text
stringlengths
276
36k
summary
stringlengths
47
1.39k
topic
stringclasses
21 values
url
stringlengths
36
209
title
stringlengths
4
133
date
stringclasses
108 values
Ein Gericht im Bezirk Lawrence im US-Bundesstaat Missouri hat einen wiederholt straffällig gewordenen Wilderer zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Als besondere Strafe muss der Mann hinter Gittern vor dem 23. Dezember erstmals den Disney-Filmklassiker "Bambi" gucken - und dann während seiner Haftstrafe jeden Monat mindestens ein weiteres Mal. Der 29-Jährige hatte zusammen mit seinem Vater und seinen beiden Brüdern gegen "eine Riesenliste" von Jagdgesetzen verstoßen und in den vergangenen drei Jahren Hunderte Hirsche getötet. Die Wilderer hätten die Köpfe der Tiere als Trophäen gesammelt, erklärte die Staatsanwaltschaft - und den Rest der Tierkadaver einfach liegen lassen. Die Behörden hatten dem Mann bereits wegen früherer Gesetzesverstöße seine Jagdlizenz entzogen. In dem Disney-Zeichentrickfilm "Bambi" aus dem Jahr 1942 geht es um das großäugige Hirschkalb Bambi, dessen Mutter von Jägern erschossen wird und das anschließend vom Vater großgezogen und von seinen tierischen Freunden Klopfer und Blume durchs Leben begleitet wird. Der Klassiker hat Generationen von Kinogängern zum Weinen gebracht - Kinder wie Erwachsene gleichermaßen. Randy Doman, Leiter der Naturschutzbehörde in Missouri, zeigte sich beeindruckt von der vom Richter verhängten Zusatzstrafe: Damit wolle der Richter die Taten des Verurteilten in einen größeren Zusammenhang stellen.
Weil er unerlaubt Hunderte Hirsche geschossen hat, muss ein 29-Jähriger für ein Jahr ins Gefängnis. Von der Zusatzstrafe ist der Leiter der Naturschutzbehörde beeindruckt.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/bambi-gefaengnis-wilderer-disney-1.4257789
"Disney-Film: Wilderer muss im Gefängnis ""Bambi"" schauen"
00/12/2018
Wenige Tage vor dem offiziellen Ende des deutschen Steinkohlebergbaus hat ein tödlicher Unfall in der bereits geschlossenen Zeche Ibbenbüren Entsetzen ausgelöst. Bei Arbeiten zur Nachbereitung in dem Bergwerk am Rand des Münsterlandes kam am Montag ein 29-jähriger Industriemechaniker ums Leben, teilte der Zechenbetreiber RAG mit. "So ein Unfall ist schrecklich und tragisch, nicht nur im Auslauf des Bergbaus", sagte ein RAG-Sprecher am Montagabend. Zuvor hatten mehrere Medien berichtet. Es war laut RAG der erste tödliche Unfall im Steinkohlebergbau seit 2012. Das Opfer sei ein erfahrener Bergmann gewesen, der seit 2006 im Bergwerk beschäftigt gewesen sei. Er wurde nach ersten Erkenntnissen in einer schweren sogenannten Wettertür eingeklemmt und erlitt tödliche Verletzungen. Mit diesen Türen wird unter anderem die Belüftung eines Bergwerks gesteuert. Die Ermittlungen der Bergbaubehörden zu den Hintergründen liefen noch, teilte die RAG mit. Das Bergwerk hatte in diesem Jahr mit gut 800 Bergleuten noch mehr als 800 000 Tonnen besonders hochwertiger Anthrazitkohle gefördert. Die Kohle wurde vor allem in dem dortigen Steinkohlekraftwerk zur Stromerzeugung verbrannt. Vor zwei Wochen wurde das Bergwerk als vorletzte Anlage in Deutschland geschlossen. Die letzte noch laufende Zeche ist Prosper-Haniel in Bottrop im Ruhrgebiet. Dort soll an diesem Freitag der Abschluss des aktiven Förderbetriebs offiziell begangen werden. Nach dem Ende des Förderbetriebes braucht es noch viel Zeit, um die wertvollen Anlagen aus Tiefen von teils mehr als 1000 Meter nach oben zu holen. Sie werden oft ins Ausland verkauft. Außerdem muss unter Tage je nach Lage des Bergwerks noch Grubenwasser abgepumpt werden.
Er wurde dem Betreiber zufolge in einer schweren Tür eingeklemmt und erlitt tödliche Verletzungen. In wenigen Tagen schließt die letzte Steinkohle-Zeche Deutschlands.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/ibbenbueren-unfall-steinkohle-zeche-1.4257786
Arbeiter stirbt bei Unfall in Steinkohle-Zeche
00/12/2018
Die Namen der Cremes klingen harmlos, sie heißen "Fair Light", "Diamond White" oder "Whitenicious". Das Versprechen, das schon in den Namen steckt: Sie sollen die Haut heller machen, in afrikanischen Ländern finden sie reißenden Absatz. Aber so harmlos, wie sie klingen, sind die Produkte nicht. Manche der Lotionen sind gepanscht und enthalten Steroide oder Blei, besonders verbreitet sind Mittel mit Quecksilber. Solche Produkte seien "unter anderem" ziemlich ungesund, schrieb Ruandas Präsident Paul Kagame kürzlich auf Twitter. Ziemlich ungesund ist ziemlich untertrieben. Sie können schlimmste Verletzungen hervorrufen. Kagames Land ist nun das nächste, das die gefährlichen Aufheller verbietet. Insgesamt wurden mehr als 1000 Cremes und Pillen auf den Index gesetzt, Polizisten haben bereits große Mengen konfisziert. Verbote alleine reichten jedoch nicht, sagte Gesundheitsministerin Diane Gashumba in einem Interview, da die meisten Menschen, die Bleichcremes verwenden, gar nicht wüssten, was sie sich da auf die Haut schmieren. Mehr als 30 Prozent der Anwender leiden unter schweren Folgen, von Verbrennungen bis hin zu Hautkrebs. Manche der Cremes führen dazu, dass die Haut dünner wird und reißt. "Wir müssen vor allem auch Aufklärungsarbeit leisten", sagte Gashumba. In Senegal und Südafrika benutzen laut Weltgesundheitsorganisation ein Drittel der Frauen solche Produkte zum Aufhellen der Haut; in Togo sind es zwei Drittel und in Nigeria fast 80 Prozent. Vor allem junge Frauen und Mädchen eifern einem zweifelhaften Schönheitsideal nach, das Firmen wie Nivea propagieren. "Ich brauche ein Produkt, dem ich wirklich vertrauen kann, um meiner Haut ihre natürliche Schönheit zurückzugeben", erzählt eine schwarze Frau im Fernsehspot, während sie die Creme aufträgt und ihre Haut plötzlich einen Farbton heller wird. Die Werbekampagne brachte dem deutschen Unternehmen, das im Nahen Osten mit der ähnlich fragwürdigen Zeile "White is purity" warb, Boykottaufrufe aus der ganzen Welt ein. Auf dem gesamten afrikanischen Kontinent hat es immer wieder Versuche gegeben, die Mittel vom Markt zu nehmen. In Gambia, Uganda, Kenia, der Elfenbeinküste und Ghana sind sie verboten, in Nigeria zumindest giftige Inhaltsstoffe wie Quecksilber. Trotzdem sinkt die Nachfrage nicht. In Südafrika etwa, wo in den 1990er-Jahren eines der strengsten Gesetze weltweit verabschiedet wurde, läuft das Geschäft bestens, die Ware kommt auf dem Schmuggelweg aus dem Kongo ins Land. In Ruanda erntet die Regierung für das rigorose Vorgehen im Namen der Gesundheit nun allerdings gemischte Reaktionen. Manche Social-Media-Nutzer werfen Präsident Kagame Bevormundung vor. Einem Weißen würde man ja auch nicht verbieten, sich mit Selbstbräuner einzureiben. Andere reagieren positiver, loben das Vorgehen der Regierung als einen Schritt gegen koloniale Vorstellungen von Schönheit. Daher fordern nun einige eine Rückbesinnung auf die Ideale einer Bewegung, die in den 1960er-Jahren in den USA ihren Lauf nahm und anschließend den afrikanischen Kontinent erreichte. Ihre wichtigste Botschaft lautete: "Black is beautiful.
Ruanda verbietet Cremes und Pillen, die die Haut aufhellen sollen und zu schweren Hautschäden führen können. Doch das allein wird die Nachfrage nicht stoppen.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/ruanda-bleichcremes-frauen-1.4257206
Bleichcremes in Afrika - Gefährliches Schönheitsideal
00/12/2018
Bei der Feuerwehr in Izmir arbeiten mehr als 1350 Feuerwehrleute, 63 von ihnen sind Frauen – unter ihnen İlknur Yıldız, 33. Vor zehn Jahren war sie eine der ersten Frauen bei der Feuerwehr im türkischen Izmir. Jetzt hat İlknur Yıldız ein reines Frauenteam mit aufgebaut. İlknur Yıldız, 33, arbeitet als Feuerwehrfrau in Izmir, der drittgrößten Stadt der Türkei. Vor zehn Jahren war sie eine der ersten Frauen, die dort zur Feuerwehr gingen. Mittlerweile leitet sie eine eigene Abteilung - und hat nun ein rein weibliches Team mit aufgebaut. SZ: Wieso sind Sie zur Feuerwehr gegangen? Ilknur Yıldız: Wenn ich ehrlich sein soll, war die Arbeit als Feuerwehrfrau nicht mein Kindheitstraum. Ich habe Pädagogik studiert. Nach dem Studium war ich auf Arbeitssuche und habe gehört, dass Frauen bei der Feuerwehr in Izmir eingestellt werden. Ich habe mich gefragt: Kann ich das - und würde ich diese Arbeit lieben? Wissen Sie, wie die Idee entstand, in Izmir auch Frauen einzusetzen? Die Stadtverwaltung und ihr Bürgermeister, Aziz Kocaoğlu, haben ein modernes Verständnis von einer Metropole. Dazu gehört es auch, viele Bereiche für Frauen zu öffnen. Es gibt noch ein paar andere Städte, in denen das möglich ist, aber wir sind schon die großen Ausnahmen. Wie viele Feuerwehrfrauen arbeiten in Izmir? Als ich angefangen habe, gab es noch nicht viele Bewerbungen. Aber wenn ich mich nicht irre, wurden 2009 schon 50 Frauen aufgenommen. Heute sind es 63 - von etwa 1350 Feuerwehrleuten insgesamt. Gibt es in der Ausbildung Unterschiede zwischen Frauen und Männern? Nein. 2014 wurden auch Frauen in die Erdbebenteams aufgenommen, ich bin dort nun die Direktorin. Wir haben sogar ein Team aufgebaut, das nur aus Frauen besteht. Das soll in einem Katastrophenfall besonders auf die Nöte der Frauen eingehen können. Aber sonst gibt es bei uns keine Unterschiede, wir Frauen wollen das auch nicht. Wir sind genauso mutig, werden überall eingesetzt, von der Rettung bis zur Telefonzentrale. Wie waren die Reaktionen der Männer, als auf einmal Frauen eingestellt wurden? Erst mal waren unsere Verwandten und Freunde überrascht. Genauso wie unsere neuen Kollegen. Dann gewöhnten sie sich langsam daran. Und wir gewöhnten uns an sie. Wir mussten gegen Vorurteile ankämpfen, und dort, wo keine Frauen arbeiten, ist auch der Umgangston rauer. Aber jetzt haben wir keine solchen Probleme mehr. Wir sind ja 24 Stunden gemeinsam in Dienst. Zuerst gab es auch keine extra Ruheräume für Frauen, keine Toiletten und Duschen extra für Frauen. Da mussten wir nacheinander duschen. Das hat sich alles geändert. Jetzt geht es uns gut. Wie reagieren die Leute, wenn sie merken, dass Frauen ein Feuer gelöscht haben? Wir tragen ja Schutzkleidung, Helme und Gesichtsmasken. Da sieht man nicht, ob Mann oder Frau darunter steckt. Wenn wir dann unsere Helme abnehmen, sind die Leute natürlich überrascht. Kinder reden uns immer erst mit "Abi" (Bruder, die in der Türkei übliche Bezeichnung für Ältere, d. Red.) an, dann sehen sie: "Ach, du bist ja eine "Abla" (Schwester). Manchmal wollen sie sich dann mit uns fotografieren. Das machen wir natürlich. Gewöhnlich sind die Reaktionen also positiv. Wenn es mal negative Bemerkungen gibt, ignorieren wir sie, weil wir Frauen sicher sind, dass wir unsere Arbeit gut machen. Meine Kolleginnen denken genauso wie ich. Alle arbeiten mit vollem Einsatz und tun ihr Bestes.
Vor zehn Jahren war sie eine der ersten Frauen bei der Feuerwehr im türkischen Izmir. Jetzt hat İlknur Yıldız ein reines Frauenteam mit aufgebaut.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/ein-anruf-bei-ilknur-y-ld-z-feuerwehrfrau-1.4257220
Ein Anruf bei... - İlknur Yıldız, Feuerwehrfrau
00/12/2018
Aktuell gastiert wieder der Dresdner Weihnachtszirkus in der sächsischen Hauptstadt. Die in den Shows zum Einsatz kommenden Tiere sind recht unterschiedlich. Lamas, Windhunde, Elefanten. Auch Zebras. Die haben nun schon zwei Tage vor der ersten Show auf die Anwesenheit des Zirkus aufmerksam gemacht. Vier der insgesamt sechs Tiere stoben am Vormittag am Landtagsgebäude vorbei in Richtung Altstadt, ein Abgeordneter postete ein Foto der ungewöhnlichen Szenerie bei Twitter. Wie die Dresdner Neueste Nachrichten berichten, sind die Tiere nach einer Probe durch ein offenes Tor ins Freie gelaufen. Eine Instagram-Nutzerin, die in der Nähe des Elbufers unterwegs war, postete, wie ein Zebra erst auf sie zurennt, dann aber doch einen Bogen macht und recht unbeeindruckt an ihr vorbeitrabt. Für ein Zebra endete der Ausriss tragisch: das Tier soll gestorben sein, nachdem es eingefangen und wieder zurück im Zirkus war. Auch für die Dresdner Polizei war die Angelegenheit aufreibend. Mehrere Beamte mussten dafür sorgen, dass die Tiere nicht zur Gefahr für Passanten und sich selbst wurden. In sieben Streifenwagen und zu Pferde waren die Beamten im Einsatz. Ein weiteres Video etwa zeigt, wie ein Streifenwagen in gemäßigtem Tempo auf der Elb-Promenade hinter einem galoppierenden Zebra herfährt. "Von den Tieren ging keine Gefahr aus, aber es galt, Schaden im Straßenverkehr zu vermeiden", erklärte ein Polizeisprecher. Die Schwierigkeit für die Kollegen habe darin bestanden, dass sie nicht im Quartett galoppierten. "Jedes Zebra rannte in eine andere Richtung." Eines sogar bis zur etwa fünf Kilometer entfernten Waldschlösschenbrücke. Bei der Einfang-Aktion wurde ein Polizist verletzt. "Ein Zebra hat zugetreten", sagte ein Sprecher. Anderthalb Stunden nach dem ersten Hinweis hieß es: "Sie sind wieder eingefangen." Ein Tier sei gestorben. Die Ursache dafür sei unklar, sagte ein Polizeisprecher. Wie die Dresdner Neueste Nachrichten berichten, waren die zwei übrigen Zebras schon zuvor freiwillig in ihr Gehege zurückgekehrt.
Vier entlaufene Tiere aus dem Dresdner Weihnachtszirkus haben für Aufregung gesorgt. Unter anderem trabten sie vorbei am Landtag. Für eines der Tiere endete die Sache tödlich.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/dresden-zebras-zirkus-1.4256768
Dresden: Vier Zirkus-Zebras unternehmen einen Ausflug
00/12/2018
Einen "kleinen Kulturkampf" nannte der Kommentator des populären Kanals Telemundo die Aufregung um Ángela Ponce, die in diesen Tagen vor allem in der spanischsprachigen Welt herrscht. Und das am Vorabend des Schönheitswettbewerbs "Miss Universe", zu dem sich die Siegerinnen aus mehr als 100 Ländern in Bangkok eingefunden hatten. Dort waren alle schon kräftig dabei, auswendig zu lernen, was sie an dem Abend auf die obligatorische Frage nach dem sozialen Engagement sagen: zum Weltfrieden beitragen, die Umwelt retten, mindestens aber den Armen und Schwachen helfen. Was würde wohl Ángela Ponce sagen? Die 27-jährige "Miss Spanien" wurde als Junge geboren, doch mit 16 begann sie eine Hormonbehandlung. Vor vier Jahren unterzog sie sich einer Operation zur Geschlechtsangleichung, sie bekam eine künstliche Vagina. Die Vorberichte aus Bangkok vermittelten das Bild einer großen Harmonie unter den schönen Frauen dieser Welt, es wird gelacht und geknuddelt nach Herzenslust. Aber in manchen Medien und vor allem in den Foren ging es hoch her. In der Kontroverse gibt es zwei große Lager, und es ist eine Ironie der Geschichte, dass sich dabei die Unterstützer des Profimodels vor allem in ihrem Heimatland finden, Kritiker ihrer Teilnahme an dem Wettbewerb indes in Lateinamerika. Die kolumbianische Schönheitskönigin Valeria Morales hatte den Konflikt eröffnet: "Das soll doch ein Wettbewerb für Frauen sein, die als Frauen geboren wurden!" Ein Teil der spanischen Medien attackierte die Kolumbianerin: Sie sei intolerant, im Internet war gar von "Aufrufen zum Hass" die Rede. Ángela Ponce aber bemühte sich um Entspannung: "Ich respektiere sie und respektiere auch ihre Meinung." Im Netz wurde indes über die Spanierin hergezogen: Sie lache wie ein Mann, habe herbe Gesichtszüge und außerdem sei ihre Stimme noch tiefer als üblich bei den Frauen in Andalusien. Detailansicht öffnen "Ich wollte Barbie sein": Ángela Ponce kam männlich zur Welt. (Foto: Athit Perawongmetha/Reuters) In einem Dorf im andalusischen Hinterland ist Ángel (Engel), wie der Taufname lautet, groß geworden. Im spanischen Fernsehen erzählte sie, wie sie entdeckte, dass sie eigentlich im falschen Körper stecke. Ángel spielte nie Fußball mit den Dorfjungen, interessierte sich nicht für Autos, sondern für Puppen. Mit 12, 13 trug Ángel gern Mädchenschmuck im langen Haar. In der Schule wurde er gehänselt, trotzig schminkte er sich dann. In dem Alter, so formuliert sie es heute selbstironisch, wurde ihr klar: "Ich wollte nicht mehr mit Barbie spielen, ich wollte Barbie sein." In langen Gesprächen hat der Sohn die Eltern davon überzeugt, dass er sich einer Geschlechtsangleichung unterziehen möchte. Im Rückblick schildert sie, dass die meisten Mädchen aus ihrem Freundeskreis keine Probleme damit gehabt hätten, die Jungen aber sehr wohl, die meisten hätten sich abgewandt. "Schon immer war meine DNA weiblich", sagt sie. Die spanische Regenbogenpresse begeistert sich über ihre "Idealmaße": 91-60-90. Und 1,77 Meter groß. Freimütig erzählt sie von der großen Operation. Es sei ein langer und sehr schmerzhafter Weg gewesen, bis ihr Körper die künstlichen Teile angenommen habe. Donald Trump änderte die Regeln des Wettbewerbs: Seitdem dürfen auch Transfrauen antreten Unvermittelt lobte sie in einem Interview Donald Trump und produzierte damit ungewollt eine Schlagzeile. Sofort stellte sie klar: "Nein, die Politik meine ich nicht." Aber in der Zeit, als Trump noch Veranstalter des Wettbewerbs war, seien die Regeln so geändert worden, dass auch Transfrauen daran teilnehmen könnten. Vor drei Jahren hatte sie die Miss-Wahl im Bezirk Cádiz in Westandalusien gewonnen, war aber zur landesweiten Wahl nicht zugelassen. Doch dieses Jahr war es dann so weit. Für spanische Soziologen ist klar, warum der Protest gegen ihre Teilnahme in Bangkok vor allem aus Lateinamerika kam: Dort seien die Gesellschaften viel konservativer, sie seien viel stärker als Spanien bis heute von der katholischen Kirche geprägt. Hinter den Kulissen, so wollen spanische Reporter erfahren haben, war der Konflikt aber auch kurz vor dem Spektakel an diesem Montag längst nicht ausgestanden. Denn die Regeln für Miss-Wettbewerbe schließen eigentlich Frauen aus, die sich Schönheitsoperationen unterzogen haben. Eine Geschlechtsangleichung fällt zwar nicht in diese Kategorie, aber Ángela Ponce hatte angedeutet, dass ihre Brüste nicht allein das Resultat der Hormonbehandlung seien. Dies ist auch der Punkt, den die Unterstützer der Kolumbianerin Valeria Morales anführten. Diese selbst sagte einsilbig: "So wie es laufen soll, damit können wir nicht einverstanden sein." Detailansicht öffnen Catriona Gray (links) bekreischt ihren Titel, die Zweitplatzierte, Tamaryn Green aus Südafrika, bewahrt die Fassung. (Foto: AFP) Ein spanischer Miss-Wahlen-Experte meinte in einer Talkshow, Ángela Ponce könne es in die Endrunde schaffen, weil der Wettbewerb dadurch in Europa und auch Nordamerika das Etikett "tolerant" bekomme. Das wäre gut für die Vermarktung in Zeiten, in denen Miss-Wahlen als sexistisch verteufelt würden. "Doch siegen wird sie nicht." Damit hat er recht behalten. Zur Miss Universe 2018 gekührt wurde die 24-jährige Studentin Catriona Gray von den Philippinen. Die ausschließlich weiblich besetzte Jury wählte Ponce unter die besten 20 der 94 Bewerberinnen.
Die neue Miss Universe kommt von den Philippinen. In Erinnerung bleiben aber wird das Finale in Bangkok wegen Ángela Ponce, der ersten Teilnehmerin, die im Körper eines Jungen geboren wurde.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/transfrau-miss-universe-angela-ponce-1.4255526
"Transfrau bei ""Miss Universe"": Ángel und Ángela"
00/12/2018
Sieht man die Bilder, mag man kaum glauben, dass nicht weit Schlimmeres passiert ist: Bei einer gewaltigen Explosion in einem Lokal im japanischen Sapporo sind 42 Menschen verletzt worden. Wie japanische Medien unter Berufung auf die Behörden berichteten, wurden die Holzgebäude zerstört. Darin befanden sich außer dem Restaurant auch ein Maklerbüro und eine Klinik. Durch die Wucht der Detonation und des folgenden Brands zerbarsten Fensterscheiben umliegender Wohnhäuser und Restaurants, berichtete die Nachrichtenagentur Kyodo. Holztrümmer seien Dutzende Meter weit umhergeflogen. Viele Anwohner hätten zuerst gedacht, dass es sich um ein Erdbeben handelte. Bilder vom Unglücksort zeigten Flammen und dichte Rauchwolken. Die Feuerwehr brauchte Medienberichten zufolge Stunden, um das Feuer zu löschen. Die Explosion geht womöglich auf ein Gasleck zurück. Vor der Kneipe sowie vor dem Büro der Maklerfirma hätten sich mehrere Propangasflaschen befunden. Gasleitungen in den Holzgebäuden seien beschädigt, hieß es weiter. Ein Augenzeuge sagte dem Sender NHK, er habe Gas gerochen. Die Polizei ermittelt aber noch weiter zur Ursache. Detailansicht öffnen Von oben gesehen wird das Ausmaß der Zerstörung deutlich. (Foto: dpa) Todesopfer forderte die schwere Explosion nicht. Die meisten der Verletzten hätten nur oberflächliche Wunden, berichtet der Guardian unter Berufung auf die Polizei von Sapporo, der größten Stadt Hokkaidos. Ein Mensch soll schwer verletzt sein. Einer der Verwundeten sagte, die Gäste der "Izakaya"-Bar, wie dieser in Japan sehr beliebte Typus Gastronomiebetrieb heißt, hätten sich ins Freie gerettet, indem sie die dünnen Außenwände des Holzgebäudes eintraten. Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels war fälschlicherweise die Rede vom "Izakaya"-Baustil. Der Begriff (s.o.) steht jedoch für eine bei Japanern beliebte Kneipenart. - d. Red.
Im japanischen Sapporo zerstört eine Explosion mehrere Gebäude, Fenster bersten. Angesichts der Wucht der Detonation haben viele Menschen offenbar enormes Glück gehabt.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/japan-sapporo-explosion-1.4256325
Japan: Gewaltige Explosion in Lokal - 42 Verletzte
00/12/2018
Die Leiterin des Hamburger Tierheims erklärt, wie sie unbedachte Spontangeschenke verhindern will - und was die bessere Lösung ist, wenn man ein Tier verschenken möchte. Im Tierheim des Hamburger Tierschutzvereins gibt es eine Adoptionssperre. Vom 20. Dezember an bis einschließlich zum 2. Weihnachtsfeiertag darf man kein Tier aus dem Heim holen. Schon mehr als zehn Jahre hält das Tierheim das so, als eines von vielen in Deutschland. Susanne David arbeitet seit 1992 dort und leitet das Heim seit einem Jahr. 1254 Tiere sind dort derzeit untergebracht. Die Sperre dient dazu, voreilige Tiergeschenke zu verhindern. Im Gespräch erklärt sie, warum sich ihr Haus zu diesem Schritt entschieden hat. SZ: Eigentlich ist es doch schön, wenn eine Familie ein Tier aus dem Tierheim aufnimmt. Warum verhindern Sie das? Susanne David: Wir möchten vermeiden, dass Tiere unterm Weihnachtsbaum liegen, die vielleicht gar nicht von allen Familienmitgliedern gewollt sind oder unüberlegt angeschafft wurden. Das sind Tiere, um die sich dann niemand richtig kümmert, oder sie werden einfach wieder zu uns zurückgebracht. Deshalb raten wir: Wer unbedingt ein Tier verschenken will, füllt besser einen Gutschein aus. Dann kann die ganze Familie nach Weihnachten kommen und sich zusammen ein Tier aussuchen. Wären die Feiertage nicht ganz praktisch, um einen Hund an ein neues Zuhause zu gewöhnen? Eine Eingewöhnungszeit von drei, vier Feiertagen, selbst eine Woche reicht sicherlich nicht aus, um einen Hund an eine neue Umgebung zu gewöhnen. Und an jemanden, der nach den Ferien direkt wieder Vollzeit arbeitet, seinen Hund nicht mitnehmen kann und sich alleine um den Hund kümmern möchte, würden wir auch kein Tier vermitteln. So eine Adoptionssperre stoppt doch niemanden - wer wirklich ein Tier will, holt es sich einfach in einer Tierhandlung. Klar, das kann man nicht verhindern. Aber als Tierheim sind wir dem Tierschutz und der Aufklärung verpflichtet. Da ist eine Adoptionssperre zumindest ein Signal, das die Leute zum Nachdenken anregt. Was ist das am häufigsten zurückgegebene Tier? Katzen und Hunde. Ein Kaninchen, auf das man keine Lust mehr hat, lässt man halt in der Ecke stehen. Da kriegen nur wenige Leute mit, wenn es dem Tier nicht gut geht. Einmal am Tag wirft man Futter rein, das Tier hat kaum Auslauf und der Käfig wird auch nicht regelmäßig sauber gemacht. Das ist nicht wie mit einem Hund, der regelmäßig raus muss. Der mir vielleicht auch was kaputt macht, oder der in die Wohnung pinkelt, wenn ich ihn zu lange alleine lasse. Detailansicht öffnen Susanne David, 26 Jahre Erfahrung in der Vermittlung von Tieren an neue Halter. (Foto: Hamburger Tierschutzverein) Machen Sie gar keine Ausnahme? Höchstens dann, wenn wir uns ganz sicher sind, dass das Tier kein Geschenk sein soll. Zum Beispiel, wenn die Vermittlung schon länger läuft, bei schwierigen Tieren etwa. Dann hat mancher Halter seinen künftigen Hund schon öfter besucht, und wenn dann die Abholung zufällig in die Weihnachtszeit fällt, ist das halt so. Ist es Menschen, die Tiere direkt nach Weihnachten wieder abgeben, nicht peinlich? In den allermeisten Fällen outen sich die Menschen nicht, sondern kommen unter einem falschen Vorwand. Viele bringen etwa "Fundtiere" zu uns und wir wundern uns dann, dass sich niemand nach diesen Tieren erkundigt. Wenn ein Haustier vermisst wird, sucht das normalerweise jemand. Da sind wir die erste Anlaufstelle. Und bei einem acht Wochen alten Welpen muss man sich fragen, wie soll so ein kleiner Hund abhauen? Der läuft einem doch eher die ganze Zeit hinterher. Es kommt auch vor, dass Menschen Tiere zurückgeben, die sie ungefragt geschenkt bekommen haben. Oder die Tante gibt dem Neffen ein Tier und hat die Eltern vorher nicht gefragt. Da gab's sogar einmal ein Pferd, das keiner wollte. Die riefen hier an und sagten, sie könnten es nirgends unterbringen. Und das Pferd hat dann bei Ihnen im Tierheim gelebt? Das war der Notfallplan. Doch zum Glück haben wir es woanders hin vermitteln können. Das ist ein extremes Beispiel, aber sowas kommt vor. Auch, dass Leute hier am Fischmarkt in Altona ein Huhn kaufen und aus Spaß jemandem schenken - der damit völlig überfordert ist. Die Tiere, die zurückgegeben werden, freuen die sich, wieder im Tierheim zu sein? Klar, die freuen sich, wenn sie hierher zurückkommen, gerade bei Hunden merkt man das. Wenn die wieder in unsere Hundeschule kommen oder uns nach der Vermittlung besuchen, gehen die hier freudig rein, wedeln mit dem Schwanz und springen die Tierpfleger an. Wir waren ja nett zu denen. Aber es gibt auch Tiere, die traurig sind, wenn sie wieder hinter Gittern müssen und der Ausflug in ein echtes Zuhause nur kurz war.
Die Leiterin des Hamburger Tierheims erklärt, wie sie unbedachte Spontangeschenke verhindern will - und was die bessere Lösung ist, wenn man ein Tier verschenken möchte.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/tierheime-sperrfrist-weihnachten-1.4251274
Weihnachten: Warum Tierheime eine Sperrfrist verhängen
00/12/2018
Beim Unfall eines Fernbusses auf dem Weg nach Deutschland sind in der Schweiz eine Person getötet und mehr als 40 verletzt worden. Der Bus, der auf dem Weg von Genua nach Düsseldorf war, sei Sonntagfrüh gegen 4.15 Uhr nahe Zürich aus unbekannten Gründen auf eisglatter Fahrbahn ins Schleudern geraten und gegen eine Mauer geprallt, teilte die Kantonspolizei Zürich mit. Bei der Toten handelt es sich um eine 37-jährige Italienerin. Auch die beiden Fahrer stammen aus Italien. Beide lagen am Sonntagnachmittag noch im Krankenhaus, der 61-Jährige schwebte in Lebensgefahr. Sein 57-jähriger Kollege saß zum Unfallzeitpunkt am Steuer. 22 Passagiere konnten bis zum Nachmittag das Krankenhaus wieder verlassen. Der Bus war im Auftrag von Flixbus unterwegs. An Bord waren insgesamt 50 Passagiere.
Beim Unfall eines Fernbusses ist eine Person getötet, mehr als 40 Personen sind verletzt worden.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/meldung-busunglueck-auf-dem-weg-nach-deutschland-1.4255530
Meldung - Busunglück auf dem Weg nach Deutschland
00/12/2018
Philipp Humm war Topmanager, bis er sich zu einer Kehrtwende entschloss: Er kündigte, um Maler und Bildhauer zu werden. Und jetzt hat er auch noch Goethes "Faust" verfilmt. Schießt da etwa eine MiG den Sonnenwagen ab? "Nein", korrigiert Philipp Humm, "das ist eine F16." Ob man nun genau weiß, welches Jagdflugzeug sich da von der oberen rechten Ecke ins Bild schiebt, oder nicht - der Gesamteindruck des großformatigen Gemäldes an der Wand ist erstaunlich: Vor nachtblauem Himmel stürzt in einem Knäuel aus Pferdeleibern, Damen in roten Badeanzügen und einem Herrn in gleichermaßen roter Badehose ein Wagen mit gebrochener Deichsel gen Erde. "Das ist meine Version des griechischen Mythos von Phaëthon", erklärt Humm. Der Sohn des Sonnengottes Helios lieh sich bekanntlich Papas Wagen, verlor die Kontrolle, entfachte einen Weltenbrand und konnte erst vom Göttervater Zeus mit einem gezielten Blitzschlag gestoppt werden. In Humms Fassung sitzt Zeus halt in einer F16. Das überraschendste an dieser Geschichte aber ist, dass einer wie Philipp Humm, 59, überhaupt eine eigene Version eines griechischen Mythos auf eine Leinwand bringt. Als hauptberufliche Tätigkeit, sozusagen. Der gebürtige Saarbrücker war unter anderem in der Geschäftsleitung von Tengelmann, zwei Jahre lang Geschäftsführer von Amazon.de, dann, von 2005 an, in verschiedenen Top-Positionen bei der Deutschen Telekom, unter anderem CEO von T-Mobile USA. Zuletzt fungierte er als Chef von Vodafone in Europa. Und dann, 2015, gab er das alles auf. Und wurde Künstler, und man kann nun schon fragen, was genau so bemerkenswert daran ist, wenn einer, der es sich leisten kann, im letzten Lebensdrittel sein Hobby zur Hauptbeschäftigung macht. In Philipp Humms Fall lautet die Antwort: Weil sehr wenige diesen Richtungswechsel so radikal vollziehen. Bilder malen und Bronzestatuen gießen ist ja eine Sache. Als ehemaliger Topmanager aus dem Stand und ohne Vorkenntnisse auf eigene Kosten das bedeutendste Bühnenwerk der deutschen Literatur zu verfilmen, weil man denkt, dass das wirklich mal überfällig sei, eine ganz andere. Gemeint ist Goethes Faust, dazu später. Nun braut Humm in einer großzügigen Wohnküche Kaffee und gibt angeregt Auskunft über den symbolischen Inhalt der Kunstwerke, welche die Einrichtung seines Hauses im Londoner Stadtteil Gospel Oak dominieren. Da ist zum Beispiel die Bronzestatue eines sich zusammenkrümmenden Mannes, daneben hängt ein Hochformat, in dem die Venus von Milo einer Gruppe von vier Herren Modell steht: "Da habe ich mir überlegt, was meine ideale Vorlage wäre und mit wem ich gerne mal zusammen malen würde: Damien Hirst, Jeff Koons, Andy Warhol." Der vierte Künstler, rechts im Bild, ist Philipp Humm selbst, was weniger überrascht, wenn man weiß, dass all diese Kunstwerke aus der Hand des Hausherrn selbst stammen. Detailansicht öffnen Früher arbeitete Philipp Humm als CEO. Heute versucht er sich als Filmregisseur und als Maler (unten als Selbstporträt, neben Andy Warhol sitzend). (Foto: The Humm Collection) Humm sagt, er sei halt ein "bunter Hund", der "nicht immer denselben Stiefel machen" könne, aber als Erklärung genügt das nicht ganz. Also holt Humm, den sein saarländischer Akzent in all den Jahrzehnten internationalen Wirtschaftskapitäntums nie verlassen hat, etwas weiter aus: Obwohl der Sohn eines Kinderarztes nicht aus einem überdurchschnittlich kunstbeflissenen Haushalt stammte, entdeckte er früh eine Neigung zum Zeichnen. Nach der Schule bewarb er sich 1979 sogar in Berlin für ein Kunststudium. Aber seine Bewerbungsmappe sei "wie Kraut und Rüben" gewesen, deshalb sei er abgelehnt worden. Die Idee, Fotograf zu werden, schlug er sich aus dem Kopf, nachdem er erlebt hatte, wie ein Fotograf in einer Werbeagentur heruntergeputzt worden war. Stattdessen betrat er den Pfad des Betriebswirtschaftlers. Der Wandel vom Business-Saulus zum Kultur-Paulus erfolgte 2012. Humms Ehe wurde geschieden und er wechselte aus den USA nach London. Dort war er "extrem viel Kunst ausgesetzt", belegte Mal- und Zeichenkurse: "Ich habe angefangen, wie im Wahn zu zeichnen. Auch in Vorstandssitzungen. Da habe ich die Leute porträtiert - wenn der Chef so was macht, sagt keiner was." 2015 beschloss er, "voll ins Risiko zu gehen": Er ließ die Welt der mobilen Kommunikation zugunsten der hehren Kunst zurück. "Man kann entweder weiter Millionen verdienen und immer reicher werden. Oder man kann komfortabel von dem leben, das man schon verdient hat, und seiner Leidenschaft nachgehen", sagt Humm. Obwohl er nach eigener Aussage bereits 30 Werke verkauft hat, privat und über eine Galerie, ist das Leben als Künstler rein finanziell betrachtet natürlich ein Verlustgeschäft. Das hat Philipp Humm aber nicht davon abgehalten, sein bisher mit Abstand ehrgeizigstes Projekt anzugehen, es vollständig aus eigener Tasche zu produzieren und vorzufinanzieren: Die Verfilmung von Goethes "Faust", und zwar Teil eins und zwei. Das Ganze entwickelte sich aus der Idee, eine Reihe von Faust-Zeichnungen anzufertigen, die an die Dante-Illustrationen von Salvador Dalí angelehnt waren. Detailansicht öffnen Ein Gemälde von P. Humm (Foto: The Humm Collection) Aus dem Quasi-Storyboard wurde ein Drehbuch. Auf straffe anderthalb Stunden eingedampft spielt Humms Faust in einer Silicon-Valley-Welt. Gretchen ist eine minderjährige Praktikantin eines Start-up-Unternehmens namens "Winestone Inc." ("Me-Too" lässt grüßen). Es wirkt, als wolle er die Geister jenes Universums austreiben, dem er den Rücken gekehrt hat. In seinen Zeichnungen hatte Humm Faust kurzerhand mit Christoph Waltz, Mephisto mit Ben Kingsley besetzt. In der soeben in nur 19 Tagen in London abgedrehten Filmversion haben der TV-Schauspieler Martin Hancock und der Bühnenveteran Glyn Dilley diese Rollen übernommen. Erfahrung mit Film hatte Humm bis dahin nicht. Den Regisseur Dominik Wieschermann ergoogelte seine Lebensgefährtin, die Fotografin Danielle Mah, im Internet. Das fertige Produkt, das Humm im Schnelldurchlauf auf einem riesigen Computerbildschirm präsentiert, wirkt wie eine Mischung aus einer abgefilmten Avantgarde-Theaterinszenierung mit Achtzigerjahre-Charme und Tommy Wise aus Independent-Kultfilm "The Room". Philipp Humm hat noch keinen Vertrieb für den Film, die Suche läuft. Und was sagen eigentlich Philipp Humms frühere Kollegen zu seinem Spurwechsel? "Ich weiß, dass viele auch gerne ihrer Passion so kompromisslos nachgehen würden", sagt er. "Aber sie trauen sich nicht." So bleibt ihnen nur die Reaktion, die sie mit nicht wenigen anderen teilen dürften, die mit Philipp Humms Kunst in Berührung kommen: ein bisschen Bewunderung, ein bisschen Kopfschütteln.
Philipp Humm war Topmanager, bis er sich zu einer Kehrtwende entschloss: Er kündigte, um Maler und Bildhauer zu werden. Und jetzt hat er auch noch Goethes "Faust" verfilmt.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/der-sinn-des-lebens-pinselbegabung-1.4255524
Der Sinn des Lebens - Pinselbegabung
00/12/2018
Noch nie war so viel Licht wie heute. Nicht allein beim 23. Lichterfest in Costa Rica oder bei der "21. Berlin Christmas Biketour". Auch in Damaskus und Moskau strahlt und leuchtet es. Nun ist Licht, so würde man heute sagen, ein "Top-Thema" der bereits seit Jahrtausenden im Dunkeln umherirrenden Menschheit. Licht, das war lange Zeit vor allem Sonne und Mond, Blitz und Feuer, Helligkeit und Wärme. Da und dort vielleicht sogar Erkenntnis. Heute findet sich Licht in jedem Handy. Smombies, Smartphone-Zombies, so nennt man Menschen, deren Gesicht einen nach Einbruch der Dunkelheit in fahlem Apple- oder Samsung-Weiß an der Bushaltestelle erschrickt. Doch wo gibt es schon noch vollkommene Dunkelheit in einer Welt, die nichts anderes ist als eine leuchtende Bühne? (Jeder, der beispielsweise noch die erbarmungslose Dunkelheit leuchtreklamefreier DDR-Städte persönlich kennenlernen durfte, weiß das zu schätzen.) Licht besticht. An jedem Kaufhaus, in jedem Fenster, an jedem Glühweinstand. Wer wünscht sich da bitte noch Kerze, Lampe und Fackel zurück? Doch Vorsicht. Auch die größten Leuchten sind manchmal nichts anderes als das hier: depperte Funzeln.
Von Moskau bis Costa Rica feiert die Welt mit elektrischen Lichterketten und LED-Displays ihren Sieg über die Dunkelheit. Ach, wenn es mit der Erleuchtung doch nur so einfach wäre.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/advent-licht-besticht-1.4255528
Advent - Licht besticht
00/12/2018
Mit 14 Jahren wurde Sammy Woodhouse vergewaltigt und bekam einen Sohn. 17 Jahre später muss sie sich dagegen wehren, dass der Vergewaltiger von den Behörden in das Leben des Sohnes eingebunden wird. Sammy Woodhouse stand mit ihrer Anwältin im Familiengericht von Rotherham und war sich sicher, dass alles gutgehen würde. Im Rahmen des Möglichen, zumindest. Ihr 17-jähriger Sohn ist ein schwieriges, ein traumatisiertes Kind, er habe "komplexe Bedürfnisse", sagt Sammy Woodhouse. Sie kam schon lange nicht mehr klar mit ihm, hatte selbst eine Depression gehabt, war suizidal gewesen, sie konnte ihrem Sohn nicht die nötige Unterstützung geben. Also hatte sie beim Jugendamt darum gebeten, dass der Teenager von Fachleuten betreut wird und Erziehungshilfe erhält.
Mit 14 Jahren wurde Sammy Woodhouse vergewaltigt und bekam einen Sohn. 17 Jahre später muss sie sich dagegen wehren, dass der Vergewaltiger von den Behörden in das Leben des Sohnes eingebunden wird.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/missbrauchsskandal-in-grossbritannien-im-stich-gelassen-1.4244257
Missbrauchsskandal in Großbritannien - Im Stich gelassen
00/12/2018
Ran an den Strom: Das müssen Smartphones in der Regel einmal am Tag. In Mainz sind am Samstagabend drei Jugendliche bei dem Versuch erwischt worden, ihre Handys an den Außensteckdosen fremder Häuser aufzuladen. Ein Fußgänger hatte der Polizei gemeldet, dass drei Personen mit Taschenlampen Grundstücke ausleuchteten. Die Beamten trafen dann auf die jungen Männer, die zugaben, nach Steckdosen gesucht zu haben, um die Akkus ihrer Handys aufzuladen. Auf einem Balkon fanden die Polizisten ein Mobiltelefon, das mit einer Steckdose verbunden war. Warum sie ausgerechnet dort nach Strom suchten, ist unklar. Was für manche nach einer Lappalie klingen mag, endet für die Jugendlichen nun in einem Strafverfahren wegen Hausfriedensbruchs und "Entziehung elektrischer Energie". So heißt nämlich ein Paragraph des Strafgesetzbuches. Wer unerlaubt und absichtlich Strom anzapft, kann dafür mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe belangt werden. Ob die Jugendlichen ihre Handys tatsächlich aufladen konnten, teilte die Polizei nicht mit. Für das Verfahren dürfte das auch keine Rolle spielen. Schon der Versuch, Strom abzuzweigen, ist strafbar.
Sie schlossen ihre Mobiltelefone unerlaubt an den Außensteckdosen eines fremden Hauses an, jetzt wird gegen sie ermittelt. Grund ist ein ziemlich unbekannter Paragraph gegen "Entziehung elektrischer Energie".
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/stromdiebstahl-jugendlichen-droht-verfahren-weil-sie-handys-laden-wollten-1.4255677
Jugendliche wollten Handys laden - Stafverfahren
00/12/2018
Die Popsängerin Shakira, die mit bürgerlichem Namen Shakira Isabel Mebarak Ripoll heißt, bei einer Charity-Veranstaltung 2017 im Stadion Camp Nou in Barcelona, der Arbeitsstätte ihres Partners, dem Fußballprofi Gerard Piqué. Die diesjährige Vorweihnachtszeit verläuft bei dem Paar Shakira und Gerard Piqué recht turbulent. Zum Jahresende haben beide Ärger mit der Justiz. Ende November musste der Fußballprofi Piqué, 31, bereits 48 000 Euro Strafe zahlen, weil er ohne gültigen Führerschein Auto gefahren war. Und nun wurde anderthalb Wochen vor Weihnachten bekannt, dass die Staatsanwaltschaft von Barcelona Klage gegen Shakira, 41, wegen Steuerbetrugs eingereicht hat. Bei Shakiras Angelegenheit geht es jedoch um eine deutlich höhere Summe. Der Sängerin wird vorgeworfen, in den Jahren 2012 bis 2014 rund 14,5 Millionen Euro am spanischen Finanzamt vorbeigeschleust zu haben. Ihr werden sechs Delikte zur Last gelegt, wie die größte spanische Tageszeitung El País berichtet. Shakiras Anwälte hatten die Vorwürfe gegen ihre Mandantin schon vor der Anklage zurückgewiesen: Shakira schulde den spanischen Behörden kein Geld. In einer von Vertretern der Sängerin übermittelten Stellungnahme hieß es zudem, sie sei während der fraglichen Jahre juristisch nicht Einwohnerin Spaniens gewesen. Sie beschuldigte die Behörden, sie zum "Sündenbock" zu machen. Sie sei die meiste Zeit außerhalb Spaniens tätig gewesen und habe den größten Teil ihrer Einnahmen bei internationalen Tourneen erzielt. Shakira arbeitet weltweit Ein zentraler Punkt des Verfahrens wird sein, zu klären, wann Shakira wo gelebt hat und wo sie demnach steuerpflichtig gewesen ist. Nicht leicht, denn der Beruf des international erfolgreichen Popstars bringt es mit sich, häufig im Ausland zu arbeiten. Die Kolumbianerin arbeitet bereits seit zwanzig Jahren international. Ihre ersten erfolgreichen Alben erarbeitete sie in den USA, ihr sechstes Album "Fijacion Oral 1" aus dem Jahr 2005 nahm sie in Kanada und auf den Bahamas auf. Es folgten mehrere Welttourneen. Allmählich wurde Spanien aus privaten Gründen jedoch wichtiger für die Sängerin. Im März 2011 bestätigte Shakira ihre Beziehung mit dem spanischen Fußballprofi Gerard Piqué, der seit 2008 durchgehend beim FC Barcelona spielt und in Esplugues de Llobregat, westlich von Barcelona, lebt. Im Januar 2013 kam der erste gemeinsame Sohn der Beiden zur Welt, im Januar 2015 der zweite. Die Steuerhinterziehungsvorwürfe beziehen sich auf just diesen Zeitraum der Familiengründung. Die spanischen Staatsanwälte werfen Shakira vor, sie habe in dieser Zeit die Bahamas als steuerlichen Wohnort angegeben, tatsächlich aber mit ihrem Partner in Spanien gelebt. Shakira hatte ihren steuerlichen Wohnsitz offiziell erst 2015 nach Spanien verlegt, nachdem ihr zweites Kind zur Welt gekommen war. Lebte sie bis dahin wirklich auf den Bahamas? Shakiras und Piqués Leben ist gut dokumentiert Die Frage wird nun sein, wieviel Zeit die Sängerin tatsächlich in Spanien verbracht hat - wenn es mehr als sechs Monate gewesen waren, wäre sie dort nach spanischem Recht steuerpflichtig gewesen. Die Steuersätze auf den Bahamas sind deutlich niedriger als in Spanien. Shakira tauchte im vergangenen Jahr in den "Paradise Papers" auf, jenen Geheimdokumenten, die der Süddeutschen Zeitung zugespielt wurden und aus denen hervor ging, wie Wohlhabende Steueroasen nutzen. Was der Beruf des internationalen Popstars auch mit sich bringt und das Verfahren erleichtern könnte, ist der Umstand, dass das öffentliche Leben der beiden Stars gut dokumentiert ist. 2013 und 2014 etwa hatte Shakira tatsächlich längere Engagements im Ausland - sie arbeitete gut sichtbar in den USA, als Coach bei der Fernsehsendung "The Voice". Allerdings nur drei und vier Monate lang. Die spanische Steuerbehörde greift durch Die Staatsanwälte fordern, dass Shakira 19,4 Millionen Euro hinterlegt. Dieser Betrag errechnet sich aus der vermeintlich ausstehenden Steuerschuld von 14,5 Millionen Euro plus knapp 5 Millionen Euro, die in Einklang mit spanischem Recht addiert werden. Theoretisch könnte Shakira wohl auch eine Haftstrafe drohen, was aber wenig wahrscheinlich ist. Die spanische Steuerbehörde greift in den vergangenen Monaten bei den Superreichen im Land hart durch. Auch der Fußballprofi Lionel Messi hatte Probleme mit der spanischen Finanzbehörde "Agencia Tributaria". Er musste laut Spiegel-Berichten zwölf Millionen Euro Steuern nachzahlen. Er wurde zunächst zu 21 Monaten Haft verurteilt; die Strafe konnte allerdings zu einer Geldstrafe von gut einer Viertelmillion Euro umgewandelt werden, weil er Ersttäter war. Und im Juni diesen Jahres musste der Fußballprofi Cristiano Ronaldo sich mit der spanischen Behörde einigen und 18,8 Millionen Euro an Nachzahlungen, Strafe und Zinsen leisten sowie eine zweijährige Haftstrafe auf Bewährung akzeptieren. Shakira teilte in ihrem Statement mit, die Behörde wolle mit ihrer Klage gegen sie "andere Steuerzahler" nur "verängstigen, damit diese beichten". Sie fühlt sich offenbar ungerecht behandelt. Freiwillig teilte sie ihr Vermögen in der Vergangenheit jedoch in weitaus größerem Umfang: 2007 spendete sie über ihre Stiftung vierzig Millionen US-Dollar, um den Wiederaufbau der von Naturkatastrophen zerstörten Regionen Peru und Nicaragua zu beschleunigen.
Shakira soll Steuern in Millionenhöhe hinterzogen haben. Der Verdacht: Zwischen 2012 und 2014 lebte sie in Spanien - war aber auf den Bahamas gemeldet.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/shakira-klage-steuerbetrug-barcelona-delikte-bahamas-spanien-1.4254871
Steuern - Wo lebte Shakira wirklich?
00/12/2018
Keith Richards Am Dienstag wird er 75 Jahre alt. Kein Alter für einen Rolling Stone. Oder etwa doch? Keith Richards hat der Musikzeitschrift Rolling Stone verraten, dass er allmählich an seine Gesundheit denkt - und sich selbst mit Abstinenz beschenkt. Im vergangenen Jahr habe er kaum noch Alkohol getrunken, "gelegentlich ein Glas Wein und ein Bier". "Ich hatte genug davon. Es war Zeit, aufzuhören", sagte der Gitarrist der womöglich größten Rock-Band des 20. Jahrhunderts. Bei der jüngsten Europa-Tour sei es "interessant" gewesen, "nüchtern zu spielen". Von Bandkollege Ronnie Wood, der selbst seit 2010 trocken ist, gab es prompt ein Kompliment: "Es ist eine Freude, mit ihm zu arbeiten. Er ist jetzt offener für Vorschläge", so Wood.
Keith Richards trinkt nicht mehr, Heino zockt nicht mehr. Arnold Schwarzeneggers Tochter ist ganz offiziell nicht mehr solo und Miley Cyrus schwärmt von ihrem "Überlebenspartner".
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/keith-richards-miley-cyrus-heino-taylor-swift-1.4252160
Promis: Abstinenzversprechen und andere Liebesbeweise
00/12/2018
Weil ihr Wohnschiff den Fluss nicht befahren kann, harren Paul und Marietta Kamstra an der deutsch-polnischen Grenze der Dinge. Seit einem halben Jahr. Wie geht es ihnen? Wegen des trockenen Sommers lief das Hausboot Avontuur ("Abenteuer") des niederländischen Ehepaars auf Grund. Sie warten seit einem halben Jahr auf Regen. Seit 14 Jahren leben der Holländer Paul Kamstra, 74, und seine Frau Marietta, 63, auf dem 25 Meter langen und fünf Meter breiten Hausboot Avontuur (Abenteuer). Doch während des trockenen Sommers sind sie in Brandenburg gestrandet. Seitdem warten sie auf Regen. SZ: Herr Kamstra, wie kam es, dass Sie und Ihre Frau auf ein Boot gezogen sind? Paul Kamstra: Eigentlich war ich Maschinenbauingenieur und meine Frau Lehrerin. Wir haben uns über eine Segelzeitschrift kennengelernt. Als wir 2004 Rentner wurden, haben wir alles verkauft und uns unseren Lebenstraum erfüllt. Marietta und ich wollten schon immer mit dem Schiff um die Welt fahren. Und das haben wir dann auch gemacht. Und wo waren Sie so? Australien, Patagonien - nur, dass wir jetzt schon ein halbes Jahr ausgerechnet in Kienitz festsitzen, das hätten wir nicht gedacht. Aber keiner wusste, dass es den Sommer über so trocken werden würde. So ist das eben, mit dem Klimawandel. Wie lange werden Sie dort noch bleiben? Anfangs hatten wir ja noch gehofft, dass im Oktober oder November ein richtiger Regen kommt. Aber nichts ist passiert. Jetzt wird's wahrscheinlich März. Hoffentlich! Was haben ihre Kinder gesagt, als sie damals einfach auf Weltreise abgehauen sind? Die waren immer stolz auf uns. Und jetzt vermisst die Familie sie beide nicht? Ob man jetzt in Australien ist oder in Kienitz festsitzt, macht keinen Unterschied für die Familie in Holland. Und wir kommen sie ja auch oft besuchen. Geburten werden immer in Holland gefeiert. Und manchmal kommen uns auch unsere sieben Enkelkinder auf unserem mehr als hundert Jahre alten Boot besuchen. Wie vertreibt man sich die Zeit auf einem Schiff, das nicht fährt? Mit Ausflügen, lesen und unseren Hobbies. Platz haben wir ja, 120 Quadratmeter. Wir machen Kunst und Werkzeuge aller Art. Wie normale Rentner auch. Nur, dass andere vielleicht nicht auf dem Wasser leben, aber die lassen ja auch nur dreimal täglich ihren Hund raus - und das war's. Was machen Sie an Weihnachten? Wahrscheinlich fahren wir nach Holland. Mit welchem Verkehrsmittel? Zug! Der ist billig und gut. Und besser für das Klima. Könnten Sie sich denn vorstellen, das Schiff irgendwann ganz stehen zu lassen? Nein, niemals. Ich bin 100 Prozent sicher, dass bald wieder Wasser kommt. Und für uns wäre es unmöglich in einem Steinhaus zu leben - mit festen Nachbarn und so. Das Wichtigste ist und bleibt nämlich: die Freiheit.
Wegen des trockenen Sommers lief das Hausboot Avontuur ("Abenteuer") des niederländischen Ehepaars auf Grund. Sie warten seit einem halben Jahr auf Regen.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/ein-anruf-bei-ehepaar-kamstra-das-auf-weltreise-in-brandenburg-strandete-1.4253753
Ein Anruf bei ... - Ehepaar Kamstra, das auf Weltreise in Brandenburg strandete
00/12/2018
Wegen eines vergessenen Spenderherzens ist ein Southwest-Airlines-Flug auf dem Weg von Seattle nach Dallas umgekehrt. Das Spenderorgan war ursprünglich auf einem Linienflug von Sacramento in Kalifornien nach Seattle im Bundesstaat Washington transportiert worden, berichten US-Medien. Dort habe die Crew vergessen, das Herz auszuladen. Während des Anschlussfluges sei der Fehler aufgefallen, der Pilot musste wenden. Ganz so dramatisch sei der Vorfall aber nicht gewesen, versicherte das Spendernetzwerk Sierra Donor Services (SDS) in Sacramento. Es habe kein Patient auf das Organ gewartet. Das Herz sollte an ein Unternehmen geliefert werden, das lediglich die Herzklappen für zukünftige Transplantationen vorbereite.
Ein Flugzeug sollte ein Herz nach Seattle bringen. Die Crew vergaß jedoch, es auszuladen, flog weiter und musste wenden.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/kalifornien-spenderherz-vergessen-1.4253755
Spenderherz vergessen
00/12/2018
Es war der Tag, als die Türken erfuhren, dass ihr Land ins All aufbrechen will und eine "nationale Raumfahrtbehörde" gründen wird. Präsident Recep Tayyip Erdoğan verkündete zudem sein neues 100-Tage-Programm: noch mehr Großprojekte, Tunnel, Pipelines. Nur wenige Stunden zuvor war am Donnerstagmorgen um 6.36 Uhr, sechs Minuten nach der Abfahrt am Hauptbahnhof von Ankara, ein türkischer Hochgeschwindigkeitszug auf eine Lokomotive geknallt, die zur Gleisprüfung unterwegs war. Der Aufprall war so heftig, dass sich Teile des Zuges in die Luft schraubten, eine Fußgängerbrücke brach ein. Es gab neun Tote und 86 Verletzte. In dem Zug saßen 206 Menschen. Für die Strecke Ankara - Konya, knapp 300 Kilometer, braucht der Zug laut Fahrplan gewöhnlich eine Stunde und 48 Minuten. Es ist eine der wenigen neuen Hochgeschwindigkeitsstrecken der Türkei. Auch deren Ausbau gehört zu Erdoğans ehrgeizigen Plänen. Kritiker mahnen dagegen seit Längerem: Die Türkei wolle zu schnell zum Übermorgenland werden, sie vernachlässige die Sicherheit im Hier und Heute. Nicht der erste schwere Zugunfall 2018 Auf dem Streckenabschnitt soll es keine funktionierende Signalanlage gegeben haben. Man habe sich auf Funkgeräte verlassen, sagte der Chef der Transportgewerkschaft BTS, Hasan Bektaş, türkischen Medien. Das Teilstück sei nach dem Bau übereilt für den Verkehr freigegeben worden. Die oppositionelle Zeitung Cumhuriyet erinnerte daran, wie die Regierung der ihr nahestehenden Baufirma für die "wundersame" schnelle Fertigstellung gedankt habe. Die Staatsanwaltschaft hat nun eine Untersuchung eingeleitet. Drei Mitarbeiter der staatlichen Eisenbahngesellschaft wurden festgenommen, ein Weichensteller, ein Fahrdienstleiter und ein Kontrolleur. Die Lokführer sind unter den Toten, wie auch ein deutscher Mitarbeiter der deutschen Entwicklungsagentur GIZ. Es ist nicht der erste schwere Zugunfall in der Türkei in diesem Jahr. Im Juli starben in Çorlu, im Nordwesten des Landes, 24 Menschen, 318 wurden verletzt, als ein Zug mit 362 Reisenden entgleiste. Regen hatte das Gleisbett unterspült. Der Abgeordnete Ömer Fethi Gürer von der größten Oppositionspartei, der CHP, hat erst jüngst die Regierung gefragt, wie viele Zugunfälle es seit 2003 gab, so lange regiert die AKP. In der Antwort des Verkehrsministers, die der SZ vorliegt, heißt es: Bei 4141 Unfällen starben 1418 Menschen. Im Durchschnitt habe es jedes Jahr 276 Unfälle gegeben. Diese Zahlen liegen so weit über den bislang bekannten Angaben über Bahnunfälle in der Türkei, dass man sich auch im Büro des Abgeordneten wunderte. "Das ist gigantisch", sagte eine Mitarbeiterin des Politikers am Freitag der SZ, "aber so steht es in der Antwort." Nur 1,5 Prozent des Passagierverkehrs werden in der Türkei auf der Schiene abgewickelt. Die Bahn wurde lange vernachlässigt. Einst war das Land stolz auf sein Schienennetz, mehr als hundert Jahre alte Bahnhöfe wie Sirkeci oder Haydarpaşa in Istanbul erinnern mit ihrem verblichenen Glanz an den Orient-Express oder die Bagdad-Bahn. In den Fünfzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts war es vor allem amerikanischer Einfluss, der die Türken glauben ließ, die Zukunft gehöre der Straße, Bus- und Luftverkehr wurden gefördert. Erst in jüngster Zeit setzt man wieder auf die Bahn.
Der schwere Unfall, bei dem zwei Züge nahe Ankara kollidierten, ist kein Einzelfall: Seit 2003 kamen in der Türkei 1418 Menschen bei Zugunglücken ums Leben.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/tuerkei-neben-der-spur-1.4253751
Neben der Spur
00/12/2018
Da bereist man die ganze weite Welt und dann strandet man ausgerechnet in Brandenburg: Seit einem halben Jahr sitzt ein niederländisches Rentnerpaar im Hafen von Kienitz an der Oder fest. Wegen des niedrigen Wasserpegels kann ihr Schiff, die Avontuur (auf Deutsch: Abenteuer), den Fluss nicht befahren. Es besteht sonst die Gefahr, auf Grund zu laufen. "Damit hatten wir nicht gerechnet. Eine Zeit lang hofften wir noch, dass es vielleicht im Oktober oder November nochmal ordentlich regnet. Jetzt geht es vielleicht erst im März 2019 weiter" erzählt der 74-jährige Paul Kamstra der SZ am Telefon (im Bild mit seiner Frau Marietta am Deck des Hausbootes).
Weil ihr Wohnschiff den Fluss nicht befahren kann, harren Paul und Marietta Kamstra an der deutsch-polnischen Grenze der Dinge. Seit einem halben Jahr. Wie geht es ihnen?
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/niedrigwasser-oder-rentner-1.4253265
Niedrigwasser: Rentnerpaar strandet auf der Oder
00/12/2018
Mit drastischen Worten hat der neue Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer die katholische Kirche zu einer konsequenteren Aufarbeitung ihres Missbrauchskandals aufgefordert. "Wir nehmen das Problem von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch in der Kirche immer noch nicht ernst genug", sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger. Es gebe "Strukturen des Bösen". Der Missbrauch von Macht stecke "in der DNA der Kirche". "Wir können nicht mehr weitermachen wie bisher", sagte der 57-Jährige, der sich in seiner noch jungen Amtszeit als konsequenter Aufklärer im Missbrauchsskandal profiliert hat. Zu notwendigen Änderungen gehört seiner Ansicht nach mehr Partizipation für die Laien. "Um das Böse in der Kirche einzudämmen, brauchen wir eine wirksame Kontrolle der Macht in der Kirche. Wir brauchen Gewaltenteilung, wir brauchen ein System von 'Checks and Balances'." Wilmer forderte, in erster Linie Gerechtigkeit für die Opfer des sexuellen Missbrauchs zu schaffen. Ein "klammheimliches Verschwindenlassen in irgendwelchen Schubladen" werde es mit ihm nicht geben. "Wir brauchen auch dringend so etwas wie Wahrheitskommissionen." "Diese Kirche ist eine sündige Kirche" Der seit dem 1. September amtierende Wilmer hatte kürzlich von einem Versagen seiner Hildesheimer Amtsvorgänger gesprochen und diese auch namentlich benannt. Gleichzeitig äußerte er sich jetzt aber zurückhaltend zu schon seit Jahren bestehenden Forderungen, das Grab des unter Missbrauchsverdacht stehenden Bischofs Heinrich Maria Janssen aus dem Hildesheimer Dom zu entfernen. "Tote soll man ruhen lassen - ich habe die Sorge, dass dieses schwierige Thema das Bistum spalten könnte." Bereits 2015 hatte ein Mann dem verstorbenen Bischof Janssen sexuellen Missbrauch vorgeworfen und die Entfernung der sterblichen Überreste aus dem Dom gefordert. Zur Aufklärung der Vorwürfe gegen Janssen hat das Bistum Hildesheim das Münchner Institut für Praxisforschung und Projektberatung eingeschaltet. Ende September veröffentlichten Wissenschaftler auf der Herbstvollversammlung der katholischen Deutschen Bischofskonferenz in Fulda eine Studie zum sexuellen Missbrauch durch katholische Amtsträger zwischen 1946 und 2014. Demnach wurden 3677 Minderjährige Opfer sexuellen Missbrauchs, 1670 Kleriker sind der Taten beschuldigt. Wilmer sagte, als Vertreter der "Täterseite" habe auch er Schuld, auch wenn er selbst kein Täter sei. "Wir werden den Glauben an die 'heilige Kirche' in Zukunft nur noch dann redlich bekennen können, wenn wir mitbekennen: Diese Kirche ist auch eine sündige Kirche."
Der neue Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer übt scharfe Kritik. Man nehme sexualisierte Gewalt "immer noch nicht ernst genug", sagt er. Missbrauch von Macht stecke "in der DNA der Kirche".
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/katholische-kirche-missbrauch-hildesheim-1.4253261
"Bischof spricht von ""Strukturen des Bösen"" in Kirche"
00/12/2018
Deutscher Humor ist nicht gerade ein Exportschlager. "Fack ju Göhte" auf mexikanisch war ein Wagnis - und die US-Version von "Honig im Kopf" wird nach einer Woche abgesetzt. "So lustig wie eine Wurzelbehandlung ohne Anästhesie", nennt der Observer die Neuverfilmung. Und die New York Times bemüht Wörter wie "bizarr", "katastrophal" und "anstößig". Der Film scheine in einem Küchenmixer geschnitten worden zu sein. Nein, diesmal lief es gar nicht gut für den sonst so erfolgsverwöhnten Til Schweiger. Hatten seine Komödie "Honig im Kopf" mit Dieter Hallervorden als Alzheimer-Opa in Deutschland noch sieben Millionen Zuschauer gesehen, so geriet die Neuverfilmung "Head Full of Honey" mit Nick Nolte in den USA zum Desaster. Abgesetzt, nach kaum einer Woche. Einspielergebnis: Wenig mehr als 11 000 Euro. "Überlanges Wirrwarr", schreibt die Los Angeles Times. Und Schweiger, mit dem Remake von "Barfuß" bereits vor Jahren in den USA gefloppt, erklärt jetzt dazu in der Bild: "Es war eine sehr schwere Zeit für mich." Im März ist deutscher Kinostart. "Überlanges Wirrwarr" Er ist halt überaus speziell, der deutsche Humor. Und unheimlich schwer exportierbar. Das hatte Michael Bully Herbig bereits im Jahr 2002 erfahren müssen. Russland sollte ja nur ein erster Test sein für den weltweiten Siegeszug seines albernen Blockbusters "Der Schuh des Manitu". Doch schon in der Moskauer Pressevorführung lachte niemand. Die Nowyje Iswestija schrieb von einem "stümperhaften Film ohne jeglichen Witz". Gut, woanders mag so etwas manchmal klappen. "Benvenuti al Sud", die italienische Version der französischen "Sch'tis", das mag ja einigermaßen funktioniert haben. Ebenso Frankreichs "Drei Männer und ein Baby" als US-Remake mit Tom Selleck. Viel länger aber ist die Liste der Peinlichkeiten: Richard Gere macht in "Atemlos" einen auf Jean-Paul Belmondo? Geht nicht. Tom Hanks imitiert Pierre Richard in der US-Version von "Der große Blonde mit dem schwarzen Schuh"? Will keiner sehen. "Fack ju Göhte" überforderte Mexiko Nur klug also, dass sich Jack Nicholson von der Idee, ein amerikanischer "Toni Erdmann" zu werden, gerade verabschiedet hat. Nicholson als Peter Simonischek, das ist so wie Fritzi Haberlandt als Bond-Girl. Schon das amerikanisch-deutsch-mexikanische Remake von "Fack ju Göhte" ("No manches Frida"/"Keine Flecken, Frida") hat jenseits des Atlantiks viele überfordert. Vermutlich wäre es für Til Schweiger besser gewesen, so zu agieren wie es einst Josef von Sternberg getan hat. Der hatte Marlene Dietrich auf dem gleichen Fass, auf dem sie 1929 als "Der blaue Engel" saß und "Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt" sang, gleich in der nächsten Einstellung als "The blue angel" "Falling in Love again" trällern lassen. Zur gleichen Musik, in der gleichen Kulisse. Das rechnet sich! Und von Laurel und Hardy sind frühe Tonfilme erhalten, in denen sie phonetisches Deutsch sprechen. Zum Totlachen. Til Schweiger und Didi Hallervorden, wie sie phonetisches Englisch sprechen oder alzheimelndes Französisch ("Miel dans la tête") oder berlinerisches Italienisch ("Miele in testa") - das hätte sogar den Oscar verdient.
Deutscher Humor ist nicht gerade ein Exportschlager. "Fack ju Göhte" auf mexikanisch war ein Wagnis - und die US-Version von "Honig im Kopf" wird nach einer Woche abgesetzt.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/honig-im-kopf-til-schweiger-wird-abgesetzt-1.4252012
"""Honig im Kopf"":Til Schweiger jetzt in USA abgesetzt"
00/12/2018
Nein, ihr könne das nicht passieren, hatte die Frau noch gesagt. Das muss ein paar Jahre vor dem Schlaganfall gewesen sein, da war sie schon jenseits der 60, in einem Alter also, in dem man über solche Dinge nachdenkt. Zweimal hatte sie in ihrem Umfeld erlebt, dass Menschen ins Wachkoma gefallen und künstlich am Leben erhalten worden waren. Das muss sie sehr beschäftigt haben. Jedenfalls hatte sie zu Angehörigen und Bekannten immer wieder gesagt: So möchte ich nicht daliegen, ich möchte nicht künstlich ernährt werden, lieber sterbe ich. Aber das könne ihr ja nicht passieren, denn sie habe vorgesorgt. Mit einer Patientenverfügung. Im Juni 2008 erlitt sie einen Schlaganfall. Nach einem Herz-Kreislaufstillstand fiel sie in ein Wachkoma. Die Frau, inzwischen 78 Jahre alt, liegt jetzt da und wird per Magensonde künstlich ernährt, seit mehr als zehn Jahren schon. Keine Chance, das Bewusstsein je wiederzuerlangen, sagen die Ärzte; die Fähigkeit zu bewusster Wahrnehmung und Verarbeitung von Reizen sei komplett ausgelöscht. Sterben durfte sie trotzdem nicht - trotz Patientenverfügung. Während sie so dalag, wanderte ihr Fall durch die Gerichtsinstanzen. Der Sohn wollte sie sterben lassen, der Ehemann nicht. Beide waren gerichtlich zu Betreuern bestellt, aber sie waren sich nicht einig. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) das letzte Wort gesprochen: Die Patientenverfügung ist verbindlich - dem Wunsch der Frau, aus dem Leben scheiden zu dürfen, muss entsprochen werden. Der Fall berührt den heikelsten Punkt der Patientenverfügungen. Das Bundesgesundheitsministerium wirbt nach Kräften dafür, dass man rechtzeitig bestimmen sollte, was Ärzte zu tun und was sie zu lassen haben, wenn man selbst schwer krank und entscheidungsunfähig auf dem Krankenbett liegt. Die Patientenverfügung der Frau war sogar detailliert Eine solche Verfügung präzise zu formulieren, ist aber keine ganz einfache Angelegenheit. Eugen Brysch, dessen Deutsche Stiftung Patientenschutz 8000 Betroffene jährlich berät, hat die Erfahrung gemacht: Ohne fachlichen Rat bekommt man das kaum solide hin. Denn der BGH hat 2016 hohe Anforderungen an solche Verfügungen gestellt. Der bloße Wunsch nach einem "würdevollen Sterben" genügt nicht, ebenso wenig die Äußerung, man wolle "keine lebenserhaltenden Maßnahmen". Der Wille des Patienten muss sich auf "konkrete Behandlungssituationen" beziehen und ärztliche Maßnahmen eindeutig benennen, etwa das Abstellen der Flüssigkeitszufuhr. Dabei war die Patientenverfügung der Frau, die sie schon 1998 aufgesetzt hatte, sogar halbwegs detailliert. Wenn keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins bestehe, wenn durch Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibe, wenn lebenswichtige Funktionen des Körpers dauerhaft ausfielen - für all diese Fälle hatte sie lebensverlängernde Maßnahmen abgelehnt. Das hatte sie ja später mehrmals bekräftigt, als sie über Wachkomapatienten im Umfeld sprach. Und dann hat sie ihrer Therapeutin noch einen Satz gesagt, nach dem Schlaganfall, als sie ein allerletztes Mal die Sprache wiederfand: "Ich möchte sterben." Bedrückend, aber lehrreich Aus Sicht des BGH ist die Sache damit eindeutig. Denn wenn eine Patientenverfügung nicht ganz so detailliert ist, wie sie, streng genommen, sein sollte, lässt sich mit Hilfe ihrer späteren Äußerungen sehr klar ermitteln, dass sie so nicht ihrem Ende entgegendämmern wollte, ohne Bewusstsein und ohne Chance, je wieder aufzuwachen. Ihr Wille ist damit verbindlich, die Magensonde muss entfernt werden. Bittere Ironie des langen Rechtsstreits: Der klare, unmissverständliche Patientenwille ist auch ohne Entscheidung eines Betreuungsgerichts bindend. Nur bedurfte es mehrerer Urteile, dies festzustellen. Das Schicksal der Frau, die nicht sterben durfte, ist bedrückend, aber zugleich lehrreich. Dass man - obwohl ihr Wunsch doch eindeutig zu sein schien - so lange um Klarheit ringen musste, hatte erstens damit zu tun, dass sie praktizierende Katholikin war, also niemand, der sich die Entscheidung leicht macht, das Sterben in die eigenen Hände zu nehmen. Und zweitens stand in der Patientenverfügung der Satz: "Aktive Sterbehilfe lehne ich ab." Nun ist das Abstellen der künstlichen Ernährung zwar gerade keine "aktive" Sterbehilfe, sondern ein schlichtes Sterbenlassen - trotzdem rätselten die Gerichte lange herum, wie die Frau den Satz gemeint haben könnte. "Konflikte dieser Art sind alles andere als selten", sagt der Patientenschützer Brysch. Denn Patientenverfügungen seien fast immer interpretationsbedürftig. Deshalb rät seine Organisation dazu, mit der Patientenverfügung auch gleich eine Vorsorgevollmacht abzuschließen. Damit könne man festlegen, wer am Ende die Interpretationshoheit über die Verfügung habe. Seine Empfehlung lautet, am besten nur einer Person eine Vollmacht für medizinische Fragen zu erteilen - um Konflikte wie in dem BGH-Fall zu vermeiden. "Und es muss nicht unbedingt der Ehemann, der Sohn oder die Tochter sein. Es kann auch ein guter Freund sein." Wichtig sei nur, eine Person "stark zu machen", die am Lebensende für den Patienten spreche.
Eine 68-Jährige erleidet einen Schlaganfall und liegt zehn Jahre im Wachkoma - trotz Patientenverfügung. Diese war nicht präzise genug. Der BGH sagt: Ihr Wunsch gilt trotzdem.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/patientenverfuegung-wachkoma-bgh-urteil-sterbehilfe-1.4252052
Zehn Jahre Wachkoma - trotz Patientenverfügung
00/12/2018
Bei einem schweren Zugunglück in der türkischen Hauptstadt Ankara sind mindestens neun Menschen getötet und 47 verletzt worden. Das sagte Transportminister Mehmet Cahit Turhan im Fernsehen. Unter den Toten seien einer der Zugführer aus einer Lokomotive sowie zwei Lokführer aus einem Schnellzug. 47 Menschen seien verletzt worden. Unter den Toten ist auch ein Deutscher, wie das Auswärtige Amt mitteilte. Ein Hochgeschwindigkeitszug war gegen 6.30 Uhr (Ortszeit) engleist, weil er mit einer Lokomotive zusammengestoßen war, die auf demselben Gleis fuhr. Unter den Todesopfern sollen drei Lokführer sein. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, insgesamt seien zum Zeitpunkt des Unfalls 206 Menschen an Bord gewesen. Die bei dem Zusammenprall freigesetzten Kräfte schoben Wagons fast senkrecht in die Höhe und gegen eine Überführung. Das zeigen Fotos vom Unfallort. Die Konstruktion, die offenbar zu Teilen aus Metallträgern bestand, brach teilweise auf zwei Waggons herunter. Die Nachrichtenagentur DHA meldete, der Schnellzug sei vor der Kollision mit einer Geschwindigkeit von rund 90 Kilometern pro Stunde gefahren. Die Aufnahmen vom Unfallort zeigen zwei umgestürzte Wagen, einer davon quer zu den Gleisen, und die ebenfalls von den Gleisen abgekommene schwere Lokomotive. Der Unfallort liegt nahe der Station Marşandiz. Ersten Informationen und Bildern zufolge liegt dort unter anderem eine Anlage zur Wartung von Zügen. Sie befindet sich nur wenige Kilometer westlich des Stadtzentrums von Ankara. Laut Provinz-Gouverneur Şahin war die Lokomotive für eine Kontrollfahrt unterwegs. Noch immer offen ist die Frage, warum gleichzeitig zwei Züge auf demselben Gleis fuhren. Der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge hat die Staatsanwaltschaft in Ankara eine Untersuchung eingeleitet. Zugunglücke sind in der Türkei keine Seltenheit. Erst im Juli waren bei einem schweren Unfall in der Nordwesttürkei mindestens 24 Menschen ums Leben gekommen. Mehr als 300 Menschen mussten verletzt in Krankenhäuser gebracht werden. Der Zug mit 362 Reisenden an Bord war entgleist, nachdem Regenfälle das Gleisbett weggespült hatten.
Ein Hochgeschwindigkeitszug kracht am Morgen in eine Lokomotive. Es gibt Todesopfer und Dutzende Verletzte. Warum die Züge auf demselben Gleis unterwegs waren, ist unklar.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/ankara-zugunglueck-unfall-1.4251408
Türkei - Viele Tote bei Zugunglück in Ankara
00/12/2018
Es ist schwer zu glauben, dass niemand bemerkte, wie dreist sich eine Realschullehrerin ihr Gehalt aufbesserte. Schließlich lebte Gisela O. ihren unrechtmäßig erworbenen Reichtum nicht gerade heimlich aus: Mehr als 900 000 Euro hat sich die mittlerweile 66-Jährige pensonierte Beamtin durch Rezept- und Rechnungsfälschungen ergaunert. Vieles davon gab sie für Luxusartikel wie Designer-Handtaschen oder Füller aus. Das Osnabrücker Landgericht verurteilte sie nun wegen Beihilfebetrugs zu einer Freiheitstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten gefordert. Die Verteidigung sprach sich für eine Bewährungsstrafe aus. O. räumte die Vorwürfe schon zu Beginn des Prozesses ein. Ihr Eigentum, darunter Schmuck, Porzellan und 60 Designerhandtaschen, wurde beschlagnahmt - um den entstandenen Schaden wenigstens zum Teil auszugleichen. Die Gegenstände werden nun versteigert. Ihr Haus ist bereits für 488 000 Euro verkauft, das Geld ging vorerst an die Staatsanwaltschaft. Die Beamtin nutzte ihre chronische Krankheit aus, um die Beihilfestelle Niedersachsen zu betrügen. Sie bearbeitete ihre Originalrezepte und Rechnungen so, dass sie sie nicht nur einmal, sondern bis zu zehnmal bei der Beihilfestelle abrechnen konnte - ohne die angegebenen Medikamente bei der Apotheke abgeholt und gezahlt zu haben. Der Spiegel berichtete, dass der Verteidiger Frank Otten dazu vor Gericht gesagt haben soll: "Man wundert sich, dass das so fröhlich durchgewinkt wurde", und: "Wie kann das eigentlich sein?" Um die Arzneirezepte möglichst echt aussehen zu lassen, wurde die Frau handwerklich kreativ: Mit Nagelschere, Kopierer und einem Stempelabdruck bearbeitete sie die Rezepte - in Zeiten digitaler Bildbearbeitung nur schwer vorstellbar. In den Jahren zwischen 2012 und 2016 legte die Frau ganze 112 Mal die Nagelschere an. Die gebastelten Fälschungen reichte sie später bei der Beihilfestelle ein und forderte das vorgeblich ausgegebene Geld zurück.
Fast hätte es die mittlerweile pensionierte Beamtin zur Millionärin gebracht, indem sie sich nicht bezahlte Medikamente erstatten ließ. Jetzt wurde sie wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe verurteilt.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/niedersachsen-rezept-betrug-1.4251507
Niedersachsen - Lehrerin ergaunert 900 000 Euro
00/12/2018
Es war nicht Santa Claus, der im Kamin rumorte. Und eigentlich handelte es sich auch gar nicht um einen Schornstein, sondern um den Kochdunstabzug eines chinesischen Restaurants im kalifornischen Städtchen San Lorenzo. In dem Dunstabzug hing ein Mann zwei Tage lang fest. Am Mittwoch halt ihm die Feuerwehr heraus. Dem 29-Jährigen gehe es den Umständen entsprechend gut, teilte die Polizei mit. Er sei erschöpft gewesen, dehydriert und über und über mit Fett und Schmutz überzogen. Er wurde in ein Krankenhaus gebracht. Das Sheriffbüro des Bezirks Almeda prüft nun, wie der Mann in den Abzugschacht gelangte und geht der Frage nach: Was wollte er da? News Release: Man trapped in restaurant grease duct. https://t.co/4PrTK0m54G pic.twitter.com/Z6IcEoWVZO — Alameda County Sheriff (@ACSOSheriffs) 12. Dezember 2018 Dem San Francisco Chronicle sagte ein Polizeisprecher, es sei nicht das erste Mal, dass er "so etwas" sehe. Eine Andeutung darauf, dass es sich bei dem Feststeckenden um einen Einbrecher handeln könnte. Wenn dem so wäre, könnte der Mann versucht haben, durch den Schacht in das Gebäude zu gelangen. Ein Plan, bei dem wohl nicht mitbedacht worden war, dass der Metallschacht sich nach unten hin schmäler wird - und damit zur fettigen Falle. Der Polizei zufolge kamen die Retter gerade noch rechtzeitig. Eine dritte Nacht, so ein Sprecher, hätte der vermeintliche Dieb vielleicht nicht überlebt. Einem Bericht des Senders CBS zufolge soll ein Steuerberater, der in einem Büro neben dem Restaurant arbeit, auf die dumpfen, kaum wahrnehmbaren Hilferufe des Festsitzenden aufmerksam geworden sein. Daraufhin habe er Polizei und Feuerwehr gerufen. Die Befreiung des mutmaßlichen Einbrechers aus seiner misslichen Lage dauerte nach Polizeiangaben knapp eine Stunde. Dabei sei ein Schaden von etwa 10 000 Dollar entstanden.
Ein 29-Jähriger wollte offenbar übers Dach in ein chinesisches Restaurant einsteigen. Polizei und Feuerwehr befreiten ihn aus seiner misslichen Lage, gerade noch rechtzeitig.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/einbrecher-china-restaurant-kamin-1.4251593
USA: Mann steckt zwei Tage in Dunstabzugsschacht fest
00/12/2018
Am Berliner Holzmarkt geht es um viel Geld und die Frage, wer über den wenigen Freiraum, den es in Berlin noch gibt, bestimmen darf. Müsste man einen Ort nennen, der typisch für Berlin ist, würde vielen wahrscheinlich erst einmal nicht der Fernsehturm einfallen, das Brandenburger Tor oder der Kurfürstendamm. Sondern das sogenannte Kreativdorf an der Spree. Schon optisch ist es genauso, wie man sich eine Berliner Location vorstellt: eine bunt durcheinandergewürfelte Sammlung aus Holzgebäuden, Wohnungen, Ateliers und Galerien, dazwischen Cafés, eine Veranstaltungshalle, eine Kita und Platz zum Feiern. Eine Mischung aus Co-Working Space, Abenteuerspielplatz und Partyzone, die als "Holzmarkt" längst über die Hauptstadt hinaus bekannt ist. Und erst die Geschichte dieses Projekts: Früher war hier die legendäre Bar 25, ein weitläufiges Areal mit Liegewiese, Hütten und Strand, auf dem man über Tage tanzen, essen, trinken oder auch nur in der Hängematte liegen konnte. Ein Raum, an dem nichts festgelegt ist und der doch alles war, wofür Berlin steht: Platz und Freiheit. Und als das Gelände in begehrter Uferlage 2010 verkauft werden sollte, haben sich Künstler, Musiker und Leute aus der Clubszene kurzerhand zusammengeschlossen, um das zu verhindern. Sie haben eine "Genossenschaft für urbane Kreativität" gegründet, eine Schweizer Stiftung ins Boot geholt, und dann errichteten sie ihr Kreativdorf, das im Mai 2017 mit einer rauschenden Party eröffnet wurde. Hier könnte die Geschichte enden. Als urbanes Märchen, und wenn sie nicht gestorben sind, wohnen, arbeiten und feiern sie bis heute. Doch inzwischen ist um das Berliner Kreativdorf ein erbitterter Streit entbrannt. Es geht um viel Geld und die Frage, wer über den wenigen Freiraum, den es in Berlin noch gibt, bestimmen darf. Die Kreativen, die sich in dem Dorf angesiedelt haben, wollen das nicht hinnehmen, Tom Tykwer etwa Grund ist das Nachbargrundstück, das seit Beginn der Planungen zum Holzmarkt-Projekt gehört. Dort will die Genossenschaft fünf bis zu 30 Meter hohe Häuser größtenteils aus Holz errichten lassen, das "Eckwerk". Der Entwurf dafür stammt unter anderem vom renommierten Architektenbüro Kleihues + Kleihues und hat bereits bei internationalen Wettbewerben für Aufsehen gesorgt. Vor allem deswegen, weil die Architektur vieles offenlässt, nur Gefäß sein will für das, was die Leute eines Tages daraus machen. Und das kann alles sein, Gründer und Start-ups könnten hier ebenso unterkommen wie Künstler, Studenten und Forscher. Von einem Ort "der dritten Art" spricht der britische Stadtforscher Charles Landry, der sich lange mit dem Projekt beschäftigt hat. "Nicht Arbeit, nicht Wohnen, irgendetwas Drittes." Doch genau das ist das Problem. Denn Freiräume sind das eine. Das andere ist die Stadtplanung, und von der haben die einzelnen Beteiligten sehr unterschiedliche Vorstellungen. Der zuständige Bezirk glaubt, dass das Eckwerk baurechtlich nicht durchgesetzt werden kann, das Land Berlin wiederum will an dem Ort Wohnungen für 600 Studierende bauen. Passiert ist bislang nichts, es gab mehrere juristische Auseinandersetzungen. Inzwischen hat sich die Schweizer Stiftung zurückgezogen, und die Holzmarkt-Genossenschaft braucht dringend Geld. Sie will das Land Berlin aufgrund der Verzögerungen auf 19 Millionen Euro Schadenersatz verklagen. Das Berliner Vorzeigeprojekt, zu dem Stadtpolitiker regelmäßig Delegationen von Bürgermeistern aus aller Welt angeschleppt haben, steht auf der Kippe. Die Kreativen, die sich in dem Dorf angesiedelt haben, wollen das nicht hinnehmen. Der Regisseur Tom Tykwer etwa. Er spaziert an einem kalten Spätherbsttag über die verwinkelten Wege zum Mittagessen ins Restaurant Katerschmaus. Touristenschiffe fahren auf der Spree vorbei, immer wieder ziehen die Leute ihre Handys und machen Fotos vom Holzmarkt. Tykwer kennt den Ort, seit er früher in der Bar 25 seine Premierenfeiern abgehalten hat, inzwischen hat er sein Büro im Holzmarkt. Das Drehbuch zur Serie "Babylon Berlin" ist hier entstanden. Tykwer sagt, er habe sich in den Ort "verknallt", weil "man hier nicht nur Räumlichkeiten mietet, sondern die kreative Community gleich mit". Er verstehe nicht, sagt Tykwer, warum es so weit gekommen sei. "Wir sind ja nicht irgendwelche Robin Hoods hier, sondern wir haben in der ganzen Stadt Rückenwind." Jetzt soll eine Art Beirat retten, was noch zu retten ist. Darin sitzen der frühere Grünen-Politiker Wolfgang Wieland, die Architekturprofessorin Barbara Hoidn und der Hamburger Club-Betreiber John Schierhorn. Ganz Deutschland schaue auf dieses Projekt, sagt Schierhorn, "wenn das scheitert, ist das ein schlechtes Signal". 90 Tage geben sie sich, um alle Beteiligten an einen Tisch zu bringen und zu vermitteln. Damit der Holzmarkt zumindest in einer Beziehung nicht zu einem typischen Berliner Ort wird: mit großen Ambitionen gestartet und dann am Planungschaos gescheitert.
Es sollte Co-Working-Space und Ausgehmeile zugleich werden: Nun steht das Kreativdorf "Holzmarkt" am Spreeufer mit Wohnungen, Galerien, Cafés, Kindertagesstätte und Ateliers auf der Kippe.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/berlin-kreativdorf-holzmarkt-1.4249127
"Berlin: Kreativdorf ""Holzmarkt"" steht auf der Kippe"
00/12/2018
Die Luft ist angemessen feucht und kalt, unter den Sohlen knirscht das Laub, flackernde Kerzen stehen vor finsteren Kreuzen. War dieser Knall vielleicht ein Schuss? Was raschelt da hinten im Gebüsch? Und wohin flieht der Schatten dort drüben in der Dunkelheit? Es bleiben viele Fragen offen bei Nacht auf dem Zentralfriedhof. Dass in Wien der Hang zum Morbiden besonders herzlich gepflegt wird, ist hinlänglich bekannt. "A schene Leich" erfreut sich bisweilen größerer Beliebtheit als ein Lebender. An Georg Kreisler ist zu denken, der noch posthum dafür verehrt wird, dass er in einem Lied den Tod zum Wiener erklärt hat. Und gerade hier, zwischen all den Gräbern, natürlich auch an Wolfgang Ambros: "Es lebe der Zentralfriedhof und alle seine Toten, der Eintritt ist für Lebende heut' ausnahmslos verboten. Weil der Tod a Fest heut' gibt, die ganze lange Nacht." Anno '74 hat er das gesungen, zum 100-Jährigen des viel geliebten Gottesackers - doch jetzt stimmt plötzlich die Prämisse nicht mehr. Denn seit Neuestem haben die Lebenden auch in den langen Nächten Zutritt zum Zentralfriedhof, zumindest jene, die bei Gabriele Saeidi eine "Tour zum Fürchten" gebucht haben. Die Friedhofsbegehung bei Finsternis ist gewissermaßen die jüngste Attraktion des Wiener Nachtlebens. Treffpunkt ist nach Einbruch der Dunkelheit und dem üblichen Ende der Öffnungszeiten am fest verschlossenen Tor 2. Es sind dem Anschein nach vor allem die Jüngeren, die sich hingezogen fühlen zum Totenreich, die Älteren wollen sich womöglich lieber noch etwas Zeit lassen mit dem Besuch. Bevor sie das schwere Eisentor aufschließt und öffnet, ohne Quietschen sogar, gibt Gabriele Saeidi der Gruppe noch eine Mahnung mit auf den Weg: "Bitte nicht an die Grabsteine lehnen", sagt sie, "manche sind wackelig." Zur Beruhigung fügt sie noch an: "Keine Angst, niemand, der hier bestattet worden ist, hat es aus eigener Kraft wieder aus dem Grab geschafft." Heute nutzt mancher Wiener den 2,5 Quadratkilometer großen Friedhof bei Tag gern auch als Naherholungsgebiet Von Wiedergängern und blutsaufenden Vampiren ist dann trotzdem viel die Rede beim Rundgang, auch von abgetrennten Köpfen und gepfählten Herzen. Schließlich ist das labyrinthartige Gräberfeld ein Reich voller bizarrer Geschichten, die vielleicht nicht immer wahr sind, aber stets wahrscheinlich erscheinen. Vieles ist da zusammengekommen, seit der Zentralfriedhof 1874 eröffnet wurde, vor den Toren der Stadt, aus Angst vor Seuchen und vielleicht auch geisterhaften Umtrieben. Heute nutzt mancher Wiener den 2,5 Quadratkilometer großen Friedhof bei Tag gern auch als Naherholungsgebiet. Ein jüngst eröffnetes Café bietet den Besuchern für den Strudlgenuss sogar eine Sonnenterrasse. 80 Kilometer Wege laden zum Flanieren ein, ein Teil von ihnen wird auch von Autos und Bussen befahren, da kann es lebensgefährlich werden auf dem Friedhof. Mit seinen 330 000 Gräbern wird er gern als Wiens größter Bezirk bezeichnet. Bei drei Millionen Menschen, die hier bereits bestattet wurden, übersteigt die Einwohnerzahl des Zentralfriedhofs die des lebendigen Wiens mit seiner Bevölkerung von knapp zwei Millionen. Aber zumindest nachts kommt man bestimmt nicht zur Erholung und auch nicht zum Verwandtenbesuch auf den Friedhof, sondern zum erbaulichen Gruseln. Hinter dem Tor wird es sehr schnell sehr dunkel. Im Lichtkegel der Taschenlampe von Gabriele Saeidi zeichnen sich die Kuppel der Friedhofskapelle oder die Konturen mächtiger Grabmäler ab, bis man schließlich zum Herzstück des Zentralfriedhofs gelangt: den Ehrengräbern. Rund 300 davon gibt es hier, dazu noch "ehrenhalber gewidmete Gräber". Insgesamt haben mehr als tausend Prominente auf dem Zentralfriedhof ihre Ruhestätte gefunden - in jüngerer Zeit zum Beispiel Udo Jürgens in einem Grab mit weißem Marmorflügel oder etwas früher bereits Falco, dem seine Fans gern mit einer Flasche Whiskey die Ehre erweisen. Als Besuchermagnete haben diese beiden heute längst die altehrwürdigen Musikerkollegen übertrumpft, die hier begraben liegen. Zur Mythenbildung allerdings taugen die Klassiker doch immer noch weit besser als die Musikhelden der Moderne. Mozart zum Beispiel kann hier nicht mit einem Grab-, sondern nur mit einem Denkmal geehrt werden, weil seine sterblichen Überreste irgendwo in einem Schachtgrab auf dem Sankt Marxer Friedhof verschollen sind. Beethoven dagegen liegt hier leibhaftig, allerdings mutmaßlich mit dem falschen Schädel, den man bei der angeordneten Umbettung ins Ehrengrab 1888 auf dem Währinger Ortsfriedhof vorgefunden und eingepackt hatte. Verglichen damit hat Johann Strauss (Sohn), den der Donauwalzer unsterblich gemacht hat, noch Glück gehabt. Ihm soll ein Grabräuber nur das Gebiss gestohlen haben. Das sind die Geschichten, die das Sterben so schreibt und die von Gabriele Saeidi gern erzählt werden bei Nacht auf dem Zentralfriedhof. Nach zweistündigem Rundgang schließt sie wieder das Tor, ohne Knarzen und ohne Quietschen. Die Toten haben nun wieder ganz und gar ihre Ruhe.
Zwischen Falco und Beethoven: Neuerdings kann man für den Zentralfriedhof in Wien auch Nachtführungen buchen.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/zentralfriedhof-wien-nachtfuehrung-1.4249133
Wien: Wo die Toten ruhen
00/12/2018
Die Sportlerin floh aus Syrien nach Deutschland. Dann ging sie als Flüchtlingshelferin nach Lesbos und kam ins Gefängnis. Jetzt ist sie wieder nach Berlin zurückgekehrt und darf ihr Studium beginnen. Die Studentin wirkt gelöst, als sie das erste Mal an ihrer Berliner Uni ist. Sie kann endlich das tun, was sie schon lange tun wollte, Wirtschaft und Politik studieren. Dass sie ihr Semester erst Mitte Dezember beginnt, liegt daran, dass die 23-Jährige keine gewöhnliche Studentin ist. Sara Mardini ist Schwimmerin und stammt aus Syrien, während ihrer Flucht in einem Schlauchboot rettete sie mehreren Menschen das Leben, wofür sie in Deutschland mit dem Bambi ausgezeichnet wurde, als "stille Heldin". Und zu ihrem ersten Unitag kommt Sara Mardini aus Griechenland, wo sie in den vergangenen Monaten im Gefängnis saß. Sara Mardinis Geschichte ist so lang und hat so viele Wendungen, dass man am besten ganz hinten anfängt. An jenem Augusttag 2018, als sie auf der Insel Lesbos festgenommen wurde, wo sie ehrenamtlich für eine Hilfsorganisation arbeitete. Mardini nahm die Bootsflüchtlinge in Empfang, wenn sie an der Küste strandeten, brachte sie in eines der Lager auf der Insel, dolmetschte, spielte mit den Kindern. Doch für die griechischen Behörden war sie eine Kriminelle. Zusammen mit drei Dutzend Helfern kam sie in Untersuchungshaft, die Vorwürfe lauteten Menschenschmuggel, Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche und Spionage. Mardini soll mit Schleusern zusammengearbeitet und sich mit ihnen auf verschlüsselten Kanälen ausgetauscht haben, um Menschen illegal nach Lesbos zu bringen. Gegen eine Kaution von 5000 Euro kam sie frei Seit vergangener Woche ist klar, dass von den Vorwürfen nicht viel übrig ist. Mardini wurde gegen 5000 Euro Kaution auf freien Fuß gesetzt und durfte zurück nach Deutschland, wo sie mit ihrer Familie seit 2015 lebt. Und so kommt sie nun Mittwochmorgen in einen Seminarraum des deutsch-amerikanischen Bard College in Berlin-Pankow. Dort hat sie ein Stipendium. Erst aber beantwortet sie noch die Fragen von Journalisten, die aus aller Welt gekommen sind, um ihre Geschichte zu hören. Mardini, kurzes schwarzes Haar, gepiercte Nase, sitzt neben ihrem griechischen Anwalt, immer wieder zieht sie ihre schwarze Lederjacke vor der Brust zusammen, als wolle sie sich vor der Öffentlichkeit wappnen. Denn eigentlich ist sie es nicht gewohnt, im Licht zu stehen, diese Rolle war immer ihrer kleinen Schwester vorbehalten. Die Schwimmerin Yusra Mardini startete ein Jahr nach der gemeinsamen Flucht bei den Olympischen Spielen, sie traf Barack Obama und den Papst, ist jüngste Sonderbotschafterin des UN-Flüchtlingshilfswerks. Sara Mardini wäre auch gerne Sportlerin geblieben, doch auf ihrer monatelangen Flucht über das Mittelmeer, den Balkan, Ungarn und Österreich verletzte sie sich und musste das Schwimmen aufgeben. Und so ging sie dorthin zurück, wo sie selbst 2015 als Flüchtling gestrandet war, nach Lesbos. Sie weiß noch gut, wie sie und ihre Schwester dort durchgefroren und ohne Schuhe aus dem Wasser stiegen und eine Flasche Wasser kaufen wollten. Man gab den Mädchen keine, obwohl sie Geld hatten. Solche Erfahrungen wollte sie anderen Flüchtlingen ersparen. Anfangs war Mardini als Rettungsschwimmerin im Einsatz, wie schon während ihrer eigenen Flucht, als am Schlauchboot der Motor ausfiel und sie mit ihrer Schwester und anderen ins Meer sprang und es schwimmend über Wasser hielt. Später kaufte sie mit gesammeltem Geld Waschmaschinen, damit die Flüchtlinge in den Camps ihre Kleidung waschen können. Sie sei stolz darauf, was sie erreicht habe, sagt Mardini. "Meine Erfahrung war ungewöhnlich, aber sie hat uns auch Respekt eingebracht." Detailansicht öffnen Sara Mardini (rechts) mit ihrer Schwester Yusra Mardini bei der Bambi-Preisverleihung 2016 in Berlin. (Foto: Getty Images) Tatsächlich hat der Fall einmal mehr das Augenmerk auf die zahlreichen NGOs und Seenotretter gelenkt, die an den EU-Außengrenzen tätig sind. Auf die Hilfe, die sie leisten, gerade auf einer Insel wie Lesbos, auf der noch immer Tausende Flüchtlinge in dünnen Zelten hausen. Aber auch auf die Grauzone, in der sie sich bewegen. Mardinis Anwalt Zacharias Kesses sagt, es gehe den Behörden zunehmend darum, die Arbeit der Helfer zu kriminalisieren, "da braucht es Reaktionen auf europäischer Ebene". Mardini habe alle Vorwürfe widerlegen können In den kommenden Monaten wird in Griechenland nun entschieden, ob gegen Mardini und die anderen Freiwilligen Anklage erhoben wird. Kesses ist optimistisch, dass es nicht dazu kommt. Mardini habe alle Vorwürfe widerlegen können, sagt Kesses, weder in den ausgewerteten Handydaten noch in den Bankunterlagen seien Hinweise gefunden worden, dass die Helfer gemeinsame Sache mit Schleusern machten. Und selbst ein Mitarbeiter des EU-Grenzschutzes Frontex habe ausgesagt, dass die Helfer nicht ohne Absprachen mit den Behörden gehandelt hätten. Und Sara Mardini? Sie wolle jetzt erst mal studieren, sagt sie. Und ansonsten weiter als Flüchtlingshelferin arbeiten. Vielleicht eines Tages auch wieder auf Lesbos, dem Ort ihrer Geschichte.
Die Sportlerin floh aus Syrien nach Deutschland. Dann ging sie als Flüchtlingshelferin nach Lesbos und kam ins Gefängnis. Jetzt ist sie wieder nach Berlin zurückgekehrt und darf ihr Studium beginnen.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/fluechtlinge-in-deutschland-wie-sara-mardini-in-die-freiheit-schwamm-1.4250810
Sara Mardini: Die Freischwimmerin
00/12/2018
Im Kreis Soest lief eine Schokoladenfabrik aus, die Schokolade wurde bei der Kälte schnell hart. Der Schokoladenfabrikant erklärt, wie man sie beseitigen konnte. Detailansicht öffnen Die vermutlich längste Praline der Welt: Eine Tonne erkalteter Schokoladenmasse stellte die Freiwillige Feuerwehr in Werl-Westönnen vor eine Herausforderung. (Foto: dpa) 25 mit Schaufeln bewaffnete Feuerwehrmänner waren in Westönnen (Kreis Soest) notwendig, um mehr als eine Tonne Vollmilchschokolade wieder einzufangen. Denn diese war am Montagabend in der Schokoladenfabrik "Drei Meister Spezialitäten" ausgelaufen. Markus Luckey ist seit 2016 Inhaber der Firma. Herr Luckey, wie weit sind Sie denn mit den Aufräumarbeiten? Markus Luckey: Die sind glücklicherweise abgeschlossen, die Produktion musste nicht unterbrochen werden. Aber da war wirklich was zu tun. Eine Tonne Schokoladenmasse bei diesen kalten Temperaturen - die ist gar nicht so leicht zu beseitigen. Da musste die Feuerwehr heißes Wasser, Schaufeln und einen Dachdeckerbrenner zur Hilfe nehmen. Wie kam es zu dem Unglück? Die Schokolade ist durch ein kaputtes Ventil geronnen. Erst auf den Parkplatz und dann über die Straße. Klar, das ist schon ein finanzieller Schaden. Aber alles überschaubar. Die Schokolade war ja eigentlich noch für unsere diesjährige Weihnachtsproduktion bestimmt. Jetzt kann sie natürlich nicht mehr verzehrt werden. Detailansicht öffnen Nach seiner Zeit als Bankkaufmann wechselte Markus Luckey, 45, in die Lebensmittelbranche. Vor einigen Jahren hatte der Vater von vier Kindern die Möglichkeit, die Schokoladenfirma "Drei Meister" ganz zu übernehmen. Foto: privat (Foto: OH) In Westönnen spricht man vom bedeutendsten Zwischenfall seit dem Brand von sechs Bauernhöfen im Jahr 1829. Wollten Sie aus der Masse ursprünglich Nikoläuse machen? Nee, Nikoläuse machen wir nicht. Aber wenn Sie die Augen schließen und "Scho-ko-laaa-de" sagen, so machen wir fast alles, was Sie vor sich sehen. Mehr als 150 Pralinensorten. Mit frischesten Zutaten. Viele in reiner Handarbeit liebevoll gefertigt. Scho-ko-laaa-de. Da sehe ich eher die Oompa Loompas in "Charlie und die Schokoladenfabrik" vor mir. Willy Wonka! Das ist genau meine Geschichte! So ein Familienunternehmen komplett zu übernehmen - das war schon immer mein Traum. Und es ist sogar mehr als das. Es ist eine Lebensaufgabe. Und mit welcher Schokolade sind Sie aufgewachsen? Ritter Sport oder Milka? Da kann ich mich gar nicht mehr dran erinnern. Aber meine Leidenschaft ist ungebrochen. Trotz des kleinen Ventilproblems, das ja selbst in England Schlagzeilen gemacht hat. Auch aus Skandinavien habe ich schon Anfragen erhalten. Wie erklären Sie sich das? Schokolade ist ein Lebensmittel, das bei vielen Menschen positive Reaktionen hervorruft. Gerade jetzt, in der Weihnachtszeit. Euphorisierend, aphrodisierend ... Haben Sie als Chef einer glücklich machenden Schokoladenfabrik denn auch mit militanten Schokoladegegnern zu tun? Gegner gibt es ja überall. Von vielem. Doch ich habe dazu eine ganz klare Meinung: Gesunde Ernährung sollte uns natürlich wichtig sein. Genuss aber auch. Er gibt uns die Möglichkeit, eine Pause vom Alltag einzulegen. Deshalb habe ich den Feuerwehrleuten als Dank für ihre Hilfe auch Pralinen von uns versprochen.
Im Kreis Soest lief eine Schokoladenfabrik aus, die Schokolade wurde bei der Kälte schnell hart. Der Schokoladenfabrikant erklärt, wie man sie beseitigen konnte.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/ein-anruf-bei-markus-luckey-dem-eine-tonne-schokolade-abhanden-kam-1.4250817
Markus Luckey, dem eine Tonne Schokolade abhanden kam
00/12/2018
Wenn man Niels Högel zuhört, dann gibt es keinen, der gut war außer ihm. Besser sein als die anderen, das hat ihn glücklich gemacht. Die Sache mit der Brokkoli-Torte ist etwas, an das er sich erinnert. Diese Gemüsetorte, die eine Krankenschwester gebacken hatte, auf die Station im Krankenhaus Delmenhorst mitbrachte und die sie dann gemeinsam mit ihrem Kollegen Niels Högel in einem leeren Patientenzimmer aufaß. Dazu schauten die beiden fern. Nach dem Essen ging Högel wieder seiner Arbeit auf der Station nach und wäre man zynisch, man könnte sagen: Er gönnte sich etwas zum Dessert.
Niels Högel steht vor Gericht, der Krankenpfleger soll 100 Patienten getötet haben. Was ist das für ein Mensch, der geradezu beiläufig zum Serienmörder wird?
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/krankenpfleger-hoegel-mord-1.4249905
Krankenpfleger angeklagt: Psychogramm eines Mörders
00/12/2018
In Indien gibt es keinen wichtigeren Moment als die Hochzeit, viel zu groß und bedeutsam, als dass man ihn mit nur einem einzigen Festtag würdigen könnte. So halten es jetzt auch die Ambanis in Mumbai: Sie legten bereits am Wochenende los, mit einer glamourösen Feier vor der Feier. Die ganze Hochzeit strotzt nur so vor hemmungsloser Extravaganz, angeblich soll sie bis zu 100 Millionen Dollar kosten. Das allerdings ist nur eine vage Schätzung aus dem Umfeld der Familie der Braut, offiziell herrscht Stillschweigen über den Aufwand der einwöchigen Festlichkeiten. Höhepunkt war nun der Mittwoch. Isha Ambani, 27, und Anand Piramal, 33, Sohn eines indischen Immobilienbarons, sollten im Laufe des Abends nach hinduistischem Brauch das Hochzeitsfeuer "Saat Feere" umrunden. Dabei legen die Paare traditionell sieben heilige Versprechen für die Ehe ab. Braut und Bräutigam kennen sich seit der Kindheit, ihre Verlobung hatten sie im Herbst am Comer See gefeiert. Beide Familien zählen zu den superreichen Clans des Landes, wobei der Vater der Braut, Mukesh Ambani, als Chef von Reliance Industries das größere Geschäftsimperium aufgebaut hat. Er ist Indiens reichster Unternehmer, mit einem geschätzten Vermögen von 47,3 Milliarden Dollar. Dagegen wirken die vier Milliarden Dollar der Bräutigamsfamilie Piramal geradezu niedlich. Zur Vorparty am Wochenende waren mehr als 5000 Gäste in die Stadt Udaipur mit ihren historischen Palästen eingeflogen, sie belegten alle verfügbaren Fünf-Sterne-Hotels und ließen sich in Hunderten Luxuslimousinen umherchauffieren. Es kamen die Superstars aus Bollywood, inklusive Priyanka Chopra, die gerade erst Nick Jonas geheiratet hat und mit ihrer 22 Meter langen Brautschleppe noch nicht vergessen ist. Auch Hillary Clinton wurde unter den Gästen gesichtet, sie ist seit Jahren mit den Ambanis befreundet. Der Brautvater ließ Beyoncé zum Privatkonzert einfliegen Der Vater der Braut hatte es nicht leicht, musste er doch seiner Tochter ein Geschenk machen, das sie in all dem Überfluss noch beeindruckte. Also ließ er die Sängerin Beyoncé zum Privatkonzert einfliegen. Sie kam in einem gewagten hochgeschlitzten Kleid, extra tiefes Dekolleté, leuchtend roter Stoff, mit Gold und Spiegeln bestickt, ein kostbares Diadem übers Haupt gestülpt. Später schlüpfte sie in einem fransigen goldenen Bodysuit mit Overknee-Stiefeln, sang ihre Hits "Perfect" und "Crazy in Love", um die Hochzeitsgesellschaft bei Laune zu halten. Seit dem Wochenende quellen indische Medien über mit Fotos, auf denen die kostbarsten Kleider der Gäste zu sehen sind, kein glitzerndes Detail aus Gold und Edelsteinen und kein Designername wird ausgespart. Als am Mittwoch die ersten Fotos vom eigentlichen Hochzeitstag nach außen drangen, sah man die Brüder der Braut, Anant und Akash Ambani, mit Sonnenbrillen hoch zu Ross sitzen, so empfingen sie den Bräutigam vor der Antilia-Residenz, dem Palast des Clans. Der hat übrigens 27 Stockwerke und kostete Bauherr Ambani zwei Milliarden Dollar. Sechs Stockwerke sind allein für den Fuhrpark reserviert.
Die Tochter des reichsten Inders heiratet - und Heiraten bedeutet in diesem Fall, dass eine ganze Woche gefeiert wird. Doch was schenkt man als Vater einem Kind, das im Überfluss groß geworden ist?
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/hochzeit-in-mumbai-bling-bling-fuer-100-millionen-dollar-1.4250814
Hochzeit in Mumbai - Bling bling für 100 Millionen Dollar
00/12/2018
Kurz vor dem achten Jahrestag des Aufstandes gegen den damaligen Präsidenten Hosni Mubarak wächst offenbar in Ägyptens Staatsapparat die Angst, die französische Protestbewegung der Gelbwesten könne zur Nachahmung motivieren. Berichten zufolge haben die Behörden deshalb den Handel mit gelben Warnwesten stark eingeschränkt. Der Verkauf sei nur noch mit Genehmigung möglich und werde von der Polizei kontrolliert, sagten Einzelhändler aus Kairo am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. "Diese Westen zu verkaufen, ist gefährlicher als Drogen zu verkaufen", so ein Händler. Mitarbeiter der nationalen Sicherheit hätten ihn aufgefordert, keine gelben Westen mehr anzubieten, sagte ein anderer. Um zu verhindern, dass Geschäftsinhaber an neue Ware gelangen, seien auch die Importeure der Warnwesten mit Beschränkungen belegt worden, berichtet die Agentur. Nach Angaben eines Unternehmens, das Warnwesten nach Ägypten einführt, wurden die Importeure vergangene Woche angewiesen, nur noch Firmen zu beliefern, aber keine Händler mehr, die die Produkte an Privatpersonen verkaufen. Der Abgeordnete Abdelfattah Yehia hingegen dementierte die Nachricht, die zuerst von der Agentur Associated Press gemeldet wurde. Associated Press werde von "Feinden des Friedens" finanziert, der in Ägypten als Terrororganisation verbotenen Muslimbruderschaft gehörten 90 Prozent der Anteile des Unternehmens. Ziel der "falschen Nachrichten" sei es, den Nahen Osten zu destabilisieren, erklärte Abdelfattah. Dass die Protestbewegung in Frankreich die Beamten in Ägypten nervös werden lässt, darauf deuten aber auch andere Nachrichten hin: In Alexandria habe der Oberste Staatsanwalt am Dienstag 15 Tage Haft gegen den Anwalt Mohammed Ramadan angeordnet, nachdem ein Foto im Netz aufgetaucht war, das den Juristen mit einer gelben Weste zeigte, sagte der ägyptische Menschenrechtler Mahienour al-Masry. Ramadan werde das "Verbreiten von Falschnachrichten" vorgeworfen, was seit einigen Monaten in Ägypten per Gesetz verboten ist. Menschenrechtler kritisieren, diese Maßnahme diene dazu, Kritik an der Regierung zu unterdrücken, da nirgends festgelegt sei, was als Falschnachricht zu gelten habe. Ramadan wird nicht nur vorgeworfen, selbst eine Weste getragen zu haben. Er wird zudem beschuldigt, terroristische Ideologien zu verbreiten. Laut zwei Mitarbeitern der Sicherheitsbehörden seien bei ihm acht gelbe Westen gefunden worden. Die Staatsanwaltschaft Alexandria wollte die Berichte nicht kommentieren. Das Land wird von Präsident Abdel Fattah al-Sisi zunehmend autoritär regiert. Seit seinem Amtsantritt werden Demonstrationen konsequent unterbunden. Menschenrechtsorganisationen gehen davon aus, dass in Ägypten mehr als 60 000 Menschen aus politischen Gründen inhaftiert sind. Berichte von Misshandlungen in den Gefängnissen sind häufig, die Organisation Human Rights Watch spricht von "systematischer und weitverbreiteter Folter". Regierungsnahe Medien arbeiteten sich derweil an den französischen Protesten ab. Zeitungskommentatoren raunten, Islamisten würden versuchen, Gelbwesten-Proteste im Land zu lancieren. "Einige Leute versuchen uns anzustacheln, in dem sie sagen: Menschen, die Croissants essen, seien mutiger als solche, die Falafel essen", sagte etwa Moderator Amr Adeeb in seiner TV-Show. "Ich aber werde mich nicht aufwiegeln lassen!" Die Proteste in Frankreich würden das Land auf den Kopf stellen und den Tourismus zerstören. Islamisten, Chaos und Schaden für den für die ägyptische Wirtschaft so wichtigen Tourismus: Mit diesen drei Punkten sprach Adeeb genau jene Ängste an, die viele Ägypter mit der unruhigen Zeit nach der Revolution von 2011 verbinden, die mit dem Sturz Hosni Mubaraks am 25. Januar ihren Höhepunkt fand. Der Ex-Militär al-Sisi, der 2014 den frei gewählten Muslimbruder Mohammad Mursi stürzte, nimmt für sich in Anspruch, mit diesen drei Problemen aufgeräumt zu haben. Da die Wirtschaft in Ägypten jedoch weiter stottert, wächst die Unzufriedenheit im Volk - und im Staatsapparat wohl die Angst, dass sich das Volk bald nochmals auf die Straßen trauen könnte, wo derzeit Grabesruhe herrscht.
Plagt die Regierung in Kairo die Angst vor einer Gelbwesten-Bewegung im eigenen Land? Die Meldung wird dementiert, doch staatsnahe Medien agitieren gegen die Protestbewegung aus Frankreich.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/protestbewegung-aegypten-soll-den-kauf-von-gelben-westen-erschweren-1.4251096
Ägyptens Regierung hat Angst vor Gelbwesten
00/12/2018
Eine Autobahn in Mecklenburg-Vorpommern versackte im Herbst plötzlich im Moor. Die Menschen lebten plötzlich am berühmtesten Loch Deutschlands, der Verkehr rollte durch die Dörfer. Nun wurde eine Behelfsbrücke eingeweiht - doch das Land muss Miete zahlen. Für Hartmut Kolschweski, Bürgermeister der Gemeinde Lindholz im Landkreis Vorpommern-Rügen, geht der 12. Dezember 2018 als "Tag der Befreiung" in die Geschichte ein. Die Ortsteile Langsdorf und Böhlendorf waren zwar nicht von irgendwelchen autoritären Mächten besetzt. Aber dass der Umleitungsverkehr von der A 20 seit vergangenem Herbst an ihren Häusern vorbeidonnerte, fühlte sich für die Anwohner durchaus wie eine Art Gefangenschaft mit Folter an. Bei der Ausfahrt Tribsees war die Autobahn im Moor versackt, die Menschen lebten plötzlich am berühmtesten Loch Deutschlands. Die Ausweichroute konnte nur über die Straßen ihres Dorfes führen - bis am Mittwoch endlich die Behelfsbrücke freigegeben wurde, die Autos und Laster fortan an der kaputten Straße vorbeiführt. Freude, Durchatmen. Auch Mecklenburg-Vorpommerns Verkehrsminister Christian Pegel (SPD) sagte, er sei "sehr erleichtert". Den Wert einer Straße merkt man erst so richtig, wenn sie nicht mehr da ist. Die A 20 war lange ein Segen für Lindholz, brachte zahlende Durchreisende in die Gemeinde und hielt den Rest des Verkehrs weg. Aber dann kam das Loch. Ortskundige waren schon immer der Meinung gewesen, dass man die eilig verlegte Ost-West-Autobahn mit mehr Geld und Muße über den Moorboden des Trebeltals hätte bauen müssen. 2014 gab es erste Anzeichen dafür, dass die Straße auf dem weichen Untergrund tatsächlich nachgab. Im Sommer 2017 wurden Standstreifen und rechte Spur gesperrt. Anfang Oktober 2017 sackte der Asphalt auf 40 Metern Länge und zehn Metern Breite weg. Vollsperrung, Martyrium. Die Nachbarn bekamen zu spüren, was es bedeutet, am Rande einer endlosen Blechlawine zu leben. "Eigentlich unerträglich", sagte eine Wirtin und ertrug es. Je Richtung nur eine Fahrspur und Tempo 60 - die Staugefahr bleibt 1,3 Millionen Euro an Buß- und Verwarngeld wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen hat die Staatskasse laut NDR an der Umleitung gesammelt. Eine regionale Fluggesellschaft bot Rundflüge für Schaulustige an. Das A-20-Loch, bald 100 Meter lang, brachte auch was. Für die Einheimischen blieb es eine große Last. Die Behelfsbrücke bringt ihnen den Frieden zurück. Die Brücke ist 773 Meter lang, besteht aus 81 Stahlsegmenten und kostet 50 Millionen Euro. Eine niederländische Firma hat sie geliefert und aufgebaut. Das Landesamt für Straßenbau und Verkehr zahlt eine Monatsmiete von 153 000 Euro. Auf zwei Jahre ist der Vertrag angelegt, dann soll die A 20 repariert sein. Die Staugefahr? Bleibt. Für jede Richtung gibt es auf der Brücke nur eine Fahrspur sowie ein Tempolimit von 60 Kilometern pro Stunde. Vielleicht sinkt das sogar noch im Sinne der Anrainer, weil die Brücke Stahlfugen aufweist, die beim Überfahren Lärm verursachen. Ein wichtiges Accessoire des Provisoriums sind jedenfalls die Blitzer. Verkehrsdisziplin ist dem Minister Pegel an dieser Stelle ein besonderes Anliegen, denn: "Ein Unfall erfordert dort eine Vollsperrung und somit eine erneute Umleitung." Dann müssten wieder alle durch Langsdorf und Böhlendorf. Und dort haben die Leute wirklich genug gelitten.
Eine Autobahn in Mecklenburg-Vorpommern versackte im Herbst plötzlich im Moor. Die Menschen lebten plötzlich am berühmtesten Loch Deutschlands, der Verkehr rollte durch die Dörfer. Nun wurde eine Behelfsbrücke eingeweiht - doch das Land muss Miete zahlen.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/schwerin-ueber-das-riesenloch-in-der-a20-fuehrt-jetzt-eine-bruecke-1.4250700
Riesenloch an der A20: Behelfsbrücke ist fertig
00/12/2018
Vier ganze Prozesstage haben sich die Richter am Oldenburger Landgericht Zeit genommen, um den Mann zu befragen, der mutmaßlich mehr Menschen getötet hat als jeder andere in Deutschland seit 1945. Niels Högel, früherer Krankenpfleger, angeklagt wegen Mordes in 100 Fällen. An diesem Mittwoch hat Högel seine Aussage beendet. 43 Morde hat er gestanden. Am Ende seiner Aussage ging es um die Patientin Renate R., das letzte Opfer, das Högel vor seiner Verhaftung im Juni 2005 vergiftete, wie er einräumte. Gegen Högel wurde bereits lebenslange Haft verhängt. Er wurde aber bisher erst wegen sechs Taten verurteilt. Im neuen Prozess geht es um zahlreiche weitere Fälle. Der Staatsanwaltschaft zufolge hat der Angeklagte in den Jahren 2000 bis 2005 als Pfleger in den Kliniken Delmenhorst und Oldenburg regelmäßig Patienten Medikamente verabreicht, die zum Herzstillstand führten. Anschließend habe er versucht, sie wiederzubeleben, um bei der Reanimation vor seinen Kollegen als Held dazustehen. An die übrigen 57 Fälle, die er nicht gestanden hat, so Högel, könne er sich nicht mehr erinnern. Er könne aber nicht ausschließen, diese Patienten getötet zu haben. Das Gericht hatte Högel im Gefängnis Patientenakten studieren lassen, um seine Erinnerung zu aktivieren. Nach eigenen Angaben war er - vor allem zum Schluss in Delmenhorst - meist umnebelt von Alkohol und Schmerztabletten. Die Gesichter seiner Opfer erkannte im Prozess nicht, sondern - wenn überhaupt - nur Krankengeschichten oder Diagnosen. Högel sagte am Mittwoch aus, am Ende habe er es sogar darauf angelegt, dass Kollegen ihn dabei erwischten, wie er Patienten die todbringenden Medikamente spritzte. Zum Schluss habe er nicht mehr darauf geachtet, ob das Krankheitsbild zu einer Reanimation passte. Auch sei er zusehends "schlampig und verwahrloster" geworden. Högel sprach von "Gleichgültigkeit" und einem "Automatismus", der ihn habe weitermachen lassen. Am Ende habe er alle zwei bis drei Dienste einen Menschen vergiftet. Als die Polizei ihn schließlich festnahm, sei Högel erleichtert gewesen, wie er vor Gericht sagte. "Natürlich war ich schockiert und ängstlich. Aber ich war froh, dass es vorbei ist und dass ich endlich weg von dem Ganzen bin." Die Taten hat er trotzdem lange bestritten und viele erst nach und nach eingeräumt. Er sei beim ersten Polizeiverhör stark betrunken gewesen, erläuterte Högel vor Gericht. "Ich war damals auch nicht so weit, das zuzugeben, das alles auszusprechen."
100 Menschen soll der frühere Krankenpfleger in Kliniken in Delmenhorst und Oldenburg ermordet haben. 43 hat er nun vor Gericht eingeräumt - an den Rest könne er sich nicht mehr erinnern.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/fall-niels-hoegel-jede-zweite-oder-dritte-schicht-ein-toter-patient-1.4250600
Niels Högel: Jede zweite oder dritte Schicht ein Opfer
00/12/2018
Papst Franziskus hat drei Mitglieder seines engsten Beraterkreises entpflichtet. Die Kardinäle George Pell, 77, Laurent Monsengwo Pasinya, 79, und Francisco Javier Errazuriz Ossa, 85, gehören nicht mehr dem sogenannten "Consiglio di Cardinali" ("K9-Rat") an, teilte das vatikanische Presseamt mit. Die drei waren seit 2013 Teil der Gruppe von anfangs acht, dann neun Kardinälen, die den Papst bei Leitungsaufgaben und einer Kurienreform unterstützen sollten. Der Rat tagte von Montag bis Mittwoch in Rom und sollte "dem Heiligen Vater bei der Regierung der Weltkirche behilflich" sein "und mit ihm ein Revisionsprojekt für die Apostolische Konstitution Pastor Bonus über die Römische Kurie" ausarbeiten, hieß es damals vom Vatikan. Vatikansprecher Greg Burke sagte, Papst Franziskus habe dem Wunsch der drei Kardinäle nach Entpflichtung bereits Ende Oktober entsprochen und ihnen für ihren Einsatz über die vergangenen fünf Jahre gedankt. Als Grund für die Verabschiedung aus dem Beratergremium verwies der Papst demzufolge auf das fortgeschrittene Alter der drei. Nachnominierungen seien vorerst nicht vorgesehen. Die Kardinäle des Gremiums selbst können keine Entscheidungen fällen. Sie haben keinerlei Befugnisse gegenüber der Kurie und den Behörden des Vatikan. Papst Franziskus, der den Rat ins Leben gerufen hat, kann sich die Kardinäle zusammensuchen, die ihn bei seinen Anliegen beraten und unterstützen. Sie sind zur Diskretion aufgerufen, was die Inhalte ihrer Beratungen angeht. Auch Erzbischof Reinhard Marx, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, ist Mitglied im K9-Rat. George Pell bleibt trotz seiner Entpflichtung Leiter des vatikanischen Wirtschaftssekretariats, einer der einflussreichsten Einrichtungen der römischen Kurie. Er galt als die Nummer Drei im Vatikan. Derzeit verteidigt sich der Australier vor Gericht gegen den Vorwurf, in den neunziger Jahren in Melbourne sexuell übergriffig gegen männliche Jugendliche geworden zu sein. In diesem Zusammenhang ist er seit Juni 2017 von seinen Aufgaben im Vatikan beurlaubt. Errazuriz hatte bereits früher angekündigt, seinen Posten im Kardinalsrat aufgeben zu wollen. Gegen ihn liegen in Zusammenhang mit dem Missbrauchsskandal in Chile Anzeigen wegen Meineids und Falschaussage vor. Missbrauchsopfer werfen Errazuriz vor, als Erzbischof von Santiago von 1998 bis 2010 die Strafverfolgung eines später wegen Missbrauchs verurteilten Geistlichen jahrelang verhindert zu haben. Er selbst weist die Anschuldigungen zurück. Der Kongolese Monsengwo, einziger afrikanischer Kardinal im Beraterkreis, hatte zuletzt nur unregelmäßig an den Treffen teilgenommen. Anfang November nahm der Papst seinen altersbedingten Rücktritt vom Amt als Erzbischof von Kinshasa an. Vatikansprecher Burke hatte im Juni erklärt, die Mitgliedschaften im Kardinalsrat sollten voraussichtlich auch über die übliche vatikanische Ämterfrist von fünf Jahren hinaus bestehen bleiben. Franziskus kündigte hingegen wenig später einige personelle Erneuerungen an
Drei Mitglieder des Kardinalsrates scheiden aus. Unter ihnen ist auch George Pell, einst mächtiger Mann im Vatikan, aktuell vor Gericht wegen des Vorwurfs sexueller Übergriffe.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/vatikan-papst-franziskus-kardinalsrat-entpflichtungen-1.4250416
Katholische Kirche: Papst entpflichtet enge Berater
00/12/2018
Es ist der Stoff, aus dem Fernsehserien gemacht sind, und es wurde eine richtig gute Fernsehserie daraus, mit reichlich Sex und Drogen, Verrat und Mord. "Underbelly" beschreibt jene wahren und sehr blutigen Begebenheiten aus dem Unterleib der australischen Viereinhalb-Millionen-Metropole Melbourne, die als die Gangland Killings in Australiens Kriminalgeschichte eingegangen sind. Drei Dutzend Menschen starben von 1998 bis 2010 in einem brutalen Krieg zwischen Ablegern der kalabrischen Mafiaorganisation 'Ndrangheta, libanesischstämmigen Clans und Gangstern mit irischem Hintergrund und engen Verbindungen ins Milieu gewerkschaftlich organisierter Hafenarbeiter. Sie alle kämpften damals darum, wer die Club- und Rotlichtszene in Melbournes King Street mit Ecstasy-Pillen und anderen synthetischen Drogen versorgen durfte. Mitglieder gegnerischer Banden wurden oft auf offener Straße erschossen und einmal sogar vor Fußball spielenden Kindern auf einem Sportplatz. Aber auch Zeugen, die zu viel mit der Polizei redeten, starben im Kugelhagel. Viele der Morde sind bis heute nicht aufgeklärt, viele Unterweltgrößen, die überlebten, sitzen heute noch im Gefängnis. Der Name der Frau darf nicht genannt werden. Es weiß aber trotzdem jeder, wer sie ist Nun aber können etliche von ihnen auf Freilassung hoffen, die "Underbelly"-Autoren haben neuen Stoff für weitere Staffeln. Denn in der vergangenen Woche verpflichtete das oberste Gericht des Bundesstaates Victoria die Strafverfolgungsbehörden offenzulegen, woher sie viele Informationen aus dem Innersten der Gangs bezogen. Ausgerechnet die Strafverteidigerin gleich mehrerer in den Gangsterkrieg verstrickter Figuren hatte die Polizei regelmäßig über die Umtriebe ihrer Mandanten informiert, die Behörde führte die Anwältin offiziell als Informantin Nummer 3838. Die Folge: Mehr als 20 Schwerverbrecher werden nun versuchen, ihre Urteile für null und nichtig erklären zu lassen, weil ihr Recht auf legalen Beistand vor Gericht aufs Gröbste verletzt wurde. Victorias Premier Daniel Andrews kündigte an, den Skandal durch eine Kommission untersuchen zu lassen. "Anwältin X", "EF" oder "Informantin 3838" darf die Frau nur genannt werden - obwohl nicht nur in den Zirkeln des organisierten Verbrechens, bei der Polizei und in der Justiz jeder weiß, wer sie ist: eine durch die Gangland-Prozesse zu Prominenz gelangte Strafverteidigerin aus angesehener Juristenfamilie. Ein Onkel von ihr brachte es einst gar zum Gouverneur von Victoria, dem nominell höchsten Amtsträger des Bundesstaates. Sie hat vor Gericht einige der schillerndsten Figuren des mörderischen Milieus vertreten. Carl Williams etwa, dem bis zu zehn Morde zugeschrieben werden, drei davon hat er gestanden. Oder den Drogenbaron Tony Mokbel, der der "Underbelly"-Nachfolgeserie "Fat Tony & Co." seinen Spitznamen lieh. Oder Rob Karam, der an einer der größten Drogenschmuggelaktionen beteiligt war, die je aufgedeckt wurden. 4,4 Tonnen Ecstasy-Pillen, versteckt in Tausenden Tomatenkonserven aus Süditalien, fand die Polizei 2007 im Hafen von Melbourne. In einem Brief von 2015 an die Polizeiführung, den der Fernsehsender ABC nun veröffentlichte, rühmt sich Anwältin X, ihre Informationen hätten zur Festnahme und Anklage von 386 Verdächtigen geführt. Zwischen 2005 und 2009, als sie bei der Polizei als "Menschliche Quelle 3838" geführt wurde, hat sie sich 128-mal mit ihren Führungsbeamten getroffen, woraus die Polizei 5500 vertrauliche Berichte schöpfte. Sie habe das aus "Frust" darüber getan, wie schwere Jungs wie Williams Zeugen beeinflussten und die Polizei "versagt" habe, Verbrechen nachzuweisen. Was sie nicht schrieb: dass sie einigen ihrer Mandanten freundschaftlich verbunden war. Der Bruch mit der Polizei kam, als ein anderer Informant und dessen Frau ermordet wurden. In Verdacht hatten die Ermittler einen Polizisten und wollten Anwältin X, die ein Verhältnis mit dem Beamten gehabt haben soll, als Kronzeugin laden. Doch als ein weiterer Kronzeuge, der verurteilte Mehrfachmörder Williams, im Hochsicherheitsgefängnis erschlagen und danach in einem goldenen Sarg zu Grabe getragen wurde, platzte das Verfahren. Eine unabhängige Kommission untersuchte das Vorgehen der Polizei gegen das organisierte Verbrechen und auch den Umgang mit Informanten. Erste Informationen über die Rolle von Anwältin X sickerten durch, obwohl es ihr und der Polizei gelungen war, die Untersuchungsergebnisse gerichtlich für geheim erklären zu lassen. Nun ist ihr Leben in Gefahr und das ihrer beiden Kinder wahrscheinlich auch Durch alle Instanzen prozessierte die Polizei gegen die Staatsanwaltschaft, um zu verhindern, dass diese die einstigen Mandanten von Anwältin X informierte. Ihr Leben, so das Argument, wäre dann in größter Gefahr. Das sahen die obersten Richter nun zwar auch so, aber schwerer wiegt für sie das öffentliche Interesse daran, die Integrität des Rechtsstaats und der Strafjustiz zu wahren. Anwältin X habe sich eines "fundamentalen und erschreckenden" Bruchs ihrer anwaltlichen Pflichten schuldig gemacht. Der Polizei, die sie dazu ermutigt habe, warfen die Richter "verwerfliches Verhalten" vor. Anwältin X, nach eigenen Angaben an Traumata leidend, will sich nicht in ein Zeugenschutzprogramm begeben. Sie traue der Polizei nicht mehr. Dann müsse sie "die Konsequenzen tragen", urteilte das Gericht kühl. Sollte sie jedoch ihre beiden Kinder einem ähnlichen Risiko aussetzen, sei "der Staat ermächtigt, Maßnahmen zu ergreifen, um sie vor Schaden zu bewahren".
In den Nullerjahren hielt ein mörderischer Krieg zwischen Clans Melbourne in Atem. Jetzt wurde bekannt, wer die Polizei damals mit Insiderwissen versorgt hat - eine Enthüllung, die brisanter kaum sein könnte.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/mafia-australien-anwaeltin-1.4247179
Australien - Anwältin X und ihr Spiel mit der Mafia
00/12/2018
Leben und Tod, die ganz großen Kategorien der Existenz, sind nicht überall gleich eindeutig definiert. In Sizilien etwa, im Jargon der Mafia, unterscheiden sie zwischen Toten und toten Toten. Wer keine Rolle mehr spielt, ist tot. Ein entmachteter Boss zum Beispiel, einer ohne Gefolgschaft. Tot im herkömmlichen Sinn sind nur die "morti morti", die toten Toten. Bei Matteo Messina Denaro, dem Superboss aus Castelvetrano, Provinz Trapani, den sie "u siccu" nennen, den Dünnen, ist offenbar die ganze Palette zwischen totalem Leben und totem Tod möglich.
Seit 25 Jahren lebt der legendäre Mafiaboss Matteo Messina Denaro versteckt. Er soll die gesamte Wirtschaft einer sizilianischen Provinz beherrschen, sein Vermögen wird auf Milliarden geschätzt. Über Italiens größtes Enigma.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/mafia-matteo-messina-denaro-1.4249123
Mafia auf Sizilien: Das Phantom von Castelvetrano
00/12/2018
Zur Freude von Kunden hat ein Bankautomat in Österreich zu viel Geld ausgegeben. Offensichtlich habe eine Mitarbeiterin beim Befüllen des Geräts die Fächer für 20- und 50-Euro-Scheine verwechselt. Zur Freude von Kunden hat ein Bankautomat in Österreich zu viel Geld ausgegeben. Offensichtlich habe eine Mitarbeiterin beim Befüllen des Geräts die Fächer für 20- und 50-Euro-Scheine verwechselt, teilte die Polizei mit. Wer 20 Euro anforderte, habe 50 Euro ausgezahlt bekommen. Mancher Kunde habe diesen Vorgang so lange wiederholt, bis das Limit ausgeschöpft gewesen sei. Der Bank in Stockerau bei Wien soll ein Schaden im niedrigen fünfstelligen Bereich entstanden sein. Den Kunden, die die Situation ausgenutzt haben, droht eine Anzeige wegen Unterschlagung, die Polizei hat 84 Verdächtige ermittelt.
Zur Freude von Kunden hat ein Bankautomat in Österreich zu viel Geld ausgegeben. Offensichtlich habe eine Mitarbeiterin beim Befüllen des Geräts die Fächer für 20- und 50-Euro-Scheine verwechselt.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/stockerau-grosszuegiger-geldautomat-1.4249146
Großzügiger Geldautomat
00/12/2018
Eigentlich sollte ein Rocker der "Freeway Riders" festgenommen werden, der einen anderen Rocker durch einen Schuss lebensgefährlich verletzt haben soll. Doch die Beamten überraschten eine 88-Jährige. Sechs Uhr morgens, es ist noch dunkel. Zu so einer Zeit rechnet man nicht mit Telefonanrufen oder Besuchen und schon gar nicht mit einer schwer bewaffneten SEK-Einheit, die einem die Tür eintritt und auf dem Balkon eine Blendgranate zündet. So ist es aber einer Frau am vergangenen Donnerstag in einem Mehrfamilienhaus im westfälischen Lüdenscheid ergangen. Eigentlich sollte ein Rocker der "Freeway Riders" festgenommen werden, der ein Mitglied einer rivalisierenden Rockergruppe durch einen Schuss lebensgefährlich verletzt haben soll. Doch statt eines mutmaßlich gefährlichen Rockers begegnete den Beamten nur eine überraschte 88-Jährige. Die habe auf den ungebetenen Besuch "bemerkenswert tough" reagiert, sagt Gerhard Pauli von der Staatsanwaltschaft Hagen. Woran er das festmache? "Sie hat keinen Herzinfarkt bekommen" - und sie habe Scherze gemacht. Wie es zu der Panne kommen konnte, ist noch unklar. Sicher ist nur, dass die Beamten sich in der Adresse geirrt haben. "Menschen machen Fehler", sagt Pauli. Der Gesuchte wohnte zwei Häuser weiter. Von dem falschen Einsatz bekam er nichts mit, er wurde später festgenommen. Auf dem Schaden bleibt die überrumpelte Seniorin nicht sitzen. Die zerstörte Tür werde ersetzt und die Frau bekäme einen Blumenstrauß, sagt Pauli. Anders als bei einem Fall aus dem Jahr 2011. Damals brach die Münchner Polizei die Tür eines vermeintlichen Drogendealers ein - allerdings die falsche. Die Bewohner zogen vor Gericht, weil sie den Schaden ersetzt haben wollten, und scheiterten. Der Unterschied zum Fall der Seniorin in Lüdenscheid: Die Betroffenen hatten zufällig denselben Nachnamen wie der Beschuldigte. Und die Beamten hatten geklingelt. Die Bewohner hatten also Zeit zu reagieren. Die hatte die 88-Jährige nicht.
Eigentlich sollte ein Rocker der "Freeway Riders" festgenommen werden, der einen anderen Rocker durch einen Schuss lebensgefährlich verletzt haben soll. Doch die Beamten überraschten eine 88-Jährige.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/luedenscheid-sek-kommando-irrt-sich-in-der-tuer-1.4249131
SEK-Kommando irrt sich in der Tür
00/12/2018
Nach dem Fund eines toten Mädchens in einer Kölner Flüchtlingsunterkunft hält die Staatsanwaltschaft die Mutter der Zweijährigen für tatverdächtig. Die Obduktion hat nach Angaben der Ermittler ergeben, dass das Kind an massiven Kopfverletzungen starb. Es gebe allerdings Hinweise darauf, dass die Frau zur Tatzeit aufgrund einer psychischen Erkrankung schuldunfähig gehandelt haben könnte, sagte der Kölner Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer am Dienstag. Das tote Mädchen war am Montag von Rettungskräften in einer städtischen Unterkunft gefunden worden. Nach Angaben der Polizei hatte die 30-jährige Mutter, eine Nigerianerin, selbst den Hinweis auf die Leiche gegeben.
Die Mutter des toten Mädchens aus dem Flüchtlingsheim ist tatverdächtig.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/koeln-schwere-kopfverletzungen-1.4249136
Schwere Kopfverletzungen
00/12/2018
Und, peng, schon war auch dieser Traum geplatzt. Ein Shitstorm hatte das Stadtmarketing Elmshorn erreicht. Elmshorn, das ist eine reizende Stadt in Schleswig-Holstein mit knapp 50 000 Einwohnern und zwei Promis: Der Tennisspieler Michael Stich und der Koch Tim Mälzer stammen von hier. Es gibt drei Radwanderwege, ein Stadttheater und im Advent einen Lichtermarkt, von dem aus in den kommenden Tagen 500 bunte Luftballons mit Hunderten Kinderwünschen in den Himmel steigen sollten. Eigentlich. Doch Umweltschützer hatten was dagegen. Nach Plastiktüten und Fischernetzen nähmen Luftballons "Platz 3 des tödlichsten Meeresmülls ein", so stand es gerade in einer Erklärung des Bund Naturschutz, Landesverband Schleswig-Holstein. "Die Tiere strangulieren sich an den Schnüren oder verwechseln die Ballons und ihre Reste mit Futter." Also: Abstand nehmen von solchen Aktionen und lieber "Bändertänze" aufführen oder "Riesenseifenblasen" steigen lassen, so der Rat. "Unsere Aktion ist offenbar nicht mehr zeitgemäß", seufzt nun Manuela Kase vom Stadtmarketing Elmshorn. Mehr als hundert Protestmails habe sie wegen der Ballon-Idee erhalten. "Jetzt machen wir halt nichts - und dann überlegen wir mal." Kinder, es sieht nicht gut aus für den Luftballon! Dabei hat er einst so viele begeistert - von Hatschi-Bratschi bis Nena, von Michael Faraday bis Otto Lilienthal. Doch nun droht auch ihm das Ende. Dem Alu-Folienballon schon deshalb, weil er ständig in den Oberleitungen irgendwelcher S-Bahnen Kurzschlüsse verursacht. Und dem Gummiballon, weil er impotent macht, Krebs auslöst und Tiere tötet. Nur noch eine Frage der Zeit, bis Hochzeits-, Friedens-, Protest- und Gedenkballons, Wasserbomben und Furzkissen für immer verschwunden sind. Hätte Elmshorn nicht einfach chinesische Papiertüten in den Himmel steigen lassen können? Frau Kase grummelt: "Ach, die sind doch auch verboten." Nur Supermarkt-Bananen in Plastikschachteln sind erlaubt. Und Kondome. Wer weiß, wie lange noch.
Umweltschützer in Elmshorn, Schleswig-Holstein, stemmen sich dagegen, dass Luftballons mit Kinderwünschen in die Luft steigen dürfen - mit Erfolg.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/luftballons-plastikverbot-weihnachtsmarkt-1.4249129
Plastikverbot: Sind Luftballons nicht mehr zeitgemäß?
00/12/2018
Sechs Uhr morgens: Es ist noch dunkel draußen, die Menschen erwachen langsam aus ihrem Schlaf. Zu so einer Zeit rechnet man nicht mit Telefonanrufen oder Besuchen und schon gar nicht mit einer schwer bewaffneten SEK-Einheit, die einem die Tür einrammt und auf dem Balkon eine Blendgranate zündet. So ist es aber am vergangenen Donnerstag einer Frau in einem Mehrfamilienhaus im westfälischen Lüdenscheid ergangen. Eigentlich sollte ein Mann der Rockergruppe "Freeway Riders" festgenommen werden, der im Verdacht steht, im Oktober ein Mitglied einer rivalisierenden Rockergruppe durch einen Schuss lebensgefährlich verletzt zu haben. Doch statt eines mutmaßlich gefährlichen Rockers begegnete den Beamten nur eine ziemlich überraschte 88-Jährige. Die habe auf den ungebetenen Besuch "bemerkenswert tough" reagiert, sagt Gerhard Pauli von der Staatsanwaltschaft Hagen. Woran er das festmacht? "Sie hat keinen Herzinfarkt bekommen", sagt Pauli - und sie habe Scherze gemacht. Auch der Einsatz einer Seelsorgerin, die anschließend hinzugerufen wurde, sei nicht notwendig gewesen. Wie es zu der Panne kommen konnte, ist noch unklar. Sicher ist nur, dass die Beamten sich in der Adresse geirrt haben. "Menschen machen Fehler", sagt Pauli. Der Gesuchte wohnt eigentlich zwei Häuser weiter. Der hatte von dem falschen Einsatz offenbar nichts mitbekommen, denn er wurde später festgenommen, gemeinsam mit zwölf weiteren Männern. Der Einsatz war Teil einer Razzia im Rocker-Milieu in Nordrhein-Westfalen. Die Polizei beschlagnahmte Schusswaffen und Drogen. Auf dem Schaden bleibt die überrumpelte Seniorin nicht sitzen. Die zerstörte Tür werde ersetzt und die Frau bekomme einen Blumenstrauß, sagt Pauli. Anders als bei einem Fall aus dem Jahr 2011. Damals brach die Münchner Polizei die Tür einer Wohnung ein und durchsuchte sie, weil sie dort irrtümlich einen mutmaßlichen Dorgendealer vermutete. Die Bewohner zogen vor Gericht, weil sie den Schaden ersetzt haben wollten und scheiterten. Der Unterschied zum Fall der Seniorin in Lüdenscheid: Die Betroffenen hatten zufällig den gleichen Nachnamen wie der Beschuldigte. Und die Beamten hatten geklingelt und waren erst als niemand öffnete in die Wohnung eingedrungen. Die Bewohner hatten also Zeit, zu reagieren. Die hatte die 88-Jährige nicht. Mit Material der Nachrichtenagenturen
Eigentlich wollen die Spezialkräfte der Polizei einen Gesuchten aus dem Rocker-Milieu verhaften. Sie rammen die falsche Tür ein und zünden eine Blendgranate. Die 88-Jährige reagiert gefasst.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/sek-einsatz-panne-luedenscheid-1.4249092
SEK stürmt versehentlich Wohnung von Seniorin
00/12/2018
Nach dem Fund eines toten Mädchens in einer Kölner Flüchtlingsunterkunft gilt die Mutter als tatverdächtig. Die Obduktion hat nach Angaben der Ermittler ergeben, dass die Zweijährige an massiven Kopfverletzungen starb. Es gebe allerdings Hinweise darauf, dass die Mutter zur Tatzeit aufgrund einer psychischen Erkrankung schuldunfähig sei, sagte der Kölner Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer am Dienstag. Man habe daher beantragt, die Frau in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Das tote Mädchen war am Montag von Rettungskräften entdeckt worden. Die Mutter soll selbst den Hinweis auf ihre tote Tochter gegeben haben. Die 30-Jährige sei am Morgen verwirrt vor der Wohnung des Vaters des Mädchens im Kölner Stadtteil Mülheim angetroffen worden, berichteten die Beamten.
Die Obduktion hat ergeben, dass das zwei Jahre alte Mädchen an einer massiven Kopfverletzung starb. Die Mutter ist offenbar psychisch krank.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/koeln-leiche-fluechtlingsunterkunft-1.4248056
Köln: Totes Mädchen in Flüchtlingsunterkunft entdeckt
00/12/2018
Wenn nichts mehr geht: Am Ende landet Glückspiel-Geld meistens bei der Bank. Im Fall der beiden Nonnen aus Kalifornien, jedoch bei der falschen. "Denn die reich werden wollen, die fallen in Versuchung und Verstrickung und in viele törichte und schädliche Begierden, welche die Menschen versinken lassen in Verderben und Verdammnis." So steht es in der Bibel (1. Timotheus 6, Vers 9). Zwei Nonnen aus Kalifornien sind dieser Versuchung offenbar erlegen. Jahrelang zweigten sie Geld aus der Kasse ihrer katholischen Schule ab, um in Casinos ihr Glück zu versuchen. Entstandener Schaden: etwa 500 000 Dollar. Die Nonnen hatten jahrelang für die St. James School im Großraum Los Angeles gearbeitet. Mary K. war 29 Jahre lang Schulleiterin, Lana C. war Lehrerin, 20 Jahre lang. Beide waren vor kurzem in den Ruhestand gegangen. Ihr Diebstahl sei bei einer routinemäßigen Buchprüfung entdeckt worden, sagte ein Sprecher der Erzdiözese Los Angeles dem Sender CNN. Private Rechnungen sollen teilweise über das Konto der Schule beglichen worden sein. Außerdem sollen die Frauen per Scheck bezahlte Schulgebühren auf ein von ihnen genutztes Konto umgeleitet haben. Über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren gingen die Nonnen offenbar immer wieder auf Reisen - und verbrachten dabei ihre Zeit mit Vorliebe in Casinos, zum Beispiel in Las Vegas. Die Frauen sind Mitglied des Ordens "Sisters of St. Joseph of Carondelet", der den Fall in einer Stellungnahme einräumte. Darin heißt es, man sei sehr "betroffen und traurig" und werde der Schule das Geld zurückerstatten. Die Nonnen hätten den Betrug eingeräumt und kooperierten mit den Ermittlern. Michael Meyers, Pastor der St. James School, sagte der BBC, die Nonnen hätten "tiefe Reue" gezeigt und um Vergebung gebeten. Man werde den Fall nicht zur Anzeige bringen, sondern den Fall intern lösen, erklärte die Erzdiözese Los Angeles, zu der die Schule gehört. Vielleicht kann man sich bei der Erzdiözese damit trösten, nicht als einzige in den USA von Glückspielsucht in den eigenen Reihen heimgesucht worden zu sein. Im Jahr 2013 hatte ein ähnlicher Fall für Schlagzeilen gesorgt. Im US-Bundesstaat New York hatte eine Nonne in zwei Kirchengemeinden etwa 130 000 Dollar unterschlagen. Auch sie war damit ins Casino gegangen. An Ostküste reagierte man jedoch weniger großmütig. Es kam zur Anklage, die Nonne wurde zu 90 Tagen Gefängnis verurteilt und dazu, das Geld zurückzahlen.
Die zwei Frauen sollen das Geld von einer Schule abgezweigt haben, für die sie arbeiteten. Jahrelang fiel das offenbar niemandem auf.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/usa-nonnen-casino-1.4248313
USA - Nonnen unterschlagen Geld, um im Casino zu zocken
00/12/2018
Wird es hier jemals nochmal schön? Vorbei an der Kneipe "Charlys Bummelzug", wo das Stauder-Pils 1,50 Euro kostet, nebenan gibt's Handschuhe für zwei Euro. "Nanu-Nana" bietet Pokale mit dem Schriftzug "Bester Lover der Welt" an. Niemand bleibt länger als nötig im Gelsenkirchener Bahnhofscenter. In der sich anschließenden Bahnhofstraße, einer der am stärksten frequentierten Shoppingzeilen des Ruhrgebiets, reihen sich Billigläden, Drogerien und Backshops aneinander. Eine konforme Einkaufsmeile, wie es sie in vielen deutschen Innenstädten gibt. In großem Abstand stehen Weihnachtsmarkt-Fressbuden vor den Geschäften. Das Zelt in Biermanns Bauernstüberl ist zwar beheizt, aber trotzdem fast leer. Die Kinder-Eisenbahn in der Nähe steht still. Vorm H&M dreht sich ein kleines Kinderkarussell, bei "Lecker Lecker" kostet die Dose FC Schalke Energy-Drink einen Euro. Der dreizehn Meter hohe Weihnachtsbaum besteht aus aufeinandergetürmten blau-weiß leuchtenden Kugeln. Eine Hommage an den örtlichen Fußballverein. Vor der "Krippenschenke" prasselt ein Lagerfeuer, an dem sich niemand wärmt. Wer hier entlanggeht, versteht sofort, warum der Gelsenkirchener Weihnachtsmarkt zum unbeliebtesten der Republik gewählt wurde. Beim Ranking eines Testportals landete er auf dem letzten Platz. Das Portal hat für seine Liste nach eigenen Angaben 67 000 Nutzerbewertungen von 76 deutschen Adventsmärkten auf Facebook und Google ausgewertet und daraus eine Durchschnittsnote gebildet, ein fragliches Vorgehen. Die Zahl der Beurteilungen schwankt zwischen 5842 (Erfurt) und 30 (Gelsenkirchen). Das Ranking ist aus dem Vorjahr. Der schönste Weihnachtsmarkt steht demnach in Bremen. Über den Gelsenkirchener schrieb ein Facebook-Nutzer hingegen: "Der leerste und hässlichste Weihnachtsmarkt in Deutschland". Aber das war im Jahr 2016. Und heute? Leider lässt sich ein über Jahre angekratztes Image nicht so schnell aufpolieren Auf dem Heinrich-König-Platz, der Volksmund hier sagt nur "HKP", wandelt sich die Tristesse. Vor der Propsteikirche ist in V-Form ein Weihnachtsdorf aufgebaut. Heimelige Holzhütten, stilvoll geschmückte Tannen, warmes Licht, gemütliche Sitzplätze, leise Musik. Es ist der Versuch des Stadtmarketings nach vielen Jahren, in denen sich Besucher und Händler gleichermaßen über den ungemütlichen Weihnachtsmarkt beklagten, das Ruder herumzureißen. Aber lässt sich ein über Jahre angekratztes Image so schnell aufpolieren? Die Nachricht, dass Gelsenkirchen den laut Netz-Testurteil unpopulärsten Weihnachtsmarkt Deutschlands hat: für viele keine Überraschung. Die 260 000- Einwohner-Stadt im Ruhrgebiet gilt längst als Armenhaus der Republik. Da passt der letzte Platz perfekt ins Bild. Dabei ist das Weihnachtsdorf unter dem Motto "Weihnachten bei Freunden" ein Schritt in die richtige Richtung. Auch wenn nicht viel los ist. Fast jeder Vierte lebt hier von staatlicher Unterstützung "Gelsenkirchen kriegt erst am Monatsende Geld", sagt eine Verkäuferin. Gelsenkirchen ist die Stadt in NRW mit dem höchsten Anteil an Hartz IV-Beziehern, fast jeder Vierte lebt hier von staatlicher Unterstützung. Gut sei die Stimmung in diesem Jahr trotzdem. Wer mit den Händlern spricht, merkt: In Gelsenkirchen sind die Einheimischen zur Selbstkritik fähig. "Letztes Jahr war es schlimm, aber dieses Jahr ist es schön. Die Leute sind viel besser drauf, endlich, endlich haben wir hier auch Weihnachtsflair", sagt eine andere Verkäuferin. Katrin Kolender trinkt mit ihrem Mann, ihren Kindern und Freunden einen Feierabend-Glühwein. Die Gelsenkirchenerin kann sich über das Ergebnis des Rankings richtig aufregen: "Ja, die letzten Jahre war der Markt schrecklich, jetzt finde ich ihn aber richtig nett." So sehen das auch andere Besucher. Zwei Schülerinnen wollten eigentlich "nur kurz zum Primark", jetzt stehen sie am Eingang des Weihnachtsdorfes. "Dass es sowas bei uns jetzt überhaupt gibt, ist doch super", sagt Selin, Marie nickt. "Nettes Ambiente, kleine feine Büdchen" In Gelsenkirchen bringen die Händler die Einnahmen zwar abends nicht mit Schubkarren zur Bank wie in Nürnberg und München, aber darum geht's ja auch nicht, findet Elisabeth Hanke. Die Rentnerin aus Gelsenkirchen verkauft in einem Hüttchen ihre selbstgebastelten Grußkarten. "Gestern hat eine Frau 20 Karten auf einmal gekauft, das war natürlich schön. Aber sonst freue ich mich am meisten über die Gespräche mit den Besuchern." Die können sich aber nicht nur auf den Plausch mit Frau Hanke freuen, sondern auch über moderate Weihnachtsmarktpreise: Der Glühwein für einen guten Zweck kostet 2,50 Euro pro Tasse, Reibekuchen pro Stück einen Euro, Bubble-Glüh und Winter-Erdbeerbowle sind für vier Euro zu haben. Nun der Blick ins Netz nach zwei Wochen Weihnachtsmarkt, Halbzeit in Gelsenkirchen: Nur eine negative und 27 positive Bewertungen. "Nettes Ambiente, kleine feine Büdchen", "mit ganz viel Liebe aufgebaut und dekoriert", "nach Jahrzehnten von Weihnachtsmarkt-Katastrophen endlich wieder ein Schritt in die richtige Richtung".
In einem fragwürdigen Ranking hatte der Gelsenkirchener Weihnachtsmarkt den letzten Platz belegt - nun versucht man, ihn neu zu erfinden. Ein Besuch.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/weihnachtsmarkt-gelsenkirchen-unbeliebt-ranking-1.4247713
Weihnachtsmarkt in Gelsenkirchen
00/12/2018
Mit der Gefängnisbibliothek ist der Serienmörder unzufrieden. Schon vor einem Jahr hatte sich Michail Popkow in einem Interview beklagt, dass er manche Bücher bereits zwei Mal lesen musste. Er gebe sich Mühe, nicht über seine Taten nachzudenken, sagte er damals und ließ sich Sudoku-Rätsel von der Reporterin mitbringen. Besonders kranke Geister drehen sich meist ausschließlich um das eigene Wohlbefinden. Seit Montag gilt Popkow als schlimmster Serienmörder der russischen Geschichte. Ein Gericht in Irkutsk sprach ihn schuldig, weitere 56 Frauen getötet zu haben - zusätzlich zu den 22 Opfern, für die der 54-Jährige schon lebenslang einsitzt. Viele starben auf grausame Weise. Zum Verhängnis wurde ihnen, dass sie zu ihm ins Auto stiegen: in den Wagen eines Streifenpolizisten. Denn das war Michail Popkows Job in der sibirischen Stadt Angarsk, als er vermutlich 1992 das Morden begann. Die oft jungen Frauen waren allein unterwegs, abends oder nachts auf dem Heimweg. Der hilfsbereite Polizist bot ihnen an, sie nach Hause zu fahren. Für ihn, so erklärte er sein Verhalten später, waren diese Frauen verdorben, weil sie sich alleine herumtrieben und zu einem Fremden in den Wagen stiegen. Wenn sie dann noch falsch auf seine Fragen antworteten, sich von ihm auf ein Getränk einladen lassen wollten, brachte er sie nicht nach Hause. Die Ermittler gehen davon aus, dass er das Töten genossen habe Ihre Leichen am wurden am Straßenrand, im Wald oder auf Friedhöfen gefunden, oft ohne Kleidung, und es gab Hinweise auf Vergewaltigungen. Manche Frauenleichen waren so schlimm zugerichtet, dass die Ermittler davon ausgehen, er habe das Töten genossen und leide an Mordsucht. Für seine Taten, die er selbst als spontan beschreibt, nutzte er, was er eben dabei hatte: Messer, Schlagstock, Schraubenzieher. Lokale Medien berichten, dass Popkow bereits während seiner Zeit im Polizeidienst negativ aufgefallen und von Psychologen untersucht worden war. Er galt als reizbar und war niemand, der sich an gesellschaftliche Normen hielt. Er hatte offenbar einen entsprechenden Vermerk in seiner Dienstakte. Ohnehin war er nur einige Jahre bei der Polizei, hatte zuvor eine Ausbildung als Mechaniker gemacht, war mit der Armee in die Mongolei gegangen, hatte dann für die Verkehrspolizei und die Feuerwehr gearbeitet, bevor er bis 1998 Streife fuhr. Später wechselte er zu einem privaten Sicherheitsunternehmen, für das er zwischen Irkutsk und Wladiwostok pendelte. Er war sportlich, fuhr Ski und machte Biathlon, und war seiner Tochter ein fürsorglicher Vater. Wie wurde er zum Mörder? Trägt die lieblose Mutter eine Mitschuld? Oder der Vater, der den Jungen zu seinem Job als Totengräber mit den Friedhof nahm? Michail Popkow verdächtigte seine Frau, ihn betrogen zu haben, womit seine Wut auf Frauen erklärt wird. Seine Frau und Tochter glaubten allerdings selbst nach dem ersten Urteil 2015 noch fest an seine Unschuld und traten sogar im Fernsehen auf. Seine Tochter, damals 27 Jahre alt, beschrieb die enge Beziehung zum Vater und sich selbst als "Papas Mädchen". Später kam heraus, dass er wohl eine ihrer Lehrerinnen an der Musikschule umgebracht hat. Lange war unklar, wie viele Jahre er gewütet hatte, noch heute scheint die Zahl seiner Opfer unsicher. Fast 18 Jahre soll er vor der Nase seiner früheren Kollegen Jagd auf Frauen gemacht haben Zunächst gingen die Ermittler davon aus, dass er im Jahr 2000 mit dem Morden aufhörte. Doch nach dem ersten Urteil gestand Popkow weitere Taten bis ins Jahr 2010 hinein. Beinahe 18 Jahre lang hat er demnach vor der Nase seiner früheren Kollegen Jagd auf Frauen gemacht. Doch in der kleinen, sibirischen Stadt waren Geld und Personal offenbar so knapp, dass sie ihm nicht auf die Schliche kamen. Erst 2012 entdeckten die Ermittler dieselben Reifenspuren an verschiedenen Tatorten und nahmen DNA-Proben von mehreren tausend Menschen, die den passenden Wagentyp fuhren. Im Sommer 2012 verhafteten sie Michail Popkow in Wladiwostok. In einem Interview mit dem Onlineportal Meduza vor einem Jahr behauptete er, dass er keine Genugtuung nach den Morden empfunden hätte, sondern Angst - allerdings nach jedem Mal etwas weniger. Er könne sich selbst nicht erklären, warum er immer wieder tötete. Aber dann sagte er über seine Gefühle auch: "Es ist so lange her, ich kann mich nicht erinnern, wie es war." Er sprach in dem Interview auch über sein sorgloses Leben im Gefängnis in Irkutsk, wo er auf seinen Prozess wartete. Dort habe er ein sauberes Bett, einen geregelten Tagesablauf, immer etwas zu essen. Seine Tochter allerdings habe er seit zwei Jahren nicht mehr gesehen. Naja, und die Bibliothek lasse eben zu wünschen übrig. Seine lebenslange Strafe wird Popkow vermutlich in einer deutlich unbequemeren Strafkolonie verbüßen müssen. Manche spekulieren nun, dass er die weiteren Morde nachträglich gestanden habe, um noch nicht verlegt zu werden.
In Russland wird ein Mann wegen 78-fachen Mordes verurteilt. Zum Verhängnis wurde den oft jungen Frauen, dass sie zu ihm ins Auto stiegen: in den Wagen eines Streifenpolizisten.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/russland-serienmoerder-frauen-1.4247183
Prozess in Russland: Serienmörder und Polizist
00/12/2018
Für König Felipe VI. sind es keine guten Tage, wieder einmal. Da hat er im Parlament die Festansprache zum 40. Jahrestag der Verfassung gehalten, die den Übergang von der Franco-Diktatur - der Caudillo herrschte von 1939 bis 1975 - zur Demokratie festgeschrieben hat. Wie üblich las er monoton vom Blatt ab, sogar seine Anhänger geben zu, dass er nicht den Hauch von so etwas wie Charisma hat. Doch die Schlagzeilen gehörten ohnehin den Gegnern der Monarchie. Die linksalternative Fraktion Podemos, geführt vom schlagfertigen Pferdeschwanzträger Pablo Iglesias, verweigerte dem König den Applaus, die Abgeordneten trugen Anstecker mit dem Wort "República". Tage zuvor hatte Premier Pedro Sánchez, der Chef der Sozialisten, den Verfassungsartikel über die politische Immunität des Königs infrage gestellt. Die Jungsozialisten fordern gar ein Referendum über die Abschaffung der Monarchie, so wie es die Basken und Katalanen tun. Der Stadtrat von Barcelona hat beschlossen, die Straße der Bourbonen umzubenennen. Die Generation unter 30 lehnt Umfragen zufolge die Monarchie klar ab. Der junge, alerte Chef der Konservativen, Pablo Casado, hat deshalb eine Gegenmaßnahme vorgeschlagen: Die Spanier sollten bei öffentlichen Auftritten Felipes laut "Es lebe der König!" rufen. Ziemlich deutlich haben dem Ansehen der Monarchie die Berichte über die zahlreichen Seitensprünge von Felipes Vater Juan Carlos geschadet. Schlagzeilen machten auch die Millionen an Schmiergeld, die dieser von arabischen Potentaten für die Vermittlung von Aufträgen für die spanische Industrie bekommen haben soll. Auch meinen immer mehr Historiker, dass der heldenhafte Widerstand, den Juan Carlos angeblich bei dem Putschversuch von Franco-Anhängern 1981 geleistet hat, eine Legende sei. Verheerend war für das Königshaus der Finanzskandal um Iñaki Urdangarin, den zu knapp sechs Jahren Haft verurteilten Schwager Felipes. Zudem berichtet die Regenbogenpresse über Ehekrisen des Königspaars, Königin Letizia wirkt angespannt. Und dass Felipe der schüchternen zwölfjährigen Kronprinzessin Leonor einen hohen Orden verliehen hat, sorgte vor allem für spöttische Kommentare. Felipe habe damit klargestellt, wie volksfern er sei. Auch sein Engagement im Katalonien-Konflikt war kontraproduktiv: Durch eine unkluge Rede hat er ihn weiter verschärft. Die Monarchie in Spanien war eigentlich mit der Verfassung von 1931 abgeschafft worden, Felipes Urgroßvater Alfonso XIII. war ins Exil gegangen. Doch Franco hatte im Testament Juan Carlos als neuen König bestimmt. Das Referendum über die maßgeblich von Franco-Gefolgsleuten entworfene Verfassung von 1978 ließ den Wählern keine Alternative: Wenn sie Demokratie wollten, mussten sie König Juan Carlos akzeptieren. Wenn Felipe nun als "Verteidiger der Verfassung" auftritt, so lautet die Kritik, so verteidige er vor allem seinen Job und sein Luxusleben. Doch für eine Verfassungsänderung ist eine Dreiviertelmehrheit in beiden Kammern erforderlich. Das ist für die Republikaner kaum zu schaffen. Und trotz aller Kritik ist Felipe immer noch beliebter als alle Parteiführer von rechts bis links.
Finanzskandale, Seitensprünge, ungeschickte Reden: König Felipe VI. und seine Familie sind bei vielen Spaniern untendurch. Stimmen mehren sich, die eine Abschaffung der Monarchie fordern.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/spanien-koenig-felipe-1.4245404
Spanische Königsfamilie - König? Nein danke
00/12/2018
"Da ist mir wieder bewusst geworden, was wir den Briten zu verdanken haben" Postkarten wie diese nutzt die Münchnerin Susanne Weiß bei ihrer Aktion "We say hello". Weil sie den Brexit bedauert, hat eine Münchnerin die Aktion "We say hello" gestartet: Postkarten mit netten Botschaften nach Großbritannien schicken. Die Münchnerin Susanne Weiß hat mit Nachbarn die Aktion "We say hello" gestartet. Wer den Brexit bedauert, soll eine Postkarte über den Kanal schicken, um zu sagen: Wir werden euch vermissen. SZ: Nach dem Ja zum Brexit-Referendum haben ein paar EU-Bürgerinnen in London die Aktion "Hug a Brit" ins Leben gerufen. Nun also Ihre Aktion unter dem Namen "We say hello" ... Susanne Weiß: ... wir wollen zeigen: Es ist uns nicht egal, was passiert. Ihr gehört zu uns, zu Europa - und wir denken an Euch. Haben Sie eine spezielle Beziehung zu Großbritannien? Ich war ein paar Mal da und schätze Land und Leute sehr, mehr nicht. Steht ein politisches Ziel dahinter? Wollen Sie die Briten zurückholen? Wir hätten die Briten gern weiter dabei. Aber einzugreifen, Position zu beziehen, würde es wohl nur schlimmer machen. ‹ › Acht verschiedene Postkartenmotive kann man sich auf der Homepage wesayhellouk.wordpress.com herunterladen. Bild: Michael Lapper/We Say Hello UK ‹ › Eins der Motive: Die Beatles. Bild: Michael Lapper/We Say Hello UK ‹ › Auch dabei: Eine Tea-Time-Postkarte. Bild: Michael Lapper/We Say Hello UK ‹ › Sherlock Holmes, in einer verpixelten Version. Bild: Michael Lapper/We Say Hello UK ‹ › Auch einen Punk kann man als Postkarte nach England schicken. Bild: Michael Lapper/We Say Hello UK ‹ › Bild: Michael Lapper/We Say Hello UK Wird geladen ... Sie haben eine Website gestaltet, auf der man Postkarten herunterladen, ausschneiden und zusammenbasteln kann. Auf einer ist der Zebrastreifen auf der Abbey Road abgebildet, der auf dem Cover einer Beatles-Platte zu sehen ist. Eine ihrer Liedzeilen heißt: "You say goodbye, I say hello". Kommt daher: "We say hello?" Zuerst wollten wir die Initiative "Hello with Love" nennen, aber das war uns zu emotional, weil vor allem Respekt rüberkommen soll. Das "We" soll für ganz Europa stehen. Auf den Karten ist Sherlock Holmes zu sehen, eine Teetasse, ein Mini, ein Punker. Football. Das sind alles Klischees. Höflichkeit, Humor, Understatement - das lässt sich halt schwer darstellen. Aber auch dafür lieben wir die Briten ja. Detailansicht öffnen Susanne Weiß aus München hat eine Postkartenaktion zum Brexit gestartet. (Foto: Fotostudio Sauter; privat) Wie kann man denn nun mitmachen? Man kann eine Postkarte an Bekannte senden - oder recherchieren, wer sonst die Botschaft erhalten soll. Ich habe schon eine weggeschickt: an 10 Downing Street, London. Die nächsten Karten gehen an die Rathäuser in den Bezirken, in denen besonders viele Menschen für den Brexit votiert haben. Wie kam Ihnen die Idee zu "We say hello"? Ich habe unter anderem "The darkest hour" gesehen, den Film über Churchill und den Kriegseintritt der Briten. Da ist mir wieder bewusst geworden, was wir den Briten zu verdanken haben. Dass sie geholfen haben, die Nazis zu besiegen. Glauben Sie, dass jemand antwortet? Am schönsten wäre es, wenn sich Menschen in anderen EU-Ländern anschließen. Und ich wünschte mir, dass vor allem junge Leute sich angesprochen fühlen. Das waren schließlich die, die vor zwei Jahren so spät aufgewacht sind.
Weil sie den Brexit bedauert, hat eine Münchnerin die Aktion "We say hello" gestartet: Postkarten mit netten Botschaften nach Großbritannien schicken.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/brexit-we-say-hello-postkarte-1.4247177
"Brexit - ""We say hello"" statt ""Goodbye"""
00/12/2018
Ein Australier fand einst ein Känguru und gründete in der Folge eine Wildtier-Auffangstation. Känguru Roger wurde danach zur Social-Media-Sensation. Nun ist das Tier gestorben. Roger, das wohl berühmteste Känguru der Welt, ist tot. Die Netzwelt, oder zumindest ein 1,3 Millionen Fans umfassender Teil davon, trauert. Roger war ein rotes Riesenkänguru. Und riesig war er wirklich. Muskelbepackte Arme, ausgeprägte Brustmuskulatur, der Mister Universum der Tierwelt. Roger begeisterte nicht nur seine Facebook- und Instagram-Follower. Nein, auch die Damenwelt, respektive Känguru-Weibchenwelt. Kein Wunder, in Studien ist nachgewiesen, dass Männchen mit einem größeren Bizeps erfolgreicher im Amourösen sind als ihre spargelarmigen Kollegen. Rogers Weg in die sozialen Medien begann tragisch, auf einer Straße im Outback. Ein Auto überfuhr seine Mutter als er ein Jungtier war. Ein weiterer Autofahrer, Chris Barnes, sah das Waise am Straßenrand und nahm es mit, nahm es bei sich auf, taufte es Roger und zog es groß. Inspiriert von diesem Ereignis eröffnete Barnes eine Känguru-Station, dort kümmert er sich um verletzte Tiere oder mutterlose Junge. Doch so wie Roger war kein zweites Tier. In einem auf Facebook veröffentlichen Video hat sich Barnes anrührend von seinem langjährigen Gefährten verabschiedet: "Heute ist ein trauriger Tag. Wir haben unseren schönen Jungen Roger verloren" so Barnes, der in dem Video neben grasenden Kängurus im Sand sitzt. "Roger war für viele Jahre unser Alphamännchen und ist zu einem Känguru geworden, das Menschen von überall auf der Welt so sehr lieben wie wir." Das Alphamännchen unter den Alphamännchen wog 89 Kilogramm, stehend maß er knapp über zwei Meter. Im Vergleich: Der durchschnittliche deutsche Mann bringt es nur auf etwa 1,80 Meter. Dem Spiegel hatte Barnes vor einigen Jahren mal erzählt, Roger erhalte kein gesondertes Fitnesstraining. Känguru-Männchen messen sich in Rangeleien und kickbox-artigen Duellen. Das hält fit. Abgesehen von einem Boxsack, den Barnes seinem Schützling spendiert hatte und an dem er sich abreagieren durfte, war Rogers freakische Athletik offenbar einfach nur eine Laune der Natur. Und sie lebt weiter, etwa in seinen verebten Genen. Auf Instagram hat sein ebenfalls stattlich gebauter Sohn Monty Rogers Erbe angetreten. In Deutschland kennt man Kängurus vor allem aus dem Zoo. Oder aus den Geschichten von Autor Marc-Uwe Kling, dort als ein Tier voller Ressentiments gegen das kapitalistische System und Arbeit im Generellen. In Australien dagegen ist das Känguru Wappentier - wird aber nicht nur geliebt: Zum einen werden die Tiere hin und wieder auch für Menschen gefährlich, zum anderen beklagen sich Bauern über die Tiere, weil sie in der Landwirtschaft extreme Schäden anrichten. Insgesamt 45 Millionen Kängurus soll es auf dem Kontinent geben, bei etwa 25 Millionen menschlichen Einwohnern. Zwölf Jahre ist Roger, das Bodybuilder-Känguru, alt geworden - eine normale Känguru-Lebenserwartung. Er wurde dort begraben, wo er fast sein ganzes Leben verbracht hat und von wo aus er weit über die Grenzen des Landes bekannt geworden war, auf dem Gelände des "Kangaroo Sanctuary" von Chris Barns in Alice Springs, Australien.
Ein Australier fand einst ein Känguru und gründete in der Folge eine Wildtier-Auffangstation. Känguru Roger wurde danach zur Social-Media-Sensation. Nun ist das Tier gestorben.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/kaenguru-roger-australien-tod-1.4246760
Känguru Roger: Muskeln wie Arnold Schwarzenegger
00/12/2018
"Spray al peperoncino", sagen die Italiener, Paprika- oder Chilispray also, wenn sie Pfefferspray meinen. Das gibt die Wirkung des Reizgases, das in den Blechdosen steckt, vielleicht eindrücklicher wieder, dieses Beißen. Und die Bezeichnung ist auch etymologisch besser: Der Wirkstoff wird aus Capsicum gewonnen, aus Chilis eben. So kann man es jetzt in allen italienischen Zeitungen nachlesen. Aus tragischem Anlass berichten sie seitenlang über diese Sprays - und über deren denkwürdig weite Verbreitung. Es war kurz nach ein Uhr nachts, Samstagmorgen schon, als ein Teenager mit Kapuze im übervoll besetzten Club "Lanterna Azzurra" in Corinaldo bei Ancona auf einen Kubus stieg und mit einem "Spray al peperoncino" in die Menschenmengen unter sich sprühte, bis die Dose leer war. Das Publikum wartete gerade auf den Mailänder Rapper Sfera Ebbasta, ein Idol der Jugend und die große Attraktion des Abends. Der war spät dran, er hatte noch einen Auftritt in einer Diskothek in Riccione. In Corinaldo sollte er nie ankommen. Sfera Ebbasta kehrte um, als er erfuhr, was da in der "Blauen Laterne" nach der Sprühattacke passierte. Es war ja nicht das erste Mal. Panik brach aus. Die Besucher, fast alle minderjährig, drängten zu den Ausgängen. Eine Brüstung brach weg, Dutzende fielen in einen Graben, die Untersten wurden erdrückt. Sechs Menschen starben, fünf von ihnen waren zwischen 14 und 16 Jahre alt, dazu die Mutter eines elfjährigen Mädchens. Sie hatte die Tochter zum Konzert begleitet, am Samstag war schulfrei, Mariä Empfängnis, ein Festtag. Die Tickets, zwischen 20 und 30 Euro, waren schnell alle weg. Wie viele genau verkauft worden waren, ist nicht klar. Der große Saal im "Lanterna Azzurra", einem alten Tanzlokal, ist für höchstens 460 Besucher vorgesehen. Die Medien aber zeigten unter anderem das Faksimile von Ticket Nummer 1351. Der Rapper aus Mailand teilte seinen "großen Schmerz" mit seinen Anhängern in den sozialen Medien, da ist er ein Star mit Millionen Fans. "Ragazzi", schrieb er, "hört sofort auf. Denkt darüber nach, wie gefährlich und dumm es ist, Pfefferspray zu gebrauchen in einer Diskothek." Allein bei Auftritten von Sfera Ebbasta gab es in den vergangenen zwei Jahren vier weitere Vorfälle dieser Art, immer gingen sie einigermaßen glimpflich aus. Auch bei Konzerten anderer berühmter Musiker gab es Sprühattacken, bei Ghali etwa, bei Achille Lauro und kürzlich auch bei Elisa. Die Häufung bei Sfera Ebbasta führte schon zu der Vermutung, da wolle jemand seine Karriere sabotieren. Babygangs nutzen entstehendes Chaos für Diebeszüge Die Ermittler haben einen anderen Verdacht: Sie glauben, dass da einfach Verbrecher am Werk sind. Die Masche der so genannten Babygangs ist offenbar immer dieselbe. Die jungen Kriminellen mischen sich mit Pfeffersprays unter Konzert- und Clubbesucher. Die Dosen besorgen sie sich billig und legal im Handel, ab 16 Jahren ist das möglich. Eigentlich ist Pfefferspray ja zur Notwehr gedacht, den Gangs dient es als Waffe. Sie bekommen es auch leicht an den Türstehern der Diskotheken vorbei. Ist der Saal voll, die Menschenansammlung dicht, versprühen sie das Gas und nutzen die Panik, um zu stehlen: Uhren, Ketten, Geldbeutel. Das Chaos ist so groß, dass sie meist unbemerkt davonkommen. Im Sommer vor einem Jahr wandten acht junge Männer auf der Piazza San Carlo von Turin dieselbe Methode an. Es lief gerade die Direktübertragung des Fußballspiels Juventus Turin gegen Real Madrid, Finale der Champions League. Tausende wurden verletzt, eine Frau starb an den Folgen ihres Herzinfarkts. Auch an der Street Parade in Zürich traten immer wieder Diebe auf, die nach diesem Muster agierten. 2017 waren es fünfzig. Die meisten von ihnen waren aus Italien angereist, mit "Spray al peperoncino".
Bei einem Auftritt des Teenie-Idols Sfera Ebbasta nahe der italienischen Adria-Küste kommen sechs Menschen ums Leben, unter ihnen fünf Minderjährige. Pfefferspray soll zuvor eine Massenpanik ausgelöst haben.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/italien-konzert-massenpanik-1.4244959
"Rap-Konzert-Tragödie: ""Babygang"" im Verdacht"
00/12/2018
In London wurde heute vor 150 Jahren die erste Ampel aufgestellt - sie explodierte nach nur drei Wochen. Sieben skurrile Anekdoten aus aller Welt. Zwei Arme, die sich waagerecht ausbreiten konnten und nachts rot und grün beleuchtet wurden: So sah die erste Verkehrsampel der Welt aus. An diesem Montag vor 150 Jahren wurde sie in London installiert. Natürlich dort. London war damals die größte Stadt der Welt und somit auch die Stadt mit den schlimmsten Verkehrsstaus, wenn auch noch mit Pferdewagen und Fußgängern - das Auto wurde schließlich erst 18 Jahre später patentiert. Betrieben wurde die Weltneuheit mit Gas, weshalb es gut drei Wochen nach der Inbetriebnahme der ersten Ampel auch schon wieder vorbei war mit den Lichtsignalen, vorübergehend jedenfalls: Es kam zu einer Explosion, bei der sich ein Polizist verletzte. Erst mit der Elektrizität kehrte die Ampel zurück auf die Straßen. Ins Bewusstsein der Menschen drang sie allerdings bis heute nicht unbedingt vor. Längst nicht überall sind die Verkehrsteilnehmer ja so beherrscht wie in Deutschland, wo man sich, wenn man doch einmal bei Rot über die Straße geht, schon fast wie ein Krimineller fühlt. Derweil ist die Vielfalt der Ampeln, die sich in den vergangenen 150 Jahren entwickelt haben, immens. Mal gehen ihre Bewohner, die Ampelmännchen, aufrecht, mal gebückt; mal stehen sie bei Rot wie angewurzelt, mal winkt eine Hand; und in der Mongolei reiten sie auf Pferden. Eines aber haben die Ampeln in nahezu allen Ländern der Erde gemein: Sie sind spannender als die langweiligen Kreisverkehre. Sie lösen Emotionen aus, man kann auf Ampeln wunderbar schimpfen - und sich sehr freuen, wenn man mehrmals hintereinander eine grüne Ampel erwischt. Eine Sammlung von Ampelgeschichten aus aller Welt. Brasilien - Grün mit Konjunktiv Woran erkennt man einen echten Carioca, wie sich die Einwohner von Rio nennen? Ein belastbares Indiz ist die Ausrichtung des Liegestuhls. Fremde gucken an der Copacabana tendenziell zum Meer, Einheimische drehen ihre Liege stets in Richtung der Häuserfront, weil von da die Sonne auf den Bauch scheint. Noch eindeutiger definiert sich der Carioca aber am Steuer: Wer die Straßenverkehrsordnung befolgt, kann nur ein seltsamer Fremder sein. Ampeln? Werden grundsätzlich respektiert - solange sie nicht rot leuchten. Rote Ampeln sind unter den Autofahrern dieser Stadt eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung, um abzubremsen. Gehalten wird an Kreuzungen nur dann, wenn sowohl Rot ist, als auch die unmittelbare Gefahr droht, bei Missachtung der Ampel einen Unfall zu bauen. Ansonsten rauschen Taxis, Linienbusse, im Grunde alle echten Cariocas schon mal mit 40, 50 Sachen über Rot; gerne auch vor den Augen der Polizei, obwohl das so keineswegs in den Verkehrsregeln steht. Ganz im Gegenteil: Wer über eine rote Ampel fährt, macht sich eines "schweren Vergehens" schuldig und müsste laut Gesetz ein Bußgeld von 293,47 Reais entrichten (66,87 Euro). Aber dazu heißt es vor Ort: "A lei não pega", dieses Gesetz hat es leider nicht geschafft, umgesetzt zu werden. Als Fußgänger, zumal aus anderen Kulturkreisen, ist es deshalb gefährlicher, über Grün zu gehen als über Rot. Grün bedeutet hier nicht: Die Straße ist frei. Sondern: Die Straße könnte frei sein. Boris Herrmann Japan - Verwirrendes Farbenspiel In Japan schaltet die Ampel nicht von Rot auf Grün, sondern auf "Blau". Genau genommen leuchtet die Ampel durchaus grün, aber die Japaner nennen es blau. In den zweisprachigen Verkehrsregeln wird das japanische Blau auf Englisch mit Grün übersetzt. Der Grund dafür ist komplex. Der Linguist Francis Conlan hat dem japanischen Wörtchen "blau" eine 500-seitige Dissertation gewidmet. Historisch wurde vieles blau genannt, was in den Augen anderer Menschen grün ist. In Japan gibt es "blaue Blätter" und "blaue Äpfel". Selbst ein Anfänger ist kein Greenhorn und auch nicht grün hinter den Ohren, sondern blau, weiß der Linguist Peter Backhaus. 1930, als Japans erste Ampel an der Hibiya-Kreuzung in Tokio installiert wurde, nannte man ihre Farben noch Rot und Grün. Aber als Ampeln populärer wurden, begannen die Leute, das grüne Licht blau zu nennen. Um das aufzufangen, baute der Staat blauere Ampeln, kam aber wieder davon ab. Nur auf dem Land findet man heute manchmal noch blaue Ampeln. Die meisten Fußgänger in Japan warten, wenn die Ampel Rot zeigt. Selbst wenn weit und breit kein Auto kommt. Viele Radfahrer dagegen ignorieren alle Ampeln. Und die Autofahrer huschen, wenn die Ampel auf Rot schaltet, oft noch durch. Wenn sie dann aber grün wird, lassen sie sich meist viel Zeit. Vielleicht fragen sie sich: Ist das jetzt Grün oder Blau? Christoph Neidhart
In London wurde heute vor 150 Jahren die erste Ampel aufgestellt - sie explodierte nach nur drei Wochen. Sieben skurrile Anekdoten aus aller Welt.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/verkehr-andere-laender-andere-ampeln-andere-sitten-1.4245358
150 Jahre Ampel: Geschichten aus aller Welt
00/12/2018
"Spray al peperoncino", sagen die Italiener, Paprika- oder Chilispray also, wenn sie Pfefferspray meinen. Das gibt die Wirkung des Reizgases, das in den Blechdosen steckt, vielleicht eindrücklicher wieder, dieses Beißen. Und die Bezeichnung ist auch etymologisch besser: Der Wirkstoff wird aus Capsicum gewonnen, aus Chilis eben. So kann man es jetzt in allen italienischen Zeitungen nachlesen. Aus tragischem Anlass berichten sie seitenlang über diese Sprays - und über deren denkwürdig weite Verbreitung. Es war kurz nach ein Uhr nachts, Samstagmorgen schon, als ein Teenager mit Kapuze im übervoll besetzten Club "Lanterna Azzurra" in Corinaldo bei Ancona auf einen Kubus stieg und mit einem "Spray al peperoncino" in die Menschenmengen unter sich sprühte, bis die Dose leer war. Das Publikum wartete gerade auf den Mailänder Rapper Sfera Ebbasta, ein Idol der Jugend und die große Attraktion des Abends. Der war spät dran, er hatte noch einen Auftritt in einer Diskothek in Riccione. In Corinaldo sollte er nie ankommen. Sfera Ebbasta kehrte um, als er erfuhr, was da in der "Blauen Laterne" nach der Sprühattacke passierte. Es war ja nicht das erste Mal. Panik brach aus. Die Besucher, fast alle minderjährig, drängten zu den Ausgängen. Eine Brüstung brach weg, Dutzende fielen in einen Graben, die Untersten wurden erdrückt. Sechs Menschen starben, fünf von ihnen waren zwischen 14 und 16 Jahre alt, dazu die Mutter eines elfjährigen Mädchens. Sie hatte die Tochter zum Konzert begleitet, am Samstag war schulfrei, Mariä Empfängnis, ein Festtag. Die Tickets, zwischen 20 und 30 Euro, waren schnell alle weg. Wie viele genau verkauft worden waren, ist nicht klar. Der große Saal im "Lanterna Azzurra", einem alten Tanzlokal, ist für höchstens 460 Besucher vorgesehen. Die Medien aber zeigten unter anderem das Faksimile von Ticket Nummer 1351. Der Rapper aus Mailand teilte seinen "großen Schmerz" mit seinen Anhängern in den sozialen Medien, da ist er ein Star mit Millionen Fans. "Ragazzi", schrieb er, "hört sofort auf. Denkt darüber nach, wie gefährlich und dumm es ist, Pfefferspray zu gebrauchen in einer Diskothek." Allein bei Auftritten von Sfera Ebbasta gab es in den vergangenen zwei Jahren vier weitere Vorfälle dieser Art, immer gingen sie einigermaßen glimpflich aus. Auch bei Konzerten anderer berühmter Musiker gab es Sprühattacken, bei Ghali etwa, bei Achille Lauro und kürzlich auch bei Elisa. Die Häufung bei Sfera Ebbasta führte schon zu der Vermutung, da wolle jemand seine Karriere sabotieren. Die Ermittler haben einen anderen Verdacht: Sie glauben, dass da einfach Verbrecher am Werk sind. Die Masche der so genannten Babygangs ist offenbar immer dieselbe. Die jungen Kriminellen mischen sich mit Pfeffersprays unter Konzert- und Clubbesucher. Die Dosen besorgen sie sich billig und legal im Handel, ab 16 Jahren ist das möglich. Eigentlich ist Pfefferspray ja zur Notwehr gedacht, den Gangs dient es als Waffe. Sie bekommen es auch leicht an den Türstehern der Diskotheken vorbei. Ist der Saal voll, die Menschenansammlung dicht, versprühen sie das Gas und nutzen die Panik, um zu stehlen: Uhren, Ketten, Geldbeutel. Das Chaos ist so groß, dass sie meist unbemerkt davonkommen. Im Sommer vor einem Jahr wandten acht junge Männer auf der Piazza San Carlo von Turin dieselbe Methode an. Es lief gerade die Direktübertragung des Fußballspiels Juventus Turin gegen Real Madrid, Finale der Champions League. Tausende wurden verletzt, eine Frau starb an den Folgen ihres Herzinfarkts. Auch an der Street Parade in Zürich traten immer wieder Diebe auf, die nach diesem Muster agierten. 2017 waren es fünfzig. Die meisten von ihnen waren aus Italien angereist, mit "Spray al peperoncino".
In einem Club bei Ancona sterben sechs Menschen nach einer Massenpanik. Offenbar haben Diebe Pfefferspray versprüht. Die Zahl solcher Fälle wächst europaweit.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/italien-angst-auf-knopfdruck-1.4245362
Angst auf Knopfdruck
00/12/2018
Ein 21-Jähriger wurde auf einer Kölner Autobahn angeschossen. Die Suche nach dem Täter dauert an. Auch beschäftigt die Polizei die Frage, weshalb sich der lebensgefährlich Verletzte zunächst in eine Bar bringen ließ, ohne den Rettungsdienst zu rufen. Ein 21-Jähriger ist in Köln in seinem Auto angeschossen und lebensgefährlich verletzt worden. Der oder die Täter hätten in der Nacht zu Samstag auf der Stadtautobahn mehrmals aus einem Wagen heraus geschossen und seien vom Tatort geflüchtet, teilte die Polizei mit. Das Opfer war in seinem Auto angeschossen worden, der 16 Jahre alter Beifahrer blieb unverletzt. Eine Mordkommission nahm die Ermittlungen auf. Die beiden jungen Männer wendeten sich nach der Tat zunächst nicht an die Polizei und riefen auch keinen Notarzt. Vielmehr organisierten sie sich der Polizei zufolge private Hilfe und ließen sich zu einer Bar im Kölner Stadtteil Buchforst bringen - erst dann wählten sie den Notruf. Warum sie das so machten, war zunächst unklar. Noch offen war auch, warum das beschossene Auto erst nach dem Eintreffen der Polizei zum Einsatzort gebracht wurde. Der 21-Jährige musste im Krankenhaus notoperiert werden und schwebte noch stundenlang in Lebensgefahr. Der junge Mann sei noch im Krankenhaus, bestätigte ein Polizeisprecher am Sonntag. Genaueres zu seinem Gesundheitszustand wurde nicht bekannt. Die Polizei überprüfte zunächst drei Männer, diese konnten aber wenig später wieder gehen: Es sei zwar eine scharfe Schusswaffe bei ihnen gefunden worden, diese sei aber nicht die Tatwaffe gewesen. Medienberichte, nach denen die mutmaßlichen Täter aus dem Rocker-Milieu stammen könnten, wurden von der Polizei nicht bestätigt. Man ermittle in alle Richtungen - auch in diese, hieß es.
Ein 21-Jähriger wurde auf einer Kölner Autobahn angeschossen. Die Suche nach dem Täter dauert an. Auch beschäftigt die Polizei die Frage, weshalb sich der lebensgefährlich Verletzte zunächst in eine Bar bringen ließ, ohne den Rettungsdienst zu rufen.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/verbrechen-schuesse-auf-autofahrer-1.4245368
Schüsse auf Autofahrer
00/12/2018
So richtig nett ist es nur im eigenen Bett, oder? An der Raststation Fürholzen auf der A 9 vor München bereiten sich die Fahrer auf die Nacht vor. Lkw-Fahrer sollen ihre Kabinen künftig regelmäßig gegen Hotelbetten tauschen. Die Rede ist von einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Nur: Wollen die Fahrer das? Besuch auf einem Rastplatz an der Autobahn 9. Als Klaus Stumpf aufwacht, färben die letzten Sonnenstrahlen des Tages die Alpen am Horizont rot. Stumpf schlägt die Vorhänge an seinen Panoramafenstern zur Seite, er blickt auf den Sonnenuntergang. Und jede Menge Lastwagen, penibel aufgereiht am Rastplatz Fürholzen West, Autobahn 9. Klaus Stumpf, 59, fährt seit 38 Jahren Lkws quer durch Europa. Früher in Fahrerkabinen, in denen er nicht aufrecht stehen konnte und auf Schaumstoffmaträtzchen schlief, kaum breiter als eine Yogamatte. Jetzt sitzt er in der Kabine seines lilafarbenen 40-Tonners auf einer Sieben-Zonen-Kaltschaummatratze mit Lattenrost und eingebautem Kühlschrank darunter; an der einen Wand hängt ein Fernseher mit Sat-Anlage, auf dem riesigen Armaturenbrett stehen Gewürzgläser und eine Kaffeemaschine. Klaus Stumpf dreht sich zum Start in seinen Arbeitstag ein paar Zigaretten, bevor er losfährt, um in Ulm Frischware aufzuladen, die er nach Hanau bringt, dann weiter in die Eifel, noch mal aufladen, Tiefkühlpizzen diesmal, dann nach Hause an die Bergstraße. Beim Zigarettendrehen erzählt Stumpf von dem Thema, das ihn und seine Kollegen gerade umtreibt: der Beschluss der EU-Verkehrsminister von Anfang der Woche, der bessere Arbeitsbedingungen für Lkw-Fahrer schaffen soll. Einer der Kernpunkte ist ein "absolutes Kabinenschlafverbot", wie Österreichs Verkehrsminister Norbert Hofer es nannte. Eine Sprecherin relativierte das später, es gehe um Übernachtungen während der wöchentlichen Ruhezeit; nach sechs Tagen auf Achse müssen Lkw-Fahrer mindestens 45 Stunden am Stück pausieren, in dieser Zeit sollen sie nicht mehr im Fahrzeug übernachten. Sondern im Hotel. Hofer glaubt, damit würden Missstände auf überfüllten Autobahnparkplätzen beseitigt. "Das mit den Hotels finde ich gut", sagt Stumpf und zieht den Rauch seiner Zigarette tief ein. Er bläst ihn wieder aus und lacht laut: "Wenn ich das Geld hätte, würde ich jetzt in Hotels investieren. Ist doch eine super Geschäftsidee!" Es gibt allein in Deutschland mehr als 1,5 Millionen gemeldete Lkw-Fahrer, plus die unzählbaren aus dem Ausland. Der Straßengüterverkehr wird in den kommenden Jahren deutlich steigen, das Bundesverkehrsministerium rechnet bis 2030 mit einem Anstieg von 40,5 Prozent - allein in Bayern. "Wo bitte sollen denn all die Fahrer schlafen, wenn nicht in ihren Kabinen?", fragt Stumpf. Und: "Selbst wenn es so viele Hotels gäbe, wer soll das denn bezahlen?" Dass sein Chef das übernimmt, hält er für einen schlechten Witz, und von seinen 24 Euro Spesen pro Tag lässt sich nirgends nächtigen. Gegen die Überfüllung der Parkplätze hat Klaus Stumpf seine eigene Maßnahme ergriffen: Seit einigen Jahren fährt er ausschließlich nachts. "Wenn ich morgens zum Schlafen abfahre, sind die Parkplätze leer gefegt." ‹ › Klaus Stumpf fährt seit 38 Jahren LKWs quer durch Europa. Die Kabine seines 40-Tonners ist ausgestattet mit Sieben-Zonen-Kaltschaummatratze, Kühlschrank und Fernseher. Wer sollte eine Hotelübernachtung bezahlen, fragt sich der 59-Jährige. Bild: Stephan Rumpf ‹ › "In der Kabine zu schlafen gehört zu diesem Job dazu", sagt Wladimir Alekseev, der die Nacht im Truck nebenan verbracht hat. Bild: Stephan Rumpf ‹ › Früher war LKW-Fahrer ein Sehnsuchtsjob. Die Freiheit on the road , der Traum von Abenteuern auf den Straßen. Heute ist es ein Knochenjob, die Freiheit kontrollieren GPS-Sender und Fahrtenschreiber. Bild: Stephan Rumpf ‹ › Lars Engelmann betrachtet vor allem das Sozialdumping als Problem. "Wir brauchen gar keine Hotels", sagt er. Fürs erste würde es schon helfen, wenn es an den Autobahnen eine bessere Beschilderung gäbe, mit Informationen über freie Parkplätze an den Raststätten oder Wegen ins Gewerbegebiet. Bild: Stephan Rumpf ‹ › Allein in Deutschland gibt es mehr als 1,5 Millionen gemeldete LKW-Fahrer, plus die Unzählbaren aus dem Ausland. Und die Tendenz steigt: Das Bundesverkehrsministerium rechnet bis 2030 mit einem Anstieg des Straßengüterverkehrs von 40,5 Prozent - allein in Bayern. Bild: Stephan Rumpf Wird geladen ... Von Fürholzen West kann man das nicht behaupten, rund um die Fahrertüren liegen Zigarettenstummel, Mandarinenschalen und Sonnenblumenkerne. Im Lkw neben Stumpf liegen eine Packung Einwegrasierer am Frontfenster und ein Nummernschild, darauf in kyrillischen Buchstaben der Name des Fahrers: Vladimir Alekseev. Dieser lächelt freundlich, entblößt dabei einen fehlenden Backenzahn und öffnet seine Tür. Auf einer Gasplatte kocht Alekseev gerade Kaffee, über dem Beifahrersitz hängt ein Handtuch zum Trocknen, in den oberen Ecken seiner Kabine hat Alekseev Computer-Boxen verbaut, um während seiner Pausen am Laptop Filme mit Surround-Sound sehen zu können. Gerne zeigt der 38-Jährige seinen Schlafplatz, er mag ihn. "In der Kabine zu schlafen, gehört zu diesem Job dazu", sagt Alekseev. Die neue Regel hält er für "Quatsch", denn abgesehen von den Kosten ist die Frage ja auch: Wer soll das Verbot kontrollieren, und wie? Und, nicht zu vergessen, die Folge der Verlagerung in die Hotels: "Dann stehen die Lkws zwar nicht mehr auf den Autobahnparkplätzen, aber parken dafür eben die Hotels und deren Anfahrtswege zu." Alekseev verfolgt wie Stumpf eine eigene Taktik. Wo es auf seiner Route zwischen Schweden und der Schweiz geht, parkt er zum Schlafen in Gewerbe- oder Industriegebieten. "Wir brauchen gar keine Hotels", sagt Lars Engelmann Lkw-Fahrer war früher einmal ein Sehnsuchtsjob, die Freiheit on the road, der Traum von Abenteuern auf den Straßen irgendwo, in fernen Ländern. Die ARD-Serie "Auf Achse" mit Manfred Krug bediente diesen Mythos in sechs Staffeln, karierte Flanellhemden und Trucker-Caps bahnten sich ihren Weg aus Führerhäuschen in die Hipstermode. Aber heute? Heute ist Lkw-Fahrer ein Knochenjob. Die Freiheit kontrollieren GPS-Sender und Fahrtenschreiber. Klaus Stumpf und Vladimir Alekseev machen diesen Job gerne, sagen sie. Stumpf war vorher Maschinenschlosser und Schornsteinfeger, Alekseev Gabelstaplerfahrer im Lager eines Spielzeugherstellers. Doch wenn die beiden erzählen, merkt man ihnen an, dass ihnen die Sehnsucht ein wenig abhandengekommen ist. Nicht, weil ihre Schlafzimmer hinter einem Lenkrad und auf ein paar dicken Reifen liegen. Unter der Woche auf Achse zu sein und zu liegen, damit haben sie sich längst arrangiert. "Wir brauchen gar keine Hotels", sagt in einem anderen Lkw Lars Engelmann, während er unter einem Einbauschrank auf seiner Matratze sitzt. Am Armaturenbrett hängt ein Foto seiner Familie, Ehefrau, zwei kleine Kinder. Was ihn und seine Kollegen Stumpf und Alekseev viel mehr beschäftigt als das Problem, das Hofer und dessen EU-Kollegen lösen wollen, ist Sozialdumping, unlauterer Wettbewerb, durch Fahrer, vor allem aus Osteuropa, die zum Teil wochenlange Touren ohne eine Rückkehr nach Hause absolvieren. Zu Hunderten warten sie an Raststätten auf spontane Aufträge, für 1000 Euro monatlich. Der EU-Beschluss soll dafür sorgen, dass Kraftfahrer künftig höchstens vier Wochen am Stück in Europa unterwegs sind. Das sei ja gut, dass Sozialmaßnahmen ergriffen werden, sagt Engelmann, der 36-Jährige mit dem grau melierten Vollbart. Aber fürs Erste würde es schon helfen, wenn es an den Autobahnen eine bessere Beschilderung gäbe, mit Informationen über freie Parkplätze an den Raststätten oder Wegen ins Gewerbegebiet. Über die Schlafmöglichkeiten der Fahrer könnte man dann immer noch nachdenken. Außerdem, sagt Lars Engelmann, "schlafe ich hier im Wagen eigentlich besser als in meinem Bett zu Hause". Im Lkw ist es nachts so schön ruhig.
Lkw-Fahrer sollen ihre Kabinen künftig regelmäßig gegen Hotelbetten tauschen. Die Rede ist von einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Nur: Wollen die Fahrer das? Besuch auf einem Rastplatz an der Autobahn 9.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/lkw-fahrer-sollen-kuenftig-in-hotels-schlafen-1.4244255
Gute Nacht, Brummi
00/12/2018
Es dauert keine zehn Minuten, da fällt zum ersten Mal dieser Begriff: "Merkel-Poller". Die Gesprächspartnerin nennt so die Absperrungen am Weihnachtsmarkt gleich gegenüber. Dabei scheint sie selbst keine große Terror-Angst zu haben. Denn zum Aperitif hat sie mit ihren Freundinnen gleich neben den Pollern Platz genommen, auf der Außenterrasse des italienischen Restaurants Lazzaretti in Münster. "Zum neudeutsch Vorglühen", wie Cornelia Meyer zur Heyde mit vielen Smileys geschrieben hat. Und wer ist sonst noch dabei, an diesem Abend? "Keine Populisten außer ich."
Cornelia Meyer zur Heyde vermarktet einen einzigen Film - und verdient damit nach eigener Aussage anständig. Wie eine AfD-Politikerin über Heinz Rühmanns "Feuerzangenbowle" wacht.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/feuerzangenbowle-1.4242628
Feuerzangenbowle: Deutsch, verdammt
00/12/2018
Der kolumbianischen Pop-Sängerin Shakira droht in Spanien eine Anzeige wegen Steuerhinterziehung in zweistelliger Millionenhöhe. Wie die spanische Tageszeitung El País unter Berufung auf Ermittlerkreise berichtet, hat die zuständige Steuerbehörde ihre Untersuchungen abgeschlossen. Die Ermittlungen hätten ergeben, dass Shakira dem spanischen Fiskus zwischen 2012 und 2014 etwa 14,5 Millionen Euro vorenthalten habe. Die Anwälte der 41-Jährigen weisen die Vorwürfe zurück. Die Sängerin schulde den spanischen Behörden keinerlei Geld, zitierte El País aus einer Mitteilung ihrer Sprecher. Die Künstlerin sei die meiste Zeit außerhalb Spaniens tätig gewesen und habe den größten Teil ihrer Einnahmen bei internationalen Tourneen erzielt, hieß es. Sie habe vorgegeben, auf den Bahamas zu leben Bereits im Januar war bekannt geworden, dass Shakira ins Visier der Agencia Tributaria, der spanischen Steuerbehörde, geraten war. Die Musikerin, die mit Songs wie "Hips don't lie" und "Waka Waka" bekannt wurde, ist seit 2010 mit dem spanischen Fußballstar Gerard Piqué vom FC Barcelona liiert. Das Paar hat zwei Kinder. Nach Auffassung der Behörden soll Shakira im fraglichen Zeitraum bereits mehr als sechs Monate pro Jahr in Spanien verbracht haben und deshalb dort steuerpflichtig gewesen sein. Sie habe aber vorgegeben, auf den Bahamas zu leben, schrieb El País am Freitagabend unter Berufung auf die Steuerbehörde. Die Sängerin ist seit 2015 offiziell in Spanien gemeldet.
Die kolumbianische Sängerin soll 14,5 Millionen am spanischen Fiskus vorbeigeschleust haben. Ihre Anwälte weisen die Vorwürfe zurück.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/shakira-steuerhinterziehung-spanien-strafanzeige-1.4245004
Shakira droht Strafanzeige wegen Steuerhinterziehung
00/12/2018
Wenn Politiker im Deutschen Bundestag singen, dann meistens nur im Chor, etwa die Nationalhymne, wie hier bei der Wahl des Bundespräsidenten im Jahr 2012. Ein australischer Minister hat über die Landesgrenzen hinaus Bekanntheit erlangt, nachdem er seine Rede im Parlament in Liedform vorgetragen hat. Ein Modell das Schule machen könnte, etwa im Bundestag? Mal angenommen, Theresa May würde im britischen Parlament nicht mehr über den Brexit sprechen, sondern nur noch über ihn singen. Mal angenommen, Donald Trump würde in Zukunft nur noch in Eminem-Impulsreferaten die ihm so verhasste Welt adressieren. Und nur mal angenommen, die nächste Haushaltsdebatte im deutschen Bundestag würde im Kanon ausgefochten: Wäre das wirklich so schlimm, wäre das eine Verrohung der Sitten? Oder wäre dies nicht die eher folgerichtige Weiterentwicklung einer Welt, die heute schon so neongelb wie absurd aus den Displays quillt? Was dieser Tage ebenfalls aus den Displays quillt, und man muss an dieser Stelle sagen: glücklicherweise - ist der Gesang von David Templeman. Templeman, 53, ist ein australischer Politiker, Parlamentsabgeordneter und Kulturminister im westaustralischen Mandurah. Vor ein paar Tagen fasste er sein politisches Jahr im Parlament von Mandurah in einem Song zusammen; Templeman wählte nicht etwa Eminem oder etwas anderweitig Aggressives, er wählte Simon & Garfunkel und wandelte den Song "The Sound of Silence" ab, auf politische wie unpolitische Weise. Die Einlage von Andrea Nahles im Bundestag bleibt unvergessen Anstatt mit "Hello darkness, my old friend" eröffnete er seine Performance mit den Worten: "Hello speaker, my old friend", zu deutsch: Hallo Sprecher, mein alter Freund. Und so ging das weiter, zwei Minuten und 22 Sekunden lang: Zwar singt Templeman (und das übrigens gar nicht mal so schlecht) auch darüber, dass Australien in diesem Jahr die Einweg-Plastiktüte verbannt hat, ansonsten bringt er aber in erster Linie seine Kolleginnen und Kollegen im Parlament mit Provokationen zum Lachen: "Parlamentarier halten Reden, die niemand versteht", oder: "Parlamentarier halten Reden, bei denen niemals jemand zuhört." Was bei dieser, nun ja, Rede, nun nicht zutreffen sollte. In den sozialen Netzwerken, die sich in diesem Klick-Fall ausnahmsweise wirklich sozial verhalten, wird Templeman für seinen selbstironischen Auftritt gefeiert; der britische, konservative Politiker Phillip Lee schreibt etwa auf Twitter: "Inspiration aus Down Under für meine nächste Brexit-Rede. Wundervoll!" Klar: Es gab auch im deutschen Bundestag schon mal ein verhaltenes "Happy Birthday" (damals für Alois Gerig von der CDU), und da war die (leider unvergessene) Pippi-Langstrumpf-Einlage von SPD-Politikerin Andrea Nahles. Aber natürlich beides nicht zu vergleichen mit Templeman und seinem Anti-Silentium im Parlament: Denn das ist Youtube-Blödelei und Statement in einem. Was bei ihm als Kulturminister auch Teil seiner deformation prefessionelle ist, ist natürlich nicht so einfach, wenn man dem Bundesministerium der Finanzen vorsteht. Aber einen Versuch wäre es in jedem Fall wert. "Money Money Money", "Oh Lord, won't you buy me a Mercedes Benz?", "Alles nur geklaut" ... es gibt so viele Möglichkeiten.
Ein australischer Minister hat über die Landesgrenzen hinaus Bekanntheit erlangt, nachdem er seine Rede im Parlament in Liedform vorgetragen hat. Ein Modell das Schule machen könnte, etwa im Bundestag?
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/politiker-singt-australien-parlament-1.4243043
Politik: Sollten Parlamentarier öfter singen?
00/12/2018
Der Wolf ist zum Symbol geworden - und ist doch vor allem ein Tier. So sollte er auch behandelt werden. Wenn er das wüsste, der Wolf! Sogar auf dem CDU-Parteitag in Hamburg streiten die Menschen über ihn. Und als neulich die Bundeskanzlerin nach Dresden kam, da heizten ihr die sächsischen Parteifreunde ein: Sie lasse den Osten mit den Wölfen allein, und nur die AfD habe in dieser Sache das Ohr am Volk. Die wiederum klingt, als drohe Deutschlands Untergang: Horden fremder Räuber kämen illegal über die Grenze und fräßen deutsche Lämmer, Zicklein, Kälbchen - und bald auch Kindergartenkinder. Da helfen nur Obergrenze und Abschussquote! Die CDU möchte nun, getrieben vom wachsenden Wolfszorn, das Raubtier vom Naturschutz- ins Jagdrecht überführen, was nach Ansicht vieler Experten weniger den Schafen als vielmehr dem Menschengemüt hilft. In ländlichen Gegenden hat inzwischen jeder Vierte Angst vorm Wolf. Die Wolfsdebatte, die das Land zunehmend spaltet in Wolfskritiker und Wolfsfreunde, ist ein schönes Beispiel für das Wachstum des Irrationalen in der Politik. Dass es in Deutschland wieder 73 Rudel plus 30 Wolfspaare gibt, ist zunächst einmal ein Erfolg: Der Wolf ist wieder heimisch im Land. Nur macht er eben auch zunehmend Probleme. Bauern und Schäfer müssen ihre Tiere teuer schützen, mit Elektrozäunen, Herdenschutzhunden, furchtlos angreifenden Eseln. Nicht immer aber reicht das aus, und dann liegen 50 und mehr Schafe in ihrem Blut, ein Schlag für die Finanzen und auch die Seele jedes Schäfers. Das darf ein Land, das mit dem Wolf leben will, nicht ignorieren; auch nicht, dass einzelne Wölfe ihre Menschenscheu verlieren und getötet werden müssen. Es geht um Geld für Bauern und Schäfer, um die Frage, wann ein Wolf geschossen werden soll, um die Erforschung des Wolfsverhaltens. Es geht um ernst zu nehmende Detailprobleme der Landwirtschaft und des Tierschutzes. Nur ist der Wolf eben nicht einfach ein Tier. Er ist Projektionsfläche alter Ängste und neuer Naturromantik, ist den einen das märchenhaft Listige und Böse und den anderen das Sinnbild für die Versöhnung von Mensch und Natur. Nur so ist zu erklären, dass ganze Landstriche vom Rotkäppchen-Syndrom erfasst werden, wenn der erste Wolf auftaucht; nur so sind die Beschimpfungen zu verstehen, die auf den Landrat von Görlitz niederprasselten, als er einen Wolf zum Abschuss freigab, der mitten im Dorf einen Hund gefressen hatte. Der Wolf und seine Unterstützer sind zudem für viele zum Symbol geworden, dass "die da oben" sie und ihre Sorgen vergessen haben. Viele Lausitzer, Sachsen, Brandenburger gehören dazu, die Bauern, Schäfer, Landbewohner; Menschen, die der Zorn gepackt hat, weil die kulturelle Anerkennung des Landes sich auf der anderen Seite versammelt, bei den Tierschützern und Städtern, den Wolfsumarmern, die immer auf der Seite der Guten stehen. Vor allem das wird verhandelt werden, wenn es demnächst um den Wolfsgesetzentwurf der CDU geht. Wenn der Wolf das wüsste! Er würde die bernsteinfarbenen Augen rollen, überfordert damit, für all das herhalten zu müssen. Er ist halt ein Tier. Und wenn die Menschen ihm und sich selbst einen Gefallen tun wollen, behandeln sie ihn auch als Tier. Als eins, das sein Lebensrecht hat - dessen Lämmerhunger man aber in Rechnung stellen sollte.
Der Wolf ist zum Symbol geworden - und ist doch vor allem ein Tier. So sollte er auch behandelt werden.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/wolf-woelfe-jagd-naturschutz-1.4243358
Streitfall Wolf
00/12/2018
Mariah Carey Sie ist die ungekrönte Königin des Weihnachtspop, ihre Regentschaft hält schon ewig: In den "Billboard"-Charts für Weihnachtstitel steht ihr Song "All I Want For Christmas Is You" seit 31 Wochen auf dem ersten Platz - seit Anfang Mai. Mit weitem Abstand vor Klassikern wie "Rockin' Around The Christmas Tree" von Brenda Lee oder "Last Christmas" von Wham. Carey arbeitet schon seit Jahren fleißig an ihrem Image als singender Weihnachtsengel, inklusive zweier Weihnachtsalben und Weihnachtskonzerten, eines davon performte sie am vergangenen Mittwoch in Berlin (Foto). Die 48-Jährige verbringt Weihnachten im US-Winter-Hotspot Aspen, von Rentieren umgeben, erzählte sie kürzlich der Berliner Morgenpost. Und dass sie offenbar noch an den Weihnachtsmann glaubt: Sie habe zuletzt einen Wunschzettel an ihn geschrieben, auf einem Flug in Richtung Norwegen. Ob sie ihn wohl auch abgeschickt hat? Sollte es ihn wirklich geben, Carey hätte ganz sicher seine Adresse.
Antwort: Mariah Carey! Zumindest hat sie schon ihren Wunschzettel geschrieben. Bei Pamela Anderson und Prinzessin Charlotte weiß man es nicht so genau. Und bei Til Schweiger läuft es gerade nicht so gut.
panorama
https://www.sueddeutsche.de/panorama/promis-der-woche-wer-glaubt-an-den-weihnachtsmann-1.4241725
Promis der Woche: Wer glaubt an den Weihnachtsmann?
00/12/2018
Der niederländische Weltranglistenerste Michael van Gerwen hat mit einer Machtdemonstration den Einzug ins Finale der Darts-WM perfekt gemacht. Der niederländische Weltranglistenerste Michael van Gerwen hat mit einer Machtdemonstration den Einzug ins Finale der Darts-WM perfekt gemacht. "The Green Machine" besiegte in der Vorschlussrunde am späten Sonntagabend im Alexandra Palace in London seinen langjährigen Rivalen Gary Anderson deutlich 6:1. Damit steht van Gerwen zum vierten Mal im Endspiel des wichtigsten Turniers des Jahres. Van Gerwen will sich seinen dritten Titel nach 2014 und 2017 sichern. Im Finale trifft er an Neujahr (21.00 Uhr/Sport1 und DAZN) auf den Engländer Michael Smith, der zuvor Landsmann Nathan Aspinall 6:3 bezwungen hatte. Van Gerwen hat 25 von 31 bisherigen Duellen gegen Smith gewonnen. Der Sieger der 26. WM-Auflage der Professional Darts Corporation (PDC) erhält ein Preisgeld von 500 000 Pfund (etwa 555 000 Euro). "Momentan kann man schon sagen, dass wir die beiden besten Spieler der Welt sind. Wir beide haben die meisten Turnier in diesem Jahr gewonnen", sagte van Gerwen noch vor der Partie. Titelverteidiger Rob Cross (England), der bei der letzten WM im Endspiel Legende Phil Taylor in Rente geschickt hatte, war überraschend im Achtelfinale an seinem fünf Jahre jüngeren Landsmann Luke Humphries gescheitert. Auch andere Top-Favoriten waren früh aus dem Turnier ausgeschieden. Peter Wright aus Schottland patzte in seinem ersten Spiel ebenso wie der Niederländer Raymond van Barneveld und Simon Whitlock aus Australien. Auch Europameister James Wade aus England spielte im Turnier keine Rolle.
Der Weltranglistenerste lässt dem Schotten keine Chance und trifft im Endspiel auf den Engländer Michael Smith. Dann geht es um etwa 555 000 Euro Preisgeld.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/darts-van-gerwen-dominiert-anderson-und-steht-im-wm-finale-1.4270741
Van Gerwen dominiert Anderson - Finale gegen Smith
00/12/2018
Dejan Radonjic rieb sich 40 Minuten lang auf. Der Cheftrainer des FC Bayern spielte die letzte Partie des ereignisreiches Jahres 2018 am Sonntagabend so intensiv mit wie lange nicht mehr, er tobte, er verteidigte, er litt, er verrenkte sich, und er jubelte beim Auswärtsspiel in Bamberg so intensiv, als müsste er noch mal alle Gefühlsregungen des Jahres nachstellen. Nach der Schlusssirene stand er still da und genoss den 80:75-Sieg beim Tabellenvierten, mit dem seine Spieler in der Basketball-Bundesliga weiter unbesiegt bleiben (26:0 Punkte), als einzige Mannschaft. Es war das Duell zweier Mannschaften, die sich in den vergangenen neun Jahren die Meisterschaften untereinander aufteilten, siebenmal holten sich dabei die Bamberger den Titel. Deutscher Meister ist allerdings München - und so traten die Gäste in den ersten Minuten auch auf: selbstsicher, dominant und äußerst treffsicher. Während die Bamberger mit ihren Würfen haderten und die ersten sieben alle verwarfen, als wäre der Korb zubetoniert, trafen die Münchner, wie sie wollten. Nach fünf Minuten führen die Gäste mit 18:2 - erst danach findet Bamberg ins Spiel Es war ein ziemlich einseitiges Spiel, nach fünf Minuten führten sie bereits 18:2 - und mussten sich dafür nicht einmal richtig anstrengen. Erst als Bryce Taylor und Tyrese Rice jeweils zwei Distanzwürfe verwandelten, wurde es in der Halle ein bisschen lauter. Aber die Münchner ließen sich nicht davon beeindrucken, sie bewegten weiter rasch und raffiniert den Ball und gingen nach einem Dreier von Petteri Koponen mit einem 15-Punkte Vorsprung in die erste Viertelpause (26:11). Bambergs Trainer Ainars Bagatskis mochte da schon nicht mehr hinsehen, er wandte sich vom Geschehen ab und schickte eine abweisende Handbewegung hinterher. Der Lette verstand die Basketball-Welt nicht, mit einfachen Körpertäuschungen ließen sich seine Spieler ausspielen. Aber im zweiten Viertel fand er langsam Gefallen an seinen Profis, vor allem Elias Harris und Rice taten sich hervor und trafen mehrfach, obwohl sie gefoult worden waren. Harris einmal sogar bei einem Dunk, was ihm ein anerkennendes Klatschen seines Trainers einbrachte. Und die Bayern? Trafen nicht mehr mit dieser Selbstverständlichkeit der ersten Minuten, einzig Leon Radosevic unterm Korb machte auf sich aufmerksam und leistete sich kaum einen Fehlwurf, was die einheimischen Fans verärgerte, die die Aktionen des früheren Bambergers mit schrillen Pfiffen und unflätigen Schimpfworten begleiteten. Zur Pause war der Vorsprung der Bayern auf zwei Punkte zusammengeschmolzen (39:37). Aus einer einseitigen Partie war wieder eine offene geworden, Das Spiel hatte ja den Charakter eines Klassentreffens, vor der Begegnung hatte es ein großes Hallo mit vielen herzlichen Umarmungen und strahlenden Gesichtern gegeben. Radosevic und Maodo Lo trugen noch in der vergangenen Saison das Bamberger Trikot. Augustine Rubit begehrt spektakulär wie kein anderer Bamberger gegen die Bayern auf Etwas länger liegt das Wiedersehen der früheren Bayern-Profis Taylor - er war sogar Kapitän in München - und Rice mit ihrem alten Klub zurück. Aber auch der Amerikaner frotzelte mit Assistenztrainer Emir Mutapcic und Geschäftsführer Marko Pesic. Das dritte Viertel begann mit einem Korb für Genießer, Derrick Williams verwandelte einen Alley-oop mit dem Rücken zum Brett, er fing also den Ball aus der Luft und stopfte ihm direkt in den Korb - ein Kunstwerk, das den Weg zeigen sollte. München verteidigte nun unangenehmer, härter und führte schnell mit 47:36. Einzig Augustine Rubit (am Ende 24 Punkte) begehrte auf und bewahrte Bamberg mit zwölf Punkten in Serie vor einem höheren Rückstand. Vor dem Schlussviertel führte der FC Bayern mit 60:54 und ließ sich diesen Vorsprung mit viel Geschick nicht mehr nehmen, auch weil die Bamberger mit Fehlern nachhalfen.
Die Bayern-Basketballer beenden das Jahr mit einem emotionalen 80:75-Erfolg in Bamberg - der deutsche Meister bleibt damit in der Bundesliga auch im dreizehnten Spiel in Serie unbesiegt.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/basketball-ueber-die-hoechste-huerde-1.4269739
Über die höchste Hürde
00/12/2018
Würzburg verliert das letzte Spiel des Jahres 78:88 gegen Oldenburg - und macht doch Fortschritte. Für den Bundesligisten werden nun die kommenden Wochen besonders wichtig sein, in denen sich zeigt, ob der Klub die Playoffs erreichen kann. Denis Wucherer steht am Sonntagnachmittag vor der Trainerbank und hat einen guten Blick auf das Bundesliga-Spiel seiner Würzburger Basketballer, die er nach dem 78:88 (37:36) gegen Oldenburg für ihren Auftritt gleichermaßen loben und tadeln wird. Wucherer hat die Hände in den Taschen seiner Hose vergraben und wirft einen ausdruckslosen Blick auf das Spielfeld, wo es an diesem Tag nicht reichen soll, um den Tabellendritten zu besiegen. Als Florian Koch zum Wurf ansetzt, sind drei Punkte das ehrgeizige Ziel der Aktion - doch der Wurf wird geblockt. Als es wenig später auch der Mannschaftskollege Joshua Obiesie versucht, springen Würzburgs Spieler mit offenem Mund von der Bank auf, in freudiger Erwartung, dass der Ball diesmal in den Korb fliegen möge. Ihr Coach aber weiß es besser. Er geht einen Schritt und verzieht keine Miene: Der Ball fliegt nicht in den Korb. Der Trainer Wucherer ist am letzten Spieltag dieses Jahres nicht immer in sich gekehrt gewesen. Manchmal hat er herum gefuchtelt, manchmal gebrüllt, manchmal mit dem Schiedsrichter diskutiert. Und doch hat er an diesem Tag innere Ruhe verkörpert. Es ist eine Ruhe, die seine Würzburger Basketballer insgesamt Fortschritte machen lässt. Selbst wenn Spiele wie jenes gegen die Baskets Oldenburg in einer Niederlage enden. Zu Beginn der Saison hatten die Würzburger dreimal verloren - ein Fehlstart, der nicht mit den hohen Ansprüchen des Klubs vereinbar ist. Zu dieser Zeit erlebte Wucherer wohl manche schlaflose Nacht. Seine Spieler kamen einfach nicht in Tritt, und was dem 45-Jährigen am meisten Sorgen bereitete: Sie spielten nicht hart genug. Dabei verehrt doch gerade Wucherer einen physischen Basketball. Er ist ein Coach, dem ein schelmisches Lächeln ins Gesicht fährt, wenn er beispielsweise Kresimir Loncar dafür lobt, dass dieser auch mal mit dem Ellenbogen zu Werke gehe. In dieser Saison gab es zunächst nicht viel zu loben. Trainer sprechen oft von schlaflosen Nächten. Diese Nächte sind im Sportler-Sprech eine typische Phrase und Metapher für Sorgen - doch Wucherer dürfte tatsächlich viele unruhige Nächte durchgemacht haben. Nun, kurz vor dem Jahreswechsel, muss man keine Bedenken mehr haben. Wucherer schläft mit großer Wahrscheinlichkeit wieder gut. Wie weit seine Mannschaft inzwischen ist, woran es ihr aber noch immer mangelt, das lässt sich an diesem Sonntag gegen Oldenburg besonders gut erkennen. Der 35 Jahre alte Kresimir Loncar, sitzt zwar fast die gesamte Spielzeit auf der Bank und seine Ellenbogen bleiben an diesem Tag meist von einem großen, roten Handtuch bedeckt, das er um seinen Hals gelegt hat. Dennoch verteidigt Würzburg unter dem Korb mit Hingabe. Später sagt Wucherer: "Es war ein gutes Basketballspiel von zwei Mannschaften, die sich vor allem in der Verteidigung über dreieinhalb Viertel nichts geschenkt haben." Dann aber, in der entscheidenden Phase, verlieren seine Spieler erst den Kopf, dann das Spiel. Sie leisten sich etliche Ballverluste, und so wird klar, warum Würzburg in der unteren Tabellenhälfte steht und Oldenburg in der Spitzengruppe. Und so gerät Wucherer für einen Augenblick aus der Fassung und tritt gegen eine Werbebande. Seine Mannschaft hat den Ball schon wieder aus der Hand gegeben: "Das hat mit Cleverness zu tun", findet er, "das hat mit Antizipation zu tun, mit Handlungsschnelligkeit. Und da muss man ganz ehrlich sagen: Das sind nicht unsere Stärken." So ein letztes Spiel eines Kalenderjahres wird ja stets mit einem besonders wachsamen Auge verfolgt - in der Hoffnung, dass eine Erkenntnis herausfallen möge, die ins neue Jahr hinüberweist. Unter dem Eindruck des finalen Würzburger Auftritts 2018 gegen Oldenburg lässt sich also festhalten, dass die Mannschaft vorankommt - und doch noch jede Menge Arbeit vor sich hat. Wucherer weiß: "Die nächsten vier, sechs Wochen sind wichtige Wochen für uns." Denn da wird zu erkennen sein, ob Würzburg seinem Playoff-Anspruch gerecht werden kann - oder seinen Trainer noch zu dem ein oder anderen Tritt an eine Werbebande verleitet. Dass er mit dieser Ungewissheit ins neue Jahr geht, lässt Wucherer erst mal nicht nervös werden. "Es ist ja jedes Jahr dasselbe", sagt er. Im Mittelfeld der Tabelle tummeln sich rund zehn Teams, und erst im Februar kristallisiert sich heraus, wer tatsächlich die Substanz für die Playoffs mitbringt.
Würzburg verliert das letzte Spiel des Jahres 78:88 gegen Oldenburg - und macht doch Fortschritte. Für den Bundesligisten werden nun die kommenden Wochen besonders wichtig sein, in denen sich zeigt, ob der Klub die Playoffs erreichen kann.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/basketball-in-der-findungsphase-1.4269761
In der Findungsphase
00/12/2018
"Das ist großartig. Ich hätte nicht gedacht, dass es hier so aufgeht", freut sich Eisenbichler nach seinem zweiten Sprung. Schaffte er das nun endlich oder doch wieder nicht? Markus Eisenbichler aus Siegsdorf in Oberbayern hatte schon vor fünf Jahren großes Potenzial angedeutet, aber er hat auch diese ungestüme und selbstkritische Art, die seine Sprünge unberechenbar macht. Schon oft bot er einen formidablen ersten Durchgang, landete dann aber, als es im zweiten darauf ankam, viel zu früh und verabschiedete sich ins bessere Mittelfeld seines Sports, irgendwohin zwischen die Ränge zehn und 20. Nun, zum Auftakt der 67. Vierschanzentournee, war ihm also wieder ein grandioser erster Sprung gelungen, aber alle, die davon ausgingen, dass auch dieser Ansatz von Ruhm schnell verblassen würde, täuschten sich. Im zweiten Durchgang von Oberstdorf legte Eisenbichler sogar nach, setzte sich abermals an die Spitze und durfte nach einem schwächeren Flug des hohen Favoriten Ryoyu Kobayashi sogar kurz auf den Sieg hoffen. Zweiter wurde Eisenbichler dann, doch der Abstand zu Kobayashi ist nun winzig. 282,3 Punkte erreichte der Japaner am Ende, 281,9 erreichte Eisenbichler. Nur vier Zehntelpunkte trennen die beiden, was bedeutet, dass Eisenbichler zusammen mit dem plötzlich wiedererstarkten einstigen Tourneesieger Stefan Kraft aus Österreich (auf Platz drei) die weitere Reise über Garmisch-Partenkirchen an Neujahr und danach Innsbruck und Bischofshofen noch ziemlich spannend gestalten kann. Eisenbichlers Saison begann wechselhaft Bundestrainer Werner Schuster nannte diesen zweiten Platz einen "kleinen Knotenlöser", Eisenbichler selber sagte: "ich bin extrem glücklich", und offenbarte doch auch weiterhin Vorsicht vor sich selber: "Ich hab mir das schon zugetraut", sagte er, "aber auch nicht unbedingt erwartet, dass es hier passiert." Der Tag hatte, wie diese ganze Saison, bestehende Trends durcheinander gewirbelt. Fest steht bislang nur, dass Kobayashi, der 22-Jährige mit dem überragenden Absprung und dem guten Fluggefühl, seine Favoritenrolle lächelnd annimmt und auch bestätigen kann - trotz der leichten Luftwackler bei seinem letztlich gelungenen Versuch, Eisenbichler zu kontern. Der Japaner hatte 22 Zentimeter Vorsprung. Dahinter haben sich andere Mitfavoriten fast oder auch schon vollends verabschiedet: Die Polen Piotr Zyla und Kamil Stoch (dreimaliger Olympiasieger) stehen mit 14 bzw. 15 Punkten Rückstand schon unter Druck. Für Karl Geiger, den Gesamtweltcup-Fünften aus Oberstdorf, wird es bei 20 Punkten Abstand schwer aufzuschließen, ebenso für Stephan Leyhe (22 Punkte). Und der Norweger Johann André Forfang, zuvor Weltcup-Sechster, büßte nach missratenem ersten Sprung schon in Durchgang eins alle Chancen ein. Weil auch Richard Freitag mit leichter Hüftverletzung nur Durchschnittsprünge zustande brachte und Olympiasieger Andreas Wellinger überraschend schon an der Qualifikation scheiterte, liegen nun alle Hoffnungen des Deutschen Skiverbandes auf Eisenbichler. Die guten Vorsätze Wellingers halten nur bis zum Ende der Anlaufspur Der Mann aus Siegsdorf geht schon lange nicht mehr als bloßes Talent durch, dazu hat er dieses zumindest in den ersten Sprüngen schon zu oft bestätigt. Und Eisenbichler gelangen auch schon jene Erfolge, die endlich den erhofften Start zum konstanten Siegspringer verhießen, was sich dann doch immer wieder verzögerte. Vor knapp zwei Jahren gewann er bei der Weltmeisterschaft in Lahti/Finnland Bronze auf der kleinen Schanze, und ließ dann wieder etwas nach. Im Weltcup ist sein bestes Ergebnis bislang ein zweiter Platz, und auch in dieser Saison ging es wechselhaft los. Eisenbichler entwickelte sich seit November versteckt in seiner Nische im Mittelfeld, die besseren Sprünge wie neulich in Engelberg fielen kaum auf. Als er nun in Oberstdorf in der Qualifikation nach einem großartigen Trainingssprung wieder zurückfiel und kaum noch eine Chance hatte, konterte er am Sonntag mit starken Weiten trotz strammen Rückenwindes - auf 133 und 129 Meter. Entschieden war dieses erste Springen übrigens auch schon nach dem ersten Durchgang, jedenfalls für einige prominente Teilnehmer. Dass der Weltmeister von 2015, Severin Freund, nach zwei Kreuzbandrissen noch nicht so weit war, erschien logisch - überraschend kam Wellingers Niederlage. In Pyeongchang gewann er vor gut zehn Monaten Gold und zweimal Silber, nun lag er plötzlich im Schnee, rappelte sich auf, ließ den Kopf hängen, schnallte die Ski ab und stapfte davon. Es war das Ende eines von oben bis unten verkorksten Sprunges, über den sich Wellinger dann noch länger aufregte. Eigentlich wollte er nach seiner schleppend in Gang gekommenen nacholympischen Saison unbedingt locker bleiben. Das ging aber nur bis zum Ende der Anlaufspur gut, sagte Wellinger im ZDF, dann folgte eine Kette von Verkrampfungen. Er verpasste den Absprungpunkt, schnellte zu spät hinaus und verlor viel Energie. Sein Flug wurde eher ein Trudeln, bei 114,5 Metern war Schluss, mit einer für ihn indiskutablen Landungsnote von 51 Punkten. Beim Ausfahren verlor der entnervte Wellinger dann auch noch das Gleichgewicht, landete rücklings, verletzte sich aber nicht, höchstens wohl ein bisschen innerlich: "War ein Scheißsprung", fasste er zusammen. Die Rollen haben also gewechselt. Wellingers Kumpel Markus Eisenbichler hat endlich auch mal die Führung übernommen, und Werner Schuster sagt: "Die kommenden Schanzen liegen ihm. Da springt er wie im Schlaf."
Der Favorit Ryoyu Kobayashi gewinnt zwar das Auftaktspringen der Vierschanzentournee, doch fast hätte ihn Markus Eisenbichler bezwungen. Und der springt die kommenden Schanzen "wie im Schlaf".
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/markus-eisenbichler-raus-aus-seiner-nische-im-mittelfeld-1.4269835
Markus Eisenbichler: Raus aus der Nische im Mittelfeld
00/12/2018
Profi-Eishockeyspieler können nur schmunzeln, wenn zum Jahresende vielerorts von geruhsamen Feiertagen die Rede ist. Für sie heißt es in dieser Phase: Antreten im Zwei-Tage-Rhythmus. Der EHC Red Bull München war am Tag vor Heiligabend noch im 820 Kilometer entfernten Bremerhaven im Einsatz, ehe er am 26. Dezember schon wieder in Ingolstadt spielte. Die Weihnachtspause war also nicht wirklich eine - hat ihm aber trotzdem gut getan. Am Sonntag gewann der aktuelle Meister der Deutschen Eishockey Liga (DEL) auch sein drittes Spiel seit dem zweiten Weihnachtsfeiertag: In der letzten Partie des Jahres siegte er souverän mit 4:0 (0:0, 3:0, 1:0) in Wolfsburg, wodurch er nun als Tabellenzweiter, mit sieben Punkten Rückstand auf die Adler Mannheim, das Kalenderjahr beendet. "Es hat wieder lange gedauert, bis wir das erste Tor geschossen haben", sagte Konrad Abeltshauser, "da müssen wir an der Chancenverwertung arbeiten." 29 Punkte trennten den EHC und die Wolfsburger, die den Münchnern 2016 und 2017 noch im Playoff-Finale gegenüber gestanden waren, vor der Partie; die Niedersachsen gingen als Tabellen-Vorletzter und mit einer 1:8-Pleite gegen Bremerhaven im Gepäck in die Partie. Trotzdem hatte die Mannschaft von Trainer Hans Kossmann zuletzt mit Siegen gegen Köln, Augsburg und Tabellenführer Mannheim aufhorchen lassen. "Die Wolfsburger haben vor der Klatsche sehr gut gespielt", sagte Münchens Kapitän Michael Wolf. "Sie werden alles versuchen, das wieder wettzumachen." Deshalb gelte es für den EHC am Sonntag vor allem, die Startphase zu überstehen. Ausruhen? Von wegen. Am 8. Januar steht für den EHC schon das vierte Spiel 2019 an Das gelang den Münchnern sehr gut. Sie standen defensiv hervorragend und tauchten mehrmals gefährlich vor Gerald Kuhn aus. Als nach einem Überzahl-Versuch von Yasin Ehliz in Minute zwei die Scheibe knapp am Kasten vorbei rutschte, hatte Wolfsburgs Torhüter Glück - mit zwei starken Schoner-Paraden gegen Frank Mauer hatte er aber großen Anteil daran, dass es beim 0:0 blieb (9.). Kevin Reich im Münchner Tor hatte lange Zeit kaum etwas zu tun, war aber zur Stelle, als Spencer Machacek in der 13. Minute und Nick Latta (16.) gute Schüsse abgaben. Gegen das statistisch schlechteste Überzahlspiel der Liga gelang Münchens Mark Voakes kurz vor der ersten Pause in Unterzahl beinahe das 1:0. "Hier fühlt es sich wie zu Hause an", sagte der Angreifer, der im Sommer nach vielen Jahren in Wolfsburg an die Isar gewechselt war, "aber ich möchte trotzdem die drei Punkte." Das Christkind hatte dem EHC neue Angriffslinien beschert. Trainer Don Jackson hatte beim 4:2 in Ingolstadt und dem Penalty-Erfolg über Berlin seine ersten drei Angriffsreihen durcheinander gewirbelt, selbst das seit Monaten stark spielende Trio Voakes-Mauer-Kastner wurde auseinander gerissen. "Wir hatten nicht mehr die Resultate, die wir wollten", sagte Mauer vor dem Wolfsburg-Spiel dazu, deshalb sei so ein "kleiner Impuls" gesetzt worden. In Wolfsburg vertraute Jackson erneut den neuen Kombinationen - und wurde wieder belohnt. Abeltshauser nutzte nach anfänglichen Problemen im Mitteldrittel ein cleveres Zuspiel von Justin Shugg zum 1:0 (28.). Andreas Eder verpasste nach einem Konter das 2:0 (32.), doch sechs Minuten später stand es 3:0 für die Gäste, da Ehliz (34.) und Tobias Eder auf Zuspiel von seinem Bruder Andreas (38.) präzise abschlossen hatten. Andreas Eder hatte am Freitag im Heimspiel gegen die Eisbären Berlin getroffen und dadurch mitgeholfen, dass der EHC trotz eines 0:2- und 1:3-Rückstandes noch mit 4:3 nach Penaltyschießen gewann. Trainer Don Jackson sah dabei auch etwas, was er sehr lange nicht mehr von seinem Team gesehen hatte: Überzahltore. Justin Shugg und Trevor Parkes trafen im Powerplay, das zuvor fünf Spiele lang ohne Tor geblieben war. In Wolfsburg ging das Münchner Überzahlspiel wieder leer aus, der Sieg war aber nicht in Gefahr, denn Yannic Seidenberg erhöhte zu Beginn des Schlussabschnitts auf 4:0 (43.). Am Ende des 34. Spieltages konnte sich Reich über sein erstes komplettes Zu-Null-Spiel in der DEL freuen. Nationalspieler Frank Mauer hatte bereits vor dem letzten Spiel des Jahres eine 2018er-Bilanz gezogen. Und diese fiel wenig überraschend sehr positiv aus. Mauer sprach von einem "super erfolgreichen" Kalenderjahr, das dem EHC den dritten Meistertitel in Serie und den erstmaligen Einzug ins Halbfinale der Champions Hockey League (CHL) beschert hat. "Wir haben das Maximale erreicht", sagte er, "ich glaube, mehr geht nicht auf Vereinsebene." Ausruhen ist aber auch über Neujahr keine Option: Am 8. Januar wird der EHC bereits zum vierten Mal im Jahr 2019 gespielt haben. Den Anfang macht er mit dem Heimspiel gegen die Nürnberg Ice Tigers am 2. Januar.
Mit dem 4:0 in Wolfsburg ist der EHC München endgültig zurück im Siegesmodus. Ihm bleibt kaum Zeit, um auf sein starkes Kalenderjahr 2018 anzustoßen.
muenchen
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/eishockey-erfolgreich-im-zwei-tage-rhythmus-1.4269769
Erfolgreich im Zwei-Tage-Rhythmus
00/12/2018
Keine Silvesterseite ohne Jahresrückblick, klar, das gilt auch für den Regionssport. Aber es geht auch mal kleiner und bescheidener, es soll ja nicht wie Prahlerei wirken. Also: 2018 sind wir Meister geworden mit den Basket- und Fußballern des FC Bayern, dem EHC München, Grafings Volleyballern. Wir sind mit den Löwen aufgestiegen, mit dem SV Heimstetten, mit Türkgücü, mit dem TC Großhesselohe. Wir haben die Jahn-Basketballerinnen in die Playoffs gehievt, die Hallbergmooser Ringer, und mehrere Leichtathleten zur EM gebracht. Wieso wir trotz entschlossenster Berichterstattung nicht alle Abstiege verhindern konnten, etwa der Gröbenzeller Handballerinnen oder der Volleyballerinnen des DJK SB München, ist uns selbst ein Rätsel. Wir haben alles probiert. Andererseits sind wir da natürlich zu größter Neutralität, journalistischer Distanz und Zurückhaltung verpflichtet - da sind uns einfach die Hände gebunden. Trotzdem: Auch 2019 wollen wir natürlich wieder Titel gewinnen. Wir sind gut in Form.
Ein Jahresrückblick muss sein - aber er muss ja nicht gleich riesig ausfallen. Obwohl das Sportjahr 2018 für die Klubs der Region viele Aufstiege brachte. Doch das war nicht allein unser Verdienst.
muenchen
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/kurze-ecke-bloss-keine-prahlerei-1.4269785
Kurze Ecke - Bloß keine Prahlerei
00/12/2018
Die gute Nachricht für die Bundesliga-Volleyballerinnen aus Straubing und Vilsbiburg war am Samstag, dass sie für jede Position eine Spielerin aufstellen konnten. Angesichts der derzeitigen Verletztensituation war das keine Selbstverständlichkeit. Für Vilsbiburg endeten die guten Nachrichten damit in dieser Woche allerdings auch schon. Im Verlauf des 0:3 (19:25, 20:25, 22:25) gegen Münster kamen nicht mehr allzu viele positive Erkenntnisse hinzu. Obwohl Trainer Timo Lippuner betonte, dass "unter diesen Umständen" mit sechs fehlenden Spielerinnen nicht mehr zu erwarten gewesen sei, ist Tabellenplatz acht mit lediglich zwei Zählern Abstand auf den Abstiegsrang nicht das, was er sich nach acht von 22 Spielen in der Hauptrunde vorgestellt hatte. Seine Hoffnungen ruhen auf dem Januar, wenn er fünf verletzte Spielerinnen nach und nach zurück im Training erwartet und die nachverpflichtete Außenangreiferin Channon Thompson vom Nationalteam zurückkehrt. "Wir waren auf einem guten Weg, bevor die Verletzungsmisere kam", sagte der 38-Jährige. "Und auf den müssen wir jetzt wieder zurück."
Münster ist zu stark für Vilsbiburg, Straubing feiert in Erfurt: Die Bundesligisten haben trotzdem ähnliche Voraussetzungen.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/volleyball-lauter-verletzte-1.4269735
Lauter Verletzte
00/12/2018
Detailansicht öffnen 19 Zeckenbisse!? So entsetzt wie hier dürfte Korbinian Linner vom TSV 1860 Rosenheim bei seiner Entdeckung geschaut haben. (Foto: Frank Scheuring/imago) Die Zecken vom Königssee Eigentlich verpasst der Angreifer Korbinian Linner nur ganz wenige Spiele bei seinem Verein TSV 1860 Rosenheim in der Regionalliga Bayern. Von großen Verletzungen ist der 24-Jährige lange verschont geblieben - bis zur aktuellen Saison. Denn Linner verpasste schon den Saisonstart, weil sich insgesamt 19 (!) Zecken in seine Haut bissen, was nebenbei bemerkt auch einen Rekord für seinen Hausarzt bedeutete: "Der hatte bisher nur zwei auf einmal erlebt", sagte Linner im Juli zur SZ. Der Stürmer musste die Risiken der Borreliose mit Antibiotika bekämpfen und mit dem Fußball aussetzen. Geholt hat er sich die vielen Untermieter bei einem Ausflug an den Königssee. Während er nach einer Wanderung gemeinsam mit einem Kumpel schnell in den See hüpfte, schlüpften die Zecken in Linners Kleidung. Er selbst bemerkte sie erst daheim beim Duschen. Nach der zeckenbedingten Pause zum Saisonstart etablierte sich Linner zwar mit dem neuen Spitznamen "Zecke" gleich wieder als Rosenheimer Vielspieler, doch nach zwölf Partien folgte im November die nächste Auszeit: Linner riss sich das Außenband im Knie und hatte bis zur Winterpause keinen Einsatz mehr. In dieser Saison ist bei ihm irgendwie der Wurm drin. Oder besser die Zecke? Vier verliert Es war erst das zweite Spiel seiner Trainerkarriere, aber da merkte Miroslav Klose schon, dass der Fußball selbst für ihn noch Unvorhergesehenes bereithält: Die U17 des FC Bayern tat sich recht schwer im Derby bei der SpVgg Unterhaching. Dabei musste der Außenseiter seine letzten Kader-Reserven mobilisieren: Torwart Fabian Scherger zog sich nach elf Minuten eine Luxation der Kniescheibe zu, Ersatzkeeper Moritz Löwe musste kurz vor der Pause wegen einer Notbremse vom Platz. Knapp zwei Minuten hütete dann der Mittelfeldspieler Yigit Hasan Kaygisiz den Kasten. Trotz einer Glanzparade bat er zur Pause um seine Auswechslung, er fühle sich im Tor gar nicht wohl. In der zweiten Halbzeit wuchs Quirin Nuber zwar über sich hinaus, trotzdem drehten die Bayern das Spiel zum 2:1-Sieg. Für den gelernten Rechtsverteidiger Nuber war es bislang der einzige Saison-Einsatz. Der damals von seinem Team enttäuschte Klose brachte indes die Mannschaft auf Kurs, sie ist nun souveräner Tabellenführer. Störfeuer von der Eckfahne Es lief die 65. Spielminute im Stadion des SV Wacker Burghausen, als sich Oliver Wargalla beim Stand von 1:1 die große Chance zum Führungstreffer bot. Der Angreifer vom FC Pipinsried ließ einen Burghauser stehen und sprintete mit dem Ball in den Strafraum. Doch dann musste er plötzlich seinen aussichtsreichen Angriff beenden. Ein zweiter Ball rollte in den Sechzehner. Fußball ist - anders als etwa Boule - ein Spiel mit nur einer Kugel, der Schiedsrichter pfiff die Situation ab. Von selbst rollte der Ball in der Regionalliga-Partie Anfang November aber nicht aufs Feld: Wacker-Auswechselspieler Sascha Marinkovic, der sich an der Eckfahne warm machte, hatte ihn hinein gekickt. Eine äußerst unsportliche Aktion, die Marinkovic nicht zum ersten Mal angewandt hatte: "Zuvor hat er so bereits Fabian Hürzeler gestoppt, als der auf der linken Seite den Ball hatte", beobachtete der Pipinsrieder Geschäftsführer Roman Plesche, der auch sagt: "So etwas habe ich noch nie erlebt. Das gehört sich eigentlich nicht." Schiedsrichter Steffen Ehwald drückte beim ersten Mal noch ein Auge zu, nach dem erneut geglückten Störfeuer gegen Wargalla zeigte er Marinkovic die gelbe Karte. Bestraft wurde aber vor allem Plesches Team: Denn Burghausen schoss kurz darauf die Tore zum 3:1-Sieg, viel bitterer hätte die Auswärtsfahrt nicht enden können. "Aber das war mit der Heimfahrt erledigt für uns", sagt Plesche. Vielleicht die beste Lösung. Protest hätte er ohnehin nicht einlegen können. Nicht drauf gepfiffen Schiedsrichter Piet Fentross musste die B-Klassen-Partie zwischen dem SV Eurasburg-Beuerberg II und dem SV Lichtenau Weilheim abbrechen. Und zwar deshalb, weil er sie nicht abpfeifen konnte. Beim Stand von 2:2 kam es kurz vor Schluss zu einem Gerangel mit Zuschauern wegen eines nicht gegebenen Elfmeters. Dabei wurde der Unparteiische von einem kurz zuvor ausgewechselten SVL-Spieler beleidigt. Aber nicht nur das, dieser nahm ihm dann auch noch die Pfeife weg. Bis zu dem Vorfall sei die Partie normal verlaufen, gab Schiri Fentross zu Protokoll. Er nahm die Sache im Nachhinein zwar ganz locker, zumal er von einem Schiri-Kollegen des SVL ein paar Tage später seine Pfeife zurückbekam. Der Verband fand die Aktion aber gar nicht lustig: Das Sportgericht sperrte den Pfeifendieb bis zum 30. Juni 2019. Videobeweis für den Schiri Ende September legten Zeitungsberichte aus dem Landkreis Ebersberg den Verdacht nahe, dass die moderne Technik jetzt auch schon den Amateurfußball infiltriert. Bei der B-Klassen-Partie des TSV Aßling II gegen den FC Dardania Bad Aibling habe der Schiedsrichter einen Gästespieler vom Platz gestellt, nachdem er den Liveticker konsultiert hatte: Die dort vermerkte gelbe Karte gegen Adrian Rama (19.), so hieß es, hatte der Schiri vergessen. "Stimmt nicht", sagt der Unparteiische Norbert Höbel auf Anfrage. Das Ganze sei ein "Racheakt" des Tickerschreibers oder des TSV gewesen, um ihn dumm aussehen zu lassen: Aßling hätte nämlich gegen Ende der Partie (Endstand: 0:2) gerne einen Elfmeter bekommen. In Wahrheit habe er, Höbel, zuerst Gelb-Rot gezeigt und nach Protesten der Gäste im Ticker lediglich kontrolliert, dass er richtig liegt - und im Übrigen nur deshalb, weil ihm der Tickerschreiber die Hife angeboten hatte. Dieser wiederum war an jenem Tag tatsächlich sehr eifrig, er bettete sogar Video-Sequenzen von entscheidenden Szenen ein. Unter anderem auch jene, in der Schiri Höbel zum Tickerschreiber läuft. Dabei ist zu sehen, dass er die rote Karte schon lange gezückt hatte. Insofern handelte es sich tatsächlich um einen Videobeweis - einen zu Gunsten des Schiedsrichters. Unfreiwillige Bewerbung Manfred Gröber ist weit über den fußballerischen Einflussbereich des TV Aigslbach hinaus bekannt, vor gut zwei Jahren zum Beispiel traf der Stürmer in der 90. Minute, als man den SSV Jahn Regensburg unter Heiko Herrlich aus dem Toto-Pokal kegelte. In der Saison 17/18 war der 25-Jährige dann Torschützenkönig der Landesliga Südost, mit 31 Treffern - trotz des starken Angriffs mit 55 Treffern stieg Aiglsbach ab. Zahlreiche Bayern- und Regionalligisten suchen händeringend nach guten Stürmern. Wenig überraschend fragten viele in Aiglsbach an. Doch was machte Gröber? Er blieb einfach. "Das ist ihm alles zu weit weg", sagt Sportvorstand Georg Schmidt; Aiglsbach liegt 20 Kilometer südöstlich von Ingolstadt. Außerdem habe Gröbers Vater schon für den Verein gespielt, ähnlich erfolgreich im Übrigen, und der habe ja auch nicht daran gedacht, wegzugehen. Doch das Interesse wird nicht abreißen: In der Bezirksliga hat Gröber in 20 Spielen 25 Mal getroffen. Einzige Schwäche im Lebenslauf: Vom Punkt versagen bei den Aiglsbachern regelmäßig die Nerven. Und von derzeit neun verschossenen Elfmetern gehen zwei auf Gröbers Konto. Niederlage zum Karriereende Selbst der gegnerische Trainer hatte den Torwart gelobt, denn dieser hatte sein Team lange im Spiel gehalten. "Es hätte auch 6:1 ausgehen können", findet auch Keeper Armin Winzig selbst. Doch er verlor Mitte September mit dem SG Römershag II/SCK Oberwildflecken nach einem Tor in der 71. Minute trotzdem noch 1:2 gegen SG Oberbach/Wildflecken/Riedenberg II. Das ärgerte ihn natürlich, immerhin waren mit der Niederlage auch noch 100 Liter Bier futsch, die für einen Sieg in diesem Derby ausgelobt worden waren. Alles eine ganz normale B-Klassen-Begebenheit? Nicht ganz. Denn drei Wochen zuvor hatte der wohl beste Mann auf dem Platz seinen 60. Geburtstag gefeiert. Seinen Fitnesszustand beschreibt Winzig so: "Ich muss jetzt noch nicht mit dem Kran aus dem Bett geholt werden." Eigentlich ist Winzig nur noch Trainer, fit hält er sich, wenn er sich bei Abschlussspielen als zweite Keeper zwischen die Pfosten stellt. Ob es sich bei seinem Einsatz im Nicht-Altherren-Fußball um einen Altersrekord handelt, weiß Winzig nicht. Sein damaliger Einsatz aus Personalnot sei aber definitiv der letzte gewesen. Das habe er seiner Frau versprechen müssen. Abschlag ins Glück Die Rollenverteilung auf einem Fußballplatz ist eigentlich klar geregelt: Torhüter und Verteidiger sind dazu da, Treffer zu verhindern, Stürmer sollen diese erzielen. Doch ganz selten verschwimmen die Grenzen. So wie im April in der Landesliga Südwest beim 4:0 des TSV Gilching-Argelsried gegen den FC Gundelfingen: Da schnappte sich der Gilchinger Torhüter Felix Ruml, 24, den Ball. Per Abschlag beförderte er diesen in die gegnerische Hälfte, wo er aufsprang und über den Gundelfinger Torwart zum 3:0 ins Tor flog - ein ungewohnter Moment des Glücks für den früheren Jugendtorwart des FC Bayern. Für den es übrigens auch schon schlechter lief: Als Stammtorwart der SpVgg Unterhaching verpasste er 2015 einmal das vorletzte Saisonspiel, weil er auf dem Mittleren Ring im Stau stand. Seine Mannschaft gewann zwar trotzdem 1:0 gegen Münster, verlor aber die letzte Partie in Erfurt (mit Ruml auf der Bank) und stieg ab.
Verpasster Saisonstart wegen 19 Zeckenbissen, ein Schiedsrichter ohne Pfeife und ein 60-Jähriger, der mithält: Eine Rückschau auf acht kuriose Geschichten des Jahres.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/amateurfussball-neue-rollenverteilung-1.4269753
Amateurfußball - Neue Rollenverteilung
00/12/2018
Die Zuschauer wussten gar nicht mehr, wo sie zuerst hinschauen sollten. Der FC Liverpool, beheimatet in der Stadt der Beatles, machte Musik wie eine Rockgruppe, aber mal so richtig: In der Trainerzone sprang Jürgen Klopp mit seinen Assistenten auf und ab. Ihre Körperbewegungen deuteten an, dass jeder aus dem Powertrio auch gut und gerne Gitarrist, Bassist oder Schlagzeuger sein könnte. Die Spieler auf dem Platz gaben die Frontmänner, fünf Mal ließen sie es im Tor des FC Arsenal krachen: Bam, Bam, Bam, Bam, Bam! Die meisten Fans auf den Tribünen gerieten wie Teenies in Ekstase. Die Band drehte mit zunehmender Spieldauer auf, ein Solo folgte dem nächsten, bis Klopp in der zweiten Halbzeit die Sorge überkam, sein Ensemble könnte außer Rand und Band geraten. Mit entschleunigenden Gesten versuchte er die Eigendynamik des Auftritts zu kontrollieren, am Donnerstag muss sein Team ja schon wieder ran: im Spitzenspiel beim Meister Manchester City. Erst mit einigem Aufwand gelang es Klopp, halbwegs für Ruhe zu sorgen. Was wohl passiert wäre, wenn der Dirigent nicht gebremst hätte? Wäre der Rausch seiner Künstlergruppe noch dröhnender geworden? Und wie oft hätte es noch im Tor des FC Arsenal geklingelt? Zum Jahresabschluss siegte Liverpool mit Bandleader Klopp 5:1 gegen die Londoner - mit einer Lautstärke, die es fraglich machte, ob das Stadion die Veranstaltung schadlos überstehen würde. Das Fußballkonzert in Anfield, bei dem für jeden Geschmack etwas dabei war, ging auf die Sinne: Man konnte sehen, hören, riechen und fühlen, dass der ungeschlagene Tabellenführer der Premier League momentan eine der aufregendsten Besetzungen dieses Weltsports zu bieten hat. Mit 54 Punkten und 48:8 Toren aus 20 Spielen in der bisherigen Saison geht für Liverpool das Kalenderjahr 2018 zu Ende. Zu diesem Zeitpunkt hatten in der historischen Statistik der englischen Liga nur der FC Chelsea (55 Punkte, 2005/06) und Manchester City (58 Punkte, 2017/18) eine noch bessere Bilanz. "Es wäre verrückt, wenn die Fans nicht begeistert wären", sagte Klopp, "aber hoffentlich nicht zu laut, weil mein Hund das nicht mag." Auf der Insel gilt Liverpool als Party-Hochburg. Bis in die 20 Kilometer entfernte Küstengemeinde Formby, wo Klopp das Haus seines Vorgängers Brendan Rodgers gemietet hat, dürfte es der Lärm zwar nicht schaffen. Doch auf dem Weg zum ersten Liga-Titel nach 29 Jahren legt Liverpool ein Tempo vor, das kein anderer Klub mitgehen kann. Der Abstand zu Meister ManCity auf Platz zwei, der nach drei Niederlagen in kurzer Folge am Sonntag 3:1 beim von Ralph Hasenhüttl trainierten FC Southampton gewann, beträgt sieben Punkte. Tottenham fiel durch ein 1:3 gegen Wolverhampton auf Rang drei zurück. Zur Einordnung von Arsenal reichte am Samstag der Leistungsnachweis des Stürmers Pierre-Emerick Aubameyang: 13 Ballkontakte hatte der frühere Dortmunder - sechs davon bei der Ausführung eines Anstoßes. Auf der Ehrentribüne erinnerte der legendäre Kenny Dalglish, 67, der bisher letzte Meistertrainer der Reds, daran, dass das jahrelange Warten auf den Titel bald vorbei sein könnte. Seit Gründung der Premier League hat sich kein Klub als Tabellenführer ein so dickes Punktepolster zu Silvester noch nehmen lassen. In Liverpool weiß nur niemand so genau, woran man ist. 2013/2014 scheiterte der Klub kurz vor Schluss trotz komfortabler Ausgangslage. "Ich bin nicht der cleverste Mensch, aber auch kein Idiot. Es ist nicht wichtig, wie viele Punkte man im Dezember hat", betont Klopp: "Wir laufen einen Marathon." Um in der gegenwärtigen Verfassung jedoch den Meistertitel im Mai noch zu verpassen, scheint Liverpool schon einbrechen oder gar am Ziel vorbeirennen zu müssen. Die nächste Nervenprobe bestand der kommende Achtelfinal-Gegner des FC Bayern in der Champions League gegen Arsenal, als der einzige 0:1-Rückstand zu Hause in diesem Jahr bereits nach 170 Sekunden wieder ausgeglichen wurde. In 31 Liga-Heimspielen in Serie ist Liverpool unbesiegt, die Anfield Road ist der Zaubertrank, in den sich die Mannschaft fallen lässt. Überall im Spiel ist Druck drauf für den Gegner, der Torwart hält dicht, die Abwehr organisiert, das Mittelfeld treibt an, und im Angriff lauern die drei Cracks: Erstmals drei Tore in einer Partie schoss gegen Arsenal Roberto Firmino, je ein Treffer gelang Mohamed Salah und Sadio Mané. Nur einen Pokal gibt es dafür im Winter nicht. Für Liverpool heißt es deshalb auch im neuen Jahr: sofort zurück an die Instrumente und weiter Musik machen - gleich an diesem Donnerstag gegen ManCity und Pep Guardiola. Bloody hell.
Ein Team wie ein wildes Orchester: Spitzenreiter FC Liverpool versetzt seine Fans in Rockkonzert-Ekstase.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/premier-league-bam-bam-bam-bam-bam-1.4269765
Bam, bam, bam, bam, bam!
00/12/2018
Es war nur angemessen, dass Mikaela Shiffrin ein unglaubliches Jahr am Zauberberg in Semmering beendete - und zwar mit einem weiteren historischen Tag ihrer schon jetzt beeindruckenden Karriere. Seit dem vergangenen Samstag ist die Amerikanerin die erfolgreichste Läuferin der Weltcup-Geschichte im Slalom, mit ihrem 36. Sieg in dieser Disziplin am Samstag hat sie ihr Vorbild Marlies Schild überholt. Wenn sie so weitermacht, wird sie bald auch den Rekord des legendären Schweden Ingemar Stenmark (40 Slalomsiege) brechen. Sie ist ja immer noch erst 23 Jahre alt. "Marlies ist mein größtes Vorbild neben Bode Miller", sagte Shiffrin nach ihrem 51. Weltcupsieg am Wochenende, "als ich jung war, wollte ich immer die beste Skifahrerin der Welt werden. Ich hatte da immer Marlies vor Augen - ich wollte immer so fahren wie sie." Später verneigte sie sich bei Twitter noch schriftlich vor der Österreicherin, die 2014 zurückgetreten war: "Marlies, ein herzliches Dankeschön dafür, dass du mich inspiriert hast. Ohne Dich wäre ich nicht da, wo ich heute bin." Shiffrin hat in diesem Kalenderjahr neun Slaloms gewonnen sowie 15 Rennen insgesamt, das ist weder Mann noch Frau zuvor gelungen. Dazu kamen Gold im olympischen Riesenslalom, Silber in der Kombination und zum zweiten Mal nacheinander der Gesamtweltcup. Die große Kristallkugel wird Shiffrin auch in diesem Winter kaum zu nehmen sein: Ins neue Jahr, das am 1. Januar in Oslo mit einem Parallelslalom beginnt, geht sie mit 466 Punkten Vorsprung auf Petra Vlhova (Slowakei), die am Samstag als Zweitplatzierte 0,29 Sekunden langsamer als Shiffrin war. Für die deutschen Läuferinnen verlief der Tag am Zauberberg wenig erfreulich. Am wenigsten für Christina Geiger. Nach dem ersten Lauf lag sie auf Rang sieben, Rang acht und damit die WM-Norm schienen möglich - doch dann schied sie im Finallauf bereits am dritten Tor aus. Beste Deutsche war Jessica Hilzinger auf Rang 23 -immerhin zwei Plätze vor der erschreckend schlechten Lena Dürr.
Skirennfahrerin Mikaela Shiffrin stellt weiter munter Bestmarken auf. Ihre Serie in diesem Kalenderjahr ist zuvor weder Mann noch Frau gelungen.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/ski-alpin-rekordbrecherin-1.4270231
Rekordbrecherin
00/12/2018
Der deutsche Skispringer Markus Eisenbichler ist mit einem starken zweiten Platz in die 67. Vierschanzentournee gestartet. Der WM-Dritte musste sich in Oberstdorf nach Sprüngen auf 133 und 129 Meter einzig dem Topfavoriten Ryoyu Kobayashi aus Japan geschlagen geben. "Das ist großartig. Ich hätte nicht gedacht, dass es hier so aufgeht", sagte Eisenbichler. Rang drei ging an Doppel-Weltmeister Stefan Kraft aus Österreich. Eisenbichler lag bereits nach dem ersten Durchgang auf Rang zwei. Doch schon zur Halbzeit kam er nicht am 22 Jahre alten Japaner Kobayashi vorbei, der bereits vor Beginn der Tournee als Favorit auf den Gesamtsieg gehandelt wurde. Er flog im ersten Durchgang auf 138 Meter, Eisenbichler blieb mit 133 Metern vergleichsweise deutlich dahinter - im zweiten Sprung sollten sich diese Verhältnisse aufgrund der Windbedingungen dann umkehren. Am Ende fehlen Eisenbichler umgerechnet nur 22 Zentimeter auf den Tagessieger. "Ich bleibe ganz entspannt. Ich weiß, dass ich in einer guten Form bin", sagte der von seinen Kollegen nur "Eisei" genannte Athlet. "Die vier Zehntel tun nicht so weh, weil der Markus auch das Niveau hat, woanders ein Springen zu gewinnen. Für uns ist es super. Es war ganz, ganz wichtig für ihn", lobte Bundestrainer Werner Schuster seinen Schützling. Freund und Wellinger scheiden vorzeitig aus Abseits der Top-Platzierung Eisenbichlers erlebte das deutsche Team jedoch schon im ersten Durchgang eine herbe Enttäuschung, als die früheren Tournee-Zweiten Severin Freund und Andreas Wellinger vorzeitig scheiterten und den zweiten Durchgang verpassten. Sie mussten alle Hoffnungen bei der Vierschanzentournee schon nach dem ersten Sprung begraben. "Das muss ich erst einmal sacken lassen, so etwas macht keinen Spaß", sagte ein genervter Wellinger in der mit 25 500 Zuschauern ausverkauften Arena am Schattenberg. "Das war eine ganz schlechte Leistung, schade. So einen Tag wie heute hätte ich mir nicht gewünscht", sagte Freund im Auslauf der Arena. Auch die übrigen DSV-Springer blieben hinter den Erwartungen zurück. Lokalmatador und Geheimfavorit Karl Geiger kam zwei Wochen nach seinem Sieg in Engelberg als zweitbester Deutscher auf Rang zwölf, direkt vor Stephan Leyhe. Richard Freitag, im vergangenen Jahr Zweiter in Oberstdorf, landete auf Rang 16. "Die ersten Meter fühlen sich bei mir derzeit nicht so schön an, da springe ich ins Leere. Ich habe das Gefühl, dass ich immer zu früh bin", sagte er. Enttäuschend lief das erste Springen der diesjährigen Tournee auch für Kamil Stoch aus Polen: Der Titelverteidiger wurde nach fünf Tournee-Einzelerfolgen am Stück diesmal nur Achter. Trotz seiner augenscheinlichen Dominanz der vergangenen Wochen kann sich der Sieger von Oberstdorf Kobayashi noch nicht in Sicherheit wiegen: Allzu oft stürzten die Oberstdorf-Sieger am Ende noch ab: Seit 1993 brachten nur zehn von 25 Springern ihre am Schattenberg eroberte Führung in der Gesamtwertung bis nach Bischofshofen. Der zweite Wettbewerb der Vierschanzentournee findet an Neujahr in Garmisch-Partenkirchen statt.
Der Deutsche startet mit dem besten Ergebnis seiner Karriere in die Tournee. Kobayashi untermauert mit dem Sieg in Oberstdorf seine Favoritenrolle.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/vierschanzentournee-in-oberstdorf-kobayashi-gewinnt-eisenbichler-starker-zweiter-1.4270650
Kobayashi gewinnt, Eisenbichler starker Zweiter
00/12/2018
An Silvester freut sich Neuer vor allem darüber, dass er immer noch Profi ist. Er spricht über das schwere Jahr 2018 und kündigt an, dass er wieder Unhaltbare halten wird. Zum Interview bringt Manuel Neuer eine Wasserflasche für sich und einen Wassernapf für Momo mit. Momo, 11, ist ein Terrier-Mischling, der wie sein Herrchen ein cooleres Silvester erlebt als vor einem Jahr. Da ging Neuer auf Krücken Gassi und steckte mitten in einer Rehaphase, deren Verlauf schwer abschätzbar war. Im Interview spricht Neuer, 32, erstmals über die schwere Zeit seit dem ersten Haarriss im linken Mittelfuß im März 2017, dem zwei Brüche desselben Mittelfußes folgten. Der Nationaltorwart erklärt, wie er finstere Momente überwand, er spricht über das Scheitern bei der WM, und er verteidigt sich heftig gegen die Unterstellungen, er sei nicht mehr so gut wie vor der Verletzungspause. Und Momo, übrigens, hört aufs Wort.
An Silvester freut sich Neuer vor allem darüber, dass er immer noch Profi ist. Er spricht über das schwere Jahr 2018 und kündigt an, dass er wieder Unhaltbare halten wird.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/manuel-neuer-interview-fc-bayern-1.4269731
"Manuel Neuer - ""Ich will in allem der Beste sein"""
00/12/2018
Manuel Neuer spricht im Interview über kleine Ängste, große Ziele und ungerechte Unterstellungen. Er ist fest überzeugt: "Es ist alles wieder da." Nationaltorwart Manuel Neuer hat im Interview mit der Süddeutschen Zeitung erstmals eingeräumt, dass die Fortsetzung seiner Karriere durch seine Mittelfußverletzung ernsthaft gefährdet war. "Ein erneuter Rückfall vor der WM hätte die ganze Sache womöglich beenden können", sagte er am Ende eines Jahres, "in dem ja doch alles ein bisschen auf der Kippe stand". Trotzdem oder gerade deshalb sei 2018 für ihn aber auch ein schönes Jahr gewesen: "Ich kann wieder alles machen, nichts tut mehr weh." Er wisse es "sehr zu schätzen, dass ich noch dabei und wieder topfit bin". Vehement wehrt sich Neuer gegen die Unterstellungen, wonach er nicht mehr so gut halte wie vor seiner langen Verletzungspause. Er kenne "diese ganzen Statistiken", sagt er, "aber für mich ist wichtig, wie ich die Dinge sehe, niemand anderes". Die Nation müsse sich keine Sorgen machen, "es ist alles wieder da". Was die Zukunft angeht, gibt Neuer sich kämpferisch: Er wolle den aktuell weltbesten Torhütern "schon zeigen, dass ich's auch noch kann". Er gehe davon aus, dass er auch die sogenannten Unhaltbaren noch halten könne, das würden "die Leute bald wieder sehen". "Ich bin überhaupt nicht satt" Auch mit einem halben Jahr Abstand zeigt sich der Kapitän der Nationalmannschaft noch immer überrascht über das schwache Abschneiden der DFB-Elf bei der WM in Russland. Ein Auftaktspiel wie die Niederlage gegen Mexiko habe er sich nicht vorstellen können: "So ohne Herz und ohne Willenskraft habe ich eine deutsche Nationalmannschaft bei einem Turnier noch nie erlebt." Die Mannschaft wisse nun jedoch, dass ein Jahr wie 2018 nicht mehr vorkommen dürfe. "Wir haben jetzt den Anspruch, uns vor Holland als Gruppenerster für die EM zu qualifizieren. Die Leute sollen wieder eine Nationalmannschaft sehen, die richtig Spaß macht - und wieder gern ins Stadion kommen". Den Umbruch, den Bundestrainer Joachim Löw gerade vollzieht, unterstützt Neuer - er selbst habe aber nie darüber nachgedacht, seinen Posten im Tor zu räumen. "Das, was unserer Generation nach dem Turnier alles so nachgesagt wurde, das stelle ich an mir überhaupt nicht fest", sagt Neuer. "Ich bin überhaupt nicht satt, ich fühle mich immer noch sehr hungrig und habe immer noch das große Bedürfnis, in der Nationalmannschaft zu spielen und mit ihr Titel zu gewinnen."
Manuel Neuer spricht im Interview über kleine Ängste, große Ziele und ungerechte Unterstellungen. Er ist fest überzeugt: "Es ist alles wieder da."
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/manuel-neuer-die-nation-muss-sich-keine-sorgen-machen-1.4270223
"Manuel Neuer:""Die Nation muss sich keine Sorgen machen"""
00/12/2018
"Es ist erst vorbei, wenn es vorbei ist!" Mit diesem schwer zu widerlegenden Motto hatten die Ringer des SV Siegfried Hallbergmoos für die Fahrt im Fanbus nach Mainz geworben, zum ziemlich aussichtslosen Rückkampf im Playoff-Viertelfinale um die deutsche Meisterschaft. Den Heimkampf hatten sie am Wochenende zuvor klar mit 7:14 Punkten verloren. Am vergangenen Samstag war es dann soweit: Den Rückkampf gewann der ASV Mainz ebenfalls deutlich mit 18:7. Nun also war es vorbei. Zahlreiche Fans hatten die Hallbergmooser zu ihrem letzten Auftritt des Jahres begleitet, und es gab durchaus ein paar Enttäuschungen: dass etwa Ergün Aydin als Zweiter der deutschen Meisterschaften bis 86 Kilogramm gegen den DM-Dritten Johannes Deml 0:3 verlor; oder dass Richard Csercsics im freien Stil bis 130 Kilogramm dem mehr als zehn Kilo leichteren Gabriel Stark unterlag. Letzteres sei "ärgerlich" gewesen, fand der Vorsitzende Michael Prill, weil Csercsics zehn Sekunden vor Schluss noch geführt hatte und sie aus den ersten beiden Kämpfen (zunächst hatte Anders Rönningen 0:3 verloren) eine Führung erhofft hatten statt eines Rückstands. Als Aydin dran war, sei das Ausscheiden dagegen schon fast festgestanden, erklärte Prill. "Er bleibt unser Aushängeschild, auch wenn er gegen Mainz vielleicht zweimal nicht den besten Tag erwischt hat, er war in der ganzen Saison bärenstark." Es klinge zwar komisch nach diesem Resultat, "aber wir hatten uns wirklich noch nicht aufgegeben und waren mit der besten Mannschaft da". Doch erneut sei nicht alles so gelaufen, wie es möglich gewesen wäre. "Für viele bei uns war es der erste Viertelfinal-Einsatz, Mainz hat in den letzten acht Jahren sieben Mal das Halbfinale erreicht", erklärte Prill. "Es war eine lange Saison, die stark an unseren Athleten gezehrt hat, weil wir nicht so viel durchtauschen konnten wie andere." Der Gegner sei verdient weitergekommen, sein Team sei dennoch stolz auf das Erreichte. Die Punkte für die Gäste holten Alex Kessidis, der seiner Favoritenrolle beim 4:0 gegen Yasin Yeter gerecht wurde, Manrikos Theodoridis (2:0 gegen Dawid Ersetic) und Vilius Laurinaitis, der sich mit einem knappen 1:0-Sieg für die ähnlich knappe Niederlage vor Wochenfrist gegen Etka Sever revanchierte. Nun gelte es die Weichen für die neue Saison zu stellen. Die meisten Einheimischen bleiben wohl, andere haben laut Prill Angebote anderer Klubs vorliegen. Immerhin habe Anders Rönningen, der wichtig war in der Klasse bis 57 Kilo griechisch-römisch, für die neue Saison unterschrieben. Auch darüber, sagt Prill, seien sie sehr froh.
Die Hallbergmooser haben in Mainz auch den Playoff-Rückkampf klar verloren. Stolz sind sie trotzdem.
muenchen
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/ringen-endstation-viertelfinale-1.4269783
Endstation Viertelfinale
00/12/2018
Die Zeit zwischen den Jahren ist eine seltsame Zeit. Formal gibt es sie ja gar nicht, denn was soll da schon sein zwischen dem 31. Dezember, 23:59:59 Uhr, und dem 1. Januar 0:00:00 Uhr. Nicht mal ein Wimpernschlag passt da hinein, geschweige denn das Öffnen einer Sektflasche oder das Zünden eines Böllers. Aber hier unterscheiden sich die Formalien mal wieder von der Historie. Dort könnte man jetzt zur Erklärung einen Bogen spannen vom Alten Ägypten über das Konzil von Tours bis hin zur Kalenderreform durch Papst Gregor XIII. Man könnte in Länder wie England, Schweden, Schleswig oder Friesland schauen, wo von twelve nights, mellandagarna, twische de dage und twasche ujl en nai die Rede ist. Man könnte gar das Mondjahr hernehmen, das exakt elf Tage und zwölf Nächte kürzer war als das Sonnenjahr, weswegen die Zeit zwischen den Jahren ursprünglich zwölf Tage dauerte, vom 25. Dezember bis 5. Januar. Wieder andere haben das Mantra, dass die Zeit nur zwischen Weihnachten und Neujahr quasi stillsteht. Ob nun zwölf oder sieben Tage, es ist auch eine Wohlfühlzeit für Wald und Wild. Für den Wald, weil er nicht mehr fürchten muss, dass Abermillionen Nord- und Süd- und West- und Ostmanntannen aus seinem Herzen gerissen werden. Fürs Wild, weil in der Zeit zwischen den Jahren auch Jäger lieber Tee trinken. Zum Glück, kurz vor Weihnachten erreichten uns ja berührende Zahlen: Knapp 36 000 Tonnen Wildfleisch aus heimischen Wäldern haben Jäger im Jahr 2017/18 auf den Tisch gebracht, wie der Deutsche Jagdverband mitteilte. Spitzenreiter ist das Wildschwein: 19 737 Tonnen. Zweiter das Reh: 12 368 Tonnen. Dritter der Rothirsch: 2633 Tonnen. Womit man direkt bei den Alpenvolleys Haching wäre. Das sind die wilden Jäger von jenseits der großen Berge, die eine blütenweiße Weste in der Bundesliga hatten - bis sie kurz vor Weihnachten ihr erstes Spiel in Frankfurt verloren. Am Samstag haben sie wieder gewonnen, in Düren. Sie sind Tabellenführer und auf der Jagd nach dem Meistertitel. Der VfB Friedrichshafen ist ihr erster Verfolger. Er wird es schwer haben, sie noch einzuholen, zumal Alpenvolleys-Trainer Stefan Chrtiansky selbst leidenschaftlicher Hobbyjäger ist. Anfang Januar reist er wieder in die slowakische Heimat, nach Male Zlievce, auf der Suche nach einem schönen Keiler oder Reh. Das verheißt nichts Gutes für 2019, weder fürs slowakische Wild noch für die Liga-Konkurrenz.
Alpenvolleys-Trainer Stefan Chrtiansky ist Hobbyjäger, was dem Slowaken im Kampf um den Meistertitel gewaltig helfen dürfte. Dass er auf der Suche nach einem Keiler bald wieder in die Heimat reist, verheißt zudem nichts Gutes für die Verfolger.
muenchen
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/linksaussen-jaeger-und-gejagte-1.4269779
Jäger und Gejagte
00/12/2018
Womöglich bleiben die Weihnachtsbäume in Innsbruck und Unterhaching diesmal ein wenig länger stehen als gewöhnlich; einfach, weil der Baumschmuck in diesem Jahr so außerordentlich hübsch geraten ist: Denn die Tabelle der Volleyball-Bundesliga weist die Hypo Tirol Alpenvolleys Haching auch nach dem letzten Spiel des Jahres 2018 als Tabellenführer aus. "Wir werden jetzt trotzdem nicht ausflippen", stellte Manager Hannes Kronthaler klar, was einem speziell in Bezug auf den Vollprofi Kronthaler fast ein bisschen leid tun kann, denn da wäre man irgendwie mal gerne dabei. Des Ausflippens ob der aktuellen Tabellensituation eher unverdächtig sind die WWK Volleys Herrsching, die als Liga-Siebter das klubgewordene Mittelfeld der Liga bilden. Sie liegen damit nach zehn von 22 Spielen aber angesichts der eigenen Ziele und gänzlich anderer finanzieller Voraussetzungen ebenfalls im Soll. Ein Zwischenfazit. Der letzte Eindruck Die Alpenvolleys verteidigten die Tabellenführung vor dem VfB Friedrichshafen am Samstag mit einem 3:1 (22:25, 25:23, 25:19, 25:20) in Düren. Nach einem ersten Satz mit vielen Eigenfehlern waren sie das wesentlich zielstrebigere Team. Manager Hannes Kronthaler attestierte eine "charakterlich sehr gute Leistung", nachdem es eine Woche zuvor in Frankfurt krankheitsgeschwächt die bislang einzige Niederlage in der Liga gesetzt hatte. Herrsching unterlag Lüneburg unnötig deutlich mit 0:3 (21:25, 23:25, 23:25). Das Hauptproblem machte Coach Max Hauser in einer zu niedrigen Erfolgsquote beim Angriff nach guter Annahme und in der Annahme selbst aus. "Da lassen wir zu viel liegen", sagte er, "in Kombination mit den Phasen, in denen die Annahme nicht gut war, sind das die entscheidenden paar Punkte zu viel." Die Bilanz Grundsätzlich sei er dennoch "ganz zufrieden", sagte Hauser über die fast vollständige Hinrunde. Zu Saisonbeginn hatte er als Ziel den Klassenerhalt ausgegeben, es aber zügig auf die Teilnahme an den Playoffs korrigiert. "Wir haben alle, die wir mussten, gut im Griff gehabt", bilanzierte er. Die Alpenvolleys steckten sich das ehrgeizige Ziel, drittstärkste Kraft zu werden und damit potenziell alle im Griff zu haben. Allerdings gingen sie in neun von zehn Spielen als Sieger vom Feld und überholten die eigenen Ambitionen sogar noch. Das zwang Kronthaler in die für ihn untypische Rolle der Euphorie-Bremse. "Wir sind erst bei der Hälfte", mahnte er, fügte aber hinzu: "Auch der Zwischenstand bedeutet, dass wir von der Zusammenstellung bis zur Entwicklung des Teams viel richtig gemacht haben." Die Formkurve Herrsching spielte nach anfänglichen Abstimmungsproblemen recht konstant auf einem Niveau. Seit zwei Wochen ist nun Hoffnungsträger Artem Sushko zurück, der vor dem Auftakt nach Südkorea gewechselt, dort aber aus dem Kader gefallen und in der Folge an den Ammersee zurückgekehrt war. Der russische Außenangreifer soll 2019 mehr Durchschlagskraft bringen, Hauser hatte den Königstransfer im Herbst als Option gegen den hohen Block der Top-Teams verpflichtet. Noch enger mit einem russischen Zugang ist die Formkurve der Alpenvolleys verknüpft. Als Diagonalmann Kirill Klets zu Saisonbeginn Anpassungsprobleme offenbarte, hatte sein Team Mühe, diese Schwäche zu kaschieren. Seit Klets auf Betriebstemperatur angekommen ist, überzeugt er regelmäßig als Topscorer; die gesamte Angriffsabteilung agiert seitdem zudem konstant mit einer Effektivität von über 50 Prozent. Die guten Vorsätze Kronthaler blies zwischenzeitlich zum Angriff auf die Meisterschaft und stellte dafür eine Verstärkung für den Außenangriff in Aussicht - die einzige Position, auf der die Alpenvolleys nicht ohne Qualitätsverlust wechseln können. "Es ist noch nicht entschieden, steht aber auf der Agenda", sagte Kronthaler. Auf die Frage, ob für Titelambitionen ein weiterer Angreifer nötig sei, antwortete er aber: "Eher ja." Für eine erfolgreiche Rückrunde sei dagegen entscheidender, "dass wir im Kopf weiterhin damit rechnen, dass wir nach der kompletten Hauptrunde wieder Dritter sind", um unnötige Nervosität zu vermeiden. Hauser appellierte an das Arbeitsethos seines auf den Schlüsselpositionen Zuspiel und Angriff sehr jungen Teams. "Wir haben gegen die Top-Mannschaften gesehen, dass es noch nicht ganz reicht", sagte er, "aber da wollen wir hin und in der Rückrunde mal eine schlagen." Die Zuschauer Das Herrschinger Publikum ist seit Jahren schon eine Bank, im Hintergrund wird dagegen unverändert die Frage nach einer neuen, bundesligatauglichen Halle gewälzt. Bislang allerdings ohne einschneidenden Erfolg. In Unterhaching respektive Innsbruck müssen dagegen die fremdelnden Zuschauer selbst überzeugt werden, wozu das internationale Team an jedem Heimspielstandort nur die Hälfte der Heimspiele zur Verfügung hat. Kronthaler wähnt die Alpenvolleys aber auch in diesem Punkt "auf dem aufsteigenden Ast": Die Tabellenführung sowie je ein Topspiel gegen Friedrichshafen (in Unterhaching) und Berlin (in Innsbruck), die beide von den Alpenvolleys überraschend gewonnen wurden, hätten inzwischen dazu geführt, "dass die Mannschaft besser angenommen wird".
Erstligist Herrsching steht trotz des 0:3 in Lüneburg zufrieden im Mittelfeld, die Alpenvolleys verteidigen in Düren ihre Tabellenführung.
muenchen
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/volleyball-titelambitionen-und-ein-hoffnungstraeger-1.4269771
Titelambitionen und ein Hoffnungsträger
00/12/2018
Es kommt nicht oft vor, dass Trainer über die fehlende Zeit mit der Familie klagen. Ihre Arbeit nimmt sie eben ein, sie sind ja selber verrückt danach und haben's außerdem vorher gewusst. Auch der deutsche Skisprung-Bundestrainer Werner Schuster lamentiert so gut wie nie, nur in diesen Tagen der 67. Vierschanzentournee steht er vor einer Entscheidung mit großer Tragweite, und deshalb erlaubt er sich schon den Hinweis auf seinen jüngeren Sohn, der zwölf ist und sagt: "Der Vater ist im Winter im Fernsehen." Schuster ist Skisprungtrainer und als solcher fast ununterbrochen im Weltcup unterwegs, weit mehr als die Winterbetreuer anderer Sportarten. Seit mehr als zehn Jahren übt er diese Tätigkeit für den Deutschen Skiverband (DSV) aus, in dem jetzt womöglich eine neue Ära anbricht. Schusters Vertrag läuft aus, und obwohl gerade noch nichts Verbindliches über die Zukunft gesagt wird, obwohl die Gespräche zwischen Verband und Coach erst nach der Tournee und der WM im Februar stattfinden sollen, ist klar, dass diese Entscheidung schwerfallen wird. Schuster gab kürzlich zu erkennen, dass er in dieser Frage hin- und hergerissen ist. Was sein jüngerer von zwei Söhnen und seine Frau im Winter von ihm sehen, das sind die immer gleichen Kamerabilder: Er steht auf so einem komischen Stahlgerüst, hält eine Fahne nach oben und winkt dann einmal nach unten. Dann drehen sich Gesicht und Oberkörper langsam von links nach rechts. Die Augen starren dabei auf etwas, das wohl gerade vor ihm vorbeizischt, dann sehen die Kinder noch die linke Hand, die sich vielleicht vor Freude ballt, und dann spricht der Vater immer auch irgendwas in seinen Kragen hinein, wo ein Mikrofon steckt, über das er wohl den ersten Eindruck vom Sprung an irgendjemanden weitergibt. Gut möglich, dass der Bildschirm-Papa-Status dramatischer wirkt, als er ist. Tatsache ist, dass der Österreicher Werner Schuster, 49, dieses Problem kürzlich anführte, und zwar im Rahmen einer längeren Abwägung von Argumenten für und gegen eine Fortsetzung seiner Trainerarbeit beim DSV. Noch mehr Contras gibt es ja, genauso aber auch viele Fürs. Zu letzteren zählt das Ergebnis der Qualifikation von Oberstdorf zum ersten Springen der Vierschanzentournee, dessen Finaldurchgang erst am Sonntagabend entschieden war. Schon in der Vorausscheidung am Samstag feierte das System Schuster jedenfalls einen Erfolg: Zwölf von 13 deutschen Springern hatten sich für den ersten Durchgang qualifiziert - also alle Weltcupathleten und dazu fünf von sechs Talenten, die die gastgebende Nation bei der Tournee stellen darf. Zwar waren die Bedingungen für die Gruppe der Heimspringer zu Beginn der Qualifikation exzellent, und doch ist es ein weiteres Zeichen dafür, dass Schusters Arbeit Früchte trägt. Der Eindruck, als sei der Mann aus dem Kleinwalsertal schon seit den Anfängen dieses Sports in Deutschland dabei, hängt auch mit seinem Konzept zusammen. Gemeinsam mit dem Sportlichen Leiter Horst Hüttel hatte Schuster einen einheitlichen Sprungstil, einheitliche Trainingsmethoden und eine Zusammenarbeit zwischen den Stützpunkten eingeführt. Nach sechs Jahren gab es WM- und Olympiamedaillen. So ein erfolgreiches Langzeitprojekt empfinden viele wie ein Kind, von dem man sich, wenn es reift, auch ungern trennt. Schuster sagt: "Es gibt einen großen Willen, diese Geschichte fortzuschreiben." Nur wäre diese Fortschreibung eigentlich der Beginn einer neuen Geschichte. Die Generation Severin Freund, Richard Freitag, Andreas Wellinger hat sich im Weltcup etabliert, Schuster gilt aber als Trainer, der weniger das Bestehende verwalten, als etwas Neues entwickeln will. "Ich stehe auch für Seriosität, für langfristige Projekte", sagt er, "und es hilft der Mannschaft nichts, wenn ich für ein Jahr oder so verlängere. Und dabei kommt die Familie ins Spiel." Denkt man das weiter, dann wäre ein neues langes Projekt - wie damals der Wiederaufbau des deutschen Skispringens - der Frau und den Kindern wohl nicht vermittelbar. Andererseits, vereinbar wären Entwicklungsarbeit und Familie wohl doch - wenn Schuster auf die dritte große Freude verzichtet, die als weltreisender Übungsleiter. Es könnte sich sogar ein kleines Trainerkarussell drehen Nicht wenige vermuten, dass der Österreicher sehr gerne noch einmal für Österreich arbeiten würde. Und dessen Verband ÖSV hat grundsätzlich einen hohen Anspruch, gerade aber nur zwei Topspringer und kein ausgefeiltes, einheitliches Trainingssystem. Der ÖSV hält wohl an seinem neuen Chefcoach Andreas Felder fest, dennoch kann er einen bewährten Entwickler wie Schuster gebrauchen, zumindest als Juniorenleiter, als Chefstrategen oder wie immer man ihn nennt. Spekuliert man ein bisschen weiter, dann könnte sich sogar ein Trainerkarussell drehen, zumindest ein halbes. Polens Chefcoach, der Österreicher Stefan Horngacher, hat seinen Vertrag auch noch nicht verlängert, obwohl ihn die Polen wegen der Erfolge halten wollen. Weil er aber bis vor drei Jahren deutscher Assistenztrainer war, weil seine Familie im Schwarzwald lebt und er eine Rückkehr zum DSV als Cheftrainer bislang nicht ausgeschlossen hat, könnte Horngacher jene ideale Lösung darstellen, mit der sich der DSV leichteren Herzens von Schuster trennt. Der träte dann zwar kaum noch im Fernsehen auf, aber es gibt mindestens drei Menschen, denen das überhaupt nichts ausmacht.
Werner Schuster leitete vor zehn Jahren nicht weniger als den Wiederaufbau des deutschen Skisprungs ein. Zum Start der Tournee ist seine Zukunft ungewiss. Es könnte eine neue Ära anbrechen.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/vierschanzentournee-ein-trainer-auf-dem-sprung-1.4269725
Werner Schuster: Ein Trainer auf dem Sprung
00/12/2018
Bevor er von diesem Jahr erzählt, das sein Leben verändert hat, will Rurik Gislason etwas klarstellen. Er sagt: "Ich erzähle keinen Scheiß, wenn ich es einen Hype nenne. Ich bin froh, dass ich 30 Jahre alt bin, während es passiert." Und nicht etwa 20. Dann, glaubt er nämlich, würde er es vielleicht nicht verkraften. Es ist ein kalter Dezembertag, Gislason trägt nach dem Training eine Mütze über den nassen Haaren. Eben, auf dem Platz, hatte er sie zu einem Zopf gebunden, und man musste genau hinschauen, um den bekanntesten Fußballer des SV Sandhausen zu erkennen. Er lief auf der rechten Seite oft dem Ball hinterher, war manchmal im Zweikampf spät dran, einmal schoss er den Ball an den Pfosten und schaute frustriert. Doch es geht nicht nur um Sport in dieser Geschichte. Es liegt nicht an seinen fußballerischen Fähigkeiten, dass den Isländer Gislason, der bis zum Sommer ein unscheinbarer Zweitligaspieler war, nun mehr als eine Million Menschen verehren, so muss man es wohl nennen. "Wie ist es nur möglich, dass man so schön ist?", schrieb die brasilianische Schauspielerin Gabriela Lopes am 16. Juni auf ihrem Instagram-Kanal, dem mehr als zwei Millionen Menschen folgen, während des WM-Gruppenspiels zwischen Argentinien und Island. Sie meinte Gislason, der in der 63. Minute beim Stand von 1:1 eingewechselt worden war. Island hielt das Unentschieden, auf der Tribüne in Moskau rang Diego Maradona um Fassung, es war die erste Überraschung des Turniers. Gislason spielte solide. Als er in der Kabine aufs Handy schaute, wie er es immer nach Spielen zu tun pflegt, dachte er: "Habe ich etwas falsch gemacht?" Vor dem Spiel hatte er bei Instagram 36 000 Abonnenten, nun waren es sehr viel mehr. Rund 400 000 waren es zwei Tage später. Inzwischen folgen ihm mehr als 1,1 Millionen, sehr viele Frauen, viele aus Südamerika. Sie posten Herzen unter seine Beiträge, Komplimente für seine blauen Augen oder seinen Körper. Es gibt Fan-Accounts in Deutschland, Italien, Kanada, Argentinien, Venezuela, Kolumbien, Peru. "Ich genieße es", sagt Gislason. "Ich bekomme so viel Liebe und Unterstützung. Und wer will schon keine Liebe und Unterstützung haben?" Er wird oft als Model angefragt, er war auf dem Cover der Glamour in Island, ihn begleitete vor Weihnachten ein TV-Sender für eine Homestory. Aber er sagt auch: "Ich bin ein Fußballer. Ich will mich auf Fußball konzentrieren. Fußball wird noch ein paar Jahre mein Job bleiben." Und das bedeutet: "Es ist knifflig." Sandhausen musste sich zusammenreißen Nun ist die Geschichte von Rurik Gislason, 30, aus Reykjavik zunächst eine erfreuliche für alle Beteiligten, auch für seinen Arbeitgeber. Sandhausen, 15 000 Einwohner, 20 Autominuten vor Heidelberg, steht wie kein anderer Zweitligastandort für Provinz. Zum Trainingsplatz gehen die Spieler am Zebrastreifen über die Straße hinterm Dorfschild, ohne gestört zu werden. In diesem Jahr fragten die Menschen vor Autogrammstunden auf dem Weihnachtsmarkt: Kommt Gislason? Auf dem Plakat fürs nächste Heimspiel: Gislason. Das meistverkaufte Trikot: Gislason. Sie mussten sich zusammenreißen, um nicht die gesamte Kommunikationsstrategie darauf auszurichten, als sie im Sommer plötzlich einen weltbekannten Fußballer im Kader hatten. Zumal Trainer Uwe Koschinat sagt, dass Gislason zwar wichtig fürs Team sei, ein "Mentalitätsspieler". Aber der Körper des Rechtsaußen mache nicht mehr immer so mit, wie es Zweitligafußball verlangt. Der Klub ist zur Winterpause Fünfzehnter. Gislasons Bilanz: 14 Spiele, vier Vorlagen, null Tore. Gislason gehört zur Generation der besten Fußballer in Islands Geschichte. Er ging schon mit 16 zum RSC Anderlecht, doch setzte sich dort nicht durch. Er stand bei Charlton Athletic in London unter Vertrag, ohne zum Einsatz zu kommen, wurde 2013 dänischer Meister mit dem FC Kopenhagen. 2015 wechselte er zum 1. FC Nürnberg und spielte wenig. 2016, als die Nationalelf sensationell das EM-Achtelfinale gegen England gewann, war er nicht dabei. Seit Januar 2018 ist er in Sandhausen. Die WM in Russland war sein größter Erfolg. Wer will, kann seinen Lebenslauf auch auf Instagram zurückverfolgen. Mehr als 400 Beiträge, ein Foto von seinem Hund 2011, Urlaub in Las Vegas 2013, Oktoberfest 2015, dazwischen viele Fußballbilder. 2018 sind die jüngsten Beiträge alle Modefotografien. Eine zeigt seinen nackten Oberkörper unterm Sakko.
Der Isländer Rurik Gislason wurde bei der WM weltberühmt - als schöner Mann. Mittlerweile folgen ihm Millionen Menschen und auch sein Verein, der SV Sandhausen, bedankt sich.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/gislason-sandhausen-instagram-1.4268736
Rurik Gislason: Berühmt durch Instagram
00/12/2018
Bis zur letzten Landung der dritten Tournee-Station 2017/2018 war Richard Freitag gekommen. Schon den ganzen Tag über lag ein trüber Himmel über Innsbruck. Es regnete, und dann, als die letzten Springer dran waren, begann es zu dämmern. Obwohl die Besten gefährlich weit nach unten kamen, obwohl die Landezone kaum noch Konturen aufwies, verkürzte die Jury nicht den Anlauf. Und Freitag, der im Vorjahr als erster Deutscher seit Sven Hannawald 2002 die Vierschanzentournee hätte gewinnen können, landete auch sehr weit unten. Einen kurzen Moment blieb er auf den Skiern und war wieder vorne, dann unterlag er der Schwerkraft, stürzte, und die Hoffnung der deutschen Skispringer war abermals geplatzt. Nun folgt die 67. Ausgabe dieser Vierschanzen-Serie, die deutschen Arenen in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen sind ausverkauft, die Laster mit den mobilen Bühnen sind in Stellung gegangen, die Beschallungsanlagen für die Tribünen installiert. Und auch wenn die Springer des Deutschen Skiverbandes gerade keine Topfavoriten, sondern Mitfavoriten sind, so greift die Hoffnung um sich, dass es diesmal endlich klappt. Nur: Die Situation bei den Deutschen ist ziemlich kompliziert, vielleicht so kompliziert wie noch nie. Skispringer, jene Sportler, die durch Wind und Wetter jederzeit aus allen Träumen gerissen werden können, erklären grundsätzlich nicht den Sieg zum Ziel. Auch Bundestrainer Werner Schuster, der das DSV-Team auf einem langen Weg wieder in die Weltspitze und sogar zu Olympiasiegen geführt hat, auch er sehnt diesen Tournee-Erfolg herbei, er sagt: "Der Hunger ist groß." Aber er schiebt sofort das Mantra aller Springer hinterher: "Wir wollen nichts erzwingen." Die Frage ist nur, wie gelassen man bleiben kann, wenn die Uhr tickt. Schuster ist seit gut zehn Jahren für die deutschen Springer verantwortlich und sein Vertrag beim DSV läuft zum Saisonende aus. Ob er verlängert wird, lassen beide Seiten schon ziemlich lange offen, man will sich erst einmal auf diese Tournee und die WM im Februar konzentrieren. Es kann also gut sein, dass dies die letzte Chance für das System Schuster beim DSV ist, auch den letzten großen Titel zu holen. Aber die Zukunft ist offiziell vertagt, die "Systeme" wurden über Weihnachten "heruntergefahren", wie Schuster es formuliert, die Gedanken also gelöscht, die Sorgen auf null gestellt. Auch das ist in diesem Jahr nötiger denn je, denn das Team mit seiner bisherigen Rangordnung ist nicht wieder zu erkennen. Es wirkt, als wäre es einmal umgekrempelt worden: Oben ist unten, unten ist oben. Richard Freitag fehlt weiterhin die Form Mit Karl Geiger, 25 Jahre alt und aus Oberstdorf, steht plötzlich einer an der Spitze, der bis vor zwei Wintern noch um den letzten freien Weltcup-Platz im Team kämpfte. Geiger ist Vierter im Gesamtweltcup, siegte in Engelberg kürzlich erstmals bei einem Weltcup und hat nun die besten Chancen, ein oder mehrere Tourneespringen zu gewinnen. Zweitbester ist der sonst eigentlich Vorletzte der deutschen Weltcupmannschaft: Auch Stephan Leyhe ist gerade in einer Form, die ihn aufs Tourneepodest bringen könnte. Und so geht es weiter. In der Mitte der Mannschaft steht Markus Eisenbichler aus Siegsdorf, der schon immer in der Mitte war, er springt mal wie befreit und dann wieder, als wäre er von zu viel Ehrgeiz blockiert. Richard Freitag, im Dezember 2017 noch der Top-Favorit, fehlt weiterhin die Form, er ist gerade Vorletzter der deutschen Top Sechs. Und Severin Freund, der Weltmeister, mit dem der Erfolg der Schuster-Ära überhaupt begonnen hatte, ist nach seiner langen Verletzungszeit gerade Letzter. Nur Andreas Wellinger passt nicht in das umgestülpte Schema. Der Olympiasieger springt zwar unter seinem Niveau, hat aber bei der Tournee schon oft seine Form gefunden, vielleicht gelingt es ihm diesmal schon zu Beginn.
Die deutschen Skispringer befinden sich beim Tournee-Start in Oberstdorf in einer komplizierten Situation: Die Besten kämpfen um ihre Form - und Karl Geiger ist plötzlich Favorit.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/vierschanzentournee-skispringen-oberstdorf-1.4268921
Vierschanzentournee: Alles anders, aber alles möglich
00/12/2018
Tennis, Hopman Cup: Alexander Zverev und Angelique Kerber sind im australischen Perth mit einem Erfolgserlebnis in die neue Tennis-Saison gestartet. Das topgesetzte deutsche Duo setzte sich in seinem Auftaktmatch der Gruppe A am Sonntag gegen Spanien souverän mit 3:0 durch. Erst gewann Wimbledonsiegerin Kerber gegen Garbine Muguruza 6:2, 3:6, 6:3, dann behielt der Weltranglistenvierte Zverev gegen David Ferrer mit 6:4, 4:6, 7:6 (7:0) die Oberhand. Im abschließenden Mixed-Doppel hatten erneut Kerber/Zverev beim 4:2, 4:3 (5:3) gegen Muguruza/Ferrer das bessere Ende für sich. Am Mittwoch steht für Deutschland das Duell gegen Frankreich mit Lucas Pouille und Alize Cornet auf dem Programm. Am Samstag hatte Gastgeber Australien das erste Spiel der Gruppe A gegen Frankreich mit 2:1 gewonnen. Darts, WM: Titelverteidiger Rob Cross ist in London überraschend im Achtelfinale ausgeschieden. Der 28 Jahre alte Engländer verlor im Alexandra Palace trotz 2:0-Satzführung gegen seinen fünf Jahre jüngeren Landsmann Luke Humphries mit 2:4. Damit geht das große Favoritensterben bei der 26. Auflage der WM weiter. Humphries drehte gegen den Weltranglistenzweiten als bereits 13. Spieler im Turnier einen 0:2-Satzrückstand. "Er war fantastisch. Nach der 2:0-Führung hatte ich nichts mehr dagegenzusetzen. Ich kann nur sagen, dass er super gespielt hat", sagte Cross bei Sport1 nach seiner ersten WM-Niederlage. Bei der letzten Auflage hatte Cross im Finale noch Rekordweltmeister und Darts-Legende Phil Taylor in dessen letztem offiziellen Match geschlagen und bei seiner ersten Teilnahme gleich den WM-Titel gewonnen. Der zweimalige Titelträger Gary Anderson (Schottland) und Überraschungsmann Nathan Aspinall aus England haben derweil das Halbfinale erreicht. Anderson, der schon 2015 und 2016 in London triumphiert hatte, gewann im Viertelfinale 5:2 gegen den Engländer Dave Chisnall. Aspinall setzte seinen sensationellen Lauf als Nummer 73 der Welt durch ein 5:1 gegen den Nordiren Brendan Dolan fort und hat bereits ein Preisgeld von 100.000 Pfund (rund 111.000 Euro) sicher. Ski alpin: Mikaela Shiffrin hat den nächsten großen Rekord geholt und ihre Ausnahmestellung im alpinen Ski-Weltcup ein weiteres Mal untermauert. Die 23-Jährige aus den USA gewann am Samstag in Semmering den Slalom und holte damit den 15. Weltcup-Sieg des Jahres - das ist vor ihr noch keinem Mann und keiner Frau gelungen. Im letzten Rennen vor Silvester war sie 0,29 Sekunden schneller als Petra Vlhova aus der Slowakei. Dritte wurde Wendy Holdener aus der Schweiz. Mit nun 36 Siegen im Slalom ist die zweimalige Olympiasiegerin zudem nun alleinige Rekordhalterin in dieser Disziplin bei den Frauen. Ihr langjähriges Vorbild Marlies Raich aus Österreich, geborene Schild, kommt auf 35 Slalom-Siege. "Sie ist mein größtes Idol neben Bode Miller. Als ich jung war wollte ich die beste Skifahrerin der Welt werden. Ich habe immer Marlies beobachtet", sagte Shiffrin dem ORF. Beste Deutsche auf dem Zauberberg war überraschend die 21 Jahre alte Jessica Hilzinger. Bundesliga, FC Bayern: Die Münchner sind angeblich am englischen U19-Nationalspieler Callum Hudson-Odoi vom FC Chelsea interessiert. Wie die englische Daily Mail berichtet, soll der FC Bayern bereit sein, eine Ablösesumme von 13 Millionen Pfund (14,4 Millionen Euro) für den 18 Jahre alten Flügelspieler zu bezahlen. Hudson-Odoi besitzt bei den Blues einen Vertrag bis 2020. Nach Informationen der Daily Mail soll auch Borussia Dortmund interessiert sein. Chelsea will sich dem Vernehmen nach eine Rückkaufoption sichern, sollte Hudson-Odoi, der in der Premier League bislang kaum zum Einsatz kam, verkauft werden. Für die Rückrunde hat der FC Bayern bereits den 18 Jahre alten Kanadier Alphonso Davies verpflichtet. Die Ablösesumme für den Angreifer beträgt 11,5 Millionen Euro, kann sich aber noch bis auf 19,3 Millionen Euro erhöhen. Fußball, BVB: US-Nationalspieler Christian Pulisic vom Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund soll sich mit dem FC Chelsea aus der englischen Premier League über einen Wechsel im Sommer einig sein. Dies berichtete die Bild-Zeitung am Samstag. Demnach soll der Angreifer auch schon die Zusage des BVB haben, trotz Vertrags bis 2020 im Sommer für rund 50 Millionen Euro nach London wechseln zu dürfen. Ein Transfer bereits im Winter schloss Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc aber vehement aus. "Wir denken nicht daran, Christian im Winter abzugeben. Wir planen definitiv mit ihm bis zum Sommer", zitierte die Zeitung Zorc. Der 20 Jahre alte Pulisic spielt seit 2015 für die Borussen, in der laufenden Bundesligasaison kam er erst auf elf Einsätze. China, Doping: Die chinesische Regierung will Dopingsünder ab dem kommenden Jahr angeblich mit Gefängnisstrafen belegen. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Freitag berichtete, soll dadurch die Anzahl der Dopingvergehen vor den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking verringert werden. "Es ist unser Wille, der Welt zu zeigen, dass wir den Anti-Doping-Kampf ernst nehmen und konkrete Maßnahmen umsetzen", wurde Chinas Sportminister Gou Zhongwen zitiert. Das Sportministerium sowie die oberste Justizbehörde sollen derzeit Gesetze entwerfen, die es erlauben, dass Dopingvergehen strafrechtlich behandelt werden. Das Sportministerium wollte den Xinhua-Bericht auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP allerdings nicht bestätigen. In der Vergangenheit hatte China immer wieder Probleme mit Dopingfällen. Zudem steht das bevölkerungsreichste Land der Erde unter Verdacht, in den 1980er und 1990er Jahren von einem staatlich gelenkten Dopingsystem profitiert zu haben. Fußball, Eintracht: Die Rückkehr von Mittelfeldspieler Sebastian Rode zu DFB-Pokalsieger Eintracht Frankfurt ist perfekt. Wie die Hessen am Donnerstagabend mitteilten, wechselt der 28-Jährige auf Leihbasis von Bundesliga-Spitzenreiter Borussia Dortmund nach Frankfurt. Bereits zwischen 2010 und 2014 lief Rode für die Eintracht auf. "Wir sind überzeugt, die Qualität des Kaders mit Sebastian, einem absoluten Teamplayer, weiter anzuheben. Er hat in den vergangenen vier Jahren beim FC Bayern und in Dortmund viel an Erfahrung gewonnen, die uns nun zugute kommen wird", sagte Eintracht-Sportvorstand Fredi Bobic: "Charakterlich passt Sebastian ganz hervorragend in unser Team. Wir haben ihn in den letzten Wochen und Monaten genau unter die Lupe genommen und haben feststellen können, dass er seine Verletzung komplett überwunden hat." Nach seiner ersten Zeit bei der Eintracht wechselte Rode zum Rekordmeister Bayern München und zog 2016 nach Dortmund weiter. Beim BVB spielte der im Laufe seiner Karriere immer wieder von Verletzungen zurückgeworfene Rode zuletzt sportlich keine Rolle mehr und ist in dieser Spielzeit noch ohne Pflichtspiel-Einsatz. Sein Vertrag bei den Schwarz-Gelben besitzt noch bis 2020 Gültigkeit. "Ich bin sehr glücklich darüber, endlich wieder voll angreifen zu können. Ich habe die Zeit bei der Eintracht und vor allem die Fans in toller Erinnerung", sagte Rode. Fußball, FC Bayern: Auf Heimaturlaub in Brasilien hat Bayerns langjähriger Rechtsverteidiger Rafinha einen Abschied aus München und der Fußball-Bundesliga im Sommer konkretisiert. "Mein Zyklus bei den Bayern geht dem Ende entgegen. Es gibt viele Dinge, die in den kommenden sechs Monaten passieren können, aber ich denke, es ist mein letztes Jahr", verkündete der 33-Jährige, dessen Vertrag beim Meister Ende Juni ausläuft, am Rande eines Prominentenspiels in Uberlandia gegenüber SporTV. Eine Rückkehr nach Brasilien ist für Rafinha, der seit Juli 2011 an der Isar spielt, "eine Möglichkeit", aber es habe "aus Respekt vor den Bayern" noch keine Gespräche gegeben. Der dreimalige Selecao-Spieler versprach, "die letzten sechs Monate auszukosten". Laut kicker gibt es offenbar auch Interesse aus China an dem Brasilianer. Nach seinem Profidebüt bei Coritiba FC spielt Rafinha, der auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, seit 2005 mit Ausnahme der Spielzeit 2010/11 (FC Genua/Italien) in der Bundesliga. Dort bestritt er 153 Spiele (7 Tore) für Schalke 04 und bislang 172 Partien (5 Tore) für Bayern München. Mit den Münchnern wurde er sechsmal Meister, dreimal Pokalsieger, gewann 2013 die Champions League und die Klub-WM.
Deutschlands Tennisspieler besiegen Spanien. Dortmunds Pulisic soll nach England wechseln - die Bayern wollen angeblich einen jungen Engländer.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/tennis-kerber-und-zverev-glaenzen-im-hopman-cup-1.4269722
Kerber und Zverev glänzen im Hopman Cup
00/12/2018
Bundesliga, FC Bayern: Die Münchner haben offenbar ihr Angebot für den englischen U19-Nationalspieler Callum Hudson-Odoi vom FC Chelsea erhöht. Wie der Sender Sky Sports UK berichtet, soll der FC Bayern eine zweite Offerte in Höhe von 20 Millionen Pfund (22,2 Millionen Euro) für den 18-jährigen Flügelspieler abgegeben haben. Noch am Samstag soll der FC Chelsea laut englischen Medien ein Angebot über 13 Millionen Pfund (14,4 Millionen Euro) der Münchner für Hudson-Odoi abgelehnt haben. Eine Antwort der Blues auf die zweite Offerte steht nach dem Bericht des Senders noch aus. Hudson-Odoi besitzt beim FC Chelsea einen Vertrag bis 2020. Nach Informationen der englischen Daily Mail soll auch Borussia Dortmund interessiert sein. Chelsea will sich dem Vernehmen nach eine Rückkaufoption sichern, sollte Hudson-Odoi, der in der Premier League bislang kaum zum Einsatz kam, verkauft werden. Für die Rückrunde hat der FC Bayern bereits den 18 Jahre alten Kanadier Alphonso Davies verpflichtet. Die Ablösesumme für den Angreifer beträgt 11,5 Millionen Euro, kann sich aber noch bis auf 19,3 Millionen Euro erhöhen. Tennis, Hopman Cup: Alexander Zverev und Angelique Kerber sind im australischen Perth mit einem Erfolgserlebnis in die neue Tennis-Saison gestartet. Das topgesetzte deutsche Duo setzte sich in seinem Auftaktmatch der Gruppe A am Sonntag gegen Spanien souverän mit 3:0 durch. Erst gewann Wimbledonsiegerin Kerber gegen Garbine Muguruza 6:2, 3:6, 6:3, dann behielt der Weltranglistenvierte Zverev gegen David Ferrer mit 6:4, 4:6, 7:6 (7:0) die Oberhand. Im abschließenden Mixed-Doppel hatten erneut Kerber/Zverev beim 4:2, 4:3 (5:3) gegen Muguruza/Ferrer das bessere Ende für sich. Am Mittwoch steht für Deutschland das Duell gegen Frankreich mit Lucas Pouille und Alize Cornet auf dem Programm. Am Samstag hatte Gastgeber Australien das erste Spiel der Gruppe A gegen Frankreich mit 2:1 gewonnen. Fußball, BVB: US-Nationalspieler Christian Pulisic vom Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund soll sich mit dem FC Chelsea aus der englischen Premier League über einen Wechsel im Sommer einig sein. Dies berichtete die Bild-Zeitung am Samstag. Demnach soll der Angreifer auch schon die Zusage des BVB haben, trotz Vertrags bis 2020 im Sommer für rund 50 Millionen Euro nach London wechseln zu dürfen. Ein Transfer bereits im Winter schloss Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc aber vehement aus. "Wir denken nicht daran, Christian im Winter abzugeben. Wir planen definitiv mit ihm bis zum Sommer", zitierte die Zeitung Zorc. Der 20 Jahre alte Pulisic spielt seit 2015 für die Borussen, in der laufenden Bundesligasaison kam er erst auf elf Einsätze. Einem Bericht des TV-Senders ESPN zufolge könnte Borussia Dortmund jedoch noch weitere Angebote für Pulisic erhalten. Demnach ist nicht nur der FC Chelsea an der Verpflichtung des Angreifers im kommenden Sommer interessiert, sondern auch dessen Stadtrivale FC Arsenal. Die Blues seien zwar der aussichtsreichste Kandidat auf einen Transfer, doch der BVB soll ein Konkurrenz-Angebot von den Gunners, Klub von Mesut Özil, erwarten. Darts, WM: Titelverteidiger Rob Cross ist in London überraschend im Achtelfinale ausgeschieden. Der 28 Jahre alte Engländer verlor im Alexandra Palace trotz 2:0-Satzführung gegen seinen fünf Jahre jüngeren Landsmann Luke Humphries mit 2:4. Damit geht das große Favoritensterben bei der 26. Auflage der WM weiter. Humphries drehte gegen den Weltranglistenzweiten als bereits 13. Spieler im Turnier einen 0:2-Satzrückstand. "Er war fantastisch. Nach der 2:0-Führung hatte ich nichts mehr dagegenzusetzen. Ich kann nur sagen, dass er super gespielt hat", sagte Cross bei Sport1 nach seiner ersten WM-Niederlage. Bei der letzten Auflage hatte Cross im Finale noch Rekordweltmeister und Darts-Legende Phil Taylor in dessen letztem offiziellen Match geschlagen und bei seiner ersten Teilnahme gleich den WM-Titel gewonnen. Der zweimalige Titelträger Gary Anderson (Schottland) und Überraschungsmann Nathan Aspinall aus England haben derweil das Halbfinale erreicht. Anderson, der schon 2015 und 2016 in London triumphiert hatte, gewann im Viertelfinale 5:2 gegen den Engländer Dave Chisnall. Aspinall setzte seinen sensationellen Lauf als Nummer 73 der Welt durch ein 5:1 gegen den Nordiren Brendan Dolan fort und hat bereits ein Preisgeld von 100.000 Pfund (rund 111.000 Euro) sicher. Ski alpin: Mikaela Shiffrin hat den nächsten großen Rekord geholt und ihre Ausnahmestellung im alpinen Ski-Weltcup ein weiteres Mal untermauert. Die 23-Jährige aus den USA gewann am Samstag in Semmering den Slalom und holte damit den 15. Weltcup-Sieg des Jahres - das ist vor ihr noch keinem Mann und keiner Frau gelungen. Im letzten Rennen vor Silvester war sie 0,29 Sekunden schneller als Petra Vlhova aus der Slowakei. Dritte wurde Wendy Holdener aus der Schweiz. Mit nun 36 Siegen im Slalom ist die zweimalige Olympiasiegerin zudem nun alleinige Rekordhalterin in dieser Disziplin bei den Frauen. Ihr langjähriges Vorbild Marlies Raich aus Österreich, geborene Schild, kommt auf 35 Slalom-Siege. "Sie ist mein größtes Idol neben Bode Miller. Als ich jung war wollte ich die beste Skifahrerin der Welt werden. Ich habe immer Marlies beobachtet", sagte Shiffrin dem ORF. Beste Deutsche auf dem Zauberberg war überraschend die 21 Jahre alte Jessica Hilzinger. China, Doping: Die chinesische Regierung will Dopingsünder ab dem kommenden Jahr angeblich mit Gefängnisstrafen belegen. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Freitag berichtete, soll dadurch die Anzahl der Dopingvergehen vor den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking verringert werden. "Es ist unser Wille, der Welt zu zeigen, dass wir den Anti-Doping-Kampf ernst nehmen und konkrete Maßnahmen umsetzen", wurde Chinas Sportminister Gou Zhongwen zitiert. Das Sportministerium sowie die oberste Justizbehörde sollen derzeit Gesetze entwerfen, die es erlauben, dass Dopingvergehen strafrechtlich behandelt werden. Das Sportministerium wollte den Xinhua-Bericht auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP allerdings nicht bestätigen. In der Vergangenheit hatte China immer wieder Probleme mit Dopingfällen. Zudem steht das bevölkerungsreichste Land der Erde unter Verdacht, in den 1980er und 1990er Jahren von einem staatlich gelenkten Dopingsystem profitiert zu haben. Fußball, Eintracht: Die Rückkehr von Mittelfeldspieler Sebastian Rode zu DFB-Pokalsieger Eintracht Frankfurt ist perfekt. Wie die Hessen am Donnerstagabend mitteilten, wechselt der 28-Jährige auf Leihbasis von Bundesliga-Spitzenreiter Borussia Dortmund nach Frankfurt. Bereits zwischen 2010 und 2014 lief Rode für die Eintracht auf. "Wir sind überzeugt, die Qualität des Kaders mit Sebastian, einem absoluten Teamplayer, weiter anzuheben. Er hat in den vergangenen vier Jahren beim FC Bayern und in Dortmund viel an Erfahrung gewonnen, die uns nun zugute kommen wird", sagte Eintracht-Sportvorstand Fredi Bobic. "Charakterlich passt Sebastian ganz hervorragend in unser Team. Wir haben ihn in den letzten Wochen und Monaten genau unter die Lupe genommen und haben feststellen können, dass er seine Verletzung komplett überwunden hat." Nach seiner ersten Zeit bei der Eintracht wechselte Rode zum Rekordmeister Bayern München und zog 2016 nach Dortmund weiter. Beim BVB spielte der im Laufe seiner Karriere immer wieder von Verletzungen zurückgeworfene Rode zuletzt sportlich keine Rolle mehr und ist in dieser Spielzeit noch ohne Pflichtspiel-Einsatz. Sein Vertrag bei den Schwarz-Gelben besitzt noch bis 2020 Gültigkeit. "Ich bin sehr glücklich darüber, endlich wieder voll angreifen zu können. Ich habe die Zeit bei der Eintracht und vor allem die Fans in toller Erinnerung", sagte Rode.
Die Münchner wollen angeblich 20 Millionen Pfund für den 18-Jährigen ausgeben. Deutschlands Tennisspieler besiegen Spanien. Und Dortmunds Pulisic soll nach England wechseln.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-medien-fc-bayern-erhoeht-angebot-fuer-chelseas-hudson-odoi-1.4270069
Medien: FC Bayern erhöht Angebot für Hudson-Odoi
00/12/2018
Italien: Cristiano Ronaldo hat den italienischen Meister Juventus Turin mit zwei Toren zum nächsten Sieg in der Serie A geführt. Der Portugiese sorgte mit seinen Saisontoren Nummer 13 und 14 für ein 2:1 (1:1) im letzten Heimspiel des Jahres gegen Sampdoria Genua. Mit 53 von 57 möglichen Punkten liegt Juve damit weiter souverän an der Tabellenspitze. Insgesamt verbucht Juve saisonübergreifend 101 Punkte im Jahr 2018. Sampdoria, das durch ein Elfmetertor von Fabio Quagliarella zwischenzeitlich ausgeglichen hatte (33.), verpasste den zwischenzeitlichen Sprung auf einen Champions-League-Platz. Ronaldo hatte bereits früh für Juve getroffen (2.) und in der zweiten Halbzeit das Siegtor per Handelfmeter erzielt (64.). Aufregung gab es in der Nachspielzeit, als ein Tor für die Gäste durch Riccardo Saponara vom Video-Schiedsrichter wegen Abseitsstellung zurückgenommen wurde. Der deutsche Nationalspieler Emre Can spielte bei Juve 90 Minuten durch, der zuletzt verletzte Ex-Weltmeister Sami Khedira saß zumindest auf der Bank. England: Liverpool-Verfolger Tottenham Hotspur hat im letzten Heimspiel des Jahres kräftig gepatzt. Die Mannschaft um Harry Kane verlor am Samstag daheim gegen die Wolverhampton Wanderers 1:3 (1:0) und könnte damit am Sonntag wieder auf den dritten Platz zurückfallen. Kane brachte die Spurs im Wembleystadion zunächst in Führung (22.), doch Willy Boly (72.), Raul Jimenez (83.) und Helder Costa (87.) drehten in der Schlussphase das Spiel. Für Tottenham waren es die ersten Punktverluste nach zuletzt fünf Siegen in Serie. Mesut Özil fehlte Arsenal derweil mit Knieproblemen beim 1:5 bei Spitzenreiter FC Liverpool. Wie lange er ausfällt, ließen die Gunners jedoch offen. "Ich weiß nicht, ob es groß oder nicht groß ist, aber es ist sein Knie", sagte Coach Emery. Özil war erst vor zwei Wochen nach Rückenbeschwerden zurückgekehrt, am 2. Weihnachtsfeiertag wurde er beim 1:1 bei Brighton & Hove Albion zur Halbzeit ausgewechselt. Zuletzt hatte es immer wieder Spekulationen um einen vorzeitigen Abschied des 30-Jährigen von Arsenal gegeben. Einem Bericht der Times vor gut einer Woche zufolge soll der Londoner Club eine Ausleihe des Weltmeisters von 2014 im Januar in Erwägung ziehen. Erst zu Beginn des Jahres hatte Özil seinen Vertrag bei Arsenal bis Ende Juni 2021 verlängert. Titelverteidiger Manchester City hat indes den Rückstand auf Tabellenführer FC Liverpool mit Teammanager Jürgen Klopp auf sieben Punkte verkürzt. Die Mannschaft von Pep Guardiola siegte nach zuletzt zwei Niederlagen in Folge beim FC Southampton 3:1 (3:1) und rückte mit 47 Zählern auf Platz zwei vor. Die vom ehemaligen Bundesligacoach Ralph Hasenhüttl trainierten Gastgeber bleiben dagegen in der Abstiegszone. Mit 15 Zählern liegen sie nur aufgrund der besseren Tordifferenz nicht auf einem Abstiegsplatz. Der FC Chelsea hat am Sonntag bei Crystal Palace 1:0 (0:0) gewonnen und damit den vierten Tabellenplatz gefestigt. Das Team um den belgischen Topstar Eden Hazard liegt nun mit 43 Punkten fünf Zähler vor dem Fünften FC Arsenal. Die ersten vier Teams qualifizieren sich für die Champions League. Der Rückstand auf Tabellenführer FC Liverpool beträgt aber bereits elf Punkte. Für den deutschen Coach David Wagner wird die Lage mit Huddersfield Town am Tabellenende immer brenzliger. Der Club verlor das Keller-Duell mit dem FC Fulham auswärts mit 0:1 (0:0) und liegt damit schon fünf Zähler hinter dem ersten Nichtabstiegsplatz, den Southampton mit Trainer Ralph Hasenhüttl (15) belegt. Fulham (14) ist nun Tabellen-18. Aleksandar Mitrovic erzielte den Siegtreffer in der Schlussminute, Ex-Weltmeister André Schürrle kam bei Fulham nicht zum Einsatz. Schottland: Erstmals seit über sechs Jahren hat Rekordmeister Glasgow Rangers wieder das Stadtderby gegen Celtic gewonnen. Die Mannschaft von Trainer Steven Gerrard siegte am Samstag im 315. Old Firm mit 1:0 (1:0). Durch den Erfolg schlossen die Rangers, die nach einer Insolvenz in der Saison 2012/13 noch viertklassig waren, mit 42 Punkten zu Spitzenreiter Celtic auf. Allerdings hat der Nachbar ein Spiel weniger ausgetragen. Ryan Jack erzielte im ausverkauften Ibrox Park in der 30. Minute den Siegtreffer für die Rangers. In der Schlussphase drängte das Team von Ex-Liverpool-Teammanager Brendan Rodgers auf den Ausgleich - allerdings ohne Erfolg.
Der Portugiese glänzt weiter in Italien. In England hat der baldige BVB-Gegner Tottenham Hotspur große Probleme. Mesut Özil fällt bei Arsenal länger aus.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/internationaler-fussball-ronaldo-fuehrt-juve-an-manchester-city-bleibt-dran-1.4269619
Ronaldo führt Juve an, Manchester City bleibt dran
00/12/2018
Bei all dem Wahnsinn des FC Liverpool wusste man als Zuschauer gar nicht mehr, wo man zuerst hinschauen sollte. Als wären sie Mitglieder einer Rockgruppe, die es gerade mal wieder so richtig krachen lässt, sprangen Jürgen Klopp und seine beiden Assistenten in der Trainerzone umher. Liverpool und die Musik, dieses Klischeebild musste einfach sein an diesem glorreichen Abend. Den Torjubel-Donnerläufen zufolge pressten die Verantwortlichen der "Reds" alles raus, was an Glücksgefühlen in ihnen steckte. Ihre Körperbewegungen deuteten an, dass jeder aus dem Powertrio sich an der Gitarre, am Bass sowie dem Schlagzeug hätte befinden können oder an allen Instrumenten gleichzeitig. Die Spieler auf dem Platz gaben die Frontmänner, sie hatten den FC Arsenal nach allen Regeln des schönen Spiels auseinandergenommen, bis die Fans auf den Tribünen sich wie Teenies in Ekstase ergaben. Sie hatten Fußball gesehen, der unter die Haut geht, bloody hell! Zum Jahresabschluss spielte das Ensemble um Trainer Klopp beim 5:1 über Arsenal noch einmal mit einer Lautstärke auf, die zwischenzeitlich für Zweifel sorgte, ob das Stadion die Veranstaltung schadlos überstehen würde. Das Fußballkonzert in Anfield ging auf die Sinne: man konnte regelrecht sehen, hören, riechen, schmecken und tasten, dass der Tabellenführer der Premier League momentan das coolste ist, was Europa zu bieten hat. Mit 54 Punkten und einem Torverhältnis von 48:8 aus 20 Spielen in der bisherigen Saison geht für Liverpool das Jahr 2018 ungeschlagen zu Ende. Zu diesem Zeitpunkt haben in der Statistik der ersten englischen Liga überhaupt nur der FC Chelsea (55 Punkte 2005/2006) und ManCity (58 Punkte 2017/2018) eine bessere Bilanz vorzuweisen. "Es wäre verrückt, wenn die Fans jetzt nicht begeistert wären. Einige von ihnen haben Urlaub, also wird es an Silvester wohl lauter werden in Liverpool - hoffentlich aber nicht zu laut, weil mein Hund das nicht mag", sagte Klopp. Auf der Insel ist Liverpool bekannt für ein abwechslungsreiches Nachtleben. Bis in die 20 Kilometer entfernte Küstengemeinde Formby, wo Klopp im Haus seines Vorgängers Brendan Rodgers lebt, dürfte es der ganz große Lärm aber doch nicht schaffen. Durch die Niederlage von Tottenham Hotspur im Heimspiel gegen Wolverhampton ein paar Stunden zuvor beträgt der Vorsprung für Liverpool nach neun Siegen hintereinander derzeit neun Punkte auf den zweiten Platz. Am Sonntagnachmittag könnte City mit einem Erfolg in Southampton den Abstand auf sieben Zähler verkürzen, bevor am 03. Januar der direkte Vergleich zwischen Meister und Herausforderer ansteht. "Ich bin nicht berühmt dafür, keine positive Person zu sein. Aber glaube ich, dass es das schon war?", fragte sich Klopp selbst auf der Pressekonferenz in Bezug auf die Meisterschaft: "Ich bin nicht der cleverste Mensch auf der Welt, aber auch kein Idiot. Es ist nicht wichtig, wie viele Punkte Vorsprung man im Dezember hat." Seit Gründung der Premier League hat sich bisher allerdings kein Spitzenreiter das aktuelle Punktepolster nehmen lassen. Und die gegenwärtige Ausgangslage scheint Liverpool eher zu beflügeln als ins Nachdenken zu bringen. Obwohl man sich bei den Reds nie so sicher sein kann: Nach dem letztmaligen Gewinn der Meisterschaft 1990 schaffte es Liverpool immer wieder im Verlauf einer Saison an die erste Stelle, bloß reichte es nie, die Spitzenposition ins Ziel zu retten. Am nächsten dran war der Klub in der Spielrunde 2013/2014, als der Vorsprung drei Spieltage vor Schluss bei drei Punkten lag. Dann leitete ein Ballverlust des Kapitäns Steven Gerrard eine Heimniederlage ein, die Liverpool schließlich den Titel kostete.
Jürgen Klopp und sein FC Liverpool beschließen ein famoses Jahr mit einem 5:1 gegen Arsenal - und es wird klar, wie schwer es der FC Bayern gegen diese "Reds" haben wird.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/liverpool-arsenal-premier-league-1.4269558
Riesiger Vorsprung des FC Liverpool in England
00/12/2018
Jürgen Klopps Mannschaft dominiert den FC Arsenal und verschafft sich einen Vorsprung an der Tabellenspitze, auch weil Tottenham schwächelt. In Schottland gewinnen die Glasgow Rangers erstmals seit sechs Jahren im "Old Firm". England: Jürgen Klopp, Trainer des FC Liverpool, hat wohl derzeit das, was man einen Lauf nennt. Gegen den Rivalen FC Arsenal gelang seiner Mannschaft am Samstagabend ein 5:1-Sieg. Zunächst war Arsenal durch ein Tor von Ainsley Maitland-Miles (11.) in Führung gegangen. Der Ex-Hoffenheimer Roberto Firmino (14./16.) drehte jedoch die Partie mit zwei Toren innerhalb von nur 91 Sekunden. Sadio Mane (32.) und Mohamed Salah (45.+2) per Foulelfmeter erhöhten noch vor der Pause. Im zweiten Abschnitt vollendete Firmino (65.) mit Liverpools zweitem Foulelfmeter seinen Dreierpack. Liverpool-Verfolger Tottenham Hotspur hat im letzten Heimspiel des Jahres dagegen kräftig gepatzt. Die Mannschaft um Superstar Harry Kane verlor am Samstag daheim gegen die Wolverhampton Wanderers 1:3 (1:0) und könnte damit am Sonntag wieder auf den dritten Platz zurückfallen. Durch den Patzer von Tottenham hat Liverpool nun neun Punkte Vorsprung auf die zweitplatzierten Spurs. Meister Manchester City, derzeit als Dritter zehn Zähler hinter Liverpool, tritt am Sonntag beim von Teammanager Ralph Hasenhüttl trainierten FC Southampton an. Arsenal ist Fünfter. Italien: Cristiano Ronaldo hat den italienischen Meister Juventus Turin mit zwei Toren zum nächsten Sieg in der Serie A geführt. Der Portugiese sorgte mit seinen Saisontoren Nummer 13 und 14 für ein 2:1 (1:1) im letzten Heimspiel des Jahres gegen Sampdoria Genua. Mit 53 von 57 möglichen Punkten liegt Juve damit weiter souverän an der Tabellenspitze. Insgesamt verbucht Juve saisonübergreifend 101 Punkte im Jahr 2018. Sampdoria, das durch ein Elfmetertor von Fabio Quagliarella zwischenzeitlich ausgeglichen hatte (33.), verpasste den zwischenzeitlichen Sprung auf einen Champions-League-Platz. Ronaldo hatte bereits früh für Juve getroffen (2.) und in der zweiten Halbzeit das Siegtor per Handelfmeter erzielt (64.). Aufregung gab es in der Nachspielzeit, als ein Tor für die Gäste durch Riccardo Saponara vom Video-Schiedsrichter wegen Abseitsstellung zurückgenommen wurde. Der deutsche Nationalspieler Emre Can spielte bei Juve 90 Minuten durch, der zuletzt verletzte Ex-Weltmeister Sami Khedira saß zumindest auf der Bank. Schottland: Erstmals seit über sechs Jahren hat Rekordmeister Glasgow Rangers wieder das Stadtderby gegen Celtic gewonnen. Die Mannschaft von Trainer Steven Gerrard siegte am Samstag im 315. Old Firm mit 1:0 (1:0). Durch den Erfolg schlossen die Rangers, die nach einer Insolvenz in der Saison 2012/13 noch viertklassig waren, mit 42 Punkten zu Spitzenreiter Celtic auf. Allerdings hat der Nachbar ein Spiel weniger ausgetragen. Ryan Jack erzielte im ausverkauften Ibrox Park in der 30. Minute den Siegtreffer für die Rangers. In der Schlussphase drängte das Team von Ex-Liverpool-Teammanager Brendan Rodgers auf den Ausgleich - allerdings ohne Erfolg.
Jürgen Klopps Mannschaft dominiert den FC Arsenal und verschafft sich einen Vorsprung an der Tabellenspitze, auch weil Tottenham schwächelt. In Schottland gewinnen die Glasgow Rangers erstmals seit sechs Jahren im "Old Firm".
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/internationaler-fussball-liverpool-zieht-davon-rangers-ueberraschen-1.4269521
Liverpool zieht davon, Rangers überraschen
00/12/2018
Hoffnungsträger Karl Geiger hat die Nervenprobe souverän bestanden, Topfavorit Ryoyu Kobayashi schon die Muskeln spielen lassen: In der Qualifikation zum Auftaktwettbewerb der 67. Vierschanzentournee in Oberstdorf hielt sich Lokalmatador Geiger trotz mieser Windbedingungen schadlos und zog als einer von stolzen zwölf deutschen Springern in den Wettkampf der besten 50 am Sonntag (16.30 Uhr/ZDF und Eurosport) ein. Dort wird der Japaner Kobayashi der Mann sein, den es zu schlagen gilt. "Es war schon cool, hier zu springen. Aber irgendwie sind mir beim Warten ein wenig die Füße eingeschlafen. Der Sprung war nicht optimal, und dann wird es bei Rückenwind schwer. Morgen zählt es", sagte Geiger, der sich vor seinem Sprung von der Schattenbergschanze lange gedulden musste und letztlich mit 124,0 m Platz 23 belegte. Zum Vergleich: Der direkt vor Geiger gestartete Norweger Johann Andre Forfang, ebenfalls ein Kandidat auf den Gesamtsieg, vermied bei ähnlichen Bedingungen den K.o. mit 115,0 m und Platz 48 nur hauchdünn. Kobayashi sprang bei leicht besseren Bedingungen vor 15.500 Zuschauer (Qualifikations-Rekord im Weltcup) satte 138,5 m und musste sich nur dem weitengleichen Weltmeister Stefan Kraft aus Österreich geschlagen geben, der sich nach dem bisherigen Saisonverlauf ein wenig unerwartet den Sieg in der Vorausscheidung und 5000 Euro Preisgeld sicherte. Bester DSV-Adler war überraschend David Siegel (Baiersbronn) als Siebter mit 138,0 m, eine Topplatzierung blieb somit für das deutsche Team am Samstag noch aus. "Das war ein guter Start in die Tournee, auch wenn der Ausreißer nach oben gefehlt hat. Ich bin zufrieden", sagte Bundestrainer Werner Schuster. Olympiasieger Andreas Wellinger (Ruhpolding/130,0) hatte als Zehnter ebenfalls keine Mühe, um auf der von ihm nicht unbedingt geliebten Schanze dabeizubleiben. "Es geht in die richtige Richtung, aber nach oben reicht es noch nicht. Es fehlt nicht viel", sagte Wellinger. Eine gute Vorstellung bot Richard Freitag (Aue), der im Vorjahr als Gesamtweltcup-Führender angetreten war und die Qualifikation gewonnen hatte. Der Sachse, zuletzt von erneuten Hüftproblemen gehandicapt, flog mit 133,5 m auf Rang zwölf. "Ich war echt aufgeregt vor dem ersten Trainingssprung. Das war nicht einfach für den Kopf nach der Pause. Morgen sind die Top 6 für mich drin", sagte Freitag. Stephan Leyhe (Willingen) reichten bei schlechtem Wind 125,0 m zu Platz 17. Ex-Weltmeister Severin Freund (Rastbüchl), vor drei Jahren letzter deutscher Sieger am Schattenberg, qualifizierte sich als 24. mit 131,0 m sicher. Der WM-Dritte Markus Eisenbichler (Siegsdorf) zeigte einen mäßigen Qualifikationssprung und kam mit 127,5 m auf den 30. Platz. Prominentester Springer, der in der Qualifikation scheiterte, war Japans Oldie Noriaki Kasai (46), der nur Platz 53 belegte. Auch Sloweniens Jungstar Domen Prevc als 41. und der Pole Maciej Kot, Tournee-Vierter 2016/17, als 62. verabschiedeten sich und haben damit schon alle Chancen auf eine gute Gesamtplatzierung verspielt. Aus der nationalen Gruppe überstanden bei zum frühen Zeitpunkt guten Windbedingungen Constantin Schmid (Oberaudorf/14.), Pius Paschke (Kiefersfelden/15.), Felix Hoffmann (Goldlauter-Heidersbach/22.), Martin Hamann (Aue/34.) und Moritz Baer (Gmund-Dürnbach/36.) die Qualifikation. Lediglich Justin Lisso (Schmiedefeld/59.) schied aus.
12 von 13 deutschen Skispringern bestehen die Qualifikation für das erste Vierschanzen-Springen erfolgreich - Tagessieger ist etwas überraschend ein Österreicher.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/oberstdorf-vierschanzentournee-skispringen-1.4269534
Vierschanzentournee: 12 Deutsche Springer dabei
00/12/2018
In der vergangenen Nacht hat Dirk Nowitzki wieder ein paar Körbe geworfen in der NBA, das ist bei einem Mann wie ihm ja nichts besonderes. Elf Punkte waren es gegen die New Orleans Pelicans, sehr ordentliche Trefferquote, ein Dreier - man könnte sagen: Der Würzburger ist nach seiner komplizierten Knöchelverletzung, die ihn die komplette Vorbereitung und das erste Saisondrittel gekostet hat, auf dem Weg zurück in den Normalmodus. Normal bedeutet beim mittlerweile 40-Jährigen ja meist: Er spielt gut, er trifft, er hat Spaß am Basketball. Doch leider fehlen ihm und seinen Dallas Mavericks derzeit die nötigen Erfolge, um sich wirklich freuen zu können. Ausgerechnet das Comeback des Deutschen Mitte Dezember markierte nämlich den Anfang einer Pleitenserie seines Klubs. Von den sieben Partien, die Nowitzki seit seiner Rückkehr auf dem Parkett stand, verlor Dallas sechs. Auch gegen New Orleans reichte es im aktuellsten Spiel beim 112:114 trotz zwischenzeitlich hoher Führung nicht zum Sieg. So taumeln die Mavs, nach zwei Jahren im Umbruch mit vielen Durchhängern, erneut durch die Liga. Mal mit guten Phasen wie vor Nowitzkis Rückkehr, mal mit Anzeichen einer verheerenden Auswärtsschwäche (nur zwei Siege bei 17 Versuchen), mal mit einem Negativlauf von knappen Niederlagen wie rund um die Weihnachtszeit. Natürlich wäre es unfair, Nowitzki das Kuddelmuddel seines Teams in Rechnung zu stellen, zumal er bislang nur in homöopathischen Dosen mitwirkt. Ein paar Minütchen hier und da, mehr ist noch nicht drin. Ein Athlet wie er braucht im hohen Sportleralter eben seine Zeit, bis er wieder in Gang kommt. Er war ja eine Ewigkeit vom Mitspielen befreit, fast acht Monate dauerte seine Pause. Aber so langsam sollten die Mavericks sich daran erinnern, dass eine NBA-Saison eben kein ewiges Warmlaufen ist. Nowitzki und sein Verein brauchen Siege. Siege wie jenen 900. in Nowitzkis Karriere (ein weiterer Meilenstein) vor zwei Tagen, als es ebenfalls gegen New Orleans ging. Dallas-Coach Carlisle äußerte sich danach angetan von den Fortschritten seines Kapitäns, der in dieser Saison erstmals nur noch Bankspieler ist: "Dirk kämpft sich durch eine Menge durch, um auf dem Court zu sein. Ich habe jeden Tag mehr Respekt vor ihm." Und während der alte Leader der Mavs in seiner 21. Spielzeit beim selben Team (NBA-Rekord!) ins zweite Glied rückt, spielt sich ein junger Draufgänger namens Luka Doncic in den Vordergrund. 19 Jahre und 303 Tage ist der Rookie aus Slowenien erst alt - doch er gilt längst als wichtigster Punktelieferant in Dallas. Er ist - wenn auch auf anderer Position und mit anderer Spielweise - der neue Nowitzki. Gegen die Pelicans erzielte er einen Karrierebestwert von 34 Zählern, die Highlightshows der NBA sind seit Wochen geprägt von seinen Aktionen: Pässe hinter dem Rücken, Dreier im Zurückfallen, Dribblings wie die Harlem Globetrotters. "Was er alles reinbringt, ist natürlich fantastisch", sagt auch Nowitzki, "er spielt eigentlich mehr wie ein alter Hase als wie ein Neuling. Und er ist auch außerhalb des Feldes ein total aufgeweckter Kerl." An den Personalien Nowitzki und Doncic lässt sich der Zeitenwechsel in Dallas gut illustrieren. Der Champion von 2011 aus Germany auf den letzten Metern seiner Laufbahn und der aktuell beste Europäer des Weltbasketballes - diese beiden Pole müssen die Mavericks in dieser Saison noch einmal erfolgbringend vereinen. Das Potential für Platz acht im Westen und die damit verbundene Teilnahme an den Playoffs ist im Grunde vorhanden, aber noch immer plagen das Team defensive Schwächen und fehlende Athletik. Immerhin hat sich mit Maxi Kleber ein weiterer Deutscher in der Formation festgespielt, der an guten Tagen genau jene Schwächen beheben kann: In dieser Spielzeit ist er einer der spektakulärsten Würfeblocker und Verteidiger. Nur nach vorne fehlt ihm noch etwas die Konstanz. "Ich habe noch einige Probleme mit meinem Wurf", sagt der Würzburger, der im abgelaufenen Sommer seine Schusstechnik verändert hat, "da gibt es noch zu viele Schwankungen". So haben außer Doncic, dem neuen Anführer, irgendwie alle Mavericks noch ihre Problemchen: Nowitzki muss seine müden Knochen vom Verletzungsrost befreien, Kleber sucht sein Wurfhändchen und Trainer Carlisle muss aus lauter offensiven Freigeistern wie Aufbauwirbler JJ Barea oder Dunking-Riese DeAndre Jordan eine Defensivmauer formen, die nicht ständig Tag der offenen Tür feiert und weit über 100 Punkte kassiert. Aktuell stehen die Mavericks bei 16 Siegen und 18 Pleiten - das Nowitzki-Comeback hat sich zumindest nach Zahlen bisher negativ ausgewirkt. Für die hinteren Playoffplätze muss aber eine positive Sieg-Bilanz her und dazu braucht Dallas einen Nowitzki in Bestform. Die Tendenz war bei ihm persönlich zuletzt steigend und wer ihn kennt, traut ihm durchaus noch ein paar Spiele im 20-Punkte-Bereich zu. Zumindest in der Offensive besitzt der alte Mann aus Franken ja noch immer gehobenes NBA-Niveau. In der Abwehr sieht es da schon schwieriger aus, wie sich gegen New Orleans zeigte, als Pelicans-Sprungwunder Anthony Davis unter anderem im direkten Duell gegen Nowitzki Punkt um Punkt sammelte - und am Ende sagenhafte 48 Zähler auf dem Konto hatte. Nowitzki und die Mavs haben keinen Davis, der bis unter die Hallendecke springen kann. Aber sie haben alle Möglichkeiten, mit einer kleinen Siegesserie wieder die Kurve zu kriegen. Vielleicht ja schon in zwei back-to-back-Duellen gegen die Oklahoma City Thunder, bei denen ein anderer Deutscher gerade immer besser wird: Dennis Schröder, der in der vergangenen Nacht mit 20 Punkten und sechs Assists großen Anteil am Sieg gegen Phoenix hatte. Körbe werfen kann der Braunschweiger ja mindestens ebenso gut wie Nowitzki - und den Playoffs ist sein Team mit 22 Siegen bei nur zwölf Niederlagen deutlich näher.
Seit zwei Wochen spielt Dirk Nowitzki wieder in der NBA, doch seine Mavericks verlieren nur noch - die Probleme des Teams kann auch ein neuer Überflieger nicht kaschieren.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/mavericks-nowitzki-basketball-1.4269497
Niederlagen für Dallas seit Nowitzki-Comeback
00/12/2018
Fünf Jahre ist der Unfall nun her, und die Frage ist immer noch die gleiche: Wie geht es ihm? Am 29. Dezember 2013, um kurz nach elf Uhr, stürzte der siebenmalige Formel-1-Weltmeister Michael Schumacher beim Skifahren in Méribel in Frankreich. Er stürzte - knapp neben der markierten Piste - derart unglücklich, dass er trotz überschaubarer Geschwindigkeit so heftig mit dem Kopf gegen einen aus der dünnen Schneedecke lugenden Felsen prallte, dass sein Ski-Helm barst. Eilig wurde der damals 44-Jährige mit dem Helikopter weggebracht und in der Universitätsklinik in Grenoble notoperiert. Offizielle Diagnose: ein schweres, zeitweise lebensbedrohliches Schädel-Hirn-Trauma. Monatelang lag der einstige Rennfahrer in einem künstlichen Koma. Im Juni 2014 dann die bisher letzte offizielle Äußerung seiner Familie zu seinem Gesundheitszustand: Der Patient sei nicht mehr im Koma, er habe das Hospital verlassen und werde die "lange Phase der Rehabilitation" nun fortsetzen. Seit Herbst 2014 geschieht das dem Vernehmen nach in Gland, wo die Schumachers direkt am Genfer See seit Längerem ein Anwesen besitzen. Was das aber genau bedeutet: Kann er laufen? Kann er sprechen? Kann er sich sonst irgendwie mitteilen? Die Welt weiß es nicht. Und dafür gibt es vor allem einen Grund: Schumachers Familie möchte nicht, dass Details zirkulieren - was einer Logik folgt, die Schumacher auch während seiner Zeit als Rennfahrer schon immer anwandte. Schon damals gab es im Grunde zwei Michael Schumachers: den öffentlichen, der sich alle zwei Wochen auf den Rennstrecken der Welt voller Vehemenz mit seinen Gegnern maß. Und den privaten, der tunlichst darauf achtete, dass ihm und den Seinen niemand zu nahe kam. Die Brandmauer zwischen den beiden Welten war Michael Schumacher wichtig. Sie war ein bewusst errichteter Schutzwall, der die Sphären eindeutig trennte: auf der einen Seite alles Professionelle, in dem Schumacher stets mit einer außerordentlichen Hingabe nach Perfektion in jedem noch so kleinen Detail und einer mitunter erschreckenden Rücksichtslosigkeit nach Siegen und noch mehr Siegen strebte, auf der anderen Seite alles Persönliche, das keiner erspähen sollte. Eine Schwäche zu zeigen - das kam in Schumachers Berufsbild nicht vor. Rennfahren: Für ihn bedeutete das, alles aufzubieten, um die anderen hinter sich zu lassen, als Fahrer, aber auch als Team. Eine Erkältung einzugestehen kam für ihn deshalb stets so wenig infrage, wie nach einem verkorksten Rennen mit dem Finger auf die Ingenieure zu deuten, die vielleicht im entscheidenden Moment die falschen Reifen hatten aufziehen lassen. Inzwischen ist fast ein wenig in Vergessenheit geraten, wo dieser Michael Schumacher herkam. Er kam keineswegs aus der Mitte der Gesellschaft, eher von einem der Ränder. Der Vater betrieb die Kartbahn in Kerpen-Manheim, die Mutter den Kiosk an der Strecke. Wenn der junge Michael Schumacher neue Reifen für sein Kart haben wollte, musste er sich die vom Müll ziehen. Wortwörtlich aus dem, was andere wegwarfen, formte er sich seine Karriere. Wer das weiß, versteht, wieso der Motorsport für ihn stets ein Kampf blieb, ein existenzieller. 91 Formel-1-Siege hat ihm diese Einstellung eingebracht, sieben WM-Titel. All das sind Rekorde, bis heute. Und es wirkt wie eine an Dramatik kaum zu überbietende Volte des Schicksals, dass ausgerechnet dieser Überlebenskämpfer von einem so alltäglichen Ausrutscher auf Skiern derart aus der Bahn geschleudert wurde. Am 3. Januar wird Michael Schumacher 50 Jahre alt. Schon als Sportler hat er außergewöhnlich viele Menschen auf außergewöhnliche Art bewegt. Als öffentliche Figur gibt es ihn nun nicht mehr. Aber das hat das Interesse keineswegs abebben lassen. Im Gegenteil. Wie es ihm wirklich geht? Die Welt wird es wohl nie erfahren.
Wie geht es ihm? Was macht der Mann, der als Rennfahrer alles gewann? Kurz vor seinem 50. Geburtstag erinnern sich viele an Michael Schumacher - und an seinen tragischen Unfall.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/schumacher-unfall-geburtstag-1.4267990
Fornel 1: Schumacher ist verschwunden
00/12/2018
Darts, WM: Titelverteidiger Rob Cross ist in London überraschend im Achtelfinale ausgeschieden. Der 28 Jahre alte Engländer verlor im Alexandra Palace trotz 2:0-Satzführung gegen seinen fünf Jahre jüngeren Landsmann Luke Humphries mit 2:4. Damit geht das große Favoritensterben bei der 26. Auflage der WM weiter. Humphries drehte gegen den Weltranglistenzweiten als bereits 13. Spieler im Turnier einen 0:2-Satzrückstand. "Er war fantastisch. Nach der 2:0-Führung hatte ich nichts mehr dagegenzusetzen. Ich kann nur sagen, dass er super gespielt hat", sagte Cross bei Sport1 nach seiner ersten WM-Niederlage. Bei der letzten Auflage hatte Cross im Finale noch Rekordweltmeister und Darts-Legende Phil Taylor in dessen letztem offiziellen Match geschlagen und bei seiner ersten Teilnahme gleich den WM-Titel gewonnen. Der zweimalige Titelträger Gary Anderson (Schottland) und Überraschungsmann Nathan Aspinall aus England haben derweil das Halbfinale erreicht. Anderson, der schon 2015 und 2016 in London triumphiert hatte, gewann im Viertelfinale 5:2 gegen den Engländer Dave Chisnall. Aspinall setzte seinen sensationellen Lauf als Nummer 73 der Welt durch ein 5:1 gegen den Nordiren Brendan Dolan fort und hat bereits ein Preisgeld von 100.000 Pfund (rund 111.000 Euro) sicher. Ski alpin: Mikaela Shiffrin hat den nächsten großen Rekord geholt und ihre Ausnahmestellung im alpinen Ski-Weltcup ein weiteres Mal untermauert. Die 23-Jährige aus den USA gewann am Samstag in Semmering den Slalom und holte damit den 15. Weltcup-Sieg des Jahres - das ist vor ihr noch keinem Mann und keiner Frau gelungen. Im letzten Rennen vor Silvester war sie 0,29 Sekunden schneller als Petra Vlhova aus der Slowakei. Dritte wurde Wendy Holdener aus der Schweiz. Mit nun 36 Siegen im Slalom ist die zweimalige Olympiasiegerin zudem nun alleinige Rekordhalterin in dieser Disziplin bei den Frauen. Ihr langjähriges Vorbild Marlies Raich aus Österreich, geborene Schild, kommt auf 35 Slalom-Siege. "Sie ist mein größtes Idol neben Bode Miller. Als ich jung war wollte ich die beste Skifahrerin der Welt werden. Ich habe immer Marlies beobachtet", sagte Shiffrin dem ORF. Beste Deutsche auf dem Zauberberg war überraschend die 21 Jahre alte Jessica Hilzinger. Bundesliga, FC Bayern: Die Münchner sind angeblich am englischen U19-Nationalspieler Callum Hudson-Odoi vom FC Chelsea interessiert. Wie die englische Daily Mail berichtet, soll der FC Bayern bereit sein, eine Ablösesumme von 13 Millionen Pfund (14,4 Millionen Euro) für den 18 Jahre alten Flügelspieler zu bezahlen. Hudson-Odoi besitzt bei den Blues einen Vertrag bis 2020. Nach Informationen der Daily Mail soll auch Borussia Dortmund interessiert sein. Chelsea will sich dem Vernehmen nach eine Rückkaufoption sichern, sollte Hudson-Odoi, der in der Premier League bislang kaum zum Einsatz kam, verkauft werden. Für die Rückrunde hat der FC Bayern bereits den 18 Jahre alten Kanadier Alphonso Davies verpflichtet. Die Ablösesumme für den Angreifer beträgt 11,5 Millionen Euro, kann sich aber noch bis auf 19,3 Millionen Euro erhöhen. Fußball, BVB: US-Nationalspieler Christian Pulisic vom Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund soll sich mit dem FC Chelsea aus der englischen Premier League über einen Wechsel im Sommer einig sein. Dies berichtete die Bild-Zeitung am Samstag. Demnach soll der Angreifer auch schon die Zusage des BVB haben, trotz Vertrags bis 2020 im Sommer für rund 50 Millionen Euro nach London wechseln zu dürfen. Ein Transfer bereits im Winter schloss Dortmunds Sportdirektor Michael Zorc aber vehement aus. "Wir denken nicht daran, Christian im Winter abzugeben. Wir planen definitiv mit ihm bis zum Sommer", zitierte die Zeitung Zorc. Der 20 Jahre alte Pulisic spielt seit 2015 für die Borussen, in der laufenden Bundesligasaison kam er erst auf elf Einsätze. China, Doping: Die chinesische Regierung will Dopingsünder ab dem kommenden Jahr angeblich mit Gefängnisstrafen belegen. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Freitag berichtete, soll dadurch die Anzahl der Dopingvergehen vor den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking verringert werden. "Es ist unser Wille, der Welt zu zeigen, dass wir den Anti-Doping-Kampf ernst nehmen und konkrete Maßnahmen umsetzen", wurde Chinas Sportminister Gou Zhongwen zitiert. Das Sportministerium sowie die oberste Justizbehörde sollen derzeit Gesetze entwerfen, die es erlauben, dass Dopingvergehen strafrechtlich behandelt werden. Das Sportministerium wollte den Xinhua-Bericht auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP allerdings nicht bestätigen. In der Vergangenheit hatte China immer wieder Probleme mit Dopingfällen. Zudem steht das bevölkerungsreichste Land der Erde unter Verdacht, in den 1980er und 1990er Jahren von einem staatlich gelenkten Dopingsystem profitiert zu haben. Fußball, Eintracht: Die Rückkehr von Mittelfeldspieler Sebastian Rode zu DFB-Pokalsieger Eintracht Frankfurt ist perfekt. Wie die Hessen am Donnerstagabend mitteilten, wechselt der 28-Jährige auf Leihbasis von Bundesliga-Spitzenreiter Borussia Dortmund nach Frankfurt. Bereits zwischen 2010 und 2014 lief Rode für die Eintracht auf. "Wir sind überzeugt, die Qualität des Kaders mit Sebastian, einem absoluten Teamplayer, weiter anzuheben. Er hat in den vergangenen vier Jahren beim FC Bayern und in Dortmund viel an Erfahrung gewonnen, die uns nun zugute kommen wird", sagte Eintracht-Sportvorstand Fredi Bobic: "Charakterlich passt Sebastian ganz hervorragend in unser Team. Wir haben ihn in den letzten Wochen und Monaten genau unter die Lupe genommen und haben feststellen können, dass er seine Verletzung komplett überwunden hat." Nach seiner ersten Zeit bei der Eintracht wechselte Rode zum Rekordmeister Bayern München und zog 2016 nach Dortmund weiter. Beim BVB spielte der im Laufe seiner Karriere immer wieder von Verletzungen zurückgeworfene Rode zuletzt sportlich keine Rolle mehr und ist in dieser Spielzeit noch ohne Pflichtspiel-Einsatz. Sein Vertrag bei den Schwarz-Gelben besitzt noch bis 2020 Gültigkeit. "Ich bin sehr glücklich darüber, endlich wieder voll angreifen zu können. Ich habe die Zeit bei der Eintracht und vor allem die Fans in toller Erinnerung", sagte Rode. Fußball, FC Bayern: Auf Heimaturlaub in Brasilien hat Bayerns langjähriger Rechtsverteidiger Rafinha einen Abschied aus München und der Fußball-Bundesliga im Sommer konkretisiert. "Mein Zyklus bei den Bayern geht dem Ende entgegen. Es gibt viele Dinge, die in den kommenden sechs Monaten passieren können, aber ich denke, es ist mein letztes Jahr", verkündete der 33-Jährige, dessen Vertrag beim Meister Ende Juni ausläuft, am Rande eines Prominentenspiels in Uberlandia gegenüber SporTV. Eine Rückkehr nach Brasilien ist für Rafinha, der seit Juli 2011 an der Isar spielt, "eine Möglichkeit", aber es habe "aus Respekt vor den Bayern" noch keine Gespräche gegeben. Der dreimalige Selecao-Spieler versprach, "die letzten sechs Monate auszukosten". Laut kicker gibt es offenbar auch Interesse aus China an dem Brasilianer. Nach seinem Profidebüt bei Coritiba FC spielt Rafinha, der auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, seit 2005 mit Ausnahme der Spielzeit 2010/11 (FC Genua/Italien) in der Bundesliga. Dort bestritt er 153 Spiele (7 Tore) für Schalke 04 und bislang 172 Partien (5 Tore) für Bayern München. Mit den Münchnern wurde er sechsmal Meister, dreimal Pokalsieger, gewann 2013 die Champions League und die Klub-WM.
Bei der Darts-Weltmeisterschaft erwischt es den nächsten Favoriten. China will Dopingsünder ins Gefängnis stecken. Dortmunds Pulisic soll nach England wechseln - die Bayern wollen angeblich einen jungen Engländer.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/darts-wm-auch-titelverteidiger-cross-scheitert-1.4269488
Auch Titelverteidiger Cross scheitert
00/12/2018
Briten gegen irische Einwanderer, Blau-Weiß-Rot gegen Grün-Weiß, schottischer Rekordmeister gegen schottischer Rekordcupsieger. Am heutigen Samstag stehen sich im 315. Old Firm der schottischen Fußballliga die Glasgow Rangers und Celtic Glasgow gegenüber. Celtic hat zuletzt sieben Meisterschaften in Serie gewonnen. Doch in diesem Jahr sind die Rangers mit Trainer und FC-Liverpool-Legende Steven Gerrard konkurrenzfähig. Das macht das Derby aus sportlicher Sicht besonders. Und auch die Fanrivalität hat aktuell eine ganz spezielle Brisanz. Rangers zum ersten Mal seit 2011/12 mit Chancen auf den Titel Die Old-Firm-Bilanz der Rangers seit dem Wiederaufstieg nach der Insolvenz ist sehr mau. In neun Ligaspielen gewann Celtic sieben Mal, zwei Mal endete das Duell unentschieden, die Torbilanz beträgt 6:23 aus Sicht der Rangers. Doch obwohl Celtic auch das erste Derby der laufenden Saison 1:0 für sich entschied, wird dieses Spiel mit Spannung erwartet. Die Rangers haben das erste Mal seit ihrer Rückkehr in die erste Liga eine Chance, um die Meisterschaft mitzuspielen. Zwischenzeitlich standen sie sogar an der Tabellenspitze - das hatte es zuletzt im Dezember 2011 gegeben. Und das liegt keineswegs daran, dass die Rangers gerade so gut spielen würden. Vielmehr schwächelt der Serienmeister, von bisher zehn Auswärtsspielen konnte Celtic nur vier gewinnen. Teams wie Kilmarnock, Aberdeen und eben die Rangers können auf einmal mithalten. Die ersten vier Mannschaften trennen nach 20 Spieltagen lediglich sechs Punkte. In der Premiership ist das sehr ungewöhnlich. Seit 1986 hieß der Meister stets Rangers oder Celtic. In den vergangenen beiden Spielzeiten gewann Celtic mit zwölf beziehungsweise 39 Punkten Vorsprung den Titel. Vieles deutet darauf hin, dass es für die Grün-Weißen diesmal schwieriger wird. Der Fall Leigh Griffiths "It is ok not to be ok - You'll never walk alone, Leigh". Mit diesen Worten machten Celtics Fans ihrem an Depressionen leidenden Stürmer Leigh Griffiths während des Europa-League-Spiels gegen Salzburg Mut. Der ist derzeit in Behandlung und wird im Derby fehlen. Eine erhebliche Schwächung für die Gäste, die mit dem 20-jährigen Odsonne Edouard nur noch einen weiteren richtigen Stürmer im Kader haben. Edouard entschied das letzte Duell auswärts im Ibrox-Park mit seinem spektakulären 3:2-Siegtreffer, allerdings schwanken die Leistungen des jungen Spielers oft erheblich. Trainer Brendan Rodgers, der Gerrard bei Liverpool einst selbst coachte, hat angekündigt, im Winter zwei Angreifer verpflichten zu wollen, um den vorübergehenden Verlust von Griffiths zu kompensieren. Griffiths ist bei den Fans der Rangers verhasst. Während ihres Aufenthalts in Wien zum Europa-League-Spiel gegen Rapid schmähten mehrere hundert den erkrankten Stürmer. "Fuck you Leigh Griffiths, you won't be playing football any more", sangen sie. Diese Aktion könnte die Spannung zwischen den Fanlagern noch verstärkt haben. Die Kastration des Auswärtskontingents Normalerweise folgen etwa 7000 Celtic-Fans ihrem Team zu Auswärtsspielen im 50 817 Zuschauer fassenden Ibrox-Park, der Spielstätte der Rangers im Glasgower Westen - die große Mehrheit von ihnen in organisierten Bussen. Die Fanlager werden schon außerhalb des Stadions durch ein massives Polizeiaufgebot voneinander getrennt. Der Bereich, in dem die Dutzenden Busse parken, ist abgeriegelt. Von dort gehen die Anhänger der Gäste direkt zum Eingang. Eine Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln wäre zu gefährlich. Zum Spiel an diesem Samstag machen sich nur etwa 750 Anhänger von Celtic auf den Weg nach Ibrox. Der Grund: Die Rangers haben das Gästekontingent massiv reduziert, um auf der Tribüne, die bisher Celtic vorbehalten war, zusätzliche Dauerkarten an die eigenen Fans zu verkaufen. Ein Kniff des finanziell kriselnden Klubs, um vor Beginn der Saison schnell an Geld zu kommen. Bei den Celtic-Fans löste dies vor allem Frust aus. Man sah sich in seinen Möglichkeiten, das eigene Team auswärts zu unterstützen, stark beschnitten. Die Klubführung bedauerte die "einseitige" Entscheidung der Rangers, die "ohne jede Diskussion" getroffen worden sei. Um nicht zuzulassen, dass die eigenen Fans "doppelt bestraft" würden, reduzierte Celtic das Gästekontingent für das erste Derby der Saison im heimischen Celtic Park seinerseits auf etwa 800 Tickets. Die historische Bedeutung Die Rivalität der beiden Vereine ist legendär und nicht zu vergleichen mit beispielsweise jener zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke. Es geht bei Weitem nicht nur um den sportlichen Erfolg. Im Old Firm, benannt nach der finanziellen Bedeutung der Rivalität für den schottischen Fußball, stehen sich unterschiedliche Bevölkerungsgruppen gegenüber, das Derby bietet diesem gesellschaftlichen Konflikt die spektakuläre, laute und farbige Bühne. Anhand der Farben lässt sich die politische Dimension gut erklären. Die Anhänger der 1873 gegründeten Rangers rekrutieren sich traditionell überwiegend aus dem protestantischen, britisch-unionistischen Milieu. Sie betonen die Einheit des Vereinigten Königreichs. Ihre Vereinsfarben sind Blau, Weiß und Rot, angelehnt an den Union Jack, der im Ibrox Park stolz geschwenkt wird. Celtic-Fans sind zumeist Nachfahren irischer Migranten, die in der Industriestadt Glasgow zwar als Arbeitskräfte gebraucht wurden, jedoch mit Armut und Diskriminierung zu kämpfen hatten. Der Verein wurde 1887 von einem katholischen Ordensbruder gegründet, um Spenden für die Not leidende Bevölkerung im Glasgower East End aufzutreiben. Anhänger von Celtic betonen ihre irisch-katholischen Wurzeln und neigen dem irischen Republikanismus zu, den die irische Trikolore repräsentiert. Mit dem Erstarken der irischen Unabhängigkeitsbewegung während des Ersten Weltkriegs verschärfte sich die Rivalität der Klubs und ihrer Anhänger. Die Rangers verpflichteten von dieser Zeit an keine katholischen Spieler mehr, das änderte sich erst 1989, als mit Mo Johnston wieder ein bekennender Katholik das Rangers-Trikot überstreifte. Die politisch-konfessionellen Spannungen gehen in Glasgow zwar langsam zurück, doch rund um Derby-Spieltage treten sie in Form von Schmähgesängen und teils schweren körperlichen Auseinandersetzungen immer wieder offen zutage. Der Brexit, der vor allem von Celtic-Fans abgelehnt wird, hat den Konflikt zusätzlich verkompliziert - nicht zuletzt, weil er den Frieden zwischen Briten und Iren in Nordirland bedroht. Das Derby aus deutscher Sicht Marvin Compper ist der einzige deutsche Profi, der im Old Firm zum Einsatz kommen könnte. Allerdings lief der Verteidiger seit seinem Wechsel von RB Leipzig nach Glasgow im Januar erst in einem Pflichtspiel auf, im Viertelfinale des schottischen Pokals gegen den Zweitligisten Greenock Morton. Immer wieder plagten ihn Wadenprobleme. Es ist daher äußerst unwahrscheinlich, dass Rodgers ihn in einem so wichtigen Spiel aufstellt. Trotzdem könnte sich der Blick auf das Spiel aus deutscher Perspektive lohnen. Vor allem bei Celtic reiften in den vergangenen Jahren immer wieder Spieler zu internationaler Klasse heran. Erst im Sommer verließ Stürmer Moussa Dembélé den Verein und wechselte für 22 Millionen Euro zu Olympique Lyon. Der niederländische Innenverteidiger Virgil van Dijk spielte von 2013 bis 2015 bei Celtic, ehe er vom FC Southampton verpflichtet wurde. 2018 wechselte er zum FC Liverpool, für eine Ablösesumme von umgerechnet 84,5 Millionen Euro. In den beiden Duellen gegen Deutschland in der Nations League traf der torgefährliche van Dijk sowohl beim 3:0-Sieg als auch beim 2:2 im Rückspiel. Momentan hat Celtic neben Edouard mit Außenverteidiger Kieran Tierney (der gegen die Rangers verletzt ausfallen könnte) und Mittelfeldspieler Ryan Christie zwei vielversprechende Talente in der Mannschaft. Bei den Rangers wird Glenn Middleton eine große Karriere zugetraut.
Rangers gegen Celtic - ein Fußballspiel wie kein zweites. Diesmal ist die Spannung besonders groß, denn in Glasgow hat sich in dieser Saison einiges verändert.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/rangers-celtic-glasgow-old-firm-1.4263509
Old Firm in Glasgow: Das größte Duell in Schottland
00/12/2018
Jens Weißflog: "Es gibt inzwischen viel mehr Kameras und Journalisten, die jede Regung aufzeichnen." Der dreimalige Skisprung-Olympiasieger Jens Weißflog erklärt, warum Wind und Kameras den Sport immer mehr beeinflussen und was er den Deutschen bei der Vierschanzentournee zutraut. Der Oberwiesenthaler Jens Weißflog hat als einziger deutscher Skispringer vier Mal die Vierschanzentournee gewonnen. Im Interview erklärt er, warum in diesem Jahr Kamil Stoch sein Tourneefavorit ist und warum sie früher an Silvester nie vor Mitternacht ins Bett gegangen sind. SZ: Herr Weißflog, wie werden Sie die Tournee diesmal verfolgen? Jens Weißflog: Ich werde sie mir zu Hause und in meinem Hotel mit den Gästen ansehen. Ich habe sie im vergangenen Jahr noch mal live erlebt. Aber mit 22 Jahren Abstand fiebert man natürlich nicht mehr so mit, als wenn man selbst dabei ist. Aber ich verfolge sie noch immer mit großer Begeisterung. Ihre Gäste werden Ihnen bestimmt viele Fragen zu früher stellen. Welchen Stellenwert hatte die Tournee für Sie? Da hat jeder seine ganz persönliche Reihenfolge. Für einen ist die Tournee wichtiger als Olympia, für den anderen der Gesamtweltcup. Für mich war immer die Winterspiele das wichtigste Ereignis, danach folgten Weltmeisterschaft und Tournee. Aber zwischen den Jahren ist es schon das größte sportliche Highlight. Jeder, der sich hierzulande für Sport interessiert, schaut zu. Ist der Druck für die Deutschen deshalb besonders hoch? Ausblenden kann man das als Springer natürlich nicht. Und ich finde die Auftaktspringen in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen von der Erwartungshaltung her auch noch schwieriger als die Springen in Innsbruck und Bischofshofen. Nicht weil sie in Deutschland stattfinden, sondern weil man von Anfang gut mitspringen muss, um nicht gleich den Gesamtsieg zu verspielen. Ich denke, dass es die Springer aus Norwegen, Japan oder Polen da einfacher haben, mit dem ganzen Drumherum zurechtzukommen. Und die Situation ist für die Athleten heute noch schwieriger geworden als damals bei mir, es gibt inzwischen viel mehr Kameras und Journalisten, die jede Regung aufzeichnen. Das macht alles noch komplizierter. Sie haben 1984 bei der Tournee drei von vier Springen gewonnen. Wurmt es Sie im Rückblick, dass Sie nicht alle vier fürs ich entschieden haben, so wie Sven Hannawald 2002 und zuletzt der Pole Kamil Stoch? Nein, dafür muss auch alles passen. Wir hatten es damals sogar noch leichter als heute. Die reine Springform war entscheidender als das Glück. Der Wind hat inzwischen einen viel größeren Einfluss. Aber damals hat es doch auch gewindet? Aber durch die großen Fortschritte bei Material, Technik und Stil können schon kleinste Windveränderungen das gesamte Klassement durcheinanderwirbeln. Auch ein Stoch, der im vergangenen Jahr der eindeutig stärkste Springer war, hätte zum Beispiel in Innsbruck Pech haben und so vom Wind verweht werden können. Und für die Springer ist der Grand Slam überhaupt kein Thema. Auch wenn es komisch klingt, aber sie denken wirklich nur von Sprung zu Sprung, alles andere interessiert sie nicht. Erst wenn man vor Bischofshofen alle drei Springen gewonnen hat, befasst man sich mit dem Thema. Welche Springer sind denn für Sie diesmal die Favoriten? An dem Japaner Ryoyu Kobayashi kommt man nicht vorbei. Er springt gerade herausragend, aber es war in der Vergangenheit oft so, dass der Weltcupführende am Ende nicht die Tournee gewonnen hat. Ich schätze deshalb Stoch sehr hoch ein, weil er der Erfahrenere von beiden ist. Aber insgesamt ist in diesem Jahr eine Vorhersage noch schwieriger als sonst. Ich bin selbst gespannt, wer diesmal aus der Wundertüte herauskommt. Ich bin mir sicher, dass es wieder eine Überraschung geben wird. Bei den Deutschen haben bisher Stefan Leyhe und Karl Geiger, der sogar seinen ersten Weltcupsieg gefeiert hat, den stärksten Eindruck hinterlassen. Aber auch hier halte ich Andreas Wellinger für stärker, weil er auf diesem Niveau über mehr Erfahrung verfügt. Er kann den Erfolg schon an sich reißen. Aber so wie Olympia hat auch die Tournee ihre eigenen Gesetze. Am Ende sind wir alle schlauer. Haben Sie während Ihrer aktiven Karriere Silvester vor dem Neujahrsspringen eigentlich überhaupt feiern können? Ich persönlich halte Silvester für total überbewertet. Es war aber zu meiner aktiven Zeit eher die Ausnahme, den Jahreswechsel ausfallen zu lassen. Bis auf zweimal haben wir mit der Mannschaft um Mitternacht immer auf das neue Jahr angestoßen und sind dann so gegen halb eins ins Bett gegangen.
Der dreimalige Skisprung-Olympiasieger Jens Weißflog erklärt, warum Wind und Kameras den Sport immer mehr beeinflussen und was er den Deutschen bei der Vierschanzentournee zutraut.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/vierschanzentournee-oberstdorf-weissflog-1.4268514
"Vierschanzentournee: ""Wir hatten es damals leichter"""
00/12/2018
Der EHC München gewinnt im letzten Heimspiel des Jahres 4:3 nach Penaltyschießen gegen Berlin. Dem Hauptstadt-Klub sind die turbulenten Feiertage nach der Trainerentlassung anzumerken. In dessen Spiel hat sich einiges geändert. Der Heimspiel-Jahres-Abschluss hat beim EHC Red Bull München schöne Erinnerungen geweckt: Zu Gast waren am Freitag die Eisbären Berlin, gegen die sich die Münchner im alles entscheidenden siebten Playoff-Finalspiel im April hier den Meistertitel gesichert hatten. Und auch diesmal gab es neue gute Erinnerungen: Der EHC siegte am 33. Spieltag der Deutschen Eishockey Liga (DEL) mit 4:3 nach Penaltyschießen, wodurch er den Rückstand auf Tabellenführer Mannheim auf sieben Punkte verkürzte. Im Startdrittel zeigte Berlins Torhüter Kevin Poulin, warum er die drittbeste Fangquote der Liga hat. Alleine zwischen der siebten und zwölften Minute vereitelte er sechs gute Chancen der Münchner. Die spektakulärste Parade war jene gegen EHC-Kapitän Michael Wolf, der nach einem Querpass von Justin Shugg völlig freistehend am langen Pfosten zum Abschluss kam (8.). Den Eisbären reichte eine gute Chance: Sean Backan drückte die Scheibe aus kurzer Distanz über die Linie, nachdem sie durch den ganzen Münchner Torraum getrudelt war (15.). Die Eisbären hatten turbulente Feiertage hinter sich. Kurz vor Weihnachten wurde Clement Jodoin nach nur fünfeinhalb Monaten als Cheftrainer entlassen, weil die Berliner unter ihm auf Rang neun der Tabelle abgerutscht waren. Als Interimstrainer übernahm Sportdirektor Stephane Richer - und konnte sich vor dem München-Spiel über zwei Siege gegen Düsseldorf und Bremerhavener freuen. "Wir haben gezeigt, dass wir auch gute Gegner schlagen können", sagte Torhüter Maximilian Franzreb. Obwohl Richer erst seit wenigen Tagen Trainer ist, hat sich im Eisbären-Spiel einiges geändert. "Wir sind viel aggressiver, wollen endlich wieder offensiv spielen", sagte Nationalspieler Marcel Noebels. Das Ergebnis: zehn Treffer in zwei Partien. Die Eisbären hatten in der kurzen Zeit zahlreiche Besprechungen, in denen "viel über unseren Spielstil" geredet wurde, sagte Noebels. In München lief es auch zu Beginn des Mitteldrittel vielversprechend, James Sheppard erhöhte in Überzahl auf 2:0 (27.). Poulin bewahrte den Zwei-Tore-Vorsprung, bis Andreas Eder ins linke Kreuzeck traf (33.). Nach dem 1:2 ließen die Münchner große Chancen aus, was die Berliner erneut bestraften, als Jamie MacQueen das 3:1 erzielte (36.). Justin Shugg brachte den Meister in Überzahl aber wieder heran (39.). "Wir haben noch nicht zu unserem Spiel gefunden", sagte Eder nach dem Mitteldrittel, in dem die Münchner zweimal das Torgestänge getroffen hatten. Trevor Parkes zielte genauer und markierte in Minute 57 in Überzahl das 3:3 - und im Penaltyschießen das entscheidende Tor. Im letzten Spiel des Jahres tritt der EHC am Sonntag in Wolfsburg an.
Der EHC München gewinnt im letzten Heimspiel des Jahres 4:3 nach Penaltyschießen gegen Berlin. Dem Hauptstadt-Klub sind die turbulenten Feiertage nach der Trainerentlassung anzumerken. In dessen Spiel hat sich einiges geändert.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/eishockey-gute-erinnerung-1.4269437
Gute Erinnerung
00/12/2018
Vladimir Lucic war es irgendwann zu leise, er ergriff kurz vor der Pause selbst das Wort in einer Auszeit. Der serbische Nationalspieler des FC Bayern ist der emotionale Anführer des deutschen Basketball-Meisters, er wollte mit deftigen Worten seine Mitspieler aufwecken, seltsam ermattet wirkten sie am Freitagabend gegen Buducnost Podgorica in der Euroleague und lagen mit 17 Punkten zurück, als Lucic mit seiner kurzen, aber lohnenswerten Ansprache begann. Am Ende hatte er die richtigen Worte gefunden, München gewann die Partie gegen den Tabellenvorletzten 93:88 (38:49) und schließt die Hinrunde in der höchsten europäischen Spielklasse mit 8:7 Siegen ab. Als bester Werfer kam Derrick Williams auf 21 Punkte. Für Bayern-Trainer Dejan Radonjic war es ein Duell gegen seine Vergangenheit: Der 48-jährige ist in Montenegros Hauptstadt geboren und aufgewachsen, für Podgorica hat er als Spieler und Trainer zahlreiche Titel gewonnen, bevor er sich aufmachte bei Roter Stern Belgrad den internationalen Basketball kennen zu lernen. Er hatte auch vor dem Spiel vor den drei Zugängen der Gäste gewarnt, aber er schien damit nicht bei seinen Spielern angekommen zu sein. Sie traten ziemlich zahm auf, ohne Körperspannung und Energie. Es wirkte fast so, als würden sie Podgorica unterschätzen, das bisher kein Auswärtsspiel gewinnen konnte. Dass die neuen Spieler wie Norris Cole und der hochbegabte 19 Jahre alte georgische Center Goga Bitadze das Niveau enorm anzuheben vermögen, zeigte sich schon in den ersten Minuten nach deren Einwechslung - Cole, 30, sammelte die ersten seiner 27 Punkte vor dem Ende des ersten Viertels zur 21:14-Führung. Der US-Amerikaner ist hochdekoriert, er gewann unter anderem mit den Miami Heat zweimal die NBA-Meisterschaft. Der Spielmacher ist aber kein Egozocker, sondern kann sich auch rechtzeitig vom Ball trennen und seine Mitspieler einsetzen. Mit seinen Punkten sieben und acht vergrößerte er den Vorsprung der Gäste auf 35:20 (15.). Und die Bayern? Hatten bis zur achten Minuten überhaupt nicht gefoult und erst kurz vor der Pause ihren ersten Dreier durch Derrick Williams verwandelt. Der frühere NBA-Profi monierte in der Halbzeit vor allem den fehlenden Arbeitsethos in der Verteidigung: "Wir haben in der ersten Hälfte überhaupt keine Defensive gespielt." Im dritten Viertel steigerten sich die Münchner. Ob es an Sido lag? Der deutsche Rapper performte in der Pause und musste vor allem Spielmacher Braydon Hobbs inspiriert haben. Der Amerikaner verwandelte allein vier Distanzwürfe und sorgte dafür, dass die Bayern den Abstand vor dem Schlussviertel auf fünf Punkte verringern konnten (65:70). In den letzten zehn Minuten spielte sich dann Williams in den Vordergrund, mit Dreiern, Drehungen und harter Defensive brachte er seine Mannschaft wieder in Führung, die sie nicht mehr abgeben sollten. Zeit, den Sieg genießen zu können vor dem Jahreswechsel bleibt nicht, am Sonntag (20.30 Uhr) steht bereits das Auswärtsspiel beim bayerischen Rivalen Brose Bamberg an.
Der FC Bayern besiegt Podgorica, obwohl das Team zwischenzeitlich mit 17 Punkten in Rückstand liegt.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/basketball-und-dann-sprach-lucic-1.4269439
Und dann sprach Lucic
00/12/2018
Die "brennende Hütte" hat wohl auch einen Beitrag geleistet beim knappen 31:28-Sieg des THW Kiel. Das glaubte zumindest Andy Schmid, Kapitän der untergelegenen Handballer der Rhein Neckar Löwen, und meinte die aufgeheizte Atmosphäre der Arena in Kiel. Ein "Weltklassespiel" hatte Kiels Sportlicher Leiter Viktor Szilagyi gesehen, ein Duell, in dem sich die Spieler fast an die Gurgel gingen, um ihre Chance zu wahren, Tabellenführer Flensburg-Handewitt vielleicht doch noch abzufangen. Erster Verfolger bleibt Kiel, das nach dem 15. Sieg in Serie vier Punkte Rückstand hat, bei den Löwen sind es sieben Zähler. Über den Titel 2019 wird wohl wieder in Schleswig-Holstein entschieden. Was aber bedeutete dieses letzte Bundesliga-Spitzenspiel vor der Weltmeisterschaft für Bundestrainer Christian Prokop, der das DHB-Team am Freitag im Sporthotel Fuchsbachtal in Barsinghausen zum Kurzlehrgang bis Sonntag versammelte? Nicht viel. Ein entscheidender Profi in dieser Partie war THW-Keeper Niklas Landin, ein Däne. Er parierte 14 Würfe. Der deutsche Nationaltorwart Andreas Wolff dagegen wurde nur einmal bei einem Siebenmeter aktiv, den er sogar hielt. Ansonsten war Wolff vor allem dazu da, dem Kollegen ein paar anerkennende Klapse auf die Schulter zu geben und später ermunternde Sätze zur bevorstehenden WM zu formulieren. Etwa, dass man wieder so eine Welle erwischen müsse wie 2016, als die Mannschaft Europameister wurde. Nicht verborgen blieb in diesem umkämpften Spiel, in dem die Mannheimer nach zwanzig Minuten 12:9 führten, dass die Deutschen über überdurchschnittliche Kreisläufer verfügen: Bei den Löwen war es der athletische Jannik Kohlbacher, der gleich zwei Zeitstrafen für sein körperliches Spiel kassierte; bei den Kielern waren es Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler, der auch das letzte Tor gegen sein ehemaliges Team warf. Aber wer setzt die Kreisläufer im deutschen Team ein? Bei Kiel zogen der kleine Slowene Miha Zarabec, der größere Kroate Domagoj Duvnjak und der norwegische Linkshänder Harald Reinkind, der gegen seine früheren Kollegen sogar sieben Tore beisteuerte, das Spiel auf. Beim Meister Flensburg ist der 35-jährige Weltmeister von 2007, Holger Glandorf, zurückgetreten. Und die im DHB-Aufgebot stehenden Kandidaten Steffen Weinhold (Kiel) und Steffen Fäth (Löwen) saßen am Donnerstagabend 60 Minuten lang auf der Bank. Löwen-Trainer Nikolaj Jacobsen traute Fäth, der zuletzt krank war, den Einsatz in der richtungsweisenden Partie nicht zu. Sein Kieler Kollege Alfred Gislason konnte es sich dank des größeren Kaders leisten, den kürzlich angeschlagenen Weinhold noch zu schonen. Einen Vorteil haben zumindest die vier Kieler Nationalspieler, glaubt Pekeler. Denn der THW habe neun Spiele weniger in den Knochen als die in der Champions League geforderten Löwen. Pekeler fühlt sich "recht ausgeruht", teilte er mit, zumal Kiel im Dezember 16 Tage am Stück nicht spielen musste. Dagegen machte DHB-Rechtsaußen Patrick Groetzki seinem Ärger über den Spielplan Luft: Es sei "nicht mehr viel im Tank drin", ereiferte er sich. Die Weihnachtsspiele seien eine "Katastrophe", obwohl er die wirtschaftlichen Gründe kenne. Wie er den Tank wieder aufzufüllen gedenke, ließ er offen. Zum Beispiel könnte eine WM im eigenen Land genug Motivation sein, um doch mit Freude an diese Aufgabe heranzugehen. Bundestrainer Prokop muss nach dem Kurzlehrgang noch zwei von 18 Spielern streichen. Nach einer kurzen Silvesterruhe trifft sich das Nationalteam am 2. Januar in Hamburg zum letzten Schliff. Zwei Testspiele sind noch angesetzt, am 4. Januar in Hannover gegen Tschechien, am 6. Januar in Kiel gegen Argentinien. Am 10. Januar startet die DHB-Auswahl in Berlin gegen Korea ins Turnier. Dabei wird es laut Prokop "auch wichtig sein, dass wir als Mannschaft zusammen lachen und mal Spaß haben". So lässt sich vielleicht sogar ein kreativer Rückraumspieler ersetzen. Zumindest ein bisschen.
Das letzte Spitzenspiel des Jahres hat kaum Aufschlüsse für die WM gegeben: Die DHB-Kreisläufer sind in Bestform. Die Frage ist, wer sie ins Spiel bringen soll.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/handball-das-silvesterraetsel-1.4268924
Das Silvesterrätsel
00/12/2018
Zuletzt war von Lucas Hernández wenig zu sehen oder zu hören, zumindest von ihm persönlich. Neulich, beim Punktspiel in Alavés, zog sich der Verteidiger von Atlético Madrid eine Muskelverletzung zu, das Fußballjahr war für ihn beendet. Die Weihnachtstage verbrachte Lucas dann in seinem Geburtsland Frankreich; in den Bergen, als wollte er Abstand gewinnen von all dem Lärm, der um ihn tobt. Seit gut zehn Tagen dominiert Lucas die Schlagzeilen der spanischen Sportpresse - wegen des offenkundigen Interesses des FC Bayern, ihn im nahenden Jahr zu verpflichten. Die Ablösesumme, die in seinem erst im Sommer bis 2022 verlängerten Vertrag mit Atlético vermerkt ist, würde für einen Bundesliga-Transferrekord sorgen: 80 Millionen Euro. Das ist viel Geld, würde aber Lucas' Wert auf einem inflationären Markt entsprechen. Zum Vergleich: Der Niederländer Virgil van Dijk, 27, wurde vor einem Jahr für 84 Millionen Euro vom FC Southampton zum FC Liverpool von Jürgen Klopp transferiert. Und es gibt nicht wenige Experten, die Lucas, 22, in exakt dieser Liga verorten: in der Liga der besten Innenverteidiger der Welt. Es ist fast auf den Tag genau vier Jahre her, dass Lucas sein Erstligadebüt bei Atlético feierte - bei einem 4:1-Sieg bei Athletic Bilbao. Damals war er nicht mehr als ein vielversprechendes Talent aus der eigenen Nachwuchsabteilung mit berühmtem Namen. Sein Vater Jean-François Hernández, mit dem Lucas gebrochen hat, weil jener vor Jahren die Familie verließ und danach nie mehr von sich hören ließ, war ebenfalls Erstligaprofi in Spanien, unter anderem bei Atlético. Mittlerweile hat Lucas eine Menge der Versprechungen eingelöst, die ihn umwehten, vor allem wegen seiner vielseitigen Verwendbarkeit. Bei der Weltmeisterschaft in Russland, bei der er mit den Franzosen im Sommer 2018 den Titel holte, spielte er Linksverteidiger. Bevorzugt agiert er aber in der Innenverteidigung, links neben dem uruguayischen Marschall Diego Godín, der soeben vor den Toren von Montevideo Hochzeit feierte - umgeben von den einflussreichsten Spielern Atléticos, wie Antoine Griezmann, Koke oder Juanfran, die zuletzt wegen Lucas alarmiert waren. Der Grund: Eine Nachricht, die kurz vor Weihnachten in der Sportzeitung Marca erschienen war. Demnach wollte der FC Bayern bereits jetzt im Januar die Ablösesumme für Lucas deponieren. Der Spieler selbst - der vor ein paar Monaten wegen seiner Atlético-Vergangenheit ein Angebot von Real Madrid ausgeschlagen haben will, obwohl dort sein Bruder Theo unter Vertrag steht - hatte sich, ebenfalls angeblich, mit den Bayern auf einen Vierjahresvertrag geeinigt. Was folgte, waren hektische Anrufe zwischen Atléticos Vereinsführung sowie dem FC Bayern, Lucas und dessen Manager Manuel García Quilón. Für Atlético steht 2019 einiges auf dem Spiel Die Abwehrschlacht um Lucas wurde mit maximalem Einsatz geführt, denn für Atlético steht 2019 einiges auf dem Spiel. Am Ende der Saison findet im eigenen neuen Stadion, im Metropolitano, das Champions-League-Finale statt. Da würde man sich als Achtelfinalist ungern im Januar das Herz der Abwehr plündern lassen - zumal der 1,85 Meter große Lucas perspektivisch als Chef der Abwehr gilt und schon jetzt Godín als zweikampfstärksten Verteidiger übertrumpft hat. Doch Atlético kann wohl nicht viel mehr als Zeit gewinnen. Zwar soll der FC Bayern München, wie Atlético in einem offiziellen Kommuniqué mitteilte, die zuletzt freundschaftlichen Beziehungen bestätigt und deshalb auch versichert haben, dass man keine Absicht habe, Hernández gegen den Willen seines derzeitigen Arbeitgebers schon in der bevorstehenden Transferperiode abzuwerben: "Der Spieler kann Atlético in dieser Wintertransferperiode nicht verlassen", tönte Atlético-Boss Gil Marín laut Goal.com. Doch auch Marín weiß: Falls der Spieler doch die festgeschriebene Ablösesumme beim Ligaverband LFP hinterlegen sollte, ist Atlético völlig machtlos. Und sollte Atlético die aktuelle Schlacht um Lucas gewinnen - den "Krieg" hat der spanische Klub wohl verloren: Gil Marín kündigte für Januar Gespräche mit dem FC Bayern an, über einen möglichen Transfer im Juni.
Der FC Bayern möchte offenkundig Abwehrspieler Lucas Hernández verpflichten. Dessen Klub Atlético Madrid fühlt sich hintergangen - und kann doch wenig ausrichten.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/lucas-hernandez-fc-bayern-1.4268893
Lucas Hernández: Diesen Spieler will der FC Bayern
00/12/2018
Der Einwurf von Adonis Thomas war so etwas wie ein Menetekel an diesem Abend. Es war ein Zeichen dafür, dass die Spieler mit der Situation überfordert zu sein schienen, Thomas, der bester Werfer der Bayreuther Basketballer am Donnerstag gegen die EWE Baskets Oldenburg, passte den Ball kurz nach der Pause in den Rücken von Gegenspieler Karsten Tadda statt zu David Stockton. Aus zwei Metern gelang es dem amerikanischen Basketballprofi nicht, seinen Mitspieler zu finden, der auf das Zuspiel schon wartete. Normalerweise schafft Thomas, der 15 Punkte sammelte, solche Pässe mit verbundenen Augen. Die Szene für die Kuriositätensammlung war bezeichnend für den Bayreuther Auftritt, achtzehn Bälle überließen sie bei der 70:90-Niederlage gegen Oldenburg mehr oder weniger großzügig ihren Gegenspielern. "Es waren einfach viel zu viele Fehler", gab Bayreuths Kapitän Bastian Doreth zu. Und das in einem Spiel, das dokumentieren sollte, das Bayreuth nach fünf Siegen in Serie schon dazugehört zum elitären Zirkel der besten vier Mannschaften in der Basketball-Bundesliga (BBL). Doch wie die eindeutige Niederlage nun beweist: Die Mitglieder des Eliteklubs, FC Bayern, Alba Berlin, Brose Bamberg und Oldenburg, verwehren ihnen noch die Aufnahme in ihren Kreis und stellen sich ihnen breitbeinig und selbstbewusst in den Weg. Den Oberfranken bleibt als Tabellenfünfter nichts anderes übrig, als es so lange weiter zu versuchen, bis ihnen der Zugang irgendwann einmal vielleicht gewährt wird. Dass sie alle Aufnahmebedingungen für die Top 4 aufbringen können, davon ist Doreth überzeugt, "es war der erste Gradmesser heute, wir werden jetzt gegen alle vier Topklubs in den nächsten Wochen spielen, aber ich bin zuversichtlich, dass wir auf dieses Niveau kommen, wir wollen alle dafür hart arbeiten." Im Heimspiel gegen Oldenburg mussten die Bayreuther aber von Anfang die Überlegenheit des Kontrahenten anerkennen. Schon im ersten Viertel enteilten die Oldenburger vorentscheidend, weil sie sieben von elf Distanzwürfen trafen, Nationalspieler Philipp Schwethelm tat sich bei den Dreiern besonders hervor und verwandelte gleich vier davon, so viele wie die gesamte Bayreuther Mannschaft. Und als die Gäste im zweiten Viertel einfach so weitermachten, lag Bayreuth schnell 20:42 zurück. Cheftrainer Raoul Korner beobachtete das Treiben auf dem Parkett für ihn ungewöhnlich ruhig, fast in sich gekehrt schaute er an der Seitenlinie zu. Das muss dem sonst so impulsiven Österreicher ziemlich schwergefallen sein, aber er sah schnell ein, dass ein Auftritt als Rumpelstilzchen fehl am Platz gewesen wäre. "Die Qualität und Erfahrung, über die Oldenburg verfügt, konnten wir nicht beantworten", sagte Korner nach der Partie: "Wir hätten ein außergewöhnlich gutes Spiel von allen Akteuren gebraucht und das war heute leider nicht der Fall." Neben einer unzureichenden Verteidigung machte sich vor allem das Fehlen eines Spielmachers bemerkbar, der ebenso sicher beim Ballvortrag als auch beim Dirigieren seiner Mitspieler war. Doch weder David Stockton noch Doreth gelang es, dem Bayreuther Spiel so etwas wie Struktur und Präzision zu verleihen. "Wir haben in der Offensive zu unpräzise versucht, Chancen zu erzwingen. Wir haben zu viel forciert und zu wenige Vorteile aus der Offensive kreiert", stellte Korner ernüchtert fest. Was einen umsichtigen und raffinierten Regisseur auszeichnet bekam er durch Oldenburgs Will Cummings vor Augen geführt, der achtzehn Punkte sammelte und vier Korbvorlagen verteilte, so viele wie Stockton und Doreth zusammen. Nach einem sehr holprigen Start in die Spielzeit samt geplantem Wutausbruch von Korner ("Mit diesem Personal sind wir nicht fähig zu gewinnen") hatte der 44-jährige Jurist jede einzelne der vielen Baustellen abgearbeitet. Mehr noch: er hatte es auf fast wundersame Weise geschafft, die Mannschaft ohne personelle Veränderung auf ein Niveau zu heben, das sie dazu befähigte, wettbewerbsübergreifend neun Siege aneinanderzureihen. Aber jetzt musste er nicht erst durch die Niederlage gegen Oldenburg und in der Woche davor gegen Straßburg in der Champions League realisieren, dass die Mannschaft doch nicht so weit ist, wie er sich das erhofft hatte. "Wir haben heute gesehen, dass wir noch kein Top-4-Team sind", bestätigte er nach dem Oldenburg-Spiel. Lange aufhalten mit den Gründen will er sich aber nicht, denn bereits an diesem Samstag (20.30 Uhr/Oberfrankenhalle) steht das nächste Heimspiel gegen den Tabellenletzten Merlins Crailsheim an. "Wir werden uns steigern müssen, um das Spiel zu gewinnen", sagt Korner. Ob seine Mannschaft tatsächlich schon reif für den elitären Zirkel ist, wird er nach den folgenden beiden Auswärtsspielen in Bamberg (3. Januar) und München (6. Januar) herausfinden können.
Gegen Oldenburg können die Bayreuther ihrem Anspruch nicht gerecht werden, zu den Top-Teams zu gehören. "Es waren einfach viel zu viele Fehler", gibt Bayreuths Kapitän Bastian Doreth zu.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/basketball-anwaerter-auf-den-eliteklub-1.4268933
Anwärter auf den Eliteklub
00/12/2018
In italienischen Stadien werden ständig afrikanische Fußballer beschimpft, doch fast nie wird ein Spiel deswegen unterbrochen. Was für ein Versagen aller Beteiligten. Manchmal ist es müßig zu differenzieren, beim Rassismus zum Beispiel. In Italien fragt man sich gerade, ob die denkwürdig vielen Zuschauer, die beim Weihnachtsspiel zwischen Inter und Napoli im Mailänder Stadion San Siro einen afrikanischen Verteidiger der Gastmannschaft bei jeder Ballberührung mit Affenlauten bedacht haben, mit einem dumpfen und aus dem Rachen gepressten "U-u-u-u" - ob diese Leute einfach nur Dummköpfe sind oder Rassisten. Ob es womöglich eine, wie auch immer geartete Erklärung dafür geben könnte, dass Fans einen Menschen als Primaten beleidigen. Etwa, um in seiner Psyche zu wühlen, ihn zu provozieren, zu schwächen. Und ob das vielleicht mildernde Umstände wären. Nun, das Brüllen von Affenlauten ist rassistisch. Punkt. Wer einen Menschen wegen der Farbe seiner Haut beleidigt, ist ein Rassist. Punkt. Und dazu ein Vollidiot. In italienischen Stadien kommt es ständig vor, dass afrikanische Fußballer beschimpft werden, jedes Wochenende. Nicht nur in den Kurven, die von rechtsextremen Gruppen unterwandert sind. Doch nur sehr selten wird ein Spiel wegen "diskriminierender Chöre, Schreie und anderer Verlautbarungen" unterbrochen, wie es der Artikel 62 im Reglement des italienischen Verbandes für solche Fälle vorsieht. Für ganz klare Fälle also, wie den im San Siro. Das Spiel hätte zwingend abgebrochen werden müssen: Erstens, weil es so im Regelbuch steht, und zweitens, weil erst das eine erzieherische Wirkung haben könnte. Der Polizeichef von Mailand, der frühere Schiedsrichter Marcello Cardona, sagte, man habe die Risiken abgewägt und sei zum Schluss gelangt, dass es gefährlicher gewesen wäre, die Begegnung zu unterbrechen. Das Klima sei zu aufgeladen gewesen, die Randale in den Straßen vor dem Spiel hätten das gezeigt. Das lässt sich allerdings fast immer sagen: Italien steht scheinbar ohnmächtig vor dem Rassismus in den Stadien. Alle Akteure versagen, die Vereine, der Verband, die Politik. In Italien wurden in den vergangenen Jahren nur zwei Spiele unterbrochen - beide Male bei Auswärtsspielen vom SSC Neapel Ob ein Spiel abgebrochen wird, entscheidet ein Beamter aus dem Innenministerium, der eigens für solche Fragen rund um die Sicherheit ins Stadion abbestellt wird. Schiedsrichter können es nur unterbrechen, für maximal 45 Minuten, und die Spieler während dieser Zeit im Mittelkreis versammeln oder in die Umkleide schicken. Der Stadionsprecher verliest dann einen Text, der die Zuschauer daran erinnert, dass ihrer Mannschaft Konsequenzen drohen, wenn sie weitermachen. In den vergangenen Jahren ist das nur zweimal vorgekommen, beide Male bei Auswärtsspielen des SSC Neapel. Bei Neapel kommt jeweils noch ein weiteres Vergehen dazu, das die Italiener "territoriale Diskriminierung" nennen. Der Hass auf die Stadt im Süden und ihren Verein verbindet Anhängerschaften, die sonst nichts verbindet - ab Rom, nordwärts. Der Chor wünscht den Neapolitanern ein Ende im Feuer des Vesuvs. Claudio Gavilucci, ein Referee aus Latina, leitete im vergangenen Mai die Begegnung Sampdoria Genua gegen Napoli. Gavilucci hörte eine Weile zu, wie die Kurve im Marassi immer wieder den Ausbruch des Vesuvs herbeiwünschte und wie sie den senegalesischen Verteidiger Kalidou Koulibaly beleidigte. Zweimal gab er die Durchsage in Auftrag. Und als auch das nichts brachte, unterbrach er das Spiel, für drei Minuten. Es war seine 50. Partie in der Serie A und zugleich seine letzte. Der Schiedsrichterverband verbannte ihn danach aus der Riege seiner Topleute, angeblich aus "technischen Gründen". Gavilucci hat Berufung eingelegt, das Verfahren läuft. Er pfeift seitdem Jugendspiele, mit der tiefen Überzeugung, der Verband habe ihn für seinen Mut bestraft, dafür, dass er sich mit den Vollidioten angelegt hat. Sie sollten ihn rehabilitieren, sofort.
In italienischen Stadien werden ständig afrikanische Fußballer beschimpft, doch fast nie wird ein Spiel deswegen unterbrochen. Was für ein Versagen aller Beteiligten.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/rassismus-italien-fussball-neapel-1.4268883
Affenlaute und Rassismus in der Serie A
00/12/2018
Das Ende passte zum fußballerischen Herbst des SV Heimstetten. Der Aufsteiger in die Regionalliga war bisweilen ja doch recht schwungvoll unterwegs gewesen, gerade zum Beginn der Saison, doch dann ging einiges schief. Und so war das dann auch mit seinem Sportlichen Leiter Michael Matejka, der vor der letzten Partie des Jahres beim FC Augsburg II ebenfalls schwungvoll unterwegs war in den Katakomben des Rosenaustadions - bis er ausrutschte und sich das Wadenbein brach. In die Winterpause humpelte der 41-Jährige mit einem Gips. Der SV Heimstetten überwintert nun als Tabellenletzter mit 19 Punkten, womit er sich in guter Nachbarschaft mit zwei anderen Teams aus der Region befindet: Auch der Lokalrivale Garching schwebt zum Jahreswechsel in höchster Abstiegsgefahr, ebenso wie der FC Pipinsried. Sie alle haben 19 Punkte. Das Erstaunliche: Während in Pipinsried zumindest die eine Hälfte des Trainerteams ausgewechselt wurde (Marcel Richter folgt auf Manfred Bender, Mittelfeldstratege Fabian Hürzeler zieht dagegen weiter die Fäden), sind die Trainer in Heimstetten und in Garching völlig außerhalb jeder Diskussion. Durchaus bemerkenswert im Ergebnissport Fußball. Andererseits haben sich sowohl Garchings Daniel Weber als auch das junge Heimstettner Trainerteam mit Christoph Schmitt, Lennart Hasenbeck und Memis Ünver in ihren Klubs praktisch unentbehrlich gemacht. Nachgefragt bei Michael Matejka, der zusammen mit seinem Vater, dem Präsidenten Ewald Matejka, in der Vergangenheit nicht immer zimperlich mit Übungsleitern umging. Für sein junges Trio spricht der Sportchef aber eine Jobgarantie ohne Rücktrittsversicherung aus: "Die Trainer sind definitiv nicht umstritten, ich gehe auch mit denen wieder in die Bayernliga", sagt er. Es ist derselbe Michael Matejka, der sich in früheren Krisenjahren von anerkannten Branchengrößen wie Frank Schmöller (2010), Claus Schromm (2011) oder Rainer Elfinger (2014) getrennt hat. Detailansicht öffnen Daniel Weber, Garching. (Foto: Claus Schunk) Für den Fußball-Abteilungsleiter ist die akribische Arbeit Schmitts und seiner Mitstreiter entscheidender als die Punkte. "Was die mit den Jungs auf dem Trainingsplatz machen, finde ich super. Es ist ein System und ein Plan erkennbar, sie sind taktisch und analytisch stark." Dass die Mannschaft es "momentan nicht auf den Platz bringt", liege am fehlenden Selbstvertrauen: "Die Köpfe sind blockiert." In den letzten beiden Heimspielen habe man gesehen, wie viel Charakter im Team stecke: So egalisierte das Team vor der Pause gegen Bayreuth innerhalb weniger Minuten einen 0:3-Rückstand, um dann doch noch "durch ein irreguläres Tor" (Michael Matejka) 3:4 zu verlieren. Beim 3:2 gegen Aschaffenburg lieferte die Schmitt-Elf abermals einen Krimi ab, durch drei Tore von Lukas Riglewski gelang nach 13 sieglosen Partien wieder ein dreifacher Punktgewinn. Das Mitwirken in der Regionalliga sieht man beim Aufsteiger ohnehin als Zuckerl: "Die Liga ist viel stärker als nach der Gründung im Zuge der Reform 2012", sagt Matejka. Damals hatte sich Heimstetten erstmals für die vierthöchste Spielklasse qualifiziert und zweimal den Abstieg vermieden. Zudem sei heute der Aufwand viel größer, sowohl finanziell als auch organisatorisch. "Ein Abstieg wäre nicht schlimm", findet er. Weil man sich in der Bayernliga leichter täte, junge Talente einzubauen, "und weil die Zuschauer immer mosern, wenn du im Abstiegskampf bist. In der Bayernliga würden wir vorne mitspielen und die Leute wären glücklich". Während der Sportverein aus der unteren Klasse nach oben geklettert ist, haben die Garchinger einen kleinen Abstieg hinter sich, immerhin hatten sie die Vorsaison als Vierter der Regionalliga abgeschlossen, "als beste bayerische Amateurmannschaft", wie der VfR-Vorsitzende Uwe Cygan betont - weil Meister Sechzig und der Dritte Schweinfurt unter Profibedingungen trainieren. Trainer Daniel Weber ist auch wegen dieses großartigen Erfolgs unumstritten, noch mehr aber, weil ohne ihn der Aufschwung der Garchinger nicht möglich gewesen wäre. Im zwölften Jahr ist der 45 Jahre alte Weber nun schon Trainer des Teams aus dem nördlichen Landkreis München. Er führte den Klub aus der Bezirksliga nach oben, seit zweieinhalb Jahren ist er ohne Unterbrechung Viertligist. "Diese Entwicklung war nicht abzusehen", sagt Cygan. "Eigentlich ist Garching ein klassischer Landesligist. Der Erfolg hat die Strukturen des Vereins überholt." Was im März beinahe dazu geführt hätte, dass man das Abenteuer Regionalliga freiwillig beendet hätte. "Wenn man feststellt, dass einem 100 000 Euro zur Deckung des Etats fehlen, muss man alles hinterfragen", sagt Cygan. Damals sei man "gedanklich schon in der Kreisklasse" gewesen, habe aber dank neuer Sponsoren "die Kurve gekratzt". Dennoch sei schon damals klar geworden, dass die sportliche Zukunft nicht einfach werden würde. Die Weggänge im Sommer, etwa von Innenverteidiger Semi Belkahia (1860 München) oder Torjäger Manuel Eisgruber (Spielertrainer beim SC Maisach) konnten sie dann nicht kompensieren. Detailansicht öffnen Dominik Schmitt, Heimstetten. (Foto: Claus Schunk) Den Trainer stelle das nicht infrage, sagt der VfR-Präsident: "Auch Pep Guardiola braucht einen treffsicheren Stürmer. Am Coach liegt es nicht, dass wir zu wenig Tore schießen." Man sei "nicht auf Trainersuche", zumal Weber ja auch die Kaderplanung in den Händen habe, er sozusagen Coach und Sportdirektor in einer Person sei. "Da muss man klar sagen: Daniel hat noch nie einem Spieler Zusagen gemacht, zu denen wir im Verein nicht hätten stehen können", sagt Cygan. Aktuell stehen zur Winterpause drei Weggänge fest: Ersatztorhüter Petar Barukcic, 21, zieht nach Hamburg, Matthew Durrans, 20, kehrt zur zweiten Mannschaft des TSV 1860 zurück, und Michael Weicker, 27, wird Spielertrainer der zweiten Mannschaft. In Garching klingen sie ähnlich gelassen wie in Heimstetten: "Wir haben keine Panik und sind froh um jedes Jahr, das wir in der Regionalliga spielen dürfen", sagt Cygan. Bei einem Abstieg gehe die Welt nicht unter. "Außerdem sind wir 2014 schon mal runtergegangen - und dann Bayernligameister geworden."
Drei Regionalligisten aus der Region starten abstiegsgefährdet ins neue Jahr. Ihre Trainer stehen dennoch nicht unter Druck.
muenchen
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/fussball-vertrauen-in-die-unentbehrlichen-1.4268390
Vertrauen in die Unentbehrlichen
00/12/2018
Mit einigem Magengrummeln fliegen die Hypo Tirol Alpenvolleys Haching an diesem Freitag Richtung Düren, zum letzten Bundesligaspiel des Jahres. Das hat nicht etwa mit verdorbenen Weihnachtsgänsen oder einem in die Jahre gekommenen Raclettekäse zu tun, dem Vernehmen nach sind die Volleyballprofis auch in kulinarischer Hinsicht gut durch Heiligabend und die Feiertage gekommen. Es liegt eher am 23. Dezember, jenem Tag, an dem die Alpenvolleys in Frankfurt ihr erstes Ligaspiel in dieser Saison verloren (0:3). Sie sind nun zwar immer noch Tabellenführer, aber der nur zwei Punkte zurückliegende VfB Friedrichshafen lauert in ihrem Windschatten. Und während Friedrichshafen die vermeintlich eher leichte Aufgabe in Königs Wusterhausen zu lösen hat, ist der Tabellenfünfte Düren am Samstag (19 Uhr) eine große Herausforderung für die Alpenvolleys. Zumal sie in Düren Anfang November bereits im Pokal-Achtelfinale mit 0:3 gescheitert sind. "Wir müssen das starke Service und die Angriffe unter Kontrolle bringen und noch einmal alles geben, damit wir auch weiterhin an der Tabellenspitze bleiben", sagt Alpenvolleys-Trainer Stefan Chrtiansky. Düren hat sechs seiner acht Ligaspiele gewonnen und im Chilenen Sebastián Gevert nicht nur den unangefochtenen Topscorer der Liga (160 Punkte) in seinen Reihen, sondern auch die einstigen Nationalspieler Björn Andrej und Tim Broshog. Es kommt also auch auf die Defensivkünste von Alpenvolleys-Libero Florian Ringseis an, dem ein aufregender Jahreswechsel bevorsteht. Seit Mittwoch bereitet er sich mit Österreichs Nationalteam auf die EM-Qualifikation vor, er reist am Freitag von Wien aus direkt nach Düren und muss nach dem Spiel gleich wieder zurück für die Spiele gegen Albanien und Kroatien. Auch Herrschings Volleyballer ruhen nicht, sie reisen für ihr Samstagsspiel zu einem ähnlich schweren Gegner, aber noch weiter in den Norden als die Alpenvolleys - nach Lüneburg. Die Partie gegen den aktuellen Tabellendritten werde ein "schwieriges Spiel, Lüneburg ist für mich schon vor der Saison ein Geheimfavorit gewesen", sagt Herrschings Trainer Max Hauser: "Mit ein bisschen Glück und einem guten Aufschlag haben wir aber schon auch eine Chance."
Die Hachinger Alpenvolleys und der TSV Herrsching stehen zum Jahresende in der ersten Liga vor schweren Auswärtsaufgaben. Die einen müssen nach Düren, die anderen nach Lüneburg reisen.
muenchen
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/volleyball-ab-in-den-hohen-norden-1.4268392
Ab in den hohen Norden
00/12/2018
Er habe da etwas läuten hören. Es war Frühjahr, einer der wohl aufregendsten Tage in seinem Leben war noch einige Monate entfernt, die Saison in der Deutschen Turnliga (DTL) hatte noch gar nicht richtig begonnen. Doch Jakob Paulicks verlor keine Zeit, um seine alten Freunde mit den unerhörten Neuigkeiten zu versorgen: Es gehe das Gerücht um, berichtete er, dass die KTV Obere Lahn, für die er seit 2014 in der ersten Liga turnt, ihre Mannschaft nach der Saison abmelden wolle. Das Gerücht stellte sich bald als wahr heraus. Eigentlich war damals schon irgendwie klar, was das für Paulicks' Zukunft bedeuten dürfte. Er würde zurückkehren, zu den alten Trainingskollegen in Unterhaching, die mit dem Team Exquisa Oberbayern in der zweiten Liga antreten. Die er vor zehn Jahren verlassen hat. Bis seine Rückkehr dann wirklich feststand, kurz vor Weihnachten, verging aber noch eine lange Zeit. Paulicks bekam mehrere Angebote, auch aus der ersten Liga - schließlich hatte er dann ja Anfang Dezember den deutschen Meistertitel geholt mit der KTV Obere Lahn. Doch eigentlich war die Sache für ihn schon lange klar: Er wollte zurück. Als er zum FC Bayern ging, war sein Vater nicht begeistert. Dann kam dort das Aus Paulicks hatte den TSV Unterhaching ja nie wirklich verlassen, er war über all die Jahre für jenen Verein angetreten, bei dem er als Fünfjähriger anfing und dessen Turnabteilung sein Vater Oskar Paulicks leitet. Nur in der Liga turnte er eben nicht mehr für dessen Wettkampfgemeinschaft Exquisa Oberbayern. Anfang dieses Jahres zog er mit seinem Umzug nach Köln dann sogar noch einen weiteren dicken Strich. "Die Jungs in München zurückzulassen, war hart", sagt er. Schon damals, 2008, als er sich zu seinem ersten Wechsel entschlossen hatte, habe sich das angefühlt, "als würde ich jemanden im Stich lassen". Darum, sagt Jakob Paulicks, habe er auch immer im Hinterkopf gehabt, dass er eines Tages wieder zurückkehren wolle. Nun ist es also soweit, zu einem Zeitpunkt, an dem Jakob Paulicks sagen kann: "Ich habe in der DTL fast alles miterlebt, was man erleben kann." Paulicks' erster Schritt weg aus Unterhaching war damals kein großer, zumindest nicht geografisch. Mit 15 hatte er seinen ersten Wettkampf für Exquisa Oberbayern gemacht, mit 18, nach dem Aufstieg in die zweite Liga, gab er dem Werben des benachbarten FC Bayern nach. Sein Vater, klar, der war nicht begeistert, zumal auch noch sein gerade 15-jähriger Trainingskollege Lukas Dauser mitging. Aber sie hätten eben in die erste Liga gewollt, sagt Jakob Paulicks, er empfinde den Schritt bis heute als logisch. Nach einigen schlaflosen Nächten habe er sich durchgesetzt. "Die waren ja noch so jung", erinnert sich sein Vater heute. "Und wir haben mit Exquisa dann natürlich Probleme bekommen. Uns hat das letztlich die Liga gekostet." Detailansicht öffnen Am Reck dürfte Jakob Paulicks in der zweiten Liga künftig einer der Besten sein. Mit ihm will Exquisa Oberbayern den Aufstieg probieren. (Foto: Bernd König/imago) Der FC Bayern war damals gerade abgestiegen, mit den beiden Talenten ging es gleich wieder nach oben. Im ersten Zweitligawettkampf für die Bayern allerdings, da trafen Paulicks und Dauser ausgerechnet auf ihren alten Verein. "Besser hätte man sich das nicht ausdenken können", sagt Jakob Paulicks, "es ging gleich zur Sache. Das war natürlich nicht leicht für mich." 2012 ging es erneut runter mit den Bayern, 2013 wieder hinauf. Und dann kam diese Jahresabschlussfeier, die Jakob Paulicks sicher nie vergessen wird, mitten in der größten Euphorie, zwei Tage nachdem sie den Wiederaufstieg klargemacht hatten. Statt der erwarteten Lobeshymne, vielleicht eines Ausblicks auf neues Personal, verkündete der langjährige Abteilungsleiter Ulrich Hager völlig unerwartet, dass der Hauptverein die ganze Abteilung dichtmachen werde. Alle standen unter Schock, schwiegen. Irgendwann begannen sie krampfhaft nach Auswegen zu suchen, nach Ideen, wie man den Verein umstimmen könne. "Es war ein Debakel für alle Beteiligten", erinnert sich Paulicks, der damalige Mannschaftsführer. Kurz darauf fing er dann bei der KTV Obere Lahn an. Dieser unfreiwillige zweite Wechsel war der geografisch größere Schritt. Knappe 600 Kilometer fuhr er fortan vom Münchner Süden aus, wo er weiterhin trainierte, zu den Heimwettkämpfen in Biedenkopf bei Marburg, nördliches Mittelhessen. Trotzdem, sagt er, habe es für ihn "keine andere Adresse" gegeben. "Es geht auch ums Mannschaftsgefüge", erklärt er, "um Jungs, mit denen man Spaß hat, die nicht alles nur bierernst sehen." Eigentlich sehr ähnliche Gründe wie die, die ihn nun zurück nach Unterhaching führen. Damals habe alles für das Team um Fabian Hambüchen gesprochen, mit dem er gleich im ersten Jahr den dritten Platz erreichte. Ab und zu sind seine Eltern zu den Wettkämpfen gekommen. "Die Stimmung, die wir in Biedenkopf erlebt haben, war phänomenal", erzählt Oskar Paulicks, "jedes Mal ausverkauft mit 1400 Zuschauern." Künftig werden es Jakob Paulicks' Eltern nicht mehr weit haben zu den Heimwettkämpfen - der Sohn allerdings schon. Sein Studium (Umweltingenieurwesen) ist fertig, er ist nach Köln gezogen, arbeitet dort im Bereich Ladenbau - für eine Firma, die Sushi-Shops baut. Zu "Leberkas und Weißbier", das ihm der Exquisa-Vorsitzende und Teamkapitän Michael Bastier in Aussicht gestellt hat, wird er künftig also von Sushi und Kölsch aus pendeln. Das neue Saisonziel hat Bastier, den Paulicks schon kennt, seit er fünf ist, bereits ausgegeben: Zweitliga-Meister wollen sie werden nach Rang drei in diesem Jahr; und wenn es möglich ist, dann auch in die erste Liga aufsteigen. Am Kader wird sich ansonsten nichts ändern, sagt Bastier, außer dass sie vielleicht noch ein, zwei weitere junge Talente einbauen. Paulicks werde sicherlich "der beste Deutsche" sein an den Geräten, die er für die Hachinger turnt, an Barren und Reck und vielleicht noch ein oder zwei mehr. "Mal sehen, wie er mit dem Training klarkommt." Alles rausgehauen: Mit ihrem ersten Meistertitel verlässt die KTV Obere Lahn die Liga Paulicks trainiert nun in Köln, sein Pensum, sagt er, sei seit dem Eintritt ins Berufsleben gar nicht so stark gesunken. Zumindest sei das nun nicht der Grund gewesen, Angebote aus der ersten Liga auszuschlagen. Sondern das Verlangen danach, wieder zu den alten Freunden zurückzukehren, die er seit Kindertagen kennt. Einige der Jüngeren wie Fabian Dauth oder Jonas Olbrich habe er selbst trainiert. Der verlorene Sohn kehrt zurück - das ist eine andere Weihnachtsgeschichte als damals im Dezember 2013 die beim FC Bayern. Detailansicht öffnen Zwei Weggefährten im Freudentaumel: Auch Lukas Dauser (vorne) tritt außerhalb des Ligabetriebs bis heute für den TSV Unterhaching an. Anfang Dezember wurde er zum zweiten Mal deutscher Mannschaftsmeister. Für die KTV Obere Lahn und Jakob Paulicks (Mitte) war es dagegen der erste Titel. (Foto: Michael Ruffler/imago) Und Jakob Paulicks hat nun einiges zu erzählen, vor allem von diesem wahnsinnigen Finale mit der KTV Obere Lahn. "Wir wussten ja schon lange, dass es zu Ende geht", erzählt er. Der Verein hatte sich früh dazu bekannt, sich künftig auf die bisherige zweite Mannschaft zu konzentrieren, in der noch heimische Talente turnen und die nun in die zweite Liga aufgestiegen ist. Quasi die KTV Untere Lahn. "Die Frage war nur: Lässt man sich hängen oder versucht man noch mal alles rauszuhauen?" Sie haben alles rausgehauen, Paulicks, Dauser und die anderen. Hambüchen war nur noch als Betreuer dabei. Im Finale gegen die KTV Straubenhardt mit dem Unterhachinger Marcel Nguyen galten sie eher als Außenseiter und lagen nach zwei Stürzen am Boden gleich mal deutlich mit 1:7 zurück. Vor dem letzten Gerät, dem Reck, stand es dann unentschieden. Paulicks begann gegen Brian Gladow, seinen ehemaligen Kollegen vom FC Bayern - ebenfalls unentschieden. Erst die allerletzte Übung sollte über den Titel entscheiden - den ersten für die KTV Obere Lahn; den ersten für Jakob Paulicks. "Es war ein Wahnsinnsgefühl", schwärmt er. "Das Größte, was man im deutschen Mannschaftsturnen erreichen kann", betont sein Vater, der in der Halle mitjubelte. Zweimal Gold also, dazu gab es Silber für Nguyen und Bronze für Felix Remuta, die anderen Hachinger, die in der ersten Liga turnen. Dauser hat sich nun der TG Saar angeschlossen. Nicht ausgeschlossen, dass auch von diesen dreien irgendwann jemand zu seinem Heimatteam zurückkehren will. "Natürlich redet man immer mal drüber", sagt Paulicks, "aber konkret tut sich da nichts." Vielleicht ja nach einem Aufstieg in die erste Liga. Den, sagt Jakob Paulicks, würde er seinen neuen Kameraden wünschen, dieser jungen Riege "mit viel Potenzial". Er weiß noch, wie aufgeregt er selbst bei seinem Erstliga-Debüt war: "Die Atmosphäre ist völlig anders, es geht gegen die Topstars. Da musst du schon schauen, dass du deinen Körper fest kriegst, dass du nicht einbrichst im Stütz oder mit schlackernden Knien am Boden turnst." Damals beim FC Bayern, da hätten all die Routiniers ihn und Dauser prima unterstützt. Eine wichtige Aufgabe, die künftig in Unterhaching wohl auf ihn selbst zukommen wird.
Vor zehn Jahren verließ Jakob Paulicks die Unterhachinger Turner, um die erste Liga zu erobern. Nun kehrt er als deutscher Meister in die zweite Liga zurück.
muenchen
https://www.sueddeutsche.de/muenchen/sport/turnen-heimkehr-des-verlorenen-sohns-1.4268388
Heimkehr des verlorenen Sohns
00/12/2018
Nach zwei Sätzen hatte das Publikum im Alexandra Palace genug gesehen. Auf der Bühne feierte sich Michael van Gerwen für seine Würfe und stellte die eigene Unverwundbarkeit zur Schau, indem er wiedermal die Fäuste zu seiner bekannten Jubelpose von sich streckte und den Mund aufriss, als müsste er seinen Gegner zusätzlich einschüchtern. Dabei hatte Adrian Lewis im Achtelfinale der beiden Doppelweltmeister bis dahin sowieso keine Chance. Für den 29 Jahre alten van Gerwen, der als Weltranglistenerster die Dartsszene seit knapp fünf Jahren ununterbrochen dominiert, geht es stets nur ums Gewinnen, bei den jeweiligen Weltmeisterschaften zum Jahreswechsel noch viel mehr. Mit seinem dritten Erfolg nach 2014 und 2017 könnte sich van Gerwen bei der WM aus dem Gros der bisherigen Titelträger abheben und sich auf den geteilten vierten Platz der Bestenliste vorarbeiten. Vor ihm würden sich dann bloß noch der im Vorjahr zurückgetretene Rekordchampion Phil Taylor (16 Titel) befinden, der im April verstorbene englische Altmeister Eric Bristow sowie sein niederländischer Landsmann Raymond van Barneveld (beide fünf Titel). Das Streben nach ewigem Ruhm widerspricht allerdings der hinlänglichen Vorstellung der feierwütigen Masse, die dem Dartswerfen vorwiegend beiwohnt, um unterhalten zu werden. Für jeden sichtbar fand van Gerwen an der Auseinandersetzung mit Lewis, das als Main Event des Donnerstagabends tituliert wurde, seinen Gefallen - nur halt die Leute nicht. Wie in jedem anderen Sport ist es nicht unbedingt von Vorteil, das Publikum gegen sich zu haben. Beim Darts ist dieser Umstand jedoch besonders unangenehm, weil die Spieler das Publikum im Rücken bei ihren Würfen nicht sehen können. Mit Buhrufen für van Gerwen und Unterstützung für Lewis half das Partyvolk im Ally Pally beim Außenseiter nach. Auf diese Weise verlor van Gerwen im vergangenen Halbfinale schon einmal die Kontrolle über seine Pfeile: Bei der Niederlage gegen den späteren Titelgewinner Rob Cross, der am Freitag sein Achtelfinale gegen Luke Humphries bestreitet, vergab er mehrere Matchdarts. Zum Eklat kam es nun bei seinem Auftaktsieg über Alan Tabern, als ihn ein Zuschauer mit Bier überschüttete. Nach einem Kleidungswechsel kehrte van Gerwen in Tränen zurück, bewahrte jedoch auf der Bühne die Contenance - genau wie im Duell mit Lewis. Obwohl die Stimmung gegen van Gerwen kurz den Spielverlauf kippen ließ, zog er zum Sieg davon, als Lewis zum Satzausgleich hätte kommen können. Durch das ungefährdete 4:1 über Lewis nach dem zuvor ungefährdeten 4:1 über den besten deutschen Max Hopp ist Michael van Gerwen im Viertelfinale des Turniers angelangt. Mit 108,08 Punkten pro Anwurf gelang ihm am zwölften Turniertag der höchste Mittelwert dieser WM, in jedem seiner drei Einsätze schaffte er einen Schnitt über 100 Zähler. "Jeder konnte sehen, dass meine Form da ist und ich habe abgeliefert, wenn ich musste", sagte van Gerwen. Seine Antworten in Medienrunden kommen ihm ähnlich schnell von den Lippen wie die Pfeile von der Hand. In Echtzeit sieht es aus, als würde van Gerwen seine Darts mehr in die Scheibe nageln als werfen. Aufgrund seines grellgrünen Shirts nennen ihn seine Fans deswegen oft: The Green Machine. Selten lässt van Gerwen, der in dieser Saison 19 Titel gewann, eine Gelegenheit aus, seine Selbstüberzeugung zu demonstrieren. Die erlittenen Pleiten bei der WM sorgen bei ihm jedoch diesmal für eine ungewohnte Vorsicht: "Manchmal denkt man, dass man besser ist als alle anderen. Ich habe gelernt, das nicht zu tun. Mein Plan ist Runde für Runde zu nehmen." Als nächstes wartet auf van Gerwen der Sieger des englischen Duells zwischen dem an neun gesetzten James Wade und Ryan Joyce. Im Halbfinale könnte es dann am 30. Dezember zum Treffen mit dem zweimaligen schottischen Weltmeister Gary Anderson kommen, der sich in der bisher besten Partie mit 4:3 gegen Chris Dobey behauptete. In 33 Teilabschnitten versenkten Anderson und Dobey zusammen ihre drei Pfeile jeweils 28 Mal im Feld der Triple-20 zum Höchstwert 180 - was die Zuschauer im Ally Pally wiederum auf 180 brachte. Die Atmosphäre hängt maßgeblich an den Wurfkünsten der Spieler ab, es sei denn ein Profi versteht es neben der Aufmerksamkeit fürs Spiel mit der Menge zu interagieren. Am liebsten haben es die Leute, wenn die Würfe nicht nach Arbeit aussehen, sondern einem locker von der Hand gehen, als wäre nichts weiter dabei. Der Abschied des prägenden Taylor, der genau wusste, wie er sich geben muss, und das frühe Ausscheiden des Fanlieblings van Barneveld bewirken, dass das Klassement ausgedünnt ist mit Galionsfiguren. Das Rekordpreisgeld in Höhe von 2,5 Millionen Pfund und das auf 96 Akteure aufgeblähte Teilnehmerfeld, darunter erstmals zwei Frauen, locken immer mehr Spielerinnen und Spieler an, die frühzeitig auf eine Profikarriere hintrainieren - dabei zieht Darts seine Attraktion aus der Fantasie, jeder Tellerwäscher könne im Ally Pally zum Millionär werden. Noch profitiert die 26. WM-Auflage ausrichtende Professional Darts Corporation (PDC) vom Ruf, den sich das Turnier über die vergangenen Jahre erarbeitet hat. Die Fans dürfen weiterhin kostümiert auf den Dartspartys im wahrsten Sinn die Sau rauslassen, ohne deswegen ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Um diesen Status im Bewusstsein der Zuschauer zu erhalten, benötigt der Verband aber neue Unterhaltungskünstler. Sonst könnten die Leute bald genug Darts gesehen haben.
Spieler wie Titel-Favorit Michael van Gerwen betreiben Darts als Präzisionssport. Doch die Fans im Ally Pally wollen keine Profis sehen - sondern Unterhaltungskünstler.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/darts-wm-van-gerwen-ally-pally-1.4268629
Darts-WM: Zu perfekt fürs Partyvolk
00/12/2018
Favorit 1: Ryoyu Kobayashi Dieser Ablauf hat sich eingeprägt: Ryoyu Kobayashi sitzt als Letzter auf dem Startbalken, justiert die Brille, fährt an, hebt ab und fliegt über die Schanze, bis die grüne Linie der Bestweite unter ihm auftaucht. Nun warten alle darauf, dass der Japaner mal etwas Schwäche zeigt, doch sogleich folgt der Moment, in dem klar wird, dass daraus wieder nichts wird: Denn Kobayashi ist schon drüber über der grünen Linie, sogar noch ein paar Meter weiter, und gewinnt. 22 Jahre ist er alt und sehr begabt, und momentan ist sein besonders weiter Flug bis in den weißen Bereich des Auslaufs das Bild der Saison. Vier Mal ist es ihm gelungen, als Bester des ersten Durchgangs und somit letzter Starter im zweiten alle anderen zu distanzieren. Zwei Mal erreichte er noch das Podest, nur neulich in Engelberg hatte er einen schlechten Tag, kam aber auch noch auf Platz sieben. Das alles deutet darauf hin, dass Kobayashi die 67. Vierschanzentournee gewinnen wird, womöglich mit großem Abstand. Im Gesamtweltcup hat er ja auch schon 556 Punkte, der Nächstbeste 111 weniger. Im vergangenen Winter war der jüngere Bruder von Junshiro Kobayashi, 27, noch nicht sonderlich aufgefallen, Platz 24 der Saisonwertung liegt in der Grauzone. Diejenigen aber, die Woche für Woche auf den Trainergerüsten des Weltcups stehen und einen Sprung nach dem anderen vor Augen haben, die erkannten Kobayashis Entwicklung schon früher. Auszusetzen gab es an seinen Vorführungen aus technischer Sicht nichts, "er macht automatisch viele Dinge richtig", sagt Stefan Horngacher, der Coach der Polen. Der Rest der Weltcup-Springer hat allerdings noch Grund zur Hoffnung. Denn der Drüberflieger aus der Provinz Iwate mag viele Dinge richtig machen, aber nicht alle. Seine Haltung in der Luft ist manchmal unsicher, und um zum Beispiel auf Rückenwind zu reagieren, fehlt ihm noch die Erfahrung. Die Tournee 2019 hat außerdem vier unterschiedliche und teils unangenehme Schanzen, für eine Umstellung ist kaum Zeit. Denn in diesem Jahr ist das Programm sehr straff, zwischen den acht Sprungtagen liegt am kommenden Mittwoch nur ein Ruhetag.
Ein junger Japaner, ein unbekannter Pole, ein sehr bekannter Pole und ein ruhiger Deutscher: Diese vier Springer stehen vor dem Wettkampf in Oberstdorf im Fokus.
sport
https://www.sueddeutsche.de/sport/vierschanzentournee-favoriten-oberstdorf-skispringen-1.4268073
Die vier Favoriten der Vierschanzentournee
00/12/2018