltungs\nGmbH“ wurde beigefügt. Aus der weiteren Korrespondenz ergibt sich, dass der\nKläger zum damaligen Zeitpunkt Geschäftsführer dieser GmbH war und im weiteren\nZeitablauf durch Erbgang ihr Alleininhaber geworden ist. Diese GmbH schloss am\n01. Januar 2004 mit der zentralen Zimmervermietung ... und Partner einen\nVermittlungsvertrag. In diesem Vertrag erklärte die ... Verwaltungs GmbH, dass\nsie alleinige Eigentümerin der Wohnung sei. Eine Eigennutzung wurde\nausgeschlossen.\n\n3\n\n \n\nMit Bescheid vom 11. Februar 2004 setzte der Beklagte die für das Jahr 2003\nerhobene Vorausleistung endgültig als Zweitwohnungssteuer fest und erhob\nzugleich für das Jahr 2004 eine Vorausleistung in Höhe von 355,42 Euro.\n\n4\n\n \n\nGegen diesen Bescheid legte der Kläger am 17. Februar 2004 Widerspruch ein,\nsoweit die Vorausleistung für das Jahr 2004 betroffen ist. Dieser Widerspruch\nwurde mit Widerspruchsbescheid vom 15. Juli 2004 zurückgewiesen.\n\n5\n\n \n\nZur Begründung seiner am 27. Juli 2004 erhobenen Klage hat der Kläger\nvorgetragen, es handele sich bei dem streitigen Wohnobjekt um eine reine\nKapitalanlage. Zwischen ihm und der ... Verwaltungs GmbH sei ein Mietvertrag\ngeschlossen worden, der keine rechtliche Eigennutzungsmöglichkeit vorsehe. Er\n- der Kläger - habe bei Abschluss des Mietvertrages mit der ... Verwaltungs\nGmbH selbst nichts zu tun gehabt. Er sei zu diesem Zeitpunkt nicht\nGesellschafter dieser GmbH gewesen.\n\n6\n\n \n\nDer Kläger hat beantragt,\n\n7\n\n \n\nden Bescheid vom 11. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides\nvom 15. Juli 2004 in der Weise abzuändern, dass die Vorauszahlungen auf die\nZweitwohnungssteuer 2004 auf 0,00 Euro festgesetzt werden.\n\n8\n\n \n\nDer Beklagte hat beantragt,\n\n9\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n10\n\n \n\nEr trägt vor, dass nach wie vor die Frage offen sei, ob nicht ein Fall des\nMissbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vorliege. Der Kläger habe\ninsbesondere nicht die Frage des Beklagten beantwortet, wie die jeweiligen\nVertragsverhältnisse tatsächlich umgesetzt würden. Nach Rücksprache mit der\nzentralen Zimmervermittlung ... und Partner sei es dem Kläger sehr wohl\ngestattet, seine eigene Wohnung zu nutzen. Danach habe eine Eigennutzung in\nder Zeit vom 24. Juli 2004 bis zum 22. August 2004 stattgefunden.\n\n11\n\n \n\nDas Verwaltungsgericht hat die Klage durch Einzelrichterurteil vom 15. Juli\n2005 abgewiesen. Auf den Antrag des Klägers hin hat der Senat durch Beschluss\nvom 24. Mai 2006 die Berufung zugelassen.\n\n12\n\n \n\nZur Begründung seiner Berufung wiederholt und vertieft der Kläger seinen\nerstinstanzlichen Sachvortrag. Dass im August 2004 keine Vermietung in dem\nVermietungstableau der zentralen Zimmervermittlung enthalten sei, liege daran,\ndass in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2004 in dem Objekt umfangreiche\nRenovierungsarbeiten durchgeführt worden seien. Diese Renovierungsarbeiten\nhätten im Einzelnen vorbereitet und abgestimmt werden müssen. Die Abstimmung\nder Renovierungsarbeiten sei im August 2004 erfolgt, die Arbeiten seien sodann\nim Herbst 2004 durchgeführt worden.\n\n13\n\n \n\nBei Abschluss des Vertrages zwischen der ... Verwaltungs GmbH und dem Kläger\nsei dieser nicht Gesellschafter der GmbH gewesen. Demgemäß könne nicht\nbehauptet werden, es handele sich bei der ... Verwaltungs GmbH um eine\nGesellschaft, die zur Umgehung der Zweitwohnungssteuer gegründet worden sei.\nIm Übrigen verwalte die ... Verwaltungs GmbH zahlreiche Immobilien sowohl im\nInland wie auch auf Mallorca. Es sei rechtlich nicht tragfähig anzunehmen,\nzwischen dem Vermieter (dem Kläger) und dem Mieter (der ... Verwaltungs GmbH)\nbestehe eine Personenidentität.\n\n14\n\n \n\nDer Kläger beantragt,\n\n15\n\n \n\ndas Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 15. Juli 2005\nzu ändern und den Bescheid des Beklagten vom 11. Februar 2004 in der Gestalt\ndes Widerspruchsbescheides vom 15. Juli 2004 aufzuheben, soweit\nVorauszahlungen auf die Zweitwohnungssteuer 2004 festgesetzt werden.\n\n16\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n17\n\n \n\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n18\n\n \n\nEr weist darauf hin, dass der Kläger sich die Wohnung in der Zeit vom 25. Juli\nbis 22. August 2004 zur Selbstnutzung freigehalten und innerhalb dieses\nZeitraumes auch selbst bewohnt habe; dies ergebe sich aus einer Anmeldung für\ndie Ostsee-Card vom 28. Juli 2004.\n\n19\n\n \n\nDie Verwaltungsvorgänge des Beklagten haben dem Gericht bei Beratung und\nEntscheidung vorgelegen und sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung\ngemacht worden; wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags\nder Beteiligten im Übrigen wird auf die wechselseitigen Schriftsätze und ihre\nAnlagen ergänzend Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n20\n\n \n\nDie Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die\nangefochtenen Steuerbescheide des Beklagten vom 11. Februar 2004 und vom 15.\nJuli 2004 sind rechtmäßig.\n\n21\n\n \n\nDie Bescheide beruhen auf § 3 KAG in Verbindung mit der Satzung über die\nErhebung einer Zweitwohnungssteuer in der Gemeinde ... vom 04. August 2002\n(ZwStS). Rechtliche Bedenken gegen diese Vorschrift hat der Kläger nicht\ngeltend gemacht, sie sind auch sonst nicht ersichtlich.\n\n22\n\n \n\nDer Beklagte hat die Satzung auch beanstandungsfrei angewandt.\nSteuergegenstand ist gemäß § 2 Abs. 1 ZwStS das Innehaben einer Zweitwohnung\nim Gemeindegebiet. Zweitwohnung ist gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 ZwStS jede\nWohnung, die jemand neben seiner Hauptwohnung für seinen persönlichen\nLebensbedarf oder den persönlichen Lebensbedarf seiner Familienmitglieder\ninnehat. Steuerpflichtig ist derjenige, der diese Wohnung innehat (§ 3 ZwStS).\n\n23\n\n \n\nOb eine Zweitwohnung allein der Einkommenserzielung dient und deshalb der\nWohnungsinhaber nicht der Zweitwohnungssteuer unterliegt oder die Wohnung\nzumindest auch für die persönliche Lebensführung vorgehalten wird und deshalb\neine Zweitwohnungssteuerpflicht dem Grunde nach besteht, richtet sich nach den\nUmständen des Einzelfalles. Der gesamte objektive Sachverhalt ist daraufhin zu\nüberprüfen, ob sich aus ihm mit der gebotenen Sicherheit die subjektive\nZweckbestimmung der Zweitwohnung entnehmen lässt (BVerwG, Urt. v. 10.10.1995 -\n8 C 40.93 -, E 99, 303, 307). Diese innere Tatsache ist nur auf der Grundlage\nobjektiver, nach außen in Erscheinung tretender, verfestigter und von Dritten\nnachprüfbarer Umstände - ggf. auch auf Grund von Anhaltspunkten aus\nvergangenen Veranlagungszeiträumen - zu beurteilen (BVerwG, Urt. v. 10.10.1995\n- 8 C 40.93 -, a.a.O., 305). Dabei führt die tatsächliche Nutzung einer\nZweitwohnung für die persönliche Lebensführung ohne weiteres zur Steuerpflicht\ndem Grunde nach, weil sie das Vorhalten der Wohnung (auch) für diesen Zweck\nvoraussetzt (Senatsbeschl. v. 24.05.2005 - 2 LA 11/05 -, S. 3).\n\n24\n\n \n\nDer Kläger ist bereits deshalb zweitwohnungssteuerpflichtig, weil er und seine\nEhefrau die Wohnung im Veranlagungsjahr 2004 tatsächlich selbst genutzt haben.\nDies ergibt sich aus ihrer Anmeldung zur „Ostsee-Card“ in der Zeit vom 27.\nJuli bis zum 20. August 2004. Auf den Zweck der Aufenthalte und damit der\ntatsächlichen Eigennutzung kommt es nicht an (Senatsbeschl. v. 13.10.2005 - 2\nLB 78/04 -). Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass die Wohnung vom\nWohnungsinhaber auch für eigene Erholungszwecke vorgehalten wird (vgl. BVerwG,\nUrt. v. 12.04.2000 - 11 C 12.99 -, E 111, 122). Renovierungs-,\nInstandhaltungsarbeiten, Kontrolle der Wohnung usw. dienen zwar der Erhaltung\nder Wohnung und führen deshalb, für den Fall, dass die Wohnung ausschließlich\nzur Einkommenserzielung bestimmt ist und nicht (auch) für den persönlichen\nLebensbedarf vorgehalten wird, für sich genommen nicht zur\nZeitwohnungssteuerpflicht. Bei mehrtägigen Aufenthalten schließen sich die\nAusführungen von Instandsetzungsarbeiten usw. und der Aufenthalt zu Zwecken\ndes persönlichen Lebensbedarfs (z.B. auch zu Erholungszwecken) nicht aus. Bei\nder gebotenen typisierenden Betrachtungsweise bestätigen deshalb mehrtätige\nAufenthalte in der Wohnung eher die Vermutung, dass sie (auch) der\npersönlichen Lebensführung dient, als dass sie sie widerlegen (vgl.\nSenatsbeschl. v. 11.04.2000 - 2 L 16/00 -, S. 4). Der Zweck dieser Aufenthalte\nbedarf keiner Aufklärung (Senatsurt. v. 13.10.2005 - 2 LB 24/05 -, S. 11;\nSenatsbeschl. v. 13.10.2005 - 2 LB 78/04 -, S. 7 f).\n\n25\n\n \n\nDer Steuerpflicht des Klägers steht nicht entgegen, dass er seine Wohnung\ndurch Mietvertrag vom 01. Dezember 2003 an die ... Verwaltungs GmbH, deren\nGeschäftsführer der Kläger von Anfang an und deren alleiniger Gesellschafter\ner seit dem Tode der bisherigen Gesellschafterin ist, vermietet hat und diese\nGmbH wiederum durch Vertrag vom 01. Januar 2004 einen Vermittlungsvertrag mit\nder Zentralen Zimmervermittlung ... und Partner abgeschlossen hat. Dieser\nMietvertrag stellt sich als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten\ni.S.d. § 42 AO dar. Unter einem Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten ist\ndie Wahl einer den wirtschaftlichen Vorgängen unangemessen rechtlichen\nGestaltung zum Zwecke der Abgabenverminderung zu verstehen (vgl. Senatsbeschl.\nv. 04.02.2003 - 2 L 18/02 -). Eine Gestaltung ist dann unangemessen, wenn sie\nder Abgabenminderung oder -vermeidung dienen soll und durch wirtschaftliche\noder sonst beachtliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (Senatsurt. v.\n19.09.1996 - 2 L 126/95 -, bestätigt durch BVerwG, Beschl. v. 14.01.1997 - 8 B\n247.96 -). Grundsätzlich können Abgabenpflichtige bei der Gestaltung ihrer\nLebensverhältnisse zwar Formen wählen, die ihnen die Zahlung von Abgaben\nersparen. Voraussetzung für die abgabenrechtliche Anerkennung eines solchen\nVorgangs ist allerdings, dass für diesen Geschehensablauf wirtschaftliche oder\nsonstige beachtliche Gründe gegeben sind. Im Vertragsverhältnis zwischen dem\nKläger und seiner Ehefrau als Wohnungseigentümer einerseits und der von ihm\nals Geschäftsführer vertretenen GmbH anderseits sind solche beachtenswerte\nGründe nicht erkennbar.\n\n26\n\n \n\nEin mit wirtschaftlichen Überlegungen nachvollziehbarer Grund für die\nVermietung an die GmbH ist nicht erkennbar und ist vom Kläger auf die\nrichterliche Verfügung vom 04. April 2006 auch nicht dargelegt worden. Um die\nan den Kläger und seine Ehefrau zu zahlende Miete i.H.v. 6.600,-- Euro zu\nerwirtschaften, müsste angesichts der 17 %igen Provision (15 % plus MwSt) ein\nVermietungserlös von jährlich ungefähr 8.000,-- Euro erzielt werden. Dies war\nvon vornherein unrealistisch; ein solches Ergebnis war in den Vorjahren bei\nweitem nicht erreicht worden. Vielmehr betrug der „Überschuss“ (Miete ./.\nProvision) im Jahre 2004 lediglich 4.689,89 Euro. Die Angabe des Klägers, bei\nVertragsschluss seien die Beteiligten von den Verhältnissen des Jahres 2001\nausgegangen, bei Einnahmen von knapp 13.000,-- DM habe es sich um ein\ndurchschnittlich erfolgreiches Vermietungsjahr gehandelt, ist zum einen\nangesichts der für die Jahre 2003 und 2004 vorgelegten Ergebnisse wenig\nplausibel und ändert zum anderen - wegen der zu berücksichtigenden Provision\nnichts daran, dass die GmbH, deren Geschäftsführer und - im Ergebnis - auch\nalleiniger Gesellschafter der Kläger ist, mit der Wohnung Verluste macht. Dass\ndiese Verluste in Kauf genommen werden, weil die Wohnung sonstigen Zwecken der\nGesellschaft dient, etwa als Gästewohnung für Geschäftspartner, ist nicht\nersichtlich. Von den Fremdvermietungen abgesehen, wurde die Wohnung im Jahre\n2004 nur dem Kläger in der Zeit vom 27. Juli bis 20. August zur Nutzung\nüberlassen, und zwar offenbar unentgeltlich. In der Angabe der GmbH für die\nFremdenverkehrsabgabe wäre dafür an sich ein Betrag von 1.872,-- Euro (bei\neinem Tagesmietpreis von 78,-- Euro x 24 Tage) auszuweisen gewesen.\n\n27\n\n \n\nLiegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Steueranspruch gemäß § 42 Abs. 1\nSatz 2 AO so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen\nrechtlichen Gestaltung entsteht. Die Entscheidung in diesem Rechtsstreit hängt\ndeshalb davon ab, ob der Kläger - die Zwischenschaltung seiner GmbH\nhinweggedacht - aus anderen Gründen der Pflicht zur Entrichtung einer\nZweitwohnungssteuer nicht unterfiele. Dies ist zu verneinen.\n\n28\n\n \n\nDer Kläger kann seiner Zweitwohnungssteuerpflicht nicht entgegenhalten, dass\nim Agenturvertrag zwischen der ... Verwaltungs GmbH und der Zentralen\nZimmervermittlung ... und Partner die Eigennutzung der Wohnung ausgeschlossen\nworden sei. Dieser Ausschluss, wenn er denn ernstlich gewollt gewesen war,\nkann nur das Verhältnis zwischen der GmbH und der Zimmervermittlung betreffen,\nnicht aber das Verhältnis zwischen der Zimmervermittlung und dem Kläger.\n\n29\n\n \n\nEin vertraglicher Ausschluss der Eigennutzungsmöglichkeit gewinnt im Übrigen\nnur in den Fällen Bedeutung, in denen die Wohnung tatsächlich nicht vom\nWohnungsinhaber genutzt wird. Da die Zweitwohnungssteuer nicht an die\ntatsächliche Nutzung der Wohnung für die persönliche Lebensführung, sondern an\ndas Vorhalten der Wohnung für diesen Zweck anknüpft und die subjektive\nZweckbestimmung der Wohnung nur auf Grund objektiver Umstände beurteilt werden\nkann, ist der vertragliche Eigennutzungsausschluss - lediglich - neben anderem\nein Indiz dafür, dass die Wohnung ausschließlich der Vermietung, d.h. der\nEinkommenserzielung dient und im Falle der tatsächlichen Nichtnutzung\ngeeignet, die Vermutung des Vorhaltens für den persönlichen Lebensbedarf zu\nerschüttern. Hier ist jedoch das Gegenteil der Fall. Der Kläger und seine\nEhefrau haben die Wohnung im streitgegenständlichen Jahr 2004 tatsächlich\ngenutzt.\n\n30\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Nebenentscheidungen\nzur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10,\n711 ZPO.\n\n31\n\n \n\nDie Revision ist nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (§ 132 Abs. 2 VwGO) nicht\nersichtlich sind.\n\n \n\n
106,504
lg-kiel-2007-01-11-1-s-25205
1,064
Landgericht Kiel
lg-kiel
Kiel
Schleswig-Holstein
1 S 252/05
2007-01-11
2018-11-24 21:30:20
2019-02-26 19:16:20
Beschluss
ECLI:DE:LGKIEL:2007:0111.1S252.05.0A
#### Tenor\n\n \n\n[Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor wurde\nvom Gericht nicht mitgeteilt]\n\n#### Gründe\n\n1\n\n \n\nDer Berufungsführer wird gemäß § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO auf Folgendes\nhingewiesen:\n\n2\n\n \n\nDie Kammer beabsichtigt, die Berufung vom 17. November 2005 nach § 522 Abs. 2\nZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, weil die Berufung keine\nAussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat\nund die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen\nRechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts nicht erfordert.\n\n3\n\n \n\nNach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die\nEntscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO\nzugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.\n\n4\n\n \n\nNach § 529 ZPO sind dabei die vom Gericht des ersten Rechtszuges\nfestgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete\nAnhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der\nentscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute\nFeststellung gebieten.\n\n5\n\n \n\nDie Voraussetzungen des § 513 ZPO sind hier nicht erfüllt.\n\n6\n\n \n\nDie zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat den\nBeklagten zu Recht verurteilt, der mit der Klage verfolgten Mieterhöhung\nzuzustimmen. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, dass es sich bei seiner\nEntscheidung maßgeblich am Kieler Mietspiegel orientiert und davon abgesehen\nhat, ein kostspieliges Sachverständigengutachten einzuholen. Es entspricht der\nständigen Rechtsprechung der Kammer, Mieterhöhungsstreitigkeiten grundsätzlich\nallein auf der Grundlage des Kieler Mietspiegels und ohne die Einholung eines\nSachverständigengutachtens zu lösen (vgl. LG Kiel WuM 1999, 292). Hierfür\nspricht letztlich auch die Vorschrift des § 558 d Abs. 3 BGB, wonach dem\nqualifizierten Mietspiegel im Prozess eine Vermutungswirkung zukommt.\nAusweislich der Seite 2 des Kieler Mietspiegels handelt es sich hier um einen\nsolchen qualifizierten Mietspiegel.\n\n7\n\n \n\nDieses Vorgehen entspricht im Übrigen auch der höchstrichterlichen\nRechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Denn ein Sachverständiger müsste im\nRahmen der Gutachtenerstellung nach Besichtigung der zu begutachtenden Wohnung\ndie ortsübliche Vergleichsmiete durch eine ausreichend große, repräsentative\nStichprobe vergleichbarer Wohnungen ermitteln. Dies stellt einen erheblichen\nAufwand dar, der zu der Höhe der geltend gemachten Mieterhöhung unter\nBerücksichtigung der als Schätzgrundlage vorhandenen Orientierungshilfe in\naller Regel außer Verhältnis steht. Die Verwendung eines qualifizierten\nMietspiegels nebst Schätzung der Spanneneinordnung durch das Gericht gemäß §\n287 ZPO garantiert im Interesse beider Parteien eine rasche Entscheidung und\nvermeidet die Entstehung von Gutachterkosten, die im Falle eines\nTeilunterliegens den Erhöhungsbetrag leicht erheblich schmälern oder sogar\naufzehren können. Der Vorzug von Mietspiegeln besteht vor allem darin, dass\nordnungsgemäß aufgestellte Mietspiegel in der Regel auf einer erheblich\nbreiteren Tatsachenbasis beruhen, als sie ein gerichtlich bestellter\nSachverständiger mit einem Kosten- und Zeitaufwand ermitteln könnte, der zum\nStreitwert des gerichtlichen Verfahrens in einem noch angemessenen Verhältnis\nstünde (vgl. BGH NJW 2005, 2074).\n\n8\n\n \n\nNach alledem durfte das Amtsgericht von der Einholung eines\nSachverständigengutachtens absehen und konnte den Rechtsstreit auf der\nGrundlage des Kieler Mietspiegels entscheiden. Dem steht auch nicht entgegen,\ndass es sich bei der streitgegenständlichen Wohnung um eine relativ schlichte\nBehausung, eine so genannte „Substandardwohnung" handelt, die in der\nMietspiegeltabelle nicht ausgewiesen wird. Denn nach dem von dem Institut für\nStadt-, Regional- und Wohnforschung (GEWOS) erstellten Endbericht zum Kieler\nMietspiegel 2000 ist für solche Wohnungen von der Spalte 1 (Baualter vor 1976\nund Küche und Bad normal) ein Abschlag von der im jeweiligen Mietspiegelfeld\nausgewiesenen Nettokaltmiete zu ermitteln (Seite 8 des Endberichts). Das\nbedeutet also, dass in diesen Fällen Abzüge nach den Anwendungshinweisen des\nMietspiegels (Seite 11, 13) vorzunehmen sind und die Vergleichsmiete durch\nSchätzung zu ermitteln ist.\n\n9\n\n \n\nDas ihm nach § 287 Abs. 2 ZPO eröffnete Schätzermessen hat das Amtsgericht\nohne Rechtsfehler ausgeübt. Es hat sich zutreffend bei seiner Entscheidung auf\ndie Tabelle 2, Feld 1 a für die Spanneneinordnung gestützt, was als\nOrientierungshilfe auch hinreichend aussagekräftig ist, weil es sich um ein\nvergleichsweise gut belegtes Feld handelt. Die vorgenommenen Abzüge sind\nebenfalls sachgerecht und nicht zu beanstanden, so dass sich im Ergebnis eine\nVergleichsmiete errechnet, die noch immer deutlich über dem liegt, was mit der\nKlage beansprucht wird.\n\n10\n\n \n\nDer Berufungsführer erhält Gelegenheit, hierzu binnen 2 Wochen Stellung zu\nnehmen.\n\n \n\n
108,540
olgsh-2006-09-12-3-wlw-3906
1,070
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
olgsh
Schleswig-Holstein
Oberlandesgericht
3 WLw 39/06
2006-09-12
2018-11-26 01:30:10
2019-02-14 08:29:21
Beschluss
ECLI:DE:OLGSH:2006:0912.3WLW39.06.0A
#### Tenor\n\n \n\nAuf die sofortige Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des\nAmtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - Niebüll vom 16. März 2006 geändert:\n\n \n\nEs wird festgestellt, dass der notarielle Kaufvertrag vom 24. August 2005 -\nUR-Nr. … nicht der Genehmigung des Amtes für ländliche Räume bedarf.\n\n \n\nDer Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 20.000,00 €.\n\n#### Gründe\n\n \n\nI.\n\n1\n\n \n\nDie Antragsteller kauften mit notariellem Vertrag vom 24. August 2005 von Frau\nA. aus deren im Grundbuch von B. Blatt … eingetragenem Grundbesitz von rund 13\nha die im Bestandsverzeichnis unter den laufenden Nummern 4, 5 und 6\neingetragenen Flurstücke … der Flur … der Gemarkung B. mit einer Größe von\n1,2003 ha, 1,0120 ha und 1,0042 ha, zusammen mithin landwirtschaftliche\nFlächen von 3,2165 ha zum Kaufpreis von 20.000,00 €. Den Antrag des Notars auf\nGenehmigung des Vertrages nach § 2 Grundstücksverkehrsgesetz (GrdstVG) bzw.\nErteilung eines Negativattestes nach § 5 GrdstVG lehnte das Amt für ländliche\nRäume als Genehmigungsbehörde fristgerecht innerhalb der Frist des § 6 GrdstVG\nmit Bescheid vom 17. November 2005 ab unter gleichzeitiger Bekanntgabe, dass\ndie Beteiligte zu 3) ihr Vorkaufsrecht gemäß §§ 4 Abs. 1, 6\nReichssiedlungsgesetz (RSG) ausgeübt habe. Zur Begründung führte die\nGenehmigungsbehörde aus, dass die Veräußerung eine ungesunde Verteilung des\nGrund und Bodens im Sinne des § 9 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 GrdstVG bedeute,\nweil sie Maßnahmen zur Verbesserung der Agrarstruktur widerspreche. Die\nAntragsteller seien keine Landwirte. Demgegenüber sei ein hauptberuflicher\nLandwirt vorhanden, der die landwirtschaftlichen Flächen für die Aufstockung\nseines entwicklungsfähigen Betriebes zu dem im Vertrag vereinbarten Kaufpreis\nerwerben wolle und könne. Für diesen wolle die Beteiligte zu 3) die Flächen\nerwerben. Gegen diesen Bescheid haben die Antragsteller fristgerecht einen\nAntrag auf gerichtliche Entscheidung eingereicht.\n\n2\n\n \n\nDie Antragsteller haben die Auffassung vertreten, die Veräußerung habe gemäß §\n2 Abs. 3 Nr. 2 GrdstVG keiner Genehmigung bedurft, weil jedes der veräußerten\nFlurstücke unterhalb der Freigrenze von 2 ha gemäß Art. 1 des Gesetzes zur\nDurchführung des Grundstücksverkehrsgesetzes des Landes Schleswig-Holstein\nliege. Jedes der Flurstücke sei ein eigenständiges Grundstück im Sinne des\nGrundstücksverkehrsgesetzes. Denn das Grundstücksverkehrsgesetz verstehe unter\neinem Grundstück ein Grundstück im Rechtssinne, also einen räumlich\nabgegrenzten Teil der Erdoberfläche, der im Bestandsverzeichnis eines\nGrundbuchblatts ohne Rücksicht auf die Art der Nutzung unter einer besonderen\nNummer eingetragen sei. Die Veräußerung mehrerer Grundstück im Rechtssinne sei\nauch dann nicht genehmigungspflichtig, wenn sie in ihrer Summe die\nGenehmigungsfreigrenze überschritten. Anderenfalls würde, wie bereits Hötzel\nin Agrarrecht 1983, 176, überzeugend ausgeführt habe, durch die Hintertür der\nwirtschaftliche Grundstücksbegriff in das Genehmigungsverfahren eingeführt,\nobgleich der Gesetzgeber vom Begriff des Grundstücks im Rechtssinne\nausgegangen sei.\n\n3\n\n \n\nZu berücksichtigen sei, dass die Eigentümerin ohne weiteres nacheinander die\nGrundstücke im Rechtssinne innerhalb der Freigrenze hätte veräußern können,\nohne dass dies grundstücksverkehrsrechtlich zu beanstanden gewesen wäre. Die\nZusammenfassung dieser Grundstücke in einem Vertrag sei lediglich aus Gründen\nder Zweckmäßigkeit erfolgt. Der wirtschaftliche Grundstücksbegriff -definiert\nals Mehrheit von Grundstücken, die räumlich oder wirtschaftlich zusammenhängen\n- finde nur in der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrdstVG Anwendung, wo\nnämlich zwischen dem Grundstück und einer Mehrheit von Grundstücken\ndifferenziert werde und es um die unwirtschaftliche Verkleinerung oder\nAufteilung dieser Grundstücke gehe. Diese Vorschrift sei indes hier nicht\nanwendbar, weil die Veräußerung wegen Unterschreitung der Freigrenzen gar\nnicht genehmigungspflichtig sei.\n\n4\n\n \n\nDie Antragsteller haben beantragt,\n\n5\n\n \n\nfestzustellen, dass der Kaufvertrag nicht der Genehmigung des Amtes für\nLändliche Räume bedürfe.\n\n6\n\n \n\nDie Beteiligte zu 3) hat beantragt,\n\n7\n\n \n\nden Antrag zurückzuweisen.\n\n8\n\n \n\nSie hat die Ansicht vertreten, das Reichssiedlungsgesetz verstehe unter\nGrundstück nicht das Grundstück im Rechtssinne, sondern stelle auf die\nwirtschaftliche Zusammengehörigkeit ab. Das entspreche auch der ständigen\nRechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts. Dazu hat sie\nauf die Entscheidung des Senats vom 9. November 2004 - 3 WLw 21/04 -\nverwiesen, der die Veräußerung von zwei Grundstücken der Größe von 1,775 ha\nbzw. 1,6997 ha zugrundegelegen hätte und in der davon ausgegangen worden sei,\ndass die Freigrenze nach dem Reichssiedlungsgesetz überschritten worden sei.\n\n9\n\n \n\nDas angehörte Amt für Ländliche Räume hat die Auffassung vertreten, die\nVoraussetzungen für die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beteiligte zu 3)\ngemäß § 4 RSG seien erfüllt. Entscheidend sei, dass landwirtschaftliche\nGrundstücke von mehr als 2 ha veräußert worden seien, die zusammenlägen und\neine wirtschaftliche Einheit bildeten. Sie seien zu einem einheitlichen, nicht\nnach einzelnen Flurstücken aufgegliederten Kaufpreis verkauft worden. Die\nZusammengehörigkeit werde auch dadurch untermauert, dass die Flurstücke in\neiner Einheit an einen Pächter verpachtet seien, der die Fläche seit Jahren in\neinem Stück bewirtschafte. Natürliche Grenzen seien zwischen den Flurstücken\nnicht gegeben und nicht zu erkennen. Im Übrigen seien die Flurstücke im\nBestandsverzeichnis unter derselben Wirtschaftsart und Lage erfasst. Die\nQualifizierung der Flurstücke als ein einheitliches Grundstück sei daher\ngerechtfertigt.\n\n10\n\n \n\nDas Landwirtschaftsgericht hat den Feststellungsantrag der Antragsteller\nzurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, immer dann, wenn\nzusammenhängend liegende und bewirtschaftete Grundstücke von mehr als 2 ha\nverkauft würden, bestehe die Genehmigungspflicht nach dem\nGrundstücksverkehrsgesetz. Hiervon sei auch der Senat in dem Verfahren 3 WLw\n21/04 in einem vergleichbaren Fall ausgegangen. Die Betrachtungsweise der\nAntragsteller, die sich lediglich auf § 9 Abs. 1 Nr. 2 des\nGrundstücksverkehrsgesetzes beziehe, überzeuge nicht. Einzubeziehen sei auch\ndas Reichssiedlungsgesetz. Danach sei von einem in beiden Gesetzen gleichen\nGrundstücksbegriff auszugehen, weil ansonsten ein Vorkaufsrecht bestehen, auf\nder anderen Seite aber Genehmigungsfreiheit vorliegen könnte.\n\n11\n\n \n\nMit der sofortigen Beschwerde halten die Antragsteller daran fest, dass das\nGrundstücksverkehrsgesetz unter einem Grundstück das Grundstück im Rechtssinne\nund nicht im wirtschaftlichen Sinne verstehe, wie der Bundesgerichtshof\nwiederholt entschieden habe. Die Frage, ob eine Mehrheit von Grundstücken\nräumlich oder wirtschaftlich zusammenhänge, sei gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 GrdstVG\nlediglich bei der Verkleinerung oder Aufteilung eines wirtschaftlichen\nGrundstücks zu beantworten. Daraus könne ohne weiteres der Umkehrschluss\ngezogen werden, dass die Frage der räumlichen oder wirtschaftlichen\nZusammengehörigkeit mehrerer Grundstücke für die Frage der Genehmigungspflicht\nim Falle der Veräußerung mehrerer Grundstücke im Rechtssinne unbedeutend sei,\nsoweit die einzelnen Grundstücke die Freigrenze von 2 ha nicht überschritten.\n\n12\n\n \n\nDie Beteiligte zu 3) und die Genehmigungsbörde verteidigen den angefochtenen\nBeschluss.\n\n \n\nII.\n\n13\n\n \n\nDie sofortige Beschwerde der Antragsteller ist gemäß §§ 22 LwVG, 22 Abs. 1 FGG\nstatthaft, insbesondere auch form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie hat\nin der Sache auch Erfolg.\n\n14\n\n \n\nDer Feststellungsantrag ist zulässig, weil die Antragsteller damit der Sache\nnach ein Negativzeugnis gemäß § 5 GrdstVG begehren. Er ist auch begründet.\n\n15\n\n \n\nDas Veräußerungsgeschäft ist gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 GrdstVG i.V.m. dem Gesetz\ndes Landes Schleswig-Holstein zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung des\nGrundstücksverkehrsgesetzes vom 21. Februar 1996 (GVOBl. Schl.-H, Seite 231)\ngenehmigungsfrei. Danach bedarf die Veräußerung von Grundstücken, die nicht\ngrößer als 2 ha sind, keiner Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz.\n\n16\n\n \n\nDie Frage, was unter Grundstück im Sinne des Grundstücksverkehrsgesetzes zu\nverstehen ist, hat der Bundesgerichtshof in seiner Grundsatzentscheidung vom\n19. Dezember 1967 (BGHZ 49, 145, 146) entschieden. Er hat dort ausgesprochen,\ndas Grundstücksverkehrsgesetz verstehe unter einem Grundstück das Grundstück\nim Rechtssinne (und nicht im wirtschaftlichen Sinne), also einen räumlich\nabgegrenzten Teil der Erdoberfläche, der im Bestandsverzeichnis eines\nGrundbuchblattes ohne Rücksicht auf die Art der Nutzung unter einer besonderen\nNummer eingetragen ist, und vertritt dies in ständiger Rechtsprechung (z. B.\nBGH AgrarR 1971/72, 121, 122; BGH AgrarR 1985, 300; BGH AgraR 1986, 211). Dies\nentspricht auch der heutigen Auffassung in der Literatur (Netz,\nGrundstücksverkehrsgesetz, Praxiskommentar, 2. Aufl. 2004, § 1 GrdstVG Anm.\n4.1.3, Seite 203; Hötzel, Freigrenzen im Grundstücksverkehrsrecht, AgrarR\n1983, 176; Haegele, Die Beschränkungen im Grundstücksverkehr, 3. Aufl. 1970,\nRn. 71 i. V. m. Rn. 26).\n\n17\n\n \n\nDa die veräußerten Flurstücke unter eigenständigen Nummern im\nBestandsverzeichnis geführt werden, handelt es sich\ngrundstücksverkehrsrechtlich um drei Grundstücke im Rechtssinne. Ist aber vom\nGrundstück im Rechtssinne auszugehen, so ist die Übertragung mehrerer\nGrundstücke, die jeweils unter der Freigrenze liegen, nicht\ngenehmigungsbedürftig. Dabei ist es unerheblich, ob die Übertragung\nverschiedener Grundstücke in einem Vertrag oder in mehreren selbständigen\nVereinbarungen vorgesehen ist. Ein nach § 134 BGB unzulässiges\nUmgehungsgeschäft würde auch bei getrennten Veräußerungen nicht vorliegen (BGH\nAgrarR 1986, 211). Das wäre nur dann der Fall, wenn aus einem einzelnen\nGrundstück im Rechtssinne nach einem einheitlichen Plan mehrere Trennstücke,\ndie jeweils unterhalb der Freigrenze, zusammen aber über der Freigrenze\nliegen, gebildet und dann gleichzeitig oder nacheinander veräußert werden. In\neinem solchen Fall bestände ein innerer Zusammenhang zwischen den\nRechtsgeschäften und handelte es sich nach einem einheitlichen Plan um ein\nZerstückelungsgeschäft zur Umgehung der Freigrenzen, das deshalb als eine\nEinheit behandelt werden und genehmigungsbedürftig wäre BGH NJW 1993,648;\n(Netz, a.a.O., § 2 GrdstVG, Anm. 4.2.13.3.2). Ein solches\nZerstückelungsgeschäft ist hier indes nicht gegeben. Ausweislich des\nbeigezogenen Grundbuchs von B. Blatt … sind die im Bestandsverzeichnis zur\nlaufenden Nr. 4, 5 und 6 am 6. August 1988 vom Grundbuch B. Blatt ...\nübertragen worden, mithin seit Jahrzehnten drei selbständige Grundstücke im\nRechtssinne.\n\n18\n\n \n\nWenn auch das Grundstücksverkehrsgesetz unter Grundstück nur das Grundstück im\nRechtssinn versteht, können die Länder im Rahmen der ihnen in § 2 Abs. 3 Nr. 2\nGrdstVG eingeräumten Ermächtigung nicht nur festlegen, dass die Veräußerung\nvon Grundstücken bis zu einer bestimmten Größe genehmigungsfrei ist, sondern\nauch normieren, dass zusätzlich gewissen wirtschaftlichen Gesichtspunkten\nRechnung getragen sein muss (BGHZ 49, 145, 148) oder für die Freigrenzen auch\nauf einen Grundstücksbegriff im wirtschaftlichen Sinne abstellen (Netz, a. a.\nO., § 1 GrdstVG, Anm. 4.1., Seite 203 ff.). So hat Baden-Württemberg\nbeispielsweise in § 1 des Gesetzes über die Freigrenze im land- und\nforstwirtschaftlichen Grundstücksverkehr in der Fassung vom 14. März 1994\n(GBl. Seite 181) u. a. bestimmt, dass von der Genehmigungspflicht nach § 2\nAbs. 1 GrdstVG die Veräußerung eines Grundstücks, das weder selbst noch\nzusammen mit anderen Grundstücken des Veräußerers, mit denen es eine\nzusammenhängende Fläche bildet, ausgenommen ist, wenn bestimmte Größen nicht\nüberschritten werden. § 46 Abs. 1 S. 1 des Ausführungsgesetz des Landes\nSachsen vom 12. Dezember 1997 (GVBl. 1997, S. 638) bestimmt, dass - abgesehen\nvon Veräußerungen an Gemeinden, Verwaltungsverbänden oder Landkreise - alle\nVeräußerungen von Grundstücken, die eine bestimmte Größe nicht überschreiten\nkeiner Genehmigung bedürfen. Gleichzeitig ist in § 46 Abs. 1 S. 2 des\nAusführungsgesetzes aber geregelt, dass dann, wenn das Grundstück mit anderen\nGrundstücken des Veräußerers eine zusammenhängende Fläche bildet, als\nGrundstück im Sinne von S. 1 die jeweils einheitlich bewirtschaftete Fläche\ngilt. In Bayern bedarf nach dem Zweiten Verwaltungsreformgesetz vom 28.3.2000\n(Bayr. GVBl. 2000, S. 136; bei Netz. S. 98) die Veräußerung bis zu einer Größe\nvom 2 ha keiner Genehmigung. Anderes gilt nach Art. 2 Abs. Nr. 2 des\nAusführungsgesetzes aber, wenn innerhalb von drei Jahren vor der Veräußerung\naus dem gleichen Grundbesitz im Rahmen der Freigrenze land- oder\nforstwirtschaftliche Grundstücke veräußert worden sind und bei Einrechnung\ndieser Veräußerung die Fläche von 2 ha erreicht wird.\n\n19\n\n \n\nDerartige wirtschaftliche Bezüge hat der Gesetzgeber in Schleswig-Holstein\nindes nicht normiert. Er hat, dem Wortlaut der Ermächtigungsgrundlage in § 2\nAbs. 3 Nr. 2 GrdstVG entsprechend, lediglich bestimmt, dass "die Veräußerung\nvon Grundstücken, die nicht größer als 2 ha sind", keiner Genehmigung nach dem\nGrundstücksverkehrsgesetz bedarf und hat damit den Grundstücksbegriff im\nRechtssinne, wie er dem Grundstücksverkehrsgesetz zugrunde liegt,\nuneingeschränkt übernommen.\n\n20\n\n \n\nZwar mag die vom Schleswig-Holsteinischen Gesetzgeber gewählte Freigrenze von\n2 ha, die mit der Grundstücksgröße für das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht\ngemäß § 4 Abs. 1 RSG korrespondiert, dafür sprechen, dass der Gesetzgeber\nmöglicherweise eine Harmonisierung zwischen dem Grundstücksverkehrsgesetz und\ndem Reichssiedlungsgesetz hat herbeiführen wollen. Anders als in § 2 Abs. 1\nGrdstVG ist im Bereich des Reichssiedlungsgesetzes bei der Ausübung des\nsiedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts weiterhin der wirtschaftliche\nGrundstücksbegriff maßgebend (BGH NJW 1997, 1073, 1074). Grundstück ist danach\njeder einheitlich bewirtschaftete Grundbesitz. Es kommt nicht entscheidend\ndarauf an, wie das Grundstück im Grundbuch eingetragen ist, insbesondere, ob\nes auf einem oder mehreren Grundbuchblättern verzeichnet ist oder im\nBestandsverzeichnis eigenständige Grundstücksnummern hat, sondern allein auf\ndie wirtschaftliche Zusammengehörigkeit (Senat SchlHA 1997, 159, 160; 2001,\n287, 288, Senatsbeschluss vom 9. November 2004 - 3 WLw 21/04 -). Es entspricht\nfeststehender Rechtsprechung und Literaturmeinung, dass bei Veräußerung\nmehrerer landwirtschaftlicher Grundstücke, die jeweils unter der Größe von 2\nha liegen, zusammen aber die Größe von 2 ha überschreiten, für die Größe von 2\nha aufwärts gemäß § 4 Abs. 1 RSG die Summe der Grundstücke maßgeblich ist,\nwenn der veräußerte Grundbesitz ein Grundstück im wirtschaftlichen Sinne ist\n(BGH AgrarR 1985, 300; AgrarR 2001, 382; Senatsbeschluss vom 9. November 2004\n- 3 WLw 21/04 - Seite 9/10; Netz, a. a. O., § 4 RSG Anm. 4.35.3.1.6, Seite\n988; Pikalo-Bendel, Grundstücksverkehrsgesetz, § 27 II.1. zu § 4 Abs. 1 RSG a)\nee), Seite 1110; Hörsting, Agrarrecht 1998, 180, 185). Dies rechtfertigt es\naber nicht, trotz Fehlens einer gesetzlichen Regelung im Ausführungsgesetz zum\nGrundstücksverkehrsgesetz, durch die wirtschaftliche Erwägungen in das\nGrundstücksverkehrsgesetz hineingetragen werden, wie es etwa in Baden-\nWürttemberg, Bayern und Sachsen geschehen ist, ohne irgendeine Andeutung im\nGesetzestext des Ausführungsgesetzes in Schleswig-Holstein wirtschaftliche\nErwägungen in den Gesetzestext hineinzuinterpretieren. Das Ausführungsgesetz\nin Schleswig-Holstein entspricht wörtlich dem Gesetzestext in § 2 Abs. 3 Nr. 3\nGrdstVG., dem der Grundstücksbegriff im Rechtssinne zugrunde liegt. Dann aber\ngilt dieser Grundstücksbegriff uneingeschränkt auch für das Ausführungsgesetz.\nDenn bei verständiger Würdigung muss davon ausgegangen werden, dass mit ein\nund demselben Begriff in einem Ausführungsgesetz, das wörtlich der\nErmächtigungsgrundlage entspricht, aufgrund der es ergangen ist, auch dasselbe\ngemeint ist wie mit dem entsprechenden Begriff in der Ermächtigungsgrundlage,\nwenn wie hier nichts abweichendes bestimmt ist.\n\n21\n\n \n\nDementsprechend hat der Bundesgerichtshof für den Anwendungsbereich der\nFreigrenzenregelung in Nordrhein-Westfalen gemäß dem Ausführungsgesetz zum\nGrundstücksverkehrsgesetz vom 14. Juli 1981 (GVOBl. S. 403, abgedruckt auch\nbei Netz, aaO. S. 135), die der Regelung in Schleswig-Holstein wörtlich\nentspricht, lediglich eine andere Größe für die Freigrenze vorsieht, bereits\nentschieden, dass bei Veräußerung mehrerer Flurstücke mit eigenen Nummern im\nBestandsverzeichnis, von denen jedes innerhalb der Freigrenze liegt, die in\nihrer Summe die Freigrenze aber überschreiten, die Veräußerung auch dann\ngenehmigungsfrei ist, wenn die Grundstücke aufgrund eines einheitlichen\nVertrags übertragen werden sollen (BGH AgrarR 1986, 211; ebenso Netz, aaO, § 2\nGrdstVG, Anm. 4.2.13.3.3, S. 299).\n\n22\n\n \n\nDie unterschiedlichen Grundstücksbegriffe im Grundstücksverkehrsgesetz und\nReichssiedlungsgesetz führen im Ergebnis bei richtiger Rechtsanwendung nicht\nzu widersprüchlichen Entscheidungen. Denn die Ausübung des\nsiedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts ist nach der ausdrücklichen Regelung in §\n4 RSG nur dann unter bestimmten Voraussetzungen möglich, "wenn die Veräußerung\neiner Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz vom 28. Juli 1961\n(Bundesgesetzblatt I S. 1091) bedarf", was innerhalb der Freigrenze nach § 2\nAbs. 3 GrdstVG aber gerade nicht der Fall ist (Haegele. Die Beschränkungen im\nGrundstücksverkehr, 3. Aufl. Rn. 72. Netz, daO, § 4 RSG, Anm. 4.35.3.1.6.3,\nBeispiel 8, S. 996; Hötzel AgraR 1983, 176, 178, 179). Soweit der Senat in der\nEntscheidung 3 W 21/04 - der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs\nentsprechend - ausgeführt hat, das § 4 Abs. 1 RSG das Grundstück im\nwirtschaftlichen Sinne meint, ändert dies nichts daran, das für die Ausübung\ndes Vorkaufsrechts weitere Voraussetzung ist, dass die Veräußerung überhaupt\neiner Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz bedarf, auch wenn das in\nder genannten Entscheidung nicht ausdrücklich erörtert worden ist. Das aber\nist vorliegend nicht der Fall.\n\n23\n\n \n\nDer Senat hält es für billig, dass es bei dem Grundsatz der Freiwilligen\nGerichtsbarkeit bleibt, dass jeder Beteiligte seine eigenen Auslagen trägt.\nEine Erstattungsanordnung nach § 45 LwVG zu Lasten der Beteiligten zu 3) wäre\nnicht angemessen, weil sie aufgrund der früheren Senatsentscheidung 3 W 21/04,\nder ein vergleichbarer Sachverhalt zugrundelag, davon ausgehen durfte, dass im\nGrundstücksverkehrsgesetz und im Reichssiedlungsgesetz identische\nGrundstücksbegriffe gelten.\n\n24\n\n \n\nDie Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 36 Abs. 2 LwVG i. V. m. § 30\nKostO.\n\n \n\n
109,684
sg-schleswig-2005-09-14-s-17-so-19205
1,075
Sozialgericht Schleswig
sg-schleswig
Schleswig
Schleswig-Holstein
Sozialgerichtsbarkeit
S 17 SO 192/05
2005-09-14
2018-11-26 09:52:46
2019-01-17 11:34:49
Urteil
ECLI:DE:SGSCHLE:2005:0914.S17SO192.05.0A
#### Tenor\n\n \n\nDie Beklagte wird unter Abanderung des Bescheides vom 14.12.2004 in der\nFassung des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2005 verurteilt, dem Klager\nab dem 1. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung fur Erwerbsunfahige unter\nZugrundelegung eines Mischregelsatzes in Hohe von 311,- Euro zu gewahren.\n\n \n\nDie Beklagte hat dem Klager seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu\nerstatten.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDer Klager begehrt hohere Leistungen der Grundsicherung fur Erwerbsunfahige.\n\n2\n\n \n\nDer 1940 geborene Klager lebt zusammen mit seiner Ehefrau, die Leistungen der\nGrundsicherung fur Arbeitssuchende erhalt. Der Klager bezog seit Anfang 2003\nerganzende Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz. Zudem bezog er eine\nRente wegen Erwerbsunfahigkeit.\n\n3\n\n \n\nDie Ehefrau des Klagers erhielt seit dem 1. Januar 2005 Leistungen der\nGrundsicherung fur Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch in\nHohe von 503,03 Euro. Hierin war eine Regelleistung in Hohe von 311,- Euro\nenthalten.\n\n4\n\n \n\nMit Bescheid vom 14. Dezember 2004 bewilligte die Beklagte dem Klager\nLeistungen in Hohe von 80,03 Euro ab Januar 2005 nach dem Zwolften Buch\nSozialgesetzbuch (SGB XI). Hierbei legte die Beklagte einen Regelbedarf in\nHohe von 276,- Euro zugrunde.\n\n5\n\n \n\nAm 7. Januar 2005 erhob der Klager Widerspruch. Diesen begrundete er damit,\ndass er nicht mehr als Haushaltsvorstand gefuhrt werde. Hiergegen hatte er\nnichts einzuwenden, wenn seine Frau, die Leistungen nach dem Zweiten Buch\nSozialgesetzbuch erhalte, als Haushaltsvorstand gefuhrt werde. Dies sei jedoch\nnicht der Fall.\n\n6\n\n \n\nMit Bescheid vom 20. April 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zuruck. Sie\nbegrundete den Widerspruch im Wesentlichen mit der Eigenschaft des Klagers als\nHaushaltsangehoriger, da die Ehefrau durch ihr hoheres Einkommen uber das\nHaupteinkommen verfuge. Nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 der Regelsatzverordnung ergebe\nsich ein Regelbedarf nach § 42 SGB XII i.V.m. § 28 SGB XII in Hohe von 276,-\nEuro.\n\n7\n\n \n\nDer Klager hat am 29. April 2005 die Klage erhoben und zugleich einen Antrag\nauf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt.\n\n8\n\n \n\nEr tragt vor, es sei ihm egal, wer als Haushaltsvorstand gefuhrt werde,\ngegenwartig fehlten ihm und seiner Ehefrau monatlich 34,- Euro.\n\n9\n\n \n\nMit Beschluss vom 29. April 2004 wurde die Arbeitsgemeinschaft Lubeck zu\nVerfahren beigeladen.\n\n10\n\n \n\nDer Klager beantragt sinngemaß schriftsatzlich,\n\n11\n\n \n\ndie Beklagte unter Abanderung des Bescheides vom 14. Dezember 2004 in der\nFassung des Widerspruchsbescheides vom 20. April 2004 zu verurteilen, ihm ab\ndem 1. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung fur Erwerbsunfahige unter\nZugrundelegung eines Mischregelsatzbedarfes in Hohe von 311,-- Euro zu\ngewahren.\n\n12\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n13\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n14\n\n \n\nDie Beklagte tragt in Erganzung ihres Vorbringens im Verfahren des\neinstweiligen Rechtschutzes vor, dass die Regelungsdivergenzen im SGB II und\nSGB XII nicht zu ihren Lasten gelost werden durfte. Wurde mit dem\nLandessozialgericht davon ausgegangen, dass der Klager Haushaltsvorstand sei,\nstunden der Bedarfsgemeinschaft 190 v.H. des Eckregelsatzes zu. Hierdurch\nerhielten sie 10 v.H. zu viel. Der Klager habe einen erganzenden Anspruch\ngegen die Beigeladene aus § 28 Abs. 1 SGB II. Der Ausschluss des § 28 Abs. 1\nSGB II greife nur soweit Leistungen nach dem SGB XII gewahrt wurden. Zwar\nsolle nach der ursprunglichen gesetzlichen Intention der § 28 Abs. 1 SGB II\nnicht der Regelsatzerganzung im Bereich des SGB XII dienen, jedoch bestehe\nkeine andere gesetzliche Moglichkeit.\n\n15\n\n \n\nDie Beigeladene stellt keinen Antrag. Sie hat sich im Verfahren nicht\ngeaußert.\n\n16\n\n \n\nDas Sozialgericht hat am 4. Mai 2005 die Beklagte im einstweiligen\nAnordnungsverfahren (Az. 17 SO 82/05 ER) verpflichtet, dem Klager ab Eingang\nder einstweiligen Anordnung bis zum 31. Juli 2005 weitere 34,- Euro zu\ngewahren. Das Sozialgericht hat in seiner Begrundung im Wesentlichen auf die\nvom Gesetzgeber gewollten identischen Leistungsniveaus im SGB II und SGB XII\nabgestellt und den Leistungsanspruch des Klagers aus § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII\nhergeleitet.\n\n17\n\n \n\nDie Beschwerde (Az. L 9 B 108/05 SO ER) der Beklagten wurde durch Beschluss\ndes Landessozialgerichtes vom 23. Juni 2005 zuruckgewiesen. Das\nLandessozialgericht begrundete seinen Beschluss damit, dass der Antragsteller\nHaushaltsvorstand sei.\n\n18\n\n \n\nWegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die\nbeigezogenen Verwaltungsvorgange sowie die beigezogene Verfahrensakte zum Az.\nS 17 SO 82/05 ER verwiesen, die - soweit erforderlich - Gegenstand der\nmundlichen Verhandlung waren.\n\n#### Entscheidungsgrunde\n\n19\n\n \n\nDie zulassige Klage ist begrundet. Der tenorierte Anspruch ergibt sich aus §\n42 S. 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII. Der Bedarf des Klagers\nbetragt 311,- Euro. Der Gesetzgeber geht von einem einheitlichen Regelbedarf\nbei einer Bedarfsgemeinschaft, unabhangig von ihrer Zugehorigkeit zum SGB II\noder SGB XII, aus. Eine Unterschreitung oder Überschreitung dieser\nBedarfssumme durch die Zugehorigkeit des einen Haushaltsmitgliedes zum\nRegelungsbereiches des SGB II und des anderen zum SGB XII ist durch eine\nRegelsatzanpassung auszugleichen. Da das SGB II entgegen dem SGB XII nicht\nzwischen Haushaltsvorstanden und Haushaltsangehorigen unterscheidet, ist eine\nAnpassung beim kommunalen Leistungstrager vorzunehmen.\n\n20\n\n \n\nHierbei kann offen bleiben, ob, wie die erkennende Kammer im Eilverfahren\nmeinte, eine Regelsatzanpassung bei dem Klager nach § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII\nzu erfolgen hat, oder wie das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht in\neinem Beschluss vom 8. August 2005 (Az. L 9 B 158/05 SO ER) meinte, der\nMischregelsatz aus § 28 Abs. 1 S. 1 SGB XII zugrunde zu legen ist.\n\n21\n\n \n\nDas Sozialgericht fuhrte in seinem Beschluss vom 4. Mai 2005 aus:\n\n22\n\n \n\n"Nach § 28 Abs. 2 SGB XII setzen die Landesregierungen durch\nRechtsverordnungen zum 01. Juli eines jeden Jahres die Hohe der monatlichen\nRegelsatze im Rahmen der Rechtsverordnung nach § 40 SGB XII fest. Der\nRegelsatz fur den Antragsteller zu 2) ergibt sich der Hohe nach aus § 2 der\nRegelsatzverordnung nach § 28 Abs. 2 SGB XII vom 15. Dezember 2004 (Regelsatz\nVO SH, GVOBl. Schleswig-Holstein, 2004, S. 505). Dieser betragt dem Grunde\nnach fur den Antragsteller, da er das 14. Lebensjahr vollendet hat, 276,00\nEuro und nicht vorgetragen wurde, dass er die Generalkosten des Haushaltes\ntragt. Sollte der Antragsteller zu 2) nachweisen, dass er die Generalkosten\ndes Haushaltes tragt, betruge er 345,- Euro. Dies fuhrt aus Sicht der Kammer\njedoch zu keinem anderen Ergebnis, da insoweit eine Bedarfsanpassung nach\nunten vorzunehmen ware.\n\n23\n\n \n\nDer Regelbedarf nach § 2 RegelsatzVO SH in Hohe von 276,- Euro deckt jedoch\nnicht den Bedarf des Antragstellers zu 2) in Hohe von 310,00 Euro, welcher\nnach dem gesetzgeberischen Willen zugrunde zu legen ist. Dieser\ngesetzgeberische Wille ergibt sich aus dem Systemvergleich des SGB XII zum SGB\nII.\n\n24\n\n \n\nDie Regelungssystematik des SGB XII sieht vor, dass eine Bedarfsgemeinschaft\nvon mehr als einer Person sich in einen Haushaltsvorstand, der nach § 1 der\nRegelsatzVO SH 345,00 Euro erhalt und Haushaltsangehorige, die, soweit sie das\n14. Lebensjahr vollendet haben, 276,00 Euro erhalten, aufteilt. Soweit eine\nHaushaltsgemeinschaft aus zwei Angehorigen besteht, geht der Verordnungsgeber\ndavon aus, dass ein Regelbedarf von insgesamt 621,00 Euro besteht.\n\n25\n\n \n\nDas SGB XII sieht vor, dass der Haushaltsvorstand mit dem Eckregelsatz nach §\n1 der Regelsatzverordnung SH die so genannten Generalunkosten des Haushaltes\n(z.B. Energie fur Haushaltsgerate, Tageszeitung, kleine Instandhaltungen,\nSchwund, Verderb oder Verlust bei Nahrungsmitteln) tragt. Die Hohe des\nGeneralunkostenanteils entspricht der Differenz des Eckregelsatzes nach § 1\nder Regelsatzverordnung SH zu § 2 Regelsatzverordnung, dem Regelsatz fur\nHaushaltsangehorige (vgl. Roscher in LPK - BSHG, 6. Auflage, § 22 mit VO Rdnr.\n45).\n\n26\n\n \n\nDem Grunde nach steht demjenigen Haushaltsangehorigen, der Haushaltsvorstand\nist, der volle Eckregelsatz zu. Streiten die Eheleute daruber, wer die\nGeneralunkosten tragt und wem der volle Eckregelsatz zusteht, erhalt derjenige\nden Eckregelsatz in voller Hohe, dem dieser Nachweis gelingt. Fehlt im\nStreitfall ein Nachweis, erhalt jeder Ehegatte die Halfte des\nGeneralunkostenanteils im Eckregelsatz zuzuglich seines eigenen Regelsatzes\nals sonstiges Haushaltsmitglied (vgl. BVerwG, NDV 1964, 507).\n\n27\n\n \n\nDa der Gesetzgeber des SGB II von einer gemeinsamen Tragung der\nGeneralunkosten ausgeht, ist bei einer Bedarfsgemeinschaft, bei dem ein\nLeistungsberechtigter nach dem SGB II zu beurteilen ist und der weitere nach\ndem SGB XII, eine entsprechende Anpassung des Regelbedarfes nach § 28 Abs. 1\nSatz 2 SGB XII vorzunehmen.\n\n28\n\n \n\nDas SGB II differenziert nicht nach Haushaltsvorstand und weiteren\nHaushaltsangehorigen. Soweit zwei Angehorige der Bedarfsgemeinschaft das 18.\nLebensjahr vollendet haben, betragt die Regelleistung nach § 20 Abs. 3 SGB II\njeweils 90 v.H. (311,- Euro) der Regelleistung nach § 20 Abs. 2 SGB II (345,-\nEuro).\n\n29\n\n \n\nSowohl das SGB II wie auch das SGB XII gehen von einem nahezu identischen\nBedarf aus. § 28 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. SGB XII bietet den gesetzlichen Rahmen\nfur eine Anpassung des Regelbedarfes, soweit eine Bedarfsunterdeckung beim\nAnspruchsberechtigten nach dem SGB XII besteht. Diese Regelungsmoglichkeiten\nergeben sich nicht im SGB II. Da das SGB II keine Anpassungsmoglichkeiten\nvorsieht, ist eine entsprechende Anpassung nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII\nvorzunehmen. Nach § 28 Abs. 1 S. 2 2. Alt. SGB XII wird der Bedarf anders\nfestgelegt, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder anderweitig gedeckt ist\noder unabweisbar seiner Hohe nach erheblich von einem durchschnittlichen\nBedarf abweicht. Der zusatzliche Bedarf in Hohe von 34,- Euro monatlich ist\nunabweisbar, da die Generalkosten des Haushaltes nur zur Halfte durch die\nAntragstellerin zu 1) gedeckt werden. Er weicht auch erheblich von dem\ndurchschnittlichen Bedarf eines Haushaltsangehorigen ab. Die ohnehin knapp\nbemessenen Regelsatze ermoglichen keinen dauerhaften Spielraum in dieser Große\nnach unten.\n\n30\n\n \n\nDer Antragsgegnerin ist zuzugeben, dass eine Regelungslucke zu bestehen\nscheint. Eine Harmonisierung der Systeme des SGB II und des SGB XII durch den\nGesetzgeber waren bei Bedarfsgemeinschaften wie der Vorliegenden\nwunschenswert. Dennoch besteht kein Raum fur eine entsprechende Anwendung des\n§ 20 Abs. 2 SGB II fur die Beurteilung des Anspruches der Antragstellerin zu\n1). Daher ist die Beigeladene auch nicht zu einer weitergehenden Leistung\nverpflichtet. Der Hilfefall ist wie dargestellt zu losen. Dies ergibt sich\nauch aus folgender Erwagung. Sollte der Antragsteller zu 2) der\nAntragsgegnerin nachweisen, dass er Haushaltsvorstand ist, da er die\nGeneralkosten des Haushaltes tragt (z.B. Stromliefervertrag,\nZeitungsabonnement, Wasserversorgungsvertrag) besaße dieser einen Regelbedarf\nin Hohe von 345,- Euro. Die Antragstellerin zu 1) besaße zugleich, da eine\nentsprechende Anpassungsmoglichkeit im SGB II nicht vorgesehen sind, einen\nBedarf in Hohe von 311,- Euro. Auch in diesem Fall ware eine\nRegelsatzanpassung nach § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII bei dem Antragsteller zu 2)\nvorzunehmen. Andernfalls kame es zu einer Bedarfsuberdeckung."\n\n31\n\n \n\nDas Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht hat sich dieser Auffassung\nnicht angeschlossen. In einem Beschluss vom 8. August 2005 (veroffentlicht in\njuris) fuhrt es aus: "Dieser Anspruch folgt jedoch nicht - wie das\nSozialgericht meint - aus § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII. Nach dieser Vorschrift\nwerden Bedarfe abweichend vom "normalen" Regelsatz des § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB\nXII festgelegt, wenn im Einzelfall ein Bedarf ganz oder teilweise anderweitig\ngedeckt ist oder unabweisbar seiner Hohe nach erheblich von einem\ndurchschnittlichen Bedarf abweicht. Zu der insoweit inhaltlich gleichen\nVorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG hat das Bundesverwaltungsgericht\n(BVerwG) ausgefuhrt (Urteil vom 15. Dezember 1994 -5 C 55/92 -, BVerwGE 97, S.\n232):\n\n32\n\n \n\n"Diese Vorschrift .. enthalt nach Wortlaut, Zweck und Gesetzessystematik eine\nAusnahme vom Regeltatbestand in § 22 Abs. 1 Satz 1 BSHG, deren Reichweite aus\nder Gegenuberstellung zu dieser Regelvorschrift zu bestimmen ist. Nach § 22\nAbs. 1 Satz 1 BSHG werden laufende Leistungen zum Lebensunterhalt außerhalb\nvon Anstalten, Heimen und gleichartigen Einrichtungen nach Regelsatzen\ngewahrt. Damit legt das Gesetz die Form der Sozialhilfe . im Rahmen der Hilfe\nzum Lebensunterhalt fur den Regelfall fest . Welche der zum notwendigen\nLebensunterhalt nach § 12 BSHG gehorenden Bedarfsgruppen durch\nRegelsatzleistungen abgegolten werden sollen, bestimmt die\nRegelsatzverordnung; sie enthalt auch Vorschriften uber den Aufbau der\nRegelsatze . Diese gesetzlichen Vorschriften ermachtigen den Verordnungsgeber\nbei der Bildung von Regelsatzgruppen und der Bemessung (Abstufung) der\nRegelsatze zur Generalisierung, Typisierung und Pauschalierung . Vor diesem\nrechtlichen Hintergrund liegt eine Besonderheit des Einzelfalles im Sinne von\n§ 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG, die eine Erhohung der Regelsatzleistungen gebietet,\ndann vor, wenn der Hilfesuchende einen laufenden nicht nur einmaligen Bedarf\ngeltend macht, der bei der generalisierenden (typisierenden, pauschalierenden)\nBemessung der laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt nach Regelsatzen nicht\nberucksichtigt worden ist und, weil einzelfallabhangig, auch nicht\nberucksichtigt werden konnte. Der Anwendungsbereich von § 22 Abs. 1 Satz 2\nBSHG beschrankt sich somit auf in diesem Sinne atypische Bedarfslagen."\n\n33\n\n \n\nEin solcher individueller, nicht von dem Regelsatz nach der\nRegelsatzverordnung gedeckter Bedarf kann zum Beispiel gesehen werden in\nerhohten Fahrtkosten, die in Ausubung des Umgangsrechts mit Kindern durch\neinen nicht sorgeberechtigten Elternteil entstehen (BVerwG, Urteil vom 22.\nAugust 1995 - 5 C 15/94 -, FEVS 46, S. 89), Fahrtkosten zum Besuch des\ninhaftierten Ehepartners (Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, § 28, Rdnr.\n13) oder erhohtem Wascheverschleiß bzw. besonderem Reinigungsbedarf bei\nBehinderungen (Lehr- und Praxiskommentar BSHG, § 22, Rdnr. 19). Immer kommt es\nhierbei aber auf die individuelle Situation des Einzelnen an, der seinen\nBedarf konkret angeben muss, damit er nach § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII\nBerucksichtigung finden kann.\n\n34\n\n \n\nDemgegenuber ergibt sich der pauschalierende, generalisierende Regelsatz immer\naus § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII. Nach dieser Vorschrift wird der gesamte Bedarf\ndes notwendigen Lebensunterhaltes außerhalb von Einrichtungen mit Ausnahme von\nLeistungen fur Unterkunft und Heizung und der Sonderbedarfe nach den §§ 30 bis\n34 von Regelsatzen erbracht. Die Hohe des Regelsatzes ergibt sich einmal aus §\n2 Regelsatzverordnung Schleswig-Holstein (GVOBl. 2004, S. 505) und aus § 3 der\nRegelsatzverordnung nach § 28 SGB XII vom 3. Juni 2004 (BGBl. I, S. 1067),\nwobei die Hohe des Regelsatzes unterschieden wird nach der Stellung in der\nBedarfsgemeinschaft nach Haushaltsvorstand und Haushaltsangehorigen.\nHaushaltsvorstand ist neben einem Alleinstehenden derjenige, der die\nGeneralunkosten des gesamten Haushaltes tragt (Lehr- und Praxiskommentar BSHG,\n§ 22, Rdnr. 47).\n\n35\n\n \n\nBeteiligen sich beide Eheleute oder beide Partner der eheahnlichen\nGemeinschaft an diesen Lasten und Generalunkosten, so ist die Differenz\nzwischen den Richtsatzen fur den Haushaltsvorstand und fur einen\nHaushaltsangehorigen je nach der Hohe ihrer Beteiligung unter den Partnern\naufzuteilen. Tragt ein Partner die Lasten und Generalunkosten nicht allein und\nlasst sich auch ein bestimmtes Beteiligungsverhaltnis nicht feststellen, so\nist schließlich jedem Partner die Halfte der Differenz zwischen den\nRichtsatzen zu bewilligen (so bereits BVerwG, Urteil vom 27. Februar 1963 - V\nC 105.61 -, FEVS 9, S. 241). Gibt es bei mehreren Beteiligten keine naheren\nAnhaltspunkte fur eine prozentuale Verteilung, darf diese nach Kopfteilen\ngeschehen (Verwaltungsgericht Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 30. August 2004\n- 12 S 1588/04 -, FEVS 96, S. 190). Bei diesem so genannten "Mischregelsatz"\nhandelt es sich somit nicht um eine konkrete Zuordnung von Regelsatz und\nBedarf, sondern um eine pauschalierende Aufgliederung, die dem § 28 Abs. 1\nSatz 1 SGB XII unterfallt.\n\n36\n\n \n\nDieser Mischregelsatzes nach § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII kommt im vorliegenden\nFall zur Anwendung. Es ist hier nicht dargelegt, dass einer der Mitglieder der\nBedarfsgemeinschaft die Generalunkosten tragt. Es ist ebenfalls nicht\ndargelegt, wer zu welchen Anteilen welche Generalunkosten zahlt. Es ist auch\nnicht geboten, dass das Sozialamt oder die Gerichte eventuell durch\nBeweisaufnahme ermitteln, inwieweit eine Kostentragung durch die einzelnen\nMitglieder der Bedarfsgemeinschaft erfolgt. Daher ist hier ohne weitere\nErmittlungen der Mischregelsatz dahingehend anzuwenden, dass der Antragsteller\ndie Differenz zwischen dem Haushaltsangehorigenregelsatz von 276,00 € und dem\nRegelsatz des Haushaltsvorstandes von 345,00 € zur Halfte und somit in Hohe\nvon 34,00 € im Monat zusatzlich erhalt. Ohne diese Aufstockung des Regelsatzes\nware die Bedarfsgemeinschaft des Antragstellers und seiner Ehefrau mit den\nRegelsatzen von 311,00 € und 276,00 €, also zusammen 587,00 €, in den\nGleichheitssatz des Art. 3 Grundgesetz verletzender Weise benachteiligt\ngegenuber einer nur nach dem SGB XII zu beurteilenden Bedarfsgemeinschaft, die\nRegelsatzleistungen von 621,00 € erhalt, und einer solchen nach SGB II mit\nRegelsatzleistungen von 622,00 €.\n\n37\n\n \n\nDem steht nicht entgegen, dass § 42 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 SGB XII bei\nLeistungen der Grundsicherung den maßgebenden Regelsatz nach § 28 vorsieht. Es\nkann dahinstehen, ob sich das auf § 28 Abs. 1 SGB XII insgesamt bezieht oder\nnur auf § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, wie Schoch (in Rotkegel, Sozialhilferecht,\nS. 190, Rdnr. 34 f) meint (vgl. hierzu auch Beschluss des erkennenden Senats\nvom 23. Juni 2005 - L 9 B 108/05 SO ER), denn - wie oben ausgefuhrt - ist der\nMischregelsatz dem § 28 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zuzuordnen, so dass er auf jeden\nFall der maßgebliche Regelsatz fur Leistungen der Grundsicherung ist.\n\n38\n\n \n\nDem kann ebenfalls nicht entgegengehalten werden, die Ehefrau des\nAntragstellers musse den Haushaltsvorstandsregelsatz nach dem SGB II\nverfolgen. Soweit die Antragsgegnerin eine derartige Moglichkeit aus § 20 Abs.\n1 Satz 1 SGB II ableitet, wonach die Regelleistung zur Sicherung des\nLebensunterhaltes insbesondere Ernahrung, Kleidung, Korperpflege, Hausrat,\nBedarfe des taglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur\nUmwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben umfasst, kann dem nicht gefolgt\nwerden. Das "insbesondere" bezieht sich auf die dann folgende Aufzahlung und\nbesagt nichts uber die Zuordnung des Regelsatzes auf Haushaltsangehorige oder\neinen Haushaltsvorstand. Eine solche Zuordnung findet im SGB II nicht statt.\nDas stellt keine Regelungslucke dar. Nach § 20 Abs. 3 SGB II betragt die\nRegelleistung jeweils 90 v. H. der Regelleistung nach Abs. 2, wenn zwei\nAngehorige der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet haben. Welche\nPersonen zur Bedarfsgemeinschaft gehoren, ist in § 7 Abs. 3 SGB II aufgefuhrt.\nDanach gehort zur Bedarfsgemeinschaft gemaß § 7 Abs. 3 Ziff. 3a SGB II der\nerwerbsfahige Hilfebedurftige und der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte\nunabhangig davon, ob dieser Leistungen nach dem SGB II oder nach dem SGB XII\nerhalt. Insoweit ist auch keine Differenzierung in Haushaltsvorstand und\nHaushaltsangehorigen erfolgt. Das stellt aber keine Lucke dar, sondern ein in\nsich geschlossenes System, welches lediglich keinen\nHaushaltsvorstandsregelsatz vorsieht. Die Festsetzung des Regelsatzes in Hohe\nvon 311,00 € ist somit zu Recht erfolgt. Demzufolge kann die Ehefrau des\nAntragstellers - unabhangig davon, dass sie nicht in diesem Verfahren\nbeteiligt ist - nicht darauf verwiesen werden, den Haushaltsvorstandsregelsatz\ngeltend zu machen. Im Übrigen ware ihr das gar nicht moglich, denn sie ist -\nwie oben dargelegt - nicht eindeutig als Haushaltsvorstand zu qualifizieren.\nSie tragt nicht die Generalunkosten des Haushaltes und kann das auch nicht, da\nsie neben den Leistungen nach dem SGB II keinerlei Einkommen hat. Sie kann\nauch nicht - wie die Antragsgegnerin aber meint - darauf verwiesen werden,\ndass sie als Bezieherin von Leistungen nach dem SGB II grundsatzlich\nerwerbsfahig ist, denn zum einen arbeitet sie gegenwartig nicht und\nerwirtschaftet kein Einkommen, zum anderen ist sie so krank, dass erhebliche\nZweifel an einer konkreten Erwerbsfahigkeit bestehen."\n\n39\n\n \n\nDie Kammer folgt dieser Auffassung des Schleswig-Holsteinischen\nLandessozialgerichtes nicht. In den Fallen, in denen ein Angehoriger einer\nBedarfsgemeinschaft eindeutig als Haushaltsvorstand zu qualifizieren ist,\nkommt es je nach Fallgestaltung zu einer Bedarfsuberdeckung oder\n-unterdeckung, da dann ein Anspruch auf Regelleistung in Hohe von 345,- Euro\noder 276,- Euro bestunde. Der Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im\nAlter und bei Erwerbsminderung bestimmt sich nach § 42 SGB XII. § 42 S. 1 Nr.\n1 SGB XII verweist auf den fur den Antragsberechtigten nach § 28 SGB XII\nmaßgebenden Regelsatz. Der Gesetzgeber hat es in der Regelung des § 42 SGB XII\nunterlassen, ausschließlich auf den maßgebenden Regelsatz nach § 28 Abs. 1 S.\n1 SGB XII zu verweisen. Der Regelsatz des § 28 SGB XII bestimmt sich im\nRegelfall nach S. 1. Fur den Antragsberechtigten ist im Einzelfall der\nmaßgebende Regelsatz, der des § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII, da sein individueller\nBedarf abweichend festzusetzen ist (a.A. wohl noch LSG Schleswig-Holstein,\nBeschluss vom 23. Juni 2005, Az. L 9 B 108/05 SO ER). Anhaltspunkte fur eine\nenge Auslegung des individuellen Bedarfes, wie sie das Schleswig-Holsteinische\nLandessozialgericht in seinem Beschluss vom 8. August 2005 (a.a.O.) vornimmt,\nergeben sich aus dem Gesetz nicht. Vielmehr liegt immer dann ein abweichender\nindividueller Bedarf vor, wenn die Regelleistung bzw. der zugrunde gelegte\nRegelbedarf nach § 28 Abs. 1 S. 1 SGB XII i.V.m. der landesrechtlichen\nRegelsatzverordnung nicht das sozio-kulturelle Existenzminimum deckt.\n\n40\n\n \n\nAndernfalls ließe sich im Einzelfall eine Bedarfsuberdeckung oder\n-unterdeckung nicht vermeiden. Dies widersprache jedoch dem in der Sozialhilfe\ngeltenden Bedarfsdeckungsgrundsatz. An dem Bedarfsdeckungsgrundsatz hat sich\njedoch die Auslegung des § 42 S. 1 Nr. 1 SGB XII mit dem Verweis auf § 28 SGB\nXII zu orientieren.\n\n41\n\n \n\nDa die unterschiedliche Herleitung des klagerischen Anspruches keine\nAuswirkungen auf seinen Anspruch hat, kann dies letztendlich dahin stehen. Der\nKlager hat keinen Anspruch uber der Grenze des Mischregelsatzes geltend\ngemacht. Keinesfalls ist, entgegen des Vortrages der Beklagten, die\nBedarfslucke im SGB II zu schließen, sei es als eigener Anspruch des Klagers\nauf Sozialgeld oder durch einen Anspruch der Ehefrau auf einen vollen\nEckregelsatz. Insoweit wird auf die zitierten Beschlusse des Schleswig-\nHolsteinischen Landessozialgerichtes verwiesen (a.A. noch SG Schleswig, 5.\nKammer, Beschluss vom 18. Mai 2005, Az. S 5 AS 155/05 ER, veroffentlicht in\njuris).\n\n42\n\n \n\nDer Klager besitzt auch unter Zugrundelegung der Auffassung des 9. Senates des\nSchleswig-Holsteinischen Landessozialgerichtes (zumindest) den tenorierten\nAnspruch.\n\n43\n\n \n\nDie Entscheidung uber die Erstattung der außergerichtlichen Kosten beruht auf\n§ 193 SGG. Sie orientiert sich am Ausgang des Verfahrens.\n\n \n\n
109,713
lg-kiel-2005-07-22-3-t-30705
1,064
Landgericht Kiel
lg-kiel
Kiel
Schleswig-Holstein
3 T 307/05
2005-07-22
2018-11-26 09:52:51
2019-01-17 11:34:51
Beschluss
ECLI:DE:LGKIEL:2005:0722.3T307.05.0A
#### Tenor\n\n \n\nDie Beschwerde wird zuruckgewiesen.\n\n#### Grunde\n\n1\n\n \n\nDurch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird, hat das\nAmtsgericht die von der Betroffenen angeregte Einrichtung einer Betreuung\nabgelehnt. Dagegen wendet sich die Betroffene mit der Beschwerde.\n\n2\n\n \n\nDie Beschwerde ist gemaß §§ 19, 20 Abs. 1 FGG zulassig. Sie ist jedoch\nunbegrundet.\n\n3\n\n \n\nZurecht hat das Amtsgericht die Einrichtung einer Betreuung abgelehnt.\n\n4\n\n \n\nNach § 1896 Abs. 2 BGB darf ein Betreuer nur fur die Aufgabenkreise bestellt\nwerden, in denen eine Betreuung erforderlich ist. Nicht erforderlich ist eine\nBetreuung, soweit die Angelegenheiten eines Volljahrigen durch einen\nBevollmachtigten ebenso gut besorgt werden konnen wie durch einen Betreuer.\nLetzteres ist hier der Fall.\n\n5\n\n \n\nDie Betroffene, die an einer Sehbehinderung (Sehverlust auf dem einem Auge,\n40-prozentige Sehkraft auf dem anderen Auge), Diabetes mellitus,\nKreislaufbeschwerden und moglicherweise an einer Alkoholproblematik leidet,\nist ersichtlich in der Lage, zur Wahrnehmung ihrer Angelegenheiten einen\nBevollmachtigten zu bestellen. Entsprechendes hat sie auch bereits veranlasst,\nindem sie Herrn ..... vom Sozialverein fur Hilfesuchende e.V. eine umfassende\nVollmacht erteilt hat. Dass im Hinblick auf das Rechtsberatungsgesetz die\nVollmacht im Rechtsverkehr teilweise nicht anerkannt wird, ist ohne Belang,\nweil die Betroffene ggf. anderen Personen Vollmacht erteilen konnte und auch\nkeine Anhaltspunkte dafur vorliegen, dass sie nicht in der Lage ware, die\nVollmacht zu kontrollieren.\n\n \n\n
114,407
olgk-1999-08-31-25-uf-15499
822
Oberlandesgericht Köln
olgk
Nordrhein-Westfalen
Oberlandesgericht
25 UF 154/99
1999-08-31
2018-11-28 11:28:40
2019-02-11 10:39:18
Beschluss
ECLI:DE:OLGK:1999:0831.25UF154.99.00
## Tenor\n\n1\\. Der Prozesskostenhilfeantrag des Verfahrensbeteiligten zu 2) wird\nzurückgewiesen. 2\\. Die Beschwerde des Verfahrensbeteiligten zu 2) vom 14.\nJuli 1999 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Köln vom\n23. Juni 1999 (Bl. 84 - 88 GA) - 315 F 162/98 - wird auf Kosten des\nVerfahrensbeteiligten zu 2) zurückgewiesen. \n1\n\n**GR ÜNDE:**\n\n2\n\nDie gemaß §§ 621 e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1 zulassige befristete Beschwerde\ndes Verfahrensbeteiligten zu 2) hat in der Sache keinen Erfolg. Zurecht und\nmit zutreffender Begrundung, auf die der Senat wegen der Einzelheiten\nverweist, hat das Amtsgericht in dem angegriffenen Beschluss der\nVerfahrensbeteiligten zu 1) das alleinige elterliche Sorgerecht fur die\ngemeinsamen Kinder der Verfahrensbeteiligten zu 1) und 2) ubertragen und ein\nUmgangsrecht des Verfahrensbeteiligten zu 2) mit seinen Kindern fur die Dauer\nvon 18 Monaten ausgeschlossen, weil dies dem Wohl der Kinder am besten\nentspricht, § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Dem Antrag der\n\n3\n\nVerfahrensbeteiligten zu 1) in vorliegendem Sorgerechtsverfahren war daher -\nwie vom Amtsgericht erkannt - zu entsprechen.\n\n4\n\nMit Rucksicht auf das Beschwerdevorbringen des Verfahrensbeteiligten zu 2) ist\nden zutreffenden amtsgerichtlichen Ausfuhrungen nur folgendes hinzuzufugen.\n\n5\n\nAuch das Beschwerdevorbringen hat die dringende Besorgnis nicht entkraftet,\ndass der Antragsgegner (Verfahrensbeteiligter zu 2)) sein Umgangsrecht dazu\nmißbraucht, die beiden gemeinsamen Kinder der Kindesmutter (Antragstellerin\nund Verfahrensbeteiligte zu 1)) zu entziehen. Gerade im Hinblick auf das\ngesamte Vorbringen des Verfahrensbeteiligten zu 2) ist dies zu befurchten.\nDenn in seinem gesamten Vortrag bringt der Verfahrensbeteiligte zu 2) zum\nAusdruck, dass er seine von ihm getrennt lebende Ehefrau (Verfahrensbeteiligte\nzu 1)) in keiner Weise fur fahig halt, die gemeinsamen Kinder zu betreuen und\nzu erziehen. Das fangt damit an, dass er der Antragstellerin\n(Verfahrensbeteiligte zu 1)) vorwirft, sie vernachlassige den Haushalt und\nkonne nicht fur eine richtige Ernahrung der Kinder sorgen. Daruber hinaus\nwirft er ihr vor, sie verweigere grundlos den Kontakt zu ihm.\n\n6\n\nDer Senat halt es fur ausreichend glaubhaft gemacht, dass der Vorwurf des\nVerfahrensbeteiligten zu 2), seine Ehefrau, die Verfahrensbeteiligte zu 1),\nsei nicht in der Lage den Haushalt ordnungsgemaß zu fuhren und die gemeinsamen\nKinder zu betreuen, nicht zutrifft. Insbesondere die eidesstattlichen\nVersicherungen der Mitarbeiterinnen Kaminski und Heinz des Frauenhauses, in\ndem die Verfahrensbeteiligte zu 1) mit ihren Kindern aufhaltig ist, ergibt\ngegenteiliges. Daruber hinaus hat die Mitarbeiterin des Jugendamtes der Stadt\nK., Frau S.-W. in ihrer mundlichen Anhorung im Termin am 28. April 1999 (Bl.\n63 GA) durchaus die Erziehungsfahigkeit der Verfahrensbeteiligten zu 1) in\nvollem Umfang bejaht. Der Senat\n\n7\n\nhat keine Veranlassung, an der Glaubhaftigkeit der eidesstattlichen\nVersicherungen sowie der Bekundung der Sachbearbeiterin des Jugendamtes zu\nzweifeln.\n\n8\n\nErweist sich also der Vortrag des Verfahrensbeteiligten zu 2) hinsichtlich der\nErziehungsfahigkeit seiner Ehefrau, der Verfahrenbeteiligten zu 1), und deren\nGeeignetheit zur Haushaltsfuhrung als unzutreffend, so ist auch der ubrige\nVortrag des Verfahrensbeteiligten zu 2) in einem anderen Lichte zu sehen. Die\nVerfahrensbeteiligte zu 1) scheint gerade nicht die Person zu sein, die\ngrundlos die Familie im Stich gelassen hat. Gerade im Hinblick auf die\nHerkunft und die Erziehung der Verfahrensbeteiligten zu 1) muss es nach\nÜberzeugung des Senates schon schwerwiegende Grunde geben, die die\nVerfahrensbeteiligte zu 1) dazu veranlasst hat, ihren Ehemann, den\nVerfahrensbeteiligten zu 2), zu verlassen. Die Verfahrensbeteiligte zu 1)\nwußte, dass sie damit erheblich Schwierigkeiten auf sich nahm und sich\nweitgehend isolierte. Nahm sie dies alles auf sich, so muss ihre Not sehr groß\ngewesen sein.\n\n9\n\nAndererseits trifft es den Verfahrensbeteiligten zu 2), wie sein Verhalten\nzeigt, schwer, dass verlassen worden ist.\n\n10\n\nDas die Kinder der Verfahrensbeteiligten zu 1) und 2) unter dieser familiaren\nAusnahmesituation stark gelitten haben, zeigt sich an deren Verhalten\ngegenuber dritten. Sowohl aus der eidesstattlichen Versicherung der\nvorbenannten Mitarbeiterinnen des Frauenhauses sowie der mundlichen\nErlauterung der Mitarbeiterin des Jugendamtes wie auch aufgrund des Eindruckes\ndes Amtsrichters ist der Senat der Überzeugung, dass zum Wohle des Kindes die\nSituation dahin befriedet werden muss, dass zunachst der Verfahrensbeteiligte\nzu 2) die restliche Familie in Ruhe lasst. Dies kann nur dadurch gewahrleistet\nwerden, dass fur eine Übergangszeit jeglicher Kontakt des\nVerfahrensbeteiligten zu 2) zu seiner Familie -\n\n11\n\nauch zu seinen Kindern - ausgeschlossen wird. Man wird abwarten mussen, wie\nsich in den nachsten 1 1/2 Jahren die Situation entwickelt.\n\n12\n\nEine weniger einschneidende Maßnahme erschien dem Senat nicht moglich, da sich\nderzeit keine geeigneten Personen finden, die einen Kontakt des\nVerfahrensbeteiligten zu 2) mit seinen Kindern begleiten wollen. Dies mag in\nder religios-politischen Einstellung des Verfahrensbeteiligten zu 2) begrundet\nsein. Gleichwohl hat der Senat diese nicht zu entscheidenden Grundlage fur\nseine Entscheidung gemacht. Entscheidend fur den Senat war seine Überzeugung,\ndass derzeit die Kinder allein bei ihrer Mutter, der Verfahrensbeteiligten zu\n1), gut aufgehoben sind und der Verfahrensbeteiligte zu 2) auch im Interesse\nseiner eigenen Kinder zunachst eine Befriedung der Situation abzuwarten hat,\num dann in beruhigter Atmosphare moglicherweise wieder Kontakt zu seinen\nKindern zu finden. Bei der derzeitigen Situation kann jedenfalls, wollte man\ndem Verfahrensbeteiligten zu 2) ein Besuchsrecht einraumen, eine Gefahrdung\ndes Kindes wurde es nicht ausgeschlossen werden. Allein dies spricht aber\nschon dafur, dass es dem Kindeswohl am besten entspricht, wenn die\nVerfahrensbeteiligte zu 1) das alleinige Sorgerecht erhalt und fur die\nnachsten 1 1/2 Jahre ein Besuchsrecht des Verfahrensbeteiligten zu 2)\nausgeschlossen wird.\n\n13\n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 13 a Abs. 1 S. 2 FGG.\n\n14\n\nBeschwerdewert 5.000,00 DM (§ 30 Abs. 3 KostO). Die Beschwerde erstreckt sich\nlediglich auf die Regelung des Umgangsrechtes bezuglich der beiden Kinder.\n\n
134,198
lsgbw-2008-02-08-l-4-kr-215306
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 4 KR 2153/06
2008-02-08
2019-01-07 10:38:40
2019-01-17 11:54:08
Urteil
## Tenor\n\nAuf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des SG Stuttgart vom 16. Januar\n2006 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.\n\nAußergerichtliche Kosten sind fur beide Rechtszuge nicht zu erstatten.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Beteiligten streiten daruber, ob die Beklagte verpflichtet ist, der\nKlagerin eine Therapie mit intravenosen Immunglobulinen (Octagam) zu gewahren\nund die Klagerin von entsprechenden Kosten freizustellen. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die am … 1969 geborene Klagerin bezieht eine Rente wegen Erwerbsminderung\nund ist pflichtversichertes Mitglied der Beklagten. Seit 1992 leidet sie an\neiner Encephalomyelitis disseminata (Multiple Sklerose). Sie befindet sich\ndeshalb in Behandlung bei dem Arzt fur Neurologie und Psychiatrie Dr. M., der\nim Jahre 2001 einmal monatlich Octagam vertragsarztlich verordnete. Dr. M.\nwandte sich mit Schreiben vom 20. November 2001 an die Beklagte und teilte\nmit, zur Behandlung der Encephalomyelitis disseminata sei zunachst wegen\nhaufiger rezidivierender Schube im akuten Schub immer Cortison angewandt\nworden. Cortison habe die Klagerin sehr schlecht vertragen. Zur Prophylaxe sei\neine Behandlung mit mehreren Interferonen, z.B. Betaferon, Rebif und Avonix,\nversucht worden. Wegen gravierender Nebenwirkungen hatten die Interferone\nwieder abgesetzt werden mussen. Er habe einen Therapieversuch mit dem\nImmunglobulin Octagam unternommen. Dadurch sei es zu einer deutlichen\nReduktion der Schube gekommen. Aufgrund der Budgetierung und weil\nImmunglobuline zur Therapie der Multiplen Sklerose noch nicht zugelassen\nseien, bitte er darum, fur die Klagerin diese Therapie im Nachhinein zu\ngenehmigen. Seinem Schreiben legte er Arztbriefe des Prof. Dr. B., M.-Hospital\nS., vom 24. und 25. September sowie 08. Oktober 2001, der uber einen\noperativen Eingriff bei der Klagerin wegen einer Magenperforation (stationare\nAufenthalte vom 07. bis 18 September 2001 und vom 27. September bis 04.\nOktober 2001) berichtete, sowie einen Arztbrief des Privatdozenten Dr. N.,\nNeurologische Abteilung des Stadtischen Krankenhauses Si., vom 16. Januar\n2002, wonach im Rahmen der stationaren Behandlung vom 19. bis 22. Dezember\n2001 u.a. Immunglobuline (Octagam) zehn Gramm intravenos als Einmal-Gabe\nverabreicht worden seien und es darunter zu einer leichten Besserung der\nSymptomatik gekommen sei, bei. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Bescheid vom 04. November 2002 lehnte die Beklagte die Kostenubernahme\nfur das Medikament Octagam ab. Octagam sei zur Behandlung der vorliegenden\nErkrankung nicht zugelassen. Der Einsatz dieses Arzneimittels außerhalb seiner\nZulassung sei nur bei einer schwerwiegenden oder die Lebensqualitat auf Dauer\nnachhaltig beeintrachtigenden Erkrankung, bei der keine andere Therapie\nverfugbar sei und bei der aufgrund der Datenlage die begrundete Aussicht\nbestehe, dass mit dem betreffenden Praparat ein Behandlungserfolg zu erzielen\nsei, moglich. Das Bundessozialgericht [BSG] (Urteil vom 19. Marz 2002 - B 1 KR\n37/00 R -= BSGE 89, 184 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr. 8) habe festgestellt, dass\nzur Behandlung von Multipler Sklerose bei Immunglobulinen die Erweiterung der\nZulassung nicht beantragt sei und Ergebnisse einer kontrollierten klinischen\nPrufung nicht veroffentlicht seien. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Klagerin legte Widerspruch ein. Das Urteil des BSG vom 19. Marz 2002\n(a.a.O.) treffe Aussagen nur fur eine primar chronische Multiple Sklerose. Bei\nihr liege aber eine Multiple Sklerose mit schubformigem Verlauf vor. Multiple\nSklerose sei den schweren Erkrankungen zuzuordnen. Andere\nBehandlungsmoglichkeiten stunden nicht zur Verfugung. Wegen der Gabe von\nCortison sei es im September 2001 zu einer Magenperforation gekommen. Ziel der\nWeiterbehandlung sei es, die Schubhaufigkeit zu reduzieren, was mit dem\nTherapieversuch mit Immunglobulinen im vergangenen Jahr erfolgreich erreicht\nworden sei. Entsprechende Versuche mit Interferonen oder Copaxone seien leider\ngescheitert. Es liege eine osterreichische Studie zu Immunglobulinen (AIMS)\nvor, die bei der schubformig verlaufenden Erkrankung eine Wirksamkeit habe\nnachweisen konnen. Erganzend fuhrte der Arzt fur Neurologie, Psychiatrie,\nPsychotherapie und Psychoanalyse Dr. S. in einer Stellungnahme vom 20. Januar\n2003 aus, dass Behandlungen mit modernen Interferonpraparaten, einschließlich\nCopaxone, zu so heftigen Nebenwirkungen gefuhrt hatten, dass eine\nentsprechende Dauertherapie nicht moglich gewesen sei. Durch den fruher\ndurchgefuhrten Versuch einer Behandlung mit Octagam-Infusionen einmal\nmonatlich zehn Gramm sei eine deutliche Stabilisierung erzielt worden. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Dr. B., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung Baden-Wurttemberg\n(MDK), fuhrte in seiner Stellungnahme vom 24. Februar 2003 aus, unter der\nInterferontherapie sei es zwar zu Nebenwirkungen gekommen. Dabei habe es sich\naber um ubliche Nebenwirkungen (grippeahnliches und fiebriges Gefuhl, lokale\nReizung- und Schwellungssymptome sowie Abgeschlagenheit) gehandelt, die\nnormalerweise mit Paracetamol zu beherrschen seien. Es sei deshalb fraglich,\nob das erprobte Interferon tatsachlich nicht mehr zur Verfugung stehe. Eine\nklare Kontraindikation lasse sich den Schilderungen der Klagerin nicht\nentnehmen. Es stehe auch Copaxone zur Verfugung, bei dessen Anwendung nach\nAngaben des Dr. S. ihm (Dr. B.) gegenuber nicht die ursprunglich dargestellten\nNebenwirkungen aufgetreten seien. Es sei kein medizinisch nachvollziehbarer\nGrund fur die Nichtanwendung dieser Medikamente vorhanden. Es sei deshalb\nnicht davon auszugehen, dass fur die Behandlung der Erkrankung der Klagerin\nkeine anderen Mittel als Immunglobuline zur Verfugung stunden. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Widerspruchsbescheid vom 27. Mai 2003 wies der Widerspruchsausschuss der\nBeklagten den Widerspruch der Klagerin zuruck. Die Voraussetzungen, die das\nBSG in seinem Urteil vom 19. Marz 2002 (a.a.O.) fur den Einsatz von\nMedikamenten außerhalb der arzneimittelrechtlichen Zulassung aufgestellt habe,\nseien nicht erfullt. Es stunden andere Mittel zur Verfugung. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Klagerin hat am 27. Juni 2003 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG)\nerhoben mit dem Begehren, sie zukunftig von den durch die Therapie mit\nintravenosen Immunglobulinen entstehenden Kosten, die sie mit ca. EUR 1.100,00\nbis EUR 1.200,00 fur die einmal monatliche Infusion angegeben hat,\nfreizustellen. Sie hat ausgefuhrt, sie sei im Jahr 1992 an Multipler Sklerose\nerkrankt. Die Schubfrequenz sei relativ hoch. 1998 sei eine Therapie mit\nBetaferon begonnen, wegen zunehmender Nebenwirkungen aber abgebrochen worden.\nDasselbe gelte fur eine anschließende Behandlung mit Avonex und spater mit\nRebif. Auch unter der zuletzt genannten Interferontherapie sei die\nSchubfrequenz weiter relativ hoch gewesen. Ab 2001 sei dann eine Behandlung\nmit Octagam (Immunglobulin G) in monatlichen Abstanden durchgefuhrt, Anfang\n2002 aber wieder abgesetzt worden, da keine Kostenubernahme erfolgt sei.\nZwischenzeitlich sei eine Behandlung mit Copaxone begonnen worden, wegen des\nAuftretens erheblichen Schwindels und hohen Fiebers aber abgebrochen worden.\nCortison sei nicht mehr einsetzbar, da es deshalb bereits zu einer\nMagenperforation gekommen sei. Die Diagnose einer Multiplen Sklerose vom\nschubformigen Typ sei durch eine weitere Untersuchung bei Prof. Dr. H.\nbestatigt worden. Als aktuelle Therapieoption sei lediglich die nochmalige\nhochdosierte IgG-Infusionstherapie moglich. Es lagen außerhalb eines\nZulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse vor, die Qualitat und Wirksamkeit\ndes Arzneimittels Octagam im Hinblick auf den Einsatz bei einer schubformigen\nMultiple Sklerose-Erkrankung belegten. Mit einer im November 2002 publizierten\nStudie von Levanska und bekannten weiteren Arbeiten gebe es inzwischen\nmindestens vier kontrollierte Studien. Das deutsch-osterreichisch-\nschweizerische Konsenspapier der MS-Therapie-Konsensusgruppe empfehle den\nEinsatz von Immunglobulinen zur Schubprophylaxe in der Basistherapie der\nschubformigen Multiplen Sklerose, wenn Kontraindikationen fur Interferone und\nGlatirameracetat (Copaxone) vorlagen und die bisherige Therapie zu einer guten\ndokumentierten Stabilisierung des Krankheitsverlaufs gefuhrt habe. Auch die\nLeitlinien der Bundesarztekammer zur Therapie mit Blutkomponenten und\nPlasmaderivaten sowie die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft fur Neurologie\nzur Multiplen Sklerose hielten einen Einsatz von Immunglobulinen fur\nerfolgversprechend. Eine andere Therapie stehe ihr auch nicht zur Verfugung.\nDie vom BSG (a.a.O.) aufgestellten Bedingungen, aus denen sich die\nLeistungspflicht der Beklagten ergebe, seien erfullt. Nach den Stellungnahmen\nder behandelnden Ärzte sei die begehrte Therapie angezeigt. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Beklagte ist der Klage unter Bezugnahme auf ihre Ausfuhrungen im\nVorverfahren entgegengetreten und hat ausgefuhrt, nach den Angaben der\nbehandelnden Ärzte gebe es Alternativpraparate und es bestehe kein Konsens\nuber die Qualitat und Wirksamkeit der Gabe von Octagam bei Multipler Sklerose.\nSie hat das Urteil des Landessozialgerichts [LSG] Berlin vom 02. April 2003 (L\n9 KR 70/00) vorgelegt. Einen in der mundlichen Verhandlung vom 08. August 2005\ngeschlossenen (widerruflichen) Vergleich, in dem sich die Beklagte\nverpflichtet hatte, der Klagerin ab 01. Oktober 2005 fur ein Jahr die Kosten\nfur eine zweimonatliche Behandlung mittels Immunglubulinen (Octagam) zu\nerstatten bzw. eine entsprechende Behandlung als Sachleistung zu gewahren, hat\ndie Beklagte unter Hinweis auf die Entscheidung des LSG Berlin widerrufen. Es\nlagen keine Forschungsergebnisse vor, die erwarten ließen, dass das Praparat\nzur Behandlung der schubformig verlaufenden Multiplen Sklerose eingesetzt\nwerden konne. Zudem stehe zur Behandlung noch Copaxane zur Verfugung. In der\nmundlichen Verhandlung des SG am 16. Januar 2006 hat die Beklagte einen Auszug\naus der Internetseite des Paul-Ehrlich-Instituts uber die Therapie der\nschubformigen Multiplen Sklerose mit intravenosen Immunglobulinen vorgelegt. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Klagerin hat erwidert, das Urteil des LSG Berlin sei auf die jetzt\nbestehende Erkenntnislage nicht mehr ubertragbar. Copaxane sei zur Behandlung\nder bei ihr vorliegenden sekundar chronisch-progredienten Multiplen Sklerose\nnicht zugelassen. Hierzu hat sie auf einen weiter vorgelegten Arztbrief des\nProf. Dr. M., Universitatsklinikum T. - Neurologische Klinik -, vom 14.\nSeptember 2005 verwiesen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Das SG hat die die Klagerin behandelnden Ärzte schriftlich als\nsachverstandige Zeugen gehort. Auf die Stellungnahmen des Arztes fur\nNeurologie, Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse Dr. S. vom 22.\nSeptember 2003, des Dr. Hu. vom 29. September 2003, des Prof. Dr. Sc., Klinik\nfur Neurologie, Neurophysiologie und Fruhrehabilitation C. G., vom 25.\nSeptember 2003, der seiner Stellungnahme Kopien medizinischer Artikel\nbeigefugt hat, und des Prof. Dr. H., Klinik fur Neurologische Rehabilitation\nN., vom 14. Oktober 2003 wird Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Das SG hat mit Urteil vom 16. Januar 2006 den Bescheid der Beklagten vom 04.\nNovember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Mai 2003\naufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klagerin eine Therapie mit\nintravenosen Immunglobulinen zu gewahren und die Klagerin von entsprechenden\nKosten freizustellen. Die Voraussetzungen der Rechtsprechung des BSG (a.a.O.)\nzum Off-Label-Use seien erfullt. Bei der Multiplen Sklerose handle es sich um\neine die Lebensqualitat nachhaltig und auf Dauer beeintrachtigende,\nschwerwiegende Erkrankung. Es bestunden bei der Klagerin keine anderen\nBehandlungsmoglichkeiten. Aufgrund der Datenlage bestehe die Aussicht, dass\ndas Medikament Octagam auch bei der schubformig verlaufenden Multiplen\nSklerose mit Erfolg eingesetzt werden konne. Zwar lagen die Voraussetzungen\nfur eine Zulassung noch nicht vor, jedoch seien außerhalb des\nZulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veroffentlicht, die uber Qualitat\nund Wirksamkeit des Arzneimittels in den neuen Anwendungsgebieten\nzuverlassige, wissenschaftlich nachprufbare Aussagen zuließen und aufgrund\nderer in den einschlagigen Fachkreisen Konsens uber einen voraussichtlichen\nNutzen bestehe. Auch lasse sich eine positive Wirkung bei der Klagerin\nfeststellen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Gegen das ihr am 19. April 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 26.\nApril 2006 eingelegte Berufung der Beklagten. Zur Begrundung fuhrt sie\nerganzend aus, bei Octagam handle es sich um ein zugelassenes Arzneimittel,\ndessen Zulassung sich jedoch nicht auf die Behandlung der schubformig\nverlaufenden MS-Erkrankung erstrecke. Auch andere Immunglobuline seien zur\nBehandlung der vorliegenden Erkrankung nicht zugelassen. Die Voraussetzungen,\ndie das BSG in seinem Urteil vom 19. Marz 2002 (a.a.O.) fur den ausnahmsweise\nzulassigen Einsatz eines Medikaments außerhalb der arzneimittelrechtlich\ngewahrten Zulassungsindikation vorgesehen habe, seien im Falle der Klagerin\nnicht erfullt. Bereits die Verlaufsform der Erkrankung der Klagerin sei\nfraglich. Wahrend in den arztlichen Stellungnahmen des Privatdozent Dr. N. vom\n08. November 2001 und des Prof. Dr. H. vom 14. Oktober 2003 angegeben werde,\nes handle sich um eine Multiple Sklerose mit schubformig remittierendem\nVerlauf, gehe Prof. Dr. M. in der Stellungnahme vom 29. August 2003 davon aus,\ndass sich die zunachst schubformig verlaufende Multiple Sklerose zu einer\nsekundar chronisch-progredienten Multiplen Sklerose entwickelt habe. Entgegen\nder Auffassung des SG stunden im Rahmen der vertragsarztlichen Versorgung\nandere Therapien mit fur die Erkrankung zugelassenen Arzneimitteln zur\nVerfugung. Eine Behandlung konne mit dem Wirkstoff Interferon oder dem\nPraparat Copaxone erfolgen. Dies habe auch Dr. S. in seiner Auskunft vom 22.\nSeptember 2003 bestatigt. Ein Behandlungsversuch mit Copaxone sei von der\nKlagerin abgelehnt worden. Soweit die Klagerin behaupte, sie habe die 1998\nbegonnene Therapie mit Betaferon und die anschließende Behandlung mit Avonex\nund spater mit Rebif wegen zunehmender Nebenwirkungen abbrechen mussen,\nverweise Dr. B., MDK, darauf, dass die beschriebenen unerwunschten\nNebenwirkungen die ublichen seien, die mit Paracetamol zu beherrschen seien.\nDie bestehende wissenschaftliche Datenlage gebe keinen hinreichend gesicherten\nWirksamkeitsnachweis von Immunglobulinen bei der vorliegenden Erkrankung. Es\nsei weder ein Zulassungsantrag gestellt worden noch lagen Phase III-Studien\nvor. Es sei nicht uberzeugend, dass das SG einen bestehenden Konsens in der\nmedizinischen Fachwelt uber die Wirksamkeit von Octagam annehme. Die\nsozialmedizinische Expertengruppe 6 „Arzneimittelversorgung" der MDK-\nArbeitsgemeinschaft habe im Dezember 2005 ein aktuelles Update der\nStellungnahme von 2003 zum Einsatz von Immunglobulinen bei Multipler Sklerose\nvorgelegt. Diese sei das Ergebnis einer umfangreichen Recherche in Medline bei\nScientific & Technical Information Network von Oktober 2003 bis Juli 2005 und\nin den Leitlinien zur Behandlung der Multiplen Sklerose in den Webseiten\nanerkannter Institutionen. Einbezogen worden seien weitere Leitlinien zur\nklinischen Erforschung der Arzneimitteltherapie. Als Ergebnis sei\nfestzuhalten, dass intravenose Immunglobuline im akuten Schub und bei der\nsekundar progredienten Multiplen Sklerose keinen zusatzlichen Nutzen neben\neiner Standardtherapie brachten und dass fur die Anwendung intravenoser\nImmunglobuline zur Schubprophylaxe weiterhin kein Konsens bestehe. Ein solcher\nergebe sich auch nicht aus der Stellungnahme des Paul-Ehrlich-Instituts.\nUnabhangig von der Datenlage sei im konkreten Einzelfall ein Behandlungserfolg\nzu bezweifeln. Aus dem Schreiben des Dr. S. vom 22. September 2003 gehe\nhervor, dass es trotz Anwendung von Octagam zu weiteren Schuben gekommen sei.\nAuch Dr. Bu. habe im Befundbericht vom 21. Juli 2003 eine Behandlung mit\nImmunglobulinen fur nicht indiziert gehalten. Der erkennende Senat (Urteil vom\n16. September 2005 - L 4 KR 1094/04 -) habe entschieden, dass sich eine\nWirksamkeit bei der Behandlung mit Octagam auch nach den jungsten\nwissenschaftlichen Erkenntnissen jedenfalls bei der Verlaufsform der sekundar\nchronisch-progredienten Multiplen Sklerose nicht mit der erforderlichen\nWahrscheinlichkeit feststellen lasse. Ihre Auffassung werde auch durch die\nUrteile des Sozialgerichts Fulda vom 26. Oktober 2006 - S 4 KR 5/05 - und des\nSozialgerichts Aachen vom 17. Januar 2007 - S 2 (6) KR 110/05 - gestutzt. Ein\nNotfall entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts [BVerfG]\n(Beschluss vom 06. Dezember 2005 - 1 BvR 347/98 - = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5)\nsei nicht gegeben. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. Januar 2006 aufzuheben und\ndie Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Klagerin halt die Entscheidung des SG fur zutreffend. Zu berucksichtigen\nsei auch ihr Kinderwunsch, der durch das Risiko der konventionelle Behandlung\nfur das ungeborene Kind derzeit zuruckgestellt sei. Das Urteil des erkennenden\nSenats sei nicht einschlagig, weil es mittlerweile neuere Studien gebe und sie\nihren Kinderwunsch bei der konventionelle Behandlung der Krankheit nicht\nverwirklichen konne. Das BVerfG (a.a.O.) fordere, ob es fur die vom Arzt nach\ngewissenhafter sachlicher Einschatzung vorgenommene und von ihm beabsichtigte\nBehandlung ernsthafte Hinweise auf einen nicht ganz entfernt liegenden Erfolg\nder Heilung oder eine spurbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf\nim konkreten Einzelfall gebe. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Berichterstatter hat die Auskunft der Dr. Kerr, Paul-Ehrlich-Institut,\nvom 24. Mai 2007 eingeholt, auf die verwiesen wird. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mundliche Verhandlung\nnach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklart. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten,\ndie Akten des SG und die Akten des Senats Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 21 \n--- \n| Die gemaß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der\nBeklagten, uber die der Senat im Einverstandnis der Beteiligten nach §§ 153\nAbs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mundliche Verhandlung entschieden hat, ist\nzulassig und in der Sache begrundet. Der Bescheid der Beklagten vom 04.\nNovember 2002 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 27. Mai 2003 ist\nrechtmaßig und verletzt die Klagerin nicht in ihren Rechten. Die Klagerin hat\nkeinen Anspruch darauf, dass ihr die Beklagte die Behandlung mit dem\nArzneimittel Octagam zur Verfugung stellt. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht\nunter Aufhebung des angefochtenen Bescheides zur kunftigen Leistung\nverurteilt. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Klagerin begehrt die Verurteilung der Beklagten, die Behandlung mit dem\nArzneimittel Octagam als Sachleistung zur Verfugung zu stellen, nicht aber\neine Kostenerstattung. Der in der Klagebegrundung vom 12. August 2003\nangekundigte und in der mundlichen Verhandlung beim SG gestellte Antrag war in\ndie Zukunft gerichtet. Denn die Klagerin hat die zukunftige Freistellung von\nKosten begehrt. Kosten fur eine selbst beschaffte Behandlung mit dem\nArzneimittel Octagam sind ihr bisher nicht entstanden. Denn nach ihrem Vortrag\nerfolgte eine Behandlung durch Dr. M. eineinhalb Jahre uber eine\nvertragsarztliche Verordnung (S. 2 der Niederschrift uber die mundliche\nVerhandlung beim SG am 08. August 2005, Blatt 98 SG-Akte) und wurde spater\nwegen der Ablehnung der Kostenubernahme durch die Beklagte nicht mehr\nfortgefuhrt (S. 2 der Klagebegrundung vom 12. August 2003, Blatt 6 SG-Akte). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| 1\\. Der der Klagerin wegen der bei ihr bestehenden Multiplen Sklerose, nach\n§ 27 Abs. 1 Satz 1 des Funften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) zustehende\nAnspruch auf Krankenbehandlung, der nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V auch\ndie Versorgung mit Arzneimitteln beinhaltet, umfasst nicht die Versorgung mit\ndem Arzneimittel Octagam. Arzneimittel ohne die nach § 21 Abs 1 des\nArzneimittelgesetzes (AMG) erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung sind\nmangels Zweckmaßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 12 Abs. 1\nSGB V) nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen nach § 27\nAbs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst (BSG, SozR 4-2500\n§ 27 Nr. 7 mwN). Dies ist hier der Fall, weil das Arzneimittel Octagam weder\nfur die Behandlung der schubformigen noch der sekundar progredienten Multiplen\nSklerose zugelassen ist. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| 2\\. Eine zulassungsuberschreitende Anwendung von Octagam bei der Multiplen\nSklerose scheidet aus. Das BSG hat bereits in seinem Urteil vom 19. Marz 2002\n(a.a.O.) sowohl allgemein zu den Voraussetzungen fur einen Off-Label-Use\nausfuhrlich Stellung genommen als auch speziell fur einen an Multipler\nSklerose (dort in einer primar chronisch-progredienten Verlaufsform) leidenden\nVersicherten den Anspruch auf eine intravenose Verabreichung von\nImmunglobulinen im Einzelnen verneint. Der erkennende Senat hat sich dieser\nRechtsprechung im Urteil vom 16. September 2005 angeschlossen. Ein Off-Label-\nUse kommt danach nur in Betracht (ebenso zuletzt BSG SozR 4-2500 § 31 Nr. 5),\nwenn es \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| \n--- \n| 1\\. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die\nLebensqualitat auf Dauer nachhaltig beeintrachtigenden) Erkrankung geht, \n--- \n| 2\\. wenn keine andere Therapie verfugbar ist und \n--- \n| 3\\. wenn aufgrund der Datenlage die begrundete Aussicht besteht, dass mit\ndem betreffenden Praparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ)\nerzielt werden kann. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Auch wenn es sich bei der Multiplen Sklerose um eine die Lebensqualitat auf\nDauer nachhaltig beeintrachtigende Krankheit handelt und es zumutbare\nBehandlungsalternativen wegen der von der Klagerin geklagten erheblicher\nNebenwirkungen von Betaferon nicht geben sollte - woran allerdings im Hinblick\nauf den moglichen Einsatz von Interferon und Copaxone sowie die Behandlung von\ndabei auftretenden Nebenwirkungen mit Paracetamol erhebliche Zweifel bestehen,\nworauf insbesondere Dr. B. in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 24.\nFebruar 2003 hinweist -, fehlt es jedenfalls an der fur einen Off-Label-Use\nauf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen erforderlichen Erfolgsaussicht. Wie\ndas BSG vom 19. Marz 2002 (a.a.O., ebenso SozR 4-2500 § 31 Nr. 5) dargelegt\nhat, kann von hinreichenden Erfolgsaussichten dann ausgegangen werden, wenn\nForschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel fur\ndie betreffende Indikation zugelassen werden kann. Dies kann angenommen\nwerden, wenn entweder (a) die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt\nworden ist und Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prufung der Phase\nIII (gegenuber Standard oder Placebo) veroffentlicht worden sind und eine\nklinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei\nvertretbaren Risiken belegen oder (b) außerhalb eines Zulassungsverfahrens\ngewonnene Erkenntnisse veroffentlicht worden sind, die uber Qualitat und\nWirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlassige,\nwissenschaftlich nachprufbare Aussagen zulassen und aufgrund derer in den\neinschlagigen Fachkreisen Konsens uber einen voraussichtlichen Nutzen in dem\nvorgenannten Sinne besteht. \n--- \n| 27 \n--- \n| Diese Voraussetzungen sind fur das Arzneimittel Octagam bis jetzt nicht\nerfullt. Das BSG hat im Urteil vom 19. Marz 2002 (a.a.O.) darauf abgestellt,\ndass nach den vom Paul-Ehrlich-Institut veroffentlichten Ergebnissen eines\ninternationalen Symposiums von November 2001 fur die sekundar-progressive MS\nkein wissenschaftlicher Konsens uber den Nutzen einer Behandlung mit\nImmunglobulinen bestand. Auch im Urteil vom 16. September 2005 konnte der\nerkennende Senat auf Grund der in jenem Verfahren durchgefuhrten Ermittlungen\nkeine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse, nach denen von einer Wirksamkeit\ndes Arzneimittels Octagam bei Multipler Sklerose auszugehen ware, feststellen.\nDaran hat sich nichts geandert. Weitere neue Erkenntnisse liegen nicht vor.\nDies ergibt sich aus der im vorliegenden Verfahren eingeholten Auskunft des\nPaul-Ehrlich-Instituts vom 24. Mai 2007 hinsichtlich der schubformig\nverlaufenden Multiplen Sklerose. Nach dieser Auskunft gibt es zwar nach der\nDatenlage Hinweise auf eine mogliche Wirksamkeit von Immunglobulinen zur\nBehandlung der schubformig verlaufenden Multiplen Sklerose, allerdings fehlt\nbisher eine kontrollierte, adaquat durchgefuhrte Phase III-Studie, auf die die\nbegrundete Aussicht auf einen wirksamen Einsatz dieser Medikamentengruppe\ngestutzt werden konnte. Es sind auch keine Forschungsergebnisse ersichtlich,\ndie eine Zulassung des Praparats zur Behandlung der sekundar-chronischen oder\nder schubformigen Multiplen Sklerose erwarten ließen. Damit ist\nauszuschließen, dass derzeit außerhalb eines arzneimittelrechtlichen\nZulassungsverfahrens Erkenntnisse vorliegen, die denjenigen einer Phase III-\nStudie gleichstehen (vgl. BSG SozR 4-2500 § 31 Nr. 5). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| 3\\. Auch weitere von der Klagerin vorgetragene Gesichtspunkte verhelfen der\nKlage nicht zum Erfolg. Um einen so genannten Seltenheitsfall, in dem sich\neine Krankheit und ihre Behandlung einer systematischen Erforschung entzieht\nund bei dem eine erweiterte Leistungspflicht der Krankenkassen in Betracht zu\nziehen ware (dazu BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 1), handelt es sich vorliegend\nnicht. Der von der Klagerin speziell fur ihren Einzelfall geltend gemachte\nBehandlungserfolg ist unerheblich, weil die streitige Therapie\nwissenschaftlich anerkannt wirksam sein muss, um den sich fur den Behandlungs-\nund Versorgungsanspruch eines Versicherten aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB\nV ergebenden Einschrankungen genugen zu konnen. Der Anspruch umfasst folglich\nnur solche Leistungen, die zweckmaßig und wirtschaftlich sind sowie deren\nQualitat dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse\nentspricht. Hierzu genugt es nicht, dass die Arzneimitteltherapie bei einem\nVersicherten nach seiner eigenen Ansicht oder derjenigen seiner Ärzte positiv\ngewirkt haben soll und gegebenenfalls herkommlichen Arzneimitteln vorzuziehen\nist (BSG SozR 3-2500 § 27 Nr. 5). Zu Qualitat und Wirksamkeit eines\nArzneimittels muss es vielmehr grundsatzlich zuverlassige, wissenschaftlich\nnachprufbare Aussagen in dem Sinne geben, dass der Erfolg der\nBehandlungsmethode in einer fur die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl\nvon Behandlungsfallen belegt ist (BSG SozR 4-2500 § 31 Nr. 1, BSG SozR 4-2500\n§ 31 Nr. 3). Auch bei einer erfolgten Arzneimittelanwendung sind\nSpontanheilungen und wirkstoffunabhangige Effekte mit in Rechnung zu stellen\n(BSG SozR 4-2500 § 31 Nr. 4). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| 4\\. Zu keinem anderen Ergebnis fuhrt die entsprechend dem Beschluss des\nBVerfG vom 06. Dezember 2005 (a.a.O.) gebotene verfassungskonforme Auslegung\nderjenigen Normen des SGB V, die einem verfassungsrechtlich begrundeten\nAnspruch auf Arzneimittelversorgung entgegenstehen (vgl dazu BSG SozR 4-2500 §\n31 Nr. 4). Diese Auslegung hat zur Folge, dass im Rahmen der\nAnspruchsvoraussetzungen von § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und § 31 Abs. 1 Satz 1\nSGB V Zweckmaßigkeit und Wirtschaftlichkeit ausnahmsweise bejaht werden\nmussen, obwohl ein Mittel bzw. eine Behandlungsmethode an sich von der\nVersorgung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen ist. Die\nverfassungskonforme Auslegung setzt u.a. voraus, dass eine lebensbedrohliche\noder regelmaßig todlich verlaufende oder eine zumindest wertungsmaßig damit\nvergleichbare Erkrankung vorliegt (vgl. BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 7). Daran\nfehlt es. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Das BSG hat insoweit (zuletzt SozR 4-2500 § 31 Nr. 8) ausgefuhrt, dass mit\nden genannten Krankheits-Kriterien des BVerfG eine strengere Voraussetzung\numschrieben wird, als sie mit dem Erfordernis einer „schwerwiegenden"\nErkrankung fur die Eroffnung des Off-Label-Use formuliert ist. Denn hieran\nknupfen weitergehende Folgen an. Ohne einschrankende Auslegung ließen sich\nfast beliebig vom Gesetzgeber bewusst gezogene Grenzen uberschreiten.\nEntscheidend ist, dass das vom BVerfG herangezogene Kriterium bei weiter\nAuslegung sinnentleert wurde, weil nahezu jede schwere Krankheit ohne\ntherapeutische Einwirkung irgendwann auch einmal lebensbedrohende Konsequenzen\nnach sich zieht. Das kann aber ersichtlich nicht ausreichen, das\nLeistungsrecht des SGB V und die dazu ergangenen untergesetzlichen Regelungen\nnicht mehr als maßgebenden rechtlichen Maßstab fur die Leistungsanspruche der\nVersicherten anzusehen (vgl. auch BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 10). \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Bereits die Anforderungen an das Bestehen einer "schwerwiegenden"\nErkrankung fur einen Off-Label-Use sind hoch. Nicht jede Art von Erkrankung\nkann den Anspruch auf eine Behandlung mit dazu nicht zugelassenen\nArzneimitteln begrunden, sondern nur eine solche, die sich durch ihre Schwere\noder Seltenheit vom Durchschnitt der Erkrankungen abhebt. Auch ein Off-Label-\nUse bedeutet namlich, Arzneimittel fur bestimmte Indikationen ohne die\narzneimittelrechtlich vorgesehene Kontrolle der Sicherheit und Qualitat\neinzusetzen, die in erster Linie Patienten vor inakzeptablen unkalkulierbaren\nRisiken fur die Gesundheit schutzen soll. Ausnahmen konnen schon insoweit nur\nin engen Grenzen aufgrund einer Guterabwagung anerkannt werden, die der Gefahr\neiner krankenversicherungsrechtlichen Umgehung arzneimittelrechtlicher\nZulassungserfordernisse entgegenwirkt, die Anforderungen des Rechts der\ngesetzlichen Krankenkassen an Qualitat und Wirksamkeit der Arzneimittel (§ 2\nAbs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V) beachtet und den Funktionsdefiziten des\nArzneimittelrechts in Fallen eines unabweisbaren, anders nicht zu\nbefriedigenden Bedarfs Rechnung tragt (so zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 31 Nr.\n8 und zuletzt ausfuhrlich BSG, Urteil vom 27. Marz 2007 - B 1 KR 17/06 R - mit\nzahlreichen Nachweisen). Verneint hat das BSG die qualifizierten Erfordernisse\neiner lebensbedrohlichen Krankheit im Sinne des Beschlusses des BVerfG vom 06.\nDezember.2005 (a.a.O.) z.B. bei einem Prostata-Karzinom im Anfangsstadium\n(SozR 4-2500 § 27 Nr. 8 - Interstitielle Brachytherapie mit Permanent-Seeds),\nbei einer in 20 bis 30 Jahren drohenden Erblindung (Beschluss vom 26.\nSeptember 2006 - B 1 KR 16/06 B -) sowie bei einer langsam progredient\nverlaufenden Friedreichschen Ataxie mit uber Jahre hinweg moglichen stabilen\nSymptomen (SozR 4-2500 § 31 Nr. 8 - Idebenone). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Gerechtfertigt ist eine verfassungskonforme Auslegung der einschlagigen\ngesetzlichen Regelungen nur, wenn eine notstandsahnliche Situation im Sinne\neiner in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt,\nwie sie fur einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf\ntypisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umstanden des Falles\nbereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich todliche Krankheitsverlauf\ninnerhalb eines kurzeren, uberschaubaren Zeitraums mit großer\nWahrscheinlichkeit verwirklichen wird. Ähnliches kann fur den gegebenenfalls\ngleichzustellenden, akut drohenden und nicht kompensierbaren Verlust eines\nwichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Korperfunktion gelten.\nSolches ist bei einer bestehenden Multiplen Sklerose in sekundar-progredienter\nVerlaufsform trotz der unbestreitbaren Schwere dieser Krankheit nicht\nanzunehmen (dazu BSG, Urteil vom 27. Marz 2007 - B 1 KR 17/06 R -). Es handelt\nsich bei der sekundar-progredienten und der schubformigen Multiplen Sklerose\nnicht um eine Krankheit, die von ihrem akuten Behandlungsbedarf her derjenigen\ngleichsteht, welche dem vom BVerfG am 06. Dezember 2005 entschiedenen Fall der\nDuchenneschen Muskeldystrophie zugrunde lag. Wahrend die von diesem Leiden\nbetroffenen Patienten zumeist das 20. Lebensjahr nicht erleben (vgl. BSG SozR\n3-2500 § 135 Nr. 4), besteht fur Patienten mit sekundar-progredienter\nMultiplen Sklerose eine deutlich andere Situation. Die letztgenannte Krankheit\nwird charakterisiert durch eine chronische, z. T. schubartig verlaufende\nProgredienz. Eine gezielt kausale Therapie gibt es insoweit nicht, vielmehr\nkann - auch mit den von der Klagerin begehrten, im Übrigen nicht\nnebenwirkungsfreien Immunglobulinen - nur versucht werden, die Schubrate bzw.\ndie Schwere der Schube zu vermindern bzw. die Progression der Behinderung zu\nhemmen. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| 3\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Grunde, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 21 \n--- \n| Die gemaß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der\nBeklagten, uber die der Senat im Einverstandnis der Beteiligten nach §§ 153\nAbs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mundliche Verhandlung entschieden hat, ist\nzulassig und in der Sache begrundet. Der Bescheid der Beklagten vom 04.\nNovember 2002 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 27. Mai 2003 ist\nrechtmaßig und verletzt die Klagerin nicht in ihren Rechten. Die Klagerin hat\nkeinen Anspruch darauf, dass ihr die Beklagte die Behandlung mit dem\nArzneimittel Octagam zur Verfugung stellt. Das SG hat die Beklagte zu Unrecht\nunter Aufhebung des angefochtenen Bescheides zur kunftigen Leistung\nverurteilt. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Klagerin begehrt die Verurteilung der Beklagten, die Behandlung mit dem\nArzneimittel Octagam als Sachleistung zur Verfugung zu stellen, nicht aber\neine Kostenerstattung. Der in der Klagebegrundung vom 12. August 2003\nangekundigte und in der mundlichen Verhandlung beim SG gestellte Antrag war in\ndie Zukunft gerichtet. Denn die Klagerin hat die zukunftige Freistellung von\nKosten begehrt. Kosten fur eine selbst beschaffte Behandlung mit dem\nArzneimittel Octagam sind ihr bisher nicht entstanden. Denn nach ihrem Vortrag\nerfolgte eine Behandlung durch Dr. M. eineinhalb Jahre uber eine\nvertragsarztliche Verordnung (S. 2 der Niederschrift uber die mundliche\nVerhandlung beim SG am 08. August 2005, Blatt 98 SG-Akte) und wurde spater\nwegen der Ablehnung der Kostenubernahme durch die Beklagte nicht mehr\nfortgefuhrt (S. 2 der Klagebegrundung vom 12. August 2003, Blatt 6 SG-Akte). \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| 1\\. Der der Klagerin wegen der bei ihr bestehenden Multiplen Sklerose, nach\n§ 27 Abs. 1 Satz 1 des Funften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) zustehende\nAnspruch auf Krankenbehandlung, der nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB V auch\ndie Versorgung mit Arzneimitteln beinhaltet, umfasst nicht die Versorgung mit\ndem Arzneimittel Octagam. Arzneimittel ohne die nach § 21 Abs 1 des\nArzneimittelgesetzes (AMG) erforderliche arzneimittelrechtliche Zulassung sind\nmangels Zweckmaßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 2 Abs. 1 Satz 1, § 12 Abs. 1\nSGB V) nicht von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkassen nach § 27\nAbs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V umfasst (BSG, SozR 4-2500\n§ 27 Nr. 7 mwN). Dies ist hier der Fall, weil das Arzneimittel Octagam weder\nfur die Behandlung der schubformigen noch der sekundar progredienten Multiplen\nSklerose zugelassen ist. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| 2\\. Eine zulassungsuberschreitende Anwendung von Octagam bei der Multiplen\nSklerose scheidet aus. Das BSG hat bereits in seinem Urteil vom 19. Marz 2002\n(a.a.O.) sowohl allgemein zu den Voraussetzungen fur einen Off-Label-Use\nausfuhrlich Stellung genommen als auch speziell fur einen an Multipler\nSklerose (dort in einer primar chronisch-progredienten Verlaufsform) leidenden\nVersicherten den Anspruch auf eine intravenose Verabreichung von\nImmunglobulinen im Einzelnen verneint. Der erkennende Senat hat sich dieser\nRechtsprechung im Urteil vom 16. September 2005 angeschlossen. Ein Off-Label-\nUse kommt danach nur in Betracht (ebenso zuletzt BSG SozR 4-2500 § 31 Nr. 5),\nwenn es \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| \n--- \n| 1\\. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die\nLebensqualitat auf Dauer nachhaltig beeintrachtigenden) Erkrankung geht, \n--- \n| 2\\. wenn keine andere Therapie verfugbar ist und \n--- \n| 3\\. wenn aufgrund der Datenlage die begrundete Aussicht besteht, dass mit\ndem betreffenden Praparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ)\nerzielt werden kann. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Auch wenn es sich bei der Multiplen Sklerose um eine die Lebensqualitat auf\nDauer nachhaltig beeintrachtigende Krankheit handelt und es zumutbare\nBehandlungsalternativen wegen der von der Klagerin geklagten erheblicher\nNebenwirkungen von Betaferon nicht geben sollte - woran allerdings im Hinblick\nauf den moglichen Einsatz von Interferon und Copaxone sowie die Behandlung von\ndabei auftretenden Nebenwirkungen mit Paracetamol erhebliche Zweifel bestehen,\nworauf insbesondere Dr. B. in seinem sozialmedizinischen Gutachten vom 24.\nFebruar 2003 hinweist -, fehlt es jedenfalls an der fur einen Off-Label-Use\nauf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen erforderlichen Erfolgsaussicht. Wie\ndas BSG vom 19. Marz 2002 (a.a.O., ebenso SozR 4-2500 § 31 Nr. 5) dargelegt\nhat, kann von hinreichenden Erfolgsaussichten dann ausgegangen werden, wenn\nForschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel fur\ndie betreffende Indikation zugelassen werden kann. Dies kann angenommen\nwerden, wenn entweder (a) die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt\nworden ist und Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prufung der Phase\nIII (gegenuber Standard oder Placebo) veroffentlicht worden sind und eine\nklinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei\nvertretbaren Risiken belegen oder (b) außerhalb eines Zulassungsverfahrens\ngewonnene Erkenntnisse veroffentlicht worden sind, die uber Qualitat und\nWirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlassige,\nwissenschaftlich nachprufbare Aussagen zulassen und aufgrund derer in den\neinschlagigen Fachkreisen Konsens uber einen voraussichtlichen Nutzen in dem\nvorgenannten Sinne besteht. \n--- \n| 27 \n--- \n| Diese Voraussetzungen sind fur das Arzneimittel Octagam bis jetzt nicht\nerfullt. Das BSG hat im Urteil vom 19. Marz 2002 (a.a.O.) darauf abgestellt,\ndass nach den vom Paul-Ehrlich-Institut veroffentlichten Ergebnissen eines\ninternationalen Symposiums von November 2001 fur die sekundar-progressive MS\nkein wissenschaftlicher Konsens uber den Nutzen einer Behandlung mit\nImmunglobulinen bestand. Auch im Urteil vom 16. September 2005 konnte der\nerkennende Senat auf Grund der in jenem Verfahren durchgefuhrten Ermittlungen\nkeine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse, nach denen von einer Wirksamkeit\ndes Arzneimittels Octagam bei Multipler Sklerose auszugehen ware, feststellen.\nDaran hat sich nichts geandert. Weitere neue Erkenntnisse liegen nicht vor.\nDies ergibt sich aus der im vorliegenden Verfahren eingeholten Auskunft des\nPaul-Ehrlich-Instituts vom 24. Mai 2007 hinsichtlich der schubformig\nverlaufenden Multiplen Sklerose. Nach dieser Auskunft gibt es zwar nach der\nDatenlage Hinweise auf eine mogliche Wirksamkeit von Immunglobulinen zur\nBehandlung der schubformig verlaufenden Multiplen Sklerose, allerdings fehlt\nbisher eine kontrollierte, adaquat durchgefuhrte Phase III-Studie, auf die die\nbegrundete Aussicht auf einen wirksamen Einsatz dieser Medikamentengruppe\ngestutzt werden konnte. Es sind auch keine Forschungsergebnisse ersichtlich,\ndie eine Zulassung des Praparats zur Behandlung der sekundar-chronischen oder\nder schubformigen Multiplen Sklerose erwarten ließen. Damit ist\nauszuschließen, dass derzeit außerhalb eines arzneimittelrechtlichen\nZulassungsverfahrens Erkenntnisse vorliegen, die denjenigen einer Phase III-\nStudie gleichstehen (vgl. BSG SozR 4-2500 § 31 Nr. 5). \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| 3\\. Auch weitere von der Klagerin vorgetragene Gesichtspunkte verhelfen der\nKlage nicht zum Erfolg. Um einen so genannten Seltenheitsfall, in dem sich\neine Krankheit und ihre Behandlung einer systematischen Erforschung entzieht\nund bei dem eine erweiterte Leistungspflicht der Krankenkassen in Betracht zu\nziehen ware (dazu BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 1), handelt es sich vorliegend\nnicht. Der von der Klagerin speziell fur ihren Einzelfall geltend gemachte\nBehandlungserfolg ist unerheblich, weil die streitige Therapie\nwissenschaftlich anerkannt wirksam sein muss, um den sich fur den Behandlungs-\nund Versorgungsanspruch eines Versicherten aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB\nV ergebenden Einschrankungen genugen zu konnen. Der Anspruch umfasst folglich\nnur solche Leistungen, die zweckmaßig und wirtschaftlich sind sowie deren\nQualitat dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse\nentspricht. Hierzu genugt es nicht, dass die Arzneimitteltherapie bei einem\nVersicherten nach seiner eigenen Ansicht oder derjenigen seiner Ärzte positiv\ngewirkt haben soll und gegebenenfalls herkommlichen Arzneimitteln vorzuziehen\nist (BSG SozR 3-2500 § 27 Nr. 5). Zu Qualitat und Wirksamkeit eines\nArzneimittels muss es vielmehr grundsatzlich zuverlassige, wissenschaftlich\nnachprufbare Aussagen in dem Sinne geben, dass der Erfolg der\nBehandlungsmethode in einer fur die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl\nvon Behandlungsfallen belegt ist (BSG SozR 4-2500 § 31 Nr. 1, BSG SozR 4-2500\n§ 31 Nr. 3). Auch bei einer erfolgten Arzneimittelanwendung sind\nSpontanheilungen und wirkstoffunabhangige Effekte mit in Rechnung zu stellen\n(BSG SozR 4-2500 § 31 Nr. 4). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| 4\\. Zu keinem anderen Ergebnis fuhrt die entsprechend dem Beschluss des\nBVerfG vom 06. Dezember 2005 (a.a.O.) gebotene verfassungskonforme Auslegung\nderjenigen Normen des SGB V, die einem verfassungsrechtlich begrundeten\nAnspruch auf Arzneimittelversorgung entgegenstehen (vgl dazu BSG SozR 4-2500 §\n31 Nr. 4). Diese Auslegung hat zur Folge, dass im Rahmen der\nAnspruchsvoraussetzungen von § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 und § 31 Abs. 1 Satz 1\nSGB V Zweckmaßigkeit und Wirtschaftlichkeit ausnahmsweise bejaht werden\nmussen, obwohl ein Mittel bzw. eine Behandlungsmethode an sich von der\nVersorgung zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen ausgeschlossen ist. Die\nverfassungskonforme Auslegung setzt u.a. voraus, dass eine lebensbedrohliche\noder regelmaßig todlich verlaufende oder eine zumindest wertungsmaßig damit\nvergleichbare Erkrankung vorliegt (vgl. BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 7). Daran\nfehlt es. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Das BSG hat insoweit (zuletzt SozR 4-2500 § 31 Nr. 8) ausgefuhrt, dass mit\nden genannten Krankheits-Kriterien des BVerfG eine strengere Voraussetzung\numschrieben wird, als sie mit dem Erfordernis einer „schwerwiegenden"\nErkrankung fur die Eroffnung des Off-Label-Use formuliert ist. Denn hieran\nknupfen weitergehende Folgen an. Ohne einschrankende Auslegung ließen sich\nfast beliebig vom Gesetzgeber bewusst gezogene Grenzen uberschreiten.\nEntscheidend ist, dass das vom BVerfG herangezogene Kriterium bei weiter\nAuslegung sinnentleert wurde, weil nahezu jede schwere Krankheit ohne\ntherapeutische Einwirkung irgendwann auch einmal lebensbedrohende Konsequenzen\nnach sich zieht. Das kann aber ersichtlich nicht ausreichen, das\nLeistungsrecht des SGB V und die dazu ergangenen untergesetzlichen Regelungen\nnicht mehr als maßgebenden rechtlichen Maßstab fur die Leistungsanspruche der\nVersicherten anzusehen (vgl. auch BSG SozR 4-2500 § 27 Nr. 10). \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Bereits die Anforderungen an das Bestehen einer "schwerwiegenden"\nErkrankung fur einen Off-Label-Use sind hoch. Nicht jede Art von Erkrankung\nkann den Anspruch auf eine Behandlung mit dazu nicht zugelassenen\nArzneimitteln begrunden, sondern nur eine solche, die sich durch ihre Schwere\noder Seltenheit vom Durchschnitt der Erkrankungen abhebt. Auch ein Off-Label-\nUse bedeutet namlich, Arzneimittel fur bestimmte Indikationen ohne die\narzneimittelrechtlich vorgesehene Kontrolle der Sicherheit und Qualitat\neinzusetzen, die in erster Linie Patienten vor inakzeptablen unkalkulierbaren\nRisiken fur die Gesundheit schutzen soll. Ausnahmen konnen schon insoweit nur\nin engen Grenzen aufgrund einer Guterabwagung anerkannt werden, die der Gefahr\neiner krankenversicherungsrechtlichen Umgehung arzneimittelrechtlicher\nZulassungserfordernisse entgegenwirkt, die Anforderungen des Rechts der\ngesetzlichen Krankenkassen an Qualitat und Wirksamkeit der Arzneimittel (§ 2\nAbs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V) beachtet und den Funktionsdefiziten des\nArzneimittelrechts in Fallen eines unabweisbaren, anders nicht zu\nbefriedigenden Bedarfs Rechnung tragt (so zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 31 Nr.\n8 und zuletzt ausfuhrlich BSG, Urteil vom 27. Marz 2007 - B 1 KR 17/06 R - mit\nzahlreichen Nachweisen). Verneint hat das BSG die qualifizierten Erfordernisse\neiner lebensbedrohlichen Krankheit im Sinne des Beschlusses des BVerfG vom 06.\nDezember.2005 (a.a.O.) z.B. bei einem Prostata-Karzinom im Anfangsstadium\n(SozR 4-2500 § 27 Nr. 8 - Interstitielle Brachytherapie mit Permanent-Seeds),\nbei einer in 20 bis 30 Jahren drohenden Erblindung (Beschluss vom 26.\nSeptember 2006 - B 1 KR 16/06 B -) sowie bei einer langsam progredient\nverlaufenden Friedreichschen Ataxie mit uber Jahre hinweg moglichen stabilen\nSymptomen (SozR 4-2500 § 31 Nr. 8 - Idebenone). \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Gerechtfertigt ist eine verfassungskonforme Auslegung der einschlagigen\ngesetzlichen Regelungen nur, wenn eine notstandsahnliche Situation im Sinne\neiner in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt,\nwie sie fur einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf\ntypisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umstanden des Falles\nbereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich todliche Krankheitsverlauf\ninnerhalb eines kurzeren, uberschaubaren Zeitraums mit großer\nWahrscheinlichkeit verwirklichen wird. Ähnliches kann fur den gegebenenfalls\ngleichzustellenden, akut drohenden und nicht kompensierbaren Verlust eines\nwichtigen Sinnesorgans oder einer herausgehobenen Korperfunktion gelten.\nSolches ist bei einer bestehenden Multiplen Sklerose in sekundar-progredienter\nVerlaufsform trotz der unbestreitbaren Schwere dieser Krankheit nicht\nanzunehmen (dazu BSG, Urteil vom 27. Marz 2007 - B 1 KR 17/06 R -). Es handelt\nsich bei der sekundar-progredienten und der schubformigen Multiplen Sklerose\nnicht um eine Krankheit, die von ihrem akuten Behandlungsbedarf her derjenigen\ngleichsteht, welche dem vom BVerfG am 06. Dezember 2005 entschiedenen Fall der\nDuchenneschen Muskeldystrophie zugrunde lag. Wahrend die von diesem Leiden\nbetroffenen Patienten zumeist das 20. Lebensjahr nicht erleben (vgl. BSG SozR\n3-2500 § 135 Nr. 4), besteht fur Patienten mit sekundar-progredienter\nMultiplen Sklerose eine deutlich andere Situation. Die letztgenannte Krankheit\nwird charakterisiert durch eine chronische, z. T. schubartig verlaufende\nProgredienz. Eine gezielt kausale Therapie gibt es insoweit nicht, vielmehr\nkann - auch mit den von der Klagerin begehrten, im Übrigen nicht\nnebenwirkungsfreien Immunglobulinen - nur versucht werden, die Schubrate bzw.\ndie Schwere der Schube zu vermindern bzw. die Progression der Behinderung zu\nhemmen. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| 3\\. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| Grunde, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. \n---\n\n
135,262
vg-freiburg-2004-02-26-4-k-127702
157
Verwaltungsgericht Freiburg
vg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
4 K 1277/02
2004-02-26
2019-01-07 11:09:11
2019-01-17 11:55:16
Urteil
## Tenor\n\nDie Bescheide der Beklagten vom 01.02.2001 und vom 07.08.2002 sowie die\nWiderspruchsbescheide des Regierungsprasidiums Freiburg vom 03.06.2002 und vom\n14.03.2003 werden aufgehoben und die Beklagte wird verpflichtet, den Klagern\nAufenthaltsbefugnisse zu erteilen.\n\nDie Beklagte tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klager sind srilankische Staatsangehorige tamilischer\nVolkszugehorigkeit. Die Klager Ziff. 1 und 2 sind die Eltern der Klager Ziff.\n3 bis 5. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der am 27.08.1958 geborene Klager Ziff. 1 ist am 05.04.1992 in die\nBundesrepublik Deutschland eingereist. Sein Asylantrag und mehrere spatere\nAsylfolgeantrage sind vom Bundesamt fur die Anerkennung auslandischer\nFluchtlinge - Bundesamt - allesamt bestandskraftig abgelehnt worden. Auch die\nFeststellung uber das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 53 AuslG\nwurde vom Bundesamt mehrfach bestandskraftig abgelehnt. Zuletzt stellte der\nKlager Ziff. 1 gegenuber dem Bundesamt mit Schreiben seiner\nProzessbevollmachtigten vom 17.04.2003 ein Asylfolgegesuch\n(Wiederaufnahmeantrag) mit dem Ziel, dass bei ihm ein Abschiebungshindernis\nnach § 53 AuslG hinsichtlich Sri Lanka festgestellt werde. Dieser Antrag wurde\nmit Bescheid des Bundesamts vom 03.11.2003 abgelehnt. Die Klage hiergegen ist\nbeim Verwaltungsgericht Freiburg noch unter dem Aktenzeichen A 4 K 11634/03\nanhangig; der gleichzeitig beim Verwaltungsgericht Freiburg gestellte Antrag\nauf Gewahrung vorlaufigen Rechtsschutzes gegen die Wirkungen dieses Bescheids\nwurde mit Beschluss vom 14.01.2004 - A 4 K 11635/03 - abgelehnt. Seit dem\n10.03.1995 wurden dem Klager Ziff. 1 jeweils Duldungen erteilt mit der\nNebenbestimmung, dass arbeitserlaubnispflichtige Erwerbstatigkeit gemaß\ngultiger Arbeitserlaubnis gestattet ist. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die am 04.04.1962 geborene Klagerin Ziff. 2 und ihr Sohn, der am 10.10.1991\nin Sri Lanka geborene Klager Ziff. 3, sind am 28.12.1995 in die Bundesrepublik\nDeutschland eingereist. Ihr Asylantrag vom 29.12.1995 wurde mit Bescheid des\nBundesamts vom 14.03.1996 abgelehnt. In diesem Bescheid stellte das Bundesamt\nauch fest, dass bei der Klagerin Ziff. 2 und dem Klager Ziff. 3 die\nVoraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53\nAuslG nicht vorliegen. Gleichzeitig wurde ihnen die Abschiebung nach Sri Lanka\nangedroht, falls sie nicht binnen eines Monats nach unanfechtbarem Abschluss\nihres Asylverfahrens ausreisen. Dieser Bescheid ist am 12.06.1996 in\nBestandskraft erwachsen. Ein weiterer Asylantrag vom 14.08.1996 wurde vom\nBundesamt mit bestandskraftigem Bescheid vom 26.11.1996 ebenfalls abgelehnt.\nSeit dem 23.12.1996 wurden den Klagern Ziff. 2 und 3 jeweils Duldungen erteilt\nmit der Nebenbestimmung, dass arbeitserlaubnispflichtige Erwerbstatigkeit\ngemaß gultiger Arbeitserlaubnis gestattet ist. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Klager Ziff. 4 und 5 sind am 18.01.1997 bzw. am 16.08.1999 jeweils in\nFreiburg geboren. Auch ihre Asylantrage wurden mit Bescheid des Bundesamts vom\n10.09.1997 bzw. vom 07.10.1999 bestandskraftig abgelehnt. Gleichzeitig wurde\nfestgestellt, dass bei ihnen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und\nAbschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen. Fur den Fall, dass\nsie nicht binnen eines Monats nach unanfechtbarem Abschluss ihres\nAsylverfahrens ausreisen, wurde ihnen die Abschiebung nach Sri Lanka\nangedroht. Seit dem unanfechtbaren Abschluss ihrer Asylverfahren sind den\nKlagern Ziff. 4 und 5 Duldungen erteilt worden. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Schreiben ihres Prozessbevollmachtigten vom 11.09.2000 stellten die\nKlager bei der Beklagten einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis\n„gemaß IMK-Beschluss vom 18./19.11.1999". \n--- \n| 6 \n--- \n| Nach vorheriger Anhorung lehnte die Beklagte den Antrag der Klager auf\nErteilung von Aufenthaltsbefugnissen mit Bescheid vom 01.02.2001 ab. Zur\nBegrundung fuhrte die Beklagte im Wesentlichen aus: Nach dem Erlass des\nInnenministeriums uber die Altfallregelung mussten alle Familienmitglieder\ninnerhalb einer zu bestimmenden Frist die noch anhangigen Asylverfahren zum\nAbschluss bringen. Dazu seien die Klager jedoch nicht bereit. Vielmehr wolle\nder Klager Ziff. 1 seinen Antrag auf Feststellung von Abschiebungshindernissen\nnach § 53 AuslG beim Bundesamt nur dann beenden, wenn ihm eine Zusage uber die\nErteilung einer Aufenthaltsbefugnis gegeben werde. Dies widerspreche den\nVorgaben des Erlasses des Innenministeriums. Daruber hinaus scheide ein\nVerbleib nach der Hartefallregelung aus, wenn der Auslander die\nAufenthaltsbeendigung vorsatzlich hinausgezogert habe. Das sei bei den Klagern\nder Fall, die durch mehrere Folgeantrage beim Bundesamt ihren Aufenthalt im\nBundesgebiet hinausgezogert hatten. Außerdem ergaben sich keine Hinweise\ndarauf, dass die Klager bei der Beschaffung der Ruckreisedokumente kooperativ\ngewesen seien. Insgesamt sei bei ihnen keine Bereitschaft erkennbar gewesen,\ndass sie freiwillig hatten ausreisen wollen. Auf der anderen Seite wurden\nauslandische Botschaften Ruckreisedokumente oftmals nur dann ausstellen, wenn\ndie Landsleute selbst aktiv hierbei mitwirkten. Abgesehen davon seien die\nKlager vor dem maßgeblichen Stichtag in das Bundesgebiet eingereist. Daruber\nhinaus hatten die Integrationsbedingungen nach der Hartefallregelung am\n19.11.1999 nicht vorgelegen. Der Klager Ziff. 1 habe zu diesem Zeitpunkt eine\nlegale Erwerbstatigkeit nicht ausgeubt. Dass er sich um eine Arbeitsstelle\nbemuht habe, sei ohne Bedeutung. Die Altfallregelung solle keine Grundlage\ndafur sein, sich hier eine Existenz aufzubauen. Vielmehr setze diese Regelung\neine Integration in die wirtschaftlichen, sozialen und rechtlichen\nVerhaltnisse der Bundesrepublik Deutschland voraus. Sie hatten auch zum\nmaßgeblichen Zeitpunkt nicht uber eigenen Wohnraum verfugt. Vielmehr hatten\nsie eine ihnen zugewiesene Unterkunft fur Asylbewerber bewohnt. Außerdem\nbestritten die Klager ihren Lebensunterhalt im Wesentlichen durch Leistungen\nder Sozialhilfe. Da der Lebensunterhalt somit nicht aus eigener\nErwerbstatigkeit und eigenem Vermogen gesichert sei, komme die Erteilung einer\nAufenthaltsbefugnis nach der Altfallregelung nicht in Betracht. Damit sei auch\nin absehbarer Zeit nicht zu rechnen. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die von den Klagern am 19.02.2001 erhobenen Widerspruche gegen den Bescheid\nder Beklagten vom 01.02.2001 wurden vom Regierungsprasidium Freiburg mit\nBescheid vom 03.06.2002, den Klagern zugestellt am 04.06.2002, zuruckgewiesen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit Schreiben ihres Prozessbevollmachtigten vom 12.02.2002 legten die\nKlager der Beklagten ein neueres arztliches Attest des Herrn Dr. S. vom\n06.02.2002 vor und stellten einen Antrag auf Erteilung einer\nAufenthaltsbefugnis aus humanitaren Grunden bzw. wegen der diagnostizierten\nKrankheit. Diesen Antrag wiederholten sie im Schreiben ihres\nProzessbevollmachtigten vom 01.03.2002, vom 08.04.2002 und vom 16.04.2002. Mit\nSchreiben vom 16.04.2002 begrundeten sie ihre Antrage damit, dass sich ihr\nAnspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis auch aus § 30 Abs. 4 AuslG\nergebe. Hierzu habe die Beklagte noch keine Entscheidung getroffen. Vielmehr\nsei bislang allein uber die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach der\nHartefallregelung entschieden worden. Vor dem medizinischen Hintergrund sei\ndie Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis erneut zu uberdenken. Dabei sei auch\nzu berucksichtigen, dass sie schon seit langer Zeit in der Bundesrepublik\nlebten. \n--- \n| 9 \n--- \n| Nach vorheriger Anhorung der Klager lehnte die Beklagte die Antrage der\nKlager auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 und 4 AuslG\nab. Zur Begrundung fuhrte die Beklagte im Wesentlichen aus: Der Klager Ziff. 1\nwerde derzeit nach § 55 Abs. 2 AuslG geduldet und stehe in Behandlung bei\nHerrn Dr. S. bzw. Herrn Dr. T.. Es sei nicht ermessensfehlerhaft, wenn ihm\nweiterhin Duldungen erteilt wurden. Eine erfolgversprechende Behandlung sei\nunabhangig von der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis. Zur Unterstutzung\ndieser Behandlung komme es nicht auf einen bestimmten Aufenthaltstitel an,\nsondern darauf, ob ein gesicherter Aufenthalt und ein effektiver Schutz vor\nRuckfuhrung bestehe. Darauf, ob die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen fur\ndie Behandlung moglicherweise vorteilhaft ware sowie auf ein subjektives\nSicherheitsempfinden des Klagers Ziff. 1, das auf unzutreffenden Vorstellungen\nuber die Voraussetzung und Wirkung von Duldung einerseits und\nAufenthaltsbefugnissen andererseits beruhe, komme es nicht an. Objektiv werde\neine Ruckfuhrung auch durch eine Duldung ausgeschlossen. Auch eine Duldung\nschutze unter anderem traumatisierte Personen vor weiterer Traumatisierung\ninfolge einer Ruckkehr in ihre Heimat und eroffne die ortliche und zeitliche\nMoglichkeit fur therapeutische Behandlungen. Damit sei die Sicherheit der\nUmgebung objektiv gewahrleistet. Ein anderes subjektives Empfinden des\nAuslanders erfordere es nicht, eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen, da sie\nbestehende oder vermeintliche Ungewissheiten objektiv nicht verringere. Auch\neine Duldung konne zweckentsprechend langfristig bemessen werden. Außerdem\nliege bei den Klagern der Regelversagungsgrund des § 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG vor,\nda sie weiterhin Sozialhilfe bezogen. Ferner seien sie nicht im Besitz der\nerforderlichen Reisepasse. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Widerspruche der Klager vom 11.09.2002 gegen diesen Bescheid der\nBeklagten vom 07.08.2002 wurden vom Regierungsprasidium Freiburg mit Bescheid\nvom 14.03.2003 aus den Grunden des Ausgangsbescheides zuruckgewiesen. \n--- \n| 11 \n--- \n| Am 03.07.2002 haben die Klager - unter dem Aktenzeichen 4 K 1277/02 -\nzunachst nur gegen den Bescheid der Beklagten vom 01.02.2001 und den\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Freiburg vom 03.06.2002 Klage\nerhoben. Am 14.04.2003 haben die Klager - nun unter dem Aktenzeichen 4 K\n695/03 - erneut Klage erhoben, nun gerichtet gegen den Bescheid der Beklagten\nvom 07.08.2002 und den Widerspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Freiburg\nvom 14.03.2003. Zur Begrundung tragen sie vor: Die Fragwurdigkeit der\nAblehnung ihrer Antrage auf Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen zeige sich\ndarin, dass das Regierungsprasidium Freiburg parallel mit dem Erlass des\nWiderspruchsbescheids vom 14.03.2003 weitere arztliche Berichte angefordert\nhabe, um ihre Reiseunfahigkeit (der Klager) zu belegen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Klager beantragen, \n--- \n| 13 \n--- \n| die Bescheide der Beklagten vom 01.02.2001 und vom 07.08.2002 und die\nWiderspruchsbescheide des Regierungsprasidiums Freiburg vom 03.06.2002 und vom\n14.03.2003 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihnen\nAufenthaltsbefugnisse zu erteilen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n| 15 \n--- \n| die Klagen abzuweisen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Zur Begrundung verweist die Beklagte im Wesentlichen auf die Grunde der\nangefochtenen Bescheide. \n--- \n| 17 \n--- \n| In der mundlichen Verhandlung hat die Kammer die Verfahren 4 K 1277/03 und\n4 K 695/03 durch Beschluss zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung\nverbunden und unter dem Aktenzeichen 4 K 1277/02 fortgefuhrt. \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Kammer liegen die Akten der Beklagten uber die auslanderrechtlichen\nVerfahren der Klager sowie die Widerspruchsakten des Regierungsprasidiums\nFreiburg (insgesamt 12 Hefte) vor. Der Inhalt dieser Akten sowie der\nGerichtsakten - 4 K 1277/02, 4 K 695/03, 4 K 1279/02, 4 K 1071/02, 4 K\n1060/02, 4 K 267/01, A 4 K 11634/03 und A 4 K 11635/03 - waren Gegenstand der\nmundlichen Verhandlung; hierauf wird erganzend Bezug genommen. \n--- \n| 19 \n--- \n| Mit Beschlussen vom 05.07.2002 - 4 K 1279/02 -, vom 02.07.2002 - 4 K\n1060/02 - und vom 12.06.2001 - 4 K 267/01 - hat die Kammer Antrage der Klager\nauf Gewahrung vorlaufigen Rechtsschutzes abgelehnt. Die gegen den Beschluss\nder Kammer vom 12.06.2001 (a.a.O.) gerichteten Antrage der Klager auf\nZulassung der Beschwerde wurden vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg\nmit Beschluss vom 29.05.2002 - 11 S 1444/01 - zuruckgewiesen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 20 \n--- \n| Die Klagen sind zulassig und begrundet. Die Bescheide der Beklagten vom\n01.02.2001 und vom 07.08.2002 und die Widerspruchsbescheide des\nRegierungsprasidiums Freiburg vom 03.06.2002 und vom 14.03.2003 sind\nrechtswidrig und verletzen die Klager daher in ihren Rechten; die Klager haben\neinen Anspruch gegen die Beklagte auf die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen\n(§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). \n--- \n| 21 \n--- \n| Als Rechtsgrundlage fur das Begehren der Klager auf Erteilung von\nAufenthaltsbefugnissen kommen nur die Regelungen in § 30 Abs. 3 und 4 AuslG in\nBetracht. \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Absatze 1 und 2 von § 30 AuslG scheiden fur die Klager schon deshalb\naus, weil ihre Asylantrage unanfechtbar abgelehnt worden sind (siehe § 30 Abs.\n5 AuslG). \n--- \n| 23 \n--- \n| Auch die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 32 AuslG in Verbindung\nmit der Anordnung des Innenministeriums (Baden-Wurttemberg) nach § 32 AuslG\nuber die Hartefallregelung fur auslandische Familien mit langjahrigem\nAufenthalt vom 12.01.2000 (Az.: 4-1340/92) - Hartefallregelung - kommt fur sie\nnicht in Betracht. Zur Begrundung verweist die Kammer auf die ausfuhrlichen\nGrunde ihres Beschlusses vom 12.06.2001 - 4 K 267/01 - sowie des Beschlusses\ndes Verwaltungsgerichtshofs Baden-Wurttemberg vom 29.05.2002 - 11 S 1444/01 -.\nAus den Grunden dieser Beschlusse geht hervor, dass die Klager nach § 32 AuslG\nin Verbindung mit der Hartefallregelung, keinen Anspruch auf Erteilung von\nAufenthaltsbefugnissen haben. An der in diesen Beschlussen dargelegten\nRechtsauffassung halt die Kammer auch nach erneuter grundlicher Prufung im\nHauptsacheverfahren fest. Da auch die Klager hierzu nichts Weiteres\nvorgetragen haben und da es nach dem Folgenden hierauf nicht ankommt, wird von\neiner erneuten Begrundung abgesehen. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| 1. Bei den Klagern liegen die rechtssatzmaßigen Voraussetzungen des § 30\nAbs. 4 AuslG fur die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen vor. Nach § 30 Abs.\n4 AuslG kann einem Auslander, der seit mindestens zwei Jahren unanfechtbar\nausreisepflichtig ist und eine Duldung besitzt, abweichend von § 8 Abs. 1 und\n2 AuslG eine Aufenthaltsbefugnis erteilt werden, es sei denn, der Auslander\nweigert sich, zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des\nAbschiebungshindernisses zu erfullen. Entgegen der in der mundlichen\nVerhandlung geaußerten Rechtsansicht der Beklagten ist fur eine\nErmessensentscheidung nach § 30 Abs. 4 (Abs. 3) AuslG durchaus Raum neben\neiner (ablehnenden) Entscheidung nach § 32 AuslG in Verbindung mit der\nHartefallregelung. Nur fur den Bereich und in dem Umfang, in dem eine\nAnordnung nach § 32 AuslG Regelungen enthalt, die das der Auslanderbehorde\ngemaß den §§ 30, 31 AuslG zustehende Ermessen bei der Erteilung von\nAufenthaltsbefugnissen intern binden, ist eine davon abweichende behordliche\nEntscheidung grundsatzlich ausgeschlossen. Die positiven\nErteilungsvoraussetzungen sowie die negativen Ausschlussgrunde in einer\nAnordnung nach § 32 AuslG dienen zur Bestimmung und Abgrenzung der von den\nRegelungen erfassten Auslandergruppe und haben nur in diesem Zusammenhang\nBedeutung, nicht jedoch daruber hinaus auch fur Ermessensentscheidungen nach §\n30 oder § 31 Abs. 1 AuslG (VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 10.09.2001, AuAS 2001,\n242 m.w.N.) \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Tatbestandsmerkmale des § 30 Abs. 4 AuslG liegen bei den Klagern vor.\nAlle Klager sind nach der bestandskraftigen Ablehnung ihrer Asylantrage (und\nAsylfolgeantrage) unanfechtbar ausreisepflichtig. Diese unanfechtbare\nAusreisepflicht besteht auch bei allen Klagern seit mehr als zwei Jahren.\nEbenso besitzen alle Klager seit (mindestens zwei) Jahren eine Duldung, die\nregelmaßig bis heute verlangert worden ist. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Allerdings ist unklar, aus welchen Grunden den Klagern diese Duldungen\nerteilt worden sind. Die Verlangerung der Duldung, fur die nach § 5 Abs. 3\nSatz 1 der Verordnung der Landesregierung und des Innenministeriums Baden-\nWurttemberg uber Zustandigkeiten nach dem Auslandergesetz und dem\nAsylverfahrensgesetz in der Fassung vom 23.03.1998 (GBl., S. 187) - AAZuVO -\nnicht die Antragsgegnerin, sondern das Regierungsprasidium Freiburg -\nBezirksstelle fur Asyl - als einer Landesbehorde zustandig ist, ist den\nKlagern uber all die Jahre ohne Angabe von Grunden und ohne dass sie darum\nhatten streiten mussen, erteilt worden. Diese Frage, aus welchen (rechtlichen\noder tatsachlichen) Grunden den Klagern die Duldungen erteilt worden sind, hat\nBedeutung fur die Entscheidung uber das Vorliegen der nach § 30 Abs. 4 AuslG\nmaßgeblichen (Negativ-)Voraussetzung, wonach den Klagern keine\nAufenthaltsbefugnis erteilt werden darf, wenn sie sich weigern, zumutbare\nAnforderungen zur Beseitigung des Abschiebungshindernisses zu erfullen. Fur\ndie Beantwortung dieser Frage macht es einen erheblichen Unterschied, ob die\nDuldung der Klager auf einer Krankheit des Klagers Ziff. 1 und einer daraus\nabgeleiteten Suizidgefahr oder auf fehlenden Heimreisedokumenten beruht. \n--- \n| 27 \n--- \n| Über die Grunde fur die Erteilung der Duldungen fur die Klager gibt es in\nden Akten der Beklagten wenige zuverlassige Anhaltspunkte. Allerdings stellt\ndie Beklagte in ihrer im angefochtenen Bescheid vom 07.08.2002 begrundeten\nErmessensentscheidung entscheidend auf die psychische Erkrankung des Klagers\nZiff. 1 als Duldungsgrund ab, indem sie dort ausfuhrt, seiner Furcht vor einer\nRetraumatisierung im Heimatland und seinem Anliegen auf Durchfuhrung der\n(Psycho-)Therapie bei den ihn behandelnden Ärzten (u. a. bei Dr. S., Dr. T.\nund Dr. A.) konne durch die ihm erteilte Duldung ebenso gut wie durch eine\nAufenthaltsbefugnis entsprochen werden. Dass gesundheitliche Grunde und die\nangeblich daraus folgende Suizidgefahr beim Klager Ziff. 1 fur die Erteilung\nbzw. Verlangerung der Duldungen ausschlaggebend waren und bis heute\nausschlaggebend sind, geht auch aus dem Schreiben der Beklagten vom 25.02.2004\nan das Gericht hervor; dort sind daneben allerdings auch die diversen\nAsylfolge- und Wiederaufnahmeantrage nach § 53 AuslG der Klager sowie fehlende\nHeimreisedokumente als weitere Grunde fur die bislang unterbliebene\nVollstreckung der vollziehbaren Ausreisepflicht genannt. Wenn aber die\nKrankheit des Klagers Ziff. 1 ein maßgeblicher Duldungsgrund ist, kann keine\nRede davon sein, dass die Klager sich weigerten, zumutbare Anforderungen zur\nBeseitigung dieses Abschiebungshindernisses zu erfullen. Das behauptet auch\ndie Beklagte nicht, der es im Übrigen nach dem eindeutigen Wortlaut von § 30\nAbs. 4 AuslG obliegt, das Vorliegen des Ausschlusstatbestands, namlich die\nWeigerung des Auslanders, zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des\nAbschiebungshindernisses zu erfullen, darzulegen und zu beweisen. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen scheitert in diesem Fall auch\nnicht daran, dass die Klager (zur Vermeidung einer Abschiebung) freiwillig\nnach Sri Lanka zuruckkehren konnten (vgl. zu diesem zusatzlichen Erfordernis\nim Rahmen von § 30 Abs. 4 AuslG VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 13.06.2001 - 13 S\n1983/00 - und v. 07.03.1996, VBlBW 1996, 309, jew. m.w.N.; diese\nRechtsprechung betraf Falle, in denen feststand, dass der Heimatstaat der\nAuslander - im konkreten Fall das fruhere Jugoslawien - sich einer\nzwangsweisen Abschiebung seiner Staatsangehorigen widersetzte, wahrend er ihre\nfreiwillige Ruckkehr hinnahm). Denn in gleichem Maße, wie die Krankheit des\nKlagers einer Abschiebung der Klager im Wege steht, steht sie auch ihrer\nfreiwilligen Ausreise entgegen. \n--- \n| 29 \n--- \n| Nachdem bereits im Hinblick auf den in der Krankheit des Klagers Ziff. 1\nliegenden Grund fur die den Klagern erteilten Duldungen nicht festgestellt\nwerden kann und dies nicht einmal behauptet wird, dass die Klager sich\nweigerten, an der Beseitigung dieses Duldungsgrunds bzw. des darin liegenden\nAbschiebungshindernisses mitzuwirken, kann es dahingestellt bleiben, ob es\ndaneben noch weitere Grunde gibt, die ihrerseits ebenfalls maßgeblich fur die\nErteilung bzw. Verlangerung der Duldungen fur die Klager waren und sind. Denn\ndem gesamten Verhalten und den Äußerungen der Beklagten (insbesondere im\nBescheid vom 07.08.2002) und des Regierungsprasidiums Freiburg lasst sich\nentnehmen, dass die Krankheit des Klagers Ziff. 1 in den letzten Jahren\nallein, das heißt unabhangig von anderen Duldungsgrunden (wie diverse\nAsylfolge - und Wiederaufnahmeantrage nach § 53 AuslG sowie fehlende\nHeimreisepapiere), ausreichend war, um von einer Abschiebung der Klager\nabzusehen. Abgesehen davon gibt es aber auch keine Anhaltspunkte dafur, dass\ndie Klager sich geweigert hatten, an der Beseitigung des weiteren im Fehlen\nvon Heimreisepapieren liegenden Duldungsgrunds mitzuwirken; vielmehr sollen\ndie Klager nach dem Schreiben der Beklagten vom 25.02.2004 erst in nachster\nZeit aufgefordert werden, die zur Beschaffung von Heimreisepapieren\nerforderlichen Vordrucke auszufullen und zu unterzeichnen. Dass daruber hinaus\nauch die Stellung von Asylfolge- und Wiederaufnahmeantragen nach § 53 AuslG\nausgereicht haben soll, die Voraussetzungen fur die Erteilung bzw.\nVerlangerung von Duldungen zu erfullen, wie es im Schreiben der Beklagten vom\n25.02.2004 u. a. heißt, erscheint angesichts der Rechtslage, nach der solche\nAntrage nichts an der vollziehbaren Ausreisepflicht von Auslandern zu andern\nvermogen, und nach der dem Gericht bekannten Praxis des Regierungsprasidiums\nFreiburg, die mit dieser Rechtslage in Einklang steht, nicht nachvollziehbar.\nWenn das Regierungsprasidium Freiburg dies gegenuber der Beklagten als\nDuldungsgrund angegeben haben soll, zeigt das lediglich, dass eine Abschiebung\nder Klager bereits aus anderen Grunden nicht stattfinden sollte. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Darauf, ob die Duldungen den Klagern zur Recht erteilt bzw. verlangert\nwurden, das heißt, ob bei ihnen die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 AuslG fur\neine Duldung vorliegen, kommt es im Rahmen von § 30 Abs. 4 AuslG nicht an.\nInsoweit unterscheidet sich der Absatz 4 von Absatz 3 des § 30 AuslG. Auf der\neinen Seite stellt § 30 Abs. 4 gegenuber § 30 Abs. 3 AuslG strengere\nAnforderungen an den Auslander, indem das Vorliegen eines Duldungsgrunds nicht\nausreicht, sondern der Besitz einer Duldung verlangt wird\n(Gemeinschaftskommentar zum Auslanderrecht - GK-AuslR -, Stand: Dez. 2003,\nBand 1, II, § 30 RdNrn. 128 und 130); auf der anderen Seite bedeutet dies aber\nauch eine Begunstigung fur den Auslander, indem es im Fall des Besitzes einer\nDuldung nicht (mehr) darauf ankommt, ob die Behorde den Duldungsgrund zu Recht\nangenommen hat. Unter anderem in diesem Punkt erhalt § 30 Abs. 4 AuslG eine\ngegenuber § 30 Abs. 3 selbstandige Bedeutung. \n--- \n| 31 \n--- \n| Damit liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 30 Abs. 4 AuslG vor\nund hat die Beklagte uber die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen fur die\nKlager nach Ermessen zu entscheiden. \n--- \n| 32 \n--- \n| 2\\. Diese Moglichkeit der Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach\nErmessen wird nicht durch einen Regelversagungsgrund nach § 7 Abs. 2 AuslG\nausgeschlossen. In Betracht kommt im Fall der Klager der Regelversagungsgrund\nnach § 7 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 46 Nr. 6 AuslG und § 7 Abs. 2 Nr. 2\nAuslG. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG, dessen Regelungsgehalt sich im\nWesentlichen mit § 7 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 46 Nr. 6 AuslG deckt,\nwird die Aufenthaltsgenehmigung in der Regel versagt, wenn der Auslander\nseinen Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden\nKrankenversicherungsschutzes nicht aus eigener Erwerbstatigkeit, eigenem\nVermogen oder sonstigen eigenen Mitteln, aus Unterhaltsleistungen von\nFamilienangehorigen oder Dritten, aus Stipendien, Umschulungs- oder\nAusbildungsbeihilfen, aus Arbeitslosengeld oder sonstigen auf einer\nBeitragsleistung beruhenden offentlichen Mitteln bestreiten kann. Obwohl der\nKlager Ziff. 1 seit Jahren standig einer unselbstandigen Erwerbstatigkeit\nnachgegangen und dadurch zum Lebensunterhalt seiner Familie beigetragen hat,\nwaren die Klager, die auf keine anderen eigenen Einkunfte und Vermogen\nzuruckgreifen konnen, seit je her weitestgehend auf (zumindest erganzende)\nLeistungen der Sozialhilfe angewiesen und sie sind es auch gegenwartig. Damit\nliegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der zuvor genannten\nRegelversagungsgrunde vor. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Dennoch fuhrt dies nicht zu einer (zwingenden) Versagung der\nAufenthaltsbefugnisse fur die Klager. Denn die Klager konnen sich auf einen\ndurch einen atypischen Geschehensablauf gekennzeichneten Ausnahmefall berufen,\nder das sonst ausschlaggebende Gewicht des gesetzlichen Regelversagungsgrunds\nbeseitigt. Das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls unterliegt voller\ngerichtlicher Nachprufung und ist nicht etwa Teil der behordlichen\nErmessensbetatigung (BVerwG, Urt. v. 15.12.1995, InfAuslR 1996, 168, und v.\n29.07.1993, BVerwGE 94, 35; VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 30.06.2000, VBlBW 2001,\n30, v. 17.12.1998, VBlBW 1999, 150, und v. 22.09.1997, InfAuslR 1998, 78). \n--- \n| 34 \n--- \n| Ein Ausnahmefall ist hier bereits deshalb gegeben, weil sich nichts dafur\nabzeichnet, dass das dem Klager Ziff. 1 zur Seite stehende\nAbschiebungshindernis, seine Krankheit (siehe oben), und damit auch das aus\nder familiaren Lebensgemeinschaft und Art. 6 Abs. 1 GG folgende\nAbschiebungshindernis fur die Klager Ziff. 2 bis 5 in absehbarer Zeit\nentfallen (vgl. hierzu VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 17.12.1998, a.a.O.). Die\nKlager sind bereits seit vielen Jahren vollziehbar (und unanfechtbar)\nausreisepflichtig (der Klager Ziff. 1 bereits seit dem 22.04.1994, die Klager\nZiff. 2 und 3 seit dem 12.06.1996, die Klager Ziff. 4 und 5 seit Oktober 1998\nbzw. seit November 1999). Ihre Asyl- und Asylfolgeantrage blieben ebenso wie\nihre an das Bundesamt fur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge\ngerichteten Antrage auf Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53\nAuslG allesamt erfolglos. Dennoch hat die nach den §§ 5 und 6 AAZuVO fur die\nAufenthaltsbeendigung zustandige Auslanderbehorde, das Regierungsprasidium\nFreiburg, abgesehen davon, dass diese Behorde offenbar einmal im Jahr 1999,\nalso vor mehr als vier Jahren, einen Termin fur die Abschiebung der Klager,\ndie wegen der Schwangerschaft der Klagerin Ziff. 2 nicht durchgefuhrt wurde,\nins Auge gefasst hatte, bislang offenbar keine nachhaltigen und ernsthaften\nBemuhungen um eine Durchsetzung der Ausreisepflicht der Klager unternommen.\nVielmehr wurden den Klagern nach Lage der Akten regelmaßig und geradezu\nselbstverstandlich jeweils nach Ablauf von drei Monaten Verlangerungen ihrer\nDuldungen erteilt (zu den Duldungsgrunden siehe oben). Es gibt auch keine\nAnhaltspunkte dafur, dass sich das in absehbarer Zeit andern wurde. Vielmehr\nwerden - was die Kammer hier nicht zu beurteilen und somit auch nicht zu\nbeanstanden hat (siehe oben) - offenbar die von den Klagern vorgelegten\narztlichen Bescheinigungen uber eine (psychische) Erkrankung des Klagers Ziff.\n1 seit Jahren ohne Weiteres zum Anlass fur weitere Verlangerungen der\nDuldungen genommen, so dass auf diesem Weg fur die Klager faktisch ein\nDaueraufenthalt begrundet wird. Dass dies auch gewollt ist, kann man auch dem\nBescheid der Beklagten vom 07.08.2002 entnehmen, demzufolge die Duldungen den\nKlagern einen „gesicherten Aufenthalt und effektiven Schutz vor einer\nRuckfuhrung" vermitteln sollen. Eine solche Praxis widerspricht jedoch der\nFunktion der Duldung, die nach der gesetzlichen Konzeption gerade nicht\nersatzweise ein Daueraufenthaltsrecht gewahren soll (BVerwG, Urt. v.\n04.06.1997, InfAuslR 1997, 355; VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 17.12.1998, a.a.O.). \n--- \n| 35 \n--- \n| Offen bleiben kann hiernach, ob ein atypischer Ausnahmefall (vom\nRegelversagungsgrund des Sozialhilfebezugs) auch deshalb angenommen werden\nmuss, weil der Klager Ziff. 1 sich im Rahmen seiner Moglichkeiten seit Jahren\nerkennbar bemuht, durch Aushilfsarbeiten in verschiedenen Restaurants nicht\nunerheblich zum Lebensunterhalt seiner Familie beizutragen, obwohl seine\npsychische Erkrankung von den Behorden offenbar als so schwerwiegend\neingestuft wird, dass sie einer Abschiebung in sein Heimatland entgegensteht,\nund obwohl die Klager Ziff. 1 und 2 drei minderjahrige Kinder zu versorgen\nhaben und es deshalb beinahe unvermeidlich ist, dass das Familieneinkommen\nnicht zur Deckung des Lebensunterhalts fur eine funfkopfige Familie ausreicht\n(vgl. hierzu VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 30.06.2000 und v. 17.12.1998, jew.\na.a.O.). \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| 3\\. Nach alledem hat die Beklagte uber die Erteilung von\nAufenthaltsbefugnissen fur die Klager nach Ermessen zu entscheiden. Die von\nihr im angefochtenen Bescheid vom 07.08.2002 begrundete und im\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Freiburg vom 14.03.2003\nbestatigte Ermessensentscheidung ist jedoch fehlerhaft. In dieser Begrundung\nbringt die Beklagte im Kern zum Ausdruck, dass den Klagern (nur) deshalb keine\nAufenthaltsbefugnisse erteilt werden sollen, weil ihren Interessen, in\nDeutschland zu bleiben, und vor allem dem besonderen Interesse des Klagers\nZiff. 1 an einem Schutz vor erneuten Traumatisierungen im Heimatland und vor\neinem Abbruch seiner in Deutschland durchgefuhrten Therapie in gleicher Weise\n(wie durch die Begehrte Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen) auch durch\n„langfristig bemessene" Erteilung von Duldungen entsprochen werden kann. Diese\nBegrundung verkennt jedoch den gesetzlichen Zweck der Duldung als einer\nlediglich zeitweisen (vorubergehenden) Aussetzung der Abschiebung (vgl. §§ 55,\n56 AuslG), die darin besteht, das sie gerade keinen Daueraufenthalt oder\njedenfalls keinen Aufenthalt mit unabsehbarer Dauer gewahren darf (siehe\noben). Aus diesem Grund ist der in der Ermessensausubung der Beklagten zum\nAusdruck kommende tragende Grund fur die Versagung der Aufenthaltsbefugnisse\nfehlerhaft (vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 40 RdNrn. 48\nff., 61 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Dieser Ermessensfehler fuhrt im vorliegenden Fall nicht nur zur Aufhebung\nder angefochtenen Bescheide und zur Verpflichtung der Beklagten, uber die\nAntrage der Klager unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer erneut zu\nentscheiden (gem. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Vielmehr kommt keine andere\nrechtmaßige Ausubung des Ermessens der Beklagten in Betracht als die, dass den\nKlagern die von ihnen beantragten Aufenthaltsbefugnisse erteilt werden (gem. §\n113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Auch die vom Gericht an den Vertreter der Beklagten\nin der mundlichen Gerichtsverhandlung ausdrucklich gerichtete Frage, ob es\nnoch weitere Ermessenserwagungen fur die Versagung der beantragten\nAufenthaltsbefugnisse gebe als die im angefochtenen Bescheid vom 07.08.2202\ngenannten, hat keine weiteren Gesichtspunkte fur eine andere Ermessensausubung\nerbracht. Dementsprechend ist aufgrund der besonderen Umstande des\nvorliegenden Falls ausnahmsweise von einer sogenannten Ermessensreduzierung\nauf Null auszugehen (vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 40 RdNrn. 30 ff.).\nDas heißt, die Beklagte ist zur Erteilung der beantragten\nAufenthaltsbefugnisse zu verpflichten. Dies ergibt sich aus folgenden\nÜberlegungen: \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Fur die nach § 30 (Abs. 4) AuslG zu treffende Ermessensentscheidung ist\ninsbesondere von Bedeutung, ob in absehbarer Zeit mit einem Wegfall des\nAbschiebungshindernisses gerechnet werden kann; dabei wird man in der Regel\nZeitraume von sechs Monaten in den Blick zu nehmen haben (vgl. GK-AuslR,\na.a.O., § 30 RdNr. 124 m.w.N.). Das bedeutet, dass dem in der\nErmessensentscheidung zu berucksichtigenden Interesse des Auslanders an der\nErteilung einer Aufenthaltsbefugnis um so mehr Gewicht zukommt, je\nunabsehbarer der Wegfall des Abschiebungshindernisses erscheint. Dabei handelt\nes sich um eine Prognoseentscheidung, die naturgemaß mit zahlreichen\nUnwagbarkeiten behaftet ist. Im Rahmen dieser Prognoseentscheidung wird, wie\ndas bei vielen Prognosen unverzichtbar ist, regelmaßig eine Betrachtung der\nVergangenheit geboten sein und es werden dabei aus den Vorgangen und\nGeschehensablaufen in der Vergangenheit Schlussfolgerungen fur wahrscheinliche\nkunftige Geschehensablaufe zu ziehen sein. Hier ergibt sich aus der\njahrelangen (geradezu selbstverstandlichen) Erteilung bzw. Verlangerung von\nDuldungen fur die Klager und den dafur maßgeblichen Grunden (siehe oben) die\nPrognose, dass den Klagern auch in absehbarer Zeit realistischerweise keine\nBeendigung ihres Aufenthalts droht. Nach den Grunden ihres Bescheids vom\n07.08.2002 geht auch die Beklagte davon aus, dass dem Anliegen der Klager,\ninsbesondere des Klagers Ziff. 1, durch eine „langfristig bemessene" Erteilung\nvon Duldungen entsprochen werden kann (und soll). Auch aus dem Schreiben der\nBeklagten vom 25.02.2003, in dem die Grunde fur die Duldung der Klager in der\nVergangenheit offengelegt wurden, lasst sich allein der Schluss ziehen, dass\ndie Klager sich auch in den nachsten Monaten und Jahren geduldet im\nBundesgebiet aufhalten werden (zur Berucksichtigung realistischer Perspektiven\nfur die Aufenthaltsbeendigung im Rahmen der Ermessensausubung nach § 30 Abs. 3\nund 4 AuslG vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 17.12.1998, a.a.O.). \n--- \n| 39 \n--- \n| Anhaltspunkte fur einen Missbrauch der Sozialhilfe durch die Klager, der im\nRahmen einer Ermessensbetatigung zu ihren Lasten berucksichtigt werden konnte\n(vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 30.06.2000, a.a.O.; GK-AuslR, a.a.O., § 30\nRdNr. 124.1), liegen nicht vor. Im Gegenteil, der Klager Ziff. 1 hat in der\nmundlichen Verhandlung vorgetragen, dass er (trotz seiner angeschlagenen\npsychischen Verfassung) regelmaßig einer (unselbstandigen)\nVollzeitbeschaftigung nachgeht und dabei etwa 800,-- EUR netto im Monat\nverdient. Dass diese Arbeit (mit lediglich 6,-- EUR pro Arbeitsstunde) so\nschlecht bezahlt ist, ist ihm nicht vorzuwerfen; ebenso wenig, wie es der\nKlagerin Ziff. 2 im Hinblick auf die Erziehung und Betreuung ihrer drei\nminderjahrigen Kinder vorzuwerfen ist, dass sie zur Zeit nicht erwerbstatig\nist. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Im Übrigen ware im Rahmen der Ermessensbetatigung auch (zu Gunsten der\nErteilung von Aufenthaltsbefugnissen fur die Klager) zu berucksichtigen, dass\ndem (offentlichen) Interesse an einer zwangsweisen Durchsetzung der\nAusreisepflicht der Klager auch im Fall der Erteilung von\nAufenthaltsbefugnissen weitestgehend (beinahe ohne Abstriche) Rechnung\ngetragen werden kann. Denn auch eine Aufenthaltsbefugnis wird - wie eine\nDuldung - nur befristet erteilt (§ 34 Abs. 1 AuslG) und sie kann - auch\ninsoweit wie eine Duldung - nach § 14 AuslG mit Bedingungen - fur den Fall des\nWegfalls des Erteilungsgrunds auch mit einer auflosenden Bedingung - und\nAuflagen verbunden werden. Nach § 34 Abs. 2 AuslG darf die Aufenthaltsbefugnis\nnicht verlangert werden, wenn die der Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden\nGrunde entfallen sind. Auf diese Weise konnen die Auslanderbehorden auch nach\nErteilung einer Aufenthaltsbefugnis das (offentliche) Interesse daran, dass\nder betreffende Auslander das Bundesgebiet verlasst, weiterverfolgen.\nAllerdings hat der Besitz einer Aufenthaltsbefugnis durchaus auch positive\nFolgen fur den Auslander. Zum einen ist sein Aufenthalt in dieser Zeit\nrechtmaßig im Sinne des Auslandergesetzes und zum anderen fuhrt der\nlangjahrige Besitz einer Aufenthaltsbefugnis zu einer weiteren\nAufenthaltsverfestigung (siehe § 35 AuslG) mit der Folge einer Berechtigung\nzum Daueraufenthalt. Diese rechtlichen Folgen sind jedoch vom Gesetzgeber\nausdrucklich gewollt (vgl. BT-Drucks. 11/6321, S. 48 und 66 f., abgedr. in:\nGK-AuslR, a.a.O., nach Wiedergabe des Gesetzestextes; vgl. hierzu auch VGH\nBad.-Wurtt., Urt. v. 17.12.1998, a.a.O., m.w.N.) und deshalb bei der\nErmessensentscheidung im vorliegenden Fall nicht zu Lasten, sondern zu Gunsten\nder Klager zu berucksichtigen. \n--- \n| 41 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 42 \n--- \n| Grunde des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO, aus denen die Berufung vom\nVerwaltungsgericht zuzulassen ware, sind nicht gegeben. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 20 \n--- \n| Die Klagen sind zulassig und begrundet. Die Bescheide der Beklagten vom\n01.02.2001 und vom 07.08.2002 und die Widerspruchsbescheide des\nRegierungsprasidiums Freiburg vom 03.06.2002 und vom 14.03.2003 sind\nrechtswidrig und verletzen die Klager daher in ihren Rechten; die Klager haben\neinen Anspruch gegen die Beklagte auf die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen\n(§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). \n--- \n| 21 \n--- \n| Als Rechtsgrundlage fur das Begehren der Klager auf Erteilung von\nAufenthaltsbefugnissen kommen nur die Regelungen in § 30 Abs. 3 und 4 AuslG in\nBetracht. \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Absatze 1 und 2 von § 30 AuslG scheiden fur die Klager schon deshalb\naus, weil ihre Asylantrage unanfechtbar abgelehnt worden sind (siehe § 30 Abs.\n5 AuslG). \n--- \n| 23 \n--- \n| Auch die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach § 32 AuslG in Verbindung\nmit der Anordnung des Innenministeriums (Baden-Wurttemberg) nach § 32 AuslG\nuber die Hartefallregelung fur auslandische Familien mit langjahrigem\nAufenthalt vom 12.01.2000 (Az.: 4-1340/92) - Hartefallregelung - kommt fur sie\nnicht in Betracht. Zur Begrundung verweist die Kammer auf die ausfuhrlichen\nGrunde ihres Beschlusses vom 12.06.2001 - 4 K 267/01 - sowie des Beschlusses\ndes Verwaltungsgerichtshofs Baden-Wurttemberg vom 29.05.2002 - 11 S 1444/01 -.\nAus den Grunden dieser Beschlusse geht hervor, dass die Klager nach § 32 AuslG\nin Verbindung mit der Hartefallregelung, keinen Anspruch auf Erteilung von\nAufenthaltsbefugnissen haben. An der in diesen Beschlussen dargelegten\nRechtsauffassung halt die Kammer auch nach erneuter grundlicher Prufung im\nHauptsacheverfahren fest. Da auch die Klager hierzu nichts Weiteres\nvorgetragen haben und da es nach dem Folgenden hierauf nicht ankommt, wird von\neiner erneuten Begrundung abgesehen. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| 1. Bei den Klagern liegen die rechtssatzmaßigen Voraussetzungen des § 30\nAbs. 4 AuslG fur die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen vor. Nach § 30 Abs.\n4 AuslG kann einem Auslander, der seit mindestens zwei Jahren unanfechtbar\nausreisepflichtig ist und eine Duldung besitzt, abweichend von § 8 Abs. 1 und\n2 AuslG eine Aufenthaltsbefugnis erteilt werden, es sei denn, der Auslander\nweigert sich, zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des\nAbschiebungshindernisses zu erfullen. Entgegen der in der mundlichen\nVerhandlung geaußerten Rechtsansicht der Beklagten ist fur eine\nErmessensentscheidung nach § 30 Abs. 4 (Abs. 3) AuslG durchaus Raum neben\neiner (ablehnenden) Entscheidung nach § 32 AuslG in Verbindung mit der\nHartefallregelung. Nur fur den Bereich und in dem Umfang, in dem eine\nAnordnung nach § 32 AuslG Regelungen enthalt, die das der Auslanderbehorde\ngemaß den §§ 30, 31 AuslG zustehende Ermessen bei der Erteilung von\nAufenthaltsbefugnissen intern binden, ist eine davon abweichende behordliche\nEntscheidung grundsatzlich ausgeschlossen. Die positiven\nErteilungsvoraussetzungen sowie die negativen Ausschlussgrunde in einer\nAnordnung nach § 32 AuslG dienen zur Bestimmung und Abgrenzung der von den\nRegelungen erfassten Auslandergruppe und haben nur in diesem Zusammenhang\nBedeutung, nicht jedoch daruber hinaus auch fur Ermessensentscheidungen nach §\n30 oder § 31 Abs. 1 AuslG (VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 10.09.2001, AuAS 2001,\n242 m.w.N.) \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Tatbestandsmerkmale des § 30 Abs. 4 AuslG liegen bei den Klagern vor.\nAlle Klager sind nach der bestandskraftigen Ablehnung ihrer Asylantrage (und\nAsylfolgeantrage) unanfechtbar ausreisepflichtig. Diese unanfechtbare\nAusreisepflicht besteht auch bei allen Klagern seit mehr als zwei Jahren.\nEbenso besitzen alle Klager seit (mindestens zwei) Jahren eine Duldung, die\nregelmaßig bis heute verlangert worden ist. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Allerdings ist unklar, aus welchen Grunden den Klagern diese Duldungen\nerteilt worden sind. Die Verlangerung der Duldung, fur die nach § 5 Abs. 3\nSatz 1 der Verordnung der Landesregierung und des Innenministeriums Baden-\nWurttemberg uber Zustandigkeiten nach dem Auslandergesetz und dem\nAsylverfahrensgesetz in der Fassung vom 23.03.1998 (GBl., S. 187) - AAZuVO -\nnicht die Antragsgegnerin, sondern das Regierungsprasidium Freiburg -\nBezirksstelle fur Asyl - als einer Landesbehorde zustandig ist, ist den\nKlagern uber all die Jahre ohne Angabe von Grunden und ohne dass sie darum\nhatten streiten mussen, erteilt worden. Diese Frage, aus welchen (rechtlichen\noder tatsachlichen) Grunden den Klagern die Duldungen erteilt worden sind, hat\nBedeutung fur die Entscheidung uber das Vorliegen der nach § 30 Abs. 4 AuslG\nmaßgeblichen (Negativ-)Voraussetzung, wonach den Klagern keine\nAufenthaltsbefugnis erteilt werden darf, wenn sie sich weigern, zumutbare\nAnforderungen zur Beseitigung des Abschiebungshindernisses zu erfullen. Fur\ndie Beantwortung dieser Frage macht es einen erheblichen Unterschied, ob die\nDuldung der Klager auf einer Krankheit des Klagers Ziff. 1 und einer daraus\nabgeleiteten Suizidgefahr oder auf fehlenden Heimreisedokumenten beruht. \n--- \n| 27 \n--- \n| Über die Grunde fur die Erteilung der Duldungen fur die Klager gibt es in\nden Akten der Beklagten wenige zuverlassige Anhaltspunkte. Allerdings stellt\ndie Beklagte in ihrer im angefochtenen Bescheid vom 07.08.2002 begrundeten\nErmessensentscheidung entscheidend auf die psychische Erkrankung des Klagers\nZiff. 1 als Duldungsgrund ab, indem sie dort ausfuhrt, seiner Furcht vor einer\nRetraumatisierung im Heimatland und seinem Anliegen auf Durchfuhrung der\n(Psycho-)Therapie bei den ihn behandelnden Ärzten (u. a. bei Dr. S., Dr. T.\nund Dr. A.) konne durch die ihm erteilte Duldung ebenso gut wie durch eine\nAufenthaltsbefugnis entsprochen werden. Dass gesundheitliche Grunde und die\nangeblich daraus folgende Suizidgefahr beim Klager Ziff. 1 fur die Erteilung\nbzw. Verlangerung der Duldungen ausschlaggebend waren und bis heute\nausschlaggebend sind, geht auch aus dem Schreiben der Beklagten vom 25.02.2004\nan das Gericht hervor; dort sind daneben allerdings auch die diversen\nAsylfolge- und Wiederaufnahmeantrage nach § 53 AuslG der Klager sowie fehlende\nHeimreisedokumente als weitere Grunde fur die bislang unterbliebene\nVollstreckung der vollziehbaren Ausreisepflicht genannt. Wenn aber die\nKrankheit des Klagers Ziff. 1 ein maßgeblicher Duldungsgrund ist, kann keine\nRede davon sein, dass die Klager sich weigerten, zumutbare Anforderungen zur\nBeseitigung dieses Abschiebungshindernisses zu erfullen. Das behauptet auch\ndie Beklagte nicht, der es im Übrigen nach dem eindeutigen Wortlaut von § 30\nAbs. 4 AuslG obliegt, das Vorliegen des Ausschlusstatbestands, namlich die\nWeigerung des Auslanders, zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des\nAbschiebungshindernisses zu erfullen, darzulegen und zu beweisen. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen scheitert in diesem Fall auch\nnicht daran, dass die Klager (zur Vermeidung einer Abschiebung) freiwillig\nnach Sri Lanka zuruckkehren konnten (vgl. zu diesem zusatzlichen Erfordernis\nim Rahmen von § 30 Abs. 4 AuslG VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 13.06.2001 - 13 S\n1983/00 - und v. 07.03.1996, VBlBW 1996, 309, jew. m.w.N.; diese\nRechtsprechung betraf Falle, in denen feststand, dass der Heimatstaat der\nAuslander - im konkreten Fall das fruhere Jugoslawien - sich einer\nzwangsweisen Abschiebung seiner Staatsangehorigen widersetzte, wahrend er ihre\nfreiwillige Ruckkehr hinnahm). Denn in gleichem Maße, wie die Krankheit des\nKlagers einer Abschiebung der Klager im Wege steht, steht sie auch ihrer\nfreiwilligen Ausreise entgegen. \n--- \n| 29 \n--- \n| Nachdem bereits im Hinblick auf den in der Krankheit des Klagers Ziff. 1\nliegenden Grund fur die den Klagern erteilten Duldungen nicht festgestellt\nwerden kann und dies nicht einmal behauptet wird, dass die Klager sich\nweigerten, an der Beseitigung dieses Duldungsgrunds bzw. des darin liegenden\nAbschiebungshindernisses mitzuwirken, kann es dahingestellt bleiben, ob es\ndaneben noch weitere Grunde gibt, die ihrerseits ebenfalls maßgeblich fur die\nErteilung bzw. Verlangerung der Duldungen fur die Klager waren und sind. Denn\ndem gesamten Verhalten und den Äußerungen der Beklagten (insbesondere im\nBescheid vom 07.08.2002) und des Regierungsprasidiums Freiburg lasst sich\nentnehmen, dass die Krankheit des Klagers Ziff. 1 in den letzten Jahren\nallein, das heißt unabhangig von anderen Duldungsgrunden (wie diverse\nAsylfolge - und Wiederaufnahmeantrage nach § 53 AuslG sowie fehlende\nHeimreisepapiere), ausreichend war, um von einer Abschiebung der Klager\nabzusehen. Abgesehen davon gibt es aber auch keine Anhaltspunkte dafur, dass\ndie Klager sich geweigert hatten, an der Beseitigung des weiteren im Fehlen\nvon Heimreisepapieren liegenden Duldungsgrunds mitzuwirken; vielmehr sollen\ndie Klager nach dem Schreiben der Beklagten vom 25.02.2004 erst in nachster\nZeit aufgefordert werden, die zur Beschaffung von Heimreisepapieren\nerforderlichen Vordrucke auszufullen und zu unterzeichnen. Dass daruber hinaus\nauch die Stellung von Asylfolge- und Wiederaufnahmeantragen nach § 53 AuslG\nausgereicht haben soll, die Voraussetzungen fur die Erteilung bzw.\nVerlangerung von Duldungen zu erfullen, wie es im Schreiben der Beklagten vom\n25.02.2004 u. a. heißt, erscheint angesichts der Rechtslage, nach der solche\nAntrage nichts an der vollziehbaren Ausreisepflicht von Auslandern zu andern\nvermogen, und nach der dem Gericht bekannten Praxis des Regierungsprasidiums\nFreiburg, die mit dieser Rechtslage in Einklang steht, nicht nachvollziehbar.\nWenn das Regierungsprasidium Freiburg dies gegenuber der Beklagten als\nDuldungsgrund angegeben haben soll, zeigt das lediglich, dass eine Abschiebung\nder Klager bereits aus anderen Grunden nicht stattfinden sollte. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Darauf, ob die Duldungen den Klagern zur Recht erteilt bzw. verlangert\nwurden, das heißt, ob bei ihnen die Voraussetzungen des § 55 Abs. 2 AuslG fur\neine Duldung vorliegen, kommt es im Rahmen von § 30 Abs. 4 AuslG nicht an.\nInsoweit unterscheidet sich der Absatz 4 von Absatz 3 des § 30 AuslG. Auf der\neinen Seite stellt § 30 Abs. 4 gegenuber § 30 Abs. 3 AuslG strengere\nAnforderungen an den Auslander, indem das Vorliegen eines Duldungsgrunds nicht\nausreicht, sondern der Besitz einer Duldung verlangt wird\n(Gemeinschaftskommentar zum Auslanderrecht - GK-AuslR -, Stand: Dez. 2003,\nBand 1, II, § 30 RdNrn. 128 und 130); auf der anderen Seite bedeutet dies aber\nauch eine Begunstigung fur den Auslander, indem es im Fall des Besitzes einer\nDuldung nicht (mehr) darauf ankommt, ob die Behorde den Duldungsgrund zu Recht\nangenommen hat. Unter anderem in diesem Punkt erhalt § 30 Abs. 4 AuslG eine\ngegenuber § 30 Abs. 3 selbstandige Bedeutung. \n--- \n| 31 \n--- \n| Damit liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 30 Abs. 4 AuslG vor\nund hat die Beklagte uber die Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen fur die\nKlager nach Ermessen zu entscheiden. \n--- \n| 32 \n--- \n| 2\\. Diese Moglichkeit der Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen nach\nErmessen wird nicht durch einen Regelversagungsgrund nach § 7 Abs. 2 AuslG\nausgeschlossen. In Betracht kommt im Fall der Klager der Regelversagungsgrund\nnach § 7 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 46 Nr. 6 AuslG und § 7 Abs. 2 Nr. 2\nAuslG. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG, dessen Regelungsgehalt sich im\nWesentlichen mit § 7 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 46 Nr. 6 AuslG deckt,\nwird die Aufenthaltsgenehmigung in der Regel versagt, wenn der Auslander\nseinen Lebensunterhalt einschließlich ausreichenden\nKrankenversicherungsschutzes nicht aus eigener Erwerbstatigkeit, eigenem\nVermogen oder sonstigen eigenen Mitteln, aus Unterhaltsleistungen von\nFamilienangehorigen oder Dritten, aus Stipendien, Umschulungs- oder\nAusbildungsbeihilfen, aus Arbeitslosengeld oder sonstigen auf einer\nBeitragsleistung beruhenden offentlichen Mitteln bestreiten kann. Obwohl der\nKlager Ziff. 1 seit Jahren standig einer unselbstandigen Erwerbstatigkeit\nnachgegangen und dadurch zum Lebensunterhalt seiner Familie beigetragen hat,\nwaren die Klager, die auf keine anderen eigenen Einkunfte und Vermogen\nzuruckgreifen konnen, seit je her weitestgehend auf (zumindest erganzende)\nLeistungen der Sozialhilfe angewiesen und sie sind es auch gegenwartig. Damit\nliegen die tatbestandlichen Voraussetzungen der zuvor genannten\nRegelversagungsgrunde vor. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Dennoch fuhrt dies nicht zu einer (zwingenden) Versagung der\nAufenthaltsbefugnisse fur die Klager. Denn die Klager konnen sich auf einen\ndurch einen atypischen Geschehensablauf gekennzeichneten Ausnahmefall berufen,\nder das sonst ausschlaggebende Gewicht des gesetzlichen Regelversagungsgrunds\nbeseitigt. Das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls unterliegt voller\ngerichtlicher Nachprufung und ist nicht etwa Teil der behordlichen\nErmessensbetatigung (BVerwG, Urt. v. 15.12.1995, InfAuslR 1996, 168, und v.\n29.07.1993, BVerwGE 94, 35; VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 30.06.2000, VBlBW 2001,\n30, v. 17.12.1998, VBlBW 1999, 150, und v. 22.09.1997, InfAuslR 1998, 78). \n--- \n| 34 \n--- \n| Ein Ausnahmefall ist hier bereits deshalb gegeben, weil sich nichts dafur\nabzeichnet, dass das dem Klager Ziff. 1 zur Seite stehende\nAbschiebungshindernis, seine Krankheit (siehe oben), und damit auch das aus\nder familiaren Lebensgemeinschaft und Art. 6 Abs. 1 GG folgende\nAbschiebungshindernis fur die Klager Ziff. 2 bis 5 in absehbarer Zeit\nentfallen (vgl. hierzu VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 17.12.1998, a.a.O.). Die\nKlager sind bereits seit vielen Jahren vollziehbar (und unanfechtbar)\nausreisepflichtig (der Klager Ziff. 1 bereits seit dem 22.04.1994, die Klager\nZiff. 2 und 3 seit dem 12.06.1996, die Klager Ziff. 4 und 5 seit Oktober 1998\nbzw. seit November 1999). Ihre Asyl- und Asylfolgeantrage blieben ebenso wie\nihre an das Bundesamt fur die Anerkennung auslandischer Fluchtlinge\ngerichteten Antrage auf Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 53\nAuslG allesamt erfolglos. Dennoch hat die nach den §§ 5 und 6 AAZuVO fur die\nAufenthaltsbeendigung zustandige Auslanderbehorde, das Regierungsprasidium\nFreiburg, abgesehen davon, dass diese Behorde offenbar einmal im Jahr 1999,\nalso vor mehr als vier Jahren, einen Termin fur die Abschiebung der Klager,\ndie wegen der Schwangerschaft der Klagerin Ziff. 2 nicht durchgefuhrt wurde,\nins Auge gefasst hatte, bislang offenbar keine nachhaltigen und ernsthaften\nBemuhungen um eine Durchsetzung der Ausreisepflicht der Klager unternommen.\nVielmehr wurden den Klagern nach Lage der Akten regelmaßig und geradezu\nselbstverstandlich jeweils nach Ablauf von drei Monaten Verlangerungen ihrer\nDuldungen erteilt (zu den Duldungsgrunden siehe oben). Es gibt auch keine\nAnhaltspunkte dafur, dass sich das in absehbarer Zeit andern wurde. Vielmehr\nwerden - was die Kammer hier nicht zu beurteilen und somit auch nicht zu\nbeanstanden hat (siehe oben) - offenbar die von den Klagern vorgelegten\narztlichen Bescheinigungen uber eine (psychische) Erkrankung des Klagers Ziff.\n1 seit Jahren ohne Weiteres zum Anlass fur weitere Verlangerungen der\nDuldungen genommen, so dass auf diesem Weg fur die Klager faktisch ein\nDaueraufenthalt begrundet wird. Dass dies auch gewollt ist, kann man auch dem\nBescheid der Beklagten vom 07.08.2002 entnehmen, demzufolge die Duldungen den\nKlagern einen „gesicherten Aufenthalt und effektiven Schutz vor einer\nRuckfuhrung" vermitteln sollen. Eine solche Praxis widerspricht jedoch der\nFunktion der Duldung, die nach der gesetzlichen Konzeption gerade nicht\nersatzweise ein Daueraufenthaltsrecht gewahren soll (BVerwG, Urt. v.\n04.06.1997, InfAuslR 1997, 355; VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 17.12.1998, a.a.O.). \n--- \n| 35 \n--- \n| Offen bleiben kann hiernach, ob ein atypischer Ausnahmefall (vom\nRegelversagungsgrund des Sozialhilfebezugs) auch deshalb angenommen werden\nmuss, weil der Klager Ziff. 1 sich im Rahmen seiner Moglichkeiten seit Jahren\nerkennbar bemuht, durch Aushilfsarbeiten in verschiedenen Restaurants nicht\nunerheblich zum Lebensunterhalt seiner Familie beizutragen, obwohl seine\npsychische Erkrankung von den Behorden offenbar als so schwerwiegend\neingestuft wird, dass sie einer Abschiebung in sein Heimatland entgegensteht,\nund obwohl die Klager Ziff. 1 und 2 drei minderjahrige Kinder zu versorgen\nhaben und es deshalb beinahe unvermeidlich ist, dass das Familieneinkommen\nnicht zur Deckung des Lebensunterhalts fur eine funfkopfige Familie ausreicht\n(vgl. hierzu VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 30.06.2000 und v. 17.12.1998, jew.\na.a.O.). \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| 3\\. Nach alledem hat die Beklagte uber die Erteilung von\nAufenthaltsbefugnissen fur die Klager nach Ermessen zu entscheiden. Die von\nihr im angefochtenen Bescheid vom 07.08.2002 begrundete und im\nWiderspruchsbescheid des Regierungsprasidiums Freiburg vom 14.03.2003\nbestatigte Ermessensentscheidung ist jedoch fehlerhaft. In dieser Begrundung\nbringt die Beklagte im Kern zum Ausdruck, dass den Klagern (nur) deshalb keine\nAufenthaltsbefugnisse erteilt werden sollen, weil ihren Interessen, in\nDeutschland zu bleiben, und vor allem dem besonderen Interesse des Klagers\nZiff. 1 an einem Schutz vor erneuten Traumatisierungen im Heimatland und vor\neinem Abbruch seiner in Deutschland durchgefuhrten Therapie in gleicher Weise\n(wie durch die Begehrte Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen) auch durch\n„langfristig bemessene" Erteilung von Duldungen entsprochen werden kann. Diese\nBegrundung verkennt jedoch den gesetzlichen Zweck der Duldung als einer\nlediglich zeitweisen (vorubergehenden) Aussetzung der Abschiebung (vgl. §§ 55,\n56 AuslG), die darin besteht, das sie gerade keinen Daueraufenthalt oder\njedenfalls keinen Aufenthalt mit unabsehbarer Dauer gewahren darf (siehe\noben). Aus diesem Grund ist der in der Ermessensausubung der Beklagten zum\nAusdruck kommende tragende Grund fur die Versagung der Aufenthaltsbefugnisse\nfehlerhaft (vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, VwVfG, 8. Aufl. 2003, § 40 RdNrn. 48\nff., 61 m.w.N.). \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Dieser Ermessensfehler fuhrt im vorliegenden Fall nicht nur zur Aufhebung\nder angefochtenen Bescheide und zur Verpflichtung der Beklagten, uber die\nAntrage der Klager unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer erneut zu\nentscheiden (gem. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Vielmehr kommt keine andere\nrechtmaßige Ausubung des Ermessens der Beklagten in Betracht als die, dass den\nKlagern die von ihnen beantragten Aufenthaltsbefugnisse erteilt werden (gem. §\n113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Auch die vom Gericht an den Vertreter der Beklagten\nin der mundlichen Gerichtsverhandlung ausdrucklich gerichtete Frage, ob es\nnoch weitere Ermessenserwagungen fur die Versagung der beantragten\nAufenthaltsbefugnisse gebe als die im angefochtenen Bescheid vom 07.08.2202\ngenannten, hat keine weiteren Gesichtspunkte fur eine andere Ermessensausubung\nerbracht. Dementsprechend ist aufgrund der besonderen Umstande des\nvorliegenden Falls ausnahmsweise von einer sogenannten Ermessensreduzierung\nauf Null auszugehen (vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 40 RdNrn. 30 ff.).\nDas heißt, die Beklagte ist zur Erteilung der beantragten\nAufenthaltsbefugnisse zu verpflichten. Dies ergibt sich aus folgenden\nÜberlegungen: \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Fur die nach § 30 (Abs. 4) AuslG zu treffende Ermessensentscheidung ist\ninsbesondere von Bedeutung, ob in absehbarer Zeit mit einem Wegfall des\nAbschiebungshindernisses gerechnet werden kann; dabei wird man in der Regel\nZeitraume von sechs Monaten in den Blick zu nehmen haben (vgl. GK-AuslR,\na.a.O., § 30 RdNr. 124 m.w.N.). Das bedeutet, dass dem in der\nErmessensentscheidung zu berucksichtigenden Interesse des Auslanders an der\nErteilung einer Aufenthaltsbefugnis um so mehr Gewicht zukommt, je\nunabsehbarer der Wegfall des Abschiebungshindernisses erscheint. Dabei handelt\nes sich um eine Prognoseentscheidung, die naturgemaß mit zahlreichen\nUnwagbarkeiten behaftet ist. Im Rahmen dieser Prognoseentscheidung wird, wie\ndas bei vielen Prognosen unverzichtbar ist, regelmaßig eine Betrachtung der\nVergangenheit geboten sein und es werden dabei aus den Vorgangen und\nGeschehensablaufen in der Vergangenheit Schlussfolgerungen fur wahrscheinliche\nkunftige Geschehensablaufe zu ziehen sein. Hier ergibt sich aus der\njahrelangen (geradezu selbstverstandlichen) Erteilung bzw. Verlangerung von\nDuldungen fur die Klager und den dafur maßgeblichen Grunden (siehe oben) die\nPrognose, dass den Klagern auch in absehbarer Zeit realistischerweise keine\nBeendigung ihres Aufenthalts droht. Nach den Grunden ihres Bescheids vom\n07.08.2002 geht auch die Beklagte davon aus, dass dem Anliegen der Klager,\ninsbesondere des Klagers Ziff. 1, durch eine „langfristig bemessene" Erteilung\nvon Duldungen entsprochen werden kann (und soll). Auch aus dem Schreiben der\nBeklagten vom 25.02.2003, in dem die Grunde fur die Duldung der Klager in der\nVergangenheit offengelegt wurden, lasst sich allein der Schluss ziehen, dass\ndie Klager sich auch in den nachsten Monaten und Jahren geduldet im\nBundesgebiet aufhalten werden (zur Berucksichtigung realistischer Perspektiven\nfur die Aufenthaltsbeendigung im Rahmen der Ermessensausubung nach § 30 Abs. 3\nund 4 AuslG vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 17.12.1998, a.a.O.). \n--- \n| 39 \n--- \n| Anhaltspunkte fur einen Missbrauch der Sozialhilfe durch die Klager, der im\nRahmen einer Ermessensbetatigung zu ihren Lasten berucksichtigt werden konnte\n(vgl. VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 30.06.2000, a.a.O.; GK-AuslR, a.a.O., § 30\nRdNr. 124.1), liegen nicht vor. Im Gegenteil, der Klager Ziff. 1 hat in der\nmundlichen Verhandlung vorgetragen, dass er (trotz seiner angeschlagenen\npsychischen Verfassung) regelmaßig einer (unselbstandigen)\nVollzeitbeschaftigung nachgeht und dabei etwa 800,-- EUR netto im Monat\nverdient. Dass diese Arbeit (mit lediglich 6,-- EUR pro Arbeitsstunde) so\nschlecht bezahlt ist, ist ihm nicht vorzuwerfen; ebenso wenig, wie es der\nKlagerin Ziff. 2 im Hinblick auf die Erziehung und Betreuung ihrer drei\nminderjahrigen Kinder vorzuwerfen ist, dass sie zur Zeit nicht erwerbstatig\nist. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Im Übrigen ware im Rahmen der Ermessensbetatigung auch (zu Gunsten der\nErteilung von Aufenthaltsbefugnissen fur die Klager) zu berucksichtigen, dass\ndem (offentlichen) Interesse an einer zwangsweisen Durchsetzung der\nAusreisepflicht der Klager auch im Fall der Erteilung von\nAufenthaltsbefugnissen weitestgehend (beinahe ohne Abstriche) Rechnung\ngetragen werden kann. Denn auch eine Aufenthaltsbefugnis wird - wie eine\nDuldung - nur befristet erteilt (§ 34 Abs. 1 AuslG) und sie kann - auch\ninsoweit wie eine Duldung - nach § 14 AuslG mit Bedingungen - fur den Fall des\nWegfalls des Erteilungsgrunds auch mit einer auflosenden Bedingung - und\nAuflagen verbunden werden. Nach § 34 Abs. 2 AuslG darf die Aufenthaltsbefugnis\nnicht verlangert werden, wenn die der Aufenthaltsbeendigung entgegenstehenden\nGrunde entfallen sind. Auf diese Weise konnen die Auslanderbehorden auch nach\nErteilung einer Aufenthaltsbefugnis das (offentliche) Interesse daran, dass\nder betreffende Auslander das Bundesgebiet verlasst, weiterverfolgen.\nAllerdings hat der Besitz einer Aufenthaltsbefugnis durchaus auch positive\nFolgen fur den Auslander. Zum einen ist sein Aufenthalt in dieser Zeit\nrechtmaßig im Sinne des Auslandergesetzes und zum anderen fuhrt der\nlangjahrige Besitz einer Aufenthaltsbefugnis zu einer weiteren\nAufenthaltsverfestigung (siehe § 35 AuslG) mit der Folge einer Berechtigung\nzum Daueraufenthalt. Diese rechtlichen Folgen sind jedoch vom Gesetzgeber\nausdrucklich gewollt (vgl. BT-Drucks. 11/6321, S. 48 und 66 f., abgedr. in:\nGK-AuslR, a.a.O., nach Wiedergabe des Gesetzestextes; vgl. hierzu auch VGH\nBad.-Wurtt., Urt. v. 17.12.1998, a.a.O., m.w.N.) und deshalb bei der\nErmessensentscheidung im vorliegenden Fall nicht zu Lasten, sondern zu Gunsten\nder Klager zu berucksichtigen. \n--- \n| 41 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. \n--- \n| 42 \n--- \n| Grunde des § 124 Abs. 2 Nrn. 3 oder 4 VwGO, aus denen die Berufung vom\nVerwaltungsgericht zuzulassen ware, sind nicht gegeben. \n---\n\n
135,304
lg-karlsruhe-2004-03-09-11-t-38003
135
Landgericht Karlsruhe
lg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
11 T 380/03
2004-03-09
2019-01-07 11:09:33
2019-01-17 11:55:19
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.\n\n2\\. Eine Festsetzung des Beschwerdewerts ist nicht veranlasst.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| 1\\. Auf die gemaß §§ 309 Abs. 2 Satz 3, 6 Abs. 1 InsO statthafte und auch\nform- und fristgerecht und damit insgesamt in zulassiger Weise eingelegte\nsofortige Beschwerde (§§ 4 InsO, 569 ZPO) des Glaubigers gegen den seine\nEinwendungen gegen den Schuldenbereinigungsplan durch eine Zustimmung\nersetzenden Beschluss des Insolvenzgerichts vom 11.08.2003 ist im Hinblick auf\ndas ubereinstimmend fur erledigt betrachtete Beschwerdeverfahren in\nentsprechender Anwendung des § 91 a ZPO nur noch uber die Kosten des\nRechtsmittelverfahrens zu entscheiden. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Zulassigkeit jedenfalls der ubereinstimmenden Erledigungserklarung nur\ndes Rechtsmittelverfahrens ist nach zutreffender Ansicht (OLG Frankfurt a.M.\nNJW-RR 1998, 1447, 1448; KG MDR 1986, 592; Zoller/Vollkommer, ZPO, 24.\nAuflage, § 91 a Rn. 19) anzuerkennen; dies gilt entsprechend im\nInsolvenzverfahren (Zoller/Vollkommer, § 91 a Rn. 58 Stichwort\n"Insolvenzverfahren"). Sie entspricht dem in kontradiktorischen Verfahren\nallgemein geltenden Dispositionsgrundsatz und tragt der eingetretenen\nverfahrensrechtlichen Überholung Rechnung: Mit der Rucknahme des\nErsetzungsantrages ist der Schuldenbereinigungsplan gescheitert und das\nVerfahren uber den Eroffnungsantrag von Amts wegen wiederaufzunehmen gewesen,\n§ 311 InsO; fur das Weiterbetreiben des Rechtsmittels gegen den damit\ngegenstandslos gewordenen Beschluss des Insolvenzgerichts vom 11.08.2003\nbesteht damit kein Rechtsschutzbedurfnis mehr. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Bei der eingetretenen Verfahrenslage ist das Schweigen der Schuldnerin auf\ndie Anfrage des Gerichts vom 12.11.2003 bei der gebotenen interessengerechten\nWertung als Zustimmung zur Erledigungserklarung des Glaubigers aufzufassen, da\nnichts dafur spricht, dass sie selbst nach Antragsrucknahme noch auf eine\nSachentscheidung uber die Beschwerde hinwirken wollte, etwa weil sie diese von\nAnfang an als unzulassig oder als unbegrundet angesehen hatte. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| In entsprechender Anwendung des § 91 a ZPO ist bei ubereinstimmend fur\nerledigt erklartem Rechtsmittelverfahren nur noch uber die Kosten des\nBeschwerdeverfahrens zu entscheiden (Zoller/Vollkommer, a.a.O.), zumal fur die\nbeim Insolvenzgericht angefallenen Kosten gemaß § 310 InsO ohnehin kein\nKostenerstattungsanspruch in Betracht kommt. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| 2\\. Analog § 91 a ZPO sind die den Beteiligten im Beschwerdeverfahren\nentstandenen Kosten gegeneinander aufzuheben. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Fur die nach dieser Billigkeitsvorschrift zu treffende Kostenentscheidung\nkommt es in erster Linie darauf an, wer nach allgemeinen oder speziellen\nkostenrechtlichen Grundsatzen bei summarischer Prufung ohne die\neinvernehmliche Streitbeilegung voraussichtlich die Kosten zu tragen gehabt\nhatte. Danach ist die Kostenaufhebung (§ 92 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. ZPO)\nangemessen, denn keinem der Beteiligten gebuhrt ein Kostenerstattungsanspruch\nnach diesem Maßstab gegen den anderen Teil. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| a) Ein Erstattungsanspruch des Glaubigers kommt im Hinblick auf die\nspezielle Vorschrift des § 310 InsO nicht in Betracht. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Danach haben die Glaubiger gegen den Schuldner keinen Anspruch auf\nErstattung der Kosten, die ihnen im Zusammenhang mit dem\nSchuldenbereinigungsplan entstehen. Diese ungewohnliche Vorschrift (Hess,\nInsolvenzordnung, Band 1, 1999, § 310 Rn. 4) bezweckt eine umfassende\nFreistellung des Schuldners von Kostenerstattungsanspruchen des Glaubigers\nunabhangig davon, auf welchen Rechtsgrund diese gestutzt werden. Neben dem\ngerichtlichen Kostenerstattungsanspruch sind deshalb selbst\nschadensersatzrechtliche Haftungstatbestande, etwa aus Verzug, oder\nvertragliche Kostenerstattungsregelungen ausgeschlossen (Hess, a.a.O.;\nMunchener Kommentar/Ott, Insolvenzordnung, 2003, § 310 Rn. 4; Heidelberger\nKommentar/Landfermann, Insolvenzordnung, 2. Auflage, § 310 Rn. 1 f;\nBraun/Buck, Insolvenzordnung, 2002, § 310 Rn. 1 f). Der Schuldner soll durch\naußergerichtliche Kosten des Glaubigers nicht von dem Versuch einer gutlichen\nSchuldenbereinigung abgehalten und das Verfahren zudem von einem Streit um die\nAngemessenheit der von den Glaubigern aufgewendeten außergerichtlichen Kosten\nnicht belastet werden (vgl. die vorzitierten Literaturnachweise). \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Damit kommt aber auch im Beschwerdeverfahren uber die Ersetzung der\nZustimmung ein Kostenerstattungsanspruch des widersprechenden Glaubigers nicht\nin Betracht. Das Gericht differenziert weder nach dem Rechtszug, in dem - nach\nallgemeinen Grundsatzen - ein gerichtlicher Kostenerstattungsanspruch anfiele\nnoch nach dem Ausgang des Verfahrens, sondern setzt lediglich den Zusammenhang\nder dem Glaubiger entstandenen Kosten mit dem Schuldenbereinigungsplan voraus.\nGerade dann, wenn die Glaubigereinwendungen berechtigt sind und seine\nZustimmung deshalb nicht ersetzt werden kann, wirkt sich der Ausschluss des\ngerichtlichen Kostenerstattungsanspruchs aus, denn im Falle seines\n"Unterliegens" im Ersetzungsverfahren nach § 309 InsO hatte der Glaubiger auch\nnach allgemeinen kostenrechtlichen Grundsatzen keinen Anspruch auf Erstattung\nseiner Kosten (§ 91 ZPO). \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| b) Auch der Schuldnerin gebuhrt jedoch kein Kostenerstattungsanspruch.\nUnabhangig davon, ob § 310 InsO nicht ohnehin entnommen werden kann, dass im\nkontradiktorischen Verfahren uber die Ersetzung der Zustimmung eines\nGlaubigers sowieso keine Kostenentscheidung ergehen soll (vgl. Heidelberger\nKommentar/Landfermann, § 310 Rn. 2) und dies auch fur das Beschwerdeverfahren\ngilt, ist ein Erstattungsanspruch der Schuldnerin jedenfalls bereits deshalb\nunbillig, weil sie die Erledigung des Beschwerdeverfahrens aus freien Stucken\ndurch Rucknahme ihres Ersetzungsantrags bewirkt hat (vgl. Zoller/Vollkommer, §\n91 a Rn. 25). \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| 3\\. Da die Beschwerde weder zuruckgewiesen noch verworfen wurde und deshalb\nkeine Gerichtskosten anfallen und Auslagen nicht zu erstatten sind, erubrigt\nsich auch eine Wertfestsetzung. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| 4\\. Diese Entscheidung unterliegt nicht der Rechtsbeschwerde gemaß §§ 6, 7\nInsO. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Anfechtbarkeit kostenrechtlicher Beschwerdeentscheidungen folgt nicht\naus der InsO (§ 6), sondern ergibt sich aus § 91 a Abs. 2 Satz 1 ZPO i.V.m. §\n4 InsO, weshalb insoweit gegebenenfalls die Rechtsbeschwerde vom\nBeschwerdegericht besonders zugelassen werden muss, § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO\n(Munchener Kommentar/Ganter, Band 3, § 7 n.F. Rn. 26; OLG Zweibrucken, NJW-RR\n2001, 193). \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Voraussetzungen fur eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2\nZPO) liegen jedoch nicht vor. \n--- \n---\n\n
136,859
fg-baden-wurttemberg-2005-03-14-4-k-23503
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
4 K 235/03
2005-03-14
2019-01-07 12:03:19
2019-01-17 11:56:59
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Klage wird abgewiesen.\n\n2\\. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klager.\n\n3\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Streitig ist, ob die Klager beanspruchen konnen, dass der bereits\nbestandskraftige Einkommensteuerbescheid 1997 deshalb geandert wird, weil in\nder Steuererklarung AfA-Betrage (Absetzung fur Abnutzung) fur\nEigentumswohnungen, die schon in 1996 angeschafft wurden, aufgrund eines EDV-\nÜbernahmefehlers versehentlich nicht beantragt worden sind und das Finanzamt\ninsoweit wie erklart veranlagt hat. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Sowohl der Klager als auch die Klagerin erwarben jeweils aufgrund\nnotariellen Kaufvertrages vom 30. Dezember 1996 je eine Eigentumswohnung in\nder X-Straße 9 in A: der Ehemann die Wohnung Nr. 1, die Ehefrau die Wohnung\nNr. 2. In beiden Vertragen wurde vereinbart, dass Nutzen und Lasten am\n30.12.1996 auf die Kaufer ubergehen sollen. In ihrer Einkommensteuererklarung\nfur 1996 beantragten die Klager fur beide Eigentumswohnungen zusammen eine AfA\ngem. § 7 Abs. 5 EStG in Hohe von 14.705 DM. Das Finanzamt setzte aufgrund\neiner abweichenden Bewertung des Gebaudewertes im inzwischen bestandskraftig\ngewordenen Einkommensteuerbescheid 1996 einen AfA-Betrag von 14.242 DM an. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Im Rahmen der Einkommensteuererklarung des Streitjahres 1997 fassten die\nKlager die Angaben fur beide Objekte in der X-Straße auf einer Anlage V\nzusammen, auf die wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 9 f.\nder Einkommensteuerakten 1997). In der fur AfA-Betrage vorgesehenen Zeile 35\nfindet sich aufgrund eines EDV-Fehlers keine Eintragung. Der\nProzessbevollmachtigte der Klager erstellte die Steuererklarung mittels EDV\n(elektronischer Datenverarbeitung) unter Verwendung von Software der Firma Y,\ndie im Streitjahr ihr Betriebssystem von DOS- auf Windows-Version umstellte.\nIm Zuge dieser Softwareumstellung unterblieb die Übernahme der AfA-Betrage der\nbeiden Wohnungen in A in das Jahr 1997. Alle anderen Daten der Steuererklarung\nsowie samtlichen Daten der ca. 400 Mandanten des Prozessbevollmachtigten\nwurden fehlerlos von 1996 auf 1997 ubertragen. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Im Einkommensteuerbescheid vom 6. Mai 1999 setzte das Finanzamt die\nerklarten Einkunfte aus Vermietung und Verpachtung hinsichtlich der beiden\nstreitgegenstandlichen Eigentumswohnungen ohne Berucksichtung einer AfA an. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Schreiben vom 20. Januar 2000 beantragte der Klagervertreter, die\n„vergessene" degressive AfA im Wege einer Änderungsveranlagung noch zu\nberucksichtigen. Der Beklage lehnte die Änderung des Einkommensteuerbescheids\n1997 mit Bescheid vom 7. Februar 2000 ab. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Gegen diesen Ablehnungsbescheid legte der Klagervertreter am 14. Februar\n2000 Einspruch ein, den das Finanzamt mit Einspruchsentscheidung vom 17. Juli\n2003 als unbegrundet zuruckwies. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit ihrer am 6. August 2003 erhobenen Klage begehren die Klager unverandert\ndie Berucksichtigung der degressiven AfA gem. § 7 Abs. 5 EStG in Hohe von\n14.242 DM im Wege der Änderungsveranlagung. Aufgrund des EDV-Fehlers der Fa. Y\nliege ein mechanisches Versehen vor, so dass der Bescheid nach § 129\nAbgabenordnung (AO) geandert werden konne. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Klager beantragen, \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| den Ablehnungsbescheid vom 7. Februar 2000 in Gestalt der\nEinspruchsentscheidung vom 17. Juli 2003 aufzuheben und den Beklagten zu\nverpflichten, den Einkommensteuerbescheid 1997 vom 6. Mai 1999 zu andern und\nbei den Einkunften aus Vermietung und Verpachtung weitere Werbungskosten in\nHohe von 14.242 DM zu berucksichtigen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Das Finanzamt ist der Ansicht, eine Änderung des streitgegenstandlichen\nEinkommensteuerbescheids komme weder nach § 129 AO noch nach anderen\nKorrekturvorschriften der AO in Betracht. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Im Rahmen eines Erorterungstermins vor der Berichterstatterin am 26. Januar\n2005 wurde die Sach- und Rechtslage ausfuhrlich erortert. Auf das Protokoll\ndieser Sitzung wird Bezug genommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Klage ist zulassig, aber unbegrundet. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Ablehnungsbescheid vom 7. Februar 2000 ist rechtmaßig. Eine Änderung\ndes Einkommensteuerbescheides 1997 ist nicht mehr moglich. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| 1\\. Das Finanzamt hat es zu Recht abgelehnt, den Einkommensteuerbescheid\n1997 gemaß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu andern. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Danach muss die Finanzbehorde Steuerbescheide andern, soweit Tatsachen\nnachtraglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer fuhren. Unter\nTatsache i.S. des § 173 Abs. 1 AO ist alles zu verstehen, was Merkmal oder\nTeilstuck eines steuergesetzlichen Tatbestandes sein kann (Bundesfinanzhof -\nBFH - Urteile vom 21. Juli 1989 III R 303/84, BStBl. II, S. 960, und vom 26.\nNovember 1996 IX R 77/95, BStBl. II 1997, S. 422, 423, unter 2. m.w.N.). Im\nStreitfall sind das die tatsachlichen Voraussetzungen der AfA gemaß § 7 Abs. 5\nEStG im Streitjahr 1997. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Das Finanzamt ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass diese\nTatsachen dem Finanzamt **nicht** nachtraglich bekannt geworden sind. Da die\nKlager die beiden Eigentumswohnungen in A bereits zum 30. Dezember 1996\nangeschafft hatten und dem Finanzamt bereits mit der Steuererklarung 1996 alle\nerforderlichen Angaben zur Berucksichtigung der AfA gemaß § 7 Abs. 5 EStG\nmitteilten, waren dem Beklagten bereits zum Zeitpunkt der Abgabe der\nSteuererklarung 1996 die Voraussetzungen der AfA gemaß § 7 Abs. 5 EStG\nbekannt. Sie konnen daher dem Finanzamt mit Einreichen der Steuererklarung\n1997 nicht nachtraglich bekannt geworden sein. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| 2\\. Auch eine Änderung gemaß § 129 AO ist ausgeschlossen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Danach kann die Finanzbehorde Schreibfehler, Rechenfehler und ahnliche\noffenbare Unrichtigkeiten, insgesamt also mechanische Versehen (BFH-Urteil vom\n27. Marz 1987 VI R 63/84, BFH/NV 1987, S. 480), die beim Erlass eines\nVerwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Das gilt auch dann,\nwenn ein Steuerbescheid bestandskraftig geworden, die Steuerfestsetzungsfrist,\nwie im Streitfall, jedoch noch nicht abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 AO). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Berichtigungsmoglichkeit hat nach Wortlaut und Sinn des § 129 AO nur\nVersehen des Finanzamtes, nicht aber des Steuerpflichtigen im Auge. Sie findet\njedoch auch Anwendung, wenn die Fehlerhaftigkeit von Angaben des\nSteuerpflichtigen fur das Finanzamt ohne weiteres erkennbar war und das\nFinanzamt damit eine offenbare Unrichtigkeit der Steuererklarung als eigene\nubernommen hat (standige Rechtsprechung des BFH, siehe BFH-Urteil vom 2. April\n1987 IV R 255/84, BStBl. II, S. 762, 763). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Bei Beachtung dieser Grundsatze ist das Finanzamt nicht berechtigt, den\nEinkommensteuerbescheid vom 6. Mai 1999 zu andern, weil dieser keine „beim\nErlass eines Verwaltungsaktes unterlaufene" offenbare Unrichtigkeit enthalt.\nDie Steuererklarung 1997, insbesondere die Anlage V X-Straße, war zwar\nunrichtig; der Fehler war aber nicht offenbar. Das Finanzamt hat daher die in\nder Einkommensteuererklarung der Klager enthaltene Unrichtigkeit nicht als\n„eigene" ubernommen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Offenbar ist eine Unrichtigkeit, wenn der Fehler bei Offenlegung des\nSachverhalts fur jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als\noffenbare Unrichtigkeit erkennbar ist, der Fehler auf bloße mechanische\nVersehen zuruckzufuhren und die Moglichkeit eines Rechtsirrtums ausgeschlossen\nist (BFH - Urteil vom 17. Juni 2004 IV R 9/02, BFH/NV 2004, S. 1505 ff.).\nFehler, die auf mangelnder Sachaufklarung oder Nichtbeachtung feststehender\nTatsachen beruhen, schließen die Anwendung des § 129 AO aus (BFH-Urteile vom\n24. Mai 1977 IV R 44/74, BStBl. II, S. 853, und vom 26. November 1996 IX R\n77/95, BStBl. II 1997, S. 422, unter 1a). Ist die mehr als theoretische\nMoglichkeit eines Rechtsirrtums gegeben, liegt keine offenbare Unrichtigkeit\nvor (BFH-Urteil vom 16. Marz 2000 IV R 3/99, BStBl. II, S. 372, m.w.N.). Auch\neine aus rechtlichen oder tatsachlichen Grunden erforderliche, vom\nSachbearbeiter - ggf. unter Verletzung der Amtsermittlungspflicht -\nunterlassene Sachverhaltsermittlung ist kein mechanisches Versehen (BFH-\nUrteile vom 31. Juli 1990 I R 116/88, BStBl. II 1991, S. 22 und vom 16. Marz\n2000 IV R 3/99, BStBl. II, S. 372, m.w.N). Ob ein mechanische Versehen oder\nein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder\nRechtsirrtum vorliegt, ist jeweils nach den Verhaltnissen des Einzelfalles zu\nbeurteilen (BFH-Urteile vom 21. Oktober 1987 IX R 156/84, BFH/NV 1988, S. 277\nsowie vom 16. Marz 2000 IV R 3/99, BStBl. II, S. 372, m.w.N.). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Unrichtigkeit der Erklarungen der Klager ist fur das Finanzamt nur dann\nerkennbar, wenn die Steuererklarung des Vorjahres (Einkommensteuer 1996)\nund/oder die beim Beklagten befindlichen Allgemeinen Akten bei der Veranlagung\ndes Streitjahres zugezogen werden, denn nur aus den Vorjahresakten sowie aus\nden Allgemeinen Akten ergibt sich die AfA-Art (hier: degressive AfA nach § 7\nAbs. 5 EStG) sowie die Hohe der AfA. Allein aus der eingereichten\nSteuererklarung lasst sich der AfA-Betrag nicht ermitteln. Es lasst sich nicht\neinmal zweifelsfrei erkennen, dass es sich um zwei Eigentumswohnungen handelt. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Soweit das Finanzamt jedoch auf Vorakten zuruckgreifen muss, liegt\ngrundsatzlich keine offenbare Unrichtigkeit vor (BFH-Urteil vom 31. Juli 1990\nI R 116/88, BFHE 162, S. 115, 117 unter 2. b). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Klager haben grundsatzlich ein Wahlrecht, ob sie die AfA gemaß § 7 Abs.\n4 EStG oder aber die AfA gemaß § 7 Abs. 5 EStG geltend machen. Bei\nNichtausfullen der Zeile 35 der Anlage V haben die Klager von diesem Wahlrecht\nkeinen Gebrauch gemacht. Das Finanzamt hatte zwingend die Akten der Vorjahre\noder aber die Allgemeinen Akten hinzuziehen mussen, um die korrekte AfA gemaß\n§ 7 Abs. 5 EStG zu ermitteln. Ggf. hatte das Finanzamt beim\nProzessbevollmachtigten der Klager nachfragen mussen. Im Streitfall hat das\nFinanzamt daher eine aus rechtlichen bzw. tatsachlichen Grunden erforderliche\nSachverhaltsermittlung unterlassen. Dieses Unterlassen ist kein mechanisches\nVersehen. Insoweit hat das Finanzamt moglicherweise seine\nAmtsermittlungspflicht verletzt. Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht zu\nUngunsten des Steuerpflichtigen ist aber nicht mit einer offenbaren\nUnrichtigkeit gleichzustellen (BFH-Urteile vom 25. Februar 1972, BStBl. II, S.\n550, und vom 31. Juli 1990 I R 116/88, BFHE 162, S. 115, 117 unter 2. b). Sie\nschließt vielmehr eine offenbare Unrichtigkeit aus (BFH-Urteil vom 18. April\n1986 VI R 4/83, BStBl. II, S. 541, 544). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| 3\\. Da die Klager mit ihrem Klagebegehren unterlegen sind, fallen ihnen\nauch die Verfahrenskosten gemaß § 135 FGO zur Last. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| 4\\. Weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht erfullt sind, war\ndie Revision nicht zuzulassen. Die Entscheidung des Senats orientiert sich an\nder Rechtsprechung des BFH zur Änderung von Bescheiden nach § 129 AO und\nberuht im ubrigen auf der dem Tatrichter obliegenden Feststellung und\nWurdigung tatsachlicher Umstande. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Klage ist zulassig, aber unbegrundet. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Der Ablehnungsbescheid vom 7. Februar 2000 ist rechtmaßig. Eine Änderung\ndes Einkommensteuerbescheides 1997 ist nicht mehr moglich. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| 1\\. Das Finanzamt hat es zu Recht abgelehnt, den Einkommensteuerbescheid\n1997 gemaß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu andern. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Danach muss die Finanzbehorde Steuerbescheide andern, soweit Tatsachen\nnachtraglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer fuhren. Unter\nTatsache i.S. des § 173 Abs. 1 AO ist alles zu verstehen, was Merkmal oder\nTeilstuck eines steuergesetzlichen Tatbestandes sein kann (Bundesfinanzhof -\nBFH - Urteile vom 21. Juli 1989 III R 303/84, BStBl. II, S. 960, und vom 26.\nNovember 1996 IX R 77/95, BStBl. II 1997, S. 422, 423, unter 2. m.w.N.). Im\nStreitfall sind das die tatsachlichen Voraussetzungen der AfA gemaß § 7 Abs. 5\nEStG im Streitjahr 1997. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Das Finanzamt ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass diese\nTatsachen dem Finanzamt **nicht** nachtraglich bekannt geworden sind. Da die\nKlager die beiden Eigentumswohnungen in A bereits zum 30. Dezember 1996\nangeschafft hatten und dem Finanzamt bereits mit der Steuererklarung 1996 alle\nerforderlichen Angaben zur Berucksichtigung der AfA gemaß § 7 Abs. 5 EStG\nmitteilten, waren dem Beklagten bereits zum Zeitpunkt der Abgabe der\nSteuererklarung 1996 die Voraussetzungen der AfA gemaß § 7 Abs. 5 EStG\nbekannt. Sie konnen daher dem Finanzamt mit Einreichen der Steuererklarung\n1997 nicht nachtraglich bekannt geworden sein. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| 2\\. Auch eine Änderung gemaß § 129 AO ist ausgeschlossen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Danach kann die Finanzbehorde Schreibfehler, Rechenfehler und ahnliche\noffenbare Unrichtigkeiten, insgesamt also mechanische Versehen (BFH-Urteil vom\n27. Marz 1987 VI R 63/84, BFH/NV 1987, S. 480), die beim Erlass eines\nVerwaltungsaktes unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Das gilt auch dann,\nwenn ein Steuerbescheid bestandskraftig geworden, die Steuerfestsetzungsfrist,\nwie im Streitfall, jedoch noch nicht abgelaufen ist (§ 169 Abs. 1 AO). \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Die Berichtigungsmoglichkeit hat nach Wortlaut und Sinn des § 129 AO nur\nVersehen des Finanzamtes, nicht aber des Steuerpflichtigen im Auge. Sie findet\njedoch auch Anwendung, wenn die Fehlerhaftigkeit von Angaben des\nSteuerpflichtigen fur das Finanzamt ohne weiteres erkennbar war und das\nFinanzamt damit eine offenbare Unrichtigkeit der Steuererklarung als eigene\nubernommen hat (standige Rechtsprechung des BFH, siehe BFH-Urteil vom 2. April\n1987 IV R 255/84, BStBl. II, S. 762, 763). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Bei Beachtung dieser Grundsatze ist das Finanzamt nicht berechtigt, den\nEinkommensteuerbescheid vom 6. Mai 1999 zu andern, weil dieser keine „beim\nErlass eines Verwaltungsaktes unterlaufene" offenbare Unrichtigkeit enthalt.\nDie Steuererklarung 1997, insbesondere die Anlage V X-Straße, war zwar\nunrichtig; der Fehler war aber nicht offenbar. Das Finanzamt hat daher die in\nder Einkommensteuererklarung der Klager enthaltene Unrichtigkeit nicht als\n„eigene" ubernommen. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Offenbar ist eine Unrichtigkeit, wenn der Fehler bei Offenlegung des\nSachverhalts fur jeden unvoreingenommenen Dritten klar und deutlich als\noffenbare Unrichtigkeit erkennbar ist, der Fehler auf bloße mechanische\nVersehen zuruckzufuhren und die Moglichkeit eines Rechtsirrtums ausgeschlossen\nist (BFH - Urteil vom 17. Juni 2004 IV R 9/02, BFH/NV 2004, S. 1505 ff.).\nFehler, die auf mangelnder Sachaufklarung oder Nichtbeachtung feststehender\nTatsachen beruhen, schließen die Anwendung des § 129 AO aus (BFH-Urteile vom\n24. Mai 1977 IV R 44/74, BStBl. II, S. 853, und vom 26. November 1996 IX R\n77/95, BStBl. II 1997, S. 422, unter 1a). Ist die mehr als theoretische\nMoglichkeit eines Rechtsirrtums gegeben, liegt keine offenbare Unrichtigkeit\nvor (BFH-Urteil vom 16. Marz 2000 IV R 3/99, BStBl. II, S. 372, m.w.N.). Auch\neine aus rechtlichen oder tatsachlichen Grunden erforderliche, vom\nSachbearbeiter - ggf. unter Verletzung der Amtsermittlungspflicht -\nunterlassene Sachverhaltsermittlung ist kein mechanisches Versehen (BFH-\nUrteile vom 31. Juli 1990 I R 116/88, BStBl. II 1991, S. 22 und vom 16. Marz\n2000 IV R 3/99, BStBl. II, S. 372, m.w.N). Ob ein mechanische Versehen oder\nein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder\nRechtsirrtum vorliegt, ist jeweils nach den Verhaltnissen des Einzelfalles zu\nbeurteilen (BFH-Urteile vom 21. Oktober 1987 IX R 156/84, BFH/NV 1988, S. 277\nsowie vom 16. Marz 2000 IV R 3/99, BStBl. II, S. 372, m.w.N.). \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Die Unrichtigkeit der Erklarungen der Klager ist fur das Finanzamt nur dann\nerkennbar, wenn die Steuererklarung des Vorjahres (Einkommensteuer 1996)\nund/oder die beim Beklagten befindlichen Allgemeinen Akten bei der Veranlagung\ndes Streitjahres zugezogen werden, denn nur aus den Vorjahresakten sowie aus\nden Allgemeinen Akten ergibt sich die AfA-Art (hier: degressive AfA nach § 7\nAbs. 5 EStG) sowie die Hohe der AfA. Allein aus der eingereichten\nSteuererklarung lasst sich der AfA-Betrag nicht ermitteln. Es lasst sich nicht\neinmal zweifelsfrei erkennen, dass es sich um zwei Eigentumswohnungen handelt. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Soweit das Finanzamt jedoch auf Vorakten zuruckgreifen muss, liegt\ngrundsatzlich keine offenbare Unrichtigkeit vor (BFH-Urteil vom 31. Juli 1990\nI R 116/88, BFHE 162, S. 115, 117 unter 2. b). \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Die Klager haben grundsatzlich ein Wahlrecht, ob sie die AfA gemaß § 7 Abs.\n4 EStG oder aber die AfA gemaß § 7 Abs. 5 EStG geltend machen. Bei\nNichtausfullen der Zeile 35 der Anlage V haben die Klager von diesem Wahlrecht\nkeinen Gebrauch gemacht. Das Finanzamt hatte zwingend die Akten der Vorjahre\noder aber die Allgemeinen Akten hinzuziehen mussen, um die korrekte AfA gemaß\n§ 7 Abs. 5 EStG zu ermitteln. Ggf. hatte das Finanzamt beim\nProzessbevollmachtigten der Klager nachfragen mussen. Im Streitfall hat das\nFinanzamt daher eine aus rechtlichen bzw. tatsachlichen Grunden erforderliche\nSachverhaltsermittlung unterlassen. Dieses Unterlassen ist kein mechanisches\nVersehen. Insoweit hat das Finanzamt moglicherweise seine\nAmtsermittlungspflicht verletzt. Eine Verletzung der Amtsermittlungspflicht zu\nUngunsten des Steuerpflichtigen ist aber nicht mit einer offenbaren\nUnrichtigkeit gleichzustellen (BFH-Urteile vom 25. Februar 1972, BStBl. II, S.\n550, und vom 31. Juli 1990 I R 116/88, BFHE 162, S. 115, 117 unter 2. b). Sie\nschließt vielmehr eine offenbare Unrichtigkeit aus (BFH-Urteil vom 18. April\n1986 VI R 4/83, BStBl. II, S. 541, 544). \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| 3\\. Da die Klager mit ihrem Klagebegehren unterlegen sind, fallen ihnen\nauch die Verfahrenskosten gemaß § 135 FGO zur Last. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| 4\\. Weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht erfullt sind, war\ndie Revision nicht zuzulassen. Die Entscheidung des Senats orientiert sich an\nder Rechtsprechung des BFH zur Änderung von Bescheiden nach § 129 AO und\nberuht im ubrigen auf der dem Tatrichter obliegenden Feststellung und\nWurdigung tatsachlicher Umstande. \n---\n\n
136,991
olgstut-2007-03-22-1-ws-7807
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
1 Ws 78/07
2007-03-22
2019-01-07 12:04:48
2019-02-12 12:39:10
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag der Anzeigeerstatter auf gerichtliche Entscheidung gegen den\nBeschwerdebescheid der Generalstaatsanwaltschaft Stuttgart vom 15. Februar\n2007 wird als unzulassig\n\n**_verworfen._ **\n\n## Gründe\n\n| | **I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Beschuldigte als beim AG ... tatiger Vollstreckungsrechtspfleger hat das\nZwangsversteigerungsverfahren K. AG ... in das Grundeigentum der\nAnzeigeerstatter geleitet. Im Zwangsversteigerungstermin erschien der\nBevollmachtigte ... der Anzeigeerstatter und ubergab dem Beschuldigten ein\ngegen ihn gerichtetes Gesuch auf Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit,\nwobei er eine ausfuhrliche schriftliche Begrundung nachzubringen versprach. \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Beschuldigte wies den Antrag der Anzeigeerstatter auf einstweilige\nEinstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens (§ 765 a ZPO) zuruck und\nverwarf deren Befangenheitsgesuch als unzulassig, da nur verfahrensfremde\nZwecke, insbesondere eine Verschleppung des Verfahrens verfolgt wurden. Noch\nam selbem Tag erteilte er den Zuschlag an die Sparkasse .... \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Strafanzeige wegen Rechtsbeugung (§ 339 StGB), das Ermittlungsverfahren\nund die darin ergangenen Einstellungsbescheide der Staatsanwaltschaft und der\nGeneralstaatsanwaltschaft befassten sich mit dem Vorwurf, dass der\nBeschuldigte den am 16. April 2004 gestellten Antrag auf einstweilige\nEinstellung des Zwangsversteigerungsverfahrens nach § 765 a ZPO bis zum\nTerminstag am 27. Juni 2006 nicht beschieden habe, obwohl ihm dargelegt worden\nsei, dass wegen der drohenden Zwangsversteigerung bei den Anzeigeerstattern\nSuizidgefahr bestehe. \n--- \n**II.** \n--- \n| 4 \n--- \n| Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nach §§ 171, 172 Abs. 1 bis 3\nStPO nicht zulassig, weil er - wie die Anzeigeerstatter einraumen - auf einen\nSachverhaltsvortrag gegrundet wird, der eine „andere Tatsachengrundlage"\nenthalt, die „mangels Vorbringen bei den Entscheidungen der Staatsanwaltschaft\nund Generalstaatsanwaltschaft nicht berucksichtigt werden" konnte. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Anzeigeerstatter berufen sich zur Begrundung ihres\nRechtsbeugungsvorwurfs im Klageerzwingungsantrag ausschließlich darauf, dass\nder Beschuldigte als Rechtspfleger uber das gegen ihn gerichtete\nBefangenheitsgesuch selbst entschieden habe, obwohl § 10 Satz 2 RPflG\neindeutig anordne, dass uber ein solches Gesuch stets der Richter zu\nentscheiden habe. \n--- \n| 6 \n--- \n| Ein derartiger vollstandiger Austausch der Tatsachengrundlage zwischen\nErmittlungsverfahren und Klageerzwingungsantrag ist nicht zulassig, selbst\nwenn - was hier dahinstehen kann - dieselbe Tat im prozessualem Sinne (§§ 155,\n264 StPO) betroffen sein sollte. Zwar konnen im Klageerzwingungsantrag neue\nTatsachen und Beweismittel vorgebracht werden, die den bisherigen Vorwurf\nerganzen und stutzen (vergleiche Meyer-Goßner, StPO, 49. Auflage, § 172 Rdn.\n31; Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Auflage, § 172 Rdn. 38; Pfeiffer, StPO, 5.\nAuflage, § 172 Rdn. 7). Ein vollstandiger Austausch des den strafrechtlichen\nVorwurf begrundenden Sachverhalts ist jedoch nicht zulassig, weil dadurch der\nvom Gesetz vorgezeichnete dreistufige Aufbau des Verfahrens umgangen wurde.\nDenn erst nachdem die Staatsanwaltschaft der Strafanzeige nach § 152 Abs. 2\nStPO keine Folge gegeben oder das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO\neingestellt hat (erste Stufe) und nachdem die Generalstaatsanwaltschaft die\nhiergegen gerichtete Beschwerde des Anzeigeerstatters zuruckgewiesen hat\n(zweite Stufe), ist der Klageerzwingungsantrag zum Oberlandesgericht als\ndritte Stufe zulassig (vergleiche Meyer-Goßner, StPO, 49. Auflage, § 172 Rdn.\n5 ff.; Karlsruher Kommentar, StPO, 5. Auflage, § 172 Rdn. 2, 3; Pfeiffer,\nStPO, 5. Auflage, § 172 Rdn. 1, 2). Der Klageerzwingungsantrag, der nach dem\nGesetz der Überprufung der Frage dient, ob der Legalitatsgrundsatz im\nErmittlungsverfahren eingehalten wurde (vergleiche Karlsruher Kommentar, StPO,\n5. Auflage, § 172 Rdn. 1; Pfeiffer, StPO, 5. Auflage, § 172 Rdn. 1, jeweils\nmit m.w.N.), verfehlt seinen Zweck, wenn in ihm eine vollig neue\nTatsachengrundlage zur Überprufung des Oberlandesgerichts (§ 172 Abs. 4 Satz 1\nStPO) gestellt wird, die von den staatsanwaltschaftlichen Vorinstanzen noch\nnicht einbezogen und bewertet werden konnte, weil der ursprungliche Vorwurf\nnicht hierauf gegrundet war. \n--- \n| 7 \n--- \n| Der Antrag ist schon aus diesem Grund unzulassig. Auf die Frage der\nwirksamen Vollmachterteilung durch die Anzeigeerstatter kommt es daher nicht\nmehr an. \n---\n\n
137,150
vg-stuttgart-2008-04-18-9-k-380407
160
Verwaltungsgericht Stuttgart
vg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
9 K 3804/07
2008-04-18
2019-01-07 12:06:33
2019-01-17 11:57:18
Urteil
## Tenor\n\nDer Bescheid des Beklagten vom 9.12.2006 und sein Widerspruchsbescheid vom\n21.5.2007 werden aufgehoben.\n\nDer Beklagte wird verpflichtet, uber den Forderungsantrag des Klagers vom\n19.9.2005 fur die Kalenderjahre 2003 bis 2005 unter Beachtung der\nRechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.\n\nDie Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragt der Beklagte.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager, ein eingetragener Verein zur Forderung eines Waldkindergartens,\nbegehrt vom Beklagten die Bewilligung eines Zuschusses fur den Betrieb dieses\nKindergartens in T. in den Kalenderjahren 2003 bis 2005. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der Klager wurde im Jahr 2002 gegrundet. Im Marz 2003 wandte sich ein\nMitglied des Klagers unter anderem an das Kreisjugendamt des Beklagten, um die\nKonzeption des beabsichtigten Waldkindergartens vorzustellen. Im Vordergrund\ndieser Konzeption steht die Erfahrung der Kinder in, um und mit der Natur,\ninsbesondere dem Lebensraum Wald. Dabei soll der Verzicht auf vorgefertigtes\nSpielzeug zur Suchtpravention und der bestandige Aufenthalt im Freien zur\nStarkung des Immunsystems beitragen. Die Eltern der Kindergartenkinder werden\nnicht nur zur Entrichtung eines monatlichen Elternbeitrags verpflichtet,\nsondern verpflichten sich auch, Mitglied im Klager zu werden. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Bei Telefonkontakten in der Folgezeit verwies das Kreisjugendamt auf die\nprimare Zustandigkeit der Gemeinde des beabsichtigten Kindergartenstandorts,\nder Stadt T.. Mit Schreiben vom 2.7.2003 beantragte der Klager beim damaligen\nLandeswohlfahrtsverband (LWV) - Landesjugendamt - eine Betriebserlaubnis fur\nden Kindergarten „Kinderwald", mit Schreiben vom 3.7.2003 beim Kreisjugendamt\ndie Anerkennung als Trager der freien Jugendhilfe. Unter dem 21.7.2003 teilte\ndas Kreisjugendamt dem Klager mit, eine Anerkennung als freier Trager der\nJugendhilfe komme derzeit noch nicht in Betracht. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Nach einem Aktenvermerk uber ein Gesprach zwischen Vertretern des Klagers,\nder Stadt T., des Kreisjugendamts, des LWV und weiterer Behorden am 13.8.2003\nfuhrten die Vertreter des Klagers aus, auf Grund einer Forderung durch das\nArbeitsamt und wegen eines zinsfreien Kredits sei es kein Problem, die\nFinanzierung des Kindergartens in der Anfangsphase zu gewahrleisten.\nGleichwohl forderte das Burgermeisteramt T. die Vorlage eines Finanzplans.\nDieser in der Folge vom Klager vorgelegte Plan wies fur die Kalenderjahre 2003\nund 2004 die Erzielung von Überschussen in Hohe von je ca. 10.000 EUR aus.\nZwar kritisierte der LWV mit Schreiben vom 28.8.2003 das dem Finanzplan\nzugrunde liegende Rechenmodell, kam aber nicht mehr auf die Angelegenheit\nzuruck. Vielmehr erteilte er mit Bescheid vom 1.9.2003 dem Klager eine\nbefristete Erlaubnis zum Betrieb des Waldkindergartens. Am selben Tag wurde\nder Betrieb aufgenommen. Mit Bescheid vom 7.10.2004 hob der LWV die Befristung\nder Betriebserlaubnis auf. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die durch Schreiben vom 20.2.2005 beantragte erneute Anerkennung des Klagers\nals Trager der freien Jugendhilfe erfolgte durch Bescheid des Kreisjugendamts\nvom 7.9.2005. Der Klager begehrte daraufhin mit Schreiben vom 19.9.2005 vom\nBeklagten eine Forderung fur das aktuelle und die zuruckliegenden\nKindergartenjahre. Es entstunden ihm jahrlich etwa 60.000 EUR Personalkosten\nsowie 20.000 EUR Sachkosten. Durch Elternbeitrage wurden 12.000 EUR\neingenommen, so dass ein jahrlicher Abmangel von 68.000 EUR verbleibe.\nDerselbe Forderantrag werde auch bei der Stadt T. gestellt. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Bescheid des Beklagten vom 9.1.2006 wurde eine Zuschussgewahrung fur die\n„Kindergartenjahre" 2003/2004, 2004/2005 und 2005/2006 abgelehnt. Zur\nBegrundung verwies der Beklagte darauf, eine Forderung fur den Zeitraum vor\nder Anerkennung als freier Trager der Jugendhilfe im September 2005 komme\nnicht in Betracht. Zudem seien seit 1.1.2004 durch das Inkrafttreten von § 8\ndes Kindergartengesetzes (KGaG) ausschließlich die Gemeinden, nicht die\nLandkreise fur die Kindergartenforderung zustandig. Fur den Zeitraum vor dem\n1.1.2004 habe die Zustandigkeit der Kommunen zwar nicht kraft Gesetzes, aber\nauf Grund von offentlich-rechtlichen Vertragen zwischen dem M. -Kreis und den\nGemeinden bestanden. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Am 7.2.2006 erhob der Klager Widerspruch. Der Beklagte verkenne, dass die\nForderung die Anerkennung als Trager der freien Jugendhilfe nur in der Regel\nerfordere; hier sei aber ein Ausnahmefall gegeben. Auch die Auffassung des\nBeklagten zur ausschließlichen Forderzustandigkeit der Gemeinden gehe fehl.\nEine Übertragung kraft offentlichrechtlicher Vertrage setze detaillierte\nRegelungen voraus, welche der Beklagte vorzulegen habe, aber offenbar nicht\nvorlegen konne. Und auch das Inkrafttreten des § 8 KGaG zum 1.1.2004 habe zwar\neine Mitwirkung der Gemeinden bei der Forderung begrundet, die Verpflichtung\nder Kreise aber fortbestehen lassen. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit Bescheid vom 21.5.2007 wies der Beklagte den Widerspruch des Klagers\nzuruck. § 74 SGB Abs. 1 Satz 2 SGB VIII verlange fur eine Forderung im\nRegelfall die Anerkennung als Trager der freien Jugendhilfe. Hier sei schon\ndeswegen von einem Regelfall auszugehen, da der Klager vor Aufnahme seiner\nTatigkeit in T. nicht auf dem Gebiet der Jugendhilfe tatig gewesen sei und\ndamit auch nicht Belege fur bisheriges einwandfreies Arbeiten habe erbringen\nkonnen. Die Anerkennung als Trager der freien Jugendhilfe sei zwar vom Klager\nschon fruhzeitig beantragt, mit bestandskraftigem Bescheid vom 21.7.2003\njedoch abgelehnt worden. Hinzu komme, dass fur Anspruche auf\nermessensfehlerfreie Entscheidung uber eine Forderung von Kindergarten ab\n1.1.2004 die Kommunen zustandig seien. Der Klager habe ja auch bei der Stadt\nT. einen Forderantrag gestellt. Schließlich handele es sich beim Kindergarten\ndes Klagers nicht um eine uberortliche Einrichtung, da dort fast\nausschließlich Kinder aus T. betreut wurden. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Am 21.6.2007 hat der Klager Klage erhoben. Zur Begrundung bringt er vor,\ndurch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs sei geklart, dass der\nBeklagte, nicht die Kommunen, im gesamten streitgegenstandlichen Zeitraum fur\ndie Forderung von Kindergarten zustandig gewesen sei. Er besitze einen\nausnahmsweisen Anspruch auf Forderung schon vor seiner Anerkennung als Trager\nder freien Jugendhilfe. Denn mit der Anerkennung sei geklart, dass seine\nTatigkeit von Anfang an auf Dauer ausgelegt und solide sei. Die Verneinung\neines Ausnahmefalls fuhre bei kleinen Fordervereinen dazu, dass die Grundung\neines Kindergartens nahezu unmoglich werde. Die Stadt T. bezuschusse seinen\nKindergarten erst seit September 2006. Die unterschiedlichen\nKostenaufstellungen in verschiedenen Schreiben an Behorden basierten unter\nanderem darauf, dass im Jahr 2003 der tatsachliche Personalaufwand noch nicht\nabsehbar gewesen sei. Nur durch Stundung des Entgelts der Erzieher und durch\neinen zusatzlichen Privatkredit habe bislang die Insolvenz vermieden werden\nkonnen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n| 11 \n--- \n| unter Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 9.1.2006 und seines\nWiderspruchsbescheids vom 21.5.2007 den Beklagten zu verpflichten, uber den\nForderungsantrag des Klagers vom 19.9.2005 fur die Kalenderjahre 2003 bis 2005\nunter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 13 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Er verweist darauf, es sei kein Grund ersichtlich, weshalb der Klager schon\nvor dem 7.9.2005, dem Tag der Anerkennung als Trager der freien Jugendhilfe,\neinen Forderungsanspruch besitze. Denn ein sorgfaltiger Umgang mit\nFordermitteln gebiete es, dass sich ein unbekannter Trager durch gute und\nkontinuierliche Arbeit erst etablieren musse, dann als Trager der freien\nJugendhilfe anerkannt werde und erst danach gefordert werden konne. Auch aus\ndem Kindergartengesetz Baden-Wurttemberg bzw. dem nachfolgenden\nKindertagesbetreuungsgesetz sowie der ab 1.1.2007 geltenden\nVerwaltungsvorschrift zur Forderung der Kleinkindbetreuung lasse sich\nentnehmen, dass der Beginn der Forderung die Anerkennung als freier Trager\nvoraussetze. \n--- \n| 15 \n--- \n| Bis zum September 2005 habe es auch an den Voraussetzungen des § 74 Abs. 1\nSatz 1 Nrn. 1 bis 5 SGB VIII gefehlt. Denn die Grunder und Betreiber des\nWaldkindergartens hatten keinerlei Erfahrung als selbstandige\nKindergartenbetreiber vorweisen konnen. \n--- \n| 16 \n--- \n| In den Jahren 2003 bis 2005 habe es eine kreisweite Überkapazitat an\nKindergartenplatzen gegeben. Eine Anfrage an den Klager im Sinne des § 74 Abs.\n2 Satz 1 SGB VIII sei deswegen nicht erfolgt. Aus diesem Grunde bestehe auch\nkein Bedarf fur die Einrichtung des Klagers, auch nicht in padagogischer\nHinsicht. Viele Kindergarten im Landkreis wurden namlich Waldtage oder\nWaldwochen anbieten. \n--- \n| 17 \n--- \n| Hinzu komme, dass die damaligen Vorstandsmitglieder dem Landkreis vor\nAufnahme des Kindergartenbetriebs versichert hatten, in den Anfangsjahren\nkeine Forderung zu benotigen, wofur Zeugen benannt werden konnten. Das komme\neinem Verzicht auf Forderungsanspruche gleich. Ware der tatsachliche\nFinanzierungsbedarf offen gelegt worden, hatte zum einen die Stadt T. das\nKindergartengrundstuck nicht zur Verfugung gestellt und zum anderen das\nLandesjugendamt nach § 45 SGB VIII i.V.m. § 22 LKJHG die Betriebserlaubnis\nverweigern mussen. Denn bei ungesicherter Finanzierung bestehe keine\ndauerhafte Betreuungsmoglichkeit und sei deswegen das Kindeswohl gefahrdet. \n--- \n| 18 \n--- \n| Eine Forderung durch den Landkreis scheide auch deswegen aus, weil es sich\nbeim Kindergarten des Klagers auf Grund der Zusammensetzung der Gruppe (nahezu\nausschließlich Kinder aus T.) nur um eine ortliche Einrichtung handele. Zudem\nfehle jeder Beleg fur die Entstehung eines Abmangels. Der behauptete Abmangel\nin einer Großenordnung von 68.000 EUR jahrlich widerspreche nicht nur dem\nFinanzplan des Klagers aus dem Jahr 2003, sondern auch einer Aufstellung des\nKlagers gegenuber der Gemeinde K. fur das Kindergartenjahr 2007/2008. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Im Termin zur mundlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihr Vorbringen\nvertieft. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug\ngenommen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der\nGerichtsakten und der dem Gericht vorliegenden Akten des Beklagten Bezug\ngenommen. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 20 \n--- \n| Die zulassige Bescheidungsklage ist begrundet. Der Klager besitzt aus § 74\nAbs. 3 SGB VIII einen Anspruch darauf, dass der Beklagte uber seinen\nForderantrag vom 19.9.2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts\nerneut entscheidet (§ 113 Abs 5 Satz 2 VwGO). In Bescheid und\nWiderspruchsbescheid des Beklagten wurde zu Unrecht kein Ermessen ausgeubt;\ndaher sind beide aufzuheben. Denn der Beklagte war uber den gesamten\nbeantragten Zeitraum hinweg fur die Forderung der Einrichtung des Klagers\nzustandig (dazu I.). Ein wirksamer Verzicht des Klagers auf die Forderung ist\nnicht erkennbar (dazu II.). Die grundlegenden Fordervoraussetzungen des § 74\nAbs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VIII liegen vor (dazu III.). Auch sind die\nungeschriebenen Fordervoraussetzungen des Bedarfs fur die Einrichtung des\nKlagers und der Moglichkeit der Entstehung eines Abmangels gegeben (dazu IV.)\nSchließlich steht das Regelerfordernis der Anerkennung des Tragers nach § 74\nAbs. 1 Satz 2 SGB VIII einem Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung\nnicht entgegen (dazu V). \n--- \n--- \n**I.** \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Beklagte war vom 1.9.2003 bis zum 31.12.2005 fur die Forderung der\nEinrichtung des Klagers zustandig . \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Gemaß § 3 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII richten sich Leistungsverpflichtungen, die\ndurch das SGB VIII begrundet werden, gegen die Trager der offentlichen\nJugendhilfe. Soweit § 74 SGB VIII mithin Leistungsanspruche von Tragern der\nfreien Jugendhilfe begrundet, konnen sich diese nur gegen einen Trager der\noffentlichen Jugendhilfe richten (BVerwG, Urt. v. 25.4.2002, BVerwGE 116,\n227). Trager der offentlichen Jugendhilfe sind gemaß § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB\nVIII in allen von September 2003 bis Dezember 2005 geltenden Fassungen die\nortlichen und die uberortlichen Trager, wobei das Landesrecht gemaß § 69 Abs.\n1 Satz 3 SGB VIII bestimmt, wer uberortlicher Trager der Jugendhilfe ist. Nach\n§ 69 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII sind die Kreise und kreisfreien Stadte ortliche\nTrager der offentlichen Jugendhilfe, somit auch der Beklagte. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Seine Zustandigkeit ist im gesamten beantragten Zeitraum nicht durch eine\nausschließliche Zustandigkeit der Stadt T. abgelost worden. War somit auch der\nBeklagte im gesamten Antragszeitraum fur die Forderung von Kindergarten freier\nTrager zustandig, kann es nicht maßgeblich darauf ankommen, dass die\nEinrichtung des Klagers, wiewohl uberortlich ausgelegt, fast ausschließlich\nvon Kindern der Standortgemeinde genutzt wird, also faktisch ortlichen\nCharakter besitzt. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| 1\\. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Wurttemberg ist\nnamlich geklart, dass der Beklagte kraft Gesetzes fur die Kalenderjahre 2003\nund 2004 zur Forderung zustandig war (vgl. Urt. v. 18.12.2006, VBlBW 2007,\n294). Insbesondere hat sich der Verwaltungsgerichtshof der Argumentation des\nBeklagten und anderer Landkreise, durch das Inkrafttreten von § 8 Abs. 1 des\nKGaG zum 1.1.2004 sei die ausschließliche Forderzustandigkeit auf die\nGemeinden ubertragen worden, nicht angeschlossen. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Zwar lasst § 69 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII i.V.m. § 6 LKHJG eine Übertragung\neinzelner Aufgaben der Jugendhilfe durch offentlich-rechtlichen Vertrag auf\ndie Gemeinden zu und hat der Beklagte mit der Stadt T. am 5.3.1999 einen\noffentlich-rechtlichen Vertrag (vgl. /328 der Akten des Beklagten)\nabgeschlossen. Dieser betrifft aber seinem Wortlaut nach nur die Aufgabe „der\nBewilligung und Auszahlung von Landeszuschussen nach § 8 Abs. 6\nKindergartengesetz" und gerade nicht den gesamten Bereich der\nKindergartenforderung. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| 2\\. Nichts anderes gilt fur das Kalenderjahr 2005 . Denn entgegen der\nAnsicht des Beklagten war im Jahr 2005 in Baden-Wurttemberg eine eindeutige\nausschließliche Zuweisung der Forderzustandigkeit an die Gemeinden noch nicht\nerfolgt. Zwar haben sich zum 1.1.2005 oder jedenfalls im Laufe des Jahres 2005\nfolgende Vorschriften geandert: Im Bundesrecht wurde in § 69 SGB VIII in der\nbis 31.12.2004 geltenden Fassung durch das „TAG" (Gesetz vom 27.12.2004, BGBl.\nI, S. 3852) zum 1.1.2005 ein neuer Absatz 5, der zunachst nur aus einem Satz\nbestand, eingefugt, wonach Landesrecht bestimmen kann, dass kreisangehorige\nGemeinden, die nicht ortlicher Trager sind, zur Durchfuhrung von Aufgaben der\nForderung von Kindern in Tageseinrichtungen herangezogen werden konnen. Zum\n1.10.2005 wurde dieser Absatz 5 durch das „KICK" (Gesetz vom 8.9.2005, BGBl.\nI, S. 2729; vgl. auch BT-Drs. 15/5616, S. 11) um zwei Satze erweitert: „Das\nWunsch- und Wahlrecht der Eltern nach § 5 bleibt unberuhrt. Fur die Aufnahme\ngemeindefremder Kinder ist ein angemessener Kostenausgleich sicherzustellen."\nZudem wurde bereits zum 1.1.2005 die neue Bestimmung des § 74a SGB in das SGB\nVIII eingefugt (ebenfalls durch das „TAG"). Nach Satz 1 dieser Bestimmung\nregelt die Finanzierung von Tagesseinrichtungen das Landesrecht. Im\nLandesrecht anderte sich durch die Bekanntmachung der Neufassung des Kinder-\nund Jugendhilfegesetzes fur Baden-Wurttemberg (LKJHG vom 14.5.2005, GBl. S.\n376) die Fassung der §§ 5 und 6, welche die Aufgaben der Kommunen regeln,\njedoch nicht. Auch § 8 des Gesetzes uber die Betreuung und Forderung von\nKindern in Kindergarten (KiTaG) anderte sich im Laufe des Jahres 2005 nicht,\nsondern erst zum 1.1.2006 (vgl. G. v. 14.2.2006, GBl. S. 30). Selbst wenn §\n74a SGB VIII fur die Forderung von Tageseinrichtungen fur Kinder § 74 SGB VIII\nvollstandig ersetzen sollte, bedarf diese neue Norm einer landesrechtlichen\nAusfullung. Diese ist aber - was die Forderzustandigkeit der Kommunen betrifft\n- in Baden-Wurttemberg erst zum 1.1.2006 in Kraft getreten und kann daher die\nForderzustandigkeit des Beklagten fur das Kalenderjahr 2005 nicht beeinflussen\n(so auch VG Karlsruhe, Urt. v. 7.5.2007 - 8 K 2294/05 -; VG Stuttgart, Urt. v.\n27.7.2007 - 9 K 4264/06 -; Wabnitz, Der Rechtsanspruch von Tragern der freien\nJugendhilfe auf Forderung nach § 74 Abs. 1 SGB VIII, ZKJ 2007, 189, 191;\nahnlich fur die Rechtslage in Rheinland-Pfalz OVG RP, 24.1.2008 - 7 A 10974/07\n- <juris>). \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Klager hat nicht auf die Forderung durch den Beklagten im\nAntragszeitraum verzichtet . \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Zwar mag Manches dafur sprechen, dass der Klager sich in der Grundungsphase\nhinsichtlich seiner Angaben zum prognostizierten Finanzbedarf nicht korrekt\nverhalten hat. Ein wirksamer Verzicht auf Forderung im Antragszeitraum ist\ndurch dieses Verhalten jedoch nicht begrundet worden. Dabei kann offen\nbleiben, ob fur die Frage der Wirksamkeit des Verzichts die Vorschrift des §\n46 Abs. 1 SGB I Anwendung findet, wogegen manches spricht (so auch VG\nStuttgart, Urt. v. 29.6.2007 - 9 K 2361/06 -). Immerhin ware dann eine analoge\nAnwendung zu erwagen (vgl. nochmals VG Stuttgart, a.a.O.), was dazu fuhren\nwurde, dass es im vorliegenden Fall an der notwendigen Schriftform fehlte.\nSelbst wenn man sogar die Schriftform fur entbehrlich halten sollte, bedurfte\nes jedoch wegen der erheblichen Folgen fur den Betroffenen zumindest eines\nhinreichend bestimmten Verzichts einschließlich eines bestimmten Zeitraums.\nJedenfalls daran fehlt es vorliegend. Auch der Beklagte behauptet namlich\nnicht, dass der Klager ohne zeitliche Einschrankung auf eine Forderung\nverzichtet habe. Er hat in der mundlichen Verhandlung ausgefuhrt, ein Verzicht\ndurfte fur die ersten drei Jahre geaußert worden sein. Das stimmt aber mit den\nmaßgeblichen schriftlichen Stellungnahmen der Klagerseite vor Beginn des\nKindergartenbetriebs nicht uberein. So umfasst der klagerische Finanzplan vom\nAugust 2003 gerade keine drei Jahre, sondern nur 15 Monate (September 2003 bis\nEnde 2004). Und im Schreiben an den damaligen Landrat vom 3.7.2003, auf das\nsich der Beklagte beruft, hatte der Klager sogar ausgefuhrt „da wir als\nKindergarten eine finanzielle Bezuschussung benotigen, … Fakt ist, dass die\nEinrichtung einen sehr geringen Kostenaufwand birgt". Weichen somit Vortrag\ndes Beklagten und die Aktenlage zur Frage eines hinreichend bestimmten\nVerzichtszeitraums erheblich voneinander ab, besteht kein Anlass, die vom\nBeklagten angebotenen Zeugen fur mundliche Äußerungen der Vertreter des\nKlagers in der Phase vor Aufnahme des Kindergartenbetriebes zu vernehmen. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n| 29 \n--- \n| Die grundlegenden Fordervoraussetzungen des § 74 Abs. 2 Satz 1 u. Abs. 1\nSatz 1 SGB VIII lagen im beantragten Zeitraum vor. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Nach § 74 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII kann die Forderung freier Trager von deren\nBereitschaft abhangig gemacht werden, ihre Einrichtung nach Maßgabe der\nJugendhilfeplanung anzubieten. Der Beklagte hat angegeben, dass er eine solche\nErklarung vom Klager schon nicht verlangt hat. \n--- \n| 31 \n--- \n| Gemaß 74 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII muss der Trager der freien Jugendhilfe die\nfachlichen Voraussetzungen fur die geplante Maßnahme besitzen (Nr. 1), die\nGewahr fur die zweckentsprechende und wirtschaftliche Mittelverwendung bieten\n(Nr. 2), gemeinnutzige Zwecke verfolgen (Nr. 3), eine angemessene\nEigenleistung erbringen (Nr. 4) und die Gewahr fur eine den Zielen des\nGrundgesetzes forderliche Arbeit bieten (Nr. 5). Der Beklagte hat zwar -\nerstmals zwei Tage vor der mundlichen Verhandlung und nur auf Anfrage des\nBerichterstatters - die Voraussetzungen „des § 74 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 - 5 SGB\nVIII" bestritten. Zur Begrundung wurde darauf verwiesen, dass die beiden\nGrunder des Klagers dem Beklagten unbekannt gewesen waren und keine Referenzen\nvorweisen konnten. Damit ist allerdings nur dargetan, dass dem Beklagten bei\nAufnahme des Kindergartenbetriebs des Klagers eine Beurteilung z.B. der\nfachlichen Voraussetzungen des Klagers noch nicht moglich war. Dagegen ist\nnoch nicht einmal behauptet worden, dass erst am Tag der Anerkennung des\nKlagers als Trager der freien Jugendhilfe, dem 7.9.2005, die fachlichen und\nubrigen Voraussetzungen vorgelegen hatten. Dies ware auch verwunderlich, da §\n75 Abs. 1 SGB VIII fur die Anerkennung als freier Trager teilweise noch\nweitergehende Anforderungen als § 74 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII stellt. So\nverlangt insbesondere Nr. 3 des § 75 Abs. 1 SGB VIII, dass der Trager auf\nGrund seiner sachlichen und personellen Voraussetzungen erwarten lasst, dass\ner einen „nicht unwesentlichen Beitrag zur Erfullung der Aufgaben der\nJugendhilfe zu leisten" imstande ist. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Daraus folgt, dass aus der Versagung der Anerkennung des Klagers als Trager\nder freien Jugendhilfe im Sommer 2003 nicht gefolgert werden kann, dass damit\nzugleich bestandskraftig festgestellt worden ist, die Voraussetzungen des § 74\nAbs. 1 Satz 1 SGB VIII hatten nicht vorgelegen. Vielmehr durften die\nVoraussetzungen des § 74 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII regelmaßig zu einem Zeitpunkt\n(erheblich) vor der Anerkennung als Trager der freien Jugendhilfe vorliegen.\nWann dies der Fall gewesen sein soll, ist vom Beklagten nicht dargelegt\nworden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen von Anfang an\nvorgelegen haben, was sich erst spater feststellen ließ. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Rechtsfolge des § 74 Abs. 1 Satz 1 ist allerdings (nur) die Sollforderung.Es\nmuss also auch atypische Ausnahmefalle geben, in denen kein Forderanspruch\nbesteht. Die hier vom Beklagten geltend gemachten Umstande betreffen jedoch\nnicht einen generellen Ausschluss des Klagers von der Forderung, sondern nur\nfur einen bestimmten Zeitraum, namlich den vor der Anerkennung des Tragers.\nDaher sind sie im Rahmen der Atypik des § 74 Abs. 1 Satz 2 AufenthG\n(nachfolgend V.) zu prufen. \n--- \n--- \n**IV.** \n--- \n| 34 \n--- \n| Auch die ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzungen des Bedarfs fur die\nEinrichtung des Klagers und der Moglichkeit der Entstehung eines Abmangels bei\nihrem Betrieb liegen vor. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| 1\\. Fur die Einrichtung des Klagers besteht ein Bedarf im Sinne des SGB\nVIII. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Aus der Pflicht zum verantwortungsvollen Umfang mit Steuermitteln folgt die\nPflicht des Beklagten, keine Einrichtungen zu fordern, fur die kein Bedarf\nbesteht. Daher pruft auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg in\nseiner Grundsatzentscheidung vom 18.12.2006 (a.a.O.) den Bedarf fur die dort\nim Streit befindliche Einrichtung. Allerdings kann nach seiner Rechtsprechung\nund der des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. dazu Urt. v. 25.11.2004, NVwZ\n2005, 825) der „Bedarf" im Sinne des SGB VIII nicht nur in quantitativer\nHinsicht durch einen Vergleich der im Kreisgebiet vorhandenen\nKindergartenplatze und der Anzahl der in Frage kommenden Kinder zwischen der\nVollendung des 3. Lebensjahres und dem Einschulungsalter bestimmt werden. Dass\neine solche Bedarfsbestimmung fur den Beklagten, der zusammen mit den Kommunen\nin den vergangenen Jahren in die bisherigen Kindergartenstrukturen investiert\nhat und in dessen Gebiet derzeit ein Überangebot an Platzen besteht,\nwunschenswert ware, steht außer Frage. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Maßgeblich fur die Jugendhilfeplanung im Sinne von § 74 Abs. 2 Satz 1 SGB\nVIII ist aber nach der obergerichtlichen Rechtsprechung der in quantitativer\n_und_ qualitativer Hinsicht bestehende Bedarf, der sich insbesondere auch an\nden Erfordernissen der §§ 3 bis 5 SGB VIII auszurichten hat. Nach § 3 Abs. 1\nSGB VIII wird die Jugendhilfe gepragt durch die Vielfalt von Tragern\nunterschiedlicher Wertorientierungen und die Vielfalt von Inhalten, Methoden\nund Arbeitsformen. § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII normiert ein Wunsch- und\nWahlrecht der Leistungsberechtigten, auf das § 69 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII n.F.\ngerade bei der Kindergartenforderung nochmals besonders hinweist. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Zwar wird im Unterschied zum Waldorfkindergarten, welcher der Entscheidung\ndes Verwaltungsgerichtshofs vom 18.12.2006 zugrunde lag, nicht behauptet\nwerden konnen, der Klager befriedige einen Bedarf nach anderweitiger\n(weltanschaulicher) Wertorientierung neben den vorhandenen kommunalen und\nkirchlichen Kindergarten. Doch bietet er eine deutlich abgrenzbare Methodik\nund Arbeitsform der Kindererziehung an, die im Übrigen bundesweit in uber 300\nKindergarten bereits praktiziert wird (vgl. www.waldkinder.de). Zwei der\nwesentlichen Ziele der Konzeption des Kindergartens des Klagers, durch\nVerzicht auf vorgefertigtes Spielzeug zur Suchtpravention und durch den\nstandigen Aufenthalt im Freien zur Starkung des Immunsystems beizutragen,\nkonnen durch Waldtage oder Waldwochen in herkommlichen Kindergartenformen\nnicht erreicht werden. Dass Waldkindergartenplatze in der Nahe des Standorts\ndes Klagers in ausreichender Zahl zur Verfugung stehen, behauptet auch der\nBeklagte nicht. Schließlich ist die Nachfrage nach der Einrichtung des Klagers\nabgesehen von der Startphase im Wesentlichen stabil geblieben. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| 2\\. Die Moglichkeit des Entstehens eines Abmangels beim Betrieb der\nEinrichtung des Klagers liegt auf der Hand. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Ein Anspruch auf Forderung dem Grunde nach setzt keinen genau bezifferten\nAbmangel voraus. Es muss nur moglich sein, dass ein Abmangel entstanden ist.\nEin Forderanspruch dem Grunde nach scheidet nur dann aus, wenn eine\nEinrichtung eindeutig mit Überschussen arbeitet. Zwar mag Manches dafur\nsprechen, dass bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise ein\n„Abmangel" bislang nicht entstanden sein durfte, da es dem Klager durch\nStundung der Erwerbseinkommen der Erzieher und Aufnahme eines Privatdarlehens\ngelungen ist, ausbleibende Fordermittel des Beklagten zu kompensieren. § 74\nAbs. 1 bis 3 SGB VIII gestaltet die Forderung der Trager der freien\nJugendhilfe jedoch nicht als Forderung zur Überwindung aktueller Notlagen aus,\nwas die Darlegung eines Scheiterns des Betriebs der Einrichtung auch bei nur\nkurzfristigem Ausbleiben der Forderung des Beklagten voraussetzen wurde.\nVielmehr geht der Forderanspruch der Trager der freien Jugendhilfe daruber\nhinaus. Werden Eigenleistungen der Trager uber das in § 74 Absatz 1 Satz 1 Nr.\n4 SGB VIII genannte Maß hinaus erbracht, gerade um eine beantragte aber\nausgebliebene Forderung durch den Beklagten zu kompensieren, kann dies nicht\nzum Verlust der Forderbedurftigkeit fuhren. \n--- \n--- \n**V.** \n--- \n| 41 \n--- \n| Schließlich steht auch das Regelerfordernis des § 74 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII\naus den besonderen Umstanden des Einzelfalls einer Forderung des Klagers fur\nZeitraume vor seiner Anerkennung als freier Trager nicht entgegen. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Der Klager begehrt fraglos eine auf Dauer angelegte Forderung. Daher muss\nnach § 74 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII regelmaßig seine Anerkennung als Trager der\nfreien Jugendhilfe erfolgt sein. Diese ist seit 7.9.2005 erfolgt. Es erscheint\nschon fraglich, ob der Wortlaut der genannten Bestimmung die ruckwirkende\nForderung von Zeitraumen, die vor der Anerkennung liegen, ausschließen will\n(dazu 1.). Jedenfalls ist aber eine solche ruckwirkende Forderung in\nAusnahmefallen moglich (dazu 2.). Ein solcher lasst sich hier trotz des\nVerhaltens des Klagers bejahen (dazu 3.). Allerdings gilt dies nur fur einen\nAnspruch dem Grunde nach (dazu 4.). \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| 1\\. Nach dem Wortlaut von § 74 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII erscheint schon\nfraglich, ob die Anerkennung dem Beginn des Forderzeitraums vorausgehen muss. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Auch den Gesetzesmaterialien lasst sich dies nicht eindeutig entnehmen. § 9\nAbs. 1 des alten JWG lautete: „Trager der freien Jugendhilfe durfen nur\nunterstutzt werden, wenn sie … offentlich anerkannt sind". Im Gesetzentwurf\nzur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts vom 1.12.1989 (BT-Drs.\n11/5948, S. 22 f. u. 97 f.) wollte der Gesetzgeber auf einen Bezug zur\nAnerkennung des Tragers vollstandig verzichten. Zur Begrundung wurde gerade\nauf die Chancen fur ortliche Initiativen, Selbsthilfegruppen und\nModellprojekte neuer Trager verwiesen. Im Gesetzgebungsverfahren konnte sich\ndieser Ansatz in Reinform allerdings nicht durchsetzen. Stattdessen wurde im\ndamaligen § 66 Abs. 1 KJHG ein neuer Satz 2 mit der heutigen Formulierung\neingefugt: „Eine auf Dauer angelegte Forderung setzt in der Regel die\nAnerkennung als Trager…." Zur Begrundung (vgl. BT-Drs. 11/6748, S. 82) wurde\nausgefuhrt: „Durch die Verknupfung der Forderung mit der Anerkennung … wird\nsichergestellt, dass eine auf langere Zeit angelegte Forderung grundsatzlich\nnur Tragern zugute kommt, die die Gewahrung von Kontinuitat bieten". Dies\nkonnte dafur sprechen, dass dem Gesetzgeber vor allem an der Verhinderung der\numgekehrten Situation gelegen war, namlich der Aufnahme einer Forderung und\nihrer jahrelangen Fortsetzung, ohne dass der Geforderte die Anerkennung nach §\n75 SGB VIII erreichen kann. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| 2\\. Dies kann jedoch dahinstehen. Denn selbst wenn man der Auffassung des\nBeklagten folgt, sind nach dem Wortlaut der Bestimmung und ihrer\nGesetzgebungsgeschichte Ausnahmefalle denkbar, bei deren Vorliegen Zeitraume,\ndie vor der Anerkennung liegen, gefordert werden konnen (so wohl auch\nKunkel/Steffan in: LPK-SGB VIII, 3. Aufl., § 74 Rn. 15; Schellhorn, Komm. z.\nSGB VIII, 2. Aufl., § 74 Rn. 11; Krug/Riehle, Komm. zum SGB VIII, Stand\n1.1.2008, § 74 S. 14). Zu den in den Gesetzesmaterialien und Kommentierungen\ngenannten Ausnahmen gehort - mit vielfaltigen Nuancen - die Grundung eines\nneuen Tragers (mit kleinem Forderverein), da dieser anderenfalls die Grundung\neiner Einrichtung, fur die jugendhilferechtlicher Bedarf besteht, kaum\nerreichen konnte. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Ist bundesrechtlich somit im vorliegenden Fall ausnahmsweise eine Forderung\nvon Zeitraumen vor der Anerkennung moglich, konnen landesrechtliche\nVorschriften, die strikter formuliert sind, dem nicht entgegenstehen, da sie\ninsoweit bundesrechtswidrig sind. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| 3\\. Allerdings durfte es zulassig sein, in die Beurteilung des Vorliegens\neines Ausnahmefalls auch weitere Umstande einfließen zu lassen, etwa das\nVerhalten des Klagers in der Grundungsphase. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Wie bereits dargelegt, haben die damaligen Verantwortlichen des Klagers\nmoglicherweise in vorwerfbarer Weise uber den Finanzbedarf zu tauschen\nversucht, was aber keiner endgultigen Entscheidung bedarf. Denn aus den\nbesonderen Umstanden des Einzelfalles wurde selbst ein unterstellter\nvorsatzlicher Tauschungsversuch hier nicht zu einer Verneinung der Atypik\nfuhren. Die damals maßgeblichen Behorden haben namlich die fehlerhafte\nFinanzplanung sogleich durchschaut und gleichwohl daraus keinerlei\nKonsequenzen in Hinblick auf die Ermoglichung der Aufnahme des Betriebs des\nKindergartens des Klagers gezogen: \n--- \n| 49 \n--- \n| Der Vertreter des damaligen LWV - Landesjugendamt - schrieb am 28.8.2003 an\nden Klager. „… Ihren Finanzplan habe ich erhalten. Gestatten Sie mir, dass ich\nSie darauf hinweise, dass es unmoglich ist, einen Kreditbetrag als Überschuss\nauszuweisen. Mussen Sie keine Pacht fur das Waldgrundstuck bezahlen? Ich raten\nIhnen dringend, einen in Finanzangelegenheiten erfahrenen Menschen zu suchen\n…". Gleichwohl erteilte der LWV wenige Tage spater die (befristete)\nBetriebserlaubnis und kam auf den Finanzplan nicht mehr zuruck. Die Stadt T.\nerteilte die Zustimmung zur privatrechtlichen Nutzung des Waldgrundstucks am\n26.8.2003, obgleich sie in diesem Schreiben darauf hinwies, „der Betrieb Ihrer\nEinrichtung ist fur die Zeit vom 1.9.2003 bis 31.12.2005 nicht solide\nfinanziert und bereits vom Tag der Inbetriebnahme defizitar. Die kalkulierten\nEinnahmen sind zum Teil kreditfinanziert, ohne dass Zins und Tilgung\nvorgesehen sind. Die Ausgaben im Bereich der Lohnkosten sind nicht\nmarktgerecht." \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| 4\\. Allerdings besteht auf Grund dessen nur ein Anspruch des Klagers auf\nForderung von Zeitraumen vor seiner Anerkennung dem Grunde nach . Bei der\nBemessung der Hohe der Forderung im Zeitraum vor der Anerkennung wird dem\nBeklagten voraussichtlich eine spurbare Herabstufung der Forderhohe gegenuber\njener im Zeitraum nach der Anerkennung zuzubilligen sein. Denn erst wenn die\nAnerkennung des zu Fordernden absehbar ist, hat der Beklagte Anlass, die\nKurzung von Fordermitteln bei anderen Einrichtungen, die auf Grund des Besuchs\nder Einrichtung des Klagers deutlich weniger ausgelastet sind, zu erwagen und\ndamit sein Gesamtforderkonzept zu uberdenken. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Da der Beklagte unterliegt, hat er die Kosten des nach § 188 Satz 2 1. HS\nVwGO gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| **Beschluss vom 24. April 2008** \n--- \n| 53 \n--- \n| Der Gegenstandswert ist vom Einzelrichter (§ 33 Abs. 8 Satz 1 RVG) auf\nAntrag des Bevollmachtigten des Klagers und nach Anhorung des Beklagten nach\n§§ 33 Abs. 1 u. 23 Abs. 3 Satz 2 1. Alt. RVG auf \n--- \n| 54 \n--- \n| **79.000.- EUR** \n--- \n| 55 \n--- \n| festzusetzen und nach der Bedeutung der Sache fur den Klager bemessen,\nwelche sich nach standiger Rechtsprechung der Mitglieder Kammer (vgl. mit\nausfuhrlicher Begrundung etwa Beschl. v. 24.7.2007 - 9 K 4499/06 -) am\n(gerundeten) halftigen von Klager behaupteten Abmangel fur den gesamten\nstreitgegenstandlichen Zeitraum zu orientieren hat. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 20 \n--- \n| Die zulassige Bescheidungsklage ist begrundet. Der Klager besitzt aus § 74\nAbs. 3 SGB VIII einen Anspruch darauf, dass der Beklagte uber seinen\nForderantrag vom 19.9.2005 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts\nerneut entscheidet (§ 113 Abs 5 Satz 2 VwGO). In Bescheid und\nWiderspruchsbescheid des Beklagten wurde zu Unrecht kein Ermessen ausgeubt;\ndaher sind beide aufzuheben. Denn der Beklagte war uber den gesamten\nbeantragten Zeitraum hinweg fur die Forderung der Einrichtung des Klagers\nzustandig (dazu I.). Ein wirksamer Verzicht des Klagers auf die Forderung ist\nnicht erkennbar (dazu II.). Die grundlegenden Fordervoraussetzungen des § 74\nAbs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 SGB VIII liegen vor (dazu III.). Auch sind die\nungeschriebenen Fordervoraussetzungen des Bedarfs fur die Einrichtung des\nKlagers und der Moglichkeit der Entstehung eines Abmangels gegeben (dazu IV.)\nSchließlich steht das Regelerfordernis der Anerkennung des Tragers nach § 74\nAbs. 1 Satz 2 SGB VIII einem Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung\nnicht entgegen (dazu V). \n--- \n--- \n**I.** \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Beklagte war vom 1.9.2003 bis zum 31.12.2005 fur die Forderung der\nEinrichtung des Klagers zustandig . \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Gemaß § 3 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII richten sich Leistungsverpflichtungen, die\ndurch das SGB VIII begrundet werden, gegen die Trager der offentlichen\nJugendhilfe. Soweit § 74 SGB VIII mithin Leistungsanspruche von Tragern der\nfreien Jugendhilfe begrundet, konnen sich diese nur gegen einen Trager der\noffentlichen Jugendhilfe richten (BVerwG, Urt. v. 25.4.2002, BVerwGE 116,\n227). Trager der offentlichen Jugendhilfe sind gemaß § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB\nVIII in allen von September 2003 bis Dezember 2005 geltenden Fassungen die\nortlichen und die uberortlichen Trager, wobei das Landesrecht gemaß § 69 Abs.\n1 Satz 3 SGB VIII bestimmt, wer uberortlicher Trager der Jugendhilfe ist. Nach\n§ 69 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII sind die Kreise und kreisfreien Stadte ortliche\nTrager der offentlichen Jugendhilfe, somit auch der Beklagte. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Seine Zustandigkeit ist im gesamten beantragten Zeitraum nicht durch eine\nausschließliche Zustandigkeit der Stadt T. abgelost worden. War somit auch der\nBeklagte im gesamten Antragszeitraum fur die Forderung von Kindergarten freier\nTrager zustandig, kann es nicht maßgeblich darauf ankommen, dass die\nEinrichtung des Klagers, wiewohl uberortlich ausgelegt, fast ausschließlich\nvon Kindern der Standortgemeinde genutzt wird, also faktisch ortlichen\nCharakter besitzt. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| 1\\. In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Wurttemberg ist\nnamlich geklart, dass der Beklagte kraft Gesetzes fur die Kalenderjahre 2003\nund 2004 zur Forderung zustandig war (vgl. Urt. v. 18.12.2006, VBlBW 2007,\n294). Insbesondere hat sich der Verwaltungsgerichtshof der Argumentation des\nBeklagten und anderer Landkreise, durch das Inkrafttreten von § 8 Abs. 1 des\nKGaG zum 1.1.2004 sei die ausschließliche Forderzustandigkeit auf die\nGemeinden ubertragen worden, nicht angeschlossen. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Zwar lasst § 69 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII i.V.m. § 6 LKHJG eine Übertragung\neinzelner Aufgaben der Jugendhilfe durch offentlich-rechtlichen Vertrag auf\ndie Gemeinden zu und hat der Beklagte mit der Stadt T. am 5.3.1999 einen\noffentlich-rechtlichen Vertrag (vgl. /328 der Akten des Beklagten)\nabgeschlossen. Dieser betrifft aber seinem Wortlaut nach nur die Aufgabe „der\nBewilligung und Auszahlung von Landeszuschussen nach § 8 Abs. 6\nKindergartengesetz" und gerade nicht den gesamten Bereich der\nKindergartenforderung. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| 2\\. Nichts anderes gilt fur das Kalenderjahr 2005 . Denn entgegen der\nAnsicht des Beklagten war im Jahr 2005 in Baden-Wurttemberg eine eindeutige\nausschließliche Zuweisung der Forderzustandigkeit an die Gemeinden noch nicht\nerfolgt. Zwar haben sich zum 1.1.2005 oder jedenfalls im Laufe des Jahres 2005\nfolgende Vorschriften geandert: Im Bundesrecht wurde in § 69 SGB VIII in der\nbis 31.12.2004 geltenden Fassung durch das „TAG" (Gesetz vom 27.12.2004, BGBl.\nI, S. 3852) zum 1.1.2005 ein neuer Absatz 5, der zunachst nur aus einem Satz\nbestand, eingefugt, wonach Landesrecht bestimmen kann, dass kreisangehorige\nGemeinden, die nicht ortlicher Trager sind, zur Durchfuhrung von Aufgaben der\nForderung von Kindern in Tageseinrichtungen herangezogen werden konnen. Zum\n1.10.2005 wurde dieser Absatz 5 durch das „KICK" (Gesetz vom 8.9.2005, BGBl.\nI, S. 2729; vgl. auch BT-Drs. 15/5616, S. 11) um zwei Satze erweitert: „Das\nWunsch- und Wahlrecht der Eltern nach § 5 bleibt unberuhrt. Fur die Aufnahme\ngemeindefremder Kinder ist ein angemessener Kostenausgleich sicherzustellen."\nZudem wurde bereits zum 1.1.2005 die neue Bestimmung des § 74a SGB in das SGB\nVIII eingefugt (ebenfalls durch das „TAG"). Nach Satz 1 dieser Bestimmung\nregelt die Finanzierung von Tagesseinrichtungen das Landesrecht. Im\nLandesrecht anderte sich durch die Bekanntmachung der Neufassung des Kinder-\nund Jugendhilfegesetzes fur Baden-Wurttemberg (LKJHG vom 14.5.2005, GBl. S.\n376) die Fassung der §§ 5 und 6, welche die Aufgaben der Kommunen regeln,\njedoch nicht. Auch § 8 des Gesetzes uber die Betreuung und Forderung von\nKindern in Kindergarten (KiTaG) anderte sich im Laufe des Jahres 2005 nicht,\nsondern erst zum 1.1.2006 (vgl. G. v. 14.2.2006, GBl. S. 30). Selbst wenn §\n74a SGB VIII fur die Forderung von Tageseinrichtungen fur Kinder § 74 SGB VIII\nvollstandig ersetzen sollte, bedarf diese neue Norm einer landesrechtlichen\nAusfullung. Diese ist aber - was die Forderzustandigkeit der Kommunen betrifft\n- in Baden-Wurttemberg erst zum 1.1.2006 in Kraft getreten und kann daher die\nForderzustandigkeit des Beklagten fur das Kalenderjahr 2005 nicht beeinflussen\n(so auch VG Karlsruhe, Urt. v. 7.5.2007 - 8 K 2294/05 -; VG Stuttgart, Urt. v.\n27.7.2007 - 9 K 4264/06 -; Wabnitz, Der Rechtsanspruch von Tragern der freien\nJugendhilfe auf Forderung nach § 74 Abs. 1 SGB VIII, ZKJ 2007, 189, 191;\nahnlich fur die Rechtslage in Rheinland-Pfalz OVG RP, 24.1.2008 - 7 A 10974/07\n- <juris>). \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 27 \n--- \n| Der Klager hat nicht auf die Forderung durch den Beklagten im\nAntragszeitraum verzichtet . \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Zwar mag Manches dafur sprechen, dass der Klager sich in der Grundungsphase\nhinsichtlich seiner Angaben zum prognostizierten Finanzbedarf nicht korrekt\nverhalten hat. Ein wirksamer Verzicht auf Forderung im Antragszeitraum ist\ndurch dieses Verhalten jedoch nicht begrundet worden. Dabei kann offen\nbleiben, ob fur die Frage der Wirksamkeit des Verzichts die Vorschrift des §\n46 Abs. 1 SGB I Anwendung findet, wogegen manches spricht (so auch VG\nStuttgart, Urt. v. 29.6.2007 - 9 K 2361/06 -). Immerhin ware dann eine analoge\nAnwendung zu erwagen (vgl. nochmals VG Stuttgart, a.a.O.), was dazu fuhren\nwurde, dass es im vorliegenden Fall an der notwendigen Schriftform fehlte.\nSelbst wenn man sogar die Schriftform fur entbehrlich halten sollte, bedurfte\nes jedoch wegen der erheblichen Folgen fur den Betroffenen zumindest eines\nhinreichend bestimmten Verzichts einschließlich eines bestimmten Zeitraums.\nJedenfalls daran fehlt es vorliegend. Auch der Beklagte behauptet namlich\nnicht, dass der Klager ohne zeitliche Einschrankung auf eine Forderung\nverzichtet habe. Er hat in der mundlichen Verhandlung ausgefuhrt, ein Verzicht\ndurfte fur die ersten drei Jahre geaußert worden sein. Das stimmt aber mit den\nmaßgeblichen schriftlichen Stellungnahmen der Klagerseite vor Beginn des\nKindergartenbetriebs nicht uberein. So umfasst der klagerische Finanzplan vom\nAugust 2003 gerade keine drei Jahre, sondern nur 15 Monate (September 2003 bis\nEnde 2004). Und im Schreiben an den damaligen Landrat vom 3.7.2003, auf das\nsich der Beklagte beruft, hatte der Klager sogar ausgefuhrt „da wir als\nKindergarten eine finanzielle Bezuschussung benotigen, … Fakt ist, dass die\nEinrichtung einen sehr geringen Kostenaufwand birgt". Weichen somit Vortrag\ndes Beklagten und die Aktenlage zur Frage eines hinreichend bestimmten\nVerzichtszeitraums erheblich voneinander ab, besteht kein Anlass, die vom\nBeklagten angebotenen Zeugen fur mundliche Äußerungen der Vertreter des\nKlagers in der Phase vor Aufnahme des Kindergartenbetriebes zu vernehmen. \n--- \n--- \n**III.** \n--- \n| 29 \n--- \n| Die grundlegenden Fordervoraussetzungen des § 74 Abs. 2 Satz 1 u. Abs. 1\nSatz 1 SGB VIII lagen im beantragten Zeitraum vor. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Nach § 74 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII kann die Forderung freier Trager von deren\nBereitschaft abhangig gemacht werden, ihre Einrichtung nach Maßgabe der\nJugendhilfeplanung anzubieten. Der Beklagte hat angegeben, dass er eine solche\nErklarung vom Klager schon nicht verlangt hat. \n--- \n| 31 \n--- \n| Gemaß 74 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII muss der Trager der freien Jugendhilfe die\nfachlichen Voraussetzungen fur die geplante Maßnahme besitzen (Nr. 1), die\nGewahr fur die zweckentsprechende und wirtschaftliche Mittelverwendung bieten\n(Nr. 2), gemeinnutzige Zwecke verfolgen (Nr. 3), eine angemessene\nEigenleistung erbringen (Nr. 4) und die Gewahr fur eine den Zielen des\nGrundgesetzes forderliche Arbeit bieten (Nr. 5). Der Beklagte hat zwar -\nerstmals zwei Tage vor der mundlichen Verhandlung und nur auf Anfrage des\nBerichterstatters - die Voraussetzungen „des § 74 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 - 5 SGB\nVIII" bestritten. Zur Begrundung wurde darauf verwiesen, dass die beiden\nGrunder des Klagers dem Beklagten unbekannt gewesen waren und keine Referenzen\nvorweisen konnten. Damit ist allerdings nur dargetan, dass dem Beklagten bei\nAufnahme des Kindergartenbetriebs des Klagers eine Beurteilung z.B. der\nfachlichen Voraussetzungen des Klagers noch nicht moglich war. Dagegen ist\nnoch nicht einmal behauptet worden, dass erst am Tag der Anerkennung des\nKlagers als Trager der freien Jugendhilfe, dem 7.9.2005, die fachlichen und\nubrigen Voraussetzungen vorgelegen hatten. Dies ware auch verwunderlich, da §\n75 Abs. 1 SGB VIII fur die Anerkennung als freier Trager teilweise noch\nweitergehende Anforderungen als § 74 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII stellt. So\nverlangt insbesondere Nr. 3 des § 75 Abs. 1 SGB VIII, dass der Trager auf\nGrund seiner sachlichen und personellen Voraussetzungen erwarten lasst, dass\ner einen „nicht unwesentlichen Beitrag zur Erfullung der Aufgaben der\nJugendhilfe zu leisten" imstande ist. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| Daraus folgt, dass aus der Versagung der Anerkennung des Klagers als Trager\nder freien Jugendhilfe im Sommer 2003 nicht gefolgert werden kann, dass damit\nzugleich bestandskraftig festgestellt worden ist, die Voraussetzungen des § 74\nAbs. 1 Satz 1 SGB VIII hatten nicht vorgelegen. Vielmehr durften die\nVoraussetzungen des § 74 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII regelmaßig zu einem Zeitpunkt\n(erheblich) vor der Anerkennung als Trager der freien Jugendhilfe vorliegen.\nWann dies der Fall gewesen sein soll, ist vom Beklagten nicht dargelegt\nworden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen von Anfang an\nvorgelegen haben, was sich erst spater feststellen ließ. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| Rechtsfolge des § 74 Abs. 1 Satz 1 ist allerdings (nur) die Sollforderung.Es\nmuss also auch atypische Ausnahmefalle geben, in denen kein Forderanspruch\nbesteht. Die hier vom Beklagten geltend gemachten Umstande betreffen jedoch\nnicht einen generellen Ausschluss des Klagers von der Forderung, sondern nur\nfur einen bestimmten Zeitraum, namlich den vor der Anerkennung des Tragers.\nDaher sind sie im Rahmen der Atypik des § 74 Abs. 1 Satz 2 AufenthG\n(nachfolgend V.) zu prufen. \n--- \n--- \n**IV.** \n--- \n| 34 \n--- \n| Auch die ungeschriebene Tatbestandsvoraussetzungen des Bedarfs fur die\nEinrichtung des Klagers und der Moglichkeit der Entstehung eines Abmangels bei\nihrem Betrieb liegen vor. \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| 1\\. Fur die Einrichtung des Klagers besteht ein Bedarf im Sinne des SGB\nVIII. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Aus der Pflicht zum verantwortungsvollen Umfang mit Steuermitteln folgt die\nPflicht des Beklagten, keine Einrichtungen zu fordern, fur die kein Bedarf\nbesteht. Daher pruft auch der Verwaltungsgerichtshof Baden-Wurttemberg in\nseiner Grundsatzentscheidung vom 18.12.2006 (a.a.O.) den Bedarf fur die dort\nim Streit befindliche Einrichtung. Allerdings kann nach seiner Rechtsprechung\nund der des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. dazu Urt. v. 25.11.2004, NVwZ\n2005, 825) der „Bedarf" im Sinne des SGB VIII nicht nur in quantitativer\nHinsicht durch einen Vergleich der im Kreisgebiet vorhandenen\nKindergartenplatze und der Anzahl der in Frage kommenden Kinder zwischen der\nVollendung des 3. Lebensjahres und dem Einschulungsalter bestimmt werden. Dass\neine solche Bedarfsbestimmung fur den Beklagten, der zusammen mit den Kommunen\nin den vergangenen Jahren in die bisherigen Kindergartenstrukturen investiert\nhat und in dessen Gebiet derzeit ein Überangebot an Platzen besteht,\nwunschenswert ware, steht außer Frage. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Maßgeblich fur die Jugendhilfeplanung im Sinne von § 74 Abs. 2 Satz 1 SGB\nVIII ist aber nach der obergerichtlichen Rechtsprechung der in quantitativer\n_und_ qualitativer Hinsicht bestehende Bedarf, der sich insbesondere auch an\nden Erfordernissen der §§ 3 bis 5 SGB VIII auszurichten hat. Nach § 3 Abs. 1\nSGB VIII wird die Jugendhilfe gepragt durch die Vielfalt von Tragern\nunterschiedlicher Wertorientierungen und die Vielfalt von Inhalten, Methoden\nund Arbeitsformen. § 5 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII normiert ein Wunsch- und\nWahlrecht der Leistungsberechtigten, auf das § 69 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII n.F.\ngerade bei der Kindergartenforderung nochmals besonders hinweist. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Zwar wird im Unterschied zum Waldorfkindergarten, welcher der Entscheidung\ndes Verwaltungsgerichtshofs vom 18.12.2006 zugrunde lag, nicht behauptet\nwerden konnen, der Klager befriedige einen Bedarf nach anderweitiger\n(weltanschaulicher) Wertorientierung neben den vorhandenen kommunalen und\nkirchlichen Kindergarten. Doch bietet er eine deutlich abgrenzbare Methodik\nund Arbeitsform der Kindererziehung an, die im Übrigen bundesweit in uber 300\nKindergarten bereits praktiziert wird (vgl. www.waldkinder.de). Zwei der\nwesentlichen Ziele der Konzeption des Kindergartens des Klagers, durch\nVerzicht auf vorgefertigtes Spielzeug zur Suchtpravention und durch den\nstandigen Aufenthalt im Freien zur Starkung des Immunsystems beizutragen,\nkonnen durch Waldtage oder Waldwochen in herkommlichen Kindergartenformen\nnicht erreicht werden. Dass Waldkindergartenplatze in der Nahe des Standorts\ndes Klagers in ausreichender Zahl zur Verfugung stehen, behauptet auch der\nBeklagte nicht. Schließlich ist die Nachfrage nach der Einrichtung des Klagers\nabgesehen von der Startphase im Wesentlichen stabil geblieben. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| 2\\. Die Moglichkeit des Entstehens eines Abmangels beim Betrieb der\nEinrichtung des Klagers liegt auf der Hand. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Ein Anspruch auf Forderung dem Grunde nach setzt keinen genau bezifferten\nAbmangel voraus. Es muss nur moglich sein, dass ein Abmangel entstanden ist.\nEin Forderanspruch dem Grunde nach scheidet nur dann aus, wenn eine\nEinrichtung eindeutig mit Überschussen arbeitet. Zwar mag Manches dafur\nsprechen, dass bei einer rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise ein\n„Abmangel" bislang nicht entstanden sein durfte, da es dem Klager durch\nStundung der Erwerbseinkommen der Erzieher und Aufnahme eines Privatdarlehens\ngelungen ist, ausbleibende Fordermittel des Beklagten zu kompensieren. § 74\nAbs. 1 bis 3 SGB VIII gestaltet die Forderung der Trager der freien\nJugendhilfe jedoch nicht als Forderung zur Überwindung aktueller Notlagen aus,\nwas die Darlegung eines Scheiterns des Betriebs der Einrichtung auch bei nur\nkurzfristigem Ausbleiben der Forderung des Beklagten voraussetzen wurde.\nVielmehr geht der Forderanspruch der Trager der freien Jugendhilfe daruber\nhinaus. Werden Eigenleistungen der Trager uber das in § 74 Absatz 1 Satz 1 Nr.\n4 SGB VIII genannte Maß hinaus erbracht, gerade um eine beantragte aber\nausgebliebene Forderung durch den Beklagten zu kompensieren, kann dies nicht\nzum Verlust der Forderbedurftigkeit fuhren. \n--- \n--- \n**V.** \n--- \n| 41 \n--- \n| Schließlich steht auch das Regelerfordernis des § 74 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII\naus den besonderen Umstanden des Einzelfalls einer Forderung des Klagers fur\nZeitraume vor seiner Anerkennung als freier Trager nicht entgegen. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Der Klager begehrt fraglos eine auf Dauer angelegte Forderung. Daher muss\nnach § 74 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII regelmaßig seine Anerkennung als Trager der\nfreien Jugendhilfe erfolgt sein. Diese ist seit 7.9.2005 erfolgt. Es erscheint\nschon fraglich, ob der Wortlaut der genannten Bestimmung die ruckwirkende\nForderung von Zeitraumen, die vor der Anerkennung liegen, ausschließen will\n(dazu 1.). Jedenfalls ist aber eine solche ruckwirkende Forderung in\nAusnahmefallen moglich (dazu 2.). Ein solcher lasst sich hier trotz des\nVerhaltens des Klagers bejahen (dazu 3.). Allerdings gilt dies nur fur einen\nAnspruch dem Grunde nach (dazu 4.). \n--- \n--- \n| 43 \n--- \n| 1\\. Nach dem Wortlaut von § 74 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII erscheint schon\nfraglich, ob die Anerkennung dem Beginn des Forderzeitraums vorausgehen muss. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Auch den Gesetzesmaterialien lasst sich dies nicht eindeutig entnehmen. § 9\nAbs. 1 des alten JWG lautete: „Trager der freien Jugendhilfe durfen nur\nunterstutzt werden, wenn sie … offentlich anerkannt sind". Im Gesetzentwurf\nzur Neuordnung des Kinder- und Jugendhilferechts vom 1.12.1989 (BT-Drs.\n11/5948, S. 22 f. u. 97 f.) wollte der Gesetzgeber auf einen Bezug zur\nAnerkennung des Tragers vollstandig verzichten. Zur Begrundung wurde gerade\nauf die Chancen fur ortliche Initiativen, Selbsthilfegruppen und\nModellprojekte neuer Trager verwiesen. Im Gesetzgebungsverfahren konnte sich\ndieser Ansatz in Reinform allerdings nicht durchsetzen. Stattdessen wurde im\ndamaligen § 66 Abs. 1 KJHG ein neuer Satz 2 mit der heutigen Formulierung\neingefugt: „Eine auf Dauer angelegte Forderung setzt in der Regel die\nAnerkennung als Trager…." Zur Begrundung (vgl. BT-Drs. 11/6748, S. 82) wurde\nausgefuhrt: „Durch die Verknupfung der Forderung mit der Anerkennung … wird\nsichergestellt, dass eine auf langere Zeit angelegte Forderung grundsatzlich\nnur Tragern zugute kommt, die die Gewahrung von Kontinuitat bieten". Dies\nkonnte dafur sprechen, dass dem Gesetzgeber vor allem an der Verhinderung der\numgekehrten Situation gelegen war, namlich der Aufnahme einer Forderung und\nihrer jahrelangen Fortsetzung, ohne dass der Geforderte die Anerkennung nach §\n75 SGB VIII erreichen kann. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| 2\\. Dies kann jedoch dahinstehen. Denn selbst wenn man der Auffassung des\nBeklagten folgt, sind nach dem Wortlaut der Bestimmung und ihrer\nGesetzgebungsgeschichte Ausnahmefalle denkbar, bei deren Vorliegen Zeitraume,\ndie vor der Anerkennung liegen, gefordert werden konnen (so wohl auch\nKunkel/Steffan in: LPK-SGB VIII, 3. Aufl., § 74 Rn. 15; Schellhorn, Komm. z.\nSGB VIII, 2. Aufl., § 74 Rn. 11; Krug/Riehle, Komm. zum SGB VIII, Stand\n1.1.2008, § 74 S. 14). Zu den in den Gesetzesmaterialien und Kommentierungen\ngenannten Ausnahmen gehort - mit vielfaltigen Nuancen - die Grundung eines\nneuen Tragers (mit kleinem Forderverein), da dieser anderenfalls die Grundung\neiner Einrichtung, fur die jugendhilferechtlicher Bedarf besteht, kaum\nerreichen konnte. \n--- \n--- \n| 46 \n--- \n| Ist bundesrechtlich somit im vorliegenden Fall ausnahmsweise eine Forderung\nvon Zeitraumen vor der Anerkennung moglich, konnen landesrechtliche\nVorschriften, die strikter formuliert sind, dem nicht entgegenstehen, da sie\ninsoweit bundesrechtswidrig sind. \n--- \n--- \n| 47 \n--- \n| 3\\. Allerdings durfte es zulassig sein, in die Beurteilung des Vorliegens\neines Ausnahmefalls auch weitere Umstande einfließen zu lassen, etwa das\nVerhalten des Klagers in der Grundungsphase. \n--- \n--- \n| 48 \n--- \n| Wie bereits dargelegt, haben die damaligen Verantwortlichen des Klagers\nmoglicherweise in vorwerfbarer Weise uber den Finanzbedarf zu tauschen\nversucht, was aber keiner endgultigen Entscheidung bedarf. Denn aus den\nbesonderen Umstanden des Einzelfalles wurde selbst ein unterstellter\nvorsatzlicher Tauschungsversuch hier nicht zu einer Verneinung der Atypik\nfuhren. Die damals maßgeblichen Behorden haben namlich die fehlerhafte\nFinanzplanung sogleich durchschaut und gleichwohl daraus keinerlei\nKonsequenzen in Hinblick auf die Ermoglichung der Aufnahme des Betriebs des\nKindergartens des Klagers gezogen: \n--- \n| 49 \n--- \n| Der Vertreter des damaligen LWV - Landesjugendamt - schrieb am 28.8.2003 an\nden Klager. „… Ihren Finanzplan habe ich erhalten. Gestatten Sie mir, dass ich\nSie darauf hinweise, dass es unmoglich ist, einen Kreditbetrag als Überschuss\nauszuweisen. Mussen Sie keine Pacht fur das Waldgrundstuck bezahlen? Ich raten\nIhnen dringend, einen in Finanzangelegenheiten erfahrenen Menschen zu suchen\n…". Gleichwohl erteilte der LWV wenige Tage spater die (befristete)\nBetriebserlaubnis und kam auf den Finanzplan nicht mehr zuruck. Die Stadt T.\nerteilte die Zustimmung zur privatrechtlichen Nutzung des Waldgrundstucks am\n26.8.2003, obgleich sie in diesem Schreiben darauf hinwies, „der Betrieb Ihrer\nEinrichtung ist fur die Zeit vom 1.9.2003 bis 31.12.2005 nicht solide\nfinanziert und bereits vom Tag der Inbetriebnahme defizitar. Die kalkulierten\nEinnahmen sind zum Teil kreditfinanziert, ohne dass Zins und Tilgung\nvorgesehen sind. Die Ausgaben im Bereich der Lohnkosten sind nicht\nmarktgerecht." \n--- \n--- \n| 50 \n--- \n| 4\\. Allerdings besteht auf Grund dessen nur ein Anspruch des Klagers auf\nForderung von Zeitraumen vor seiner Anerkennung dem Grunde nach . Bei der\nBemessung der Hohe der Forderung im Zeitraum vor der Anerkennung wird dem\nBeklagten voraussichtlich eine spurbare Herabstufung der Forderhohe gegenuber\njener im Zeitraum nach der Anerkennung zuzubilligen sein. Denn erst wenn die\nAnerkennung des zu Fordernden absehbar ist, hat der Beklagte Anlass, die\nKurzung von Fordermitteln bei anderen Einrichtungen, die auf Grund des Besuchs\nder Einrichtung des Klagers deutlich weniger ausgelastet sind, zu erwagen und\ndamit sein Gesamtforderkonzept zu uberdenken. \n--- \n--- \n| 51 \n--- \n| Da der Beklagte unterliegt, hat er die Kosten des nach § 188 Satz 2 1. HS\nVwGO gerichtskostenfreien Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO). \n--- \n--- \n| 52 \n--- \n| **Beschluss vom 24. April 2008** \n--- \n| 53 \n--- \n| Der Gegenstandswert ist vom Einzelrichter (§ 33 Abs. 8 Satz 1 RVG) auf\nAntrag des Bevollmachtigten des Klagers und nach Anhorung des Beklagten nach\n§§ 33 Abs. 1 u. 23 Abs. 3 Satz 2 1. Alt. RVG auf \n--- \n| 54 \n--- \n| **79.000.- EUR** \n--- \n| 55 \n--- \n| festzusetzen und nach der Bedeutung der Sache fur den Klager bemessen,\nwelche sich nach standiger Rechtsprechung der Mitglieder Kammer (vgl. mit\nausfuhrlicher Begrundung etwa Beschl. v. 24.7.2007 - 9 K 4499/06 -) am\n(gerundeten) halftigen von Klager behaupteten Abmangel fur den gesamten\nstreitgegenstandlichen Zeitraum zu orientieren hat. \n---\n\n
138,063
olgkarl-2003-07-30-13-w-4203
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
13 W 42/03
2003-07-30
2019-01-07 13:57:29
2019-02-12 12:39:59
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Die sofortige Beschwerde der Klager gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss\ndes Landgerichts Freiburg vom 10.03.2003 - 6 O 11/02 - wird zuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Klager haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.\n\n3\\. Der Beschwerdewert wird auf 6.503,42 EUR festgesetzt.\n\n4\\. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Mit Grundurteil vom 19.01.1999 hat das Landgericht ausgesprochen, dass die\nBeklagte dem Grunde nach verpflichtet ist, das streitbefangene Grundstuck\nkauflich zu erwerben und hierfur den Kaufpreis entsprechend der vertraglichen\nKlausel zu zahlen. Die Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil blieb ebenso\nwie ihre Revision erfolglos. Anschließend ist im Betragsverfahren Urteil des\nLandgerichts vom 30.12.2002 ergangen mit der Kostenentscheidung, dass die\nKlager 6,6 % und die Beklagte 93,4 % der Kosten zu tragen haben. \n--- \n| 2 \n--- \n| Mit Kostenfestsetzungsgesuch vom 08.01.2003 (AS. 693) haben die\nKlagervertreter fur das Betragsverfahren zusatzlich die Erstattung einer\nVerhandlungsgebuhr sowie einer Beweisgebuhr nebst Auslagenpauschale beantragt. \n--- \n| 3 \n--- \n| Im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.03.2003 (AS. 791, 795) hat die\nRechtspflegerin die Erstattungsfahigkeit der geltend gemachten Gebuhren fur\ndas Betragsverfahren mit der Begrundung verneint, nach neuerer Rechtsprechung\n(OLG Oldenburg JurBuro 2002, 474) liege bei Zuruckweisung des Rechtsmittels\ngegen ein Grundurteil und Zuruckverweisung an die erste Instanz zum\nFestsetzungsverfahren kein Fall des § 15 BRAGO vor. \n--- \n| 4 \n--- \n| Dagegen wendet sich die sofortige Beschwerde der Klager (AS. 811 ff.), mit\nder sie beantragen, die abgesetzte Verhandlungs- und Beweisgebuhr nebst\nAuslagenpauschale auch fur das Hoheverfahren festzusetzen. Dabei kann wegen\nder Einzelheiten der Beschwerdebegrundung auf die Beschwerdeschrift Bezug\ngenommen werden. \n--- \nII. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die sofortige Beschwerde der Klager ist nicht begrundet. Zu Recht hat die\nRechtspflegerin des Landgerichts die Erstattungsfahigkeit der fur das\nBetragsverfahren zusatzlich geltend gemachten Gebuhren (Verhandlungs- und\nBeweisgebuhr nebst Auslagenpauschale) verneint. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Frage, ob eine Zuruckverweisung im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 BRAGO\nvorliegt, wenn ein erstinstanzliches Grundurteil durch Zuruckweisung der\nBerufung bestatigt wird, ist in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte\numstritten ( Zum Meinungsstand vgl. OLG Oldenburg JurBuro 2002, 474 einerseits\nund OLG Dusseldorf JurBuro 1995, 197 andererseits fur die wohl noch\nuberwiegende Auffassung). Der Senat schließt sich wie schon die\nRechtspflegerin der Auffassung des OLG Oldenburg (a.a.O.) an, wobei zur\nVermeidung von Wiederholungen wegen der Begrundung im einzelnen auf diese\nEntscheidung Bezug genommen wird. \n--- \n| 7 \n--- \n| Fur den Senat ist maßgeblich, dass trotz der Entstehungsgeschichte des § 15\nBRAGO (siehe dazu OLG Dusseldorf a. a. O.) und trotz des Umstandes, dass nach\ndem Wortlaut auch dieser Fall unter § 538 Absatz 1 Nr. 3 ZPO a. F. fallt, § 15\nAbsatz 1 Satz 1 BRAGO eine echte Zuruckverweisung erfordert, die nicht gegeben\nist, wenn ein erstinstanzliches Grundurteil im Berufungsverfahren bestatigt\nwird und anschließend das in erster Instanz anhangig gebliebene\nBetragsverfahren durchgefuhrt wird. Das Betragsverfahren war gar nicht beim\nRechtsmittelgericht anhangig, und insofern konnte eine Zuruckverweisung auch\nnicht erfolgen, weshalb ein entsprechender Ausspruch im Tenor des\nBerufungsurteils auch unterblieben ist. Eine Zuruckverweisung im Rechtssinne\nliegt auch deshalb nicht vor, weil das Betragsverfahren nach § 304 Abs. 2, 2.\nHalbsatz ZPO trotz des anhangigen Berufungsverfahrens vor dem Landgericht\nweiter verhandelt werden kann. Auch wenn es in der Praxis die Regel ist, dass\ndas Betragsverfahren nicht betrieben wird, solange das Berufungsverfahren\nanhangig ist, so vermag die wohl noch herrschende Auffassung keine\nbefriedigenden Erklarungen fur die Fallkonstellation zu geben, dass das\nBetragsverfahren wahrend des laufenden Berufungsverfahrens fortgesetzt wird.\nEine zusatzliche Verhandlungs- bzw. Beweisgebuhr kann auch nach dieser\nAuffassung im Betragsverfahren erst entstehen, wenn das Berufungsverfahren\nabgeschlossen ist. Das kann aber kaum einleuchten. \n--- \n| 8 \n--- \n| Fur die vorliegend vertretene Auffassung spricht auch, dass nach\neinhelliger Meinung eine zusatzliche Verhandlungsgebuhr nicht anfallt, wenn\ndie Berufung gegen ein Grundurteil zuruckgenommen oder als unzulassig\nverworfen wird. Die Zuerkennung einer weiteren Verhandlungs- bzw. Beweisgebuhr\nlasst sich auch nicht damit rechtfertigen, der Rechtsanwalt musse sich nach\nAbschluss des Berufungsverfahrens erneut einarbeiten, wobei es keineswegs\nselten sei, dass trotz des die Berufung zuruckweisenden Urteils dessen\nBegrundung auf Erwagungen beruhe, die im erstinstanzlichen Verfahren noch\nnicht angesprochen seien. Vergleichbare Situationen konnen auch im\nerstinstanzlichen Verfahren auftreten, wenn sich aufgrund neuen Vortrags\nÄnderungen der rechtlichen Beurteilung ergeben oder das Gericht etwa seine\nbisher geaußerte Rechtsauffassung andert. \n--- \n| 9 \n--- \n| Da somit eine echte Zuruckverweisung und damit ein Fall des § 15 Abs. 1 S.\n1 BRAGO nicht vorliegt, wenn ein Grundurteil durch das Berufungsgericht\nbestatigt wird, hat die sofortige Beschwerde keinen Erfolg. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO. Der Beschwerdewert entspricht\nden nicht festgesetzten Gebuhren unter Berucksichtigung der Kostenquote. \n--- \n| 11 \n--- \n| Da die vorliegende Streitfrage hochstrichterlich bisher nicht geklart ist,\nhat der Senat die Rechtsbeschwerde zugelassen. \n---\n\n
138,132
vghbw-2004-04-06-8-s-199703
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
8 S 1997/03
2004-04-06
2019-01-07 13:58:27
2019-01-17 11:58:19
Urteil
## Tenor\n\nDie Berufung der Klager gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen\nvom 6. Mai 2003 - 4 K 1757/02 - wird zuruckgewiesen.\n\nDie Klager tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\nDie Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Klager wenden sich gegen eine Plangenehmigung fur die Verbreiterung der\nbestehenden Landesstraße L 325 und den Bau eines zwei Meter breiten, durch\neinen Trennstreifen von der L 325 abgesetzten Geh- und Radwegs zwischen Fenken\nund Schlier (Kreis Ravensburg) auf einer Lange von rund 1,75 km. Sie sind\nEigentumer der Grundstucke Flst.Nrn. xxx (28.3286 qm) und xxx (167.455 qm),\ndie an der bestehenden L 325 liegen. Zur Durchfuhrung des Vorhabens mussen\ndiese Grundstucke zu einem im Verhaltnis zur Grundstucksgroße geringen Teil im\nBereich der Landesstraße in Anspruch genommen werden. \n--- \n| 2 \n--- \n| Im Verlauf der Planaufstellung trat das Straßenbauamt Ravensburg\n(Vorhabentrager) mit den von der Maßnahme betroffenen Eigentumern in\nVerhandlungen, die bis auf eine Ausnahme ihr Einverstandnis mit der\nInanspruchnahme ihrer Grundstucke schriftlich erteilten. Auch die Klager\nunterzeichneten am 26.3.2001 folgende vorformulierte\n„Einverstandniserklarung": \n--- \n| 3 \n--- \n| „Nach der Erlauterung der Planunterlagen vom 12.3.2001 fur den Ausbau der L\n325 zwischen Fenken und Schlier durch den Vertreter des Straßenbauamtes\nerklare ich mich mit der Inanspruchnahme (inkl. LBG-Maßnahme) meiner\nFlurstucke Nr. wie folgt einverstanden: \n--- \n| 4 \n--- \n| \n--- \nFlurstuck Nr. | | | benotigte Flachen \n| 5 \n--- \n| \n--- \nxxx | | 320 qm + 550 qm vorubergehende Inanspruchnahme \n| 6 \n--- \n| \n--- \nxxx | | 3.220 qm + 2.885 qm vorubergehende Inanspruchnahme \n| 7 \n--- \n| Die Regelungen des Grunderwerbs, insbesondere der Kaufpreis und etwaiger\nsonstiger Entschadigungen erfolgt gesondert. \n--- \n| 8 \n--- \n| Ravensburg, den 26.3.2001" \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Erklarung ist von beiden Klagern und zwei Vertretern des Straßenbauamts\nRavensburg unterschrieben. \n--- \n| 10 \n--- \n| Mit Schreiben vom 5.4.2001, das am 9.4.2001 beim Vorhabentrager einging,\nerklarten die Klager: \n--- \n| 11 \n--- \n| „Nach den jungsten Aussagen von der Gemeinde werden wir uns mit der\nEinverstandniserklarung fur den Geh- und Radwegbau erst dann gebunden fuhlen\nund und uns daran halten, wenn fur unser Anliegen die Bauvoranfragen mit der\nGemeinde Schlier und der Baugenehmigungsbehorde dem Gemeindeverwaltungsverband\nGullen gesichert sind. Bitte um ihr Verstandnis". \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Vorhabentrager hatte nach Abschluss seiner Vorplanung auch zahlreiche\n„zu beteiligende Behorden, Verbande und sonstige Trager offentlicher Belange"\n(u.a. Landratsamt Ravensburg, Regionalverband Bodensee Oberschwaben, Amt fur\nLandwirtschaft, Landschafts- und Bodenkultur, Bund fur Umwelt- und\nNaturschutz, Amt fur Wasserwirtschaft und Bodenschutz) um Stellungnahme zu dem\nVorhaben gebeten; durchgreifende Einwendungen wurden nicht erhoben. \n--- \n| 13 \n--- \n| Am 3.7.2001 legte der Vorhabentrager die Planunterlagen dem\nRegierungsprasidium Tubingen vor und beantragte, das\nPlanfeststellungsverfahren einzuleiten und das Anhorungsverfahren\ndurchzufuhren. Dem Antragsschreiben lagen u.a. die Einverstandniserklarungen\nder Eigentumer, das Widerrufsschreiben der Klager vom 5.4.2001 und die\nStellungnahmen der Trager offentlicher Belange bei. Im Antragsschreiben wird\ndarauf hingewiesen, dass noch keine Vereinbarungen geschlossen worden seien.\nMit Schreiben vom 21.8.2001 anderte der Vorhabentrager sein Begehren und\nbeantragte die Erteilung einer Plangenehmigung. \n--- \n| 14 \n--- \n| Am 18.7.2002 erteilte das Regierungsprasidium Tubingen fur das Vorhaben die\nPlangenehmigung, die den Klagern am 2.8.2002 zugestellt wurde. Die\nPlangenehmigung ist im Wesentlichen wie folgt begrundet: Die Voraussetzungen\ndes § 37 Abs. 2 StrG fur die Durchfuhrung eines Plangenehmigungsverfahrens\nlagen vor. Bis auf eine Ausnahme hatten alle betroffenen Grundstuckseigentumer\nder Inanspruchnahme zugestimmt. Der Widerruf der Einverstandniserklarung durch\ndie Klager mit Schreiben vom 5.4.2001 sei unbeachtlich. Denn im Interesse der\nPlanungssicherheit konnten derartige Einverstandniserklarungen nicht bis zum\nErlass einer Plangenehmigung widerrufen werden. Unabhangig hiervon seien die\nKlager nicht wesentlich in ihren Rechten beeintrachtigt, weil der\nFlachenverlust angesichts der Große der beiden Grundstucke nur ganz\ngeringfugig sei. Auch der Eigentumer, der keine Zustimmungserklarung abgegeben\nhabe, verliere lediglich 1,17 % und 1,05 % der Gesamtflachen seiner beiden\nGrundstucke; hinzu komme, dass dieser Eigentumer zumutbare Angebote auf\nTauschland nicht akzeptiert habe. Auch sonst lagen keine wesentlichen\nRechtsbeeintrachtigungen vor. Die Trager offentlicher Belange hatten der\nPlanung im Grundsatz zugestimmt; Anregungen und Empfehlungen seien\nweitestgehend berucksichtigt und entsprechende Zusagen in die Plangenehmigung\naufgenommen worden. Der Erteilung einer Plangenehmigung stehe schließlich auch\nnicht das Erfordernis einer Umweltvertraglichkeitsprufung entgegen. Zwar sei\neine Umweltvertraglichkeitsprufung nicht schon gemaß § 3 in Verbindung mit\nZiff. 4 der Anlage der zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der\nPlangenehmigung geltenden Fassung des Landesgesetzes uber die\nUmweltvertraglichkeitsprufung vom 12.12.1991 (GBl. 1991, 848) allein deshalb\nentbehrlich, weil kein Planfeststellungsverfahren durchgefuhrt werde. Diese\nRegelung stehe namlich in Widerspruch zur UVP-Änderungsrichtlinie 97/11/EG vom\n3.3.1997. Aber auch nach dieser Richtlinie selbst bestehe keine Pflicht zur\nDurchfuhrung einer Umweltvertraglichkeitsprufung. Es gehe um den Ausbau eines\nbereits durchgefuhrten Projekts im Sinne des Anhangs II Ziff. 13 der\nÄnderungsrichtlinie, das nur dann UVP-pflichtig sei, wenn es tatsachlich\nerhebliche Auswirkungen auf die Umwelt habe. Dies sei hier nach der fachlichen\nBewertung in Anwendung der im Anhang III der Richtlinie genannten Kriterien zu\nverneinen; Umweltverschmutzungen und Belastigungen wurden gegenuber dem\nbisherigen Zustand sogar eher noch vermindert. Bei einer Streckenlange von nur\n1,75 km sei die Maßnahme nicht mit einem nach Anhang I Ziff. 7 c der\nRichtlinie UVP-pflichtigen Ausbauvorhaben vergleichbar, wo ein Ausbau zu vier-\noder mehrspurigen Straßen mit einer durchgehenden Lange von mindestens 10 km\nvorausgesetzt werde. Die Planrechtfertigung sei gegeben. Die L 325 werde im\nAbschnitt zwischen Fenken und Schlier nach Ausbau, Zustand und Linienfuhrung\ndem gegenwartigen Verkehrsaufkommen nicht mehr gerecht und gewahrleiste nur\nnoch eingeschrankt Verkehrssicherheit. Die Fahrbahnbreite betrage nur etwa 5\nbis 5,3 m; außerdem sei die Strasse in einem Teilabschnitt wegen einer Kuppe\nunubersichtlich. Die Verkehrszahlung habe 1995 zwischen Ravensburg und Fenken\nan Werktagen ein Verkehrsaufkommen von 5.001 Kfz pro 24/h, 201 Kfz pro 24/h\nGuterverkehr und 125 Kfz pro 24/h Schwerlastverkehr sowie zwischen Schlier und\nWetzisreute an Werktagen ein Verkehrsaufkommen von 4.784 Kfz pro 24/h, 229 Kfz\npro 24/h Guterverkehr und 180 Kfz pro 24/h Schwerlastverkehr ergeben. Der\ngeplante Ausbau der bestehenden L 325 sei zur Verbesserung der\nVerkehrssicherheit und der Flussigkeit des Verkehrs notwendig. Da auch kein\nRadweg vorhanden sei, werde von Fenken bis zum Sageweg in Schlier ein 2 m\nbreiter Geh- und Radweg mit angelegt. Zwingende materiell-rechtliche\nRechtssatze seien nicht verletzt. Dem Vermeidungs- und Ausgleichsgebot nach §§\n10, 11 NatSchG werde Genuge getan. Leitmotiv der Planung, die mehrere\nschutzenswerte Biotope beruhre, sei der Ausbau im Bestand sowie die\ngroßtmogliche Schonung der ausgewiesenen Wasserschutzgebiete (Zone III a und\nIII b) und des Bewuchses (Streuobstbestande). Der landschaftspflegerische\nBegleitplan stelle die Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen im einzelnen dar.\nDanach wurden die technisch moglichen und verhaltnismaßigen Maßnahmen zur\nVermeidung oder Verminderung von Beeintrachtigungen ergriffen. Eine den\nNaturhaushalt und die Landschaft weniger in Anspruch nehmende Losung sei nicht\nmoglich. Vorgesehen seien insbesondere umfangreiche Ersatzpflanzungen, die\neinen wesentlich hoheren Umfang hatten als der bisherige Pflanzbestand. Durch\ndie Auswahl standorttypischer Gewachse werde eine Aufwertung des Gesamtbildes\nerreicht. Die Abwagung der offentlichen und privaten Belange untereinander und\ngegeneinander ergebe, dass der Plan genehmigt werden konne. Zwar konne es zu\neiner erheblichen Beeintrachtigung des Naturhaushalts oder des\nLandschaftsbildes kommen. Wie ausgefuhrt, wurden jedoch vermeidbare\nBeeintrachtigungen unterlassen und der notwendige Ausgleich durchgefuhrt. Bei\nAbwagung mit den fur die Planung sprechenden straßenbaulichen und\nverkehrlichen Interessen an der Schaffung einer zugigen und sicheren\nStraßenverbindung wogen die beeintrachtigten naturschutzrechtlichen Belange\nnicht so schwer, dass sie das Vorhaben verhindern konnten. Landwirtschaftliche\nFlachen wurden nur in geringem Ausmaß benotigt. Aufgrund der vorhandenen\nStraße sei hinsichtlich der Larm- und Schadstoffbelastung sowie des\nLandschaftsbildes von einer hohen Vorbelastung auszugehen. Zusammenfassend sei\nfestzustellen, dass gemessen an der Bedeutung der straßenrechtlichen und\nverkehrlichen Gesichtspunkte, die den Ausbau erforderlich machten, die ubrigen\nabwagungsbeachtlichen offentlichen und privaten Belange als weniger gewichtig\nzurucktreten mussten. \n--- \n| 15 \n--- \n| Am 27.8.2002 haben die Klager Klage erhoben. Sie tragen im Wesentlichen\nvor: Die Einverstandniserklarung vom 26.3.2001 sei unwirksam, weil sie dem\nrichtigen Adressaten, namlich dem Regierungsprasidium Tubingen als zustandiger\nGenehmigungsbehorde, zusammen mit ihrem Widerrufsschreiben vom 5.4.2001\nzugegangen sei. Insoweit sei die Rechtslage vergleichbar mit derjenigen bei\nAbgabe der Zustimmungserklarung des Angrenzers nach § 55 LBO, die nach der\nRechtsprechung ebenfalls erst mit Zugang bei der Baugenehmigungsbehorde\nwirksam werde. Es sei lebensfremd anzunehmen, dass zwischen ihnen und dem\nVorhabentrager eine zivilrechtliche Vereinbarung geschlossen worden sei. Die\nenteignungsrechtliche Vorwirkung entfaltende Plangenehmigung verletze sie auch\nin ihren Rechten. Bei Durchfuhrung eines Planfeststellungsverfahrens waren\nihre Belange genauer gewichtet und Alternativen zur Verlegung des Fahrradweges\nauf die andere Seite der Landesstraße als weniger einschneidende Maßnahme\nerortert und festgelegt worden. Schließlich sei die Rechtsbeeintrachtigung\nwesentlich. Der Flachenverlust sei zwar dem Umfang nach gering, gleichwohl\nwerde die Bewirtschaftung beider Grundstucke betrachtlich erschwert. \n--- \n| 16 \n--- \n| Das beklagte Land hat vorgetragen: Einverstandniserklarungen nach §§ 74\nAbs. 6 LVwVfG, 37 StrG wurden nicht erst mit Zugang bei der Zulassungsbehorde,\nsondern bereits mit Zugang beim Vorhabentrager wirksam. Es sei namlich Aufgabe\ndes Vorhabentragers, die Voraussetzungen fur die Durchfuhrung eines\nPlangenehmigungsverfahrens zu schaffen und dazu etwa die\nEinverstandniserklarungen der Betroffenen einzuholen; erst danach konne der\nentsprechende Genehmigungsantrag gestellt werden. Konnten\nEinverstandniserklarungen bis zur Antragstellung bei der Zulassungsbehorde\nwiderrufen werden, fehlte dem Vorhabentrager die fur die\nVerfahrensvorbereitung notwendige Planungssicherheit; damit entfiele der\nbeabsichtigte Beschleunigungseffekt des Plangenehmigungsverfahrens. Unabhangig\ndavon sei die Plangenehmigung auch deshalb rechtmaßig, weil angesichts des nur\ngeringfugigen Flachenverlustes Rechte der Klager nicht wesentlich\nbeeintrachtigt seien. \n--- \n| 17 \n--- \n| Mit Urteil vom 6.5.2003 - 4 K 1757/02 - hat das Verwaltungsgericht\nSigmaringen die Klage abgewiesen. Sie sei mangels Klagebefugnis unzulassig.\nAufgrund der Einverstandniserklarung konnten sich die Klager nicht mehr gegen\ndie Inanspruchnahme ihrer Grundstucke wenden. Die Erklarung sei wirksam. Einer\nnotariellen Beurkundung habe es nicht bedurft, weil sie keine Pflicht zur\nRechtsubertragung des Grundeigentums begrunde. Es handle sich vielmehr um eine\neinseitige empfangsbedurftige Willenserklarung, welche mit Zugang bei der\nzustandigen Behorde wirksam werde und dann als offentliche Last auf dem\nGrundstuck ruhe. Die Einverstandniserklarung nach § 37 StrG konne entgegen der\nAuffassung der Klager nicht nur gegenuber der Zulassungsbehorde, sondern auch\ngegenuber dem Vorhabentrager abgegeben werden. Denn im Stadium der\nPlanausarbeitung oblagen der Straßenbaubehorde als offentlichem Vorhabentrager\ndie Verhandlungen mit den betroffenen Eigentumern und die Prufung und\nAbklarung der Verfahrensart. Es sei Aufgabe der Straßenbaubehorde, nach dem\nStand der Planungsvorbereitung eine Plangenehmigung oder eine Planfeststellung\nzu beantragen. Eine Vergleichbarkeit mit der Zustimmung des Angrenzers nach §\n55 LBO sei nicht gegeben, weil diese keinen Wechsel der Verfahrensart zur\nFolge habe. Auch sonst bestunden keine Zweifel an der Wirksamkeit der\nEinverstandniserklarung. Die Planung habe sich nach Erteilung des\nEinverstandnisses nicht mehr verandert und Anfechtungstatbestande seien weder\ndargetan noch ersichtlich. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen\ngrundsatzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Im Berufungsverfahren beantragen die Klager, \n--- \n| 19 \n--- \n| das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 6. Mai 2003 - 4 K\n1757/03 - zu andern und die Plangenehmigung des Regierungsprasidiums Tubingen\nvom 18. Juli 2002 fur den Ausbau der L 325 zwischen Schlier und Fenken\naufzuheben. \n--- \n| 20 \n--- \n| Sie tragen erganzend vor: Sie hatten die Einverstandniserklarung abgegeben,\nnachdem sie sowohl von der Gemeinde Schlier als auch vom Straßenbauamt\nerheblich unter Druck gesetzt worden seien; der Burgermeister der Gemeinde\nSchlier habe ihnen erklart, die Gemeinde werde ihnen bei Bauabsichten auf\neigenen Grundstucken im Ortsteil Fenken „entgegenkommen", falls sie sich mit\nder Inanspruchnahme ihrer Grundstucke fur das Straßenbauvorhaben einverstanden\nerklarten. Ihre Einverstandniserklarung sei unwirksam, weil sie notariell\nhatte beurkundet werden mussen; der Eigentumer sei bei Abgabe derartiger\nErklarungen in gleicher Weise schutzwurdig wie bei einem\nGrundstuckskaufvertrag. Es fehle auch am Schriftformerfordernis nach § 37 Abs.\n2 StrG, weil die Einverstandniserklarung selbst nicht erkennen lasse, welche\nkonkreten Grundstucksflachen betroffen seien; entsprechend § 126 Abs. 2 BGB\nhatte dazu auch der der Erklarung zugrunde liegende Lageplan von ihnen\nunterzeichnet werden mussen. Es treffe nicht zu, dass die Straßenbaubehorde\nals Vorhabentrager richtiger Adressat und Empfangsberechtigter der\nEinverstandniserklarung im Sinne des § 37 Abs. 2 StrG sei. Allein die\nZulassungsbehorde habe uber die Verfahrensart zu entscheiden. Die\nStraßenbaubehorde habe auch nicht als Vertreter des Regierungsprasidiums\nTubingen gehandelt, vielmehr sei der Vorhabentrager im Verhaltnis zwischen\nZulassungsbehorde und betroffenen Burgern lediglich Dritter; als solcher konne\ner keine Aufgaben der Genehmigungsbehorde ubernehmen. Außerdem sei gemaß § 183\nBGB eine Zustimmung „bis zur Vornahme des Rechtsgeschafts" grundsatzlich frei\nwiderruflich. Somit hatte die Einverstandniserklarung sogar bis zur Erteilung\nder Plangenehmigung - auf die sie abziele - widerrufen werden konnen. Dies\nfolge auch aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.11.2001 -\n9 VR 9.01 -, wonach maßgeblicher Zeitpunkt fur die Beurteilung der\nRechtmaßigkeit der Plangenehmigung und damit auch fur das Vorliegen der\nnotwendigen Einverstandniserklarungen der Zeitpunkt der letzten\nVerwaltungsentscheidung sei. Wegen der irrigen Annahme einer wirksamen\nEinverstandniserklarung habe das Regierungsprasidium keine Abwagung ihrer\nBelange vorgenommen. Auch im Ergebnis sei die Inanspruchnahme ihrer\nGrundstucke zur Erstellung eines Radweges unverhaltnismaßig. Insoweit seien\nkeine Planvarianten - insbesondere Errichtung des Radweges auf der anderen\nStraßenseite - untersucht worden. Es sei auch kein offentliches Interesse an\nder Erstellung des Radweges ersichtlich, welches den erheblichen Landverbrauch\nrechtfertigen konnte. \n--- \n| 21 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n| 22 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Er wiederholt im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. \n--- \n| 24 \n--- \n| Erganzend wird Bezug genommen auf die Niederschrift uber die mundliche\nVerhandlung vor dem Senat am 1.4.2004, die Akte des Verwaltungsgerichts\nSigmaringen sowie die Akten des Regierungsprasidiums Tubingen und des\nStraßenbauamts Ravensburg. \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 25 \n--- \n| Die aufgrund der Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch\nsonst zulassige Berufung ist nicht begrundet. Das Verwaltungsgericht hat im\nErgebnis zu Recht entschieden, dass die angefochtene Plangenehmigung die\nKlager nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). \n--- \n| 26 \n--- \n| Das Verwaltungsgericht hat allerdings zu Unrecht angenommen, dass die Klage\nunzulassig sei, weil die Klager aufgrund der wirksamen Einverstandniserklarung\nihre Abwehrrechte verloren hatten; denn die Frage der Wirksamkeit der\nEinverstandniserklarung ist gerade Streitgegenstand. Der Senat teilt auch\nnicht die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Einverstandniserklarung\nbindend sei (siehe unten 1.). Die Plangenehmigung ist jedoch unabhangig davon\nrechtmaßig; das vereinfachte Plangenehmigungsverfahren durfte durchgefuhrt\nwerden (unten 2.a) und die Plangenehmigung wird den aus Art. 14 Abs. 3 GG\nfolgenden Geboten der Gesetzmaßigkeit und der Gemeinwohldienlichkeit der\nEnteignung gerecht (unten 2.b). \n--- \n| 27 \n--- \n| 1\\. Die Einverstandniserklarung vom 26.3.2001 ist nicht wirksam geworden,\nso dass die Klager ihre Abwehrrechte uneingeschrankt geltend machen konnen. \n--- \n| 28 \n--- \n| a) Zunachst hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass das von\nden Klagern abgegebene Einverstandnis mit der Inanspruchnahme ihres\nGrundeigentums ihre Rechtsgrundlage in den §§ 37 Abs. 2 Satz 1 StrG, 74 Abs. 6\nSatz 1 Nr. 1 Alt. 2 LVwVfG findet. Dafur spricht schon die Formulierung der\nErklarung, die sich mit dem Wortlaut des § 74 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 LVwVfG\ndeckt. Wie auch die mundliche Verhandlung bestatigt hat, war allen Beteiligten\nklar, dass es darum ging, die Voraussetzungen zu schaffen, um die\nVerwirklichung des Vorhabens zu beschleunigen und das vereinfachte\nPlangenehmigungsverfahren durchfuhren zu konnen. Dementsprechend war der\nVorhabentrager bestrebt, die Einverstandniserklarung aller betroffenen\nEigentumer einzuholen, um sie zusammen mit dem Genehmigungsantrag der\nZulassungsbehorde vorzulegen. Auch der Zusatz in der Einverstandniserklarung,\n„die Regelungen des Grunderwerbs, insbesondere der Kaufpreis und etwaiger\nsonstiger Entschadigungen" sollten gesondert erfolgen, macht deutlich, dass es\nnicht um Fragen des Eigentums- oder Besitzerwerbs seitens des Vorhabentragers\nging, sondern um die behordliche Zulassung des Vorhabens. Die\nGrunderwerbsverhandlungen sollten erst im Anschluss an die Zulassung\naufgenommen werden (Erlauterungsbericht, S. 57). \n--- \n| 29 \n--- \n| b) Zutreffend ist auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die\nEinverstandniserklarung vom 26.3.2001 weder formnichtig noch in entsprechender\nAnwendung der §§ 119 ff., 183 BGB unwirksam ist. Dem Schriftformerfordernis\ndes § 74 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 LVwVfG ist Genuge getan. Das schriftliche\nEinverstandnis lasst entgegen der Auffassung der Klager nicht offen, auf\nwelche konkreten Grundstucksteile es sich bezieht. In der Erklarung selbst\nwird vermerkt, dass ihr die - seither unveranderten - Planunterlagen vom\n12.3.2001 zugrunde liegen. Diesen Unterlagen lasst sich genau entnehmen,\nwelche Flachen in Anspruch genommen werden sollen. Die schriftliche Erklarung\nist daher hinreichend bestimmt. Zu Unrecht meinen die Klager, die\nEinverstandniserklarung habe mit Blick auf den Schutzzweck des § 311 b BGB\n(alt: § 313 BGB) der notariellen Beurkundung bedurft. Denn das Einverstandnis\nnach § 74 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 LVwVfG begrundet keine Pflicht zur Veraußerung\nder benotigten Grundstucke, so dass gegebenenfalls noch ein\nEnteignungsverfahren durchgefuhrt werden muss. Es kann dahinstehen, ob\nEinverstandniserklarungen im Sinne des § 74 Abs. 6 S. 1 Nr. 1 LVwVfG\nangesichts ihrer weitreichenden verfahrensrechtlichen Wirkungen uberhaupt und\nwenn ja aus welchen Grunden entsprechend §§ 119 ff BGB anfechtbar sind (zur\nMoglichkeit einer Anfechtung der Zustimmungserklarung des Angrenzers nach § 55\nLBO wegen Drohung vgl. Senatsbeschl. v. 24.4.1980 - 8 S 103/80 -). Jedenfalls\nliegen keine Anfechtungsgrunde vor. Die Klager wurden nicht im Sinne des § 123\nAbs. 1 Alt. 1 BGB daruber im Unklaren gelassen, dass die Unterzeichnung des\nEinverstandnisses nicht gleichbedeutend ist mit der Realisierung ihrer\nBauwunsche. Wie die mundliche Verhandlung bestatigt hat, war ihnen die\nfehlende rechtliche Verknupfung bekannt. Denn der Burgermeister der Gemeinde\nSchlier hatte ihnen gegenuber lediglich erklart, er wolle sich im Falle der\nUnterzeichnung beim Gemeinderat fur ihre Belange einsetzen. Auch eine\nAnfechtung wegen Drohung in entsprechender Anwendung des § 123 Abs. 1 Alt. 2\nBGB kommt nicht in Betracht. Dabei kann unterstellt werden, dass den Klagern\ngegenuber geaußert wurde, sie wurden enteignet und erhielten „nichts\ngenehmigt", falls sie sich weigerten, die Einverstandniserklarung zu\nunterzeichnen. Zum einen liegen auch nach dem Eindruck der mundlichen\nVerhandlung keine Anhaltspunkte dafur vor, dass die Klager sich bei Abgabe des\nEinverstandnisses maßgeblich von diesen Äußerungen leiten ließen und nicht von\nder Erwartung, die Gemeinde Schlier und der Gemeindeverwaltungsverband Gullen\nwurden ihnen bei ihren Bauwunschen entgegen kommen. Zum anderen fehlt es auch\nan einer widerrechtlichen Drohung. Das Straßengesetz sieht die Enteignung als\neine Moglichkeit zur Durchsetzung - rechtmaßiger - Straßenbauvorhaben vor (§\n40 StrG). Mangels abweichender Darlegungen der Klager ist davon auszugehen,\ndass sich die Äußerung des Burgermeisters der Gemeinde Schlier, die Klager\nerhielten im Weigerungsfalle „nichts genehmigt", auf das Abstimmungsverhalten\ndes Gemeinderates bei der Entscheidung uber ihre Bauwunsche bezog. Ein solcher\nHinweis stellt jedoch keine widerrechtliche Drohung dar. Schließlich ist die\nEinverstandniserklarung auch nicht deshalb unwirksam, weil sie in\nentsprechender Anwendung des § 183 BGB sogar bis zur Erteilung der\nPlangenehmigung hatte frei widerrufen werden konnen. Diese Vorschrift ist\nnicht anwendbar, weil die Einverstandniserklarung fur die Verfahrensart von\nBedeutung ist, die Zulassung des Vorhabens selbst indes nicht von der\nZustimmung der betroffenen Eigentumer abhangt (vgl. Senatsurteil vom 18.9.1974\n- VIII 1026/73 - zur Zustimmungserklarung des Angrenzers nach § 55 LBO). Der\nEntscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.11.2001 - 9 VR 9/01 - lasst\nsich fur die gegenteilige Auffassung der Klager nichts entnehmen; sie betrifft\nnur die Frage des maßgeblichen Zeitpunkts fur die Beurteilung (unter anderem)\nder Wirksamkeit der Einverstandniserklarung, besagt jedoch nichts uber die\nWirksamkeitsvoraussetzungen selbst. \n--- \n| 30 \n--- \n| c) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war jedoch die\nStraßenbaubehorde als offentlich-rechtlicher Vorhabentrager nicht der\nletztlich zutreffende Adressat der Einverstandniserklarung, sondern allein das\nRegierungsprasidium Tubingen als gemaß § 37 Abs. 8 StrG zustandige Anhorungs-\nund Genehmigungsbehorde (Zulassungsbehorde). Daraus folgt, dass das\nEinverstandnis in entsprechender Anwendung des § 130 Abs. 1 und 3 BGB\nunwirksam ist, weil dem Regierungsprasidium zugleich mit der\nEinverstandniserklarung und dem Genehmigungsantrag das Widerrufsschreiben der\nKlager vom 5.4.2001 zuging (zur erganzenden Anwendung des BGB auf\nWillenserklarungen im Verwaltungsverfahren vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7.\nAufl., § 62 Rn. 7 m.w.N.). \n--- \n| 31 \n--- \n| Dass sich das Einverstandnis letztlich allein an die Zulassungsbehorde\nrichtet, folgt zwar nicht aus dem Wortlaut des § 74 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1\nLVwVfG, jedoch aus seiner gesetzlichen Ausgestaltung als offentlich-rechtliche\nErklarung, die sich auf das konkrete Zulassungsverfahren bezieht. Sie ist\nTatbestandsvoraussetzung fur die nach Ermessen zu treffende Entscheidung, ob\nanstelle eines Planfeststellungsverfahrens mit Planauslegung,\nÖffentlichkeitsbeteiligung und Erorterungstermin (§ 73 LVwVfG) das\nvereinfachte Plangenehmigungsverfahren durchgefuhrt werden soll. Entsprechend\ndieser verfahrensrechtlichen Funktion des Einverstandnisses zielt auch sein\nErklarungsgehalt auf das Zulassungsverfahren. Es bedeutet namlich inhaltlich\nden endgultigen Verzicht auf die aus dem Eigentum folgenden Abwehrrechte gegen\ndie Zulassung des Vorhabens, die als grundstucksbezogene offentlich-rechtliche\nErklarung im Übrigen auch den Rechtsnachfolger bindet (vgl. jeweils zur\nZustimmungserklarung des Nachbarn nach § 55 LBO Senatsurteile vom 22.12.1989 -\n8 S 2755/89 - , VBlBW 1990, 188 und vom 18.9.1974, a.a.O.; Urteile des\nerkennenden Gerichtshofs vom 1.4.1982 - 5 S 278/82, NVwZ 1983, 229 und vom\n16.8.1978 - III 470/78, BRS 33 Nr. 176; zum Verfahrenscharakter der\nEinverstandniserklarung vgl. BT-Drs. 12/1092, S. 10 zu § 4\nVerkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz und BT-Drs. 12/4328, S. 19 zu § 36 b\nBBahnG). Nur der endgultige und umfassende Ausschluss der\nEigentumereinwendungen im Zulassungsverfahren vermittelt die\nVerfahrenssicherheit, die notwendig ist, um den mit der Wahl des\nPlangenehmigungsverfahrens bezweckten Vereinfachungs- und\nBeschleunigungseffekt nicht ins Gegenteil zu verkehren, zumal bei dieser\nVerfahrensart die Einwendungspraklusion nach § 73 Abs. 4 Satz 3 LVwVfG nicht\ngreift. Eigentlicher Adressat der Einverstandniserklarung kann danach nur\ndiejenige Behorde sein, die uber die Verfahrensart entscheidet und der\ngegenuber ansonsten die Abwehrrechte gegen die Zulassung des Vorhabens geltend\nzu machen waren. Nach § 37 Abs. 8 StrG ist dies unter beiden Gesichtspunkten\nallein das Regierungsprasidium als fur das gesamte Verfahren zustandige\nZulassungsbehorde und nicht die von ihr getrennte Straßenbauverwaltung als\nVorhabentrager (zu abweichenden Fallen der Identitat zwischen\nZulassungsbehorde und Vorhabentrager vgl. BVerwG, Beschlusse vom 9.4.1987 - 4\nB 73.87 - , NVwZ 1987, 886 und vom 17.3.1998 - 4 B 25.98 - , NVwZ 1998, 737).\nEntgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist deshalb auch unerheblich,\ndass die Straßenbauverwaltung eine ihr gemaß § 9 Abs. 1 StrG obliegende\noffentliche Aufgabe wahrnimmt, wenn sie den Bau neuer oder die Verbesserung\nbestehender Straßen plant und - wie hier - im Stadium der Planausarbeitung\nversucht, die Einverstandniserklarungen der betroffenen Eigentumer einzuholen,\num sie zusammen mit den Planunterlagen und dem Antrag auf Zulassung des\nProjekts der Zulassungsbehorde vorzulegen. Denn diese Aufgabe nimmt sie\naußerhalb des Zulassungsverfahrens wahr, das erst dann beginnt, wenn der\nVorhabentrager nach Abschluss der Planvorbereitung die Zulassung des Vorhabens\nbeantragt. Somit ist die Einverstandniserklarung nach § 74 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1\nAlt. 2 LVwVfG als nach Funktion und Inhalt auf das Zulassungsverfahren\nbezogene offentlich-rechtliche Erklarung allein an die Zulassungsbehorde\ngerichtet. Sie kann folglich gemaß § 130 Abs. 1 und 3 BGB bis zu ihrem Zugang\nbei der Zulassungsbehorde und außerdem bis zum Beginn des Zulassungsverfahrens\nmit Antragstellung widerrufen werden. \n--- \n| 32 \n--- \n| Der Senat hat erwogen, ob die Klager mit Blick auf den auch im offentlichen\nRecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben gehindert sind, ihre\neigentumsrechtlichen Abwehrrechte geltend zu machen. Die Anwendung dieses\nGrundsatzes konnte unter dem Gesichtspunkt widerspruchlichen und treuwidrigen\nVerhaltens des Eigentumers gegenuber dem Vorhabentrager in Betracht kommen,\nwenn der Widerruf einer Einverstandniserklarung grundlos erfolgt (vgl.\nSenatsurteil vom 9.11.1990 - 8 S 1714/90 -, VBlBW 1991, 218 zur Treuwidrigkeit\nder Geltendmachung von Abwehrrechten im Baugenehmigungsverfahren nach\nvorangegangenem privatrechtlichem Einverstandnis gegenuber dem Bauherrn). Der\nVorhabentrager muss bei seinen Bemuhungen, die Voraussetzungen fur die\nDurchfuhrung des vereinfachten Plangenehmigungsverfahrens herbeizufuhren, auf\nden Bestand einmal abgegebener Einverstandniserklarungen vertrauen konnen;\ndenn er bedarf dazu der Erklarungen aller betroffenen Eigentumer, so dass der\nWiderruf auch nur eines Einverstandnisses alle Bemuhungen zunichte machen\nkann. Die Frage eines Einwendungsausschlusses wegen treuwidrigen Widerrufs des\nEinverstandnisses vor Zugang bei der Zulassungsbehorde bedarf vorliegend indes\nkeiner abschließenden Klarung, weil der Widerruf der Klager nicht grundlos\nerfolgt ist. Unstreitig haben sie das Einverstandnis in der ausdrucklich\ngeaußerten Erwartung abgegeben, dass daraufhin die Gemeinde Schlier ihren\nBauwunschen entgegenkommen werde. Der Widerruf erfolgte, nachdem sich\nabgezeichnet hatte, dass dies nicht der Fall sein wird. Daher stellt sich der\nWiderruf weder als widerspruchliches Verhalten der Klager dar noch konnte ein\nschutzwurdiges Vertrauen des Vorhabentragers enttauscht werden. \n--- \n| 33 \n--- \n| Nach allem konnen sich die Klager auf ihre eigentumsrechtlichen\nAbwehrrechte berufen. \n--- \n| 34 \n--- \n| 2\\. Die Plangenehmigung ist jedoch rechtmaßig und verletzt daher die Klager\nnicht in ihren Rechten. \n--- \n| 35 \n--- \n| a) Die Klager rugen zunachst, dass anstelle des Plangenehmigungsverfahrens\nein Planfeststellungsverfahren hatte durchgefuhrt werden mussen. Es kann\ndahinstehen, ob der damit geltend gemachte Verfahrensmangel schon deshalb\nirrelevant ist, weil er sich nicht auf den konkreten Zugriff auf das\nGrundeigentum der Klager auswirken kann (vgl. BVerwGE 67, 74, 77 f.; 74, 109,\n112 ff.; 77, 86, 91; st. Rspr.). Denn die Wahl des Plangenehmigungsverfahrens\nist jedenfalls in der Sache nicht zu beanstanden. \n--- \n| 36 \n--- \n| Dieses Verfahren ist in Fallen enteignungsrechtlicher Vorwirkung nicht etwa\nausgeschlossen, wie die Klager meinen. Vielmehr bezieht sich die\nTatbestandsvoraussetzung der „nicht wesentlichen" Rechtsbeeintrachtigung in §\n37 Abs. 2 Satz 1 StrG gerade auf die Falle, in denen die Planungsentscheidung\nGrundlage fur eine Inanspruchnahme des Grundeigentums ist. Denn nur insoweit\nkann die Plangenehmigung uberhaupt enteignungsrechtliche Vorwirkung gemaß § 37\nAbs. 2 Satz 2 StrG entfalten, nicht jedoch bei Vorliegen der alternativen\nTatbestandsvoraussetzungen der „fehlenden Rechtsbeeintrachtigung" oder dem\n„Einverstandnis" der betroffenen Eigentumer; folgerichtig ist eine\nenteignungsrechtliche Vorwirkung in der allgemeinen Vorschrift des § 74 Abs. 6\nLVwVfG auch nicht vorgesehen (vgl. LT-Drs. 12/1830, S. 21; ebenso zu den\ngleichen Vorschriften der §§ 17, 19 FStrG Marschall/Schroeter/Kastner,\nBFernStrG, 5. Aufl., § 17 Rn. 195, S. 631; vgl. auch Schmitz/Wessendorf, NVwZ\n1996, 955, 960; ebenso bereits Senatsurteil v. 15.7.1994 - 8 S 1196/94 -, NuR\n1996, 34 zu § 37 Abs. 2 StrG a.F., der noch keine Klarstellung der\nenteignungsrechtlichen Vorwirkung enthielt; anderer Auffassung wohl - noch zur\nalten Fassung - 5. Senat des erkennenden Gerichtshofs im Urteil v. 10.11.1992\n- 5 S 517/ 91 -, NuR 1994, 192). Im konkreten Fall ist auch eine nur\nunwesentliche Rechtsbeeintrachtigung im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 StrG\ngegeben. Werden - wie hier - Teilflachen von Grundstucken in Anspruch\ngenommen, bestimmt sich die Intensitat der Rechtsbeeintrachtigung entgegen der\nAuffassung der Klager nicht in erster Linie nach der absoluten Große der\nbenotigten Flachen, sondern vorrangig nach einem Vergleich der\nNutzungsmoglichkeiten des Grundstucks vor und nach dem Eigentumsentzug. Ergibt\ndieser Vergleich, dass die bisherige Moglichkeit zur Bewirtschaftung und\nNutzung des Grundstucks infolge des Eigentumsentzugs allenfalls geringfugig\nvermindert oder erschwert wird, liegt in der Regel eine nur unwesentliche\nRechtsbeeintrachtigung vor (vgl. LT-Drs. 12/1830, S. 21; BT-Drs. 12/4328, S.\n26; Nagel, StrG Bad.-Wurtt., 3. Aufl., § 37 Rn. 8; so auch BVerwG, Beschl. v.\n15.12.1995 - 4 A 19/95 - zur gleichlautenden Vorschrift des § 17 FStrG;\nMarschall/Schroeter/Kastner, BFStrG, 5. Aufl., § 17 Rn. 196). Diese\nVoraussetzung fur die Durchfuhrung des Plangenehmigungsverfahrens ist\nvorliegend gegeben. Von den beiden Grundstucken der Klager werden lediglich\netwa 1,9% und 1,1% auf Dauer sowie 1,7% und 1,9% vorubergehend in Anspruch\ngenommen, und zwar jeweils am Rande der Grundstucke entlang der bestehenden L\n325 (vgl. BVerwG, Beschl. vom 15.12.1995, a.a.O.: Unwesentliche\nBeeintrachtigung selbst bei einer Inanspruchnahme von 6,35% der\nGrundstucksflache). In der mundlichen Verhandlung haben die Klager auf\nNachfrage auch nicht mehr erklart, dass sich die Restflache nur noch unter\nerschwerten Umstanden bewirtschaften lasse. Eine nur unwesentliche\nRechtsbeeintrachtigung ist im Übrigen auch hinsichtlich des Eigentumers\ngegeben, der keine Einverstandniserklarung abgegeben hat; von dessen\nGrundstucken werden lediglich 1,17% und 1,05% der Gesamtflache benotigt. Daher\nbedarf hier auch keiner Erorterung, ob sich der Enteignungsbetroffene unter\ndem Gesichtspunkt der Gesetzmaßigkeit der Enteignung auf die Verletzung der\nRechte anderer Eigentumer berufen kann, wenn diese selbst keinen Rechtsschutz\nbegehren. \n--- \n| 37 \n--- \n| Schließlich konnen die Klager aus Art. 14 Abs. 3 GG auch keinen Anspruch\nauf Durchfuhrung eines Planfeststellungsverfahrens mit Planauslegung,\nÖffentlichkeitsbeteiligung und Erorterungstermin herleiten (vgl. aber BT-Drs.\n13/3995, S. 10; kritisch auch Honig, in: Stuer (Hrsg.), Planungsrecht, Bd. 1,\n1997, S. 170 ff.; Stelkens/Bonk, a.a.O., § 74 Rn. 157; Stuer, Handbuch des\nBau- und Fachplanungsrechts, 2. Aufl., S. 887 f.). Es bedarf vorliegend keiner\nKlarung, ob das aufwandige Planfeststellungsverfahren bei einer komplexen,\neine Vielzahl widerstreitender offentlicher und privater Belange beruhrenden\nPlanung verfassungsrechtlich geboten ist, um eine umfassende Ermittlung und\nBewertung des maßgeblichen Sachverhalts und moglicher Alternativen zu\ngewahrleisten. Denn das vereinfachte Plangenehmigungsverfahren mit\nenteignungsrechtlicher Vorwirkung ist fur diese Falle gerade nicht vorgesehen.\nEs darf vielmehr nur dann durchgefuhrt werden, wenn mit den Tragern der\noffentlichen Belange das Benehmen hergestellt werden konnte (§ 74 Abs. 6 Satz\n1 Nr. 2 LVwVfG) und außerdem die Eigentumerbelange im oben genannten Sinne\nnicht wesentlich beeintrachtigt werden (§ 37 Abs. 2 Satz 1 StrG). Die\nPlangenehmigung ist damit nach dem Willen des Gesetzgebers auf Vorhaben\nbeschrankt, die lediglich uberschaubare und eindeutig losbare\nInteressenkonflikte auslosen (LT-Drs. 10/6327, S. 14 f.). Jedenfalls bei\nsolchen Vorhaben konnen die betroffenen offentlichen und privaten Belange auch\nim vereinfachten Plangenehmigungsverfahren hinreichend ermittelt und bewertet\nund durch Abwagung zu einer am Gemeinwohl nach Art. 14 Abs. 3 GG\nausgerichteten Entscheidung verarbeitet werden (vgl. bereits Senatsurteil vom\n15.7.1994, a.a.O.). Gerade der vorliegende Fall des Ausbaus einer bereits\nbestehenden Straße bietet hierfur geeignetes Anschauungsmaterial. \n--- \n| 38 \n--- \n| b) Die Plangenehmigung ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Der\nkonkrete Zugriff auf das Grundeigentum der Klager genugt den Anforderungen des\nArt. 14 Abs. 3 GG, weil er gesetzmaßig und gemeinwohldienlich ist. \n--- \n| 39 \n--- \n| Der Eigentumsschutz gegenuber einer mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung\nversehenen Entscheidung des Fachplanungsrechts verwirklicht sich zunachst\neinmal dadurch, dass das Vorhaben den Zielsetzungen des Fachplanungsgesetzes\ndient, gemessen daran „vernunftigerweise geboten" ist und die konkret\nverfolgten offentlichen Interessen nach ihrem Gewicht fur sich genommen\ngeeignet sind, entgegenstehende Eigentumsrechte zu uberwinden (sog.\nPlanrechtfertigung, vgl. BVerwGE 71, 166, 168 m.w.N.; st. Rspr.). Diese\nVoraussetzungen sind hier gegeben. Ziel der Maßnahme ist die Verbesserung der\nSicherheit und Flussigkeit des Verkehrs auf der L 325; sie dient damit den\nZielsetzungen des § 9 Abs. 1 StrG. Angesichts der geringen Breite der\nbestehenden Straße, dem tatsachlichen Verkehrsaufkommen und der vorhandenen\nStraßenkuppe kann auch kein Zweifel daran bestehen, dass das Vorhaben\n„vernunftigerweise geboten" ist (dazu im Einzelnen der Erlauterungsbericht, S.\n5 f.). Dies gilt auch fur den Bau des Geh- und Radweges. Im\nErlauterungsbericht wird insoweit zu Recht auf den Umfang des bestehenden und\nzu erwartenden Fahrradverkehrs und insbesondere auf den Umstand verwiesen,\ndass die Grund- und Hauptschuler des Teilorts Fenken auf der L 325 zur Schule\nin den Hauptort Schlier fahren mussen; dass ein Bedarf fur die Maßnahme\nbesteht, zeigt sich auch daran, dass der seit 1990 im Radwegeprogramm des\nLandkreises Ravensburg enthaltene Geh- und Radweg bei der\nProgrammfortschreibung 1996 in die erste Prioritat aufgenommen worden ist\n(vgl. Erlauterungsbericht, S. 1, 4 und 6). Es bedarf keiner naheren\nAusfuhrungen, dass diese Ziele der Verkehrssicherheit und der Flussigkeit des\nVerkehrs sowohl generell als auch gemessen am konkreten Bedarf im vorliegenden\nFall geeignet sind, den Gemeinwohlbezug des Vorhabens im Sinne des Art. 14\nAbs. 3 GG herzustellen (zum ausreichenden Gemeinwohlbezug von\nStraßenbauvorhaben vgl. BVerwGE 71, 166, 168; 84, 123, 130 ff.; vgl. auch\nKopp/Ramsauer, VwVfG, a.a.O., § 74 Rn. 33). \n--- \n| 40 \n--- \n| Der konkrete Eigentumsentzug beruht auch nicht auf einer Verletzung\nstrikter Rechtsvorschriften (grundlegend zur Prufung der Gesetzmaßigkeit der\nEnteignung BVerwGE 67, 74, 76 ff.; st. Rspr.). Nach der zum maßgeblichen\nZeitpunkt des Erlasses der Plangenehmigung am 18.7.2002 geltenden Fassung des\nLandesgesetzes uber die Umweltvertraglichkeitsprufung vom 12.12.1991 (GBl.\n1991, 848) unterlag das Vorhaben schon deshalb keiner UVP-Prufung, weil es\nkeiner Planfeststellung bedurfte (§ 3 i.V.m. Anlage Ziff. 4). Es kann\ndahinstehen, ob diese Vorschrift unvereinbar war mit der Änderungsrichtlinie\n97/11/EG des Rates vom 3.3.1997, wie das Regierungsprasidium im\nPlangenehmigungsbescheid angenommen hat; offen bleiben kann auch, ob sich ein\nEnteignungsbetroffener mit Blick auf die Gesetzmaßigkeit der Enteignung darauf\nberufen kann, dass eine Richtlinie europarechtswidrig noch nicht in nationales\nRecht umgesetzt wurde. Denn das Vorhaben war nach der oben genannten\nÄnderungsrichtlinie auch der Sache nach nicht UVP-pflichtig; der Senat folgt\ninsoweit uneingeschrankt den Ausfuhrungen in der Plangenehmigung (§ 117 Abs. 5\nVwGO). Auch das naturschutzrechtliche Vermeidungs- und Ausgleichsgebot nach §\n11 Abs. 1 Nr. 2 und 3, Abs. 2 NatSchG ist nicht verletzt. Im\nlandschaftspflegerischen Begleitplan, auf den die Plangenehmigung Bezug nimmt,\nwerden die vorhabenbedingten Eingriffe in Natur und Landschaft im Einzelnen\ndargestellt und - auch im Hinblick auf ihre Vermeidbarkeit - bewertet. Diesen\nEingriffen werden die Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen gegenubergestellt,\num sodann Bilanz zu ziehen. Die darauf gestutzte Einschatzung der\nZulassungsbehorde, alle technisch moglichen und verhaltnismaßigen Maßnahmen\nzur Vermeidung und Verminderung von Beeintrachtigungen wurden ergriffen und\nunvermeidbare Beeintrachtigungen im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2\nNatSchG ausgeglichen, ist nicht zu beanstanden; sie wird im Übrigen auch von\nden Klagern nicht in Frage gestellt. \n--- \n| 41 \n--- \n| Ob die konkrete Planung insgesamt rechtmaßig ist und ob das Wohl der\nAllgemeinheit die Enteignung gerade auch des Eigentums der Klager\nrechtfertigt, ergibt sich abschließend erst aufgrund einer Abwagung der von\nder konkreten Planung beruhrten offentlichen und privaten Belange\ngegeneinander und untereinander (vgl. BVerwGE 71, 166, 170; 72, 15, 24 f.;\nvgl. dazu auch BVerfG, Kammerbeschl. vom 9.6.1987 - 1 BvR 418/87, NVwZ 1987,\n967). Das hier einschlagige Abwagungsgebot des § 37 Abs. 5 Satz 1 StrG ist\nvorliegend nicht verletzt; die Zulassungsbehorde hat weder die Bedeutung der\ndem konkreten Vorhaben entgegenstehenden offentlichen und privaten Belange\nverkannt noch einen Ausgleich der fur und wider das Vorhaben streitenden\nBelange vorgenommen, die zu der objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange\naußer Verhaltnis steht (vgl. BVerwGE 72, 15, 24 f.). \n--- \n| 42 \n--- \n| Zum einen durfte die Zulassungsbehorde den - gewichtigen - Zielen der\nVerbesserung der ortlichen Verkehrsverhaltnisse den Vorrang vor dem\nwiderstreitenden offentlichen Interesse am unveranderten Erhalt von Natur und\nLandschaft geben, zumal die Eingriffe ausgeglichen werden und die\nlandschaftspflegerischen Maßnahmen eine Vergroßerung des derzeit vorhandenen\nPflanzbestandes bewirken. Auch hinsichtlich der Belange der Klager ist kein\nAbwagungsmangel zu erkennen. Die Klager meinen zu Unrecht, ihre Interessen\nseien wegen der Einverstandniserklarung uberhaupt nicht berucksichtigt worden.\nIn der Plangenehmigung wird ausdrucklich eine Abwagung mit den betroffenen\nprivaten Belangen vorgenommen, die sich entgegen der Annahme der Klager auch\nauf die Frage bezieht, ob der Geh- und Radweg - wie von ihnen verlangt - auf\ndie andere nordliche Straßenseite verlegt werden kann. Eine solche\nTrassenfuhrung wurde jedoch unter anderem aus Grunden der Verkehrssicherheit,\ndes Grundwasserschutzes (dort befindet sich ein Wasserschutzgebiet Zone III a)\nund wegen der dort vorhandenen Bebauung verworfen (Erlauterungsbericht, S. 8\nund 21). Diese Überlegungen sind nach den Planunterlagen nicht nur\nnachvollziehbar, sondern drangen sich geradezu auf. In der mundlichen\nVerhandlung haben die Klager des weiteren gerugt, die Inanspruchnahme ihres\nGrundeigentums sudlich der L 325 zu Zwecken des naturschutzrechtlichen\nAusgleichs beruhe auf einer unzureichenden Ermittlung und Bewertung des\nvorhandenen Baumbestandes. Das trifft jedoch nicht zu. Ausweislich des\nlandschaftspflegerischen Begleitplans wurde jeder einzelne dort vorhandene\nBaum nach Zustand und Vitalitat erfasst (Begleitplan, S. 89 und 96). Diese\nstraßenbegleitenden Obstbaume wurden - mit sechs weiteren Baumen auf der\ngegenuberliegenden Straßenseite - als besonders bedeutsam fur das\nLandschaftsbild bewertet (attraktive Allee am Ortseingang von Fenken, vgl.\nBegleitplan S. 33, 39, 50 und 96). Um diese Baume zu erhalten und einen\nAusgleich fur den unvermeidlichen Verlust der straßenbegleitenden Obstbaume\nauf der gegenuberliegenden Straßenseite durch Pflanzung weiterer\nObstbaumhochstamme schaffen zu konnen, wird der Geh- und Radweg zu Lasten des\nEigentums der Klager auf funf Meter von der Fahrbahn abgeruckt\n(Erlauterungsbericht S. 50 sowie Bestands- und Konfliktplan 1 und\nMaßnahmenplan 1 in der Akte des Straßenbauamts). Diese Inanspruchnahme des\nEigentums der Klager fur naturschutzrechtliche Vermeidungs- und\nAusgleichsmaßnahmen kann nicht beanstandet werden. Sie ist von der\nEnteignungsermachtigung des § 40 StrG gedeckt, weil die Maßnahmen nach § 11\nNatSchG notwendig sind, um das - seinerseits dem Wohl der Allgemeinheit\ndienende - Straßenbauvorhaben realisieren zu konnen (vgl. BVerwG, Urteil vom\n23.8.1996 - 4 A 29.95, NVwZ 1997, 486; zu der auch die Anforderungen\nplanerischer Konfliktbewaltigung einschließenden Reichweite fachgesetzlicher\nEnteignungsermachtigungen vgl. auch BVerfG, Kammerbeschl. vom 9.6.1987,\na.a.O.). Diesem - nach seinen Modalitaten im einzelnen noch nicht bestimmten -\nEigentumszugriff stehen keine uberwiegenden Interessen der Klager entgegen.\nWie bereits dargelegt, lasst der Verlust der Flachen entlang der L 325 die\nderzeit bestehenden Nutzungsmoglichkeiten nahezu unberuhrt. Dasselbe gilt,\nsoweit Flachen unmittelbar fur das Straßenbauvorhaben selbst benotigt werden. \n--- \n| 43 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. \n--- \n| 44 \n--- \n| Grunde fur eine Zulassung der Revision gemaß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht\ngegeben. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 25 \n--- \n| Die aufgrund der Zulassung durch das Verwaltungsgericht statthafte und auch\nsonst zulassige Berufung ist nicht begrundet. Das Verwaltungsgericht hat im\nErgebnis zu Recht entschieden, dass die angefochtene Plangenehmigung die\nKlager nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). \n--- \n| 26 \n--- \n| Das Verwaltungsgericht hat allerdings zu Unrecht angenommen, dass die Klage\nunzulassig sei, weil die Klager aufgrund der wirksamen Einverstandniserklarung\nihre Abwehrrechte verloren hatten; denn die Frage der Wirksamkeit der\nEinverstandniserklarung ist gerade Streitgegenstand. Der Senat teilt auch\nnicht die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Einverstandniserklarung\nbindend sei (siehe unten 1.). Die Plangenehmigung ist jedoch unabhangig davon\nrechtmaßig; das vereinfachte Plangenehmigungsverfahren durfte durchgefuhrt\nwerden (unten 2.a) und die Plangenehmigung wird den aus Art. 14 Abs. 3 GG\nfolgenden Geboten der Gesetzmaßigkeit und der Gemeinwohldienlichkeit der\nEnteignung gerecht (unten 2.b). \n--- \n| 27 \n--- \n| 1\\. Die Einverstandniserklarung vom 26.3.2001 ist nicht wirksam geworden,\nso dass die Klager ihre Abwehrrechte uneingeschrankt geltend machen konnen. \n--- \n| 28 \n--- \n| a) Zunachst hat das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass das von\nden Klagern abgegebene Einverstandnis mit der Inanspruchnahme ihres\nGrundeigentums ihre Rechtsgrundlage in den §§ 37 Abs. 2 Satz 1 StrG, 74 Abs. 6\nSatz 1 Nr. 1 Alt. 2 LVwVfG findet. Dafur spricht schon die Formulierung der\nErklarung, die sich mit dem Wortlaut des § 74 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 LVwVfG\ndeckt. Wie auch die mundliche Verhandlung bestatigt hat, war allen Beteiligten\nklar, dass es darum ging, die Voraussetzungen zu schaffen, um die\nVerwirklichung des Vorhabens zu beschleunigen und das vereinfachte\nPlangenehmigungsverfahren durchfuhren zu konnen. Dementsprechend war der\nVorhabentrager bestrebt, die Einverstandniserklarung aller betroffenen\nEigentumer einzuholen, um sie zusammen mit dem Genehmigungsantrag der\nZulassungsbehorde vorzulegen. Auch der Zusatz in der Einverstandniserklarung,\n„die Regelungen des Grunderwerbs, insbesondere der Kaufpreis und etwaiger\nsonstiger Entschadigungen" sollten gesondert erfolgen, macht deutlich, dass es\nnicht um Fragen des Eigentums- oder Besitzerwerbs seitens des Vorhabentragers\nging, sondern um die behordliche Zulassung des Vorhabens. Die\nGrunderwerbsverhandlungen sollten erst im Anschluss an die Zulassung\naufgenommen werden (Erlauterungsbericht, S. 57). \n--- \n| 29 \n--- \n| b) Zutreffend ist auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die\nEinverstandniserklarung vom 26.3.2001 weder formnichtig noch in entsprechender\nAnwendung der §§ 119 ff., 183 BGB unwirksam ist. Dem Schriftformerfordernis\ndes § 74 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 LVwVfG ist Genuge getan. Das schriftliche\nEinverstandnis lasst entgegen der Auffassung der Klager nicht offen, auf\nwelche konkreten Grundstucksteile es sich bezieht. In der Erklarung selbst\nwird vermerkt, dass ihr die - seither unveranderten - Planunterlagen vom\n12.3.2001 zugrunde liegen. Diesen Unterlagen lasst sich genau entnehmen,\nwelche Flachen in Anspruch genommen werden sollen. Die schriftliche Erklarung\nist daher hinreichend bestimmt. Zu Unrecht meinen die Klager, die\nEinverstandniserklarung habe mit Blick auf den Schutzzweck des § 311 b BGB\n(alt: § 313 BGB) der notariellen Beurkundung bedurft. Denn das Einverstandnis\nnach § 74 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 LVwVfG begrundet keine Pflicht zur Veraußerung\nder benotigten Grundstucke, so dass gegebenenfalls noch ein\nEnteignungsverfahren durchgefuhrt werden muss. Es kann dahinstehen, ob\nEinverstandniserklarungen im Sinne des § 74 Abs. 6 S. 1 Nr. 1 LVwVfG\nangesichts ihrer weitreichenden verfahrensrechtlichen Wirkungen uberhaupt und\nwenn ja aus welchen Grunden entsprechend §§ 119 ff BGB anfechtbar sind (zur\nMoglichkeit einer Anfechtung der Zustimmungserklarung des Angrenzers nach § 55\nLBO wegen Drohung vgl. Senatsbeschl. v. 24.4.1980 - 8 S 103/80 -). Jedenfalls\nliegen keine Anfechtungsgrunde vor. Die Klager wurden nicht im Sinne des § 123\nAbs. 1 Alt. 1 BGB daruber im Unklaren gelassen, dass die Unterzeichnung des\nEinverstandnisses nicht gleichbedeutend ist mit der Realisierung ihrer\nBauwunsche. Wie die mundliche Verhandlung bestatigt hat, war ihnen die\nfehlende rechtliche Verknupfung bekannt. Denn der Burgermeister der Gemeinde\nSchlier hatte ihnen gegenuber lediglich erklart, er wolle sich im Falle der\nUnterzeichnung beim Gemeinderat fur ihre Belange einsetzen. Auch eine\nAnfechtung wegen Drohung in entsprechender Anwendung des § 123 Abs. 1 Alt. 2\nBGB kommt nicht in Betracht. Dabei kann unterstellt werden, dass den Klagern\ngegenuber geaußert wurde, sie wurden enteignet und erhielten „nichts\ngenehmigt", falls sie sich weigerten, die Einverstandniserklarung zu\nunterzeichnen. Zum einen liegen auch nach dem Eindruck der mundlichen\nVerhandlung keine Anhaltspunkte dafur vor, dass die Klager sich bei Abgabe des\nEinverstandnisses maßgeblich von diesen Äußerungen leiten ließen und nicht von\nder Erwartung, die Gemeinde Schlier und der Gemeindeverwaltungsverband Gullen\nwurden ihnen bei ihren Bauwunschen entgegen kommen. Zum anderen fehlt es auch\nan einer widerrechtlichen Drohung. Das Straßengesetz sieht die Enteignung als\neine Moglichkeit zur Durchsetzung - rechtmaßiger - Straßenbauvorhaben vor (§\n40 StrG). Mangels abweichender Darlegungen der Klager ist davon auszugehen,\ndass sich die Äußerung des Burgermeisters der Gemeinde Schlier, die Klager\nerhielten im Weigerungsfalle „nichts genehmigt", auf das Abstimmungsverhalten\ndes Gemeinderates bei der Entscheidung uber ihre Bauwunsche bezog. Ein solcher\nHinweis stellt jedoch keine widerrechtliche Drohung dar. Schließlich ist die\nEinverstandniserklarung auch nicht deshalb unwirksam, weil sie in\nentsprechender Anwendung des § 183 BGB sogar bis zur Erteilung der\nPlangenehmigung hatte frei widerrufen werden konnen. Diese Vorschrift ist\nnicht anwendbar, weil die Einverstandniserklarung fur die Verfahrensart von\nBedeutung ist, die Zulassung des Vorhabens selbst indes nicht von der\nZustimmung der betroffenen Eigentumer abhangt (vgl. Senatsurteil vom 18.9.1974\n- VIII 1026/73 - zur Zustimmungserklarung des Angrenzers nach § 55 LBO). Der\nEntscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.11.2001 - 9 VR 9/01 - lasst\nsich fur die gegenteilige Auffassung der Klager nichts entnehmen; sie betrifft\nnur die Frage des maßgeblichen Zeitpunkts fur die Beurteilung (unter anderem)\nder Wirksamkeit der Einverstandniserklarung, besagt jedoch nichts uber die\nWirksamkeitsvoraussetzungen selbst. \n--- \n| 30 \n--- \n| c) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts war jedoch die\nStraßenbaubehorde als offentlich-rechtlicher Vorhabentrager nicht der\nletztlich zutreffende Adressat der Einverstandniserklarung, sondern allein das\nRegierungsprasidium Tubingen als gemaß § 37 Abs. 8 StrG zustandige Anhorungs-\nund Genehmigungsbehorde (Zulassungsbehorde). Daraus folgt, dass das\nEinverstandnis in entsprechender Anwendung des § 130 Abs. 1 und 3 BGB\nunwirksam ist, weil dem Regierungsprasidium zugleich mit der\nEinverstandniserklarung und dem Genehmigungsantrag das Widerrufsschreiben der\nKlager vom 5.4.2001 zuging (zur erganzenden Anwendung des BGB auf\nWillenserklarungen im Verwaltungsverfahren vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7.\nAufl., § 62 Rn. 7 m.w.N.). \n--- \n| 31 \n--- \n| Dass sich das Einverstandnis letztlich allein an die Zulassungsbehorde\nrichtet, folgt zwar nicht aus dem Wortlaut des § 74 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1\nLVwVfG, jedoch aus seiner gesetzlichen Ausgestaltung als offentlich-rechtliche\nErklarung, die sich auf das konkrete Zulassungsverfahren bezieht. Sie ist\nTatbestandsvoraussetzung fur die nach Ermessen zu treffende Entscheidung, ob\nanstelle eines Planfeststellungsverfahrens mit Planauslegung,\nÖffentlichkeitsbeteiligung und Erorterungstermin (§ 73 LVwVfG) das\nvereinfachte Plangenehmigungsverfahren durchgefuhrt werden soll. Entsprechend\ndieser verfahrensrechtlichen Funktion des Einverstandnisses zielt auch sein\nErklarungsgehalt auf das Zulassungsverfahren. Es bedeutet namlich inhaltlich\nden endgultigen Verzicht auf die aus dem Eigentum folgenden Abwehrrechte gegen\ndie Zulassung des Vorhabens, die als grundstucksbezogene offentlich-rechtliche\nErklarung im Übrigen auch den Rechtsnachfolger bindet (vgl. jeweils zur\nZustimmungserklarung des Nachbarn nach § 55 LBO Senatsurteile vom 22.12.1989 -\n8 S 2755/89 - , VBlBW 1990, 188 und vom 18.9.1974, a.a.O.; Urteile des\nerkennenden Gerichtshofs vom 1.4.1982 - 5 S 278/82, NVwZ 1983, 229 und vom\n16.8.1978 - III 470/78, BRS 33 Nr. 176; zum Verfahrenscharakter der\nEinverstandniserklarung vgl. BT-Drs. 12/1092, S. 10 zu § 4\nVerkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz und BT-Drs. 12/4328, S. 19 zu § 36 b\nBBahnG). Nur der endgultige und umfassende Ausschluss der\nEigentumereinwendungen im Zulassungsverfahren vermittelt die\nVerfahrenssicherheit, die notwendig ist, um den mit der Wahl des\nPlangenehmigungsverfahrens bezweckten Vereinfachungs- und\nBeschleunigungseffekt nicht ins Gegenteil zu verkehren, zumal bei dieser\nVerfahrensart die Einwendungspraklusion nach § 73 Abs. 4 Satz 3 LVwVfG nicht\ngreift. Eigentlicher Adressat der Einverstandniserklarung kann danach nur\ndiejenige Behorde sein, die uber die Verfahrensart entscheidet und der\ngegenuber ansonsten die Abwehrrechte gegen die Zulassung des Vorhabens geltend\nzu machen waren. Nach § 37 Abs. 8 StrG ist dies unter beiden Gesichtspunkten\nallein das Regierungsprasidium als fur das gesamte Verfahren zustandige\nZulassungsbehorde und nicht die von ihr getrennte Straßenbauverwaltung als\nVorhabentrager (zu abweichenden Fallen der Identitat zwischen\nZulassungsbehorde und Vorhabentrager vgl. BVerwG, Beschlusse vom 9.4.1987 - 4\nB 73.87 - , NVwZ 1987, 886 und vom 17.3.1998 - 4 B 25.98 - , NVwZ 1998, 737).\nEntgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist deshalb auch unerheblich,\ndass die Straßenbauverwaltung eine ihr gemaß § 9 Abs. 1 StrG obliegende\noffentliche Aufgabe wahrnimmt, wenn sie den Bau neuer oder die Verbesserung\nbestehender Straßen plant und - wie hier - im Stadium der Planausarbeitung\nversucht, die Einverstandniserklarungen der betroffenen Eigentumer einzuholen,\num sie zusammen mit den Planunterlagen und dem Antrag auf Zulassung des\nProjekts der Zulassungsbehorde vorzulegen. Denn diese Aufgabe nimmt sie\naußerhalb des Zulassungsverfahrens wahr, das erst dann beginnt, wenn der\nVorhabentrager nach Abschluss der Planvorbereitung die Zulassung des Vorhabens\nbeantragt. Somit ist die Einverstandniserklarung nach § 74 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1\nAlt. 2 LVwVfG als nach Funktion und Inhalt auf das Zulassungsverfahren\nbezogene offentlich-rechtliche Erklarung allein an die Zulassungsbehorde\ngerichtet. Sie kann folglich gemaß § 130 Abs. 1 und 3 BGB bis zu ihrem Zugang\nbei der Zulassungsbehorde und außerdem bis zum Beginn des Zulassungsverfahrens\nmit Antragstellung widerrufen werden. \n--- \n| 32 \n--- \n| Der Senat hat erwogen, ob die Klager mit Blick auf den auch im offentlichen\nRecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben gehindert sind, ihre\neigentumsrechtlichen Abwehrrechte geltend zu machen. Die Anwendung dieses\nGrundsatzes konnte unter dem Gesichtspunkt widerspruchlichen und treuwidrigen\nVerhaltens des Eigentumers gegenuber dem Vorhabentrager in Betracht kommen,\nwenn der Widerruf einer Einverstandniserklarung grundlos erfolgt (vgl.\nSenatsurteil vom 9.11.1990 - 8 S 1714/90 -, VBlBW 1991, 218 zur Treuwidrigkeit\nder Geltendmachung von Abwehrrechten im Baugenehmigungsverfahren nach\nvorangegangenem privatrechtlichem Einverstandnis gegenuber dem Bauherrn). Der\nVorhabentrager muss bei seinen Bemuhungen, die Voraussetzungen fur die\nDurchfuhrung des vereinfachten Plangenehmigungsverfahrens herbeizufuhren, auf\nden Bestand einmal abgegebener Einverstandniserklarungen vertrauen konnen;\ndenn er bedarf dazu der Erklarungen aller betroffenen Eigentumer, so dass der\nWiderruf auch nur eines Einverstandnisses alle Bemuhungen zunichte machen\nkann. Die Frage eines Einwendungsausschlusses wegen treuwidrigen Widerrufs des\nEinverstandnisses vor Zugang bei der Zulassungsbehorde bedarf vorliegend indes\nkeiner abschließenden Klarung, weil der Widerruf der Klager nicht grundlos\nerfolgt ist. Unstreitig haben sie das Einverstandnis in der ausdrucklich\ngeaußerten Erwartung abgegeben, dass daraufhin die Gemeinde Schlier ihren\nBauwunschen entgegenkommen werde. Der Widerruf erfolgte, nachdem sich\nabgezeichnet hatte, dass dies nicht der Fall sein wird. Daher stellt sich der\nWiderruf weder als widerspruchliches Verhalten der Klager dar noch konnte ein\nschutzwurdiges Vertrauen des Vorhabentragers enttauscht werden. \n--- \n| 33 \n--- \n| Nach allem konnen sich die Klager auf ihre eigentumsrechtlichen\nAbwehrrechte berufen. \n--- \n| 34 \n--- \n| 2\\. Die Plangenehmigung ist jedoch rechtmaßig und verletzt daher die Klager\nnicht in ihren Rechten. \n--- \n| 35 \n--- \n| a) Die Klager rugen zunachst, dass anstelle des Plangenehmigungsverfahrens\nein Planfeststellungsverfahren hatte durchgefuhrt werden mussen. Es kann\ndahinstehen, ob der damit geltend gemachte Verfahrensmangel schon deshalb\nirrelevant ist, weil er sich nicht auf den konkreten Zugriff auf das\nGrundeigentum der Klager auswirken kann (vgl. BVerwGE 67, 74, 77 f.; 74, 109,\n112 ff.; 77, 86, 91; st. Rspr.). Denn die Wahl des Plangenehmigungsverfahrens\nist jedenfalls in der Sache nicht zu beanstanden. \n--- \n| 36 \n--- \n| Dieses Verfahren ist in Fallen enteignungsrechtlicher Vorwirkung nicht etwa\nausgeschlossen, wie die Klager meinen. Vielmehr bezieht sich die\nTatbestandsvoraussetzung der „nicht wesentlichen" Rechtsbeeintrachtigung in §\n37 Abs. 2 Satz 1 StrG gerade auf die Falle, in denen die Planungsentscheidung\nGrundlage fur eine Inanspruchnahme des Grundeigentums ist. Denn nur insoweit\nkann die Plangenehmigung uberhaupt enteignungsrechtliche Vorwirkung gemaß § 37\nAbs. 2 Satz 2 StrG entfalten, nicht jedoch bei Vorliegen der alternativen\nTatbestandsvoraussetzungen der „fehlenden Rechtsbeeintrachtigung" oder dem\n„Einverstandnis" der betroffenen Eigentumer; folgerichtig ist eine\nenteignungsrechtliche Vorwirkung in der allgemeinen Vorschrift des § 74 Abs. 6\nLVwVfG auch nicht vorgesehen (vgl. LT-Drs. 12/1830, S. 21; ebenso zu den\ngleichen Vorschriften der §§ 17, 19 FStrG Marschall/Schroeter/Kastner,\nBFernStrG, 5. Aufl., § 17 Rn. 195, S. 631; vgl. auch Schmitz/Wessendorf, NVwZ\n1996, 955, 960; ebenso bereits Senatsurteil v. 15.7.1994 - 8 S 1196/94 -, NuR\n1996, 34 zu § 37 Abs. 2 StrG a.F., der noch keine Klarstellung der\nenteignungsrechtlichen Vorwirkung enthielt; anderer Auffassung wohl - noch zur\nalten Fassung - 5. Senat des erkennenden Gerichtshofs im Urteil v. 10.11.1992\n- 5 S 517/ 91 -, NuR 1994, 192). Im konkreten Fall ist auch eine nur\nunwesentliche Rechtsbeeintrachtigung im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 StrG\ngegeben. Werden - wie hier - Teilflachen von Grundstucken in Anspruch\ngenommen, bestimmt sich die Intensitat der Rechtsbeeintrachtigung entgegen der\nAuffassung der Klager nicht in erster Linie nach der absoluten Große der\nbenotigten Flachen, sondern vorrangig nach einem Vergleich der\nNutzungsmoglichkeiten des Grundstucks vor und nach dem Eigentumsentzug. Ergibt\ndieser Vergleich, dass die bisherige Moglichkeit zur Bewirtschaftung und\nNutzung des Grundstucks infolge des Eigentumsentzugs allenfalls geringfugig\nvermindert oder erschwert wird, liegt in der Regel eine nur unwesentliche\nRechtsbeeintrachtigung vor (vgl. LT-Drs. 12/1830, S. 21; BT-Drs. 12/4328, S.\n26; Nagel, StrG Bad.-Wurtt., 3. Aufl., § 37 Rn. 8; so auch BVerwG, Beschl. v.\n15.12.1995 - 4 A 19/95 - zur gleichlautenden Vorschrift des § 17 FStrG;\nMarschall/Schroeter/Kastner, BFStrG, 5. Aufl., § 17 Rn. 196). Diese\nVoraussetzung fur die Durchfuhrung des Plangenehmigungsverfahrens ist\nvorliegend gegeben. Von den beiden Grundstucken der Klager werden lediglich\netwa 1,9% und 1,1% auf Dauer sowie 1,7% und 1,9% vorubergehend in Anspruch\ngenommen, und zwar jeweils am Rande der Grundstucke entlang der bestehenden L\n325 (vgl. BVerwG, Beschl. vom 15.12.1995, a.a.O.: Unwesentliche\nBeeintrachtigung selbst bei einer Inanspruchnahme von 6,35% der\nGrundstucksflache). In der mundlichen Verhandlung haben die Klager auf\nNachfrage auch nicht mehr erklart, dass sich die Restflache nur noch unter\nerschwerten Umstanden bewirtschaften lasse. Eine nur unwesentliche\nRechtsbeeintrachtigung ist im Übrigen auch hinsichtlich des Eigentumers\ngegeben, der keine Einverstandniserklarung abgegeben hat; von dessen\nGrundstucken werden lediglich 1,17% und 1,05% der Gesamtflache benotigt. Daher\nbedarf hier auch keiner Erorterung, ob sich der Enteignungsbetroffene unter\ndem Gesichtspunkt der Gesetzmaßigkeit der Enteignung auf die Verletzung der\nRechte anderer Eigentumer berufen kann, wenn diese selbst keinen Rechtsschutz\nbegehren. \n--- \n| 37 \n--- \n| Schließlich konnen die Klager aus Art. 14 Abs. 3 GG auch keinen Anspruch\nauf Durchfuhrung eines Planfeststellungsverfahrens mit Planauslegung,\nÖffentlichkeitsbeteiligung und Erorterungstermin herleiten (vgl. aber BT-Drs.\n13/3995, S. 10; kritisch auch Honig, in: Stuer (Hrsg.), Planungsrecht, Bd. 1,\n1997, S. 170 ff.; Stelkens/Bonk, a.a.O., § 74 Rn. 157; Stuer, Handbuch des\nBau- und Fachplanungsrechts, 2. Aufl., S. 887 f.). Es bedarf vorliegend keiner\nKlarung, ob das aufwandige Planfeststellungsverfahren bei einer komplexen,\neine Vielzahl widerstreitender offentlicher und privater Belange beruhrenden\nPlanung verfassungsrechtlich geboten ist, um eine umfassende Ermittlung und\nBewertung des maßgeblichen Sachverhalts und moglicher Alternativen zu\ngewahrleisten. Denn das vereinfachte Plangenehmigungsverfahren mit\nenteignungsrechtlicher Vorwirkung ist fur diese Falle gerade nicht vorgesehen.\nEs darf vielmehr nur dann durchgefuhrt werden, wenn mit den Tragern der\noffentlichen Belange das Benehmen hergestellt werden konnte (§ 74 Abs. 6 Satz\n1 Nr. 2 LVwVfG) und außerdem die Eigentumerbelange im oben genannten Sinne\nnicht wesentlich beeintrachtigt werden (§ 37 Abs. 2 Satz 1 StrG). Die\nPlangenehmigung ist damit nach dem Willen des Gesetzgebers auf Vorhaben\nbeschrankt, die lediglich uberschaubare und eindeutig losbare\nInteressenkonflikte auslosen (LT-Drs. 10/6327, S. 14 f.). Jedenfalls bei\nsolchen Vorhaben konnen die betroffenen offentlichen und privaten Belange auch\nim vereinfachten Plangenehmigungsverfahren hinreichend ermittelt und bewertet\nund durch Abwagung zu einer am Gemeinwohl nach Art. 14 Abs. 3 GG\nausgerichteten Entscheidung verarbeitet werden (vgl. bereits Senatsurteil vom\n15.7.1994, a.a.O.). Gerade der vorliegende Fall des Ausbaus einer bereits\nbestehenden Straße bietet hierfur geeignetes Anschauungsmaterial. \n--- \n| 38 \n--- \n| b) Die Plangenehmigung ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Der\nkonkrete Zugriff auf das Grundeigentum der Klager genugt den Anforderungen des\nArt. 14 Abs. 3 GG, weil er gesetzmaßig und gemeinwohldienlich ist. \n--- \n| 39 \n--- \n| Der Eigentumsschutz gegenuber einer mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung\nversehenen Entscheidung des Fachplanungsrechts verwirklicht sich zunachst\neinmal dadurch, dass das Vorhaben den Zielsetzungen des Fachplanungsgesetzes\ndient, gemessen daran „vernunftigerweise geboten" ist und die konkret\nverfolgten offentlichen Interessen nach ihrem Gewicht fur sich genommen\ngeeignet sind, entgegenstehende Eigentumsrechte zu uberwinden (sog.\nPlanrechtfertigung, vgl. BVerwGE 71, 166, 168 m.w.N.; st. Rspr.). Diese\nVoraussetzungen sind hier gegeben. Ziel der Maßnahme ist die Verbesserung der\nSicherheit und Flussigkeit des Verkehrs auf der L 325; sie dient damit den\nZielsetzungen des § 9 Abs. 1 StrG. Angesichts der geringen Breite der\nbestehenden Straße, dem tatsachlichen Verkehrsaufkommen und der vorhandenen\nStraßenkuppe kann auch kein Zweifel daran bestehen, dass das Vorhaben\n„vernunftigerweise geboten" ist (dazu im Einzelnen der Erlauterungsbericht, S.\n5 f.). Dies gilt auch fur den Bau des Geh- und Radweges. Im\nErlauterungsbericht wird insoweit zu Recht auf den Umfang des bestehenden und\nzu erwartenden Fahrradverkehrs und insbesondere auf den Umstand verwiesen,\ndass die Grund- und Hauptschuler des Teilorts Fenken auf der L 325 zur Schule\nin den Hauptort Schlier fahren mussen; dass ein Bedarf fur die Maßnahme\nbesteht, zeigt sich auch daran, dass der seit 1990 im Radwegeprogramm des\nLandkreises Ravensburg enthaltene Geh- und Radweg bei der\nProgrammfortschreibung 1996 in die erste Prioritat aufgenommen worden ist\n(vgl. Erlauterungsbericht, S. 1, 4 und 6). Es bedarf keiner naheren\nAusfuhrungen, dass diese Ziele der Verkehrssicherheit und der Flussigkeit des\nVerkehrs sowohl generell als auch gemessen am konkreten Bedarf im vorliegenden\nFall geeignet sind, den Gemeinwohlbezug des Vorhabens im Sinne des Art. 14\nAbs. 3 GG herzustellen (zum ausreichenden Gemeinwohlbezug von\nStraßenbauvorhaben vgl. BVerwGE 71, 166, 168; 84, 123, 130 ff.; vgl. auch\nKopp/Ramsauer, VwVfG, a.a.O., § 74 Rn. 33). \n--- \n| 40 \n--- \n| Der konkrete Eigentumsentzug beruht auch nicht auf einer Verletzung\nstrikter Rechtsvorschriften (grundlegend zur Prufung der Gesetzmaßigkeit der\nEnteignung BVerwGE 67, 74, 76 ff.; st. Rspr.). Nach der zum maßgeblichen\nZeitpunkt des Erlasses der Plangenehmigung am 18.7.2002 geltenden Fassung des\nLandesgesetzes uber die Umweltvertraglichkeitsprufung vom 12.12.1991 (GBl.\n1991, 848) unterlag das Vorhaben schon deshalb keiner UVP-Prufung, weil es\nkeiner Planfeststellung bedurfte (§ 3 i.V.m. Anlage Ziff. 4). Es kann\ndahinstehen, ob diese Vorschrift unvereinbar war mit der Änderungsrichtlinie\n97/11/EG des Rates vom 3.3.1997, wie das Regierungsprasidium im\nPlangenehmigungsbescheid angenommen hat; offen bleiben kann auch, ob sich ein\nEnteignungsbetroffener mit Blick auf die Gesetzmaßigkeit der Enteignung darauf\nberufen kann, dass eine Richtlinie europarechtswidrig noch nicht in nationales\nRecht umgesetzt wurde. Denn das Vorhaben war nach der oben genannten\nÄnderungsrichtlinie auch der Sache nach nicht UVP-pflichtig; der Senat folgt\ninsoweit uneingeschrankt den Ausfuhrungen in der Plangenehmigung (§ 117 Abs. 5\nVwGO). Auch das naturschutzrechtliche Vermeidungs- und Ausgleichsgebot nach §\n11 Abs. 1 Nr. 2 und 3, Abs. 2 NatSchG ist nicht verletzt. Im\nlandschaftspflegerischen Begleitplan, auf den die Plangenehmigung Bezug nimmt,\nwerden die vorhabenbedingten Eingriffe in Natur und Landschaft im Einzelnen\ndargestellt und - auch im Hinblick auf ihre Vermeidbarkeit - bewertet. Diesen\nEingriffen werden die Vermeidungs- und Ausgleichsmaßnahmen gegenubergestellt,\num sodann Bilanz zu ziehen. Die darauf gestutzte Einschatzung der\nZulassungsbehorde, alle technisch moglichen und verhaltnismaßigen Maßnahmen\nzur Vermeidung und Verminderung von Beeintrachtigungen wurden ergriffen und\nunvermeidbare Beeintrachtigungen im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2\nNatSchG ausgeglichen, ist nicht zu beanstanden; sie wird im Übrigen auch von\nden Klagern nicht in Frage gestellt. \n--- \n| 41 \n--- \n| Ob die konkrete Planung insgesamt rechtmaßig ist und ob das Wohl der\nAllgemeinheit die Enteignung gerade auch des Eigentums der Klager\nrechtfertigt, ergibt sich abschließend erst aufgrund einer Abwagung der von\nder konkreten Planung beruhrten offentlichen und privaten Belange\ngegeneinander und untereinander (vgl. BVerwGE 71, 166, 170; 72, 15, 24 f.;\nvgl. dazu auch BVerfG, Kammerbeschl. vom 9.6.1987 - 1 BvR 418/87, NVwZ 1987,\n967). Das hier einschlagige Abwagungsgebot des § 37 Abs. 5 Satz 1 StrG ist\nvorliegend nicht verletzt; die Zulassungsbehorde hat weder die Bedeutung der\ndem konkreten Vorhaben entgegenstehenden offentlichen und privaten Belange\nverkannt noch einen Ausgleich der fur und wider das Vorhaben streitenden\nBelange vorgenommen, die zu der objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange\naußer Verhaltnis steht (vgl. BVerwGE 72, 15, 24 f.). \n--- \n| 42 \n--- \n| Zum einen durfte die Zulassungsbehorde den - gewichtigen - Zielen der\nVerbesserung der ortlichen Verkehrsverhaltnisse den Vorrang vor dem\nwiderstreitenden offentlichen Interesse am unveranderten Erhalt von Natur und\nLandschaft geben, zumal die Eingriffe ausgeglichen werden und die\nlandschaftspflegerischen Maßnahmen eine Vergroßerung des derzeit vorhandenen\nPflanzbestandes bewirken. Auch hinsichtlich der Belange der Klager ist kein\nAbwagungsmangel zu erkennen. Die Klager meinen zu Unrecht, ihre Interessen\nseien wegen der Einverstandniserklarung uberhaupt nicht berucksichtigt worden.\nIn der Plangenehmigung wird ausdrucklich eine Abwagung mit den betroffenen\nprivaten Belangen vorgenommen, die sich entgegen der Annahme der Klager auch\nauf die Frage bezieht, ob der Geh- und Radweg - wie von ihnen verlangt - auf\ndie andere nordliche Straßenseite verlegt werden kann. Eine solche\nTrassenfuhrung wurde jedoch unter anderem aus Grunden der Verkehrssicherheit,\ndes Grundwasserschutzes (dort befindet sich ein Wasserschutzgebiet Zone III a)\nund wegen der dort vorhandenen Bebauung verworfen (Erlauterungsbericht, S. 8\nund 21). Diese Überlegungen sind nach den Planunterlagen nicht nur\nnachvollziehbar, sondern drangen sich geradezu auf. In der mundlichen\nVerhandlung haben die Klager des weiteren gerugt, die Inanspruchnahme ihres\nGrundeigentums sudlich der L 325 zu Zwecken des naturschutzrechtlichen\nAusgleichs beruhe auf einer unzureichenden Ermittlung und Bewertung des\nvorhandenen Baumbestandes. Das trifft jedoch nicht zu. Ausweislich des\nlandschaftspflegerischen Begleitplans wurde jeder einzelne dort vorhandene\nBaum nach Zustand und Vitalitat erfasst (Begleitplan, S. 89 und 96). Diese\nstraßenbegleitenden Obstbaume wurden - mit sechs weiteren Baumen auf der\ngegenuberliegenden Straßenseite - als besonders bedeutsam fur das\nLandschaftsbild bewertet (attraktive Allee am Ortseingang von Fenken, vgl.\nBegleitplan S. 33, 39, 50 und 96). Um diese Baume zu erhalten und einen\nAusgleich fur den unvermeidlichen Verlust der straßenbegleitenden Obstbaume\nauf der gegenuberliegenden Straßenseite durch Pflanzung weiterer\nObstbaumhochstamme schaffen zu konnen, wird der Geh- und Radweg zu Lasten des\nEigentums der Klager auf funf Meter von der Fahrbahn abgeruckt\n(Erlauterungsbericht S. 50 sowie Bestands- und Konfliktplan 1 und\nMaßnahmenplan 1 in der Akte des Straßenbauamts). Diese Inanspruchnahme des\nEigentums der Klager fur naturschutzrechtliche Vermeidungs- und\nAusgleichsmaßnahmen kann nicht beanstandet werden. Sie ist von der\nEnteignungsermachtigung des § 40 StrG gedeckt, weil die Maßnahmen nach § 11\nNatSchG notwendig sind, um das - seinerseits dem Wohl der Allgemeinheit\ndienende - Straßenbauvorhaben realisieren zu konnen (vgl. BVerwG, Urteil vom\n23.8.1996 - 4 A 29.95, NVwZ 1997, 486; zu der auch die Anforderungen\nplanerischer Konfliktbewaltigung einschließenden Reichweite fachgesetzlicher\nEnteignungsermachtigungen vgl. auch BVerfG, Kammerbeschl. vom 9.6.1987,\na.a.O.). Diesem - nach seinen Modalitaten im einzelnen noch nicht bestimmten -\nEigentumszugriff stehen keine uberwiegenden Interessen der Klager entgegen.\nWie bereits dargelegt, lasst der Verlust der Flachen entlang der L 325 die\nderzeit bestehenden Nutzungsmoglichkeiten nahezu unberuhrt. Dasselbe gilt,\nsoweit Flachen unmittelbar fur das Straßenbauvorhaben selbst benotigt werden. \n--- \n| 43 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. \n--- \n| 44 \n--- \n| Grunde fur eine Zulassung der Revision gemaß § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht\ngegeben. \n---\n\n
138,334
lsgbw-2006-03-24-l-4-kr-33005
128
Landessozialgericht Baden-Württemberg
lsgbw
Baden-Württemberg
Sozialgerichtsbarkeit
L 4 KR 330/05
2006-03-24
2019-01-07 14:00:30
2019-01-17 11:58:31
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klager seit 01. April 2002 in\nder Krankenversicherung der Rentner (KVdR) pflichtversichert ist und die\nBeklagten seither daher zu Unrecht Beitrage nach der fur freiwillige\nMitglieder geltenden Bemessungsgrundlage erheben. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der ... 1929 geborene Klager war bei der Stadt M versicherungspflichtig\nbeschaftigt; hiernach nahm er eine freiberufliche Tatigkeit als Rechtsanwalt\nauf, die er auch weiterhin noch ausubt. Er ist bei der Beklagten zu 1)\nkranken- und bei der Beklagten zu 2) pflegeversichert. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Klager bezieht von der fruheren Bundesversicherungsanstalt fur\nAngestellte (BfA), die in der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRVB)\naufgegangen ist, seit Jahren eine Altersrente (Zahlbetrag ab 01. Juli 2002:\nEUR 652,12; ab 01. Juli 2003: EUR 659,-), daruber hinaus seit 01. November\n2002 aus der Versicherung seiner im Oktober 2002 verstorbenen Ehefrau eine\nWitwerrente (Zahlbetrag zunachst EUR 473,46; ab 01. Juli 2003: EUR 478,40) und\neine Rente der Zusatzversorgungskasse des Kommunalen Versorgungsverbandes\nBaden-Wurttemberg (Zahlbetrag zunachst EUR 320,54; ab 01. Juli 2003: 323,75).\nZum Zeitpunkt des Beginns der Altersrente erfullte der Klager nicht die\nVoraussetzungen fur eine Pflichtversicherung in der KVdR, da er die nach der\nRegelung des § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Funften Buches des Sozialgesetzbuchs in der\nFassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I, 2266 -\nSGB V a.F.) erforderlichen Vorversicherungszeiten nicht zuruckgelegt hatte.\nDiese konnten nach der damaligen Rechtslage nur mit einer\nPflichtmitgliedschaft oder Zeiten aufgrund einer Pflichtmitgliedschaft, nicht\naber mit Zeiten einer freiwilligen Versicherung erfullt werden. Der Klager war\ndaher freiwilliges Mitglied der Beklagten zu 1) und hierdurch ab 01. Januar\n1995 Pflichtmitglied der Beklagten zu 2). Fur diese Mitgliedschaften\nentrichtete er seit dem Jahr 2001 Beitrage zur Krankenversicherung (KV) in\nHohe von DM 182,16 (= EUR 93,14) und zur Pflegeversicherung (PV) in Hohe von\nDM 22,44 (= 11,47), die auf der Grundlage des Altersrentenbezugs ermittelt\nwurden. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Schreiben vom 23. April 2002 teilte die Beklagte zu 1) dem Klager mit,\ndass das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am 15. Marz 2000 entschieden habe,\ndass die seit 01. Januar 1993 geltende Regelung hinsichtlich der Erfullung der\nVorversicherungszeit fur den Zugang zur Pflichtversicherung der Rentner nicht\nmit dem Grundgesetz (GG) vereinbar sei, was zur Folge habe, dass die bisher\nfreiwillig krankenversicherten Rentner, die die Voraussetzungen jetzt\nerfullten, ab 01. April 2002 in die Pflichtversicherung der Rentner\naufgenommen wurden. Sie habe gepruft, ob diese Gesetzesanderung Auswirkungen\nauf das Krankenversicherungsverhaltnis des Klagers habe. Bei ihm lagen ab 01.\nApril 2002 die Voraussetzungen fur die Pflichtversicherung der Rentner vor, so\ndass die freiwillige KV am 31. Marz 2002 ende. Weiter ist ausgefuhrt: "Sie\nhaben die Moglichkeit, sich auf Antrag von der Versicherungspflicht befreien\nzu lassen. Sollten Sie sich dafur entscheiden, stellen Sie den Antrag\ninnerhalb von sechs Monaten nach Beginn der Versicherungspflicht bei der AOK\nSachsen-Anhalt. Ihre freiwillige Krankenversicherung wird dann ohne\nUnterbrechung ab 01. April 2002 weitergefuhrt. Die Entscheidung fur die\nBefreiung von der Versicherungspflicht ist jedoch unwiderrufbar und bleibt\nauch bei spateren Änderungen Ihrer Einkommensverhaltnisse bestehen. Fur\nRuckfragen stehen wir gern zur Verfugung." Unter Bezugnahme auf dieses\nSchreiben fuhrte der Klager mit am 06. Mai 2002 bei der Beklagten zu 1)\neingegangenem Schreiben vom 03. Mai 2002 aus, er beantrage, ihn von der\nVersicherungspflicht fur Rentner zu befreien und seine freiwillige KV\nweiterzufuhren. Er bat gleichzeitig um eine schriftliche Bestatigung und im\nFalle der Befreiung um eine Benachrichtigung des Rentenversicherungstragers.\nMit Bescheid vom 24. Mai 2002 teilte die Beklagte zu 1) dem Klager mit, er\nhabe am 03. Mai 2002 vom Optionsrecht nach § 9 Abs. 1 Nr. 6 des Funften Buches\ndes Sozialgesetzbuchs (SGB V) Gebrauch gemacht. Mit Wirkung vom 01. April 2002\nwerde er von der Versicherungspflicht in der KV und PV der Rentner befreit.\nDie Entscheidung fur die Befreiung von der Versicherungspflicht sei\nunwiderrufbar und bleibe auch bei spateren Änderungen in den\nEinkommensverhaltnissen bestehen. Die freiwillige KV werde ab 01. April 2002\nweitergefuhrt. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Schreiben vom 06. Februar 2003 wandte sich der Klager an die Beklagte\nzu 1), nahm Bezug auf die beigefugte Kopie einer Kurzmeldung aus der\nMagdeburger "Volksstimme", fuhrte aus, das BVerfG habe mit einer Entscheidung\nvom Marz 2000 bis Ende Marz 2002 die Gleichstellung der freiwillig\nVersicherten mit den pflichtversicherten Rentnern verlangt und fragte an, ob\neine entsprechende gesetzliche Neuregelung erfolgt sei. Auch er habe neben\nseiner Altersrente Einkunfte aus selbststandiger Tatigkeit, Kapitalvermogen\nund Verpachtung eines landwirtschaftlichen Grundstucks, wobei er aus seiner\nAnwaltstatigkeit im Jahr 2001 allerdings lediglich einen bescheidenen Gewinn\nvon DM 759,27 erzielt habe. Mit Schreiben vom 26. Februar 2003 teilte die\nBeklagte zu 1) dem Klager mit, dass die Gesetzesanderung fur den Zugang zur\nKVdR bereits zum 01. April 2002 wirksam geworden sei, er sich von der\nVersicherungspflicht jedoch habe befreien lassen und diese Entscheidung\nunwiderruflich sei. Zugleich handelnd fur die bei ihr errichtete Pflegekasse\nfuhrte sie weiter aus, da bei der Beitragsbemessung freiwillig Versicherter\nalle Einnahmen und Geldmittel, die fur den Lebensunterhalt verbraucht wurden\noder verbraucht werden konnten, ohne Rucksicht auf die steuerliche Behandlung\nzu berucksichtigen seien, sei im Hinblick auf die geanderten\nEinkommensverhaltnisse eine Neuberechnung der Beitrage vorzunehmen. Der\nBeitragsberechnung seien die Rente in Hohe von EUR 652,12 sowie die weiteren\nEinkunfte von (umgerechnet) monatlich EUR 32,35 zugrunde zu legen, woraus sich\nab 01. Marz 2003 ein monatlicher Beitrag in der KV von EUR 94,46 und in der PV\nvon EUR 11,64 ergebe. Dagegen wandte der Klager ein, er sei ein freiwillig\nkrankenversicherter Rentner, auf den die Entscheidung des BVerfG vom Marz 2000\nanwendbar sei, weshalb Zusatzeinkunfte neben der Rente, wie Zins- und\nMieteinnahmen, ab April 2002 nicht mehr angerechnet werden durften. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Bescheid vom 27. Mai 2003 informierte die Beklagte zu 1) den Klager\ndann dahingehend, dass bei der Beitragsbemessung keine Miet- und Zinseinnahmen\nberucksichtigt worden seien, sondern lediglich die monatliche Altersrente, die\n(fehlerhafter weise) allerdings nicht mit EUR 652,12, sondern mit EUR 684,47\n(Rente einschließlich Einkunfte aus selbststandiger Tatigkeit) angegeben\nworden sei. Weiter wurde ausgefuhrt, dass der Berechnung der Beitrage die\ngesamten Einnahmen zugrunde zu legen seien, so dass fur die Zeit ab 01.\nNovember 2002 zusatzlich auch die seither bezogene Witwerrente in Hohe von EUR\n473,46 sowie die Versorgungsrente in Hohe von EUR 320,54 berucksichtigt werden\nmussten. Daraus errechneten sich fur die Zeit ab 01. November 2002 Beitrage\nzur KV in Hohe von EUR 202,71 sowie zur PV in Hohe von EUR 24,97. Ab 01. Marz\n2003 seien weiterhin die Einnahmen aus der selbststandigen Tatigkeit in Hohe\nvon EUR 32,35 zu berucksichtigen, weshalb ab diesem Zeitpunkt von einem\nGesamteinkommen in Hohe von EUR 1.510,32 auszugehen sei. Daraus errechne sich\nfur die Monate Marz und April 2003 ein zu zahlender Beitrag in der KV und PV\nin Hohe von EUR 468,36. Durch die veranderten Einkommensverhaltnisse seit 01.\nNovember 2002 ergebe sich insgesamt eine Nachzahlung in Hohe von EUR 748,20.\nDagegen erhob der Klager Widerspruch und machte unter Bezugnahme auf die\nerwahnte Entscheidung des BVerfG erneut seine Gleichstellung mit\npflichtversicherten Rentnern geltend. \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit weiteren Bescheiden vom 04. Juni 2003 setzte die Beklagte zu 1),\njeweils zugleich handelnd fur die Beklagte zu 2), den monatlichen Beitrag ab\n01. November 2002 mit insgesamt EUR 227,68 (KV: EUR 202,70, PV: EUR 24,98)\nsowie fur den Zeitraum ab 01. Marz 2003 mit insgesamt EUR 234,10 (KV: EUR\n208,42, PV EUR 25,68) fest. Auch gegen diese Bescheide erhob der Klager\nWiderspruch. Die Beklagte zu 1) legte dem Klager die aus ihrer Sicht\nbestehende Rechtslage mit Schreiben vom 17. Juni 2003 dar und verwies\ninsbesondere darauf, dass die Entscheidung des BVerfG vom 15. Marz 2000 zur\nFolge habe, dass die bisher freiwillig krankenversicherten Rentner, die die\nVorversicherungszeiten jetzt erfullten, ab 01. April 2002 in der\nPflichtversicherung der Rentner aufgenommen worden seien. Da der Klager sich\nvon dieser Pflichtversicherung jedoch habe befreien lassen, konne ihm die\ndurch den Eintritt der Versicherungspflicht mogliche Beitragsentlastung nicht\nmehr zugute kommen. \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit Bescheid vom 30. Juni 2003 hob die Beklagte zu 1), zugleich handelnd\nfur die Beklagte zu 2), den Bescheid vom 27. Mai 2003 auf und setzte die\nBeitrage fur die Zeit ab 01. November 2002 unter Zugrundelegung des\nzutreffenden Betrags der Altersrente von EUR 652,12 nunmehr mit EUR 224,14\n(KV: EUR 199,56, PV: EUR 24,58) sowie fur die Zeit ab 01. Marz 2003 mit EUR\n229,16 (KV: EUR 204,03, PV: 25,13) neu fest und machte in Abweichung zu dem\naufgehobenen Bescheid vom 27. Mai 2003 lediglich noch eine Nachforderung in\nHohe von EUR 724,00 geltend. Auch dagegen legte der Klager Widerspruch ein. Zu\nBegrundung seiner Widerspruche verwies er darauf, dass er gemaß § 9 Abs. 1 Nr.\n6 SGB V zwar der freiwilligen Versicherung wieder beigetreten sei, jedoch\nkeinen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt habe; ein\nFall des § 8 SGB V liege namlich nicht vor. Ungeachtet dessen habe die\nBeklagte zu 1) ihn aber auch den Schritt zuruck in die freiwillige\nVersicherung, der unwiderruflich und damit endgultig sei, nicht machen lassen\ndurfen, ohne ihn zuvor auf die ihm drohenden empfindlichen Nachteile\nhingewiesen oder ihm angeraten zu haben, sachkundigen Rat einzuholen. Die\nNachteile habe das BVerfG in der angesprochenen Entscheidung anschaulich\nverdeutlicht. Zwar sei er selbststandiger Rechtsanwalt, doch im\nSozialversicherungsrecht nicht bewandert; zudem sei die wechselhafte\nEntwicklung der Gesetzgebung in dem hier betroffenen Gebiet auch fur einen\nInsider kaum mehr nachvollziehbar. Auf die ihn betreffenden Unstimmigkeiten\nsei er erst durch den kurzen Zeitungsbericht sowie die jungsten massiven\nBeitragserhohungen aufmerksam geworden. Die Umgruppierung aus der\nPflichtversicherung in die freiwillige Versicherung sei daher ruckwirkend\nruckgangig zu machen; die Beitrage seien neu zu berechnen und die\nÜberzahlungen zuruckzugewahren. \n--- \n| 9 \n--- \n| Mit weiterem Bescheid vom 04. August 2003 setzte die Beklagte zu 1),\nzugleich handelnd fur die Beklagte zu 2), den monatlichen Beitrag im Hinblick\nauf die Rentenerhohungen ab 01. Juli 2003 neu mit insgesamt EUR 231,48 (KV:\nEUR 206,10, PV: 25,38) fest. Auch dagegen erhob der Klager Widerspruch. Mit\nWiderspruchsbescheid der bei den Beklagten gebildeten Widerspruchsstelle vom\n01. September 2003 wurden die Widerspruche zuruckgewiesen, wobei u.a. auch\nausgefuhrt wurde, dass der Beitragsbescheid vom 27. Mai 2003 rechtmaßig sei. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Am 22. September 2003 erhob der Klager beim Sozialgericht (SG) Freiburg\nKlage. Er wiederholte sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren, wonach er\nkeinen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht im Sinne des § 8 SGB\nV gestellt habe und der fur ihn zutreffende und in § 9 Abs. 1 Nr. 6 SGB V\ngeregelte Sachverhalt in diesem Katalog nicht aufgefuhrt sei. Den Schritt\nzuruck in die freiwillige Versicherung mit den damit verbundenen weit\nreichenden Folgen habe man einen Burger keinesfalls machen lassen durfen, ohne\nihn auf die drohenden empfindlichen Nachteile eindringlich hinzuweisen\nund/oder im angeraten zu haben, sich sachkundigen Rat einzuholen. In ihrem\nSchreiben vom 23. April 2002 habe ihm die Beklagte zu 1) listigerweise nahe\ngelegt, seine freiwillige Versicherung weiterzufuhren. Seinen entsprechenden\nAntrag habe er dann in der irrigen Ansicht gestellt, die freiwillige\nVersicherung sei fur ihn gunstiger als die Pflichtversicherung. Der Klager\nlegte den weiteren Bescheid vom 29. Januar 2004 vor, mit der die Beklagte zu\n1), zugleich handelnd fur die Beklagte zu 2), die Beitrage im Hinblick auf die\nRegelungen des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen KV vom 14.\nNovember 2003 (BGBl. I, 2190) ab 01. Januar 2004 auf einen Gesamtbetrag von\nEUR 240,25 angehoben hatte (KV: EUR 214,87, PV: EUR 25,38). \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Beklagten traten der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und\nunter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes entgegen. Sie machten\ngeltend, der Klager sei mit Schreiben vom 23. April 2002 uber die Moglichkeit\nder Befreiung von der Versicherungspflicht in der KVdR informiert worden.\nFalls beim Klager noch weiterer Klarungsbedarf bestanden haben sollte, habe er\ndie Moglichkeit gehabt, sich an sie oder jede andere Krankenkasse zu wenden,\num die noch offenen Fragen zu klaren. Gerade von einem Rechtsanwalt sei eine\nsolche Vorgehensweise zu erwarten. \n--- \n| 12 \n--- \n| Mit Urteil vom 08. Dezember 2004 stellte das SG unter Abweisung der Klage\nim Übrigen fest, dass die Beklagte zu 1) mit Bescheid vom 30. Juni 2003 die\nvorausgegangenen Beitragsbescheide vom 27. Mai 2003 und 04. Juni 2003\naufgehoben habe. Zur Begrundung fuhrte es aus, die ausgesprochene Feststellung\nsei zur Klarstellung geboten, nachdem die Beklagte zu 1) in dem angefochtenen\nWiderspruchsbescheid dargelegt habe, der von ihr selbst aufgehobene\nBeitragsbescheid vom 27. Mai 2003 sei rechtmaßig ergangen. Im Übrigen habe die\nBeklagte zu 1) den Klager jedoch zu Recht ab 01. April 2002 als freiwilliges\nMitglied eingestuft und dementsprechend Beitrage erhoben. Dem Klager stehe der\nsinngemaß geltend gemachte Herstellungsanspruch nicht zu, nachdem auf Seiten\nder Beklagten keine Pflichtverletzung vorliege. Es sei Sache des Klagers\ngewesen, sich vor seiner Wahlentscheidung zu informieren, zumal sich die\nBeklagte zu 1) fur Ruckfragen zur Verfugung gestellt habe. Wegen der weiteren\nEinzelheiten der Begrundung wird auf den Inhalt des dem Klager gegen\nEmpfangsbekenntnis am 10. Januar 2005 zugestellten Urteils verwiesen. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Dagegen richtet sich die am 25. Januar 2005 beim Landessozialgericht (LSG)\neingegangene Berufung des Klagers, mit der er insbesondere geltend macht, ihm\nstehe aufgrund eines Beratungsfehlers der Beklagten zu 1) ein\nHerstellungsanspruch zu. Ein Versicherungstrager sei ausnahmsweise dann zur\nErteilung eines Hinweises verpflichtet, wenn sich eine vorteilhafte gesetzlich\neingeraumte Gestaltungsmoglichkeit fur den Burger geradezu aufdrange. Dies sei\nvorliegend der Fall. Die empfindlichen Nachteile im Falle eines Ausschlusses\naus der KVdR habe auch das BVerfG in seiner Entscheidung verdeutlicht. Soweit\nihm im Hinblick auf seinen Vortrag, die Beklagte zu 1) habe quasi eine Falle\naufgebaut und ihn in diese "hineintappen" lassen, vom SG entgegen gehalten\nworden sei, dies sei konstruiert und abwegig, sei darauf hinzuweisen, dass er\nvollig gutglaubig gewesen sei und angenommen habe, ihm wurden aus dem nahe\ngelegten Wechsel zuruck in die freiwillige Versicherung kaum ernstliche\nNachteile erwachsen. Damit und im Hinblick auf das Ansinnen der Beklagten,\nnichts Boses ahnend, sei sein spontaner Antrag auf Befreiung von der\nVersicherungspflicht zu erklaren. Von den empfindlichen Nachteilen einer\nfreiwilligen gegenuber einer Pflichtmitgliedschaft habe er erst spater durch\nden Wortlaut der Entscheidung des BVerfG erfahren. Die Beklagte habe konkret\nauf die in der Entscheidung des BVerfG dargelegten empfindlichen Nachteile\nhinweisen mussen, beispielsweise durch Übermittlung eines Auszugs aus dieser\nEntscheidung. Wegen der lapidaren routinemaßig abgewickelten schematischen\nBehandlung dieser Angelegenheit habe er etwas ernstlich Konkretes, auf den\nEinzelfall bezogenes weder auf eine schriftliche noch auf eine telefonische\nAnfrage erwarten konnen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Der Klager beantragt sinngemaß, \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 08. Dezember 2004 abzuandern und\nunter Aufhebung der Bescheide vom 26. Februar, 30. Juni und 04. August 2003 in\nder Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. September 2003 sowie des\nBescheids vom 29. Januar 2004 seine Versicherungspflicht in der\nKrankenversicherung der Rentner ab 01. April 2002 festzustellen und die\nBeklagten auf dieser Grundlage zu verurteilen, die Beitrage neu zu berechnen\nsowie die uberzahlten Beitrage zu erstatten. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Beklagten beantragen, \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Sie halten die angefochtene Entscheidung fur richtig. Insbesondere seien\ndie sich aus dem Versicherungsverhaltnis ergebenden Nebenpflichten zur\nindividuellen Beratung nicht verletzt worden. Die individuellen Beratungs- und\nHinweispflichten bestunden nicht grenzenlos. Eine Beratung von Amts wegen\nsetze vielmehr ein Auskunftsersuchen des Versicherten voraus, wobei ein\nsolches vorliegend gerade nicht vorliege. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die mit Beschluss der Berichterstatterin des Senats vom 02. Marz 2006 zu\ndem Verfahren beigeladene DRVB hat sich zur Sache nicht geaußert und keinen\nAntrag gestellt. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Beteiligten haben sich ubereinstimmend mit einer Entscheidung des\nSenats durch Urteil ohne mundliche Verhandlung einverstanden erklart. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der\nBeteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der\nAkten beider Rechtszuge Bezug genommen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 22 \n--- \n| Die gemaß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und\nfristgerecht eingelegte Berufung des Klagers, uber die der Senat mit dem\nEinverstandnis der Beteiligten gemaß § 124 Abs. 2 SGG ohne mundliche\nVerhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulassig; sie ist jedoch nicht\nbegrundet. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Zunachst ist darauf hinzuweisen, dass der Senat das Rubrum von Amts wegen\nberichtigt und die bei der beklagten Krankenkasse errichtete Pflegekasse als\nBeklagte zu 2) in das Rubrum aufgenommen hat. Denn soweit die beklagte\nKrankenkasse mit den angefochtenen Bescheiden neben Beitragen zu KV jeweils\nauch Beitrage zu PV geltend gemacht hat, handelte sie zugleich auch fur die\nBeklagte zu 2), so dass die Klage sich auch gegen die Beitragsfestsetzung in\nder PV richtet, mithin auch gegen die bezeichnete Pflegekasse. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Das SG hat die Klage im Hinblick auf das Hauptbegehren des Klagers zu Recht\nabgewiesen. Denn die Beklagte zu 1) ist zutreffend davon ausgegangen, dass der\nKlager auch uber den 31. Marz 2002 hinaus ihr freiwilliges Mitglied ist.\nDementsprechend hat sie die Beitrage zutreffend unter Berucksichtigung der\ngesamten wirtschaftlichen Leistungsfahigkeit des Klagers festgesetzt (vgl. §\n240 SGB V). Entsprechend waren im Hinblick auf § 57 Abs. 4 Satz 1 und 2 des\nElften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) auch die Beitrage zur PV\nfestzusetzen. Gegenstand des Verfahrens ist neben dem Bescheid vom 04. August\n2003, der gemaß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden ist,\nauch der wahrend des Klageverfahrens ergangene Bescheid vom 29. Januar 2004,\nder gemaß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist. Diese\nBescheide andern namlich die mit Bescheiden vom 26. Februar und 30. Juni 2003\nfur den Zeitraum ab 01. Marz 2003 festgesetzten monatlichen Beitrage mit\nWirkung ab 01. Juli 2003 bzw. 01. Januar 2004 ab und stellen sich daher als\ndie angefochtenen Bescheide abandernde Bescheide im Sinne der §§ 86, 96 SGG\ndar. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Das SG hat zutreffend ausgefuhrt, dass der Klager durch seine Erklarung im\nSchreiben vom 03. Mai 2002 im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SGB V der\nfreiwilligen Versicherung beigetreten ist, wodurch die zum 01. April 2002\nkraft Gesetzes zunachst eingetretene Mitgliedschaft in der KVdR im Hinblick\nauf § 190 Abs. 11a SGB V zum 01. April 2002 wieder erloschen ist. Zur\nVermeidung von Wiederholungen verweist der Senat gemaß § 153 Abs. 2 SGG auf\ndie entsprechenden Ausfuhrungen des SG in der angefochtenen Entscheidung. Dass\ndie Beklagte zu 1) in ihrem Informationsschreiben vom 23. April 2002 von der\nMoglichkeit eines Antrags auf Befreiung von der Versicherungspflicht\ngesprochen und damit nicht die nach dem Gesetz zutreffende Formulierung\n(Moglichkeit des Beitritts zur freiwilligen Mitgliedschaft) verwendet hat, ist\nnicht von rechtlicher Bedeutung. Denn mit den Ausfuhrungen in dem\nangesprochenen Schreiben hat sie gleichwohl hinreichend deutlich zum Ausdruck\ngebracht, dass mit der erwahnten Erklarung die Fortfuhrung der bisherigen\nfreiwilligen Mitgliedschaft erreicht werden konnte und die zum 01. April 2002\neingetretene Pflichtmitgliedschaft dadurch wiederum beseitigt wurde. In diesem\nSinne hat auch der Klager das entsprechende Hinweisschreiben verstanden. Denn\nmit der von ihm verwendeten Formulierung "beantrage ich hiermit, mich von der\nVersicherungspflicht fur Rentner zu befreien und meine freiwillige\nKrankenversicherung weiterzufuhren", hat er klar zum Ausdruck gebracht, dass\ner den "Befreiungsantrag" stellt, um zu erreichen, dass seine Mitgliedschaft\nin der bisherigen Form, namlich als freiwillige Mitgliedschaft, weitergefuhrt\nwird. Wie seine Einlassungen wahrend des Verwaltungs- und des gerichtlichen\nVerfahrens zeigen, entsprach diese Erklarung auch seinem seinerzeit verfolgten\nZiel. Denn zum damaligen Zeitpunkt ging er - wenn auch zu Unrecht - davon aus,\ndass der weiterhin angestrebte Versichertenstatus einer freiwilligen\nMitgliedschaft sich als der fur ihn gunstigere darstellen wurde. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Soweit der Klager im Berufungsverfahren wiederum geltend macht, die\nBeklagte zu 1) habe ihm einen Wechsel von der Pflichtmitgliedschaft in die\nfreiwillige Mitgliedschaft nahe gelegt und er habe sich bezuglich dieses\nAnsinnens nichts "Boses" gedacht, vermag der Senat - ebenso wie schon das SG -\nnicht nachzuvollziehen, woraus der Klager eine derartige tendenziose\nVorgehensweise der Beklagten zu 1) meint ableiten zu konnen. Das insoweit\nmaßgebliche Schreiben der Beklagten zu 1) vom 23. April 2002 ist vollig\nwertfrei formuliert und zeigt dem Klager lediglich objektiv die im Hinblick\nauf den Beschluss des BVerfG vom 15. Marz 2000 fur ihn bestehende\nGestaltungsmoglichkeit auf, ohne hervorzuheben, dass die Fortfuhrung der\nfreiwilligen Mitgliedschaft die vorzuziehende Alternative ware. Der Senat\nvermag insbesondere nicht zu erkennen, woraus der Klager ableitet, dem\nAdressaten des Schreibens werde ein Wechsel in die freiwillige Versicherung\nnahe gelegt; das Informationsschreiben enthalt nicht einmal ansatzweise\nGesichtspunkte, die fur oder gegen die Fortfuhrung der vom Klager gewahlten\nfreiwilligen Mitgliedschaft sprechen. Soweit der Klager auf der Grundlage der\nihm mit dem in Rede stehenden Schreiben erteilten Informationen davon ausging,\nmit einem Verbleib in der freiwilligen Versicherung seien keine ernsthaften\nNachteile verbinden, beruht diese Einschatzung allein auf seiner subjektiven\nBeurteilung, fur deren Richtigkeit das Schreiben jedoch keine Anhaltspunkte\nbietet. Das SG ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass der Klager an\nseine als solche unwiderrufliche Erklarung gebunden ist und insbesondere nicht\nverlangen kann, im Wege des so genannten sozialrechtlichen\nHerstellungsanspruchs so gestellt zu werden, wie er stehen wurde, wenn er die\nErklarung nicht abgegeben hatte. Die Voraussetzungen fur einen derartigen von\nder Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entwickelten\nsozialrechtlichen Herstellungsanspruch liegen nicht vor. Auf Seiten der\nBeklagten zu 1) ist insbesondere keine Pflichtverletzung festzustellen, durch\ndie beim Klager ein rechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten ware.\nNachdem dieser trotz des Hinweises, die Beklagte zu 1) stehe fur Ruckfragen\ngerne zur Verfugung, nicht mit einem Auskunfts- und Beratungsersuchen an die\nBeklagten herangetreten ist, kame eine solche Pflichtverletzung nur dann in\nBetracht, wenn die Beklagte zu 1) bereits im Zusammenhang mit ihrem\nHinweisschreiben vom 23. April 2002 aufgrund der ihr seinerzeit bekannten\nVerhaltnisse des Klagers von Amts wegen gehalten gewesen ware, den Klager\n"spontan" dahin zu beraten, von der Moglichkeit einer Fortsetzung der\nfreiwilligen Mitgliedschaft keinen Gebrauch zu machen. Eine solche Pflicht zur\nspontanen Beratung setzt jedoch eine fur die Verwaltung erkennbare, klar\nzutage tretende Gestaltungsmoglichkeit voraus, deren Wahrnehmung\noffensichtlich so zweckmaßig ist, dass sie ein verstandiger Antragsteller\nmutmaßlich nutzen wurde. Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Denn\nes ist nicht ersichtlich, wie fur die Beklagte zu 1) aufgrund der bei ihr\ndokumentierten Datenlage klar und ohne nahere Überprufung hatte zutage treten\nsollen, dass fur den Klager die Fortfuhrung der Mitgliedschaft als\nPflichtversicherung offensichtlich zweckmaßig ist. Die Beurteilung dieser\nFrage setzt namlich eine nahere Betrachtung sowohl der Einkommens- als auch\nder Familiensituation voraus, wobei erst aufgrund der Gesamtheit dieser Daten\neine sachgerechte Beurteilung getroffen werden kann. In diesem Zusammenhang\nist darauf hinzuweisen, dass der Klager auch ubersieht, dass die eingetretene\nErhohung seiner Beitrage darauf zuruckzufuhren ist, dass er aus der\nVersicherung seiner im Oktober 2002 verstorbenen Ehefrau seit 01. November\n2002 eine der Beitragsbemessung zugrunde zu legende Witwerrente sowie daruber\nhinaus eine Rente der Zusatzversorgungskasse bezieht, bereits im April 2002\njedoch weder die Beklagte zu 1) noch er selbst Kenntnis von dieser in der\nZukunft liegenden Entwicklung haben konnte. Im Übrigen waren aus diesen Renten\nauch im Rahmen einer Versicherungspflicht in der KVdR Beitrage zu entrichten\ngewesen. Die vom Klager vorliegend geltend gemachten Pflicht zur individuellen\nBeratung selbst ohne konkretes Beratungsersuchen des Versicherten uberspannt\nweit die Anforderungen, die berechtigterweise an einen Sozialleistungstrager\ngestellt werden konnen. Von einem verstandigen Versicherten kann verlangt\nwerden, dass er nach Hinweis auf eine Gestaltungsmoglichkeit im Zusammenhang\nmit einer Entscheidung des BVerfG, um eine sachgerechte Entscheidung treffen\nzu konnen, sich entweder mit einem Beratungsersuchen an seine Krankenkasse\nwendet oder, wenn er dies nicht fur sachdienlich halt, in Eigeninitiative sich\ndie benotigten Informationen selbst beschafft, wie dies vorliegend etwa durch\nBeiziehung der angesprochenen Entscheidung des BVerfG moglich gewesen ware.\nAuch fur den Klager war ein derartiges Vorgehen ohne Weiteres zumutbar,\ndaruber hinaus aber auch nahe liegend, nachdem er als Rechtsanwalt - wie er\nselbst vorgetragen hat - im Sozialversicherungsrecht nicht versiert ist. Der\nerstmals im Berufungsverfahren vorgebrachte Einwand, von der Beklagten zu 1)\nhabe er ernstlich keine konkreten und einzelfallbezogene Auskunfte erwarten\nkonnen, ist fur den Senat weder nachvollziehbar, noch ist dieser Gesichtspunkt\nder eigentliche Grund fur die tatsachliche Vorgehensweise des Klagers. Denn\nausgehend von seinen eigenen fruheren Einlassungen, wonach er glaubte, sich\nmit der Fortfuhrung der freiwilligen Versicherung nicht schlechter zu stellen,\nhat er seinerzeit subjektiv offenbar keinen Beratungsbedarf gesehen und daher\nallein deshalb seine Krankenkasse nicht um eine Beratung gebeten. Dass der\nKlager sich nicht um weitere Informationen bemuht und statt dessen, trotz des\nHinweises auf die Unwiderruflichkeit der Entscheidung, zur Fortfuhrung der\nfreiwilligen Mitgliedschaft innerhalb weniger Tage die in Rede stehende\nErklarung abgegeben hat, liegt nach alledem allein in seinem\nVerantwortungsbereich. Ein Fehlverhalten der Beklagten vermag der Senat nicht\nfestzustellen. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Nachdem der Klager gegen die konkrete Hohe der jeweils festgesetzten\nBeitrage keine Einwande erhoben hat und auch fur den Senat keine Anhaltspunkte\ndafur ersichtlich sind, dass die Beklagten insoweit das Recht falsch angewandt\nhaben konnten, musste der Berufung des Klagers der Erfolg versagt bleiben. Die\nBerufung war daher zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Fur eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung. \n--- \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 22 \n--- \n| Die gemaß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und\nfristgerecht eingelegte Berufung des Klagers, uber die der Senat mit dem\nEinverstandnis der Beteiligten gemaß § 124 Abs. 2 SGG ohne mundliche\nVerhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulassig; sie ist jedoch nicht\nbegrundet. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Zunachst ist darauf hinzuweisen, dass der Senat das Rubrum von Amts wegen\nberichtigt und die bei der beklagten Krankenkasse errichtete Pflegekasse als\nBeklagte zu 2) in das Rubrum aufgenommen hat. Denn soweit die beklagte\nKrankenkasse mit den angefochtenen Bescheiden neben Beitragen zu KV jeweils\nauch Beitrage zu PV geltend gemacht hat, handelte sie zugleich auch fur die\nBeklagte zu 2), so dass die Klage sich auch gegen die Beitragsfestsetzung in\nder PV richtet, mithin auch gegen die bezeichnete Pflegekasse. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Das SG hat die Klage im Hinblick auf das Hauptbegehren des Klagers zu Recht\nabgewiesen. Denn die Beklagte zu 1) ist zutreffend davon ausgegangen, dass der\nKlager auch uber den 31. Marz 2002 hinaus ihr freiwilliges Mitglied ist.\nDementsprechend hat sie die Beitrage zutreffend unter Berucksichtigung der\ngesamten wirtschaftlichen Leistungsfahigkeit des Klagers festgesetzt (vgl. §\n240 SGB V). Entsprechend waren im Hinblick auf § 57 Abs. 4 Satz 1 und 2 des\nElften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) auch die Beitrage zur PV\nfestzusetzen. Gegenstand des Verfahrens ist neben dem Bescheid vom 04. August\n2003, der gemaß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden ist,\nauch der wahrend des Klageverfahrens ergangene Bescheid vom 29. Januar 2004,\nder gemaß § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist. Diese\nBescheide andern namlich die mit Bescheiden vom 26. Februar und 30. Juni 2003\nfur den Zeitraum ab 01. Marz 2003 festgesetzten monatlichen Beitrage mit\nWirkung ab 01. Juli 2003 bzw. 01. Januar 2004 ab und stellen sich daher als\ndie angefochtenen Bescheide abandernde Bescheide im Sinne der §§ 86, 96 SGG\ndar. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Das SG hat zutreffend ausgefuhrt, dass der Klager durch seine Erklarung im\nSchreiben vom 03. Mai 2002 im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SGB V der\nfreiwilligen Versicherung beigetreten ist, wodurch die zum 01. April 2002\nkraft Gesetzes zunachst eingetretene Mitgliedschaft in der KVdR im Hinblick\nauf § 190 Abs. 11a SGB V zum 01. April 2002 wieder erloschen ist. Zur\nVermeidung von Wiederholungen verweist der Senat gemaß § 153 Abs. 2 SGG auf\ndie entsprechenden Ausfuhrungen des SG in der angefochtenen Entscheidung. Dass\ndie Beklagte zu 1) in ihrem Informationsschreiben vom 23. April 2002 von der\nMoglichkeit eines Antrags auf Befreiung von der Versicherungspflicht\ngesprochen und damit nicht die nach dem Gesetz zutreffende Formulierung\n(Moglichkeit des Beitritts zur freiwilligen Mitgliedschaft) verwendet hat, ist\nnicht von rechtlicher Bedeutung. Denn mit den Ausfuhrungen in dem\nangesprochenen Schreiben hat sie gleichwohl hinreichend deutlich zum Ausdruck\ngebracht, dass mit der erwahnten Erklarung die Fortfuhrung der bisherigen\nfreiwilligen Mitgliedschaft erreicht werden konnte und die zum 01. April 2002\neingetretene Pflichtmitgliedschaft dadurch wiederum beseitigt wurde. In diesem\nSinne hat auch der Klager das entsprechende Hinweisschreiben verstanden. Denn\nmit der von ihm verwendeten Formulierung "beantrage ich hiermit, mich von der\nVersicherungspflicht fur Rentner zu befreien und meine freiwillige\nKrankenversicherung weiterzufuhren", hat er klar zum Ausdruck gebracht, dass\ner den "Befreiungsantrag" stellt, um zu erreichen, dass seine Mitgliedschaft\nin der bisherigen Form, namlich als freiwillige Mitgliedschaft, weitergefuhrt\nwird. Wie seine Einlassungen wahrend des Verwaltungs- und des gerichtlichen\nVerfahrens zeigen, entsprach diese Erklarung auch seinem seinerzeit verfolgten\nZiel. Denn zum damaligen Zeitpunkt ging er - wenn auch zu Unrecht - davon aus,\ndass der weiterhin angestrebte Versichertenstatus einer freiwilligen\nMitgliedschaft sich als der fur ihn gunstigere darstellen wurde. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Soweit der Klager im Berufungsverfahren wiederum geltend macht, die\nBeklagte zu 1) habe ihm einen Wechsel von der Pflichtmitgliedschaft in die\nfreiwillige Mitgliedschaft nahe gelegt und er habe sich bezuglich dieses\nAnsinnens nichts "Boses" gedacht, vermag der Senat - ebenso wie schon das SG -\nnicht nachzuvollziehen, woraus der Klager eine derartige tendenziose\nVorgehensweise der Beklagten zu 1) meint ableiten zu konnen. Das insoweit\nmaßgebliche Schreiben der Beklagten zu 1) vom 23. April 2002 ist vollig\nwertfrei formuliert und zeigt dem Klager lediglich objektiv die im Hinblick\nauf den Beschluss des BVerfG vom 15. Marz 2000 fur ihn bestehende\nGestaltungsmoglichkeit auf, ohne hervorzuheben, dass die Fortfuhrung der\nfreiwilligen Mitgliedschaft die vorzuziehende Alternative ware. Der Senat\nvermag insbesondere nicht zu erkennen, woraus der Klager ableitet, dem\nAdressaten des Schreibens werde ein Wechsel in die freiwillige Versicherung\nnahe gelegt; das Informationsschreiben enthalt nicht einmal ansatzweise\nGesichtspunkte, die fur oder gegen die Fortfuhrung der vom Klager gewahlten\nfreiwilligen Mitgliedschaft sprechen. Soweit der Klager auf der Grundlage der\nihm mit dem in Rede stehenden Schreiben erteilten Informationen davon ausging,\nmit einem Verbleib in der freiwilligen Versicherung seien keine ernsthaften\nNachteile verbinden, beruht diese Einschatzung allein auf seiner subjektiven\nBeurteilung, fur deren Richtigkeit das Schreiben jedoch keine Anhaltspunkte\nbietet. Das SG ist daher zutreffend davon ausgegangen, dass der Klager an\nseine als solche unwiderrufliche Erklarung gebunden ist und insbesondere nicht\nverlangen kann, im Wege des so genannten sozialrechtlichen\nHerstellungsanspruchs so gestellt zu werden, wie er stehen wurde, wenn er die\nErklarung nicht abgegeben hatte. Die Voraussetzungen fur einen derartigen von\nder Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entwickelten\nsozialrechtlichen Herstellungsanspruch liegen nicht vor. Auf Seiten der\nBeklagten zu 1) ist insbesondere keine Pflichtverletzung festzustellen, durch\ndie beim Klager ein rechtlicher Nachteil oder Schaden eingetreten ware.\nNachdem dieser trotz des Hinweises, die Beklagte zu 1) stehe fur Ruckfragen\ngerne zur Verfugung, nicht mit einem Auskunfts- und Beratungsersuchen an die\nBeklagten herangetreten ist, kame eine solche Pflichtverletzung nur dann in\nBetracht, wenn die Beklagte zu 1) bereits im Zusammenhang mit ihrem\nHinweisschreiben vom 23. April 2002 aufgrund der ihr seinerzeit bekannten\nVerhaltnisse des Klagers von Amts wegen gehalten gewesen ware, den Klager\n"spontan" dahin zu beraten, von der Moglichkeit einer Fortsetzung der\nfreiwilligen Mitgliedschaft keinen Gebrauch zu machen. Eine solche Pflicht zur\nspontanen Beratung setzt jedoch eine fur die Verwaltung erkennbare, klar\nzutage tretende Gestaltungsmoglichkeit voraus, deren Wahrnehmung\noffensichtlich so zweckmaßig ist, dass sie ein verstandiger Antragsteller\nmutmaßlich nutzen wurde. Davon kann hier jedoch nicht ausgegangen werden. Denn\nes ist nicht ersichtlich, wie fur die Beklagte zu 1) aufgrund der bei ihr\ndokumentierten Datenlage klar und ohne nahere Überprufung hatte zutage treten\nsollen, dass fur den Klager die Fortfuhrung der Mitgliedschaft als\nPflichtversicherung offensichtlich zweckmaßig ist. Die Beurteilung dieser\nFrage setzt namlich eine nahere Betrachtung sowohl der Einkommens- als auch\nder Familiensituation voraus, wobei erst aufgrund der Gesamtheit dieser Daten\neine sachgerechte Beurteilung getroffen werden kann. In diesem Zusammenhang\nist darauf hinzuweisen, dass der Klager auch ubersieht, dass die eingetretene\nErhohung seiner Beitrage darauf zuruckzufuhren ist, dass er aus der\nVersicherung seiner im Oktober 2002 verstorbenen Ehefrau seit 01. November\n2002 eine der Beitragsbemessung zugrunde zu legende Witwerrente sowie daruber\nhinaus eine Rente der Zusatzversorgungskasse bezieht, bereits im April 2002\njedoch weder die Beklagte zu 1) noch er selbst Kenntnis von dieser in der\nZukunft liegenden Entwicklung haben konnte. Im Übrigen waren aus diesen Renten\nauch im Rahmen einer Versicherungspflicht in der KVdR Beitrage zu entrichten\ngewesen. Die vom Klager vorliegend geltend gemachten Pflicht zur individuellen\nBeratung selbst ohne konkretes Beratungsersuchen des Versicherten uberspannt\nweit die Anforderungen, die berechtigterweise an einen Sozialleistungstrager\ngestellt werden konnen. Von einem verstandigen Versicherten kann verlangt\nwerden, dass er nach Hinweis auf eine Gestaltungsmoglichkeit im Zusammenhang\nmit einer Entscheidung des BVerfG, um eine sachgerechte Entscheidung treffen\nzu konnen, sich entweder mit einem Beratungsersuchen an seine Krankenkasse\nwendet oder, wenn er dies nicht fur sachdienlich halt, in Eigeninitiative sich\ndie benotigten Informationen selbst beschafft, wie dies vorliegend etwa durch\nBeiziehung der angesprochenen Entscheidung des BVerfG moglich gewesen ware.\nAuch fur den Klager war ein derartiges Vorgehen ohne Weiteres zumutbar,\ndaruber hinaus aber auch nahe liegend, nachdem er als Rechtsanwalt - wie er\nselbst vorgetragen hat - im Sozialversicherungsrecht nicht versiert ist. Der\nerstmals im Berufungsverfahren vorgebrachte Einwand, von der Beklagten zu 1)\nhabe er ernstlich keine konkreten und einzelfallbezogene Auskunfte erwarten\nkonnen, ist fur den Senat weder nachvollziehbar, noch ist dieser Gesichtspunkt\nder eigentliche Grund fur die tatsachliche Vorgehensweise des Klagers. Denn\nausgehend von seinen eigenen fruheren Einlassungen, wonach er glaubte, sich\nmit der Fortfuhrung der freiwilligen Versicherung nicht schlechter zu stellen,\nhat er seinerzeit subjektiv offenbar keinen Beratungsbedarf gesehen und daher\nallein deshalb seine Krankenkasse nicht um eine Beratung gebeten. Dass der\nKlager sich nicht um weitere Informationen bemuht und statt dessen, trotz des\nHinweises auf die Unwiderruflichkeit der Entscheidung, zur Fortfuhrung der\nfreiwilligen Mitgliedschaft innerhalb weniger Tage die in Rede stehende\nErklarung abgegeben hat, liegt nach alledem allein in seinem\nVerantwortungsbereich. Ein Fehlverhalten der Beklagten vermag der Senat nicht\nfestzustellen. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Nachdem der Klager gegen die konkrete Hohe der jeweils festgesetzten\nBeitrage keine Einwande erhoben hat und auch fur den Senat keine Anhaltspunkte\ndafur ersichtlich sind, dass die Beklagten insoweit das Recht falsch angewandt\nhaben konnten, musste der Berufung des Klagers der Erfolg versagt bleiben. Die\nBerufung war daher zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Fur eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung. \n--- \n---\n\n
140,027
vghbw-2004-07-21-13-s-153204
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
13 S 1532/04
2004-07-21
2019-01-07 14:47:31
2019-01-17 12:00:13
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des\nVerwaltungsgerichts Stuttgart vom 07. Juni 2004 - 1 K 1476/04 - geandert; der\nAntrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der von der Antragstellerin\ninzwischen erhobenen Klage gegen die Verfugung der Antragsgegnerin vom 01.\nMarz 2004 i.d.F. des Widerspruchsbescheides des Regierungsprasidiums Stuttgart\nvom 15. Juni 2004 wird abgelehnt.\n\nDie Antragstellerin tragt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszugen.\n\nDer Streitwert wird auf 4.000,-- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulassig und begrundet; die von der\nAntragsgegnerin nach § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO ausreichend substantiiert\ndargelegten Bedenken gegen die Richtigkeit der angefochtenen (stattgebenden)\nEilentscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart fuhren zu der von der\nAntragsgegnerin beantragten Abanderung. Entgegen der angefochtenen\nEntscheidung uberwiegt das Interesse der Antragsgegnerin am Sofortvollzug der\nangefochtenen Ablehnungsverfugung das entgegenstehende Interesse der\nAntragstellerin an der aufschiebenden Wirkung der von ihr (inzwischen)\nerhobenen Klage. \n--- \n| 2 \n--- \n| Was den Streitgegenstand des hier zu entscheidenden Eilverfahrens angeht,\nso geht das Verwaltungsgericht zwar zutreffend davon aus, dass die Verfugung\nder Antragsgegnerin vom 01.03.2004 lediglich insofern im Verfahren des\nvorlaufigen Rechtsschutzes zu uberprufen ist, als sie den Antrag der\nAntragstellerin auf Erteilung bzw. Verlangerung der Aufenthaltserlaubnis\nabgelehnt hat (Ziffer 2 und 3 der Verfugung) und eine Abschiebungsandrohung\nenthalt (Ziffer 4 der Verfugung); die gleichzeitig verfugte Rucknahme der der\nAntragstellerin zuvor erteilten befristeten Aufenthaltserlaubnisse vom\n12.10.2000, 04.04.2002 und 02.05.2002 ist durch die Behorde nicht mit\nSofortvollzug versehen worden, so dass insofern die Klage aufschiebende\nWirkung nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO hat und einstweiliger Rechtsschutz nicht\ngeboten ist. Soweit das Verwaltungsgericht allerdings in dem angefochtenen\nBeschluss die aufschiebende Wirkung des (damals noch nicht beschiedenen)\nWiderspruchs der Antragstellerin gegen die Verfugung der Antragsgegnerin vom\n01.04.2004 mit der Begrundung angeordnet hat, das Interesse der\nAntragstellerin an der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs uberwiege,\nweil die Antragstellerin aufgrund der fruher mit einem deutschen\nStaatsangehorigen bestehenden Ehe fur den fraglichen Zeitraum ab Auflosung der\nehelichen Lebensgemeinschaft ein eigenstandiges Aufenthaltsrecht erlangt habe\nund ihr nunmehr ein Ermessensanspruch auf befristete Verlangerung der\nAufenthaltserlaubnis, womoglich sogar ein Anspruch auf Erteilung einer\nunbefristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AuslG zustehe, teilt der\nSenat diese Auffassung nicht. Zu Recht tritt die Antragsgegnerin dem Beschluss\ndes Verwaltungsgerichts namlich mit dem Vortrag entgegen, die Antragstellerin\nhabe keine Rechtsposition nach § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AuslG erworben, und\nhieraus leitet die Antragsgegnerin ebenfalls zu Recht die Annahme ab, die\nPrognose des Verwaltungsgerichts uber den mutmaßlichen Ausgang des\nWiderspruchs- und inzwischen Klageverfahrens werde sich nicht bestatigen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Was ein eigenstandiges Aufenthaltsrecht nach § 19 Abs. 1 AuslG angeht, so\nkann der Senat offen lassen, ob die Erwagung des Verwaltungsgerichts zutrifft,\ndie Antragstellerin habe bereits seit der Eheschließung am 30.07.1996 und\ndamit schon vor der Begrundung eines gemeinsamen Wohnsitzes am 01.11.1996 in\nehelicher Lebensgemeinschaft mit ihrem deutschen (damaligen) Ehegatten gelebt;\nauf diese Frage kommt es im vorliegenden Verfahren nicht an, da selbst bei der\n- ausnahmsweise durchaus moglichen - Annahme einer ehelichen\nLebensgemeinschaft trotz raumlicher Trennung die gesetzlich erforderliche\nrechtmaßige Ehebestandszeit von zwei Jahren (§ 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AuslG\nn.F.; zur Anwendbarkeit dieser Vorschrift auf den vorliegenden Fall siehe VGH\nBaden-Wurttemberg, Urteil vom 04.12.2002 - 13 S 2194/01 -, InfAuslR 2003, S.\n190 m.w.N.) hier nicht erreicht ist. Das Gesetz verlangt namlich in § 19 Abs.\n1 S. 1 Nr. 1 AuslG, dass die eheliche Lebensgemeinschaft seit mindestens zwei\nJahren „rechtmaßig" im Bundesgebiet bestanden hat; es kommt also insoweit\nnicht nur auf die Dauer der Lebensgemeinschaft, sondern auch auf den\naufenthaltsrechtlichen Status der Betroffenen an (s. etwa Hailbronner, AuslR,\nRdNr. 5 zu § 19). Die Antragstellerin war seit ihrer Einreise im Jahre 1992\nauslanderrechtlich geduldet; sie war sogar bestandskraftig - verbunden mit\neiner Abschiebungsandrohung - zur Ausreise aufgefordert worden (Verfugung der\nAntragsgegnerin vom 29.05.1995). Daraus folgt, dass der rechtmaßige Aufenthalt\nder Antragstellerin erst mit dem Zeitpunkt der erstmaligen Erteilung der\nAufenthaltserlaubnis (07.11.1996) und damit nicht schon am 30.7.1996 (so das\nVerwaltungsgericht) beginnt. Die Lebensgemeinschaft endete jedoch bereits im\nSeptember oder spatestens im Oktober 1998, so dass die erforderliche\nZeitspanne nicht erreicht ist. Eine fur die Antragstellerin gunstigere\n„Vorverlegung" des Anfangszeitpunktes auf den des Aufenthaltserlaubnisantrags\n(9.8.1996) kommt hier nicht in Betracht. Zwar ist nach der - u.U. auch auf\nbefristete Aufenthaltserlaubnisse ubertragbaren - Rechtsprechung des\nBundesverwaltungsgerichts die ruckwirkende Erteilung einer (im Fall des\nBundesverwaltungsgerichts: unbefristeten) Aufenthaltserlaubnis mit Wirkung fur\neinen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt nach der Antragstellung moglich\n(siehe dazu BVerwG, Urteil vom 29.09.1998 - 1 C 14/97 -, NVwZ 1999, S. 306,\nsiehe auch BVerwG, Urteil vom 24.05.1995 - 1 C 7/94 -, NVwZ 1995, S. 1131,\n1133 und Urteil vom 01.03.1983, - 1 C 14/81 -, NVwZ 1983, S. 476, 477); eine\nderartige ruckwirkende Aufenthaltserlaubnis ist durch die Antragsgegnerin im\nvorliegenden Fall aber nicht erteilt worden, da die Aufenthaltserlaubnis\nausdrucklich den Gultigkeitsvermerk „07.11.1996 bis 06.11.1999" enthalt. Daran\nandert es auch nichts, dass der Antragstellerin bereits bei der Antragstellung\nam 9.8.1996 formularmaßig bestatigt wurde, ihr Aufenthalt gelte aufgrund ihres\nAufenthaltserlaubnisantrags gemaß § 69 Abs. 3 AuslG vorlaufig als erlaubt.\nZwar wurde eine Aufenthaltserlaubnisfiktion nach § 69 Abs. 3 S. 1 AuslG zur\nAnnahme eines „rechtmaßigen" Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft fur\ndie Dauer dieser Fiktion ausreichen, sofern sie nicht spater wieder entfallen\nist (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 22.01.2002 - 1 C 6.01 -, NVwZ 2002, S. 867,\n868 und Hailbronner a.a.O.); eine solche Fiktionswirkung ist hier aber nicht\neingetreten. Die Antragstellerin ist namlich nicht mit einem mit Zustimmung\nder Auslanderbehorde erteilten Visum eingereist und hat sich auch nicht seit\nmehr als sechs Monaten rechtmaßig im Bundesgebiet aufgehalten, wie es § 69\nAbs. 3 S. 1 AuslG voraussetzt. Hiervon abgesehen wurde eine Fiktionswirkung\nauch an der Vorschrift des § 69 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 (unerlaubte Einreise) bzw.\nNr. 2 (Ausreisepflicht) AuslG scheitern: Gegen die als Burgerkriegsfluchtling\neingereiste Antragstellerin erging im Jahr 1995 eine Ausreiseaufforderung und\nAbschiebungsandrohung. Die Tatsache, dass die Antragsgegnerin der\nAntragstellerin (inhaltlich zu unrecht) die Bescheinigung ausgestellt hat,\nwonach die Fiktionswirkung des § 69 Abs. 3 AuslG eingetreten sei, fuhrt zu\nkeinem anderen Ergebnis; eine solche Bescheinigung hat keine konstitutive\nWirkung (siehe dazu VGH Baden-Wurttemberg, Urteil vom 23.11.1995, - 11 S\n2986/94 -, AuAS 1996, S. 50, 52 und Thuringisches Oberverwaltungsgericht,\nBeschluss vom 29.02.1996, BWVPr 1996, S. 213 - LS sowie BSG, Urteil vom\n2.10.1997 -14 REg 1/97, NVwZ 1998, S. 1110, 1111). Der Behorde war daruber\nhinaus zum damaligen Zeitpunkt durchaus bekannt, dass ein gemeinsamer Wohnsitz\nnoch nicht begrundet war (s. Akten der Antragsgegnerin S. 43). Dass die\nBehorde die Ausstellung der Bescheinigung im behordeninternen\nBearbeitungsblatt als „Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung/Duldung"\ndeklariert hat, andert daran nichts; diese fehlerhafte Einschatzung der\nBescheinigung ist nach außen hin nicht deutlich geworden (vgl. auch jetzt auch\nZiff. 69.09.2 der VwV zu § 69 vom 28.06.2000, GMBl 618, und dazu VG Potsdam,\nBeschluss vom 07.01.2004 - 14 L 991/03 -, AuAS 2004, S. 54,55). \n--- \n| 4 \n--- \n| Hat danach die Antragstellerin entgegen der Auffassung des\nVerwaltungsgerichts nach § 19 Abs. 1 S. 1 AuslG nach Aufhebung der ehelichen\nLebensgemeinschaft noch kein eigenstandiges Aufenthaltsrecht i.S.d. genannten\nVorschrift erworben, so ergibt sich hieraus, dass die ihr spater erteilten und\nin der angefochtenen Verfugung zum 01.03.2004 zuruckgenommenen\nAufenthaltserlaubnisse vom 12.10.2000, 04.04.2002 und 02.05.2002 grundsatzlich\nnach § 48 LVwVfG zurucknehmbar sind; dem braucht im gegenwartigen Verfahren\naber nicht nachgegangen zu werden, da es hier lediglich um den Sofortvollzug\nder allerdings den gesamten Zeitraum betreffenden\nAufenthaltserlaubnisablehnung (Ziffer 2 und 3 der genannten Verfugung) und der\nAbschiebungsandrohung (Ziffer 4 und 5 der Verfugung) geht. Dabei ist nach den\neinzelnen Zeitraumen zu differenzieren: \n--- \n| 5 \n--- \n| Was den durch die fruheren befristeten Aufenthaltserlaubnisse abgedeckten\nZeitraum (2000 bis Ende 2002) angeht, stellt sich die Frage einer Neuerteilung\nim vorliegenden Verfahren nicht. Soweit die Antragsgegnerin in dem\nangefochtenen Bescheid (auch) die Aufenthaltserlaubnisantrage der\nAntragstellerin betreffend diesen fruheren Zeitraum sachlich beschieden und\ndas Verwaltungsgericht die Erfolgsaussicht eines entsprechenden Rechtsbehelfs\nbejaht hat, ergibt sich bereits aus der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch\nund Klage gegen die Rucknahmeverfugung, dass es insofern an einem\nBescheidungsinteresse der Klagerin fehlt: Die Frage, ob der Antragstellerin\nfur diesen fruheren Zeitraum eine Aufenthaltserlaubnis sachlich zustand oder\nnicht, wird namlich im Rucknahmeverfahren gepruft und entschieden, so dass es\neines (zusatzlichen) Verwaltungs- oder gerichtlichen Verfahrens auf Erteilung\neiner neuen (ruckwirkenden) Aufenthaltserlaubnis fur diesen Zeitraum nicht\nbedarf. \n--- \n| 6 \n--- \n| Was den noch verbleibenden Antrag der Antragstellerin auf vorlaufigen\nRechtsschutz hinsichtlich der Verlangerung der zuletzt erteilten\nAufenthaltserlaubnis angeht, greift die Antragsgegnerin die Entscheidung des\nVerwaltungsgerichts zu Recht an. Dass mangels eigenstandigen Aufenthaltsrechts\ndie in § 19 Abs. 1 bis 4 AuslG angelegte Systematik zugunsten der\nAntragstellerin nicht eingreift, ist bereits ausgefuhrt worden, und es ist\nauch sonst nicht ersichtlich, inwiefern die Ablehnung der Verlangerung\nrechtlichen Bedenken unterliegen konnte. Eine Vorschrift, die der\nAntragstellerin einen Anspruch auf weitere Aufenthaltserlaubnis einraumen\nkonnte, kommt auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht in Betracht.\nDie in der angefochtenen Entscheidung fur einschlagig gehaltene\nErmessensvorschrift des § 19 Abs. 2 S. 2 AuslG scheidet - wie dargelegt -\nwegen Fehlens der Voraussetzungen des § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AuslG ebenfalls\naus. Der Senat folgt dem Verwaltungsgericht im Übrigen auch nicht darin, dass\nkein Regelversagungsgrund nach § 7 Abs. 2 AuslG vorliegt; die Antragstellerin\nhat namlich durch ihre offenkundig unrichtigen Angaben \\- unabhangig davon,\ndass das Strafverfahren nach § 153 a Abs. 2 StPO eingestellt worden ist - den\nAusweisungsgrund des § 46 Nr. 1 und Nr. 2 AuslG i.V.m. § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG\nverwirklicht. Diese Angaben im Zusammenhang mit dem Aufenthaltserlaubnisantrag\nvom 12.10.2000 sind fur die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis vom gleichen\nTag auch kausal geworden (zur Frage der Kausalitat s. auch VG Berlin, Urteil\nvom 29.01.2004 - 11 A 905/03 -, InfAuslR 2004, S. 204). \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Antragstellerin hat wohl auch keinen Anspruch auf eine unbefristete\nAufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 AuslG; nach der Rucknahme der ihr\nerteilten Aufenthaltserlaubnisse ist sie jedenfalls nicht (mehr) „seit funf\nJahren" im „Besitz" einer Aufenthaltserlaubnis. Die aufschiebende Wirkung der\nvon ihr erhobenen Klage gegen die Rucknahmeentscheidung andert hieran nichts\n(zu einer vergleichbaren Fallgestaltung s. auch BVerwG, Urteil vom 24.5.1995 -\n1 C 7/94 -, NVwZ 1995, S. 1131, 1132). Sie bewirkt insbesondere nicht, dass\ndie zuruckgenommenen Aufenthaltserlaubnisse weiterhin rechtlich existent\nwaren; der Suspensiveffekt eines Rechtsbehelfs fuhrt nur zu einem\nVollzugshindernis und beseitigt nicht die Wirksamkeit der angegriffenen\nVerfugung (standige Rechtsprechung, s. schon BVerwG, Urteil vom 27.10.1982 \\-\n3 C 6/82 -, NJW 1983, S. 776, 777 m.w.N. und die auf dieser Rechtsprechung\nberuhende Vorschrift des § 72 Abs. 2 S. 1 AuslG; zum Streitstand und zur\nGegenmeinung siehe insbesondere Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,\nVwGO, RdNr. 73 f., 96 zu § 80). Dass die Antragstellerin die fruheren\nAufenthaltserlaubnisse im Sinn des § 24 Abs. 1 Nr. 1 AuslG noch „besitzt",\nkann also nicht angenommen werden. Der in der Gewahrung der aufschiebenden\nWirkung liegende Rechtsschutz verlangt lediglich, dass die der Antragstellerin\nzustehende (fruhere) Rechtsposition nicht durch Vollziehung wertlos gemacht\nwird; eine neue, auf der fruheren aufbauende und weitergehende Rechtsposition\nlasst sich aus § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO nicht ableiten (siehe dazu\nFinkelnburg/Jank, Vorlaufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren,\n1998, RdNr. 642 m.w.N.). Selbst wenn man aber aus Rechtsschutzgrunden den\nSuspensiveffekt der Anfechtungsklage gegen die Rucknahme der fruheren\nAufenthaltserlaubnisse dem „Besitz" einer Aufenthaltserlaubnis im Sinn des §\n24 Abs. 1 Nr. 1 AuslG gleichstellen wurde (s. BVerwG, Urteil vom 17.4.1997 - 3\nC 2/95 -, BayVBl 1998, S. 346; zum Sofortvollzug einer Rucknahmeverfugung s.\nauch VGH Baden-Wurttemberg, Beschluss vom 16.1.1997 -11 S 3170/96 -, InfAuslR\n1997, S. 200, 202) oder der Antragstellerin wenigstens eine der Regelung des §\n24 Abs. 1 AuslG entsprechende vorlaufige Rechtsstellung zusprechen wollte,\nwurde dies an dem durch die Antragstellerin verwirklichten Ausweisungsgrund\nscheitern (s. § 24 Abs. 1 Nr. 6 AuslG und oben). \n--- \n| 8 \n--- \n| Bestehen nach alledem an der Rechtmaßigkeit der Ablehnung einer\nAufenthaltserlaubnis keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken, war auch kein\nAnlass, der Antragstellerin gegenuber den Wirkungen der mit dieser Verfugung\nverbundenen und durch den Widerspruchsbescheid inzwischen modifizierten (s. §\n79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) Abschiebungsandrohung vorlaufigen Rechtsschutz zu\ngewahren. Die Ablehnung der aufschiebenden Wirkung lasst die Ausreisepflicht\nder Antragstellerin vollziehbar werden (s. § 42 Abs.2 S. 2 AuslG), und\nAbschiebungshindernisse, die die Abschiebungsandrohung (teilweise)\nrechtswidrig machen konnten, sind weder im erstinstanzlichen noch im\nBeschwerdeverfahren geltend gemacht worden. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die\nStreitwertfestsetzung beruht auf den §§ 25 Abs. 2, 20 Abs. 3 und 13 Abs. 1 S.\n1 und 2 GKG a.F.. \n--- \n| 10 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). \n---\n\n
140,327
olgkarl-2004-10-08-19-w-6104
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
19 W 61/04
2004-10-08
2019-01-07 15:11:39
2019-02-12 12:19:56
Beschluss
## Tenor\n\nAuf die sofortige Beschwerde der Glaubigerin wird der Beschluss des\nLandgerichts Konstanz vom 14.07.2004 aufgehoben und die Sache zur erneuten\nBehandlung und Entscheidung auch uber die Kosten des Beschwerdeverfahrens an\ndas Landgericht zuruckverwiesen.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Mit Urteil vom 17.10.2003 ist der Schuldner u.a. rechtskraftig verurteilt\nworden, gegenuber dem kroatischen Grundbuchamt die „erforderlichen\nErklarungen" abzugeben, wonach die Glaubigerin Miteigentumerin zweier naher\nbezeichneter, in Kroatien gelegener Hausgrundstucke ist und die Eintragung zu\nbeantragen. Unter dem 25.05.2004 hat die Glaubigerin beantragt, gegen den\nSchuldner ein Zwangsgeld und im Weigerungsfall Zwangshaft anzudrohen, weil er\ntrotz mehrfacher Aufforderung die entsprechenden Erklarungen nicht abgegeben\nhabe, und zugleich um Prozesskostenhilfe nachgesucht. Der Schuldner hat\neingewendet, dass er eine Erklarung entsprechend dem Urteil in Kroatien nicht\nabgeben musse, dass Urteil mit der Rechtslage in Kroatien nicht ubereinstimme\nund in Kroatien nicht vollstreckbar sei. Mit dem angefochtenen Beschluss hat\ndas Landgericht den Vollstreckungsantrag sowie den Prozesskostenhilfeantrag\nzuruckgewiesen und dies mit seinem Nichtabhilfebeschluss vom 08.09.2004 damit\nbegrundet, dass sich die Vollstreckung nach § 894 ZPO richte und die\nVerhangung von Zwangsmitteln zudem daran scheitere, dass die Glaubigerin bei\neiner Vollstreckung nach § 888 ZPO erst mitteilen musste, welche\n„erforderlichen" Erklarungen der Schuldner konkret abgeben soll, und folglich\neine hinreichende Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 ZPO verneint. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die nach §§ 127 Abs. 2 S. 2, 793 ZPO statthafte und auch zulassige (§ 569\nZPO) sofortige Beschwerde fuhrt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses\nund Zuruckverweisung der Sache an das Landgericht zur erneuten Behandlung und\nEntscheidung. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| § 894 ZPO steht entgegen der Ansicht des Landgerichts dem\nVollstreckungsantrag der Glaubigerin nach § 888 ZPO nicht entgegen, da die\nFiktion der Abgabe einer Willenserklarung, die abzugeben der Schuldner\nrechtskraftig verurteilt ist, nur eintreten kann, wenn der Urteilstenor eine\nErklarung mit einem fest bestimmten Inhalt zum Gegenstand hat\n(Stein/Jonas/Brehm, ZPO 21. Aufl., § 894 Rdn. 5; Zoller/Stober, ZPO 24. Aufl.,\n§ 894 Rdn. 2). Dies ist vorliegend indessen nicht der Fall, auch im Wege der\nAuslegung lasst sich dem Urteilsausspruch ein fest bestimmter Inhalt der\nabzugebenden Erklarung nicht entnehmen. Genugt aber ein Urteil dem\nBestimmtheitserfordernis des § 894 ZPO nicht, so richtet sich die\nZwangsvollstreckung nach § 888 ZPO, da es sich bei Willenserklarungen, die\nabzugeben der Schuldner verpflichtet ist, um unvertretbare Handlungen i.S.d.\nVorschrift handelt, wobei abweichend von § 894 ZPO eine eindeutige\nBestimmbarkeit des Inhalts der abzugebenden Erklarung genugt (Zoller/Stober, §\n888 Rdn. 3 „Abgabe einer Willenserklarung"; Stein/Jonas/Brehm, § 894 Rdn. 2;\nOLG Braunschweig NJW 1959, 1929). Die Vollstreckung richtet sich auch dann\nnach § 888 ZPO, wenn die Erklarung im Ausland zugehen oder abgegeben werden\nsoll und das Urteil, wie vom Schuldner eingewendet, dort angeblich nicht\nanerkannt wird (vgl. Stein/Jonas/Brehm, § 894 Rdn. 4). Zur Frage der\nAnerkennung hat das Landgericht indessen keine Feststellungen getroffen. Eine\neindeutige Bestimmbarkeit mit der Folge der Vollstreckbarkeit des hier in Rede\nstehenden Urteilsausspruchs ist zudem entgegen den insoweit vom Landgericht\ngehegten Bedenken gegeben. Vom Schuldner sind danach gegenuber dem kroatischen\nGrundbuchamt diejenigen Erklarungen abzugeben, die notwendig sind, damit die\nGlaubigerin als Miteigentumerin der genannten beiden Hausgrundstucke\neingetragen wird. Soweit das Landgericht meint, dass es Sache der Glaubigerin\nsei, dem Schuldner zunachst mitzuteilen, welche „erforderlichen" Erklarungen\ner konkret abgeben soll, rechtfertigt dies nicht die Zuruckweisung des\nVollstreckungsantrags. Wenn das Landgericht es nicht bereits im Rechtsstreit\nfur erforderlich angesehen hat, die abzugebenden Erklarungen im Klageantrag in\ndiesem Sinne konkret vorzugeben, so war es doch gehalten, vor seiner\nEntscheidung uber den Vollstreckungsantrag auf die nunmehr angeblich\nbestehenden Bedenken hinzuweisen und der Glaubigerin Gelegenheit zu geben,\ndiesen Bedenken durch eine entsprechende Antragstellung Rechnung zu tragen. Da\nsich im Übrigen die Frage, welche Erklarungen zur Erreichung des vom Schuldner\ngeschuldeten Erfolges erforderlich sind, nach kroatischem Recht beantwortet,\nware es zudem gegebenenfalls Sache des Vollstreckungsgerichts, gem. § 293 ZPO\ndas maßgebliche Recht, aus dem sich der notwendige Erklarungsinhalt ergibt,\ninsoweit zu ermitteln. Eine entsprechende Klarung zur Konkretisierung des\nInhalts eines Titels im Vollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO zuzulassen,\nentspricht richtiger und wohl auch herrschender Ansicht (vgl. Schilken in\nMuKomm., ZPO 2. Aufl., § 894 Rdn. 5; Stein/Jonas/Brehm, § 894 Rdn. 5;\nWieczorek/Schutze/Storz, ZPO 3. Aufl., § 894 Rdn. 20; OLG Braunschweig,\na.a.O.). \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Um die erforderlichen gebotenen Maßnahmen nachzuholen, sofern die\nVollstreckungsvoraussetzungen im Übrigen gegeben sind (Vorlage der\nvollstreckbaren Urteilsausfertigung), andernfalls dem Vollstreckungsantrag die\nerforderliche Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO) abzusprechen ware, war die Sache\nunter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur erneuten Entscheidung auch\nuber die Kosten des Beschwerdeverfahrens, soweit insoweit eine Entscheidung\nveranlasst ist, an das Landgericht zuruckzuverweisen. \n--- \n---\n\n
140,721
olgkarl-2005-04-12-17-u-17703
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
17 U 177/03
2005-04-12
2019-01-08 15:51:46
2019-02-12 12:20:20
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung der Klagerin gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom\n17. Juni 2003 - 6 O 61/02 - wird mit der Maßgabe zuruckgewiesen, dass die\nKlage als unbegrundet abgewiesen wird.\n\n2\\. Die Klagerin tragt die Kosten des Berufungsrechtszugs.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n5\\. Der Streitwert fur den Berufungsrechtszug wird auf 15.918 EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| 1 \n--- \n| I. Die Klagerin verlangt Werklohn aus einem auf ihr Angebot vom 17.03.1995\n(Anlage K 1; I 84) zuruckgehenden Bauvertrag, abgerechnet durch\nSchlussrechnung vom 03.07.1995 (Anlage K 2; I 86). Die Werkleistung ist\nmangelfrei und abgenommen. Gegenstand des Rechtsstreits ist der unter\nBerucksichtigung geleisteter Zahlungen aus der Schlussrechnung noch offen\nstehende Restbetrag von 31.132,14 DM (= 15.917,61 EUR). \n--- \n| 2 \n--- \n| Wegen der tatsachlichen Feststellungen wird auf das Urteil des Landgerichts\nBezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO). Erganzend ist festzuhalten,\ndass die Beklagten auch die Aktivlegitimation der Klagerin bestritten hatten\n(Seite 6 der Klagerwiderung vom 12.02.2003; I 110), weil die\nstreitgegenstandliche Forderung aufgrund einer Globalzession an die Sparkasse\nD. abgetreten sei. Dies habe die Klagerin durch Anwaltsschreiben vom\n15.12.1997 (Anlage B 5) selbst mitgeteilt. \n--- \n| 3 \n--- \n| Das Landgericht hat die Klage als unzulassig abgewiesen. Die Beklagten\nhatten sich zu Recht auf die Einrede der Schiedsgerichtsvereinbarung berufen\nmit der Folge, dass die Klage gemaß § 1027 a ZPO a. F. als unzulassig\nabzuweisen sei. Die Schiedsgerichtsvereinbarung habe formfrei geschlossen\nwerden konnen, weil der Schiedsvertrag fur beide Parteien ein Handelsgeschaft\ngewesen sei. Die Parteien hatten die Schiedsgerichtsklausel auch durch\nBezugnahme auf Allgemeine Geschaftsbedingungen wirksam in das\nVertragsverhaltnis einbeziehen konnen. Die streitgegenstandliche\nWerklohnforderung aus der Schlussrechnung vom 03.07.1995 entstamme einem\nZusatzvertrag zu dem ursprunglichen Vertragsverhaltnis vom 11.11.1992 uber die\nNeugestaltung des Bahnhofsvorplatzes M. auf der Basis des\nVerhandlungsprotokolls vom 02.11.1992. Die Nachunternehmerbedingungen der\nBeklagten Ziffer 1 (NU 89) mit der Schiedsgerichtsklausel in Nr. 13 seien\nwirksam in den Vertrag einbezogen. Die Beklagten hatten sich auch auf die\nEinrede der getroffenen Schiedsabrede berufen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgrunde des\nangefochtenen Urteils Bezug genommen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Hiergegen richtet sich die Berufung der Klagerin, mit der sie die\nerstinstanzlichen Klageantrage in vollem Umfang weiterverfolgt. Sie halt an\nder Auffassung fest, dass eine wirksame Schiedsgerichtsvereinbarung zwischen\nden Parteien nicht getroffen worden sei. Bei dem Vertragsverhaltnis auf der\nGrundlage des Angebots vom 17.03.1995 handele es sich um ein gesondertes\nVertragsverhaltnis, das sich nicht als Zusatzauftrag zu dem Vertragsverhaltnis\nvom 11.11.1992 darstelle. Es konne nicht auf die Formulierung im Angebot vom\n17.03.1995 uber „zusatzliche Arbeiten" abgestellt werden. \n--- \n| 6 \n--- \n| Die Klagerin halt ferner an der erstinstanzlich vertretenen Auffassung\nfest, der abgeschlossene Vergleich beziehe sich nur auf die im Schriftwechsel\nerwahnte Schlussrechnung vom 02.12.1994. Die Forderung aus der\nstreitgegenstandlichen Schlussrechnung vom 03.07.1995 sei davon nicht erfasst. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Klagerin beantragt, \n--- \n| 8 \n--- \n| 1\\. das Urteil des Landgerichts Mannheim, Az: 6 O 61/02, vom 17.06.2003,\nzugestellt am 25.06.2003, aufzuheben sowie \n--- \n| 9 \n--- \n| 2\\. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klagerin\n31.132,14 DM (= 15.918,00 EUR) nebst 10 % Zinsen hieraus seit dem 03.09.1995\nzu zahlen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beklagten beantragen, \n--- \n| 11 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Sie verteidigen das Urteil des Landgerichts und wiederholen auch in der\nzweiten Instanz die Einrede der Schiedsgerichtsvereinbarung. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Beklagten halten auch im Berufungsverfahren ihre Einwendung aufrecht,\neine Forderung der Klagerin bestehe jedenfalls nicht, weil die\nstreitgegenstandliche Forderung von dem zwischen den Parteien abgeschlossenen\nVergleich umfasst werde und mit dem von den Beklagten gezahlten\nVergleichsbetrag abgegolten sei. Im Übrigen verweisen sie erganzend auf ihren\nerstinstanzlichen Vortrag. \n--- \n| 14 \n--- \n| Durch Beschluss des Amtsgerichts Ludwigshafen/Rh. vom 19.07.1996 - 3 N\n129/95 - ist uber das Vermogen der S. GmbH das Konkursverfahren eroffnet\nworden. Der bestellte Konkursverwalter hat sodann als Partei kraft Amtes einen\nMahnbescheid gegen die Beklagten erwirkt und - nach dem Übergang ins streitige\nVerfahren - als Klager den Anspruch durch Schriftsatz seiner\nProzessbevollmachtigen vom 07.01.2003 begrunden lassen. Durch Beschluss vom\n14.02.2003 hat das Konkursgericht das Konkursverfahren gemaß § 204 KO\neingestellt. Der Beschluss ist im Bundesanzeiger vom 01.03.2003 und im\nStaatsanzeiger Rheinland-Pfalz vom 03.03.2003 bekannt gemacht worden. Unter\ndem 11.06.2003 ist die Klagerin von Amts wegen gemaß § 141 a FGG im\nHandelsregister geloscht worden. Durch Beschluss des Amtsgerichts\nLudwigshafen/Rh. vom 22.12.2004 ist der Wirkungskreis des bereits anderweitig\nbestellten Nachtragsliquidators O. S. (fruher Geschaftsfuhrer der Klagerin)\nauf die Geltendmachung der hier streitgegenstandlichen Anspruche erweitert\nworden, der die bisherige Prozessfuhrung insgesamt genehmigt hat. \n--- \n| 15 \n--- \n| Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der Parteien wird\nauf die gewechselten Schriftsatze und vorgelegten Unterlagen Bezug genommen. \n--- \n| 16 \n--- \n| II. Die zulassige Berufung der Klagerin hat im Ergebnis keinen Erfolg. \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Klage ist allerdings zulassig. Sie ist aber unbegrundet, weil die\nKlagerin aufgrund der Globalzession an die Sparkasse D. nicht Inhaberin der\neingeklagten Forderung ist und zudem weil die Parteien sich unter Mitwirkung\nder Sparkasse D. auf einen Vergleich (§ 779 BGB) verstandigt hatten, in den\ndie Klageforderung einbezogen war. Die Beklagten haben die vereinbarte\nVergleichszahlung geleistet und den Vergleich damit erfullt. \n--- \n| 18 \n--- \n| 1\\. Die Klage ist zulassig. \n--- \n| 19 \n--- \n| a) Nach entsprechender Rubrumsberichtigung ist nunmehr klagende Partei die\ndurch den Nachtragsliquidator ordnungsgemaß vertretene S. GmbH i. L., welche\nnach der Einstellung des Konkursverfahrens gemaß § 204 KO und Bekanntmachung\ndes Einstellungsbeschlusses an die Stelle des ursprunglich die Klage fuhrenden\nKonkursverwalters getreten ist. \n--- \n| 20 \n--- \n| Es kann dahingestellt bleiben, ob die Freigabe der Klageforderung aus der\nKonkursmasse, die durch Schreiben des Konkursverwalters vom 05.02.2003 erklart\nworden sein soll, zu einem Parteiwechsel auf Klagerseite gefuhrt oder\njedenfalls die Übernahme des Rechtsstreits durch die Gemeinschuldnerin\nermoglicht hat oder ob der Konkursverwalter nach dem Grundsatz des § 265 Abs.\n2 ZPO den Rechtsstreit gleichwohl fortzufuhren hatte. Er ist jedenfalls durch\ndie Beendigung des Konkursverfahrens als Klager aus dem Prozess ausgeschieden.\nDer Konkursverwalter uber das Vermogen der Klagerin war als Partei kraft Amtes\nweder gesetzlicher Vertreter noch Organ der Gemeinschuldnerin. Er wahrte in\neigener Parteistellung die Rechte der Gemeinschuldnerin und die der\nKonkursglaubiger an der Konkursmasse (Zoller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 51\nRn. 7). Mit der Bekanntmachung der Entscheidung des Konkursgerichts uber die\nEinstellung des Verfahrens gemaß § 204 KO (Einstellung mangels Masse) hat der\nursprungliche Klager seine Stellung als Konkursverwalter und auch als Partei\nkraft Amtes im anhangigen Prozess verloren. Gleichzeitig hat seine\nProzessfuhrungsbefugnis geendet (MunchKommInsO/Hefermehl, Band 2, § 207 Rn.\n82). Dies fuhrt bei der hier gegebenen Sachverhaltsgestaltung zu einem\nParteiwechsel auf Klagerseite, wonach die fruhere Gemeinschuldnerin als\nGesellschaft in Liquidation als Klagerin in den Prozess eintritt\n(MunchKommZPO/Feiber, 2. Aufl., Band 1, § 240 Rn. 24). Den mit der\nKonkursaufhebung oder Beendigung des Konkursverfahrens einhergehenden Wechsel\nin der Person seines Prozessgegners muss der Schuldner einer streitbefangenen\nForderung hinnehmen (BGH NJW 1992, 2894). \n--- \n| 21 \n--- \n| Wegen der Vertretung durch einen Prozessbevollmachtigten ist durch die\nBeendigung des Konkursverfahrens keine Unterbrechung eingetreten (§ 246 Abs. 1\nZPO). Ein Aussetzungsantrag ist nicht gestellt worden (vgl. auch OLG Koln ZIP\n1987, 1004). Dieser Umstand andert allerdings nichts daran, dass der Senat\ndurch entsprechende Hinweise fur eine ordnungsgemaße Bezeichnung der klagenden\nPartei und deren ordnungsgemaße Vertretung im Rechtsstreit zu sorgen hatte,\ndie durch die Erweiterung des Wirkungskreises des bereits anderweit bestellten\nNachtragsliquidators - jedenfalls nunmehr im Berufungsrechtszug -gewahrleistet\nist. Auf die Parteifahigkeit der Klagerin hatte ihre Loschung im\nHandelsregister gemaß § 141 a FGG keinen Einfluss, da in dem eingeklagten\nAnspruch noch ein Vermogensgegenstand zu sehen ist (Zoller/Vollkommer, ZPO §\n50 Rn. 4 ff.). \n--- \n| 22 \n--- \n| b) Der Klage steht auch nicht eine Schiedsgerichtsvereinbarung entgegen.\nDie Parteien haben eine solche nicht wirksam getroffen. Insbesondere ist nach\nder Auffassung des Senats die Klausel Nr. 13 der AGB der Beklagten Ziffer 1\n(NU 89) von den Parteien nicht in den Vertrag einbezogen worden. \n--- \n| 23 \n--- \n| Im Verhandlungsprotokoll vom 02.11.1992 (Anlage B 2) hatten die Parteien\nallerdings vorgesehen, dass fur Streitigkeiten ein Schiedsgericht vereinbart\nwird. Die Schiedsgerichtsvereinbarung sollte in einer gesonderten, diesem\nVerhandlungsprotokoll als Anlage 1 beigefugten Urkunde festgehalten werden.\nDiese im Verhandlungsprotokoll festgehaltene Erklarung verdrangte als\nspeziellere und nach Nr. 1 des Verhandlungsprotokolls vorrangige Regelung die\nnur erganzend einbezogenen Bedingungen der Beklagten Ziffer 1 fur\nNachunternehmer (NU 89). So ist die Nr. 1 „Vertragsgrundlagen" zu verstehen\nund auszulegen (§§ 133, 157 BGB). Daneben konnte nicht auf Nr. 13 der NU 89\nzuruckgegriffen werden, weil die Parteien die ins Auge gefasste\nSchiedsgerichtsabrede einer gesonderten individualvertraglichen Vereinbarung\nvorbehalten hatten (vgl. auch § 4 AGBG). Dem entspricht, dass - nach dem von\nder Klagerin bestrittenen Vortrag der Beklagten - mit der schriftlichen\nAuftragserteilung vom 11.11.1992 (Anlage B 1) dem Schreiben als Anlage\nbeigefugt gewesen sein sollen das Verhandlungsprotokoll und - was die Klagerin\nbestreitet - die Schiedsgerichtsvereinbarung. Die Beklagten haben aber eine\nsolche weder hinsichtlich ihres Inhalts naher spezifiziert noch haben sie eine\nsolche Vereinbarung vorgelegt oder Beweis fur ihre Existenz angeboten. Demnach\nhaben die Parteien zwar eine solche Schiedsgerichtsvereinbarung treffen\nwollen, diese aber tatsachlich nicht, auch nicht spater und zumindest nicht in\nder vereinbarten Schriftform (§ 154 Abs. 2 BGB), abgeschlossen. \n--- \n| 24 \n--- \n| c) Eine Ermachtigung der Sparkasse D. zur gerichtlichen Geltendmachung der\nan sie - von der Klagerin nicht bestritten - durch Globalzession abgetretenen\nForderung unter Einschluss der Befugnis, Zahlung an sich selbst zu verlangen\n(gewillkurte Prozessstandschaft), behauptet die Klagerin nicht. Auf die Frage,\nob eine solche Ermachtigung auch im Konkursfall und bei einer im Übrigen\nvermogenslosen GmbH Rechtswirkung entfalten kann, kommt es daher nicht an\n(vgl. dazu Zoller/Vollkommer, ZPO vor § 50 Rn. 50). Die Klagerin geht -\nanderes macht sie jedenfalls nicht substantiiert geltend - aus eigenem Recht\nvor, sodass die Klage insoweit zulassig ist. Ob die Klagerin tatsachlich\nInhaberin der eingeklagten Forderung ist, betrifft eine Frage der\nBegrundetheit der Klage. \n--- \n| 25 \n--- \n| 2\\. Die Klage ist nicht begrundet. \n--- \n| 26 \n--- \n| a) Der Senat war durch § 528 ZPO nicht gehindert, die Prozessabweisung in\nerster Instanz auf die Berufung der Klagerin durch eine Sachabweisung zu\nersetzen (Zoller/Gummer/Heßler, ZPO § 528 Rn. 32). Eine unzulassige Abanderung\nzum Nachteil des Berufungsfuhrers (reformatio in peius) liegt darin nicht. Der\nSenat hatte auch selbst in der Sache zu entscheiden. Eine Zuruckverweisung an\ndas Landgericht nach § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO kam mangels eines\nentsprechenden Antrags einer Partei nicht in Betracht. \n--- \n| 27 \n--- \n| b) Die Klage war schon deshalb als unbegrundet abzuweisen, weil die\nKlagerin nicht Inhaberin der mit der Klage geltend gemachten Forderung aus\nihrer Schlussrechnung vom 03.07.1995 ist. Die Beklagten haben die\nAktivlegitimation der Klagerin bestritten und unwidersprochen vorgetragen, die\nForderung sei aufgrund einer Globalzession an die Sparkasse D. abgetreten.\nDenn die Klagerin hat sich in ihrer Replik dazu nicht weiter geaußert und\ndieses Vorbringen damit hingenommen. Der Einwand der Beklagten trifft auch in\nder Sache zu, was dadurch bestatigt wird, dass die Klagerin selbst die\nBeklagten vorgerichtlich unter Hinweis auf die Globalzession aufgefordert\nhatte, die Zahlung der nicht bestrittenen Werklohnforderung an die Sparkasse\nD. zu leisten (Schreiben vom 15.12.1997; Anlage B 5). \n--- \n| 28 \n--- \n| c) Die von der Klagerin geltend gemachte Forderung besteht aber auch\ndeshalb nicht (mehr), weil sie in den Vergleich (§ 779 BGB) einbezogen war,\nauf den sich die Parteien in Abstimmung mit der Sparkasse D. verstandigt\nhatten. Die Beklagten hatten mit Schreiben vom 07.04.1998 (Anlage B 7)\nangeboten, einen Betrag von 150.000 DM einschl. MWSt. zu zahlen, wenn damit\nsamtliche Anspruche gegen die Beklagten als Arbeitsgemeinschaft im\nZusammenhang mit dem Bauvorhaben Bahnhofsvorplatz M. Nord, insbesondere aus\nder Schlussrechnung vom 02.12.1994, vollstandig und endgultig ausgeglichen\nsind. Der Konkursverwalter uber das Vermogen der Klagerin stimmte der Zahlung\neines solchen (Abgeltungs-)Betrages zu. Er erklarte ferner ausdrucklich\nZustimmung zu der Vereinbarung, dass mit dieser Zahlung samtliche Anspruche\naus dem bezeichneten Bauvorhaben abgegolten sind. Sein Schreiben vom\n22.04.1998 haben die Prozessbevollmachtigten der Klagerin auf Bitte des\nKonkursverwalters mit Schreiben vom 08.06.1998 an die Beklagten\nweitergeleitet. Auch die Sparkasse D. hat mit Telefaxmitteilung vom 20.05.1998\nihr Einverstandnis erklart, wie auch H. S. und W. S. in ihrer Eigenschaft als\nBurgen, was die Sparkasse D. zur Bedingung erhoben hatte. Danach ist der\ngenannte Vergleich rechtswirksam zustande gekommen. Die Vergleichssumme ist,\nwie vereinbart, an die Sparkasse D. gezahlt und der Vergleich damit erfullt\nworden. \n--- \n| 29 \n--- \n| Entgegen der Behauptung der Klagerin ist die Klageforderung in den\ngenannten Vergleich einbezogen worden. Auch die Arbeiten, welche der\nSchlussrechnung vom 03.07.1995 zugrunde liegen, bezogen sich auf Arbeiten in\nM., Hauptbahnhof. Sowohl das Angebot der Klagerin vom 17.03.1995 als auch die\nSchlussrechnung vom 03.07.1995 lassen durch den Begriff „zusatzliche Arbeiten"\nerkennen, dass es sich um - nachtraglich beauftragte - Zusatzarbeiten im\nAnschluss an den im November 1992 erteilten Hauptauftrag handelt. Dass die\nKlagerin diesen bereits mit Schlussrechnung vom 02.12.1994 abgerechnet hatte,\nist unerheblich. Dieser Vertrag war schon mangels Zahlung der\nSchlussrechnungssumme noch nicht vollstandig erfullt und konnte auch wahrend\nder laufenden Gewahrleistungsfrist noch nachtraglich einvernehmlich erweitert\nwerden. Vertragspartner der Klagerin ist in beiden Fallen die A.\nBahnhofsvorplatz M. Nord, welche nur fur dieses eine Bauvorhaben gegrundet\nworden war. Durch die Vergleichszahlung sollten samtliche Anspruche gegen die\nin Arbeitsgemeinschaft zusammengeschlossenen Beklagten vollstandig und\nendgultig ausgeglichen sein, welche im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben\nBahnhofsvorplatz M. Nord stehen. Die Erwahnung der Schlussrechnung vom\n02.12.1994 war, wie sich deutlich aus der Verwendung des Wortes „insbesondere"\nergibt, nicht abschließend. Bei interessengerechter Auslegung erstreckte sich\nder Vergleich auf alle Anspruche, die zum Zeitpunkt der Vereinbarung bekannt\nwaren und im Zusammenhang mit Bauarbeiten in M. Hauptbahnhof standen, welche\ndie aus den Beklagten bestehende Arbeitsgemeinschaft als Hauptunternehmer\nauszufuhren hatte und die von ihr der Klagerin als Nachunternehmerin in\nAuftrag gegeben waren. \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Berufung der Klagerin war daher mit der Maßgabe zuruckzuweisen, dass\ndie Klage nicht durch Prozessurteil, sondern als sachlich unbegrundet\nabgewiesen wird. \n--- \n| 31 \n--- \n| III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§\n708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. \n--- \n| 33 \n--- \n| Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Zulassungsgrunde gemaß §\n543 Abs. 2 ZPO vorliegt. \n--- \n| 34 \n--- \n| Gemaß § 25 Abs. 2 GKG a. F. war der Streitwert festzusetzen. \n---\n\n
140,796
vg-sigmaringen-2005-05-02-1-k-184604
159
Verwaltungsgericht Sigmaringen
vg-sigmaringen
Sigmaringen
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
1 K 1846/04
2005-05-02
2019-01-08 15:52:24
2019-01-17 12:00:58
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag wird abgelehnt.\n\nDie Antragstellerin tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| I. Die Antragstellerin wendet sich gegen eine Verfugung der\nAntragsgegnerin, durch die ihr der Betrieb von Spielgeraten mit\n„Weiterspielmarken (Token)" untersagt wurde. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Antragstellerin betreibt in U. eine Spielhalle unter dem Namen „F. W.".\nMit Bescheid vom 07.10.2003 wurde ihr die Erlaubnis nach § 33c GewO fur den\nBetrieb von Spielgeraten mit Gewinnmoglichkeit erteilt. Mit Schreiben vom\n14.07.2004 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin ihre\nRechtsauffassung mit, wonach es sich bei den so genannten „Fun-Games"\n(Spielgerate mit Tokenabgabe <Weiterspielmarken>, Hinterlegungsspeicher,\nRabattsystem oder Token-Manager) um erlaubnispflichtige Spielgerate mit\nGewinnmoglichkeit handele. Deren Betrieb werde aber durch die Erlaubnis nach §\n33 c Abs. 1 GewO nicht gedeckt, da ihnen die Bauartzulassung der Physikalisch-\nTechnischen Bundesanstalt (PTB) fehle. Es sei beabsichtigt, in den nachsten\nTagen entsprechende Überprufungen vorzunehmen und gegebenenfalls durch\nentsprechende Verfugungen den Abbau der Gerate anzuordnen und mit\nZwangsmitteln durchzusetzen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Mit Schreiben vom 22.07.2004 brachte die Antragstellerin ihr Interesse an\nder Verhinderung des illegalen Gluckspiels zum Ausdruck. Sie teilte weiter\nmit, dass in mehreren strafrechtlichen rechtskraftigen Urteilen geklart sei,\ndass „Fun-Games" beim ordnungsgemaßen Betrieb, d.h. wenn kein Ruckkauf von\nToken stattfinde, keinen Gewinn ermoglichten und deshalb das Vorliegen eines\nverbotenen Gluckspiels ausgeschlossen sei. Die Ausgabe von Weiterspielmarken\nbzw. die Verwendung von Hinterlegungsspeichern fuhrten nicht zur Einordnung\nals Gerate mit Gewinnmoglichkeit. \n--- \n| 4 \n--- \n| Mit Schreiben vom 13.08.2004 informierte die Antragsgegnerin die\nAntragstellerin uber die Feststellungen, die bei der Kontrolle der Spielhalle\n„F. W." am 28.07.2004 getroffen worden seien. Es seien sechs „Fun-Games"\nvorgefunden worden. Diese funktionierten dergestalt, dass die Kunden dort\nWeiterspielmarken (Token) einwurfen und sich so eine bestimmte Anzahl von\nSpielen kauften. Die Token hatten einen Geldwert von 2,50 EUR, was 100 Punkten\nentspreche. Der Mindestumsatz fur ein Spiel sei 1 Punkt. Je nach Art des\nausgewahlten Spiels dauere dieses etwa zwischen drei und acht Sekunden.\nGewinne der Kunde, werfe das Gerat eine bestimmte Anzahl Token aus. Diese\nkonne der Kunde fur weitere Spiele an diesem oder an einem anderen der funf\naufgestellten „Fun-Games" verwenden. Er konne sich gegen Einwurf der Token\nauch Bargeld in Hohe seines Einsatzes durch Benutzung eines so genannten\nToken-Managers auszahlen lassen. Mit diesem und einem Chipkartensystem werde\ndas Verfahren der Tokenausgabe und der Rucktausch des Einsatzes in Geld\nautomatisiert. Nach dem Ende des Spiels an den „Token-Geraten" konne sich der\nKunde den Einsatz, der auf der Chipkarte noch gespeichert sei, in Bargeld\nausbezahlen lassen. Entgegen der hochstzulassigen Zahl von sechs\nGewinnspielgeraten in der 90 m² großen Spielhalle seien durch die „Fun-Games"\ninsgesamt zwolf Spielgerate mit Gewinnmoglichkeit in der Spielhalle\nvorgefunden worden. Die Token aus der Spielhalle „Fun World" konnten auch in\nden „Token-Spielgeraten" der angrenzenden Spielhalle der Firma F.-A. GmbH\nverwendet werden. Die Antragsgegnerin halte an ihrer Rechtsauffassung fest,\ndass es sich bei einem Spielgerat um ein Spielgerat mit Gewinnmoglichkeit\nhandele, wenn bei Erreichen einer bestimmten Punktzahl oder eines bestimmten\nErgebnisses Token ausgeworfen wurden. Im Gegensatz zur bloßen unmittelbaren\nWeiterspielmoglichkeit bzw. dem „Freispiel" erhalte der Spieler mit der\nWeiterspielmarke einen bleibenden Wert. Diesen konne er auch noch Wochen\nspater nutzen, an Dritte verschenken, verkaufen oder gegen andere\nVermogenswerte umtauschen. Es sei daher beabsichtigt, die Entfernung der uber\ndie nach § 3 Abs. 2 SpielVO hinausgehenden Anzahl an Spielgeraten mit\nGewinnmoglichkeiten und die Entfernung samtlicher in der Spielhalle „F. W."\naufgestellten Spielgerate mit Abgabe von Weiterspielmarken und des Token-\nManagers anzuordnen sowie die Aufstellung weiterer solcher Gerate und die\nVerwendung des Chipkartensystem zu untersagen. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Antragstellerin erhob am 25.08.2004 beim Verwaltungsgericht Sigmaringen\neine vorbeugende Feststellungsklage (1 K 1649/04) mit dem Ziel, den Erlass der\nangekundigten Verfugung zu untersagen. Zur Begrundung der Klage fuhrte sie\naus, die Token-Gerate wurden seit Jahren als erlaubnisfreie\nUnterhaltungsautomaten vertrieben. Es entspreche herrschender Meinung, dass\nWeiterspielmarken nur dann als Gewinn angesehen werden konnten, wenn die\nkonkrete Moglichkeit bestehe, sie jederzeit unschwer gegen Bargeld oder einen\nSachwert einzulosen. Rein vorsorglich werde klargestellt, dass die\nAntragstellerin spatestens ab dem 15.09.2004 nicht mehr die Moglichkeit biete,\nbis zur Hohe des Kundeneinsatzes Token in Bargeld zuruckzutauschen. Die Token\nwurden nur noch zum Zwecke des Weiterspielens ausgegeben. Die Token\nverkorperten nichts anderes als eine Freispielmoglichkeit. \n--- \n| 6 \n--- \n| Mit Verfugung vom 27.09.2004 ordnete die Antragsgegnerin die Entfernung\nsamtlicher Spielgerate mit Abgaben von Weiterspielmarken (Token) aus der\nSpielhalle „F. W." in der E.straße in U. bis zum 05.10.2004 an und untersagte\ndas weitere Aufstellen sowie das Betreiben solcher Gerate. Die sofortige\nVollziehung wurde angeordnet. Zwangsgelder wurden angedroht. Zur Begrundung\nwurde ausgefuhrt, bei der Kontrolle am 20.09.2004 sei festgestellt worden,\ndass die mit den laufenden Nrn. 1 bis 5 bezeichneten Token-Gerate nach wie vor\nbetrieben wurden. Das Chipkartensystem sei jedoch abgeschafft worden. Der\nToken-Manager diene nur noch als Munzwechsler und konne von Kunden durch\nTastendruck so umgestellt werden, dass anstatt Kleingeld Token ausgegeben\nwurden. Bei den von der Antragstellerin aufgestellten „Token-Geraten" handele\nes sich um Gerate mit Gewinnmoglichkeit i.S. des § 33c Abs. 1 Satz 1 GewO.\nSolche Gerate durften nur bei Vorliegen einer Bauartzulassung der\nPhysikalisch-Technischen Bundesanstalt aufgestellt werden. Ein Gewinn i.S. des\n§ 33 Abs. 1 GewO liege vor, wenn der Spieler einen nicht ganz unbedeutenden\nVermogenswert oder einen vermogenswerten Vorteil erhalte. Ein solcher Vorteil\nsei nach herrschender Auffassung nicht in der reinen Weiterspielmoglichkeit\nohne weitere Aufwendungen im direkten Anschluss an das bezahlte Spiel zu\nsehen. Hier stehe das Spielvergnugen im Vordergrund. Spielanreiz sei allein\nder Unterhaltungswert des Spiels und nicht eine Gewinnmoglichkeit. Etwas\nanderes gelte dann, wenn das Spielgerat bei Erreichen einer bestimmten\nPunktzahl oder eines bestimmten Ergebnisses Spielmarken auswerfe. Im Gegensatz\nzum Freispiel erhalte der Spieler mit der Spielmarke einen bleibenden Wert. Er\nkonne die Spielmarke auch noch spater nutzen. Bei den Token handele es sich\nauch dann um einen Gewinn, wenn ein Rucktausch in Waren oder Geld\nausgeschlossen sei. Der Spieler konne namlich mit den gewonnenen Token Spiele\ndurchfuhren, fur die er sonst einen Geldbetrag aufwenden musse. Die\nMoglichkeit, einen oder mehrere Token zu gewinnen, erhohe den Spielanreiz und\nlasse einen Spieler eher in Versuchung geraten, immer weiter zu spielen, um\neinen Ausgleich fur die bereits getatigten und verlorenen Spieleinsatze in\nForm von Token zu erhalten. Damit werde nicht mehr zur Unterhaltung, sondern\nmit dem Ziel gespielt, einen Gewinn zu erzielen. Letztendlich werde der\nmenschliche Spieltrieb ausgenutzt. Bei der Einstellung der so genannten Fun-\nGames sei ein Durchschnittsverlust von 720,-- EUR in der Stunde moglich. Bei\nzugelassenen Geldspielgeraten betrage die derzeitige durchschnittliche\nVerlustmoglichkeit 28,97 EUR pro Stunde. Die Vorschriften der §§ 33 c ff.\nGewerbeordnung sollten einer ubermaßigen gewerbsmaßigen Ausnutzung des\nmenschlichen Spieltriebs entgegenwirken. Deshalb unterlagen Spielgerate mit\nGewinnmoglichkeiten besonderen Vorschriften. Diese Einschrankungen mussten\nauch beim Betrieb von Token-Geraten gelten. Die Antragsgegnerin stutze ihre\nVerfugung auf die analoge Anwendung des § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO. Danach konne\ndie Fortsetzung eines Betriebs von der zustandigen Behorde verhindert werden,\nwenn das Gewerbe (in analoger Anwendung: der Betrieb eines\nerlaubnispflichtigen Gerats ohne Erlaubnis und Bauartzulassung) ohne die\nerforderliche Zulassung betrieben werde. Das in § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO\neingeraumte Ermessen sei ausgeubt worden. Die Entfernungs- und\nUnterlassungsanordnung sei eine geeignete Maßnahme, um die weitere Aufstellung\nnicht zugelassener Gewinnspielgerate zu unterbinden. Die Entfernung sei\nerforderlich, da eine Stilllegung im Betriebsraum selbst nicht kontrolliert\nwerden konne. Die Verfugung wurde der Antragstellerin am 04.10.2004\nzugestellt. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Antragstellerin hat am 05.10.2004 beim Verwaltungsgericht Sigmaringen\neinen Antrag auf Gewahrung vorlaufigen Rechtsschutzes gestellt. Zur Begrundung\ntragt ihr Prozessbevollmachtigter das Folgende vor: Bei den Token-Geraten\nhandele es sich um Unterhaltungsgerate, bei denen gegen Geldeinsatz\nWeiterspielmarken, so genannte Token, erspielt werden konnten. Je nach Verlauf\ndes Spiels gewinne oder verliere der Spieler Punkte. Wolle der Kunde das Spiel\nbeenden und weise der Speicher ein Guthaben auf, konne er sich entsprechend\nToken ausgeben lassen. Diese konnten zum Weiterspielen an anderen Token-\nGeraten, nicht aber an Geldspielgeraten eingesetzt werden. Ein Rucktausch der\nToken in Geld sei technisch ausgeschlossen. Bei den Token-Geraten handele es\nsich nicht um Gerate im Sinne des § 33c Abs. 1 Satz 1 GewO. Als Aufstellerin\nhabe die Antragstellerin auch nicht die Moglichkeit, eine Bauartzulassung der\nPTB einzuholen. Die Hersteller und die PTB seien der Auffassung, dass es sich\num nicht zulassungspflichtige Gerate ohne Gewinnmoglichkeit handele. Es\nentspreche der herrschenden Meinung (Zitate werden genannt), dass die\nMoglichkeit des Weiterspielens keinen Gewinn darstelle. Die baden-\nwurttembergischen Gewerbebehorden hatten bei einer Arbeitstagung die\nAuffassung geaußert, dass es sich nicht um Gerate mit Gewinnmoglichkeit\nhandele, wenn kein Umtausch der Token in Geld erfolge. Die Weitergabe von\nToken an Dritte sei theoretischer Natur. Das Schutzgut des § 33 c GewO sei\nerst betroffen, wenn ein Spieler die Moglichkeit habe, sein Geld durch\nEinsatze zu vermehren. Dies sei bei den Token nicht der Fall, da sie nicht in\nGeld umgetauscht werden konnten. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Antragstellerin beantragt, \n--- \n| 9 \n--- \n| die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Ordnungsverfugung\nder Antragsgegnerin vom 27. September 2004 wieder herzustellen. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Antragsgegnerin beantragt, \n--- \n| 11 \n--- \n| den Antrag abzulehnen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Antragstellerin halt an der von ihr im Verwaltungsverfahren vertretenen\nRechtsauffassung fest. Erganzend fuhrt sie aus, dass sich die Ausgabe von\nToken von der Einraumung eines Freispiels unterscheide, weil die Token auch\nnoch Wochen spater genutzt, an Dritte verschenkt oder verkauft werden konnten.\nDies sei bei einem Freispiel nicht der Fall. \n--- \n| 13 \n--- \n| II. Der zulassige Antrag ist nicht begrundet. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die sofortige Vollziehung ist im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO ausreichend\nbegrundet. \n--- \n| 15 \n--- \n| Das Verwaltungsgericht kann nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung\neines Rechtsbehelfs wiederherstellen, wenn die Behorde den Sofortvollzug ihrer\nVerfugung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat, bzw. anordnen,\nwenn seine aufschiebende Wirkung gegen Maßnahmen der Zwangsvollstreckung nach\n§ 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 12\nLandesverwaltungsvollstreckungsgesetz - LVwVG - entfallt. Das Gericht trifft\nseine Entscheidung aufgrund einer eigenen Interessenabwagung. Es ist nicht\ndarauf beschrankt, die Begrundung zu uberprufen, die die Behorde fur die\nAnordnung der sofortigen Vollziehung ihrer Verfugung gegeben hat. Die\naufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs wird regelmaßig dann wiederhergestellt\nbzw. angeordnet, wenn dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit begrundet sein wird.\nDie Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung scheidet\nregelmaßig dann aus, wenn der Rechtsbehelf mit hoher Wahrscheinlichkeit\nerfolglos bleiben wird. Im Übrigen ist die Begrundetheit des\nAussetzungsantrags unter Berucksichtigung der Erfolgsaussichten in der\nHauptsache danach zu beurteilen, ob das offentliche Interesse an der\nsofortigen Vollziehung das private Interesse des Antragstellers an der\nAussetzung des Vollzugs uberwiegt. \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Antrag ist nicht begrundet, da die Überprufung der angefochtenen\nVerfugung in einem Hauptsacheverfahren mit uberwiegender Wahrscheinlichkeit zu\ndem Ergebnis fuhren wird, dass sie rechtmaßig ist. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Rechtsgrundlage fur die Regelung unter der Nummer 1 der angefochtenen\nVerfugung durfte eher in § 33c Abs. 1 Satz 3 GewO (vgl. VGH Baden-Wurttemberg,\nBeschluss vom 11.04.2003 - 14 S 2251/03 -, GewArch 2003, 248) als in dem von\nder Antragsgegnerin herangezogenen § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO (vgl. VG Darmstadt,\nBeschluss vom 08.12.2003 - 3 G 2459/03 -, GewArch 2004, 124) zu finden sein.\nDer VGH Baden-Wurttemberg geht in seinem Beschluss davon aus, dass Sinn und\nZweck der Ermachtigung in § 33c Abs. 1 Satz 3 GewO es nicht ausschließen,\ndiese auch auf Auflagen zu beziehen, mit denen die tatbestandlichen\nVoraussetzungen fur einen nach § 33c Abs. 1 GewO erlaubten\n(Geld-)Spielhallenbetrieb sichergestellt oder wiederhergestellt werden sollen.\nRechtlich durfte es dabei keinen Unterschied machen, ob durch eine auf § 33c\nAbs. 1 Satz 3 GewO gestutzte Auflage der Betrieb eines Spielgerats mit\nGewinnmoglichkeit verhindert werden soll, das seine Bauartzulassung verloren\nhat, oder ob es sich um ein solches handelt, dem die Erlaubnis von vornherein\nfehlt. Im Ergebnis kann die Kammer die Frage nach der Ermachtigungsgrundlage\naber offen lassen, da jedenfalls eine der beiden Vorschriften es ermoglicht,\nden Betrieb unzulassiger Spielgerate mit Gewinnmoglichkeit aufgrund einer\nErmessensentscheidung zu unterbinden. In beiden Fallen sind auch die gleichen\nGesichtspunkte zu berucksichtigen und zu erwagen. \n--- \n| 18 \n--- \n| Die unter der Nummer 1 der angefochtenen Verfugung erlassene Regelung ist\nausreichend bestimmt. Aus dem Text der Anordnung und ihrer Begrundung ist zu\nentnehmen, dass mit der Anordnung, Spielgerate zu entfernen, die in der\nTabelle auf Seite 2 der Verfugung unter den laufenden Nummern 1 bis 5\naufgezahlten Gerate gemeint sind, die Weiterspielmarken (Token) ausgeben. Die\nUnterlassungsverfugung bezieht sich auf gleichartige Spielgerate. Von der\nAnordnung werden solche Gerate nicht erfasst, die zwar mit Token in Betrieb\ngesetzt werden konnen, die aber Token nicht selbst ausgeben. \n--- \n| 19 \n--- \n| Die von der Verfugung erfassten Gerate werden aller Voraussicht nach\nrechtswidrig betrieben, da es sich um Spielgerate im Sinne des § 33c Abs.1\nSatz 1 GewO handelt, denen die erforderliche Zulassung nach § 33c Abs. 1 Satz\n2 GewO fehlt. Unstreitig ist es, dass die von der Verfugung erfassten Token-\nGeraten keine Bauartzulassung der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt\nhaben. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Nach § 33c Abs. 1 GewO bedarf der Erlaubnis, wer gewerbsmaßig Spielgerate\naufstellt, die mit einer den Spielausgang beeinflussenden technischen\nVorrichtung versehen sind, und die die Moglichkeit eines Gewinns bieten. Ein\nGewinn im Sinne des § 33c Abs. 1 GewO liegt immer dann vor, wenn der Spieler\neinen nicht ganz unbedeutenden Vermogenswert oder vermogenswerten Vorteil\nerhalt. Die von der Verfugung erfassten Token-Gerate bieten im Sinne dieser\nVorschrift eine Gewinnmoglichkeit. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Einigkeit besteht daruber, dass eine Gewinnmoglichkeit dann besteht, wenn\nals Ergebnis des Spiels vom Betreiber oder aus dem Spielgerat selbst Geld oder\nWaren bezogen werden konnen, die uber den Einsatz hinausgehen. Als Gewinn\ngelten dagegen nicht Freispiele, die aufgrund der Durchfuhrung eines bezahlten\nSpiels gewonnen werden und nur im unmittelbaren Anschluss daran gespielt\nwerden konnen. Dann liegt kein Gewinn, sondern ein schlichtes Weiterspielen\nvor (vgl. Hamburgisches OVG, Beschluss vom 31.03.2004 - 1 Bs 47/04 -, GewArch\n2004, 299; Tettinger in Tettinger/Wank, Gewerbeordnung, 7 Auflage 2004, § 33c\nGewO Rdnr. 10 und 11; Marcks in Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung,\nLoseblattsammlung, § 33c GewO Rdnr. 6 ff, Stand Februar 2004). \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Danach durfte die fruhere Betriebsform der Token-Gerate in der Spielhalle\n„F. W." der Antragstellerin ohne Zweifel als Spiel mit Gewinnmoglichkeit\neinzuordnen gewesen sein, da das Chipkartensystem und die Art und Weise, wie\nder Token-Manager fruher betrieben wurden, den Umtausch von Token in Geld\nermoglichen und zwar auch von solchen Token, die dem Spieler aufgrund\ngewonnener Spielpunkte zugefallen waren (vgl. Hamburgisches OVG, Beschlusse\nvom 31.03.2004 - 1 Bs 47/04 -, GewArch 2004, 299 und vom 01.10.2003 - 4 Bs\n370/03 -, GewArch 2004, 246). Diese Betriebsform ist aber nicht Gegenstand der\nangegriffenen Verfugung. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Ausgabe von Weiterspielmarken (Token) und die Moglichkeiten ihrer\nVerwendung unterscheiden sich grundlegend von einem Freispiel, das nicht als\nGewinn im Sinne des § 33c Abs. 1 GewO anzusehen ist. Daher ist auch durch die\nÄnderung der Betriebsform der Token-Gerate in der Spielhalle der\nAntragsgegnerin die Erlaubnispflicht nach § 33c Abs. 1 GewO nicht entfallen. \n--- \n| 24 \n--- \n| Ein Gewinn liegt nur vor, wenn der erlangte Wert uber den Einsatz des\nSpielers hinausgeht. Bei der Beantwortung der Frage, ob dies zutrifft, ist auf\ndas einzelne Spiel, das nach dem unbestrittenen Vortrag der Antragsgegnerin\nzwischen drei und acht Sekunden dauert, abzustellen. Eine Saldierung der\nEinsatze und des Werts der gewonnen Spielpunkte bzw. Token uber mehrere Spiele\nhinweg ist nicht zulassig. Es ist davon auszugehen, dass bei einem einzelnen\nSpiel mehr Punkte gewonnen werden konnen, als fur das Spiel, das zum Gewinn\nfuhrt, eingesetzt werden. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Werden Punkte in einer festgelegten Anzahl gewonnen, konnen diese in Form\nvon Weiterspielmarken (Token) ausgegeben werden. Die Verkorperung eines\nGeldwertes in der Form des Token fuhrt beim Spieler zu einem Zuwachs seines\nVermogens, denn er muss nicht erneut eigenes Geld einsetzen, wenn er\nweiterspielen will (Hamburgisches OVG, Beschluss vom 31.03.2004, a.a.O.).\nDafur kann er die Weiterspielmarken verwenden. Die Verkorperung der\nWeiterspielmoglichkeit in der Form des Token gibt dem „Freispiel" eine neue\nQualitat, die eine Gleichstellung mit der Art von Freispiel, die nicht als\nGewinn gilt, nicht zulasst. Ist das Freispiel nicht verkorpert, hat es nur\neinen geringen Wert, da es verfallt, wenn es nicht sogleich gespielt wird.\nDurch die Verkorperung der Berechtigung zum Weiterspielen kann der Spieler\ndaruber nach Belieben verfugen. Er kann das Spielen an einem anderen Tag oder\nauch, wie das Beispiel der an die Spielhalle „F. W." angrenzenden\nF.-Spielhalle zeigt, auch an einem anderen Ort fortsetzen. Er kann die Token\nauch verschenken und dadurch einer beliebigen anderen Person die\nSpielmoglichkeit eroffnen. Aufgrund dieser erweiterten\nVerwendungsmoglichkeiten des Freispiels durch seine Verkorperung in Token ist\nsein Vermogen nicht nur unerheblich durch die gewonnen Weiterspielmarken\nbereichert. In jedem dieser Falle erspart der Spieler die Aufwendung von\nBargeld. Dies allein reicht schon fur die Annahme des Bestehens einer\nGewinnmoglichkeit bei dem Betrieb von Token-Geraten aus. \n--- \n| 26 \n--- \n| Daruber hinaus durfte nicht nur die theoretische Moglichkeit bestehen,\nWeiterspielmarken wieder in Geld umzutauschen und dadurch einen Gewinn zu\nerzielen. Eine Suche unter dem Stichwort „Weiterspielmarken" am 02.05.2005 bei\ndem Internetauktionshaus Ebay ergab 24 Treffer, die sich auf mehrere Anbieter\nverteilten. Bei der Mehrzahl der Angebote gab es auch mindestens ein Gebot.\nAuch wenn dies allein keinen Nachweis fur einen relevanten Markt fur\nWeiterspielmarken ergibt, ist es doch ein Indiz dafur, dass es Personen gibt,\ndie bereit sind, fur Token Geld zu bezahlen und dass die Token nicht nur von\nihren Gewinnern zum Weiterspielen benutzt werden. Der Lebenserfahrung durfte\nes angesichts dieses Umstandes nicht widersprechen, dass es auch in den\nSpielhallen selbst zur Weitergabe von Token gegen Geld oder Waren kommt. Damit\nsoll aber nicht gesagt werden, dass die Betreiber oder das Spielhallenpersonal\nin solche Transaktionen verwickelt sind oder diese fordern. Dies ist auch\nnicht erheblich. Bei dem Umtausch von Token in Geld durfte es auch eine Rolle\nspielen, dass die Token bei der ersten Kontrolle in der Spielhalle der\nAntragstellerin aufgrund seiner damaligen Betriebsweise durch den Token-\nManager erfolgen konnte. Die Spieler durften sich somit an die Moglichkeit\ngewohnt und nach der Umstellung der Token-Manager bei der Antragsstellerin\nnach anderen Umtauschmoglichkeiten gesucht haben (vgl. zum Vorliegen eines\nVermogenswertes, wenn der Umtausch von Token „ublich" geworden ist:\nDahs/Dierlamm, „Unterhaltungsautomaten ohne Gewinnmoglichkeit mit Ausgabe von\nWeiterspielmarken - unerlaubtes Gluckspiel"?, GewArch 1996, 272). \n--- \n| 27 \n--- \n| Die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin ist nicht zu beanstanden.\nErmessensentscheidungen konnen vom Verwaltungsgericht nur eingeschrankt\nuberpruft werden (vgl. § 114 VwGO). Ein Ermessensfehler liegt vor, wenn die\nBehorde ein ihr zustehendes Ermessen nicht ausubt (Ermessensnichtgebrauch)\noder die im Ermessenswege verhangte Rechtsfolge von der gesetzlichen\nErmachtigung nicht gedeckt ist (Ermessensuberschreitung). Ein Ermessenfehler\nliegt auch dann vor, wenn sich die Behorde von sachfremden Erwagungen leiten\nlasst, sie den Zweck des Gesetzes verkennt, sie nicht von einem vollstandigen\nund richtigen Sachverhalt ausgeht oder sie einem Gesichtspunkt ein Gewicht\nbeimisst, das ihm objektiv nicht zukommen kann. Derartige Ermessensfehler\nkonnen bei der Entscheidung der Antragsgegnerin nicht festgestellt werden. \n--- \n| 28 \n--- \n| Die Zwangsgeldandrohung ist nicht zu beanstanden. Zur Klarstellung wird\ndarauf hingewiesen, dass die Androhung nur eine einmalige Festsetzung eines\nZwangsgeldes je Gerat zulasst. \n--- \n| 29 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. \n---\n\n
141,218
vg-freiburg-2005-08-17-4-k-144505
157
Verwaltungsgericht Freiburg
vg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
4 K 1445/05
2005-08-17
2019-01-08 17:33:26
2019-01-17 12:01:23
Beschluss
## Tenor\n\nDer Antrag wird abgelehnt.\n\nDer Antragsteller tragt die Kosten des Verfahrens.\n\nDer Streitwert wird auf 3.500,-- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Antrag des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung\nseiner Widerspruche gegen die kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO)\nsofort vollziehbaren (drei) Beitragsbescheide des Antragsgegners vom\n14.03.2005 in der Fassung der (die Bescheide vom 14.03.2005 modifizierenden)\nBeitragsbescheide vom 04.05.2005 und vom 07.06.2005 uber die Festsetzung der\nVersorgungsbeitrage fur die Jahre 2002, 2003 und 2004, ist nach § 80 Abs. 5\nVwGO zulassig, aber unbegrundet. Denn es bestehen keine ernstlichen Zweifel an\nder Rechtmaßigkeit der angegriffenen Bescheide und es sind keine Anhaltspunkte\ndafur vorgetragen oder erkennbar, dass die Vollziehung fur den Antragsteller\neine unbillige, nicht durch uberwiegende offentliche Interessen gebotene Harte\nzur Folge hatte (§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO analog). Die Annahme ernstlicher\nZweifel an der Rechtmaßigkeit von Abgabenbescheiden setzt nach standiger\nRechtsprechung der Verwaltungsgerichte voraus, dass ein Erfolg des\nRechtsbehelfs wahrscheinlicher ist als dessen Misserfolg; offene\nErfolgsaussichten genugen fur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines\nRechtsbehelfs nicht (VGH Bad.-Wurtt., Beschl. v. 18.08.1997 - 2 S 1518/97 -\nm.w.N.; Beschl. der Kammer v. 09.06.2005 - 4 K 1015/05 -). \n--- \n| 2 \n--- \n| Insbesondere begegnen die angegriffenen Bescheide nicht deshalb\nuberwiegenden rechtlichen Bedenken, weil der Antragsgegner auch das Einkommen\ndes Antragstellers aus seiner nichtanwaltlichen Tatigkeit als Geschaftsfuhrer\nder ... GmbH der Bemessung des fur die Beitragshohe maßgeblichen Einkommens\nzugrunde gelegt hat. Dies entspricht vielmehr der Rechtsprechung des\nVerwaltungsgerichtshofs Baden-Wurttemberg, der in einem Urteil vom 11.09.1990\n(NJW 1991, 1195) in Auslegung und Anwendung der fur die Beitragserhebung des\nAntragsgegners maßgeblichen landesrechtlichen Vorschriften des Gesetzes uber\ndas Versorgungswerk der Rechtsanwalte in Baden-Wurttemberg in der (bis heute\ngeltenden) Fassung vom 10.12.1984 (Rechtsanwaltsversorgungsgesetz; GBl., S.\n671) - RAVG - und der darauf beruhenden Satzung des Antragsgegners - RAVwS -\nausdrucklich entschieden hat, dass auch Einnahmen aus nichtanwaltlicher\nTatigkeit oder Beschaftigung zur Bemessungsgrundlage des Versorgungsbeitrags\nzahlen und dass dies selbst dann verfassungsrechtlich unbedenklich ist, wenn\ndas betreffende Mitglied des Antragsgegners ausschließlich solche\n(berufsfremden) Einnahmen erzielt. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-\nWurttemberg hat dieses Ergebnis ausdrucklich auch mit einer Auswertung der dem\nRechtsanwaltsversorgungsgesetz zugrunde liegenden Materialien sowie dem vom\n(Landes-)Gesetzgeber mit dem Gesetz verfolgten Sinn und Zweck begrundet und\ndanach den Einkommensbegriff in § 8 Abs. 1 RAVG im Sinne aller Einkunfte aus\nselbstandiger und unselbstandiger Tatigkeit weit ausgelegt. Die Kammer sieht\nim Rahmen der im vorliegenden Eilverfahren gebotenen summarischen Prufung der\nSach- und Rechtslage keinen hinreichenden Anlass, von dieser Rechtsprechung\n(des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Wurttemberg) abzuweichen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Dem kann der Antragsteller nicht das Urteil des Oberverwaltungsgerichts\nRheinland-Pfalz vom 01.02.2005 (NJW 2005, 1301) entgegen halten. Denn dieses\nUrteil betrifft allein die Auslegung und Anwendung des Landesgesetzes uber die\nrheinland-pfalzische Rechtsanwaltsversorgung. In ihm wird die Befugnis des\nLandesgesetzgebers, die Berucksichtigung von Einnahmen in der Weise zu regeln,\nwie das (nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Wurttemberg) in\nBaden-Wurttemberg der Fall ist, nicht in Abrede gestellt. Im Gegenteil wird in\ndiesem Urteil (am Ende) das Recht des (jeweiligen) Landesgesetzgebers, die\nBeitragsbemessungsgrundlage in der Rechtsanwaltsversorgung anders als in\nRheinland-Pfalz zu regeln, ausdrucklich betont. \n--- \n| 4 \n--- \n| Dem Antragsteller kann auch nicht darin gefolgt werden, dass es bei einer\nBerucksichtigung seiner Einnahmen sowohl aus anwaltlicher als auch aus\nnichtanwaltlicher Tatigkeit konsequenterweise geboten ware, dann auch seine\n(negativen) Einkunfte aus Vermietung und Verpachtung zu berucksichtigen. Denn\nder Antragsgegner als (im Rahmen des vorrangigen Gesetzesrechts) autonomer\nSatzungsgeber hat u. a. durch die Bezugnahme in § 11 Abs. 2 RAVwS auf die §§\n14 und 15 SGB IV von seiner Befugnis zur Bestimmung der\nberucksichtigungsfahigen Einkommensart Gebrauch gemacht und damit bestimmt,\ndass nur Einkunfte aus selbstandiger und unselbstandiger Tatigkeit zu\nberucksichtigen sind und dass andere Einkunftsarten wie z. B. Einkunfte aus\nVermietung und Verpachtung bei der Bemessung des Versorgungsbeitrags außer\nBetracht bleiben (vgl. auch hierzu VGH Bad.-Wurtt., Urt. v. 11.09.1990,\na.a.O.). \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Kammer hat davon abgesehen, den Antrag (erweiternd) dahin auszulegen,\ndass er sich auch gegen die in den genannten Bescheiden getroffene Festsetzung\nder Saumniszuschlage richtet. Denn dies ist - anders als das bei den vom\nAntragsteller erhobenen Widerspruchen der Fall ist - weder dem Wortlaut des\ngestellten Antrags noch seiner Begrundung zu entnehmen. Abgesehen davon ware\nein solcher Antrag auch hinsichtlich seiner Zulassigkeit fraglich, weil es\nsich bei Saumniszuschlagen nach uberwiegender Auffassung nicht um Abgaben oder\nKosten im Sinne von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO, die der Deckung des\nFinanzbedarfs von Tragern offentlicher Verwaltung dienen, sondern vorwiegend\num Druckmittel handelt (vgl. Schoch in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO,\nStand: Sept. 2004, § 80 RdNr. 116; Kopp/Schenke, VwGO, 14. Aufl. 2005, § 80\nRdNr. 63 m.w.N.), was zur Folge hatte, dass es insoweit bei der Grundregel des\n§ 80 Abs. 1 VwGO bliebe und dem Widerspruch aufschiebende Wirkung zukame. \n--- \n| 6 \n--- \n| Dass die Vollziehung fur den Antragsteller eine unbillige, nicht durch\nuberwiegende offentliche Interessen gebotene Harte zur Folge hatte, ist weder\nvon ihm vorgetragen noch sonst ersichtlich. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die\nStreitwertfestsetzung auf den §§ 52 Abs. 3, 53 Abs. 3 Nr. 2 und 63 Abs. 2 GKG\n(zur Reduzierung des Streitwerts im Hinblick auf die Besonderheiten des auf\nvorlaufigen Rechtsschutz gerichteten Verfahrens in Abgabensachen vgl. Nr. II.\n1.5 des Streitwertkatalogs fur die Veraltungsgerichtsbarkeit, Fassung 7/2004,\nNVwZ 2004, 1327). \n---\n\n
141,721
vg-sigmaringen-2006-04-20-2-k-36306
159
Verwaltungsgericht Sigmaringen
vg-sigmaringen
Sigmaringen
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
2 K 363/06
2006-04-20
2019-01-08 22:21:25
2019-01-17 12:01:54
Beschluss
## Tenor\n\nDie Antrage werden abgelehnt.\n\nDie Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens jeweils zur Halfte.\n\nDer Streitwert wird auf 1.350,- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Die nach § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 (hinsichtlich Nr. 1\nund 3 der Verfugung vom 19.11.2005) bzw. Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 12 LVwVG\n(hinsichtlich Nr. 2 der Verfugung) statthaften Antrage auf Wiederherstellung\nbzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klagen der Antragsteller vom\n12.12.2005 sind nicht begrundet. \n--- \n| 2 \n--- \n| Bei der von der Kammer zu treffenden eigenen Entscheidung uber die Frage\nder Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines\nRechtsbehelfs sind die privaten Interessen der Antragsteller an der\nVerschonung vom Vollzug des Verwaltungsakts bis zur rechtskraftigen\nEntscheidung uber das eingelegte Rechtsmittel und das Interesse der\nAllgemeinheit am sofortigen Vollzug gegeneinander abzuwagen. Dabei sind die\nErfolgsaussichten des Rechtsbehelfs, dessen aufschiebende Wirkung\nwiederhergestellt werden soll, ein wesentliches Kriterium. Erweist sich der\nRechtsbehelf als wahrscheinlich erfolgreich, so wird auch dem Antrag auf\nvorlaufigen Rechtsschutz in aller Regel zu entsprechen sein. Erweist sich der\nRechtsbehelf hingegen als wahrscheinlich erfolglos, so durfte regelmaßig dem\noffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Vorrang zukommen. \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Klagen durften sehr wahrscheinlich erfolglos bleiben, da die\nangegriffene Verfugung des Regierungsprasidiums Tubingen - Bezirksstelle fur\nAsyl - vom 19.11.2005 sich als rechtmaßig erweisen und die Antragsteller mit\nsehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht in eigenen Rechten verletzt sein durften\n(vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Daher war der Antrag abzulehnen. \n--- \n| 4 \n--- \n| Fur Auslander, die sich im Bundesgebiet aufhalten, besteht Passpflicht (§ 3\nAbs. 1 AufenthG). Ermachtigungsgrundlage fur die Anordnung, der zustandigen\nAuslanderbehorde einen gultigen Pass oder Passersatz vorzulegen, ist § 48 Abs.\n1 AufenthG, fur die alternativ angeordnete personliche Vorsprache und\nAntragstellung bei Vertretern des Generalkonsulats § 48 Abs. 3 Satz 1 und § 82\nAbs. 4 Satz 1 AufenthG. Nach diesen Vorschriften sind Auslander, auf die das\nAufenthG anwendbar ist, verpflichtet, ihren Pass oder Passersatz den mit der\nAusfuhrung des Gesetzes betrauten Behorden vorzulegen, auszuhandigen und\nvorubergehend zu uberlassen, soweit dies zur Durchfuhrung oder Sicherung von\nMaßnahmen nach diesem Gesetz erforderlich ist (§ 48 Abs. 1 AufenthG); im Falle\ndes Nichtbesitzes eines gultigen Passes oder Passersatzes haben sie an der\nBeschaffung eines Identitatspapiers mitzuwirken (§ 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG).\nGemaß § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG kann auch die personliche Vorsprache des\nAuslanders bei den Auslandsvertretungen des Staates, dessen\nStaatsangehorigkeit er vermutlich besitzt, angeordnet werden, damit er dort\neinen Pass oder Passersatz beantragt. \n--- \n| 5 \n--- \n| Diese Bestimmungen begrunden nicht nur besondere Mitwirkungspflichten des\nAuslanders, sondern ermachtigen die zustandige Behorde auch zum Erlass von\nVerwaltungsakten, mit denen die Mitwirkungspflichten im Einzelfall\nkonkretisiert und eine Grundlage fur Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung\ngeschaffen werden sollen (vgl. VGH Baden-Wurttemberg, Urt. v. 06.10.1998 - A 9\nS 856/98 -, VBlBW 1999, 229 ff. zu § 15 AsylVfG). Dies ergibt sich aus der\nÜberlegung, dass das Verhaltnis zwischen zustandiger Behorde und Auslander im\nAuslander- und Asylverfahrensrecht von einem konkreten Über- und\nUnterordnungsverhaltnis gepragt wird. Ein solches Verhaltnis ist ausreichend,\num zu dem Erlass belastender Verwaltungsakte zu ermachtigen, sofern sich die\nin den Verwaltungsakten konkretisierte Pflicht direkt einem materiellen Gesetz\nentnehmen lasst (vgl. VGH Baden-Wurttemberg, Beschl. v. 02.11.1995 - A 13 S\n3017/95 -, ESVGH 46, 152). \n--- \n| 6 \n--- \n| Nach § 48 Abs. 1 AufenthG ist der Auslander verpflichtet, seinen Pass oder\nPassersatz vorzulegen, wenn er einen solchen besitzt. Im Falle des\nNichtbesitzes eines gultigen Passes oder Passersatzes ist der Auslander nach §\n48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG verpflichtet, an der Beschaffung eines\nIdentitatspapiers mitzuwirken sowie alle Urkunden und sonstigen Unterlagen,\ndie fur die Feststellung und Geltendmachung einer Ruckfuhrungsmoglichkeit in\neinen anderen Staat von Bedeutung sein konnen, der zustandigen Behorde\nvorzulegen, auszuhandigen und zu uberlassen. Zweck dieser Pflicht und der ihr\nkorrespondierenden Ermachtigung der Behorde ist es, die Identitat des\nAuslanders festzustellen und seine Ruckreise zu ermoglichen, wenn er\nausreisepflichtig ist. Identitatspapier im Sinne der Vorschrift sind daher\njedenfalls die fur die Ruckreise benotigten Papiere, im vorliegenden Fall also\nein gultiger vietnamesischer Pass oder Passersatz, worauf die angefochtenen\nVerfugungen auch abzielen. Die dem Auslander obliegende „Mitwirkung" umfasst\nalle Tat- und Rechtshandlungen, die zur Beschaffung eines fehlenden\nIdentitatspapiers oder zur Verlangerung seiner Gultigkeit erforderlich sind\nund nur von ihm personlich vorgenommen werden konnen. Dazu gehoren nicht nur\ndie Fertigung von Lichtbildern und das Ausfullen und eigenhandige\nUnterzeichnen eines Antragsformulars. § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG stellt\nzusatzlich klar, dass der Auslander auch verpflichtet werden kann, bei den\nAuslandsvertretungen des Staates, dessen Staatsangehorigkeit er vermutlich\nbesitzt, personlich vorzusprechen, wenn die Auslandsvertretung dies verlangt. \n--- \n| 7 \n--- \n| Die streitgegenstandliche Verfugung halt sich wohl im Rahmen der\nErmachtigungsgrundlage des § 48 Abs. 1 und Abs. 3 i.V.m. § 82 Abs. 4 Satz 1\nAufenthG, indem die Vorlage eines gultigen Passes oder ersatzweise die\nselbstandige personliche Vorsprache bei Vertretern des Generalkonsulats von\nVietnam angeordnet worden ist. Insbesondere ist es unbestritten, dass die\nAntragsteller ihrer gesetzlichen Passpflicht (vgl. § 3 Abs. 1 AufenthG)\nderzeit nicht nachkommen. Ein fruher vorgelegter Pass, in den zumindest die\nAntragstellerin zu 1. als Kind eingetragen war, ist nach ihrem eigenen\nVorbringen abgelaufen und hat seine Gultigkeit verloren. Daruber hinaus ist\nder Antragsteller zu 2. erst im Jahr x geboren und im den x ausgestellten\nReisepassen der Eltern noch gar nicht eingetragen (vgl. AS 75 und 97 der\nBehordenakten). \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Anordnung, bei einer personlichen Vorsprache beim Generalkonsulat das\nEinverstandnis mit einer direkten Übersendung des Ruckreisedokuments an die\nBezirksstelle fur Asyl zu erklaren, halt sich wohl ebenso im Rahmen des § 48\nAbs. 3 Satz 1 und § 82 Abs. 4 Satz 1 AufenthG. Die Verpflichtung, einen Pass\nvorzulegen, auszuhandigen und zu uberlassen, besteht namlich auch dann, wenn\ndas Dokument im Falle des § 48 Abs. 3 Satz 1 AufenthG von der\nAuslandsvertretung aufgrund der Mitwirkung des Auslanders neu ausgestellt\nwird, und soll durch die angeordnete Einverstandniserklarung abgesichert\nwerden. \n--- \n| 9 \n--- \n| Die geltend gemachten Bedenken gegen die formelle Rechtmaßigkeit der\nVerfugung sind aller Wahrscheinlichkeit nach nicht stichhaltig. Dies gilt\nzunachst fur das Unterlassen einer Anhorung. Den Beteiligten ist gemaß § 28\nAbs. 1 LVwVfG vor Erlass eines Verwaltungsakts Gelegenheit zu geben, sich zu\nden entscheidungserheblichen Tatsachen zu außern. Von der Anhorung kann aber\nabgesehen werden, wenn sie nach den Umstanden des Einzelfalles nicht geboten\nist, § 28 Abs. 2 LVwVfG. Dies durfte hier der Fall sein, nachdem die\nBezirksstelle fur Asyl bereits am 26.09.2005 eine Vorfuhrung der Antragsteller\nbeim vietnamesischen Generalkonsulat angeordnet und das Verwaltungsgericht\nSigmaringen mit Beschluss vom 07.10.2005 die aufschiebende Wirkung der Klage\ngegen diese Verfugung angeordnet hatte, weil die - jetzt verfugte und\nangefochtene - Anordnung einer selbstandigen Vorsprache beim Generalkonsulat\nals milderes Mittel damals unterblieben war. Die Antragsteller hatten bereits\nim Zusammenhang mit dieser - starker belastenden - Maßnahme und dem dagegen\nangestrengten Gerichtsverfahren ausreichend Gelegenheit, sich zu allen\nentscheidungserheblichen Tatsachen zu außern und haben sich damals auch nicht\nanders geaußert als im jetzt vorliegenden Verfahren. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Verfugungen richten sich wohl auch nicht an die falschen Adressaten,\nwie die Antragsteller meinen. Auch wenn beide Antragsteller minderjahrig sind,\ngelten die Mitwirkungspflichten nach § 48 Abs. 1 und 3 sowie § 82 Abs. 4\nAufenthG trotzdem auch fur sie und konnen auch ihnen gegenuber durch\nVerfugungen im Einzelfall konkretisiert werden. Da sie als Minderjahrige aber\nnicht geschaftsfahig und im aufenthaltsrechtlichen Verfahren nicht selbst\naktiv und passiv handlungsfahig sind (vgl. § 80 Abs. 1 AufenthG), werden sie\ndurch die personensorgeberechtigten Eltern vertreten. Die Bezirksstelle fur\nAsyl hat die Verfugungen deswegen wohl zu Recht an die beiden Antragsteller,\njeweils vertreten durch ihre Eltern, gerichtet. Insoweit wird die Ausfuhrungen\nim Beschluss des Gerichts vom 07.10.2005 im vorangegangenen gerichtlichen\nEilverfahren der Antragsteller (A 2 K 10802/05) verwiesen. Die in § 80 Abs. 4\nAufenthG vorgesehene eigene Pflicht der gesetzlichen Vertreter eines Kindes,\nfur dieses die erforderlichen Antrage auf Verlangerung oder Erteilung eines\nPasses oder Passersatzes zu stellen, tritt zusatzlich neben die\nMitwirkungspflichten des Minderjahrigen, verdrangt sie aber nicht. \n--- \n| 11 \n--- \n| Soweit die Antragsteller darauf verweisen, dass sie bei der\nAuslanderbehorde Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 5 AufenthG beantragt\nhaben, fuhrt dies aller Voraussicht nach auch nicht zur Rechtswidrigkeit der\nangefochtenen Verfugung. Die Antragstellung lost im vorliegenden Fall wohl\nweder eine Erlaubnis- noch eine Duldungsfiktion gemaß § 81 Abs. 3 AufenthG\naus, da die Antragsteller vollziehbar ausreisepflichtig sind und es bei ihnen\nseit Geburt an einem rechtmaßigen Aufenthalt fehlt. Daraus folgt, dass die\nAntragstellung allein die Ausreisepflicht ebenso wenig entfallen lasst wie die\nMitwirkungspflichten nach § 48 Abs. 1 und 3 sowie § 82 Abs. 4 AufenthG. Im\nGegenteil: Auch ein Aufenthaltstitel aus humanitaren Grunden gemaß § 25 Abs. 5\nAufenthG darf grundsatzlich nur dann erteilt werden, wenn der Auslander einen\ngultigen Pass oder Passersatz vorweisen kann (vgl. §§ 3, 5 Abs. 1 AufenthG).\nDie Antragsteller mussten sich also auch in ihrem eigenen Interesse um einen\ngultigen Pass oder Passersatz bemuhen und ihn der Auslanderbehorde vorlegen,\num die Voraussetzungen des § 5 AufenthG zu erfullen. \n--- \n| 12 \n--- \n| Soweit fur die Antragstellerin zu 1. ein Abschiebungshindernis aufgrund\nArt. 8 Abs. 1 EMRK geltend gemacht wird, gilt nichts anderes. Auch wenn bei\nihr tatsachlich ein Abschiebungshindernis gemaß § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m.\nArt. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen sollte, obwohl sie und ihre Eltern nach Abschluss\ndes Asylverfahrens sich seit 1993 lediglich geduldet in Deutschland\naufgehalten zu keinem Zeitpunkt ein gesichertes Aufenthaltsrecht inne hatten\n(vgl. dazu VGH Baden-Wurttemberg, Beschluss v. 18.01.2006, - 13 S 2220/05),\nwurde dies nichts an der Passpflicht und den oben dargestellten\naufenthaltsrechtlichen Mitwirkungspflichten andern. Die Ausreisepflicht\nentfiele im Gegenteil nur dann, wenn die Antragstellerin bzw. ihre Eltern\nihren Mitwirkungspflichten nachkommen und die Passpflicht erfullen wurden, und\ndann ein Aufenthaltstitel nach § 25 Abs. 3 AufenthG erteilt wurde. \n--- \n| 13 \n--- \n| Die Verpflichtung zur Vorlage eines Passes und die ersatzweise angeordnete\npersonliche Vorsprache beim vietnamesischen Generalkonsulat zur Beantragung\neines Passes sind auch geeignete und erforderliche Maßnahmen, um zu erreichen,\ndass die Antragsteller wieder uber gultige Identitatsnachweise und gultige\nRuckreisedokumente verfugen. Insbesondere ist die personliche Vorsprache\nerforderlich und nicht offensichtlich aussichtslos. Das ergibt sich schon aus\ndem eigenen Vorbringen der Antragsteller, dass ihre Eltern 1999 personlich bei\nder vietnamesischen Botschaft in Bonn vorgesprochen und erst daraufhin einen\nPass erhalten hatten. Die Mitwirkungspflicht zur Vorlage und Beschaffung eines\nPasses oder Passersatzes ist mit der Beschaffung dieses einen Passes im Jahr\n1999 aber nicht erledigt, wie die Antragsteller offenbar meinen. Es mag zwar\nzutreffen, dass dieser Pass wahrend der letzten Jahre bei den Akten des\nAntragsgegners lag, ohne dass eine Abschiebung der Antragsteller eingeleitet\nwurde. Andererseits haben es aber auch die Eltern der Antragsteller wahrend\ndieser Zeit unterlassen, ihrer bestehenden Ausreisepflicht (vgl. § 50\nAufenthG) freiwillig nachzukommen, solange das Ruckreisedokument Gultigkeit\nhatte. Nachdem es jetzt abgelaufen ist, entsteht die Mitwirkungspflicht, an\nder Beschaffung eines gultigen Passes oder Passersatzes mitzuwirken, wieder\nneu. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die angefochtene Verfugung ist wohl auch nicht so auszulegen, dass die\nbeiden 12 und 3 Jahre alten Antragsteller verpflichtet waren, beim\nvietnamesischen Generalkonsulat jeweils eigene Reisepasse zu beantragen. Ihnen\nwurde lediglich aufgegeben, einen Pass vorzulegen bzw. zu beantragen. Da die\nEltern der Antragsteller am selben Tag Verfugungen gemaß § 15 AsylVfG mit\ngleichem Inhalt erhalten haben, durfte dem jedenfalls Genuge getan sein, wenn\ndie Eltern der Antragsteller fur sich selbst Passe beantragen und die Kinder\njeweils in diese Passe eingetragen werden. So wurde es auch gehandhabt, als\nden Eltern der Antragsteller im Jahr 1999 zuletzt Reisepasse ausgestellt\nwurden, in denen zusatzlich die Antragstellerin zu 1. eingetragen wurde. Bei\nDurchsicht dieser Reisepasse (vgl. AS 72 und 97 der Behordenakten) wird im\nÜbrigen auch deutlich, dass es sehr wohl erforderlich ist, dass auch fur die\nbeiden Antragsteller Geburtsurkunden und aktuelle Lichtbilder vorgelegt\nwerden. Beim Eintrag von Kindern in den vietnamesischen Reisepass des Vaters\nund der Mutter ist auf der Seite „Children accompanying the bearer" fur jedes\nKind die Angabe des Namens, des Geburtsdatums und des Geschlechts\nerforderlich, und es ist auch fur jedes Kind ein Feld fur ein Lichtbild\nvorgesehen. \n--- \n| 15 \n--- \n| Das Gericht hat schließlich auch keine ernstlichen Zweifel an der\nAngemessenheit der gesetzten Fristen. Den Antragstellern wurde aufgegeben,\nentweder innerhalb von 14 Tagen einen Pass vorzulegen oder innerhalb dieser\nFrist beim Generalkonsulat der Republik Vietnam vorzusprechen und dort einen\nPass zu beantragen, sowie innerhalb weiterer 14 Tage die Erklarung zu\nubersenden, dass sie mit einer unmittelbaren Übersendung des Passes an die\nBezirksstelle fur Asyl einverstanden sind. Fur die Vornahme dieser Handlungen\ndurch die gesetzlichen Vertreter der Antragsteller und fur die Einhaltung der\ngesetzten Fristen sind die Bearbeitungszeiten des vietnamesischen\nGeneralkonsulats ohne Bedeutung; die Verfugung soll nur sicherstellen, dass\ndie Antragsteller bzw. ihre gesetzlichen Vertreter die ihnen obliegenden\nMitwirkungshandlungen innerhalb der Frist von 14 Tagen vornehmen. Die\nAntragsteller haben nichts dazu vorgetragen, warum dies nicht moglich sein\nsollte. \n--- \n| 16 \n--- \n| Aus dem vorgelegten Attest des Psychotherapeuten Dr. H. vom 08.12.2005\nergeben sich auch keine Anhaltspunkte fur eine konkrete Gesundheitsgefahrdung\naufgrund der angeordneten Vorsprache bei der vietnamesischen\nAuslandsvertretung. Dort wird lediglich ausgefuhrt, es ware fur die\nAntragstellerin zu 1. „ein emotional zerschmetterndes Erlebnis", dorthin\nverfrachtet zu werden, weil sie hoch sensibel sei und an die Werte einer\nfreiheitlich-demokratischen Kultur glaube. Auf den Antragsteller zu 2. lasst\nsich diese Aussage schon deshalb nicht ubertragen, weil der Psychotherapeut\nihn gar nicht untersucht hat. Aber auch der Antragstellerin zu 1. ist die\nErkenntnis zumutbar, dass in einer freiheitlich-demokratische Kultur\ngesetzliche Pflichten vom Staat zwangsweise durchgesetzt werden, wenn man sie\nnicht freiwillig befolgt. Der Antragsgegner weist namlich zu Recht darauf hin,\ndass es den Antragstellern und ihren Eltern zunachst frei steht, freiwillig\nund ohne unmittelbaren Verwaltungszwang bei der Auslandsvertretung\nvorzusprechen und neue Passe zu beantragen, wie es jetzt in der\nstreitgegenstandlichen Verfugung angeordnet wird. \n--- \n| 17 \n--- \n| Die Androhung der zwangsweisen Vorfuhrung beruht auf § 82 Abs. 4 Satz 2\nAufenthG i.V.m. den allgemeinen Regelungen zur Verwaltungsvollstreckung durch\nunmittelbaren Zwang in §§ 20 und 26 LVwVG. Von diesen Vorschriften ist wohl\nauch eine kurzfristige Beschrankung der personlichen Bewegungsfreiheit, die\nzwangslaufig mit der Vollstreckung durch zwangsweise Vorfuhrung einhergeht,\nmit abgedeckt. \n--- \n| 18 \n--- \n| Nach alledem war der Antrag abzulehnen. \n--- \n| 19 \n--- \n| Nachdem die Antragsteller unterlegen sind, haben sie die Kosten des\nVerfahrens zu gleichen Teilen zu tragen, § 154 Abs. 1, 159 S. 1 VwGO. Die\nStreitwertfestsetzung beruht auf den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3, 62 Abs. 2 GKG\nund erfolgt in Analogie zu § 30 RVG, der unmittelbar nur fur den\nGegenstandswert vergleichbarer Maßnahmen nach § 15 AsylVfG gilt. \n---\n\n
142,360
fg-baden-wurttemberg-2006-08-25-3-ko-105
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
3 KO 1/05
2006-08-25
2019-01-09 08:13:00
2019-01-17 12:02:31
Beschluss
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Streitig ist die Hohe des Streitwerts einer kurz nach Erhebung\nzuruckgenommenen Klage (§ 52 Gerichtskostengesetz -GKG- in der seit 1. Juli\n2004 anwendbaren Fassung). \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Erinnerungsfuhrerin (die Klagerin) ließ durch ihren\nProzessbevollmachtigten mit Schriftsatz vom 9. September 2004, der am 13.\nSeptember 2004 beim Gericht einging, Klage gegen das Finanzamt (FA) … erheben.\nDie Klageschrift hatte zwischen der Angabe des vollstandigen Rubrums und der\nUnterschrift folgenden Wortlaut: \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| \n--- \n"… \nerhebe ich KLAGE \n… \n\\- Wegen Umsatzsteuer … und … \n(Umsatzsteuerfestsetzung … vom … \nUmsatzsteuerfestsetzung … vom … \nEinspruchsentscheidung vom …) \n\\- Erlass von Umsatzsteuer … und … \n(Ablehnung des Antrags auf Erlass von Umsatzsteuer … und … vom … \nEinspruchsentscheidung vom …) \nDie Begrundung werde ich nachreichen." \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Nachdem die Klage dem FA zugestellt und ihr Eingang dem\nProzessbevollmachtigten mit Schreiben des Gerichts vom 15. September 2004\nbestatigt worden war, nahm sie der Prozessbevollmachtigte mit Schriftsatz vom\n13. Oktober, eingegangen am 14. Oktober 2004 zuruck. Der Vorsitzende als\nBerichterstatter stellte das Klageverfahren mit Beschluss vom 14. Oktober 2004\n… ein. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Kostenbeamtin des Senats setzte zunachst (Kostenrechnung vom …) die\nvierfache Gebuhr fur das Prozessverfahren in Hohe von 220 EUR nach einem\nMindeststreitwert von 1.000 EUR an (§§ 34, 35, 52 GKG, Nr. 6110 des\nKostenverzeichnisses -KV- zum GKG). Nach Abschluss des Verfahrens teilte das\nFA auf Anfrage der Urkundsbeamtin des Senats mit, der Streitwert belaufe sich\nauf …[rd. 300.000] EUR. Es verwies auf ein in Kopie vorgelegtes Schreiben des\nProzessbevollmachtigten an das FA vom 1. Oktober 2003 u.a. mit folgendem\nWortlaut: \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| \n--- \n"… beantragen wir … die abweichende Steuerfestsetzung \naus Billigkeitsgrunden nach § 163 AO bzw. den Erlass von Steuern \nnach § 227 AO. \nDer Antrag betrifft die Umsatzsteuer, die das Finanzamt … \nwegen Nichtanerkennung des Widerrufs der Option festgesetzt hat. \nDie niedriger festzusetzenden bzw. zu erlassenden Betrage belaufen \nsich auf EUR … fur … und EUR … fur …" \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Daraus ermittelte die Urkundsbeamtin einen Streitwert von …[rd. 300.000]\nEUR, aufgrund dessen die Kostenbeamtin nach KV-Nr. 6111 eine zweifache Gebuhr\nfur das Prozessverfahren in Hohe von …EUR ansetzte (Kostenrechnung vom …).\nDagegen richtet sich die am … beim Gericht eingegangene Erinnerung der\nKlagerin, der die Kostenbeamtin nicht abgeholfen hat. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Klagerin macht geltend, aus der Klageschrift … habe ein Streitwert\nnicht abgeleitet werden konnen, da die Klage weder begrundet noch ein\nbestimmter Antrag gestellt worden sei. Im Einspruchsverfahren seien zwar\nschriftliche Einwendungen gemacht worden, aus denen sich ein Streitwert fur\njenes Verfahren ergebe. Im Klageverfahren seien jedoch keinerlei Einlassungen\nzum Streitgegenstand gemacht, sondern nur Klage eingelegt und anschließend\nwieder zuruckgenommen worden. Anders als in Fallen der Rechtsprechung\n(Beschluss des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 9. November 1992 VIII E 1/92,\nSammlung von Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 1993, 680 m.w.N.) sei hier also\nnicht nur ein bezifferter Antrag unterlassen gewesen. Deshalb konne das\nVorverfahren hier nicht herangezogen werden, um den Streitwert zu ermitteln.\nWolle man den Streitwert alleine nach einem bezifferten Antrag bemessen,\nkonnte ein Klager durch einen geringfugigen Antrag den Streitwert einer noch\nnicht begrundeten und anschließend zuruckzunehmenden Klage willkurlich\nvermindern. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Klagerin beantragt sinngemaß, die Kostenrechnung vom … im\nKlageverfahren … zu andern und die Kosten nach einem Streitwert von 1.000 EUR\nauf 110 EUR anzusetzen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Bezirksrevisor beantragt, die Erinnerung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Der Streitwert sei zutreffend nach dem finanziellen Interesse der Klagerin\nbestimmt worden, das die Klagerin gegenuber dem FA angegeben habe. Nachdem die\nKlagerin im finanzgerichtlichen Verfahren keinen bezifferten Antrag gestellt\nhabe, sei der Streitwert nach der Rechtsprechung (a.a.O.) aus dem gesamten\nVorbringen zu ermitteln. Das Vorbringen aus dem Vorverfahren sei dabei\neinzubeziehen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Beigezogen wurden die Akten des Klageverfahrens …. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 13 \n--- \n| Die Erinnerung ist unbegrundet. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Dem Kostenansatz wurde zutreffend der Streitwert des Klageverfahrens\nzugrunde gelegt, der sich aus dem Anfechtungsbegehren der Klagerin im\nEinspruchsverfahren ergibt, denn dies entsprach nach den aus der Klage\nersichtlichen Anhaltspunkten auch dem finanziellen Interesse an der weiteren\nAnfechtung im gerichtlichen Verfahren (§ 52 Abs. 1 GKG). \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Klageschrift enthielt weder einen bezifferten noch uberhaupt einen\nkonkretisierten Antrag und kundigte einen solchen nicht ausdrucklich an.\nSeitens der Klagerin wurden auch sonst keinerlei Ausfuhrungen gemacht, die das\nKlagebegehren hatten bezeichnen konnen (§ 65 Abs. 1 Satz 1\nFinanzgerichtsordnung -FGO-). Dennoch ließ sie ansatzweise erkennen, um welche\nStreitfragen es der Klagerin ging, denn die Klageschrift fuhrte sowohl\nbestimmte Steuerbescheide als auch Bescheide uber einen Steuererlass aus\nBilligkeitsgrunden zusammen mit den jeweiligen Entscheidungen uber\naußergerichtliche Rechtsbehelfe im Einzelnen auf. Damit gab die Klagerin zu\nerkennen, dass sie sich gegen die ihr nachteiligen Entscheidungen des FA in\ndiesen Bescheiden wenden wollte. Mit der Angabe der Einspruchsentscheidungen\nist außerdem das Interesse an der weiteren, gerichtlichen Anfechtung der\nursprunglichen Verwaltungsakte auf die in den außergerichtlichen\nRechtsbehelfen umstrittenen Fragen begrenzt. Somit lasst sich die\nwirtschaftliche Bedeutung der Klageerhebung bereits anhand des Inhalts der\nKlageschrift abschatzen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Lediglich zur naheren Bestimmung des Umfangs der Anfechtung muss auf die in\nder Klageschrift in Bezug genommenen Einspruchsentscheidungen und das\nvorangegangene Rechtsbehelfsverfahren zuruckgegriffen werden. Fur das\nKlageverfahren hat die Urkundsbeamtin daher zutreffend den dortigen Antrag der\nKlagerin ermittelt und der Streitwertermittlung zugrunde gelegt (vgl. die BFH-\nRechtsprechung zur Bestimmung des Streitwerts im gerichtlichen Revisions- oder\nBeschwerde-Verfahren anhand der Beschwer in der Entscheidung der ersten\nInstanz, z.B. im vom Bezirksrevisor angefuhrten Beschluss vom 9. November 1992\nVIII E 1/92, BFH/NV 1993, 680, spater Beschluss vom 17. August 2000 X E 3/99,\nBFH/NV 2001, 193, jeweils m.w.N.). Ob die Summe der Steuerbetrage, deren\nHerabsetzung auf zwei unterschiedliche Weisen verfolgt wurde und uber die das\nFA in mehreren Bescheiden und Rechtsbehelfsverfahren entschieden hat, dabei\nzutreffend nur einfach angesetzt wurde, obwohl es sich bei deren Anfechtung um\neine objektive Klagehaufung handelte, kann offen bleiben. Dies konnte dadurch\ngerechtfertigt sein, dass die jeweiligen Steuerbetrage im Festsetzungs- und im\nErlass-Verfahren identisch waren. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Da andererseits Anhaltspunkte fehlen, das außergerichtliche Begehren der\nKlagerin, genau bezifferte Umsatzsteuer-Betrage aus bestimmt bezeichneten\nrealen Vorgangen entweder aus Rechtsgrunden oder im Wege der\nBilligkeitsentscheidung herabzusetzen oder zu erlassen, konne im\nKlageverfahren nur eingeschrankt verfolgt werden, war der Streitwert der\nEinspruchsverfahren ungekurzt zu ubernehmen (vgl. fur das gerichtliche\nBeschwerde-Verfahren BFH-Beschluss vom 20. Marz 2003 IX E 3/03, BFH/NV 2003,\n936). Bei der Natur dieser Streitpunkte fehlt auch sachlich jeder Anhaltspunkt\nfur eine nur teilweise Fortfuhrung des Streits im Wege der Klage. Der\nStreitwert in Hohe des somit zutreffend festgestellten umstrittenen\nSteuerbetrags wird auch nicht dadurch vermindert, dass die Klagerin nach ihrem\nweiteren prozessualen Verhalten die Klage offensichtlich nur vorsorglich und\n"fristwahrend" erhoben hatte. Gerade damit verfolgte sie ihr Interesse an der\nfraglichen Steuerminderung zunachst weiter, wodurch die Erhebung und\nBerechnung der Gerichtsgebuhren anhand dieses Steuerbetrags als Streitwert\ngerechtfertigt ist. Die geringere Belastung des Gerichts infolge alsbaldiger\nRucknahme berucksichtigt das Kostenrecht durch Halbierung der Gebuhrenhohe\n(KV-Nr. 6111 zum GKG). \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Da der Wert des mit der Klage verfolgten Interesses sich im Fall der\nKlagerin somit aus den verfugbaren Anhaltspunkten ermitteln lasst, besteht\nkein Anlass, anhand des Gesamtbetrags der festgesetzten Steuern den Streitwert\nauf die Halfte dieser Summe zu schatzen (so z.B. BFH-Beschluss vom 4. Oktober\n1996 X R 131/96, BFH/NV 1997, 196 m.w.N.). Ebenso wenig liegen die\nVoraussetzungen fur den sog. Auffang-Streitwert von 5.000 EUR vor (§ 52 Abs. 2\nGKG), wie er haufig bei unzulassigen Klagen fur zutreffend gehalten wird (vgl.\nz.B. BFH-Beschluss vom 5. November 1997 XI E 2/97, BFH/NV 1998, 487 m.w.N.).\nIn keinem Fall zutreffend ist der von der Klagerin beantragte\nMindeststreitwert (§ 52 Abs. 4 GKG). \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Da die Erinnerung somit erfolglos bleiben musste, hat die Klagerin die\nKosten zu tragen (§ 135 Abs. 1 FGO). \n--- \n| 20 \n--- \n| Das Erinnerungsverfahren ist jedoch gerichtsgebuhrenfrei; Kosten werden\nnicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG). \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 13 \n--- \n| Die Erinnerung ist unbegrundet. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Dem Kostenansatz wurde zutreffend der Streitwert des Klageverfahrens\nzugrunde gelegt, der sich aus dem Anfechtungsbegehren der Klagerin im\nEinspruchsverfahren ergibt, denn dies entsprach nach den aus der Klage\nersichtlichen Anhaltspunkten auch dem finanziellen Interesse an der weiteren\nAnfechtung im gerichtlichen Verfahren (§ 52 Abs. 1 GKG). \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Klageschrift enthielt weder einen bezifferten noch uberhaupt einen\nkonkretisierten Antrag und kundigte einen solchen nicht ausdrucklich an.\nSeitens der Klagerin wurden auch sonst keinerlei Ausfuhrungen gemacht, die das\nKlagebegehren hatten bezeichnen konnen (§ 65 Abs. 1 Satz 1\nFinanzgerichtsordnung -FGO-). Dennoch ließ sie ansatzweise erkennen, um welche\nStreitfragen es der Klagerin ging, denn die Klageschrift fuhrte sowohl\nbestimmte Steuerbescheide als auch Bescheide uber einen Steuererlass aus\nBilligkeitsgrunden zusammen mit den jeweiligen Entscheidungen uber\naußergerichtliche Rechtsbehelfe im Einzelnen auf. Damit gab die Klagerin zu\nerkennen, dass sie sich gegen die ihr nachteiligen Entscheidungen des FA in\ndiesen Bescheiden wenden wollte. Mit der Angabe der Einspruchsentscheidungen\nist außerdem das Interesse an der weiteren, gerichtlichen Anfechtung der\nursprunglichen Verwaltungsakte auf die in den außergerichtlichen\nRechtsbehelfen umstrittenen Fragen begrenzt. Somit lasst sich die\nwirtschaftliche Bedeutung der Klageerhebung bereits anhand des Inhalts der\nKlageschrift abschatzen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Lediglich zur naheren Bestimmung des Umfangs der Anfechtung muss auf die in\nder Klageschrift in Bezug genommenen Einspruchsentscheidungen und das\nvorangegangene Rechtsbehelfsverfahren zuruckgegriffen werden. Fur das\nKlageverfahren hat die Urkundsbeamtin daher zutreffend den dortigen Antrag der\nKlagerin ermittelt und der Streitwertermittlung zugrunde gelegt (vgl. die BFH-\nRechtsprechung zur Bestimmung des Streitwerts im gerichtlichen Revisions- oder\nBeschwerde-Verfahren anhand der Beschwer in der Entscheidung der ersten\nInstanz, z.B. im vom Bezirksrevisor angefuhrten Beschluss vom 9. November 1992\nVIII E 1/92, BFH/NV 1993, 680, spater Beschluss vom 17. August 2000 X E 3/99,\nBFH/NV 2001, 193, jeweils m.w.N.). Ob die Summe der Steuerbetrage, deren\nHerabsetzung auf zwei unterschiedliche Weisen verfolgt wurde und uber die das\nFA in mehreren Bescheiden und Rechtsbehelfsverfahren entschieden hat, dabei\nzutreffend nur einfach angesetzt wurde, obwohl es sich bei deren Anfechtung um\neine objektive Klagehaufung handelte, kann offen bleiben. Dies konnte dadurch\ngerechtfertigt sein, dass die jeweiligen Steuerbetrage im Festsetzungs- und im\nErlass-Verfahren identisch waren. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Da andererseits Anhaltspunkte fehlen, das außergerichtliche Begehren der\nKlagerin, genau bezifferte Umsatzsteuer-Betrage aus bestimmt bezeichneten\nrealen Vorgangen entweder aus Rechtsgrunden oder im Wege der\nBilligkeitsentscheidung herabzusetzen oder zu erlassen, konne im\nKlageverfahren nur eingeschrankt verfolgt werden, war der Streitwert der\nEinspruchsverfahren ungekurzt zu ubernehmen (vgl. fur das gerichtliche\nBeschwerde-Verfahren BFH-Beschluss vom 20. Marz 2003 IX E 3/03, BFH/NV 2003,\n936). Bei der Natur dieser Streitpunkte fehlt auch sachlich jeder Anhaltspunkt\nfur eine nur teilweise Fortfuhrung des Streits im Wege der Klage. Der\nStreitwert in Hohe des somit zutreffend festgestellten umstrittenen\nSteuerbetrags wird auch nicht dadurch vermindert, dass die Klagerin nach ihrem\nweiteren prozessualen Verhalten die Klage offensichtlich nur vorsorglich und\n"fristwahrend" erhoben hatte. Gerade damit verfolgte sie ihr Interesse an der\nfraglichen Steuerminderung zunachst weiter, wodurch die Erhebung und\nBerechnung der Gerichtsgebuhren anhand dieses Steuerbetrags als Streitwert\ngerechtfertigt ist. Die geringere Belastung des Gerichts infolge alsbaldiger\nRucknahme berucksichtigt das Kostenrecht durch Halbierung der Gebuhrenhohe\n(KV-Nr. 6111 zum GKG). \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Da der Wert des mit der Klage verfolgten Interesses sich im Fall der\nKlagerin somit aus den verfugbaren Anhaltspunkten ermitteln lasst, besteht\nkein Anlass, anhand des Gesamtbetrags der festgesetzten Steuern den Streitwert\nauf die Halfte dieser Summe zu schatzen (so z.B. BFH-Beschluss vom 4. Oktober\n1996 X R 131/96, BFH/NV 1997, 196 m.w.N.). Ebenso wenig liegen die\nVoraussetzungen fur den sog. Auffang-Streitwert von 5.000 EUR vor (§ 52 Abs. 2\nGKG), wie er haufig bei unzulassigen Klagen fur zutreffend gehalten wird (vgl.\nz.B. BFH-Beschluss vom 5. November 1997 XI E 2/97, BFH/NV 1998, 487 m.w.N.).\nIn keinem Fall zutreffend ist der von der Klagerin beantragte\nMindeststreitwert (§ 52 Abs. 4 GKG). \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Da die Erinnerung somit erfolglos bleiben musste, hat die Klagerin die\nKosten zu tragen (§ 135 Abs. 1 FGO). \n--- \n| 20 \n--- \n| Das Erinnerungsverfahren ist jedoch gerichtsgebuhrenfrei; Kosten werden\nnicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG). \n---\n\n
142,363
vghbw-2006-08-28-10-s-273103
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
10 S 2731/03
2006-08-28
2019-01-09 08:13:00
2019-01-17 12:02:31
Beschluss
## Tenor\n\nNach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache wird das Verfahren\neingestellt.\n\nDas Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. Oktober 2003 - 13 K\n4448/99 - ist unwirksam.\n\nDer Beklagte tragt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszugen.\n\nDer Streitwert des Berufungsverfahrens wird bis zur Erledigung auf 4.000,-\nEUR, nach der Erledigung auf 2.500,- EUR festgesetzt.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Auf Grund der ubereinstimmenden Erledigungserklarungen der Beteiligten wurde\ndie Rechtshangigkeit der Hauptsache unmittelbar beendet (vgl. Clausing, in:\nSchoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Bearb. April 2006, § 161 RdNr. 17). In\nentsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO i. V. m. § 125 Abs. 1\nVwGO ist das Verfahren einzustellen und die Unwirksamkeit des in erster\nInstanz ergangenen Urteils auszusprechen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Über die Kosten des Verfahrens ist nach billigem Ermessen zu entscheiden;\ndabei ist der bisherige Sach- und Streitstand zu berucksichtigen (§ 161 Abs. 2\nSatz 1 VwGO). Nach der gesetzlichen Wertung kommt es fur die\nKostenentscheidung in erster Linie auf die Erfolgsaussichten der Klage an.\nDanach trifft die Kostentragung denjenigen Beteiligten, der im Rechtsstreit\nvoraussichtlich unterlegen ware. Dies ist auf der Grundlage des unmittelbar\nvor Abgabe der Erledigungserklarungen festgestellten Prozessstoffs der\nbeklagte Landkreis. Ihn trifft daher die Kostentragungspflicht. \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Senat macht von dem ihm gemaß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO zustehenden\nweiten Ermessen (vgl. Clausing, a.a.O., § 161 RdNr. 22) Gebrauch und nimmt\neine ausfuhrliche Begrundung des Beschlusses (§ 122 Abs. 2 Satz 2 VwGO) vor.\nDie streitentscheidende Rechtsfrage ist von grundsatzlicher Bedeutung und kann\nin dem fortgeschrittenen Verfahrensstadium, in dem bereits der Senat mit der\nSache befasst war, einer endgultigen Klarung zugefuhrt werden. Im Interesse\nder Rechtssicherheit sieht der Senat von der ihm zustehenden Moglichkeit ab,\ndie Kostenentscheidung nur knapp zu begrunden. \n--- \nI. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Klagerin betreibt auf dem Grundstuck ... in W. der Stadt - M. eine\nVerkaufsstelle fur Drogerieartikel. Nach dem Entsorgungskonzept der Klagerin\nerfolgt in ihren Verkaufsfilialen eine strikte Trennung der anfallenden\nAbfalle durch das Verkaufspersonal. Die Beteiligten streiten daruber, ob die\nKlagerin mit den in der Verkaufsstelle anfallenden „sonstigen Abfallen", die\nseparat von anderen Abfallen in einem transparenten Abfallsack gesammelt\nwerden, dem Anschluss- und Benutzungszwang der Abfallwirtschaftssatzung (AWS)\ndes Beklagten unterliegt. \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Bescheid vom 12. August 1999 verfugte der Beklagte gegenuber der\nKlagerin \n--- \n| 6 \n--- \n| 1\\. den Anschluss der Verkaufsstelle M. an die offentliche Einrichtung,\nAbfallentsorgung des Landkreises Boblingen im Rahmen des satzungsrechtlichen\nAnschluss- und Benutzungszwangs ab 1. Januar 1999, \n--- \n| 7 \n--- \n| 2\\. die Anschaffung und Vorhaltung eines mindestens 240-Liter-Mullbehalters\nfur die Verkaufsstelle ab 1. Januar 1999 auf eigene Kosten, \n--- \n| 8 \n--- \n| 3\\. die Bereitstellung der in der Verkaufsstelle anfallenden Abfalle zur\nBeseitigung mit diesem Mullbehalter unter Beachtung der Vorgaben der AWS, \n--- \n| 9 \n--- \n| 4\\. die schriftliche Anzeige der Erfullung der Anordnung unter Ziff. 2\ngegenuber dem Landratsamt Boblingen (Abfallwirtschaftsbetrieb), \n--- \n| 10 \n--- \n| 5\\. die Anordnung der sofortigen Vollziehung zu Ziff. 1 bis 3, \n--- \n| 11 \n--- \n| 6\\. die Androhung eines Zwangsgeldes in Hohe von DM 2.000,- bei\nNichterfullung der Ziff. 2 und in Hohe von DM 500,- bei Nichterfullung der\nZiff. 3. \n--- \n| 12 \n--- \n| Durch Verfugung vom 13. August 2002 wurde Ziff. 2 der Verfugung vom 12.\nAugust 1999 geandert und die Klagerin entsprechend der geanderten\nAbfallwirtschaftssatzung des Beklagten verpflichtet, ab dem 1. Januar 2002 fur\ndie Verkaufsstelle in M. mindestens einen 120-Liter-Mullbehalter in der Farbe\ngrau vorzuhalten, der vom Landkreis bereitgestellt werde. Widerspruch und\nKlage im erstinstanzlichen Verfahren blieben erfolglos. \n--- \n| 13 \n--- \n| Seitens des Senats wurde im - vom Verwaltungsgericht zugelassenen -\nBerufungsverfahren gegenuber den Beteiligten durch Schreiben vom 15. Dezember\n2005 die Frage aufgeworfen, ob der beklagte Landkreis, handelnd durch seinen\nAbfallwirtschaftsbetrieb, zum Erlass der angefochtenen Verfugung befugt\ngewesen sei. Der Beklagte machte hierzu geltend, da es um den Vollzug des\nsatzungsmaßigen Anschluss- und Benutzungszwangs nach der AWS gehe, ergebe sich\ndie Ermachtigungsgrundlage unmittelbar aus dem offentlich-rechtlichen\nBenutzungsverhaltnis. Die Klagerin halt eine Ermachtigung fur die angefochtene\nVerfugung nicht fur gegeben. \n--- \nII. \n--- \n| 14 \n--- \n| Unter Berucksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes ware der\nbeklagte Landkreis voraussichtlich unterlegen. Denn die von der Klagerin\nangefochtene Verfugung ist ohne Rechtsgrundlage ergangen, soweit der Beklagte\ndurch seinen „Abfallwirtschaftsbetrieb" die „Ausubung" des Anschluss- und\nBenutzungszwangs im konkreten Fall vornehmen wollte. Soweit als\nRechtsgrundlage fur die Verfugung § 20 Abs. 2 LAbfG in Betracht kommt, fehlt\nes an der sachlichen Zustandigkeit des „Abfallwirtschaftsbetriebs" des\nBeklagten. Die Verfugung ist daher rechtswidrig und verletzt die Klagerin in\nihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). \n--- \n| 15 \n--- \n| 1\\. Die angefochtene Verfugung stellt einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung\ndar. In ihrer rechtlichen Wirkung ist die Anordnung des Anschluss- und\nBenutzungszwangs bezuglich einer kommunalen offentlichen Einrichtung gegenuber\ndem Verpflichteten (Grundstuckseigentumer, Mieter oder Pachter) als\nGrundrechtseingriff zu qualifizieren; beeintrachtigt ist Art. 14 Abs. 1 GG,\njedenfalls Art. 2 Abs. 1 GG (BVerwG, Urt. v. 25.01.2006 - 8 C 13/05 - DVBl\n2006, 781, 782 = NVwZ 2006, 690, 691). Dieser Eingriff bedarf zu seiner\nRechtfertigung einer gesetzlichen Grundlage. Diese muss, um den\nrechtsstaatlichen Anforderungen an den Gesetzesvorbehalt genugen zu konnen,\nhinreichend bestimmt sein, damit behordliche Eingriffsmaßnahmen vorhersehbar\nund berechenbar sind (Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 16. Aufl. 2006, §\n6 RdNr. 12). Insoweit genugt ein gesetzliches oder untergesetzliches abstrakt-\ngenerelles Gebot oder Verbot den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts nicht.\nVielmehr bedarf es einer Befugnisnorm, die die Behorde zu administrativen\nEinzelfallmaßnahmen ermachtigt (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.11.1993 - 3 C 45/91 -\nNJW 1994, 3024, 3027). Dabei muss die Rechtsgrundlage fur den Erlass einer\nVerfugung, wenn sie nicht unmittelbar in einem Parlamentsgesetz enthalten ist,\nauf ein Gesetz im formlichen Sinne zuruckgefuhrt werden konnen. \n--- \n| 16 \n--- \n| 2\\. Die Rechtsgrundlage fur die Durchsetzung des Anschluss- und\nBenutzungszwangs bezuglich der Abfallentsorgung kann sich aus Bundesrecht,\nLandesrecht oder kommunalem Satzungsrecht ergeben. Keine dieser Moglichkeiten\ntrifft im vorliegenden Fall zu. \n--- \n| 17 \n--- \n| a) Nach § 21 KrW-/AbfG kann die zustandige Behorde im Einzelfall die\nerforderlichen Anordnungen zur Durchfuhrung des Kreislaufwirtschafts- und\nAbfallgesetzes sowie der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen\nRechtsverordnungen treffen. Die Voraussetzungen dieser bundesgesetzlichen\nErmachtigungsgrundlage liegen in zweifacher Hinsicht nicht vor. Zum einen hat\ndie angefochtene Verfugung nicht die Durchfuhrung des Kreislaufwirtschafts-\nund Abfallgesetzes oder einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen\nRechtsverordnung zum Gegenstand; insoweit unterscheidet sich der vorliegende\nFall von der Fallgestaltung, die der Entscheidung des\nBundesverwaltungsgerichts vom 17. Februar 2005 zu Grunde lag, als das\nLandratsamt des Landkreises Boblingen nach § 21 Abs. 1 KrW-/AbfG (a.F.)\nvorging, um die in der Gewerbeabfallverordnung niedergelegten Pflichten\ndurchzusetzen (BVerwGE 123, 1, 3). Zum anderen durfen Anordnungen im\nEinzelfall nur von der zustandigen Behorde getroffen werden. Dies ist nach §\n63 KrW-/AbfG i. V. m. § 28 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 LAbfG die untere\nAbfallrechtsbehorde. Diese Funktion (vgl. zum funktionalen Verstandnis des\nBegriffs „Abfallrechtsbehorden" die Gesetzesbegrundung zu § 28 LAbfG, LT-\nDrucks. 10/1924, S. 55) nehmen die unteren Verwaltungsbehorden wahr (§ 28 Abs.\n2 Nr. 3 LAbfG). Untere Verwaltungsbehorden sind in den Landkreisen die\nLandratsamter (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 LVG). Als untere Verwaltungsbehorde ist das\nLandratsamt Staatsbehorde (§ 1 Abs. 3 Satz 2 LKrO). Der Landkreis -\nAbfallwirtschaftsbetrieb - ist danach nicht zustandig. Auch aus\nZustandigkeitsgrunden kann die angefochtene Verfugung nicht auf § 21 KrW-/AbfG\ngestutzt werden. \n--- \n| 18 \n--- \n| b) Als Rechtsgrundlage scheidet auch § 20 LAbfG aus. \n--- \n| 19 \n--- \n| aa) An sich ist diese landesgesetzliche Vorschrift neben § 21 KrW-/AbfG\nanwendbar. § 20 LAbfG erfasst insbesondere diejenigen Falle, bei denen es\nnicht um Verstoße gegen das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz bzw. gegen\ndanach erlassene Rechtsverordnungen geht (vgl. Weidemann, in:\nJarass/Ruchay/Weidemann, KrW-/AbfG, Stand: 8/2005, § 21 RdNr. 12). § 20 Abs. 1\nLAbfG ist allerdings keine Ermachtigungsgrundlage zum Erlass von\nEinzelanordnungen. Die Vorschrift stellt lediglich eine Aufgabenzuweisungsnorm\ndar (LT-Drucks. 10/1924, S. 50), erfullt also nicht die Anforderungen, die an\neine Befugnisnorm zu stellen sind. \n--- \n| 20 \n--- \n| bb) Eine Ermachtigungsgrundlage zum Erlass von Verfugungen auf dem Gebiet\ndes Abfallrechts beinhaltet jedoch § 20 Abs. 2 LAbfG. Danach trifft die\nAbfallrechtsbehorde zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben diejenigen Anordnungen, die\nihr nach pflichtgemaßem Ermessen erforderlich erscheinen. Diese Befugnisnorm\nbegrundet jedoch wiederum nur eine Kompetenz der Abfallrechtsbehorde; diese\nFunktion ist gesetzlich allein dem Landratsamt als Staatsbehorde zugeordnet (§\n28 Abs. 3 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 LAbfG i. V. m. § 13 Abs. 1 Nr. 1 LVG, § 1 Abs.\n3 Satz 2 LKrO). Verfugungen des Landkreises - Abfallwirtschaftsbetrieb -\nfinden in § 20 Abs. 2 LAbfG keine gesetzliche Grundlage. \n--- \n| 21 \n--- \n| c) Entgegen der Auffassung des Beklagten enthalt auch die\nAbfallwirtschaftssatzung keine Rechtsgrundlage fur Verfugungen im Einzelfall\nzur Durchsetzung des satzungsrechtlich angeordneten Anschluss- und\nBenutzungszwangs. Da es an einer satzungsrechtlichen Ermachtigungsgrundlage\nfur derartige Einzelfallmaßnahmen fehlt, braucht nicht entschieden werden, ob\nder Satzungsgeber nach der geltenden Gesetzeslage eine solche Befugnisnorm in\nder Abfallwirtschaftssatzung uberhaupt schaffen durfte. \n--- \n| 22 \n--- \n| aa) Der Beklagte meint, die Ermachtigungsgrundlage ergebe sich „unmittelbar\naus dem offentlich-rechtlichen Benutzungsverhaltnis" (Bl. 329 d. A.). Die\nursprunglich auf § 3 Abs. 2 und Abs. 1, § 29 Abs. 3b Satz 1 AWS 1999 gestutzte\nangefochtene Verfugung finde heute ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 2 und Abs.\n1, § 14 Abs. 7 AWS 2005 i. d. F. der 5. Änderungssatzung (AWS 2006), die am 1.\nJanuar 2006 in Kraft getreten ist; zustandig fur den Vollzug des satzungsmaßig\nangeordneten Anschluss- und Benutzungszwangs sei der Landkreis als offentlich-\nrechtlicher Entsorgungstrager (§ 6 Abs. 1 LAbfG), der nach § 8 Abs. 1 LAbfG im\nRahmen der Überlassungspflichten (§ 13 Abs. 1 bis 3 KrW-/AbfG) durch Satzung\nden Anschluss an die Einrichtungen der Abfallverwertung und Abfallbeseitigung\nund die Benutzung dieser Einrichtungen geregelt habe. \n--- \n| 23 \n--- \n| Diese Rechtsauffassung findet im geltenden Recht keine Grundlage. § 3 Abs. 1\nund 2 AWS 2006 ordnet gegenuber Grundstuckseigentumern, Erbbauberechtigten und\nsonstigen dinglich Berechtigten sowie gegenuber Mietern, Pachtern und\nsonstigen Nutzungsberechtigten satzungsrechtlich den Anschluss- und\nBenutzungszwang bezuglich der offentlichen Einrichtung Abfallentsorgung an;\neine Befugnis des Abfallwirtschaftsbetriebs des Beklagten zum Erlass von\nEinzelfallmaßnahmen ist in den Satzungsbestimmungen an keiner Stelle\nangesprochen. Dasselbe gilt fur § 14 Abs. 7 AWS 2006. Die Vorschrift trifft\nsatzungsrechtliche Bestimmungen zu Abfallbehaltern fur die nach § 7 Satz 4\nGewAbfV und § 13 Abs. 1 bis 3 KrW-/AbfG Pflichtigen; die Ermachtigung zum\nErlass von Einzelfallanordnungen findet sich in § 14 Abs. 7 AWS 2006 nicht. \n--- \n| 24 \n--- \n| bb) Zur Unterstutzung fur seine Rechtsauffassung beruft sich der Beklagte\nvor allem auf eine Entscheidung des Niedersachsischen Oberverwaltungsgerichts\nvom 19. Januar 1993 (NVwZ 1993, 1017). Eine Auseinandersetzung mit der hier\nerorterten Rechtsfrage findet in jener Entscheidung indessen nicht statt;\ninsbesondere wird dort nicht dargelegt, die Ermachtigungsgrundlage fur den\nErlass von Verfugungen ergebe sich unmittelbar aus dem offentlich-rechtlichen\nBenutzungsverhaltnis. Sollte die Entscheidung in einem anderen Sinn verstanden\nwerden konnen, ware ihr fur das baden-wurttembergische Landesrecht nicht zu\nfolgen. \n--- \n| 25 \n--- \n| Allerdings hat auch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in einem\nBeschluss vom 16. Oktober 2002 die Auffassung vertreten, behordliche\nEingriffsmaßnahmen konnten im Rahmen eines offentlich-rechtlichen\nBenutzungsverhaltnisses ohne gesetzliche Rechtsgrundlage ergehen; die Befugnis\nzum Betrieb einer offentlichen Einrichtung (konkret:\nAbwasserbeseitigungsanlage) umfasse auf Grund der „Anstaltsgewalt" die\nErmachtigung, das Benutzungsverhaltnis im Einzelfall durch Verwaltungsakt zu\nregeln (NVwZ-RR 2003, 297 = NWVBl 2003, 104). Es kann offen bleiben, ob diese\nDarlegungen zum „Wie" des Benutzungsverhaltnisses uberhaupt zur Frage des „Ob"\ndes Anschluss- und Benutzungszwangs bzw. seiner prinzipiellen Durchsetzung im\nEinzelfall ubertragen werden konnen. Zum Anschluss- und Benutzungszwang nach\nbaden-wurttembergischen Landes(abfall)recht konnen jene Überlegungen\njedenfalls keine rechtliche Geltung beanspruchen. \n--- \n| 26 \n--- \n| In seiner Entscheidung vom 29. Dezember 1989 (10 S 2252/89 - VBlBW 1990,\n225, 226) hat sich der Senat am Beispiel eines Leistungsbescheids im Rahmen\neines offentlich-rechtlich ausgestalteten Kanalbenutzungsverhaltnisses\nrechtsgrundsatzlich zur Frage behordlichen Handelns durch Verwaltungsakt ohne\ngesetzliche Ermachtigung geaußert und ausgefuhrt: \n--- \n| 27 \n--- \n| „Es gibt keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass sich aus jedem\nbeliebigen offentlich-rechtlichen Rechtsverhaltnis die Befugnis der Organe der\nvollziehenden Gewalt herleiten lasst, zur hoheitlichen Erfullung von\nVerwaltungsaufgaben Verwaltungsakte zu erlassen. Zum Wesen des\nVerwaltungsaktes gehort es, dass die Verwaltung einseitig eine Regelung\ntrifft, die den Adressaten bindet. Fehlt es an einer ausdrucklichen\ngesetzlichen Ermachtigung, so bedarf es hierfur eines besonderen\nLegitimationsgrundes, den, wenn uberhaupt, nur die Überordnung des\nVerwaltungstragers uber den Regelungsadressaten herzugeben vermag. Noch nicht\ngetan ist es in diesem Zusammenhang mit der Feststellung, dass ein\nRechtsverhaltnis ein subordinationsrechtliches Geprage aufweist. Denn diese\nTatsache allein rechtfertigt nicht zwangslaufig den Schluss, dass das\nÜberordnungsverhaltnis samtliche Einzelanspruche erfasst, die hieraus\nerwachsen. Die Überordnung muss gerade auch in Bezug auf den Anspruch\nbestehen, der durch Verwaltungsakt geregelt werden soll … Fehlt es insoweit an\neiner ausdrucklichen Bestimmung, so ist aus dem Gesamtregelungszusammenhang\nheraus zu ermitteln, wie weit die Befugnis reicht, im Einzelfall kraft\nobrigkeitlicher Gewalt zu entscheiden. Eine Regel des Inhalts, dass ein dem\noffentlichen Recht zuzurechnendes Rechtsverhaltnis im Zweifel auf ein\numfassendes und fur alle Beziehungen geltendes Über- und\nUnterordnungsverhaltnis angelegt ist, gibt es nicht. Durch eine generelle\nÜber- und Unterordnung sind lediglich das Beamten- und das Soldatenverhaltnis\nsowie diesen vergleichbare Rechtsverhaltnisse gekennzeichnet. Aus dem fur\nDienstverhaltnisse dieser Art charakteristischen umfassenden Pflichten- und\nTreueverhaltnis wird hergeleitet, dass die Rechtsbeziehungen zwischen dem\nDienstherrn und den Beamten bzw. Soldaten durchgangig\nsubordinationsrechtlicher Natur sind, mit der Folge, dass dem Dienstherrn die\nBefugnis zuerkannt wird, nicht nur bei der Ernennung, der Festsetzung von\nBezugen, der Versetzung, der Entlassung, oder ahnlichen Maßnahmen einseitig\nhoheitlich tatig zu werden, sondern sich auch bei der Geltendmachung\nvermogensrechtlicher Anspruche, sei es bei der Ruckforderung zu Unrecht\ngezahlter Bezuge, sei es bei Schadensersatzerforderungen, des Mittels des\nVerwaltungsakts zu bedienen." \n--- \n| 28 \n--- \n| An dieser Rechtsauffassung halt der Senat uneingeschrankt fest. Die\nAnforderungen aus dem verfassungsrechtlich begrundeten Vorbehalt des Gesetzes,\ndie fur einen Leistungsbescheid im Rahmen eines offentlich-rechtlichen\n(Kanal-)Benutzungsverhaltnisses zur Durchsetzung eines Ersatzanspruchs gelten,\nverlangen erst recht Beachtung bei Zwangsbefugnissen im Rahmen der\nEingriffsverwaltung. \n--- \n| 29 \n--- \n| cc) Die Ermachtigungsgrundlage des § 20 Abs. 2 LAbfG ist umfassend angelegt.\nEinzelanordnungen sind der Befugnis der Abfallrechtsbehorde im Umfang ihrer\nAufgabenwahrnehmungskompetenz gesetzlich uberantwortet. Das Aufgabenspektrum\nbezieht sich nicht nur auf Maßnahmen der Gefahrenabwehr auf dem Gebiet der\nAbfallverwertung und Abfallbeseitigung (§ 20 Abs. 1 Satz 2 LAbfG), sondern der\nAbfallrechtsbehorde ist generell die Aufgabe zugewiesen, daruber zu wachen,\ndass die abfallrechtlichen Vorschriften erfullt werden (§ 20 Abs. 1 Satz 1\nLAbfG). Diese umfassende Aufgabenzuweisung der abfallrechtlichen Überwachung\nder Abfallentsorgung an die Abfallrechtsbehorden war vom Landesgesetzgeber\nausdrucklich gewollt (vgl. LT-Drucks. 10/1924, S. 50). Umfasst hiervon ist\nnach der Systematik des Landesabfallgesetzes auch die Erfullung der nach § 8\nLAbfG ergehenden satzungsrechtlichen Vorschriften zur Abfallentsorgung. Die\nlandesgesetzliche Zustandigkeitsregelung nach § 28 Abs. 1 LAbfG bestatigt\ndieses Ergebnis. Danach obliegt nicht nur der Vollzug des\nKreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes und des Landesabfallgesetzes den\nAbfallrechtsbehorden, sondern auch der Vollzug „der sonstigen\nabfallrechtlichen Vorschriften". Dass hierunter auch die nach § 8 LAbfG zu\nerlassenden Abfall(wirtschafts)satzungen fallen, liegt auf der Hand.\nAngesichts der umfassenden Befugnisse, die nach §§ 20 Abs. 2, 28 Abs. 1 LAbfG\nden Abfallrechtsbehorden gesetzlich zugewiesen sind, besteht fur die\nHerleitung einer ungeschriebenen Rechtsgrundlage zu Gunsten des kommunalen\nEntsorgungstragers zwecks Durchsetzung des von ihm satzungsrechtlich\nangeordneten Anschluss- und Benutzungszwangs kein Raum. \n--- \n| 30 \n--- \n| Mit Blick auf die Effizienz des Vollzugs ist nicht zu erkennen, dass\nVollzugsdefizite auftreten, wenn nicht der Abfallwirtschaftsbetrieb des\nLandkreises, sondern das beim Landkreis angesiedelte Landratsamt (§ 1 Abs. 3\nLKrO) den Satzungsvollzug uberwacht und durchsetzt. Dass im Falle einer\ngerichtlichen Auseinandersetzung nicht der Landkreis, sondern das Land\nrichtiger Beklagter ware, lasst den Verwaltungsvollzug von Rechts wegen\nunberuhrt. Bei Verstoßen gegen § 3 Abs. 1 und 2, § 14 Abs. 7 AWS 2006 kann\nzudem nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 6, Abs. 1 Satz 2 AWS 2006 i. V. m.\n§ 30 Abs. 2 LAbfG vorgegangen werden. \n--- \n| 31 \n--- \n| dd) Erganzend ist folgender Hinweis veranlasst: Der Senat hat nicht daruber\nzu befinden, ob es zweckmaßig(er) ware, die Vollzugskompetenz fur Satzungen\nnach § 8 LAbfG den offentlich-rechtlichen Entsorgungstragern (§ 6 Abs. 1\nLAbfG) zu ubertragen. Soweit im Schrifttum die Auffassung vertreten wird, dass\ndie Kommunen keine Kompetenz zur Umsetzung der Abfalluberlassungspflicht\nhatten, so dass Anordnungen zum „Ob" der Abfalluberlassung den staatlichen\nBehorden vorbehalten seien und Kommunen daher auf satzungsmaßiger Grundlage\nVerfugungen nur zum „Wie" der Pflichterfullung erlassen durften (Weidemann,\na.a.O., § 21 RdNr. 36b), konnte diese Äußerung missverstandlich sein. § 63\nKrW-/AbfG gibt keine Vorgaben zur landesinternen Behordenzustandigkeit. Zwar\nist es rechtlich unbedenklich, wenn die Überlassungspflicht und der\nzwangsweise Vollzug des Benutzungszwangs unterschiedliche Rechtsgrundlagen\nhaben (BVerwG, Urt. v. 17.02.2005 - 7 CN 6/04 - NVwZ 2005, 695, 697; BVerwG,\nUrt. v. 01.12.2005 - 10 C 4/04 - UPR 2006, 272, 273), jedoch ist der\nLandesgesetzgeber bundesrechtlich nicht gehindert, die kommunalen\nEntsorgungstrager zum Erlass von Anordnungen im Einzelfall zu ermachtigen, um\nden satzungsrechtlichen Anschluss- und Benutzungszwang durchzusetzen. In\neinigen Landern ist dies erfolgt (vgl. § 11 Abs. 4 NdsAbfG, § 4 Abs. 5\nThurAbfG). Mangels entsprechender Regelung in Baden-Wurttemberg bleibt es in\nBezug auf die Ermachtigung zum Erlass von Verfugungen und hinsichtlich der\nsachlichen Behordenzustandigkeit bei den in §§ 20, 28 LAbfG getroffenen\nBestimmungen. \n--- \nIII. \n--- \n| 32 \n--- \n| Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 25 Abs. 2, 13 Abs. 1 GKG a. F. \n--- \n| 33 \n--- \n| Der Beschluss ist unanfechtbar. \n---\n\n
142,369
fg-baden-wurttemberg-2006-08-29-14-k-23904
126
Finanzgericht Baden-Württemberg
fg-baden-wurttemberg
Baden-Württemberg
Baden-Württemberg
Finanzgerichtsbarkeit
14 K 239/04
2006-08-29
2019-01-09 08:13:05
2019-01-17 12:02:31
Urteil
## Tatbestand\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| Streitig ist, ob B, der am …1990 geborene Sohn der Klagerin, in der Zeit\nseines Schulbesuchs in Jordanien in Deutschland einen Wohnsitz oder\ngewohnlichen Aufenthalt hatte und fur ihn daher ein Kindergeldanspruch nach §§\n62, 63 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) bestand. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Die verheiratete Klagerin ist turkische Staatsangehorige. Neben B hat sie\ndrei weitere Kinder (C, geboren am … 1997; D, geboren am … 1999 und E, geboren\nam … 2001). Alle Kinder sind turkische Staatsangehorige. Fur B bekam die\nKlagerin zunachst Kindergeld. In einer personlichen Vorsprache bei der\nBeklagten am 16. September 2002 teilte der Ehemann der Klagerin mit, dass B am\n22. August 2002 Deutschland verlassen habe. Er befinde sich zur\nSchulausbildung in einem Internat in Jordanien, voraussichtlich vorlaufig fur\ndrei Monate, vermutlich aber auch langer. Eine Abmeldebestatigung folgte\n(Gesprachsnotiz vom 16. September 2002, Kindergeldakte Blatt 57;\nAbmeldebestatigung vom 30. September 2002, Kindergeldakte Blatt 63). Mit\nBescheid vom 20. September 2002 hob die Beklagte die Kindergeldfestsetzung fur\nB ab September 2002 gemaß § 70 Abs. 2 EStG auf, da B ab diesem Zeitpunkt weder\nseinen Wohnsitz noch seinen gewohnlichen Aufenthalt in Deutschland habe.\nDieser Bescheid wurde bestandskraftig. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Am 24. Juni 2004 stellte die Klagerin einen Antrag auf Kindergeld fur ihre\nKinder, inklusive B. Zugleich gab sie eine Haushaltsbescheinigung ab, wonach B\nzu ihrem Haushalt gehore. Wahrend der Aufenthalte zu Hause wurde B immer\nwieder von seinem Vater, dem Ehemann der Klagerin, bei der Stadt X angemeldet,\nwahrend der Dauer des Auslandsaufenthalts wieder abgemeldet (Aktenvermerk der\nStadt X vom 25. Marz 2004, Kindergeldakte Blatt 67; verschiedene\nAufenthaltsbescheinigungen, Kindergeldakte Blatt 78 ff.). \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| B ist seit August 2002 in der Schule "I … Schools" in Y, Jordanien. Dort\nwerden Facher wie Mathematik, Biologie, Chemie, u.a. unterrichtet, daneben die\nSprachen Englisch, Arabisch und Deutsch. Die Schule erteilt auch\nKoranunterricht. Zweck des Schulbesuchs ist die Steigerung der schulischen\nLeistungen von B und das Erlangen der Hochschulreife. B lebt dort in einem\nInternat. In der Schule sind ungefahr 50 Kinder. Ein Bekannter des Ehemannes\nder Klagerin lebt in der Nahe dieser Schule und kummert sich, je nach Bedarf,\num B. Die schulfreie Zeit im Sommer betragt ungefahr 45 bis 50 Tage, die uber\nWeihnachten ungefahr 30 Tage. Jeweils im Sommer verbrachte B bislang drei\nWochen bei seinen Eltern in Deutschland, den Rest der schulfreien Zeit mit\nseinen Eltern und Geschwistern in der Turkei. Im Winter verbrachte B drei\nWochen bei seinen Eltern in Deutschland. Im Jahre 2006 blieb B im Sommer die\ngesamten schulfreien Tage bei seinen Eltern in Deutschland. Der Schulbesuch in\nJordanien soll noch ungefahr drei bis vier Jahre dauern. Danach wird uber ein\nInformatikstudium nachgedacht, wobei noch nicht bekannt ist, wo B dieses\nabsolvieren wird. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Klagerin bewohnt zusammen mit ihrer Familie eine Wohnung im zweiten\nGeschoss eines Hauses, das ihrem Ehemann sowie dessen Bruder gehort. Die\nErdgeschosswohnung dieses Hauses ist noch unbewohnt. In der Wohnung im ersten\nGeschoss wohnt der Bruder ihres Ehemannes nebst Familie. Die von der Klagerin\nbewohnte Wohnung ist ungefahr 120 m² groß und verfugt uber funf Zimmer, u.zw.\nEltern-, Madchen-, Jungenschlafzimmer, Wohnzimmer sowie Kuche. Das\nJungenschlafzimmer steht B und seinem am … 2001 geborenen Bruder E zur\nVerfugung. Im Madchenschlafzimmer sind die beiden Tochter der Familie\nuntergebracht. Das Jungenschlafzimmer ist mit einem einfachen Bett, einem\nComputertisch samt Computer, einem Fernseher sowie einem Kleiderschrank\nausgestattet. In dem Kleiderschrank befinden sich Sachen von B. E verstaut\nseine Sachen in einem der beiden Schranke im Madchenschlafzimmer. Wenn sich B\nzu Hause aufhalt, kommt eine Matratze in das Jungenschlafzimmer. Manchmal\nschlaft E aber auch bei den Madchen. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Den Antrag der Klagerin auf Kindergeld fur B vom 24. Juni 2004 lehnte die\nBeklagte mit Bescheid vom 28. Juni 2004 ab. Der dagegen eingelegte Einspruch\nblieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2004, Kindergeldakte\nBlatt 85 ff.). \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die am 23. August 2004 beim Finanzgericht eingegangene Klage begrundet die\nKlagerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmachtigten, wie folgt: B habe\nseinen Wohnsitz weiterhin in Deutschland. Dieses ergebe sich bereits aus der\nMeldebescheinigung. Nach Abschluss der Schulausbildung in Jordanien wolle B\nwieder zu seinen Eltern nach Deutschland zuruckkehren. Von seiner Geburt an\nhabe B dort bis 2002 gelebt und die Schule besucht. Eine Auflosung der\nfamiliaren Bindung zu den Eltern bedinge der Schulbesuch in Jordanien nicht.\nDer Mittelpunkt der Lebensbeziehungen sei fur B weiterhin in Deutschland. In\neiner auswartigen Unterbringung, die, wie im Streitfall, lediglich der\nschulischen Unterrichtung und somit nur einem Teilbereich des Lebens diene,\nsei der Lebensmittelpunkt jedenfalls solange nicht gegeben, solange nicht der\nSchule das entscheidende Gewicht fur die Lebensbeziehung des Kindes zukomme.\nDieses liege im Streitfall nicht vor. Schließlich behielten auch deutsche\nKinder ihren Wohnsitz und gewohnlichen Aufenthalt in Deutschland bei, wenn sie\nvorubergehend ihre Ausbildung in einer auslandischen Schule absolvierten. Auch\nsei zu berucksichtigen, dass die Tatsache, dass sich B nur fur beschrankte\nZeit in Deutschland aufhalte, allein und ausschließlich durch den Schulbetrieb\nbedingt sei. Sie, die Klagerin, konne dieses nicht beeinflussen. Behalte sie B\nfur langere Zeit als die schulfreien Tage in Deutschland, gefahrde sie dessen\nschulische Ausbildung. Das sei unverantwortlich. Die Strukturierung der\nAusbildung durfe auf die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens eines\nWohnsitzes keine Auswirkung haben. Auch die Zeitspanne des Urlaubs in der\nTurkei zusammen mit Eltern und Geschwistern sei in die Zeit des Aufenthalts in\nDeutschland mit hineinzurechnen. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Klagerin beantragt sinngemaß, unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids\nvom 28. Juni 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Juli 2004 die\nBeklagte zu verpflichten, der Klagerin fur B ab 1. Oktober 2002 das gesetzlich\nvorgesehene Kindergeld zu gewahren. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Zur Begrundung tragt sie vor, B habe in Deutschland im Streitzeitraum weder\neinen Wohnsitz noch einen gewohnlichen Aufenthalt gehabt. Der Ruckkehrwille\nreiche zur Beibehaltung eines Wohnsitzes nicht aus. Der Aufenthalt in\nJordanien sei von vornherein auf einen Zeitraum von mehreren Jahren angelegt.\nEin vorubergehender Auslandsaufenthalt liege somit nicht vor. Bereits mit 12\nJahren sei B nach Jordanien gegangen, in einem Alter, in dem ein besonderes\nMaß an Betreuung notwendig sei. Die kurzen Aufenthalte in Deutschland in der\nschulfreien Zeit hatten keinen Wohncharakter. Seinen gewohnlichen Aufenthalt\nhabe B auch nicht in Deutschland gehabt, weil ein Aufenthalt lediglich zu\nBesuchszwecken einen solchen nicht begrunde. Schließlich sei der Wohnsitz oder\ngewohnliche Aufenthalt eines minderjahrigen Kindes dort anzunehmen, wo es\nregelmaßig die Schule besuche (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23.\nNovember 2000 VI R 165/99, Bundessteuerblatt - BStBl II - 2001, 279;\nGerichtsbescheid des Finanzgerichts - FG - Baden-Wurttemberg vom 22. September\n2003 7 K 200/01). \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Die Beteiligten erklaren sich mit einer Entscheidung ohne mundliche\nVerhandlung einverstanden (Niederschrift uber den Erorterungstermin am 9.\nAugust 2006, Finanzgerichtsakte Blatt 57). \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| \n---|--- \n| 12 \n--- \n| 1\\. Die zulassige Klage ist unbegrundet. Die Beklagte hat zu Recht die von\nder Klagerin beantragte Gewahrung von Kindergeld fur B abgelehnt. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Zwar hat die Klagerin als Auslanderin mit Wohnsitz im Inland, die im Besitz\neiner Aufenthaltsberechtigung ist und nicht zur vorubergehenden Dienstleistung\nin das Inland entsandt ist, Anspruch auf Kindergeld nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 und\nAbs. 2 EStG. Ihr Sohn B gehort aber nicht zu den Kindern, die nach § 63 EStG\nzu berucksichtigen sind. Denn nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG werden die Kinder\nnicht berucksichtigt, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewohnlichen\nAufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europaischen Union oder in\neinem Staat haben, auf den das Abkommen uber den Europaischen Wirtschaftsraum\nAnwendung findet. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Zum einen zahlt Jordanien nicht zu den in § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG genannten\nStaaten, zum anderen hatte B im Streitzeitraum weder seinen Wohnsitz noch\nseinen gewohnlichen Aufenthalt in Deutschland. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Frage, ob eine naturliche Person im Inland einen Wohnsitz hat,\nbeurteilt sich nach § 8 Abgabenordnung (AO). Danach kommt es darauf an, ob die\nbetreffende Person im Inland eine Wohnung unter Umstanden innehat, die darauf\nschließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Der\nBegriff des Wohnsitzes im Sinne von § 8 AO setzt neben zum dauerhaften Wohnen\ngeeigneten Raumlichkeiten das Innehaben der Wohnung in dem Sinne voraus, dass\ndie betreffende Person tatsachlich uber sie verfugen kann und sie als Bleibe\nentweder standig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmaßigkeit, wenn\nauch in großeren Zeitabstanden, aufsucht. Ein nur gelegentliches Verweilen\nwahrend unregelmaßig aufeinander folgender kurzer Zeitraume, etwa zu\nErholungszwecken, reicht nicht aus. Anders als das burgerliche Recht, das die\nBegrundung und die Aufgabe des Wohnsitzes als rechtsgeschaftliche\nWillenserklarungen ausgestaltet hat (§§ 7, 8 Burgerliches Gesetzbuch - BGB -),\nknupft § 8 AO nur an die tatsachlichen Verhaltnisse an. Einen Wohnsitz im\nSinne von § 8 AO hat jemand also dann, wenn die objektiven Umstande darauf\nschließen lassen, dass er die Raume innehat und dass sie von ihm als Wohnung\ngenutzt werden sollen. Das Wesen des Wohnsitzes im steuerrechtlichen Sinne\nbesteht somit darin, dass objektiv die Wohnung ihrem Inhaber jederzeit (wann\nimmer er es wunscht) als Bleibe zur Verfugung steht und von ihm auch subjektiv\nzur entsprechenden Nutzung bestimmt ist. In dieser zur objektiven Eignung\nhinzutretenden subjektiven Bestimmung liegt der Unterschied zwischen dem\nbloßen Aufenthaltnehmen in einer Wohnung und dem Wohnsitz (BFH-Urteil vom 22.\nApril 1994 III R 22/92, BStBl II 1994, 887). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Nach diesen Rechtsprechungsgrundsatzen steht zur Überzeugung des Senats\nfest, dass B seinen Wohnsitz in Deutschland ab September 2002 aufgegeben hat.\nBei Beurteilung dieser Tatfrage kommt es vor allem auf Gesichtspunkte wie\nLebensalter des Kindes, Anpassung an die deutschen Lebensverhaltnisse, Dauer\ndes Auslandsaufenthalts bzw. dessen von vorne herein bestehende zeitliche\nBegrenzung, Art der Unterbringung im Ausbildungsland und Verfugbarkeit von\nWohnraum im inlandischen Elternhaus an. Bei der danach vorzunehmenden Abwagung\nsprechen vorliegend mehr Beweisanzeichen dafur, dass B ab September 2002\nseinen Wohnsitz bei der Klagerin aufgegeben hat, als dafur, dass er ihn\nbeibehalten hat. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Das Gericht unterstellt im Streitfall, dass die objektiven\nTatbestandsmerkmale des steuerrechtlichen Wohnsitzbegriffs erfullt sind. Nach\ndem klagerischen Vortrag war es gewahrleistet, dass B bei der Klagerin zu\njeder Zeit Wohnraum als Bleibe zur Verfugung stand. So stand ihm in der\nWohnung seiner Eltern ein entsprechend ausgestattetes Zimmer zur gemeinsamen\nNutzung mit seinem Bruder bereit. Dass in dieses, wahrend seines Aufenthalts,\nzusatzlich eine Matratze als Schlafgelegenheit hineingelegt werden muss,\nwiderspricht diesem Ergebnis nicht. Es ist durchaus ublich, sich, vor allem in\nbeengten Verhaltnissen, entsprechend zu behelfen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Allerdings liegt das ebenfalls fur die Beibehaltung eines Wohnsitzes\nnotwendige subjektive Tatbestandsmerkmal nicht vor. B ist zwar in Deutschland\ngeboren worden und bis zu seinem 13. Lebensjahr dort zur Schule gegangen.\nAllerdings ist er bereits mit 12 Jahren in eine Schule nach Jordanien\ngegangen, zu einem Zeitpunkt also, in dem Kinder in besonderem Maße eine\nBezugsperson brauchen, die sich in erreichbarer raumlicher Nahe befinden muss.\nZu diesem Zeitpunkt sind sie auch zumeist noch nicht in der Lage, Beziehungen\nbei großerer raumlicher Entfernung uber langere Zeit eigenstandig\naufrechtzuerhalten (so auch Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 30.\nAugust 2005 3 K 1152/03). \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Bei dieser Fallkonstellation ist eine Losung der familiaren Bindungen seit\nSeptember 2002 erfolgt, weil fur B ein mehrjahriger, u.zw. acht bis neun Jahre\ndauernder, und nicht nur ein vorubergehender Auslandsaufenthalt geplant ist.\nZwar steht eine vorubergehende raumliche Trennung vom Wohnort einer\nBeibehaltung eines Wohnsitzes nicht entgegen. Allein die raumliche Trennung\nvon den Eltern wahrend eines Schulbesuchs oder Studiums im Ausland hat keine\nAuflosung der familiaren Bindungen zur Folge und fuhrt zu keiner Verlagerung\ndes Schwerpunkts der Lebensverhaltnisse an den Ausbildungsort. Allerdings\nhandelt es sich im Streitfall, entgegen der Ansicht der Klagerin, nicht mehr\num einen nur vorubergehenden Auslandsaufenthalt. Dieser liegt nach Ansicht der\nRechtsprechung, der sich der Senat anschließt, bei Zeitraumen von lediglich\ndrei bis funf Jahren vor (Urteil des BFH vom 23. November 2000 VI R 107/99,\nBStBl II 2001, 294), jedenfalls nicht bei solchen von acht bis neun Jahren. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die jahrlich etwa sechs Wochen dauernde Anwesenheit B`s in der elterlichen\nWohnung in Deutschland (jeweils drei Wochen im Sommer und im Winter) andert an\ndiesem Ergebnis, unabhangig von ihrem Grund (schulorganisatorisch oder\nprivat), nichts. Sie reicht bei von vornherein auf mehr als einem Jahr\nangelegten Auslandsaufenthalten, insbesondere bei minderjahrigen Kindern in\nB`s Alter, nicht aus, um einen Wohnsitz beizubehalten. Die Rechtsprechung geht\nsogar davon aus, dass Aufenthalte in der elterlichen Wohnung in den\nSchulferien von insgesamt noch nicht einmal drei Monaten im Jahr nicht\nausreichen, um die Aufrechterhaltung eines Inlandswohnsitzes anzunehmen (BFH-\nUrteil vom 23. November 2000 VI R 165/99, BStBl II 2001, 279 und Beschluss des\nBFH vom 5. Februar 2004 VIII B 271/03). Solche Aufenthalte wahrend der\nSchulferien kommen nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleich. Sie\nbewirken kein zwischenzeitliches Wohnen in der elterlichen Wohnung (vgl.\nUrteil des FG Munster vom 4. Marz 2004 8 K 4209/02 Kg). Vielmehr haben sie\nlediglich Besuchscharakter. Die Zeit, die B mit seiner Familie in den Ferien\nin der Turkei verbrachte ist hierbei im Übrigen nicht zu berucksichtigen.\nAbgesehen davon, dass sie selbst bei Berucksichtigung den bei den Eltern\nverbrachten Zeitraum nicht entscheidungserheblich erhohen wurde, kommt es\ndarauf an, dass das Kind die schulfreie Zeit in der elterlichen Wohnung\nverbringt. Ein moglicher Besuch der ansonsten in Deutschland lebenden Eltern\nin Jordanien wurde auch nicht zur Annahme eines Wohnsitzes B`s in Deutschland\nfuhren. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Auch die Absicht B`s, nach Abschluss der Schulausbildung an den bisherigen\nWohnort zuruckzukehren, reicht allein nicht aus, um vom Fortbestand des\nbisherigen Wohnsitzes wahrend des Ausbildungsaufenthalts auszugehen. Die\nRuckkehrabsicht bei einem zeitlich beschrankten Auslandsaufenthalt, der - wie\nhier - ausschließlich der Schul- und Berufsausbildung dient, besagt nichts\ndaruber, ob der Wohnsitz im Inland wahrend der Dauer des Auslandsaufenthalts\nbeibehalten oder aber aufgegeben und nach Ruckkehr neu begrundet wird (BFH-\nUrteil vom 23. November 2000 VI R 165/99, a. a. O.; Beschluss des BFH vom 21.\nOktober 2005 III B 99/05, Sammlung amtlich nicht veroffentlichter\nEntscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 2006, 300-301). Der\nInlandswohnsitz wird in solchen Fallen nur dann beibehalten, wenn das Kind\nentweder seinen Lebensmittelpunkt weiterhin am bisherigen Wohnort hat oder\nzwar keinen einheitlichen Lebensmittelpunkt mehr hat, aber nunmehr uber zwei\nSchwerpunkte der Lebensverhaltnisse (zwei Wohnsitze) verfugt, von denen einer\nam bisherigen Wohnort liegt. Letzteres ist aber nur dann gegeben, wenn nach\nden außeren Umstanden der Lebensmittelpunkt zeitlich und ortlich zwei\nWohnungen in verschiedenen Orten zuzuordnen ist und so zwei Schwerpunkte der\nLebensverhaltnisse gebildet worden sind. Dieses ist im Streitfall nicht\nerkennbar. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Der Hinweis der Klagerin auf gewisse formelle Umstande, wie ihr Vorbringen,\nB sei beim Einwohnermeldeamt der Stadt X in Deutschland gemeldet, andert an\ndiesem Ergebnis nichts. Der Wohnsitz richtet sich, wie dargestellt wurde, nach\nden tatsachlichen Gegebenheiten. Formellrechtliche Merkmale gehoren hierzu\nnicht. Von daher trifft es auch nicht zu, wenn die Klagerin meint, deutsche\nKinder behielten ihren Wohnsitz in Deutschland bei, wenn sie zum Schulbesuch\nins Ausland gingen, auslandische Kinder hingegen nicht. \n--- \n| 23 \n--- \n| Auch die Annahme eines gewohnlichen Aufenthalts (§ 9 AO) im Inland kommt\nnicht in Betracht. Nach § 9 AO hat jemand seinen gewohnlichen Aufenthalt dort,\nwo er sich unter Umstanden aufhalt, die erkennen lassen, dass er dort nicht\nnur vorubergehend verweilt. Die Sechsmonatsfrist in § 9 Satz 2 AO enthalt\neinen Anhaltspunkt dafur, welche Aufenthaltsdauer nicht mehr als nur\nvorubergehend anzusehen ist. Entscheidend ist also, ob ein mehr als sechs\nMonate dauernder Aufenthalt im Inland geplant war. Daran fehlt es im\nStreitfall. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| 2\\. Nachdem das Einverstandnis beider Beteiligter vorlag hielt es das\nGericht fur sachgerecht, gemaß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne\nmundliche Verhandlung zu entscheiden. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| 3\\. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 12 \n--- \n| 1\\. Die zulassige Klage ist unbegrundet. Die Beklagte hat zu Recht die von\nder Klagerin beantragte Gewahrung von Kindergeld fur B abgelehnt. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Zwar hat die Klagerin als Auslanderin mit Wohnsitz im Inland, die im Besitz\neiner Aufenthaltsberechtigung ist und nicht zur vorubergehenden Dienstleistung\nin das Inland entsandt ist, Anspruch auf Kindergeld nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 und\nAbs. 2 EStG. Ihr Sohn B gehort aber nicht zu den Kindern, die nach § 63 EStG\nzu berucksichtigen sind. Denn nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG werden die Kinder\nnicht berucksichtigt, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewohnlichen\nAufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europaischen Union oder in\neinem Staat haben, auf den das Abkommen uber den Europaischen Wirtschaftsraum\nAnwendung findet. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Zum einen zahlt Jordanien nicht zu den in § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG genannten\nStaaten, zum anderen hatte B im Streitzeitraum weder seinen Wohnsitz noch\nseinen gewohnlichen Aufenthalt in Deutschland. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Frage, ob eine naturliche Person im Inland einen Wohnsitz hat,\nbeurteilt sich nach § 8 Abgabenordnung (AO). Danach kommt es darauf an, ob die\nbetreffende Person im Inland eine Wohnung unter Umstanden innehat, die darauf\nschließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Der\nBegriff des Wohnsitzes im Sinne von § 8 AO setzt neben zum dauerhaften Wohnen\ngeeigneten Raumlichkeiten das Innehaben der Wohnung in dem Sinne voraus, dass\ndie betreffende Person tatsachlich uber sie verfugen kann und sie als Bleibe\nentweder standig benutzt oder sie doch mit einer gewissen Regelmaßigkeit, wenn\nauch in großeren Zeitabstanden, aufsucht. Ein nur gelegentliches Verweilen\nwahrend unregelmaßig aufeinander folgender kurzer Zeitraume, etwa zu\nErholungszwecken, reicht nicht aus. Anders als das burgerliche Recht, das die\nBegrundung und die Aufgabe des Wohnsitzes als rechtsgeschaftliche\nWillenserklarungen ausgestaltet hat (§§ 7, 8 Burgerliches Gesetzbuch - BGB -),\nknupft § 8 AO nur an die tatsachlichen Verhaltnisse an. Einen Wohnsitz im\nSinne von § 8 AO hat jemand also dann, wenn die objektiven Umstande darauf\nschließen lassen, dass er die Raume innehat und dass sie von ihm als Wohnung\ngenutzt werden sollen. Das Wesen des Wohnsitzes im steuerrechtlichen Sinne\nbesteht somit darin, dass objektiv die Wohnung ihrem Inhaber jederzeit (wann\nimmer er es wunscht) als Bleibe zur Verfugung steht und von ihm auch subjektiv\nzur entsprechenden Nutzung bestimmt ist. In dieser zur objektiven Eignung\nhinzutretenden subjektiven Bestimmung liegt der Unterschied zwischen dem\nbloßen Aufenthaltnehmen in einer Wohnung und dem Wohnsitz (BFH-Urteil vom 22.\nApril 1994 III R 22/92, BStBl II 1994, 887). \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Nach diesen Rechtsprechungsgrundsatzen steht zur Überzeugung des Senats\nfest, dass B seinen Wohnsitz in Deutschland ab September 2002 aufgegeben hat.\nBei Beurteilung dieser Tatfrage kommt es vor allem auf Gesichtspunkte wie\nLebensalter des Kindes, Anpassung an die deutschen Lebensverhaltnisse, Dauer\ndes Auslandsaufenthalts bzw. dessen von vorne herein bestehende zeitliche\nBegrenzung, Art der Unterbringung im Ausbildungsland und Verfugbarkeit von\nWohnraum im inlandischen Elternhaus an. Bei der danach vorzunehmenden Abwagung\nsprechen vorliegend mehr Beweisanzeichen dafur, dass B ab September 2002\nseinen Wohnsitz bei der Klagerin aufgegeben hat, als dafur, dass er ihn\nbeibehalten hat. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Das Gericht unterstellt im Streitfall, dass die objektiven\nTatbestandsmerkmale des steuerrechtlichen Wohnsitzbegriffs erfullt sind. Nach\ndem klagerischen Vortrag war es gewahrleistet, dass B bei der Klagerin zu\njeder Zeit Wohnraum als Bleibe zur Verfugung stand. So stand ihm in der\nWohnung seiner Eltern ein entsprechend ausgestattetes Zimmer zur gemeinsamen\nNutzung mit seinem Bruder bereit. Dass in dieses, wahrend seines Aufenthalts,\nzusatzlich eine Matratze als Schlafgelegenheit hineingelegt werden muss,\nwiderspricht diesem Ergebnis nicht. Es ist durchaus ublich, sich, vor allem in\nbeengten Verhaltnissen, entsprechend zu behelfen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Allerdings liegt das ebenfalls fur die Beibehaltung eines Wohnsitzes\nnotwendige subjektive Tatbestandsmerkmal nicht vor. B ist zwar in Deutschland\ngeboren worden und bis zu seinem 13. Lebensjahr dort zur Schule gegangen.\nAllerdings ist er bereits mit 12 Jahren in eine Schule nach Jordanien\ngegangen, zu einem Zeitpunkt also, in dem Kinder in besonderem Maße eine\nBezugsperson brauchen, die sich in erreichbarer raumlicher Nahe befinden muss.\nZu diesem Zeitpunkt sind sie auch zumeist noch nicht in der Lage, Beziehungen\nbei großerer raumlicher Entfernung uber langere Zeit eigenstandig\naufrechtzuerhalten (so auch Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 30.\nAugust 2005 3 K 1152/03). \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Bei dieser Fallkonstellation ist eine Losung der familiaren Bindungen seit\nSeptember 2002 erfolgt, weil fur B ein mehrjahriger, u.zw. acht bis neun Jahre\ndauernder, und nicht nur ein vorubergehender Auslandsaufenthalt geplant ist.\nZwar steht eine vorubergehende raumliche Trennung vom Wohnort einer\nBeibehaltung eines Wohnsitzes nicht entgegen. Allein die raumliche Trennung\nvon den Eltern wahrend eines Schulbesuchs oder Studiums im Ausland hat keine\nAuflosung der familiaren Bindungen zur Folge und fuhrt zu keiner Verlagerung\ndes Schwerpunkts der Lebensverhaltnisse an den Ausbildungsort. Allerdings\nhandelt es sich im Streitfall, entgegen der Ansicht der Klagerin, nicht mehr\num einen nur vorubergehenden Auslandsaufenthalt. Dieser liegt nach Ansicht der\nRechtsprechung, der sich der Senat anschließt, bei Zeitraumen von lediglich\ndrei bis funf Jahren vor (Urteil des BFH vom 23. November 2000 VI R 107/99,\nBStBl II 2001, 294), jedenfalls nicht bei solchen von acht bis neun Jahren. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die jahrlich etwa sechs Wochen dauernde Anwesenheit B`s in der elterlichen\nWohnung in Deutschland (jeweils drei Wochen im Sommer und im Winter) andert an\ndiesem Ergebnis, unabhangig von ihrem Grund (schulorganisatorisch oder\nprivat), nichts. Sie reicht bei von vornherein auf mehr als einem Jahr\nangelegten Auslandsaufenthalten, insbesondere bei minderjahrigen Kindern in\nB`s Alter, nicht aus, um einen Wohnsitz beizubehalten. Die Rechtsprechung geht\nsogar davon aus, dass Aufenthalte in der elterlichen Wohnung in den\nSchulferien von insgesamt noch nicht einmal drei Monaten im Jahr nicht\nausreichen, um die Aufrechterhaltung eines Inlandswohnsitzes anzunehmen (BFH-\nUrteil vom 23. November 2000 VI R 165/99, BStBl II 2001, 279 und Beschluss des\nBFH vom 5. Februar 2004 VIII B 271/03). Solche Aufenthalte wahrend der\nSchulferien kommen nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleich. Sie\nbewirken kein zwischenzeitliches Wohnen in der elterlichen Wohnung (vgl.\nUrteil des FG Munster vom 4. Marz 2004 8 K 4209/02 Kg). Vielmehr haben sie\nlediglich Besuchscharakter. Die Zeit, die B mit seiner Familie in den Ferien\nin der Turkei verbrachte ist hierbei im Übrigen nicht zu berucksichtigen.\nAbgesehen davon, dass sie selbst bei Berucksichtigung den bei den Eltern\nverbrachten Zeitraum nicht entscheidungserheblich erhohen wurde, kommt es\ndarauf an, dass das Kind die schulfreie Zeit in der elterlichen Wohnung\nverbringt. Ein moglicher Besuch der ansonsten in Deutschland lebenden Eltern\nin Jordanien wurde auch nicht zur Annahme eines Wohnsitzes B`s in Deutschland\nfuhren. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Auch die Absicht B`s, nach Abschluss der Schulausbildung an den bisherigen\nWohnort zuruckzukehren, reicht allein nicht aus, um vom Fortbestand des\nbisherigen Wohnsitzes wahrend des Ausbildungsaufenthalts auszugehen. Die\nRuckkehrabsicht bei einem zeitlich beschrankten Auslandsaufenthalt, der - wie\nhier - ausschließlich der Schul- und Berufsausbildung dient, besagt nichts\ndaruber, ob der Wohnsitz im Inland wahrend der Dauer des Auslandsaufenthalts\nbeibehalten oder aber aufgegeben und nach Ruckkehr neu begrundet wird (BFH-\nUrteil vom 23. November 2000 VI R 165/99, a. a. O.; Beschluss des BFH vom 21.\nOktober 2005 III B 99/05, Sammlung amtlich nicht veroffentlichter\nEntscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH/NV - 2006, 300-301). Der\nInlandswohnsitz wird in solchen Fallen nur dann beibehalten, wenn das Kind\nentweder seinen Lebensmittelpunkt weiterhin am bisherigen Wohnort hat oder\nzwar keinen einheitlichen Lebensmittelpunkt mehr hat, aber nunmehr uber zwei\nSchwerpunkte der Lebensverhaltnisse (zwei Wohnsitze) verfugt, von denen einer\nam bisherigen Wohnort liegt. Letzteres ist aber nur dann gegeben, wenn nach\nden außeren Umstanden der Lebensmittelpunkt zeitlich und ortlich zwei\nWohnungen in verschiedenen Orten zuzuordnen ist und so zwei Schwerpunkte der\nLebensverhaltnisse gebildet worden sind. Dieses ist im Streitfall nicht\nerkennbar. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Der Hinweis der Klagerin auf gewisse formelle Umstande, wie ihr Vorbringen,\nB sei beim Einwohnermeldeamt der Stadt X in Deutschland gemeldet, andert an\ndiesem Ergebnis nichts. Der Wohnsitz richtet sich, wie dargestellt wurde, nach\nden tatsachlichen Gegebenheiten. Formellrechtliche Merkmale gehoren hierzu\nnicht. Von daher trifft es auch nicht zu, wenn die Klagerin meint, deutsche\nKinder behielten ihren Wohnsitz in Deutschland bei, wenn sie zum Schulbesuch\nins Ausland gingen, auslandische Kinder hingegen nicht. \n--- \n| 23 \n--- \n| Auch die Annahme eines gewohnlichen Aufenthalts (§ 9 AO) im Inland kommt\nnicht in Betracht. Nach § 9 AO hat jemand seinen gewohnlichen Aufenthalt dort,\nwo er sich unter Umstanden aufhalt, die erkennen lassen, dass er dort nicht\nnur vorubergehend verweilt. Die Sechsmonatsfrist in § 9 Satz 2 AO enthalt\neinen Anhaltspunkt dafur, welche Aufenthaltsdauer nicht mehr als nur\nvorubergehend anzusehen ist. Entscheidend ist also, ob ein mehr als sechs\nMonate dauernder Aufenthalt im Inland geplant war. Daran fehlt es im\nStreitfall. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| 2\\. Nachdem das Einverstandnis beider Beteiligter vorlag hielt es das\nGericht fur sachgerecht, gemaß § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne\nmundliche Verhandlung zu entscheiden. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| 3\\. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. \n---\n\n
142,401
olgstut-2006-09-07-13-u-4906
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
13 U 49/06
2006-09-07
2019-01-09 08:13:26
2019-02-12 13:10:46
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung der Klagerin gegen das Urteil der 3. Zivilkammer des\nLandgerichts Ravensburg vom 23. Februar 2006 wird\n\n** zuruckgewiesen. **\n\n2\\. Die Klagerin tragt die Kosten der Berufung.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\nDie Klagerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Hohe von 110\n% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor\nVollstreckung Sicherheit in Hohe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden\nBetrages leistet.\n\n4\\. Die Revision wird zugelassen.\n\nStreitwert der Berufung: 90.977,64 EUR\n\n## Gründe\n\n| 1 \n--- \n| Es geht um Regressanspruche des Rentenversicherungstragers aus einem\nVerkehrsunfall, fur den die Beklagte zu 100 % haftet. Zum Unfallzeitpunkt\nstand der Geschadigte in einem sozialversicherungspflichtigen\nArbeitsverhaltnis. Da er seinen fruheren Beruf unfallbedingt nicht mehr\nausuben konnte, ubernahm er zum 11.09.2000 eine verbeamtete Tatigkeit. Die\nBeklagte hat bis zum 31.12.2001 Rentenversicherungsbeitrage fur den\nGeschadigten bezahlt. Die Klagerin verlangt solche auch fur die Zeit danach.\nDas Landgericht wies ihre Klage mit dem angefochtenen Urteil ab, auf das wegen\nder weiteren tatsachlichen Feststellungen Bezug genommen wird. Mit der\nBerufung erstrebt die Klagerin wie in erster Instanz die Verurteilung der\nBeklagten zur Zahlung von 45.488,82 EUR nebst Zinsen in Hohe von 5\nProzentpunkten uber dem Basiszinssatz seit 03.01.2006 fur den Zeitraum\n01.01.2002 bis 31.12.2005 und die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet\nist, die zukunftigen unfallbedingten Ausfalle der Beitragsleistungen an die\ngesetzliche Rentenversicherung, die vom mutmaßlichen Bruttoverdienst des\nGeschadigten abzufuhren waren, durch Zahlung an die Klagerin im Sinne eines\nBeitragsregresses nach § 119 X. Sozialgesetzbuch zu ersetzen. \n--- \n| 2 \n--- \n| Die Klagerin tragt zur Begrundung ihrer Berufung vor, das Landgericht habe\ndie Klage zu Unrecht abgewiesen mit der Begrundung, der Geschadigte sei durch\nden Eintritt in den Beamtenstand versicherungsfrei geworden. Fur den\ngesetzlichen Forderungsubergang komme es auf die Versicherungspflicht im\nZeitpunkt der Schadigung an. Der Schadigungszeitpunkt sei maßgeblich, damit\nder Beitragsregress auch stattfinden konne, wenn die die Versicherungspflicht\nbegrundenden Umstande schadigungsbedingt entfallen seien. Von der spateren\nEntwicklung solle der Forderungsubergang nicht abhangig gemacht werden. Das\nLandgericht verkenne, dass die Verbeamtung des Geschadigten Folge des Unfalls\nsei, da der Geschadigte habe nicht mehr als Fertigungsleiter weiterarbeiten\nkonnen. Falsch sei auch die Ansicht des Landgerichts, dass ab 11.09.2000 mit\nder Verbeamtung ein Schaden in Form nicht moglicher Erbringung von\nVersicherungsbeitragen entfallen sei, weil der Geschadigte ab diesem Zeitpunkt\nkeine Versicherungsbeitrage zur Rentenversicherung mehr zu zahlen hatte. Die\nVersorgungslucke des Geschadigten sei offensichtlich, nachdem er jetzt\ndeutlich weniger verdiene. Die Klagerin habe außerdem errechnet, dass der\nGeschadigte durch seine bisherige Tatigkeit fur seinen Eintritt ins\nRentenalter mit 65 Jahren am 01.06.2022 680,23 EUR monatliche\nRentenanwartschaften erworben habe. Durch seine Verbeamtung konne er bis dahin\nmonatliche Pensionsanspruche von ca. 735,72 EUR erwerben. Hatte er in seinem\nfruheren Beruf weiterarbeiten konnen, hatte er eine Rente von 1.771,21 EUR zu\nerwarten gehabt. Es werde mithin ein monatlicher Rentenverkurzungsschaden von\n355,00 EUR eintreten. Da Beitragsschaden und Ausgleichspflicht mit der\nBeitragslucke und nicht erst im Versicherungsfall entstehen, konne es nicht zu\neinem Wegfall des Beitragsersatzanspruches fuhren, wenn der Geschadigte nach\ndem Schadenszeitpunkt ins Beamtenverhaltnis wechsle, um den unfallbedingt\neingetretenen Verdienstausfallschaden zu reduzieren. Der Beitragsregress konne\nentgegen der Ansicht des Landgerichts auch nicht vom Einkommen des\nGeschadigten abhangig sein. Der Beitragsersatz finde statt, wenn die\nMoglichkeit spaterer Leistungsverkurzungen gegeben sei. Er hange nicht davon\nab, dass er sich spater bei Eintritt des Versicherungsfalles gegenuber einem\nkonkreten Leistungsersatz als die fur den Schadiger gunstigere Losung erweise.\nDer Schadensersatz erfolge auf die Gefahr hin, dass der Geschadigte spater\nbesser stehe, als er ohne die Schadigung gestanden hatte (BGH VersR 1977,\n1156). Zudem bestunden Anrechnungsvorschriften in beiden\nAlterssicherungssystemen (§§ 34 SGB VI, 55 Beamtenversorgungsgesetz). Der\nVortrag zu den konkret zu erwartenden Leistungen des Geschadigten sei nicht\nverspatet. Er habe in erster Instanz nicht gehalten werden mussen, nachdem das\nLandgericht einen Schaden als Grundlage eines Beitragsregresses definitiv als\nnicht gegeben erachtet habe. Bedeutsam sei auch, dass Leistungen eines\nSozialversicherungstragers zwar zu einem Forderungsubergang, nicht jedoch zu\neiner Entlastung des Schadigers fuhren sollen. Der Wegfall der\nRentenversicherungspflicht konne daher nicht der Beklagten zugute kommen. Der\nGeschadigte sei so zu stellen, wie er bei Hinwegdenken des Unfalls stehen\nwurde. Gemaß § 119 SGB X sei die Klagerin deshalb berechtigt, die dem\nGeschadigten unfallbedingt entgangenen und kunftig entgehenden\nRentenversicherungsbeitrage von der Beklagten einzufordern. Insofern reiche\ndie Moglichkeit einer Rentenverkurzung aus (BGH DAR 1995, 325 und VersR 2000,\n471). \n--- \n| 3 \n--- \n| Die Beklagte tragt zur Verteidigung des landgerichtlichen Urteils vor, die\nKlagerin gehe zu Unrecht davon aus, dass sie (die Klagerin) vom Geschadigten\nin Anspruch genommen werde. Dieser sei mit der Begrundung des\nBeamtenverhaltnisses bei der Klagerin ausgeschieden. Die Klagerin habe keinen\nSchaden erlitten. Ein eventueller Schaden sei allenfalls beim Geschadigten\nselbst verblieben. Eine Versorgungslucke konne nur der Geschadigte selbst\ngeltend machen. Im Ergebnis wolle die Klagerin Versicherungsbeitrage\neinziehen, denen keine Leistungen an den Geschadigten gegenuberstehen werden.\nDie Klagerin musse dem Geschadigten fur eine eventuell mit dem Systemwechsel\neinhergehende Minderversorgung nicht einstehen. Durch die Nichteinziehung der\nRentenversicherungsbeitrage komme es nicht zu einer Entlastung des Schadigers.\nDieser musse aber auch nur ersetzen, was in der Vermogenssphare des\nGeschadigten selbst als rechnerischer Schaden entstehe. Der Fall einer\nRentenverkurzung liege nicht vor, da der Geschadigte infolge seines Wechsels\nin das Beamtenverhaltnis seine Mitgliedschaft in der gesetzlichen\nRentenversicherung beendet und eine anderweitige Art der Versorgung gewahlt\nhabe. Damit sei die Beitragsverpflichtung beendet worden. Der\nSchadensersatzanspruch des Geschadigten sei auf das fiktive Einkommen\nbegrenzt. \n--- \n| 4 \n--- \n| Die zulassige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat\ndie Klage zu Recht und mit zutreffender Begrundung, auf die verwiesen wird,\nabgewiesen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine Abanderung. \n--- \n| 5 \n--- \n| Grundlage des von der Klagerin geltend gemachten Anspruchs sollen §§ 823,\n842, 843 BGB, § 3 PflVG, § 119 SGB X sein. Fur die Zeit ab der Verbeamtung des\nGeschadigten fehlt es allerdings an einem Übergang von Beitragsanspruchen nach\n§ 119 SGB X vom Geschadigten auf die Klagerin. \n--- \n| 6 \n--- \n| Nach § 119 Abs. 1 SGB X geht der Schadensersatzanspruch eines\nSozialversicherten, der der Versicherungspflicht unterliegt, auf den\nVersicherungstrager uber, soweit der Schadensersatzanspruch den Anspruch auf\nErsatz von Beitragen zur Sozialversicherung umfasst. An letzterem fehlt es\nseit der Verbeamtung. Der Schadensersatzanspruch des Geschadigten umfasst den\nAnspruch auf Ersatz von Beitragen nur fur die Zeit bis zu seiner Verbeamtung.\nBis dahin war der Geschadigte gesetzlich Versicherter. Mit seiner Verbeamtung\nendete seine Versicherungspflicht. Als Beamter ist er gemaß § 5 Abs. 1 Nr. 1\nSGB VI versicherungsfrei. Dass der Geschadigte einen Beitragsausfall in der\ngesetzlichen Rentenversicherung erleidet, beruht seit seiner Verbeamtung auf\nseinem Entschluss und ist nicht primar als unfallbedingt anzusehen. Dass es\nzur Verbeamtung und damit zum Beitragsausfall ohne den Unfall wohl nie\ngekommen ware, ist unerheblich. Der Geschadigte hat gegen die Klagerin nur\nnoch einen Anspruch auf Altersrente in der durch die Beitragszahlungen bis\nEnde 2001 erworbenen Hohe mit Eintritt des gesetzlichen Rentenalters.\nWeitergehende Anspruche sind mit seinem freiwilligen Ausscheiden aus der\nRentenversicherung erloschen. Dies hat auch zur Folge, dass der\nAnspruchsubergang nach § 119 Abs. 1 SGB X begrenzt war auf die Zeit bis zum\nAusscheiden aus der Rentenversicherung. Der Anspruch auf Ersatz von Beitragen\nzur Sozialversicherung umfasst einen Schadensersatzanspruch nur, soweit der\nGeschadigte der Versicherungspflicht unterliegt. Mit der Beendigung der\nPflicht durch die Verbeamtung endet die Versicherungspflicht des Geschadigten.\nDamit umfasst sein Schadensersatzanspruch auch keinen Anspruch auf Ersatz von\nBeitragen mehr. Er hat sich entschlossen, nicht mehr\nsozialversicherungspflichtig tatig zu sein, sondern einem anderen\nVersorgungssystem beizutreten. Er hat dadurch den Anspruch auf Ersatz von\nSozialversicherungsbeitragen verloren. Soweit eine Versorgungslucke bleibt,\nhat er Anspruch auf Ersatz insoweit. Dieser Anspruch steht allerdings dem\nGeschadigten personlich zu und nicht der Klagerin. Der Beitragsausfall, den\nder Geschadigte in der Rentenversicherung ab seinem Ausscheiden erleidet,\nberuht nur mittelbar auf dem Unfall. Primar ist er die Folge eines\nEntschlusses des Geschadigten. Dieser Entschluss fuhrt nicht dazu, dass der\nGeschadigte rechtlos wird. Die Klagerin allerdings verliert ihren Anspruch\ndadurch. Das ist jedoch systemgerecht und nicht zu beanstanden. Geschutzt ist\nprimar der Geschadigte. Ihm bleibt die Wahlfreiheit, wie er sein Leben\ngestalten und seinen Schaden minimieren bzw. liquidieren will. \n--- \n| 7 \n--- \n| Zu Recht weist die Klagerin darauf hin, dass es beim Anspruchsubergang nach\n§ 119 SGB X nicht um Regress fur eine vom Rentenversicherungstrager dem\nGeschadigten erbrachte Sozialleistung geht, sondern um die Verhinderung eines\nmoglichen Rentenschadens des Geschadigten selbst. Dies fuhrt aber hier nicht\nzum Anspruch der Klagerin, weil der Geschadigte durch seinen Entschluss,\nBeamter zu werden, den Anspruchsubergang auf die Klagerin zeitlich begrenzt\nhat. Aus den von der Klagerin angefuhrten Entscheidungen BGH VersR 2000, 471\nund 2004, 493 ergibt sich nichts anderes. Erstere besagt, dass ein den Ersatz\ndes Beitragsausfalls zur Rentenversicherung betreffender\nSchadensersatzanspruch des Verletzten gemaß § 119 SGB X in der Regel auch\ninsoweit auf den Sozialversicherungstrager ubergeht, als er gegen den\nEntschadigungsfonds im Sinne des § 12 Abs. 1 PflVG gerichtet ist. Die zweite\nEntscheidung besagt, dass der Geschadigte weder aus eigenem Recht noch in\ngewillkurter Prozessstandschaft des Sozialversicherungstragers zur\nGeltendmachung von auf diesen nach § 119 SGB X ubergegangenen Anspruchen vor\nden Zivilgerichten prozessfuhrungsbefugt ist. Im Übrigen befassen sich beide\nEntscheidungen mit den allgemeinen Grunden des Beitragsubergangs. Sie besagen\nnichts zu der Situation bei Beendigung der Rentenversicherungspflicht. \n--- \n| 8 \n--- \n| Zu Unrecht hebt die Klagerin darauf ab, dass der BGH in standiger\nRechtsprechung entschieden habe, dass der Ersatzanspruch des Geschadigten\nschon mit der Beitragslucke entstehe und nicht voraussetze, dass der spatere\nRentenschaden bereits feststehe. Die insoweit angefuhrte Entscheidung (DAR\n1995, 325) besagt ebenfalls nichts uber die zeitliche Begrenzung des\nErsatzanspruchs im Falle der Beendigung der Rentenversicherungspflicht. Der\nLeitsatz lautet dahin, dass der Beitragserstattungsanspruch des Verletzten,\nder nach § 119 SGB X auf den Rentenversicherungstrager ubergeht, nicht dadurch\nberuhrt wird, dass der Verletzte infolge des Unfalls neben der\nErwerbsunfahigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine\nVerletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung erhalt, die ihn auch\nnach dem Erreichen der Altersgrenze absichert. Daraus kann nicht geschlossen\nwerden, dass die Versorgungsanwartschaft, die der Geschadigte als Beamter\nerwirbt, einen Anspruch der Klagerin nicht hindert. Im vom BGH entschiedenen\nFall kam es nicht zum Ausscheiden aus der Rentenversicherung, sondern\nunfallbedingt zur Gewahrung einer weiteren Sozialleistung. Insofern liegt er\nanders als der vorliegende Fall, der durch die Beendigung der\nRentenversicherungspflicht gekennzeichnet ist, die zur Folge hat, dass der\nAnspruch auf Ersatz von Beitragen nicht mehr zum Schadensersatzanspruch des\nGeschadigten gehort, eben weil er nicht mehr der Versicherungspflicht\nunterliegt. Beitragsrechtlich ist der Geschadigte mit einem Verstorbenen zu\nvergleichen, fur den die Beitragspflicht - abgesehen von der\nHinterbliebenenproblematik - aufgrund eines Anspruchsubergangs nach § 119 SGB\nX nicht bis zum Zeitpunkt des voraussichtlichen Eintritts ins Rentenalter\nweiterlauft, sondern mit dem Tod endet, weil der Geschadigte dann keinen\nSchadenersatzanspruch mehr hat. \n--- \n| 9 \n--- \n| Auch aus der von der Klagerin in der Berufung erstmals angefuhrten\nEntscheidung des BGH in VersR 1977, 1156 ergibt sich nichts zu ihren Gunsten.\nDer BGH hat ausgesprochen, dass der Geschadigte, der durch eine\nKorperverletzung arbeitsunfahig geworden ist, in der Regel vom Schadiger bzw.\nHaftpflichtversicherer Ersatz der Beitrage zur Überbruckung der Ausfallzeit\ndurch freiwillige Fortsetzung der sozialen Rentenversicherung auch dann\nverlangen kann, wenn noch nicht sicher ist, dass die beitragslose Zeit spater\nzu einer Verkurzung seiner Rente fuhren wird. Auch diese Entscheidung geht von\neiner bestehenden Rentenversicherungspflicht aus, an der es vorliegend fehlt. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Geltendmachung des moglichen Rentenverkurzungsschadens wird nicht\nabgeschnitten. § 62 SGB VI schließt die Geltendmachung durch den\nRentenversicherungstrager nicht aus (vgl. etwa BGH DAR 1995, 325). Wenn aber\nder Geschadigte nicht mehr sozialversicherungspflichtig ist, gibt es keinen\nÜbergang nach § 119 Abs. 1 S. 1 SGB X. Anspruchsberechtigt ist dann der\nGeschadigte selbst, sodass es zu einer Begunstigung des Schadigers auf keinen\nFall kommt. \n--- \n| 11 \n--- \n| Schließlich enthalten die von der Klagerin erwahnten Kommentierungen zu §\n119 SGB X keine Aussage zum vorliegenden Fall. Der Gemeinschaftskommentar zum\nSozialgesetzbuch (GK-SGB X 3) schreibt unter Rn. 15 zu § 119, dass der\nUnfallzeitpunkt maßgeblich sei, um die spateren Beitrage nach § 119 als\nPflichtbeitrage zu werten, „unabhangig von der Entwicklung der\nVersicherungspflicht nach dem Schadensereignis." Entsprechend außert sich der\nKasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Bd. 2, § 119 SGB X Rn. 16. Dort\nwird unter Berufung auf verschiedene BGH-Entscheidungen ausgefuhrt, dass ein\nSchaden nicht nur gegeben ist, wenn der Versicherte den Versicherungsfall\nerlebt und dann ein Schaden (z.B. Rentenverkurzungsschaden) feststellbar ist,\nsondern dass es genugt, wenn bei Fortfall der Versicherungspflicht\nschadigungsbedingt eine nachhaltige Beeintrachtigung der kunftigen\nSozialversicherungsleistung (z.B. Rente) durch den Beitragsausfall noch nicht\nfeststeht, aber moglich ist. Zur Dauer des Beitragsschadens schreibt der\nKommentator unter Rn. 34 und 35, dass die Dauer des Beitragsschadens von den\nmedizinischen und beruflichen Schadigungsfolgen abhange und weiter, dass dem\nErsatz von Rentenversicherungsbeitragen nicht entgegenstehe, dass aus den\nerstatteten Beitragen keine Leistungen gewahrt werden konnen, weil es keinen\nweiteren Versicherungsfall mehr gibt. Daraus kann jedoch nicht geschlossen\nwerden, dass das Tatbestandsmerkmal „der Versicherungspflicht unterliegen"\nnach § 119 Abs. 1 S. 1 SGB X nur im Unfallzeitpunkt vorliegen muss und eine\nweitere Entwicklung wie der Eintritt des Versicherten in das Beamtenverhaltnis\nvollig unmaßgeblich ist. \n--- \n| 12 \n--- \n| Letztlich bleibt festzuhalten, dass durch den Eintritt des Geschadigten ins\nBeamtenverhaltnis die Voraussetzungen des Anspruchsubergangs nach § 119 Abs. 1\nS. 1 SGB X entfallen sind, sodass die Klagerin fur den geltend gemachten\nzuruckliegenden Zeitraum ab 2002 wie fur die Zukunft Anspruche nicht hat. \n--- \n| 13 \n--- \n| Deshalb war die Berufung mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden\nKostenfolge zuruckzuweisen. \n--- \n| 14 \n--- \n| Die Entscheidung zur vorlaufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.\n10, 711 ZPO. \n--- \n| 15 \n--- \n| Die Revision war wie beantragt gemaß § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO zuzulassen. \n--- \n| 16 \n--- \n| Der Berufungsstreitwert entspricht dem vom Landgericht zutreffend\nfestgesetzten Wert fur die erste Instanz. \n---\n\n
142,689
olgkarl-2006-11-20-16-wf-10806
146
Oberlandesgericht Karlsruhe
olgkarl
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
16 WF 108/06
2006-11-20
2019-01-09 09:15:43
2019-02-12 13:11:00
Beschluss
## Tenor\n\nDie Beschwerde des beigeordneten Rechtsanwalts gegen den Beschluss des\nAmtsgerichts - Familiengericht - Heidelberg vom 7. Juni 2006 wird mit der\nMaßgabe zuruckgewiesen, dass dessen Kostenentscheidung aufgehoben wird.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| 1\\. In der Folgesache Versorgungsausgleich haben die Parteien, auf\nVorschlag des Familiengerichts, den Versorgungsausgleich auszuschließen, den\ngerichtlich genehmigten Vergleich vom 16. Februar 2006 geschlossen, welcher\nlautet: \n--- \n| 2 \n--- \n| „Die Parteien verzichten wechselseitig auf die Durchfuhrung des\nVersorgungsausgleichs und nehmen den Verzicht der Gegenseite an." \n--- \n| 3 \n--- \n| Der Urkundsbeamte der Geschaftsstelle hat es abgelehnt, dem beigeordneten\nRA hierfur eine Einigungsgebuhr von 85 EUR festzusetzen. Mit dem Beschluss vom\n7. Juni 2006 hat die Familienrichterin die hiergegen gerichtete Erinnerung\nzuruckgewiesen und die Beschwerde zugelassen. Das von dem beigeordneten\nRechtsanwalt eingelegte Rechtsmittel hat keinen Erfolg. \n--- \n| 4 \n--- \n| 2\\. Die Ehe der Parteien dauerte i. S. des § 1587 Abs. 2 BGB vom 1.\nNovember 2003 bis 30. November 2005. \n--- \n| 5 \n--- \n| Die Ehefrau ließ in der Scheidungsantragsschrift beantragen, einen\nVersorgungsausgleich nicht stattfinden zu lassen, da beide Parteien wahrend\nder Ehezeit so gut wie keine Rentenanwartschaften erwirtschaftet hatten. Sie\nbezeichnete sich als Studentin, gab in dem von ihr ausgefullten Fragebogen zum\nVersorgungsausgleich ihre Versicherungsnummer in der gesetzlichen\nRentenversicherung bekannt und teilte mit, dass sie den letzten Beitrag fur\nden Monat Dezember 2005 bezahlt habe. Sonstige Anrechte verneinte sie. Das\nFamiliengericht forderte bei der Deutschen Rentenversicherung eine Auskunft\nan, die bis zum Abschluss des Vergleichs nicht einging. \n--- \n| 6 \n--- \n| Auch der Ehemann ließ anregen, von einem Versorgungsausgleich abzusehen und\nerklarte sich zunachst nicht zu seinen Versorgungsanwartschaften, sodass ihm\ndas Familiengericht ein Zwangsgeld androhte. Er erklarte sodann, dass ihm\nkeine Versicherungsnummer vergeben worden sei und dass er seit Mai 2005 als\nAushilfe in einer Pizzeria beschaftigt sei. \n--- \n| 7 \n--- \n| 3\\. Nach VVRVG 1000 erhalt der Rechtsanwalt „fur die Mitwirkung beim\nAbschluss eines Vertrages, durch den der Streit oder die Ungewissheit der\nParteien uber ein Rechtsverhaltnis beseitigt wird ...", eine Einigungsgebuhr,\nes sei denn, der Vertrag beschrankt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis\noder einen Verzicht. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. \n--- \n| 8 \n--- \n| a) Zwar liegt eine _Ungewissheit,_ die beseitigt wird, darin, dass ein\ngerichtlich zu klarendes Rechtsverhaltnis (der Versorgungsausgleich) nicht\ngeklart wird, weil die Parteien auf die Durchfuhrung desselben vorher\nverzichtet haben. Ungewissheit bestand uber die Hohe der Anrechte beider\nEhegatten. Der Ehemann hatte zwar mit einer geringfugigen Beschaftigung, wohl\nim Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV, keine rentenrechtlichen Zeiten\nzuruckgelegt und keine Entgeltpunkte erworben, wohl aber Zuschlage an\nEntgeltpunkten gem. §§ 66 Abs. 1 Nr. 6, 76 b SGB VI, die ausgeglichen oder in\neine Ausgleichsbilanz eingestellt werden konnten (Soergel/Schmeiduch BGB 13.\nAufl. § 1587 a Rn 60 a.E). Damit bleibt ungeklart, zu wessen Gunsten der\nVersorgungsausgleich durchzufuhren ist. \n--- \n| 9 \n--- \n| Dass beide Seiten angeregt haben, den Versorgungsausgleich nicht\ndurchzufuhren, steht dem nicht entgegen, denn es kann keine Rolle spielen, ob\nauch die andere Seite an dieser Verfahrensweise interessiert ist oder nicht. \n--- \n| 10 \n--- \n| b) Es fallt jedoch deshalb keine Einigungsgebuhr an, weil sich die\nVereinbarung der Parteien uber den Versorgungsausgleich auf einen Verzicht auf\ndessen Durchfuhrung beschrankt. Eine inhaltliche Vereinbarung, die hieruber\nhinausginge, enthalt die Vereinbarung nicht. Trotz des erklarten\nwechselseitigen Verzichts liegt kein gegenseitiges Nachgeben vor, denn es\nverzichtet letztlich nur eine der Prozessparteien vollstandig auf den ihr\nallein zustehende Ausgleich, da der Versorgungsausgleich nur einem der\nEhepartner zustehen kann. \n--- \n| 11 \n--- \n| Fur eine Einigungsgebuhr ist daher nach dem Wortlaut der Regelung der Nr.\n1000 Abs. 1 Satz 1 RVG-VV kein Raum (ebenso OLG Stuttgart, Beschl. vom\n15.08.2006 - 8 WF 104/06 - zitiert nach JURIS). \n--- \n| 12 \n--- \n| 4\\. Das Amtsgericht hat, wohl routinemaßig, seine Erinnerungsentscheidung\nmit einer Kostenentscheidung versehen. Diese hatte indessen nach § 56 Abs. 2\nRVG zu unterbleiben und ist deshalb zur Klarstellung aufzuheben. \n--- \n| 13 \n--- \n| Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. \n---\n\n
149,120
sg-stuttgart-2007-07-20-s-6-a-542707
154
Sozialgericht Stuttgart
sg-stuttgart
Stuttgart
Baden-Württemberg
S 6 A 5427/07
2007-07-20
2019-01-09 18:33:57
2019-01-17 12:04:19
Beschluss
## Tenor\n\n1\\. Dem Antrag auf Erlass einstweiliger Anordnungen wird nicht entsprochen.\n\n2\\. Die Antragstellerin tragt neben den Gerichtskosten auch die\naußergerichtlichen Kosten und Auslagen der Antragsgegner.\n\n## Gründe\n\n| \n---|--- \n| 1 \n--- \n| 1\\. Die um einstweiligen Rechtsschutz nachsuchende antragstellende\nBetriebskrankenkasse Bosch BKK wendet sich vor dem Hintergrund befurchteter\nfinanzieller Mehrbelastungen gegen eine Fusion zweier anderer -\naufsichtsrechtlich gleichermaßen dem Land Baden-Wurttemberg als\nAntragsgegnerin Nr. 1 zugeordneten - Betriebskrankenkassen und der damit\nnotwendigermaßen einhergehenden fusionshilferegelnden Satzungsanderungen der\nAntragsgegnerin Nr. 2 als dem zustandigen Landesverband der\nBetriebskrankenkassen. \n--- \n| 2 \n--- \n| 2\\. Anlass fur das Ansuchen der Antragstellerin ist der Umstand, dass in der\nVergangenheit die Betriebskrankenkasse (BKK) Hochrhein-Wiesental, mit ca. 75\n000 Mitgliedern und einem Haushaltsvolumen von insgesamt ca. 340 Mio. Euro\n(fur 2007) gleichfalls eine Korperschaft des offentlichen Rechts, finanziell\nnotleidend wurde. Grund hierfur waren u. a. finanzielle Unregelmaßigkeiten in\nZusammenhang mit der Durchfuhrung des Risikostrukturausgleichs (RSA), zufolge\nderen diese Kasse auch einen im bundesweiten Vergleich uberaus gunstigen\nBeitragssatz langer anbieten konnte, abgedeckt durch eine recht kreative\nBuchhaltung und zum Teil wurde auch begleitet durch personliche\nBereicherungen. \n--- \n| 3 \n--- \n| 3\\. Die Antragsgegnerin Nr. 1 erhielt nach einem nicht lange zuvor\neingegangenen anonymen Hinweis im Spatjahr 2006 offiziell durch Mitteilung der\nStaatsanwaltschaft Freiburg - Zweigstelle Lorrach - Kenntnis von einem dort\neingeleiteten Vorermittlungsverfahren gegen die Verantwortlichen dieser Kasse\n(Schreiben der Behordenleitung vom 1. Dezember 2006 - Az. 95 AR 317/06). Die\nstrafrechtliche Aufarbeitung dieses Komplexes ist erst teilweise\nabgeschlossen, z. B. durch eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei\nMonaten; teilweise ist sie noch Gegenstand laufender weiterer Ermittlungen bei\nder Schwerpunktstaatsanwaltschaft Mannheim fur Wirtschaftskriminalitat. \n--- \n| 4 \n--- \n| 4\\. In der Folge entwickelten sowohl die Antragsgegnerin Nr. 1 wie auch die\nAntragsgegnerin Nr. 2 (diese als Dachverband der Betriebskrankenkassen auf\nLandesebene mit eigenen gesetzlich zugewiesenen Aufgaben) emsige\nBetriebsamkeit mit dem Ziel der Schadenserfassung und -regulierung. Hierbei\nstellte sich u. a. heraus, dass das Passivvermogen der BKK Hochrhein-Wiesental\nzu Jahresende 2005 sich bereits auf mehr als 70 Mio. Euro belief und die\nÜberschuldung auch fur die Folgemonate drastisch zunahm. Nach wirtschaftlichen\nGesichtspunkten ware diese Kasse etwa spatestens Mitte Monat Juni 2007 als\ninsolvent zu erklaren gewesen. \n--- \n| 5 \n--- \n| 5\\. Seitens der Antragsgegnerinnen und im Einvernehmen mit den soweit noch\nim Amt befindlichen Verantwortungstragern der BKK Hochrhein-Wiesental schalte\nsich dann ein vielfach strukturiertes Losungsmodell heraus, gekennzeichnet\ndurch eine Fusion dieser Kasse mit einer fusionsbereiten anderen\nBetriebskrankenkasse auf Landesebene, diese verbunden mit der Gewahrung von\nFusionshilfen und einem Bundel weiterer Maßnahmen, diese teilweise\neinhergehend mit der Notwendigkeit einer entsprechenden Anpassung des\nSatzungswerks der Antragsgegnerin Nr. 2. Auch konnte nunmehr vor Kurzem\nerganzend der Bundesverband der Betriebskrankenkassen um Hilfe angegangen\nwerden, der indessen hieruber aufgrund einer Reihe rechtlicher Vorgaben nicht\nzeitnah entscheiden kann. \n--- \n| 6 \n--- \n| 6\\. Anzumerken ist auch, dass die ganze Angelegenheit unter hohem zeitlichen\nDruck steht, da eine der maßgeblichen rechtlichen Vorgaben in Gestalt des §\n265a des Sozialgesetzbuch (SGB) Funftes Buch (V) - Gesetzliche\nKrankenversicherung - in der Fassung des Gesetzes vom 22. Dezember 2006 (BGBl.\nI S. 3439) nur fur die Zeit vom 27. Oktober 2006 bis 31. Dezember 2008\nGultigkeit hat. \n--- \n| 7 \n--- \n| 7\\. Auch nur bis zu dem genannten Schlussdatum besteht noch die Moglichkeit\nunterschiedlicher Beitragssatze im Bereich der gesetzlichen\nKrankenversicherung. \n--- \n| 8 \n--- \n| 8\\. Mit dem am 12. Juli 2007 bei dem Sozialgericht Stuttgart eingegangenen\nAntrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b des\nSozialgerichtsgesetzes (SGG) begehrt die Antragstellerin den Erlass folgender\nAnordnungen: \n--- \n| 9 \n--- \n| 1\\. Dem Antragsgegner zu 1. wird untersagt, den vom Antragsgegner zu 2. in\nder Sitzung seines Verwaltungsrates vom 10.07.2007 als § 25c beschlossenen\nSatzungsnachtrag nebst der als Anlage zu § 25c verfassten\n„Finanzausgleichsordnung fur die Gewahrung von Fusionshilfen" zu genehmigen. \n--- \n| 10 \n--- \n| 2\\. Dem Antragsgegner zu 2. wird untersagt, den in der Sitzung seines\nVerwaltungsrates am 10.07.2007 als § 25c beschlossenen Satzungsnachtrag nebst\nder als Anlage zu § 25c verfassten „Finanzausgleichsordnung fur die Gewahrung\nvon Fusionshilfen" gemaß § 27 seiner Satzung offentlich bekannt zu machen. \n--- \n| 11 \n--- \n| 3\\. Dem Antragsgegner zu 1. wird des Weiteren untersagt, die Genehmigung zu\neiner Fusion der BKK Hochrhein-Wiesental mit einer oder mehreren anderen\nKrankenkassen zu erteilen, ohne dass die Voraussetzungen einer Schließung nach\n§ 153 SGB V in einer fur die Begrundung einer Entscheidung nach dieser\nVorschrift genugenden Form festgestellt worden sind, soweit eine solche Fusion\nUmlageverpflichtungen der Antragstellerin an den Antragsgegner zu 2. auslosen\nwurde. \n--- \n| 12 \n--- \n| 4\\. Dem Antragsgegner zu 2. wird untersagt, der BKK Hochrhein-Wiesental oder\nanderen Krankenkassen eine finanzielle Fusionsbeihilfe nach § 25c der Satzung\ndes Antragsgegners zu 2. fur eine Fusion, an der die BKK Hochrhein-Wiesental\nbeteiligt ist, verbindlich - insbesondere durch Vertrag oder Zusage im Sinne\ndes § 34 SGB X - zuzusagen, soweit hierdurch Umlageverpflichtungen der\nAntragstellerin an den Antragsgegner zu 2. ausgelost wurden. \n--- \n| 13 \n--- \n| 5\\. Die Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens. \n--- \n| 14 \n--- \n| 9\\. Antragsbegrundend fuhrt die Antragstellerin - vorbehaltlich weiterer\nAusfuhrungen eines eventuell alsdann noch einzuleitenden Hauptsacheverfahrens\n- im Wesentlichen an, vor dem Hintergrund der verschiedenen gesetzlich\ngeregelten Moglichkeiten, wozu auch die u. a. von der BKK Hochrhein-Wiesental\nmittlerweile bereits beschlossene Anhebung der Beitrage um 1,7 Prozentpunkten\nzahle, sei das Losungsmodell der Antragsgegnerinnen mit dessen damit\nverbundenen Festschreibungen fur die Zukunft unverhaltnismaßig und vorschnell.\nDie Antragstellerin tragt ferner vor, auch verbunden mit der Behauptung, ein\nentsprechender Mittelzufluss von dem Bundesverband der Betriebskrankenkassen\nhabe voraussichtlich ein solches Volumen, dass die restliche Deckungslucke\nauch anderweit und ohne „Zwangsfusion" behoben werden konnte, wobei auch sie\nselber, d. h. die Antragstellerin, zu entsprechender Personalhilfe bereit sei. \n--- \n| 15 \n--- \n| 10\\. Neben diesem sinngemaß vorgetragenen Argument einer Rechtswidrigkeit\ndes beabsichtigten Verwaltungshandelns der Antragsgegnerinnen behauptet die\nAntragstellerin (diese ihrerseits mit einem Haushaltsvolumen von etwa 520 Mio.\nEuro fur das Jahr 2007), die zeitnahe Umsetzung des Vorhabens bedeute fur sie\nnotwendigerweise eine Beitragsanhebung in der Großenordnung von 0,2 bis 0,3\nProzentpunkten noch fur das laufende Jahr (sc. 2007), weshalb sie vor dem\nHintergrund des noch bestehenden Wahlrechts der Versicherten befurchten musse,\nmoglicherweise mehr als ein Drittel ihres Mitgliederbestands durch Kundigung\nund letztlich wohl auf Dauer zu verlieren. \n--- \n| 16 \n--- \n| 11\\. Die Darlegungen der Antragstellerin waren mit keiner „Glaubhaftmachung"\nim rechtsformlichen Sinne versehen. \n--- \n| 17 \n--- \n| 12\\. Die Antragsgegnerinnen beantragen ubereinstimmend \n--- \n| 18 \n--- \n| Zuruckweisung der Antrage auf Erlass einstweiliger Anordnungen. \n--- \n| 19 \n--- \n| 13\\. Antragserwidernd wenden sie vor allem ein, das Vorhaben bewege sich\nnoch im zulassigen Bereich geltenden Rechts, weshalb - insbesondere bei der\ngebotenen summarischen Prufung - nicht von einer vermutlichen Rechtswidrigkeit\ngesprochen werden konne, was sie weiter ausfuhren. \n--- \n| 20 \n--- \n| 14\\. Zu dem Vortrag der Antragstellerin einer fehlenden Eilbedurftigkeit der\nAngelegenheit erwidert insbesondere Antragsgegnerin Nr. 1, vor dem Hintergrund\nder nach wie vor desolaten Kassenlage der BKK Hochrhein-Wiesental sei sie\nansonsten und zur Vermeidung großeren Schadens kraft Gesetzes gehalten, gemaß\n§ 153 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Satz 2 SGB V die Kasse zeitnah schließen zu\nmussen. \n--- \n| 21 \n--- \n| 15\\. Die Antragsgegnerin Nr. 2 macht weiter geltend, zwar gelte das\ngesetzliche Kreditaufnahmeverbot nicht fur ihren Landesverband; gleichwohl sei\nes erklarter Verbandswille, allgemein und generell von dieser Moglichkeit\nkeinen Gebrauch zu machen. - Weiter behauptet sie, die von der Antragstellerin\ngenannte und als ansonsten notwendig bezeichnete Beitragsanhebung sei - ebenso\nwie die befurchtete Abnahme der Zahl der dort Versicherten - zahlenmaßig in\nkeiner Weise plausibel vorgetragen worden, wobei sie selber aus ihrer Sicht\nund anhand ihrer Erfahrungen den Anhebungssatz auf etwa 0,1 Prozentpunkte\neinschatzen wurde. Hieraus folge auch in der Konsequenz, dass die\nAntragstellerin in keiner glaubhaften Weise gravierende Wettbewerbsnachteile\nhabe dartun konnen. \n--- \n| 22 \n--- \n| 16\\. Zu dem weiteren Vortrag der Beteiligten wird auf deren zu den\nGerichtsakten gebrachten Schriftsatze ebenso Bezug genommen wie auf die\nNiederschrift des Erorterungstermins mit dem Kammervorsitzenden vom 20. Juli\n2007. \n--- \n| 23 \n--- \n| 17\\. Die Antragstellerin konnte mit ihren Antragen nicht durchdringen. \n--- \n| 24 \n--- \n| 18\\. Gemaß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit\nnicht ein Fall des Abs. 1 a. a. O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in\nBezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch\neine Veranderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des\nAntragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden konnte. Einstweilige\nAnordnungen sind auch zur Regelung eines vorlaufigen Zustands in Bezug auf ein\nstreitiges Rechtsverhaltnis zulassig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung\nwesentlicher Nachteile notig erscheint (Satz 2 a. a. O.). \n--- \n| 25 \n--- \n| 19\\. Vorliegend kommt, da es ersichtlich um die Regelung eines vorlaufigen\nRechtszustandes geht, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG\nin Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsatzlich\ndie - summarische - Prufung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die\nErforderlichkeit einer vorlaufigen gerichtlichen Entscheidung (vgl.\nBundesverwaltungsgericht <BVerwG> Buchholz 421.21 Hochschulzulassungsrecht Nr.\n37; Schoch in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Verwaltungsgerichtsordnung\n<VwGO> § 123 Rdnrn. 64, 73 ff., 80 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO § 123\nRdnrn. 78 ff.). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs\n(Anordnungsanspruch) und die Eilbedurftigkeit der erstrebten einstweiligen\nRegelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG\ni. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung), wobei die diesbezuglichen\nAnforderungen jedoch umso niedriger sind, je schwerer die mit der Versagung\nvorlaufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit\nBlick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht\n<BVerfG> NJW 1997, 479, 480 f.; NJW 2003, 1236 f.; Beschluss vom 12. Mai 2005\n- 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, a. a. O., Rdnrn.\n12, 95, 99 ff.; Funke-Kaiser in Bader u. a., VwGO, 3. Auflage, § 123 Rdnrn. 15\nf., 24 ff.; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2005, Rn. 323, 325). \n--- \n| 26 \n--- \n| 20\\. Bei der summarischen Prufung der Rechtmaßigkeit bzw. -widrigkeit des\nvon der Antragstellerin bezeichneten Verwaltungshandelns der\nAntragsgegnerinnen als darzutuendes Tatbestandselement des sog.\nVerfugungsgrunde mag vorliegend dahingestellt bleiben, welche Klagart im Falle\neines nachfolgenden Hauptsacheverfahrens die zutreffende ware, da hier\nverschiedene Varianten denkbar sind (vgl. z. B. die Darstellung in BSG, Urteil\nvom 25. Juni 2002 <Az. B 1 KR 10/01 R> = E 89, 277). Im konkreten Fall ware\nhierbei auch zu beachten, dass je nach der Rechtsposition der\nAntragsgegnerinnen hier auch weitergehend verschiedene andere Moglichkeiten\ndenkbar sind. \n--- \n| 27 \n--- \n| 21\\. Fur eine derartig fein ziselierende Betrachtungsweise ist indessen bei\nder vorliegenden Fallgestaltung das Anordnungsverfahren nicht der geeignete\nOrt. Im Kern ubereinstimmend ware es jedenfalls von Seiten der Antragstellerin\nglaubhaft darzutun gewesen, dass jede der Antragsgegnerinnen mit einiger\nWahrscheinlichkeit bei den ins Auge gefassten Vorhaben rechtswidrig handeln\nwurde. \n--- \n| 28 \n--- \n| 22\\. Dieser Nachweis ließ sich indessen zu dem derzeitigen Stadium des\nVerwaltungs- bzw. Aufsichtsverfahrens nicht belegen. Beide Antragsgegnerinnen\nhaben namlich - jeweils fur sich - einen breiten Ermessensspielraum. \n--- \n| 29 \n--- \n| 23\\. In diesem Zusammenhang macht insbesondere die Antragsgegnerin Nr. 1\ndarauf aufmerksam, dass bei einer weiteren Zuspitzung der Verhaltnisse\nbezuglich der BKK Hochrhein-Wiesental weitergehend sogar die Moglichkeit\nbestehen konnte, dass sich ihr Ermessensspielraum mit der Folge einer\nSchließung dieser Kasse auf null reduzieren konnte, wurde nicht in Zeitnahe\nAbhilfe geschaffen, in welcher noch vertretbaren Weise auch immer. - Bei einer\nderartigen Schließung handelte es sich i. Ü. um eine „Ultima ratio". Wenn\njedoch - wie hier - die Antragsgegnerin Nr. 1 durch ihre im Kern von der\nAntragstellerin angegriffenen Aktivitaten gerade beratend i. S. v. § 89 Abs. 1\nS. 1 SGB IV zur Abwendung dieses Ergebnisses initiativ wird, so bestunden\nerhebliche Zweifel, ob hiergegen bereits im Rahmen eines Anordnungsverfahrens\nin statthafter Weise vorgegangen werden kann. \n--- \n| 30 \n--- \n| 24\\. Desgleichen ist auch den verantwortlichen Gremien der Antragsgegnerin\nNr. 2 ein entsprechender Ermessensraum zuzubilligen, wie dieser sich\nseinerseits aus dem ihr im Rahmen des SGB V einfach-rechtlich vorgegebenem\nAufgabenspektrum und vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich statuierten\nSelbstverwaltungsgarantie ihrer Mitglieder ableiten lasst. \n--- \n| 31 \n--- \n| 25\\. Bei zusammenfassender Wurdigung ließe sich derzeit nicht feststellen,\ndass die eingeleiteten bzw. noch beabsichtigten Maßnahmen beider\nAntragsgegnerinnen jeweils fur sich oder beide zusammen grob sinnwidrig waren. \n--- \n| 32 \n--- \n| 26\\. Auf einen jeden Fall scheitert jedoch die Antragstellerin daran, dass\nsie nicht in dem erforderlich ausreichenden Maß ein gerade im Wege des\neinstweiligen Rechtsschutzes schutzenswertes Verfugungsinteresse dartun\nkonnte. Von einem solchen ware beispielhaft dann auszugehen, wenn andernfalls\nder Antragstellerin ein nicht wiedergutzumachender Schaden entstehen wurde.\nBei privatrechtlich orientierter Betrachtungsweise ware insoweit an den\nEintritt einer Insolvenz bzw. einer Existenzvernichtung zu denken (s. a.\nBeschlusse des LSG Baden-Wurttemberg vom 31. Mai 2000 <Az. L 7 U 1311/00\nER-B>, vom 20. November 2001 <Az. L 7 U 917/00 ER-B> und vom 21. Dezember 2001\n<Az. L 7 U 4170/01 ER-B>, jeweils m. w. N.). \n--- \n| 33 \n--- \n| 27\\. Zwar ist gemaß § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Antragstellerin aufgrund\nihrer Eigenschaft als Korperschaft des offentlichen Rechts nicht\ninsolvenzfahig, weshalb bei ihr die vorstehend skizzierte Gefahr sich nicht\neinstellen kann. Auf der anderen Seite ließe sich aber durchaus eine\nrechtliche Parallele dann sehen, wenn die andernfalls eintretende\nVermogensgefahrdung - sei es durch direkte Belastung in Gestalt von\nAusgleichsforderungen oder mittelbar durch einen massiven Mitgliederschwund -\ndie Existenzgefahrdung so einschneidend ware, dass ihrerseits dann wieder die\nAntragsgegnerin Nr. 1 sich (auch hier) etwa Gedanken uber eine Schließung nach\n§ 153 Satz 1 Nr. 3 SGB V machen musste. Nicht ausreichend ist aber in diesem\nZusammenhang eine bloße Verschlechterung der Vermogenslage, solange diese noch\ndurch die Selbstregulierungsmechanismen durch die gesetzlich vorgesehenen\nSelbstregulierungsmechanismen des SGB V aufgefangen werden konnen, wie diese\nfur den Ersatzkassenbereich in §§ 265, 265a (a. F.) bzw. § 265a (n. F.)\nvorgesehen sind. \n--- \n| 34 \n--- \n| 28\\. Dass vorliegend die Antragstellerin ihrerseits in die Nahe einer\nSchließungsgefahr geriete, wird jedoch von dieser ebenso wenig vorgetragen wie\nauch einen - niedriger anzusiedelnden - Hilfebedarf im Sinne der\nletztangefuhrten Vorschriften. Auf den Kern reduziert befurchtet vielmehr die\nAntragstellerin eine mittelbare finanzielle Mehrbelastung mit der Folge einer\ngewissen Steigerung des Beitragssatzes, wobei dessen entsprechende Hohe\nausdrucklich zwischen den Beteiligten streitig gestellt wurde. Doch selbst\nwenn die von der Antragstellerin angegebene Erhohung um 0,3 Prozentpunkte\neffektiv notwendig werden sollte und ohnedies kraft zwingenden Rechts auch nur\nbis Ablauf des Jahres 2008 greifen konnte, so sind jedoch keine sachlich\nzwingenden Anhaltspunkte dafur erkennbar, dass hierdurch die Antragstellerin\neinschneidend. Zwar steht die Antragstellerin bei den insgesamt 27\nBetriebskrankenkassen des Landes Baden-Wurttemberg, gemessen nach dem Vermogen\nje Mitglied lediglich an 19. Stelle (Stand 2006), gleichwohl erscheint bei\nverstandiger Wurdigung der okonomischen Gegebenheiten wegen vergleichsweiser\nrelativ zu sehender Geringfugigkeit zumindest insoweit als hinnehmbar, wie\ndiese im Rahmen des Anordnungsverfahrens zur Prufung anstand. \n--- \n| 35 \n--- \n| 29\\. Soweit im Übrigen die Antragstellerin auch darauf abstellt, es drohe\nmittelbar eine betrachtliche Abwanderung bei ihr versicherter Mitglieder zu\nanderen Kassen, so relativiert sich auch dieser Vortrag, dass die mit der\nSanierung der BKK Hochrhein-Wiesental einhergehenden aktuellen Mehrbelastungen\nauch allen anderen Betriebskrankenkassen im Landesbereich anteilig auferlegt\nwerden mussen und die Antragstellerin somit kein Sonderopfer zu tragen hat.\nAber auch wenn eine Abwanderung von Versicherten zu anderen Kassenarten\nerfolgen sollte, wobei hierzu den Umfang betreffende Zahlenangaben von der\nAntragstellerin nicht glaubhaft dargelegt wurden, so fuhrte das zu keiner als\nfur diese schlechterdings unzumutbar zu bezeichnenden Wettbewerbsverzerrungen,\nwobei diese vom Ansatz her in gewissem Rahmen auch noch von der\nAntragstellerin hinzunehmen waren (s. o. Rspr. des LSG Baden-Wurttemberg,\ndiese allerdings noch entwickelt zu dem Beitragsrecht nach dem SGB VII zum\nZeitarbeitnehmer- bzw. Arbeitnehmeruberlassungsbereich). \n--- \n| 36 \n--- \n| 30\\. Nach allem konnte aus den dargelegten Grunden die Antragstellerin mit\nihrem Begehren nicht durchdringen, wobei sich die Kostenfolge aus § 197a SGG\nin Verbindung mit dem GKG ergibt. \n---\n\n
160,129
olgstut-2008-07-07-16-wf-17308
147
Oberlandesgericht Stuttgart
olgstut
Baden-Württemberg
Oberlandesgericht
16 WF 173/08
2008-07-07
2019-01-10 11:48:57
2019-02-12 12:21:15
Beschluss
## Tenor\n\n1.\n\nAuf die Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts -\nFamiliengericht - Tettnang vom 12. Juni 2008 in Gestalt des Beschlusses vom\n20. Juni 2008 - 7 F 205/08 - dahingehend abgeandert, dass der Streitwert fur\nden Belegantrag, fur den Antrag auf Abgabe der Versicherung an Eides Statt und\nfur den unbezifferten Zahlungsantrag auf jeweils 975,-- Euro festgesetzt wird.\n\nIm ubrigen wird die Beschwerde zuruckgewiesen.\n\n2.\n\nDie Entscheidung ergeht gerichtsgebuhrenfrei, außergerichtliche Kosten der\nParteien werden nicht erstattet.\n\n## Gründe\n\n| | I. \n--- \n| 1 \n--- \n| Die Klagerin machte im Wege der Stufenklage Anspruche auf Auskunft und\nBelegvorlage, Abgabe der Versicherung an Eides Statt uber die ordnungsgemaße\nErteilung der Auskunft und einen unbezifferten Zahlungsantrag auf laufenden\nund ruckstandigen Unterhalt gemaß § 1615 l BGB gegen den Beklagten geltend. \n--- \n| 2 \n--- \n| Als vorlaufigen Streitwert gab sie in der Klage einen Wert von 500 Euro an,\naus dem der Kostenvorschuss bezahlt wurde. \n--- \n| 3 \n--- \n| Nach Rechtshangigkeit der Stufenklage am 25.04.2008 gab der Beklagte am\n19.05.2008 ein notariell beurkundetes und als solches bezeichnetes\ndeklaratorisches Schuldanerkenntnis uber eine monatliche\nUnterhaltsverpflichtung von 813 Euro ab Juni 2008 mit der Erklarung,\nRuckstande bis Mai 2008 seien bezahlt, gegenuber der Klagerin ab und ubernahm\ndie vollen Kosten des Rechtsstreits. \n--- \n| 4 \n--- \n| Im Anschluss erklarten die Parteien den Rechtsstreit ubereinstimmend fur\nerledigt. \n--- \n| 5 \n--- \n| Durch Beschluss des Amtsgerichts Tettnang gemaß § 91a ZPO vom 12.6.2008\nwurden dem Beklagten die Kosten des Verfahrens insgesamt auferlegt und der\nStreitwert ohne Differenzierung nach den Stufen auf 9756 Euro festgesetzt. \n--- \n| 6 \n--- \n| Gegen den am 18.6.2008 zugestellten Beschluss hat die Beklagtenseite durch\nRechtsanwaltsschriftsatz mit Eingang 19.6.2008 Beschwerde eingelegt. \n--- \n| 7 \n--- \n| Durch Beschluss vom 20.6.2008 hat das Amtsgericht Tettnang der Beschwerde\nnicht abgeholfen und den Streitwert des Auskunftsantrags auf 975 Euro\nerganzend festgesetzt. \n--- \nII. \n--- \n| 8 \n--- \n| Die - als ausschließlich fur die Partei eingelegt zu betrachtende -\nBeschwerde ist gemaß §§ 68 Abs.1 GKG statthaft und wurde form- und fristgemaß\nerhoben. \n--- \n| 9 \n--- \n| Der zur Kostentragung verpflichtete Beklagte ist durch eine uberhohte\nStreitwertfestsetzung beschwert. \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Beschwerde ist uberwiegend begrundet. \n--- \n| 11 \n--- \n| Wie das Oberlandesgericht Stuttgart bereits entschieden hat, ist der\nGebuhrenstreitwert bei Erledigung einer Stufenklage vor Übergang in die\nBezifferung - fur den Auskunfts- und Belegantrag, den Antrag auf Abgabe der\nVersicherung an Eides Statt und den unbezifferten Zahlungsantrag - gemaß §§ 64\nAbs.2, 40, 44, 48 GKG i. V. m. § 3 ZPO nach freiem Ermessen zu schatzen.\nMaßgeblich ist hierfur das wirtschaftliche Interesse der Klagerseite. Dieses\nkann fur den Auskunfts- und Belegantrag und den Antrag auf Abgabe der\nVersicherung an Eides Statt in der Regel mit einem Bruchteil des Wertes des\nLeistungsanspruches bemessen werden (OLG Stuttgart FamRZ 1990, 652; OLG\nStuttgart FamRZ 2005, 1765 f.). \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Gegenansicht, wonach der Gebuhrenstreitwert im Falle der\n"steckengebliebenen Stufenklage" stets dem Wert des Leistungsanspruchs\nentspricht, schließt sich der Senat weiterhin nicht an. Der Gesetzgeber\ndifferenziert in § 44 GKG auch nach neuer Rechtslage gebuhrenrechtlich\nzwischen Auskunftsantrag, Antrag auf Abgabe der Versicherung an Eides Statt\nund dem Leistungsantrag. Aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt sich die\nMoglichkeit, dass der Auskunftsanspruch gebuhrenrechtlich den\nLeistungsanspruch wertmaßig ubersteigt. Dies entspricht auch einem praktischen\nBedurfnis, da einem umfangreichen Auskunftsverfahren die Erkenntnis folgen\nkann, dass sich kein oder nur ein geringfugiger Zahlungsbetrag ergibt. \n--- \n| 13 \n--- \n| Diese Differenzierung wurde keinen Sinn machen, wenn sich der\nGebuhrenstreitwert stets nach dem Wert des Leistungsanspruches bestimmte. \n--- \n| 14 \n--- \n| Maßgebend ist dann der hohere der verbundenen Anspruche, § 44 GKG. \n--- \n| 15 \n--- \n| Ob etwas anderes gilt, wenn mit dem Auskunftsanspruch bereits die gesamte\nKlage als unbegrundet abgewiesen wird (vgl. Herget in Zoller, ZPO, 26.Auflage,\n§ 3, RN 16, Stichwort: "Stufenklage", der die Entscheidungen des OLG Stuttgart\nersichtlich auf eine derartige Konstellation bezieht), muss hier nicht\nentschieden werden. \n--- \n| 16 \n--- \n| Daruber hinaus ist der Klagerseite mit der Stufenklage einschließlich eines\nunbezifferten Zahlungsantrags die Moglichkeit eroffnet, die Wirkungen der\nRechtshangigkeit eines Leistungsantrags dem Grunde nach herbeizufuhren, ohne\ndas Prozesskostenrisiko mit einer gleichzeitigen Bezifferung der Leistung in\ndie Hohe treiben zu mussen. Dies gilt insbesondere fur ein Verfahren bei\nvorausgehendem Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren, fur das der\nGebuhrenstreitwert entsprechend zu bestimmen ist. \n--- \n| 17 \n--- \n| Dem steht nicht entgegen, dass der Beklagte im vorliegenden Verfahren vor\nKenntnis des festgesetzten Gebuhrenstreitwerts die Übernahme der vollstandigen\nVerfahrenskosten erklart hat. \n--- \n| 18 \n--- \n| Im vorliegenden Fall hat sich die Klagerin zum betragsmaßigen\nUnterhaltsanspruch nicht geaußert. \n--- \n| 19 \n--- \n| Zu Recht hat sich das Amtsgericht Tettnang daher am durch den Beklagten\nanerkannten Betrag mit dem Jahreswert orientiert und den Gebuhrenstreitwert\nfur die Auskunftsstufe als Teilbetrag hiervon jetzt erstmalig festgesetzt. \n--- \n| 20 \n--- \n| Hieraus sind die Gebuhren zu berechnen, da eine hohere Wertfestsetzung fur\ndie weiteren Antrage (oder das Verfahren insgesamt) nicht zu erfolgen hat: \n--- \n| 21 \n--- \n| Belegantrag und Antrag auf Versicherung an Eides Statt begrunden vorliegend\nkein weitergehendes Interesse der Klagerin gegenuber dem Auskunftsantrag,\nebenso wie der unbezifferte Zahlungsantrag: \n--- \n| 22 \n--- \n| Die Klagerin hat bereits durch den Auskunftsantrag eine\nUnterhaltstitulierung durch den Beklagten bewirken konnen. \n--- \n| 23 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 68 Abs.3 GKG. \n--- \n---\n\n
161,001
vg-freiburg-2008-07-08-3-k-151206
157
Verwaltungsgericht Freiburg
vg-freiburg
Freiburg
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
3 K 1512/06
2008-07-08
2019-01-10 12:10:46
2019-01-17 12:05:52
Urteil
## Tenor\n\nDer Wasserversorgungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 03.03.2006\nhinsichtlich des Grundstucks Flst.Nr. 1425/1 und der Widerspruchsbescheid des\nLandratsamts ... vom 25.07.2006 werden aufgehoben, soweit der Klager uber\n170,59 EUR hinaus zu einem Beitrag herangezogen wird.\n\nDie ubrigen Wasserversorgungsbeitragsbescheide sowie der\nAbwasserbeitragsbescheid der Beklagten vom 03.03.2006 in Gestalt des\nWiderspruchsbescheids des Landratsamts ... vom 25.07.2006 werden insgesamt\naufgehoben.\n\nIm Übrigen wird die Klage abgewiesen.\n\nDie Beklagte tragt die Kosten des Verfahrens.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager ist Eigentumer mehrerer Grundstucke der Gemarkung der Beklagten\n(u.a. Flst.Nrn. 1425/1, 1426/1, 1430, 1437 und 1438), auf denen sich ein von\nihm betriebenes Sagewerk befindet. Das Sagewerk liegt im Geltungsbereich des\nim Jahr 2000 in Kraft getretenen vorhabenbezogenen Bebauungsplans „Sagewerk\n...". Mit Satzung vom 28.09.2005 anderte die Beklagte diesen Bebauungsplan ab.\nIn § 3 der Änderungssatzung ist bestimmt, dass der Inhalt der Änderung sich\naus dem zeichnerischen Teil der Änderung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes\nergebe. Im Änderungsgebiet solle ein mechanisierter Rundholzplatz erstellt\nwerden. Im zeichnerischen Teil der Änderungssatzung ist u.a. ein Baufenster\nausgewiesen, das 140 m lang und auf der Halfte dieser Strecke ca. 38 m breit\nsowie auf der anderen Halfte ca. 17 m breit ist. Das Baufenster enthalt den\nEinschrieb: \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| \n--- \n„Mechanisierter Rundholzplatz \n(Entrindungs- und Kapplinie fur Rundholz, \nVolumenermittlung, Sortierboxen) \nGH max. 457 m u. N.N." \n--- \n| 3 \n--- \n| In Ziff. IV.1. der Begrundung zur Änderungssatzung heißt es u.a., das\ngeplante Vorhaben umfasse im Einzelnen folgende Teile: Querforderer\n(Abladetisch fur Langholz), Entrindungslinie, Kapplinie, Volumenmessanlage,\nSortieranlage mit Sortiermulden, Lager- und Verkehrsflachen sowie\nBoschungsflachen fur Bepflanzungen. In IV.2. ist als Art der Nutzung\n„Mechanisierter Rundholzplatz und Holzlagerflache" und als Maß der baulichen\nNutzung „Grundstuckflachen durch Baugrenzen, Hohe der baulichen Anlagen uber\nN.N." festgelegt. Ein Vorhaben- und Erschließungsplan lag der Änderungssatzung\nnicht zugrunde. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die Beklagte zog den Klager mit vier Bescheiden vom 03.03.2006 zu folgenden\nWasserversorgungs- und Abwasserbeitragen heran: \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| \n--- \n1\\. Wasserversorgungsbeitrage: | \na) Flst.Nr. 1425/1: | 313,32 EUR \nb) Flst.Nrn. 1426/1, 1437 und 1438: | 6.413,41 EUR \nc) Flst.Nr.: 1430: | 3.422,46 EUR \n| \n2\\. Abwasserbeitrag: | \nFlst.Nr. 1430: | 4.425,60 EUR \n--- \n| 6 \n--- \n| Der Klager erhob Widerspruch gegen die Bescheide und fuhrte zur Begrundung\naus, der vorhabenbezogene Bebauungsplan „Sagewerk ..." sehe vor, dass auf dem\nGelande nur ein Sagewerk mit angegliederter Verarbeitung betrieben werden\ndurfe. Dies stelle eine sehr große Beeintrachtigung der Nutzung des Gelandes\ndar. Es sei deshalb nicht verstandlich, warum Gebuhrenbeitrage entrichtet\nwerden sollten, obwohl es kein allgemeines Gewerbegebiet sei. Die Änderung des\nBebauungsplanes sei notig geworden, da eine neue Rundholzplatzanlage habe\nerstellt werden sollen. Dem Architektenburo sei vom Landratsamt mitgeteilt\nworden, dass dies mit der Änderung des Bebauungsplanes und einem\nBaugenehmigungsverfahren moglich sei. Bei der Anlage handle es sich um eine\narttypische Anlage, wie sie in Sagewerken ublich sei. Im Wesentlichen handle\nes sich um Forderanlagen, welche in erheblichem Umfang ohne Fundamentierung\nerstellt wurden. Die Anlage stelle kein Gebaude dar und sei auch nicht\nuberdacht. In der Gemeinderatssitzung vom 11.07.2005 sei der Vorschlag gemacht\nworden, das Baufenster erheblich zu vergroßern, damit bei spateren\nUmbaumaßnahmen nicht wieder eine Änderung erfolgen musse. Er sei aber von der\nGemeindeverwaltung nicht auf die Konsequenzen hingewiesen worden, so dass er\nauf den Vorschlag eingegangen sei. Circa zwei Monate spater sei er informiert\nworden, dass Abwasserbeitrage entrichtet werden mussten. Bei einem\nanschließenden Gesprach im Rathaus ... sei bestatigt worden, dass keine Gebuhr\nerhoben werde. Drei Wochen spater sei sein Prozessbevollmachtigter darauf\nhingewiesen worden, dass die Beitrage nun doch erhoben wurden. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Mit Schreiben vom 23.06.2006 wies das Landratsamt ... den Klager darauf hin,\ndass der Widerspruch keinen Erfolg haben werde. Durch die Änderung des\nvorhabenbezogenen Bebauungsplanes sei ein zusatzliches Baufenster geschaffen\nworden. Flst.Nr. 1425/1 sei erstmals in den Geltungsbereich des\nBebauungsplanes gelangt und somit zum Bauland geworden. Bei den anderen\nveranlagten Grundstucken sei durch die Schaffung des zusatzlichen Baufensters\nder Beitragsmaßstab „Geschossflache" beruhrt. Die auf den Grundstucken\nzulassige Geschossflache habe sich erhoht, was die Erstellung der\nmechanisierten Rundholzplatzanlage letztendlich erst ermoglicht habe. Der\nKlager habe einen Durchfuhrungsvertrag mit der Beklagten geschlossen, in dem\ndie Kostenubernahme sowie die fallige Beitragserhebung geregelt worden sei. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Mit Bescheid vom 25.07.2006 wies das Landratsamt ... den Widerspruch zuruck.\nZur Begrundung fuhrte es erganzend aus, die Abwassersatzung der Beklagten sehe\nals Maß der baulichen Nutzung die Geschossflachenzahl vor. Im\nvorhabenbezogenen Bebauungsplan „Sagewerk ..." sei 447 m Grundhohe uber N.N.\nplus 10 m Bebauung festgelegt worden. Auf der Grundlage dieser Festsetzung sei\ndie Baumassenzahl fur die Gesamtflache errechnet worden. Diese Baumasse\nwiederum sei mit dem Faktor 3,5 zu teilen, um dann eine Geschossflache zu\nerhalten. Die Geschossflache sei durch die Grundstucksflache zu teilen und\nfuhre danach zur Geschossflachenzahl. Es sei auf die zulassige und nicht auf\ndie tatsachliche Grundstucksnutzung abzuheben. Somit sei die Nachveranlagung\nfur das gesamte Baufenster in voller Gebaudehohe festzusetzen. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Der Klager hat am 24.08.2006 Klage erhoben. Zur Begrundung fuhrt er aus,\ndurch die Änderungssatzung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes werde die\nzulassige Nutzung abschließend festgelegt. Danach sei nur „ein mechanisierter\nRundholzplatz (Entrindungs- und Kapplinie fur Rundholz, Volumenermittlung,\nSortierboxen)" zulassig. Es handle sich um eine Anlage, die moglicherweise an\ndie offentliche Versorgungs- und Abwasseranlagen der Beklagten angeschlossen\nwerden konne. Indessen erhalte er als Eigentumer der betroffenen Grundstucke\ndurch diese Moglichkeit in Anbetracht der oben dargestellten eingeschrankten\nNutzungsmoglichkeiten keinerlei beitragsrechtlich erheblichen Vorteil. Denn\nder „mechanisierte Rundholzplatz" benotige fur seinen ordnungsgemaßen Betrieb\nweder einen Anschluss an die offentliche Wasserversorgungseinrichtung noch an\ndie offentliche Abwasseranlage. Die Entsorgung des Abwassers falle nicht an.\nDas Oberflachenwasser werde in einen offenen Feldgraben abgeleitet. Trink- und\nBrauchwasser konne aufgrund der abschließend und verbindlich festgesetzten\nplanerischen Nutzung nicht in Anspruch genommen werden. Nicht nachvollziehbar\nsei die Hohe der festgesetzten Beitrage. Ohne Benennung jeweiliger\nBezugspunkte sei das Maß der baulichen Nutzung auf „GH max. 457 m"\nfestgesetzt. Diese Festsetzung durfte schwerlich den Anspruchen an die\nzureichende Bestimmtheit planerischer Festsetzungen genugen. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| die Wasserversorgungsbeitragsbescheide sowie den Abwasserbeitragsbescheid\nder Beklagten vom 03.03.2006 und den Widerspruchsbescheid des Landratsamts ...\nvom 25.07.2006 aufzuheben. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Zur Begrundung fuhrt sie aus, der Beitragserhebung stehe nicht entgegen,\ndass die Grundstucke „teilweise" bereits veranlagt worden seien. Durch das\nInkrafttreten des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes am 06.10.2005 sei die\nbauliche Nutzbarkeit des Grundstucks erhoht worden. Dies lose zulassigerweise\nnach § 29 Abs. 3 Satz 1 KAG eine weitere Beitragspflicht aus. Es handle sich\num einen Fall der so genannten grundstucksbezogenen Nachveranlagung. Das\nGrundstuck Flst.Nr. 1430 sei zwar mit einer Teilflache bereits im Jahr 1980\nveranlagt worden. Von dieser Veranlagung sei aber die heute veranlagte\nTeilflache in keiner Weise umfasst. Die Grundstucke Flst.Nr. 1426/1 und 1437\nseien im Jahr 2000 bereits mitveranlagt worden. Dort sei allerdings nur eine\nVeranlagung aufgrund des damals nach dem in Kraft getretenen Bebauungsplan\ngeltenden Nutzungsmaßstabs erfolgt. Das Grundstuck Flst.Nr. 1425/1 habe bisher\nnoch keiner Beitragsveranlagung unterlegen. Es sei mit der nunmehrigen\nÜberplanung erstmalig vom Außenbereich in den beplanten Bereich einbezogen\nworden. Das Grundstuck Flst.Nr. 1430 sei im Jahr 2000 mit Teilflachen zu einem\nBeitrag veranlagt worden. Maßgebend sei jedoch die damals nach dem\nvorhabenbezogenen Bebauungsplan geltende Flache gewesen. Die jetzige\nVeranlagung resultiere aufgrund der Erhohung. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Dem Gericht liegen die Akten betreffend den vorhabenbezogenen Bebauungsplan\n„Sagewerk ...", die Beitragsakte und die Baugenehmigungsakte der Beklagten\nsowie die Widerspruchsakte des Landratsamts ... vor. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und zum uberwiegenden Teil begrundet. Lediglich der\nWasserversorgungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 03.03.2006 hinsichtlich\ndes Grundstucks Flst.Nr. 1425/1 ist teilweise rechtmaßig. Die ubrigen\nWasserversorgungsbeitragsbescheide und der Abwasserbeitragsbescheid der\nBeklagten vom 03.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts\n... vom 25.07.2006 sind (insgesamt) rechtswidrig und verletzen den Klager in\nseinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Fur die Erhebung von\nWasserversorgungs- und Abwasserbeitragen hinsichtlich der Teilflachen der\nGrundstucke Flst.Nrn. 1426/1, 1437, 1438 sowie 1430, die in dem durch\nÄnderungsbebauungsplan vom 28.09.2005 ausgewiesenen Baufenster liegen, fehlt\nes an einer satzungsrechtlichen Grundlage. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Nach § 25 Satz 1 der Abwassersatzung - AbwS - der Beklagten vom 02.07.2001\nist Maßstab fur den Abwasserbeitrag beim Teilbeitrag fur die offentliche\nKlaranlage die zulassige Geschossflache sowie beim Teilbeitrag fur den\noffentlichen Abwasserkanal die zulassige Geschossflache und die\nGrundstucksflache (gemischter Maßstab). Gemaß § 28 Satz 1 der\nWasserversorgungssatzung - WVS - der Beklagten vom 02.07.2001 ist\nBeitragsmaßstab fur den Wasserversorgungsbeitrag ebenfalls die zulassige\nGeschossflache und die Grundstucksflache (gemischter Maßstab). Fur die\nBerechnung der zulassigen Geschossflache fehlt es in den Satzungen an einer\nRegelung, die auf Industrie- oder Gewerbeanlagen wie der hier in Rede\nstehenden baulichen Anlage (sog. Mechanisierter Rundholzplatz) angewendet\nwerden konnte. Die Beklagte hat die Berechnung der zulassigen Geschossflache\nzu Unrecht auf §§ 27 Abs. 2 Satz 1 AbwS, 30 Abs. 2 Satz 1 WVS gestutzt (vgl.\nBerechnung der den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegten Geschossflachen\nauf S. 69 der Beitragsakte). Nach diesen Bestimmungen ergibt sich die\nGeschossflache, wenn der Bebauungsplan statt einer Geschossflachenzahl oder\nder Große der Geschossflache eine Baumassenzahl ausweist, aus der Teilung der\nBaumassenzahl durch 3,5. An der danach notwendigen Ausweisung einer\nBaumassenzahl fehlt es jedoch in dem 2005 aufgestellten\nÄnderungsbebauungsplan. Abgesehen davon bestehen im Hinblick auf das Fehlen\neines Vorhaben- und Erschließungsplans i.S. von § 12 BauGB Bedenken\nhinsichtlich der Wirksamkeit des Bebauungsplans vom 28.09.2005, mit dem der im\nJahr 2000 aufgestellte vorhabenbezogene Bebauungsplan „Sagewerk ..." geandert\nwurde (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 23.01.2006 - 7 D 60/04.NE -, BauR\n2006, 1275 = NWVBl 2006, 376 und Sachs. OVG, Urt. v. 07.12.2007 - 1 D 18/06 -\njuris, wonach das Vorliegen eines Vorhaben- und Erschließungsplans\nWirksamkeitsvoraussetzung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes ist). \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die §§ 27 Abs. 2 Satz 1 AbwS, 30 Abs. 2 Satz 1 WVS erlauben auch nicht die\nErmittlung der zulassigen Geschossflache, indem die (gesamte) in das\nBaufenster fallende Teilflache der veranlagten Grundstucke mit der im\nBebauungsplan festgesetzten Gebaudehohe (10 m) multipliziert und durch 3,5\ndividiert wird. Diese Berechnung geht von der unzutreffenden Annahme aus, dass\ndas (gesamte) Baufenster mit einem Gebaude von 10 m Hohe bebaut werden darf.\nEine solche Nutzung ist aber weder nach dem Änderungsbebauungsplan von 2005\nnoch nach der durch das Landratsamt ... erteilten Baugenehmigung vom\n06.10.2005 zulassig. Dem Bebauungsplan kann zwar mangels Vorliegens eines\nVorhaben- und Erschließungsplans nicht konkret entnommen werden, welche\nbauliche Anlage bauplanungsrechtlich zulassig sein soll. Weder dem im\nzeichnerischen Teil des Bebauungsplanes erfolgten Einschrieb in das Baufenster\nnoch der Begrundung zur Änderungssatzung lasst sich aber entnehmen, dass nicht\nnur die Errichtung eines mechanisierten Rundholzplatzes einschließlich der\ndazu gehorigen Anlagenteile, sondern daruber hinaus die Einhausung der\nGesamtanlage erlaubt werden sollte. Allein die Bestimmung der Gebaudehohe mit\nmaximal 457 m uber N.N. gibt fur eine entsprechende Auslegung des\nBebauungsplanes nichts her, zumal in der Begrundung zum Änderungsplan\nhinsichtlich der zu erwartenden Larmimmissionen ausgefuhrt wird, der Standort\ndes mechanisierten Rundholzplatzes sei weiter von der nachsten Wohnbebauung\nentfernt als die vorhandene Sage, die ersetzt werden solle, so dass fur die\nOrtschaft ... eine Reduktion der Larmimmissionen zu erwarten sei. Ware aus\nLarmgrunden die Einhausung der Anlage erforderlich, waren wohl entsprechende\nErwagungen in der Begrundung enthalten. Auch die mit der Baugenehmigung vom\n06.10.2005 genehmigten Plane weisen keine Bebauung mit einer uber das gesamte\nBaufenster reichenden Halle von 10 m Hohe aus. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die §§ 27 Abs. 2 Satz 1 AbwS, 30 Abs. 2 Satz 1 WVS lassen sich auch nicht\ndahin auslegen, dass ausgehend von der tatsachlichen Baumasse des\nmechanisierten Rundholzplatzes, die sich nach der im Baugenehmigungsverfahren\nerstellten Kubaturberechnung vom 08.07.2005 wohl auf 4.953,25 m³ belauft, die\nzulassige Geschossflache zu errechnen ist. Denn die genannten Regelungen in\nder Abwasser- sowie der Wasserversorgungssatzung setzen voraus, dass eine\nFestlegung der Baumasse durch Bebauungsplan erfolgt ist. Daran fehlt es hier\njedoch. Die Berechnung der zulassigen Geschossflache ausgehend von der\ntatsachlichen Baumasse ist zwar in §§ 28 Abs. 4 Satz 3 zweite Alternative\nAbwS, 31 Abs. 4 Satz 3 zweite Alternative WVS vorgesehen. Diese Regelungen\nbeziehen sich aber nur auf Gebaude. Gebaude sind selbstandig benutzbare,\nuberdeckte bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden konnen und\ngeeignet sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen (vgl. § 2\nAbs. 2 LBO). Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich des mechanisierten\nRundholzplatzes nicht erfullt. Es fehlt daher eine Umrechnungsformel, die -\netwa ausgehend von der tatsachlichen Baumasse - die Berechnung der zulassigen\nGeschossflache der hier in Rede stehenden Anlage, die nicht uber Geschosse\nverfugt, erlaubte. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Daruber hinaus wurde zumindest hinsichtlich der Grundstucke Flst.Nrn.\n1426/1, 1437 und 1438 (Wasserversorgungsbeitrag uber 6.413,41 EUR) und des\nGrundstucks Flst.Nr. 1430 (Abwasserbeitrag uber 4.425,60 EUR) keine\nordnungsgemaße Berechnung des Nachveranlagungsbeitrages durchgefuhrt.\nHinsichtlich der Grundstucke 1426/1, 1437 und 1438 wurde bereits ein\nWasserversorgungsbeitrag mit Bescheid vom 27.07.2000 erhoben (S. 53 der Akte\ndes LRA). Hinsichtlich des Grundstucks Flst.Nr. 1430 wurde ein Klarbeitrag mit\nweiterem Bescheid vom 27.07.2000 festgesetzt. Dem Grunde nach liegt daher\ninsoweit der Nachveranlagungstatbestand der §§ 31 Abs. 2 Nr. 3 AbwS, 34 Abs. 2\nNr. 3 WVS sowie § 29 Abs. 3 Satz 1 KAG vor, da sich die bauliche Nutzbarkeit\nder Grundstucke - zumindest durch Erteilung der Baugenehmigung vom 06.10.2005\n- erhoht hat (sog. grundstucksbezogene Nachveranlagung). Insoweit folgt die\nKammer nicht der Auffassung des Klagers, wonach ein beitragsrechtlich\nerheblicher Vorteil durch Genehmigung des mechanisierten Rundholzplatzes nicht\ngegeben sei, weil sie keinen Anschluss an die gemeindliche Wasserversorgung\nbenotige und auch kein Abwasser in die offentlichen Abwasseranlagen abgeleitet\nwerde. Denn der Beitragspflicht unterliegen nach §§ 23 Abs. 1 Satz 1 AbwS, 26\nAbs. 1 Satz 1 WVS Grundstucke, fur die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung\nfestgesetzt ist, wenn sie bebaut oder gewerblich genutzt werden konnen. Dies\nist hier der Fall. Nach § 32 Abs. 2 Satz 1 KAG entsteht die Beitragsschuld,\nsobald das Grundstuck an die Einrichtung angeschlossen werden kann. Die\nBeitragsschuld setzt mithin nicht den tatsachlichen Anschluss an die\nEinrichtung voraus. Dass die Anschlussmoglichkeit auch hinsichtlich der in das\ndurch den Änderungsbebauungsplan von 2005 ausgewiesene Baufenster fallenden\nGrundstucksteilflachen besteht, wird vom Klager auch nicht in Frage gestellt.\nAuch ein bebautes Grundstuck, das keinen Bedarf einer Schmutzwasserableitung\noder eines Anschlusses an die Wasserversorgung aufweist, ist\nbeitragspflichtig, weil der Beitrag grundstucksbezogen und nicht\nnutzungsbezogen erhoben wird. Etwas anderes gilt nur dann, wenn aufgrund der\nEigenart der Nutzung des Grundstucks eine Versorgung mit Brauchwasser bzw. ein\nAnschluss an die offentliche Abwasserkanalisation fur die Zukunft vollig\nausgeschlossen und eine Nutzungsanderung, die den Bedarf des Anschlusses an\ndie offentliche Einrichtung auslost, unzulassig ist. Ist die Einrichtung auf\ndem Grundstuck ihrer Natur nach ungeeignet, Vorteile zu gewahren, so ist die\nErhebung von Beitragen unzulassig (vgl. Faiss, Kommunalabgabenrecht in\nBad.-Wurtt., Stand: August 2007, § 20 KAG Rn. 8). Ein solcher Ausnahmefall\nliegt aber hier nicht vor. Zum einen kann der mechanisierte Rundholzplatz\nnicht isoliert betrachtet werden. Er steht vielmehr in Verbindung mit den\nubrigen Teilen des vom Klager betriebenen Sagewerks und ist nur nutzbar, weil\nsich dort bauliche Anlagen befinden, die an die Wasserversorgung und die\nAbwasserkanalisation angeschlossen sind, wie z.B. sanitare Anlagen, die auch\nvon den den mechanisierten Rundholzplatz bedienenden Arbeitern in Anspruch\ngenommen werden konnen. Zum anderen hat der Klager weder belegt noch plausibel\ndargelegt, dass bei der Nutzung des mechanisierten Rundholzplatzes ein Bedarf\nan Frischwasser von vornherein ausgeschlossen ist. So kommt etwa die\nBewasserung von Holz oder die Reinigung von Anlagenteilen in Betracht, bei der\nWasser benotigt wird und Abwasser entsteht. Dass derzeit das Abwasser in einen\nGraben abgeleitet wird, steht der Beitragspflicht nicht entgegen. Dies zeigt\nvielmehr, dass bei der Nutzung der Anlage Abwasser anfallt und ordnungsgemaß\nabgeleitet werden muss. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Liegt nach alledem ein Fall der grundstucksbezogenen Nachveranlagung vor,\nerfolgt die Berechnung der Nachveranlagung auf der Basis des in der Satzung\nvorgesehenen Beitragsmaßstabes dadurch, dass von der (neuen, unter Einschluss\nder zusatzlichen) baulichen Nutzungsmoglichkeit die bisher zulassige,\nebenfalls berechnet nach dem in der Satzung vorgesehenen Beitragsmaßstab, in\nAbzug gebracht wird. Die so errechnete Differenz ist der nachzuveranlagende\nBeitrag (vgl. Birk in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Band III, Rn. 697 b).\nEine diesen Anforderungen entsprechende Berechnung wurde hier nicht\ndurchgefuhrt. Denn die Beklagte hat lediglich den auf die Grundstucksflache\nentfallenden Teil des Beitrages mit 0,00 EUR angesetzt und die\nBeitragsberechnung auf den auf die zulassige Geschossflache entfallenden\nBeitrag beschrankt. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Berechnung\nder Beklagten zum selben Ergebnis fuhrt wie eine Berechnung nach dem oben\nbeschriebenen Modell. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Soweit hinsichtlich des Grundstucks Flst.Nr. 1430 ein\nWasserversorgungsbeitrag erhoben wurde, bleibt nach den vorliegenden Akten\nunklar, in welchem Umfang bereits zuvor ein Wasserversorgungsbeitrag erhoben\nworden ist. In der Akte des Landratsamts ist lediglich ein\nWasserversorgungsbeitragsbescheid vom 10.11.1980 enthalten, der sich auf das\nGrundstuck Flst.Nr. 1430 mit ehemals kleinerer Flache bezieht. Ob fur den\nAnteil des Grundstucks, um den sich das Grundstuck Flst.Nr. 1430 wohl spater\nvergroßert hat und der mit dem streitgegenstandlichen Bescheid vom 03.03.2006\n(teilweise) veranlagt wurde, bereits ein Wasserversorgungsbeitrag erhoben\nwurde, ware noch abschließend zu klaren. Sollte dies der Fall sein, bedurfte\nes ebenfalls einer Berechnung der Nachveranlagung nach den oben genannten\nGrundsatzen. Andernfalls lage moglicherweise ein Nachveranlagungstatbestand\ni.S. der §§ 31 Abs. 1 AbwS, 34 Abs. 1 WVS, 29 Abs. 3 Satz 2 oder 3 KAG vor. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Teilweise rechtmaßig ist der Wasserversorgungsbeitrag hinsichtlich des\nGrundstucks Flst.Nr. 1425/1, fur das - außerhalb des Baufensters - teilweise\neine Lagerflache ausgewiesen wurde bzw. das nach der Baugenehmigung vom\n06.10.2005 entsprechend genutzt werden darf. Diese gewerbliche Nutzung lost -\nwie schon ausgefuhrt - die Beitragspflicht aus. Allerdings ist die Berechnung\ndes Beitrages fehlerhaft, weil zu Unrecht von einer Geschossflachenzahl von\n1,1 ausgegangen wurde. Nach Auffassung der Kammer findet vielmehr § 33 Satz 1\nWVS Anwendung. Danach wird bei Stellplatzgrundstucken und bei Grundstucken,\nfur die nur eine Nutzung ohne Bebauung zulassig ist oder bei denen die\nBebauung nur untergeordnete Bedeutung hat, die Grundstucksflache mit einer\nGeschossflachenzahl von 0,2 vervielfacht. Danach ist der\nWasserversorgungsbeitrag wie folgt zu berechnen: \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| \n--- \n171 m² Grundstucksflache x 0,70 EUR Beitragssatz = | 119,70 EUR \n34,2 m² Geschossflache (= 171 m² x 0,2) x 0,80 EUR = | 27,36 EUR \nZwischensumme: | 147,06 EUR \n| \nzzgl. 16 % MWSt.: | 23,53 EUR \n| \nWasserversorgungsbeitrag: | 170,59 EUR \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n| 16 \n--- \n| Die Klage ist zulassig und zum uberwiegenden Teil begrundet. Lediglich der\nWasserversorgungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 03.03.2006 hinsichtlich\ndes Grundstucks Flst.Nr. 1425/1 ist teilweise rechtmaßig. Die ubrigen\nWasserversorgungsbeitragsbescheide und der Abwasserbeitragsbescheid der\nBeklagten vom 03.03.2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts\n... vom 25.07.2006 sind (insgesamt) rechtswidrig und verletzen den Klager in\nseinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Fur die Erhebung von\nWasserversorgungs- und Abwasserbeitragen hinsichtlich der Teilflachen der\nGrundstucke Flst.Nrn. 1426/1, 1437, 1438 sowie 1430, die in dem durch\nÄnderungsbebauungsplan vom 28.09.2005 ausgewiesenen Baufenster liegen, fehlt\nes an einer satzungsrechtlichen Grundlage. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Nach § 25 Satz 1 der Abwassersatzung - AbwS - der Beklagten vom 02.07.2001\nist Maßstab fur den Abwasserbeitrag beim Teilbeitrag fur die offentliche\nKlaranlage die zulassige Geschossflache sowie beim Teilbeitrag fur den\noffentlichen Abwasserkanal die zulassige Geschossflache und die\nGrundstucksflache (gemischter Maßstab). Gemaß § 28 Satz 1 der\nWasserversorgungssatzung - WVS - der Beklagten vom 02.07.2001 ist\nBeitragsmaßstab fur den Wasserversorgungsbeitrag ebenfalls die zulassige\nGeschossflache und die Grundstucksflache (gemischter Maßstab). Fur die\nBerechnung der zulassigen Geschossflache fehlt es in den Satzungen an einer\nRegelung, die auf Industrie- oder Gewerbeanlagen wie der hier in Rede\nstehenden baulichen Anlage (sog. Mechanisierter Rundholzplatz) angewendet\nwerden konnte. Die Beklagte hat die Berechnung der zulassigen Geschossflache\nzu Unrecht auf §§ 27 Abs. 2 Satz 1 AbwS, 30 Abs. 2 Satz 1 WVS gestutzt (vgl.\nBerechnung der den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegten Geschossflachen\nauf S. 69 der Beitragsakte). Nach diesen Bestimmungen ergibt sich die\nGeschossflache, wenn der Bebauungsplan statt einer Geschossflachenzahl oder\nder Große der Geschossflache eine Baumassenzahl ausweist, aus der Teilung der\nBaumassenzahl durch 3,5. An der danach notwendigen Ausweisung einer\nBaumassenzahl fehlt es jedoch in dem 2005 aufgestellten\nÄnderungsbebauungsplan. Abgesehen davon bestehen im Hinblick auf das Fehlen\neines Vorhaben- und Erschließungsplans i.S. von § 12 BauGB Bedenken\nhinsichtlich der Wirksamkeit des Bebauungsplans vom 28.09.2005, mit dem der im\nJahr 2000 aufgestellte vorhabenbezogene Bebauungsplan „Sagewerk ..." geandert\nwurde (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 23.01.2006 - 7 D 60/04.NE -, BauR\n2006, 1275 = NWVBl 2006, 376 und Sachs. OVG, Urt. v. 07.12.2007 - 1 D 18/06 -\njuris, wonach das Vorliegen eines Vorhaben- und Erschließungsplans\nWirksamkeitsvoraussetzung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes ist). \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die §§ 27 Abs. 2 Satz 1 AbwS, 30 Abs. 2 Satz 1 WVS erlauben auch nicht die\nErmittlung der zulassigen Geschossflache, indem die (gesamte) in das\nBaufenster fallende Teilflache der veranlagten Grundstucke mit der im\nBebauungsplan festgesetzten Gebaudehohe (10 m) multipliziert und durch 3,5\ndividiert wird. Diese Berechnung geht von der unzutreffenden Annahme aus, dass\ndas (gesamte) Baufenster mit einem Gebaude von 10 m Hohe bebaut werden darf.\nEine solche Nutzung ist aber weder nach dem Änderungsbebauungsplan von 2005\nnoch nach der durch das Landratsamt ... erteilten Baugenehmigung vom\n06.10.2005 zulassig. Dem Bebauungsplan kann zwar mangels Vorliegens eines\nVorhaben- und Erschließungsplans nicht konkret entnommen werden, welche\nbauliche Anlage bauplanungsrechtlich zulassig sein soll. Weder dem im\nzeichnerischen Teil des Bebauungsplanes erfolgten Einschrieb in das Baufenster\nnoch der Begrundung zur Änderungssatzung lasst sich aber entnehmen, dass nicht\nnur die Errichtung eines mechanisierten Rundholzplatzes einschließlich der\ndazu gehorigen Anlagenteile, sondern daruber hinaus die Einhausung der\nGesamtanlage erlaubt werden sollte. Allein die Bestimmung der Gebaudehohe mit\nmaximal 457 m uber N.N. gibt fur eine entsprechende Auslegung des\nBebauungsplanes nichts her, zumal in der Begrundung zum Änderungsplan\nhinsichtlich der zu erwartenden Larmimmissionen ausgefuhrt wird, der Standort\ndes mechanisierten Rundholzplatzes sei weiter von der nachsten Wohnbebauung\nentfernt als die vorhandene Sage, die ersetzt werden solle, so dass fur die\nOrtschaft ... eine Reduktion der Larmimmissionen zu erwarten sei. Ware aus\nLarmgrunden die Einhausung der Anlage erforderlich, waren wohl entsprechende\nErwagungen in der Begrundung enthalten. Auch die mit der Baugenehmigung vom\n06.10.2005 genehmigten Plane weisen keine Bebauung mit einer uber das gesamte\nBaufenster reichenden Halle von 10 m Hohe aus. \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| Die §§ 27 Abs. 2 Satz 1 AbwS, 30 Abs. 2 Satz 1 WVS lassen sich auch nicht\ndahin auslegen, dass ausgehend von der tatsachlichen Baumasse des\nmechanisierten Rundholzplatzes, die sich nach der im Baugenehmigungsverfahren\nerstellten Kubaturberechnung vom 08.07.2005 wohl auf 4.953,25 m³ belauft, die\nzulassige Geschossflache zu errechnen ist. Denn die genannten Regelungen in\nder Abwasser- sowie der Wasserversorgungssatzung setzen voraus, dass eine\nFestlegung der Baumasse durch Bebauungsplan erfolgt ist. Daran fehlt es hier\njedoch. Die Berechnung der zulassigen Geschossflache ausgehend von der\ntatsachlichen Baumasse ist zwar in §§ 28 Abs. 4 Satz 3 zweite Alternative\nAbwS, 31 Abs. 4 Satz 3 zweite Alternative WVS vorgesehen. Diese Regelungen\nbeziehen sich aber nur auf Gebaude. Gebaude sind selbstandig benutzbare,\nuberdeckte bauliche Anlagen, die von Menschen betreten werden konnen und\ngeeignet sind, dem Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen zu dienen (vgl. § 2\nAbs. 2 LBO). Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich des mechanisierten\nRundholzplatzes nicht erfullt. Es fehlt daher eine Umrechnungsformel, die -\netwa ausgehend von der tatsachlichen Baumasse - die Berechnung der zulassigen\nGeschossflache der hier in Rede stehenden Anlage, die nicht uber Geschosse\nverfugt, erlaubte. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Daruber hinaus wurde zumindest hinsichtlich der Grundstucke Flst.Nrn.\n1426/1, 1437 und 1438 (Wasserversorgungsbeitrag uber 6.413,41 EUR) und des\nGrundstucks Flst.Nr. 1430 (Abwasserbeitrag uber 4.425,60 EUR) keine\nordnungsgemaße Berechnung des Nachveranlagungsbeitrages durchgefuhrt.\nHinsichtlich der Grundstucke 1426/1, 1437 und 1438 wurde bereits ein\nWasserversorgungsbeitrag mit Bescheid vom 27.07.2000 erhoben (S. 53 der Akte\ndes LRA). Hinsichtlich des Grundstucks Flst.Nr. 1430 wurde ein Klarbeitrag mit\nweiterem Bescheid vom 27.07.2000 festgesetzt. Dem Grunde nach liegt daher\ninsoweit der Nachveranlagungstatbestand der §§ 31 Abs. 2 Nr. 3 AbwS, 34 Abs. 2\nNr. 3 WVS sowie § 29 Abs. 3 Satz 1 KAG vor, da sich die bauliche Nutzbarkeit\nder Grundstucke - zumindest durch Erteilung der Baugenehmigung vom 06.10.2005\n- erhoht hat (sog. grundstucksbezogene Nachveranlagung). Insoweit folgt die\nKammer nicht der Auffassung des Klagers, wonach ein beitragsrechtlich\nerheblicher Vorteil durch Genehmigung des mechanisierten Rundholzplatzes nicht\ngegeben sei, weil sie keinen Anschluss an die gemeindliche Wasserversorgung\nbenotige und auch kein Abwasser in die offentlichen Abwasseranlagen abgeleitet\nwerde. Denn der Beitragspflicht unterliegen nach §§ 23 Abs. 1 Satz 1 AbwS, 26\nAbs. 1 Satz 1 WVS Grundstucke, fur die eine bauliche oder gewerbliche Nutzung\nfestgesetzt ist, wenn sie bebaut oder gewerblich genutzt werden konnen. Dies\nist hier der Fall. Nach § 32 Abs. 2 Satz 1 KAG entsteht die Beitragsschuld,\nsobald das Grundstuck an die Einrichtung angeschlossen werden kann. Die\nBeitragsschuld setzt mithin nicht den tatsachlichen Anschluss an die\nEinrichtung voraus. Dass die Anschlussmoglichkeit auch hinsichtlich der in das\ndurch den Änderungsbebauungsplan von 2005 ausgewiesene Baufenster fallenden\nGrundstucksteilflachen besteht, wird vom Klager auch nicht in Frage gestellt.\nAuch ein bebautes Grundstuck, das keinen Bedarf einer Schmutzwasserableitung\noder eines Anschlusses an die Wasserversorgung aufweist, ist\nbeitragspflichtig, weil der Beitrag grundstucksbezogen und nicht\nnutzungsbezogen erhoben wird. Etwas anderes gilt nur dann, wenn aufgrund der\nEigenart der Nutzung des Grundstucks eine Versorgung mit Brauchwasser bzw. ein\nAnschluss an die offentliche Abwasserkanalisation fur die Zukunft vollig\nausgeschlossen und eine Nutzungsanderung, die den Bedarf des Anschlusses an\ndie offentliche Einrichtung auslost, unzulassig ist. Ist die Einrichtung auf\ndem Grundstuck ihrer Natur nach ungeeignet, Vorteile zu gewahren, so ist die\nErhebung von Beitragen unzulassig (vgl. Faiss, Kommunalabgabenrecht in\nBad.-Wurtt., Stand: August 2007, § 20 KAG Rn. 8). Ein solcher Ausnahmefall\nliegt aber hier nicht vor. Zum einen kann der mechanisierte Rundholzplatz\nnicht isoliert betrachtet werden. Er steht vielmehr in Verbindung mit den\nubrigen Teilen des vom Klager betriebenen Sagewerks und ist nur nutzbar, weil\nsich dort bauliche Anlagen befinden, die an die Wasserversorgung und die\nAbwasserkanalisation angeschlossen sind, wie z.B. sanitare Anlagen, die auch\nvon den den mechanisierten Rundholzplatz bedienenden Arbeitern in Anspruch\ngenommen werden konnen. Zum anderen hat der Klager weder belegt noch plausibel\ndargelegt, dass bei der Nutzung des mechanisierten Rundholzplatzes ein Bedarf\nan Frischwasser von vornherein ausgeschlossen ist. So kommt etwa die\nBewasserung von Holz oder die Reinigung von Anlagenteilen in Betracht, bei der\nWasser benotigt wird und Abwasser entsteht. Dass derzeit das Abwasser in einen\nGraben abgeleitet wird, steht der Beitragspflicht nicht entgegen. Dies zeigt\nvielmehr, dass bei der Nutzung der Anlage Abwasser anfallt und ordnungsgemaß\nabgeleitet werden muss. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Liegt nach alledem ein Fall der grundstucksbezogenen Nachveranlagung vor,\nerfolgt die Berechnung der Nachveranlagung auf der Basis des in der Satzung\nvorgesehenen Beitragsmaßstabes dadurch, dass von der (neuen, unter Einschluss\nder zusatzlichen) baulichen Nutzungsmoglichkeit die bisher zulassige,\nebenfalls berechnet nach dem in der Satzung vorgesehenen Beitragsmaßstab, in\nAbzug gebracht wird. Die so errechnete Differenz ist der nachzuveranlagende\nBeitrag (vgl. Birk in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Band III, Rn. 697 b).\nEine diesen Anforderungen entsprechende Berechnung wurde hier nicht\ndurchgefuhrt. Denn die Beklagte hat lediglich den auf die Grundstucksflache\nentfallenden Teil des Beitrages mit 0,00 EUR angesetzt und die\nBeitragsberechnung auf den auf die zulassige Geschossflache entfallenden\nBeitrag beschrankt. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Berechnung\nder Beklagten zum selben Ergebnis fuhrt wie eine Berechnung nach dem oben\nbeschriebenen Modell. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Soweit hinsichtlich des Grundstucks Flst.Nr. 1430 ein\nWasserversorgungsbeitrag erhoben wurde, bleibt nach den vorliegenden Akten\nunklar, in welchem Umfang bereits zuvor ein Wasserversorgungsbeitrag erhoben\nworden ist. In der Akte des Landratsamts ist lediglich ein\nWasserversorgungsbeitragsbescheid vom 10.11.1980 enthalten, der sich auf das\nGrundstuck Flst.Nr. 1430 mit ehemals kleinerer Flache bezieht. Ob fur den\nAnteil des Grundstucks, um den sich das Grundstuck Flst.Nr. 1430 wohl spater\nvergroßert hat und der mit dem streitgegenstandlichen Bescheid vom 03.03.2006\n(teilweise) veranlagt wurde, bereits ein Wasserversorgungsbeitrag erhoben\nwurde, ware noch abschließend zu klaren. Sollte dies der Fall sein, bedurfte\nes ebenfalls einer Berechnung der Nachveranlagung nach den oben genannten\nGrundsatzen. Andernfalls lage moglicherweise ein Nachveranlagungstatbestand\ni.S. der §§ 31 Abs. 1 AbwS, 34 Abs. 1 WVS, 29 Abs. 3 Satz 2 oder 3 KAG vor. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Teilweise rechtmaßig ist der Wasserversorgungsbeitrag hinsichtlich des\nGrundstucks Flst.Nr. 1425/1, fur das - außerhalb des Baufensters - teilweise\neine Lagerflache ausgewiesen wurde bzw. das nach der Baugenehmigung vom\n06.10.2005 entsprechend genutzt werden darf. Diese gewerbliche Nutzung lost -\nwie schon ausgefuhrt - die Beitragspflicht aus. Allerdings ist die Berechnung\ndes Beitrages fehlerhaft, weil zu Unrecht von einer Geschossflachenzahl von\n1,1 ausgegangen wurde. Nach Auffassung der Kammer findet vielmehr § 33 Satz 1\nWVS Anwendung. Danach wird bei Stellplatzgrundstucken und bei Grundstucken,\nfur die nur eine Nutzung ohne Bebauung zulassig ist oder bei denen die\nBebauung nur untergeordnete Bedeutung hat, die Grundstucksflache mit einer\nGeschossflachenzahl von 0,2 vervielfacht. Danach ist der\nWasserversorgungsbeitrag wie folgt zu berechnen: \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| \n--- \n171 m² Grundstucksflache x 0,70 EUR Beitragssatz = | 119,70 EUR \n34,2 m² Geschossflache (= 171 m² x 0,2) x 0,80 EUR = | 27,36 EUR \nZwischensumme: | 147,06 EUR \n| \nzzgl. 16 % MWSt.: | 23,53 EUR \n| \nWasserversorgungsbeitrag: | 170,59 EUR \n--- \n| 25 \n--- \n| Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. \n---\n\n
161,222
lg-karlsruhe-2008-09-19-6-s-11008
135
Landgericht Karlsruhe
lg-karlsruhe
Karlsruhe
Baden-Württemberg
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
6 S 110/08
2008-09-19
2019-01-16 06:39:48
2019-01-17 12:06:16
Urteil
## Tenor\n\n1\\. Die Berufung der Klagerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom\n30.05.2008, Az.: 10 C 46/03, wird zuruckgewiesen.\n\n2\\. Die Klagerin tragt die Kosten der Berufung.\n\n3\\. Das Urteil ist vorlaufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch\nSicherheitsleistung in Hohe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren\nBetrages abgewendet werden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung\nSicherheit in Hohe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.\n\n4\\. Die Revision wird nicht zugelassen.\n\n## Tatbestand\n\n| | \n--- \n| 1 \n--- \n| Die zulassige Berufung ist nicht begrundet. \n--- \n--- \n**A.** \n--- \n| 2 \n--- \n| **( § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO):** \n--- \n| 3 \n--- \n| Wegen des Parteivorbringens in erster Instanz und der dort getroffenen\ntatsachlichen Feststellungen wird auf Tatbestand und Entscheidungsgrunde des\nangefochtenen Urteils Bezug genommen. Lediglich erganzend wird Folgendes\nangemerkt: \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| Die im offentlichen Dienst beschaftigte Klagerin wendet sich mit ihrer Klage\nnach Umstellung der Zusatzversorgung im offentlichen Dienst von einem\nGesamtversorgungssystem auf ein Punktesystem gegen die ihr von der beklagten\nZusatzversorgungseinrichtung erteilte Startgutschrift fur eine rentenferne\nPerson. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Lander (VBL) hat die\nAufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des\noffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusatzliche\nAlters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewahren. Mit\nNeufassung ihrer Satzung vom 22. November 2002 (BAnz. Nr. 1 vom 3. Januar\n2003) hat die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem ruckwirkend zum 31.\nDezember 2001 (Umstellungsstichtag) umgestellt. Den Systemwechsel hatten die\nTarifvertragsparteien des offentlichen Dienstes im Tarifvertrag\nAltersversorgung vom 1. Marz 2002 (ATV) vereinbart. Damit wurde das fruhere -\nauf dem Versorgungstarifvertrag vom 4. November 1966 (Versorgungs-TV)\nberuhende - endgehaltsbezogene Gesamtversorgungssystem aufgegeben und durch\nein auf einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem ersetzt. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Die neue Satzung der Beklagten (VBLS) enthalt Übergangsregelungen zum Erhalt\nvon bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden\nwertmaßig festgestellt und als so genannte Startgutschriften auf die neuen\nVersorgungskonten der Versicherten ubertragen. Dabei werden Versicherte, deren\nVersorgungsfall noch nicht eingetreten ist, in rentennahe und rentenferne\nVersicherte unterschieden. Rentennah ist nur, wer am 1. Januar 2002 das 55.\nLebensjahr vollendet hatte und im Tarifgebiet West beschaftigt war bzw. dem\nUmlagesatz des Abrechnungsverbandes West unterfiel oder\nPflichtversicherungszeiten in der Zusatzversorgung vor dem 1. Januar 1997\nvorweisen kann. Die Anwartschaften der ca. 200.000 rentennahen Versicherten\nwerden weitgehend nach dem alten Satzungsrecht ermittelt und ubertragen. Die\nAnwartschaften der ubrigen, ca. 1,7 Mio. rentenfernen Versicherten berechnen\nsich demgegenuber nach den §§ 78 Abs. 1 und 2, 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V. mit\n§ 18 Abs. 2 BetrAVG. Unabhangig von ihrer Zugehorigkeit zu einem rentennahen\noder einem rentenfernen Jahrgang erhalten Beschaftigte, die am 1. Januar 2002\nmindestens 20 Jahre pflichtversichert waren, als Startgutschrift fur jedes\nvolle Kalenderjahr der Pflichtversicherung bis zum 31. Dezember 2001\nmindestens 1,84 Versorgungspunkte (VP), bei Teilzeitbeschaftigung gemindert\ndurch Multiplikation mit dem am 31. Dezember 2001 maßgebenden\nGesamtbeschaftigungsquotienten (§ 37 Abs. 3 VBLS). \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Die Parteien streiten uber die Zulassigkeit der Systemumstellung, die\nWirksamkeit der Übergangsregelung fur rentenferne Versicherte und die Hohe der\nder Klagerin erteilten Startgutschrift. \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Die Klagerin ist am … 1954 geboren. Bis zum 31.12.2001 war sie als\nBeschaftigte im offentlichen Dienst 197 Monate bei der Beklagten\npflichtversichert gewesen (I 25). \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Die Beklagte hat mit Mitteilung vom 15.10.2002 die Rentenanwartschaft der\nKlagerin zum 31.12.2001 auf EUR 150,56 errechnet und ihr dementsprechend eine\nStartgutschrift von 37,64 Punkten erteilt (I 13). Die Mitteilung uber die\nStartgutschrift beruht auf der Neufassung der Satzung der Beklagten zum 01.\nJanuar 2001 (im Folgenden: VBLS n.F.). Bei der Errechnung der Startgutschrift\nwurde die Steuerklasse III/0 zugrunde gelegt (I 29). \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Die Klagerin hat von der Beklagten nach der o.g. Startgutschrift die gemaß\nder Satzung (§ 51 VBLS n.F.) jahrlich erteilten Versicherungsnachweise\nerhalten. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Wegen der weiteren tatsachlichen Feststellungen wird auf das Urteil des\nAmtsgerichts Bezug genommen. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Die Parteien haben erstinstanzlich den von der Klagerin gestellten\nHilfsantrag, festzustellen, dass die von der Beklagten gemaß ihrer Satzung\nerteilte Startgutschrift den Wert der von der Klagerin bis zum 31.12.2001\nerworbene Anwartschaft auf eine bei Eintritt des Versicherungsfalles zu\nleistende Betriebsrente nicht verbindlich festlegt, ubereinstimmend fur\nerledigt erklart (I 111, 115). \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Das Amtsgericht hat in seiner Entscheidung vom 30.05.2008 im Übrigen die\nKlage mit der Begrundung abgewiesen, die Beklagte habe in zulassiger Weise mit\nder Satzungsanderung eine Umstellung des Rentensystems vorgenommen und die\nBerechnung der Betriebsrente unter Anwendung der neuen Satzungsbestimmungen\nbenachteilige die Klagerin - abgesehen von dem unter\nGleichheitsgesichtspunkten zu beanstandenden Versorgungssatz von lediglich\n2,25 % fur jedes Jahr der Pflichtversicherung - nicht unangemessen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Mit der Berufung verfolgt die Klagerin ihr erstinstanzliches Begehren -\nsoweit sie vor dem Amtsgericht keinen Erfolg hatte - weiter, greift\ninsbesondere das sog. Naherungsverfahren bei der Berechnung der\nStartgutschriften fur rentenferne Jahrgange nach § 18 BetrAVG und die\nVersicherungsnachweise an und beantragt, unter Abanderung des\namtsgerichtlichen Urteils vom 30.05.2008 - 10 C 46/03 - wie folgt zu erkennen: \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klagerin bei\nder Berechnung der neuen Startgutschrift auf Antrag die bei der Ermittlung der\nVollleistung anzurechnende Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung statt\nnach dem Naherungsverfahren nach einer Rentenauskunft des gesetzlichen\nRentenversicherungstragers entsprechend § 79 Abs. 4 VBLS n.F. zugrunde zu\nlegen. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Ferner stellt die Klagerin in der zweiten Instanz erstmals folgenden\nHilfsantrag: \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Es wird festgestellt, dass die Folgemitteilungen, die auf der von der\nBeklagten gemaß ihrer Satzung erteilten Startgutschrift beruhen, den Wert der\nvon der Klagerin bis zum 31.12.2001 erlangten Anwartschaft auf eine bei\nEintritt des Versicherungsfalles zu leistende Betriebsrente nicht verbindlich\nfestlegen. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Die Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Die Parteien wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen. \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| Das Gericht hat verhandelt am 19. September 2008. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der\ngewechselten Schriftsatze nebst Anlagen verwiesen. \n--- \n--- \n \n## Entscheidungsgründe\n\n| | \n--- \n**B.** \n--- \n| 23 \n--- \n| **( § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO):** \n--- \n| 24 \n--- \n| Die zulassige Berufung der Klagerin hat keinen Erfolg. \n--- \n--- \n**I.** \n--- \n| 25 \n--- \n| Der in der Berufungsinstanz erstmals gestellte Hilfsantrag zur Feststellung\nder Unverbindlichkeit der Folgemitteilungen zur Startgutschrift ist\nsachdienlich (§ 533 ZPO). Er ist jedoch - mangels Feststellungsinteresse -\nnicht zulassig. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die von der Klagerin insoweit angesprochenen gemaß § 51 VBLS erteilten\nVersicherungsnachweise basieren zwar bei Anwendung des Übergangsrechts gemaß §\n79 Abs. 1 VBLS zu einem Gutteil auf der unverbindlichen Startgutschrift. Die\nUnverbindlichkeit der Startgutschrift fuhrt insoweit ohne Weiteres dazu, dass\nauch die Versicherungsnachweise unzutreffend und in diesem Punkt unverbindlich\nsind; dies bedarf keiner gesonderten Feststellung. Aus § 51 Abs. 2 VBLS ist im\nÜbrigen ersichtlich, dass diese Versicherungsnachweise nur hinsichtlich der im\nVerlauf des jeweiligen Kalenderjahrs eingetretenen Veranderungen (neu\nentrichtete Umlagen/Beitrage; zu meldende Entgelte; ausgewiesene Bonuspunkte)\nbeanstandet werden konnen. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Im Übrigen ist der Hauptantrag zum Naherungsverfahren zulassig. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Zwischen den Parteien besteht ein Rechtsverhaltnis in Form eines\nprivatrechtlichen Gruppenversicherungsvertrages, bei dem die Beklagte\nVersicherer, der Arbeitgeber der Klagerin Versicherungsnehmer und die Klagerin\nBegunstigte ist (vgl. BGH VersR 1988/577). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Soweit die Klage unbegrundet ist, bedarf es keiner Entscheidung, ob ein\nFeststellungsinteresse auch insoweit besteht. Das Feststellungsinteresse gemaß\n§ 256 Abs. 1 ZPO ist nur fur in stattgebendes Urteil echte\nProzessvoraussetzung (vgl. BGHZ 12, 308 unter II 4; BAGE 104, 324 unter II 1\nm.w.N.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 20.12.2007 - 12 U 59/07, Seite 9). \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Klage ist - wie bereits vom Amtsgericht erkannt - nicht (mehr)\nbegrundet. Soweit in der ursprunglichen Klage mit Aussicht auf Erfolg die\nFeststellung begehrt wurde, dass die von der Beklagten gemaß ihrer Satzung\nerteilte Startgutschrift den Wert der von der Klagerin bis zum 31.12.2001\nerlangten Anwartschaft auf eine bei Eintritt des Versicherungsfalles zu\nleistende Betriebsrente nicht verbindlich festlegt, wurde dieser Antrag\nerstinstanzlich ubereinstimmend fur erledigt erklart. Der mit der Berufung\nweiter verfolgte Hauptantrag zum Naherungsverfahren ist nicht begrundet. \n--- \n| 31 \n--- \n| Dementsprechend ist das Urteil des Amtsgerichts in vollem Umfang zutreffend\nund die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| 1\\. Das Amtsgericht hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur\nSystemumstellung der Satzungsvorschriften der Beklagten zutreffend wieder\ngegeben. Mit Urteil vom 14.11.2007 - IV ZR 74/06 - hatte der Bundesgerichtshof\nerstmals grundlegend zur Umstellung des Zusatzversorgungssystems der Beklagten\nund den Startgutschriftenregelungen fur die rentenfernen Pflichtversicherten\n(§§ 33 Abs. 1 Satz 1 ATV, 78, 79 Abs. 1 VBLS jeweils i.V.m. § 18 Abs. 2\nBetrAVG in der seit 01.01.2001 geltenden Fassung) Stellung genommen (vgl. BGHZ\n174, 127-179 = BetrAV 2008, 203-213 = NVwZ 2008, 455-468). \n--- \n| 33 \n--- \n| Auch das Landgericht folgt in standiger Rechtsprechung dieser Entscheidung\ndes Bundesgerichtshofs zu den sog. rentenfernen Jahrgangen. Insoweit wird auf\ndie zutreffenden Grunde des Amtsgerichts zur Unverbindlichkeit der\nStartgutschriften und die Entscheidung des BGH verwiesen. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| 2\\. Der Bundesgerichtshof hat zum Naherungsverfahren bei der Berechnung der\nStartgutschriften auf der Grundlage des § 18 BetrAVG Folgendes ausgefuhrt: \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Dass bei der Errechnung der Startgutschrift die fur die Ermittlung der Voll-\nLeistung von der Hochstversorgung in Abzug zu bringende voraussichtliche\ngesetzliche Rente gemaß den §§ 33 Abs. 1 Satz 1 ATV, 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS\ni.V. mit 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. f BetrAVG nach dem bei der Berechnung\nvon Pensionsruckstellungen allgemein zulassigen Verfahren (dem so genannten\nNaherungsverfahren) zu ermitteln ist, begegne im Grundsatz keinen\nverfassungsrechtlichen Bedenken. Das Verfahren erleichtere vielmehr auf einem\nsachgerechten Weg die Abwicklung des komplizierten Gesamtversorgungssystems\ndes offentlichen Dienstes durch die Beklagte und die anderen erfassten\nZusatzversorgungseinrichtungen. Auch mit Hilfe der individuellen Berechnung\nlasse sich lediglich eine fiktive Sozialversicherungsrente ermitteln, weil\neine Hochrechnung auf das 65. Lebensjahr (feste Altersgrenze) zu erfolgen habe\nund dabei die Veranderungssperre (der Festschreibeeffekt) der §§ 79 Abs. 1\nSatz 1 VBLS, 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c BetrAVG i.V. mit § 2 Abs. 5 Satz\n1 BetrAVG zu beachten sei. Die bei Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem\nBetrieb bestehenden tatsachlichen und rechtlichen Verhaltnisse wurden\nfestgeschrieben. Spatere Änderungen blieben unberucksichtigt. § 2 Abs. 5 Satz\n1 BetrAVG unterstelle den Fortbestand aller Einflussgroßen der Betriebsrente.\nDie nachgewiesenen, bis zum Ausscheiden tatsachlich erreichten Entgeltpunkte\nbildeten den Ausgangspunkt fur die individuelle Ermittlung der (fiktiven)\nVollrente. Die Hochrechnung auf die feste Altersgrenze habe der\nVersorgungstrager eigenverantwortlich vorzunehmen und dabei die jeweils im\nAusscheidenszeitpunkt bestehende sozialversicherungsrechtliche Rechtslage\nzugrunde zu legen. Damit fließe die Komplexitat des Sozialversicherungsrechts\nin die Berechnung der Zusatzversorgung ein. Unabhangig davon, wie die\nHochrechnung im Einzelnen zu erfolgen habe, mussten bei der individuellen\nBerechnung der fiktiven Sozialversicherungsrente die von den\nRentenversicherungstragern mitgeteilten sozialversicherungsrechtlichen Daten\nunter Umstanden erganzt, korrigiert sowie projiziert werden. Auch die\nindividuelle Berechnung fuhre mithin im Ergebnis nicht zu einer\nBerucksichtigung der tatsachlich gezahlten Sozialversicherungsrente. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Das Naherungsverfahren diene der Verwaltungsvereinfachung, die fur die\nBeklagte und die ubrigen unter § 18 Abs. 1 Nr. 1 BetrAVG fallenden\nVersorgungstrager von besonderer Bedeutung sei. Denn diese Versicherer hatten\nim Rahmen von Massenverfahren eine hoch komplizierte Materie zu bearbeiten.\nDies zwinge sie zu Vereinfachungen und Typisierungen. Das Naherungsverfahren\nermogliche eine sachgerechte Pauschalierung und Typisierung. Die\nTarifvertragsparteien bestimmten autonom uber den Inhalt der Zusatzversorgung\neinschließlich des Versorgungsziels und der Mittel zu dessen Erreichen.\nDeshalb seien sie hier im Grundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG auch nicht gehalten\ngewesen, die individuelle Versorgungslucke des einzelnen Pflichtversicherten\nzugrunde zu legen. Sie hatten vielmehr auf einen standardisierten\nVersorgungsbedarf abstellen durfen. Insoweit habe es nahe gelegen, bei ihren\ndem Bestandsschutz dienenden Übergangsvorschriften im Grundsatz an die\ngesetzliche Neuregelung des Betriebsrentengesetzes anzuknupfen. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Ob dagegen die von Art. 3 Abs. 1 GG gezogenen Grenzen zulassiger Typisierung\nund Standardisierung durch die ausschließliche Anwendung des\nNaherungsverfahrens uberschritten seien, das heißt ein Maß erreichten, das\nnach Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr hingenommen werden konne, hange sowohl von\nder Intensitat moglicher Benachteiligungen als auch von der Zahl der\nBetroffenen ab. Der Senat konne die Frage aufgrund der bisherigen\nFeststellungen des Berufungsgerichts noch nicht abschließend beurteilen. Das\nnotige indes nicht dazu, das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur\nneuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht Karlsruhe\nzuruckzuverweisen. Denn die Übergangsregelung fur rentenferne Versicherte\nverstoße jedenfalls anderweitig gegen Art. 3 Abs. 1 GG und sei deshalb - wie\ndas Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen habe - unwirksam.\nInsoweit erhielten die Tarifvertragsparteien im Rahmen der ohnehin anstehenden\nNachverhandlungen Gelegenheit, die Auswirkungen des Naherungsverfahrens erneut\nzu prufen. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| 3\\. Unter Berucksichtigung dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs\nhaben demnach die Tarifvertragsparteien im Rahmen der Überprufung des § 18\nBetrAVG ebenso die Moglichkeit, das Naherungsverfahren einer weitergehenden\nKontrolle zu unterziehen. Solange die Tarifvertragsparteien diese Überprufung\nnoch nicht vorgenommen und in eine Satzungsanderung umgesetzt haben, verbleibt\nes bei der BGH - Rechtssprechung zur Unverbindlichkeit der Startgutschriften. \n--- \n| 39 \n--- \n| Fur die von der Klagerin mit der Berufung weiter verfolgte Feststellung der\nVerpflichtung der Beklagten, bei der Berechnung der neuen Startgutschrift auf\nAntrag die bei der Ermittlung der Vollleistung anzurechnende Rente aus der\ngesetzlichen Rentenversicherung statt nach dem Naherungsverfahren nach einer\nRentenauskunft des gesetzlichen Rentenversicherungstragers entsprechend § 79\nAbs. 4 VBLS n.F. zugrunde zu legen, ist demzufolge kein Bedarf. \n--- \n| 40 \n--- \n| Soweit die Klagerin vortragt, das amtsgerichtliche Urteil erwachse zur Frage\ndes Naherungsverfahrens in Rechtskraft, weshalb zu einem spateren Zeitpunkt\nwegen Versaumung der Klagefrist nach § 46 Abs. 3 VBLS n.F. ein im Rahmen des §\n18 BetrAVG neuerlich angewandtes Naherungsverfahren nicht mehr angegriffen\nwerden konne, steht diese Auffassung im Widerspruch zur standigen\nRechtsprechung von Landgericht und Oberlandesgericht. Bezuglich der\n„allgemeinen" sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 46 Abs. 3 VBLS (fruher § 61\nAbs. 3 VBLS a.F.) fur Klagen gegen Entscheidungen der Beklagten ist seit\nlangem anerkannt, dass diese sich nur auf Rechtsbehelfe gegen die jeweilige\nMitteilung bezieht und der Berechtigte gegen neue Mitteilungen, auch soweit\ndiese auf denselben Berechnungen beruhen wie die fruhere, erneut vorgehen kann\n(vgl. LG Karlsruhe, Urteil vom 18. Januar 2002 - 6 O 279/01 unter Hinweis auf\nGilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter im Öffentlichen\nDienst, Loseblattsammlung, Rn. 5 zu § 61 VBLS und auf OSchG OS 24/90; LG\nKarlsruhe, Urteil vom 26.Januar 2007 - 6 O 59/06 mit Hinweis auf BGH, Urteil\nvom 10.Dezember 2003 - IV ZR 217/02; OLG Karlsruhe, Urteil vom 01. Marz 2007 -\n12 U 40/06 in ZTR 2007, 267 und Urteil vom 20. Dezember 2007 - 12 U 35/07,\nSeite 9). \n--- \n| 41 \n--- \n| Ob die Gerichte nach einem gewissen Zeitablauf gehalten sein konnten, bei\nfehlender Neuregelung durch die Tarifvertragsparteien auf andere Weise als\ndurch Erklarung der Unverbindlichkeit der Startgutschriften zu reagieren,\nbraucht derzeit, ein Jahr nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, noch\nnicht entschieden zu werden. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Die Berufung war daher zuruckzuweisen. \n--- \n**III.** \n--- \n| 43 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr.\n10, 713 ZPO. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2\nZPO nach Klarung der einschlagigen Grundsatzfragen durch den Bundesgerichtshof\nnicht vorliegen. \n--- \n \n## Gründe\n\n| | \n--- \n**B.** \n--- \n| 23 \n--- \n| **( § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO):** \n--- \n| 24 \n--- \n| Die zulassige Berufung der Klagerin hat keinen Erfolg. \n--- \n--- \n**I.** \n--- \n| 25 \n--- \n| Der in der Berufungsinstanz erstmals gestellte Hilfsantrag zur Feststellung\nder Unverbindlichkeit der Folgemitteilungen zur Startgutschrift ist\nsachdienlich (§ 533 ZPO). Er ist jedoch - mangels Feststellungsinteresse -\nnicht zulassig. \n--- \n| 26 \n--- \n| Die von der Klagerin insoweit angesprochenen gemaß § 51 VBLS erteilten\nVersicherungsnachweise basieren zwar bei Anwendung des Übergangsrechts gemaß §\n79 Abs. 1 VBLS zu einem Gutteil auf der unverbindlichen Startgutschrift. Die\nUnverbindlichkeit der Startgutschrift fuhrt insoweit ohne Weiteres dazu, dass\nauch die Versicherungsnachweise unzutreffend und in diesem Punkt unverbindlich\nsind; dies bedarf keiner gesonderten Feststellung. Aus § 51 Abs. 2 VBLS ist im\nÜbrigen ersichtlich, dass diese Versicherungsnachweise nur hinsichtlich der im\nVerlauf des jeweiligen Kalenderjahrs eingetretenen Veranderungen (neu\nentrichtete Umlagen/Beitrage; zu meldende Entgelte; ausgewiesene Bonuspunkte)\nbeanstandet werden konnen. \n--- \n--- \n| 27 \n--- \n| Im Übrigen ist der Hauptantrag zum Naherungsverfahren zulassig. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Zwischen den Parteien besteht ein Rechtsverhaltnis in Form eines\nprivatrechtlichen Gruppenversicherungsvertrages, bei dem die Beklagte\nVersicherer, der Arbeitgeber der Klagerin Versicherungsnehmer und die Klagerin\nBegunstigte ist (vgl. BGH VersR 1988/577). \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Soweit die Klage unbegrundet ist, bedarf es keiner Entscheidung, ob ein\nFeststellungsinteresse auch insoweit besteht. Das Feststellungsinteresse gemaß\n§ 256 Abs. 1 ZPO ist nur fur in stattgebendes Urteil echte\nProzessvoraussetzung (vgl. BGHZ 12, 308 unter II 4; BAGE 104, 324 unter II 1\nm.w.N.; OLG Karlsruhe, Urteil vom 20.12.2007 - 12 U 59/07, Seite 9). \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 30 \n--- \n| Die Klage ist - wie bereits vom Amtsgericht erkannt - nicht (mehr)\nbegrundet. Soweit in der ursprunglichen Klage mit Aussicht auf Erfolg die\nFeststellung begehrt wurde, dass die von der Beklagten gemaß ihrer Satzung\nerteilte Startgutschrift den Wert der von der Klagerin bis zum 31.12.2001\nerlangten Anwartschaft auf eine bei Eintritt des Versicherungsfalles zu\nleistende Betriebsrente nicht verbindlich festlegt, wurde dieser Antrag\nerstinstanzlich ubereinstimmend fur erledigt erklart. Der mit der Berufung\nweiter verfolgte Hauptantrag zum Naherungsverfahren ist nicht begrundet. \n--- \n| 31 \n--- \n| Dementsprechend ist das Urteil des Amtsgerichts in vollem Umfang zutreffend\nund die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| 1\\. Das Amtsgericht hat die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur\nSystemumstellung der Satzungsvorschriften der Beklagten zutreffend wieder\ngegeben. Mit Urteil vom 14.11.2007 - IV ZR 74/06 - hatte der Bundesgerichtshof\nerstmals grundlegend zur Umstellung des Zusatzversorgungssystems der Beklagten\nund den Startgutschriftenregelungen fur die rentenfernen Pflichtversicherten\n(§§ 33 Abs. 1 Satz 1 ATV, 78, 79 Abs. 1 VBLS jeweils i.V.m. § 18 Abs. 2\nBetrAVG in der seit 01.01.2001 geltenden Fassung) Stellung genommen (vgl. BGHZ\n174, 127-179 = BetrAV 2008, 203-213 = NVwZ 2008, 455-468). \n--- \n| 33 \n--- \n| Auch das Landgericht folgt in standiger Rechtsprechung dieser Entscheidung\ndes Bundesgerichtshofs zu den sog. rentenfernen Jahrgangen. Insoweit wird auf\ndie zutreffenden Grunde des Amtsgerichts zur Unverbindlichkeit der\nStartgutschriften und die Entscheidung des BGH verwiesen. \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| 2\\. Der Bundesgerichtshof hat zum Naherungsverfahren bei der Berechnung der\nStartgutschriften auf der Grundlage des § 18 BetrAVG Folgendes ausgefuhrt: \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Dass bei der Errechnung der Startgutschrift die fur die Ermittlung der Voll-\nLeistung von der Hochstversorgung in Abzug zu bringende voraussichtliche\ngesetzliche Rente gemaß den §§ 33 Abs. 1 Satz 1 ATV, 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS\ni.V. mit 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. f BetrAVG nach dem bei der Berechnung\nvon Pensionsruckstellungen allgemein zulassigen Verfahren (dem so genannten\nNaherungsverfahren) zu ermitteln ist, begegne im Grundsatz keinen\nverfassungsrechtlichen Bedenken. Das Verfahren erleichtere vielmehr auf einem\nsachgerechten Weg die Abwicklung des komplizierten Gesamtversorgungssystems\ndes offentlichen Dienstes durch die Beklagte und die anderen erfassten\nZusatzversorgungseinrichtungen. Auch mit Hilfe der individuellen Berechnung\nlasse sich lediglich eine fiktive Sozialversicherungsrente ermitteln, weil\neine Hochrechnung auf das 65. Lebensjahr (feste Altersgrenze) zu erfolgen habe\nund dabei die Veranderungssperre (der Festschreibeeffekt) der §§ 79 Abs. 1\nSatz 1 VBLS, 18 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c BetrAVG i.V. mit § 2 Abs. 5 Satz\n1 BetrAVG zu beachten sei. Die bei Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem\nBetrieb bestehenden tatsachlichen und rechtlichen Verhaltnisse wurden\nfestgeschrieben. Spatere Änderungen blieben unberucksichtigt. § 2 Abs. 5 Satz\n1 BetrAVG unterstelle den Fortbestand aller Einflussgroßen der Betriebsrente.\nDie nachgewiesenen, bis zum Ausscheiden tatsachlich erreichten Entgeltpunkte\nbildeten den Ausgangspunkt fur die individuelle Ermittlung der (fiktiven)\nVollrente. Die Hochrechnung auf die feste Altersgrenze habe der\nVersorgungstrager eigenverantwortlich vorzunehmen und dabei die jeweils im\nAusscheidenszeitpunkt bestehende sozialversicherungsrechtliche Rechtslage\nzugrunde zu legen. Damit fließe die Komplexitat des Sozialversicherungsrechts\nin die Berechnung der Zusatzversorgung ein. Unabhangig davon, wie die\nHochrechnung im Einzelnen zu erfolgen habe, mussten bei der individuellen\nBerechnung der fiktiven Sozialversicherungsrente die von den\nRentenversicherungstragern mitgeteilten sozialversicherungsrechtlichen Daten\nunter Umstanden erganzt, korrigiert sowie projiziert werden. Auch die\nindividuelle Berechnung fuhre mithin im Ergebnis nicht zu einer\nBerucksichtigung der tatsachlich gezahlten Sozialversicherungsrente. \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Das Naherungsverfahren diene der Verwaltungsvereinfachung, die fur die\nBeklagte und die ubrigen unter § 18 Abs. 1 Nr. 1 BetrAVG fallenden\nVersorgungstrager von besonderer Bedeutung sei. Denn diese Versicherer hatten\nim Rahmen von Massenverfahren eine hoch komplizierte Materie zu bearbeiten.\nDies zwinge sie zu Vereinfachungen und Typisierungen. Das Naherungsverfahren\nermogliche eine sachgerechte Pauschalierung und Typisierung. Die\nTarifvertragsparteien bestimmten autonom uber den Inhalt der Zusatzversorgung\neinschließlich des Versorgungsziels und der Mittel zu dessen Erreichen.\nDeshalb seien sie hier im Grundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG auch nicht gehalten\ngewesen, die individuelle Versorgungslucke des einzelnen Pflichtversicherten\nzugrunde zu legen. Sie hatten vielmehr auf einen standardisierten\nVersorgungsbedarf abstellen durfen. Insoweit habe es nahe gelegen, bei ihren\ndem Bestandsschutz dienenden Übergangsvorschriften im Grundsatz an die\ngesetzliche Neuregelung des Betriebsrentengesetzes anzuknupfen. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| Ob dagegen die von Art. 3 Abs. 1 GG gezogenen Grenzen zulassiger Typisierung\nund Standardisierung durch die ausschließliche Anwendung des\nNaherungsverfahrens uberschritten seien, das heißt ein Maß erreichten, das\nnach Art. 3 Abs. 1 GG nicht mehr hingenommen werden konne, hange sowohl von\nder Intensitat moglicher Benachteiligungen als auch von der Zahl der\nBetroffenen ab. Der Senat konne die Frage aufgrund der bisherigen\nFeststellungen des Berufungsgerichts noch nicht abschließend beurteilen. Das\nnotige indes nicht dazu, das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur\nneuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht Karlsruhe\nzuruckzuverweisen. Denn die Übergangsregelung fur rentenferne Versicherte\nverstoße jedenfalls anderweitig gegen Art. 3 Abs. 1 GG und sei deshalb - wie\ndas Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend angenommen habe - unwirksam.\nInsoweit erhielten die Tarifvertragsparteien im Rahmen der ohnehin anstehenden\nNachverhandlungen Gelegenheit, die Auswirkungen des Naherungsverfahrens erneut\nzu prufen. \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| 3\\. Unter Berucksichtigung dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs\nhaben demnach die Tarifvertragsparteien im Rahmen der Überprufung des § 18\nBetrAVG ebenso die Moglichkeit, das Naherungsverfahren einer weitergehenden\nKontrolle zu unterziehen. Solange die Tarifvertragsparteien diese Überprufung\nnoch nicht vorgenommen und in eine Satzungsanderung umgesetzt haben, verbleibt\nes bei der BGH - Rechtssprechung zur Unverbindlichkeit der Startgutschriften. \n--- \n| 39 \n--- \n| Fur die von der Klagerin mit der Berufung weiter verfolgte Feststellung der\nVerpflichtung der Beklagten, bei der Berechnung der neuen Startgutschrift auf\nAntrag die bei der Ermittlung der Vollleistung anzurechnende Rente aus der\ngesetzlichen Rentenversicherung statt nach dem Naherungsverfahren nach einer\nRentenauskunft des gesetzlichen Rentenversicherungstragers entsprechend § 79\nAbs. 4 VBLS n.F. zugrunde zu legen, ist demzufolge kein Bedarf. \n--- \n| 40 \n--- \n| Soweit die Klagerin vortragt, das amtsgerichtliche Urteil erwachse zur Frage\ndes Naherungsverfahrens in Rechtskraft, weshalb zu einem spateren Zeitpunkt\nwegen Versaumung der Klagefrist nach § 46 Abs. 3 VBLS n.F. ein im Rahmen des §\n18 BetrAVG neuerlich angewandtes Naherungsverfahren nicht mehr angegriffen\nwerden konne, steht diese Auffassung im Widerspruch zur standigen\nRechtsprechung von Landgericht und Oberlandesgericht. Bezuglich der\n„allgemeinen" sechsmonatigen Ausschlussfrist des § 46 Abs. 3 VBLS (fruher § 61\nAbs. 3 VBLS a.F.) fur Klagen gegen Entscheidungen der Beklagten ist seit\nlangem anerkannt, dass diese sich nur auf Rechtsbehelfe gegen die jeweilige\nMitteilung bezieht und der Berechtigte gegen neue Mitteilungen, auch soweit\ndiese auf denselben Berechnungen beruhen wie die fruhere, erneut vorgehen kann\n(vgl. LG Karlsruhe, Urteil vom 18. Januar 2002 - 6 O 279/01 unter Hinweis auf\nGilbert/Hesse, Die Versorgung der Angestellten und Arbeiter im Öffentlichen\nDienst, Loseblattsammlung, Rn. 5 zu § 61 VBLS und auf OSchG OS 24/90; LG\nKarlsruhe, Urteil vom 26.Januar 2007 - 6 O 59/06 mit Hinweis auf BGH, Urteil\nvom 10.Dezember 2003 - IV ZR 217/02; OLG Karlsruhe, Urteil vom 01. Marz 2007 -\n12 U 40/06 in ZTR 2007, 267 und Urteil vom 20. Dezember 2007 - 12 U 35/07,\nSeite 9). \n--- \n| 41 \n--- \n| Ob die Gerichte nach einem gewissen Zeitablauf gehalten sein konnten, bei\nfehlender Neuregelung durch die Tarifvertragsparteien auf andere Weise als\ndurch Erklarung der Unverbindlichkeit der Startgutschriften zu reagieren,\nbraucht derzeit, ein Jahr nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, noch\nnicht entschieden zu werden. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Die Berufung war daher zuruckzuweisen. \n--- \n**III.** \n--- \n| 43 \n--- \n| Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. \n--- \n--- \n| 44 \n--- \n| Die Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr.\n10, 713 ZPO. \n--- \n--- \n| 45 \n--- \n| Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2\nZPO nach Klarung der einschlagigen Grundsatzfragen durch den Bundesgerichtshof\nnicht vorliegen. \n---\n\n
161,227
vghbw-2008-09-23-10-s-103707
161
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg
vghbw
Baden-Württemberg
Verwaltungsgerichtsbarkeit
10 S 1037/07
2008-09-23
2019-01-16 06:39:50
2019-01-17 12:06:16
Beschluss
## Tenor\n\nDas Verfahren wird ausgesetzt.\n\nDem Europaischen Gerichtshof werden gem. Art. 234 lit. a) EG folgende Fragen\nzur Vorabentscheidung vorgelegt:\n\n1\\. Steht den vom Europaischen Gerichtshof in den Urteilen vom 26.06.2008\n(C-329/06 und C-343/06 <Wiedemann> und C-334/06 bis C-336/06 <Zerche>)\nentwickelten Grundsatzen entgegen, dass die nationalen Fahrerlaubnisbehorden\nund Gerichte des Aufnahmemitgliedstaat sich bei der Prufung der Beachtung des\nWohnsitzerfordernisses nach Art. 9 Richtlinie 91/439/EWG durch den\nAusstellermitgliedstaat zum Zeitpunkt der Ausstellung der Fahrerlaubnis zum\nNachteil des Fuhrerscheininhabers auf dessen Erklarungen und Informationen\nstutzen, die dieser im Verwaltungsverfahren oder gerichtlichen Verfahren\ngemacht hat und zu deren Abgabe er im Rahmen einer durch das nationale\nVerfahrensrecht ihm auferlegten Mitwirkungspflicht bei der Aufklarung des\nentscheidungserheblichen Sachverhalts verpflichtet war?\n\n2\\. Fur den Fall, dass die 1. Frage verneint werden sollte:\n\nSteht den vom Europaischen Gerichtshof in den Urteilen vom 26.06.2008\n(C-329/06 und C-343/06 <Wiedemann> und C-334/06 bis C-336/06 <Zerche>)\nentwickelten Grundsatzen entgegen, dass die nationalen Fahrerlaubnisbehorden\nund Gerichte des Aufnahmemitgliedstaates bei der Prufung einer Beachtung des\nWohnsitzerfordernisses nach Art. 9 Richtlinie 91/439/EWG durch den\nAusstellermitgliedstaates dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafur bestehen,\ndass dieses zum Zeitpunkt der Ausstellung nicht erfullt war, ausschließlich im\nAusstellermitgliedstaat etwa bei Meldebehorden, Vermietern oder Arbeitgebern\nweitere Ermittlung anstellen und die hierbei ermittelten Tatsachen, sofern sie\nbeweiskraftig festgestellt wurden, allein oder zusammen mit bereits\nvorliegenden Informationen aus dem Ausstellermitgliedstaat oder vom\nFahrerlaubnisinhaber selbst stammenden Informationen verwertet?\n\n## Gründe\n\n| | \n--- \n**I.** \n--- \n| 1 \n--- \n| Der Klager wendet sich gegen den Bescheid des Landratsamts Heilbronn vom\n30.11.2005, durch den ihm das Recht aberkannt wurde, von seiner polnischen\nFahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen. \n--- \n--- \n| 2 \n--- \n| Der 1966 geborene Klager wurde durch Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom\n17.10.1989 wegen vorsatzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit\nvorsatzlicher Trunkenheit im Verkehr (Blutalkoholkonzentration 1,84 Promille)\nzu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten mit Bewahrung verurteilt, wobei eine\nSperrfrist fur die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von 4 Jahren festgesetzt\nworden war. Nach Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen\nGutachtens wurde ihm am 06.10.1994 die Fahrerlaubnis der Klassen 3 bis 5\nerteilt. \n--- \n--- \n| 3 \n--- \n| Durch Urteil des Amtsgerichts Leonberg vom 05.06.1997 wurde er nach einer am\n14.01.1997 begangenen Trunkenheitsfahrt (Blutalkoholkonzentration 1,26\nPromille) wegen fahrlassiger Gefahrdung des Straßenverkehrs zu einer\nGeldstrafe von 90 Tagessatzen verurteilt, die Fahrerlaubnis wurde entzogen und\neine Sperrfrist von 13 Monaten fur die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis\nangeordnet. \n--- \n--- \n| 4 \n--- \n| In der Folgezeit bemuhte er sich erfolglos um die Wiedererteilung der\nFahrerlaubnis. Die Bemuhungen scheiterten jeweils daran, dass er ein von der\nBehorde gefordertes medizinisch-psychologisches Gutachten nicht vorlegen\nkonnte bzw. wollte. \n--- \n--- \n| 5 \n--- \n| Mit Schreiben vom 26.09.2005 teilte der Polizeiposten Bad Wimpfen der\nFuhrerscheinstelle des Landratsamtes Heilbronn mit, der Klager sei im Besitz\neines am 26.04.2005 von einer polnischen Behorde ausgestellten polnischen\nFuhrerscheins der Klasse B. \n--- \n--- \n| 6 \n--- \n| Nach den hierauf getroffenen Feststellungen des Landratsamts Heilbronn war\nder Klager vom 01.05.2000 bis 01.08.2005 in Bad Friedrichshall sowie seitdem\nin Bad Wimpfen polizeilich gemeldet, wahrend im Fuhrerschein eine Anschrift in\nPolen eingetragen ist. \n--- \n--- \n| 7 \n--- \n| Daraufhin forderte das Landratsamt den Klager mit Schreiben vom 25.10.2005\nauf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten zu seiner Fahreignung\nbeizubringen. Nachdem er in der Folgezeit das angeforderte Gutachten nicht\nvorgelegt hatte, erkannte ihm das Landratsamt Heilbronn mit Bescheid vom\n30.11.2005 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung das Recht ab, von seiner\npolnischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen\n(Ziff. 1), ordnete die Vorlage des Fuhrerscheins zur Eintragung dieser\nEntscheidung an (Ziff. 2) und drohte schließlich die Wegnahme des\nFuhrerscheins an, falls dieser nicht fristgerecht vorgelegt werden sollte\n(Ziff. 3). \n--- \n--- \n| 8 \n--- \n| Am 20.12.2005 erhob der Klager Widerspruch und berief sich auf die\nRechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs zur Anerkennungspflicht bei\nFuhrerscheinen eines anderen Mitgliedstaats. Seine Fahreignung sei in Polen\nuberpruft worden, weshalb die fruheren Verkehrsstraftaten ihm nicht\nentgegengehalten werden durften. Auf diese konne keine Gutachtenanordnung\ngestutzt werden. Es sei ihm gelungen, bei der Firma E in Sinsheim eine\nAnstellung zu finden. Weil ihm die Fahrerlaubnis aberkannt worden sei, sei ihm\nmit Schreiben vom 08.12.2005 gekundigt worden. \n--- \n--- \n| 9 \n--- \n| Im vom Klager angestrengten Verfahren des vorlaufigen Rechtsschutzes lehnte\ndas Verwaltungsgericht Stuttgart mit Beschluss vom 17.01.2006 (3 K 4430/05)\nden Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ab. Die hiergegen\neingelegte Beschwerde wies der Senat durch Beschluss vom 07.04.2006 (10 S\n311/06) zuruck. Im Beschwerdeverfahren hatte der Klager mit Schriftsatz vom\n24.02.2006 u.a. sieben verschiedene Bescheinigungen uber seine vielfaltigen\nAktivitaten seit 2001 in Square Dance Clubs in W., N., H. und S. vorgelegt. \n--- \n--- \n| 10 \n--- \n| Am 18.01.2006 ging beim Landratsamt Heilbronn eine von diesem angeforderte\nStellungnahme der polnischen Fahrerlaubnisbehorde vom 04.01.2006 ein. Darin\nwird ausgefuhrt, der Klager habe bei der Einreichung seines Antrags auf\nErteilung einer Fahrerlaubs versichert, zum Zeitpunkt der Antragstellung habe\nihm gegenuber kein rechtskraftiges Urteil uber ein Verbot zum Fuhren von\nKraftfahrzeugen vorgelegen. Die Erteilung der Fahrerlaubnis sei von der\nBedingung eines arztlichen Gutachtens, der Teilnahme an einer Schulung, dem\nBestehen der Prufung und der Vorlage einer Aufenthaltsbescheinigung abhangig\ngemacht worden. Am Tag des Erwerbs der Fahrerlaubnis sei ein Nachweis uber\neinen Mindestaufenthalt in Polen von mindestens 185 Tagen nicht erforderlich\ngewesen. \n--- \n--- \n| 11 \n--- \n| Am 18.07.2006 erhob der Klager Untatigkeitsklage und berief sich wiederum\nauf die Rechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs. Er habe die polnische\nFahrerlaubnis nicht in missbrauchlicher Absicht erworben, sondern deshalb,\nweil er berechtigte Aussichten gehabt habe, in Polen eine Arbeitsstelle zu\nfinden und sich beruflich zu etablieren. U.a. habe fur ihn ein Engagement in\nRzeszow in Aussicht gestanden. Die Aufnahme einer entsprechenden Tatigkeit\nbzw. eines Engagements sei gescheitert, nachdem ihm das Recht aberkannt worden\nsei, von seiner auslandischen Fahrerlaubnis im Inland Gebrauch zu machen.\nSeine Familie lebe in Deutschland, sodass er seinen Wohnsitz nicht nach Polen\nverlegen konne. Aufgrund der Aberkennung des Rechts, von der polnischen\nFahrerlaubnis Gebrauch zu machen, sei es ihm nicht mehr moglich, regelmaßig\nvon Polen nach Deutschland und umgekehrt zu reisen. Im Übrigen habe er seit\ndem Entzug der Fahrerlaubnis uber viele Jahre ein beanstandungsfreies Leben\ngefuhrt. Es sei ihm auch gelungen, beruflich Fuß zu fassen und eine Anstellung\nbei der Firma E. zu finden. Infolge der Aberkennungsentscheidung habe er\nmittlerweile seine Arbeitsstelle wieder verloren. \n--- \n--- \n| 12 \n--- \n| Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. \n--- \n--- \n| 13 \n--- \n| Mit Urteil vom 21.03.2007 hat das Verwaltungsgericht Stuttgart den Bescheid\ndes Landratsamts Heilbronn vom 30.11.2005 aufgehoben und die Berufung\nzugelassen. \n--- \n--- \n| 14 \n--- \n| Zur Begrundung hat es ausgefuhrt: Wenn das Landratsamt zur Begrundung seiner\nauf § 46 Abs. 3 i.V.m. § 13 Nr. 2 FeV gestutzten Gutachtenanforderung auf die\nTrunkenheitsfahrten der Jahre 1989 und 1997 und hierdurch begrundete\nEignungsmangel zuruckgreife und mit Rucksicht auf die Nichtvorlage des\nangeforderten Gutachtens gemaß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des\nKlagers schließe, so sei dies mit der Rechtsprechung des Europaischen\nGerichtshofs zur Auslegung der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29.07.1991\nnicht vereinbar. Der Europaische Gerichtshof habe in seiner Rechtsprechung zur\nVerwirklichung der Grundfreiheiten vorbehaltlos klargestellt, dass die\nMitgliedstaaten vom Inhaber eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten\nFuhrerscheins nicht verlangen konnten, dass er die Bedingungen erfulle, die\nihr nationales Recht fur die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach ihrem\nEntzug aufstelle. Damit sei eine erneute Überprufung der Fahreignung auch dann\nausgeschlossen, wenn die nationalen Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates\neine solche Überprufung vorschrieben, sofern die hierfur maßgeblichen Umstande\nvor der Ausstellung des Fuhrerscheins bestanden hatten. Eine Ausnahme komme\nnur dann in Betracht, wenn die Berufung des Klagers auf den\nAnerkennungsgrundsatz der Richtlinie rechtsmissbrauchlich ware. Ein\nRechtsmissbrauch konne nicht allein daraus abgeleitet werden, dass die\nFahrerlaubnis der polnischen Behorde moglicherweise unter Verstoß gegen das in\nder Fuhrerscheinrichtlinie geregelte Wohnsitzerfordernis erworben worden sei.\nDer Gerichtshof habe festgestellt, dass die Richtlinie dem\nAusstellermitgliedstaat eine ausschließliche Zustandigkeit verleihe, sich zu\nvergewissern, dass die Fuhrerscheine unter Beachtung des\nWohnsitzerfordernisses ausgestellt wurden, so dass es allein Sache dieses\nMitgliedstaats sei, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, wenn sich nachtraglich\nherausstelle, dass der Inhaber die Voraussetzungen nicht erfullt habe. Auch\neine vom Beklagten geltend gemachte Umgehung der medizinisch-psychologischen\nBegutachtung rechfertige nicht den Vorwurf des Rechtsmissbrauchs. In der\nFuhrerscheinrichtlinie sei bewusst davon abgesehen worden, die Anforderungen\nan die Fahreignung zu harmonisieren. Vielmehr seien nur Mindestanforderungen\nbestimmt worden. Bei Alkoholgenuss, der eine große Gefahr fur die Sicherheit\nim Straßenverkehr mit sich bringe, fordere die Richtlinie von den\nMitgliedstaaten zwar eine große Wachsamkeit, allerdings nur auf medizinischer\nEbene. Es widerspreche nicht dem Gemeinschaftsrecht, wenn Alkoholmissbrauch\nlediglich durch eine medizinische Untersuchung uberpruft werde, wie dies hier\ngeschehen sei. Deshalb konne es auch nicht rechtsmissbrauchlich sein, wenn der\nBetroffene sich die unterschiedlichen Erteilungsvoraussetzungen zunutze mache. \n--- \n--- \n| 15 \n--- \n| Das Urteil wurde dem Beklagten am 29.03.2007 zugestellt. \n--- \n--- \n| 16 \n--- \n| Am 26.04.2007 hat der Beklagte Berufung eingelegt und diese am 25.05.2007\nunter Stellung eines Antrags, wie folgt, begrundet: Auch unter Zugrundelegung\nder Rechtsprechung des Europaischen Gerichtshofs sei davon auszugehen, dass\nder Klager mit uberwiegender Wahrscheinlichkeit alle Merkmale eines\nrechtsmissbrauchlichen Verhaltens erfulle. Nach der gerichtlich geahndeten\nTrunkenheitsfahrt vom 14.01.1997 habe der Klager mehrfach versucht, die\nFahrerlaubnis wieder zu erlangen, was jedoch daran gescheitert sei, dass er\ndas verlangte medizinisch-psychologische Gutachten nicht habe vorlegen konnen.\nErst daraufhin habe er am 10.03.2005 in Polen die Erteilung einer\nFahrerlaubnis beantragt. Aus der Stellungnahme der polnischen Behorde vom\n04.01.2006 sei zu entnehmen, dass der Klager zum Zeitpunkt seiner\nAntragstellung begrundete Eignungsbedenken zum Fuhren von Kraftfahrzeugen\nnicht offenbart habe. Daruber hinaus habe seine Familie zu diesem Zeitpunkt im\nLandkreis Heilbronn gelebt. Der Klager habe in diesem Zusammenhang auch selbst\nangegeben, dass er seinen vollstandigen Wohnsitz nicht nach Polen verlegt habe\nund auch nicht habe verlegen konnen. Auch wenn im Übrigen der Verstoß gegen\ndas Wohnsitzerfordernis fur sich gesehen es nicht rechtfertige, die\nAnerkennung zu versagen, so sei dieser Verstoß im vorliegenden Fall jedenfalls\nein wesentliches Element des dem Klager vorzuhaltenden Missbrauchsverhaltens. \n--- \n--- \n| 17 \n--- \n| Im Hinblick auf die wahrend des Berufungsverfahrens ergangenen Urteile des\nEuropaischen Gerichtshofs vom 26.06.2008 tragt er weiter vor: Zwar sei im\nFalle des Klagers aus dem polnischen Fuhrerscheindokument nicht ersichtlich,\ndass ein Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis vorliege, da hierin nicht etwa\nein deutscher Wohnsitz aufgefuhrt werde. Jedoch sei infolge der Mitteilung der\npolnischen Behorde, also aufgrund einer Information aus dem Ausstellerstaat\nbekannt, dass das Wohnsitzerfordernis dort gar nicht gepruft worden sei.\nDemgemaß konnten auch die Angaben einer polnischen Adresse im Fuhrerschein\nnicht den Nachweis erbringen, dass der Wohnsitz tatsachlich in Polen genommen\nworden sei. Dies stehe auch im Einklang mit dem melderechtlichen Status des\nKlagers, der seit 01.05.2006 durchgangig in Bad Friedrichshall und dann in Bad\nWimpfen gemeldet sei. Auch nach seinem eigenen Vortrag sei es ihm aufgrund\nseiner familiaren Bindungen im Bundesgebiet niemals moglich gewesen, seinen\ndeutschen Wohnsitz aufzugeben. In diesem Zusammenhang sei der Entscheidung des\nEuropaischen Gerichtshofs vom 26.06.2008 zu entnehmen, dass im Sinne der\nRichtlinien nur ein einziger ordentlicher Wohnsitz existieren konne. Erst\ndurch die Begrundung des Wohnsitzes konne namlich der Ausstellerstaat bestimmt\nwerden, der fur die Prufung der ubrigen Voraussetzungen, insbesondere ob der\nFahrerlaubnisbewerber die erforderliche Eignung besitze, zustandig sei.\nDemgemaß konne der Klager seinen fur die Bestimmung des\nAusstellermitgliedstaats maßgeblichen ordentlichen Wohnsitz nicht gleichsam in\nPolen und in Deutschland gehabt haben. Jedenfalls habe er aber den\nanderweitigen Nachweis zu erbringen, wenn begrundete Zweifel an seiner\nWohnsitznahme in Polen bestunden. Dem widersprachen auch nicht die Vorgaben\ndes Europaischen Gerichtshofs in den Urteilen vom 26.06.2008. Hiernach sei\nlediglich erforderlich, dass die Informationen, aufgrund derer sich der\nVerstoß gegen das Wohnsitzerfordernis feststellen lasse, vom\nAusstellermitgliedstaat herruhrten. Hiernach sei es jedoch nicht\nausgeschlossen, dass bei betrachtlichen Zweifeln eine weitere Aufklarung durch\nden Fuhrerscheininhaber verlangt werden konne. Jedenfalls komme den\nEintragungen in dem Fuhrerschein dann, wenn das Wohnsitzerfordernis\nzweifelsfrei nicht gepruft worden sei, keine Beweisfunktion zu. \n--- \n--- \n| 18 \n--- \n| Der Beklagte beantragt, \n--- \n--- \n| 19 \n--- \n| das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 21. Marz 2007 - 3 K 2703/06\n- zu andern und die Klage abzuweisen. \n--- \n--- \n| 20 \n--- \n| Der Klager beantragt, \n--- \n--- \n| 21 \n--- \n| die Berufung zuruckzuweisen. \n--- \n--- \n| 22 \n--- \n| Zur Begrundung tragt er vor: Es sei zwar richtig, dass die in Polen\nzustandige Behorde mitgeteilt habe, dass vor der Ausstellung des polnischen\nFuhrerscheins das Wohnsitzerfordernis nicht gepruft worden sei. Der\nEuropaische Gerichtshof habe im Urteil vom 26.06.2008 aber festgestellt, dass\neinem Betroffenen nur dann die Fahrberechtigung aberkannt werden konne, wenn\nauf der Grundlage von Angaben im Fuhrerschein oder anderen vom\nAusstellermitgliedstaat herruhrenden unbestreitbaren Informationen feststehe,\ndass zum Zeitpunkt der Ausstellung dieses Fuhrerscheins sein Inhaber auf den\nim Hoheitsgebiet des ersten Mitgliedstaats eine Maßnahme des Entzugs einer\nfruheren Fahrerlaubnis angewendet worden sei, seinen ordentlichen Wohnsitz\nnicht im Hoheitsgebiet des Ausstellermitgliedstaats gehabt habe. Im\nvorliegenden Fall sei eine solche Angabe im Fuhrerschein nicht enthalten. Es\nlagen auch keine unbestreitbaren Informationen des Ausstellermitgliedstaats\nvor, die eine solche Feststellung zuließen. Aus den Angaben in der\nFahrerlaubnis ergebe sich somit gerade nicht, dass er das Wohnsitzerfordernis\nnicht erfullt habe. Aus der Mitteilung der polnischen Behorde vom 04.01.2006\nergebe sich dies ebenfalls nicht. Aus dieser folge lediglich, dass das\nErfordernis nicht gepruft worden sei. Soweit der Beklagte darauf abhebe, dass\ner ununterbrochen seit 2000 in Deutschland gemeldet gewesen sei, so vermoge\ndies keinen Verdacht nahezulegen, dass er seinen Wohnsitz vor Ausstellung des\npolnischen Fuhrerscheins nicht in Polen genommen gehabt habe. Er sei seit 2001\nals selbstandiger Dienstleister insbesondere im Bereich Musik tatig. Seine\nTatigkeit ube er ganz uberwiegend in Polen aus Deshalb sei es auch\nerforderlich gewesen, fur ihn dort Wohnsitz und Wohnung zu nehmen. Dies habe\ner auch getan und in Polen einen Wohnsitz begrundet. Dem Urteil des EuGH lasse\nsich nicht entnehmen, dass eine Person nur einen Wohnsitz haben konne. \n--- \n--- \n| 23 \n--- \n| Der Klager legte in der mundlichen Verhandlung ein an ihn gerichtetes\nSchreiben eines Herrn Uwe S. vom 12.09.2008 vor, das eine polnische Adresse\ntragt und in dem ihm bestatigt wird, er habe in der Zeit von Juni bis November\n2004 in Polen unter einer im Einzelnen naher bezeichneten Anschrift gewohnt. \n--- \n--- \n| 24 \n--- \n| Der Klager erklarte in der mundlichen Verhandlung auf entsprechende Fragen\ndes Senats, dass er sich noch bis August 2005 regelmaßig in Polen aufgehalten\nhabe. Hieruber konne er auch Bestatigungen vorlegen, in der Kurze der Zeit sei\nes aber noch nicht gelungen, sich solche zu beschaffen. Er sei dort, wie Herr\nS. auch, im Musikgeschaft tatig gewesen. Er habe aber auch, nachdem er seine\nMusik in Polen wegen der Aberkennung der Fahrerlaubnis aufgegeben und in\nDeutschland bei der Firma E. angefangen habe, geplant, fur diese in Polen\ntatig zu werden. Er spreche zwar nicht die polnische Sprache, es sei aber\ndarum gegangen, deutsche Schuldner, die sich nach Polen abgesetzt hatten,\nausfindig zu machen. Nach Polen „auswandern" habe er zu keinem Zeitpunkt\nwollen. Er habe mit seiner Familie in Bad Wimpfen und sodann in Bad\nFriedrichshall gelebt. Im Juni 2004 sei sein erstes Kind zur Welt gekommen, im\nMarz 2005 dann Zwillinge. In der Familie lebe auch noch ein Kind aus der\nersten Ehe seiner Frau. In Polen habe er aber auch Bekannte gehabt. \n--- \n--- \n| 25 \n--- \n| Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die von den Beteiligten gewechselten\nSchriftsatze verwiesen. \n--- \n--- \n| 26 \n--- \n| Dem Gericht lagen die vom Landratsamt Heilbronn gefuhrten Fuhrerscheinakten\ndes Klagers sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor. \n--- \n--- \n**II.** \n--- \n| 27 \n--- \n| 1\\. Die vom Senat dem Europaischen Gerichtshof zur Vorabentscheidung\nunterbreiteten Fragen sind fur den Ausgang des Rechtsstreits erheblich. \n--- \n--- \n| 28 \n--- \n| Der Senat hat zunachst erhebliche Zweifel an der Eignung des Klagers zum\nFuhren eines Kraftfahrzeugs, nachdem er im Rahmen zweier in den Jahren 1998\nund 2002 angestrengter Wiedererteilungsverfahren trotz entsprechender\nAufforderungen der Fahrerlaubnisbehorde kein medizinisch-psychologisches\nGutachten vorgelegt hatte. \n--- \n--- \n| 29 \n--- \n| Aufgrund des Vortrags des Klagers im gesamten Verfahren, namentlich in der\nmundlichen Verhandlung, ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der\nKlager zum Zeitpunkt der Ausstellung seiner polnischen Fahrerlaubnis am\n26.04.2005 keinen ordentlichen Wohnsitz im Sinne des Art. 9 RL 91/439/EWG in\nPolen hatte. Aus diesem Grund ware die Bundesrepublik Deutschland berechtigt,\ndie dem Klager ausgestellte polnische Fahrerlaubnis in ihrem Hoheitsgebiet\nnicht anzuerkennen. Dies hatte zur Folge, dass der Senat nach einer Umdeutung\nvon Ziffer 1 der Verfugung des Landratsamts Heilbronn vom 30.11.2005 in einen\nfeststellenden Verwaltungsakt des Inhalts, dass der Klager nicht berechtigt\nist, von seiner polnischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland\nGebrauch zu machen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 09.09.2008 - 10 S 994/07 -\njuris), der Berufung des Beklagten stattgeben und die Klage abweisen musste. \n--- \n--- \n| 30 \n--- \n| Der Senat kann an dieser Stelle offen lassen, ob dem Klager geglaubt werden\nkann, dass er sich im Jahre 2004 und sodann bis August 2005 uberhaupt in\nnennenswertem Umfang und auch regelmaßig aus beruflichen Grunden in Polen\naufgehalten hatte. Hieran bestehen Zweifel, weil seine teilweise wechselnden\nAngaben hierzu im gesamten Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren\nbemerkenswert blass und unprazise geblieben sind. Es ist fur den Senat auch\nnur schwer nachzuvollziehen, dass es dem Klager nicht gelungen sein sollte,\neine Bestatigung uber einen Aufenthalt von Dezember 2004 bis August 2005 zu\nerhalten, wussten er und seine Prozessbevollmachtigte bereits seit Anfang\nAugust 2008 von dem Verhandlungstermin vom 23.09.2008, abgesehen davon dass\nder Senat bereits mit Schreiben vom 08.07.2008 zu erkennen gegeben hatte, dass\ner diesbezugliche Informationen und Nachweise fur erheblich ansieht. Dieser\nFrage ware gegebenenfalls weiter nachzugehen, weshalb der Senat vorsorglich\ndie 2. Vorlagefrage formuliert hat. \n--- \n--- \n| 31 \n--- \n| Jedenfalls ergibt sich aus dem gesamten Vorbringen des Klagers, dass er\nseinen Lebensmittelpunkt wegen seiner Familie zu keinem Zeitpunkt, namentlich\nnicht im Fruhjahr 2005 nach Polen verlegt hatte und er um seiner personlichen\nBindungen willen standig und regelmaßig nach Deutschland zuruckgekehrt war und\nauch niemals beabsichtigt hatte, etwas anderes zu tun, insbesondere, wie er\nsich in der mundlichen Verhandlung ausdruckte, nach Polen „auszuwandern". Dass\ner in Polen auch Bekannte gehabt haben will, wobei er diesen Vortrag\nallerdings nicht naher substantiiert hat, steht dem nicht entgegen. Denn seine\nEhefrau und die drei sehr kleinen Kindern stellen die primaren Bezugspersonen\ndar, die die wichtigsten personlichen Bindungen vermitteln. Welche Intensitat\ndiese Bindungen hatten, wird besonders deutlich aus dem von ihm im\nBeschwerdeverfahren vorgelegten, nicht datierten Schreiben eines Herrmann M.\nHierin wird ausgefuhrt, der Klager habe von Anfang an die Vaterrolle fur die\nTochter seiner Ehefrau (aus erster Ehe) ubernommen und sei immer ein\nliebevoller, umsichtiger und verantwortungsbewusster Vater fur sie gewesen.\nInzwischen hatte die beiden noch drei gemeinsame Kinder dazu bekommen. Die\nZwillinge, die, wie der Senat anmerkt, im Marz 2005, somit kurz vor\nAusstellung des polnischen Fuhrerscheins, geboren wurden, seien eine\nFruhgeburt gewesen und es habe kritisch um sie gestanden. Die Ehefrau habe in\ndieser Zeit postnatale Probleme gehabt und habe die Kinder zunachst nicht\nannehmen konnen. Dass die Ehefrau diese Krise so schnell und gut uberwunden\nhabe, liege zum großen Teil daran, dass sie in dieser Zeit massive\nUnterstutzung von ihrem Mann erhalten habe. Er sei immer da gewesen, habe viel\nZeit im Krankenhaus bei den Kindern verbracht und damit seine Frau entlastet\nund den Kindern den dringend notigen Kontakt korperlicher und seelischer Art\ngeboten. Zur Abrundung des gesamten Bildes kommt hinzu, dass der Klager seinem\ndurch schriftliche Bestatigungen untermauerten Vortrag zufolge seit dem Jahre\n2001 bis jedenfalls Anfang 2006 mit hoher Intensitat und regelmaßig fur\nverschiedene Square Dance Clubs im Raum H. tatig war. Bei alledem ist es fur\nden Senat offenkundig, dass der Klager im maßgeblichen Zeitpunkt seinen\nordentlichen Wohnsitz im Sinne des Art. 9 UA 2 Satz 1 RL 91/439/EWG in der\nBundesrepublik Deutschland hatte und diesen nicht nach Polen verlegt hatte.\nDie Überzeugungsbildung des Senats beruht allerdings ausnahmslos auf den\nAngaben des Klagers im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, namentlich in der\nmundlichen Verhandlung vor dem Senat. \n--- \n--- \n| 32 \n--- \n| 2\\. Der Europaische Gerichtshof stellt in seinen Urteilen vom 26.06.2008\n(C-334/06 u.a.) ausdrucklich die Prufung des Wohnsitzerfordernisses heraus, da\ndieses in besonderem Maße der Gewahrleistung der Sicherheit des\nStraßenverkehrs diene (Rdn. 64 ff. in der Sache Zerche sowie Rdn. 67 ff. in\nder Sache Wiedemann). Dabei spielt nach Auffassung des Senats die Überlegung\neine wesentliche Rolle, dass nur die hierdurch vermittelte dauerhafte\nraumliche Nahe zwischen dem Fuhrerscheinbewerber und der Fahrerlaubnisbehorde\neine sachgerechte Prufung der Erteilungsvoraussetzungen ermoglicht und\ngewahrleistet. In teilweiser Abkehr von den im Urteil vom 29.04.2004 (C-476/01\n<Kapper>) aufgestellten Grundsatzen lasst der Gerichtshof nunmehr eine Prufung\nder Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses durch den Aufnahmemitgliedstaat\ngrundsatzlich zu. In Rdn. 69 f. bzw. Rdn. 72 f. nimmt der Gerichtshof jedoch\nohne weitere Begrundung eine sachliche Beschrankung der Erkenntnisquellen des\nAufnahmemitgliedstaats vor. Es durfen hiernach nur der im Fuhrerschein selbst\neingetragene Wohnsitz sowie „unbestreitbare Informationen" aus dem\nAusstellermitgliedstaat verwertet werden, die in einen ausdrucklichen\nGegensatz zu den vom Aufnahmemitgliedstaat herruhrenden Informationen gestellt\nwerden, deren Berucksichtigung nicht zulassig sein soll. Der Senat geht in\ndiesem Zusammenhang davon aus, dass dem die Überlegung zugrunde liegt, dass\ndiese im Ausstellermitgliedstaat objektiv vorhandenen Informationen in aller\nRegel von diesem bei sachgerechter Prufung hatten berucksichtigt werden konnen\nund auch mussen, weshalb insoweit bei typisierender Betrachtungsweise im Falle\nder Nichterfullung des Wohnsitzerfordernisses ein zurechenbarer Verstoß gegen\ndie Standards der Richtlinie vorliegen wird. Dabei wird fur die Beschrankung\nauf Informationen aus dem Ausstellermitgliedstaat auch maßgeblich gewesen\nsein, zu verhindern, dass infolge eines umfassenden Prufungsverfahrens der\nAnerkennungsgrundsatz in seiner Wirksamkeit beeintrachtigt wird. \n--- \n--- \n| 33 \n--- \n| 3\\. Zu den Vorlagefragen im Einzelnen \n--- \n--- \n| 34 \n--- \n| a) Erste Vorlagefrage \n--- \n--- \n| 35 \n--- \n| Fur den Senat steht nach den Ausfuhrungen des Europaischen Gerichtshofs in\nden Urteilen vom 26.06.2008 nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, ob\ndie dort erfolgte Aufzahlung der vom Aufnahmemitgliedstaat zulassiger Weise\nverwertbaren Informationsquellen in einer strikt abschließenden Weise gemeint\nist derart, dass - insoweit im vorliegenden Fall entscheidungserheblich - vom\nFuhrerscheininhaber stammende Informationen nicht verwertet werden durfen, die\ndieser im Rahmen der nationalen Vorschriften uber die Obliegenheiten zur\nMitwirkung bei der Aufklarung des entscheidungserheblichen Sachverhalts (vgl.\n§ 26 Abs. 2 Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes und vergleichbare\nVorschriften der Lander bzw. § 86 Abs. 1 2. Halbs. Verwaltungsgerichtsordnung)\nzu unterbreiten hat. Der Senat geht in diesem Zusammenhang im Hinblick auf den\ngrundsatzlichen Vorbehalt zugunsten des nationalen Verfahrensrechts (vgl.\nhierzu EuGH, U.v. 21.09.1983 - C-205/82 <Milchkontor>) davon aus, dass\nderartige, eine Mitwirkungsobliegenheit begrundenden Vorschriften\ngemeinschaftsrechtlich unbedenklich sind. Gleichermaßen ist es nach Auffassung\ndes Senats gemeinschaftsrechtlich unbedenklich, wenn das nationale\nVerfahrensrecht an eine zu vertretende Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit\ndann, wenn keine anderweitigen Ansatze fur eine Sachverhaltaufklarung\nbestehen, die Rechtsfolge knupft, dass diese Verletzung ihm Rahmen einer\numfassenden Sachverhalts- und Beweiswurdigung zum Nachteil des Betroffenen\ngewurdigt werden darf (vgl. Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs,\nVerwaltungsverfahrensgesetz, 7, Aufl., § 26 Rdn. 52 und 55; Hofling/Rixen, in:\nSodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Auf., § 86 Rdn. 69 ff. jew.\nm.w.N.) \n--- \n--- \n| 36 \n--- \n| Trifft es zu, dass tragender Grund fur die Beschrankung auf Informationen\naus dem Ausstellermitgliedstaat der ist, dass es sich um Informationen\nhandelt, die dieser an sich zur Verfugung hatte haben konnen, so liegt es\nnahe, eine Verwertung von Angaben, die vom Fuhrerscheininhaber selbst stammen,\nzuzulassen. Denn diese hatte er, wenn er die Fahrerlaubnisbehorde des\nAusstellermitgliedstaats nicht getauscht hatte oder wenn diese zumindest\nsorgfaltig befragt und gepruft hatte, im Ausstellermitgliedstaat offenbaren\nmussen mit der Folge, dass sie auch dort vorgelegen hatten. Bedenkt man, dass\nder Betroffene selbst eine der wichtigsten Informationsquellen sein wird, wenn\nes um seine private und berufliche Lebensgestaltung geht, so gibt es nach dem\nVorgesagten auch in der Sache keinen rechtfertigenden Grund dafur, von ihm\nstammende Informationen nicht zu verwerten. \n--- \n--- \n| 37 \n--- \n| b) Zweite Vorlagefrage \n--- \n--- \n| 38 \n--- \n| Diese Frage wird nur gestellt fur den Fall, dass die 1. Frage verneint wird.\nDa, wie bereits dargelegt, der Senat davon ausgeht, dass sich der Klager zu\ndem hier maßgeblichen Zeitpunkt nicht in nennenswertem Umfang aus beruflichen\nGrunden in Polen aufgehalten hat, kommt in Betracht, in Polen weitere\nInformationen einzuholen, etwa bei der Melde- bzw. Polizeibehorde der im\nFuhrerschein bezeichneten Wohngemeinde und dem Vermieter, nachdem hierdurch im\nAusstellermitgliedstaat eine Wohnanschrift ermittelt werden konnte. \n--- \n--- \n| 39 \n--- \n| Wiederum ausgehend davon, das der Grund fur die Beschrankung auf die\nInformationen aus dem Ausstellermitgliedstaat darin liegt, dass diese\nInformationen in der Regel dort vorgelegen haben und daher gesammelt und\ngepruft hatten werden konnen, sieht der Senat keinen Grund dafur, nur solche\nInformationen zu berucksichtigen, die bereits aktuell vorliegen, und von einem\nstrikten Verbot weiterer Untersuchungen und Nachfragen im\nAusstellermitgliedstaat auszugehen. Denn gerade die der Beschrankung zugrunde\nliegende Überlegung, dass die Informationen der Fahrerlaubnisbehorde des\nAusstellermitgliedstaats hatten vorliegen konnen, impliziert, dass diese zwar\nvon ihr noch nicht gesammelt und festgestellt wurden, aber bei anderen\nBehorden oder privaten Personen oder Institutionen im Ausstellermitgliedstaat\nbereits objektiv und abrufbar vorliegen. Mit der Verwendung des Begriffs\n„unbestreitbar" durch den Gerichtshof wurde dann nur die\nSelbstverstandlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass diese Tatsachen zur\nÜberzeugung der nationalen Behorden und Gerichte beweiskraftig feststehen\nmussen. \n--- \n--- \n| 40 \n--- \n| Sind derartige Untersuchungen und Ermittlungen zulassig, so sind diese\nallerdings nur dann zu rechtfertigen, wenn der bislang ermittelte Sachverhalt\nausreichend aussagekraftige Anhaltspunkte dafur abgibt, dass das\nWohnsitzerfordernis nicht erfullt war. Andernfalls ware, wie unter II 2\ndargelegt, die Effektivitat des Anerkennungsgrundsatzes in Frage gestellt. \n--- \n--- \n| 41 \n--- \n| Die fur weitere Ermittlungen unerlasslichen Anhaltspunkte liegen hier darin\nbegrundet, dass die polnische Fahrerlaubnisbehorde nach ihren eigenen Angaben\nden Wohnsitz nicht gepruft hatte. \n--- \n--- \n| 42 \n--- \n| Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). \n---\n\n
175,003
eugh-2000-10-12-c-2899
2
Europäischer Gerichtshof
eugh
Europäische Union
C-28/99
2000-10-12
2019-01-31 19:09:24
2019-01-31 19:09:24
Schlussantrag des Generalanwalts
ECLI:EU:C:2000:561
[**Wichtiger rechtlicher Hinweis**](http://europa.eu.int/eur-\nlex/lex/de/editorial/legal_notice.htm) \n\n_|_\n\n# 61999C0028\n\n**Schlussantr age des Generalanwalts Leger vom 12. Oktober 2000. -\nStrafverfahren gegen Jean Verdonck, Ronald Everaert und Edith de Baedts. -\nErsuchen um Vorabentscheidung: Rechtbank van eerste aanleg te Gent - Belgien.\n- Richtlinie 89/592/EWG - Nationale Regelung fur Insidergeschafte - Befugnis\nder Mitgliedstaaten, strengere Vorschriften zu erlassen - Allgemein geltende\nnationale Vorschrift. - Rechtssache C-28/99. ** \n_ \nSammlung der Rechtsprechung 2001 Seite I-03399 \n_\n\n \n\n## Schlußantrage des Generalanwalts\n\n \n _\n\n1\\. Herr Verdonck, Herr Everaert und Frau De Baedts sind alle drei Mitglieder\ndes Verwaltungsrats der Ter Beke NV, der beschlossen hat, das Unternehmen\nChilled Food Business, einen Unternehmensbereich der Unilever NV, zu erwerben.\nSie werden von der belgischen Justiz strafrechtlich wegen Insidergeschaften\nverfolgt. Man wirft ihnen vor, Insiderinformationen ausgenutzt zu haben, um an\nder Borse Kaufauftrage fur Aktien von Ter Beke zu erteilen.\n\n2\\. Die Angeklagten machen geltend, die belgische Regelung fur\nBorsentransaktionen, die der gegen die sie eingeleiteten Strafverfolgung\nzugrunde liege, entspreche nicht der Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13.\nNovember 1989 zur Koordinierung der Vorschriften betreffend Insidergeschafte.\n\n3\\. Sie berufen sich auf Artikel 6 der Richtlinie, wonach die Mitgliedstaaten\nstrengere Vorschriften als die in der Richtlinie vorgesehenen erlassen konnen,\nsofern diese Vorschriften allgemein gelten.\n\n4\\. Ihres Erachtens ist das belgische Gesetz strenger als die Richtlinie, da\nes nicht vorschreibe, dass ein Kausalzusammenhang zwischen dem Besitz von\nInsiderinformationen durch einen Insider und der Vornahme einer\nBorsentransaktion durch diesen nachgewiesen werden musse. Andererseits\nenthalte das Gesetz eine Ausnahmevorschrift zugunsten von\nHoldinggesellschaften. Das belgische Gesetz verstoße gegen das\nGemeinschaftsrecht, indem es den ihnen gegenuber angewandten Straftatbestand\nverscharfe, dabei jedoch Holdinggesellschaften ausnehme.\n\n5\\. Somit hat der Gerichtshof Artikel 6 der Richtlinie im Hinblick darauf\nauszulegen, uber welchen Entscheidungsspielraum ein Mitgliedstaat verfugt,\nwenn er beschließt, die Richtlinie durch strengere Vorschriften als die in ihr\nvorgesehenen umzusetzen, diese Bestimmungen jedoch zugunsten von\nHoldinggesellschaften beschrankt.\n\nI - Rechtlicher Rahmen\n\nA - Gemeinschaftsrecht\n\n6\\. Nach der Richtlinie ist der Erlass einer koordinierten Regelung auf\nGemeinschaftsebene im Bereich der Insidergeschafte durch die Notwendigkeit\ngerechtfertigt, das reibungslose Funktionieren des Sekundarmarktes fur\nWertpapiere zu gewahrleisten. Der Markt musse Vertrauen bei den Anlegern\nschaffen, denn er spiele bei der Finanzierung der Wirtschaftssubjekte ein\nwichtige Rolle. Das Vertrauen beruht unter anderem auf der den Anlegern\ngegebenen Zusicherung, dass sie gleichgestellt sind und dass sie gegen die\nunrechtmaßige Verwendung einer Insiderinformation geschutzt werden".\n\n7\\. Nach Artikel 1 Nummer 1 der Richtlinie ist unter Insiderinformation" zu\nverstehen eine nicht offentlich bekannte prazise Information, die einen oder\nmehrere Emittenten von Wertpapieren oder ein oder mehrere Wertpapiere betrifft\nund die, wenn sie offentlich bekannt wurde, geeignet ware, den Kurs dieses\nWertpapiers oder dieser Wertpapiere betrachtlich zu beeinflussen".\n\n8\\. In Artikel 2 der Richtlinie heißt es:\n\n(1) Jeder Mitgliedstaat untersagt den Personen, die\n\n\\- als Mitglieder eines Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des\nEmittenten,\n\n\\- durch ihre Beteiligung am Kapital des Emittenten\n\noder\n\n\\- aufgrund ihrer Arbeit, ihres Berufs oder ihrer Aufgaben zu dieser\nInformation Zugang haben,\n\nuber eine Insiderinformation verfugen, unter Ausnutzung derselben in Kenntnis\nder Sache fur eigene oder fremde Rechnung entweder selbst oder indirekt die\nWertpapiere des bzw. der von dieser Information betroffenen Emittenten zu\nerwerben oder zu veraußern.\n\n(2) Sofern es sich bei den in Absatz 1 genannten Personen um Gesellschaften\noder andere juristische Personen handelt, gilt das dort ausgesprochene Verbot\nfur die naturlichen Personen, die an dem Beschluss beteiligt sind, das\nGeschaft fur Rechnung der betreffenden juristischen Person zu tatigen."\n\n9\\. Artikel 6 Satz 1 der Richtlinie lautet wie folgt:\n\nJeder Mitgliedstaat kann strengere Vorschriften als die in dieser Richtlinie\nvorgesehenen oder zusatzliche Vorschriften erlassen, sofern diese Vorschriften\nallgemein gelten."\n\nB - Nationales Recht\n\n10\\. Die Richtlinie wurde durch die Artikel 181 bis 189 des Gesetzes vom 4.\nDezember 1990 uber finanzielle Transaktionen und die Finanzmarkte in das\nbelgische Recht umgesetzt.\n\n11\\. Artikel 181 des Gesetzes von 1990 definiert den Begriff\nInsiderinformationen" wie folgt:\n\nFur die Zwecke der Anwendung dieses Buches sind Insiderinformationen nicht\noffentlich bekannte hinreichend prazise Informationen, die einen oder mehrere\nEmittenten von Wertpapieren oder anderen Finanzierungspapieren oder ein oder\nmehrere Wertpapiere oder andere Finanzierungspapiere betreffen und die, wenn\nsie offentlich bekannt wurden, geeignet waren, den Kurs dieses Wertpapiers,\ndieser Wertpapiere, dieses anderen Finanzierungspapiers oder dieser anderen\nFinanzierungspapiere betrachtlich zu beeinflussen.\n\nAls Insiderinformationen gelten nicht Informationen, uber die\nHoldinggesellschaften in Ausubung ihrer Funktionen bei der Verwaltung von\nGesellschaften, an denen sie beteiligt sind, verfugen, sofern es sich dabei\nnicht um Informationen handelt, die aufgrund der Rechtsvorschriften uber die\nVerpflichtungen zu veroffentlichen sind, die sich aus der Zulassung von\nWertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierborse ergeben."\n\n12\\. Artikel 182 Absatz 1 des Gesetzes von 1990 bestimmt:\n\nPersonen, die\n\n1\\. als Mitglieder eines Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans des\nEmittenten,\n\n2\\. durch ihre Beteiligung am Kapital des Emittenten oder\n\n3\\. aufgrund ihrer Arbeit, ihres Berufs oder ihrer Aufgaben zu dieser\nInformation Zugang haben,\n\nuber eine Information verfugen, von der ihnen bekannt ist oder\nvernunftigerweise bekannt sein musste, dass es sich dabei um eine\nInsiderinformation handelt, ist es verboten, fur eigene oder fremde Rechnung\nentweder selbst oder indirekt die Wertpapiere oder andere\nFinanzierungspapiere, die diese Information betrifft, zu erwerben oder zu\nveraußern."\n\n13\\. Holdinggesellschaften sind in Artikel 1 der Koniglichen Verordnung Nr. 64\nvom 10. November 1967 zur Regelung der Stellung der Holdinggesellschaften in\nder zuletzt durch Gesetz vom 22. Marz 1993 geanderten Fassung definiert.\n\n14\\. Nach dieser Bestimmung sind Holdinggesellschaften:\n\n1\\. die Gesellschaften belgischen Rechts, die Beteiligungen an einer oder\nmehreren belgischen oder auslandischen Tochtergesellschaften besitzen, die\nihnen rechtlich oder tatsachlich die Macht verleihen, deren Tatigkeit zu\nleiten, sofern\n\na) sich diese Gesellschaften oder alle oder bestimmte ihrer Tochter- oder\nEnkelgesellschaften in Belgien zum Zweck der Ausgabe oder des Absatzes ihrer\nAktien oder Anteile an die Öffentlichkeit gewandt haben;\n\nb) der Wert ihrer Beteiligungen insgesamt mindestens funfhundert Millionen\nFranken erreicht oder mindestens die Halfte ihrer Eigenmittel darstellt;\n\n2\\. die Gesellschaften belgischen Rechts, die oder deren Tochter- oder\nEnkelgesellschaften sich in Belgien zum Zweck der Ausgabe oder des Absatzes\nihrer Aktien oder Anteile an die Öffentlichkeit gewandt haben und die Tochter-\noder Enkelgesellschaften auslandischer Gesellschaften oder Einrichtungen sind,\ndie unmittelbar oder mittelbar an Gesellschaften belgischen Rechts\nBeteiligungen besitzen, deren Wert insgesamt mindestens funfhundert Millionen\nFranken erreicht oder mindestens die Halfte ihrer Eigenmittel darstellt."\n\nII - Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Verfahren\n\n15\\. Der Verwaltungsrat von Ter Beke prufte in seinen Sitzungen vom 22. August\n1995 und vom 10. Oktober 1995 die Moglichkeiten eines Erwerbs der Firma\nChilled Food Business. Am 19. Dezember 1995 billigte er ein Angebot auf\nÜbernahme dieses Unternehmens.\n\n16\\. Am 5. Marz 1996 unterzeichneten Ter Beke und Unilever eine\nAbsichtserklarung, die am selben Tag veroffentlicht wurde und in der der\nWunsch der beiden Unternehmen zum Ausdruck gebracht wurde, die zwischen ihnen\nlaufenden Verhandlungen exklusiv fortzusetzen. Am 18. Marz 1996, nach der\nVeroffentlichung dieser Absichtserklarung, stieg der Kurs der Aktien von Ter\nBeke von 2 800 BEF auf 3 230 BEF, d. h. um 15,3 %.\n\n17\\. Am 14. Mai 1996 unterzeichneten Ter Beke und Unilever die Vereinbarung\nuber den Erwerb von Chilled Food Business.\n\n18\\. Vom 6. bis zum 8. Februar 1996 erteilten die Angeklagten Borsenauftrage,\ndie zum Erwerb von Aktien von Ter Beke zum Kurs von 2 590 BEF fuhrten.\n\n19\\. Die Staatsanwaltschaft erhob gegen die Angeklagten bei der Rechtbank van\neerste aanleg Gent Anklage mit der Begrundung, sie hatten durch den Erwerb der\nAktien von Ter Beke vor der Veroffentlichung der Absichtserklarung, die diese\nGesellschaft gemeinsam mit Unilever abgegeben habe, unter Verstoß gegen die\nArtikel 181 bis 183 und 189 des Gesetzes von 1990 rechtswidrig eine\nInsiderinformation ausgenutzt.\n\nIII - Vorlagefragen\n\n20\\. Die Rechtbank van eerste aanleg Gent ist der Ansicht, dass die\nEntscheidung des Rechtsstreits von der Auslegung des Artikels 6 der Richtlinie\n89/592 abhange; sie hat daher das Verfahren mit Urteil vom 27. Januar 1999\nausgesetzt und dem Gerichtshof folgende drei Fragen zur Vorabentscheidung\nvorgelegt:\n\n1\\. Lasst Artikel 6 der Richtlinie 89/592/EWG vom 13. November 1989 zur\nKoordinierung der Vorschriften betreffend Insidergeschafte, wonach ,[j]eder\nMitgliedstaat ... strengere Vorschriften als die in dieser Richtlinie\nvorgesehenen oder zusatzliche Vorschriften erlassen [kann], sofern diese\nVorschriften allgemein gelten ..., es zu, dass Rechtsvorschriften eines\nMitgliedstaats den Tatbestand strenger definieren, aber fur eine bestimmte\nKategorie von Gesellschaften, namlich Holdinggesellschaften, eine spezifische\nAusnahme von dieser strengeren Definition vorsehen?\n\n2\\. Steht die Durchfuhrung der Richtlinie 89/592/EWG, in Belgien durch Artikel\n181 des Gesetzes vom 4. Dezember 1990 uber finanzielle Transaktionen und die\nFinanzmarkte umgesetzt, im Einklang mit Artikel 6 dieser Richtlinie?\n\nArtikel 181 lautet: ,Fur die Zwecke der Anwendung dieses Buches sind\nInsiderinformationen: nicht offentlich bekannte hinreichend prazise\nInformationen, die einen oder mehrere Emittenten von Wertpapieren oder anderen\nFinanzierungspapieren oder ein oder mehrere Wertpapiere oder andere\nFinanzierungspapiere betreffen und die, wenn sie offentlich bekannt wurden,\ngeeignet waren, den Kurs dieses Wertpapiers, dieser Wertpapiere, dieses\nanderen Finanzierungspapiers oder dieser anderer Finanzierungspapiere\nbetrachtlich zu beeinflussen.\n\nAls Insiderinformationen gelten nicht Informationen, uber die\nHoldinggesellschaften in Ausubung ihrer Funktionen bei der Verwaltung von\nGesellschaften, an denen sie beteiligt sind, verfugen, sofern es sich dabei\nnicht um Informationen handelt, die aufgrund der Rechtsvorschriften uber die\nVerpflichtungen zu veroffentlichen sind, die sich aus der Zulassung von\nWertpapieren zur amtlichen Notierung an einer Wertpapierborse ergeben.\n\nDie Vorschriften dieses Buches gelten fur Wertpapiere und andere\nFinanzierungspapiere im Sinne des Artikels 1.\n\n3\\. Falls ein Mitgliedstaat die Richtlinie 89/592/EWG so umgesetzt hat, wie\ndies der belgische Gesetzgeber in Artikel 181 des Gesetzes vom 4. Dezember\n1990 uber finanzielle Transaktionen und die Finanzmarkte getan hat, und diese\nUmsetzung gegen die Richtlinie verstoßen sollte, ist die strengere Vorschrift\ndann als nicht zum nationalen Recht gehorend anzusehen oder ist sie weiter\nuneingeschrankt anzuwenden, und zwar auch auf Holdinggesellschaften?"\n\nIV - Vorbemerkungen\n\n21\\. Die erste und die zweite Frage gehen dahin, ob eine nationale Regelung in\nAnbetracht der Richtlinie rechtmaßig ist, wenn sie wie das Gesetz von 1990\nHoldinggesellschaften teilweise von dem in der Richtlinie vorgesehenen Verbot\nder Insidergeschafte ausnimmt, indem sie es ihnen erlaubt, bestimmte\nInformationen, uber die sie in Ausubung ihrer Rolle bei der Verwaltung anderer\nGesellschaften verfugen, zu nutzen.\n\n22\\. Beide Fragen betreffen die Auslegung von Artikel 6 der Richtlinie, der\ndas Recht zum Erlass von Umsetzungsvorschriften, die strenger als die in der\nRichtlinie vorgesehenen Vorschriften sind, von der Voraussetzung abhangig\nmacht, dass diese Vorschriften allgemein anwendbar sind. Der nationale\nGesetzgeber hat insofern eine strengere Vorschrift gewahlt, als Artikel 182\ndes Gesetzes von 1990 nicht vorschreibt, dass ein Kausalzusammenhang zwischen\ndem Besitz von Insiderinformationen und dem Vorgehen des Insiders auf dem\nMarkt fur die Wertpapiere, auf die sich diese Informationen beziehen, bewiesen\nwerden muss. Der Nachweis eines Verstoßes lasst sich somit leichter fuhren.\n\n23\\. Die erste Frage geht dahin, ob die Ausnahme zulassig ist, aufgrund deren\nHoldinggesellschaften in bestimmten Fallen von dem Verbot von\nInsidergeschaften ausgenommen sind, das durch das nationale Recht in\nstrengerer Weise umgesetzt worden ist.\n\n24\\. In der zweiten Frage stellt das vorlegende Gericht zwar auf Artikel 6 der\nRichtlinie ab, verweist aber nicht mehr unmittelbarer auf die strengere\nDefinition der Insidergeschafte, soweit sich diese Frage darauf bezieht, dass\ndas belgische Recht kein Kausalitatserfordernis enthalt. Es befragt Sie nach\nder Definition der Insiderinformationen" im nationalen Recht, einer Kategorie,\nvon der bestimmte Informationen, uber die die Holdinggesellschaften verfugen,\nausgeschlossen sind, was es diesen ermoglicht, diese Informationen zu ihren\nGunsten zu verwenden, ohne die Sanktionen gegen diejenigen auf sich zu ziehen,\ndie gegen die Regelung fur finanzielle Transaktionen und die Finanzmarkte\nverstoßen.\n\n25\\. Es vermag zu uberraschen, dass eine Auslegung von Artikel 6 der\nRichtlinie fur eine Beantwortung der zweiten Frage als notwendig erachtet\nwird. Artikel 181 des Gesetzes von 1990 enthalt offenkundig keine strengere"\nVorschrift im Sinne dieser Bestimmung.\n\n26\\. Soweit nach Artikel 181 des Gesetzes von 1990 bestimmte Informationen,\nuber die die Holdinggesellschaften verfugen, nicht als Insiderinformationen\ngelten, sind diese Gesellschaften vom Geltungsbereich der Transaktionen von\nInsidern verbietenden Regelung ausgenommen, wenn sie von diesen Informationen\nGebrauch machen. Somit stellt sich das Gesetz von 1990 als weniger streng als\ndie Richtlinie dar, denn es nimmt vom Verbot der Insidergeschafte eine Reihe\nvon Transaktionen aus, die Holdinggesellschaften an der Borse aufgrund von\nInformationen tatigen, die nicht zur Veroffentlichung bestimmt sind.\n\n27\\. Tatsachlich erweist es sich, betrachtet man die beiden Fragen gemeinsam,\ndass das vorlegende Gericht letztlich nur uber ein und dieselbe Frage\naufgeklart werden mochte: Steht die Abweichung von dem im nationalen Recht\neingefuhrten strengeren Verbot von Insidergeschaften, das durch eine besondere\nDefinition des Begriffes Insiderinformation" zum Ausdruck kommt, mit Artikel 6\nder Richtlinie im Einklang?\n\n28\\. Daher sind die ersten beiden Fragen gemeinsam zu prufen.\n\nV - Zu den ersten beiden Fragen\n\n29\\. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof nach standiger\nRechtsprechung zwar gemaß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) nicht\nuber die Vereinbarkeit einer nationalen Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht\nbefinden kann, doch befugt ist, dem vorlegenden Gericht alle Kriterien fur die\nAuslegung des Gemeinschaftsrechts an die Hand zu geben, die dieses in die Lage\nversetzen, bei der Entscheidung des bei ihm anhangigen Verfahrens die Frage\nder Vereinbarkeit dieser Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht zu beurteilen.\n\n30\\. Im Übrigen bedurfen die Vorlagefragen zusatzlicher Erlauterungen, damit\nsie geklart werden konnen. Artikel 181 Absatz 2 des Gesetzes von 1990\nunterscheidet bei den Informationen, uber die die Holdinggesellschaften\nverfugen, zwischen denjenigen, die nicht zu den Insiderinformationen gehoren,\nund denjenigen, die als solche einzustufen sind, weil sie aufgrund der\nRechtsvorschriften uber die Verpflichtungen zu veroffentlichen sind, die sich\naus der Zulassung von Wertpapieren zur amtlichen Notierung an einer\nWertpapierborse ergeben".\n\n31\\. Durch diese Unterscheidung gibt diese Bestimmung eine Definition der\nNicht-Insiderinformationen, die offenkundig nicht samtliche Informationen\numfasst, uber die Holdinggesellschaften verfugen. Es wird nicht gesagt, dass\nalle Informationen uber die Gesellschaften, an denen die Holdinggesellschaften\nBeteiligungen halten, schon allein aufgrund dieses Umstandes von der genannten\nEinstufung ausgenommen sind. Es ware daher ubereilt, mit den Angeklagten zu\ndem Ergebnis zu gelangen, dass allein die Eigenschaft als Holdinggesellschaft\nausreicht, um die rechtliche Regelung fur diese Informationen zu bestimmen.\n\n32\\. Die Antwort auf die Vorlagefragen kann fur das belgische Gericht nur dann\nzweckdienlich sein, wenn die Art der Informationen genau bekannt ist, bei\ndenen es sich nach Artikel 181 Absatz 2 des Gesetzes von 1990 weiterhin um\nInsiderinformationen" handelt. Das Vorlageurteil enthalt hierzu jedoch keine\nAngaben. Die belgische Regierung erklart dagegen Folgendes: Zum Zeitpunkt des\nden Angeklagten zur Last gelegten Sachverhalts waren die Gesellschaften, deren\nAnteilsscheine zur offiziellen Notierung an einer Wertpapierborse zugelassen\nwaren, verpflichtet, ,unverzuglich jede Tatsache oder Entscheidung zu\nveroffentlichen, von der sie Kenntnis haben und die, wenn sie offentlich\nbekannt wurde, geeignet ware, den Kurs der Aktien an der Borse betrachtlich zu\nbeeinflussen".\n\n33\\. Es ist daher davon auszugehen, dass es sich bei den Informationen im\nSinne von Artikel 181 Absatz 2 des Gesetzes von 1990, die nach den Rechts- und\nVerwaltungsvorschriften uber die Verpflichtungen, die sich aus der Zulassung\nvon Wertpapieren zur offiziellen Notierung an einer Wertpapierborse ergeben,\nzu veroffentlichen sind, um diejenigen handelt, deren Verbreitung geeignet\nware, den Kurs der betroffenen Wertpapiere erheblich zu beeinflussen. Nach\nnationalem Recht handelt es sich bei diesen Informationen um\nInsiderinformationen".\n\n34\\. Demgemaß konnen die Fragen genauer formuliert werden. Sie sind so zu\nverstehen, dass sie dahin gehen, ob Artikel 6 der Richtlinie einer nationalen\nRegelung wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegensteht, die strengere\nVoraussetzungen festlegt, als sie in der Richtlinie vorgesehen sind, dabei\njedoch von ihrem Geltungsbereich die Informationen, uber die die\nHoldinggesellschaften aufgrund ihrer Rolle bei der Verwaltung ihrer\nTochtergesellschaften verfugen, ausschließt, da diese Informationen den Kurs\nder Wertpapiere nicht beeinflussen konnen.\n\n35\\. Bei der Betrachtung von Artikel 181 des Gesetzes von 1990 wird deutlich,\ndass die Ausnahme fur Holdinggesellschaften diese Gesellschaften nicht\nspeziell von dem strengeren Verbot des Gesetzes von 1990 ausnimmt, sondern\nallgemeiner von dem Verbot aufgrund der Richtlinie, eine Insiderinformation in\nKenntnis der Sache auszunutzen. Das Gesetz von 1990 behalt diesen\nGesellschaften nicht nur eine Regelung vor, die sich durch eine weniger\nstrenge Abgrenzung des Geltungsbereichs des Verbotes auszeichnet. Es nimmt\nganz einfach bestimmte Informationen, die sich im Besitz der\nHoldinggesellschaften befinden, von seiner Definition der\nInsiderinformationen" aus, deren Ausnutzung die Richtlinie verbietet. Damit\nbegrundet das Gesetz von 1990 eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbotes dieser\nGeschafte unabhangig von der Art und Weise, auf die sie der nationale\nGesetzgeber in sein Recht umzusetzen entschieden hat. Es unterscheidet somit\nnicht zwischen einer strengeren grundsatzlichen Bestimmung, die durch\nSanktionen gekennzeichnet ist, deren Verhangung nicht vom Nachweis eines\nKausalzusammenhangs abhangt, und einer Ausnahme fur Holdinggesellschaften, mit\nder diese den gleichen Sanktionen ausgesetzt werden, sofern dieser\nZusammenhang dargetan ist.\n\n36\\. Will man sich daher dessen vergewissern, dass gemaß Artikel 6 der\nRichtlinie keine diskriminierende Unterscheidung zwischen den verschiedenen\nWirtschaftsteilnehmern vorgenommen wird, so ist zuvor zu prufen, ob es dieser\nArtikel erlaubt, von seinem Geltungsbereich eine Kategorie von\nWirtschaftsteilnehmern wie die Holdinggesellschaften auszunehmen.\n\n37\\. Wenn dem so sein sollte, wurden die Mitgliedstaaten, die strengere\nVorschriften erlassen, nicht im Widerspruch zu der Voraussetzung der\nallgemeinen Anwendbarkeit der Umsetzungsnorm handeln, denn die\nGemeinschaftsregelung wurde es von Anfang an erlauben, bestimmte\nGesellschaften von ihrem Anwendungsbereich auszunehmen. Die strengeren\nVorschriften des nationalen Rechts mussten als allgemein anwendbar im Sinne\nvon Artikel 6 der Richtlinie betrachtet werden.\n\n38\\. Ware dies jedoch nicht der Fall, so wurde die Zulassigkeit der Ausnahme\nvon der engeren Definition, die das nationale Recht den Insidergeschaften\ngibt, in Frage gestellt. Wahrscheinlich wurde Artikel 6 der Richtlinie einer\nstrengeren Regelung entgegenstehen, die in ihren Geltungsbereich nicht die\nselbst der Richtlinie unterfallenden Wirtschaftsteilnehmer einbezoge, und auf\ndiese Weise den diskriminierenden Charakter der anwendbaren Regelung\nenthullen.\n\nZum Geltungsbereich der Richtlinie: das Recht der Holdinggesellschaften,\nbestimmte Informationen auf einem Wertpapiermarkt auszunutzen\n\n39\\. Es sei daran erinnert, dass nach Artikel 1 Nummer 1 der Richtlinie der\nBegriff Insiderinformation" drei Merkmale umfasst. Eine Information ist dann\neine Insiderinformation, wenn sie prazise, nicht offentlich bekannt und ferner\ngeeignet ist, den Kurs der Wertpapiere, auf die sie sich bezieht, betrachtlich\nzu beeinflussen.\n\n40\\. Eine bloße Vermutung kann wegen ihres vagen und unbestimmten Charakters\nnoch keine Insiderinformation darstellen. Ebenso ist, wenn die Information den\nAnlegern bereits bekannt ist, das Verbot ihrer Ausnutzung auf dem Markt\nzwecklos geworden, da ihr Bekanntwerden ihr jeden Insidercharakter nimmt. Die\nGleichheit der Anleger, deren Beachtung zum Zweck der Wahrung des guten\nFunktionieren des Marktes mit der Richtlinie gerade angestrebt wird, ist\ngewahrleistet, wenn jeder in der Lage ist, aufgrund der gleichen Informationen\nWertpapiere zu erwerben oder zu veraußern.\n\n41\\. Verfugt schließlich ein Wirtschaftsteilnehmer uber eine sowohl prazise\nals auch vertrauliche Information, so kann diese nur dann als\nInsiderinformation" eingestuft werden, wenn ihre Ausnutzung ihm irgendeinen\nVorteil verschaffen kann. Auch dann kann das ordnungsgemaße Funktionieren des\nMarktes durch die Ausnutzung einer Information nicht beeinflusst werden, wenn\nihre Verbreitung die Kurse nicht betrachtlich beeinflusst. Die Vertraulichkeit\neiner prazisen Angabe in Bezug auf das Leben einer Gesellschaft macht aus\ndieser Angabe noch keine Waffe in der Hand des Anlegers, der uber sie verfugt.\nDie Entscheidungen uber die wirtschaftlichen Strategie, die ein an der Borse\nnotiertes Unternehmen trifft, sind beispielsweise nicht notwendigerweise mit\nBewegungen auf dem Wertpapiermarkt verbunden.\n\n42\\. Somit zieht die Richtlinie eine Grenze zwischen den Informationen, die\nals neutral bezeichnet werden konnen, und denjenigen, von denen\nvernunftigerweise angenommen werden kann, dass sie fur die Bewertung eines\nUnternehmens durch die Anleger und somit fur den Kurs seiner Wertpapiere von\nGewicht sind. Nur die letztgenannten stellen Insiderinformationen" im Sinne\nvon Artikel 1 Nummer 1 der Richtlinie dar, deren Ausnutzung nach Artikel 2 der\nRichtlinie verboten ist.\n\n43\\. Der Vergleich von Artikel 1 Nummer 1 der Richtlinie mit Artikel 181\nAbsatz 2 des Gesetzes von 1990, im Licht von Artikel 4 Absatz 1 Nummer 1 der\nKoniglichen Verordnung vom 18. September 1990 ausgelegt, ergibt eine große\nÄhnlichkeit der Bestimmungen, die beide Regelungen treffen.\n\n44\\. Wie ich bereits ausgefuhrt habe, handelt es sich bei den Informationen,\ndie nach Artikel 181 Absatz 2 des Gesetzes von 1990 weiterhin\nInsiderinformationen sind, auch wenn sie sich im Besitz einer\nHoldinggesellschaft befinden, um diejenigen, die nach den Rechts- und\nVerwaltungsvorschriften uber die Verpflichtungen aufgrund der Zulassung von\nWertpapieren zur offiziellen Notierung an einer Wertpapierborse zu\nveroffentlichen sind. Nach Artikel 4 Absatz 1 Nummer 1 der Koniglichen\nVerordnung vom 18. September 1990 handelt es sich bei diesen Informationen um\nsolche uber die Tatsachen oder Entscheidungen, von denen die Gesellschaften,\ndie an der Borse notiert werden, Kenntnis haben und die, wenn sie offentlich\nbekannt wurden, geeignet waren, den Borsenkurs der Aktien betrachtlich zu\nbeeinflussen.\n\n45\\. Die Voraussetzung in Bezug auf die Auswirkungen der Informationen auf den\nMarkt ist in Artikel 1 Nummer 1 der Richtlinie und Artikel 181 Absatz 2 des\nGesetzes von 1990 nicht unterschiedlich formuliert. In beiden Regelungen\nbestimmt sie den Insidercharakter der Informationen, auch wenn sich diese im\nBesitz einer Holdinggesellschaft befinden.\n\n46\\. Aus dem Gesetz von 1990 in Verbindung mit der Koniglichen Verordnung von\n1990 geht hervor, dass Insiderinformationen entweder als die Informationen im\nBesitz von an der Borse notierten Gesellschaften selbst oder als Informationen\nuber diese Gesellschaften definiert werden, uber die die Holdinggesellschaften\nwegen ihrer Rolle bei deren Verwaltung verfugen. Die belgische Regierung fuhrt\naus, dass die Informationen, die eine Holdinggesellschaft uber die an der\nBorse notierten Gesellschaften besitze, wegen ihrer Rolle bei der Verwaltung\ndieser Gesellschaft erst von dem Zeitpunkt an als Insiderinformationen zu\nbetrachten seien, zu dem diese Informationen bei der borsennotierten\nGesellschaft zu Insiderinformationen wurden.\n\nArtikel 1 Nummer 1 der Richtlinie steht einer derartigen Auslegung nicht\nentgegen, da die in dieser Bestimmung enthaltene Definition der\nInsiderinformationen nicht auf die Eigenschaft ihres Inhabers abstellt.\nVielmehr benennt Artikel 2 der Richtlinie ausdrucklich, welche naturlichen\noder juristischen Person aufgrund ihrer Beteiligung am Kapital des Emittenten\nuber Insiderinformationen verfugen. Es unterliegt jedoch keinem Zweifel, dass\ndie Holdinggesellschaften von dieser Definition erfasst werden und dass das\nVerbot der Tatigung von Insidergeschaften nicht auf die emittierende\nGesellschaft selbst oder ihr Personal beschrankt ist.\n\n47\\. Zweifel konnte jedoch die Art und Weise hervorrufen, in der Artikel 1 der\nRichtlinie im nationalen Recht ausgelegt und in das nationale Recht umgesetzt\nworden ist. Aus den von der belgischen Regierung beschriebenen Umstanden\ndurfte hervorgehen, dass nach dem nationalen Recht nur Aktien Wertpapiere\nsind, die Gegenstand von als Insiderinformationen einzustufenden Informationen\nsein konnen. Diese Beschrankung durfte in der Richtlinie keine Rechtfertigung\nfinden, die Wertpapiere im Allgemeinen erwahnt und diese im Übrigen sehr weit\ndefiniert.\n\n48\\. Eine vollstandigere Betrachtung des nationalen Rechts ergibt jedoch, dass\ndie Konigliche Verordnung von 1990 fur Schuldverschreibungen eine Artikel 4\nAbsatz 1 Nummer 1 gleichende Bestimmung, namlich Artikel 12 Nummer 1, enthalt.\n\n49\\. Auf alle Falle ist es Sache des vorlegenden Gerichts, das allein fur die\nAuslegung seines nationalen Rechts zustandig ist, festzustellen, ob nach der\nzur Zeit des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens geltenden nationalen Regelung\ndie Kategorie der Informationen, uber die Holdinggesellschaften verfugen und\ngemaß Artikel 181 Absatz 2 des Gesetzes von 1990 bekannt zu machen haben, die\nInformationen umfasst, die geeignet sind, den Borsenkurs samtlicher\nWertpapiere, wie sie in Artikel 1 Nummer 2 der Richtlinie definiert sind,\nbetrachtlich zu beeinflussen.\n\n50\\. Nach allem gelange ich zu dem Ergebnis, dass der Begriff\nInsiderinformationen" im Sinne von Artikel 1 Nummer 1 der Richtlinie nicht fur\nInformationen der in Artikel 181 des Gesetzes von 1990 beschriebenen Art gilt.\nSo konnen Informationen dann nicht als Insiderinformationen" betrachtet\nwerden, uber die Holdinggesellschaften aufgrund ihrer Rolle bei der Verwaltung\nvon Gesellschaften verfugen, an denen sie eine Beteiligung besitzen, wenn es\nsich bei ihnen nicht um diejenigen handelt, die bekannt zu machen sind, da sie\ngeeignet sind, den Kurs der Wertpapiere betrachtlich zu beeinflussen.\n\nZu Artikel 6 der Richtlinie: Allgemeine Geltung der strengeren Vorschriften\n\n51\\. Die Grunde, aus denen die Richtlinie einer derartigen Regelung nicht\nentgegensteht, lassen sich leicht von den bisherigen Ausfuhrungen herleiten.\nDiese haben es ermoglicht, den Geltungsbereich der Richtlinie zu klaren. So\nkann die Verwendung von Informationen, die keinen Einfluss auf den Kurs der\nWertpapiere haben, durch Holdinggesellschaften vom Verbot der Insidergeschafte\nausgenommen werden.\n\n52\\. Da die mit dieser Art von Informationen verbundenen Transaktionen nicht\nvon der Richtlinie erfasst werden, unterliegen sie nicht nur nicht der\nRegelung, die die Mitgliedstaaten einzufuhren haben, sondern auch nicht der\nstrengeren Umsetzung, die vorzunehmen sie nach der Richtlinie ermachtigt sind.\n\n53\\. Im vorliegenden Fall fallen die Holdinggesellschaften wie die anderen\nGesellschaften unter die Regelung fur Insidergeschafte in der Form, wie sie im\nnationalen Recht in strengerer Weise festgelegt worden ist: Werden\nInformationen, die sich im Besitz der Holdinggesellschaften befinden, als\nInsiderinformationen" im Sinne des nationalen Rechts eingestuft, so\nunterliegen sie der Verbotsregelung des Artikels 182 Absatz 1 des Gesetzes von\n1990. Allein aus dem Gebrauchmachen von Information durch eine\nHoldinggesellschaft ergibt sich daher noch keine Diskriminierung.\n\n54\\. Informationen, uber die derartige Gesellschaften verfugen und die das\nGesetz von 1990 nicht als Insiderinformationen" betrachtet, sind vom\nGeltungsbereich der Richtlinie ausgenommen und werden daher weder von der\nRegelung des Verbotes von Insidergeschaften im Sinne der Richtlinie noch gar\nvon den von den Mitgliedstaaten gemaß Artikel 6 der Richtlinie erlassenen\nstrengeren Vorschriften erfasst.\n\n55\\. Daher ist auf die ersten beiden Fragen zu antworten, dass es das in\nArtikel 6 der Richtlinie vorgesehene Recht, strengere Vorschriften zu\nerlassen, sofern diese allgemein gelten, zulasst, dass eine nationale Regelung\nvon ihrem Geltungsbereich die Informationen, uber die Holdinggesellschaften\nverfugen, ausnimmt, sofern diese Informationen nicht geeignet sind, den Kurs\nder Wertpapiere betrachtlich zu beeinflussen.\n\n56\\. Nach allem braucht die dritte Vorlagefrage bei dem Stand der\nInformationen, uber die ich in Bezug auf das geltende nationale Recht verfuge,\nnicht beantwortet zu werden.\n\nVorschlag\n\n57\\. Aufgrund dieser Erwagungen schlage ich vor, auf die Fragen der Rechtbank\nvan eerste aanleg Gent wie folgt zu antworten:\n\nArtikel 6 der Richtlinie 89/592/EWG des Rates vom 13. November 1989 zur\nKoordinierung der Vorschriften betreffend Insidergeschafte steht einer\nnationalen Regelung von der Art der im Ausgangsverfahren streitigen nicht\nentgegen, die in Bezug auf die Definition des Verbotes von Insidergeschaften\nstrengere Vorschriften als die in dieser Richtlinie vorgesehenen enthalt,\ndabei aber von ihrem Geltungsbereich die Informationen, uber die die\nHoldinggesellschaften aufgrund ihrer Rolle bei der Verwaltung der\nGesellschaften verfugen, an denen sie eine Beteiligung besitzen, ausnimmt,\nwenn diese Informationen nicht geeignet sind, den Kurs der Wertpapiere\nbetrachtlich zu beeinflussen.\n\n_\n\n
193,932
lsgrlp-2008-08-20-l-5-er-19108-as-l
900
Landessozialgericht Rheinland-Pfalz
lsgrlp
Rheinland-Pfalz
Sozialgerichtsbarkeit
L 5 ER 191/08 AS, L 5 B 254/08 AS
2008-08-20
2019-02-12 09:33:38
2019-02-12 14:03:44
Beschluss
ECLI:DE:LSGRLP:2008:0820.L5ER191.08AS.0A
#### Tenor\n\n \n\n \n\n1\\. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts\nSpeyer vom 25.6.2008 wird hinsichtlich des Antrags auf Festsetzung eines\nZwangsgeldes als unzulassig verworfen.\n\n \n\n2\\. Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe wird\nzuruckgewiesen.\n\n \n\n3\\. Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu\nerstatten.\n\n#### Grunde\n\n \n\n \n\n**I.**\n\n1\n\n \n\nUmstritten ist, ob es das Sozialgericht (SG) zu Recht abgelehnt hat, ein\nZwangsgeld zu Lasten der Antragsgegnerin festzusetzen.\n\n \n\n2\n\n \n\nDer 1989 geborene Antragsteller, der mit seinen Eltern und seinen Geschwistern\nK. und D. eine Bedarfsgemeinschaft iSd Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB\nII) bildet, erhielt von der Antragsgegnerin Leistungen nach dem SGB II. Mit\nSchreiben vom 20.12.2007 forderte die Antragsgegnerin seinen Vater auf, bis\nzum 5.1.2008 naher genannte, das Vermogen des Antragstellers betreffende\nUnterlagen bzw. Nachweise sowie die kompletten Girokontoauszuge der letzten\ndrei Monate aller Haushaltsangehorigen vorzulegen. Mit Bescheid vom gleichen\nTag bewilligte sie den Eltern und Geschwistern des Antragstellers Leistungen\nnach dem SGB II fur die Zeit vom 1.1.2008 bis zum 30.6.2008. Unter dem\n3.3.2008 erinnerte sie den Vater des Antragstellers an die Erledigung der\nAuflage des Schreibens vom 20.12.2007. Der Prozessbevollmachtigte des\nAntragstellers antwortete darauf unter dem 4.3.2008, er habe die vorhandenen\nUnterlagen bereits mit Einlegung des Widerspruchs am 7.1.2008 vorgelegt. Die\nAntragsgegnerin bestritt spater den Eingang dieser Unterlagen.\n\n \n\n3\n\n \n\nAm 5.5.2008 beantragte der Antragsteller beim SG Speyer (S 4 ER-236/08 AS),\ndie Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm\ndie Regelleistung nach dem SGB II zu gewahren sowie die Kosten der Unterkunft\nund Heizung zu erstatten. Mit am 15.5.2008 beim SG eingegangenem Schreiben\nerklarte die Antragsgegnerin: „…wird ein Anerkenntnis ausgesprochen. Die\nAntragsgegnerin wird unverzuglich die Neubescheidung und Auszahlung fur Mai\n2008 vornehmen. Sie wird jedoch weiterhin auf Vorlage eines\nVermogensverzeichnisses bestehen und behalt sich bei dessen Nichteingang eine\nVersagung der Leistung des Antragstellers fur die Zukunft bis zur Nachholung\nder Mitwirkung vor". Der Antragsteller nahm dieses Anerkenntnis am 26.5.2008\nan. Die Antragsgegnerin hatte dem Antragsteller bereits am 15.5.2008 die\nLeistungen fur den Monat Mai 2008 erbracht. Mit Bescheid vom 17.6.2008 lehnte\ndie Antragsgegnerin Leistungen an den Antragsteller ab, da dieser nicht\nhilfebedurftig sei.\n\n \n\n4\n\n \n\nAm 13.6.2008 hat der Antragsteller beim SG beantragt, ein Zwangsgeld gegen die\nAntragsgegnerin festzusetzen, sofern diese nicht innerhalb einer vom Gericht\nzu bestimmenden Frist das im Verfahren S 4 ER-236/08 AS abgegebene\nAnerkenntnis umsetzen werde. Die Antragsgegnerin hat darauf erwidert, ihr\nAnerkenntnis im Verfahren S 4 ER-236/08 AS habe sich nur auf den Monat Mai\n2008 bezogen und keine Selbstverpflichtung zur dauerhaften Leistungsgewahrung\nbeinhaltet. Der Antragsteller hat entgegnet, aufgrund des Anerkenntnisses im\nVerfahren S 4 ER-236/08 AS mussten jedenfalls noch die Leistungen fur den\nMonat Juni 2008 ausgezahlt werden.\n\n \n\n5\n\n \n\nDurch Beschluss vom 25.6.2008 hat das SG den Antrag auf ein Zwangsgeld und\ngleichzeitig die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) fur dieses Verfahren\nabgelehnt. Zur Begrundung hat es ausgefuhrt: Die Voraussetzungen fur ein\nZwangsgeld nach § 201 Sozialgerichtsgesetz (SGG) lagen nicht vor.\nVoraussetzung einer Vollstreckung sei die Vollstreckungsfahigkeit der\nbetreffenden "Entscheidung". Daran fehle es hinsichtlich des Monats Juni 2008,\nda sich das Anerkenntnis der Antragsgegnerin nur auf den Monat Mai 2008\nbezogen habe. Dem Antrag auf PKH konne wegen fehlender Erfolgsaussicht des\nAntrags auf Festsetzung eines Zwangsgeldes nicht stattgegeben werden.\n\n \n\n6\n\n \n\nGegen diesen Beschluss richtet sich die am 2.7.2008 eingelegte Beschwerde des\nAntragstellers.\n\n \n\n \n\n**II.**\n\n7\n\n \n\nDie Beschwerde ist hinsichtlich des Antrags auf Festsetzung eines Zwangsgeldes\nunzulassig. Nach § 172 Abs 3 Nr 1 SGG ist die Beschwerde in Sachen des\neinstweiligen Rechtsschutzes nicht statthaft, wenn in der Hauptsache die\nBerufung nicht zulassig ware. Dies ist vorliegend der Fall, weil der\nAntragsteller nach seinem Beschwerdevorbringen die Festsetzung eines\nZwangsgeldes lediglich wegen des Anspruchs fur den Monat Juni 2008 begehrt,\nfur welchen er Leistungen nach dem SGB II von nicht mehr als 750,-- € (vgl §\n144 Abs 1 Nr 1 SGG) begehrt. Entgegen der Meinung des Antragstellers kommt §\n144 Abs 1 Nr 1 SGG zur Anwendung, obwohl es nicht unmittelbar um die Gewahrung\neiner Leistung, sondern um die Festsetzung eines Zwangsgeldes geht. Die Klage\n„betrifft" iSd 144 Abs 1 Nr 1 SGG eine Geldleistung von nicht mehr als 750,--\n€ auch dann, wenn nicht unmittelbar die Geldleistung eingeklagt, sondern die\nFestsetzung eines Zwangsgeldes wegen der nicht erfolgten Zahlung eines 750,- €\nnicht uberschreitenden Betrages beantragt wird. Fur diese Auslegung des § 144\nAbs 1 Nr 1 SGG, die sich innerhalb der Wortlautgrenze halt, spricht der Sinn\nund Zweck der Vorschrift, die Entlastung des Berufungs- bzw.\nBeschwerdegerichts in Bagatellsachen.\n\n \n\n8\n\n \n\nDie Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.\n\n \n\n9\n\n \n\nDie Beschwerde gegen die Ablehnung der PKH ist zulassig, aber nicht begrundet.\nDie Beschwerde gegen die Ablehnung der PKH ist ungeachtet dessen zulassig,\ndass die Beschwerde in der Hauptsache unzulassig ist (Beschluss des Senats vom\n10.6.2008 - L 5 ER 91/08 AS). Die Beschwerde ist aber nicht begrundet, da der\nAntrag des Antragstellers auf Festsetzung eines Zwangsgeldes im Hinblick auf\ndie Unzulassigkeit der Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss des SG keine\nAussicht auf Erfolg hat (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung\n- ZPO). Bei der Prufung der Erfolgsaussicht ist grundsatzlich auf den\nZeitpunkt der Entscheidung des Beschwerdegerichts abzustellen (Beschluss des\nSenats vom 10.6.2008 aaO). Hiervon kann zwar eine Ausnahme zu machen sein,\nwenn es das SG verfahrensfehlerhaft versaumt hat, vorab uber die PKH zu\nentscheiden (vgl Beschluss des Senats vom 10.6.2008 aaO). Letzteres ist jedoch\nvorliegend nicht der Fall, weil das SG im Hinblick auf die Eilbedurftigkeit\nder Sache berechtigt war, uber die PKH gleichzeitig mit der Entscheidung uber\nden Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes zu befinden. Der Grundsatz des\nfairen Verfahrens erfordert es - insoweit stellt der Senat die Grundsatze\nseines Beschlusses vom 10.6.2008 (aaO juris Rn 7) klar - nicht, dass auch in\nFallen, in denen das SG befugt war, gleichzeitig uber den Sachantrag und die\nPKH zu entscheiden, hinsichtlich der Erfolgsaussicht des Verfahrens die Sach-\nund Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts\nzugrunde gelegt wird.\n\n \n\n10\n\n \n\nHinsichtlich der Beschwerde bezuglich der PKH findet eine Kostenerstattung\nnicht statt (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 127 Abs 4 Zivilprozessordnung -\nZPO).\n\n \n\n11\n\n \n\nDieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde beim Bundessozialgericht\nanfechtbar (§ 177 SGG).\n\n
104,192
lsgsh-2008-06-16-l-9-b-35808-so-er
1,068
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
lsgsh
Schleswig-Holstein
Sozialgerichtsbarkeit
L 9 B 358/08 SO ER
2008-06-16
2018-11-23 22:30:16
2019-02-14 06:35:40
Beschluss
ECLI:DE:LSGSH:2008:0616.L9B358.08SOER.0A
#### Tenor\n\n \n\nAuf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts\nItzehoe vom 4. Februar 2008 geändert und der Tenor wie folgt neu gefasst:\n\n \n\n„Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet,\nvorläufig die Kosten der stationären Betreuung der Antragstellerin in der\nKinder- und Jugendhilfeeinrichtung F., K.-G..-Straße 7, 25764 W., für die Zeit\nvom 1. Oktober 2007 bis zum 31. Juli 2008 zu übernehmen.\n\n \n\nDer Antragsgegner trägt die Hälfte der außergerichtlichen Kosten der\nAntragstellerin.“\n\n \n\nDie außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren sind\nnicht zu erstatten.\n\n#### Gründe\n\n1\n\n \n\nDie am 3. März 2008 von dem Antragsgegner erhobene Beschwerde gegen den\nBeschluss des Sozialgerichts Itzehoe vom 4. Februar 2008 mit dem sinngemäßen\nAntrag,\n\n2\n\n \n\nden Beschluss vom 4. Februar 2008 aufzuheben und den Erlass einer\neinstweiligen Anordnung abzulehnen,\n\n3\n\n \n\nhat im Wesentlichen Erfolg.\n\n4\n\n \n\nDie Antragstellerin hat unzweifelhaft einen Anspruch auf Eingliederungshilfe\nnach §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII). Eine\neingliederungshilfeberechtigte Person hat jedoch in der Regel - sofern keine\nsogenannte Ermessensreduzierung auf Null vorliegt - keinen Anspruch auf nur\neine einzige Maßnahme. Vielmehr hat der Sozialhilfeträger hinsichtlich der\nFrage, in welcher Einrichtung eine solche Person unterzubringen ist, ein\neigenes Prüfungs- und Entscheidungsrecht. Dies ergibt sich aus § 17 Abs. 2\ni.V.m. § 9 SGB XII. Besteht ein bindender Anspruch auf Sozialhilfe in Form der\nEingliederungshilfe, wird gemäß § 17 Abs. 2 SGB XII über das Wie, also die Art\nund das Maß der Leistung nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden. Unter\nBerücksichtigung des Wunsch- und Wahlrechts eines Betroffenen entscheidet der\nSozialhilfeträger nach pflichtgemäßem Ermessen über die Kostenübernahme und\ndamit über die Auswahl der die Leistung erbringenden Einrichtung (Schleswig-\nHolsteinisches Landessozialgericht, Beschluss vom 24. Oktober 2005 - L 9 B\n245/05 SO ER -, Beschluss vom 7. Februar 2006 - L 9 B 418/06 SO ER -). Bei\ndiesem so genannten „Auswahlermessen“ haben die Sozialhilfeträger nach § 53\nAbs. 1 SGB XII zu beachten, dass Eingliederungshilfe geleistet wird, wenn und\nsolange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art und\nSchwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der\nEingliederungshilfe nach § 53 Abs. 3 SGB XII, nämlich eine drohende\nBehinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen\noder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft\neinzugliedern, erfüllt werden kann. Maßstab dafür ist, ob und welche Maßnahme\nfür den betroffenen behinderten Menschen geeignet und erforderlich ist.\n\n5\n\n \n\nDer F. ist eine Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung nach dem Sozialgesetzbuch,\nAchtes Buch (SGB VIII). Nach dem SGB VIII sind Leistungs- und\nVergütungsvereinbarungen abgeschlossen. Leistungs- und\nVergütungsvereinbarungen für den Bereich der Eingliederungshilfe gemäß § 75\nSGB XII bestehen jedoch nicht. Sind solche Vereinbarungen nicht abgeschlossen,\ndarf gemäß § 75 Abs. 4 SGB XII der Träger der Sozialhilfe Leistungen durch\neine Einrichtung nur erbringen, wenn dies nach der Besonderheit des\nEinzelfalls geboten ist. Eine solche Ausnahme liegt hier nicht vor und somit\nauch keine Ermessensreduzierung dahingehend, die Antragstellerin nur im F.\nunterzubringen.\n\n6\n\n \n\nEs gibt in Schleswig-Holstein und in der Nähe des F.s genügend Einrichtungen,\ndie behinderte erwachsene Menschen betreuen. Demzufolge hat der Antragsgegner\nauch in der Nähe des F.s zwei Einrichtungen benannt, in die die\nAntragstellerin aufgenommen werden könnte. Diese Einrichtungen genießen schon\ndeswegen einen Vorteil gegenüber dem F., weil es Einrichtungen sind, die nicht\nim Wesentlichen junge Menschen betreuen, sondern darauf ausgerichtet sind,\nerwachsenen Behinderten die Angebote zu machen, die die Folgen der Behinderung\nmildern können. Darüber hinaus hat der Antragsgegner wiederholt angeboten, der\nAntragstellerin behilflich zu sein, eine andere Einrichtung außerhalb seines\nBereiches zu finden.\n\n7\n\n \n\nEine dauerhafte Unterbringung im F. scheitert auch daran, dass dieser nicht\nmehr die geeignete Einrichtung für die Antragstellerin ist. Zwar ist\nerklärlich, dass die Antragstellerin selbst dort verbleiben möchte. Sie war\nschon als Pflegekind bei der Familie J.. Nachdem Frau J. im Rahmen der Kinder-\nund Jugendhilfe ein Heim eröffnet hat, ist die Klägerin dort aufgenommen\nworden und befindet sich seit März 1993 im F., den Frau J. leitet, und wohnt\ndort zusammen mit einer 18-jährigen jungen Volljährigen und einer 15-jährigen\nJugendlichen in einer Wohngruppe, die von Frau J. und weiteren\nErziehern/Erzieherinnen betreut wird. Es ist daher nur folgerichtig, dass sie\nin Frau J. ihre „Mutter“ sieht und nach der langen Zeit des Zusammenlebens\nsich von dieser nicht trennen möchte. Demzufolge hat der Amtsarzt Dr. B.\nebenso folgerichtig in der Vergangenheit dafür plädiert, dass die\nAntragstellerin bei Frau J. verbleiben sollte, weil sie noch nicht stabil\ngenug war, um zu einer anderen Maßnahme und Einrichtung zu wechseln. Das\nVerbleiben in einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung darf aber nicht auf\nDauer verfestigt werden. Bei allen jungen Erwachsenen und behinderten\nMenschen, selbst wenn sie - wie die Antragstellerin - retardiert sind,\nentwachsen sie dem Kindsein und haben Anspruch darauf, als Erwachsene\nbehandelt und betreut zu werden. Das bedeutet, dass sie einer Kinder- und\nJugendhilfeeinrichtung entwachsen und Anspruch darauf haben, in ihrer\nEigenständigkeit als erwachsener Mensch behandelt und betreut zu werden,\nüberwiegend Kontakte zu Gleichaltrigen zu entwickeln, sich den Problemen des\nErwachsenseins zu stellen und in die Gesellschaft erwachsener Menschen\neingegliedert zu werden. Dazu gehört ein Wechsel in eine Einrichtung, die\nbehinderte Erwachsene betreut, denn dort werden die geeigneten Maßnahmen\nzielgerichtet angeboten, die der Aufgabe der Eingliederungshilfe für\nErwachsene gerecht werden.\n\n8\n\n \n\nDazu gehört ebenfalls für behinderte und nicht behinderte Menschen, dass sie\nsich von ihren Eltern lösen. Es kommt hier nicht darauf an, ob Frau J. in den\nletzten Jahren eine Ausgliederung der Antragstellerin verhindert oder die\nAntragstellerin darin bestärkt hat, bei ihr zu bleiben. Beides wäre nach der\nlangen Zeit des Zusammenlebens zumindest verständlich. Maßgeblich ist\nvielmehr, dass durch die Trennung von Eltern bzw. von einem Elternteils die\nMöglichkeit der Weiterentwicklung für einen heranwachsenden Menschen besteht.\nAus diesem Grunde kommen Dr. B. in seinem Gutachten vom 14. Juni 2007 und Dr.\nS. in seiner Stellungnahme vom 25. Juni 2007 übereinstimmend zu dem Ergebnis,\ndass die Antragstellerin nunmehr in eine andere Einrichtung wechseln solle.\n\n9\n\n \n\nDemgegenüber folgt der Senat nicht dem Gutachten von Prof. Dr. R. vom 27.\nSeptember 2007. Dieses ist teilweise widersprüchlich. So überzeugt nicht, dass\nder Gutachter sich dagegen wendet, dass von Seiten der Behörden Frau J. als\nPflegemutter bezeichnet wird, andererseits aber einräumt, was aus der\nVerwaltungsakte auch wiederholt ersichtlich ist, dass die Antragstellerin\nselbst Frau J. als Mutter bzw. Pflegemutter bezeichnet. Der Gutachter räumt\nselbst ein, dass die Referenz auf die eigene Mutter und den eigenen Vater\nnichts weiter als eine Rückversicherung auf den eigenen Bezugsrahmen, aus dem\nheraus wir uns als Erwachsene allein entwickeln können, ist. Wenn er damit zum\nAusdruck bringen will, dass er als diesen Bezugsrahmen die Einrichtung F. als\nGanzes sieht, so stehen die Aussagen der Antragstellerin, dass sie bei „B.“\n(Frau J.) bleiben will, dem entgegen, denn damit meint sie gerade nicht den F.\nals Einrichtung, sondern kennzeichnet die Beziehung zu ihrer „Mutter“. Im\nÜbrigen verkennt dieses Gutachten, dass es nicht darum geht, die\nAntragstellerin dauerhaft von Frau J. zu trennen, sondern darum, in deren Nähe\nmöglichst eine besser geeignete Einrichtung zu finden, die den Erfordernissen\nder Antragstellerin eher gerecht wird als eine Kinder- und\nJugendhilfeeinrichtung, wo aber aufgrund der Nähe noch ausreichend Kontakt zu\nFrau J. besteht. Das Gutachten ist auch dadurch geprägt, dass der Gutachter in\nden Vordergrund stellt, dass die Antragstellerin in keine andere Einrichtung\nwechseln möchte. Auf die eigenen Wünsche ist aber nicht entscheidend\nabzustellen, wenn es an der Geeignetheit der Maßnahme fehlt. Im Übrigen wird\ninsoweit auch nicht berücksichtigt, dass ein Wechsel in eine andere\nEinrichtung für die Antragstellerin schon deswegen erforderlich ist, weil ihr\nim F. eine Sonderrolle zukommt. Dies folgt zum einen aus dem langjährigen\nZusammenleben mit Frau J.. Das folgt zum anderen daraus, dass es in der Natur\neiner Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung liegt, dass dort überwiegend Kinder\nund Jugendliche und nur ausnahmsweise junge Erwachsene bis zum 27. Lebensjahr\nbetreut werden. Das bedingt eine gewisse Fluktuation im Laufe der Jahre. Die\nAntragstellerin selbst befindet sich nun aber schon sehr viele Jahre bei Frau\nJ. und in dieser Einrichtung, sodass sie ständig junge Menschen kommen und\ngehen sieht. Ihr wächst damit - und das verstärkt sich mit zunehmender Zeit -\neher eine Rolle als ältere Betreuerin zu, als dass sie in ihrer Eigenart und\nBehinderung gefördert werden könnte. Auch deswegen ist ein Wechsel in eine\nErwachseneneinrichtung erforderlich. Daher kommt Dr. B. in seiner\nStellungnahme vom 15. November 2007 zutreffend zu dem Ergebnis, dass aus\nseiner Sicht es nicht vertretbar sei, den Status quo auf unbestimmte Zeit\nimmer weiter fortzuschreiben.\n\n10\n\n \n\nDer F. ist auch deswegen nicht mehr die geeignete Einrichtung, weil dort\nersichtlich eine Entwicklung der Antragstellerin nicht mehr stattfindet. Das\nfolgt bereits aus dem Entwicklungsbericht des F.s vom 18. Juni 2007, in\nwelchem unter „Empfehlungen“ der Ist-Zustand aufgeführt wird und jede\nVeränderung - also auch jede Entwicklung - abgelehnt wird. Sie wird als die\nPerson dargestellt, an der die übrigen Bewohner der Einrichtung lernen können\nund sie im Gegenzug dafür Anerkennung in ihrem Menschsein und das\nZusammenleben mit anderen erfährt. Das stellt keine Aussicht auf Entwicklung\ndar. Demgegenüber wird aber - selbst von Prof. Dr. R. - ein gewisses\nEntwicklungspotenzial der Antragstellerin attestiert. Das spricht auch dafür,\ndieses zu nutzen.\n\n11\n\n \n\nKeineswegs kann dem mit Erfolg entgegengehalten werden, Dr. B. habe sich\nfrüher vehement dafür eingesetzt, dass die Antragstellerin im F. verbleiben\nsolle. Es ist nachvollziehbar, dass in den Jahren 1999/2000 eine Verfestigung\nder Antragstellerin in ihrer Persönlichkeit noch nicht so weit fortgeschritten\nwar, dass ein Wechsel in eine andere Einrichtung hätte befürwortet werden\nkönnen. Mit Fortschreiten der Entwicklung, die im F. ja auch über einen langen\nZeitraum gefördert worden ist, ist laut Aussagen von Dr. B. und Dr. S. die\nAntragstellerin nun so weit, dass sie selbst in eine andere Einrichtung\nwechseln kann. Das wird bestätigt durch das Probewohnen der Antragstellerin in\nder Einrichtung „WG Fa.“. In dem darüber gefertigten Vermerk ist aufgeführt,\ndass die Antragstellerin zwar durchgehend deutlich gemacht habe, dass sie dort\neigentlich nicht wohnen, sondern zu ihrer „Pflegemutter“ Frau J. wolle. Im\nLaufe der Tage hat sie sich aber insoweit geöffnet, dass erste Ansätze einer\nvorsichtigen Annäherung an das Leben in dieser Wohngruppe zu verzeichnen\ngewesen sind. Das zeigt, dass nunmehr ein Wechsel in Betracht kommt.\n\n12\n\n \n\nDer Senat macht jedoch von den ihm im Rahmen des Erlasses einer einstweiligen\nAnordnung eingeräumten Ermessen dahingehend Gebrauch, dass ein Wechsel in eine\nandere Einrichtung nicht sofort durchgeführt werden muss. Den Beteiligten soll\nZeit gelassen werden, eine geeignete Einrichtung zu finden und sich auf den\nWechsel einzurichten. Dafür reicht der Zeitraum bis Ende Juli 2008 aus.\n\n13\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus entsprechender Anwendung von § 193 Abs. 1,\nAbs. 4 SGG.\n\n14\n\n \n\nDieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).\n\n \n\n
104,669
lg-schwerin-2008-07-24-5-t-16505
481
Landgericht Schwerin
lg-schwerin
Schwerin
Mecklenburg-Vorpommern
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Landgericht
5 T 165/05
2008-07-24
2018-11-24 03:30:15
2019-02-14 06:53:52
Beschluss
#### Tenor\n\n \n\nAuf die Beschwerde vom 21.04.2005 wird der Beschluss des Amtsgerichts Schwerin\n- Grundbuchamt - vom 29.03.2005 aufgehoben.\n\n \n\n \n\nDas Grundbuchamt wird angewiesen, die Beschwerdeführer unter Beachtung der\nRechtsauffassung der Kammer erneut zu bescheiden.\n\n \n\n \n\nBeschwerdewert: 198.000,-- Euro\n\n \n\n#### Gründe\n\n \n\nI.\n\n \n\n1\n\n \n\nDie Beteiligten zu 1. und 2. sind in dem verfahrensgegenständlichen Grundbuch\nals Eigentümer zu je 1/2 eingetragen. Am 25.11.2004 haben sie u.a. eine\nTeilungserklärung nach § 3 WEG abgegeben (UR-Nr. 1027/2004 des\nVerfahrensbevollmächtigten).\n\n \n\n2\n\n \n\nIn dieser Urkunde heißt es u.a.:\n\n \n\n \n\n"§ 2\n\n3\n\n \n\nTeilung und Zuordnung von Sondereigentum\n\n \n\n4\n\n \n\n1.) Der Grundstückseigentümer teilt den in § 1 in dieser Urkunde beschriebenen\nGrundbesitz, der mit einem Mehr-Familien-Wohnhaus (Baujahr 1989) bebaut ist,\nin 3 Miteigentumsanteile auf, die jeweils mit dem Sondereigentum an der\nbezeichneten Wohnung und an den nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen\nverbunden werden.\n\n \n\n5\n\n \n\n2.) Die Aufteilung geschieht wie folgt:\n\n \n\n6\n\n \n\na) 34/100 Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung\nNr. 1 im Erdgeschoss ...\n\n7\n\n \n\nb) 34/100 Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung\nNr. 2 im Obergeschoss ..., bestehend aus folgenden Räumen, die im anliegenden\nLageplan wie folgt bezeichnet sind:\n\n \n\n8\n\n \n\n2.1. Flur\n\n \n\n....\n\n9\n\n \n\n2.13 Dachterrasse\n\n \n\n...\n\n10\n\n \n\nc) 32/100 Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung\nNr. 3 im Dachgeschoss ..., bestehend aus folgenden Räumen, die im anliegenden\nLageplan wie folgt bezeichnet sind:\n\n \n\n11\n\n \n\n3.1. Kochen/Essen\n\n \n\n....\n\n12\n\n \n\n3.6 Dachterrasse\n\n \n\n....\n\n \n\n \n\n§ 3\n\n13\n\n \n\nBegriffsbestimmung\n\n \n\n14\n\n \n\n1.) a) ...\n\n \n\n...\n\n15\n\n \n\nd) Sondernutzungsrecht ist das Recht eines Wohnungseigentümers, Teile des\ngemeinschaftlichen Eigentums unter Ausschluss der übrigen Miteigentümer allein\nzu nutzen. ... Sondernutzungsrechte sind nur gemeinsam mit dem\nMiteigentumsanteil, zu dem das Sondernutzungsrecht gehört, veräußerbar. Etwas\nanderes gilt nur dann, falls das Sondernutzungsrecht an einen anderen\nWohnungseigentümer der Wohnungseigentumsanlage veräußert wird, was zulässig\nist.\n\n \n\n \n\n2.) ...\n\n16\n\n \n\nGegenstand des Sondereigentums ...\n\n \n\n17\n\n \n\nErgänzend wird festgelegt, dass zum Sondereigentum gehören:\n\n \n\na.) ....\n\n \n\n...\n\n18\n\n \n\nj) Dachterrassen und Balkone.\n\n \n\n19\n\n \n\n3.) Gegenstand des gemeinschaftlichen Eigentums sind die Räume und\nGebäudeteile, die nicht nach Absatz 2 zum Sondereigentum erklärt werden, sowie\nder Grund und Boden. Zum gemeinschaftlichen Eigentum gehört auch das jeweils\nvorhandene Verwaltungsvermögen."\n\n \n\n \n\n20\n\n \n\nAuf den gemäß § 15 GBO gestellten Eintragungsantrag des\nVerfahrensbevollmächtigten vom 22.12.2004 hat das Grundbuchamt am 29.03.2005\neine Zwischenverfügung erlassen, in der es u.a. heißt:\n\n \n\n \n\n"...\n\n21\n\n \n\n1\\. Da Dachterrassen grundsätzlich die Raumeigenschaft fehlt, können diese nur\nals Sondernutzungsrechte vereinbart werden. Insofern sind § 2 b), 2.13 und c)\n3.6 sowie § 3 Abs. 2 j) des Vertrages zu ändern.\n\n \n\n22\n\n \n\n2\\. Das Verwaltungsvermögen gehört nicht zum Gemeinschaftseigentum.\n\n \n\n23\n\n \n\n3\\. Die Definition des Sondernutzungsrechtes in § 3 1.) d) kann nur\nhinsichtlich des Satzes 1 und 4 gefolgt und daher verdinglicht werden. Die\nEintragung des Satzes 3 erscheint nur möglich, wenn die Veräußerung neben dem\nMiteigentumsanteil auch an das Sondereigentum gebunden wird."\n\n \n\n24\n\n \n\nGegen diese Zwischenverfügung richtet sich die Beschwerde vom 21.04.2005. Das\nGrundbuchamt hat ihr durch Beschluss vom 27.04.2005 nicht abgeholfen:\n\n \n\n25\n\n \n\n1\\. Dachterrassen würden für nicht sondereigentumsfähig gehalten, soweit sie\nnicht vertikal begrenzt seien.\n\n26\n\n \n\n2\\. Das Verwaltungsvermögen diene zwar der Verwaltung des gemeinschaftlichen\nEigentums, gehöre aber nicht zu dessen Bestandteilen. Aus diesem Grunde könne\nes in der Teilungserklärung auch nicht als Gemeinschaftseigentum bezeichnet\nwerden.\n\n27\n\n \n\n3\\. Die Formulierung betreffend das Sondernutzungsrecht sei in der\nTeilungserklärung unter § 3 Ziffer 1.d) zumindest verwirrend, weil sie\nbedeuten könnte, dass das Sondernutzungsrecht zusammen mit dem\nMiteigentumsanteil ohne das dazugehörige Sondereigentum an einen\naußenstehenden Dritten (hier insbesondere auch im Hinblick auf Satz 4)\nveräußert werden könne, was gesetzlich nicht möglich sei.\n\n \n\n \n\nII.\n\n \n\n28\n\n \n\nDie zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.\n\n \n\n29\n\n \n\nDas Grundbuchamt hat den die Eigentumsumschreibung gemäß Teilungserklärung vom\n25.11.2004 - jedenfalls nach nunmehriger Rechtslage - zu Unrecht\nzurückgewiesen.\n\n \n\n \n\n1.\n\n30\n\n \n\nDie Kammer hält Dachterrassen für sondereigentumsfähig, auch wenn ihnen die in\n§ 3 WEG geforderte Raumeigenschaft insofern fehlt, als sie - für sich\nbetrachtet - nicht allseits baulich abgeschlossen sind. Für die\nSondereigentumsfähigkeit spricht vorliegend jedoch, dass die Dachterrasse im\nObergeschoss und die Dachterrasse im Dachgeschoss nur über die - ihrerseits\nallseits baulich abgeschlossene -Wohnung zu erreichen sind, die im jeweiligen\nSondereigentum steht und aus diesem Grunde ihrerseits die räumliche\nAbgeschlossenheit der mit ihr verbundenen Sondereigentumseinheit teilt. Zudem\nist davon auszugehen, dass eine Dachterrasse bereits aus Sicherheitsgründen in\njedem Fall räumlich eingefriedet ist. Aus diesem Grunde ist die\nSondereigentumsfähigkeit von Dachterrassen anzuerkennen, und zwar auch dann,\nwenn diese an keiner Stelle himmelwärts abgedeckt sind (vgl.\nMünchKomm/Commichau, WEG 4. Auflage, § 5 Rn 24.).\n\n \n\n \n\n2.\n\n31\n\n \n\nEntgegen der Auffassung des Grundbuchamtes ist es nicht zu beanstanden, dass\ndas jeweils vorhandene Verwaltungsvermögen zum gemeinschaftlichen Eigentum\ngehören soll. Nach Einführung des neuen Wohnungseigentumsrechtes am 26.\n03.2007 ist in § 10 VII S. 1 WEG ausdrücklich formuliert, dass das\nVerwaltungsvermögen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gehört.\n\n \n\n \n\n3.\n\n32\n\n \n\nDie Kammer teilt das Bedenken des Grundbuchamtes nicht, wonach die\nFormulierung in § 3 1.) d) des Vertrages verwirrend sei, soweit sie das\nSondernutzungsrecht betrifft und festlegt, dass Sondernutzungsrechte nur\ngemeinsam mit dem Miteigentumsanteil, zu dem das Sondernutzungsrecht gehört,\nveräußerbar seien. Dass ein Miteigentumsanteil nur gemeinsam mit dem\ndazugehörigen Sondereigentum veräußerbar ist, ergibt sich aus der\nunveränderten Fassung des § 6 WEG und bedarf daher keiner Erwähnung, um\nMissverständnisse auszuschließen. Aus der Ausnahmeregelung in Satz 4 bezüglich\nder getrennten Veräußerung eines Sondernutzungsrechtes an einen anderen\nWohnungseigentümer lässt sich - weil es sich um eine Ausnahmereglung handelt -\nkein entgegenstehender Rückschluss ziehen.\n\n \n\n33\n\n \n\nEine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.\n\n \n\n
104,694
lagmv-2008-07-22-5-sa-11407
476
Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern
lagmv
Mecklenburg-Vorpommern
Arbeitsgerichtsbarkeit
5 Sa 114/07
2008-07-22
2018-11-24 03:30:20
2019-02-14 06:55:23
Urteil
#### Tenor\n\n \n\n1\\. Auf die klägerische Berufung wird das Schlussurteil des Arbeitsgerichts\nSchwerin vom 07.03.2007 - 3 Ca 2523/06 - abgeändert und das beklagte Land\nverurteilt, der Klägerin die Teilnahme am Lehrerpersonalkonzept zu gestatten.\n\n \n\n2\\. Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Land.\n\n \n\n3\\. Die Revision wird zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie klagende Lehrerin verlangt mit der vorliegenden Klage die nachträgliche\nTeilnahme an der Maßnahme flexible Teilzeitarbeit nach dem\nLehrerpersonalkonzept (LPK).\n\n2\n\n \n\nDie Klägerin ist seit den 80er Jahren als Lehrerin tätig. Das\nArbeitsverhältnis zum beklagten Land ist mit dem 03.10.1990 entstanden. Die\nKlägerin hat im Juli 1992 einen Teilzeitvertrag über 14\nUnterrichtswochenstunden unterzeichnen müssen, da sie nur noch für ein\nSchulfach die Lehrbefähigung besessen hatte. Anschließend hat sich die\nKlägerin berufsbegleitend weitergebildet. Im Mai 2002 hat sie dann wieder\neinen Vollzeitarbeitsvertrag erhalten. Sie ist seitdem Lehrerin mit\nLehrbefähigung in den Fächern Geschichte und Englisch. Sie ist dem Schulamt S.\nzugeordnet und unterrichtet an einer regionalen Schule. Als vollbeschäftigte\nLehrerin hatte die Klägerin 2003 zuletzt 3.200,00 brutto monatlich verdient.\n\n3\n\n \n\nIm Mai 2003 hat das beklagte Land entschieden, ab dem kommenden Schuljahr\n2003/2004 in dem betroffenen Schulamt in der Schulartgruppe 2 mit der\nflexiblen Teilzeitarbeit nach dem Lehrerpersonalkonzept zu beginnen. Wie allen\nanderen betroffenen Lehrkräften auch wurde der Klägerin daher im Mai 2003 der\nAbschluss eines Grundvertrages als Teilzeitarbeitsverhältnis mit einer\nTeilzeitquote von 18/27 angeboten sowie ein auf ein Schuljahr (12 Monate)\nbefristeter Zusatzvertrag ("X-Vertrag") über weitere vier Unterrichtsstunden\nbeginnend mit dem 1. August 2003.\n\n4\n\n \n\nDie Klägerin hat den Abschluss dieser Verträge abgelehnt. Darauf hat es ein\nGespräch zwischen der Klägerin und dem Schulrat Herrn S. gegeben, in dem der\nSchulrat der Klägerin die Konsequenzen ihrer Ablehnung aufgezeigt und ihr\nabermals die Beteiligung an der flexiblen Teilzeitarbeit angeboten hat. In\ndiesem Zusammenhang hat der Schulrat der Klägerin eine denkbare Perspektive\naufgezeigt, die geholfen hätte, trotz Teilnahme am LPK zunächst weiter\nvollbeschäftigt zu bleiben. Denn an einer der benachbarten regionalen Schulen\nwurden dringend Lehrkräfte für das Fach Englisch gesucht und wenn sie nach\ndort umgesetzt worden wäre, hätte sie über einen weiteren befristeten\nZusatzvertrag ("Y-Vertrag") zunächst ihre Vollbeschäftigung de facto\naufrechterhalten können.\n\n5\n\n \n\nDie Klägerin hat aus diesem Gespräch für sich die Konsequenz gezogen, nicht am\nLehrerpersonalkonzept teilzunehmen, da ja - so wie das der Schulrat aufgezeigt\nhat - ihre Vollbeschäftigung nach wie vor möglich sei.\n\n6\n\n \n\nDaraufhin hat die Klägerin unter dem 30.06.2003 eine Änderungskündigung zum\n31.12.2003 erhalten, mit der das beklagte Land das Ziel verfolgte, das\nVollzeitarbeitsverhältnis der Parteien in ein Teilzeitarbeitsverhältnis mit\neiner Teilzeitquote von 22/27 umzustellen. Die Klägerin hat die angetragenen\nÄnderungen unter Vorbehalt angenommen und hat rechtzeitig\nÄnderungskündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Schwerin erhoben (4 Ca\n3416/03; die Akte ist beigezogen).\n\n7\n\n \n\nDas Arbeitsgericht Schwerin hat die Klage mit Urteil vom 18.03.2004\nabgewiesen; das Urteil lehnt sich an die Rechtsprechung des LAG an\n(insbesondere Urteile vom 02.12.2003 - 5 Sa 280/03 und 5 Sa 281/03 - beide\nnicht, auch nicht auf juris.de, veröffentlicht). Ein Rechtsmittel hat die\nKlägerin nicht eingelegt.\n\n8\n\n \n\nIm Vorlauf zum darauf folgenden Schuljahr 2004/2005 hat die Klägerin mit\nSchreiben vom 21.06. 2004 ihre Bereitschaft erklärt, nunmehr an der flexiblen\nTeilzeitarbeit teilzunehmen (Kopie Blatt 391, es wird Bezug genommen). Das\nwurde vom beklagten Land mit dem Hinweis abgelehnt, im Mai 2004 habe man im\nEinvernehmen mit der Begleitgruppe zum LPK entschieden, generell eine\nnachträgliche Teilnahme zukünftig nicht mehr zuzulassen. Stattdessen erhielt\ndie Klägerin dann ihre zweite Änderungskündigung mit dem Ziel, die\nTeilzeitquote um eine Unterrichtsstunde auf nunmehr 21/27 abzusenken. Diese\nÄnderung hat die Klägerin vorbehaltlos angenommen. Mit Ablauf der\nKündigungsfrist am 31.03.2005 wurde sie entsprechend geringer eingesetzt.\n\n9\n\n \n\nIm Vorlauf zum nächsten Schuljahr 2005/2006 erhielt die Klägerin eine weitere\nÄnderungskündigung zum 31.12.2005 mit dem Ziel, die Teilzeitquote um drei\nUnterrichtsstunden auf nunmehr 18/27 abzusenken. Diese Änderungskündigung nahm\ndie Klägerin unter Vorbehalt an und erhob rechtzeitig\nÄnderungskündigungsschutzklage; diese Klage ist der Ursprung des vorliegenden\nRechtsstreits.\n\n10\n\n \n\nMit der Klageschrift sowie taggleich auch außergerichtlich hat die Klägerin\nnochmals angeboten, nunmehr an der flexiblen Teilzeitarbeit nach LPK\nteilzunehmen. Das beklagte Land ist auf dieses Angebot nicht eingegangen.\nDaraufhin begehrte die Klägerin im laufenden Rechtsstreit durch\nKlageerweiterung vom 16.11.2005 hilfsweise die Verurteilung des beklagten\nLandes zur Ermöglichung der nachträglichen Teilnahme der Klägerin an der\nflexiblen Teilzeitarbeit nach Lehrerpersonalkonzept; dies ist der einzig noch\nrechtshängige Teil des Rechtsstreits der Parteien.\n\n11\n\n \n\nAuch im Vorlauf zum Schuljahr 2006/2007 erhielt die Klägerin wiederum eine\nÄnderungskündigung, diesmal zum 31.12.2006, mit der das Ziel verfolgt wurde,\ndie Teilzeitquote um abermals eine Unterrichtsstunde auf nunmehr 17/27\nabzusenken. Auch diese Änderung hat die Klägerin unter Vorbehalt angenommen\nund hat das laufende Kündigungsschutzverfahren rechtzeitig um einen\nÄnderungsschutzantrag zu dieser Änderungskündigung erweitert.\n\n12\n\n \n\nZum Schuljahr 2007/2008, das in diesen Tagen zu Ende geht, hat die Klägerin\nerstmals seit Jahren keine erneute Änderungskündigung erhalten. Die\nBeschäftigung ist mit 17 von 27 Unterrichtsstunden fortgesetzt worden.\n\n13\n\n \n\nDas Arbeitsgericht Schwerin hat die beiden Änderungskündigungsschutzklagen mit\nUrteil vom 24.01.2007 abgewiesen. Die hiergegen eingereichte klägerische\nBerufung (5 Sa 113/07) hat das Landesarbeitsgericht mit Beschluss vom\n11.09.2007 als unzulässig verworfen (Blatt 331 ff.). Über den zunächst\nübersehenen Hilfsantrag der Klägerin auf nachträgliche Teilnahme am LPK hat\ndas Arbeitsgericht Schwerin mit Schlussurteil vom 07.03.2007 durch\nKlagabweisung entschieden und dabei den Streitwert auf 2.000,00 EUR\nfestgesetzt.\n\n14\n\n \n\nDas Schlussurteil ist der Klägerin am 22.03.2007 zugestellt worden. Die\nhiergegen gerichtete klägerische Berufung vom 30.03.2007 ist hier am selben\nTag per Fax eingegangen (5 Sa 114/07) und mit Schriftsatz vom 10.05.2007,\nGerichtseingang per Fax am selben Tag, begründet worden.\n\n15\n\n \n\nDie Klägerin verfolgt ihr Begehren auf nachträgliche Teilnahme am LPK -\nnunmehr als einzigem Hauptantrag - im Berufungsrechtszug in vollem Umfang\nweiter. Die Klägerin fühlt sich durch das beklagte Land diskriminiert. Die\nVerweigerung der nachträglichen Teilnahme an der flexiblen Teilzeitarbeit sei\ntreuwidrig, sie sei ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und sie\nsei im Übrigen als Verstoß gegen das Maßregelungsverbot aus § 612 a BGB zu\nbewerten. Die Klägerin erklärt, sie sei bereit, eventuelle aus der\nNichtteilnahme gezogene Vorteile im Rahmen einer "Vorteilsausgleichung" zu\nverrechnen und sie bedauert, dass sie sich im Mai 2003 - geleitet von\nunzutreffenden Erwägungen - gegen die Teilnahme an der flexiblen\nTeilzeitarbeit entschieden habe.\n\n16\n\n \n\nDie Klägerin beantragt, unter Abänderung des Schlussurteils des\nArbeitsgerichts Schwerin vom 7.3.2007 zum Aktenzeichen 3 Ca 2523/06 das\nbeklagte Land zu verpflichten, der Klägerin die Teilnahme am\nLehrerpersonalkonzept zu gewähren.\n\n17\n\n \n\nDas beklagte Land beantragt, die Berufung zurückzuweisen.\n\n18\n\n \n\nDas beklagte Land hebt hervor, dass die Regeln des Lehrerpersonalkonzepts\nvorsehen würden, dass jeder Lehrkraft nur einmal das Angebot auf Teilnahme\nunterbreitet werde. Wer - wie die Klägerin - dieses Angebot ablehne, müsse mit\nden sich daraus ergebenden Konsequenzen leben. Die Klägerin könne sich nicht\ndarauf berufen, ihr wären die Konsequenzen nicht klar gewesen, denn in den\nInformationsbroschüren zum Lehrerpersonalkonzept habe das beklagte Land\ndarüber ausführlich unterrichtet.\n\n19\n\n \n\nIm Weiteren führt das beklagte Land aus, die Zulassung der nachträglichen\nTeilnahme würde die bisherigen Teilnehmer benachteiligen (Blatt 315). Außerdem\nhätte die Begleitgruppe zum Lehrerpersonalkonzept, der die Anträge auf\nnachträgliche Zulassung vorgelegt werden, die Zulassung abgelehnt, da die\nKlägerin während des Laufs der Kündigungsfrist zu ihrer Änderungskündigung\nfinanzielle Vorteile gegenüber den teilnehmenden Lehrkräften genossen hätte\n(Blatt 402). Die nachträgliche Teilnahme müsse aber auch deshalb abgelehnt\nwerden, weil ansonsten die Vorteile der teilnehmenden Lehrer in zukünftigen\nJahren, wenn die Teilzeitquoten wieder verbessert werden könnten, geschmälert\nwürden (Blatt 402).\n\n20\n\n \n\nWegen der weitern Einzelheiten wird auf die überreichten Schriftsätze nebst\nAnhang und auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung verwiesen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n21\n\n \n\nDie der Beschwer nach statthafte Berufung, die auch im Übrigen keinen\nZulässigkeitsbedenken unterliegt, hat in der Sache Erfolg.\n\n22\n\n \n\nEntgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts - und in Abweichung zur\nRechtsprechung der 2. Kammer des hiesigen Landesarbeitsgerichts - hat die\nKlägerin einen Anspruch darauf, dass das beklagte Land mit ihr einen\nGrundvertrag auf Basis des Lehrerpersonalkonzepts abschließt. Dieser Anspruch\nergibt sich aus dem Arbeitsvertrag der Parteien in Verbindung mit dem\narbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.\n\n \n\nI.\n\n23\n\n \n\nDer klägerische Antrag bedarf der Auslegung, ist jedoch mit dem ausgelegten\nSinn zulässig.\n\n24\n\n \n\nDie Klägerin begehrt die Verurteilung des beklagten Landes, ihr die\nnachträgliche Teilnahme am Lehrerpersonalkonzept zu gestatten. Damit begehrt\nsie in zulässiger Weise die Verurteilung des beklagten Landes zur Abgabe einer\nWillenserklärung. Dass die Klägerin im Antrag lediglich von einer\n"Verpflichtung" spricht und nicht ausdrücklich eine "Verurteilung" begehrt,\nsteht dieser Auslegung nicht entgegen.\n\n25\n\n \n\nAuch der Inhalt der Willenserklärung, zu deren Abgabe das beklagte Land\nverurteilt werden soll, erschließt sich jedenfalls unter Hinzuziehung der\nBegründung des klägerischen Antrages. Das beklagte Land soll dazu verurteilt\nwerden, das klägerische Angebot zum Abschluss eines Grundvertrages auf Basis\ndes Lehrerpersonalkonzepts anzunehmen. Dass die Klägerin ihren Antrag nicht in\ngenau diese Worte gefasst hat, ist unerheblich, da ihr Begehren aus dem\nZusammenhang klar wird. Die Klägerin hat außergerichtlich angeboten, einen\nGrundvertrag auf Basis des Lehrerpersonalkonzepts abzuschließen. Wenn sie\ndiesen Antrag nunmehr gerichtlich weiterverfolgt, kann das nur dahin gedeutet\nwerden, dass die Annahmefrist im Sinne von § 148 BGB für dieses Angebot noch\nnicht abgelaufen ist und sie weiter zu ihrem Angebot steht.\n\n26\n\n \n\nDas klägerische Angebot ist auch vollständig, es kann durch ein einfaches Ja\nangenommen werden.\n\n27\n\n \n\nWeitere Einzelpunkte außerhalb des Angebots, mit dem beklagten Land einen\nGrundvertrag nach dem Lehrerpersonalkonzept bei im Übrigen gleichbleibenden\nArbeitsbedingungen abzuschließen, bedurfte es nicht, denn die weiteren\nEinzelheiten ergeben sich aus dem Lehrerpersonalkonzept und seinen\nAnwendungsregelungen zur Maßnahme flexible Teilzeitarbeit automatisch.\n\n28\n\n \n\nEbenfalls im Wege der Auslegung lässt sich der Zeitpunkt bestimmen, zu dem der\nGrundvertrag nach dem Antrag der Klägerin abgeschlossen werden soll. Die\nKlägerin hatte erstinstanzlich beantragt, ihr die nachträgliche Teilnahme zum\nSchuljahr 2005/2006 zu gewähren. Damit ist erkennbar der Beginn dieses\nSchuljahres, also der 1. August 2005 gemeint. Da es keine Hinweise oder\nErklärungen gibt, die darauf hindeuten, dass die Klägerin nur eingeschränkt\nBerufung einlegen wollte, ist davon auszugehen, dass sie nach wie vor die\nVerurteilung zu einem Grundvertrag ab dem 1. August 2005 anstrebt. Die vom\nArbeitsgericht in seinem Schlussurteil vorgenommenen Einschränkungen\nhinsichtlich des Beginns der geforderten Teilnahme sind nicht durch\nentsprechende Feststellungen untersetzt; es handelt sich mithin nur um\nSchlussfolgerungen, denen sich das erkennende Gericht nicht anschließt.\n\n29\n\n \n\nDem Klageantrag steht nicht entgegen, dass das beklagte Land damit zu einem\nrückwirkenden Abschluss eines Vertrags verurteilt werden soll. Nach § 306 BGB\na. F. war die Verurteilung zur Eingehung eines rückwirkenden\nVertragsverhältnisses ausgeschlossen. Daraus hat das Bundesarbeitsgericht\ngeschlossen, eine Verurteilung zum Abschluss eines in der Vergangenheit\nliegenden Arbeitsvertrags sei nicht möglich (BAG 28. Juni 2000 - 7 AZR 904/98\n- BAGE 95, 171 m. w. N.).\n\n30\n\n \n\nDie Rechtslage hat sich jedoch mit dem Inkrafttreten des § 311a Abs. 1 BGB i.\nd. F. des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts (vom 26. November 2001\nBGBl. I S. 3138) ab dem 1. Januar 2002 geändert. Der Wirksamkeit eines\nVertrags steht nicht mehr entgegen, dass der Schuldner nach § 275 Abs. 1 BGB\nn. F. nicht zu leisten braucht, auch wenn das Leistungshindernis schon bei\nVertragsschluss vorliegt. Nach § 275 Abs. 1 BGB n. F. ist der Anspruch auf\nLeistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann\nunmöglich ist. Der rückwirkende Abschluss eines Vertrags ist nicht mehr\nnichtig. Damit ist auch eine dahingehende Verurteilung möglich (BAG 09.11.2006\n- 2 AZR 509/05 - AP Nr. 1 zu § 311a BGB = DB 2007, 861; 9. Mai 2006 - 9 AZR\n278/05 - NZA 2006, 1413; 27. April 2004 - 9 AZR 522/03 - BAGE 110, 232).\n\n \n\nII.\n\n31\n\n \n\nDer mit dem ausgelegten Sinn zulässige Klageantrag ist auch begründet. Das\nbeklagte Land ist auf Basis des bestehenden Arbeitsverhältnisses der Parteien\nin Verbindung mit dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz\nverpflichtet, das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Grundvertrages auf\nBasis des Lehrerpersonalkonzepts anzunehmen.\n\n32\n\n \n\nDer arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet sowohl die\nsachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen\nArbeitnehmern in vergleichbarer Lage als auch die sachfremde Differenzierung\nzwischen Arbeitnehmern in einer bestimmten Ordnung. Sachfremd ist eine\nDifferenzierung, wenn es für die unterschiedliche Behandlung keine\nbilligenswerten Gründe gibt, wenn also für eine am Gerechtigkeitsgedanken\norientierte Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich anzusehen ist. Im\nBereich der Vergütung gilt der Gleichbehandlungsgrundsatz zwar nur\neingeschränkt, weil der Grundsatz der Vertragsfreiheit Vorrang hat. Anders ist\ndies aber, wenn der Arbeitgeber die Leistung nach einem allgemeinen Prinzip\ngewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder Zwecke festlegt. Von einer\nsolchen Regelung darf er Arbeitnehmer nur aus sachlichen Gründen ausschließen\n(st. Rspr. vgl. BAG 25. April 2001 - 5 AZR 368/99 - BAGE 97, 350).\n\n33\n\n \n\nEin Arbeitgeber, der nach einem selbstgesetzten System vergütet, muss dabei\nVerteilungsgerechtigkeit üben, weil ein System stets den gedanklichen\nZusammenhang mit anderen Tatbeständen und anderen Arbeitnehmern und damit\nVergleichbarkeit herstellt (BAG 03.07.2003 - 2 AZR 617/02 - BAGE 107, 56 = AP\nNr. 73 zu § 2 KSchG 1969 = DB 2004, 655 unter Berufung auf Wiedemann Die\nGleichbehandlungsgebote im Arbeitsrecht, Tübingen 2001, S. 20 f.).\n\n34\n\n \n\nDiese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall anwendbar. Die Parteien\nstreiten zwar nicht um die Vergütung. Das beklagte Land hat jedoch durch die\nflexible Teilzeitarbeit nach dem Lehrerpersonalkonzept ein System zur\nVerteilung von Einkommenschancen geschaffen, das ähnlich weitreichende\nAuswirkungen auf die teilnehmenden wie auf die nicht freiwillig teilnehmenden\nArbeitnehmer hat, wie ein System der Vergütung.\n\n35\n\n \n\n1\\. Das beklagte Land hat die unter Vertrag stehende Lehrerschaft in mehrere\nGruppen unterteilt, die unterschiedlich behandelt werden. Die Betrachtung kann\nsich dabei auf die Lehrkräfte der Schulartgruppe 2 (Haupt- und Realschulen,\nRegionale Schulen, Gesamtschulen und Gymnasien - vgl. Anwendungsregel A.1 zur\nMaßnahme Teilzeit, Informationsbroschüre 6, S. 43) beschränken, zu der die\nKlägerin zählt.\n\n36\n\n \n\nDie Lehrerschaft der Schulartgruppe 2 wird vom beklagten Land in zwei\nHauptgruppen aufgeteilt, die eine unterschiedliche Behandlung erfahren. Zur\nersten Hauptgruppe zählt das beklagte Land alle Lehrkräfte, die für eine\nTeilzeitarbeit nach den Lehrerpersonalkonzept-Regeln nicht in Betracht kommen.\nDazu gehören alle Lehrkräfte, die bereits an anderen Maßnahmen nach dem\nLehrerpersonalkonzept teilnehmen (zum Beispiel Altersteilzeit) sowie die\nwenigen Lehrkräfte, die in einem Beamtenverhältnis zum beklagten Land stehen.\nZur zweiten Hauptgruppe zählt das Land alle übrigen Lehrkräfte der\nSchulartgruppe 2. Diese Hauptgruppe ist dadurch gekennzeichnet, dass alle\nMitglieder dieser Hauptgruppe in der einen oder anderen Form Teilzeitarbeit\nzur Bewältigung des Personalüberhangs leisten müssen; auf den Schultern dieser\nLehrkräfte ruht das gesamte Personalabbauvolumen durch Teilzeitarbeit.\n\n37\n\n \n\nDie zweite Hauptgruppe teilt sich wiederum in zwei Gruppen von Lehrkräften,\ndie in der Praxis des beklagten Landes mit den Begriffen "Teilnehmer" und\n"Nichtteilnehmer" belegt sind. Unter Teilnehmern versteht das beklagte Land\nall diejenigen Lehrkräfte, die freiwillig auf das erste und einzige Angebot\ndes beklagten Landes zur Teilnahme an der flexiblen Teilzeitarbeit eingegangen\nsind und seit diesem Zeitpunkt auf Basis eines Grundvertrages mit 18 von 27\nWochenstunden (66 Prozent einer Vollbeschäftigung bzw. bei Ein-Fach-Lehrern 50\nProzent und 14 Wochenstunden) zusammen arbeiten.\n\n38\n\n \n\nZur Gruppe der Nichtteilnehmer zählt das beklagte Land dagegen all die\nLehrkräfte der zweiten Hauptgruppe, die das erste und einzige Angebot des\nbeklagten Landes zur Umstellung der Zusammenarbeit auf einen Grundvertrag nach\ndem Lehrerpersonalkonzept nicht angenommen haben.\n\n39\n\n \n\nDie Bezeichnung Nichtteilnehmer charakterisiert diese Gruppe allerdings nicht\ntreffend. Denn auch die Nichtteilnehmer werden über Änderungskündigungen\nindirekt gezwungen, sich an dem Personalabbau zur Vermeidung von\nBeendigungskündigungen zu beteiligen. An dem Begriff soll aber im Weiteren\neingedenk der gegebenen Klarstellung festgehalten werden, da er bei den\nParteien eingeführt ist. Zu dieser Gruppe der Nichtteilnehmer gehört die\nKlägerin, weil sie im Mai 2003 auf das Angebot des beklagten Landes, das\nArbeitsverhältnis auf Basis eines Grundvertrages nach dem\nLehrerpersonalkonzept fortzuführen, nicht eingegangen ist.\n\n40\n\n \n\nIm Folgenden wird nur das Verhältnis der Gruppe der Teilnehmer und der Gruppe\nder Nichtteilnehmer daraufhin untersucht, ob die feststellbaren Unterschiede\nin der Behandlung noch dem Gleichbehandlungsgrundsatz genügen. Die erste\nHauptgruppe hat dazu keine Berührungspunkte. Sie bleibt bei der weiteren\nBetrachtung daher unbeachtet.\n\n41\n\n \n\nDie genaue Anzahl der Mitglieder beider betrachteten Gruppen sind vom\nbeklagten Land nie detailliert dargestellt worden. Es dürfte aber unstreitig\nsein, wenn das Gericht aus den vielen bereits entschiedenen ähnlichen\nSachverhalten zum Lehrerpersonalkonzept den Schluss zieht, dass die Gruppe der\nNichtteilnehmer allerhöchstens ein Prozent aller Lehrkräfte umfasst, die den\nPersonalabbau durch Teilzeitarbeit schultern. Die Gesamtzahl der Lehrkräfte,\ndie in der einen oder der anderen Weise an der Teilzeitarbeit teilnehmen\n(müssen), ist aufgrund der Angaben des beklagten Landes zu den ehemals\nrechtshängigen Änderungskündigungen und aus der vom Gericht beigezogenen Akte\naus dem Vorprozess zur ersten Änderungskündigung (ArbG Schwerin 4 Ca 3416/03)\nbekannt.\n\n42\n\n \n\nIm Rechtsstreit um die 1. Änderungskündigung im Vorlauf zum Schuljahr\n2003/2004 hat das beklagte Land die Gesamtanzahl der Lehrkräfte, auf die die\nTeilzeitarbeit verteilt wird, mit 2.510 angegeben ("Liste 4" als Anlage zur\nKlageerwiderung des beklagten Landes vom 08.10.2003, Blatt 54 der Beiakte).\nFür die Änderungskündigung im Vorlauf zum Schuljahr 2005/2006 sind 2.290\nLehrkräfte berücksichtigt worden (Anlage B4 zur Klageerwiderung zum inzwischen\nrechtskräftig erledigten Änderungskündigungsstreit; in der vorliegenden Akte\nBlatt 37). Für die ebenfalls inzwischen erledigte\nÄnderungskündigungsschutzklage im Vorlauf zum Schuljahr 2006/2007 hat das\nbeklagte Land angegeben, die Teilzeitarbeit auf 2.170 Lehrkräfte verteilt zu\nhaben (Anlage B8 "Liste 1" zum erstinstanzlichen Schriftsatz des beklagten\nLandes vom 09.11.2006, hier Blatt 106).\n\n43\n\n \n\nDiese Zahlen beziehen sich auf die gesamte zweite Hauptgruppe und umfassen die\nTeilnehmer wie die Nichtteilnehmer.\n\n44\n\n \n\nWenn man andererseits unterstellt, dass alle Nichtteilnehmer irgendwann einmal\nwegen der Nichtteilnahme und deren Folgen arbeitsgerichtliche Hilfe in\nAnspruch genommen haben, liegt deren Gesamtanzahl im betroffenen Schulamt in\nder Schulartgruppe 2 bei höchstens 10 Personen; zu mehr Personen hat es keine\nRechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen gegeben. Selbst wenn\nman diese Zahl verdoppelt, weil vielleicht doch nicht alle betroffenen\nLehrkräfte gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen haben, würde die Anzahl der\nNichtteilnehmer immer noch weniger als ein Prozent aller Lehrkräfte umfassen,\nauf deren Schultern die Teilzeit ruht.\n\n45\n\n \n\n2\\. Die Mitglieder der Hauptgruppe der Lehrkräfte, die die Teilzeitarbeit\nschultern, werden vom beklagten Land unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob\nsie zu den Teilnehmern oder zu den Nichtteilnehmern gerechnet werden. Die\nunterschiedliche Behandlung wird teilweise offen im Rahmen der Regeln des\nLehrerpersonalkonzepts ausgewiesen, zum anderen Teil ergibt sie sich lediglich\naus der gelebten Praxis des beklagten Landes.\n\n46\n\n \n\na) In der Hauptsache haben die Nichtteilnehmer keinen Kündigungsschutz und\nkeine Beschäftigungsgarantie im Umfang von 66 Prozent einer Vollbeschäftigung\nbzw. für Ein-Fach-Lehrer im Umfang von 50 Prozent einer Vollbeschäftigung wie\ndie Teilnehmer aus der Schulartgruppe 2. Das zeigt sich auch im\nArbeitsverhältnis der Parteien, das seit dem Schuljahr 2006/2007 mit nur noch\n17 von 27 Wochenstunden durchgeführt wird, was nur noch einer Teilzeitquote\nunterhalb von 66 Prozent einer Vollbeschäftigung entspricht. Für die\nTeilnehmer bleibt es jedoch bei der Beschäftigung mit 18 von 27 Wochenstunden,\nauch wenn die Bedarfsberechnung nach den Regeln des Lehrerpersonalkonzepts wie\nbei der Klägerin inzwischen Werte von unter 66 Prozent ergibt.\n\n47\n\n \n\nb) Nach den Ankündigungen des beklagten Landes (Informationsbroschüre 6 S. 69)\nmüssen die Nichtteilnehmer gar mit Beendigungskündigungen rechnen, wenn der\nBedarf nach ihrer Arbeitskraft - gerechnet nach LPK-Regeln - unter 50 Prozent\nabrutscht. So begründete Beendigungskündigungen hat das beklagte Land bereits\nausgesprochen; das Urteil der erkennenden Kammer vom 29.07.2008 zum\nAktenzeichen 5 Sa 147/07 betrifft einen solchen Sachverhalt.\n\n48\n\n \n\nc) Im Weiteren möchte das beklagte Land in den letzten Jahren der Laufzeit des\nLehrerpersonalkonzepts, wenn die Teilzeitquoten wieder angehoben werden\nkönnen, nur die Quoten der Teilnehmer anheben. Erst wenn diese wieder in\nVollbeschäftigung stehen, sollen auch die Quoten der Nichtteilnehmer angehoben\nwerden. Dafür beruft sich das beklagte Land auf die Anwendungsregel A.14\n(Informationsbroschüre 6 Seite 45).\n\n49\n\n \n\nd) Unterschiede ergeben sich auch bei der Verteilung zusätzlichen\nUnterrichtsbedarfs im laufenden Schuljahr. Ein solcher Zusatzbedarf kann sich\nim Wesentlichen aus zwei Gründen ergeben. Der Bedarf kann einerseits durch\nnicht planbare Veränderungen der Personalsituation entstehen (zum Beispiel\nlängere Krankheit, Schwangerschaft, Elternzeit, Versetzung an andere Schulen,\nAufgabe des Arbeitsverhältnisses wegen Umzugs oder aus anderen Gründen).\n\n50\n\n \n\nAndererseits kann sich der Zusatzbedarf jedoch auch aus einem ungewollten\nNebeneffekt der Stundenverteilung nach den LPK-Regeln ergeben. Denn diese\nRegeln (Anwendungsregel C.2, Informationsbroschüre 6 Seite 53 ff.; es wird\nBezug genommen) haben mehr die Verteilungsgerechtigkeit der Lehrkräfte\nuntereinander als die Bedarfsbefriedigung an den einzelnen Schulen vor Ort im\nBlick. So kann es vorkommen, dass die Anwendung der Anwendungsregeln dazu\nführt, dass der Bedarf vor Ort nicht aus dem durch Teilzeitarbeit dezimierten\nBestand abgedeckt werden kann und zusätzliche Stunden eingeworben werden\nmüssen. Dies hat auch im Vorprozess der Parteien um die 1. Änderungskündigung\nam Rande eine Rolle gespielt, als nämlich schon lange vor Beginn des\nSchuljahres klar war, dass im Schuljahr 2003/2004 an der Schule in ... ein\nnicht gedeckter Bedarf nach Englisch-Unterricht bestehen würde, der nur über\nZusatzverträge abgedeckt werden könnte.\n\n51\n\n \n\nGleich aus welchen Gründen der zusätzliche Unterrichtsbedarf entsteht, er wird\ndurch befristete Zusatzverträge mit unter Vertrag stehenden Lehrkräften\nabgedeckt. Von der Vergabe dieser Zusatzverträge, die in der Praxis als\n"Y-Verträge" bezeichnet werden, werden die Nichtteilnehmer ausgeschlossen.\nDaher ist zum Beispiel die Bewerbung der Klägerin (vgl. Blatt 387) um\nausgeschriebene zusätzliche Englisch-Stunden an einem Gymnasium in der Stadt,\nzu der auch ihre Schule gehört, von vornherein nicht berücksichtigt worden.\n\n52\n\n \n\ne) Schließlich stehen den Nichtteilnehmern auch keine anderen Maßnahmen des\nLehrerpersonalkonzepts offen, da die Verweigerung der freiwilligen Teilnahme\nan der flexiblen Teilzeitarbeit als umfassende Ablehnung des gesamten\nLehrerpersonalkonzepts gewertet wird.\n\n53\n\n \n\nDa auch der Wechsel einer Lehrkraft in ein anderes Bundesland eine der\nMaßnahmen nach dem Lehrerpersonalkonzept ist (vgl. Informationsbroschüre 6\nSeite 144 ff.), hat das sogar dazu geführt, dass Nichtteilnehmern, die sich\nauf eigene Faust in anderen Bundesländern bewerben wollten, die dafür\nnotwendige Freigabeerklärung des beklagten Landes verweigert wurde (vgl. zu\neinem solchen Fall das Urteil des LAG vom 30.03.2004 - 5 Sa 251/03 - zu II.3\nder Entscheidungsgründe; das Urteil ist nicht - auch nicht auf juris.de -\nveröffentlicht). Ähnliches ist möglicherweise auch der Klägerin widerfahren,\ndie sich ausweislich des vom beklagten Land eingereichten Schreibens vom\n29.06.2003 (Blatt 441) ebenfalls auf eigene Faust in anderen Bundesländern\nbewerben wollte. Das Gericht hat den Sachverhalt insoweit mangels konkreter\nBedeutung für die Entscheidung aber nicht weiter aufgeklärt.\n\n54\n\n \n\nf) Angesichts der Vielzahl der Sachverhalte, an denen sich die\nunterschiedliche Behandlung der Nichtteilnehmer und der Teilnehmer nachweisen\nlässt, ist das Argument des beklagten Landes, man habe die Lehrerschaft nicht\nin unterschiedlich behandelte Gruppen aufgeteilt, nicht nachvollziehbar.\nGerade das beklagte Land hat doch durch die Formalisierung des Status des\nNichtteilnehmers und durch den bewussten Ausschluss der Nichtteilnehmer von\nbestimmten Leistungen oder Angeboten beide Gruppen geformt und ausgestaltet.\n\n55\n\n \n\n3\\. Die unterschiedliche Behandlung der Teilnehmer und der Nichtteilnehmer ist\nim Kern sachlich gerechtfertigt. Zur Rechtfertigung der Differenzierung ist\ninsbesondere hervorzuheben, dass die Lehrkräfte, die freiwillig an der\nflexiblen Teilzeitarbeit teilnehmen, auf einen erheblichen Teil ihres\narbeitsvertraglichen Besitzstandes verzichtet haben. Denn statt in\nVollbeschäftigung stehen sie nunmehr in einem Teilzeitarbeitsverhältnis mit\nnur noch 18 von 27 Unterrichtswochenstunden (Grundvertrag). Dieser Verzicht\nist in einem übertragenen Sinne die Leistung der Teilnehmer für die\nGegenleistung des beklagten Landes, sie im maximal möglichen Umfang während\nder Jahre der Teilzeitarbeit bei der Zuteilung der Arbeit nach Maßgabe der\nAnwendungsregelungen zu berücksichtigen.\n\n56\n\n \n\nDieser Aspekt des Gebens und Nehmens, der mit dem Abschluss des Grundvertrages\nnach dem Lehrerpersonalkonzept verbunden ist, ist der sachliche Kern dafür,\ndie Lehrkräfte, die an der flexiblen Teilzeitarbeit teilnehmen, mit besonderen\nVorteilen zu bedenken. Ob man aus diesem Sinnzusammenhang heraus alle vom\nbeklagten Land praktizierten Ungleichbehandlungen wird rechtfertigen können,\nerscheint zweifelhaft, braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden. Für\ndie weitere Analyse reicht die Feststellung aus, dass die Bevorzugung von\nTeilnehmern im Kern sachlich gerechtfertigt ist.\n\n57\n\n \n\n4\\. Die Weigerung des beklagten Landes, Lehrkräften aus der Gruppe der\nNichtteilnehmer nachträglich den Wechsel zur Gruppe der Teilnehmer dauerhaft\nzu verweigern, lässt sich dagegen sachlich nicht rechtfertigen.\n\n58\n\n \n\nDie Verweigerung der nachträglichen Zulassung zur flexiblen Teilzeitarbeit\nmuss sich am Gleichbehandlungsgrundsatz messen lassen. Denn in andere Worte\ngekleidet setzt die Zugehörigkeit zur Gruppe der Teilnehmer nach der Praxis\ndes beklagten Landes nicht nur voraus, dass man sich an der Maßnahme flexible\nTeilzeitarbeit überhaupt beteiligt, sondern man ist nur dann Teilnehmer, wenn\nman sich seit Anbeginn an dieser Maßnahme beteiligt hat. Dieses zusätzliche\nZugangskriterium für diese Gruppe ist gleichheitswidrig.\n\n59\n\n \n\nEs gibt keinen sachlichen Grund, der Klägerin die nachträgliche Teilnahme an\nder flexiblen Teilzeitarbeit nach dem Lehrerpersonalkonzept zu verweigern.\nJedenfalls ist keines der vom beklagten Land vorgetragenen Argumente geeignet,\ndie Verweigerung der nachträglichen Zulassung zu rechtfertigen und denkbare\nweitere Argumente sind ebenfalls nicht tragfähig.\n\n60\n\n \n\na) Der Zwang zur sachlichen Rechtfertigung der Verweigerung der nachträglichen\nTeilnahme kann jedenfalls nicht mit dem Hinweis auf die Privatautonomie, an\nder auch das beklagte Land teil hat, negiert werden.\n\n61\n\n \n\nDer Hinweis auf die Privatautonomie oder gleichbedeutend der Hinweis auf den\nfehlenden Kontrahierungszwang des beklagten Landes nach dem geltenden\nPrivatrecht, ist in der Sache nichts anderes als die Rechtsbehauptung, das\nbeklagte Land stehe hinsichtlich der Verweigerung der nachträglichen Teilnahme\nnicht unter einem gleichheitsbezogenen Rechtfertigungszwang. Der im Rahmen der\nPrivatautonomie gebildete Wille eine nachträgliche Teilnahme nicht zu\nwünschen, sei Ausdruck der gelebten Privatautonomie und sei bereits damit eine\nausreichende Erklärung der Ungleichbehandlung, mit der sich die\nNichtteilnehmer abfinden müssten.\n\n62\n\n \n\nDas könnte nur richtig sein, wenn man leugnet, dass die Frage der\nnachträglichen Zulassung zur flexiblen Teilzeitarbeit überhaupt eine\nGleichbehandlungsfrage aufwirft. Das ist offensichtlich nicht möglich. Denn\nder nach dem Lehrerpersonalkonzept geplante Personalabbau durch Teilzeitarbeit\nist sozusagen das "Brot-und-Butter-Geschäft" des Lehrerpersonalkonzepts. Auf\ndiese Maßnahme muss immer dann zurückgegriffen werden, wenn trotz all der\nanderen Maßnahmen des Lehrerpersonalkonzepts sich ein Personalüberhang zu\nentwickeln droht.\n\n63\n\n \n\nAn dieser für das Gelingen des Lehrerpersonalkonzepts zentralen Maßnahme\nwerden die Teilnehmer wie die Nichtteilnehmer gleichermaßen beteiligt, denn\nbeide werden entweder durch Grund- und X-Vertrag oder durch\nÄnderungskündigungen zur Stundenabsenkung dazu gezwungen, ihren Beitrag zum\nAbbau oder zur Vermeidung des Personalüberhangs zu leisten. Dieses Vorgehen\ndes beklagten Landes greift tief in die Arbeitsverhältnisse und daher auch in\nden privaten Lebenszuschnitt der betroffenen Lehrkräfte ein. Durch den auf\nmehrere Jahre verteilten Rückfall auf das 2/3-Arbeitsverhältnis verlieren\nTeilnehmer wie Nichtteilnehmer für viele Jahre ihres Berufslebens den sozialen\nund wirtschaftlichen Status, der gemeinhin mit einer Berufsstellung in\nakademischen Berufen verbunden ist.\n\n64\n\n \n\nWenn das beklagte Land dann noch innerhalb der in Teilzeit arbeitenden\nLehrkräfte weitere Differenzierungen vornehmen will, drängt es sich geradezu\nauf, dass diese Differenzierungen am Maßstab der Gleichbehandlung zu messen\nsind, denn es geht um die gerechte Bewältigung einer in den Ausmaßen\nhistorisch einmaligen Beschäftigungskrise, die in den wirtschaftlichen und\nsozialen Verwerfungen nach der Wiedervereinigung ihre Ursachen hat. Die\ngerechte Mangelverwaltung ist aber einer der klassischen Anwendungsfälle des\nGleichbehandlungsgrundsatzes.\n\n65\n\n \n\nIm Gegensatz hierzu geht die 2. Kammer des Gerichts in ihrer Rechtsprechung\ndavon aus, die Entscheidung des beklagten Landes zur nachträglichen Teilnahme\nstehe in seinem Ermessen und die Nichtteilnehmer hätten lediglich einen\nAnspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung (LAG Mecklenburg-Vorpommern,\nUrteil vom 27.09.2006 - 2 Sa 101/06 - auf juris.de veröffentlicht).\n\n66\n\n \n\nDamit hat die 2. Kammer aus der Sicht der hier erkennenden Kammer die\nGleichbehandlungsproblematik, die mit der Frage der nachträglichen Zulassung\nzur flexiblen Teilzeitarbeit verbunden ist, verkannt. Das wird auch darin\ndeutlich, dass die 2. Kammer im Weiteren nur prüft, ob das beklagte Land sein\nErmessen in allen vergleichbaren Fällen gleich ausgeübt hat; die\nGleichbehandlungsproblematik wird also reduziert auf die Frage der\nGleichbehandlung im Rahmen des Ermessens. Dabei wird übersehen, dass bereits\ndie vorgelagerte Frage, ob man den nachträglichen Zugang zur Gruppe der\nTeilnehmer überhaupt verweigern darf, am Gleichbehandlungsgrundsatz gemessen\nwerden muss.\n\n67\n\n \n\nb) Das beklagte Land hat die Verweigerung der nachträglichen Zulassung zur\nflexiblen Teilzeitarbeit unter anderem mit dem Argument begründet, die\nnachträgliche Teilnahme würde die Lehrkräfte benachteiligen, die sich bereits\nvon Anbeginn an der flexiblen Teilzeitarbeit beteiligt hätten.\n\n68\n\n \n\nDieses Argument ist nicht nachvollziehbar, denn keine Lehrkraft aus der Gruppe\nder Teilnehmer hat bis heute dadurch einen Nachteil erlitten, dass es neben\nder Gruppe der Teilnehmer auch die Gruppe der Nichtteilnehmer gibt. Das hängt\nmit der Art und Weise der Berechnung der Teilzeitquoten nach den\nAnwendungsregelungen zum Lehrerpersonalkonzept zusammen und muss näher\nerläutert werden.\n\n69\n\n \n\nWie bereits mehrfach erwähnt, wird nach der Praxis des beklagten Landes eine\neinheitliche Bedarfsquote für die Lehrkräfte aus der Gruppe der Teilnehmer wie\nfür die aus der Gruppe der Nichtteilnehmer gebildet. Mit anderen Worten\nausgedrückt entspricht das Ziel der Änderungskündigungen, die der Klägerin\ngegenüber ausgesprochen worden sind, immer der Teilzeitquote aus der Summe von\nGrund- und X-Vertrag für die teilnehmenden Lehrkräfte für das betreffende\nSchuljahr. Die nach den Anwendungsregeln zum Lehrerpersonalkonzept ermittelte\nTeilzeitquote wird bei den Nichtteilnehmern durch Änderungskündigungen\numgesetzt und bei den Teilnehmern durch jährlich wechselnde und jeweils auf 1\nSchuljahr befristete X-Verträge.\n\n70\n\n \n\nDie der Bedarfsquote zu Grunde liegende Planung stellt aber immer auf das\ngesamte Schuljahr ab. Es besteht daher gar keine Möglichkeit für das beklagte\nLand, das geringere Einsparvolumen, das die Nichtteilnehmer erwirtschaften,\nweil ihnen gegenüber Kündigungsfristen einzuhalten sind, die im Regelfall etwa\n5 Monate in das Schuljahr hineinreichen, durch entsprechend niedrigere\nTeilzeitquoten bei den teilnehmenden Lehrern oder bei den Lehrern aus beiden\nGruppen auszugleichen. Daraus folgt, dass die Teilzeitquote der teilnehmenden\nLehrkräfte in keiner Weise durch die vorübergehende Besserstellung der\nNichtteilnehmer während des Laufs der Kündigungsfrist berührt wird. Die\nNichtteilnehmer haben also keine Vorteile, denen irgendwelche Nachteile der\nTeilnehmer entsprechen. Der wirtschaftliche Nachteil aus den rechnerisch zu\nhohen Erwerbsquoten während des Laufs der Kündigungsfrist bei den\nNichtteilnehmern trägt vielmehr allein das beklagte Land. Das rechtfertigt die\nFeststellung, dass den Teilnehmern aus der Existenz und der Behandlung der\nNichtteilnehmer keine Nachteile erwachsen. Diese Feststellung würde nicht\ndadurch unzutreffend werden, wenn man den Nichtteilnehmern auf Wunsch\nnachträglich noch den Wechsel in die Gruppe der Teilnehmer gestatten würde.\n\n71\n\n \n\nDass die Lehrkräfte, die von Anbeginn an der flexiblen Teilzeitarbeit\nteilgenommen haben, eine nachträgliche Teilnahme weiterer Lehrkräfte als\n"ungerecht empfinden" würden (so LAG Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom\n01.11.2006 - 2 Sa 117/06 - juris.de veröffentlicht juris-RNr. 23) reicht für\nsich genommen nicht aus; dieses Empfinden ist vielmehr nur beachtlich, wenn es\nauf sachlich anerkennenswerten Erwägungen aufbaut.\n\n72\n\n \n\nc) Das weiter vorgebrachte Argument, die Zulassung einer nachträglichen\nTeilnahme führe zukünftig zu Nachteilen für die Lehrkräfte, die bereits von\nAnbeginn an der flexiblen Teilzeitarbeit teilgenommen haben (so die Vorinstanz\nund auch LAG MV 01.11.2006 a. a. O.), ist zwar rechnerisch nachvollziehbar.\nAus diesem Grund die nachträgliche Teilnahme zu verweigern, wäre jedoch\noffensichtlich unverhältnismäßig. Der hier angesprochene Nachteil bezieht sich\nauf die letzten Jahre des Lehrerpersonalkonzepts, die noch nicht angebrochen\nsind und in denen die Teilzeitquoten nach und nach wieder bis zur\nVollbeschäftigung ansteigen sollen. Für diese Zeit lässt sich die allgemeine\nAussage treffen, dass die Quoten um so schneller ansteigen und die\nVollbeschäftigung um so eher erreicht wird, je weniger Teilnehmer vorhanden\nsind, auf die die ansteigende Arbeit verteilt werden muss. Das beklagte Land\nmeint nun, dass die Zulassung der nachträglichen Teilnahme dazu führe, dass\ndie Gruppe der Teilnehmer weiter anwächst und daher sich der Zeitraum\nverlängert, der bis zum Erreichen der Vollbeschäftigung noch vergehen wird.\n\n73\n\n \n\nDaraus kann sich jedoch kein Argument gegen die nachträgliche Zulassung\nergeben. Denn es ist bereits fraglich, ob die Lehrkräfte aus der Gruppe der\nTeilnehmer überhaupt damit kalkuliert haben oder kalkulieren durften, dass\neinzelne Lehrkräfte nicht am Lehrerpersonalkonzept teilnehmen und daher später\nbei der Quotenanhebung außen vor bleiben. Insoweit muss beachtet werden, dass\nalle Unterzeichner des Lehrerpersonalkonzepts immer dafür geworben haben, dass\nmöglichst viele, wenn nicht gar alle Lehrkräfte am Lehrerpersonalkonzept\nteilnehmen. Gegenüber dem dadurch geprägten Erwartungshorizont der\nteilnehmenden Lehrkräfte stellt die Zulassung der nachträglichen Teilnahme\nkeinen Eingriff in geschützte oder schützenswerte Erwartungen dar.\n\n74\n\n \n\nZum anderen muss man sich die Größenordnung der dadurch zu erwartenden\nNachteile vor Augen führen. Denn wenn es richtig ist, dass die Gruppe der\nNichtteilnehmer weniger als 1 Prozent aller Lehrkräfte umfasst, die die\nTeilzeitarbeit schultern müssen, würden sich in der Zeit ansteigender\nTeilzeitquoten die Nachteile bei einer nachträglichen Zulassung der Teilnahme\nauch lediglich in der ersten oder zweiten Nachkommastelle auf die\nTeilzeitquoten auswirken. Das ist eine Einflussgröße, die zum Beispiel im\nVergleich zu den Auswirkungen von Neueinstellungen im Rahmen des\nEinstellungskorridors nur marginal ist.\n\n75\n\n \n\nMit diesem Argument die nachträgliche Zulassung zur Gruppe der Teilnehmer zu\nverweigern ist jedenfalls unverhältnismäßig, da dieses Argument völlig\nignoriert, dass auch die Lehrkräfte aus der Gruppe der Nichtteilnehmer durch\ndie Änderungskündigungen zur Teilzeitarbeit gezwungen werden und sie daher\nebenfalls einen beachtlichen Beitrag zum Personalabbau im Rahmen der Planungen\ndes Lehrerpersonalkonzepts in der Phase der absinkenden Teilzeitquoten und\nwährend der Zeit der gleichbleibend tiefen Teilzeitquoten schultern.\n\n76\n\n \n\nd) Letztlich rückt das beklagte Land noch den Umstand in den Vordergrund, dass\ndie Nichtteilnehmer finanzielle Vorteile genossen hätten, und dies einer\nnachträglichen Zulassung hinderlich entgegenstehe. Dieses Argument hat\nGewicht; es vermag jedoch im Ergebnis die Verweigerung der nachträglichen\nTeilnahme an der flexiblen Teilzeitarbeit nicht zu rechtfertigen.\n\n77\n\n \n\nEs geht um die finanziellen Vorteile, die die Nichtteilnehmer während des\nLaufs der Kündigungsfrist nach Ausspruch einer Änderungskündigung zur weiteren\nAbsenkung der Teilzeitquote haben. Nach Ablauf der Kündigungsfrist stehen sich\nTeilnehmer wie Nichtteilnehmer gleich. In den Monaten des Laufs der\nKündigungsfrist stehen sich die Nichtteilnehmer besser, da sie noch mit der\nbesseren Teilzeitquote aus dem vorangegangenen Schuljahr beschäftigt und\nvergütet werden. Hier von einem "finanziellen Vorteil" zu sprechen ist\nsprachlich allerdings ungenau, da die Nichtteilnehmer auch dementsprechend\nmehr arbeiten müssen. Es geht also nicht um ein Geschenk, das den\nNichtteilnehmern zu Teil wird, sondern um eine Erwerbschance, die auch die\nTeilnehmer gerne realisieren würden. Mit dieser Klarstellung im Hinterkopf\nsoll an dem eingeführten Begriff der "finanziellen Vorteile" der\nNichtteilnehmer festgehalten werden.\n\n78\n\n \n\nDiese finanziellen Vorteile vermögen die Verweigerung der nachträglichen\nTeilnahme an der flexiblen Teilzeitarbeit nicht zu rechtfertigen. In der\nArgumentation muss differenziert werden. In den ersten Jahren der flexiblen\nTeilzeitarbeit mit den schuljahrsweise sinkenden Beschäftigungsquoten hatte\ndas Argument nur eine sehr geringfügige Überzeugungskraft. Denn gerade mit der\nnachträglichen Zulassung zur flexiblen Teilzeitarbeit hätte das beklagte Land\ndie Problematik der "ungerechten" Vorteile der Nichtteilnehmer während des\nLaufs der Kündigungsfrist für die Zukunft wirksam ausschließen können.\nGemessen an den eigenen finanziellen Interessen des beklagten Landes ist daher\ndie Verweigerung der nachträglichen Zulassung in jenen Jahren der absinkenden\nTeilzeitquoten nicht nachvollziehbar.\n\n79\n\n \n\nDas beklagte Land rückt in diesem Zusammenhang auch immer die Interessen der\nTeilnehmer in den Vordergrund. Aber auch unter Einbeziehung dieses Aspekts\nkann eine andere Bewertung nicht begründet werden. Denn auch die teilnehmenden\nLehrkräfte müssen vorrangig ein Interesse daran haben, zukünftige\nReibungsverluste zu vermeiden, was gerade durch eine nachträgliche Zulassung\nbewerkstelligt werden könnte. Dieser objektive Vorteil der Zulassung\nnachträglicher Teilnahme für das beklagte Land und die Teilnehmer schwindet\njedoch in der Phase gleichbleibend niedriger Teilzeitquoten in Höhe des\nGrundvertrages, die hier mit dem Schuljahr 2006/2007 erreicht wurde. Denn\njetzt sinken - jedenfalls nach der gelebten Praxis - nur noch die\nTeilzeitquoten der Nichtteilnehmer, die der Teilnehmer werden künstlich durch\nUmverteilung der Stunden oder durch Subventionseffekte aus dem Landeshaushalt\nin Höhe des Grundvertrages stabilisiert.\n\n80\n\n \n\nOb die Verweigerung der nachträglichen Zulassung zur flexiblen Teilzeitarbeit\nbei Lehrkräften berechtigt wäre, die erst in dieser Phase den Wunsch äußern,\nan der flexiblen Teilzeitarbeit teilnehmen zu wollen, braucht hier nicht\nentschieden zu werden, da die Klägerin ihr Angebot auf nachträgliche Teilnahme\nbereits vor der 2. Änderungskündigung im Juni 2004 abgegeben hatte (vgl. Blatt\n391).\n\n81\n\n \n\ne) Damit verbleibt als Restproblem die Frage, ob die finanziellen Vorteile,\ndie die Klägerin in der Vergangenheit aus dem Status als Nichtteilnehmer\ngezogen hat, eine Verweigerung der nachträglichen Zulassung für die Zeit ab\ndem 1. August 2005 rechtfertigen können. Diese Frage ist jedenfalls bezogen\nauf den konkreten Fall der Klägerin zu verneinen, da die von ihr genossenen\nVorteile im Vergleich zu den auch von ihr bis heute und auch in Zukunft\ngeleisteten und zu erwartenden Beiträgen zur Verwirklichung des Personalabbaus\ndurch Teilzeitarbeit geringfügig sind.\n\n82\n\n \n\naa) Für diese Bewertung muss man zunächst einen genaueren Blick auf die\ntatsächlichen Verhältnisse werfen. Im Vergleich zu einer teilnehmenden\nLehrkraft hat die Klägerin im ersten Schuljahr der flexiblen Teilzeitarbeit\n(2003/2004) vom 1. August bis zum 31. Dezember 2003 noch vollbeschäftigt\ngearbeitet, während die teilnehmenden Lehrer aus Grund- und X-Vertrag nur auf\neine Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 22 von 27 Wochenstunden gekommen\nsind. Die Klägerin hat also fünf Monate lang fünf Unterrichtswochenstunden\nmehr unterrichtet und vergütet bekommen. Das entspricht - ausgedrückt in Geld\n- 25/27 eines Monatsverdienstes einer vollbeschäftigten Lehrkraft in\nvergleichbarer Lage. Die von den Parteien bevorzugte wochengenaue Betrachtung\nkommt zu vergleichbaren Ergebnissen, schießt jedoch über das Ziel hinaus, da\nder relevante Unterschied in der Vergütung liegt und diese immer monatsweise\nberechnet wird.\n\n83\n\n \n\nIm Folgeschuljahr 2004/2005 ist das Teilzeitarbeitsverhältnis der Parteien um\neine weitere Unterrichtsstunde auf 21 von 27 Wochenstunden zur Herstellung des\nGleichlaufs mit dem Grund- und X-Vertrag der Teilnehmer abgesenkt worden. Aus\nnicht nachvollziehbarem Eigenverschulden des beklagten Landes wurde diese\nÄnderungskündigung allerdings so spät ausgesprochen, dass sie erst zum\n31.3.2006 greifen konnte. Die Klägerin hat also 8 Monate einen Erwerbsvorteil\nin Höhe von 1/27 einer Vollzeitkraft genossen, was sich auf 8/27 des\nMonatsverdienstes einer Vollzeitkraft aufsummiert. Für das Schuljahr 2005/2006\nwirkte die Änderungskündigung um drei weitere Unterrichtsstunden auf nunmehr\n18 von 27 Unterrichtsstunden wieder zum Jahresende, so dass sich ein Vorteil\nfür die Klägerin von 15/27 Monatsverdiensten einer vergleichbaren\nVollzeitkraft errechnet.\n\n84\n\n \n\nAb dem Folgeschuljahr 2006/2007 hat die Klägerin keine Vorteile mehr genossen.\nVielmehr ergeben sich Nachteile, denn die Teilnehmer bleiben bei der\nBeschäftigung im Umfang von 18 von 27 Wochenstunden aus ihrem Grundvertrag\nwährend der Klägerin eine weitere Änderungskündigung auf dann 17 von 27\nWochenstunden ausgesprochen wurde, da - so das beklagte Land - gerechnet nach\nLPK-Regeln ein höherer Bedarf nicht mehr gegeben sei.\n\n85\n\n \n\nDieser Nachteil summiert sich auf 7/27 des Monatsverdiensts einer\nVollzeitkraft und setzt sich aus je einer Unterrichtsstunde für die Monate\nJanuar bis Juli 2007 zusammen. Im soeben auslaufenden Schuljahr 2007/2008\nwurde die Klägerin weiterhin mit 17 von 27 Wochenstunden beschäftigt. Der\nNachteil summiert sich also auf 12/27 des Monatsverdienstes einer\nVollzeitkraft.\n\n86\n\n \n\nbb) In der Bilanzierung überwiegen die Vorteile, die die Klägerin genossen hat\n(48/27 des Monatsverdienstes einer Vollzeitkraft), die inzwischen\neingetretenen Nachteile (19/27 Monatsverdienste einer Vollzeitkraft) noch\ndeutlich. Im Rahmen einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten bewertenden\nBetrachtung muss dieses Ergebnis jedoch durch weitere Überlegungen verfeinert\nwerden.\n\n87\n\n \n\naaa) Zum einen kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die Klägerin ihren\nAntrag auf nachträgliche Zulassung zur flexiblen Teilzeitarbeit schon vor der\n2. Änderungskündigung im Juni 2004 gestellt hatte (vgl. Blatt 391). Die der\nKlägerin danach für dieses und die folgenden Schuljahre erwachsenen Vorteile\nberuhen also kausal nicht mehr auf ihrer ursprünglichen Ablehnung der\nTeilnahme, sondern auf der nicht nachvollziehbaren Weigerung des beklagten\nLandes, der Klägerin die nachträgliche Teilnahme zu gestatten. Damit\nverbleiben als der Klägerin zurechenbarer Vorteil allein die 25/27\nMonatsverdienste einer Vollzeitkraft aus dem Schuljahr 2003/2004.\n\n88\n\n \n\nbbb) Eine Verrechnung dieses Vorteils mit den inzwischen ab dem Schuljahr\n2006/2007 sichtbar gewordenen Nachteilen im Vergleich zu den Teilnehmern ist\nallerdings nicht möglich, denn das beklagte Land wird hier dazu verurteilt,\ndas Angebot der Klägerin zur Teilnahme an der flexiblen Teilzeitarbeit nach\ndem Lehrerpersonalkonzept mit Wirkung ab dem 1. August 2005 anzunehmen. Sollte\ndas Urteil rechtskräftig werden, hätte die Klägerin möglicherweise sogar einen\nAnspruch darauf, dass die danach eingetretenen Nachteile ausgeglichen werden;\nsie können daher hier nicht in die Bilanz eingestellt werden.\n\n89\n\n \n\nccc) Demnach will das beklagte Land also der Klägerin die nachträgliche\nTeilnahme verweigern, weil sie im Schuljahr 2003/2004 für 5 Monate noch\nvollbeschäftigt war, während die vergleichbaren Teilnehmer in jenen Monaten\nbereits Teilzeit im Umfang von 22 von 27 Wochenstunden leisten mussten. Legt\nman das im Vorprozess (Beiakte) angegebene Gehalt bei Vollbeschäftigung in\njenem Jahr zu Grunde (3.200,00 EUR brutto monatlich), entspricht dieser\nVorteil der Klägerin einem Geldwert von 2.600,00 EUR brutto.\n\n90\n\n \n\nDieser Betrag ist um ein Vielfaches geringer als das Einsparvolumen, das das\nbeklagte Land über die Jahre durch die Teilzeitarbeit der Klägerin bereits\nerwirtschaftet hat und auch in Zukunft noch erwirtschaften kann. Denn allein\ndas zum 1. August 2005 bereits von der Klägerin erbrachte Einsparvolumen\nbeträgt 40/27 des Monatsverdienstes einer Vollzeitkraft (sieben Monate zu je\nfünf Wochenstunden im Schuljahr 2003/2004, vier Monate je einer Wochenstunde\nim Schuljahr 2004/ 2005 sowie sieben Monate je drei Wochenstunden im Schuljahr\n2005/2006) und liegt damit deutlich über dem von der Klägerin genossenen\nVorteil.\n\n91\n\n \n\nVor diesem Hintergrund erscheint für eine an dem Gerechtigkeitsgedanken\norientierte Betrachtungsweise die Verweigerung der nachträglichen Zulassung\nzur flexiblen Teilzeitarbeit nach dem Lehrerpersonalkonzept im Falle der\nKlägerin als unverhältnismäßig und damit als willkürlich im Sinne des\nGleichbehandlungsgrundsatzes. Daran kann auch die vom beklagten Land\nbevorzugte Sichtweise durch die Brille der Lehrkräfte nichts ändern, die von\nAnbeginn freiwillig an der flexiblen Teilzeitarbeit teilgenommen haben.\n\n92\n\n \n\nEs ist richtig, dass diese Lehrkräfte den Vorteil der Klägerin im Schuljahr\n2003/2004 nicht hatten. Das beklagte Land steht jedoch in einem\nArbeitsverhältnis zu allen seinen Lehrern und es fordert von Teilnehmern wie\nvon Nichtteilnehmern harte Beiträge zum Personalabbau; das muss sich in der\nBewertung der Argumente, die gegen eine nachträgliche Zulassung zur flexiblen\nTeilzeitarbeit sprechen, auch widerspiegeln.\n\n93\n\n \n\nddd) Hilfsweise ist noch folgender Gesichtspunkt zu beachten: Selbst wenn man\nden Vorteil in Höhe von 2.600,00 EUR brutto, den die Klägerin 2003/2004 aus\nder Nichtteilnahme ziehen konnte, prinzipiell als ausreichend ansehen würde,\num ihr auf Dauer den Zugang zur Gruppe der Teilnehmer zu verweigern, so muss\nman sich dann genauer mit den Umständen befassen, die diesem Vorteil zu Grunde\nliegen.\n\n94\n\n \n\nDer Klägerin wurde im Vorfeld zu diesem Schuljahr die Teilnahme mit Grund- und\nX-Vertrag angebotenen, obwohl es gerade einmal 1 Jahr her war, dass die\nKlägerin die Lehrbefähigung im Fach Englisch erworben hatte und es ihr daher\nseit 10 Jahren der Teilzeitarbeit erstmals wieder möglich war, in Vollzeit zu\narbeiten.\n\n95\n\n \n\nDie Nachqualifizierung im Fach Englisch erfolgte, da dieses Schulfach\njahrelang als Mangelfach galt. In dieser Situation ist es zumindest\nnachvollziehbar, dass die Klägerin im Mai 2003 Zweifel daran hatte, ob es\ntatsächlich Not tut, ihr so mühsam soeben erst erarbeitetes\nVollzeitarbeitsverhältnis wiederum in ein Teilzeitarbeitsverhältnis\nabzuwandeln.\n\n96\n\n \n\nDiese Zweifel sind typisch für die Situation, in der der Arbeitgeber seinem\nArbeitnehmer im Vertragsgespräch verschlechternde Arbeitsbedingungen anbietet.\nGenau für diese Situation des Zweifelns hat das Bundesarbeitsgericht seine\nRechtsprechung entwickelt, nach der der Arbeitgeber rechtlich gehalten sei,\ndem Arbeitnehmer eine Änderungskündigung auszusprechen, damit dieser\ngerichtlich klären lassen kann, ob die schmerzhaften Einschnitte tatsächlich\nsozial gerechtfertigt sind (vgl. nur BAG Urteil vom 21.04.2005 - 2 AZR 132/04\n- BAGE 114, 243 = AP Nr. 79 zu § 2 KSchG 1969 = NZA 2005, 1289).\n\n97\n\n \n\nHätte sich aber das beklagte Land an dieses Gebot der Rechtsprechung des\nBundesarbeitsgerichts gehalten, hätte es also auch eine Änderungskündigung,\ndann allerdings mit dem Ziel der Erzwingung der Teilnahme an der flexiblen\nTeilzeitarbeit, aussprechen müssen. Damit wäre in diesem Falle aber auch der\nder Klägerin hier erwachsene Vorteil der Vollbeschäftigung während des Laufs\nder Kündigungsfrist entstanden. Das zeigt, dass es sich hier um einen Vorteil\nhandelt, der zwangsläufig mit der gerichtlichen Klärung der sozialen\nRechtfertigung der angetragenen verschlechternden Arbeitsbedingungen verbunden\nist.\n\n98\n\n \n\nDie soziale Rechtfertigung der angetragenen Änderungen gerichtlich überprüfen\nzu lassen, ist jedoch ein Recht der Klägerin, das in § 2 KSchG verankert ist;\ndass die Klägerin dieses Recht wahrgenommen hat, kann ihr nicht zum Vorwurf\ngereichen. Den daraus erwachsenen Vorteil zum Anlass zu nehmen, der Klägerin\ndauerhaft die nachträgliche Teilnahme zu verweigern, würde also bedeuten, die\nKlägerin wegen ihrer Rechtswahrnehmung Nachteile erwachsen zu lassen. Das ist\nnach § 612a BGB verboten.\n\n99\n\n \n\neee) Damit weicht die erkennende Kammer von der Rechtsprechung der 2. Kammer\ndes Landesarbeitsgerichts zu vergleichbaren Sachverhalten ab. Denn die 2.\nKammer geht in ihrer Rechtsprechung davon aus, dass die Verweigerung der\nnachträglichen Teilnahme an der flexiblen Teilzeitarbeit wegen der\nbeschriebenen Vorteile, die die Nichtteilnehmer in der Phase absinkender\nTeilzeitquoten genießen, sachlich gerechtfertigt sei. Es handele sich um\n"ungerechten Vorteile" und damit sei die Verweigerung sachlich gerechtfertigt\n(Urteil vom 01.11.2006 - 2 Sa 117/06 - auf juris.de veröffentlicht).\n\n100\n\n \n\nf) Weitere nicht ausdrücklich formulierte Gründe, die den dauerhaften\nAusschluss der Klägerin aus der Gruppe der Teilnehmer rechtfertigen könnten,\nsind nicht ersichtlich. Der dauerhafte Ausschluss lässt sich insbesondere\nnicht auf die Überlegung stützen, das beklagte Land habe eben nur befristet\ndas Angebot zum Abschluss eines Grundvertrages auf Basis des\nLehrerpersonalkonzept aufrechterhalten wollen, und innerhalb dieses Zeitraums\nhabe die Klägerin das Angebot nicht angenommen.\n\n101\n\n \n\nDiese Vorgehensweise und Argumentation hat Ähnlichkeiten mit\nStichtagsregelungen, wie man sie aus anderen Sachzusammenhängen vielfach\nkennt. Der Unterschied besteht nur in dem Umstand, dass es keinen\nallgemeingültigen Stichtag für alle gibt, sondern jede Lehrkraft ein Angebot\nauf Abschluss des Grundvertrages auf Basis des Lehrerpersonalkonzepts mit\neiner auf den Einzelfall bezogenen Bindungsfrist im Sinne von § 148 BGB\nerhält. Das ist ein äußerlicher nicht entscheidungserheblicher Unterschied, so\ndass zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens auf die\nRechtsprechung zur Rechtmäßigkeit von Stichtagsregelungen zurückgegriffen\nwerden kann.\n\n102\n\n \n\nArt. 3 Abs. 1 GG hindert den Gesetzgeber nach der Rechtsprechung des\nBundesverfassungsgerichts grundsätzlich nicht, Stichtage einzuführen, obwohl\ndas unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt, insbesondere wenn sich die\ntatsächliche Situation derjenigen Personen, die gerade noch in den Genuss\neiner Neuregelung kommen, nur geringfügig von der Lage derjenigen\nunterscheidet, bei denen diese Voraussetzungen fehlen (BVerfG 26. April 1995 -\n2 BvR 794/91, 2 BvR 831/91, 2 BvR 1288/92 - DVBl. 1995, 1232 = NVwZ 1996, 580,\nzu B I 2 der Gründe m. w. .N). Die verfassungsrechtliche Prüfung von\nStichtagsregelungen muss sich darauf beschränken, ob der Gesetzgeber den ihm\nzustehenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, insbesondere ob die\nEinführung des Stichtags überhaupt und die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen\nSachverhalt orientiert und damit sachlich vertretbar war (BVerfG 26. April\n1995 - 2 BvR 794/91, 2 BvR 831/91, 2 BvR 1288/92 - a. a. O., m. w. N.).\n\n103\n\n \n\nDiese Grundsätze wendet auch das Bundesarbeitsgericht in seiner Rechtsprechung\nzu Stichtagsregelungen in Tarifverträgen an (vgl. nur BAG Urteil vom 16.\nDezember 2004 - 6 AZR 652/03 -, zu 3 b der Gründe m. w. N.; 18. März 2004 - 6\nAZR 4/03 - AP BeihilfeVO NRW § 1 Nr. 4, zu 4 a der Gründe).\n\n104\n\n \n\nDiese Rechtsprechung gilt auch für betriebliche Regelungen in Form eines\nSozialplans (BAG 19.2.2008 - 1 AZR 1004/06 - DB 2008, 1384 = NZA 2008, 719).\n\n105\n\n \n\nDiese Rechtsprechung ist auch auf den vorliegenden Fall übertragbar. Auch das\nnur einmalige Angebot des beklagten Landes zur Teilnahme an der flexiblen\nTeilzeitarbeit mit der nur kurzen Bindungsfrist bedarf einer sachlichen\nRechtfertigung im aufgezeigten Sinne. Es muss sich um eine sachlich\nvertretbare und an den Eigenarten des Sachverhalts orientierte Vorgehensweise\nrechtfertigen lassen. Das ist nach Überzeugung des Gerichts nicht der Fall.\nDer dadurch aufgebaute Entscheidungsdruck der Lehrkräfte lässt sich weder mit\nGründen einer notwendigen Planungssicherheit noch mit dem Ziel rechtfertigen,\nmöglichst viele Zweifler aus der Lehrerschaft so zur Teilnahme zu bewegen.\n\n106\n\n \n\naa) Die notwendige Planungssicherheit hat das beklagte Land unabhängig von der\nEntscheidung der die Teilzeitarbeit schulternden Lehrkräfte zu der Frage, ob\nsie an der flexiblen Teilzeitarbeit sofort oder erst später teilnehmen wollen.\nDenn wie bereits mehrfach hervorgehoben wird die Bedarfsplanung und die daraus\nentwickelte Planung der Teilzeitquoten im Vorlauf zum neuen Schuljahr ohnehin\nzusammengefasst für die Teilnehmer wie die Nichtteilnehmer, also für alle\nMitglieder der zweiten Hauptgruppe im oben eingangs aufgezeigten Sinne\nvorgenommen. Für die Planungen des beklagten Landes spielt es also keine\nRolle, ob sich die Lehrkräfte bereits von Anbeginn an der flexiblen\nTeilzeitarbeit beteiligen oder erst später zu der Einsicht gelangen, dass\nihnen diese Vertragsgestaltung unter dem Strich mehr Vor- als Nachteile\nverschafft.\n\n107\n\n \n\nbb) Auch der mit der Einmaligkeit des Angebots und der Kürze der Bindungsfrist\nbewirkte Entscheidungsdruck, der rein tatsächlich viele Lehrkräfte dazu\nbewogen haben wird, auf das Angebot trotz aller verbleibenden Zweifel\neinzugehen, kann bei Lichte betrachtet die strenge Stichtagsregelung nicht\nrechtfertigen. Insoweit ist es anerkannt, dass der Arbeitgeber gewisse\nVorteile insbesondere finanzieller Art befristet ausloben darf, etwa indem er\nübertarifliche Abfindungen für den Fall des Abschlusses von\nAufhebungsverträgen bis zu einem bestimmten Stichtag anbietet.\n\n108\n\n \n\nAus einer vergleichbaren Interessenslage heraus hat das BAG inzwischen auch\nsogenannte Turboprämien gebilligt, also zusätzliche Abfindungen, die nur für\nden Fall gezahlt werden, dass der Arbeitnehmer keine Kündigungsschutzklage\nerhebt (BAG 03.05.2006 - 4 AZR 189/05 - BAGE 118, 152 = AP Nr. 17 zu § 612a\nBGB = DB 2006, 2638). Gemeinsam ist diesen Sachverhalten der Umstand, dass der\nArbeitgeber Vorteile verspricht und deren Gewährung zeitlich befristet oder an\neine Bedingung knüpft, um damit Verhaltenssteuerung zu betreiben.\n\n109\n\n \n\nMit dem Ziel der Verhaltenssteuerung lässt sich der vom beklagten Land für die\nEntscheidung durch den Stichtag aufgebaute Entscheidungsdruck nicht\nrechtfertigen. Es ist vielmehr unseriös vom Arbeitnehmer hier eine schnelle\nEntscheidung unter Zeitdruck zu verlangen. Denn die Entscheidung für oder\ngegen die flexible Teilzeitarbeit greift tief in die wirtschaftlichen\nVerhältnisse der Lehrkräfte ein und sie wird für viele weitere Jahre des\nBerufslebens der Lehrkräfte prägend bleiben.\n\n110\n\n \n\nDas vom beklagten Land angetragene Vertragsmodell ist zudem in seinem\nGerechtigkeitsgehalt nicht leicht zu durchschauen und es ist auf seine Weise\neinmalig in der Bundesrepublik. Es gab also kein gesichertes Erfahrungswissen,\nauf das die Lehrkräfte zur Beurteilung und Bewertung des Vertragsmodells auf\ndie Schnelle hätten zurückgreifen können; dies gilt im Übrigen auch für die\nberatend herangezogenen Rechtsanwälte, wie man an der falschen Beratung der\nKlägerin hinsichtlich der ersten Änderungskündigung sieht.\n\n111\n\n \n\nBei Lichte betrachtet ist dies aber nicht nur ein Problem der Rechtsanwälte\ngewesen, sondern auch die Richter der Gerichte der Arbeitsgerichtsbarkeit\nhatten jahrelang Probleme damit, das vom beklagten Land angebotene\nVertragsmodell rechtlich angemessen zu bewerten. Die Lehrkräfte waren daher in\nihrer Entscheidung auf sich allein gestellt und haben dabei nicht einmal über\nden Informationsstand verfügt, der ihnen eine vernunftgeleitete Entscheidung\nder aufgeworfenen Frage erlaubt hätte. Somit waren die Lehrkräfte gezwungen,\ndie Frage der Teilnahme oder Nichtteilnahme allein auf Basis des Vertrauens\nzum Arbeitgeber zu entscheiden. Das war nicht seriös und kann daher nicht als\neine sachbezogene Stichtagsregelung gewertet werden.\n\n112\n\n \n\nIm Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass das beklagte Land auch gar nicht\nzwingend darauf angewiesen ist, die Lehrkräfte durch das Aufbauen eines\nEntscheidungsdrucks zur flexiblen Teilzeitarbeit zu bewegen. Denn wie die 1.\nKammer des Landesarbeitsgerichts bereits mit Urteil vom 18.10.2001 (1 Sa\n75/01, auf juris.de veröffentlicht) entschieden und jüngst nochmals bekräftigt\nhat (Urteil vom 15.07.2008 - 1 Sa 528/05), hätte das beklagte Land bei einer\nAblehnung der freiwilligen Teilnahme an der flexiblen Teilzeitarbeit auch eine\nÄnderungskündigung zur Erzwingung dieser Teilnahme aussprechen können, um so\nin einem nicht unter Zeitdruck durchgeführten geordneten Verfahren klären zu\nkönnen, ob die angetragenen Änderungen sozial gerechtfertig sind. Dass sich\naus dieser rechtlichen Klärung möglicherweise ein gewisser zeitlicher Verzug\nder Personalabbauleistungen durch die Teilzeitarbeit ergeben hätte, muss das\nbeklagte Land als zwangsläufige Folge des Einräumens der Möglichkeit der\ngerichtlichen Überprüfung von unter Vorbehalt angenommenen Vertragsänderungen\ndurch eine Klage nach § 2 KSchG hinnehmen.\n\n \n\nIII.\n\n113\n\n \n\nDas beklagte Land hat die Kosten des Rechtstreits zu tragen, da es den\nRechtsstreit verloren hat § 91 ZPO).\n\n114\n\n \n\nDas Gericht hat die Revision wegen der aufgezeigten Divergenz zu der\nRechtsprechung der 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts zugelassen (§ 72 Absatz\n2 Nr. 2 ArbGG).\n\n
104,846
olgrost-2008-07-02-17-verg-407
483
Oberlandesgericht Rostock
olgrost
Mecklenburg-Vorpommern
Oberlandesgericht
17 Verg 4/07
2008-07-02
2018-11-24 06:30:14
2019-02-11 05:56:44
Beschluss
#### Tenor\n\n \n\nDie Sache wird gemaß § 124 Abs. 2 Satz 1 GWB dem Bundesgerichtshof vorgelegt.\n\n#### Grunde\n\n \n\n**I.**\n\n1\n\n \n\nGegenstand des Rechtsstreits ist die Ausschreibung medizinischer Hilfsmittel\nund Serviceleistungen nach § 127 SGB V.\n\n2\n\n \n\nDie Antragsgegnerin ist eine gesetzliche Krankenversicherung. Am 10. Juli 2007\nschrieb sie die Versorgung ihrer Versicherten europaweit im Supplement zum\nAmtsblatt der europaischen Union unter dem Zeichen 2007/S 132-162119 aus.\nGegenstand der Ausschreibung war die Versorgung der Versicherten in\nMecklenburg-Vorpommern mit medizinischen Hilfsmitteln und Serviceleistungen\nder Produktgruppen 29 und 15 des Hilfsmittelverzeichnisses (Stomaartikel). Die\nAusschreibung erfolgte in sieben Losen fur den Zeitraum vom 01.11.2007 -\n31.10.2009 mit Verlangerungsoption. Anzubieten war eine monatliche\nVersorgungspauschale unabhangig von Stomaart und Zahl der Einsatze (mindestens\n1 Einsatz im Versorgungsmonat) einschließlich Hilfs- und Verbandmittel, Vor-\nund Nachsorge. Die Ausgaben fur die ausgeschriebenen Leistungen betrugen im\nJahr 2006 ca. 3. 800 000, 00 €.\n\n3\n\n \n\nAn der Ausschreibung beteiligten sich unter anderem die Antragstellerinnen\njeweils zu unterschiedlichen Losen. Nachdem die Antragsgegnerin vorgebrachten\nRugen nur in geringem Umfang abgeholfen hatte, teilte sie den\nAntragstellerinnen mit, dass die Zuschlage auf jeweils andere Angebote\nerfolgen sollten.\n\n4\n\n \n\nDie Antragstellerinnen riefen hierauf die Vergabekammer bei dem Ministerium\nfur Wirtschaft, Arbeit und Soziales Mecklenburg-Vorpommern an.Sie vertraten\ndie Auffassung, die Vergabekammer sei fur die Nachprufung des Verfahrens gemaß\n§§ 102ff GWB zustandig. Sie rugten in der Sache verschiedene Vergabefehler und\nVerstoße vornehmlich gegen §§ 8 Nr. 1 und 25 VOL/A. Zudem waren sie der\nAnsicht, die Ausschreibung sei per se unzulassig, da sie nicht zweckmaßig im\nSinne des § 127 Abs. 1 Satz 1 SGB V sei. Die Antragsgegnerin trat den Rugen in\nder Sache entgegen und rugte die Zustandigkeit der Vergabekammer, da sie weder\noffentliche Auftraggeberin im Sinne des § 98 GWB sei noch ein offentlicher\nAuftrag im Sinne des § 99 GWB vorliege. Zudem sei wegen der durch die\nAntragstellerin zu 2) am 07.08.2007 parallel zu dieser Sache eingereichten\nKlage vor dem Sozialgericht von einer doppelten Rechtshangigkeit auszugehen.\n\n5\n\n \n\nDie Vergabekammer hat die Antrage der Antragstellerinnen verbunden und ihnen\nim Wesentlichen unter weitestgehender Bejahung der gerugten Vergabeverstoße\nstattgegeben. Sie hat ihre Entscheidungszustandigkeit bejaht, da die\nAntragsgegnerin eine offentliche Auftraggeberin sei, § 98 GWB, und es sich um\neinen offentlichen Auftrag gehandelt habe, § 99 GWB. Nicht antragsbefugt vor\nder Vergabekammer seien die Antragstellerinnen im Hinblick auf deren Antrag\nfestzustellen, dass die Ausschreibung unzweckmaßig und deshalb gemaß § 127 SGB\nV unzulassig gewesen sei. Aufgabe des Nachprufungsverfahrens sei gemaß § 97\nAbs. 7 GWB lediglich die Überprufung des Vergabeverfahrens selbst, das heißt,\ndie Art und Weise der Ausschreibung. Dieser Schutzbereich umfasse nicht Normen\ndes Sozialrechts. Die Frage, ob die Ausschreibung selbst habe stattfinden\ndurfen, entziehe sich deswegen ihrer Kompetenz und sei durch das Sozialgericht\nzu entscheiden.\n\n6\n\n \n\nMit der hiergegen form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde wendet sich\ndie Antragsgegnerin gegen die in dem Nachprufungsverfahren festgestellte\nZustandigkeit der Vergabekammer und damit gegen die Anwendung des\nKartellvergaberechts nach GWB. Zudem wendet sie sich gegen den\nVerbindungsbeschluss der Vergabekammer und sieht materielle\nEntscheidungsfehler.\n\n7\n\n \n\nDie Antragsgegnerin stellt den Antrag,\n\n8\n\n \n\nden Beschluss der 1. Vergabekammer vom 12. November 2007 - 1 VK 6/07, 1 K\n7/07,1 VK 8/07 (verbundene Verfahren) - aufzuheben und die jeweiligen\nNachprufungsantrage der Antragstellerinnen zuruckzuweisen.\n\n9\n\n \n\nDie Antragstellerinnen stellen den Antrag,\n\n10\n\n \n\ndie sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zuruckzuweisen\n\n11\n\n \n\nNachdem der Senat mit Hinweis vom 11.01.2008 erklart hatte, er wolle sich\nzunachst mit der Frage beschaftigen, ob der angetragene Sachverhalt dem\nVergaberechtsregime unterliege und die Vergabekammer habe angerufen werden\ndurfen, haben sich die Parteien wie folgt eingelassen:\n\n12\n\n \n\nDie Antragstellerin zu 1) halt fur die Nachprufung des vorliegenden Auftrages\ngemaß §§ 102, 104 GWB die Vergabekammer des Landes und nachfolgend gemaß § 116\nAbs. 3 GWB den Vergabesenat des Oberlandesgerichts zur Entscheidung fur\nberufen. Die Voraussetzungen der §§ 98, 99 GWB lagen vor. Eine abdrangende\nRechtswegzustandigkeit an die Sozialgerichte ergebe sich weder aus § 69 SGB V\nnoch aus § 130a Abs. 9 SGB V.\n\n13\n\n \n\nDie Antragstellerin zu 2) verteidigt die Entscheidung der Vergabekammer und\nhalt deren Zustandigkeit auf Grund der Auftraggebereigenschaft der\nAntragsgegnerin fur gegeben.\n\n14\n\n \n\nAuch die Antragstellerin zu 3) vertritt die Ansicht, die Nachprufung des\nstreitgegenstandlichen Auftrags habe der Vergabekammer oblegen. Zurecht habe\ndie Vergabestelle als offentliche Auftraggeberin deswegen die Ausschreibung in\nAnwendung des EU-Kartellvergaberechts durchgefuhrt und als zustandige Stelle\nfur das Vergabenachprufungsverfahren die Vergabekammer in Schwerin benannt.\nVon dieser Einschatzung durfe die Antragsgegnerin nunmehr nicht abrucken, ohne\ndas bereits begrundete vorvertragliche Vertrauensverhaltnis zu\nbeeintrachtigen.\n\n15\n\n \n\nEine abdrangende Rechtswegzustandigkeit an die Sozialgerichte ergebe sich\nweder aus § 69 SGB V noch aus § 130a Abs. 9 SGB V i.V.m. § 51 SGG. Es wurde\ngegen hoherrangiges Recht verstoßen, wenn die Anwendung der §§ 97ff GWB im\nFall der Vergabe von Auftragen durch offentliche Krankenkassen an\nLeistungserbringer i.S.d. § 69 SGB V durch eine Rechtswegzuweisung an die\nSozialgerichte ausgeschlossen wurde. Da die Sozialgerichte auf einen wirksamen\nvergaberechtlichen Primarschutz nicht ausgerichtet seien, wurde es an einer\nhinreichenden Umsetzung der EU-Vergaberichtlinien fehlen.\n\n16\n\n \n\nDa der Vergabesenat Dusseldorf die Zustandigkeit der Vergabekammer bei\nNachprufungsverfahren wie dem vorliegenden bejaht habe (Beschlusse vom\n18.12.2007 - VII-Verg 47/07 und vom 17.01.2008 - VII-Verg 57/07), bestehe im\nFall einer abweichenden Rechtsansicht des erkennenden Senats die Pflicht zur\nDivergenzvorlage gemaß § 124 Abs. 2 Satz 1 GWB.\n\n17\n\n \n\nDie Antragstellerin zu 3) stellt zudem den Antrag,\n\n18\n\n \n\nden Rechtsstreit im Hinblick auf die Verfahrensweise des Oberlandesgerichts\nDusseldorf dem Bundesgerichtshof gemaß § 124 GWB zur Entscheidung vorzulegen\n\n19\n\n \n\nund hilfsweise,\n\n20\n\n \n\nden Rechtsstreit gemaß Art. 234 EG-Vertrag auszusetzen. Sie beantragt, dem\nEuropaischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob ein nationales\nVerfahrensrecht, das eine Vorabinformation der unterlegenen Bieter und ein\ngesetzliches Zuschlagsverbot bei Zustellung eines Rechtsbehelfes eines\nunterlegenen Bieters nicht vorsieht, mit den Rechtsmittelrichtlinien aus den\nJahren 1989 und 2007 und der Vergabekoordinierungsrichtlinie aus dem Jahre\n2004 vereinbar sei.\n\n \n\n**II.**\n\n21\n\n \n\n1\\. Die Vorlage ist zulassig. Die Zulassigkeit einer Divergenzvorlage ist in §\n124 Abs. 2 GWB geregelt. Allerdings ist diese Vorschrift nicht direkt\nanwendbar, denn nach ihrem Wortlaut gilt sie nur bei einer Divergenz zu einem\nanderen Oberlandesgericht oder einer Abweichung von der Rechtsprechung des\nBundesgerichtshofs. Dies ist indes nicht der Fall, da das vorlegende\nOberlandesgericht vorrangig von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts\nabzuweichen beabsichtigt.\n\n22\n\n \n\nDie Vorschrift ist jedoch analog anwendbar. Eine Analogie zu § 124 Abs. 2 GWB\nist zwar bisher nicht erwogen worden (vgl. etwa Willenbruch/Bischoff-Kuhlig, §\n124 GWB Rn. 12 ff; jurisPK-VergabeR-Summa § 124 Rn. 12 ff., wo das Thema\njeweils nicht erwahnt wird), jedoch teilt das vorlegende Gericht die\nAuffassung des OLG Dusseldorf in seinem Beschluss vom 30. 04. 2008 (VII-Verg\n4/08), wonach die Vorschrift analogiefahig ist. Eine Analogie setzt eine\nplanwidrige Regelungslucke voraus, die der Gesetzgeber, hatte er die Lucke\nerkannt, mit derselben Rechtsfolge wie den in der analog anzuwendenden\nVorschrift geregelten Tatbestand geschlossen hatte.\n\n23\n\n \n\na. Diese Voraussetzungen sind erfullt. Eine Regelungslucke liegt vor. Der\nGesetzgeber ging bei der Verabschiedung des GWB-Vergabeverfahrensrechts davon\naus, dass Vergabesachen ausschließlich dem Verfahren nach den §§ 102 ff. GWB\nunterliegen wurden, so dass abschließende Entscheidungen nur von den\nOberlandesgerichten zu treffen waren. Dass Vergabeverfahren auch durch andere\nGerichtszweige zu kontrollieren sein konnten und es damit zu anderen\nabschließenden Entscheidungen als denjenigen der Oberlandesgerichte kommen\nkonnte, ist erst spater aktuell geworden, als Vergabeverfahren auch im\nSozialrecht eingefuhrt wurden. Weil der Gesetzgeber fur alle Vergabeverfahren\nzu einer einheitlichen Rechtsprechung kommen wollte, ist die Regelungslucke\nauch planwidrig.\n\n24\n\n \n\nb. Um das Ziel einer einheitlichen Rechtsprechung zu erreichen, kommt nur die\nanaloge Anwendung des § 124 Abs. 2 GWB in Betracht. Das Problem bei der\nAbweichung von einer anderen hochstrichterlichen Entscheidung ist das gleiche\nwie bei der Abweichung von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts.\nAuch hier muss das Ziel der einheitlichen Rechtsprechung erreicht werden. Die\nDivergenz kann aus der Sicht eines Oberlandesgerichts nur durch Vorlage an den\nBundesgerichtshof aufgelost werden, denn das Oberlandesgericht kann nicht\nselbst einen Spruchkorper anrufen, der uber Divergenzen zwischen den\nGerichtszweigen entscheidet. Dieses Recht steht ausschließlich dem\nBundesgerichtshof zu, der ggf. den Gemeinsamen Senat der obersten\nBundesgerichte einzuschalten hat. Um dazu in der Lage zu sein, muss ihm die\nSache, bei der eine Divergenz droht, jedoch zunachst vorgelegt werden, wenn,\nwie im Vergabeverfahren, die Parteien nicht durch eigene Rechtsmittel eine\nEntscheidung des Bundesgerichtshofs herbeifuhren konnen. Diese zwingende\nNotwendigkeit besteht auch dann, wenn ein Oberlandesgericht von einem\nabschließend entscheidenden Gericht einer anderen Gerichtsbarkeit abweichen\nmochte. Ein anderes Mittel, die drohende Divergenz zu verhindern, ist nicht zu\nerkennen, so dass davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber die\nVorlagepflicht nach § 124 Abs. 2 GWB auf die Abweichungen von anderen\nabschließend entscheidenden Gerichten erstreckt hatte, ware ihm bewusst\ngewesen, dass auch andere Gerichte in Vergabesachen entscheiden konnten.\n\n25\n\n \n\nIm Gegensatz zum OLG Dusseldorf beabsichtigt das vorlegende Gericht jedoch\nnicht von der Entscheidung eines Landessozialgerichts, sondern von einer\nEntscheidung des Bundessozialgerichts abzuweichen. Das kann jedoch keinen\nUnterschied bedeuten, denn der entscheidende Gesichtspunkt ist der, dass von\neiner abschließenden Entscheidung abgewichen werden soll, nicht, dass die\ndivergierenden Gerichte auf der gleichen Stufe stehen. Das OLG Dusseldorf ist\ndavon ausgegangen, dass das Landessozialgericht Baden-Wurttemberg (Beschluss\nvom 27.02.2008 - L 5 KR 508/08 W-A) abschließend entschieden hatte. Dass das\nBundessozialgericht abschließend entschieden hatte, bedarf keiner weiteren\nDarlegung.\n\n26\n\n \n\n2.a. Eine Divergenzvorlage kommt jedoch nicht bei jeder lediglich in den\nGrunden abweichenden Divergenz in Betracht. Nach der wiederholt bestatigten\nRechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss es sich vielmehr um einen die\nEntscheidung tragenden Rechtssatz handeln, von dem das vorlegende Gericht\nabweichen will. Wortlich fuhrt der Bundesgerichtshof aus, dass die\nZulassigkeitsvoraussetzungen vorlagen, "wenn das vorlegende Gericht als\ntragende Begrundung seiner Entscheidung einen Rechtssatz zu Grunde legen will,\nder mit einen die Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des\nBundesgerichtshofs nicht ubereinstimmt" (grundlegend BGHZ 154, 32 Tz. 10;\nbestatigt von BGH, Beschluss vom 18.02.2003 - X ZB 43/02; BGH, Beschluss vom\n18.05.2005 - X ZB 7/04). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist eine Frage\ndes Einzelfalls. Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte ist dem im großen\nUmfang gefolgt (OLG Saarbrucken, Beschluss vom 20.09.2006 - 1 Verg 3/06; OLG\nDusseldorf, Beschluss vom 17.05.2004 - VII-Verg 72/03; OLG Brandenburg\nBeschluss vom 02.12.2003 - Verg W 6/03); es wird betont, dass die Frage fur\ndas Ergebnis der beabsichtigten Entscheidung des vorlegenden Gerichts relevant\nsein muss (OLG Naumburg, Beschluss vom 23.08.2005 - 1 Verg 4/05; OLG Dresden,\nBeschluss vom 03.12.2002 - Verg 15/02; OLG Jena, Beschluss vom 30.05.2002 - 6\nVerg 3/02). Sowohl in der Entscheidung des Gerichts, von der abgewichen werden\nsoll, wie in der beabsichtigten Entscheidung des vorlegenden Gerichts mussen\nalso "tragende Grunde" vorliegen. Eine Divergenzvorlage kommt daher nicht nur\ndann in Betracht, wenn das vorlegende Gericht lediglich zu einem anderen\nErgebnis gelangen mochte als das Gericht, von dessen Entscheidung abgewichen\nwerden soll, sondern ggf. auch bei identischen Ergebnissen.\n\n27\n\n \n\nb. Diese Voraussetzungen sind hier erfullt. Das vorlegende Gericht halt\nzunachst eine andere Auslegung von § 116 GWB als das Bundessozialgericht\n(Beschluss vom 22.04.2008 - B 1 SF 1/08) fur geboten. Das Bundessozialgericht\nist der Auffassung, dass gegen eine Entscheidung der Vergabekammer, die sich\nmit der Beschaffung seitens einer gesetzlichen Krankenkasse gemaß § 130a SGB V\nbefasst, der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben ist. Es begrundet seine\nAnsicht damit, dass die Rechtswegzuweisung nach § 116 GWB keine\nausschließliche sei und spezielle Regelungen Vorrang hatten (II 4 der\nEntscheidungsgrunde). Eine derartige Sonderregelung sei in § 130a Abs. 9 SGB V\nzu erblicken und ergebe sich aus Wortlaut, Sinn und Zweck des § 51 SGG. § 130a\nAbs. 9 SGB V weise samtliche Streitigkeiten "in Angelegenheiten dieser\nVorschrift" den Sozialgerichten zu. Die Leistungserbringungsvertrage seien ein\nzentrales Handlungsinstrument der GKV zur Sicherstellung ihrer offentlichen\nAufgaben im Gesundheitswesen. Aus Grunden des Sachzusammenhangs seien\nRechtsstreitigkeiten uber die Vertrage daher von den Sozialgerichten zu\nentscheiden. Im vorliegenden Fall geht es zwar nicht um § 130a SGB V, sondern\num § 127 (Hilfsmittel), doch ware das Argument des Sachzusammenhangs aus der\nSicht des BSG hier ebenso einschlagig. Schließlich nimmt das BSG eine\nausfuhrliche Analyse von § 51 SGG vor und leitet aus den zahlreichen\nÄnderungen dieser Vorschrift ab, dass der Gesetzgeber immer dann, wenn sich\neine Lucke im Anwendungsbereich gezeigt habe, diese im Sinne einer\nZustandigkeit der Sozialgerichtsbarkeit geschlossen habe.\n\n28\n\n \n\n§ 116 Abs. 3 GWB sieht eine ausschließliche Zustandigkeit der\nOberlandesgerichte fur die gegen Entscheidungen der Vergabekammern gerichteten\nsofortigen Beschwerden vor. Anders als das Landessozialgericht Baden-\nWurttemberg, dessen Entscheidung Gegenstand der Vorlage des OLG Dusseldorf vom\n30.04.2008 ist, wendet das Bundessozialgericht § 116 Abs. 3 GWB auch dann\nnicht an, wenn das Nachprufungsverfahren nach den Vorschriften des GWB bereits\nbegonnen und bis zu einer Entscheidung der Vergabekammer fortgeschritten ist.\nMit der Begrundung, die Entscheidung der Vergabekammer sei ein Verwaltungsakt\n- dies ist in der Tat die gesetzliche Regelung, § 114 Abs. 3 S. 1 GWB - halt\nes einen Wechsel innerhalb desselben Nachprufungsverfahrens von der den\nVorschriften der §§ 102 ff. GWB unterliegenden Vergabekammer zu der nach dem\nSGG erfolgenden gerichtlichen Kontrolle durch die Sozialgerichte fur moglich\nund geboten.\n\n29\n\n \n\nDiese Auffassung wird vom vorlegenden Gericht nicht geteilt. Zwar ist auch der\nvorlegende Senat anders als das OLG Dusseldorf in seinem Beschluss vom\n30.04.2008, nicht der Auffassung, dass das Nachprufungsverfahren der §§ 102\nff. GWB insgesamt eine ausschließliche Regelung und lex specialis gegenuber\ndem SGG ist, sondern erachtet, wie ausgefuhrt, die sozialrechtlichen\nVorschriften als leges speciales, doch halt es die Kombination einer Anwendung\nvon Vergabenachprufungsrecht nach dem GWB bis zur Entscheidung der\nVergabekammer mit einer Fortfuhrung des Verfahrens vor den Gerichten nach dem\nSGG fur unrichtig. Vielmehr verdrangt das SGG das Vergabeverfahren nach dem\nGWB vollstandig. Ist ein Nachprufungsverfahren nach den Vorschriften des GWB\nbegonnen worden, obwohl eigentlich die Sozialgerichte zustandig gewesen waren,\nso muss es auch nach diesen Vorschriften zu einer abschließenden Entscheidung\nkommen konnen, die moglicherweise in dem Ergebnis besteht, dass der Weg zur\nVergabekammer gar nicht eroffnet war. Es ist aber nicht moglich, zunachst den\nAntrag zur Vergabekammer fur zulassig zu halten, dann aber das GWB-\nNachprufungsverfahren nach der Entscheidung der Vergabekammer gewissermaßen\nabzubrechen, obwohl die Vergabekammer nach dem GWB keine abschließende\nEntscheidung treffen kann. Es fallt vielmehr in die Zustandigkeit des\nOberlandesgerichts festzustellen, ob der mit dem Antrag zur Vergabekammer\neingeschrittenen Weg zulassig war oder nicht. Dies ist eine Frage der\nBegrundetheit der sofortigen Beschwerde, ihre Zulassigkeit ist allein deshalb\ngegeben, weil eine Entscheidung der Vergabekammer vorliegt.\n\n30\n\n \n\nDer Zustandigkeit des Oberlandesgerichts kann auch nicht entgegengehalten\nwerden, dass die Entscheidung der Vergabekammer ein Verwaltungsakt ist. Dem\nsteht § 116 GWB nicht entgegen. § 116 GWB wird allgemein so verstanden, dass\nes sich um eine Sonderzuweisung gemaß § 40 Abs. 1 S. 1 Halbs. 2 VwGO handelt\n(Stockmann in: Immenga/Mestmacker, 4. Aufl. 2007, § 116 Rn. 25; Storr in:\nLoewenheim/Meessen/Riesenkampff, Kartellrecht Band 2: GWB, 2006, § 116 Rn.\n17).\n\n31\n\n \n\nDie Divergenz zur Auffassung des Bundessozialgerichts hat erhebliche\npraktische Bedeutung fur die Betroffenen, denn nach der Auffassung des\nBundessozialgerichts konnen sie sich nach der Entscheidung der Vergabekammer\nnur an die Sozialgerichte wenden, wahrend sie nach der Ansicht des vorlegenden\nGerichts die sofortige Beschwerde nach § 116 GWB zwingend beim\nOberlandesgericht einlegen mussen. Die Auffassung des Bundessozialgerichts,\nder Rechtsweg zu den Sozialgerichten sei gegeben, wird von der Erwagung\ngetragen, dass dieser Rechtsweg - zumindest auch - nach einer Entscheidung der\nVergabekammer einzuschlagen sei, wahrend das vorlegende Gericht im Ergebnis\nzwar auch die Zustandigkeit der Sozialgerichte annimmt, aber in der Erwagung,\ndass dieser Rechtsweg von vornherein einzuschlagen ist und nicht den "Umweg"\nuber die Vergabekammer nehmen darf.\n\n32\n\n \n\nc. Die Auffassung des vorlegenden Gerichts unterscheidet sich ferner von der\nAnsicht des Bundessozialgerichts uber die Kompetenz der Vergabekammer. Das\nBundessozialgericht lasst zwar letztlich dahingestellt, ob die Vergabekammer\nin einem Verfahren, das nach seiner Ansicht letztlich der Überprufung durch\ndie Sozialgerichte unterliegt, einzuschalten ist, halt dies aber zumindest fur\nzulassig, denn es halt den Rechtsweg von der Vergabekammer zu den\nSozialgerichten fur eroffnet.\n\n33\n\n \n\nDie Vergabekammer ist aber nicht eine Art Widerspruchsbehorde, gegen deren\nEntscheidung die ublichen verwaltungsprozessrechtlichen Rechtsbehelfe gegeben\nwaren. Vielmehr ist sie eine Behorde, die speziell fur das\nNachprufungsverfahren nach dem GWB geschaffen wurde und nur innerhalb dieses\nVerfahrens entscheiden kann. Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts impliziert\ndie Rechtswegzuweisung zu den Sozialgerichten, dass bereits fur Rechtsbehelfe\ngegen die Entscheidung des offentlichen Auftraggebers nur das Sozialgericht\nzustandig sein kann. Aus dem Argument, dass das als ein einheitliches\nVerfahren konzipierte Nachprufungsverfahren nach dem GWB nicht in zwei Teile\naufgespalten werden kann, von denen nur das eine, namlich das Verfahren vor\nder Vergabekammer, zur Anwendung gelangt, folgt, dass die Vergabekammer nicht\nzustandig sein kann.\n\n34\n\n \n\nAuch dieser Unterschied ist fur die Betroffenen von erheblicher Bedeutung.\nNach Auffassung des Bundessozialgerichts konnen sich die Betroffenen an die\nVergabekammer wenden, ohne befurchten zu mussen, damit den Weg zu den\nSozialgerichten zu blockieren. Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts\ndagegen bedeutet ein bei der Vergabekammer eingereichter Nachprufungsantrag,\ndass abschließend erst das Oberlandesgericht auf eine sofortige Beschwerde hin\nentscheiden kann, dass die Vergabekammer nicht zustandig ist. Der Weg zur\nVergabekammer ware daher ein erheblicher Umweg. Die Betroffenen werden daher\ndavon abzusehen, die Vergabekammer anzurufen und sich vielmehr gleich an das\nSozialgericht wenden. Die jeweiligen Auffassungen uber die Rolle der\nVergabekammer sind tragend sowohl fur die Entscheidung des\nBundessozialgerichts wie auch fur die vom vorlegenden Gericht beabsichtigte\nEntscheidung. Die Vorlage ist mithin zulassig.\n\n35\n\n \n\n3\\. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass es aus anderen Grunden vom\nBundessozialgericht abweicht als das OLG Dusseldorf in seinem Vorlagebeschluss\nvom 30.04.2008 (VII - Verg 4/08) vom Landessozialgericht Baden-Wurttemberg\n(Beschluss vom 27.02.2008 - L 5 KR 508/08 W-A). Es halt namlich im Ergebnis\nden Weg zu den Sozialgerichten fur eroffnet, wahrend das OLG Dusseldorf genau\nim Gegenteil das Vergabeverfahren nach dem GWB fur eine lex specialis\ngegenuber dem SGG halt. Damit liegt auch eine Divergenz zur Entscheidung des\nOLG Dusseldorf vor. Die Vorlage ist daher auch aus diesem Grunde zulassig.\n\n \n\n**III.**\n\n36\n\n \n\n1\\. Die Beschwerdefuhrerin hat zulassigerweise den Weg zum Oberlandesgericht\nbeschritten. Dieses ergibt sich aus § 116 Abs. 3 GWB, nach dem ausschließlich\ndas Oberlandesgericht fur Beschwerden gegen Entscheidungen der Vergabekammern\nzustandig ist. Die Zustandigkeit des Vergabesenats knupft dabei rein an\nformelle Umstande an, materiell-rechtliche Anknupfungspunkte, wie zum Beispiel\ndie Frage, ob das Verfahren eine Vergabeentscheidung im Sinne von § 97 GWB\nbetrifft, spielen bei der Beurteilung des zustandigen Rechtsmittelgerichts\nkeine Rolle (so auch OLG Dusseldorf, Beschluss vom 30.04.2008 - VII-Verg 4/08;\nOLG Brandenburg, Beschluss vom 12.02.2008 - Verg W 18/07). Die Frage, ob die\nVergabekammer zu Recht von ihrer Zustandigkeit ausgegangen ist, ist erst fur\nden Inhalt der von dem Senat zu treffenden Entscheidung erheblich.\n\n37\n\n \n\n2\\. Der Senat ist befugt und verpflichtet, die Zustandigkeit der Vergabekammer\nzu uberprufen auch wenn diese sie bereits festgestellt hat. Gemaß § 17a Abs. 5\nGVG n.F. wird die Rechtswegfrage in 1. Instanz zwar mit bindender Wirkung fur\ndie Rechtsmittelinstanzen entschieden. Diese Regelung gilt, mit hier nicht\neinschlagigen Ausnahmen, fur alle Gerichtszweige. Die Entscheidung der\nVergabekammer, mit der diese sich fur zustandig erklart hat, bindet den Senat\njedoch nicht. Denn die Vergabekammer ist kein Gericht (§ 17a Abs. 1:"Hat ein\nGericht...").\n\n38\n\n \n\nAuch bei analoger Anwendung des § 17a Abs. 5 GVG ware der Senat nicht an den\nvon der Vergabekammer fur zulassig befundenen Rechtsweg gebunden. Denn die\nVergabekammer hat trotz entsprechender Ruge der Antragsgegnerin nicht vorab\nuber die Zulassigkeit des Rechtswegs entschieden, § 17a Abs. 3 Satz 1 GVG, die\nZulassigkeit ist vielmehr im Beschluss der Hauptsache bejaht worden. Wird der\nSenat wegen Versaumung des Vorabverfahrens in der 1. Instanz mit der\nRechtswegfrage befasst, muss er selbst in das Vorabverfahren nach § 17a GVG\neintreten (vgl. BGH, Urteil vom 29.03.1996 - V ZR 326/94). Denn wenn das\nerstinstanzliche Gericht das vom Gesetzgeber in § 17 a Abs. 2 bis 4 GVG als\nAusgleich fur die Entlastung des Rechtsmittelverfahrens von Rechtswegfragen\nvorgesehene Zwischenverfahren, in dessen Rahmen durch einen beschwerdefahigen\nBeschluss eine Entscheidung uber die Zulassigkeit des Rechtswegs zu treffen\nist, trotz Ruge nicht eingeschlagen hat, so ist auch § 17 a Abs. 5 GVG nicht\nanzuwenden (BGH, Urteil vom 18.11.1998 - VIII ZR 269/97). Den Parteien bliebe\nsonst jeder Rechtsbehelf versagt, mit dem sie eine Nachprufung der\nEntscheidung uber die Zulassigkeitsfrage erreichen konnten (BGH, Urteil vom\n25.02.1993 - III ZR 9/92). Eine derartige (Vorab-)Entscheidung wurde sich nur\ndann erubrigen, wenn der Senat nicht nur die Zulassigkeit des Rechtswegs\nbejahen wurde (vgl. BGH, Urteil vom 5. 10.1995 - III ZR 61/93), sondern\ndaruber hinaus im Falle einer Vorabentscheidung keinen Anlass sehen wurde, die\nBeschwerde an den Bundesgerichtshof zuzulassen (BGH, Urteil 18.11.1998 - VIII\nZR 269/97). Dieses ist aber gerade nicht der Fall.\n\n39\n\n \n\n3\\. Im Ergebnis ist weder die Vergabekammer noch der vorlegende Senat zur\nEntscheidung uber den Nachprufungsantrag berufen.\n\n40\n\n \n\nDurch die Neuregelungen des Gesundheitsreformgesetzes vom 20.12.1988 (BGBl. I\n2477) und des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem\nJahr 2000 vom 22.12.1999 (BGBl. I 2626) hat der Gesetzgeber die\nausschließliche Zustandigkeit der Sozialgerichte fur Rechtsstreitigkeiten\nzwischen Krankenkassen und Leistungserbringern auch insoweit begrundet, als\nkartellrechtliche Anspruche in Rede stehen (vgl. BSG, Urteil vom 31.08.2000 -\nB 3 KR 11/98 R; BGH, Beschluss vom 14.03.2000 - KZB 34/99). Ob hiervon\nabweichend bei Streitigkeiten uber Angelegenheiten nach § 127, 130a SGB V die\nZustandigkeit der Vergabekammern und -senate bei den Oberlandesgerichten nach\nden §§ 104, 116 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschrankungen (GWB) besteht, ist in\nRechtsprechung und Literatur umstritten. Zum Zustandigkeitsstreit wird\nexemplarisch verwiesen einerseits auf OLG Dusseldorf, Beschluss vom 30.04.2008\n- VII-Verg 4/08; OLG Dusseldorf, Beschluss vom 17.01.2008 - VII -Verg 57/07\nmit ausfuhrlicher Bezugnahme auf die vorangegangenen Entscheidungen vom\n19.12.2007 - VII-Verg 51/07 und 18.12.2007 - VII-Verg 44/07; OLG Brandenburg\nvom 12.02.2008, Verg W 18/07 und andererseits auf BSG, Beschluss vom\n22.04.2008 - B 1 SF 1/08 R; BSG, Urteil vom 25.09.2001 - B 3 KR 3/01 R; OLG\nKarlsruhe, Beschluss vom 19.11.2007 - 17 Verg 11/07; LSG Bad.-Wurt.,\nBeschlusse vom 27.02.2008 - L 5 KR 6123/07 ER-B und vom 06.02.2008 - L 5 KR\n316/08 B; LSG NRW, Beschluss vom 20.12.2007 - L 16 B 127/07 KR und Urteil vom\n18.01.2007 - L 2 KN 16/05 sowie Lorff, ZESAR 2007, 104 ff; Hartmann/Dogulu,\nSGb 2007, 404 ff; Gabriel, NZS 2007, 344 ff, Engelmann in jurisPK-SGB V, § 69\nRdNr 133 ff; Moschel, JZ 2007, 601 ff; Roth, GRUR 2007, 645 ff; Bloch/Puns,\nSGb 2007, 645 ff).\n\n41\n\n \n\nDer Senat schließt sich der Rechtsansicht des Oberlandesgerichts Karlsruhe,\ndes Landessozialgerichts Baden-Wurttemberg sowie des Landessozialgerichts\nNordrhein-Westfalen an. Diese verneinen die Eingangszustandigkeit der\nVergabekammer in Nachprufungsverfahren unter Beteiligung gesetzlicher\nKrankenversicherungen bei Ausschreibungen nach § 127 SGB V bzw. 130a SGB V und\nunterstellen das Verfahren ausschließlich einer Überprufung durch die\nSozialgerichtsbarkeit.\n\n42\n\n \n\na. Vorliegend wenden sich die Antragstellerinnen gegen ihren Ausschluss in\neinem Vergabeverfahren. Rechtsgrundlage fur die angegriffene Ausschreibung ist\n§ 127 SGB V in der ab dem 01.07.2008 geltenden Fassung. Soweit dies zur\nGewahrleistung einer wirtschaftlichen und in der Qualitat gesicherten\nVersorgung zweckmaßig ist, sollen die Krankenkassen hiernach im Wege der\nAusschreibung Vertrage mit Leistungserbringern schließen.\n\n43\n\n \n\nAus diesem Rechtsverhaltnis resultierende Streitigkeiten sind gemaß der als\nSonderzuweisung einzustufenden § 51 SGG, § 69 SGB V den Sozialgerichten\nzugewiesen. Die ausschließliche Zustandigkeit der Sozialgerichtsbarkeit zur\nÜberprufung derartiger Vergabeverfahren ergibt sich bereits aus dem\nGesetzeswortlaut. Gemaß § 51 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 SGB V entscheiden die\nGerichte der Sozialgerichtsbarkeit uber offentlich-rechtliche und privat-\nrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der gesetzlichen\nKrankenversicherung. Ausschreibungen nach § 127 SGB V und die hieraus\nentspringenden Streitigkeiten betreffen Rechtsverhaltnisse offentlich-\nrechtlicher Natur, wie sich aus § 69 SGB V ergibt.\n\n44\n\n \n\nEine negative Einschrankung fur Vergabeverfahren ergibt sich aus § 51 SGG\nnicht. Bereits nach der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung des § 51 SGG\nhatten die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit uber Streitigkeiten zu\nentscheiden, "die in Angelegenheiten nach dem Funften Buch Sozialgesetzbuch\nentstehen ... auf Grund von Entscheidungen oder Vertragen der Krankenkassen\noder ihrer Verbande, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen\nwerden." Die Neufassung des § 51 SGG ist demgegenuber auf alle\n"Angelegenheiten" erweitert.\n\n45\n\n \n\nb. Die Rechtswegzuweisung nach § 51 SGB wird durch § 69 SGB V bestarkt.\nHiernach sind die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbande zu\nÄrzten, Zahnarzten, Psychotherapeuten, Apotheken und sonstigen\nLeistungserbringern und ihren Verbanden seit der Neufassung des § 69 Satz 1\nSGB V zum 1.1.2000 durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen\nKrankenversicherung (GKVRefG 2000) vom 22.12.1999 (BGBl. I 1999, 2626)\nausschließlich dem offentlichen Recht zugeordnet (vgl. BGH, Urteil vom\n23.02.2006 - I ZR 164/03; BSG, Beschluss vom 06.09.2007 - B 3 SF 1/07 R; BSG,\nBeschluss vom 25.9.2001 - B 3 KR 3/01 R). § 69 Satz 1 SGB V sieht\ngrundsatzlich eine "abschließende" Regelung fur vorbenannte Rechtsbeziehungen\ndurch das 4. Kapitel des SGB V sowie die §§ 63 und 64 SGB V vor.\n\n46\n\n \n\nMit der Neuregelung des § 69 SGB V hat der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, die\nTatigkeiten der Krankenkassen, die im Zusammenhang mit der Erfullung ihres\noffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrages stehen, dem Privatrecht,\ninsbesondere dem Wettbewerbs- und Kartellrecht, vollstandig zu entziehen (BGH,\nBeschluss vom 14.03.2000 - KZB 34/99 mit Hinweis auf den Entwurf des GKV-\nGesundheitsreformgesetzes 2000 (SPD und Bundnis90/Die Grunen), BT-Drs.\n14/1245, S. 68; ebenso fur die Nichtanwendbarkeit des UWG BGH, Urteil vom\n23.02.2006 - I ZR 164/03). Gemaß vorbenannter Drucksache heißt es: "Wegen\ndieser Einbindung der Rechtsbeziehungen der Krankenkassen mit den\nLeistungserbringern sowohl in die Versorgung als auch in die Finanzierung der\nGKV regelt § 69 Satz 1 als Grundsatznorm des Leistungserbringungsrechts, dass\ndie dort genannten Rechtsbeziehungen allein sozialversicherungsrechtlicher und\nnicht privatrechtlicher Natur sind. Dies folgt aus der Vorgabe der\nabschließenden Regelung dieser Beziehungen in dem Vierten Kapitel des SGB V.\nDie Krankenkassen und ihre Verbande erfullen in diesen Rechtsbeziehungen ihren\noffentlich-rechtlichen Versorgungsauftrag und handeln deshalb nicht als\nUnternehmen im Sinne des Privatrechts, einschließlich des Wettbewerbs- und\nKartellrechts. ... Satz 4 _(jetzt Satz 5)_ stellt klar, dass auch die sich aus\nden Rechtsbeziehungen ergebenden Rechte Dritter sozialversicherungsrechtlicher\nbzw. verwaltungsrechtlicher Natur sind. Folglich entscheiden auch bei Klagen\nDritter gegen Regelungen dieser Vertragsbeziehungen die Sozialgerichte nach §\n51 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz bzw. die Verwaltungsgerichte. Die\nRechtsprechung hatte bislang eine Doppelnatur des Handelns der gesetzlichen\nKrankenkassen - offentlich-rechtlich oder privatrechtlich je nach\nBlickrichtung - angenommen. Dies hatte zu Unklarheiten bei der\nRechtswegzuweisung gefuhrt."\n\n47\n\n \n\nAus dem Urteil des BGH vom 23.02.2006 - I ZR 164/03 ergibt sich entgegen der\nAnsicht des OLG Dusseldorf (zuletzt Beschluss vom 17.01.2008 - VII-Verg 57/07)\nnicht, dass § 69 SGB V nur die Anwendung des Kartell- und Wettbewerbsrechts\nausschließt. Der BGH hatte in der zitierten Entscheidung uber die\n(Nicht-)Anwendbarkeit des Vergabekartellrechts nicht zu entscheiden und hat\ndieses entsprechend nicht getan. Er fuhrt allerdings deutlich aus, dass durch\n§ 69 SGB V sicher gestellt werden sollte, "dass Handlungen der gesetzlichen\nKrankenkassen und der fur sie tatigen Leistungserbringer zur Erfullung des\nVersorgungsauftrages gegenuber den Versicherten nur nach dem offentlichen\nRecht beurteilt werden". Um eben gerade einen solchen nicht rein fiskalischen\nVorgang handelt es sich bei Ausschreibungen nach § 127 SGB V.\n\n48\n\n \n\nDem steht nicht entgegen, dass der Bundesgerichtshof in neuerer Rechtsprechung\ndann nicht von einer "Angelegenheit einer gesetzlichen Krankenversicherung"\nausgeht, wenn es um wettbewerbsrechtliche Normen geht, deren Beachtung auch\njedem privaten Mitbewerber obliegt und in diesen Fallen den Rechtsweg zu den\nZivilgerichten eroffnet (BGH, Beschluss vom 30.01.2008 - I ZB 8/07). Denn der\nGegenstand des vorliegenden Rechtsstreits betrifft unmittelbar die der\nErfullung der den Krankenkassen nach dem 5. Buch des SGB obliegenden\noffentlich-rechtlichen Aufgaben (§ 127 SGB V i.V.m. §§ 2 und 33 SGB V), fur\ndie es auch nach vorbenannter Entscheidung bei der sozialgerichtlichen\nZustandigkeit bleibt.\n\n49\n\n \n\n§ 69 SGB V bedarf keiner einschrankenden Auslegung, soweit es das Vergaberecht\nbetrifft (so aber OLG Dusseldorf, vgl. Beschluss vom 17.01.2008 - VII-Verg\n57/07; Rundschreiben des Bundesversicherungsamtes vom 22.08.2007, Az.:\n16-1140-973/2007). Dieses gilt auch vor dem - umstrittenen - Hintergrund der\nErganzung um §§ 19 - 21 GWB.\n\n50\n\n \n\nc. Mit dem Gesetz zur Starkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen\nKrankenversicherung vom 26.03.2007 ist § 69 Satz 2 SGB V dahingehend geandert\nworden, dass bei Kartellsachen die §§ 19 - 21 GWB entsprechend anzuwenden\nsind. Hieraus den Schluss zu ziehen, dieses betreffe lediglich den bisherigen\nAusschluss der Lauterkeitsregeln, im Übrigen seien die Vorschriften des\n4.Teils des GWB nach wie vor anwendbar, verbietet sich. §§ 19 - 21 GWB\nenthalten materielles Wettbewerbsrecht. Die Notwendigkeit der entsprechenden\nAnwendung der §§ 19 - 21 GWB als materielles Recht auch durch andere\nGerichtsbarkeiten als die Kartellsenate hat der Gesetzgeber erkannt und\nnachgebessert. Ausdrucklich nichts geandert wurde an der Rechtswegzuweisung\ngemaß §§ 69 SGB V, 51 SGG an die Sozialgerichte (BT-Drs. 16/4247, S. 35).\nVielmehr waren und sind die Vorschriften des 4. Teils des GWB von dem\nAusschließungswillen des Gesetzgebers erfasst. Ein Gericht darf diese\nEntscheidung nicht mit dem Argument in ihr Gegenteil verkehren, dass die\nGeltung von Vorschriften, die nicht zur Anwendung berufen wurden, das\ngesetzgeberische Ziel zumindest nicht beeintrachtigen wurde.\n\n51\n\n \n\nAuch die Materialen zur Erganzung des § 69 SGB V um die Anwendbarkeit der §§\n19 - 21 GWB ergeben keine Anhaltspunkte fur einen abweichenden Willen des\nGesetzgebers. Im Gegenteil. Die Bundesregierung hat die Anregungen zur\nAnwendbarkeit des GWB-Vergaberechts ausdrucklich nicht ubernommen sondern eine\nweitere Prufung in Aussicht gestellt (BT-Drs. 16/4020 zu Nr. 20). Hieraus\nergibt sich, dass der Gesetzgeber letztlich mit Ausnahme der entsprechenden\nAnwendung der §§ 19-21 GWB bisher weder das UWG noch das GWB auf die\nBeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern angewandt haben\nwollte.\n\n52\n\n \n\nDass der Gesetzgeber die Zustandigkeitsregelung zumindest gegenwartig fur\ngeklart ansieht, ergibt sich aktuell aus dem Gesetz zur Änderung des SGG. In\nKenntnis der kontroversen Diskussion um den Rechtsweg bei\nVergabestreitigkeiten bei Ausschreibungen der Krankenkassen hat der\nGesetzgeber im Rahmen der Änderung des § 51 SGG keine Veranlassung gesehen,\nvon der bisherigen Rechtslage abzuweichen. § 51 SGG ist als Folgeanderung auf\nGrund der Aufhebung des § 96 GWB allein in Bezug auf die Nichtanwendbarkeit\n(nur) des § 87 GWB geandert worden.\n\n53\n\n \n\nd. Ein Wille des Gesetzgebers fur die Zuweisung der Vergabestreitigkeiten aus\n§ 127 SGB V an die Vergabesenate ergibt sich auch nicht aus weiteren\nMaterialien. Zwar sollen bei Ausschreibungen die jeweils gultigen Vorschriften\nder Vergabevorschriften der EU anwendbar sein (Bericht des Ausschusses fur\nGesundheit zu den Entwurfen zum GKV-WSG, BT-Drs. 16, 4247 zu Nr. 93, S. 46;\nGesetzentwurf CDU/CSU und SPD, BT-Drs. 16/3100 zu Nr. 93, S. 141;\ngleichlautend der BReg. BT-Drs. 16/3950; vgl. auch Stellungnahme der deutschen\nBehorden vom 17.09.2003 in der Petition an den Petitionsausschuss des Europ.\nParlaments Nr. 815/2002). Dieses betrifft jedoch nur das materiell anwendbare\nRecht, so wie es hinsichtlich §§ 19 - 21 GWB nachgebessert worden ist. Denn\naus den Gesetzesentwurfen ergibt sich die Anwendbarkeit des Vergaberechts im\nKontext einer Sicherstellung der ordnungsgemaßen, in der Qualitat gesicherten\nund wohnortnahen Versorgung sowie der Zweckmaßigkeit der Ausschreibung. Dieses\nbetrifft keine Vorschriften des GWB sondern des SGB V (vgl. § 127 Abs. 1 Satz\n1 SGB V). Ein Ruckschluss auf die Rechtswegzuweisung lasst sich hieraus nicht\nziehen.\n\n54\n\n \n\ne. Die Zustandigkeit der Sozialgerichtsbarkeit besteht nach alledem unabhangig\ndavon, ob Krankenkassen offentliche Auftraggeber sind oder nicht. Liegt eine\nAuftraggebereigenschaft nicht vor, verbietet sich die Anwendung der §§ 97 GWB\nper definitionem auf Ausschreibungen der Krankenkassen. Der Ausgang der\nBeschlussvorlage des OLG Dusseldorf zur Vorabentscheidung des EuGH vom\n23.05.2007 - VII Verg 50/06 beeinflusst diesen Rechtsstreit mithin nicht. Denn\nselbst wenn die Auslegung der Richtlinie 2004/18/EG durch den EuGH die\nAnwendbarkeit des europaischen Vergaberechts ergeben sollte, besagt dies\nnichts uber den zulassiger Weise zu beschreitenden Rechtsweg. Etwas anderes\nkonnte lediglich dann gelten, wenn eine richtlinienkonforme Auslegung einen\nAusschluss des GWB-Vergaberechts nicht zuließe. Dieses ist jedoch nicht der\nFall. Insbesondere die Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG, nunmehr in der\nFassung vom 11.12.2007 - 2007/66/EG -, steht einer Zustandigkeit der\nSozialgerichtsbarkeit nicht entgegen. Es ist eben nicht so, dass jedwede\nAnwendung des europaischen Vergaberechts außerhalb des GWB europarechtswidrig\nware.\n\n55\n\n \n\nIn formeller Hinsicht setzt das Kartellvergaberecht im GWB die vorbenannte\nRechtsmittelrichtlinie um. Aber auch die Befassung der Sozialgerichte mit der\ngerichtlichen Kontrolle genugt europarechtlichen Vorgaben, die nicht zwingend\ndie Institution und das Verfahren nach §§ 102ff GWB fordern (LSG Bad.-Wurt.,\nBeschluss vom 27.02.2008 - L 5 KR 6123/07 ER-B). Die Rechtsmittellinie sieht\nnicht vor, dass die Nachprufungsverfahren bestimmten Nachprufungsstellen\nzuzuweisen sind. Insbesondere ist nicht vorgegeben, dass nicht auch\nunterschiedliche Nachprufungsstellen zustandig sein konnen. Unbestritten\nliefern die §§ 97 ff GWB ein kleinteiliges und austariertes Rechtsmittelsystem\nin Vergabestreitigkeiten, das in seiner Kasuistik im SGG nicht vorgesehen ist.\nDerartige Regelungen sind nach Vorgaben der europaischen\nRechtsmittelrichtlinie jedoch nicht zwingend notwendig, die Regelungen waren\nzumindest bisher uberobligatorisch.\n\n56\n\n \n\nDie in der europaischen Rechtsmittelrichtlinie vorgegebenen zwingend\nnotwendigen Regularien sind im Wege des sozialrechtlichen Rechtsschutzes\numsetzbar. Es konnen gemaß § 86b SGG "so schnell wie moglich im Wege der\neinstweiligen Verfugung vorlaufige Maßnahmen ergriffen werden", mit denen das\nVerfahren zur Vergabe des Auftrages ausgesetzt werden kann und\nschadensersatzvorbereitende Feststellungen oder Entscheidungen getroffen\nwerden konnen (Art. 2 RiLi 89/665/EWG). Die Rechtsmittelinstanz ware ein\nGericht (Art. 2 Nr. 8 RiLi 89/665/EWG). Fur die gegenteilige Ansicht lasst\nsich somit das Argument, das Vergabeverfahren sei "im gesamten Sozialrecht\nnicht geregelt, wahrend es umfassend und abschließend im GWB normiert" sei (VK\nBund, Beschluss vom 15.11.2007 - VK 2 - 102/07), nicht heranziehen.\n\n57\n\n \n\nNicht zuzustimmen ist der Ansicht, dass im sozialgerichtlichen Eilverfahren\neine sehr zeitnahe Entscheidung des Sozialgerichts auf Grund der notwendigen\nInteressenabwagung in Frage stehe. In der Praxis mussen die Vorschriften des\nSGG uber den einstweiligen Rechtsschutz weit hoheren Anforderungen gerecht\nwerden als denen der Gleichbehandlung im Liefer- und Warenverkehr.\nSozialgerichte entscheiden uber vorlaufigen Rechtsschutz haufig bei\npersonlichen und finanziellen Notlagen von existentieller Bedeutung fur die\nBetroffenen und haben insbesondere im Bereich der Krankenversicherung die\nAufgabe, Gefahren fur die Gesundheit und das Leben der Versicherten\nabzuwenden. §§ 86a und 86b SGG lehnen sich in ihrem Regelungsinhalt zudem eng\nan die Vorschriften in § 80 und § 123 VwGO an. Der Vorwurf, diese Vorschriften\nboten nur unzureichenden vorlaufigen Rechtsschutz, kann ernsthaft nicht\nerhoben werden (so auch LSG Bad.-Wurt., Beschluss vom 27.02.2008 - L 5 KR\n6123/07 ER-B).\n\n58\n\n \n\nIm Übrigen ware diese Unwagbarkeit nicht europarechtswidrig, da in der\nRechtsmittelrichtlinie ein automatischer Suspensiveffekt bisher nicht\nvorgesehen war (vgl. Art. 2 Nr. 3 RiLi 89/665/EWG). Soweit in der Richtlinie\n2007/66/EG des Europaischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 zur\nÄnderung der Rechtsmittelrichtlinien (Amtsblatt der Europaischen Union vom 20.\nDezember 2007, L 335/31) nunmehr ein Suspensiveffekt in Form einer\neigenstandigen "Mindest-Stillhaltefrist ... bis die Nachprufungsstelle uber\nden Antrag entschieden hat" vorgegeben wird (Art. 1 Nr. 12, Art. 2, Nr. 3),\nwird der Gesetzgeber die notwendigen Rechts- und Verwaltungsvorschriften fur\nVergabeverfahren der Krankenkassen nach § 127 SGB V, zum Beispiel durch eine\nanaloge Anwendung der betroffenen VgV/GWB-Vorschriften, in Kraft zu setzen\nhaben, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie spatestens am 20. Dezember\n2009 nachzukommen. Ansonsten gilt die Richtlinie unmittelbar.\n\n59\n\n \n\nf. Die Zuweisung der Nachprufung von Auftragsvergaben im Wege der\nAusschreibung ohne Rechtszersplitterung an die Sozialgerichtsbarkeit\nentspricht der gesetzgeberischen Systementscheidung. Die sozialrechtlichen\nBeziehungen zwischen Krankenkassen, Leistungserbringern und Versicherten\nbeinhalten Besonderheiten, die besonders sachgerecht durch die Sozialgerichte\nentschieden werden konnen. Sie sind mit der Kontrolle des notwendig\nregulierten, speziell ausgestalteten Kassenwettbewerbs, den\nsystemkonstituierenden Normen des GKV und den Eigenheiten des\nGesundheitsmarktes besonders vertraut und damit bestens geeignet, die\nnotwendige Steuerung anhand von Recht und Gesetz zu leisten (LSG NRW,\nBeschluss vom 20.12.2007 - L 16 B 127/07 KR).\n\n60\n\n \n\ng. Fur die ausschließliche Zustandigkeit der Sozialgerichte spricht zudem der\neingeschrankte Kompetenzrahmen fur Nachprufungsverfahren nach dem GWB.\nHiernach ist das Vergabeverfahren in formeller Hinsicht sowie in Bezug auf die\neinschlagigen Verdingungsordnungen zu uberprufen. Die vorrangige Prufung der\nFrage nach der Zweckmaßigkeit einer Ausschreibung nach § 127 SGB V, also der\nFrage, ob eine Ausschreibung uberhaupt hatte stattfinden durfen, entzieht sich\ndamit sowohl der Vergabekammer als auch dem Vergabesenat. Gleichermaßen fiele\ndie Prufung der Einhaltung der Anforderungen des Hilfsmittelverzeichnisses\ngemaß § 139 SGB V oder die Nachprufungen von Ausschreibungen unter\nkartellrechtlichen Aspekten gemaß §§ 19ff GWB ("k.o.-Ausschreibung") in die\nEntscheidungskompetenz des Sozialgerichts. Dieses wurde zu einem nicht\nhinnehmbaren Auseinanderfallen der Zustandigkeiten fuhren.\n\n61\n\n \n\nHinzu kommt Folgendes:\n\n62\n\n \n\nAntragsbefugt in GWB-Verfahren sind lediglich Unternehmen, denen durch einen\nbehaupteten Vergabefehler der vorbenannten Art ein Schaden entstanden sein\nkann, § 107 Abs. 2 GWB. Zudem muss der Vergabefehler rechtzeitig gerugt worden\nsein, § 107 Abs. 3 GWB.\n\n63\n\n \n\nDamit waren Nichtbieter grundsatzlich nicht antragsbefugt, obgleich diesen als\nDritten die Überprufung der Zweckmaßigkeit der Ausschreibung nach dem\nRegelwerk des SGB V zusteht. Aus einem Verstoß gegen das Zweckmaßigkeitsverbot\ndurften zudem kaum Verletzungen eines Unternehmens hergeleitet werden konnen.\nDenn die Zweckmaßigkeit einer Ausschreibung dient vorrangig der Gewahr eines\nnicht nur preisorientierten Verhaltens. Geschutzt sind damit die Interessen\nder Versicherten. Die Besonderheiten der Vertrage nach dem SGB V bestehen\nsomit darin, dass die vorgelagerten offentlich-rechtlichen Fragen und die\nnachgeordneten Probleme der Abwicklung des offentlichen Auftrags in der Praxis\nvermischt werden. Entsprechend sieht auch der Vergabesenat des\nOberlandesgerichts Dusseldorf mit Beschluss vom 17.04.2008 (Az.: VII-Verg\n15/08) die Moglichkeit, dass die Ausschreibungen und Verfahrensprinzipien\nsowie die Verfahrensregeln bei der Beschaffung von Hilfsmitteln nach § 127 SGB\nV vorrangig vor den Regelungen des § 97 GWB und der sonstigen jeweils\neinschlagigen Verdingungsordnungen den Bestimmungen des Sozialrechts\nunterliegen.\n\n64\n\n \n\n4\\. Erganzend weist der Senat darauf hin, dass der Hinweis der Vergabestelle\nauf den einzuschreitenden Rechtsweg ist nicht bindend ist. Eine fehlende,\nunrichtige oder unvollstandig abgefasste Rechtsmittelbelehrung der\nVergabestelle vermag die gesetzlichen Rechtswegregelungen nicht zu umgehen.\n\n65\n\n \n\n5\\. Wenn im Ergebnis ausschließlich die Sozialgerichte zur Nachprufung von\nVergabeverfahren nach §§ 127, 130a SGB V berufen sind, entfallt auch die\nEingangszustandigkeit des Vergabekammer. Dieses folgt bereits aus dem unter\n2.c. ausgefuhrten Grundsatz der Einheitlichkeit des Verfahrens. Gemaß § 116\nAbs. 3 Satz 1 GWB entscheidet uber Beschwerden gegen Entscheidungen der\nVergabekammer das Oberlandesgericht am Sitz der Vergabekammer. Diese\nVerweisung ist ausschließlich. Im Fall der Unzustandigkeit der Vergabekammer,\nzum Beispiel bei Entscheidungen in Vergabeverfahren unterhalb des\nSchwellenwertes oder wie im vorliegenden Verfahren, ware die Beschwerde\nzuruckzuweisen. Gegebenenfalls kame eine Verweisung an das zustandige\nSozialgericht in Betracht. Im Fall einer vorliegenden Eingangszustandigkeit\nder Vergabekammer ware der weitere Rechtsweg zu den Vergabesenaten dagegen\nverbindlich. Damit wurde sich jegliche Moglichkeit der Verweisung an die -\nnach Ansicht des Senats zustandige - Sozialgerichtsbarkeit verbieten.\n\n
105,343
olgrost-2008-05-08-11-uf-12907
483
Oberlandesgericht Rostock
olgrost
Mecklenburg-Vorpommern
Oberlandesgericht
11 UF 129/07
2008-05-08
2018-11-24 10:30:15
2019-02-11 05:56:51
Urteil
#### Tenor\n\n \n\nAuf die Berufung des Klagers wird das am 06.08.2007 verkundete Teilurteil des\nAmtsgerichts Pasewalk - Familiengericht -, Az.: 2 F 268/05, und das diesem\nzugrundeliegende Verfahren aufgehoben, soweit zum Nachteil des Klagers erkannt\nworden ist und insoweit zur weiteren Verhandlung und Entscheidung, auch uber\ndie Kosten des Berufungsverfahrens, an das Amtsgericht Pasewalk\nzuruckverwiesen.\n\n \n\nDas Urteil ist vorlaufig vollstreckbar.\n\n#### Grunde\n\n \n\nI.\n\n1\n\n \n\nDie Parteien streiten in Form von Klage und Widerklage um die Abanderung einer\nJugendamtsurkunde uber die vollstreckbare Verpflichtung zur Zahlung von\nKindesunterhalt.\n\n2\n\n \n\nDer Klager ist der Vater des am 05.04.1991 geborenen Beklagten. Dieser lebt\nbei seiner Mutter, deren Ehe mit dem Klager seit langem geschieden ist.\n\n3\n\n \n\nDurch Urkunde des Landkreises R... - Jugendamt - vom 06.07.1995,\nBeurkundungsregister-Nr. 366/1995, ist der Klager verpflichtet, dem Beklagten\nmonatlichen Kindesunterhalt i. H. v. 103,00 DM = 52,66 EUR zu zahlen. Der\nKlager begehrt die Abanderung der Jugendamtsurkunde ab 01.11.2005 dahin, dem\nBeklagten keinen Unterhalt mehr zu schulden, weil er nicht mehr leistungsfahig\nsei. Der Beklagte verlangt widerklagend ab 01.05.2007 bzw. nunmehr ab Marz\n2002 Unterhalt i. H. v. 100 % des Regelbetrages und ab Januar 2008 i. H. v.\n100 % des Mindestunterhalts i. S. d. § 1612 a Abs. 1 BGB bzw. i. H. v. 100 %\nder in § 36 Nr. 4 EGZPO bestimmten Betrage der 3. Altersstufe abzuglich des\nauf ihn entfallenden halftigen Kindesgeldes.\n\n4\n\n \n\nDurch Teilurteil vom 06.08.2007 hat das Amtsgericht die Urkunde des\nLandkreises R. vom 06.07.1995, Urkundenregister-Nr. 366/1995, dahin\nabgeandert, dass der Klager dem Beklagten fur die Zeit vom 01.11.2005 bis\n28.02.2006 keinen Unterhalt schuldet. Die weitergehende Klage hat es\nabgewiesen. Wegen der Widerklage des Beklagten hat das Amtsgericht das\nVerfahren bis zur Vorlage der Bescheidung des Widerspruches des Klagers gegen\ndie Ablehnung der von ihm beantragten Erwerbsunfahigkeitsrente ausgesetzt.\n\n5\n\n \n\nWegen der erstinstanzlichen Feststellungen und der Entscheidungsgrunde nimmt\nder Senat auf das Teilurteil des Amtsgerichts vom 06.08.2007 Bezug.\n\n6\n\n \n\nGegen das Urteil wendet sich der Klager mit seiner Berufung, soweit zu seinem\nNachteil entschieden worden ist. Der Beklagte hatte sich der Berufung des\nKlagers angeschlossen, nach mundlicher Verhandlung vor dem Senat seine\nAnschlussberufung jedoch zuruckgenommen.\n\n7\n\n \n\nDer Klager tragt vor, das Amtsgericht habe zu Unrecht seinen Antrag auf\nAbanderung des Unterhalts fur die Zeit ab Marz 2006 abgewiesen. Rechtsirrig\ngehe das Amtsgericht davon aus, dass er ab Marz 2006 leistungsfahig und somit\nin der Lage sei, Kindesunterhalt i. H. v. derzeit 52,66 EUR zu zahlen. Er habe\nsich nicht ab 01.03.2006 in die Selbststandigkeit begeben, um sich der Zahlung\ndes Regelunterhaltes zu entziehen. Zutreffend sei, dass er im Rahmen seiner\nSelbststandigkeit das Jahr 2006 mit einem negativen Ergebnis abgeschlossen und\nim Jahr 2007 sein Unternehmen umfirmiert habe. Dies sei gerade nicht in\nErwartung weiterhin fehlender Gewinne geschehen, sondern er sei bemuht, durch\nseine selbststandige Tatigkeit sicherzustellen, die Zahlung des\nRegelunterhaltes nachhaltig gewahrleisten zu konnen. Das Amtsgericht habe bei\nseiner Beurteilung außer Acht gelassen, dass bei Selbststandigen stets der\ndurchschnittliche Gewinn der letzten drei Jahre zu ermitteln sei. Er sei noch\nkeine drei Jahre am Markt tatig. Ihm konne auch nicht angelastet werden, dass\ner bei Aufnahme der Selbststandigkeit keine entsprechenden Rucklagen gebildet\nhabe, um wahrend einer Übergangszeit die Zahlung des Kindesunterhaltes\nsicherzustellen. Es sei zu berucksichtigen, dass seine Arbeitslosigkeit\nbereits seit 2003 andauere. Die Bildung von Rucklagen aus den Leistungen der\nArbeitslosenhilfe bzw. SGB II-Leistungen sei ihm nicht moglich gewesen. Er\nhabe in der Aufnahme einer Selbststandigkeit die letzte Moglichkeit gesehen,\num nachhaltig Einkommen zu erzielen, welches ihm auch die Zahlung von\nKindesunterhalt gestatte. Er sei unverschuldet in die Arbeitslosigkeit\ngeraten. Er habe erstinstanzlich umfassend vorgetragen, sich nachhaltig auf\nverschiedene Arbeitsangebote entsprechend seiner Ausbildung, seinen\nFahigkeiten und Fertigkeiten, nicht allein bezogen auf seine zwei\nAusbildungsberufe, beworben zu haben. Dennoch sei er nur durch die Leistungen\nzur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II nicht in der Lage, ohne\nGefahrdung seines eigenen Selbstbehalts dem Beklagten den Unterhalt zu\ngewahren. Positive Einkunfte aus der Selbststandigkeit habe er im Jahr 2006\nnicht erzielt. Die Selbststandigkeit sei fur ihn der letzte Ausweg aus einem\nseit Jahren andauernden erfolglosen Bewerbungsmarathon gewesen. Ab Marz 2006\nhabe er sich nur noch wenig bzw. spater uberhaupt nicht mehr fremd beworben,\nweil er sich vollstandig auf die Ausubung seiner selbststandigen Tatigkeit\nkonzentriert habe. Nach Schluss der mundlichen Verhandlung im\nerstinstanzlichen Verfahren sei im Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Meißen -\nFamiliengericht - zum Az.: 8 F 316/07 durch Einholung eines\nAbstammungsgutachtens festgestellt worden, dass er Vater eines weiteren am\n27.04.2007 geborenen Kindes namens T... V... sei.\n\n8\n\n \n\nDer Klager beantragt,\n\n9\n\n \n\ndas Teilurteil des Amtsgerichts Pasewalk - Familiengericht - vom 06.08.2007,\nAz.: 2 F 268/05, dahin abzuandern, dass er dem Beklagten ab 01.11.2005 keinen\nUnterhalt mehr schulde.\n\n10\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n11\n\n \n\ndie Berufung zuruckzuweisen.\n\n12\n\n \n\nEr tragt vor, der Klager sei unstreitig im November und Dezember 2005\narbeitsunfahig erkrankt gewesen, sodass fur diesen Zeitraum von einer\nmangelnden Leistungsfahigkeit auszugehen sei. Dies gelte jedoch nicht fur die\nZeit ab Januar 2006. Der Klager sei im Rahmen seiner gesteigerten\nErwerbsobliegenheit verpflichtet, seine Arbeitskraft bestmoglich einzusetzen,\num wenigstens den Mindestunterhalt fur ihn sicherzustellen. Soweit der Klager\nmangelnde Leistungsfahigkeit einwende, sei er hierfur darlegungs- und\nbeweispflichtig. Der Klager habe bisher nicht ausreichend nachweisen konnen,\ndass er trotz Erfullung der strengen Anforderungen an seine gesteigerte\nErwerbsobliegenheit aus gesundheitlichen oder arbeitsmarktpolitischen Grunden\nnicht leistungsfahig sei. Er konne der Auffassung des Amtsgerichts nicht\nfolgen, wonach unter Berucksichtigung der Gesundschreibung zum 01.01.2006 die\nBewerbungen als angemessen zu betrachten seien. Der Klager sei unstreitig ab\ndem 01.01.2006 wieder arbeitsfahig gewesen, sodass er auch die Anforderungen,\ndie an einen arbeitsfahigen Unterhaltspflichtigen gestellt werden, erfullen\nmusse. Zu Recht habe das Amtsgericht darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der\nselbststandigen Tatigkeit offensichtlich keine positive Marktprognose\nvorgelegen habe. Vor diesem Hintergrund lasse sich die Aufnahme der\nselbststandigen Tatigkeit im Hinblick auf die gesteigerte Erwerbsobliegenheit\ndes Klagers nicht rechtfertigen. Die Aufnahme einer selbststandigen Tatigkeit\ndurfe nicht zu seinen Lasten gehen. Zutreffend habe das Amtsgericht\nausgefuhrt, dass der Klager bei Aufnahme einer selbststandigen Tatigkeit\nsicherzustellen habe, dass diese die Zahlung des Regelunterhaltes kurzfristig\nund nachhaltig gewahrleisten werde. Der Klager habe vor Aufnahme der\nselbststandigen Tatigkeit durch sorgfaltige Planung und Marktanalyse zu prufen\ngehabt, ob die von ihm avisierte Tatigkeit an dem gewahlten Standort\nperspektivisch geeignet ist, seinen Lebensunterhalt und den Unterhalt seines\nminderjahrigen Sohnes sicherzustellen. Hierzu habe der Klager weder\nsubstanziiert vorgetragen noch entsprechende Nachweise vorgelegt. Auch der\nkurzfristige Wechsel des Gewerbes ab 01.01.2007 sei nicht nachvollziehbar\nbegrundet worden. Er bestreite, dass es dem Klager vor Aufnahme der\nSelbststandigkeit nicht moglich gewesen sei, Rucklagen fur den Unterhalt zu\nbilden. Der Klager sei im Rahmen seiner gesteigerten Erwerbsobliegenheit\nverpflichtet gewesen, eine unwirtschaftliche selbststandige Tatigkeit\naufzugeben und sich weiterhin intensiv um die Aufnahme einer abhangigen\nTatigkeit zu bemuhen. Der Klager raume selbst ein, sich nach Marz 2006 nicht\nmehr fremdbeworben zu haben. Der Klager sei gelernter Elektriker und\nHotelfachmann. Er habe in der Vergangenheit als Elektromonteur,\nBetriebselektriker, Kellner, Gaststattenleiter, Barkeeper und\nAußendienstmitarbeiter gearbeitet. Er gehe davon aus, dass der Klager bei\numfangreichen Bewerbungsbemuhungen auch uber den Marz 2006 hinaus inzwischen\neine neue Anstellung gefunden hatte. Der Klager sei auch gesundheitlich in der\nLage, eine volle Erwerbstatigkeit auszuuben. Dies gehe aus dem eingeholten\nSachverstandigengutachten hervor, welches die Einsatzfahigkeit des Klagers fur\nleichte und mittelschwere Tatigkeiten bescheinige. Er bestreite mit\nNichtwissen, dass der Klager einem weiteren Kind zum Unterhalt verpflichtet\nsei. Weiter werde bestritten, dass die Vaterschaft fur das am 27.04.2007\ngeborene Kind erst nach Schluss der letzten mundlichen Verhandlung\nfestgestellt wurde.\n\n \n\nII.\n\n13\n\n \n\nDie Berufung des Klagers ist zulassig, insbesondere form- und fristgerecht\neingelegt und begrundet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).\n\n14\n\n \n\nSie ist auch begrundet, denn die Entscheidung beruht, soweit vom Klager\nangefochten, auf einem wesentlichen Verfahrensmangel (§ 538 Abs. 2 Ziff. 7\nZPO).\n\n15\n\n \n\nBei dem angefochtenen Urteil handelt es sich, soweit es angefochten ist, um\nein unzulassiges Teilurteil. Das Familiengericht hat die\nUnterhaltsabanderungsklage auf Herabsetzung des Unterhalts ab 01.03.2006\nabgewiesen und die Entscheidung uber die Widerklage auf Erhohung des\nUnterhalts ab 01.05.2007 ausgesetzt. Nach Erlass des Teilurteils hat der\nBeklagte seine Widerklage mit Schriftsatz vom 17.12.2007 erweitert und\nverlangt nunmehr ruckwirkend ab 01.03.2002 eine Unterhaltserhohung, mit\nAusnahme des durch Teilurteil entschiedenen Zeitraumes vom 01.11.2005 bis\n28.02.2006. Die angefochtene Entscheidung stellt sich somit fur die Zeit ab\n01.03.2006 als sogenanntes horizontales Teilurteil dar, welches unzulassig\nist.\n\n16\n\n \n\nNach § 301 ZPO ist ein Teilurteil nur dann zulassig, wenn es uber einen\naussonderbaren, einer selbststandigen Entscheidung zuganglichen Teil des\nVerfahrensgegenstandes ergeht und der Ausspruch uber diesen Teil unabhangig\nvon dem restlichen Verfahrensgegenstand getroffen werden kann, so dass die\nGefahr einander widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist. Dabei ist\nder Erlass eines Teilurteils bereits dann unzulassig, wenn sich diese Gefahr\ndurch abweichende Beurteilung eines Rechtsmittelgerichts im Instanzenzug\nergeben kann (BGH, MDR 2008, 331; MDR 2003, 467; FamRZ 2002, 1097; FamRZ 1999,\n992 m.w.N.) und die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen erst\ndadurch entsteht, dass eine erstinstanzlich noch nicht entschiedene Widerklage\nim Berufungsrechtzug erweitert wird.\n\n17\n\n \n\nInsbesondere bei Unterhaltsanspruchen, die denselben Zeitraum betreffen, sind\nTeilurteile ausgeschlossen, wenn die Entscheidung uber den Rest von Umstanden\nabhangt, die auch fur den bereits ausgeurteilten Teil maßgebend sind und die\neiner abweichenden Beurteilung ggf. in der Rechtsmittelinstanz unterliegen\nkonnen (OLG Brandenburg, FuR 2000, 347; FamRZ 2000, 899; FamRZ 1997, 504; OLG\nSchleswig, FamRZ 1988, 1293).\n\n18\n\n \n\nDer hier streitige Unterhaltsanspruch ist fur die Zeit ab 01.03.2006 nicht\nteilurteilsfahig. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die Entscheidung uber\ndie Widerklage des Beklagten von der -streitigen- Grundfrage abhangt, ob und\nin welcher Hohe dem Beklagten ab 01.03.2006 insgesamt ein Unterhaltsanspruch\ngegen den Klager zusteht. Diese Frage kann nur einheitlich fur den gesamten\nAnspruch beurteilt werden\n\n19\n\n \n\nFur das weitere Verfahren weist der Senat noch auf Folgendes hin:\n\n20\n\n \n\nGemaß § 323 Abs. 4 ZPO i. V. m. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO kann eine Abanderung\neiner Jugendamtsurkunde uber die Verpflichtung zur Zahlung von\nKindesunterhalt, die ihre Grundlage in einer Vereinbarung zwischen\nUnterhaltsschuldner und Unterhaltsglaubiger hat und nicht eine einseitige\nUnterhaltsverpflichtung des Unterhaltsschuldners darstellt, wie bei sonstigen\nprivatrechtlichen Rechtsgeschaften, allein nach den Regeln des materiellen\nRechts verlangt werden. Maßgeblich hierfur sind die Grundsatze uber die\nVeranderung oder den Fortfall der Geschaftsgrundlage (§ 313 BGB), die eine\nAnpassung rechtfertigen, wenn es den Beteiligten nach Treu und Glauben nicht\nzugemutet werden kann, an den bisherigen Regelungen festgehalten zu werden.\nDie Darlegungs- und im Falle des Bestreitens die Beweislast tragt insoweit der\ndie Abanderung Begehrende, hier der Klager. Dass sich die im Zeitpunkt der\nErrichtung der Jugendamtsurkunde am 06.07.1995 herrschenden Verhaltnisse in\neiner Weise geandert haben, dass es dem Klager nicht mehr zugemutet werden\nkann, an den der Jugendamtsurkunde zugrundeliegenden Vereinbarungen\nfestgehalten zu werden, hat der Klager ausreichend dargelegt. Er ist\nzwischenzeitlich arbeitslos und bezog Arbeitslosenhilfe bzw. seit 2005\nLeistungen nach dem SGB II. Er war seit dem 01.03.2006 selbststandig tatig und\nhat unstreitig hieraus keine unterhaltssichernden Gewinne erzielt. Mit seinem\ntatsachlichen Einkommen ist der Klager somit auch uber den 01.03.2006 hinaus\nnicht in der Lage, dem Beklagten den durch Jugendamtsurkunde vom 06.07.1995\ntitulierten Unterhalt i. H. v. 52,66 EUR zu zahlen.\n\n21\n\n \n\nEntgegen der Ansicht des Beklagten, dem das Amtsgericht gefolgt ist, ist dem\nKlager mindestens ab 01.03.2006 auch kein fiktives Einkommen wegen Verletzung\nseiner gesteigerten unterhaltsrechtlichen Erwerbspflicht aus § 1603 Abs. 2 BGB\nanzurechnen. Gemaß § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB besteht eine gesteigerte\nunterhaltsrechtliche Erwerbspflicht des Unterhaltsschuldners gegenuber\nminderjahrigen Kindern dann nicht, wenn ein anderer unterhaltspflichtiger\nVerwandter vorhanden ist. Dies kann auch die das Kind betreuende Mutter sein,\nwenn die Inanspruchnahme des grundsatzlich barunterhaltspflichtigen\nElternteils zu einem erheblichen finanziellen Ungleichgewicht zwischen den\nEltern fuhren wurde, weil er wesentlich geringere Einkunfte hat, als der\nbetreuende Elternteil, der in deutlich gunstigeren wirtschaftlichen\nVerhaltnissen lebt (stand. Rechtsprechung des BGH, zuletzt FamRZ 2008, 137 m.\nw. N.).\n\n22\n\n \n\nSo liegt der Fall hier.\n\n23\n\n \n\nDer Klager hat bereits erstinstanzlich vorgetragen, dass die Mutter des\nBeklagten als Beamtin ein monatliches bereinigtes Nettoeinkommen von 2.000,00\nEUR erzielt. Dies hat der Beklagte nicht bestritten, so dass hiervon\nauszugehen ist. Im Hinblick auf das negative Einkommen des Klagers aus\nselbststandiger Tatigkeit ab 01.03.2006 besteht ein erhebliches\nUngleichgewicht der Einkommensverhaltnisse der Eltern des Beklagten. Mit\nseiner selbststandigen Tatigkeit erfullt der Klager im Hinblick auf die\nfehlgeschlagenen vielfachen Erwerbsbemuhungen in der Vergangenheit und im\nHinblick auf seinen Gesundheitszustand seine einfache Erwerbspflicht aus §\n1603 Abs. 1 BGB. Er kann sich gegenuber dem Beklagten auf den angemessenen\nSelbstbehalt berufen, weil die Kindesmutter mit ihren guten\nEinkommensverhaltnissen ohne Gefahrdung ihres angemessenen Selbstbehalts in\nder Lage ist, den Unterhalt in Hohe des Regelbetrages bzw. den\nMindestunterhalt einschließlich des ausgefallenen an sich vom Klager\ngeschuldeten Kindesunterhalt von 52,66 EUR monatlich zu zahlen. Der Klager\nverlangt daher zu Recht eine Unterhaltsabanderung auf 0 auch ab 01.03.2006,\nweil er ohne Gefahrdung des angemessenen Selbstbehalts nicht in der Lage ist,\ndem Beklagten den titulierten Unterhalt zu zahlen und vielmehr die\nKindesmutter ohne Gefahrdung ihres angemessenen Selbstbehalts den Unterhalt\naufbringen kann. Dies fuhrt auch nicht zu einer ubermaßigen Belastung der\nKindesmutter, denn der Betreuungsaufwand des am 05.04.1991 geborenen Beklagten\nist gering.\n\n \n\nIII.\n\n24\n\n \n\nDie Kostenentscheidung bleibt der abschließenden erstinstanzlichen\nEntscheidung vorbehalten.\n\n25\n\n \n\nDie Entscheidung uber die vorlaufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.\n10, 711 und 713 ZPO.\n\n
105,696
lsgsh-2007-11-13-l-4-ka-507
1,068
Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht
lsgsh
Schleswig-Holstein
Sozialgerichtsbarkeit
L 4 KA 5/07
2007-11-13
2018-11-24 13:30:22
2019-02-26 18:40:07
Urteil
ECLI:DE:LSGSH:2007:1113.L4KA5.07.0A
#### Tenor\n\n \n\nDie Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 13.\nSeptember 2006 wird zurückgewiesen.\n\n \n\n \n\nDie Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.\n\n \n\n \n\nDie Revision wird zugelassen.\n\n \n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Klägerin wendet sich gegen Honorarbegrenzungen in Gestalt individueller\nPunktzahlvolumina (IPZV) für die Quartale III/03 bis II/04 sowie die Ablehnung\neines Härtefallantrages.\n\n2\n\n \n\nDie Klägerin ist seit 1992 als Anästhesistin in L. zur vertragsärztlichen\nVersorgung zugelassen. Sie behandelt in erster Linie Patienten einer Praxis\nfür Kiefer- und Gesichtschirurgie.\n\n3\n\n \n\nIm Zusammenhang mit der Aufhebung der Regelungen zum Praxisbudget im\nEinheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) mit\nAblauf des Quartals II/03 führte die Beklagte mit Wirkung zum 1. Juli 2003\nRegelungen zur Bildung von IPZV für die meisten Arztgruppen einschließlich der\nGruppe der Anästhesisten (Ausnahmen gelten für Laborärzte, Pathologen,\nausschließlich psychotherapeutisch tätige Vertragsärzte, Psychotherapeuten und\nRadiologen, vgl. § 12.3.3.b) HVM) und für den ganz überwiegenden Teil der\nLeistungen (Ausnahmen gelten für Leistungen des organisierten Notdienstes, die\nhausärztliche Grundvergütung, u.a.) ein. Die durch die Abgeordnetenversammlung\nder Beklagten am 11. Juni 2003 beschlossene Neufassung des § 12 HVM sieht die\nBildung sog. Startquartale von III/03 bis II/04 vor. Für die Bildung des IPZV\nin diesen Startquartalen wird auf das praxisindividuelle Honorar aus dem Jahr\n2002 zurückgegriffen. Bei Praxen, die in den Jahren 2001 und 2002 keinen\nStatuswechsel vollzogen haben, werden auch die Quartale des Jahres 2001\nberücksichtigt. Für Leistungen innerhalb der IPZV wird ein Punktwert von 4,5\nCent angestrebt. Dazu wird für jede Praxis und für jedes Quartal die Punktzahl\nso begrenzt, dass unter Zugrundelegung des im Bemessungszeitraum (2001/2002)\nerzielten Honorars eine Vergütung mit 4,5 Cent hätte erfolgen können (§\n12.4.2.b) Satz 1 HVM). Dabei wird von dem Honorar des entsprechenden\nBestquartals aus den Jahren 2001 und 2002 ausgegangen. Überschreitet die Summe\nder vier gewählten Quartale die entsprechende Summe des Bestjahres, so werden\ndie Bestquartale entsprechend quotiert (§ 12.4.2.b) Sätze 2 und 3 HVM). Die\ndas IPZV überschreitenden Mehrleistungen werden mit 0,05 bis maximal 1 Cent\nvergütet. Zur Sicherung des Zielpunktwertes und zur Finanzierung der Vergütung\nfür Mehrleistungen wird die Punktzahl in den Startquartalen um 3 % reduziert\n(§ 12.4.2.c) HVM). Die IPZV werden getrennt nach Kassenarten gebildet, wobei\njedoch ein Ausgleich stattfindet (vgl. § 12.4.1.a) HVM). Für die\nWeiterentwicklung der IPZV nach Ablauf der Startquartale (sog. Folgequartale\nab III/04) trifft § 12.4.3. HVM gesonderte Regelungen, nach denen sich die\nWeiterentwicklung im Wesentlichen nach dem Maß der Überschreitung oder\nUnterschreitung des IPZV und nach dem Abrechnungsverhalten der anderen Ärzte\nder Fachgruppe richtet. Die erreichbare Zugewinnmenge im Vergleich zu dem\nentsprechenden Quartal des Vorjahres wird auf 10% der durchschnittlichen\nanerkannten Punktzahlanforderung je Arzt innerhalb der Arztgruppe begrenzt.\nWegen der Einzelheiten des Verteilungsverfahrens bei einer Überschreitung des\nIPZV wird auf § 12 HVM (Bl. 17 bis 29 VA) und dabei insbesondere auf §\n12.4.3.a) a.3) HVM (Bl. 20 VA) Bezug genommen. Der HVM enthält in § 12.4.4.\nSonderregelungen für die Bildung des IPZV in den Startquartalen und in den\nFolgequartalen u.a. für neu gegründete Praxen, nicht jedoch für andere\nunterdurchschnittlich abrechnende Praxen. Nach der Härteregelung in §\n12.4.4.j) HVM kann der Vorstand auf Antrag in besonderen Fällen aus\nSicherstellungsgründen Punktzahlvolumina der Praxis neu festlegen, wenn\nbesondere Umstände des Einzelfalles vorliegen. Weiter heißt es: „Hierzu zählen\ninsbesondere dauerhafte Veränderungen in der vertragsärztlichen Versorgung im\nUmfeld der Praxis.“ Ergänzend enthält der HVM eine allgemeine Härteregelung in\n§ 12.6.2., nach der der Vorstand über unbillige Härtefälle infolge der\nAnwendung des HVM entscheidet. Speziell für die Bildung des IPZV in den\nStartquartalen sieht § 12.4.2.d) HVM vor, dass der Vorstand auf Antrag der\nPraxis Veränderungen der Punktzahlvolumina festlegen kann, sofern bei der\nZugrundelegung des „Berechnungszeitraums“ Ausnahmesituationen zu einer im\nVergleich zu anderen Quartalen deutlichen Verringerung der\nPunktzahlanforderung geführt haben.\n\n4\n\n \n\nAm 8. April 2003 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass zum 1. Januar\n2003 ein weiterer Facharzt für Kiefer- und Gesichtschirurgie in die Praxis\neintreten werde, mit der sie zusammenarbeite. Dadurch sei eine Verdoppelung\nder narkosepflichtigen operativen Leistungen und eine entsprechende\nÜberschreitung des IPZV zu erwarten. Um eine nicht hinnehmbare Abstaffelung zu\nvermeiden, bitte sie um eine entsprechende Regelung.\n\n5\n\n \n\nDie Beklagte berechnete getrennt für den Bereich der Primärkassen und der\nErsatzkassen das IPZV der Klägerin auf der Grundlage der Bestquartale aus den\nJahren 2001 und 2002 mit der in § 12.4.2.b) Satz 3 HVM vorgesehenen Quotierung\nauf das Bestjahr. Auf dieser Grundlage wurden der Klägerin Punktzahlen\ninnerhalb des IPZV zwischen 184.002 (Quartal IV/03) und 208.162 (II/04) und\ndamit in Höhe von etwas weniger als einem Drittel des Fachgruppendurchschnitts\nzugewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 42, 43 der Verwaltungsakte\nsowie Bl. 62 der Gerichtsakte Bezug genommen.\n\n6\n\n \n\nMit Honorarbescheid vom 14. Januar 2004 gewährte die Beklagte der Klägerin ein\nHonorar in Höhe von 8.685,34 EUR für das Quartal III/03 (vor Abzug des\nVerwaltungskostenbeitrages). Dabei legte sie für die Leistungen innerhalb des\nIPZV (193.631) einen Punktwert von 4,2429 Cent (Primärkassen) bzw. 4,2400 Cent\n(Ersatzkassen) und für die das IPZV übersteigenden Mehrleistungen (68.844\nPunkte) einen Punktwert von 0,05 Cent zugrunde. Den auf die Erhöhung des IPZV\ngerichteten Antrag der Klägerin vom 8. April 2003 lehnte die Beklagte mit\nBescheid ebenfalls vom 14. Januar 2004 „als Bestandteil des Honorarbescheides“\nunter Bezugnahme auf die Regelung in § 12.4.3. HVM zur Weiterentwicklung der\nJPZV nach Ablauf der vier Startquartale ab.\n\n7\n\n \n\nMit Bescheid vom 20. April 2004 gewährte die Beklagte der Klägerin für das\nQuartal IV/03 Honorar in Höhe von 8.132,83 EUR (vor Abzug des\nVerwaltungskostenbeitrags). Dabei legte sie für Leistungen innerhalb des IPZV\n(184.002) einen Punktwert in Höhe von 4,2068 (Primärkassen) bzw. 4,3885\n(Ersatzkassen) und für die das IPZV übersteigenden Mehrleistungen (231.813\nPunkte) einen Punktwert von 0,05 Cent zugrunde.\n\n8\n\n \n\nMit Bescheid vom 14. Juli 2004 gewährte die Beklagte der Klägerin für das\nQuartal I/04 ein Honorar in Höhe von 8.762,41 EUR (vor Abzug des\nVerwaltungskostenbeitrags) unter Zugrundelegung eines Punktwertes innerhalb\ndes IPZV (205.111 Punkte) von 3,9033 Cent (Primärkassen) bzw. 4,4306 Cent\n(Ersatzkassen). Für die das IPZV übersteigenden Mehrleistungen (7.564 Punkte)\nerfolgte eine Vergütung mit einem Punktwert von 0,05 Cent.\n\n9\n\n \n\nMit Bescheid vom 14. Oktober 2004 gewährte die Beklagte der Klägerin für das\nQuartal II/04 ein Honorar in Höhe von 8.973,58 EUR (vor Abzug des\nVerwaltungskostenbeitrags) unter Zugrundelegung eines Punktwerts von 3,9072\nCent (Primärkassen) bzw. 4,1511 Cent (Ersatzkassen) innerhalb des IPZV\n(208.162 Punkte). Für die das IPZV überschreitenden Mehrleistungen (99.318\nPunkte) erfolgte eine Vergütung mit einem Punktwert von 0,05 Cent.\n\n10\n\n \n\nGegen die Honorarbescheide für die Quartale III/03 bis II/04 einschließlich\nder Ablehnung des Härtefallantrages sowie gegen den Honorarbescheid vom 13.\nJanuar 2005 für das Quartal III/04 legte die Klägerin Widerspruch ein und\nmachte zur Begründung im Wesentlichen geltend, dass sie durch das IPZV daran\ngehindert werde, sich dem Umsatz des Fachgruppendurchschnitts anzunähern und\ndiesen innerhalb eines überschaubaren Zeitraums zu erreichen. Sie habe auch\nkeine Möglichkeit, den Umfang ihrer Praxistätigkeit zu steuern. Durch das\nHinzutreten eines weiteren Arztes in der mit ihr zusammenarbeitenden\noperierenden Praxis sei es zu strukturellen Veränderungen im Praxisumfeld\ngekommen, die im Rahmen der Härtefallregelung zu berücksichtigen seien.\n\n11\n\n \n\nMit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2005 wies die Beklagte die Widersprüche\nder Klägerin zurück und führte zur Begründung aus: Vor dem Hintergrund der\nAbschaffung der Praxisbudgets ab dem 1. Juli 2003 habe sie sich zu einer\nNeukonzeption der Honorarverteilung auf der Basis individueller\nPunktzahlvolumina für die meisten Arztgruppen entschieden. Hintergrund der\nNeuregelung sei es gewesen, insbesondere vor dem Hintergrund der gedeckelten\nGesamtvergütung Hamsterradeffekten entgegenzuwirken und gleichzeitig eine\nkalkulierbare Honorierung anzustreben. Dazu würden für Startquartale\nAusgangswerte gebildet. Für die Folgezeit sehe der HVM Regelungen für die\nWeiterentwicklung der IPZV vor. Dabei enthalte der HVM zwar keine Obergrenze\ndes Wachstums für die einzelne Praxis. Allerdings sei festgelegt, dass\nkollektiv innerhalb der Arztgruppe pro Jahr lediglich 2 % des\nGesamtpunktzahlvolumens für Wachstum der einzelnen Praxen zur Verfügung stehe.\nDie für Wachstum zur Verfügung stehende Punktzahl von ca. 2 % des\nFachgruppentopfes werde in der Reihenfolge der prozentualen Überschreitung der\nIPZV auf die Praxen verteilt. Eine Sonderregelung für unterdurchschnittlich\nabrechnende Praxen, wie die der Klägerin, die bereits länger als fünf Jahre\nbestehe, enthalte der HVM nicht. Allerdings böten die Regelungen für die\nWeiterentwicklung der IPZV gerade kleinen Praxen eine ausreichende\nEntwicklungsmöglichkeit, weil diese leichter von der Wachstumsmöglichkeit\nprofitieren könnten. Dies habe sich für die Quartale ab III/04 auch zugunsten\nder Klägerin ausgewirkt. Für das Quartal IV/04 habe sie sogar einen\nPunktzahlzuwachs von ca. 41 % erzielt. Das IPZV sei nicht auf Arztgruppen\nbegrenzt, die ihr Leistungsverhalten steuern könnten. Dies entspreche dem\nanlässlich der Aufhebung der Praxisbudgets zum 1. Juli 2003 gefassten\nBeschluss des erweiterten Bewertungsausschusses vom 19. Dezember 2002. Auch\nder Rechtsprechung des BSG lasse sich keine Vorgabe entnehmen, nach der die\nindividuellen Honorarkontingente nur für Praxen zulässig seien, die ihr\nLeistungsverhalten steuern könnten. Dies sei vor dem Hintergrund der\ngedeckelten Gesamtvergütung durchaus nachvollziehbar. Der angestrebte\nZielpunktwert von 4,5 Cent für die Punktzahlvolumina innerhalb des IPZV sei\nleider bei den ersten Honorarabrechnungen in den meisten Fachgruppen nicht\nerreicht worden. Gründe seien u.a. eine Verringerung der Gesamtvergütung, eine\nErhöhung der Zahl der Fachärzte sowie die Anwendung der Bestregelung auf Basis\nder Honorare in den Jahren 2001 und 2002. Auch dem Härtefallantrag habe der\nVorstand nicht entsprechen können. Der Vorstand sei gehalten, mit\nEntscheidungen über die Erhöhung von Punktzahlvolumina äußerst restriktiv\numzugehen, da in der Regel jede Erhöhung der Punktzahlvolumina dazu führe,\ndass der Anteil der Leistungen, die aus dem Topf der jeweiligen Fachgruppe zum\nReferenzpunktwert gezahlt werden müssten, zunehme. Im Ergebnis könnten\nderartige Ansprüche nur durch die Umverteilung von Geldern innerhalb der\nFachgruppe bedient werden, weil letztlich nur die von den Krankenkassen zur\nVerfügung gestellten Gelder verteilt werden könnten. Es sei zwar\nnachvollziehbar, dass es bei der Klägerin wegen des Eintretens eines weiteren\nArztes in der mit ihr zusammenarbeitenden Praxis für Mund-, Kiefer- und\nGesichtschirurgie zu einer Leistungsausweitung gekommen sei. Dies könne jedoch\nnicht dazu führen, dass ihr ein höheres Punktzahlvolumen zugebilligt werden\nkönne. Es könnten nur strukturelle Veränderungen in der vertragsärztlichen\nVersorgung im Umfeld der Praxis berücksichtigt werden. Hintergrund der\nentsprechenden Regelung sei die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur\nFrage struktureller Veränderungen, wenn einer Praxis „unvermeidlich“ viele\nPatienten zuwüchsen, weil ein anderer Arzt in der Region ausscheide oder wenn\nein Wohngebiet erweitert werde. Eine damit vergleichbare Konstellation liege\nhier nicht vor. Im Übrigen sei eine wesentliche Steigerung der Fallzahl weder\nin der Praxis der Klägerin noch in der mit ihr kooperierenden Praxis für\nMund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie zu erkennen.\n\n12\n\n \n\nDagegen hat sich die Klägerin mit der am 27. April 2005 beim Sozialgericht\nKiel eingegangenen Klage gewandt und zur Begründung ausgeführt: In den\nstreitgegenständlichen Quartalen habe sie ihre Fallzahlen im Vergleich zum\nvorangegangenen Jahr - abgesehen vom Quartal I/04 - gesteigert. Trotz der\nerheblich unterdurchschnittlichen Honorarumsätze habe ihr die Beklagte eine\nSteigerung des Honorarumsatzes auf den Fachgruppendurchschnitt verweigert. Die\ndem zugrunde liegenden Regelungen des HVM seien rechtswidrig. Als\nAnästhesistin sei sie nicht in der Lage, den Umsatz ihrer Praxistätigkeit zu\nbeeinflussen. Damit könne der mit dem IPZV angestrebte Zweck - einer\nAusweitung der Praxistätigkeit entgegenzuwirken - bei ihr nicht erreicht\nwerden. Die Beklagte sei auch nicht aufgrund des Beschlusses des Erweiterten\nBewertungsausschusses vom 19. Dezember 2002 gezwungen gewesen, IPZV für die\nauf Überweisung tätigen Anästhesisten einzuführen. Schließlich seien auch die\nFachgruppen der Laborärzte und der Pathologen nicht in die Regelungen der IPZV\neinbezogen worden. Anästhesisten seien aufgrund von Vereinbarungen mit den\nzuweisenden Operateuren verpflichtet, alle angeforderten Anästhesien\ndurchzuführen. Insofern unterschieden sie sich von allen anderen Arztgruppen.\nDer Umfang der Praxistätigkeit sei weitgehend fremdbestimmt durch die\nzuweisenden Operateure. Die Folgen der Budgetierung wögen besonders schwer,\nweil der Zielpunktwert von 4,5 Cent bei der Fachgruppe der Anästhesisten\ndeutlich unterschritten worden sei. Die Regelungen des HVM verstießen gegen\ndie Vorgaben aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, nach denen es\njedem Vertragsarzt in effektiver Weise ermöglicht werden müsse, innerhalb\neines Zeitraums von fünf Jahren den durchschnittlichen Umsatz der Arztgruppe\nzu erreichen. Abweichend davon sehe der HVM in den Startquartalen (III/03 bis\nII/04) keinerlei Steigerungsmöglichkeiten im Vergleich zum Bemessungszeitraum\n(2001/2002) für unterdurchschnittliche Praxen vor und auch die für\nHonorarabrechnungen ab dem Quartal III/04 geltenden Wachstumsregelungen\nermöglichten kein effektives Wachstum innerhalb eines überschaubaren Zeitraums\nvon etwa fünf Jahren. In Anbetracht des extrem unterdurchschnittlichen IPZV\nhätte wenigstens eine Anpassung im Wege der Härtefallregelung erfolgen müssen.\nDas Hinzutreten eines operierenden Arztes in der mit ihr zusammenarbeitenden\nPraxis stelle eine strukturelle Veränderung dar. Die vorliegende\nFallkonstellation sei durchaus mit der vom Bundessozialgericht entschiedenen\nFallgestaltung bei Wegfall eines Arztes derselben Fachgruppe vergleichbar. Da\ndurch die veränderte Versorgungsstruktur in vermehrtem Umfang Operationen\nanfielen und anästhesiologisch zu betreuen seien, müsse diesem Umstand durch\ndie Anhebung des IPZV Rechnung getragen werden. Die Annahme der Beklagten,\ndass in ihrer Praxis keine wesentlichen Fallzahlsteigerungen erkennbar seien,\nsei offensichtlich unzutreffend. Tatsächlich seien Fallzahlsteigerungen\ngegenüber dem entsprechenden Vorquartal zwischen 18 % und 60 % eingetreten.\n\n13\n\n \n\nDie Klägerin hat beantragt,\n\n14\n\n \n\ndie Honorarabrechnung für das Quartal III/03 vom 14. Januar 2004, sowie die\nHonorarabrechnung IV/03 vom 20. April 2004, die Honorarabrechnung für das\nQuartal I/04 vom 14. Juli 2004 und die Honorarabrechnung für das Quartal II/04\nvom 14. Oktober 2004 und die Entscheidung über den Härtefallantrag in Gestalt\ndes Widerspruchsbescheides vom 14. April 2005 zu ändern und die Beklagte zu\nverpflichten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu\nbescheiden.\n\n15\n\n \n\nDie Beklagte hat beantragt,\n\n16\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n17\n\n \n\nDie von der Klägerin geforderte Herausnahme der Fachgruppe der Anästhesisten\naus der Budgetierung stehe im Widerspruch zu den Vorgaben aus dem Beschluss\ndes Erweiterten Bewertungsausschusses vom 19. Dezember 2002. Bei der\nEntscheidung für Anästhesisten, nicht jedoch für Pathologen und Radiologen,\nein IPZV einzurichten, habe sie sich von sachgerechten Erwägungen leiten\nlassen. Es sei berücksichtigt worden, dass Anästhesisten auch in der\nVergangenheit dem Praxisbudget unterworfen gewesen seien. Außerdem gehörten\nAnästhesisten nicht zu den Ärzten, die nach § 13 Abs. 4 Bundesmantelvertrag-\nÄrzte nur auf Überweisung in Anspruch genommen werden könnten. Im Übrigen\nfolge aus der Rechtsprechung des BSG, dass selbst Radiologen, die nur auf\nÜberweisung tätig seien, einer Budgetierung unterworfen werden könnten. Wegen\nder Verfehlung des angestrebten Zielpunktwerts von 4,5 Cent hat die Beklagte\nauf einen Artikel aus dem „Nordlicht aktuell“ 1/2004, Seite 18 ff. Bezug\ngenommen. Die Bildung der IPZV verstoße weder gegen das Gebot der\nleistungsproportionalen Vergütung noch gegen den Grundsatz der\nHonorarverteilungsgerechtigkeit. Die vorgesehenen Wachstumsmöglichkeiten seien\nmit der Rechtsprechung des BSG vereinbar. Gerade kleinen Praxen werde eine\nausreichende Entwicklungsmöglichkeit eröffnet, weil sie leichter von der\ngetroffenen Wachstumsmöglichkeit profitieren könnten. Bezogen auf die\nAblehnung des Härtefallantrages sei insbesondere darauf hinzuweisen, dass\nsowohl in der Praxis für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie als auch in der\nPraxis der Klägerin keine wesentlichen Fallzahlsteigerungen festgestellt\nworden seien. Bei der von der Klägerin angeführten Fallzahlsteigerung um bis\nzu 60 % im Quartal IV/03 handele es sich um ein Ausreißerquartal.\nVergleichbare Steigerungen seien in den anderen Quartalen bei Weitem nicht\nerreicht worden.\n\n18\n\n \n\nSoweit sich die Klägerin gegen die Honorarabrechnung für das Quartal III/04\ngewandt hat, hat das Sozialgericht das Verfahren in der mündlichen Verhandlung\nam 13. September 2006 abgetrennt.\n\n19\n\n \n\nMit Urteil vom 13. September 2006 hat das Sozialgericht die Klage bezogen auf\ndie Honorarabrechnung für die Quartale III/03 bis II/04 abgewiesen. In den\nEntscheidungsgründen hat das Sozialgericht ausgeführt: Die im HVM enthaltenen\nRegelungen zum IPZV seien grundsätzlich rechtmäßig. Die Beklagte habe damit\nden Vorgaben aus dem Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 19.\nDezember 2002 entsprochen. Auch die Bildung der IPZV auf der Grundlage von\nAbrechnungsergebnissen aus vergangenen Zeiträumen sei zulässig. Ferner sei\nnicht zu beanstanden, dass die Beklagte dabei die Gruppe der Anästhesisten\neinbezogen habe. Die Beklagte habe ihren Gestaltungsspielraum damit nicht\nüberschritten. Dass die Klägerin als Anästhesistin mit Ausnahme des Bereichs\nder Schmerztherapie nur auf Überweisung tätig werde, stehe dem nicht entgegen.\nEin Honorartopf dürfe auch Leistungen erfassen, die einer Mengenausweitung\nnicht zugänglich seien. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Fachgruppe der\nAnästhesisten unter Geltung der Regelungen über das Praxisbudget ebenfalls\neiner Budgetierung unterlegen habe. Auch die Tatsache, dass die Klägerin eine\nunterdurchschnittlich abrechnende Praxis betreibe, stehe der Honorierung unter\nZugrundelegung der IPZV nicht entgegen. Soweit die Klägerin Steigerungen der\nFallzahlen im Zusammenhang mit dem Hinzutreten eines weiteren Operateurs\ngeltend mache, seien die im HVM enthaltenen Wachstumsregelungen (§ 12.4.3.\nHVM) trotz der Unterdurchschnittlichkeit der Praxis der Klägerin ausreichend.\nZwar bestünden im Grundsatz Bedenken, ob die Wachstumsregelung Praxen mit\nunterdurchschnittlichem Umsatz ein effektives Wachstum entsprechend den\nVorgaben aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ermögliche. Darauf\nkomme es hier jedoch nicht an, weil die Klägerin bereits langjährig unterhalb\ndes Fachgruppendurchschnitts in unverändertem Ausmaß tätig gewesen sei und\nsich die Fallzahl auch nach dem Hinzutreten des weiteren Operateurs nicht\ngravierend erhöht habe. Vielmehr sei die Fallzahl nur geringfügig und\nschwankend angestiegen. Bei der erheblichen Steigerung im Quartal IV/03\nhandele es sich um ein Ausreißerquartal. Gleichwohl sei auch hier der\nFachgruppendurchschnitt bei Weitem nicht erreicht worden. Unter diesen\nUmständen seien die im HVM vorgesehenen Wachstumsregelungen als ausreichend\nanzusehen. Die Klägerin sei durch die Regelung über die Weiterentwicklung des\nIPZV nicht in ihren Rechten verletzt. Die Voraussetzungen für eine Erhöhung\ndes IPZV unter dem Gesichtspunkt des Härtefalls lägen ebenfalls nicht vor. Mit\ndem Hinzutreten eines weiteren Operateurs seien keine Sicherstellungsaspekte\nangesprochen. Außerdem habe die Beklagte zutreffend auf die nicht wesentliche\nFallzahlsteigerung abgestellt. Sie habe den ihr eingeräumten\nBeurteilungsspielraum eingehalten und sich bei der Entscheidung nicht von\nsachfremden Erwägungen leiten lassen.\n\n20\n\n \n\nGegen das ihr am 9. Februar 2007 zugestellte Urteil wendet sich die Klägerin\nmit der am 5. März 2007 beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht\neingegangenen Berufung, zu deren Begründung sie vorträgt: Das Sozialgericht\nhabe nicht hinreichend berücksichtigt, dass sie als Anästhesistin nicht durch\nModernisierung und Umgestaltung der Praxisstruktur Einfluss auf ihre\nPatientenstruktur nehmen könne, sondern von dem Fallaufkommen der zuweisenden\nOperateure abhängig sei. Soweit sich das Sozialgericht zur Begründung der\nZulässigkeit der Budgetierung auch für Ärzte, die auf Zuweisung tätig würden,\nauf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 9. Dezember 2004 (B 6 KA 44/03 R)\nbezogen habe, sei darauf hinzuweisen, dass es in dieser Entscheidung um die\nHonorarverteilung innerhalb eines Honorarkontingents gegangen sei. Dagegen\ngehe es hier um die damit nicht vergleichbare Rechtsfrage, ob es\ngerechtfertigt sei, abweichend vom Grundsatz der leistungsproportionalen\nVergütung auch für Anästhesisten eine Honorarverteilung auf der Grundlage\neines Individualbudgets einzuführen. Die Einbeziehung der Fachgruppe der\nAnästhesisten sei mit Sinn und Zweck der Honorarverteilung auf der Basis von\nIndividualbudgets nicht vereinbar, weil sie keinen Einfluss auf den Umfang\nihrer Tätigkeit hätten. Soweit das Sozialgericht die Rechtmäßigkeit der\nEinbeziehung der Fachgruppe der Anästhesisten in die Budgetierung damit\ngerechtfertigt habe, dass die Fachgruppe der Anästhesisten unter Geltung der\nRegelungen über das Praxisbudget im EBM-Ä ebenfalls einer Budgetierung\nunterlegen habe, habe das Gericht die unterschiedlichen\nBudgetierungsmechanismen grundlegend verkannt. Bei dem Praxisbudget handele es\nsich um ein fallzahlabhängiges Budget. Nur der Fallwert sei budgetiert\ngewesen. Dadurch seien Anästhesisten nur in geringerem Maße belastet gewesen.\nIm Gegensatz dazu sei die Individualbudgetierung im Honorarverteilungsmaßstab\nder Beklagten, die das Praxisbudget abgelöst habe, nicht fallzahlabhängig\nausgestaltet. Der Berechnungsmodus führe dazu, dass bei unveränderter\nLeistungsmenge ein erheblicher Teil der tatsächlichen Leistungsanforderungen\n(etwa 25 % im Primärkassenbereich und 20 % im Ersatzkassenbereich) unvergütet\nbleibe. Im Ergebnis habe dies zur Folge, dass Anästhesisten durch die\nEinführung der Individualbudgets praktisch eine Pauschalvergütung unabhängig\ndavon erhielten, ob sie ihren Leistungsumfang senkten oder erhöhten. Ferner\nsei die Regelung über die Wachstumsmöglichkeiten (§ 12.4.3. HVM) rechtswidrig,\nund entgegen der Auffassung des Sozialgerichts werde sie durch diese Regelung\nin ihren Rechten verletzt. Das gelte jedenfalls für das Quartal III/04.\nRechtswidrig sei das Fehlen jeder Steigerungsmöglichkeiten in den hier\nstreitigen „Startquartalen“ III/03 bis II/04. Dies widerspreche der\nRechtsprechung des Bundessozialgerichts, nach der umsatzmäßig\nunterdurchschnittlich abrechnende Praxen die Möglichkeit haben müssten, durch\nErhöhung der Zahl der von ihnen behandelten Patienten den durchschnittlichen\nUmsatz der Arztgruppe in absehbarer Zeit zu erreichen. Für die Startquartale\nwerde nicht nur eine Honorarsteigerung ausgeschlossen, sondern darüber hinaus\nein Abschlag in Höhe von 3 % vorgenommen. Hinzu komme, dass der vorgesehene\nReferenzpunktwert in Höhe von 4,5 Cent in den Startquartalen deutlich\nunterschritten worden sei. Indem der HVM unterdurchschnittlich abrechnende\nPraxen mit überdurchschnittlich abrechnenden Praxen bei der Möglichkeit der\nHonorarsteigerung gleichstelle, widerspreche er der Rechtsprechung des\nBundessozialgerichts. Eine Einschränkung des Grundsatzes der\nleistungsproportionalen Vergütung sei nach dieser Rechtsprechung erst\ngerechtfertigt, wenn die Praxis den Fachgruppendurchschnitt erreicht habe. Die\nin § 12.4.3. HVM vorgesehene Steigerungsmöglichkeit sei nicht geeignet,\nunterdurchschnittliche Praxen in dem vom Bundessozialgericht geforderten\nUmfang zu privilegieren und ihnen eine effektive Annäherung an den\nFachgruppendurchschnitt zu ermöglichen. Nach der getroffenen Regelung im HVM\nhänge das mögliche Wachstum weniger von dem Leistungsverhalten der einzelnen\nPraxis als vielmehr vom Abrechnungsverhalten anderer Praxen ab. Von der dort\ngeregelten „Umverteilungs-Lotterie“ profitierten in erheblichem Umfang\nüberdurchschnittlich abrechnende Praxen. Darüber hinaus sei zu\nberücksichtigen, dass eine Wachstumsmöglichkeit in Zukunft nur durch\nErbringung zusätzlicher Leistungen erreichbar sei, die jedoch zunächst nicht\nvergütet würden, sondern umgekehrt Kosten verursachten. Damit werde\nunterdurchschnittlich abrechnenden Praxen zugemutet, zusätzliche Leistungen\nauf eigene Kosten im Hinblick auf einen ungewissen Honorarzuwachs im\nentsprechenden Quartal des Folgejahres zu erbringen. Unter diesen Umständen\nsei eine effektive Steigerung nicht möglich. Zu Unrecht habe die Beklagte den\nHärtefallantrag abgelehnt. Durch das Hinzutreten eines weiteren zuweisenden\nArztes in ihrem Einzugsgebiet sei es zu einer strukturellen Veränderung mit\nkontinuierlichen Mehrleistungen gekommen. Sie habe es nicht in der Hand, in\nwelchem Umfang ihre Dienstleistung als Anästhesistin in Anspruch genommen\nwerde. Insofern bestehe eine Vergleichbarkeit mit der in der Rechtsprechung\ndes Bundessozialgerichts angesprochenen Fallzahlsteigerung aufgrund der\nSchließung einer Nachbarpraxis.\n\n21\n\n \n\nDie Klägerin beantragt,\n\n22\n\n \n\ndas Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 13. September 2006 aufzuheben und den\nHonorarbescheid für das Quartal III/2003 einschließlich der Entscheidung über\nden Härtefallantrag vom 14. Januar 2004, den Honorarbescheid für das Quartal\nIV/2003 vom 20. April 2004, den Honorarbescheid für das Quartal I/2004 vom 14.\nJuli 2004 und den Honorarbescheid für das Quartal II/2004 vom 14. Oktober 2004\nin der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2005 abzuändern und\ndie Beklagte zu verpflichten, sie unter Beachtung der Rechtsauffassung des\nGerichts neu zu bescheiden.\n\n23\n\n \n\nDie Beklagte beantragt,\n\n24\n\n \n\ndie Berufung zurückzuweisen.\n\n25\n\n \n\nDer Rechtsprechung des BSG sei eindeutig zu entnehmen, dass auch Arztgruppen,\ndie überwiegend oder sogar ausschließlich auf Überweisung tätig sind, einer\nBudgetierung unterworfen werden dürften. Soweit die Klägerin die\nWachstumsregelung in § 12.4.3. HVM beanstande, sei darauf hinzuweisen, dass\ndiese in den hier streitigen Quartalen noch nicht unmittelbar zur Anwendung\ngelangt sei, sondern sich erst in den Folgequartalen auswirke. Gleichwohl sei\nvorsorglich darauf hinzuweisen, dass die vorgesehene Regelung für bisher\nunterdurchschnittliche Praxen nicht nur eine hypothetische Möglichkeit,\nsondern eine vom Einsatz des betroffenen Arztes abhängige, realistisch zu\nerreichende Entwicklungsperspektive biete. Zwar könnten kleine Praxen nicht\nmit jeder Mehrleistung ihren Umsatz entsprechend erhöhen. Die Auswertung der\nbisherigen Entwicklung zeige aber, dass gerade unterdurchschnittliche Praxen\nvon der in § 12.4.3. HVM geregelten Möglichkeit zur Weiterentwicklung der IPZV\nprofitierten. Das Sozialgericht sei im Übrigen zutreffend davon ausgegangen,\ndass die Klägerin durch die Wachstumsregelung nicht in ihren Rechten verletzt\nsei.\n\n26\n\n \n\nDie die Klägerin betreffenden Verwaltungsakten der Beklagten zur\nHonorarabrechnung für die streitgegenständlichen Quartale haben dem Senat\nvorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf diese sowie auf die\nProzessakte Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n27\n\n \n\nDie zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Die angefochtenen\nHonorarbescheide für die Quartale III/03 bis II/04 sowie die Ablehnung des\nHärtefallantrages durch die Beklagte sind nicht zu beanstanden. Das\nSozialgericht hat die Klage deshalb zu Recht abgewiesen.\n\n28\n\n \n\nRechtsgrundlage für den Honoraranspruch der Klägerin und auch für Regelungen\nüber Honorarbeschränkungen ist § 85 Abs. 4 SGB V. Nach § 85 Abs. 4 Satz 1 SGB\nV verteilt die Kassenärztliche Vereinigung die Gesamtvergütungen an die\nVertragsärzte; in der vertragsärztlichen Versorgung verteilt sie die\nGesamtvergütungen getrennt für die Bereiche der hausärztlichen und der\nfachärztlichen Versorgung (§ 73). Nach Satz 2 der Vorschrift in der Fassung\ndurch Gesetz vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2626) wendet die\nKassenärztliche Vereinigung dabei den im Benehmen mit den Verbänden der\nKrankenkassen festgesetzten Verteilungsmaßstab an. Nach § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB\nV in der Neufassung durch Gesetz vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190)\nwendet die Kassenärztliche Vereinigung ab dem 1. Juli 2004 den mit den\nLandesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen erstmalig\nbis zum 30. April 2004 gemeinsam und einheitlich zu vereinbarenden\nVerteilungsmaßstab an; für die Vergütung der im I. und II. Quartal 2004\nerbrachten vertragsärztlichen Leistungen wird der am 31. Dezember 2003\ngeltende Honorarverteilungsmaßstab angewandt. Grundlage für die\nHonorarverteilung ist demnach für alle streitigen Quartale der seit dem 1.\nJuli 2003 geltende HVM der Beklagten.\n\n29\n\n \n\nBei der Ausgestaltung des HVM haben die Kassenärztlichen Vereinigungen einen\nGestaltungsspielraum, weil die Honorarverteilung eine in der Rechtsform einer\nNorm, nämlich einer Satzung, ergehende Maßnahme der Selbstverwaltung ist. Zu\nbeachten ist dabei insbesondere das in § 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V angesprochene\nGebot der leistungsproportionalen Verteilung des Honorars sowie der aus Art.\n12 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) herzuleitende\nGrundsatz der Honorarverteilungsgerechtigkeit. Bei dem Gebot der\nleistungsproportionalen Vergütung handelt es sich allerdings nur um einen\nGrundsatz, von dem abgewichen werden darf, wenn die Kassenärztliche\nVereinigung damit andere billigenswerte Ziele verfolgt. Solche\nanerkennenswerten Zielsetzungen können in einer Stabilisierung des\nAuszahlungspunktwertes durch die Begrenzung des Anstiegs der zu vergütenden\nLeistungsmenge liegen, weil auf diese Weise die Vertragsärzte einen Teil des\nvertragsärztlichen Honorars sicherer kalkulieren können (vgl. BSG, Urt. v. 10.\nMärz 2004 - B 6 KA 3/03 R, BSGE 92, 233 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 9; BSG, Urt. v.\n10. Dezember 2003 - B 6 KA 54/02 R, BSGE 92, 10 = SozR 4-2500 § 85 Nr. 5).\n\n30\n\n \n\nDie Bildung von Individualbudgets, die nach Abrechnungsergebnissen des Arztes\naus vergangenen Zeiträumen bemessen werden, ist nicht zu beanstanden, auch\nwenn sie dessen gesamtes Leistungsvolumen umfassen (ständige Rechtsprechung,\nvgl. BSG, Urt. v. 8. Februar 2006 - B 6 KA 25/05 R, BSGE 96, 53 = SozR 4-2500\n§ 85 Nr. 23, juris Rz. 23; BSG, Urt. v. 9. Dezember 2004 - B 6 KA 44/03 R,\nBSGE 94, 50 = SozR 4-2500 § 72 Nr. 2 m.w.N.). Die Bildung eines\nIndividualbudgets ist ebenso zulässig wie Fallwertgrenzen oder auch\nFallzahlgrenzen (vgl. BSG, Urt. v. 10. Dezember 2003 - B 6 KA 54/02 R,\na.a.O.). Bei einer solchen Budgetierung handelt es sich um eine zulässige\nMaßnahme, um dem sog. „Hamsterradeffekt“ entgegenzuwirken. Genau dieses Ziel\nhat die Beklagte mit der Einführung der IPZV verfolgt (vgl. dazu Ennenbach,\nNordlicht 4/2003, Seite 12; derselbe in Nordlicht 1/2004 Seite 18). Im\nvorliegenden Fall ist zur Erreichung dieses Ziels ein zwar nicht fester, aber\nvon Mengenausweitungen nur in geringerem Maße beeinflussbarer Punktwert für\nLeistungen innerhalb des IPZV gebildet worden mit der Folge, dass für die\ndarüber hinausgehende Leistungsmenge eine niedrige Restvergütung zur Verfügung\nsteht. Dass für die übersteigenden Leistungen nur eine sehr geringe Vergütung\nmit einem Punktwert von 0,05 Cent gezahlt wird, weil der ganz überwiegende\nTeil des Gesamtvergütungsvolumens für die Honorierung von Leistungen innerhalb\ndes IPZV verwandt wird, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Nach ständiger\nRechtsprechung kann die Restvergütungsquote sogar auf Null absinken, so dass\nauf eine Restvergütung gänzlich verzichtet werden kann (BSG, Urt. v. 8.\nFebruar 2006 - B 6 KA 25/05 R, a.a.O., juris Rz. 31 m.w.N.).\n\n31\n\n \n\nDagegen kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht eingewandt werden,\ndass die Quotierung eine ungerechtfertigte Reduzierung der zu vergütenden\nPunkte bewirke. Es trifft zwar zu, dass die in § 12.4.2.b) HVM für die\nStartquartale vorgesehene Bildung der Punktzahlobergrenze auf der Grundlage\neines Punktwerts von 4,5 Cent zu einer Reduzierung der Punktzahl führt, soweit\ndas in den Bemessungsquartalen (2001 und 2002) erzielte Honorar - wie\nvorliegend der Fall - auf der Grundlage eines niedrigeren Punktwerts als 4,5\nCent berechnet worden ist. Bei im Grundsatz gleichem Vergütungsvolumen muss\ndie Punktzahl in der gleichen Prozentualität sinken, mit der der Punktwert\nangehoben wird. Im Ergebnis wirkt sich dies jedoch bei unveränderter Punktzahl\nnicht auf die Höhe der Vergütung des einzelnen Arztes aus. Deshalb kann auch\nnicht mit Erfolg eingewandt werden, es bleibe ein Teil der durch ärztliche\nTätigkeit erarbeiteten Punkte unvergütet. Die Einführung von\nHonorarobergrenzen bedeutet nicht, dass für einzelne Leistungen keine\nVergütung gewährt wird. Für das Honorarvolumen macht es keinen Unterschied, ob\neiner größeren Punktzahl ein entsprechend niedrigerer Punktwert oder - nach\ndurchgeführter „Quotierung“ - einer geringeren Punktzahl ein entsprechend\nerhöhter Punktwert zugeordnet wird (BSG, Urt. v. 10. Dezember 2003 - B 6 KA\n54/02 R, a.a.O.).\n\n32\n\n \n\nDie Beklagte war auch nicht gehalten, die Gruppe der Anästhesisten generell\naus der Budgetierung in Gestalt von IPZV auszunehmen. Dies folgt bereits aus\ndem Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 19. Dezember 2002\n(Deutsches Ärzteblatt 2003, A-218). Im Zusammenhang mit der Streichung der\nBestimmungen zum Praxisbudget mit Wirkung zum 1. Juli 2003 (Teil A des\nBeschlusses) ist den Kassenärztlichen Vereinigungen mit diesem Beschluss (Teil\nB) aufgegeben worden, die Gesamtvergütung in der Weise zu verteilen, dass der\nzum Zeitpunkt der Auszahlung ohne Quotierung oder Abstaffelung anerkannte\nLeistungsbedarf in Punkten aller abrechnenden Vertragsärzte je Arztgruppe im\ndritten und vierten Quartal 2003 den anerkannten Leistungsbedarf aller\nabrechnenden Vertragsärzte je Arztgruppe des dritten und vierten Quartals 2002\nnicht mehr als 5 % überschreitet. Ob sich diese Vorgaben allein auf die\nArztgruppen beziehen, die bis zum 30. Juni 2003 dem Praxisbudget unterworfen\nwaren, oder auf alle Arztgruppen, kann im vorliegenden Zusammenhang\ndahingestellt bleiben, weil das Praxisbudget jedenfalls für die Arztgruppe der\nAnästhesisten galt und für diese Arztgruppe deshalb für die Quartale III/03\nund IV/03 Maßnahmen zur Begrenzung des Leistungsbedarfs verbindlich\nvorgeschrieben werden. Die Vorgaben aus dem Beschluss des Erweiterten\nBewertungsausschusses vom 19. Dezember 2002 sind für die Beklagte verbindlich\n(vgl. zur sog. Praxisbudgetvereinbarung zum 1. Juli 1997, Deutsches Ärzteblatt\n1997, A-403; BSG, Urt. v. 13. März 2002 - B 6 KA 48/00 R, SozR 3-2500 § 85 Nr.\n44, juris Rz. 18).\n\n33\n\n \n\nEbenfalls nicht zu beanstanden ist, dass von dem IPZV auch Leistungen umfasst\nsind, die zu einem maßgeblichen Teil auf Überweisung erbracht werden (ständige\nRechtsprechung, vgl. BSG, Urt. v. 10. März 2004 - B 6 KA 13/03 R, SozR 4-2500\n§ 85 Nr. 10, juris Rz. 23 m.w.N.). In diesem Zusammenhang ist darauf\nhinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des BSG selbst Arztgruppen, die\nausschließlich auf Überweisung in Anspruch genommen werden können, einer\nindividuellen Budgetierung im HVM unterworfen werden dürfen (BSG, Urt. v. 9.\nDezember 2004 - B 6 KA 44/03 R, a.a.O., juris Rz. 66, 69).\n\n34\n\n \n\nDie Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf eine ungerechtfertigte\nUngleichbehandlung im Vergleich zu anderen Arztgruppen wie der der Radiologen\nberufen, für die der HVM der Beklagten keine Budgetierung in der Form von IPZV\nvorsieht. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Grundsatz der\nHonorarverteilungsgerechtigkeit verletzt, wenn vom Prinzip der gleichmäßigen\nVergütung abgewichen wird, obwohl zwischen den betroffenen Ärzten bzw.\nArztgruppen keine Unterschiede von solcher Art und von solchem Gewicht\nbestehen, dass eine ungleiche Behandlung gerechtfertigt ist (vgl. BSG, Urt. v.\n21. Oktober 1998 - B 6 KA 71/97 R, BSGE 83, 52 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 28\nm.w.N.). In diesem Zusammenhang ist zunächst darauf hinzuweisen, dass in den\nhier streitgegenständlichen Quartalen auch für die Gruppe der Radiologen\nHonorarkontingente in Form von Arztgruppentöpfen gebildet wurden, die eine\nBegrenzung der Vergütung bewirken. Lediglich der Mechanismus der Begrenzung\nist ein anderer. Weil keine dem IPZV entsprechenden Regelungen zur Begrenzung\nder durch den einzelnen Arzt abrechenbaren Punkte getroffen wurden, führen\nPunktzahlsteigerungen zu einer entsprechenden Absenkung von Punktwerten. Der\nNachteil, der aus Sicht von Anästhesisten in der Begrenzung der abrechenbaren\nPunkte liegt, wird durch entsprechend höhere Punktwerte kompensiert. Im\nÜbrigen bestehen zwischen Anästhesisten und Arztgruppen, die den Regelungen\nüber IPZV nicht unterworfen worden sind, Unterschiede, die eine\nunterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Die Beklagte hat bereits im\nKlageverfahren zutreffend darauf hingewiesen, dass Radiologen im Gegensatz zu\nden Anästhesisten zu den Ärzten gehören, die nach § 13 Abs. 4\nBundesmantelvertrag-Ärzte im Grundsatz ausschließlich auf Überweisung in\nAnspruch genommen werden können. Eine unterschiedliche Behandlung von\nRadiologen und Anästhesisten ist auch deshalb gerechtfertigt, weil mit der\nEinführung der IPZV die bereits im EBM-Ä geregelte Budgetierung in Gestalt von\nPraxisbudgets fortgeführt worden ist. Dass die Praxisbudgets nicht für alle\nArztgruppen gleichermaßen galten, hat das BSG ausdrücklich gebilligt (BSG,\nUrt. v. 9. Dezember 2004 - B 6 KA 44/03 R, a.a.O., juris Rz. 94, 95). Da\nAnästhesisten im Gegensatz zu Radiologen den Praxisbudgets unterworfen waren,\nerscheint es naheliegend, diese Differenzierung nach Fortfall der\nPraxisbudgets in Ausführung des Beschlusses des Erweiterten\nBewertungsausschusses vom 19. Dezember 2002 im HVM fortzuführen. Jedenfalls\nhat die Beklagte damit den ihr zukommenden Gestaltungsspielraum nicht\nüberschritten. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang geltend macht, dass\ndas Praxisbudget, dem sie bis zum Quartal II/03 unterworfen war, lediglich den\nFallwert begrenzt und fallzahlabhängige Erhöhungen in der Vergütung nicht\nausgeschlossen habe, so trifft dies zu. Allerdings durfte das Praxisbudget\nnach ständiger Rechtsprechung des BSG mit Regelungen im HVM zu\nFallzahlbegrenzungen kombiniert werden und auch in der Zeit vor Einführung der\nPraxisbudgets im EBM-Ä war die Bildung individueller Budgets im HVM nach\nständiger Rechtsprechung zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 - B 6 KA\n80/03 R, SozR 4-2500 § 87 Nr. 10, juris Rz. 33 m.w.N.).\n\n35\n\n \n\nDie Klägerin hat auch aufgrund der Tatsache, dass es sich um eine kleine\nPraxis mit unterdurchschnittlichem Honorarvolumen handelt, keinen Anspruch\ndarauf, von einer Begrenzung der Honorarsteigerung ausgenommen zu werden.\nEntsprechende Anforderungen bestehen lediglich für sog. Anfängerpraxen in der\nAufbauphase (BSG, Urt. v. 10. März 2004 - B 6 KA 3/03 R, a.a.O.; BSG, Urt. v.\n10. März 2004 - B 6 KA 13/03 R, a.a.O.). Die bereits im November 1992 als\nAnästhesistin zugelassene Klägerin hatte die nach § 12.4.4.a) HVM auf\nhöchstens fünf Jahre bemessene Aufbauphase zum Zeitpunkt der Einführung der\nIPZV seit langem abgeschlossen. Daher ist es zulässig, das Honorarwachstum der\nPraxis der Klägerin zu beschränken, obwohl sie den Fachgruppendurchschnitt\nunterschritten hat. Allerdings ist zu verlangen, dass der HVM Wachstumsraten\nin einer Größenordnung zulässt, die es einer Praxis mit\nunterdurchschnittlichem Umsatz noch gestattet, den durchschnittlichen Umsatz\nin absehbarer Zeit zu erreichen. Als absehbar wird in diesem Zusammenhang ein\nZeitraum von fünf Jahren angesehen (BSG, Urt. v. 10. März 2004 - B 6 KA 3/03\nR, a.a.O.; BSG, Urt. v. 10. Dezember 2003 - B 6 KA 54/02 R, a.a.O., juris Rz.\n27).\n\n36\n\n \n\nDer Senat geht davon aus, dass die hier maßgebenden Regelungen über die\nBildung eines IPZV für die Startquartale ein effektives Wachstum nicht\nermöglichen. Zwar wird eine Erhöhung des Honorarvolumens durch die Anknüpfung\nan die sog. Bestquartale der Jahre 2001 und 2002 nicht von vornherein\nausgeschlossen. Bei der Anknüpfung an Bestquartale handelt es sich aber nur um\neinen von mehreren Berechnungsfaktoren. Die Erhöhung dieses Faktors knüpft\nauch nicht an ein Wachstum der Praxis in den Startquartalen oder den\nFolgequartalen an. Die Möglichkeit von der Bestquartalsregelung in den\nStartquartalen zu profitieren, besteht unabhängig von einer Erhöhung oder\nAbsenkung der in den Startquartalen abgerechneten Punktzahlen. Der Sichtweise\nder Beklagten, nach der ein „Wachstum“ auch in den sog. Startquartalen möglich\nist, steht schließlich entgegen, dass die Begünstigung durch die\nBestquartalsregelung von allen Ärzten und somit auch von den\nunterdurchschnittlich abrechnenden Praxen wie die der Klägerin über den\nAbschlag in Höhe von 3 % nach § 12.4.2.c) HVM und über die Unterschreitung des\nZielpunktwerts von 4,5 Cent „finanziert“ worden ist (vgl. Ennenbach in\nNordlicht 1/2004, S. 18 ff., 19). Da die das IPZV übersteigenden sog.\nMehrleistungen in den hier maßgebenden Quartalen lediglich mit einem Punktwert\nvon 0,05 Cent vergütet werden, kann über die Erbringung von Mehrleistungen\nebenfalls keine effektive Steigerung des Honorarvolumens erreicht werden. Im\nÜbrigen werden - wie § 12.4.2.c) Satz 2 HVM klarstellt - auch die Kosten für\nMehrleistungen aus dem Abschlag von 3 % gedeckt.\n\n37\n\n \n\nGleichwohl ist der HVM der Beklagten bezogen auf die Vergütung für die sog.\nStartquartale (III/03 bis II/04) nach Auffassung des Senats rechtmäßig. Der\nBeklagten kann es im Rahmen des ihr zukommenden Gestaltungsspielraums nicht\nverwehrt werden, bei der erstmaligen Einführung von IPZV zunächst\nStartquartale zu bilden, auf deren Grundlage sich die Weiterentwicklung der\nIPZV vollzieht. In diesem Fall kann nicht verlangt werden, dass ein Wachstum\nbereits in den vier Startquartalen ermöglicht wird.\n\n38\n\n \n\nGegenstand des vorliegenden Verfahrens ist allein die Vergütung für die sog.\nStartquartale III/03 bis II/04. Für die Bildung der Startquartale trifft der\nHVM in § 12.4.2. eigenständige Regelungen, die nicht im unmittelbaren\nZusammenhang mit den Regelungen über die Weiterentwicklung der IPZV (§ 12.4.3.\nHVM) in der Zeit ab dem Quartal III/04 stehen. Zwar wird bei der Prüfung der\nRechtmäßigkeit der für die Folgequartale ab III/04 getroffenen Regelungen zur\nWeiterentwicklung der IPZV im Zusammenhang mit der Frage, ob eine effektive\nSteigerung innerhalb eines überschaubaren Zeitraums ermöglicht wird, zu\nberücksichtigen sein, dass in den vier Startquartalen keine effektive\nSteigerung des IPZV möglich war. Für die Vergütung in den Startquartalen hat\ndie für die Folgequartale getroffene Regelung aber noch keine unmittelbare\nBedeutung, so dass deren Rechtmäßigkeit im vorliegenden Zusammenhang auch\nnicht zu prüfen war. Regelungen des Honorarverteilungsmaßstabes sind lediglich\ninzident im Rahmen der gegen den Honorarbescheid gerichteten Klage zu prüfen,\nsoweit sie im Einzelfall Anwendung gefunden haben. Eine abstrakte Prüfung von\nNormen des Honorarverteilungsmaßstabes ist dagegen nicht möglich. Im\nsozialgerichtlichen Verfahren ist eine Normenkontrollklage nicht vorgesehen.\nDas hat zur Folge, dass untergesetzliche Rechtsvorschriften wie die\nBestimmungen in § 12.4.3. HVM grundsätzlich nicht losgelöst von einem\nkonkreten Sachverhalt zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden können\n(vgl. BSG, Urt. v. 25. August 1999 - B 6 KA 34/98 R, SozR 3-2500 § 85 Nr. 32;\nBSG, Urt. v. 10. März 2004 - B 6 KA 13/03 R, SozR 4-2500 § 85 Nr. 10, juris\nRz. 25 m.w.N.).\n\n39\n\n \n\nAuch die Ablehnung des Härtefallantrags ist nicht zu beanstanden. Die in §\n12.4.2.d) HVM beschriebene Ausnahmesituation (besonders geringe\nPunktzahlanforderung gerade in den Bemessungsquartalen der Jahre 2001 und\n2002) liegt bei der Klägerin nicht vor, weil ihr Honorar auch in den\nvorangegangenen Quartalen nicht deutlich höher war als in den\nBemessungsquartalen. Der HVM der Beklagten enthält darüber hinaus hinsichtlich\nder Mengenzuwachsbegrenzung eine Härteregelung in § 12.4.4.j) HVM. Danach kann\nder Vorstand in begründeten Fällen aus Sicherstellungsgründen\nPunktzahlvolumina der Praxis neu festlegen, wenn besondere Umstände des\nEinzelfalles vorliegen. Hierzu zählen insbesondere dauerhafte Veränderungen in\nder vertragsärztlichen Versorgung im Umfeld der Praxis. Ergänzt wird diese\nHärtefallregelung durch eine allgemeine Härtefallregelung in § 12.6.2. HVM,\nnach der der Vorstand über unbillige Härtefälle infolge der Anwendung dieses\nHVM auf Antrag entscheidet. Damit wird den in der Rechtsprechung entwickelten\nAnforderungen an das Vorliegen einer General- bzw. Härteregelung ausreichend\nRechnung getragen (vgl. dazu BSG, Urt. v. 21. Oktober 1998 - B 6 KA 65/97 R,\nSozR 3-2500 § 85 Nr. 27 Rz. 23 und B 6 KA 71/97 R, a.a.O., juris Rz. 29; BSG,\nUrt. v. 10. März 2004 - B 6 KA 3/03 R, a.a.O., juris Rz. 29; BSG, Urt. v. 22.\nJuni 2005 - B 6 KA 80/03 R, a.a.O., juris Rz. 41 ff.).\n\n40\n\n \n\nWegen des Ermessensspielraums der Beklagten beschränkt sich die gerichtliche\nKontrolle darauf, ob der Entscheidung ein richtig und vollständig ermittelter\nSachverhalt zugrunde liegt, ob die Grenzen des Ermessens eingehalten worden\nsind und ob die angestellten Ermessenserwägungen so hinreichend in der\nBegründung der Entscheidung verdeutlicht wurden, dass die zutreffende\nAnwendung der Maßstäbe erkennbar und nachvollziehbar ist. Dabei sind die\nGerichte nicht darauf beschränkt, nur die Gründe in der Form zu würdigen, wie\nsie gemäß § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X in der schriftlichen Begründung der\nBescheide ihren Niederschlag gefunden haben. Jedenfalls dann, wenn die bei\nErlass der Bescheide von der Behörde tatsächlich angestellten Erwägungen\nlediglich unvollständig oder unklar in der Begründung wiedergegeben worden\nsind, können sie auch noch im Laufe des anschließenden Gerichtsverfahrens in\nden Tatsacheninstanzen präzisiert oder ergänzt werden (vgl. BSG, Urt. v. 22.\nJuni 2005 - B 6 KA 80/03 R, a.a.O., juris Rz. 45 m.w.N.).\n\n41\n\n \n\nErmessensfehler, die danach zur Rechtswidrigkeit der Härtefallentscheidung\nführen, sind nicht zu erkennen. Die Beklagte hat ihr Ermessen entsprechend dem\nZweck der Härtefallregelung ausgeübt. Deren Funktion besteht darin, in\natypischen Einzelfällen unbillige Belastungen einer generell gerechtfertigten\nRegelung zu verhindern (BSG, Urt. v. 22. Juni 2006 - B 6 KA 80/03 R, a.a.O.,\njuris Rz 46). Die Beklagte durfte unter diesen Umständen bei der Entscheidung\nüber den Härtefallantrag berücksichtigen, dass die damit bewirkte Erhöhung der\nzum Referenzpunktwert abrechenbaren Punktzahl zu einer Absenkung des\nReferenzpunktwerts führt und damit zu Lasten der anderen Ärzte der Arztgruppe\ngeht. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte bei der Entscheidung über\nden Härtefallantrag auch Fragen der Sicherstellung berücksichtigt (vgl. dazu\ndas Urteil des Senats ebenfalls vom 13. November 2007 zum Az.: L 4 KA 9/07)\nhat. Weder dem Vorbringen der Klägerin noch den übrigen Umständen sind\nkonkrete Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass eine Erhöhung des IPZV der\nKlägerin zur Sicherstellung der Versorgung erforderlich wäre. Die Tatsache,\ndass die Klägerin mit einer bestimmten Arztpraxis zusammenarbeitet, die die\nZahl der Operationen mit Anästhesien erhöht und dass aus diesem Grunde\nLeistungssteigerungen entstehen, könnte nur den Schluss auf eine Gefährdung\nder Sicherstellung zulassen, wenn keine anderen Anästhesisten zur Verfügung\nstünden, die in der Lage wären, entsprechende Leistungen zu übernehmen. Dazu\nist dem Vorbringen der Klägerin nichts zu entnehmen. Soweit die Klägerin\nsinngemäß geltend gemacht hat, aufgrund von vertraglichen Bindungen nicht in\nder Lage zu sein, den Umfang ihrer Tätigkeit der Höhe des IPZV anzupassen, so\nist damit ebenfalls nicht eine Frage der Sicherstellung der Versorgung\nangesprochen. Entscheidend ist jedoch, dass die Klägerin zur Begründung ihres\nHärtefallantrags einen Anstieg der Anästhesien auf das Doppelte durch den\nEintritt eines weiteren Arztes zum Beginn des Jahres 2003 in die chirurgische\nPraxis geltend gemacht hat und dass ein solcher Anstieg bei Weitem nicht\neingetreten ist. Die Fallzahl der Klägerin ist im Vergleich zu den\nBasisquartalen der Jahre 2001 und 2002 (Durchschnitt der acht Quartale:\n92,375) mit dem Quartal I/03 sogar zunächst erheblich auf 68 gesunken, um nach\neinem zunächst leichteren Anstieg (Quartal II/03: 114, Quartal III/03: 102)\neinen deutlich höheren Wert (145) ausschließlich im Quartal IV/03 zu\nerreichen, der zunächst wieder auf das Niveau der Basisquartale abfällt (I/04:\n93) und im Quartal II/04 auf 112 ansteigt. Wegen der Einzelheiten zur\nFallzahlentwicklung wird auf Blatt 61 der Gerichtsakte verwiesen.\n\n42\n\n \n\nDa die von der Klägerin zur Begründung ihres Härtefallantrags angeführte\nFallzahlsteigerung bei Weitem nicht eingetreten ist, können insoweit auch\nkeine hohen Anforderungen an die Begründung des ablehnenden Bescheides\ngestellt werden. Zwar enthält der Ausgangsbescheid vom 14. Januar 2004 sowie\ndas in Bezug genommene Schreiben vom 9. Juli 2003 praktisch überhaupt keine\nauf den Einzelfall bezogene Begründung der Härtefallentscheidung, jedoch\nentspricht die Begründung im angefochtenen Widerspruchsbescheid noch den im\nvorliegenden Zusammenhang zu stellenden Anforderungen. Allerdings ist die\nBegründung des Widerspruchsbescheides insofern missverständlich formuliert,\nals ausgeführt wird, dass zu der vorliegenden Fallgestaltung noch keine\nRechtsprechung des BSG vorliege und dass deshalb der von der Klägerin geltend\ngemachte Umstand - der Eintritt eines weiteren Arztes in die zuweisende Praxis\n- keine Berücksichtigung finden könne. Allein darin läge ersichtlich keine\nausreichende Betätigung des Ermessens, die gerade dann einsetzen muss, wenn\nkeine Verpflichtung aufgrund einer konkreten rechtlichen Vorgabe besteht.\nImmerhin wird aus der Begründung des Widerspruchsbescheides aber deutlich,\ndass sich die Beklagte auch unter Berücksichtigung der eingeschränkten\nGesamtvergütung an der Rechtsprechung des BSG orientieren will, die u.a.\nSicherstellungsaspekten Bedeutung für die Entscheidung über Härtefallanträge\nbeimisst und dass ein damit vergleichbarer Fall hier nicht vorliegt. Ferner\nhat die Beklagte in der Begründung des Widerspruchsbescheides zutreffend\ndarauf hingewiesen, dass die geltend gemachte wesentliche Fallzahlsteigerung\nin der Praxis der Klägerin nicht erkennbar ist. Ergänzend hat die Beklagte\ndarauf hingewiesen, dass auch in der kooperierenden chirurgischen Praxis H.\nund B. keine erhebliche Fallzahlsteigerung entstanden sei. Dies ist von der\nKlägerin nicht in Zweifel gezogen worden. Auf die erhebliche Erhöhung der\nFallzahl im Quartal IV/03 ist die Beklagte in der Klagerwiderung eingegangen.\nSie hat die Begründung des angefochtenen Widerspruchsbescheides damit in\nzulässiger Weise ergänzt. Indem die Beklagte dieses Quartal als\n„Ausreißerquartal“ qualifiziert hat, das noch nicht zu einer Erhöhung des IPZV\nim Rahmen einer Härtefallenscheidung führt, hat sie die Grenzen pflichtgemäßer\nErmessensausübung nicht überschritten.\n\n43\n\n \n\nDie Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2\nVerwaltungsgerichtsordnung (VwGO).\n\n44\n\n \n\nDer Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu\nder Frage zugelassen, ob die Wachstumsmöglichkeiten auch für\nunterdurchschnittlich abrechnende Praxen für eine begrenzte Zeit faktisch\nausgesetzt werden können, um die Vorgaben des Erweiterten\nBewertungsausschusses nach dem Auslaufen der Praxisbudgets im EBM-Ä umzusetzen\n(§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).\n\n \n\n
105,809
lg-kiel-2007-08-03-11-o-38006
1,064
Landgericht Kiel
lg-kiel
Kiel
Schleswig-Holstein
11 O 380/06
2007-08-03
2018-11-24 14:30:13
2019-02-26 18:42:28
Zwischenurteil
ECLI:DE:LGKIEL:2007:0803.11O380.06.0A
#### Tenor\n\n \n\nDie Nebenintervention wird zugelassen.\n\n#### Tatbestand\n\n1\n\n \n\nDie Klägerin begehrt vom Beklagten als Insolvenzverwalter der ... die\nFeststellung eines Forderungssaldos zur Insolvenztabelle. Im Zuge dessen\nstreiten die Beteiligten über die Zulassung der ... als Nebenintervenientin.\n\n2\n\n \n\nMit Beschluss des Amtsgerichts Kiel vom 20.02.2004 wurde über das Vermögen der\n... das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter\nbestellt. Mit Datum vom 23.03.2004 meldete die Klägerin eine Hauptforderung\nvon insgesamt 795.686,92 €, zwischenzeitlich reduziert auf 785.323,04 €, sowie\neine Zinsforderung von 432.574,97 € zur Insolvenztabelle an. Die vorgenannten\nForderungen wurden durch den Beklagten im Prüfungstermin am 27.04.2004\nbestritten. Anmeldungen dreier weiterer Gläubiger zur Tabelle belaufen sich\ninsgesamt auf rund 324.000.- €. Hinsichtlich ihrer zur Tabelle angemeldeten\nForderungen in Höhe von 5.026.366,02 € hat die Nebenintervenientin\nzwischenzeitlich den Nachrang wegen Eigenkapitalersatzbindung gemäß § 39 InsO\nanerkannt. Unter Berücksichtigung des Barmassebestandes sowie ungeklärter\nAktivpositionen hätte die Feststellung der Gesamtforderung der Klägerin in\nHöhe von 1.217.898,01 € zur Tabelle den Ausfall der sonst zumindest teilweise\nzu befriedigenden Nebenintervenientin als nachrangige Gläubigerin zu Folge.\n\n3\n\n \n\nDie ... ist mit Schriftsatz vom 15.01.2007 dem Rechtsstreit auf Seiten des\nBeklagten beigetreten.\n\n4\n\n \n\nDie Klägerin vertritt die Auffassung, die Nebenintervention sei unzulässig, da\ndie ... als nachrangige Insolvenzgläubigerin kein rechtliches, sondern\nallenfalls ein unbeachtliches wirtschaftliches Interesse an dem Ausgang des\nForderungsfeststellungsrechtsstreits gegen den Insolvenzverwalter habe. Des\nWeiteren sei die Forderungsfeststellungsklage Teil des\nForderungsfeststellungsverfahrens und damit auf das Rechtsverhältnis zwischen\ndem Insolvenzverwalter als Repräsentant der Gläubigergemeinschaft und den\nfordernden Gläubiger beschränkt, soweit nicht einzelne Gläubiger selbst die\nangemeldete Forderung bestreiten würden. § 179 Abs. 1 InsO konstituiere ein\nBestreiten der zur Tabelle angemeldeten Forderung durch den weiteren\nInsolvenzgläubiger als besondere Prozessvoraussetzung für die Beteiligung am\nForderungsfeststellungsrechtsstreit. Solches dürfe nicht über eine\nNebenintervention umgangen werden.\n\n5\n\n \n\nDie Klägerin beantragt,\n\n6\n\n \n\nihre Forderung in Höhe von 1.217.898,01 € zur Insolvenztabelle festzustellen,\ndavon 785.232,04 € als Hauptforderung und 432.574,97 € als Zinsen,\n\n \n\n7\n\n \n\nsowie\n\n \n\n8\n\n \n\ndie Nebenintervention zurückzuweisen.\n\n9\n\n \n\nDer Beklagte beantragt,\n\n10\n\n \n\ndie Klage abzuweisen.\n\n11\n\n \n\nDie Nebenintervenientin schließt sich dem Antrag des Beklagten an.\n\n12\n\n \n\nBeklagter und Nebenintervenientin vertreten unter Hinweis auf § 183 InsO und\ndie teilweise Befriedigung der Nebenintervenientin im Falle der Klagabweisung\ndie Auffassung, dass die Nebenintervention zulässig sei.\n\n13\n\n \n\nHinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten\nSchriftsätze einschließlich Anlagen Bezug genommen.\n\n#### Entscheidungsgründe\n\n14\n\n \n\nDie Nebenintervention, über deren Zulässigkeit gemäß § 71 ZPO vorab durch\nZwischenurteil zu entscheiden ist, ist zulässig.\n\n15\n\n \n\nVoraussetzung der Nebenintervention ist, dass die Nebenintervenientin ein\nrechtliches Interesse am Obsiegen der unterstützten Partei hat, mithin der\nAusgang des Prozesses für die Rechte oder die Rechtslage der\nNebenintervenientin von Bedeutung ist (§ 66 Abs. 1 ZPO). Ein solches Interesse\nfolgt vorliegend aus § 183 Abs. 1 InsO. Danach wirkt eine rechtskräftige\nEntscheidung, mit der eine Forderung festgestellt oder ein Widerspruch für\nbegründet erklärt wird, gegenüber allen Insolvenzgläubigern mit der Folge,\ndass deren Quote durch die Entscheidung beeinflusst wird.\n\n16\n\n \n\nEntgegen der klägerischen Auffassung ist insoweit nicht Voraussetzung, dass\nder Beitretende selbst der zur Tabelle angemeldeten, streitgegenständlichen\nForderung widersprochen hat, sondern lediglich seine Stellung als\nWiderspruchsberechtigter im Sinne der §§ 176, 178 InsO (vgl. Münchener\nKommentar zur InsO, § 179 Rz. 19; Uhlenbruck, InsO, § 179, Rz. 6). Eine\nBeschränkung der Erstreckungswirkung auf solche Insolvenzgläubiger, die selbst\nder streitgegenständlichen Forderung widersprochen haben, enthält § 183 Abs. 1\nInsO nach Wortlaut und Regelungszweck gerade nicht. Vielmehr geht § 183 Abs. 1\nInsO umgekehrt als Regelfall davon aus, dass nur ein Widerspruchsberechtigter\ndas Gläubigerrecht bestritten hat (vgl. Münchener Kommentar zur InsO, § 183\nRz. 4).\n\n17\n\n \n\nIm Weiteren steht auch nicht entgegen, dass die Nebenintervenientin\nnachrangige Insolvenzgläubigerin im Sinne des § 39 InsO ist. § 39 InsO ändert\nnicht den Begriff des Insolvenzgläubigers im Sinne von § 38 InsO. Auch der\nnachrangige Insolvenzgläubiger ist in das Insolvenzverfahren, wenn auch mit\nbeschränkten Rechten, eingebunden (vgl. Münchener Kommentar zur InsO, § 39 Rz.\n1, 7 ff). Insbesondere ist er im vorgenannten Sinne Widerspruchsberechtigter\nunabhängig davon, ob seine nachrangige Forderung bereits angemeldet und zur\nPrüfung zugelassen ist (vgl. Münchener Kommentar zur InsO, § 176, Rz. 27;\nUhlenbruck, InsO, § 176, Rz. 10 mwN). Schließlich enthält auch § 183 Abs. 1\nInsO keine Einschränkung hinsichtlich nachrangiger Gläubiger nach § 39 InsO.\n\n18\n\n \n\nDie Zulassung der Nebenintervention des selbst nicht widersprechenden\n(nachrangigen) Gläubigers stellt sich schließlich auch nicht als unzulässige\nUmgehung des § 179 Abs. 1 InsO dar. § 179 Abs. 1 und 2 InsO bestimmen, wem es\nobliegt, die - positive oder negative - Feststellung des bestrittenen\nInsolvenzgläubigerrechts zu betreiben. Eine Beschränkung der Nebenintervention\nim von der Klägerin geltend gemachten Sinne - entgegen der vorzitierten\nLiteratur - ist dieser Regelung nicht zu entnehmen.\n\n \n\n