Search is not available for this dataset
text
stringlengths
1
60.8k
Wie kommt dieser Zusammenhang zustande?
Wir wissen, dass die Wahrheit von A die Wahrheit von B nach sich zieht, denn A ist ja hinreichende Bedingung für B.
Somit ist es einfach nicht möglich, dass A eintritt, ohne dass B damit ebenfalls eintreten würde: B ist also gezwungenermaßen der Fall, wenn A der Fall ist.
B ist „notwendig“ für A.
Dieser Zusammenhang ist in Wahrheit also ziemlich einfach; Hauptgrund dafür, dass er anfangs oft als kontraintuitiv empfunden wird, ist wahrscheinlich die Schwierigkeit, zwischen den vielen Bedeutungen des umgangssprachlichen „wenn … dann“ einerseits und der rein formalen hinreichenden und notwendigen Bedingung andererseits strikt zu trennen.
Mit dem umgangssprachlichen „wenn … dann“ möchte man fast immer einen inhaltlichen (kausalen oder auch temporalen) Zusammenhang zwischen Antecedens und Konsequens ausdrücken: „Regen verursacht Straßennässe“, „Zuerst fällt der Regen, erst nachher wird die Straße nass“.
Wenn man die hinreichende Bedingung in diesem Sinn missversteht, dann ist es klar, dass die in umgekehrter Reihenfolge formulierte notwendige Bedingung „Nur wenn die Straße nass ist, regnet es“ seltsam aussieht: „Regen verursacht doch Straßennässe.
Wie kann daraus je gefolgert werden, dass Straßennässe Regen verursacht?“ All dies sagt die materiale Implikation aber nicht aus.
„A ist eine hinreichende Bedingung für B“ meint schlicht, dass wenn die Aussage A wahr ist, auch die Aussage B wahr ist – zeitlos und zusammenhanglos, nicht etwa „später“ oder „weil“.
Analog sagt die notwendige Bedingung, „B ist eine notwendige Bedingung für A“, lediglich das aus, dass B wahr ist, sofern A es ist.
Genau das ist aber die Definition des Konditionals A → B.
Formaler Zugang.
Einleitung.
Spätestens beim "lauten" Lesen von Sätzen wie wird der selbstbewusste Laie verlangen, dass ihm erklärt wird, was das soll.
Die Antwort des Logikers: Es soll versucht werden, Sicherheit in die Regeln des logischen Schließens zu bringen.
Seit den Sophisten ist dem Abendland klar, dass scheinbar zwingende Schlüsse zu offensichtlich absurden Ergebnissen führen können.
Immer wieder wurden Paradoxien formuliert und von großen Denkern als Herausforderung empfunden.
Logiker versuchen deshalb, die Regeln des Argumentierens so streng wie möglich zu fassen.
Das einleitende Beispiel macht klar, dass dazu eine "Trennung der Sprachebenen" unerlässlich ist: Die formale Aussage A∧B soll dadurch erklärt werden, dass auf einer metasprachlichen Ebene sowohl über die Aussage A als auch über die Aussage B geredet wird.
"Ein" Versuch, dies durchzuführen, besteht darin, die Aussagenlogik als formales System, konkret als Kalkül (eine bestimmte Art eines formalen Systems) zu definieren.
Die Begriffe „wahr“ und „falsch“ kommen in diesem System zunächst überhaupt nicht vor.
Stattdessen werden Axiome gesetzt, die einfach als Zeichenketten angesehen werden, aus denen weitere ableitbare Zeichenketten aufgrund von bestimmten Schlussregeln hergeleitet werden.
Das Ziel dabei ist einerseits, dass in einem formalen System nur Zeichenketten (Sätze) hergeleitet werden können, die bei einer plausiblen Interpretation auch wahr sind.
Andererseits sollen alle Sätze, die als „wahr“ interpretierbar sind, auch hergeleitet werden können.
Das erste ist die Forderung nach "Korrektheit", das zweite die nach "Vollständigkeit" des formalen Systems; beide Eigenschaften sind unter Kalkül: Der Begriff Kalkül in der Logik beschrieben.
Für die klassische Aussagenlogik, mit der wir es hier zu tun haben, gibt es Kalküle (formale Systeme), die sowohl korrekt als auch vollständig sind.
Für gewisse komplexere logische Systeme (z. B.
Mengenlehre) ist es aber "unmöglich", einen vollständigen Kalkül aufzustellen, der auch korrekt ist; diese Erkenntnis wurde 1931 von Kurt Gödel bewiesen (Gödelscher Unvollständigkeitssatz).
Syntax.
Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, die Syntax („Grammatik“) einer logischen Sprache formal zu definieren; meist geschieht das im Rahmen eines Kalküls.
Die folgende Definition ist daher nur als Beispiel dafür zu verstehen, wie ein Kalkül für die klassische Aussagenlogik aussehen kann.
Weitere Beispiele für konkrete Kalküle finden sich unter Baumkalkül, Begriffsschrift, Systeme natürlichen Schließens, Sequenzenkalkül oder Resolutionskalkül.
Ein weiterer axiomatischer Kalkül ist als Beispiel im Artikel Hilbert-Kalkül angegeben, ein graphischer Kalkül im Artikel Existential Graphs.
Bausteine der aussagenlogischen Sprache.
Als "Bausteine" der aussagenlogischen Sprache sollen "Satzbuchstaben" („atomare Formeln“, Satzkonstanten), "Junktoren" und "Gliederungszeichen" verwendet werden.
Satzbuchstaben sollen die Zeichen P0, P1, P2, … sein.
Junktoren sollen die Zeichen ¬, ∧, ∨, → und ↔ sein.
Als Gliederungszeichen sollen die runden Klammern dienen.
Formal lässt sich das z. B.
auf folgende Weise ausdrücken: Sei V die (abzählbar unendliche) Menge der "atomaren Formeln" (Satzbuchstaben): Sei J die Menge der Junktoren und Gliederungszeichen: Das "Alphabet" der logischen Sprache sei die Menge V ∪ J, also die Vereinigungsmenge von atomaren Formeln, Junktoren und Gliederungszeichen.
Formationsregeln.
Die "Formationsregeln" legen fest, wie man aus den Bausteinen der aussagenlogischen Sprache Sätze (Formeln) bilden kann.
Hier sollen "aussagenlogische Formeln" als Worte über dem Alphabet der logischen Sprache, also über V ∪ J wie folgt induktiv definiert werden: Schlussregeln.
"Schlussregeln" sind allgemein Transformationsregeln (Umformungsregeln), die auf bestehende Formeln angewandt werden und aus ihnen neue Formeln erzeugen.
Wenn man einen Kalkül für ein logisches System aufstellt, dann wählt man die Transformationsregeln so, dass sie aus bestehenden Formeln solche Formeln erzeugen, die aus den Ausgangsformeln semantisch "folgen" – deshalb die Bezeichnung „Schlussregel“ ("eine Schlussfolgerung ziehen").
Innerhalb der Syntax sind die Schlussregeln allerdings rein formale Transformationsregeln, denen für sich keinerlei inhaltliche Bedeutung zukommt.
An konkreten Schlussregeln sollen hier nur zwei angegeben werden: der Modus ponendo ponens und die Substitutionsregel.
Axiome.
"Axiome" sind ausgezeichnete (im Sinn von: hervorgehobene) Formeln der aussagenlogischen Sprache.
Die Auszeichnung besteht darin, dass sie innerhalb eines Beweises oder einer Herleitung (siehe unten) ohne weitere Rechtfertigung verwendet werden.
Pragmatisch wählt man solche Formeln als Axiome, die semantisch gesehen Tautologien sind, also immer zutreffen, und die dabei helfen, Beweise zu verkürzen.
Innerhalb der Syntax sind die Axiome allerdings rein formale Objekte, denen keinerlei inhaltliche Bedeutung oder Rechtfertigung zukommt.
Axiome sind im Allgemeinen optional, d. h., ein Kalkül kann auch ganz ohne Axiome auskommen, wenn er ausreichend viele bzw. mächtige Schlussregeln hat.
Axiomfreie Kalküle sind zum Beispiel die Systeme natürlichen Schließens oder Baumkalküle.
Hier soll exemplarisch ein axiomatischer Kalkül gezeigt werden, und zwar Russells Aussagenkalkül aus seiner Typentheorie 1908, den er 1910 in die Principia Mathematica übernahm.
Dieser Kalkül umfasst die folgenden Axiome (von denen das vierte redundant, d. h. nicht unbedingt erforderlich ist, weil aus den anderen Axiomen herleitbar): Um aus diesen Axiomen auch solche gültigen Sätze herleiten zu können, die andere als die in den Axiomen vorkommende Junktoren enthalten, werden diese durch folgende Festlegung auf die vorhandenen Junktoren zurückgeführt: Alternativ zu – wie hier – konkreten Axiomen kann man auch "Axiomenschemata" angeben, in welchem Fall man auch ohne Substitutionsregel auskommt.
Interpretiert man die obigen Axiome als Axiomenschemata, dann stünde z. B.
das erste Axiomenschema, formula_90, für unendlich viele Axiome, nämlich alle Ersetzungsinstanzen dieses Schemas.
Herleitung und Beweis.
Eine Herleitung ist eine Liste von aufsteigend nummerierten Sätzen, die mit einer oder mehreren Annahmen (den Prämissen der Herleitung) oder Axiomen beginnt.
Alle auf diese folgenden Sätze sind entweder ebenfalls Axiome (bei manchen Kalkülen sind auch weitere Annahmen zulässig) oder sind aus einer oder mehreren der vorangehenden Zeilen durch Anwendung von Schlussregeln entstanden.
Der letzte Satz in der Liste ist die Konklusion der Herleitung.
Eine Herleitung ohne Prämissen heißt "Beweis".
Oft werden aber die Wörter „Herleitung“ und „Beweis“ synonym gebraucht.
Wenn es gelingt, aus einer Menge von Annahmen (Prämissen) Δ eine Konklusion P herzuleiten, dann schreibt man auch formula_98.
Gelingt es, einen Satz P ohne die Verwendung von Annahmen herzuleiten (zu beweisen), dann schreibt man auch: formula_99.
In diesem Fall wird P "Theorem" genannt.
Das Zeichen formula_100 geht auf die Begriffsschrift zurück, jenes Werk, in dem Gottlob Frege 1879 die erste Formalisierung der Prädikatenlogik angegeben hat.
In der klassischen Aussagenlogik wählt man die Schlussregeln so, dass sich mit ihrer Hilfe "alle" gültigen Argumente (und "nur" gültige Argumente) herleiten lassen; die Frage der Gültigkeit wird im folgenden Abschnitt, „Semantik“, behandelt.
Semantik.
Außerhalb der Logik bezeichnet Semantik ein Forschungsgebiet, das sich mit der Bedeutung von Sprache und deren Teilen befasst.
Oft wird auch das Wort "Semantik" gleichbedeutend mit dem Wort "Bedeutung" verwendet.
Auch innerhalb der Logik geht es bei Semantik um Bedeutung: Darum nämlich, den Ausdrücken einer formalen Sprache – zum Beispiel der hier behandelten Sprache der Aussagenlogik – eine Bedeutung zuzuordnen.
In der Logik wird auch das meist sehr formal unternommen.
Im Zentrum der (formalen) Semantik steht eine Auswertungsfunktion (andere Bezeichnungen lauten Bewertungsfunktion, Denotationsfunktion, Wahrheitswertefunktion), die den Formeln der logischen Sprache eine Bedeutung zuordnet.
Formal gesprochen ist die Auswertungsfunktion eine Abbildung von der Menge der Formeln der Sprache in die Menge der Wahrheitswerte.
Oft wird die Auswertungsfunktion mit dem Großbuchstaben V bezeichnet.
In der klassischen Aussagenlogik ist die Auswertungsfunktion sehr einfach: Das Prinzip der Zweiwertigkeit fordert, dass sie für jede zu bewertende Formel genau einen von genau zwei Wahrheitswerten liefern muss; und das Prinzip der Extensionalität fordert, dass die Bewertungsfunktion beim Bewerten eines komplexen Satzes nur die Bewertung von dessen Teilsätzen berücksichtigen muss.
Jedem Atom, also jedem Satzbuchstaben (Atom) wird durch Festsetzung ein Wahrheitswert zugeordnet.
Man sagt: Die Atome werden interpretiert.
Es wird also z. B.
festgelegt, dass P0 wahr ist, dass P1 falsch ist und dass P2 ebenfalls falsch ist.
Damit ist der Bewertung der Bausteine der logischen Sprache Genüge getan.
Formal ist eine solche Bewertung – "Interpretation" genannt und oft mit dem Kleinbuchstaben v bezeichnet – eine Funktion im mathematischen Sinn, d. h. eine Abbildung von der Menge der Atome in die Menge der Wahrheitswerte.
Wenn die Auswertungsfunktion V auf ein Atom angewandt wird, d. h. wenn sie ein Atom bewerten soll, liefert sie die Interpretation dieses Atoms im Sinn des obigen Absatzes.
Mit anderen Worten, sie liefert den Wert, den die Bewertung v dem Atom zuordnet.
Um die zusammengesetzten Formeln bewerten zu können, muss für jeden Junktor definiert werden, welchen Wahrheitswert die Bewertungsfunktion für die unterschiedlichen Wahrheitswertkombinationen liefert, den seine Argumente annehmen können.
In der klassischen Aussagenlogik geschieht das meist mittels Wahrheitstabellen, weil es nur überschaubar wenige Möglichkeiten gibt.
Der einstellige Junktor ¬, die Negation, ist in der klassischen Aussagenlogik so definiert, dass er den Wahrheitswert seines Arguments ins Gegenteil umkehrt, also „verneint“: Ist die Bewertung einer Formel X wahr, dann liefert die Bewertungsfunktion für ¬X falsch; wird aber X falsch bewertet, dann liefert die Bewertungsfunktion für ¬X wahr.
Die Wahrheitstabelle sieht folgendermaßen aus: Die Wahrheitswertverläufe der verwendeten zweistelligen Konnektive sind in der klassischen Aussagenlogik wie folgt definiert: Allgemein gibt es für die klassische Aussagenlogik vier einstellige und sechzehn zweistellige Junktoren.
Die hier behandelte logische Sprache beschränkt sich nur deshalb auf die Junktoren ¬, ∧, ∨, → und ↔, weil diese am gebräuchlichsten sind und weil sie auch inhaltlich noch am ehesten aus der Alltagssprache bekannt sind.
Aus formaler Sicht ist die einzige Bedingung, die man bei der Wahl von Junktoren erfüllen möchte, die, dass sich mit den gewählten Junktoren auch alle anderen theoretisch möglichen Junktoren ausdrücken lassen; man sagt: Dass die Menge der gewählten Junktoren funktional vollständig ist.
Diese Anforderung ist bei der hier getroffenen Wahl erfüllt.
Näheres zur Frage, wie viele und welche Junktoren es gibt und wie viele Junktoren man benötigt, um funktionale Vollständigkeit zu erreichen, ist im Kapitel Junktor beschrieben.
Semantische Gültigkeit, Tautologien.
"Semantische Gültigkeit" ist eine Eigenschaft von Formeln oder von Argumenten.
(Ein Argument ist die Behauptung, dass aus einigen Aussagen – den Prämissen – eine bestimmte Aussage – die Konklusion – folgt.)
Eine "Formel" der aussagenlogischen Sprache heißt genau dann semantisch gültig, wenn die Formel unter allen Interpretationen – d. h. unter allen Zuordnungen von Wahrheitswerten zu den in ihr vorkommenden Atomen – wahr ist; wenn sie sozusagen allgemeingültig ist; mit anderen Worten: Wenn die Wahrheitstabelle für diese Aussage in jeder Zeile das Ergebnis "wahr" zeigt.
Man nennt semantisch gültige Formeln auch Tautologien und schreibt, wenn formula_101 eine Tautologie ist, formal wie folgt: Ein "Argument" heißt genau dann semantisch gültig, wenn unter der Voraussetzung, dass alle Prämissen wahr sind, auch die Konklusion wahr ist.
In der Formulierung von Gottfried Wilhelm Leibniz: "Aus Wahrem folgt nur Wahres."