{"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":0,"orig":"Die Luſt zum Wiſſen wird bey dem Menſchen zuerſt dadurch angeregt, daß er bedeutende Phaͤnomene gewahr wird, die ſeine Aufmerkſamkeit an ſich ziehen.","norm":"Die Lust zum Wissen wird bei dem Menschen zuerst dadurch angeregt, dass er bedeutende Phänomene gewahr wird, die seine Aufmerksamkeit an sich ziehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1,"orig":"Damit nun dieſe dauernd bleibe, ſo muß ſich eine innigere Theilnahme finden, die uns nach und nach mit den Gegenſtaͤnden bekanntet macht.","norm":"Damit nun diese dauernd bleibe, so muss sich eine innigere Teilnahme finden, die uns nach und nach mit den Gegenständen bekannter macht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2,"orig":"Alsdann bemerken wir erſt eine große Mannigfaltigkeit, die uns als Menge entgegendringt.","norm":"Alsdann bemerken wir erst eine große Mannigfaltigkeit, die uns als Menge entgegendringt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":3,"orig":"Wir ſind genoͤthigt, zu ſondern, zu unterſcheiden und wieder zuſammenzuſtellen; wodurch zuletzt eine Ordnung entſteht, die ſich mit mehr oder weniger Zufriedenheit uͤberſehen laͤßt.","norm":"Wir sind genötigt, zu sondern, zu unterscheiden und wieder zusammenzustellen; wodurch zuletzt eine Ordnung entsteht, die sich mit mehr oder weniger Zufriedenheit übersehen lässt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":4,"orig":"Dieſes in irgend einem Fache nur einigermaßen zu leiſten, wird eine anhaltende ſtrenge Beſchaͤſtigung noͤthig.","norm":"Dieses in irgendeinem Fache nur einigermaßen zu leisten, wird eine anhaltende strenge Beschäftigung nötig."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":5,"orig":"Deswegen finden wir, daß die Menſchen lieber durch eine allgemeine theoretiſche Anſicht, durch irgend eine Erklaͤrungsart die Phaͤnomene bey Seite bringen, anſtatt ſich die Muͤhe zu geben, das Einzelne kennen zu lernen und ein Ganzes zu erbauen.","norm":"Deswegen finden wir, dass die Menschen lieber durch eine allgemeine theoretische Ansicht, durch irgendeine Erklärungsart die Phänomene beiseite bringen, anstatt sich die Mühe zu geben, das Einzelne kennenzulernen und ein Ganzes zu erbauen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":6,"orig":"Der Verſuch, die Farbenerſcheinungen auf- und zuſammenzuſtellen iſt nur zweymal gemacht worden, das erſtemal von Theophraſt, ſodann von Boyle.","norm":"Der Versuch, die Farbenerscheinungen auf- und zusammenzustellen ist nur zweimal gemacht worden, das erste Mal von Theophrast, sodann von Boyle."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":7,"orig":"Dem gegenwaͤrtigen wird man die dritte Stelle nicht ſtreitig machen.","norm":"Dem gegenwärtigen wird man die dritte Stelle nicht streitig machen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":8,"orig":"Das naͤhere Verhaͤltniß erzaͤhlt uns die Geſchichte.","norm":"Das nähere Verhältnis erzählt uns die Geschichte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":9,"orig":"Hier ſagen wir nur ſo viel, daß in dem verfloſſenen Jahrhundert an eine ſolche Zuſammenſtellung nicht gedacht werden konnte, weil Newton ſeiner Hypotheſe einen verwickelten und abgeleiteten Verſuch zum Grund gelegt hatte, auf welchen man die uͤbrigen zudringenden Erſcheinungen, wenn man ſie nicht verſchweigen und beſeitigen konnte, kuͤnſtlich bezog und ſie in aͤngſtlichen Verhaͤltniſſen umherſtellte; wie etwa ein Aſtronom verfahren muͤßte, der aus Grille den Mond in die Mitte unſeres Syſtems ſetzen moͤchte.","norm":"Hier sagen wir nur so viel, dass in dem verflossenen Jahrhundert an eine solche Zusammenstellung nicht gedacht werden konnte, weil Newton seiner Hypothese einen verwickelten und abgeleiteten Versuch zum Grund gelegt hatte, auf welchen man die übrigen zudringenden Erscheinungen, wenn man sie nicht verschweigen und beseitigen konnte, künstlich bezog und sie in ängstlichen Verhältnissen umherstellte; wie etwa ein Astronom verfahren müsste, der aus Grille den Mond in die Mitte unseres Systems setzen möchte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":10,"orig":"Er waͤre genoͤthigt, die Erde, die Sonne mit allen uͤbrigen Planeten um den ſubalternen Koͤrper herum zu bewegen, und durch kuͤnſtliche Berechnungen und Vorſtellungsweiſen das Irrige ſeines erſten Annehmens zu verſtecken und zu beſchoͤnigen.","norm":"Er wäre genötigt, die Erde, die Sonne mit allen übrigen Planeten um den subalternen Körper herum zu bewegen, und durch künstliche Berechnungen und Vorstellungsweisen das Irrige seines ersten Annehmens zu verstecken und zu beschönigen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":11,"orig":"Schreiten wir nun in Erinnerung deſſen, was wir oben vorwortlich beygebracht, weiter vor.","norm":"Schreiten wir nun in Erinnerung dessen, was wir oben vorwortlich beigebracht, weiter vor."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":12,"orig":"Dort ſetzten wir das Licht als anerkannt voraus, hier thun wir ein gleiches mit dem Auge.","norm":"Dort setzten wir das Licht als anerkannt voraus, hier tun wir ein Gleiches mit dem Auge."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":13,"orig":"Wir ſagten: die ganze Natur offenbare ſich durch die Farbe dem Sinne des Auges.","norm":"Wir sagten: Die ganze Natur offenbare sich durch die Farbe dem Sinne des Auges."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":14,"orig":"Nunmehr behaupten wir, wenn es auch einigermaßen ſonderbar klingen mag, daß das Auge keine Form ſehe, indem Hell, Dunkel und Farbe zuſammen allein dasjenige ausmachen, was den Gegenſtand vom Gegenſtand, die Theile des Gegenſtandes von einander, fuͤrs Auge unterſcheidet.","norm":"Nunmehr behaupten wir, wenn es auch einigermaßen sonderbar klingen mag, dass das Auge keine Form sehe, indem Hell, Dunkel und Farbe zusammen allein dasjenige ausmachen, was den Gegenstand vom Gegenstand, die Teile des Gegenstandes voneinander, fürs Auge unterscheidet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":15,"orig":"Und ſo erbauen wir aus dieſen Dreyen die ſichtbare Welt und machen dadurch zugleich die Malerey moͤglich, welche auf der Tafel eine weit vollkommner ſichtbare Welt als die wirkliche ſeyn kann, hervorzubringen vermag.","norm":"Und so erbauen wir aus diesen Drei die sichtbare Welt und machen dadurch zugleich die Malerei möglich, welche auf der Tafel eine weit vollkommener sichtbare Welt als die wirkliche sein kann, hervorzubringen vermag."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":16,"orig":"Das Auge hat ſein Daſeyn dem Licht zu danken.","norm":"Das Auge hat sein Dasein dem Licht zu danken."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":17,"orig":"Aus gleichguͤltigen thieriſchen Huͤlfsorganen ruft ſich das Licht ein Organ hervor, das ſeines gleichen werde; und ſo bildet ſich das Auge am Lichte fuͤrs Licht, damit das innere Licht dem aͤußeren entgegentrete.","norm":"Aus gleichgültigen tierischen Hilfsorganen ruft sich das Licht ein Organ hervor, das seinesgleichen werde; und so bildet sich das Auge am Lichte fürs Licht, damit das innere Licht dem Äußeren entgegentrete."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":18,"orig":"Hierbey erinnern wir uns der alten ioniſchen Schule, welche mit ſo großer Bedeutſamkeit immer wiederholte: nur von Gleichem werde Gleiches erkannt; wie auch der Worte eines alten Myſtikers, die wir in deutſchen Reimen folgendermaßen ausdruͤcken moͤchten:","norm":"Hierbei erinnern wir uns der alten ionischen Schule, welche mit so großer Bedeutsamkeit immer wiederholte: nur von Gleichem werde Gleiches erkannt; wie auch der Worte eines alten Mystikers, die wir in deutschen Reimen folgendermaßen ausdrücken möchten:"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":19,"orig":"Waͤr’ nicht das Auge ſonnenhaft, Wie koͤnnten wir das Licht erblicken?","norm":"Wäre nicht das Auge sonnenhaft, wie könnten wir das Licht erblicken?"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":20,"orig":"Lebt’ nicht in uns des Gottes eigne Kraft, Wie koͤnnt’ uns Goͤttliches entzuͤcken?","norm":"Lebte nicht in uns des Gottes eigene Kraft, wie könnte uns Göttliches entzücken?"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":21,"orig":"Jene unmittelbare Verwandtſchaft des Lichtes und des Auges wird niemand laͤugnen, aber ſich beyde zugleich als eins und daſſelbe zu denken hat mehr Schwierigkeit.","norm":"Jene unmittelbare Verwandtschaft des Lichtes und des Auges wird niemand leugnen, aber sich beide zugleich als eins und dasselbe zu denken hat mehr Schwierigkeit."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":22,"orig":"Indeſſen wird es faßlicher, wenn man behauptet, im Auge wohne ein ruhendes Licht, das bey der mindeſten Veranlaſſung von innen oder von außen erregt werde.","norm":"Indessen wird es fasslicher, wenn man behauptet, im Auge wohne ein ruhendes Licht, das bei der mindesten Veranlassung von innen oder von außen erregt werde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":23,"orig":"Wir koͤnnen in der Finſterniß durch Forderungen der Einbildungskraft uns die hellſten Bilder hervorrufen.","norm":"Wir können in der Finsternis durch Forderungen der Einbildungskraft uns die hellsten Bilder hervorrufen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":24,"orig":"Im Traume erſcheinen uns die Gegenſtaͤnde wie am vollen Tage.","norm":"Im Traume erscheinen uns die Gegenstände wie am vollen Tage."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":25,"orig":"Im wachenden Zuſtande wird uns die leiſeſte aͤußere Lichteinwirkung bemerkbar; ja wenn das Organ einen mechaniſchen Anſtoß erleidet, ſo ſpringen Licht und Farben hervor.","norm":"Im wachenden Zustande wird uns die leiseste äußere Lichteinwirkung bemerkbar; ja wenn das Organ einen mechanischen Anstoß erleidet, so springen Licht und Farben hervor."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":26,"orig":"Vielleicht aber machen hier diejenigen, welche nach einer gewiſſen Ordnung zu verfahren pflegen, bemerklich, daß wir ja noch nicht einmal entſchieden erklaͤrt, was denn Farbe ſey?","norm":"Vielleicht aber machen hier diejenigen, welche nach einer gewissen Ordnung zu verfahren pflegen, bemerkbar, dass wir ja noch nicht einmal entschieden erklärt, was denn Farbe sei?"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":27,"orig":"Dieſer Frage moͤchten wir gar gern hier abermals ausweichen und uns auf unſere Ausfuͤhrung berufen, wo wir umſtaͤndlich gezeigt, wie ſie erſcheine.","norm":"Dieser Frage möchten wir gar gern hier abermals ausweichen und uns auf unsere Ausführung berufen, wo wir umständlich gezeigt, wie sie erscheine."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":28,"orig":"Denn es bleibt uns auch hier nichts uͤbrig, als zu wiederholen: die Farbe ſey die geſetzmaͤßige Natur in Bezug auf den Sinn des Auges.","norm":"Denn es bleibt uns auch hier nichts übrig, als zu wiederholen: Die Farbe sei die gesetzmäßige Natur in Bezug auf den Sinn des Auges."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":29,"orig":"Auch hier muͤſſen wir annehmen, daß Jemand dieſen Sinn habe, daß Jemand die Einwirkung der Natur auf dieſen Sinn kenne: denn mit dem Blinden laͤßt ſich nicht von der Farbe reden.","norm":"Auch hier müssen wir annehmen, dass Jemand diesen Sinn habe, dass Jemand die Einwirkung der Natur auf diesen Sinn kenne: denn mit dem Blinden lässt sich nicht von der Farbe reden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":30,"orig":"Damit wir aber nicht gar zu aͤngſtlich eine Erklaͤrung zu vermeiden ſcheinen, ſo moͤchten wir das erſtgeſagte folgendermaßen umſchreiben.","norm":"Damit wir aber nicht gar zu ängstlich eine Erklärung zu vermeiden scheinen, so möchten wir das Erstgesagte folgendermaßen umschreiben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":31,"orig":"Die Farbe ſey ein elementares Naturphaͤnomen fuͤr den Sinn des Auges, das ſich, wie die uͤbrigen alle, durch Trennung und Gegenſatz, durch Miſchung und Vereinigung, durch Erhoͤhung und Neutraliſation, durch Mittheilung und Vertheilung und ſo weiter manifeſtirt, und unter dieſen allgemeinen Naturformeln am beſten angeſchaut und begriffen werden kann.","norm":"Die Farbe sei ein elementares Naturphänomen für den Sinn des Auges, das sich, wie die übrigen alle, durch Trennung und Gegensatz, durch Mischung und Vereinigung, durch Erhöhung und Neutralisation, durch Mitteilung und Verteilung und so weiter manifestiert, und unter diesen allgemeinen Naturformeln am besten angeschaut und begriffen werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":32,"orig":"Dieſe Art ſich die Sache vorzuſtellen, koͤnnen wir Niemand aufdringen.","norm":"Diese Art sich die Sache vorzustellen, können wir niemand aufdringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":33,"orig":"Wer ſie bequem findet, wie wir, wird ſie gern in ſich aufnehmen.","norm":"Wer sie bequem findet, wie wir, wird sie gern in sich aufnehmen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":34,"orig":"Eben ſo wenig haben wir Luſt, ſie kuͤnftig durch Kampf und Streit zu vertheidigen.","norm":"Ebensowenig haben wir Lust, sie künftig durch Kampf und Streit zu verteidigen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":35,"orig":"Denn es hatte von jeher etwas gefaͤhrliches, von der Farbe zu handeln, dergeſtalt daß einer unſerer Vorgaͤnger gelegentlich gar zu aͤußern wagt:","norm":"Denn es hatte von jeher etwas Gefährliches, von der Farbe zu handeln, dergestalt dass einer unserer Vorgänger gelegentlich gar zu äußeren wagt:"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":36,"orig":"Haͤlt man dem Stier ein rothes Tuch vor, ſo wird er wuͤthend; aber der Philoſoph, wenn man nur uͤberhaupt von Farbe ſpricht, faͤngt an zu raſen.","norm":"Hält man dem Stier ein rotes Tuch vor, so wird er wütend; aber der Philosoph, wenn man nur überhaupt von Farbe spricht, fängt an zu rasen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":37,"orig":"Sollen wir jedoch nunmehr von unſerem Vortrag, auf den wir uns berufen, einige Rechenſchaft geben, ſo muͤſſen wir vor allen Dingen anzeigen, wie wir die verſchiedenen Bedingungen, unter welchen die Farbe ſich zeigen mag, geſondert.","norm":"Sollen wir jedoch nunmehr von unserem Vortrag, auf den wir uns berufen, einige Rechenschaft geben, so müssen wir vor allen Dingen anzeigen, wie wir die verschiedenen Bedingungen, unter welchen die Farbe sich zeigen mag, gesondert."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":38,"orig":"Wir fanden dreyerley Erſcheinungsweiſen, dreyerley Arten von Farben, oder wenn man lieber will, dreyerley Anſichten derſelben, deren Unterſchied ſich ausſprechen laͤßt.","norm":"Wir fanden dreierlei Erscheinungsweisen, dreierlei Arten von Farben, oder wenn man lieber will, dreierlei Ansichten derselben, deren Unterschied sich aussprechen lässt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":39,"orig":"Wir betrachteten alſo die Farben zuerſt, in ſofern ſie dem Auge angehoͤren und auf einer Wirkung und Gegenwirkung deſſelben beruhen; ferner zogen ſie unſere Aufmerkſamkeit an ſich, indem wir ſie an farbloſen Mitteln oder durch deren Beyhuͤlfe gewahrten; zuletzt aber wurden ſie uns merkwuͤrdig, indem wir ſie als den Gegenſtaͤnden angehoͤrig denken konnten.","norm":"Wir betrachteten also die Farben zuerst, insofern sie dem Auge angehören und auf einer Wirkung und Gegenwirkung desselben beruhen; ferner zogen sie unsere Aufmerksamkeit an sich, indem wir sie an farblosen Mitteln oder durch deren Beihilfe gewahrten; zuletzt aber wurden sie uns merkwürdig, indem wir sie als den Gegenständen angehörig denken konnten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":40,"orig":"Die erſten nannten wir phyſiologiſche, die zweyten phyſiſche, die dritten chemiſche Farben.","norm":"Die ersten nannten wir physiologische, die zweiten physische, die dritten chemische Farben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":41,"orig":"Jene ſind unaufhaltſam fluͤchtig, die andern voruͤbergehend, aber allenfalls verweilend, die letzten feſtzuhalten bis zur ſpaͤteſten Dauer.","norm":"Jene sind unaufhaltsam flüchtig, die anderen vorübergehend, aber allenfalls verweilend, die letzten festzuhalten bis zur spätesten Dauer."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":42,"orig":"Indem wir ſie nun in ſolcher naturgemaͤßen Ordnung, zum Behuf eines didaktiſchen Vortrags, moͤglichſt ſonderten und aus einander hielten, gelang es uns zugleich, ſie in einer ſtetigen Reihe darzuſtellen, die fluͤchtigen mit den verweilenden und dieſe wieder mit den dauernden zu verknuͤpfen, und ſo die erſt ſorgfaͤltig gezogenen Abtheilungen fuͤr ein hoͤheres Anſchauen wieder aufzuheben.","norm":"Indem wir sie nun in solcher naturgemäßen Ordnung, zum Behuf eines didaktischen Vortrags, möglichst sonderten und auseinander hielten, gelang es uns zugleich, sie in einer stetigen Reihe darzustellen, die flüchtigen mit den verweilenden und diese wieder mit den dauernden zu verknüpfen, und so die erst sorgfältig gezogenen Abteilungen für ein höheres Anschauen wieder aufzuheben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":43,"orig":"Hierauf haben wir in einer vierten Abtheilung unſerer Arbeit, was bis dahin von den Farben unter mannigfaltigen beſondern Bedingungen bemerkt worden, im Allgemeinen ausgeſprochen und dadurch eigentlich den Abriß einer kuͤnftigen Farbenlehre entworfen.","norm":"Hierauf haben wir in einer vierten Abteilung unserer Arbeit, was bis dahin von den Farben unter mannigfaltigen besonderen Bedingungen bemerkt worden, im Allgemeinen ausgesprochen und dadurch eigentlich den Abriss einer künftigen Farbenlehre entworfen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":44,"orig":"Gegenwaͤrtig ſagen wir nur ſo viel voraus, daß zur Erzeugung der Farbe Licht und Finſterniß, Helles und Dunkles, oder, wenn man ſich einer allgemeineren Formel bedienen will, Licht und Nichtlicht gefordert werde.","norm":"Gegenwärtig sagen wir nur so viel voraus, dass zur Erzeugung der Farbe Licht und Finsternis, Helles und Dunkles, oder, wenn man sich einer allgemeineren Formel bedienen will, Licht und Nichtlicht gefordert werde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":45,"orig":"Zunaͤchſt am Licht entſteht uns eine Farbe, die wir Gelb nennen, eine andere zunaͤchſt an der Finſterniß, die wir mit dem Worte Blau bezeichnen.","norm":"Zunächst am Licht entsteht uns eine Farbe, die wir Gelb nennen, eine andere zunächst an der Finsternis, die wir mit dem Worte Blau bezeichnen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":46,"orig":"Dieſe beyden, wenn wir ſie in ihrem reinſten Zuſtand dergeſtalt vermiſchen, daß ſie ſich voͤllig das Gleichgewicht halten, bringen eine Dritte hervor, welche wir Gruͤn heißen.","norm":"Diese beiden, wenn wir sie in ihrem reinsten Zustand dergestalt vermischen, dass sie sich völlig das Gleichgewicht halten, bringen eine Dritte hervor, welche wir Grün heißen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":47,"orig":"Jene beyden erſten Farben koͤnnen aber auch jede an ſich ſelbſt eine neue Erſcheinung hervorbringen, indem ſie ſich verdichten oder verdunkeln.","norm":"Jene beiden ersten Farben können aber auch jede an sich selbst eine neue Erscheinung hervorbringen, indem sie sich verdichten oder verdunkeln."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":48,"orig":"Sie erhalten ein roͤthliches Anſehen, welches ſich bis auf einen ſo hohen Grad ſteigern kann, daß man das urſpruͤngliche Blau und Gelb kaum darin mehr erkennen mag.","norm":"Sie erhalten ein rötliches Ansehen, welches sich bis auf einen so hohen Grad steigern kann, dass man das ursprüngliche Blau und Gelb kaum darin mehr erkennen mag."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":49,"orig":"Doch laͤßt ſich das hoͤchſte und reine Roth, vorzuͤglich in phyſiſchen Faͤllen, dadurch hervorbringen, daß man die beyden Enden des Gelbrothen und Blaurothen vereinigt.","norm":"Doch lässt sich das höchste und reine Rot, vorzüglich in physischen Fällen, dadurch hervorbringen, dass man die beiden Enden des Gelbroten und Blauroten vereinigt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":50,"orig":"Dieſes iſt die lebendige Anſicht der Farbenerſcheinung und Erzeugung.","norm":"Dieses ist die lebendige Ansicht der Farbenerscheinung und Erzeugung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":51,"orig":"Man kann aber auch zu dem ſpecificirt fertigen Blauen und Gelben ein fertiges Roth annehmen, und ruͤckwaͤrts durch Miſchung hervorbringen, was wir vorwaͤrts durch Intenſiren bewirkt haben.","norm":"Man kann aber auch zu dem spezifiziert fertigen Blauen und Gelben ein fertiges Rot annehmen, und rückwärts durch Mischung hervorbringen, was wir vorwärts durch Intensivieren bewirkt haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":52,"orig":"Mit dieſen drey oder ſechs Farben, welche ſich bequem in einen Kreis einſchließen laſſen, hat die Elementare Farbenlehre allein zu thun.","norm":"Mit diesen drei oder sechs Farben, welche sich bequem in einen Kreis einschließen lassen, hat die elementare Farbenlehre allein zu tun."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":53,"orig":"Alle uͤbrigen ins Unendliche gehenden Abaͤnderungen gehoͤren mehr in das Angewandte, gehoͤren zur Technik des Malers, des Faͤrbers, uͤberhaupt ins Leben.","norm":"Alle übrigen ins Unendliche gehenden Abänderungen gehören mehr in das Angewandte, gehören zur Technik des Malers, des Färbers, überhaupt ins Leben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":54,"orig":"Sollen wir ſodann noch eine allgemeine Eigenſchaft ausſprechen, ſo ſind die Farben durchaus als Halblichter, als Halbſchatten anzuſehen, weshalb ſie denn auch, wenn ſie zuſammengemiſcht ihre ſpecifiſchen Eigenſchaften wechſelſeitig aufheben, ein Schattiges, ein Graues hervorbringen.","norm":"Sollen wir sodann noch eine allgemeine Eigenschaft aussprechen, so sind die Farben durchaus als Halblichter, als Halbschatten anzusehen, weshalb sie denn auch, wenn sie zusammengemischt ihre spezifischen Eigenschaften wechselseitig aufheben, ein Schattiges, ein Graues hervorbringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":55,"orig":"In unſerer fuͤnften Abtheilung ſollten ſodann jene nachbarlichen Verhaͤltniſſe dargeſtellt werden, in welchen unſere Farbenlehre mit dem uͤbrigen Wiſſen, Thun und Treiben zu ſtehen wuͤnſchte.","norm":"In unserer fünften Abteilung sollten sodann jene nachbarlichen Verhältnisse dargestellt werden, in welchen unsere Farbenlehre mit dem übrigen Wissen, Tun und Treiben zu stehen wünschte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":56,"orig":"So wichtig dieſe Abtheilung iſt, ſo mag ſie vielleicht gerade eben deswegen nicht zum beſten gelungen ſeyn.","norm":"So wichtig diese Abteilung ist, so mag sie vielleicht gerade eben deswegen nicht zum besten gelungen sein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":57,"orig":"Doch wenn man bedenkt, daß eigentlich nachbarliche Verhaͤltniſſe ſich nicht eher ausſprechen laſſen, als bis ſie ſich gemacht haben, ſo kann man ſich uͤber das Mißlingen eines ſolchen erſten Verſuches wohl troͤſten.","norm":"Doch wenn man bedenkt, dass eigentlich nachbarliche Verhältnisse sich nicht eher aussprechen lassen, als bis sie sich gemacht haben, so kann man sich über das Misslingen eines solchen ersten Versuches wohl trösten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":58,"orig":"Denn freylich iſt erſt abzuwarten, wie diejenigen, denen wir zu dienen ſuchten, denen wir etwas Gefaͤlliges und Nuͤtzliches zu erzeigen dachten, das von uns moͤglichſt Geleiſtete aufnehmen werden, ob ſie ſich es zueignen, ob ſie es benutzen und weiter fuͤhren, oder ob ſie es ablehnen, wegdraͤngen und nothduͤrftig fuͤr ſich beſtehen laſſen.","norm":"Denn freilich ist erst abzuwarten, wie diejenigen, denen wir zu dienen suchten, denen wir etwas Gefälliges und Nützliches zu erzeigen dachten, das von uns möglichst Geleistete aufnehmen werden, ob sie sich es zueignen, ob sie es benutzen und weiter führen, oder ob sie es ablehnen, wegdrängen und notdürftig für sich bestehen lassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":59,"orig":"Indeſſen duͤrfen wir ſagen, was wir glauben und was wir hoffen.","norm":"Indessen dürfen wir sagen, was wir glauben und was wir hoffen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":60,"orig":"Vom Philoſophen glauben wir Dank zu verdienen, daß wir geſucht die Phaͤnomene bis zu ihren Urquellen zu verfolgen, bis dorthin, wo ſie blos erſcheinen und ſind, und wo ſich nichts weiter an ihnen erklaͤren laͤßt.","norm":"Vom Philosophen glauben wir Dank zu verdienen, dass wir gesucht die Phänomene bis zu ihren Urquellen zu verfolgen, bis dorthin, wo sie bloß erscheinen und sind, und wo sich nichts weiter an ihnen erklären lässt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":61,"orig":"Ferner wird ihm willkommen ſeyn, daß wir die Erſcheinungen in eine leicht uͤberſehbare Ordnung geſtellt, wenn er dieſe Ordnung ſelbſt auch nicht ganz billigen ſollte.","norm":"Ferner wird ihm willkommen sein, dass wir die Erscheinungen in eine leicht übersehbare Ordnung gestellt, wenn er diese Ordnung selbst auch nicht ganz billigen sollte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":62,"orig":"Den Arzt, beſonders denjenigen, der das Organ des Auges zu beobachten, es zu erhalten, deſſen Maͤngeln abzuhelfen und deſſen Uebel zu heilen berufen iſt, glauben wir uns vorzuͤglich zum Freunde zu machen.","norm":"Den Arzt, besonders denjenigen, der das Organ des Auges zu beobachten, es zu erhalten, dessen Mängeln abzuhelfen und dessen Übel zu heilen berufen ist, glauben wir uns vorzüglich zum Freunde zu machen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":63,"orig":"In der Abtheilung von den phyſiologiſchen Farben, in dem Anhange, der die pathologiſchen andeutet, findet er ſich ganz zu Hauſe.","norm":"In der Abteilung von den physiologischen Farben, in dem Anhing, der die pathologischen andeutet, findet er sich ganz zu Hause."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":64,"orig":"Und wir werden gewiß durch die Bemuͤhungen jener Maͤnner, die zu unſerer Zeit dieſes Fach mit Gluͤck behandeln, jene erſte, bisher vernachlaͤſſigte und man kann wohl ſagen wichtigſte Abtheilung der Farbenlehre ausfuͤhrlich bearbeitet ſehen.","norm":"Und wir werden gewiss durch die Bemühungen jener Männer, die zu unserer Zeit dieses Fach mit Glück behandeln, jene erste, bisher vernachlässigte und man kann wohl sagen wichtigste Abteilung der Farbenlehre ausführlich bearbeitet sehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":65,"orig":"Am freundlichſten ſollte der Phyſiker uns entgegenkommen, da wir ihm die Bequemlichkeit verſchaffen, die Lehre von den Farben in der Reihe aller uͤbrigen elementaren Erſcheinungen vorzutragen und ſich dabey einer uͤbereinſtimmenden Sprache, ja faſt derſelbigen Worte und Zeichen, wie unter den uͤbrigen Rubriken, zu bedienen.","norm":"Am freundlichsten sollte der Physiker uns entgegenkommen, da wir ihm die Bequemlichkeit verschaffen, die Lehre von den Farben in der Reihe aller übrigen elementaren Erscheinungen vorzutragen und sich dabei einer übereinstimmenden Sprache, ja fast derselbigen Worte und Zeichen, wie unter den übrigen Rubriken, zu bedienen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":66,"orig":"Freylich machen wir ihm, inſofern er Lehrer iſt, etwas mehr Muͤhe: denn das Capitel von den Farben laͤßt ſich kuͤnftig nicht wie bisher mit wenig Paragraphen und Verſuchen abthun; auch wird ſich der Schuͤler nicht leicht ſo frugal, als man ihn ſonſt bedienen moͤgen, ohne Murren abſpeiſen laſſen.","norm":"Freilich machen wir ihm, insofern er Lehrer ist, etwas mehr Mühe: denn das Kapitel von den Farben lässt sich künftig nicht wie bisher mit wenig Paragraphen und Versuchen abtun; auch wird sich der Schüler nicht leicht so frugal, als man ihn sonst bedienen mögen, ohne Murren abspeisen lassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":67,"orig":"Dagegen findet ſich ſpaͤterhin ein anderer Vortheil.","norm":"Dagegen findet sich späterhin ein anderer Vorteil."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":68,"orig":"Denn wenn die Newtoniſche Lehre leicht zu lernen war, ſo zeigten ſich bey ihrer Anwendung unuͤberwindliche Schwierigkeiten.","norm":"Denn wenn die Newtonische Lehre leicht zu lernen war, so zeigten sich bei ihrer Anwendung unüberwindliche Schwierigkeiten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":69,"orig":"Unſere Lehre iſt vielleicht ſchwerer zu faſſen, aber alsdann iſt auch alles gethan: denn ſie fuͤhrt ihre Anwendung mit ſich.","norm":"Unsere Lehre ist vielleicht schwerer zu fassen, aber alsdann ist auch alles getan: denn sie führt ihre Anwendung mit sich."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":70,"orig":"Der Chemiker, welcher auf die Farben als Kriterien achtet, um die geheimern Eigenſchaften koͤrperlicher Weſen zu entdecken, hat bisher bey Benennung und Bezeichnung der Farben manches Hinderniß gefunden; ja man iſt nach einer naͤheren und feineren Betrachtung bewogen worden, die Farbe als ein unſicheres und truͤgliches Kennzeichen bey chemiſchen Operationen anzuſehen.","norm":"Der Chemiker, welcher auf die Farben als Kriterien achtet, um die geheimeren Eigenschaften körperlicher Wesen zu entdecken, hat bisher bei Benennung und Bezeichnung der Farben manches Hindernis gefunden; ja man ist nach einer näheren und feineren Betrachtung bewogen worden, die Farbe als ein unsicheres und trügliches Kennzeichen bei chemischen Operationen anzusehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":71,"orig":"Doch hoffen wir ſie durch unſere Darſtellung und durch die vorgeſchlagene Nomenclatur wieder zu Ehren zu bringen, und die Ueberzeugung zu erwecken, daß ein Werdendes, Wachſendes, ein Bewegliches, der Umwendung Faͤhiges nicht betruͤglich ſey, vielmehr geſchickt, die zarteſten Wirkungen der Natur zu offenbaren.","norm":"Doch hoffen wir sie durch unsere Darstellung und durch die vorgeschlagene Nomenklatur wieder zu Ehren zu bringen, und die Überzeugung zu erwecken, dass ein Werdendes, Wachsendes, ein Bewegliches, der Umwendung fähiges nicht betrüglich sei, vielmehr geschickt, die zartesten Wirkungen der Natur zu offenbaren."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":72,"orig":"Blicken wir jedoch weiter umher, ſo wandelt uns eine Furcht an, dem Mathematiker zu mißfallen.","norm":"Blicken wir jedoch weiter umher, so wandelt uns eine Furcht an, dem Mathematiker zu missfallen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":73,"orig":"Durch eine ſonderbare Verknuͤpfung von Umſtaͤnden iſt die Farbenlehre in das Reich, vor den Gerichtsſtuhl des Mathematikers gezogen worden, wohin ſie nicht gehoͤrt.","norm":"Durch eine sonderbare Verknüpfung von Umständen ist die Farbenlehre in das Reich, vor den Gerichtsstuhl des Mathematikers gezogen worden, wohin sie nicht gehört."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":74,"orig":"Dieß geſchah wegen ihrer Verwandtſchaft mit den uͤbrigen Geſetzen des Sehens, welche der Mathematiker zu behandeln eigentlich berufen war.","norm":"Dies geschah wegen ihrer Verwandtschaft mit den übrigen Gesetzen des Sehen es, welche der Mathematiker zu behandeln eigentlich berufen war."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":75,"orig":"Es geſchah ferner dadurch, daß ein großer Mathematiker die Farbenlehre bearbeitete, und da er ſich als Phyſiker geirrt hatte, die ganze Kraft ſeines Talents aufbot, um dieſem Irrthum Conſiſtenz zu verſchaffen.","norm":"Es geschah ferner dadurch, dass ein großer Mathematiker die Farbenlehre bearbeitete, und da er sich als Physiker geirrt hatte, die ganze Kraft seines Talents aufbot, um diesem Irrtum Konsistenz zu verschaffen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":76,"orig":"Wird beydes eingeſehen, ſo muß jedes Mißverſtaͤndniß bald gehoben ſeyn, und der Mathematiker wird gern, beſonders die phyſiſche Abtheilung der Farbenlehre, mit bearbeiten helfen.","norm":"Wird beides eingesehen, so muss jedes Missverständnis bald gehoben sein, und der Mathematiker wird gern, besonders die physische Abteilung der Farbenlehre, mit bearbeiten helfen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":77,"orig":"Dem Techniker, dem Faͤrber hingegen, muß unſre Arbeit durchaus willkommen ſeyn.","norm":"Dem Techniker, dem Färber hingegen, muss unsere Arbeit durchaus willkommen sein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":78,"orig":"Denn gerade diejenigen, welche uͤber die Phaͤnomene der Faͤrberey nachdachten, waren am wenigſten durch die bisherige Theorie befriedigt.","norm":"Denn gerade diejenigen, welche über die Phänomene der Färberei nachdachten, waren am wenigsten durch die bisherige Theorie befriedigt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":79,"orig":"Sie waren die erſten, welche die Unzulaͤnglichkeit der Newtoniſchen Lehre gewahr wurden.","norm":"Sie waren die ersten, welche die Unzulänglichkeit der Newtonischen Lehre gewahr wurden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":80,"orig":"Denn es iſt ein großer Unterſchied, von welcher Seite man ſich einem Wiſſen, einer Wiſſenſchaft naͤhert, durch welche Pforte man herein kommt.","norm":"Denn es ist ein großer Unterschied, von welcher Seite man sich einem Wissen, einer Wissenschaft nähert, durch welche Pforte man hereinkommt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":81,"orig":"Der echte Praktiker, der Fabrikant, dem ſich die Phaͤnomene taͤglich mit Gewalt aufdringen, welcher Nutzen oder Schaden von der Ausuͤbung ſeiner Ueberzeugungen empfindet, dem Geld- und Zeitverluſt nicht gleichguͤltig iſt, der vorwaͤrts will, von anderen Geleiſtetes erreichen, uͤbertreffen ſoll; er empfindet viel geſchwinder das Hohle, das Falſche einer Theorie, als der Gelehrte, dem zuletzt die hergebrachten Worte fuͤr baare Muͤnze gelten, als der Mathematiker, deſſen Formel immer noch richtig bleibt, wenn auch die Unterlage nicht zu ihr paßt, auf die ſie angewendet worden.","norm":"Der echte Praktiker, der Fabrikant, dem sich die Phänomene täglich mit Gewalt aufdringen, welcher Nutzen oder Schaden von der Ausübung seiner Überzeugungen empfindet, dem Geld- und Zeitverlust nicht gleichgültig ist, der vorwärts will, von anderen Geleistetes erreichen, übertreffen soll; er empfindet viel geschwinder das Hohle, das Falsche einer Theorie, als der Gelehrte, dem zuletzt die hergebrachten Worte für bare Münze gelten, als der Mathematiker, dessen Formel immer noch richtig bleibt, wenn auch die Unterlage nicht zu ihr passt, auf die sie angewendet worden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":82,"orig":"Und ſo werden auch wir, da wir von der Seite der Malerey, von der Seite aͤſthetiſcher Faͤrbung der Oberflaͤchen, in die Farbenlehre hereingekommen, fuͤr den Maler das Dankenswertheſte geleiſtet haben, wenn wir in der ſechſten Abtheilung die ſinnlichen und ſittlichen Wirkungen der Farbe zu beſtimmen geſucht, und ſie dadurch dem Kunſtgebrauch annaͤhern wollen.","norm":"Und so werden auch wir, da wir von der Seite der Malerei, von der Seite ästhetischer Färbung der Oberflächen, in die Farbenlehre hereingekommen, für den Maler das Dankenswerteste geleistet haben, wenn wir in der sechsten Abteilung die sinnlichen und sittlichen Wirkungen der Farbe zu bestimmen gesucht, und sie dadurch dem Kunstgebrauch annähern wollen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":83,"orig":"Iſt auch hierbey, wie durchaus, manches nur Skitze geblieben, ſo ſoll ja alles Theoretiſche eigentlich nur die Grundzuͤge andeuten, auf welchen ſich hernach die That lebendig ergehen und zu geſetzlichem Hervorbringen gelangen mag.","norm":"Ist auch hierbei, wie durchaus, manches nur Skizze geblieben, so soll ja alles Theoretische eigentlich nur die Grundzüge andeuten, auf welchen sich hernach die Tat lebendig ergehen und zu gesetzlichem Hervorbringen gelangen mag."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":84,"orig":"Dieſe Farben, welche wir billig oben an ſetzen, weil ſie dem Subject, weil ſie dem Auge, theils voͤllig, theils groͤßtens zugehoͤren, dieſe Farben, welche das Fundament der ganzen Lehre machen und uns die chromatiſche Harmonie, woruͤber ſo viel geſtritten wird, offenbaren, wurden bisher als außerweſentlich, zufaͤllig, als Taͤuſchung und Gebrechen betrachtet.","norm":"Diese Farben, welche wir billig obenan setzen, weil sie dem Subjekt, weil sie dem Auge, teils völlig, teils größtens zugehören, diese Farben, welche das Fundament der ganzen Lehre machen und uns die chromatische Harmonie, worüber so viel gestritten wird, offenbaren, wurden bisher als außerwesentlich, zufällig, als Täuschung und Gebrechen betrachtet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":85,"orig":"Die Erſcheinungen derſelben ſind von fruͤhern Zeiten her bekannt, aber weil man ihre Fluͤchtigkeit nicht haſchen konnte, ſo verbannte man ſie in das Reich der ſchaͤdlichen Geſpenſter und bezeichnete ſie in dieſem Sinne gar verſchiedentlich.","norm":"Die Erscheinungen derselben sind von früheren Zeiten her bekannt, aber weil man ihre Flüchtigkeit nicht haschen konnte, so verbannte man sie in das Reich der schädlichen Gespenster und bezeichnete sie in diesem Sinne gar verschiedentlich."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":86,"orig":"Alſo heißen ſie colores adventicii nach Boyle, imaginarii und phantaſtici nach Rizetti, nach Buͤffon couleurs accidentelles, nach Scherfer Scheinfarben;","norm":"Also heißen sie colores adventicii nach Boyle, imaginarii und phantastici nach Rizzetti, nach Buffon couleurs accidentelles, nach Scherfer Scheinfarben;"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":87,"orig":"Augentaͤuſchungen und Geſichtsbetrug nach mehreren, nach Hamberger vitia fugitiva, nach Darwin ocular ſpectra.","norm":"Augentäuschungen und Gesichtsbetrug nach mehreren, nach Hamberger vitia fugitiva, nach Darwin ocular spectra."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":88,"orig":"Wir haben ſie phyſiologiſche genannt, weil ſie dem geſunden Auge angehoͤren, weil wir ſie als die nothwendigen Bedingungen des Sehens betrachten, auf deſſen lebendiges Wechſelwirken in ſich ſelbſt und nach außen ſie hindeuten.","norm":"Wir haben sie physiologische genannt, weil sie dem gesunden Auge angehören, weil wir sie als die notwendigen Bedingungen des Sehen es betrachten, auf dessen lebendiges Wechselwirken in sich selbst und nach außen sie hindeuten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":89,"orig":"Wir fuͤgen ihnen ſogleich die pathologiſchen hinzu, welche, wie jeder abnorme Zuſtand auf den geſetzlichen, ſo auch hier auf die phyſiologiſchen Farben eine vollkommenere Einſicht verbreiten.","norm":"Wir fügen ihnen sogleich die pathologischen hinzu, welche, wie jeder abnorme Zustand auf den gesetzlichen, so auch hier auf die physiologischen Farben eine vollkommenere Einsicht verbreiten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":90,"orig":"Die Retina befindet ſich, je nachdem Licht oder Finſterniß auf ſie wirken, in zwey verſchiedenen Zuſtaͤnden, die einander voͤllig entgegenſtehen.","norm":"Die Retina befindet sich, je nachdem Licht oder Finsternis auf sie wirken, in zwei verschiedenen Zuständen, die einander völlig entgegenstehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":91,"orig":"Wenn wir die Augen innerhalb eines ganz finſtern Raums offen halten, ſo wird uns ein gewiſſer Mangel empfindbar.","norm":"Wenn wir die Augen innerhalb eines ganz finstern Raums offen halten, so wird uns ein gewisser Mangel empfindbar."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":92,"orig":"Das Organ iſt ſich ſelbſt uͤberlaſſen, es zieht ſich in ſich ſelbſt zuruͤck, ihm fehlt jene reizende befriedigende Beruͤhrung, durch die es mit der aͤußern Welt verbunden und zum Ganzen wird.","norm":"Das Organ ist sich selbst überlassen, es zieht sich in sich selbst zurück, ihm fehlt jene reizende befriedigende Berührung, durch die es mit der äußeren Welt verbunden und zum Ganzen wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":93,"orig":"Wenden wir das Auge gegen eine ſtark beleuchtete weiße Flaͤche, ſo wird es geblendet und fuͤr eine Zeit lang unfaͤhig, maͤßig beleuchtete Gegenſtaͤnde zu unterſcheiden.","norm":"Wenden wir das Auge gegen eine stark beleuchtete weiße Fläche, so wird es geblendet und für eine Zeit lang unfähig, mäßig beleuchtete Gegenstände zu unterscheiden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":94,"orig":"Jeder dieſer aͤußerſten Zuſtaͤnde nimmt auf die angegebene Weiſe die ganze Netzhaut ein, und in ſo fern werden wir nur einen derſelben auf einmal gewahr.","norm":"Jeder dieser äußersten Zustände nimmt auf die angegebene Weise die ganze Netzhaut ein, und insofern werden wir nur einen derselben auf einmal gewahr."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":95,"orig":"Dort (6) fanden wir das Organ in der hoͤchſten Abſpannung und Empfaͤnglichkeit, hier (7) in der aͤußerſten Ueberſpannung und Unempfindlichkeit.","norm":"Dort (6) fanden wir das Organ in der höchsten Abspannung und Empfänglichkeit, hier (7) in der äußersten Überspannung und Unempfindlichkeit."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":96,"orig":"Gehen wir ſchnell aus einem dieſer Zuſtaͤnde in den andern uͤber, wenn auch nicht von einer aͤußerſten Graͤnze zur andern, ſondern etwa nur aus dem Hellen ins Daͤmmernde; ſo iſt der Unterſchied bedeutend und wir koͤnnen bemerken, daß die Zuſtaͤnde eine Zeit lang dauern.","norm":"Gehen wir schnell aus einem dieser Zustände in den anderen über, wenn auch nicht von einer äußersten Grenze zur anderen, sondern etwa nur aus dem Hellen ins Dämmernde; so ist der Unterschied bedeutend und wir können bemerken, dass die Zustände eine Zeitlang dauern."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":97,"orig":"Wer aus der Tageshelle in einen daͤmmrigen Ort uͤbergeht, unterſcheidet nichts in der erſten Zeit, nach und nach ſtellen ſich die Augen zur Empfaͤnglichkeit wieder her, ſtarke fruͤher als ſchwache, jene ſchon in einer Minute, wenn dieſe ſieben bis acht Minuten brauchen.","norm":"Wer aus der Tageshelle in einen dämmrigen Ort übergeht, unterscheidet nichts in der ersten Zeit, nach und nach stellen sich die Augen zur Empfänglichkeit wieder her, starke früher als schwache, jene schon in einer Minute, wenn diese sieben bis acht Minuten brauchen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":98,"orig":"Bey wiſſenſchaftlichen Beobachtungen kann die Unempfaͤnglichkeit des Auges fuͤr ſchwache Lichteindruͤcke, wenn man aus dem Hellen ins Dunkle geht, zu ſonderbaren Irrthuͤmern Gelegenheit geben.","norm":"Bei wissenschaftlichen Beobachtungen kann die Unempfänglichkeit des Auges für schwache Lichteindrücke, wenn man aus dem Hellen ins Dunkle geht, zu sonderbaren Irrtümern Gelegenheit geben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":99,"orig":"So glaubte ein Beobachter, deſſen Auge ſich langſam herſtellte, eine ganze Zeit, das faule Holz leuchte nicht um Mittag, ſelbſt in der dunkeln Kammer.","norm":"So glaubte ein Beobachter, dessen Auge sich langsam herstellte, eine ganze Zeit, das faule Holz leuchte nicht um Mittag, selbst in der dunkeln Kammer."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":100,"orig":"Er ſah naͤmlich das ſchwache Leuchten nicht, weil er aus dem hellen Sonnenſchein in die dunkle Kammer zu gehen pflegte und erſt ſpaͤter einmal ſo lange darin verweilte, bis ſich das Auge wieder hergeſtellt hatte.","norm":"Er sah nämlich das schwache Leuchten nicht, weil er aus dem hellen Sonnenschein in die dunkle Kammer zu gehen pflegte und erst später einmal so lange darin verweilte, bis sich das Auge wieder hergestellt hatte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":101,"orig":"Eben ſo mag es dem Doctor Wall mit dem electriſchen Scheine des Bernſteins gegangen ſeyn, den er bey Tage, ſelbſt im dunkeln Zimmer, kaum gewahr werden konnte.","norm":"Ebenso mag es dem Doktor Wall mit dem elektrischen Scheine des Bernsteins gegangen sein, den er bei Tage, selbst im Dunkeln Zimmer, kaum gewahr werden konnte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":102,"orig":"Das Nichtſehen der Sterne bey Tage, das Beſſerſehen der Gemaͤlde durch eine doppelte Roͤhre iſt auch hieher zu rechnen.","norm":"Das Nichtsehen der Sterne bei Tage, das Bessersehen der Gemälde durch eine doppelte Röhre ist auch hierher zu rechnen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":103,"orig":"Wer einen voͤllig dunkeln Ort mit einem, den die Sonne beſcheint, verwechſelt, wird geblendet.","norm":"Wer einen völlig dunkeln Ort mit einem, den die Sonne bescheint, verwechselt, wird geblendet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":104,"orig":"Wer aus der Daͤmmrung ins nicht blendende Helle kommt, bemerkt alle Gegenſtaͤnde friſcher und beſſer; daher ein ausgeruhtes Auge durchaus fuͤr maͤßige Erſcheinungen empfaͤnglicher iſt.","norm":"Wer aus der Dämmerung ins nicht blendende Helle kommt, bemerkt alle Gegenstände frischer und besser; daher ein ausgeruhtes Auge durchaus für mäßige Erscheinungen empfänglicher ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":105,"orig":"Bey Gefangenen, welche lange im Finſtern geſeſſen, iſt die Empfaͤnglichkeit der Retina ſo groß, daß ſie im Finſtern (wahrſcheinlich in einem wenig erhellten Dunkel) ſchon Gegenſtaͤnde unterſcheiden.","norm":"Bei Gefangenen, welche lange im Finstern gesessen, ist die Empfänglichkeit der Retina so groß, dass sie im Finstern (wahrscheinlich in einem wenig erhellten Dunkel) schon Gegenstände unterscheiden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":106,"orig":"Die Netzhaut befindet ſich bey dem, was wir ſehen heißen, zu gleicher Zeit in verſchiedenen, ja in entgegengeſetzten Zuſtaͤnden.","norm":"Die Netzhaut befindet sich bei dem, was wir sehen heißen, zu gleicher Zeit in verschiedenen, ja in entgegengesetzten Zuständen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":107,"orig":"Das hoͤchſte nicht blendende Helle wirkt neben dem voͤllig Dunkeln.","norm":"Das höchste nicht blendende Helle wirkt neben dem völlig Dunkeln."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":108,"orig":"Zugleich werden wir alle Mittelſtufen des Helldunkeln und alle Farbenbeſtimmungen gewahr.","norm":"Zugleich werden wir alle Mittelstufen des Helldunkeln und alle Farbenbestimmungen gewahr."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":109,"orig":"Wir wollen gedachte Elemente der ſichtbaren Welt nach und nach betrachten und bemerken, wie ſich das Organ gegen dieſelben verhalte, und zu dieſem Zweck die einfachſten Bilder vornehmen.","norm":"Wir wollen gedachte Elemente der sichtbaren Welt nach und nach betrachten und bemerken, wie sich das Organ gegen dieselben verhalte, und zu diesem Zweck die einfachsten Bilder vornehmen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":110,"orig":"Wie ſich die Netzhaut gegen Hell und Dunkel uͤberhaupt verhaͤlt, ſo verhaͤlt ſie ſich auch gegen dunkle und helle einzelne Gegenſtaͤnde.","norm":"Wie sich die Netzhaut gegen Hell und Dunkel überhaupt verhält, so verhält sie sich auch gegen dunkle und helle einzelne Gegenstände."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":111,"orig":"Wenn Licht und Finſterniß ihr im Ganzen verſchiedene Stimmungen geben; ſo werden ſchwarze und weiße Bilder, die zu gleicher Zeit ins Auge fallen, diejenigen Zuſtaͤnde neben einander bewirken, welche durch Licht und Finſterniß in einer Folge hervorgebracht wurden.","norm":"Wenn Licht und Finsternis ihr im Ganzen verschiedene Stimmungen geben; so werden schwarze und weiße Bilder, die zu gleicher Zeit ins Auge fallen, diejenigen Zustände nebeneinander bewirken, welche durch Licht und Finsternis in einer Folge hervorgebracht wurden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":112,"orig":"Ein dunkler Gegenſtand erſcheint kleiner, als ein heller von derſelben Groͤße.","norm":"Ein dunkler Gegenstand erscheint kleiner, als ein heller von derselben Größe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":113,"orig":"Man ſehe zugleich eine weiße Rundung auf ſchwarzem, eine ſchwarze auf weißem Grunde, welche nach einerley Zirkelſchlag ausgeſchnitten ſind, in einiger Entfernung an, und wir werden die letztere etwa um ein Fuͤnftel kleiner, als die erſte halten.","norm":"Man sehe zugleich eine weiße Rundung auf schwarzem, eine schwarze auf weißem Grunde, welche nach einerlei Zirkelschlag ausgeschnitten sind, in einiger Entfernung an, und wir werden die letztere etwa um ein Fünftel kleiner, als die erste halten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":114,"orig":"Man mache das ſchwarze Bild um ſoviel groͤßer, und ſie werden gleich erſcheinen.","norm":"Man mache das schwarze Bild um soviel größer, und sie werden gleich erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":115,"orig":"So bemerkte Tycho de Brahe, daß der Mond in der Conjunction (der finſtere) um den fuͤnften Theil kleiner erſcheine, als in der Oppoſition (der volle helle).","norm":"So bemerkte Tycho de Brahe, dass der Mond in der Konjunktion (der finstere) um den fünften Teil kleiner erscheine, als in der Opposition (der volle helle)."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":116,"orig":"Die erſte Mondſichel ſcheint einer groͤßern Scheibe anzugehoͤren, als der an ſie graͤnzenden dunkeln, die man zur Zeit des Neulichtes manchmal unterſcheiden kann.","norm":"Die erste Mondsichel scheint einer größeren Scheibe anzugehören, als der an sie grenzenden dunkeln, die man zur Zeit des Neulichtes manchmal unterscheiden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":117,"orig":"Schwarze Kleider machen die Perſonen viel ſchmaͤler ausſehen, als helle.","norm":"Schwarze Kleider machen die Personen viel schmaler aussehen, als helle."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":118,"orig":"Hinter einem Rand geſehene Lichter machen in den Rand einen ſcheinbaren Einſchnitt.","norm":"Hinter einem Rand gesehene Lichter machen in den Rand einen scheinbaren Einschnitt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":119,"orig":"Ein Lineal, hinter welchem ein Kerzenlicht hervorblickt, hat fuͤr uns eine Scharte.","norm":"Ein Lineal, hinter welchem ein Kerzenlicht hervorblickt, hat für uns eine Scharte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":120,"orig":"Die auf- und untergehende Sonne ſcheint einen Einſchnitt in den Horizont zu machen.","norm":"Die auf- und untergehende Sonne scheint einen Einschnitt in den Horizont zu machen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":121,"orig":"Das Schwarze, als Repraͤſentant der Finſterniß, laͤßt das Organ im Zuſtande der Ruhe, das Weiße, als Stellvertreter des Lichts, verſetzt es in Thaͤtigkeit.","norm":"Das Schwarze, als Repräsentant der Finsternis, lässt das Organ im Zustande der Ruhe, das Weiße, als Stellvertreter des Lichts, versetzt es in Tätigkeit."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":122,"orig":"Man ſchloͤſſe vielleicht aus gedachtem Phaͤnomen (16), daß die ruhige Netzhaut, wenn ſie ſich ſelbſt uͤberlaſſen iſt, in ſich ſelbſt zuſammengezogen ſey, und einen kleinern Raum einnehme, als in dem Zuſtande der Thaͤtigkeit, in den ſie durch den Reiz des Lichtes verſetzt wird.","norm":"Man schlösse vielleicht aus gedachtem Phänomen (16), dass die ruhige Netzhaut, wenn sie sich selbst überlassen ist, in sich selbst zusammengezogen sei, und einen kleineren Raum einnehme, als in dem Zustande der Tätigkeit, in den sie durch den Reiz des Lichtes versetzt wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":123,"orig":"Kepler ſagt daher ſehr ſchoͤn: certum est vel in retina caussà picturae, vel in spiritibus caussà impressionis exsistere dilatationem lucidorum.","norm":"Kepler sagt daher sehr schön: certum est vel in Retina causa picturae, vel in spiritibus causa impressionis exsistere dilatationem lucidorum."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":124,"orig":"Paralip.","norm":"Paralip."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":125,"orig":"in Vitellionem p. 220. Pater Scherfer hat eine aͤhnliche Muthmaßung.","norm":"in Vitellionem p. 220. Pater Scherfer hat eine ähnliche Mutmaßung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":126,"orig":"Wie dem auch ſey, beyde Zuſtaͤnde, zu welchen das Organ durch ein ſolches Bild beſtimmt wird, beſtehen auf demſelben oͤrtlich, und dauern eine Zeit lang fort, wenn auch ſchon der aͤußre Anlaß entfernt iſt.","norm":"Wie dem auch sei, beide Zustände, zu welchen das Organ durch ein solches Bild bestimmt wird, bestehen auf demselben örtlich, und dauern eine Zeitlang fort, wenn auch schon der äußre Anlass entfernt ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":127,"orig":"Im gemeinen Leben bemerken wir es kaum: denn ſelten kommen Bilder vor, die ſehr ſtark von einander abſtechen.","norm":"Im gemeinen Leben bemerken wir es kaum: denn selten kommen Bilder vor, die sehr stark voneinander abstechen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":128,"orig":"Wir vermeiden diejenigen anzuſehn, die uns blenden.","norm":"Wir vermeiden diejenigen anzusehen, die uns blenden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":129,"orig":"Wir blicken von einem Gegenſtand auf den andern, die Succeſſion der Bilder ſcheint uns rein, wir werden nicht gewahr, daß ſich von dem vorhergehenden etwas ins nachfolgende hinuͤberſchleicht.","norm":"Wir blicken von einem Gegenstand auf den anderen, die Sukzession der Bilder scheint uns rein, wir werden nicht gewahr, dass sich von dem vorhergehenden etwas ins Nachfolgende hinüberschleicht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":130,"orig":"Wer auf ein Fenſterkreuz, das einen daͤmmernden Himmel zum Hintergrunde hat, morgens beym Erwachen, wenn das Auge beſonders empfaͤnglich iſt, ſcharf hinblickt und ſodann die Augen ſchließt, oder gegen einen ganz dunkeln Ort hinſieht, wird ein ſchwarzes Kreuz auf hellem Grunde noch eine Weile vor ſich ſehen.","norm":"Wer auf ein Fensterkreuz, das einen dämmernden Himmel zum Hintergrunde hat, morgens beim Erwachen, wenn das Auge besonders empfänglich ist, scharf hinblickt und sodann die Augen schließt, oder gegen einen ganz dunkeln Ort hinsieht, wird ein schwarzes Kreuz auf hellem Grunde noch eine Weile vor sich sehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":131,"orig":"Jedes Bild nimmt ſeinen beſtimmten Platz auf der Netzhaut ein, und zwar einen groͤßern oder kleinern, nach dem Maße, in welchem es nahe oder fern geſehen wird.","norm":"Jedes Bild nimmt seinen bestimmten Platz auf der Netzhaut ein, und zwar einen größeren oder kleineren, nach dem Maße, in welchem es nahe oder fern gesehen wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":132,"orig":"Schließen wir das Auge ſogleich, wenn wir in die Sonne geſehen haben; ſo werden wir uns wundern, wie klein das zuruͤckgebliebene Bild erſcheint.","norm":"Schließen wir das Auge sogleich, wenn wir in die Sonne gesehen haben; so werden wir uns wundern, wie klein das zurückgebliebene Bild erscheint."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":133,"orig":"Kehren wir dagegen das geoͤffnete Auge nach einer Wand, und betrachten das uns vorſchwebende Geſpenſt in Bezug auf andre Gegenſtaͤnde; ſo werden wir es immer groͤßer erblicken, je weiter von uns es durch irgend eine Flaͤche aufgefangen wird.","norm":"Kehren wir dagegen das geöffnete Auge nach einer Wand, und betrachten das uns vorschwebende Gespenst in Bezug auf andere Gegenstände; so werden wir es immer größer erblicken, je weiter von uns es durch irgendeine Fläche aufgefangen wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":134,"orig":"Dieſes Phaͤnomen erklaͤrt ſich wohl aus dem perſpectiviſchen Geſetz, daß uns der kleine naͤhere Gegenſtand den groͤßern entfernten zudeckt.","norm":"Dieses Phänomen erklärt sich wohl aus dem perspektivischen Gesetz, dass uns der kleine nähere Gegenstand den größeren entfernten zudeckt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":135,"orig":"Nach Beſchaffenheit der Augen iſt die Dauer dieſes Eindrucks verſchieden.","norm":"Nach Beschaffenheit der Augen ist die Dauer dieses Eindrucks verschieden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":136,"orig":"Sie verhaͤlt ſich wie die Herſtellung der Netzhaut bey dem Uebergang aus dem Hellen ins Dunkle (10), und kann alſo nach Minuten und Secunden abgemeſſen werden, und zwar viel genauer, als es bisher durch eine geſchwungene, brennende Lunte, die dem hinblickenden Auge als ein Zirkel erſcheint, geſchehen konnte.","norm":"Sie verhält sich wie die Herstellung der Netzhaut bei dem Übergang aus dem Hellen ins Dunkle (10), und kann also nach Minuten und Sekunden abgemessen werden, und zwar viel genauer, als es bisher durch eine geschwungene, brennende Lunte, die dem hinblickenden Auge als ein Zirkel erscheint, geschehen konnte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":137,"orig":"Beſonders auch kommt die Energie in Betracht, womit eine Lichtwirkung das Auge trifft.","norm":"Besonders auch kommt die Energie in Betracht, womit eine Lichtwirkung das Auge trifft."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":138,"orig":"Am laͤngſten bleibt das Bild der Sonne, andre mehr oder weniger leuchtende Koͤrper laſſen ihre Spur laͤnger oder kuͤrzer zuruͤck.","norm":"Am längsten bleibt das Bild der Sonne, andere mehr oder weniger leuchtende Körper lassen ihre Spur länger oder kürzer zurück."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":139,"orig":"Dieſe Bilder verſchwinden nach und nach, und zwar indem ſie ſowohl an Deutlichkeit als an Groͤße verlieren.","norm":"Diese Bilder verschwinden nach und nach, und zwar indem sie sowohl an Deutlichkeit als an Größe verlieren."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":140,"orig":"Sie nehmen von der Peripherie herein ab, und man glaubt bemerkt zu haben, daß bey viereckten Bildern ſich nach und nach die Ecken abſtumpfen, und zuletzt ein immer kleineres rundes Bild vorſchwebt.","norm":"Sie nehmen von der Peripherie herein ab, und man glaubt bemerkt zu haben, dass bei viereckigen Bildern sich nach und nach die Ecken abstumpfen, und zuletzt ein immer kleineres rundes Bild vorschwebt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":141,"orig":"Ein ſolches Bild, deſſen Eindruck nicht mehr bemerklich iſt, laͤßt ſich auf der Retina gleichſam wieder beleben, wenn wir die Augen oͤffnen und ſchließen und mit Erregung und Schonung abwechſeln.","norm":"Ein solches Bild, dessen Eindruck nicht mehr bemerkbar ist, lässt sich auf der Retina gleichsam wieder beleben, wenn wir die Augen öffnen und schließen und mit Erregung und Schonung abwechseln."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":142,"orig":"Daß Bilder ſich bey Augenkrankheiten vierzehn bis ſiebzehn Minuten, ja laͤnger auf der Retina erhielten, deutet auf aͤußerſte Schwaͤche des Organs, auf deſſen Unfaͤhigkeit ſich wieder herzuſtellen, ſo wie das Vorſchweben leidenſchaftlich geliebter oder verhaßter Gegenſtaͤnde aus dem Sinnlichen ins Geiſtige deutet.","norm":"Dass Bilder sich bei Augenkrankheiten vierzehn bis siebzehn Minuten, ja länger auf der Retina erhielten, deutet auf äußerste Schwäche des Organs, auf dessen Unfähigkeit sich wieder herzustellen, so wie das Vorschweben leidenschaftlich geliebter oder verhasster Gegenstände aus dem Sinnlichen ins Geistige deutet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":143,"orig":"Blickt man, indeſſen der Eindruck obgedachten Fenſterbildes noch dauert, nach einer hellgrauen Flaͤche, ſo erſcheint das Kreuz hell und der Scheibenraum dunkel.","norm":"Blickt man, indessen der Eindruck obgedachten Fensterbildes noch dauert, nach einer hellgrauen Fläche, so erscheint das Kreuz hell und der Scheibenraum dunkel."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":144,"orig":"In jenem Falle (20) blieb der Zuſtand ſich ſelbſt gleich, ſo daß auch der Eindruck identiſch verharren konnte; hier aber wird eine Umkehrung bewirkt, die unſere Aufmerkſamkeit aufregt und von der uns die Beobachter mehrere Faͤlle uͤberliefert haben.","norm":"In jenem Falle (20) blieb der Zustand sich selbst gleich, so dass auch der Eindruck identisch verharren konnte; hier aber wird eine Umkehrung bewirkt, die unsere Aufmerksamkeit aufregt und von der uns die Beobachter mehrere Fälle überliefert haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":145,"orig":"Die Gelehrten, welche auf den Cordilleras ihre Beobachtungen anſtellten, ſahen um den Schatten ihrer Koͤpfe, der auf Wolken fiel, einen hellen Schein.","norm":"Die Gelehrten, welche auf den Cordilleras ihre Beobachtungen anstellten, sahen um den Schatten ihrer Köpfe, der auf Wolken fiel, einen hellen Schein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":146,"orig":"Dieſer Fall gehoͤrt wohl hieher: denn indem ſie das dunkle Bild des Schattens fixirten und ſich zugleich von der Stelle bewegten, ſo ſchien ihnen das geforderte helle Bild um das dunkle zu ſchweben.","norm":"Dieser Fall gehört wohl hierher: denn indem sie das dunkle Bild des Schattens fixierten und sich zugleich von der Stelle bewegten, so schien ihnen das geforderte helle Bild um das dunkle zu schweben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":147,"orig":"Man betrachte ein ſchwarzes Rund auf einer hellgrauen Flaͤche, ſo wird man bald, wenn man die Richtung des Blicks im geringſten veraͤndert, einen hellen Schein um das dunkle Rund ſchweben ſehen.","norm":"Man betrachte ein schwarzes Rund auf einer hellgrauen Fläche, so wird man bald, wenn man die Richtung des Blicks im Geringsten verändert, einen hellen Schein um das dunkle Rund schweben sehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":148,"orig":"Auch mir iſt ein Aehnliches begegnet.","norm":"Auch mir ist ein Ähnliches begegnet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":149,"orig":"Indem ich naͤmlich auf dem Felde ſitzend mit einem Manne ſprach, der, in einiger Entfernung vor mir ſtehend, einen grauen Himmel zum Hintergrund hatte, ſo erſchien mir, nachdem ich ihn lange ſcharf und unverwandt angeſehen, als ich den Blick ein wenig gewendet, ſein Kopf von einem blendenden Schein umgeben.","norm":"Indem ich nämlich auf dem Felde sitzend mit einem Manne sprach, der, in einiger Entfernung vor mir stehend, einen grauen Himmel zum Hintergrund hatte, so erschien mir, nachdem ich ihn lange scharf und unverwandt angesehen, als ich den Blick ein wenig gewendet, sein Kopf von einem blendenden Schein umgeben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":150,"orig":"Wahrſcheinlich gehoͤrt hieher auch das Phaͤnomen, daß Perſonen, die bey Aufgang der Sonne an feuchten Wieſen hergehen, einen Schein um ihr Haupt erblicken, der zugleich farbig ſeyn mag, weil ſich von den Phaͤnomenen der Refraction etwas einmiſcht.","norm":"Wahrscheinlich gehört hierher auch das Phänomen, dass Personen, die bei Aufgang der Sonne an feuchten Wiesen hergehen, einen Schein um ihr Haupt erblicken, der zugleich farbig sein mag, weil sich von den Phänomenen der Refraktion etwas einmischt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":151,"orig":"So hat man auch um die Schatten der Luftballone, welche auf Wolken fielen, helle und einigermaßen gefaͤrbte Kreiſe bemerken wollen.","norm":"So hat man auch um die Schatten der Luftballone, welche auf Wolken fielen, helle und einigermaßen gefärbte Kreise bemerken wollen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":152,"orig":"Pater Beccaria ſtellte einige Verſuche an uͤber die Wetterelectricitaͤt, wobey er den papiernen Drachen in die Hoͤhe ſteigen ließ.","norm":"Pater Beccaria stellte einige Versuche an über die Wetterelektrizität, wobei er den papiernen Drachen in die Höhe steigen ließ."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":153,"orig":"Es zeigte ſich um dieſe Maſchine ein kleines glaͤnzendes Woͤlkchen von abwechſelnder Groͤße, ja auch um einen Theil der Schnur.","norm":"Es zeigte sich um diese Maschine ein kleines glänzendes Wölkchen von abwechselnder Größe, ja auch um einen Teil der Schnur."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":154,"orig":"Es verſchwand zuweilen, und wenn der Drache ſich ſchneller bewegte, ſchien es auf dem vorigen Platze einige Augenblicke hin und wieder zu ſchweben.","norm":"Es verschwand zuweilen, und wenn der Drache sich schneller bewegte, schien es auf dem vorigen Platze einige Augenblicke hin und wieder zu schweben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":155,"orig":"Dieſe Erſcheinung, welche die damaligen Beobachter nicht erklaͤren konnten, war das im Auge zuruͤckgebliebene, gegen den hellen Himmel in ein helles verwandelte Bild des dunkeln Drachen.","norm":"Diese Erscheinung, welche die damaligen Beobachter nicht erklären konnten, war das im Auge zurückgebliebene, gegen den hellen Himmel in ein helles verwandelte Bild des dunkeln Drachen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":156,"orig":"Bey optiſchen, beſonders chromatiſchen Verſuchen, wo man oft mit blendenden Lichtern, ſie ſeyen farblos oder farbig, zu thun hat, muß man ſich ſehr vorſehen, daß nicht das zuruͤckgebliebene Spectrum einer vorhergehenden Beobachtung ſich mit in eine folgende Beobachtung miſche und dieſelbe verwirrt und unrein mache.","norm":"Bei optischen, besonders chromatischen Versuchen, wo man oft mit blendenden Lichtern, sie seien farblos oder farbig, zu tun hat, muss man sich sehr vorsehen, dass nicht das zurückgebliebene Spektrum einer vorhergehenden Beobachtung sich mit in eine folgende Beobachtung mische und dieselbe verwirrt und unrein mache."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":157,"orig":"Dieſe Erſcheinungen hat man ſich folgendermaßen zu erklaͤren geſucht.","norm":"Diese Erscheinungen hat man sich folgendermaßen zu erklären gesucht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":158,"orig":"Der Ort der Retina, auf welchen das Bild des dunklen Kreuzes fiel, iſt als ausgeruht und empfaͤnglich anzuſehen.","norm":"Der Ort der Retina, auf welchen das Bild des dunklen Kreuzes fiel, ist als ausgeruht und empfänglich anzusehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":159,"orig":"Auf ihn wirkt die maͤßig erhellte Flaͤche lebhafter, als auf die uͤbrigen Theile der Netzhaut, welche durch die Fenſterſcheiben das Licht empfingen, und nachdem ſie durch einen ſo viel ſtaͤrkern Reiz in Thaͤtigkeit geſetzt worden, die graue Flaͤche nur als dunkel gewahr werden.","norm":"Auf ihn wirkt die mäßig erhellte Fläche lebhafter, als auf die übrigen Teile der Netzhaut, welche durch die Fensterscheiben das Licht empfingen, und nachdem sie durch einen so viel stärkeren Reiz in Tätigkeit gesetzt worden, die graue Fläche nur als dunkel gewahr werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":160,"orig":"Dieſe Erklaͤrungsart ſcheint fuͤr den gegenwaͤrtigen Fall ziemlich hinreichend; in Betrachtung kuͤnftiger Erſcheinungen aber ſind wir genoͤthigt das Phaͤnomen aus hoͤhern Quellen abzuleiten.","norm":"Diese Erklärungsart scheint für den gegenwärtigen Fall ziemlich hinreichend; in Betrachtung künftiger Erscheinungen aber sind wir genötigt das Phänomen aus höheren Quellen abzuleiten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":161,"orig":"Das Auge eines Wachenden aͤußert ſeine Lebendigkeit beſonders darin, daß es durchaus in ſeinen Zuſtaͤnden abzuwechſeln verlangt, die ſich am einfachſten vom Dunkeln zum Hellen und umgekehrt bewegen.","norm":"Das Auge eines Wachenden äußert seine Lebendigkeit besonders darin, dass es durchaus in seinen Zuständen abzuwechseln verlangt, die sich am einfachsten vom Dunkeln zum Hellen und umgekehrt bewegen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":162,"orig":"Das Auge kann und mag nicht einen Moment in einem beſondern, in einem durch das Object ſpecificirten Zuſtande identiſch verharren.","norm":"Das Auge kann und mag nicht einen Moment in einem besonderen, in einem durch das Objekt spezifizierten Zustande identisch verharren."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":163,"orig":"Es iſt vielmehr zu einer Art von Oppoſition genoͤthigt, die, indem ſie das Extrem dem Extreme, das Mittlere dem Mittleren entgegenſetzt, ſogleich das Entgegengeſetzte verbindet, und in der Succeſſion ſowohl als in der Gleichzeitigkeit und Gleichoͤrtlichkeit nach einem Ganzen ſtrebt.","norm":"Es ist vielmehr zu einer Art von Opposition genötigt, die, indem sie das Extrem dem Extreme, das Mittlere dem Mittleren entgegensetzt, sogleich das Entgegengesetzte verbindet, und in der Sukzession sowohl als in der Gleichzeitigkeit und Gleichörtlichkeit nach einem Ganzen strebt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":164,"orig":"Vielleicht entſteht das außerordentliche Behagen, das wir bey dem wohlbehandelten Helldunkel farbloſer Gemaͤlde und aͤhnlicher Kunſtwerke empfinden, vorzuͤglich aus dem gleichzeitigen Gewahrwerden eines Ganzen, das von dem Organ ſonſt nur in einer Folge mehr geſucht, als hervorgebracht wird, und wie es auch gelingen moͤge, niemals feſtgehalten werden kann.","norm":"Vielleicht entsteht das außerordentliche Behagen, das wir bei dem wohlbehandelten Helldunkel farbloser Gemälde und ähnlicher Kunstwerke empfinden, vorzüglich aus dem gleichzeitigen Gewahrwerden eines Ganzen, das von dem Organ sonst nur in einer Folge mehr gesucht, als hervorgebracht wird, und wie es auch gelingen möge, niemals festgehalten werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":165,"orig":"Ein großer Theil chromatiſcher Verſuche verlangt ein maͤßiges Licht.","norm":"Ein großer Teil chromatischer Versuche verlangt ein mäßiges Licht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":166,"orig":"Dieſes koͤnnen wir ſogleich durch mehr oder minder graue Flaͤchen bewirken, und wir haben uns daher mit dem Grauen zeitig bekannt zu machen, wobey wir kaum zu bemerken brauchen, daß in manchen Faͤllen eine im Schatten oder in der Daͤmmerung ſtehende weiße Flaͤche fuͤr eine graue gelten kann.","norm":"Dieses können wir sogleich durch mehr oder minder graue Flächen bewirken, und wir haben uns daher mit dem Grauen zeitig bekannt zu machen, wobei wir kaum zu bemerken brauchen, dass in manchen Fällen eine im Schatten oder in der Dämmerung stehende weiße Fläche für eine graue gelten kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":167,"orig":"Da eine graue Flaͤche zwiſchen hell und dunkel innen ſteht, ſo laͤßt ſich das, was wir oben (29) als Phaͤnomen vorgetragen, zum bequemen Verſuch erheben.","norm":"Da eine graue Fläche zwischen Hell und Dunkel innen steht, so lässt sich das, was wir oben (29) als Phänomen vorgetragen, zum bequemen Versuch erheben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":168,"orig":"Man halte ein ſchwarzes Bild vor eine graue Flaͤche und ſehe unverwandt, indem es weggenommen wird, auf denſelben Fleck; der Raum, den es einnahm, erſcheint um vieles heller.","norm":"Man halte ein schwarzes Bild vor eine graue Fläche und sehe unverwandt, indem es weggenommen wird, auf denselben Fleck; der Raum, den es einnahm, erscheint um vieles heller."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":169,"orig":"Man halte auf eben dieſe Art ein weißes Bild hin, und der Raum wird nachher dunkler als die uͤbrige Flaͤche erſcheinen.","norm":"Man halte auf eben diese Art ein weißes Bild hin, und der Raum wird nachher dunkler als die übrige Fläche erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":170,"orig":"Man verwende das Auge auf der Tafel hin und wieder; ſo werden in beyden Faͤllen die Bilder ſich gleichfalls hin und her bewegen.","norm":"Man verwende das Auge auf der Tafel hin und wieder; so werden in beiden Fällen die Bilder sich gleichfalls hin und her bewegen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":171,"orig":"Ein graues Bild auf ſchwarzem Grunde erſcheint viel heller, als daſſelbe Bild auf weißem.","norm":"Ein graues Bild auf schwarzem Grunde erscheint viel heller, als dasselbe Bild auf weißem."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":172,"orig":"Stellt man beyde Faͤlle neben einander, ſo kann man ſich kaum uͤberzeugen, daß beyde Bilder aus Einem Topf gefaͤrbt ſeyen.","norm":"Stellt man beide Fälle nebeneinander, so kann man sich kaum überzeugen, dass beide Bilder aus einem Topf gefärbt seien."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":173,"orig":"Wir glauben hier abermals die große Regſamkeit der Netzhaut zu bemerken und den ſtillen Widerſpruch, den jedes Lebendige zu aͤußern gedrungen iſt, wenn ihm irgend ein beſtimmter Zuſtand dargeboten wird.","norm":"Wir glauben hier abermals die große Regsamkeit der Netzhaut zu bemerken und den stillen Widerspruch, den jedes Lebendige zu äußeren gedrungen ist, wenn ihm irgendein bestimmter Zustand dargeboten wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":174,"orig":"So ſetzt das Einathmen ſchon das Ausathmen voraus und umgekehrt; ſo jede Syſtole ihre Diaſtole.","norm":"So setzt das Einatmen schon das Ausatmen voraus und umgekehrt; so jede Systole ihre Diastole."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":175,"orig":"Es iſt die ewige Formel des Lebens, die ſich auch hier aͤußert.","norm":"Es ist die ewige Formel des Lebens, die sich auch hier äußert."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":176,"orig":"Wie dem Auge das Dunkle geboten wird, ſo fordert es das Helle; es fordert Dunkel, wenn man ihm Hell entgegenbringt und zeigt eben dadurch ſeine Lebendigkeit, ſein Recht das Object zu faſſen, indem es etwas, das dem Object entgegengeſetzt iſt, aus ſich ſelbſt hervorbringt.","norm":"Wie dem Auge das Dunkle geboten wird, so fordert es das Helle; es fordert Dunkel, wenn man ihm Hell entgegenbringt und zeigt eben dadurch seine Lebendigkeit, sein Recht das Objekt zu fassen, indem es etwas, das dem Objekt entgegengesetzt ist, aus sich selbst hervorbringt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":177,"orig":"Wenn man ein blendendes voͤllig farbloſes Bild anſieht, ſo macht ſolches einen ſtarken dauernden Eindruck, und das Abklingen deſſelben iſt von einer Farbenerſcheinung begleitet.","norm":"Wenn man ein blendendes völlig farbloses Bild ansieht, so macht solches einen starken dauernden Eindruck, und das Abklingen desselben ist von einer Farbenerscheinung begleitet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":178,"orig":"In einem Zimmer, das moͤglichſt verdunkelt worden, habe man im Laden eine runde Oeffnung, etwa drey Zoll im Durchmeſſer, die man nach Belieben auf- und zudecken kann; durch ſelbige laſſe man die Sonne auf ein weißes Papier ſcheinen und ſehe in einiger Entfernung ſtarr das erleuchtete Rund an; man ſchließe darauf die Oeffnung und blicke nach dem dunkelſten Orte des Zimmers; ſo wird man eine runde Erſcheinung vor ſich ſchweben ſehen.","norm":"In einem Zimmer, das möglichst verdunkelt worden, habe man im Laden eine runde Öffnung, etwa drei Zoll im Durchmesser, die man nach Belieben auf- und zudecken kann; durch selbige lasse man die Sonne auf ein weißes Papier scheinen und sehe in einiger Entfernung starr das erleuchtete Rund an; man schließe darauf die Öffnung und blicke nach dem dunkelsten Orte des Zimmers; so wird man eine runde Erscheinung vor sich schweben sehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":179,"orig":"Die Mitte des Kreiſes wird man hell, farblos, einigermaßen gelb ſehen, der Rand aber wird ſogleich purpurfarben erſcheinen.","norm":"Die Mitte des Kreises wird man hell, farblos, einigermaßen gelb sehen, der Rand aber wird sogleich purpurfarben erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":180,"orig":"Es dauert eine Zeit lang, bis dieſe Purpurfarbe von außen herein den ganzen Kreis zudeckt, und endlich den hellen Mittelpunct voͤllig vertreibt.","norm":"Es dauert eine Zeitlang, bis diese Purpurfarbe von außen herein den ganzen Kreis zudeckt, und endlich den hellen Mittelpunkt völlig vertreibt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":181,"orig":"Kaum erſcheint aber das ganze Rund purpurfarben, ſo faͤngt der Rand an blau zu werden, das Blaue verdraͤngt nach und nach hereinwaͤrts den Purpur.","norm":"Kaum erscheint aber das ganze Rund purpurfarben, so fängt der Rand an blau zu werden, das Blaue verdrängt nach und nach hereinwärts den Purpur."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":182,"orig":"Iſt die Erſcheinung vollkommen blau, ſo wird der Rand dunkel und unfaͤrbig.","norm":"Ist die Erscheinung vollkommen blau, so wird der Rand dunkel und unfarbig."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":183,"orig":"Es waͤhret lange, bis der unfaͤrbige Rand voͤllig das Blaue vertreibt und der ganze Raum unfaͤrbig wird.","norm":"Es währet lange, bis der unfarbige Rand völlig das Blaue vertreibt und der ganze Raum unfarbig wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":184,"orig":"Das Bild nimmt ſodann nach und nach ab und zwar dergeſtalt, daß es zugleich ſchwaͤcher und kleiner wird.","norm":"Das Bild nimmt sodann nach und nach ab und zwar dergestalt, dass es zugleich schwächer und kleiner wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":185,"orig":"Hier ſehen wir abermals, wie ſich die Netzhaut, durch eine Succeſſion von Schwingungen, gegen den gewaltſamen aͤußern Eindruck nach und nach wieder herſtellt.","norm":"Hier sehen wir abermals, wie sich die Netzhaut, durch eine Sukzession von Schwingungen, gegen den gewaltsamen äußeren Eindruck nach und nach wieder herstellt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":186,"orig":"(25.","norm":"(25."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":187,"orig":"26.)","norm":"26.)"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":188,"orig":"Die Verhaͤltniſſe des Zeitmaßes dieſer Erſcheinung habe ich an meinem Auge, bey mehrern Verſuchen uͤbereinſtimmend, folgendermaßen gefunden.","norm":"Die Verhältnisse des Zeitmaßes dieser Erscheinung habe ich an meinem Auge, bei mehreren Versuchen übereinstimmend, folgendermaßen gefunden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":189,"orig":"Auf das blendende Bild hatte ich fuͤnf Secunden geſehen, darauf den Schieber geſchloſſen; da erblickt’ ich das farbige Scheinbild ſchwebend, und nach dreyzehn Secunden erſchien es ganz purpurfarben.","norm":"Auf das blendende Bild hatte ich fünf Sekunden gesehen, darauf den Schieber geschlossen; da erblickte ich das farbige Scheinbild schwebend, und nach dreizehn Sekunden erschien es ganz purpurfarben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":190,"orig":"Nun vergingen wieder neun und zwanzig Secunden, bis das Ganze blau erſchien, und acht und vierzig, bis es mir farblos vorſchwebte.","norm":"Nun vergingen wieder neunundzwanzig Sekunden, bis das Ganze blau erschien, und achtundvierzig, bis es mir farblos vorschwebte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":191,"orig":"Durch Schließen und Oeffnen des Auges belebte ich das Bild immer wieder (27), ſo daß es ſich erſt nach Verlauf von ſieben Minuten ganz verlor.","norm":"Durch Schließen und Öffnen des Auges belebte ich das Bild immer wieder (27), so dass es sich erst nach Verlauf von sieben Minuten ganz verlor."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":192,"orig":"Kuͤnftige Beobachter werden dieſe Zeiten kuͤrzer oder laͤnger finden, je nachdem ſie ſtaͤrkere oder ſchwaͤchere Augen haben (23).","norm":"Künftige Beobachter werden diese Zeiten kürzer oder länger finden, je nachdem sie stärkere oder schwächere Augen haben (23)."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":193,"orig":"Sehr merkwuͤrdig aber waͤre es, wenn man demungeachtet durchaus ein gewiſſes Zahlenverhaͤltniß dabey entdecken koͤnnte.","norm":"Sehr merkwürdig aber wäre es, wenn man dem ungeachtet durchaus ein gewisses Zahlenverhältnis dabei entdecken könnte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":194,"orig":"Aber dieſes ſonderbare Phaͤnomen erregt nicht ſobald unſre Aufmerkſamkeit, als wir ſchon eine neue Modification deſſelben gewahr werden.","norm":"Aber dieses sonderbare Phänomen erregt nicht so bald unsere Aufmerksamkeit, als wir schon eine neue Modifikation desselben gewahr werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":195,"orig":"Haben wir, wie oben gedacht, den Lichteindruck im Auge aufgenommen und ſehen in einem maͤßig erleuchteten Zimmer auf einen hellgrauen Gegenſtand; ſo ſchwebt abermals ein Phaͤnomen vor uns, aber ein dunkles, das ſich nach und nach von außen mit einem gruͤnen Rande einfaßt, welcher eben ſo, wie vorher der purpurne Rand, ſich uͤber das ganze Rund hineinwaͤrts verbreitet.","norm":"Haben wir, wie oben gedacht, den Lichteindruck im Auge aufgenommen und sehen in einem mäßig erleuchteten Zimmer auf einen hellgrauen Gegenstand; so schwebt abermals ein Phänomen vor uns, aber ein dunkles, das sich nach und nach von außen mit einem grünen Rande einfasst, welcher eben so, wie vorher der purpurne Rand, sich über das ganze Rund hineinwärts verbreitet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":196,"orig":"Iſt dieſes geſchehen, ſo ſieht man nunmehr ein ſchmutziges Gelb, das, wie in dem vorigen Verſuche das Blau, die Scheibe ausfuͤllt und zuletzt von einer Unfarbe verſchlungen wird.","norm":"Ist dieses geschehen, so sieht man nunmehr ein schmutziges Gelb, das, wie in dem vorigen Versuche das Blau, die Scheibe ausfüllt und zuletzt von einer Unfarbe verschlungen wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":197,"orig":"Dieſe beyden Verſuche laſſen ſich combiniren, wenn man in einem maͤßig hellen Zimmer eine ſchwarze und weiße Tafel neben einander hinſetzt und, ſo lange das Auge den Lichteindruck behaͤlt, bald auf die weiße, bald auf die ſchwarze Tafel ſcharf hinblickt.","norm":"Diese beiden Versuche lassen sich kombinieren, wenn man in einem mäßig hellen Zimmer eine schwarze und weiße Tafel nebeneinander hinsetzt und, solange das Auge den Lichteindruck behält, bald auf die weiße, bald auf die schwarze Tafel scharf hinblickt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":198,"orig":"Man wird alsdann im Anfange bald ein purpurnes, bald ein gruͤnes Phaͤnomen und ſo weiter das uͤbrige gewahr werden.","norm":"Man wird alsdann im Anfange bald ein purpurnes, bald ein grünes Phänomen und so weiter das übrige gewahr werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":199,"orig":"Ja, wenn man ſich geuͤbt hat, ſo laſſen ſich, indem man das ſchwebende Phaͤnomen dahin bringt, wo die zwey Tafeln an einander ſtoßen, die beyden entgegengeſetzten Farben zugleich erblicken; welches um ſo bequemer geſchehen kann, als die Tafeln entfernter ſtehen, indem das Spectrum alsdann groͤßer erſcheint.","norm":"Ja, wenn man sich geübt hat, so lassen sich, indem man das schwebende Phänomen dahin bringt, wo die zwei Tafeln aneinander stoßen, die beiden entgegengesetzten Farben zugleich erblicken; welches um so bequemer geschehen kann, als die Tafeln entfernter stehen, indem das Spektrum alsdann größer erscheint."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":200,"orig":"Ich befand mich gegen Abend in einer Eiſenſchmiede, als eben die gluͤhende Maſſe unter den Hammer gebracht wurde.","norm":"Ich befand mich gegen Abend in einer Eisenschmiede, als eben die glühende Masse unter den Hammer gebracht wurde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":201,"orig":"Ich hatte ſcharf darauf geſehen, wendete mich um und blickte zufaͤllig in einen offenſtehenden Kohlenſchoppen.","norm":"Ich hatte scharf darauf gesehen, wendete mich um und blickte zufällig in einen offenstehenden Kohlenschoppen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":202,"orig":"Ein ungeheures purpurfarbnes Bild ſchwebte nun vor meinen Augen, und als ich den Blick von der dunkeln Oeffnung weg, nach dem hellen Bretterverſchlag wendete, ſo erſchien mir das Phaͤnomen halb gruͤn, halb purpurfarben, je nachdem es einen dunklern oder hellern Grund hinter ſich hatte.","norm":"Ein ungeheures purpurfarbenes Bild schwebte nun vor meinen Augen, und als ich den Blick von der dunkeln Öffnung weg, nach dem hellen Bretterverschlag wendete, so erschien mir das Phänomen halb grün, halb purpurfarben, je nachdem es einen dunkleren oder helleren Grund hinter sich hatte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":203,"orig":"Auf das Abklingen dieſer Erſcheinung merkte ich damals nicht.","norm":"Auf das Abklingen dieser Erscheinung merkte ich damals nicht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":204,"orig":"Wie das Abklingen eines umſchriebenen Glanzbildes verhaͤlt ſich auch das Abklingen einer totalen Blendung der Retina.","norm":"Wie das Abklingen eines umschriebenen Glanzbildes verhält sich auch das Abklingen einer totalen Blendung der Retina."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":205,"orig":"Die Purpurfarbe, welche die vom Schnee Geblendeten erblicken, gehoͤrt hieher, ſo wie die ungemein ſchoͤne gruͤne Farbe dunkler Gegenſtaͤnde, nachdem man auf ein weißes Papier in der Sonne lange hingeſehen.","norm":"Die Purpurfarbe, welche die vom Schnee Geblendeten erblicken, gehört hierher, sowie die ungemein schöne grüne Farbe dunkler Gegenstände, nachdem man auf ein weißes Papier in der Sonne lange hingesehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":206,"orig":"Wie es ſich naͤher damit verhalte, werden diejenigen kuͤnftig unterſuchen, deren jugendliche Augen, um der Wiſſenſchaft willen, noch etwas auszuſtehen faͤhig ſind.","norm":"Wie es sich näher damit verhalte, werden diejenigen künftig untersuchen, deren jugendliche Augen, um der Wissenschaft willen, noch etwas auszustehen fähig sind."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":207,"orig":"Hieher gehoͤren gleichfalls die ſchwarzen Buchſtaben, die im Abendlichte roth erſcheinen.","norm":"Hierher gehören gleichfalls die schwarzen Buchstaben, die im Abendlichte rot erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":208,"orig":"Vielleicht gehoͤrt auch die Geſchichte hieher, daß ſich Blutstropfen auf dem Tiſche zeigten, an den ſich Heinrich der Vierte von Frankreich mit dem Herzog von Guiſe, um Wuͤrfel zu ſpielen, geſetzt hatte.","norm":"Vielleicht gehört auch die Geschichte hierher, dass sich Blutstropfen auf dem Tische zeigten, an den sich Heinrich der Vierte von Frankreich mit dem Herzog von Guise, um Würfel zu spielen, gesetzt hatte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":209,"orig":"Wir wurden die phyſiologiſchen Farben zuerſt beym Abklingen farbloſer blendender Bilder, ſo wie auch bey abklingenden allgemeinen farbloſen Blendungen gewahr.","norm":"Wir wurden die physiologischen Farben zuerst beim Abklingen farbloser blendender Bilder, sowie auch bei abklingenden allgemeinen farblosen Blendungen gewahr."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":210,"orig":"Nun finden wir analoge Erſcheinungen, wenn dem Auge eine ſchon ſpecificirte Farbe geboten wird, wobey uns alles, was wir bisher erfahren haben, immer gegenwaͤrtig bleiben muß.","norm":"Nun finden wir analoge Erscheinungen, wenn dem Auge eine schon spezifizierte Farbe geboten wird, wobei uns alles, was wir bisher erfahren haben, immer gegenwärtig bleiben muss."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":211,"orig":"Wie von den farbloſen Bildern, ſo bleibt auch von den farbigen der Eindruck im Auge, nur daß uns die zur Oppoſition aufgeforderte, und durch den Gegenſatz eine Totalitaͤt hervorbringende Lebendigkeit der Netzhaut anſchaulicher wird.","norm":"Wie von den farblosen Bildern, so bleibt auch von den farbigen der Eindruck im Auge, nur dass uns die zur Opposition aufgeforderte, und durch den Gegensatz eine Totalität hervorbringende Lebendigkeit der Netzhaut anschaulicher wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":212,"orig":"Man halte ein kleines Stuͤck lebhaft farbigen Papiers, oder ſeidnen Zeuges, vor eine maͤßig erleuchtete weiße Tafel, ſchaue unverwandt auf die kleine farbige Flaͤche und hebe ſie, ohne das Auge zu verruͤcken, nach einiger Zeit hinweg; ſo wird das Spectrum einer andern Farbe auf der weißen Tafel zu ſehen ſeyn.","norm":"Man halte ein kleines Stück lebhaft farbigen Papiers, oder seidenen Zeuges, vor eine mäßig erleuchtete weiße Tafel, schaue unverwandt auf die kleine farbige Fläche und hebe sie, ohne das Auge zu verrücken, nach einiger Zeit hinweg; so wird das Spektrum einer anderen Farbe auf der weißen Tafel zu sehen sein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":213,"orig":"Man kann auch das farbige Papier an ſeinem Orte laſſen, und mit dem Auge auf einen andern Fleck der weißen Tafel hinblicken; ſo wird jene farbige Erſcheinung ſich auch dort ſehen laſſen: denn ſie entſpringt aus einem Bilde, das nunmehr dem Auge angehoͤrt.","norm":"Man kann auch das farbige Papier an seinem Orte lassen, und mit dem Auge auf einen anderen Fleck der weißen Tafel hinblicken; so wird jene farbige Erscheinung sich auch dort sehen lassen: denn sie entspringt aus einem Bilde, das nunmehr dem Auge angehört."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":214,"orig":"Um in der Kuͤrze zu bemerken, welche Farben denn eigentlich durch dieſen Gegenſatz hervorgerufen werden, bediene man ſich des illuminirten Farbenkreiſes unſerer Tafeln, der uͤberhaupt naturgemaͤß eingerichtet iſt, und auch hier ſeine guten Dienſte leiſtet, indem die in demſelben diametral einander entgegengeſetzten Farben diejenigen ſind, welche ſich im Auge wechſelsweiſe fordern.","norm":"Um in der Kürze zu bemerken, welche Farben denn eigentlich durch diesen Gegensatz hervorgerufen werden, bediene man sich des illuminierten Farbenkreises unserer Tafeln, der überhaupt naturgemäß eingerichtet ist, und auch hier seine guten Dienste leistet, indem die in demselben diametral einander entgegengesetzten Farben diejenigen sind, welche sich im Auge wechselweise fordern."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":215,"orig":"So fordert Gelb das Violette, Orange das Blaue, Purpur das Gruͤne, und umgekehrt.","norm":"So fordert Gelb das Violette, Orange das Blaue, Purpur das Grüne, und umgekehrt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":216,"orig":"So fordern ſich alle Abſtufungen wechſelsweiſe, die einfachere Farbe fordert die zuſammengeſetztere, und umgekehrt.","norm":"So fordern sich alle Abstufungen wechselweise, die einfachere Farbe fordert die zusammengesetztere, und umgekehrt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":217,"orig":"Oefter, als wir denken, kommen uns die hieher gehoͤrigen Faͤlle im gemeinen Leben vor, ja der Aufmerkſame ſieht dieſe Erſcheinungen uͤberall, da ſie hingegen von dem ununterrichteten Theil der Menſchen, wie von unſern Vorfahren, als fluͤchtige Fehler angeſehen werden, ja manchmal gar, als waͤren es Vorbedeutungen von Augenkrankheiten, ſorgliches Nachdenken erregen.","norm":"Öfter, als wir denken, kommen uns die hierher gehörigen Fälle im gemeinen Leben vor, ja der Aufmerksame sieht diese Erscheinungen überall, da sie hingegen von dem ununterrichteten Teil der Menschen, wie von unseren Vorfahren, als flüchtige Fehler angesehen werden, ja manchmal gar, als wären es Vorbedeutungen von Augenkrankheiten, sorgliches Nachdenken erregen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":218,"orig":"Einige bedeutende Faͤlle moͤgen hier Platz nehmen.","norm":"Einige bedeutende Fälle mögen hier Platz nehmen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":219,"orig":"Als ich gegen Abend in ein Wirthshaus eintrat und ein wohlgewachſenes Maͤdchen mit blendendweißem Geſicht, ſchwarzen Haaren und einem ſcharlachrothen Mieder zu mir ins Zimmer trat, blickte ich ſie, die in einiger Entfernung vor mir ſtand, in der Halbdaͤmmerung ſcharf an.","norm":"Als ich gegen Abend in ein Wirtshaus eintrat und ein wohlgewachsenes Mädchen mit blendendweißem Gesicht, schwarzen Haaren und einem scharlachroten Mieder zu mir ins Zimmer trat, blickte ich sie, die in einiger Entfernung vor mir stand, in der Halbdämmerung scharf an."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":220,"orig":"Indem ſie ſich nun darauf hinwegbewegte, ſah ich auf der mir entgegenſtehenden weißen Wand ein ſchwarzes Geſicht, mit einem hellen Schein umgeben, und die uͤbrige Bekleidung der voͤllig deutlichen Figur erſchien von einem ſchoͤnen Meergruͤn.","norm":"Indem sie sich nun darauf hinwegbewegte, sah ich auf der mir entgegenstehenden weißen Wand ein schwarzes Gesicht, mit einem hellen Schein umgeben, und die übrige Bekleidung der völlig deutlichen Figur erschien von einem schönen Meergrün."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":221,"orig":"Unter dem optiſchen Apparat befinden ſich Bruſtbilder von Farben und Schattirungen, denen entgegengeſetzt, welche die Natur zeigt, und man will, wenn man ſie eine Zeit lang angeſchaut, die Scheingeſtalt alsdann ziemlich natuͤrlich geſehen haben.","norm":"Unter dem optischen Apparat befinden sich Brustbilder von Farben und Schattierungen, denen entgegengesetzt, welche die Natur zeigt, und man will, wenn man sie eine Zeitlang angeschaut, die Scheingestalt alsdann ziemlich natürlich gesehen haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":222,"orig":"Die Sache iſt an ſich ſelbſt richtig und der Erfahrung gemaͤß: denn in obigem Falle haͤtte mir eine Mohrin mit weißer Binde, ein weißes Geſicht ſchwarz umgeben hervorgebracht; nur will es bey jenen gewoͤhnlich klein gemalten Bildern nicht Jedermann gluͤcken, die Theile der Scheinfigur gewahr zu werden.","norm":"Die Sache ist an sich selbst richtig und der Erfahrung gemäß: denn in obigem Falle hätte mir eine Mohrin mit weißer Binde, ein weißes Gesicht schwarz umgeben hervorgebracht; nur will es bei jenen gewöhnlich klein gemalten Bildern nicht jedermann glücken, die Teile der Scheinfigur gewahr zu werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":223,"orig":"Ein Phaͤnomen, das ſchon fruͤher bey den Naturforſchern Aufmerkſamkeit erregt, laͤßt ſich, wie ich uͤberzeugt bin, auch aus dieſen Erſcheinungen ableiten.","norm":"Ein Phänomen, das schon früher bei den Naturforschern Aufmerksamkeit erregt, lässt sich, wie ich überzeugt bin, auch aus diesen Erscheinungen ableiten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":224,"orig":"Man erzaͤhlt, daß gewiſſe Blumen im Sommer bey Abendzeit gleichſam blitzen, phosphoreſciren oder ein augenblickliches Licht ausſtroͤmen.","norm":"Man erzählt, dass gewisse Blumen im Sommer bei Abendzeit gleichsam blitzen, phosphoreszieren oder ein augenblickliches Licht ausströmen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":225,"orig":"Einige Beobachter geben dieſe Erfahrungen genauer an.","norm":"Einige Beobachter geben diese Erfahrungen genauer an."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":226,"orig":"Dieſes Phaͤnomen ſelbſt zu ſehen hatte ich mich oft bemuͤht, ja ſogar, um es hervorzubringen, kuͤnſtliche Verſuche angeſtellt.","norm":"Dieses Phänomen selbst zu sehen hatte ich mich oft bemüht, ja sogar, um es hervorzubringen, künstliche Versuche angestellt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":227,"orig":"Am 19. Jun. 1799, als ich zu ſpaͤter Abendzeit, bey der in eine klare Nacht uͤbergehenden Daͤmmerung, mit einem Freunde im Garten auf- und abging, bemerkten wir ſehr deutlich an den Blumen des orientaliſchen Mohns, die vor allen andern eine ſehr maͤchtig rothe Farbe haben, etwas flammenaͤhnliches, das ſich in ihrer Naͤhe zeigte.","norm":"Am 19. Juni 1799, als ich zu später Abendzeit, bei der in eine klare Nacht übergehenden Dämmerung, mit einem Freunde im Garten auf- und abging, bemerkten wir sehr deutlich an den Blumen des orientalischen Mohns, die vor allen anderen eine sehr mächtig rote Farbe haben, etwas Flammenähnliches, das sich in ihrer Nähe zeigte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":228,"orig":"Wir ſtellten uns vor die Stauden hin, ſahen aufmerkſam darauf, konnten aber nichts weiter bemerken, bis uns endlich, bey abermaligem Hin- und Wiedergehen, gelang, indem wir ſeitwaͤrts darauf blickten, die Erſcheinung ſo oft zu wiederholen, als uns beliebte.","norm":"Wir stellten uns vor die Stauden hin, sahen aufmerksam darauf, konnten aber nichts weiter bemerken, bis uns endlich, bei abermaligem Hin- und Widergehen, gelang, indem wir seitwärts darauf blickten, die Erscheinung so oft zu wiederholen, als uns beliebte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":229,"orig":"Es zeigte ſich, daß es ein phyſiologiſches Farbenphaͤnomen, und der ſcheinbare Blitz eigentlich das Scheinbild der Blume, in der geforderten blaugruͤnen Farbe ſey.","norm":"Es zeigte sich, dass es ein physiologisches Farbenphänomen, und der scheinbare Blitz eigentlich das Scheinbild der Blume, in der geforderten blaugrünen Farbe sei."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":230,"orig":"Wenn man eine Blume gerad anſieht, ſo kommt die Erſcheinung nicht hervor; doch muͤßte es auch geſchehen, ſobald man mit dem Blick wankte.","norm":"Wenn man eine Blume gerad ansieht, so kommt die Erscheinung nicht hervor; doch müsste es auch geschehen, sobald man mit dem Blick wankte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":231,"orig":"Schielt man aber mit dem Augenwinkel hin, ſo entſteht eine momentane Doppelerſcheinung, bey welcher das Scheinbild gleich neben und an dem wahren Bilde erblickt wird.","norm":"Schielt man aber mit dem Augenwinkel hin, so entsteht eine momentane Doppelerscheinung, bei welcher das Scheinbild gleich neben und an dem wahren Bilde erblickt wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":232,"orig":"Die Daͤmmerung iſt Urſache, daß das Auge voͤllig ausgeruht und empfaͤnglich iſt, und die Farbe des Mohns iſt maͤchtig genug, bey einer Sommerdaͤmmerung der laͤngſten Tage, noch vollkommen zu wirken und ein gefordertes Bild hervorzurufen.","norm":"Die Dämmerung ist Ursache, dass das Auge völlig ausgeruht und empfänglich ist, und die Farbe des Mohns ist mächtig genug, bei einer Sommerdämmerung der längsten Tage, noch vollkommen zu wirken und ein gefordertes Bild hervorzurufen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":233,"orig":"Ich bin uͤberzeugt, daß man dieſe Erſcheinung zum Verſuche erheben und den gleichen Effect durch Papierblumen hervorbringen koͤnnte.","norm":"Ich bin überzeugt, dass man diese Erscheinung zum Versuche erheben und den gleichen Effekt durch Papierblumen hervorbringen könnte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":234,"orig":"Will man indeſſen ſich auf die Erfahrung in der Natur vorbereiten, ſo gewoͤhne man ſich, indem man durch den Garten geht, die farbigen Blumen ſcharf anzuſehen und ſogleich auf den Sandweg hinzublicken; man wird dieſen alsdann mit Flecken der entgegengeſetzten Farbe beſtreut ſehen.","norm":"Will man indessen sich auf die Erfahrung in der Naturvorbereiten, so gewöhne man sich, indem man durch den Garten geht, die farbigen Blumen scharf anzusehen und sogleich auf den Sandweg hinzublicken; man wird diesen alsdann mit Flecken der entgegengesetzten Farbe bestreut sehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":235,"orig":"Dieſe Erfahrung gluͤckt bey bedecktem Himmel, aber auch ſelbſt beym hellſten Sonnenſchein, der, indem er die Farbe der Blume erhoͤht, ſie faͤhig macht die geforderte Farbe maͤchtig genug hervorzubringen, daß ſie ſelbſt bey einem blendenden Lichte noch bemerkt werden kann.","norm":"Diese Erfahrung glückt bei bedecktem Himmel, aber auch selbst beim hellsten Sonnenschein, der, indem er die Farbe der Blume erhöht, sie fähig macht die geforderte Farbe mächtig genug hervorzubringen, dass sie selbst bei einem blendenden Lichte noch bemerkt werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":236,"orig":"So bringen die Paͤonien ſchoͤn gruͤne, die Calendeln lebhaft blaue Spectra hervor.","norm":"So bringen die Päonien schön grüne, die Kalendeln lebhaft blaue Spektra hervor."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":237,"orig":"So wie bey den Verſuchen mit farbigen Bildern auf einzelnen Theilen der Retina ein Farbenwechſel geſetzmaͤßig entſteht, ſo geſchieht daſſelbe, wenn die ganze Netzhaut von Einer Farbe afficirt wird.","norm":"So wie bei den Versuchen mit farbigen Bildern auf einzelnen Teilen der Retina ein Farbenwechsel gesetzmäßig entsteht, so geschieht dasselbe, wenn die ganze Netzhaut von Einer Farbe affiziert wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":238,"orig":"Hievon koͤnnen wir uns uͤberzeugen, wenn wir farbige Glasſcheiben vors Auge nehmen.","norm":"Hiervon können wir uns überzeugen, wenn wir farbige Glasscheiben vors Auge nehmen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":239,"orig":"Man blicke eine Zeit lang durch eine blaue Scheibe, ſo wird die Welt nachher dem befreyten Auge, wie von der Sonne erleuchtet erſcheinen, wenn auch gleich der Tag grau und die Gegend herbſtlich farblos waͤre.","norm":"Man blicke eine Zeitlang durch eine blaue Scheibe, so wird die Welt nachher dem befreiten Auge, wie von der Sonne erleuchtet erscheinen, wenn auch gleich der Tag grau und die Gegend herbstlich farblos wäre."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":240,"orig":"Eben ſo ſehen wir, indem wir eine gruͤne Brille weglegen, die Gegenſtaͤnde mit einem roͤthlichen Schein uͤberglaͤnzt.","norm":"Ebenso sehen wir, indem wir eine grüne Brille weglegen, die Gegenstände mit einem rötlichen Schein überglänzt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":241,"orig":"Ich ſollte daher glauben, daß es nicht wohlgethan ſey, zu Schonung der Augen ſich gruͤner Glaͤſer, oder gruͤnen Papiers zu bedienen, weil jede Farbſpecification dem Auge Gewalt anthut, und das Organ zur Oppoſition noͤthigt.","norm":"Ich sollte daher glauben, dass es nicht wohlgetan sei, zu Schonung der Augen sich grüner Gläser, oder grünen Papiers zu bedienen, weil jede Farbspezifikation dem Auge Gewalt antut, und das Organ zur Opposition nötigt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":242,"orig":"Haben wir bisher die entgegengeſetzten Farben ſich einander ſucceſſiv auf der Retina fordern ſehen; ſo bleibt uns noch uͤbrig zu erfahren, daß dieſe geſetzliche Forderung auch ſimultan beſtehen koͤnne.","norm":"Haben wir bisher die entgegengesetzten Farben sich einander sukzessiv auf der Retina fordern sehen; so bleibt uns noch übrig zu erfahren, dass diese gesetzliche Forderung auch simultan bestehen könne."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":243,"orig":"Malt ſich auf einem Theile der Netzhaut ein farbiges Bild, ſo findet ſich der uͤbrige Theil ſogleich in einer Diſpoſition, die bemerkten correſpondirenden Farben hervorzubringen.","norm":"Malt sich auf einem Teile der Netzhaut ein farbiges Bild, so findet sich der übrige Teil sogleich in einer Disposition, die bemerkten korrespondierenden Farben hervorzubringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":244,"orig":"Setzt man obige Verſuche fort, und blickt z. B. vor einer weißen Flaͤche auf ein gelbes Stuͤck Papier; ſo iſt der uͤbrige Theil des Auges ſchon disponiert, auf gedachter farbloſer Flaͤche das Violette hervorzubringen.","norm":"Setzt man obige Versuche fort, und blickt z. B. vor einer weißen Fläche auf ein gelbes Stück Papier; so ist der übrige Teil des Auges schon disponiert, auf gedachter farbloser Fläche das Violette hervorzubringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":245,"orig":"Allein das wenige Gelbe iſt nicht maͤchtig genug jene Wirkung deutlich zu leiſten.","norm":"Allein das wenige Gelbe ist nicht mächtig genug jene Wirkung deutlich zu leisten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":246,"orig":"Bringt man aber auf eine gelbe Wand weiße Papiere, ſo wird man ſie mit einem violetten Ton uͤberzogen ſehen.","norm":"Bringt man aber auf eine gelbe Wand weiße Papiere, so wird man sie mit einem violetten Ton überzogen sehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":247,"orig":"Ob man gleich mit allen Farben dieſe Verſuche anſtellen kann, ſo ſind doch beſonders dazu Gruͤn und Purpur zu empfehlen, weil dieſe Farben einander auffallend hervorrufen.","norm":"Ob man gleich mit allen Farben diese Versuche anstellen kann, so sind doch besonders dazu Grün und Purpur zu empfehlen, weil diese Farben einander auffallend hervorrufen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":248,"orig":"Auch im Leben begegnen uns dieſe Faͤlle haͤufig.","norm":"Auch im Leben begegnen uns diese Fälle häufig."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":249,"orig":"Blickt ein gruͤnes Papier durch geſtreiften oder gebluͤmten Muſſelin hindurch, ſo werden die Streifen oder Blumen roͤthlich erſcheinen.","norm":"Blickt ein grünes Papier durch gestreiften oder geblümten Musselin hindurch, so werden die Streifen oder Blumen rötlich erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":250,"orig":"Durch gruͤne Schaltern ein graues Haus geſehen, erſcheint gleichfalls roͤthlich.","norm":"Durch grüne Schaltern ein graues Haus gesehen, erscheint gleichfalls rötlich."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":251,"orig":"Die Purpurfarbe an dem bewegten Meer iſt auch eine geforderte Farbe.","norm":"Die Purpurfarbe an dem bewegten Meer ist auch eine geforderte Farbe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":252,"orig":"Der beleuchtete Theil der Wellen erſcheint gruͤn in ſeiner eigenen Farbe, und der beſchattete in der entgegengeſetzten purpurnen.","norm":"Der beleuchtete Teil der Wellen erscheint grün in seiner eigenen Farbe, und der beschattete in der entgegengesetzten purpurnen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":253,"orig":"Die verſchiedene Richtung der Wellen gegen das Auge bringt eben die Wirkung hervor.","norm":"Die verschiedene Richtung der Wellen gegen das Auge bringt eben die Wirkung hervor."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":254,"orig":"Durch eine Oeffnung rother oder gruͤner Vorhaͤnge erſcheinen die Gegenſtaͤnde draußen mit der geforderten Farbe.","norm":"Durch eine Öffnung roter oder grüner Vorhänge erscheinen die Gegenstände draußen mit der geforderten Farbe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":255,"orig":"Uebrigens werden ſich dieſe Erſcheinungen dem Aufmerkſamen uͤberall, ja bis zur Unbequemlichkeit zeigen.","norm":"Übrigens werden sich diese Erscheinungen dem Aufmerksamen überall, ja bis zur Unbequemlichkeit zeigen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":256,"orig":"Haben wir das Simultane dieſer Wirkungen bisher in den directen Faͤllen kennen gelernt; ſo koͤnnen wir ſolche auch in den umgekehrten bemerken.","norm":"Haben wir das Simultane dieser Wirkungen bisher in den direkten Fällen kennen gelernt; so können wir solche auch in den umgekehrten bemerken."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":257,"orig":"Nimmt man ein ſehr lebhaft orange gefaͤrbtes Stuͤckchen Papier vor die weiße Flaͤche, ſo wird man, wenn man es ſcharf anſieht, das auf der uͤbrigen Flaͤche geforderte Blau ſchwerlich gewahr werden.","norm":"Nimmt man ein sehr lebhaft orange gefärbtes Stückchen Papier vor die weiße Fläche, so wird man, wenn man es scharf ansieht, das auf der übrigen Fläche geforderte Blau schwerlich gewahr werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":258,"orig":"Nimmt man aber das orange Papier weg, und erſcheint an deſſen Platz das blaue Scheinbild; ſo wird ſich in dem Augenblick, da dieſes voͤllig wirkſam iſt, die uͤbrige Flaͤche, wie in einer Art von Wetterleuchten, mit einem roͤthlich gelben Schein uͤberziehen, und wird dem Beobachter die productive Forderung dieſer Geſetzlichkeit zum lebhaften Anſchauen bringen.","norm":"Nimmt man aber das orange Papier weg, und erscheint an dessen Platz das blaue Scheinbild; so wird sich in dem Augenblick, da dieses völlig wirksam ist, die übrige Fläche, wie in einer Art von Wetterleuchten, mit einem rötlich gelben Schein überziehen, und wird dem Beobachter die produktive Forderung dieser Gesetzlichkeit zum lebhaften Anschauen bringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":259,"orig":"Wie die geforderten Farben, da wo ſie nicht ſind, neben und nach der fordernden leicht erſcheinen; ſo werden ſie erhoͤht, da wo ſie ſind.","norm":"Wie die geforderten Farben, da wo sie nicht sind, neben und nach der fordernden leicht erscheinen; so werden sie erhöht, da wo sie sind."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":260,"orig":"In einem Hofe, der mit grauen Kalkſteinen gepflaſtert und mit Gras durchwachſen war, erſchien das Gras von einer unendlich ſchoͤnen Gruͤne, als Abendwolken einen roͤthlichen kaum bemerklichen Schein auf das Pflaſter warfen.","norm":"In einem Hofe, der mit grauen Kalksteinen gepflastert und mit Gras durchwachsen war, erschien das Gras von einer unendlich schönen Gründe, als Abendwolken einen rötlichen kaum bemerkbaren Schein auf das Pflaster warfen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":261,"orig":"Im umgekehrten Falle ſieht derjenige, der bey einer mittleren Helle des Himmels auf Wieſen wandelt, und nichts als Gruͤn vor ſich ſieht, oͤfters die Baumſtaͤmme und Wege mit einem roͤthlichen Scheine leuchten.","norm":"Im umgekehrten Falle sieht derjenige, der bei einer mittleren Helle des Himmels auf Wiesen wandelt, und nichts als Grün vor sich sieht, öfters die Baumstämme und Wege mit einem rötlichen Scheine leuchten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":262,"orig":"Bey Landſchaftmahlern, beſonders denjenigen, die mit Aquarellfarben arbeiten, kommt dieſer Ton oͤfters vor.","norm":"Bei Landschaftsmalern, besonders denjenigen, die mit Aquarellfarben arbeiten, kommt dieser Ton öfters vor."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":263,"orig":"Wahrſcheinlich ſehen ſie ihn in der Natur, ahmen ihn unbewußt nach und ihre Arbeit wird als unnatuͤrlich getadelt.","norm":"Wahrscheinlich sehen sie ihn in der Natur, ahmen ihn unbewusst nach und ihre Arbeit wird als unnatürlich getadelt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":264,"orig":"Dieſe Phaͤnomene ſind von der groͤßten Wichtigkeit, indem ſie uns auf die Geſetze des Sehens hindeuten, und zu kuͤnftiger Betrachtung der Farben eine nothwendige Vorbereitung ſind.","norm":"Diese Phänomene sind von der größten Wichtigkeit, indem sie uns auf die Gesetze des Sehen es hindeuten, und zu künftiger Betrachtung der Farben eine notwendige Vorbereitung sind."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":265,"orig":"Das Auge verlangt dabey ganz eigentlich Totalitaͤt und ſchließt in ſich ſelbſt den Farbenkreis ab.","norm":"Das Auge verlangt dabei ganz eigentlich Totalität und schließt in sich selbst den Farbenkreis ab."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":266,"orig":"In dem vom Gelben geforderten Violetten liegt das Rothe und Blaue; im Orange das Gelbe und Rothe, dem das Blaue entſpricht; das Gruͤne vereinigt Blau und Gelb und fordert das Rothe, und ſo in allen Abſtufungen der verſchiedenſten Miſchungen.","norm":"In dem vom Gelben geforderten Violetten liegt das Rote und Blaue; im Orange das Gelbe und Rote, dem das Blaue entspricht; das Grüne vereinigt Blau und Gelb und fordert das Rote, und so in allen Abstufungen der verschiedensten Mischungen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":267,"orig":"Daß man in dieſem Falle genoͤthigt werde, drey Hauptfarben anzunehmen, iſt ſchon fruͤher von den Beobachtern bemerkt worden.","norm":"Dass man in diesem Falle genötigt werde, drei Hauptfarben anzunehmen, ist schon früher von den Beobachtern bemerkt worden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":268,"orig":"Wenn in der Totalitaͤt die Elemente, woraus ſie zuſammenwaͤchſt, noch bemerklich ſind, nennen wir ſie billig Harmonie, und wie die Lehre von der Harmonie der Farben ſich aus dieſen Phaͤnomenen herleite, wie nur durch dieſe Eigenſchaften die Farbe faͤhig ſey, zu aͤſthetiſchem Gebrauch angewendet zu werden, muß ſich in der Folge zeigen, wenn wir den ganzen Kreis der Beobachtungen durchlaufen haben und auf den Punct, wovon wir ausgegangen ſind, zuruͤckkehren.","norm":"Wenn in der Totalität die Elemente, woraus sie zusammenwächst, noch bemerkbar sind, nennen wir sie billig Harmonie, und wie die Lehre von der Harmonie der Farben sich aus diesen Phänomenen herleite, wie nur durch diese Eigenschaften die Farbe fähig sei, zu ästhetischem Gebrauch angewendet zu werden, muss sich in der Folge zeigen, wenn wir den ganzen Kreis der Beobachtungen durchlaufen haben und auf den Punkt, wovon wir ausgegangen sind, zurückkehren."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":269,"orig":"Ehe wir jedoch weiter ſchreiten, haben wir noch hoͤchſt merkwuͤrdige Faͤlle dieſer lebendig geforderten, neben einander beſtehenden Farben zu beobachten, und zwar indem wir unſre Aufmerkſamkeit auf die farbigen Schatten richten.","norm":"Ehe wir jedoch weiter schreiten, haben wir noch höchst merkwürdige Fälle dieser lebendig geforderten, nebeneinander bestehenden Farben zu beobachten, und zwar indem wir unsere Aufmerksamkeit auf die farbigen Schatten richten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":270,"orig":"Um zu dieſen uͤberzugehen, wenden wir uns vorerſt zur Betrachtung der farbloſen Schatten.","norm":"Um zu diesen überzugehen, wenden wir uns vorerst zur Betrachtung der farblosen Schatten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":271,"orig":"Ein Schatten von der Sonne auf eine weiße Flaͤche geworfen giebt uns keine Empfindung von Farbe, ſo lange die Sonne in ihrer voͤlligen Kraft wirkt.","norm":"Ein Schatten von der Sonne auf eine weiße Fläche geworfen gibt uns keine Empfindung von Farbe, solange die Sonne in ihrer völligen Kraft wirkt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":272,"orig":"Er ſcheint ſchwarz oder, wenn ein Gegenlicht hinzu dringen kann, ſchwaͤcher, halberhellt, grau.","norm":"Er scheint schwarz oder, wenn ein Gegenlicht hinzudringen kann, schwächer, halberhellt, grau."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":273,"orig":"Zu den farbigen Schatten gehoͤren zwey Bedingungen, erſtlich, daß das wirkſame Licht auf irgend eine Art die weiße Flaͤche faͤrbe, zweytens, daß ein Gegenlicht den geworfenen Schatten auf einen gewiſſen Grad erleuchte.","norm":"Zu den farbigen Schatten gehören zwei Bedingungen, erstlich, dass das wirksame Licht auf irgendeine Art die weiße Fläche färbe, zweitens, dass ein Gegenlicht den geworfenen Schatten auf einen gewissen Grad erleuchte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":274,"orig":"Man ſetze bey der Daͤmmerung auf ein weißes Papier eine niedrig brennende Kerze; zwiſchen ſie und das abnehmende Tageslicht ſtelle man einen Bleyſtift aufrecht, ſo daß der Schatten, welchen die Kerze wirft, von dem ſchwachen Tageslicht erhellt, aber nicht aufgehoben werden kann, und der Schatten wird von dem ſchoͤnſten Blau erſcheinen.","norm":"Man setze bei der Dämmerung auf ein weißes Papier eine niedrig brennende Kerze; zwischen sie und das abnehmende Tageslicht stelle man einen Bleistift aufrecht, so dass der Schatten, welchen die Kerze wirft, von dem schwachen Tageslicht erhellt, aber nicht aufgehoben werden kann, und der Schatten wird von dem schönsten Blau erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":275,"orig":"Daß dieſer Schatten blau ſey, bemerkt man alſobald; aber man uͤberzeugt ſich nur durch Aufmerkſamkeit, daß das weiße Papier als eine roͤthlich gelbe Flaͤche wirkt, durch welchen Schein jene blaue Farbe im Auge gefordert wird.","norm":"Dass dieser Schatten blau sei, bemerkt man alsobald; aber man überzeugt sich nur durch Aufmerksamkeit, dass das weiße Papier als eine rötlich gelbe Fläche wirkt, durch welchen Schein jene blaue Farbe im Auge gefordert wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":276,"orig":"Bey allen farbigen Schatten daher muß man auf der Flaͤche, auf welche er geworfen wird, eine erregte Farbe vermuthen, welche ſich auch bey aufmerkſamerer Betrachtung wohl erkennen laͤßt.","norm":"Bei allen farbigen Schatten daher muss man auf der Fläche, auf welche er geworfen wird, eine erregte Farbe vermuten, welche sich auch bei aufmerksamerer Betrachtung wohl erkennen lässt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":277,"orig":"Doch uͤberzeuge man ſich vorher durch folgenden Verſuch.","norm":"Doch überzeuge man sich vorher durch folgenden Versuch."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":278,"orig":"Man nehme zu Nachtzeit zwey brennende Kerzen und ſtelle ſie gegen einander auf eine weiße Flaͤche; man halte einen duͤnnen Stab zwiſchen beyden aufrecht, ſo daß zwey Schatten entſtehen; man nehme ein farbiges Glas und halte es vor das eine Licht, alſo daß die weiße Flaͤche gefaͤrbt erſcheine, und in demſelben Augenblick wird der von dem nunmehr faͤrbenden Lichte geworfene, und von dem farbloſen Lichte beleuchtete Schatten die geforderte Farbe anzeigen.","norm":"Man nehme zu Nachtzeit zwei brennende Kerzen und stelle sie gegeneinander auf eine weiße Fläche; man halte einen dünnen Stab zwischen beiden aufrecht, so dass zwei Schatten entstehen; man nehme ein farbiges Glas und halte es vor das eine Licht, also dass die weiße Fläche gefärbt erscheine, und in demselben Augenblick wird der von dem nunmehr färbenden Lichte geworfene, und von dem farblosen Lichte beleuchtete Schatten die geforderte Farbe anzeigen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":279,"orig":"Es tritt hier eine wichtige Betrachtung ein, auf die wir noch oͤfters zuruͤckkommen werden.","norm":"Es tritt hier eine wichtige Betrachtung ein, auf die wir noch öfters zurückkommen werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":280,"orig":"Die Farbe ſelbſt iſt ein Schattiges (σκιερόν); deswegen Kircher vollkommen recht hat, ſie Lumen opacatum zu nennen; und wie ſie mit dem Schatten verwandt iſt, ſo verbindet ſie ſich auch gern mit ihm, ſie erſcheint uns gern in ihm und durch ihn, ſobald der Anlaß nur gegeben iſt; und ſo muͤſſen wir bey Gelegenheit der farbigen Schatten zugleich eines Phaͤnomens erwaͤhnen, deſſen Ableitung und Entwickelung erſt ſpaͤter vorgenommen werden kann.","norm":"Die Farbe selbst ist ein Schattiges (σκιερόν); deswegen Kircher vollkommen recht hat, sie Lumen opacatum zu nennen; und wie sie mit dem Schatten verwandt ist, so verbindet sie sich auch gern mit ihm, sie erscheint uns gern in ihm und durch ihn, sobald der Anlass nur gegeben ist; und so müssen wir bei Gelegenheit der farbigen Schatten zugleich eines Phänomens erwähnen, dessen Ableitung und Entwickelung erst später vorgenommen werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":281,"orig":"Man waͤhle in der Daͤmmerung den Zeitpunct, wo das einfallende Himmelslicht noch einen Schatten zu werfen im Stande iſt, der von dem Kerzenlichte nicht ganz aufgehoben werden kann, ſo daß vielmehr ein doppelter faͤllt, einmal vom Kerzenlicht gegen das Himmelslicht, und ſodann vom Himmelslicht gegen das Kerzenlicht.","norm":"Man wähle in der Dämmerung den Zeitpunkt, wo das einfallende Himmelslicht noch einen Schatten zu werfen imstande ist, der von dem Kerzenlichte nicht ganz aufgehoben werden kann, so dass vielmehr ein doppelter fällt, einmal vom Kerzenlicht gegen das Himmelslicht, und sodann vom Himmelslicht gegen das Kerzenlicht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":282,"orig":"Wenn der erſtere blau iſt, ſo wird der letztere hochgelb erſcheinen.","norm":"Wenn der erstere blau ist, so wird der letztere hochgelb erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":283,"orig":"Dieſes hohe Gelb iſt aber eigentlich nur der uͤber das ganze Papier von dem Kerzenlicht verbreitete gelbroͤthliche Schein, der im Schatten ſichtbar wird.","norm":"Dieses hohe Gelb ist aber eigentlich nur der über das ganze Papier von dem Kerzenlicht verbreitete gelbrötliche Schein, der im Schatten sichtbar wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":284,"orig":"Hievon kann man ſich bey dem obigen Verſuche mit zwey Kerzen und farbigen Glaͤſern am beſten uͤberzeugen, ſo wie die unglaubliche Leichtigkeit, womit der Schatten eine Farbe annimmt, bey der naͤhern Betrachtung der Widerſcheine und ſonſt mehrmals zur Sprache kommt.","norm":"Hiervon kann man sich bei dem obigen Versuche mit zwei Kerzen und farbigen Gläsern am besten überzeugen, so wie die unglaubliche Leichtigkeit, womit der Schatten eine Farbe annimmt, bei der nähern Betrachtung der Widerscheine und sonst mehrmals zur Sprache kommt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":285,"orig":"Und ſo waͤre denn auch die Erſcheinung der farbigen Schatten, welche den Beobachtern bisher ſo viel zu ſchaffen gemacht, bequem abgeleitet.","norm":"Und so wäre denn auch die Erscheinung der farbigen Schatten, welche den Beobachtern bisher so viel zu schaffen gemacht, bequem abgeleitet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":286,"orig":"Ein jeder, der kuͤnftighin farbige Schatten bemerkt, beobachte nur, mit welcher Farbe die helle Flaͤche, worauf ſie erſcheinen, etwa tingirt ſeyn moͤchte.","norm":"Ein jeder, der künftighin farbige Schatten bemerkt, beobachte nur, mit welcher Farbe die helle Fläche, worauf sie erscheinen, etwa tingiert sein möchte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":287,"orig":"Ja man kann die Farbe des Schattens als ein Chromatoſcop der beleuchteten Flaͤchen anſehen, indem man die der Farbe des Schattens entgegenſtehende Farbe auf der Flaͤche vermuthen und bey naͤherer Aufmerkſamkeit in jedem Falle gewahr werden kann.","norm":"Ja man kann die Farbe des Schattens als ein Chromatoskop der beleuchteten Flächen ansehen, indem man die der Farbe des Schattens entgegenstehende Farbe auf der Fläche vermuten und bei näherer Aufmerksamkeit in jedem Falle gewahr werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":288,"orig":"Wegen dieſer nunmehr bequem abzuleitenden farbigen Schatten hat man ſich bisher viel gequaͤlt und ſie, weil ſie meiſtentheils unter freyem Himmel beobachtet wurden und vorzuͤglich blau erſchienen, einer gewiſſen heimlich blauen und blau faͤrbenden Eigenſchaft der Luft zugeſchrieben.","norm":"Wegen dieser nunmehr bequem abzuleitenden farbigen Schatten hat man sich bisher viel gequält und sie, weil sie meistenteils unter freiem Himmel beobachtet wurden und vorzüglich blau erschienen, einer gewissen heimlich blauen und blau färbenden Eigenschaft der Luft zugeschrieben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":289,"orig":"Man kann ſich aber bey jenem Verſuche mit dem Kerzenlicht im Zimmer uͤberzeugen, daß keine Art von blauem Schein oder Widerſchein dazu noͤthig iſt, indem man den Verſuch an einem grauen truͤben Tag, ja hinter zugezogenen weißen Vorhaͤngen anſtellen kann, in einem Zimmer, wo ſich auch nicht das mindeſte Blaue befindet, und der blaue Schatten wird ſich nur um deſto ſchoͤner zeigen.","norm":"Man kann sich aber bei jenem Versuche mit dem Kerzenlicht im Zimmer überzeugen, dass keine Art von blauem Schein oder Wiederschein dazu nötig ist, indem man den Versuch an einem grauen trüben Tag, ja hinter zugezogenen weißen Vorhängen anstellen kann, in einem Zimmer, wo sich auch nicht das mindeste Blaue befindet, und der blaue Schatten wird sich nur um desto schöner zeigen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":290,"orig":"Saufſuͤre ſagt in der Beſchreibung ſeiner Reiſe auf den Montblanc:","norm":"Saussure sagt in der Beschreibung seiner Reise auf den Montblanc:"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":291,"orig":"„Eine zweyte nicht unintereſſante Bemerkung betrifft die Farben der Schatten, die wir trotz der genauſten Beobachtung nie dunkelblau fanden, ob es gleich in der Ebene haͤufig der Fall geweſen war.","norm":"„Eine zweite nicht uninteressante Bemerkung betrifft die Farben der Schatten, die wir trotz der genausten Beobachtung nie dunkelblau fanden, ob es gleich in der Ebene häufig der Fall gewesen war."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":292,"orig":"Wir ſahen ſie im Gegentheil von neun und funfzigmal einmal gelblich, ſechsmal blaßblaͤulich, achtzehnmal farbenlos oder ſchwarz, und vier und dreyßigmal blaßviolet.","norm":"Wir sahen sie im Gegenteil von neunundfünfzigmal einmal gelblich, sechsmal blassbläulich, achtzehnmal farbenlos oder schwarz, und vierunddreißigmal blassviolett."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":293,"orig":"Wenn alſo einige Phyſiker annehmen, daß dieſe Farben mehr von zufaͤlligen in der Luft zerſtreuten, den Schatten ihre eigenthuͤmlichen Nuͤancen mittheilenden Duͤnſten herruͤhren, nicht aber durch eine beſtimmte Luft- oder reflectirte Himmelsfarbe verurſacht werden; ſo ſcheinen jene Beobachtungen ihrer Meynung guͤnſtig zu ſeyn.","norm":"Wenn also einige Physiker annehmen, dass diese Farben mehr von zufälligen in der Luft zerstreuten, den Schatten ihre eigentümlichen Nuancen mitteilenden Dünsten herrühren, nicht aber durch eine bestimmte Luft- oder reflektierte Himmelsfarbe verursacht werden; so scheinen jene Beobachtungen ihrer Meinung günstig zu sein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":294,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":295,"orig":"Die von de Sauſſuͤre angezeigten Erfahrungen werden wir nun bequem einrangiren koͤnnen.","norm":"Die von de Saussure angezeigten Erfahrungen werden wir nun bequem einrangieren können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":296,"orig":"Auf der großen Hoͤhe war der Himmel meiſtentheils rein von Duͤnſten.","norm":"Auf der großen Höhe war der Himmel meistenteils rein von Dünsten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":297,"orig":"Die Sonne wirkte in ihrer ganzen Kraft auf den weißen Schnee, ſo daß er dem Auge voͤllig weiß erſchien, und ſie ſahen bey dieſer Gelegenheit die Schatten voͤllig farbenlos.","norm":"Die Sonne wirkte in ihrer ganzen Kraft auf den weißen Schnee, so dass er dem Auge völlig weiß erschien, und sie sahen bei dieser Gelegenheit die Schatten völlig farbenlos."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":298,"orig":"War die Luft mit wenigen Duͤnſten geſchwaͤngert und entſtand dadurch ein gelblicher Ton des Schnees, ſo folgten violette Schatten und zwar waren dieſe die meiſten.","norm":"War die Luft mit wenigen Dünsten geschwängert und entstand dadurch ein gelblicher Ton des Schnees, so folgten violette Schatten und zwar waren diese die meisten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":299,"orig":"Auch ſahen ſie blaͤuliche Schatten, jedoch ſeltener; und daß die blauen und violetten nur blaß waren, kam von der hellen und heiteren Umgebung, wodurch die Schattenſtaͤrke gemindert wurde.","norm":"Auch sahen sie bläuliche Schatten, jedoch seltener; und dass die blauen und violetten nur blass waren, kam von der hellen und heiteren Umgebung, wodurch die Schattenstärke gemindert wurde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":300,"orig":"Nur einmal ſahen ſie den Schatten gelblich, welches, wie wir oben (70.) geſehen haben, ein Schatten iſt, der von einem farbloſen Gegenlichte geworfen und von dem faͤrbenden Hauptlichte erleuchtet worden.","norm":"Nur einmal sahen sie den Schatten gelblich, welches, wie wir oben (70) gesehen haben, ein Schatten ist, der von einem farblosen Gegenlichte geworfen und von dem färbenden Hauptlichte erleuchtet worden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":301,"orig":"Auf einer Harzreiſe im Winter ſtieg ich gegen Abend vom Brocken herunter, die weiten Flaͤchen auf- und abwaͤrts waren beſchneit, die Heide von Schnee bedeckt, alle zerſtreut ſtehenden Baͤume und vorragenden Klippen, auch alle Baum- und Felſenmaſſen voͤllig bereift, die Sonne ſenkte ſich eben gegen die Oderteiche hinunter.","norm":"Auf einer Harzreise im Winter stieg ich gegen Abend vom Brocken herunter, die weiten Flächen auf- und abwärts waren beschneit, die Heide von Schnee bedeckt, alle zerstreut stehenden Bäume und vorragenden Klippen, auch alle Baum- und Felsenmassen völlig bereift, die Sonne senkte sich eben gegen die Oderteiche hinunter."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":302,"orig":"Waren den Tag uͤber, bey dem gelblichen Ton des Schnees, ſchon leiſe violette Schatten bemerklich geweſen, ſo mußte man ſie nun fuͤr hochblau anſprechen, als ein geſteigertes Gelb von den beleuchteten Theilen wiederſchien.","norm":"Waren den Tag über, bei dem gelblichen Ton des Schnees, schon leise violette Schatten bemerkbar gewesen, so musste man sie nun für hochblau ansprechen, als ein gesteigertes Gelb von den beleuchteten Teilen widerschien."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":303,"orig":"Als aber die Sonne ſich endlich ihrem Niedergang naͤherte, und ihr durch die ſtaͤrkeren Duͤnſte hoͤchſt gemaͤßigter Strahl die ganze mich umgebende Welt mit der ſchoͤnſten Purpurfarbe uͤberzog, da verwandelte ſich die Schattenfarbe in ein Gruͤn, das nach ſeiner Klarheit einem Meergruͤn, nach ſeiner Schoͤnheit einem Schmaragdgruͤn verglichen werden konnte.","norm":"Als aber die Sonne sich endlich ihrem Niedergang näherte, und ihr durch die stärkeren Dünste höchst gemäßigter Strahl die ganze mich umgebende Welt mit der schönsten Purpurfarbe überzog, da verwandelte sich die Schattenfarbe in ein Grün, das nach seiner Klarheit einem Meergrün, nach seiner Schönheit einem Smaragdgrün verglichen werden konnte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":304,"orig":"Die Erſcheinung ward immer lebhafter, man glaubte ſich in einer Feenwelt zu befinden, denn alles hatte ſich in die zwey lebhaften und ſo ſchoͤn uͤbereinſtimmenden Farben gekleidet, bis endlich mit dem Sonnenuntergang die Prachterſcheinung ſich in eine graue Daͤmmerung, und nach und nach in eine mond- und ſternhelle Nacht verlor.","norm":"Die Erscheinung wurde immer lebhafter, man glaubte sich in einer Feenwelt zu befinden, denn alles hatte sich in die zwei lebhaften und so schön übereinstimmenden Farben gekleidet, bis endlich mit dem Sonnenuntergang die Prachterscheinung sich in eine graue Dämmerung, und nach und nach in eine Mond- und sternhelle Nacht verlor."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":305,"orig":"Einer der ſchoͤnſten Faͤlle farbiger Schatten kann bey dem Vollmonde beobachtet werden.","norm":"Einer der schönsten Fälle farbiger Schatten kann bei dem Vollmonde beobachtet werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":306,"orig":"Der Kerzen- und Mondenſchein laſſen ſich voͤllig ins Gleichgewicht bringen.","norm":"Der Kerzen- und Mondenschein lassen sich völlig ins Gleichgewicht bringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":307,"orig":"Beyde Schatten koͤnnen gleich ſtark und deutlich dargeſtellt werden, ſo daß beyde Farben ſich vollkommen balanciren.","norm":"Beide Schatten können gleich stark und deutlich dargestellt werden, so dass beide Farben sich vollkommen balancieren."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":308,"orig":"Man ſetzt die Tafel dem Scheine des Vollmondes entgegen, das Kerzenlicht ein wenig an die Seite, in gehoͤriger Entfernung, vor die Tafel haͤlt man einen undurchſichtigen Koͤrper; alsdann entſteht ein doppelter Schatten, und zwar wird derjenige, den der Mond wirft und das Kerzenlicht beſcheint, gewaltig rothgelb, und umgekehrt der, den das Licht wirft und der Mond beſcheint, vom ſchoͤnſten Blau geſehen werden.","norm":"Man setzt die Tafel dem Scheine des Vollmondes entgegen, das Kerzenlicht ein wenig an die Seite, in gehöriger Entfernung, vor die Tafel hält man einen undurchsichtigen Körper; alsdann entsteht ein doppelter Schatten, und zwar wird derjenige, den der Mond wirft und das Kerzenlicht bescheint, gewaltig rotgelb, und umgekehrt der, den das Licht wirft und der Mond bescheint, vom schönsten Blau gesehen werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":309,"orig":"Wo beyde Schatten zuſammentreffen und ſich zu einem vereinigen, iſt er ſchwarz.","norm":"Wo beide Schatten zusammentreffen und sich zu einem vereinigen, ist er schwarz."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":310,"orig":"Der gelbe Schatten laͤßt ſich vielleicht auf keine Weiſe auffallender darſtellen.","norm":"Der gelbe Schatten lässt sich vielleicht auf keine Weise auffallender darstellen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":311,"orig":"Die unmittelbare Naͤhe des blauen, der dazwiſchentretende ſchwarze Schatten machen die Erſcheinung deſto angenehmer.","norm":"Die unmittelbare Nähe des blauen, der dazwischentretende schwarze Schatten machen die Erscheinung desto angenehmer."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":312,"orig":"Ja, wenn der Blick lange auf der Tafel verweilt, ſo wird das geforderte Blau das fordernde Gelb wieder gegenſeitig fordernd ſteigern und ins Gelbrothe treiben, welches denn wieder ſeinen Gegenſatz, eine Art von Meergruͤn, hervorbringt.","norm":"Ja, wenn der Blick lange auf der Tafel verweilt, so wird das geforderte Blau das fordernde Gelb wieder gegenseitig fordernd steigern und ins Gelbrote treiben, welches denn wieder seinen Gegensatz, eine Art von Meergrün, hervorbringt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":313,"orig":"Hier iſt der Ort zu bemerken, daß es wahrſcheinlich eines Zeitmomentes bedarf, um die geforderte Farbe hervorzubringen.","norm":"Hier ist der Ort zu bemerken, dass es wahrscheinlich eines Zeitmomentes bedarf, um die geforderte Farbe hervorzubringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":314,"orig":"Die Retina muß von der fordernden Farbe erſt recht afficirt ſeyn, ehe die geforderte lebhaft bemerklich wird.","norm":"Die Retina muss von der fordernden Farbe erst recht affiziert sein, ehe die geforderte lebhaft bemerkbar wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":315,"orig":"Wenn Taucher ſich unter dem Meere befinden und das Sonnenlicht in ihre Glocke ſcheint, ſo iſt alles Beleuchtete, was ſie umgiebt, purpurfarbig (wovon kuͤnftig die Urſache anzugeben iſt); die Schatten dagegen ſehen gruͤn aus.","norm":"Wenn Taucher sich unter dem Meere befinden und das Sonnenlicht in ihre Glocke scheint, so ist alles Beleuchtete, was sie umgibt, purpurfarbig (wovon künftig die Ursache anzugeben ist); die Schatten dagegen sehen grün aus."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":316,"orig":"Eben daſſelbe Phaͤnomen, was ich auf einem hohen Berge gewahr wurde (75.), bemerken ſie in der Tiefe des Meers, und ſo iſt die Natur mit ſich ſelbſt durchaus uͤbereinſtimmend.","norm":"Eben dasselbe Phänomen, was ich auf einem hohen Berge gewahr wurde (75), bemerken sie in der Tiefe des Meers, und so ist die Natur mit sich selbst durchaus übereinstimmend."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":317,"orig":"Einige Erfahrungen und Verſuche, welche ſich zwiſchen die Capitel von farbigen Bildern und von farbigen Schatten gleichſam einſchieben, werden hier nachgebracht.","norm":"Einige Erfahrungen und Versuche, welche sich zwischen die Kapitel von farbigen Bildern und von farbigen Schatten gleichsam einschieben, werden hier nachgebracht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":318,"orig":"Man habe an einem Winterabende einen weißen Papierladen inwendig vor dem Fenſter eines Zimmers; in dieſem Laden ſey eine Oeffnung, wodurch man den Schnee eines etwa benachbarten Daches ſehen koͤnne; es ſey draußen noch einigermaßen daͤmmrig und ein Licht komme in das Zimmer; ſo wird der Schnee durch die Oeffnung vollkommen blau erſcheinen, weil nehmlich das Papier durch das Kerzenlicht gelb gefaͤrbt wird.","norm":"Man habe an einem Winterabende einen weißen Papierladen inwendig vor dem Fenster eines Zimmers; in diesem Laden sei eine Öffnung, wodurch man den Schnee eines etwa benachbarten Daches sehen könne; es sei draußen noch einigermaßen dämmrig und ein Licht komme in das Zimmer; so wird der Schnee durch die Öffnung vollkommen blau erscheinen, weil nämlich das Papier durch das Kerzenlicht gelb gefärbt wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":319,"orig":"Der Schnee, welchen man durch die Oeffnung ſieht, tritt hier an die Stelle eines durch ein Gegenlicht erhellten Schattens, oder, wenn man will, eines grauen Bildes auf gelber Flaͤche.","norm":"Der Schnee, welchen man durch die Öffnung sieht, tritt hier an die Stelle eines durch ein Gegenlicht erhellten Schattens, oder, wenn man will, eines grauen Bildes auf gelber Fläche."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":320,"orig":"Ein andrer ſehr intereſſanter Verſuch mache den Schluß.","norm":"Ein anderer sehr interessanter Versuch mache den Schluss."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":321,"orig":"Nimmt man eine Tafel gruͤnen Glaſes von einiger Staͤrke und laͤßt darin die Fenſterſtaͤbe ſich ſpiegeln; ſo wird man ſie doppelt ſehen, und zwar wird das Bild, das von der untern Flaͤche des Glaſes kommt, gruͤn ſeyn, das Bild hingegen, das ſich von der obern Flaͤche herleitet und eigentlich farblos ſeyn ſollte, wird purpurfarben erſcheinen.","norm":"Nimmt man eine Tafel grünen Glases von einiger Stärke und lässt darin die Fensterstäbe sich spiegeln; so wird man sie doppelt sehen, und zwar wird das Bild, das von der unteren Fläche des Glases kommt, grün sein, das Bild hingegen, das sich von der oberen Fläche herleitet und eigentlich farblos sein sollte, wird purpurfarben erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":322,"orig":"An einem Gefaͤß, deſſen Boden ſpiegelartig iſt, welches man mit Waſſer fuͤllen kann, laͤßt ſich der Verſuch ſehr artig anſtellen, indem man bey reinem Waſſer erſt die farbloſen Bilder zeigen, und durch Faͤrbung deſſelben ſodann die farbigen Bilder produciren kann.","norm":"An einem Gefäß, dessen Boden spiegelartig ist, welches man mit Wasser füllen kann, lässt sich der Versuch sehr artig anstellen, indem man bei reinem Wasser erst die farblosen Bilder zeigen, und durch Färbung desselben sodann die farbigen Bilder produzieren kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":323,"orig":"Das energiſche Licht erſcheint rein weiß, und dieſen Eindruck macht es auch im hoͤchſten Grade der Blendung.","norm":"Das energische Licht erscheint reinweiß, und diesen Eindruck macht es auch im höchsten Grade der Blendung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":324,"orig":"Das nicht in ſeiner ganzen Gewalt wirkende Licht kann auch noch unter verſchiedenen Bedingungen farblos bleiben.","norm":"Das nicht in seiner ganzen Gewalt wirkende Licht kann auch noch unter verschiedenen Bedingungen farblos bleiben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":325,"orig":"Mehrere Naturforſcher und Mathematiker haben die Stufen deſſelben zu meſſen geſucht.","norm":"Mehrere Naturforscher und Mathematiker haben die Stufen desselben zu messen gesucht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":326,"orig":"Lambert, Bouguer, Rumfort.","norm":"Lambert, Bouguer, Rumford."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":327,"orig":"Jedoch findet ſich bey ſchwaͤcher wirkenden Lichtern bald eine Farbenerſcheinung, indem ſie ſich wie abklingende Bilder verhalten (39).","norm":"Jedoch findet sich bei schwächer wirkenden Lichtern bald eine Farbenerscheinung, indem sie sich wie abklingende Bilder verhalten (39)."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":328,"orig":"Irgend ein Licht wirkt ſchwaͤcher, entweder wenn ſeine Energie, es geſchehe wie es wolle, gemindert wird, oder wenn das Auge in eine Dispoſition geraͤth, die Wirkung nicht genugſam erfahren zu koͤnnen.","norm":"Irgendein Licht wirkt schwächer, entweder wenn seine Energie, es geschehe wie es wolle, gemindert wird, oder wenn das Auge in eine Disposition gerät, die Wirkung nicht genugsam erfahren zu können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":329,"orig":"Jene Erſcheinungen, welche objectiv genannt werden koͤnnen, finden ihren Platz bey den phyſiſchen Farben.","norm":"Jene Erscheinungen, welche objektiv genannt werden können, finden ihren Platz bei den physischen Farben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":330,"orig":"Wir erwaͤhnen hier nur des Uebergangs vom Weißgluͤhen bis zum Rothgluͤhen des erhitzten Eiſens.","norm":"Wir erwähnen hier nur des Übergangs vom Weißglühen bis zum Rotglühen des erhitzten Eisens."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":331,"orig":"Nicht weniger bemerken wir, daß Kerzen, auch bey Nachtzeit, nach Maßgabe wie man ſie vom Auge entfernt, roͤther ſcheinen.","norm":"Nicht weniger bemerken wir, dass Kerzen, auch bei Nachtzeit, nach Maßgabe wie man sie vom Auge entfernt, röter scheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":332,"orig":"Der Kerzenſchein bey Nacht wirkt in der Naͤhe als ein gelbes Licht; wir koͤnnen es an der Wirkung bemerken, welche auf die uͤbrigen Farben hervorgebracht wird.","norm":"Der Kerzenschein bei Nacht wirkt in der Nähe als ein gelbes Licht; wir können es an der Wirkung bemerken, welche auf die übrigen Farben hervorgebracht wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":333,"orig":"Ein Blaßgelb iſt bey Nacht wenig von dem Weißen zu unterſcheiden; das Blaue naͤhert ſich dem Gruͤnen und ein Roſenfarb dem Orangen.","norm":"Ein Blassgelb ist bei Nacht wenig von dem Weißen zu unterscheiden; das Blaue nähert sich dem Grünen und ein Rosenfarbe dem Orangen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":334,"orig":"Der Schein des Kerzenlichts bey der Daͤmmrung wirkt lebhaft als ein gelbes Licht, welches die blauen Schatten am beſten beweiſen, die bey dieſer Gelegenheit im Auge hervorgerufen werden.","norm":"Der Schein des Kerzenlichts bei der Dämmerung wirkt lebhaft als ein gelbes Licht, welches die blauen Schatten am besten beweisen, die bei dieser Gelegenheit im Auge hervorgerufen werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":335,"orig":"Die Retina kann durch ein ſtarkes Licht dergeſtalt gereizt werden, daß ſie ſchwaͤchere Lichter nicht erkennen kann (11).","norm":"Die Retina kann durch ein starkes Licht dergestalt gereizt werden, dass sie schwächere Lichter nicht erkennen kann (11)."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":336,"orig":"Erkennt ſie ſolche, ſo erſcheinen ſie farbig; daher ſieht ein Kerzenlicht bey Tage roͤthlich aus, es verhaͤlt ſich wie ein abklingendes; ja ein Kerzenlicht, das man bey Nacht laͤnger und ſchaͤrfer anſieht, erſcheint immer roͤther.","norm":"Erkennt sie solche, so erscheinen sie farbig; daher sieht ein Kerzenlicht bei Tage rötlich aus, es verhält sich wie ein abklingendes; ja ein Kerzenlicht, das man bei Nacht länger und schärfer ansieht, erscheint immer röter."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":337,"orig":"Es giebt ſchwach wirkende Lichter, welche demungeachtet eine weiße, hoͤchſtens hellgelbliche Erſcheinung auf der Retina machen, wie der Mond in ſeiner vollen Klarheit.","norm":"Es gibt schwach wirkende Lichter, welche dem ungeachtet eine weiße, höchstens hellgelbliche Erscheinung auf der Retina machen, wie der Mond in seiner vollen Klarheit."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":338,"orig":"Das faule Holz hat ſogar eine Art von blaͤulichem Schein.","norm":"Das faule Holz hat sogar eine Art von bläulichem Schein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":339,"orig":"Dieſes alles wird kuͤnftig wieder zur Sprache kommen.","norm":"Dieses alles wird künftig wieder zur Sprache kommen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":340,"orig":"Wenn man nahe an eine weiße oder grauliche Wand Nachts ein Licht ſtellt, ſo wird ſie von dieſem Mittelpunct aus auf eine ziemliche Weite erleuchtet ſeyn.","norm":"Wenn man nahe an eine weiße oder grauliche Wand Nachts ein Licht stellt, so wird sie von diesem Mittelpunkt aus auf eine ziemliche Weite erleuchtet sein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":341,"orig":"Betrachtet man den daher entſtehenden Kreis aus einiger Ferne, ſo erſcheint uns der Rand der erleuchteten Flaͤche mit einem gelben, nach außen rothgelben Kreiſe umgeben, und wir werden aufmerkſam gemacht, daß das Licht, wenn es ſcheinend oder widerſcheinend nicht in ſeiner groͤßten Energie auf uns wirkt, unſerm Auge den Eindruck vom Gelben, Roͤthlichen, und zuletzt ſogar vom Rothen gebe.","norm":"Betrachtet man den daher entstehenden Kreis aus einiger Ferne, so erscheint uns der Rand der erleuchteten Fläche mit einem gelben, nach außen rotgelben Kreise umgeben, und wir werden aufmerksam gemacht, dass das Licht, wenn es scheinend oder widerscheinend nicht in seiner größten Energie auf uns wirkt, unserem Auge den Eindruck vom Gelben, Rötlichen, und zuletzt sogar vom Roten gebe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":342,"orig":"Hier finden wir den Uebergang zu den Hoͤfen, die wir um leuchtende Punkte auf eine oder die andre Weiſe zu ſehen pflegen.","norm":"Hier finden wir den Übergang zu den Höfen, die wir um leuchtende Punkte auf eine oder die andere Weise zu sehen pflegen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":343,"orig":"Man kann die Hoͤfe in ſubjective und objective eintheilen.","norm":"Man kann die Höfe in subjektive und objektive einteilen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":344,"orig":"Die letzten werden unter den phyſiſchen Farben abgehandelt, nur die erſten gehoͤren hieher.","norm":"Die letzten werden unter den physischen Farben abgehandelt, nur die ersten gehören hierher."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":345,"orig":"Sie unterſcheiden ſich von den objectiven darin, daß ſie verſchwinden, wenn man den leuchtenden Gegenſtand, der ſie auf der Netzhaut hervorbringt, zudeckt.","norm":"Sie unterscheiden sich von den objektiven darin, dass sie verschwinden, wenn man den leuchtenden Gegenstand, der sie auf der Netzhaut hervorbringt, zudeckt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":346,"orig":"Wir haben oben den Eindruck des leuchtenden Bildes auf die Retina geſehen und wie es ſich auf derſelben vergroͤßert; aber damit iſt die Wirkung noch nicht vollendet.","norm":"Wir haben oben den Eindruck des leuchtenden Bildes auf die Retina gesehen und wie es sich auf derselben vergrößert; aber damit ist die Wirkung noch nicht vollendet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":347,"orig":"Es wirkt nicht allein als Bild, ſondern auch als Energie uͤber ſich hinaus; es verbreitet ſich vom Mittelpuncte aus nach der Peripherie.","norm":"Es wirkt nicht allein als Bild, sondern auch als Energie über sich hinaus; es verbreitet sich vom Mittelpunkte aus nach der Peripherie."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":348,"orig":"Daß ein ſolcher Nimbus um das leuchtende Bild in unſerm Auge bewirket werde, kann man am beſten in der dunkeln Kammer ſehen, wenn man gegen eine maͤßig große Oeffnung im Fenſterladen hinblickt.","norm":"Dass ein solcher Nimbus um das leuchtende Bild in unserem Auge bewirket werde, kann man am besten in der dunkeln Kammer sehen, wenn man gegen eine mäßig große Öffnung im Fensterladen hinblickt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":349,"orig":"Hier iſt das helle Bild von einem runden Nebelſchein umgeben.","norm":"Hier ist das helle Bild von einem runden Nebelschein umgeben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":350,"orig":"Einen ſolchen Nebelſchein ſah ich mit einem gelben und gelbrothen Kreiſe umgeben, als ich mehrere Naͤchte in einem Schlafwagen zubrachte und Morgens bey daͤmmerndem Tageslichte die Augen aufſchlug.","norm":"Einen solchen Nebelschein sah ich mit einem gelben und gelbroten Kreise umgeben, als ich mehrere Nächte in einem Schlafwagen zubrachte und Morgens bei dämmerndem Tageslichte die Augen aufschlug."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":351,"orig":"Die Hoͤfe erſcheinen am lebhafteſten, wenn das Auge ausgeruht und empfaͤnglich iſt.","norm":"Die Höfe erscheinen am lebhaftesten, wenn das Auge ausgeruht und empfänglich ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":352,"orig":"Nicht weniger vor einem dunklen Hintergrund.","norm":"Nicht weniger vor einem dunklen Hintergrund."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":353,"orig":"Beydes iſt die Urſache, daß wir ſie ſo ſtark ſehen, wenn wir Nachts aufwachen und uns ein Licht entgegengebracht wird.","norm":"Beides ist die Ursache, dass wir sie so stark sehen, wenn wir Nachts aufwachen und uns ein Licht entgegengebracht wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":354,"orig":"Dieſe Bedingungen fanden ſich auch zuſammen, als Descartes im Schiff ſitzend geſchlafen hatte und ſo lebhafte farbige Scheine um das Licht bemerkte.","norm":"Diese Bedingungen fanden sich auch zusammen, als Descartes im Schiff sitzend geschlafen hatte und so lebhafte farbige Scheine um das Licht bemerkte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":355,"orig":"Ein Licht muß maͤßig leuchten, nicht blenden, wenn es einen Hof im Auge erregen ſoll, wenigſtens wuͤrden die Hoͤfe eines blendenden Lichtes nicht bemerkt werden koͤnnen.","norm":"Ein Licht muss mäßig leuchten, nicht blenden, wenn es einen Hof im Auge erregen soll, wenigstens würden die Höfe eines blendenden Lichtes nicht bemerkt werden können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":356,"orig":"Wir ſehen einen ſolchen Glanzhof um die Sonne, welche von einer Waſſerflaͤche ins Auge faͤllt.","norm":"Wir sehen einen solchen Glanzhof um die Sonne, welche von einer Wasserfläche ins Auge fällt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":357,"orig":"Genau beobachtet iſt ein ſolcher Hof an ſeinem Rande mit einem gelben Saume eingefaßt.","norm":"Genau beobachtet ist ein solcher Hof an seinem Rande mit einem gelben Saume eingefasst."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":358,"orig":"Aber auch hier iſt jene energiſche Wirkung noch nicht geendigt, ſondern ſie ſcheint ſich in abwechſelnden Kreiſen weiter fort zu bewegen.","norm":"Aber auch hier ist jene energische Wirkung noch nicht geendigt, sondern sie scheint sich in abwechselnden Kreisen weiter fort zu bewegen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":359,"orig":"Es giebt viele Faͤlle, die auf eine kreisartige Wirkung der Retina deuten, es ſey nun, daß ſie durch die runde Form des Auges ſelbſt und ſeiner verſchiedenen Theile, oder ſonſt hervorgebracht werde.","norm":"Es gibt viele Fälle, die auf eine kreisartige Wirkung der Retina deuten, es sei nun, dass sie durch die runde Form des Auges selbst und seiner verschiedenen Teile, oder sonst hervorgebracht werde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":360,"orig":"Wenn man das Auge von dem innern Augenwinkel her nur ein wenig druͤckt, ſo entſtehen dunklere oder hellere Kreiſe.","norm":"Wenn man das Auge von dem inneren Augenwinkel her nur ein wenig drückt, so entstehen dunklere oder hellere Kreise."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":361,"orig":"Man kann bey Nachtzeit manchmal auch ohne Druck eine Succeſſion ſolcher Kreiſe gewahr werden, von denen ſich einer aus dem andern entwickelt, einer vom andern verſchlungen wird.","norm":"Man kann bei Nachtzeit manchmal auch ohne Druck eine Sukzession solcher Kreise gewahr werden, von denen sich einer aus dem anderen entwickelt, einer vom anderen verschlungen wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":362,"orig":"Wir haben ſchon einen gelben Rand um den von einem nah geſtellten Licht erleuchteten weißen Raum geſehen.","norm":"Wir haben schon einen gelben Rand um den von einem nah gestellten Licht erleuchteten weißen Raum gesehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":363,"orig":"Dieß waͤre eine Art von objectivem Hof (88).","norm":"Dies wäre eine Art von objektivem Hof (88)."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":364,"orig":"Die ſubjectiven Hoͤfe koͤnnen wir uns als den Conflict des Lichtes mit einem lebendigen Raume denken.","norm":"Die subjektiven Höfe können wir uns als den Konflikt des Lichtes mit einem lebendigen Raume denken."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":365,"orig":"Aus dem Conflict des Bewegenden mit dem Bewegten entſteht eine undulirende Bewegung.","norm":"Aus dem Konflikt des Bewegenden mit dem Bewegten entsteht eine undulierende Bewegung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":366,"orig":"Man kann das Gleichniß von den Ringen im Waſſer hernehmen.","norm":"Man kann das Gleichnis von den Ringen im Wasser hernehmen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":367,"orig":"Der hineingeworfene Stein treibt das Waſſer nach allen Seiten, die Wirkung erreicht eine hoͤchſte Stufe, ſie klingt ab und gelangt, im Gegenſatz, zur Tiefe.","norm":"Der hineingeworfene Stein treibt das Wasser nach allen Seiten, die Wirkung erreicht eine höchste Stufe, sie klingt ab und gelangt, im Gegensatz, zur Tiefe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":368,"orig":"Die Wirkung geht fort, culminirt aufs neue und ſo wiederholen ſich die Kreiſe.","norm":"Die Wirkung geht fort, kulminiert aufs neue und so wiederholen sich die Kreise."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":369,"orig":"Erinnert man ſich der concentriſchen Ringe, die in einem mit Waſſer gefuͤllten Trinkglaſe entſtehen, wenn man verſucht, einen Ton durch Reiben des Randes hervorzubringen, gedenkt man der intermittirenden Schwingungen beym Abklingen der Glocken; ſo naͤhert man ſich wohl in der Vorſtellung demjenigen, was auf der Retina vorgehen mag, wenn ſie von einem leuchtenden Gegenſtand getroffen wird, nur daß ſie als lebendig ſchon eine gewiſſe kreisartige Dispoſition in ihrer Organiſation hat.","norm":"Erinnert man sich der konzentrischen Ringe, die in einem mit Wasser gefüllten Trinkglase entstehen, wenn man versucht, einen Ton durch Reiben des Randes hervorzubringen, gedenkt man der intermittierenden Schwingungen beim Abklingen der Glocken; so nähert man sich wohl in der Vorstellung demjenigen, was auf der Retina vorgehen mag, wenn sie von einem leuchtenden Gegenstand getroffen wird, nur dass sie als lebendig schon eine gewisse kreisartige Disposition in ihrer Organisation hat."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":370,"orig":"Die um das leuchtende Bild ſich zeigende helle Kreisflaͤche iſt gelb mit Roth geendigt.","norm":"Die um das leuchtende Bild sich zeigende helle Kreisfläche ist gelb mit Rot geendigt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":371,"orig":"Darauf folgt ein gruͤnlicher Kreis, der mit einem rothen Rande geſchloſſen iſt.","norm":"Darauf folgt ein grünlicher Kreis, der mit einem roten Rande geschlossen ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":372,"orig":"Dieß ſcheint das gewoͤhnliche Phaͤnomen zu ſeyn bey einer gewiſſen Groͤße des leuchtenden Koͤrpers.","norm":"Dies scheint das gewöhnliche Phänomen zu sein bei einer gewissen Größe des leuchtenden Körpers."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":373,"orig":"Dieſe Hoͤfe werden groͤßer, je weiter man ſich von dem leuchtenden Bilde entfernt.","norm":"Diese Höfe werden größer, je weiter man sich von dem leuchtenden Bilde entfernt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":374,"orig":"Die Hoͤfe koͤnnen aber auch im Auge unendlich klein und vielfach erſcheinen, wenn der erſte Anſtoß klein und maͤchtig iſt.","norm":"Die Höfe können aber auch im Auge unendlich klein und vielfach erscheinen, wenn der erste Anstoß klein und mächtig ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":375,"orig":"Der Verſuch macht ſich am beſten mit einer auf der Erde liegenden, von der Sonne beſchienenen Goldflinter.","norm":"Der Versuch macht sich am besten mit einer auf der Erde liegenden, von der Sonne beschienenen Goldflinter."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":376,"orig":"In dieſen Faͤllen erſcheinen die Hoͤfe in bunten Strahlen.","norm":"In diesen Fällen erscheinen die Höfe in bunten Strahlen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":377,"orig":"Jene farbige Erſcheinung, welche die Sonne im Auge macht, indem ſie durch Baumblaͤtter dringt, ſcheint auch hieher zu gehoͤren.","norm":"Jene farbige Erscheinung, welche die Sonne im Auge macht, indem sie durch Baumblätter dringt, scheint auch hierher zu gehören."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":378,"orig":"Die phyſiologiſchen Farben kennen wir nunmehr hinreichend, um ſie von den pathologiſchen zu unterſcheiden.","norm":"Die physiologischen Farben kennen wir nunmehr hinreichend, um sie von den pathologischen zu unterscheiden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":379,"orig":"Wir wiſſen, welche Erſcheinungen dem geſunden Auge zugehoͤren und noͤthig ſind, damit ſich das Organ vollkommen lebendig und thaͤtig erzeige.","norm":"Wir wissen, welche Erscheinungen dem gesunden Auge zugehören und nötig sind, damit sich das Organ vollkommen lebendig und tätig erzeige."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":380,"orig":"Die krankhaften Phaͤnomene deuten gleichfalls auf organiſche und phyſiſche Geſetze: denn wenn ein beſonderes lebendiges Weſen von derjenigen Regel abweicht, durch die es gebildet iſt, ſo ſtrebt es ins allgemeine Leben hin, immer auf einem geſetzlichen Wege, und macht uns auf ſeiner ganzen Bahn jene Maximen anſchaulich, aus welchen die Welt entſprungen iſt und durch welche ſie zuſammengehalten wird.","norm":"Die krankhaften Phänomene deuten gleichfalls auf organische und physische Gesetze: denn wenn ein besonderes lebendiges Wesen von derjenigen Regel abweicht, durch die es gebildet ist, so strebt es ins allgemeine Leben hin, immer auf einem gesetzlichen Wege, und macht uns auf seiner ganzen Bahn jene Maximen anschaulich, aus welchen die Welt entsprungen ist und durch welche sie zusammengehalten wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":381,"orig":"Wir ſprechen hier zuerſt von einem ſehr merkwuͤrdigen Zuſtande, in welchem ſich die Augen mancher Perſonen befinden.","norm":"Wir sprechen hier zuerst von einem sehr merkwürdigen Zustande, in welchem sich die Augen mancher Personen befinden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":382,"orig":"Indem er eine Abweichung von der gewoͤhnlichen Art die Farben zu ſehen anzeigt, ſo gehoͤrt er wohl zu den krankhaften; da er aber regelmaͤßig iſt, oͤfter vorkommt, ſich auf mehrere Familienglieder erſtreckt und ſich wahrſcheinlich nicht heilen laͤßt, ſo ſtellen wir ihn billig auf die Graͤnze.","norm":"Indem er eine Abweichung von der gewöhnlichen Art die Farben zu sehen anzeigt, so gehört er wohl zu den krankhaften; da er aber regelmäßig ist, öfter vorkommt, sich auf mehrere Familienglieder erstreckt und sich wahrscheinlich nicht heilen lässt, so stellen wir ihn billig auf die Grenze."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":383,"orig":"Ich kannte zwey Subjecte, die damit behaftet waren, nicht uͤber zwanzig Jahr alt; beyde hatten blaugraue Augen, ein ſcharfes Geſicht in der Naͤhe und Ferne, bey Tages- und Kerzenlicht, und ihre Art die Farben zu ſehen war in der Hauptſache voͤllig uͤbereinſtimmend.","norm":"Ich kannte zwei Subjekte, die damit behaftet waren, nicht über zwanzig Jahr alt; beide hatten blaugraue Augen, ein scharfes Gesicht in der Nähe und Ferne, bei Tages- und Kerzenlicht, und ihre Art die Farben zu sehen war in der Hauptsache völlig übereinstimmend."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":384,"orig":"Mit uns treffen ſie zuſammen, daß ſie Weiß, Schwarz und Grau nach unſrer Weiſe benennen;","norm":"Mit uns treffen sie zusammen, dass sie Weiß, Schwarz und Grau nach unserer Weise benennen;"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":385,"orig":"Weiß ſahen ſie Beyde ohne Beymiſchung.","norm":"Weiß sahen sie Beide ohne Beimischung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":386,"orig":"Der Eine wollte bey Schwarz etwas Braͤunliches und bey Grau etwas Roͤthliches bemerken.","norm":"Der Eine wollte bei Schwarz etwas Bräunliches und bei Grau etwas Rötliches bemerken."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":387,"orig":"Ueberhaupt ſcheinen ſie die Abſtufung von Hell und Dunkel ſehr zart zu empfinden.","norm":"Überhaupt scheinen sie die Abstufung von Hell und Dunkel sehr zart zu empfinden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":388,"orig":"Mit uns ſcheinen ſie Gelb, Rothgelb und Gelbroth zu ſehen; bey dem letzten ſagen ſie, ſie ſaͤhen das Gelbe gleichſam uͤber dem Roth ſchnben, wie laſirt.","norm":"Mit uns scheinen sie Gelb, Rotgelb und Gelbrot zu sehen; bei dem letzten sagen sie, sie sähen das Gelbe gleichsam über dem Rot schweben, wie lasiert."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":389,"orig":"Carmin in der Mitte einer Untertaſſe dicht aufgetrocknet nannten ſie roth.","norm":"Karmin in der Mitte einer Untertasse dicht aufgetrocknet nannten sie rot."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":390,"orig":"Nun aber tritt eine auffallende Differenz ein.","norm":"Nun aber tritt eine auffallende Differenz ein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":391,"orig":"Man ſtreiche mit einem genetzten Pinſel den Carmin leicht uͤber die weiße Schale, ſo werden ſie dieſe entſtehende helle Farbe der Farbe des Himmels vergleichen und ſolche blau nennen.","norm":"Man streiche mit einem genetzten Pinsel den Karmin leicht über die weiße Schale, so werden sie diese entstehende helle Farbe der Farbe des Himmels vergleichen und solche blau nennen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":392,"orig":"Zeigt man ihnen daneben eine Roſe, ſo nennen ſie dieſe auch blau, und koͤnnen bey allen Proben, die man anſtellt, das Hellblau nicht von dem Roſenfarb unterſcheiden.","norm":"Zeigt man ihnen daneben eine Rose, so nennen sie diese auch blau, und können bei allen Proben, die man anstellt, das Hellblau nicht von dem Rosenfarbe unterscheiden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":393,"orig":"Sie verwechſeln Roſenfarb, Blau und Violet durchaus; nur durch kleine Schattirungen des Helleren, Dunkleren, Lebhafteren, Schwaͤcheren ſcheinen ſich dieſe Farben fuͤr ſie von einander abzuſondern.","norm":"Sie verwechseln Rosenfarbe, Blau und Violett durchaus; nur durch kleine Schattierungen des Helleren, Dunkleren, Lebhafteren, Schwächeren scheinen sich diese Farben für sie voneinander abzusondern."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":394,"orig":"Ferner koͤnnen ſie Gruͤn von einem Dunkelorange, beſonders aber von einem Rothbraun nicht unterſcheiden.","norm":"Ferner können sie Grün von einem Dunkelorange, besonders aber von einem Rotbraun nicht unterscheiden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":395,"orig":"Wenn man die Unterhaltung mit ihnen dem Zufall uͤberlaͤßt und ſie bloß uͤber vorliegende Gegenſtaͤnde befragt, ſo geraͤth man in die groͤßte Verwirrung und fuͤrchtet wahnſinnig zu werden.","norm":"Wenn man die Unterhaltung mit ihnen dem Zufall überlässt und sie bloß über vorliegende Gegenstände befragt, so gerät man in die größte Verwirrung und fürchtet wahnsinnig zu werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":396,"orig":"Mit einiger Methode hingegen kommt man dem Geſetz dieſer Geſetzwidrigkeit ſchon um vieles naͤher.","norm":"Mit einiger Methode hingegen kommt man dem Gesetz dieser Gesetzwidrigkeit schon um vieles näher."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":397,"orig":"Sie haben, wie man aus dem Obigen ſehen kann, weniger Farben als wir; daher denn die Verwechſelung von verſchiedenen Farben entſteht.","norm":"Sie haben, wie man aus dem Obigen sehen kann, weniger Farben als wir; daher denn die Verwechselung von verschiedenen Farben entsteht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":398,"orig":"Sie nennen den Himmel roſenfarb und die Roſe blau, oder umgekehrt.","norm":"Sie nennen den Himmel Rosenfarbe und die Rose blau, oder umgekehrt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":399,"orig":"Nun fragt ſich: ſehen ſie beydes blau, oder beydes roſenfarb?","norm":"Nun fragt sich: sehen sie beides blau, oder beides Rosenfarbe?"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":400,"orig":"ſehen ſie das Gruͤn orange, oder das Orange gruͤn?","norm":"sehen sie das Grün orange, oder das Orange grün?"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":401,"orig":"Dieſe ſeltſamen Raͤthſel ſcheinen ſich zu loͤſen, wenn man annimmt, daß ſie kein Blau, ſondern an deſſen Statt einen diluirten Purpur, ein Roſenfarb, ein helles reines Roth ſehen.","norm":"Diese seltsamen Rätsel scheinen sich zu lösen, wenn man annimmt, dass sie kein Blau, sondern an dessen statt einen diluierten Purpur, ein Rosenfarbe, ein helles reines Rot sehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":402,"orig":"Symboliſch kann man ſich dieſe Loͤſung einſtweilen folgendermaßen vorſtellen.","norm":"Symbolisch kann man sich diese Lösung einstweilen folgendermaßen vorstellen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":403,"orig":"Nehmen wir aus unſerm Farbenkreiſe das Blaue heraus, ſo fehlt uns Blau, Violet und Gruͤn.","norm":"Nehmen wir aus unserem Farbenkreise das Blaue heraus, so fehlt uns Blau, Violett und Grün."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":404,"orig":"Das reine Roth verbreitet ſich an der Stelle der beyden erſten, und wenn es wieder das Gelbe beruͤhrt, bringt es anſtatt des Gruͤnen abermals ein Orange hervor.","norm":"Das reine Rot verbreitet sich an der Stelle der beiden ersten, und wenn es wieder das Gelbe berührt, bringt es anstatt des Grünen abermals ein Orange hervor."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":405,"orig":"Indem wir uns von dieſer Erklaͤrungsart uͤberzeugt halten, haben wir dieſe merkwuͤrdige Abweichung vom gewoͤhnlichen Sehen Akyanoblepſie genannt, und zu beſſerer Einſicht mehrere Figuren gezeichnet und illuminirt, bey deren Erklaͤrung wir kuͤnftig das Weitre beyzubringen gedenken.","norm":"Indem wir uns von dieser Erklärungsart überzeugt halten, haben wir diese merkwürdige Abweichung vom gewöhnlichen Sehen Akyanoblepsie genannt, und zu besserer Einsicht mehrere Figuren gezeichnet und illuminiert, bei deren Erklärung wir künftig das Weitre beizubringen gedenken."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":406,"orig":"Auch findet man daſelbſt eine Landſchaft, gefaͤrbt nach der Weiſe, wie dieſe Menſchen wahrſcheinlich die Natur ſehen, den Himmel roſenfarb und alles Gruͤne in Toͤnen vom Gelben bis zum Braunrothen, ungefaͤhr wie es uns im Herbſt erſcheint.","norm":"Auch findet man daselbst eine Landschaft, gefärbt nach der Weise, wie diese Menschen wahrscheinlich die Natur sehen, den Himmel Rosenfarbe und alles Grüne in Tönen vom Gelben bis zum Braunroten, ungefähr wie es uns im Herbst erscheint."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":407,"orig":"Wir ſprechen nunmehr von krankhaften ſowohl als allen widernatuͤrlichen, außernatuͤrlichen, ſeltenen Affectionen der Retina, wobey, ohne aͤußres Licht, das Auge zu einer Lichterſcheinung disponirt werden kann, und behalten uns vor, des galvaniſchen Lichtes kuͤnftig zu erwaͤhnen.","norm":"Wir sprechen nunmehr von krankhaften sowohl als allen widernatürlichen, außernatürlichen, seltenen Affektionen der Retina, wobei, ohne äußeres Licht, das Auge zu einer Lichterscheinung disponiert werden kann, und behalten uns vor, des galvanischen Lichtes künftig zu erwähnen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":408,"orig":"Bey einem Schlag aufs Auge ſcheinen Funken umher zu ſpruͤhen.","norm":"Bei einem Schlag aufs Auge scheinen Funken umher zu sprühen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":409,"orig":"Ferner, wenn man in gewiſſen koͤrperlichen Dispoſitionen, beſonders bey erhitztem Blute und reger Empfindlichkeit, das Auge erſt ſachte, dann immer ſtaͤrker druͤckt, ſo kann man ein blendendes unertraͤgliches Licht erregen.","norm":"Ferner, wenn man in gewissen körperlichen Dispositionen, besonders bei erhitztem Blute und reger Empfindlichkeit, das Auge erst sachte, dann immer stärker drückt, so kann man ein blendendes unerträgliches Licht erregen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":410,"orig":"Operirte Staarkranke, wenn ſie Schmerz und Hitze im Auge haben, ſehen haͤufig feurige Blitze und Funken, welche zuweilen acht bis vierzehn Tage bleiben, oder doch ſo lange, bis Schmerz und Hitze weicht.","norm":"Operierte Starkranke, wenn sie Schmerz und Hitze im Auge haben, sehen häufig feurige Blitze und Funken, welche zuweilen acht bis vierzehn Tage bleiben, oder doch so lange, bis Schmerz und Hitze weicht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":411,"orig":"Ein Kranker, wenn er Ohrenſchmerz bekam, ſah jederzeit Lichtfunken und Kugeln im Auge, ſo lange der Schmerz dauerte.","norm":"Ein Kranker, wenn er Ohrenschmerz bekam, sah jederzeit Lichtfunken und Kugeln im Auge, solange der Schmerz dauerte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":412,"orig":"Wurmkranke haben oft ſonderbare Erſcheinungen im Auge, bald Feuerfunken, bald Lichtgeſpenſter, bald ſchreckhafte Figuren, die ſie nicht entfernen koͤnnen.","norm":"Wurmkranke haben oft sonderbare Erscheinungen im Auge, bald Feuerfunken, bald Lichtgespenster, bald schreckhafte Figuren, die sie nicht entfernen können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":413,"orig":"Bald ſehen ſie doppelt.","norm":"Bald sehen sie doppelt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":414,"orig":"Hypochondriſten ſehen haͤufig ſchwarze Figuren als Faͤden, Haare, Spinnen, Fliegen, Wespen.","norm":"Hypochondristen sehen häufig schwarze Figuren als Fäden, Haare, Spinnen, Fliegen, Wespen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":415,"orig":"Dieſe Erſcheinungen zeigen ſich auch bey anfangendem ſchwarzen Staar.","norm":"Diese Erscheinungen zeigen sich auch bei anfangendem schwarzen Star."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":416,"orig":"Manche ſehen halbdurchſichtige kleine Roͤhren, wie Fluͤgel von Inſecten, Waſſerblaͤschen von verſchiedener Groͤße, welche beym Heben des Auges niederſinken, zuweilen gerade ſo in Verbindung haͤngen, wie Froſchlaich, und bald als voͤllige Sphaͤren, bald als Linſen bemerkt werden.","norm":"Manche sehen halbdurchsichtige kleine Röhren, wie Flügel von Insekten, Wasserbläschen von verschiedener Größe, welche beim Heben des Auges niedersinken, zuweilen gerade so in Verbindung hängen, wie Froschlaich, und bald als völlige Sphären, bald als Linsen bemerkt werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":417,"orig":"Wie dort das Licht ohne aͤußeres Licht, ſo entſpringen auch dieſe Bilder ohne aͤußre Bilder.","norm":"Wie dort das Licht ohne äußeres Licht, so entspringen auch diese Bilder ohne äußre Bilder."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":418,"orig":"Sie ſind theils voruͤbergehend, theils lebenslaͤnglich dauernd.","norm":"Sie sind teils vorübergehend, teils lebenslänglich dauernd."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":419,"orig":"Hiebey tritt auch manchmal eine Farbe ein: denn Hypochondriſten ſehen auch haͤufig gelbrothe ſchmale Baͤnder im Auge, oft heftiger und haͤufiger am Morgen, oder bey leerem Magen.","norm":"Hierbei tritt auch manchmal eine Farbe ein: denn Hypochondristen sehen auch häufig gelbrote schmale Bänder im Auge, oft heftiger und häufiger am Morgen, oder bei leerem Magen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":420,"orig":"Daß der Eindruck irgend eines Bildes im Auge einige Zeit verharre, kennen wir als ein phyſiologiſches Phaͤnomen (23), die allzulange Dauer eines ſolchen Eindrucks hingegen kann als krankhaft angeſehen werden.","norm":"Dass der Eindruck irgendeines Bildes im Auge einige Zeit verharre, kennen wir als ein physiologisches Phänomen (23), die allzu lange Dauer eines solchen Eindrucks hingegen kann als krankhaft angesehen werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":421,"orig":"Je ſchwaͤcher das Auge iſt, deſto laͤnger bleibt das Bild in demſelben.","norm":"Je schwächer das Auge ist, desto länger bleibt das Bild in demselben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":422,"orig":"Die Retina ſtellt ſich nicht ſobald wieder her, und man kann die Wirkung als eine Art von Paralyſe anſehen (28).","norm":"Die Retina stellt sich nicht so bald wieder her, und man kann die Wirkung als eine Art von Paralyse ansehen (28)."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":423,"orig":"Von blendenden Bildern iſt es nicht zu verwundern.","norm":"Von blendenden Bildern ist es nicht zu verwundern."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":424,"orig":"Wenn man in die Sonne ſieht, ſo kann man das Bild mehrere Tage mit ſich herumtragen.","norm":"Wenn man in die Sonne sieht, so kann man das Bild mehrere Tage mit sich herumtragen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":425,"orig":"Boyle erzaͤhlt einen Fall von zehn Jahren.","norm":"Boyle erzählt einen Fall von zehn Jahren."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":426,"orig":"Das Gleiche findet auch verhaͤltnißmaͤßig von Bildern, welche nicht blendend ſind, ſtatt.","norm":"Das Gleiche findet auch verhältnismäßig von Bildern, welche nicht blendend sind, statt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":427,"orig":"Buͤſch erzaͤhlt von ſich ſelbſt, daß ihm ein Kupferſtich vollkommen mit allen ſeinen Theilen bey ſiebzehn Minuten im Auge geblieben.","norm":"Büsch erzählt von sich selbst, dass ihm ein Kupferstich vollkommen mit allen seinen Teilen bei siebzehn Minuten im Auge geblieben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":428,"orig":"Mehrere Perſonen, welche zu Krampf und Vollbluͤtigkeit geneigt waren, behielten das Bild eines hochrothen Cattuns mit weißen Muſcheln viele Minuten lang im Auge und ſahen es wie einen Flor vor allem ſchweben.","norm":"Mehrere Personen, welche zu Krampf und Vollblütigkeit geneigt waren, behielten das Bild eines hochroten Kattuns mit weißen Muscheln viele Minuten lang im Auge und sahen es wie einen Flor vor allem schweben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":429,"orig":"Nur nach langem Reiben des Auges verlor ſich’s.","norm":"Nur nach langem Reiben des Auges verlor sich es."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":430,"orig":"Scherfer bemerkt, daß die Purpurfarbe eines abklingenden ſtarken Lichteindrucks einige Stunden dauern koͤnne.","norm":"Scherfer bemerkt, dass die Purpurfarbe eines abklingenden starken Lichteindrucks einige Stunden dauern könne."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":431,"orig":"Wie wir durch Druck auf den Augapfel eine Lichterſcheinung auf der Retina hervorbringen koͤnnen, ſo entſteht bey ſchwachem Druck eine rothe Farbe und wird gleichſam ein abklingendes Licht hervorgebracht.","norm":"Wie wir durch Druck auf den Augapfel eine Lichterscheinung auf der Retina hervorbringen können, so entsteht bei schwachem Druck eine rote Farbe und wird gleichsam ein abklingendes Licht hervorgebracht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":432,"orig":"Viele Kranke, wenn ſie erwachen, ſehen alles in der Farbe des Morgenroths, wie durch einen rothen Flor; auch wenn ſie am Abend leſen, und zwiſchendurch einnicken und wieder aufwachen, pflegt es zu geſchehen.","norm":"Viele Kranke, wenn sie erwachen, sehen alles in der Farbe des Morgenrots, wie durch einen roten Flor; auch wenn sie am Abend lesen, und zwischendurch einnicken und wieder aufwachen, pflegt es zu geschehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":433,"orig":"Dieſes bleibt minutenlang und vergeht allenfalls, wenn das Auge etwas gerieben wird.","norm":"Dieses bleibt minutenlang und vergeht allenfalls, wenn das Auge etwas gerieben wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":434,"orig":"Dabey ſind zuweilen rothe Sterne und Kugeln.","norm":"Dabei sind zuweilen rote Sterne und Kugeln."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":435,"orig":"Dieſes Rothſehen dauert auch wohl eine lange Zeit.","norm":"Dieses Rotsehen dauert auch wohl eine lange Zeit."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":436,"orig":"Die Luftfahrer, beſonders Zambeccari und ſeine Gefaͤhrten, wollen in ihrer hoͤchſten Erhebung den Mond blutroth geſehen haben.","norm":"Die Luftfahrer, besonders Zambeccari und seine Gefährten, wollen in ihrer höchsten Erhebung den Mond blutrot gesehen haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":437,"orig":"Da ſie ſich uͤber die irdiſchen Duͤnſte emporgeſchwungen hatten, durch welche wir den Mond und die Sonne wohl in einer ſolchen Farbe ſehen; ſo laͤßt ſich vermuthen, daß dieſe Erſcheinung zu den pathologiſchen Farben gehoͤre.","norm":"Da sie sich über die irdischen Dünste emporgeschwungen hatten, durch welche wir den Mond und die Sonne wohl in einer solchen Farbe sehen; so lässt sich vermuten, dass diese Erscheinung zu den pathologischen Farben gehöre."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":438,"orig":"Es moͤgen nehmlich die Sinne durch den ungewohnten Zuſtand dergeſtalt afficirt ſeyn, daß der ganze Koͤrper und beſonders auch die Retina in eine Art von Unruͤhrbarkeit und Unreizbarkeit verfaͤllt.","norm":"Es mögen nämlich die Sinne durch den ungewohnten Zustand dergestalt affiziert sein, dass der ganze Körper und besonders auch die Retina in eine Art von Unrührbarkeit und Unreizbarkeit verfällt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":439,"orig":"Es iſt daher nicht unmoͤglich, daß der Mond als ein hoͤchſt abgeſtumpftes Licht wirke, und alſo das Gefuͤhl der rothen Farbe hervorbringe.","norm":"Es ist daher nicht unmöglich, dass der Mond als ein höchst abgestumpftes Licht wirke, und also das Gefühl der roten Farbe hervorbringe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":440,"orig":"Den Hamburger Luftfahrern erſchien auch die Sonne blutroth.","norm":"Den Hamburger Luftfahrern erschien auch die Sonne blutrot."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":441,"orig":"Wenn die Luftfahrenden zuſammen ſprechen und ſich kaum hoͤren, ſollte nicht auch dieſes der Unreizbarkeit der Nerven eben ſo gut als der Duͤnne der Luft zugeſchrieben werden koͤnnen?","norm":"Wenn die Luftfahrenden zusammen sprechen und sich kaum hören, sollte nicht auch dieses der Unreizbarkeit der Nerven ebenso gut als der Dünne der Luft zugeschrieben werden können?"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":442,"orig":"Die Gegenſtaͤnde werden von Kranken auch manchmal vielfaͤrbig geſehen.","norm":"Die Gegenstände werden von Kranken auch manchmal vielfarbig gesehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":443,"orig":"Boyle erzaͤhlt von einer Dame, daß ſie nach einem Sturze, wobey ein Auge gequetſcht worden, die Gegenſtaͤnde, beſonders aber die weißen, lebhaft bis zum Unertraͤglichen, ſchimmern geſehen.","norm":"Boyle erzählt von einer Dame, dass sie nach einem Sturze, wobei ein Auge gequetscht worden, die Gegenstände, besonders aber die weißen, lebhaft bis zum Unerträglichen, schimmern gesehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":444,"orig":"Die Aerzte nennen Chrupſie, wenn in typhiſchen Krankheiten, beſonders der Augen, die Patienten an den Raͤndern der Bilder, wo Hell und Dunkel an einander graͤnzen, farbige Umgebungen zu ſehen verſichern.","norm":"Die Ärzte nennen Chrupsie, wenn in typhischen Krankheiten, besonders der Augen, die Patienten an den Rändern der Bilder, wo Hell und Dunkel aneinander grenzen, farbige Umgebungen zu sehen versichern."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":445,"orig":"Wahrſcheinlich entſteht in den Liquoren eine Veraͤnderung, wodurch ihre Achromaſie aufgehoben wird.","norm":"Wahrscheinlich entsteht in den Liquoren eine Veränderung, wodurch ihre Achromasie aufgehoben wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":446,"orig":"Beym grauen Staar laͤßt eine ſtarkgetruͤbte Kryſtalllinſe den Kranken einen rothen Schein ſehen.","norm":"Beim grauen Star lässt eine starkgetrübte Kristalllinse den Kranken einen roten Schein sehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":447,"orig":"In einem ſolchen Falle, der durch Electricitaͤt behandelt wurde, veraͤnderte ſich der rothe Schein nach und nach in einen gelben, zuletzt in einen weißen, und der Kranke fing an wieder Gegenſtaͤnde gewahr zu werden; woraus man ſchließen konnte, daß der truͤbe Zuſtand der Linſe ſich nach und nach der Durchſichtigkeit naͤhere.","norm":"In einem solchen Falle, der durch Elektrizität behandelt wurde, veränderte sich der rote Schein nach und nach in einen gelben, zuletzt in einen weißen, und der Kranke fing an wieder Gegenstände gewahr zu werden; woraus man schließen konnte, dass der trübe Zustand der Linse sich nach und nach der Durchsichtigkeit nähere."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":448,"orig":"Dieſe Erſcheinung wird ſich, ſobald wir mit den phyſiſchen Farben naͤhere Bekanntſchaft gemacht, bequem ableiten laſſen.","norm":"Diese Erscheinung wird sich, sobald wir mit den physischen Farben nähere Bekanntschaft gemacht, bequem ableiten lassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":449,"orig":"Kann man nun annehmen, daß ein gelbſuͤchtiger Kranker durch einen wirklich gelbgefaͤrbten Liquor hindurchſehe; ſo werden wir ſchon in die Abtheilung der chemiſchen Farben verwieſen, und wir ſehen leicht ein, daß wir das Capitel von den pathologiſchen Farben nur dann erſt vollkommen ausarbeiten koͤnnen, wenn wir uns mit der Farbenlehre in ihrem ganzen Umfang bekannt gemacht; deßhalb ſey es an dem gegenwaͤrtigen genug, bis wir ſpaͤter das Angedeutete weiter ausfuͤhren koͤnnen.","norm":"Kann man nun annehmen, dass ein gelbsüchtiger Kranker durch einen wirklich gelbgefärbten Likör hindurchsehe; so werden wir schon in die Abteilung der chemischen Farben verwiesen, und wir sehen leicht ein, dass wir das Kapitel von den pathologischen Farben nur dann erst vollkommen ausarbeiten können, wenn wir uns mit der Farbenlehre in ihrem ganzen Umfang bekannt gemacht; deshalb sei es an dem Gegenwärtigen genug, bis wir später das Angedeutete weiter ausführen können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":450,"orig":"Nur moͤchte hier zum Schluſſe noch einiger beſondern Dispoſitionen des Auges vorlaͤufig zu erwaͤhnen ſeyn.","norm":"Nur möchte hier zum Schlusse noch einiger besonderen Dispositionen des Auges vorläufig zu erwähnen sein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":451,"orig":"Es giebt Maler, welche, anſtatt daß ſie die natuͤrliche Farbe wiedergeben ſollten, einen allgemeinen Ton, einen warmen oder kalten uͤber das Bild verbreiten.","norm":"Es gibt Maler, welche, anstatt dass sie die natürliche Farbe wiedergeben sollten, einen allgemeinen Ton, einen warmen oder kalten über das Bild verbreiten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":452,"orig":"So zeigt ſich auch bey manchen eine Vorliebe fuͤr gewiſſe Farben, bey andern ein Ungefuͤhl fuͤr Harmonie.","norm":"So zeigt sich auch bei manchen eine Vorliebe für gewisse Farben, bei anderen ein Ungefühl für Harmonie."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":453,"orig":"Endlich iſt noch bemerkenswerth, daß wilde Nationen, ungebildete Menſchen, Kinder eine große Vorliebe fuͤr lebhafte Farben empfinden, daß Thiere bey gewiſſen Farben in Zorn gerathen, daß gebildete Menſchen in Kleidung und ſonſtiger Umgebung die lebhaften Farben vermeiden und ſie durchgaͤngig von ſich zu entfernen ſuchen.","norm":"Endlich ist noch bemerkenswert, dass wilde Nationen, ungebildete Menschen, Kinder eine große Vorliebe für lebhafte Farben empfinden, dass Tiere bei gewissen Farben in Zorn geraten, dass gebildete Menschen in Kleidung und sonstiger Umgebung die lebhaften Farben vermeiden und sie durchgängig von sich zu entfernen suchen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":454,"orig":"Phyſiſche Farben nennen wir diejenigen, zu deren Hervorbringung gewiſſe materielle Mittel noͤthig ſind, welche aber ſelbſt keine Farbe haben, und theils durchſichtig, theils truͤb und durchſcheinend, theils voͤllig undurchſichtig ſeyn koͤnnen.","norm":"Physische Farben nennen wir diejenigen, zu deren Hervorbringung gewisse materielle Mittel nötig sind, welche aber selbst keine Farbe haben, und teils durchsichtig, teils trüb und durchscheinend, teils völlig undurchsichtig sein können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":455,"orig":"Dergleichen Farben werden alſo in unſerm Auge durch ſolche aͤußere beſtimmte Anlaͤſſe erzeugt, oder, wenn ſie ſchon auf irgend eine Weiſe außer uns erzeugt ſind, in unſer Auge zuruͤckgeworfen.","norm":"Dergleichen Farben werden also in unserem Auge durch solche äußere bestimmte Anlässe erzeugt, oder, wenn sie schon auf irgendeine Weise außer uns erzeugt sind, in unser Auge zurückgeworfen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":456,"orig":"Ob wir nun ſchon hiedurch denſelben eine Art von Objectivitaͤt zuſchreiben, ſo bleibt doch das Voruͤbergehende, Nichtfeſtzuhaltende meiſtens ihr Kennzeichen.","norm":"Ob wir nun schon hierdurch denselben eine Art von Objektivität zuschreiben, so bleibt doch das Vorübergehende, Nichtfestzuhaltende meistens ihr Kennzeichen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":457,"orig":"Sie heißen daher auch bey den fruͤhern Naturforſchern Colores apparentes, fluxi, fugitivi, phantastici, falsi, variantes.","norm":"Sie heißen daher auch bei den früheren Naturforschern Colores apparentes, fluxi, fugitivi, phantastici, falsi, variantes."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":458,"orig":"Zugleich werden ſie speciosi und emphatici, wegen ihrer auffallenden Herrlichkeit, genannt.","norm":"Zugleich werden sie speciosi und emphatici, wegen ihrer auffallenden Herrlichkeit, genannt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":459,"orig":"Sie ſchließen ſich unmittelbar an die phyſiologiſchen an, und ſcheinen nur um einen geringen Grad mehr Realitaͤt zu haben.","norm":"Sie schließen sich unmittelbar an die physiologischen an, und scheinen nur um einen geringen Grad mehr Realität zu haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":460,"orig":"Denn wenn bey jenen vorzuͤglich das Auge wirkſam war, und wir die Phaͤnomene derſelben nur in uns, nicht aber außer uns darzuſtellen vermochten; ſo tritt nun hier der Fall ein, daß zwar Farben im Auge durch farbloſe Gegenſtaͤnde erregt werden, daß wir aber auch eine farbloſe Flaͤche an die Stelle unſerer Retina ſetzen und auf derſelben die Erſcheinung außer uns gewahr werden koͤnnen; wobey uns jedoch alle Erfahrungen auf das beſtimmteſte uͤberzeugen, daß hier nicht von fertigen, ſondern von werdenden und wechſelnden Farben die Rede ſey.","norm":"Denn wenn bei jenen vorzüglich das Auge wirksam war, und wir die Phänomene derselben nur in uns, nicht aber außer uns darzustellen vermochten; so tritt nun hier der Fall ein, dass zwar Farben im Auge durch farblose Gegenstände erregt werden, dass wir aber auch eine farblose Fläche an die Stelle unserer Retina setzen und auf derselben die Erscheinung außer uns gewahr werden können; wobei uns jedoch alle Erfahrungen auf das bestimmteste überzeugen, dass hier nicht von fertigen, sondern von werdenden und wechselnden Farben die Rede sei."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":461,"orig":"Wir ſehen uns deßhalb bey dieſen phyſiſchen Farben durchaus im Stande, einem ſubjectiven Phaͤnomen ein objectives an die Seite zu ſetzen, und oͤfters, durch die Verbindung beyder, mit Gluͤck tiefer in die Natur der Erſcheinung einzudringen.","norm":"Wir sehen uns deshalb bei diesen physischen Farben durchaus imstande, einem subjektiven Phänomen ein objektives an die Seite zu setzen, und öfters, durch die Verbindung beider, mit Glück tiefer in die Natur der Erscheinung einzudringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":462,"orig":"Bey den Erfahrungen alſo, wobey wir die phyſiſchen Farben gewahr werden, wird das Auge nicht fuͤr ſich als wirkend, das Licht niemals in unmittelbarem Bezuge auf das Auge betrachtet; ſondern wir richten unſere Aufmerkſamkeit beſonders darauf, wie durch Mittel, und zwar farbloſe Mittel, verſchiedene Bedingungen entſtehen.","norm":"Bei den Erfahrungen also, wobei wir die physischen Farben gewahr werden, wird das Auge nicht für sich als wirkend, das Licht niemals in unmittelbarem Bezuge auf das Auge betrachtet; sondern wir richten unsere Aufmerksamkeit besonders darauf, wie durch Mittel, und zwar farblose Mittel, verschiedene Bedingungen entstehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":463,"orig":"Das Licht kann auf dreyerley Weiſe unter dieſen Umſtaͤnden bedingt werden.","norm":"Das Licht kann auf dreierlei Weise unter diesen Umständen bedingt werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":464,"orig":"Erſtlich, wenn es von der Oberflaͤche eines Mittels zuruͤckſtrahlt, da denn die katoptriſchen Verſuche zur Sprache kommen.","norm":"Erstlich, wenn es von der Oberfläche eines Mittels zurückstrahlt, da denn die katoptrischen Versuche zur Sprache kommen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":465,"orig":"Zweytens, wenn es an dem Rande eines Mittels herſtrahlt.","norm":"Zweitens, wenn es an dem Rande eines Mittels herstrahlt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":466,"orig":"Die dabey eintretenden Erſcheinungen wurden ehmals perioptiſche genannt, wir nennen ſie paroptiſche.","norm":"Die dabei eintretenden Erscheinungen wurden ehemals perioptische genannt, wir nennen sie paroptische."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":467,"orig":"Drittens, wenn es durch einen durchſcheinenden oder durchſichtigen Koͤrper durchgeht, welches die dioptriſchen Verſuche ſind.","norm":"Drittens, wenn es durch einen durchscheinenden oder durchsichtigen Körper durchgeht, welches die dioptrischen Versuche sind."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":468,"orig":"Eine vierte Art phyſiſcher Farben haben wir epoptiſche genannt, indem ſich die Erſcheinung, ohne vorgaͤngige Mittheilung (βαφή), auf einer farbloſen Oberflaͤche der Koͤrper unter verſchiedenen Bedingungen ſehen laͤßt.","norm":"Eine vierte Art physischer Farben haben wir epoptische genannt, indem sich die Erscheinung, ohne vorgängige Mitteilung (baphe), auf einer farblosen Oberfläche der Körper unter verschiedenen Bedingungen sehen lässt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":469,"orig":"Beurtheilen wir dieſe Rubriken in Bezug auf die von uns beliebten Hauptabtheilungen, nach welchen wir die Farben in phyſiologiſcher, phyſiſcher und chemiſcher Ruͤckſicht betrachten; ſo finden wir, daß die katoptriſchen Farben ſich nahe an die phyſiologiſchen anſchließen, die paroptiſchen ſich ſchon etwas mehr abloͤſen und gewiſſermaßen ſelbſtſtaͤndig werden, die dioptriſchen ſich ganz eigentlich phyſiſch erweiſen und eine entſchieden objective Seite haben; die epoptiſchen, obgleich in ihren Anfaͤngen auch nur apparent, machen den Uebergang zu den chemiſchen Farben.","norm":"Beurteilen wir diese Rubriken in Bezug auf die von uns beliebten Hauptabteilungen, nach welchen wir die Farben in physiologischer, physischer und chemischer Rücksicht betrachten; so finden wir, dass die katoptrischen Farben sich nahe an die physiologischen anschließen, die paroptischen sich schon etwas mehr ablösen und gewissermaßen selbständig werden, die dioptrischen sich ganz eigentlich physisch erweisen und eine entschieden objektive Seite haben; die epoptischen, obgleich in ihren Anfängen auch nur apparent, machen den Übergang zu den chemischen Farben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":470,"orig":"Wenn wir alſo unſern Vortrag ſtetig nach Anleitung der Natur fortfuͤhren wollten, ſo duͤrften wir nur in der jetzt eben bezeichneten Ordnung auch fernerhin verfahren; weil aber bey didaktiſchen Vortraͤgen es nicht ſowohl darauf ankommt, dasjenige, wovon die Rede iſt, an einander zu knuͤpfen, vielmehr ſolches wohl aus einander zu ſondern, damit erſt zuletzt, wenn alles Einzelne vor die Seele gebracht iſt, eine große Einheit das Beſondere verſchlinge: ſo wollen wir uns gleich zu den dioptriſchen Farben wenden, um den Leſer alsbald in die Mitte der phyſiſchen Farben zu verſetzen, und ihm ihre Eigenſchaften auffallender zu machen.","norm":"Wenn wir also unseren Vortrag stetig nach Anleitung der Natur fortführen wollten, so dürften wir nur in der jetzt eben bezeichneten Ordnung auch fernerhin verfahren; weil aber bei didaktischen Vorträgen es nicht sowohl darauf ankommt, dasjenige, wovon die Rede ist, aneinander zu knüpfen, vielmehr solches wohl auseinander zu sondern, damit erst zuletzt, wenn alles Einzelne vor die Seele gebracht ist, eine große Einheit das Besondere verschlinge: so wollen wir uns gleich zu den dioptrischen Farben wenden, um den Leser alsbald in die Mitte der physischen Farben zu versetzen, und ihm ihre Eigenschaften auffallender zu machen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":471,"orig":"Man nennt dioptriſche Farben diejenigen, zu deren Entſtehung ein farbloſes Mittel gefordert wird, dergeſtalt daß Licht und Finſterniß hindurchwirken, entweder aufs Auge, oder auf entgegenſtehende Flaͤchen.","norm":"Man nennt dioptrische Farben diejenigen, zu deren Entstehung ein farbloses Mittel gefordert wird, dergestalt dass Licht und Finsternis hindurchwirken, entweder aufs Auge, oder auf entgegenstehende Flächen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":472,"orig":"Es wird alſo gefordert, daß das Mittel durchſichtig oder wenigſtens bis auf einen gewiſſen Grad durchſcheinend ſey.","norm":"Es wird also gefordert, dass das Mittel durchsichtig oder wenigstens bis auf einen gewissen Grad durchscheinend sei."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":473,"orig":"Nach dieſen Bedingungen theilen wir die dioptriſchen Erſcheinungen in zwey Claſſen, und ſetzen in die erſte diejenigen, welche bey durchſcheinenden truͤben Mitteln entſtehen, in die zweyte aber ſolche, die ſich alsdann zeigen, wenn das Mittel in dem hoͤchſt moͤglichen Grade durchſichtig iſt.","norm":"Nach diesen Bedingungen teilen wir die dioptrischen Erscheinungen in zwei Klassen, und setzen in die erste diejenigen, welche bei durchscheinenden trüben Mitteln entstehen, in die zweite aber solche, die sich alsdann zeigen, wenn das Mittel in dem höchst möglichen Grade durchsichtig ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":474,"orig":"Der Raum, den wir uns leer denken, haͤtte durchaus fuͤr uns die Eigenſchaft der Durchſichtigkeit.","norm":"Der Raum, den wir uns leer denken, hätte durchaus für uns die Eigenschaft der Durchsichtigkeit."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":475,"orig":"Wenn ſich nun derſelbe dergeſtalt fuͤllt, daß unſer Auge die Ausfuͤllung nicht gewahr wird; ſo entſteht ein materielles, mehr oder weniger koͤrperliches, durchſichtiges Mittel, das luft- und gasartig, fluͤſſig oder auch feſt ſeyn kann.","norm":"Wenn sich nun derselbe dergestalt füllt, dass unser Auge die Ausfüllung nicht gewahr wird; so entsteht ein materielles, mehr oder weniger körperliches, durchsichtiges Mittel, das Luft- und gasartig, flüssig oder auch fest sein kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":476,"orig":"Die reine durchſcheinende Truͤbe leitet ſich aus dem Durchſichtigen her.","norm":"Die reine durchscheinende Trübe leitet sich aus dem Durchsichtigen her."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":477,"orig":"Sie kann ſich uns alſo auch auf gedachte dreyfache Weiſe darſtellen.","norm":"Sie kann sich uns also auch auf gedachte dreifache Weise darstellen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":478,"orig":"Die vollendete Truͤbe iſt das Weiße, die gleichguͤltigſte, hellſte, erſte undurchſichtige Raumerfuͤllung.","norm":"Die vollendete Trübe ist das Weiße, die gleichgültigste, hellste, erste undurchsichtige Raumerfüllung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":479,"orig":"Das Durchſichtige ſelbſt, empiriſch betrachtet, iſt ſchon der erſte Grad des Truͤben.","norm":"Das Durchsichtige selbst, empirisch betrachtet, ist schon der erste Grad des Trüben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":480,"orig":"Die ferneren Grade des Truͤben bis zum undurchſichtigen Weißen ſind unendlich.","norm":"Die ferneren Grade des Trüben bis zum undurchsichtigen Weißen sind unendlich."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":481,"orig":"Auf welcher Stufe wir auch das Truͤbe vor ſeiner Undurchſichtigkeit feſthalten, gewaͤhrt es uns, wenn wir es in Verhaͤltniß zum Hellen und Dunkeln ſetzen, einfache und bedeutende Phaͤnomene.","norm":"Auf welcher Stufe wir auch das Trübe vor seiner Undurchsichtigkeit festhalten, gewährt es uns, wenn wir es in Verhältnis zum Hellen und Dunkeln setzen, einfache und bedeutende Phänomene."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":482,"orig":"Das hoͤchſtenergiſche Licht, wie das der Sonne, des Phosphors in Lebensluft verbrennend, iſt blendend und farblos.","norm":"Das höchstenergische Licht, wie das der Sonne, des Phosphors in Lebensluft verbrennend, ist blendend und farblos."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":483,"orig":"So kommt auch das Licht der Fixſterne meiſtens farblos zu uns.","norm":"So kommt auch das Licht der Fixsterne meistens farblos zu uns."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":484,"orig":"Dieſes Licht aber durch ein auch nur wenig truͤbes Mittel geſehen, erſcheint uns gelb.","norm":"Dieses Licht aber durch ein auch nur wenig trübes Mittel gesehen, erscheint uns gelb."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":485,"orig":"Nimmt die Truͤbe eines ſolchen Mittels zu, oder wird ſeine Tiefe vermehrt, ſo ſehen wir das Licht nach und nach eine gelbrothe Farbe annehmen, die ſich endlich bis zum Rubinrothen ſteigert.","norm":"Nimmt die Trübe eines solchen Mittels zu, oder wird seine Tiefe vermehrt, so sehen wir das Licht nach und nach eine gelbrote Farbe annehmen, die sich endlich bis zum Rubinroten steigert."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":486,"orig":"Wird hingegen durch ein truͤbes, von einem darauffallenden Lichte erleuchtetes Mittel die Finſterniß geſehen, ſo erſcheint uns eine blaue Farbe, welche immer heller und blaͤſſer wird, jemehr ſich die Truͤbe des Mittels vermehrt, hingegen immer dunkler und ſatter ſich zeigt, je durchſichtiger das Truͤbe werden kann, ja bey dem mindeſten Grad der reinſten Truͤbe, als das ſchoͤnſte Violet dem Auge fuͤhlbar wird.","norm":"Wird hingegen durch ein trübes, von einem darauffallenden Lichte erleuchtetes Mittel die Finsternis gesehen, so erscheint uns eine blaue Farbe, welche immer heller und blasser wird, je mehr sich die Trübe des Mittels vermehrt, hingegen immer dunkler und satter sich zeigt, je durchsichtiger das Trübe werden kann, ja bei dem mindesten Grad der reinsten Trübe, als das schönste Violett dem Auge fühlbar wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":487,"orig":"Wenn dieſe Wirkung auf die beſchriebene Weiſe in unſerm Auge vorgeht und alſo ſubjectiv genannt werden kann; ſo haben wir uns auch durch objective Erſcheinungen von derſelben noch mehr zu vergewiſſern.","norm":"Wenn diese Wirkung auf die beschriebene Weise in unserem Auge vorgeht und also subjektiv genannt werden kann; so haben wir uns auch durch objektive Erscheinungen von derselben noch mehr zu vergewissern."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":488,"orig":"Denn ein ſo gemaͤßigtes und getruͤbtes Licht wirft auch auf die Gegenſtaͤnde einen gelben, gelbrothen oder purpurnen Schein; und ob ſich gleich die Wirkung der Finſterniß durch das Truͤbe nicht eben ſo maͤchtig aͤußert; ſo zeigt ſich doch der blaue Himmel in der Camera obſcura ganz deutlich auf dem weißen Papier neben jeder andern koͤrperlichen Farbe.","norm":"Denn ein so gemäßigtes und getrübtes Licht wirft auch auf die Gegenstände einen gelben, gelbroten oder purpurnen Schein; und ob sich gleich die Wirkung der Finsternis durch das Trübe nicht ebenso mächtig äußert; so zeigt sich doch der blaue Himmel in der Kamera obscura ganz deutlich auf dem weißen Papier neben jeder anderen körperlichen Farbe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":489,"orig":"Wenn wir die Faͤlle durchgehn, unter welchen uns dieſes wichtige Grundphaͤnomen erſcheint, ſo erwaͤhnen wir billig zuerſt der atmoſphaͤriſchen Farben, deren meiſte hieher geordnet werden koͤnnen.","norm":"Wenn wir die Fälle durchgehn, unter welchen uns dieses wichtige Grundphänomen erscheint, so erwähnen wir billig zuerst der atmosphärischen Farben, deren meiste hierher geordnet werden können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":490,"orig":"Die Sonne, durch einen gewiſſen Grad von Duͤnſten geſehen, zeigt ſich mit einer gelblichen Scheibe.","norm":"Die Sonne, durch einen gewissen Grad von Dünsten gesehen, zeigt sich mit einer gelblichen Scheibe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":491,"orig":"Oft iſt die Mitte noch blendend gelb, wenn ſich die Raͤnder ſchon roth zeigen.","norm":"Oft ist die Mitte noch blendend gelb, wenn sich die Ränder schon rot zeigen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":492,"orig":"Beym Heerrauch, (wie 1794 auch im Norden der Fall war) und noch mehr bey der Dispoſition der Atmoſphaͤre, wenn in ſuͤdlichen Gegenden der Scirocco herrſcht, erſcheint die Sonne rubinroth mit allen ſie im letzten Falle gewoͤhnlich umgebenden Wolken, die alsdann jene Farbe im Wiederſchein zuruͤckwerfen.","norm":"Beim Heerrauch, (wie 1794 auch im Norden der Fall war) und noch mehr bei der Disposition der Atmosphäre, wenn in südlichen Gegenden der Scirocco herrscht, erscheint die Sonne rubinrot mit allen sie im letzten Falle gewöhnlich umgebenden Wolken, die alsdann jene Farbe im Wiederschein zurückwerfen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":493,"orig":"Morgen- und Abendroͤthe entſteht aus derſelben Urſache.","norm":"Morgen- und Abendröte entsteht aus derselben Ursache."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":494,"orig":"Die Sonne wird durch eine Roͤthe verkuͤndigt, indem ſie durch eine groͤßere Maſſe von Duͤnſten zu uns ſtrahlt.","norm":"Die Sonne wird durch eine Röte verkündigt, indem sie durch eine größere Masse von Dünsten zu uns strahlt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":495,"orig":"Je weiter ſie herauf kommt, deſto heller und gelber wird der Schein.","norm":"Je weiter sie herauf kommt, desto heller und gelber wird der Schein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":496,"orig":"Wird die Finſterniß des unendlichen Raums durch atmoſphaͤriſche vom Tageslicht erleuchtete Duͤnſte hindurch angeſehen, ſo erſcheint die blaue Farbe.","norm":"Wird die Finsternis des unendlichen Raums durch atmosphärische vom Tageslicht erleuchtete Dünste hindurch angesehen, so erscheint die blaue Farbe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":497,"orig":"Auf hohen Gebirgen ſieht man am Tage den Himmel koͤnigsblau, weil nur wenig feine Duͤnſte vor dem unendlichen finſtern Raum ſchweben; ſobald man in die Thaͤler herabſteigt, wird das Blaue heller, bis es endlich, in gewiſſen Regionen und bey zunehmenden Duͤnſten, ganz in ein Weißblau uͤbergeht.","norm":"Auf hohen Gebirgen sieht man am Tage den Himmel königsblau, weil nur wenig feine Dünste vor dem unendlichen finstern Raum schweben; sobald man in die Täler herabsteigt, wird das Blaue heller, bis es endlich, in gewissen Regionen und bei zunehmenden Dünsten, ganz in ein Weißblau übergeht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":498,"orig":"Eben ſo ſcheinen uns auch die Berge blau: denn indem wir ſie in einer ſolchen Ferne erblicken, daß wir die Lokalfarben nicht mehr ſehen, und kein Licht von ihrer Oberflaͤche mehr auf unſer Auge wirkt; ſo gelten ſie als ein reiner finſterer Gegenſtand, der nun durch die dazwiſchen tretenden truͤben Duͤnſte blau erſcheint.","norm":"Eben so scheinen uns auch die Berge blau: denn indem wir sie in einer solchen Ferne erblicken, dass wir die Lokalfarben nicht mehr sehen, und kein Licht von ihrer Oberfläche mehr auf unser Auge wirkt; so gelten sie als ein reiner finsterer Gegenstand, der nun durch die dazwischen tretenden trüben Dünste blau erscheint."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":499,"orig":"Auch ſprechen wir die Schattentheile naͤherer Gegenſtaͤnde fuͤr blau an, wenn die Luft mit feinen Duͤnſten geſaͤttigt iſt.","norm":"Auch sprechen wir die Schattenteile näherer Gegenstände für blau an, wenn die Luft mit feinen Dünsten gesättigt ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":500,"orig":"Die Eisberge hingegen erſcheinen in großer Entfernung noch immer weiß und eher gelblich, weil ſie immer noch als hell durch den Dunſtkreis auf unſer Auge wirken.","norm":"Die Eisberge hingegen erscheinen in großer Entfernung noch immer weiß und eher gelblich, weil sie immer noch als hell durch den Dunstkreis auf unser Auge wirken."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":501,"orig":"Die blaue Erſcheinung an dem untern Theil des Kerzenlichtes gehoͤrt auch hieher.","norm":"Die blaue Erscheinung an dem unteren Teil des Kerzenlichtes gehört auch hierher."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":502,"orig":"Man halte die Flamme vor einen weißen Grund, und man wird nichts blaues ſehen; welche Farbe hingegen ſogleich erſcheinen wird, wenn man die Flamme gegen einen ſchwarzen Grund haͤlt.","norm":"Man halte die Flamme vor einen weißen Grund, und man wird nichts Blaues sehen; welche Farbe hingegen sogleich erscheinen wird, wenn man die Flamme gegen einen schwarzen Grund hält."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":503,"orig":"Dieſes Phaͤnomen erſcheint am lebhafteſten bey einem angezuͤndeten Loͤffel Weingeiſt.","norm":"Dieses Phänomen erscheint am lebhaftesten bei einem angezündeten Löffel Weingeist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":504,"orig":"Wir koͤnnen alſo den untern Theil der Flamme fuͤr einen Dunſt anſprechen, welcher obgleich unendlich fein, doch vor der dunklen Flaͤche ſichtbar wird: er iſt ſo fein, daß man bequem durch ihn leſen kann; dahingegen die Spitze der Flamme, welche uns die Gegenſtaͤnde verdeckt, als ein ſelbſtleuchtender Koͤrper anzuſehen iſt.","norm":"Wir können also den unteren Teil der Flamme für einen Dunst ansprechen, welcher obgleich unendlich fein, doch vor der dunklen Fläche sichtbar wird: Er ist so fein, dass man bequem durch ihn lesen kann; dahingegen die Spitze der Flamme, welche uns die Gegenstände verdeckt, als ein selbstleuchtender Körper anzusehen ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":505,"orig":"Uebrigens iſt der Rauch gleichfalls als ein truͤbes Mittel anzuſehen, das uns vor einem hellen Grunde gelb oder roͤthlich, vor einem dunklen aber blau erſcheint.","norm":"Übrigens ist der Rauch gleichfalls als ein trübes Mittel anzusehen, das uns vor einem hellen Grunde gelb oder rötlich, vor einem dunklen aber blau erscheint."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":506,"orig":"Wenden wir uns nun zu den fluͤſſigen Mitteln, ſo finden wir, daß ein jedes Waſſer, auf eine zarte Weiſe getruͤbt, denſelben Effect hervorbringe.","norm":"Wenden wir uns nun zu den flüssigen Mitteln, so finden wir, dass ein jedes Wasser, auf eine zarte Weise getrübt, denselben Effekt hervorbringe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":507,"orig":"Die Infuſion des nephritiſchen Holzes, (der Guilandina Linnaei,) welche fruͤher ſo großes Aufſehen machte, iſt nur ein truͤber Liquor, der im dunklen hoͤlzernen Becher blau ausſehen, in einem durchſichtigen Glaſe aber gegen die Sonne gehalten, eine gelbe Erſcheinung hervorbringen muß.","norm":"Die Infusion des nephritischen Holzes, (der Guilandina Linnaei,) welche früher so großes Aufsehen machte, ist nur ein trüber Likör, der im dunklen hölzernen Becher blau aussehen, in einem durchsichtigen Glase aber gegen die Sonne gehalten, eine gelbe Erscheinung hervorbringen muss."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":508,"orig":"Einige Tropfen wohlriechender Waſſer, eines Weingeiſtfirniſſes, mancher metalliſchen Solutionen koͤnnen das Waſſer zu ſolchen Verſuchen in allen Graden truͤbe machen.","norm":"Einige Tropfen wohlriechender Wasser, eines Weingeistfirnisses, mancher metallischen Solutionen können das Wasser zu solchen Versuchen in allen Geraden trübe machen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":509,"orig":"Seifenſpiritus thut faſt die beſte Wirkung.","norm":"Seifenspiritus tut fast die beste Wirkung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":510,"orig":"Der Grund des Meeres erſcheint den Tauchern bey hellem Sonnenſchein purpurfarb, wobey das Meerwaſſer als ein truͤbes und tiefes Mittel wirkt.","norm":"Der Grund des Meeres erscheint den Tauchern bei hellem Sonnenschein purpurfarben, wobei das Meerwasser als ein trübes und tiefes Mittel wirkt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":511,"orig":"Sie bemerken bey dieſer Gelegenheit die Schatten gruͤn, welches die geforderte Farbe iſt.","norm":"Sie bemerken bei dieser Gelegenheit die Schatten grün, welches die geforderte Farbe ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":512,"orig":"(78.)","norm":"(78)"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":513,"orig":"Unter den feſten Mitteln begegnet uns in der Natur zuerſt der Opal, deſſen Farben wenigſtens zum Theil daraus zu erklaͤren ſind, daß er eigentlich ein truͤbes Mittel ſey, wodurch bald helle, bald dunkle Unterlagen ſichtbar werden.","norm":"Unter den festen Mitteln begegnet uns in der Natur zuerst der Opal, dessen Farben wenigstens zum Teil daraus zu erklären sind, dass er eigentlich ein trübes Mittel sei, wodurch bald helle, bald dunkle Unterlagen sichtbar werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":514,"orig":"Zu allen Verſuchen aber iſt das Opalglas (vitrum astroides, girasole) der erwuͤnſchteſte Koͤrper.","norm":"Zu allen Versuchen aber ist das Opalglas (vitrum astroides, girasole) der erwünschteste Körper."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":515,"orig":"Es wird auf verſchiedene Weiſe verfertigt und ſeine Truͤbe durch Metallkalke hervorgebracht.","norm":"Es wird auf verschiedene Weise verfertigt und seine Trübe durch Metallkalke hervorgebracht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":516,"orig":"Auch truͤbt man das Glas dadurch, daß man gepuͤlverte und calcinirte Knochen mit ihm zuſammenſchmelzt, deßwegen man es auch Beinglas nennt; doch geht dieſes gar zu leicht ins Undurchſichtige uͤber.","norm":"Auch trübt man das Glas dadurch, dass man gepulverte und kalzinierte Knochen mit ihm zusammenschmelzt, deswegen man es auch Beinglas nennt; doch geht dieses gar zu leicht ins Undurchsichtige über."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":517,"orig":"Man kann dieſes Glas zu Verſuchen auf vielerley Weiſe zurichten: denn entweder man macht es nur wenig truͤb, da man denn durch mehrere Schichten uͤber einander das Licht vom hellſten Gelb bis zum tiefſten Purpur fuͤhren kann; oder man kann auch ſtark getruͤbtes Glas in duͤnnern und ſtaͤrkeren Scheiben anwenden.","norm":"Man kann dieses Glas zu Versuchen auf vielerlei Weise zurichten: denn entweder man macht es nur wenig trüb, da man denn durch mehrere Schichten übereinander das Licht vom hellsten Gelb bis zum tiefsten Purpur führen kann; oder man kann auch stark getrübtes Glas in dünneren und stärkeren Scheiben anwenden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":518,"orig":"Auf beyde Arten laſſen ſich die Verſuche anſtellen; beſonders darf man aber, um die hohe blaue Farbe zu ſehen, das Glas weder allzutruͤb noch allzuſtark nehmen.","norm":"Auf beide Arten lassen sich die Versuche anstellen; besonders darf man aber, um die hohe blaue Farbe zu sehen, das Glas weder allzutrüb noch allzu stark nehmen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":519,"orig":"Denn da es natuͤrlich iſt, daß das Finſtere nur ſchwach durch die Truͤbe hindurch wirke, ſo geht die Truͤbe, wenn ſie zu dicht wird, gar ſchnell in das Weiße hinuͤber.","norm":"Denn da es natürlich ist, dass das Finstere nur schwach durch die Trübe hindurch wirke, so geht die Trübe, wenn sie zu dicht wird, gar schnell in das Weiße hinüber."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":520,"orig":"Fenſterſcheiben durch die Stellen, an welchen ſie blind geworden ſind, werfen einen gelben Schein auf die Gegenſtaͤnde, und eben dieſe Stellen ſehen blau aus, wenn wir durch ſie nach einem dunklen Gegenſtande blicken.","norm":"Fensterscheiben durch die Stellen, an welchen sie blind geworden sind, werfen einen gelben Schein auf die Gegenstände, und eben diese Stellen sehen blau aus, wenn wir durch sie nach einem dunklen Gegenstande blicken."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":521,"orig":"Das angerauchte Glas gehoͤrt auch hieher, und iſt gleichfalls als ein truͤbes Mittel anzuſehen.","norm":"Das angerauchte Glas gehört auch hierher, und ist gleichfalls als ein trübes Mittel anzusehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":522,"orig":"Es zeigt uns die Sonne mehr oder weniger rubinroth; und ob man gleich dieſe Erſcheinung der ſchwarzbraunen Farbe des Rußes zuſchreiben koͤnnte, ſo kann man ſich doch uͤberzeugen, daß hier ein truͤbes Mittel wirke, wenn man ein ſolches maͤßig angerauchtes Glas, auf der vordern Seite durch die Sonne erleuchtet, vor einen dunklen Gegenſtand haͤlt, da wir denn einen blaulichen Schein gewahr werden.","norm":"Es zeigt uns die Sonne mehr oder weniger rubinrot; und ob man gleich diese Erscheinung der schwarz-braunen Farbe des Rußes zuschreiben könnte, so kann man sich doch überzeugen, dass hier ein trübes Mittel wirke, wenn man ein solches mäßig angerauchtes Glas, auf der vorderen Seite durch die Sonne erleuchtet, vor einen dunklen Gegenstand hält, da wir denn einen blaulichen Schein gewahr werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":523,"orig":"Mit Pergamentblaͤttern laͤßt ſich in der dunkeln Kammer ein auffallender Verſuch anſtellen.","norm":"Mit Pergamentblättern lässt sich in der dunkeln Kammer ein auffallender Versuch anstellen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":524,"orig":"Wenn man vor die Oeffnung des eben von der Sonne beſchienenen Fenſterladens ein Stuͤck Pergament befeſtigt, ſo wird es weißlich erſcheinen; fuͤgt man ein zweytes hinzu, ſo entſteht eine gelbliche Farbe, die immer zunimmt und endlich bis ins Rothe uͤbergeht, je mehr man Blaͤtter nach und nach hinzufuͤgt.","norm":"Wenn man vor die Öffnung des eben von der Sonne beschienenen Fensterladens ein Stück Pergament befestigt, so wird es weißlich erscheinen; fügt man ein zweites hinzu, so entsteht eine gelbliche Farbe, die immer zunimmt und endlich bis ins Rote übergeht, je mehr man Blätter nach und nach hinzufügt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":525,"orig":"Einer ſolchen Wirkung der getruͤbten Kryſtalllinſe beym grauen Staar iſt ſchon oben gedacht.","norm":"Einer solchen Wirkung der getrübten Kristalllinse beim grauen Star ist schon oben gedacht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":526,"orig":"(131.)","norm":"(131.)"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":527,"orig":"Sind wir nun auf dieſem Wege ſchon bis zu der Wirkung eines kaum noch durchſcheinenden Truͤben gelangt; ſo bleibt uns noch uͤbrig, einer wunderbaren Erſcheinung augenblicklicher Truͤbe zu gedenken.","norm":"Sind wir nun auf diesem Wege schon bis zu der Wirkung eines kaum noch durchscheinenden Trüben gelangt; so bleibt uns noch übrig, einer wunderbaren Erscheinung augenblicklicher Trübe zu gedenken."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":528,"orig":"Das Portrait eines angeſehenen Theologen war von einem Kuͤnſtler, welcher praktiſch beſonders gut mit der Farbe umzugehen wußte, vor mehrern Jahren, gemalt worden.","norm":"Das Porträt eines angesehenen Theologen war von einem Künstler, welcher praktisch besonders gut mit der Farbe umzugehen wusste, vor mehreren Jahren, gemalt worden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":529,"orig":"Der hochwuͤrdige Mann ſtand in einem glaͤnzenden Sammtrocke da, welcher faſt mehr als das Geſicht die Augen der Anſchauer auf ſich zog und Bewunderung erregte.","norm":"Der hochwürdige Mann stand in einem glänzenden Samtrocke da, welcher fast mehr als das Gesicht die Augen der Anschauer auf sich zog und Bewunderung erregte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":530,"orig":"Indeſſen hatte das Bild nach und nach durch Lichterdampf und Staub von ſeiner erſten Lebhaftigkeit vieles verloren.","norm":"Indessen hatte das Bild nach und nach durch Lichterdampf und Staub von seiner ersten Lebhaftigkeit vieles verloren."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":531,"orig":"Man uͤbergab es daher einem Maler, der es reinigen und mit einem neuen Firniß uͤberziehen ſollte.","norm":"Man übergab es daher einem Maler, der es reinigen und mit einem neuen Firnis überziehen sollte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":532,"orig":"Dieſer faͤngt nun ſorgfaͤltig an zuerſt das Bild mit einem feuchten Schwamm abzuwaſchen; kaum aber hat er es einigemal uͤberfahren und den ſtaͤrkſten Schmutz weggewiſcht, als zu ſeinem Erſtaunen der ſchwarze Sammtrock ſich ploͤtzlich in einen hellblauen Pluͤſchrock verwandelt, wodurch der geiſtliche Herr ein ſehr weltliches, obgleich altmodiſches Anſehn gewinnt.","norm":"Dieser fängt nun sorgfältig an zuerst das Bild mit einem feuchten Schwamm abzuwaschen; kaum aber hat er es einige Mal überfahren und den stärksten Schmutz weggewischt, als zu seinem Erstaunen der schwarze Samtrock sich plötzlich in einen hellblauen Plüschrock verwandelt, wodurch der geistliche Herr ein sehr weltliches, obgleich altmodisches Ansehen gewinnt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":533,"orig":"Der Maler getraut ſich nicht weiter zu waſchen, begreift nicht, wie ein Hellblau zum Grunde des tiefſten Schwarzen liegen, noch weniger wie er eine Laſur ſo ſchnell koͤnne weggeſcheuert haben, welche ein ſolches Blau, wie er vor ſich ſah, in Schwarz zu verwandeln im Stande geweſen waͤre.","norm":"Der Maler getraut sich nicht weiter zu waschen, begreift nicht, wie ein Hellblau zum Grunde des tiefsten Schwarzen liegen, noch weniger wie er eine Lasur so schnell könne weggescheuert haben, welche ein solches Blau, wie er vor sich sah, in Schwarz zu verwandeln imstande gewesen wäre."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":534,"orig":"Genug er fuͤhlte ſich ſehr beſtuͤrzt, das Bild auf dieſen Grad verdorben zu haben: es war nichts Geiſtliches mehr daran zu ſehen, als nur die vielgelockte, runde Peruͤcke, wobey der Tauſch eines verſchoſſenen Pluͤſchrocks gegen einen trefflichen neuen Sammtrock durchaus unerwuͤnſcht blieb.","norm":"Genug er fühlte sich sehr bestürzt, das Bild auf diesen Grad verdorben zu haben: Es war nichts Geistliches mehr daran zu sehen, als nur die vielgelockte, runde Perücke, wobei der Tausche eines verschossenen Plüschrocks gegen einen trefflichen neuen Samtrock durchaus unerwünscht blieb."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":535,"orig":"Das Uebel ſchien indeſſen unheilbar, und unſer guter Kuͤnſtler lehnte mißmuthig das Bild gegen die Wand und legte ſich nicht ohne Sorgen zu Bette.","norm":"Das Übel schien indessen unheilbar, und unser guter Künstler lehnte missmutig das Bild gegen die Wand und legte sich nicht ohne Sorgen zu Bette."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":536,"orig":"Wie erfreut aber war er den andern Morgen, als er das Gemaͤlde wieder vornahm und den ſchwarzen Sammtrock in voͤlligem Glanze wieder erblickte.","norm":"Wie erfreut aber war er den anderen Morgen, als er das Gemälde wieder vornahm und den schwarzen Samtrock in völligem Glanze wieder erblickte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":537,"orig":"Er konnte ſich nicht enthalten, den Rock an einem Ende abermals zu benetzen, da denn die blaue Farbe wieder erſchien, und nach einiger Zeit verſchwand.","norm":"Er konnte sich nicht enthalten, den Rock an einem Ende abermals zu benetzen, da denn die blaue Farbe wieder erschien, und nach einiger Zeit verschwand."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":538,"orig":"Als ich Nachricht von dieſem Phaͤnomen erhielt, begab ich mich ſogleich zu dem Wunderbilde.","norm":"Als ich Nachricht von diesem Phänomen erhielt, begab ich mich sogleich zu dem Wunderbilde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":539,"orig":"Es ward in meiner Gegenwart mit einem feuchten Schwamme uͤberfahren, und die Veraͤnderung zeigte ſich ſehr ſchnell.","norm":"Es wurde in meiner Gegenwart mit einem feuchten Schwamme überfahren, und die Veränderung zeigte sich sehr schnell."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":540,"orig":"Ich ſah einen zwar etwas verſchoſſenen aber voͤllig hellblauen Pluͤſchrock, auf welchem an dem Aermel einige braune Striche die Falten andeuteten.","norm":"Ich sah einen zwar etwas verschossenen aber völlig hellblauen Plüschrock, auf welchem an dem Ärmel einige braune Striche die Falten andeuteten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":541,"orig":"Ich erklaͤrte mir dieſes Phaͤnomen aus der Lehre von den truͤben Mitteln.","norm":"Ich erklärte mir dieses Phänomen aus der Lehre von den trüben Mitteln."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":542,"orig":"Der Kuͤnſtler mochte ſeine ſchon gemalte ſchwarze Farbe, um ſie recht tief zu machen, mit einem beſondern Firniß laſiren, welcher beym Waſchen einige Feuchtigkeit in ſich ſog und dadurch truͤbe ward, wodurch das unterliegende Schwarz ſogleich als Blau erſchien.","norm":"Der Künstler mochte seine schon gemalte schwarze Farbe, um sie recht tief zu machen, mit einem besonderen Firnis lasieren, welcher beim Waschen einige Feuchtigkeit in sich sog und dadurch trübe wurde, wodurch das unterliegende Schwarz sogleich als Blau erschien."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":543,"orig":"Vielleicht kommen diejenigen, welche viel mit Firniſſen umgehen, durch Zufall oder Nachdenken, auf den Weg, dieſe ſonderbare Erſcheinung, den Freunden der Naturforſchung, als Experiment darzuſtellen.","norm":"Vielleicht kommen diejenigen, welche viel mit Firnissen umgehen, durch Zufall oder Nachdenken, auf den Weg, diese sonderbare Erscheinung, den Freunden der Naturforschung, als Experiment darzustellen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":544,"orig":"Mir hat es nach mancherley Proben nicht gelingen wollen.","norm":"Mir hat es nach mancherlei Proben nicht gelingen wollen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":545,"orig":"Haben wir nun die herrlichſten Faͤlle atmoſphaͤriſcher Erſcheinungen, ſo wie andre geringere, aber doch immer genugſam bedeutende, aus der Haupterfahrung mit truͤben Mitteln hergeleitet; ſo zweifeln wir nicht, daß aufmerkſame Naturfreunde immer weiter gehen und ſich uͤben werden, die im Leben mannigfaltig vorkommenden Erſcheinungen auf eben dieſem Wege abzuleiten und zu erklaͤren; ſo wie wir hoffen koͤnnen, daß die Naturforſcher ſich nach einem hinlaͤnglichen Apparat umſehen werden, um ſo bedeutende Erfahrungen den Wißbegierigen vor Augen zu bringen.","norm":"Haben wir nun die herrlichsten Fälle atmosphärischer Erscheinungen, sowie andere geringere, aber doch immer genugsam bedeutende, aus der Haupterfahrung mit trüben Mitteln hergeleitet; so zweifeln wir nicht, dass aufmerksame Naturfreunde immer weiter gehen und sich üben werden, die im Leben mannigfaltig vorkommenden Erscheinungen auf eben diesem Wege abzuleiten und zu erklären; so wie wir hoffen können, dass die Naturforscher sich nach einem hinlänglichen Apparat umsehen werden, um so bedeutende Erfahrungen den Wissbegierigen vor Augen zu bringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":546,"orig":"Ja wir moͤchten jene im Allgemeinen ausgeſprochene Haupterſcheinung ein Grund- und Urphaͤnomen nennen, und es ſey uns erlaubt, hier, was wir darunter verſtehen, ſogleich beyzubringen.","norm":"Ja wir möchten jene im Allgemeinen ausgesprochene Haupterscheinung ein Grund- und Urphänomen nennen, und es sei uns erlaubt, hier, was wir darunter verstehen, sogleich beizubringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":547,"orig":"Das was wir in der Erfahrung gewahr werden, ſind meiſtens nur Faͤlle, welche ſich mit einiger Aufmerkſamkeit unter allgemeine empiriſche Rubriken bringen laſſen.","norm":"Das was wir in der Erfahrung gewahr werden, sind meistens nur Fälle, welche sich mit einiger Aufmerksamkeit unter allgemeine empirische Rubriken bringen lassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":548,"orig":"Dieſe ſubordiniren ſich abermals unter wiſſenſchaftliche Rubriken, welche weiter hinaufdeuten, wobey uns gewiſſe unerlaͤßliche Bedingungen des Erſcheinenden naͤher bekannt werden.","norm":"Diese subordinieren sich abermals unter wissenschaftliche Rubriken, welche weiter hinaufdeuten, wobei uns gewisse unerlässliche Bedingungen des Erscheinenden näher bekanntwerden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":549,"orig":"Von nun an fuͤgt ſich alles nach und nach unter hoͤhere Regeln und Geſetze, die ſich aber nicht durch Worte und Hypotheſen dem Verſtande, ſondern gleichfalls durch Phaͤnomene dem Anſchauen offenbaren.","norm":"Von nun an fügt sich alles nach und nach unter höhere Regeln und Gesetze, die sich aber nicht durch Worte und Hypothesen dem Verstande, sondern gleichfalls durch Phänomene dem Anschauen offenbaren."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":550,"orig":"Wir nennen ſie Urphaͤnomene, weil nichts in der Erſcheinung uͤber ihnen liegt, ſie aber dagegen voͤllig geeignet ſind, daß man ſtufenweiſe, wie wir vorhin hinaufgeſtiegen, von ihnen herab bis zu dem gemeinſten Falle der taͤglichen Erfahrung niederſteigen kann.","norm":"Wir nennen sie Urphänomene, weil nichts in der Erscheinung über ihnen liegt, sie aber dagegen völlig geeignet sind, dass man stufenweise, wie wir vorhin hinaufgestiegen, von ihnen herab bis zu dem gemeinsten Falle der täglichen Erfahrung niedersteigen kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":551,"orig":"Ein ſolches Urphaͤnomen iſt dasjenige, das wir bisher dargeſtellt haben.","norm":"Ein solches Urphänomen ist dasjenige, das wir bisher dargestellt haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":552,"orig":"Wir ſehen auf der einen Seite das Licht, das Helle, auf der andern die Finſterniß, das Dunkle, wir bringen die Truͤbe zwiſchen beyde, und aus dieſen Gegenſaͤtzen, mit Huͤlfe gedachter Vermittlung, entwickeln ſich, gleichfalls in einem Gegenſatz, die Farben, deuten aber alsbald, durch einen Wechſelbezug, unmittelbar auf ein Gemeinſames wieder zuruͤck.","norm":"Wir sehen auf der einen Seite das Licht, das Helle, auf der anderen die Finsternis, das Dunkle, wir bringen die Trübe zwischen beide, und aus diesen Gegensätzen, mit Hilfe gedachter Vermittlung, entwickeln sich, gleichfalls in einem Gegensatz, die Farben, deuten aber alsbald, durch einen Wechselbezug, unmittelbar auf ein Gemeinsames wieder zurück."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":553,"orig":"In dieſem Sinne halten wir den in der Naturforſchung begangenen Fehler fuͤr ſehr groß, daß man ein abgeleitetes Phaͤnomen an die obere Stelle, das Urphaͤnomen an die niedere Stelle ſetzte, ja ſogar das abgeleitete Phaͤnomen wieder auf den Kopf ſtellte, und an ihm das Zuſammengeſetzte fuͤr ein Einfaches, das Einfache fuͤr ein Zuſammengeſetztes gelten ließ; durch welches Hinterſtzuvoͤrderſt die wunderlichſten Verwicklungen und Verwirrungen in die Naturlehre gekommen ſind, an welchen ſie noch leidet.","norm":"In diesem Sinne halten wir den in der Naturforschung begangenen Fehler für sehr groß, dass man ein abgeleitetes Phänomen an die obere Stelle, das Urphänomen an die niedere Stelle setzte, ja sogar das abgeleitete Phänomen wieder auf den Kopf stellte, und an ihm das Zusammengesetzte für ein Einfaches, das Einfache für ein Zusammengesetztes gelten ließ; durch welches Hinterstzuvörderst die wunderlichsten Verwicklungen und Verwirrungen in die Naturlehre gekommen sind, an welchen sie noch leidet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":554,"orig":"Waͤre denn aber auch ein ſolches Urphaͤnomen gefunden, ſo bleibt immer noch das Uebel, daß man es nicht als ein ſolches anerkennen will, daß wir hinter ihm und uͤber ihm noch etwas weiteres aufſuchen, da wir doch hier die Graͤnze des Schauens eingeſtehen ſollten.","norm":"Wäre denn aber auch ein solches Urphänomen gefunden, so bleibt immer noch das Übel, dass man es nicht als ein solches Anerkennen will, dass wir hinter ihm und über ihm noch etwas Weiteres aufsuchen, da wir doch hier die Grenze des Schauens eingestehen sollten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":555,"orig":"Der Naturforſcher laſſe die Urphaͤnomene in ihrer ewigen Ruhe und Herrlichkeit daſtehen, der Philoſoph nehme ſie in ſeine Region auf, und er wird finden, daß ihm nicht in einzelnen Faͤllen, allgemeinen Rubriken, Meynungen und Hypotheſen, ſondern im Grund- und Urphaͤnomen ein wuͤrdiger Stoff zu weiterer Behandlung und Bearbeitung uͤberliefert werde.","norm":"Der Naturforscher lasse die Urphänomene in ihrer ewigen Ruhe und Herrlichkeit dastehen, der Philosoph nehme sie in seine Region auf, und er wird finden, dass ihm nicht in einzelnen Fällen, allgemeinen Rubriken, Meinungen und Hypothesen, sondern im Grund- und Urphänomen ein würdiger Stoff zu weiterer Behandlung und Bearbeitung überliefert werde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":556,"orig":"Refraction.","norm":"Refraktion."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":557,"orig":"Die dioptriſchen Farben der beyden Claſſen ſchließen ſich genau an einander an, wie ſich bey einiger Betrachtung ſogleich finden laͤßt.","norm":"Die dioptrischen Farben der beiden Klassen schließen sich genau aneinander an, wie sich bei einiger Betrachtung sogleich finden lässt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":558,"orig":"Die der erſten Claſſe erſchienen in dem Felde der truͤben Mittel, die der zweyten ſollen uns nun in durchſichtigen Mitteln erſcheinen.","norm":"Die der ersten Klasse erschienen in dem Felde der trüben Mittel, die der zweiten sollen uns nun in durchsichtigen Mitteln erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":559,"orig":"Da aber jedes empiriſch Durchſichtige an ſich ſchon als truͤb angeſehen werden kann, wie uns jede vermehrte Maſſe eines durchſichtig genannten Mittels zeigt; ſo iſt die nahe Verwandtſchaft beyder Arten genugſam einleuchtend.","norm":"Da aber jedes empirisch Durchsichtige an sich schon als trüb angesehen werden kann, wie uns jede vermehrte Masse eines durchsichtig genannten Mittels zeigt; so ist die nahe Verwandtschaft beider Arten genugsam einleuchtend."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":560,"orig":"Doch wir abſtrahiren vorerſt, indem wir uns zu den durchſichtigen Mitteln wenden, von aller ihnen einigermaßen beywohnenden Truͤbe, und richten unſre ganze Aufmerkſamkeit auf das hier eintretende Phaͤnomen, das unter dem Kunſtnamen der Refraction bekannt iſt.","norm":"Doch wir abstrahieren vorerst, indem wir uns zu den durchsichtigen Mitteln wenden, von aller ihnen einigermaßen beiwohnenden Trübe, und richten unsere ganze Aufmerksamkeit auf das hier eintretende Phänomen, das unter dem Kunstnamen der Refraktion bekannt ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":561,"orig":"Wir haben ſchon bey Gelegenheit der phyſiologiſchen Farben dasjenige, was man ſonſt Augentaͤuſchungen zu nennen pflegte, als Thaͤtigkeiten des geſunden und richtig wirkenden Auges gerettet (2.) und wir kommen hier abermals in den Fall, zu Ehren unſerer Sinne und zu Beſtaͤtigung ihrer Zuverlaͤſſigkeit einiges auszufuͤhren.","norm":"Wir haben schon bei Gelegenheit der physiologischen Farben dasjenige, was man sonst Augentäuschungen zu nennen pflegte, als Tätigkeiten des gesunden und richtig wirkenden Auges gerettet (2.) und wir kommen hier abermals in den Fall, zu Ehren unserer Sinne und zu Bestätigung ihrer Zuverlässigkeit einiges auszuführen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":562,"orig":"In der ganzen ſinnlichen Welt kommt alles uͤberhaupt auf das Verhaͤltniß der Gegenſtaͤnde untereinander an, vorzuͤglich aber auf das Verhaͤltniß des bedeutendſten irdiſchen Gegenſtandes, des Menſchen, zu den uͤbrigen.","norm":"In der ganzen sinnlichen Welt kommt alles überhaupt auf das Verhältnis der Gegenstände untereinander an, vorzüglich aber auf das Verhältnis des bedeutendsten irdischen Gegenstandes, des Menschen, zu den übrigen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":563,"orig":"Hierdurch trennt ſich die Welt in zwey Theile, und der Menſch ſtellt ſich als ein Subject dem Object entgegen.","norm":"Hierdurch trennt sich die Welt in zwei Teile, und der Mensch stellt sich als ein Subjekt dem Objekt entgegen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":564,"orig":"Hier iſt es, wo ſich der Praktiker in der Erfahrung, der Denker in der Speculation abmuͤdet und einen Kampf zu beſtehen aufgefordert iſt, der durch keinen Frieden und durch keine Entſcheidung geſchloſſen werden kann.","norm":"Hier ist es, wo sich der Praktiker in der Erfahrung, der Denker in der Spekulation abmüdet und einen Kampf zu bestehen aufgefordert ist, der durch keinen Frieden und durch keine Entscheidung geschlossen werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":565,"orig":"Immer bleibt es aber auch hier die Hauptſache, daß die Beziehungen wahrhaft eingeſehen werden.","norm":"Immer bleibt es aber auch hier die Hauptsache, dass die Beziehungen wahrhaft eingesehen werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":566,"orig":"Da nun unſre Sinne, in ſo fern ſie geſund ſind, die aͤußern Beziehungen am wahrhafteſten ausſprechen; ſo koͤnnen wir uns uͤberzeugen, daß ſie uͤberall, wo ſie dem Wirklichen zu widerſprechen ſcheinen, das wahre Verhaͤltniß deſto ſichrer bezeichnen.","norm":"Da nun unsere Sinne, insofern sie gesund sind, die äußeren Beziehungen am wahrhaftesten aussprechen; so können wir uns überzeugen, dass sie überall, wo sie dem Wirklichen zu widersprechen scheinen, das wahre Verhältnis desto sicherer bezeichnen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":567,"orig":"So erſcheint uns das Entfernte kleiner, und eben dadurch werden wir die Entfernung gewahr.","norm":"So erscheint uns das Entfernte kleiner, und eben dadurch werden wir die Entfernung gewahr."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":568,"orig":"An farbloſen Gegenſtaͤnden brachten wir durch farbloſe Mittel farbige Erſcheinungen hervor, und wurden zugleich auf die Grade des Truͤben ſolcher Mittel aufmerkſam.","norm":"An farblosen Gegenständen brachten wir durch farblose Mittel farbige Erscheinungen hervor, und wurden zugleich auf die Grade des Trüben solcher Mittel aufmerksam."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":569,"orig":"Eben ſo werden unſerm Auge die verſchiedenen Grade der Dichtigkeit durchſichtiger Mittel, ja ſogar noch andre phyſiſche und chemiſche Eigenſchaften derſelben, bey Gelegenheit der Refraction, bekannt, und fordern uns auf, andre Pruͤfungen anzuſtellen, um in die von einer Seite ſchon eroͤffneten Geheimniſſe auf phyſiſchem und chemiſchem Wege voͤllig einzudringen.","norm":"Eben so werden unserem Auge die verschiedenen Grade der Dichtigkeit durchsichtiger Mittel, ja sogar noch andere physische und chemische Eigenschaften derselben, bei Gelegenheit der Refraktion, bekannt, und fordern uns auf, andere Prüfungen anzustellen, um in die von einer Seite schon eröffneten Geheimnisse auf physischem und chemischem Wege völlig einzudringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":570,"orig":"Gegenſtaͤnde durch mehr oder weniger dichte Mittel geſehen, erſcheinen uns nicht an der Stelle, an der ſie ſich, nach den Geſetzen der Perſpective, befinden ſollten.","norm":"Gegenstände durch mehr oder weniger dichte Mittel gesehen, erscheinen uns nicht an der Stelle, an der sie sich, nach den Gesetzen der Perspektive, befinden sollten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":571,"orig":"Hierauf beruhen die dioptriſchen Erſcheinungen der zweyten Claſſe.","norm":"Hierauf beruhen die dioptrischen Erscheinungen der zweiten Klasse."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":572,"orig":"Diejenigen Geſetze des Sehens, welche ſich durch mathematiſche Formeln ausdruͤcken laſſen, haben zum Grunde, daß, ſo wie das Licht ſich in gerader Linie bewegt, auch eine gerade Linie zwiſchen dem ſehenden Organ und dem geſehenen Gegenſtand muͤſſe zu ziehen ſeyn.","norm":"Diejenigen Gesetze des Sehen es, welche sich durch mathematische Formeln ausdrücken lassen, haben zum Grunde, dass, so wie das Licht sich in gerader Linie bewegt, auch eine gerade Linie zwischen dem sehenden Organ und dem gesehenen Gegenstand müsse zu ziehen sein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":573,"orig":"Kommt alſo der Fall, daß das Licht zu uns in einer gebogenen oder gebrochenen Linie anlangt, daß wir die Gegenſtaͤnde in einer gebogenen oder gebrochenen Linie ſehen; ſo werden wir alsbald erinnert, daß die dazwiſchen liegenden Mittel ſich verdichtet, daß ſie dieſe oder jene fremde Natur angenommen haben.","norm":"Kommt also der Fall, dass das Licht zu uns in einer gebogenen oder gebrochenen Linie anlangt, dass wir die Gegenstände in einer gebogenen oder gebrochenen Linie sehen; so werden wir alsbald erinnert, dass die dazwischen liegenden Mittel sich verdichtet, dass sie diese oder jene fremde Natur angenommen haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":574,"orig":"Dieſe Abweichung vom Geſetz des geradlinigen Sehens wird im Allgemeinen die Refraction genannt, und ob wir gleich vorausſetzen koͤnnen, daß unſre Leſer damit bekannt ſind; ſo wollen wir ſie doch kuͤrzlich von ihrer objectiven und ſubjectiven Seite hier nochmals darſtellen.","norm":"Diese Abweichung vom Gesetz des geradlinigen Sehen es wird im Allgemeinen die Refraktion genannt, und ob wir gleich voraussetzen können, dass unsere Leser damit bekannt sind; so wollen wir sie doch kürzlich von ihrer objektiven und subjektiven Seite hier nochmals darstellen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":575,"orig":"Man laſſe in ein leeres kubiſches Gefaͤß das Sonnenlicht ſchraͤg in der Diagonale hineinſcheinen, dergeſtalt daß nur die dem Licht entgegengeſetzte Wand, nicht aber der Boden erleuchtet ſey; man gieße ſodann Waſſer in dieſes Geſaͤß und der Bezug des Lichtes zu demſelben wird ſogleich veraͤndert ſeyn.","norm":"Man lasse in ein leeres kubisches Gefäß das Sonnenlicht schräg in der Diagonale hineinscheinen, dergestalt dass nur die dem Licht entgegengesetzte Wand, nicht aber der Boden erleuchtet sei; man gieße sodann Wasser in dieses Gefäß und der Bezug des Lichtes zu demselben wird sogleich verändert sein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":576,"orig":"Das Licht zieht ſich gegen die Seite, wo es herkommt, zuruͤck, und ein Theil des Bodens wird gleichfalls erleuchtet.","norm":"Das Licht zieht sich gegen die Seite, wo es herkommt, zurück, und ein Teil des Bodens wird gleichfalls erleuchtet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":577,"orig":"An dem Puncte, wo nunmehr das Licht in das dichtere Mittel tritt, weicht es von ſeiner geradlinigen Richtung ab und ſcheint gebrochen, deswegen man auch dieſes Phaͤnomen die Brechung genannt hat.","norm":"An dem Punkte, wo nunmehr das Licht in das dichtere Mittel tritt, weicht es von seiner geradlinigen Richtung ab und scheint gebrochen, deswegen man auch dieses Phänomen die Brechung genannt hat."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":578,"orig":"So viel von dem objectiven Verſuche.","norm":"So viel von dem objektiven Versuche."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":579,"orig":"Zu der ſubjectiven Erfahrung gelangen wir aber folgendermaßen.","norm":"Zu der subjektiven Erfahrung gelangen wir aber folgendermaßen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":580,"orig":"Man ſetze das Auge an die Stelle der Sonne; das Auge ſchaue gleichfalls in der Diagonale uͤber die eine Wand, ſo daß es die ihm entgegenſtehende jenſeitige innre Wand-Flaͤche vollkommen, nichts aber vom Boden ſehen koͤnne.","norm":"Man setze das Auge an die Stelle der Sonne; das Auge schaue gleichfalls in der Diagonale über die eine Wand, so dass es die ihm entgegenstehende jenseitige innere Wandfläche vollkommen, nichts aber vom Boden sehen könne."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":581,"orig":"Man gieße Waſſer in das Gefaͤß und das Auge wird nun einen Theil des Bodens gleichfalls erblicken, und zwar geſchieht es auf eine Weiſe, daß wir glauben, wir ſehen noch immer in gerader Linie: denn der Boden ſcheint uns heraufgehoben, daher wir das ſubjective Phaͤnomen mit dem Namen der Hebung bezeichnen.","norm":"Man gieße Wasser in das Gefäß und das Auge wird nun einen Teil des Bodens gleichfalls erblicken, und zwar geschieht es auf eine Weise, dass wir glauben, wir sehen noch immer in gerader Linie: denn der Boden scheint uns heraufgehoben, daher wir das subjektive Phänomen mit dem Namen der Hebung bezeichnen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":582,"orig":"Einiges, was noch beſonders merkwuͤrdig hiebey iſt, wird kuͤnftig vorgetragen werden.","norm":"Einiges, was noch besonders merkwürdig hierbei ist, wird künftig vorgetragen werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":583,"orig":"Sprechen wir dieſes Phaͤnomen nunmehr im Allgemeinen aus, ſo koͤnnen wir, was wir oben angedeutet, hier wiederholen: daß nehmlich der Bezug der Gegenſtaͤnde veraͤndert, verruͤckt werde.","norm":"Sprechen wir dieses Phänomen nunmehr im Allgemeinen aus, so können wir, was wir oben angedeutet, hier wiederholen: dass nämlich der Bezug der Gegenstände verändert, verrückt werde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":584,"orig":"Da wir aber bey unſerer gegenwaͤrtigen Darſtellung die objectiven Erſcheinungen von den ſubjectiven zu trennen gemeint ſind; ſo ſprechen wir das Phaͤnomen vorerſt ſubjectiv aus, und ſagen: es zeige ſich eine Verruͤckung des Geſehenen, oder des zu Sehenden.","norm":"Da wir aber bei unserer gegenwärtigen Darstellung die objektiven Erscheinungen von den subjektiven zu trennen gemeint sind; so sprechen wir das Phänomen vorerst subjektiv aus, und sagen: Es zeige sich eine Verrückung des Gesehenen, oder des zu Sehenden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":585,"orig":"Es kann nun aber das unbegraͤnzt Geſehene verruͤckt werden, ohne daß uns die Wirkung bemerklich wird.","norm":"Es kann nun aber das unbegrenzt Gesehene verrückt werden, ohne dass uns die Wirkung bemerkbar wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":586,"orig":"Verruͤckt ſich hingegen das begraͤnzt Geſehene, ſo haben wir Merkzeichen, daß eine Verruͤckung geſchieht.","norm":"Verrückt sich hingegen das begrenzt Gesehene, so haben wir Merkzeichen, dass eine Verrückung geschieht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":587,"orig":"Wollen wir uns alſo von einer ſolchen Veraͤnderung des Bezuges unterrichten; ſo werden wir uns vorzuͤglich an die Verruͤckung des begraͤnzt Geſehenen, an die Verruͤckung des Bildes zu halten haben.","norm":"Wollen wir uns also von einer solchen Veränderung des Bezuges unterrichten; so werden wir uns vorzüglich an die Verrückung des begrenzt Gesehenen, an die Verrückung des Bildes zu halten haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":588,"orig":"Dieſe Wirkung uͤberhaupt kann aber geſchehen durch parallele Mittel: denn jedes parallele Mittel verruͤckt den Gegenſtand und bringt ihn ſogar im Perpendikel dem Auge entgegen.","norm":"Diese Wirkung überhaupt kann aber geschehen durch parallele Mittel: denn jedes parallele Mittel verrückt den Gegenstand und bringt ihn sogar im Perpendikel dem Auge entgegen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":589,"orig":"Merklicher aber wird dieſes Verruͤcken durch nicht parallele Mittel.","norm":"Merklicher aber wird dieses Verrücken durch nicht parallele Mittel."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":590,"orig":"Dieſe koͤnnen eine voͤllig ſphaͤriſche Geſtalt haben, auch als convexe, oder als concave Linſen angewandt werden.","norm":"Diese können eine völlig sphärische Gestalt haben, auch als konvexe, oder als konkave Linsen angewandt werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":591,"orig":"Wir bedienen uns derſelben gleichfalls bey unſern Erfahrungen.","norm":"Wir bedienen uns derselben gleichfalls bei unseren Erfahrungen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":592,"orig":"Weil ſie aber nicht allein das Bild von der Stelle verruͤcken, ſondern daſſelbe auch auf mancherley Weiſe veraͤndern; ſo gebrauchen wir lieber ſolche Mittel, deren Flaͤchen zwar nicht parallel gegen einander, aber doch ſaͤmmtlich eben ſind, nehmlich Prismen, die einen Triangel zur Baſe haben, die man zwar auch als Theile einer Linſe betrachten kann, die aber zu unſern Erfahrungen deßhalb beſonders tauglich ſind, weil ſie das Bild ſehr ſtark von der Stelle verruͤcken, ohne jedoch an ſeiner Geſtalt eine bedeutende Veraͤnderung hervorzubringen.","norm":"Weil sie aber nicht allein das Bild von der Stelle verrücken, sondern dasselbe auch auf mancherlei Weise verändern; so gebrauchen wir lieber solche Mittel, deren Flächen zwar nicht parallel gegeneinander, aber doch sämtlich eben sind, nämlich Prismen, die einen Triangel zur Base haben, die man zwar auch als Teile einer Linse betrachten kann, die aber zu unseren Erfahrungen deshalb besonders tauglich sind, weil sie das Bild sehr stark von der Stelle verrücken, ohne jedoch an seiner Gestalt eine bedeutende Veränderung hervorzubringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":593,"orig":"Nunmehr, um unſre Erfahrungen mit moͤglichſter Genauigkeit anzuſtellen und alle Verwechslung abzulehnen, halten wir uns zuerſt an Subjective Verſuche, bey welchen nehmlich der Gegenſtand durch ein brechendes Mittel von dem Beobachter geſehen wird.","norm":"Nunmehr, um unsere Erfahrungen mit möglichster Genauigkeit anzustellen und alle Verwechslung abzulehnen, halten wir uns zuerst an subjektive Versuche, bei welchen nämlich der Gegenstand durch ein brechendes Mittel von dem Beobachter gesehen wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":594,"orig":"Sobald wir dieſe der Reihe nach abgehandelt, ſollen die objectiven Verſuche in gleicher Ordnung folgen.","norm":"Sobald wir diese der Reihe nach abgehandelt, sollen die objektiven Versuche in gleicher Ordnung folgen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":595,"orig":"Die Refraction kann ihre Wirkung aͤußern, ohne daß man eine Farbenerſcheinung gewahr werde.","norm":"Die Refraktion kann ihre Wirkung äußeren, ohne dass man eine Farbenerscheinung gewahr werde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":596,"orig":"So ſehr auch durch Refraction das unbegraͤnzt Geſehene, eine farbloſe oder einfach gefaͤrbte Flaͤche verruͤckt werde, ſo entſteht innerhalb derſelben doch keine Farbe.","norm":"So sehr auch durch Refraktion das unbegrenzt Gesehene, eine farblose oder einfach gefärbte Fläche verrückt werde, so entsteht innerhalb derselben doch keine Farbe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":597,"orig":"Man kann ſich hievon auf mancherley Weiſe uͤberzeugen.","norm":"Man kann sich hiervon auf mancherlei Weise überzeugen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":598,"orig":"Man ſetze einen glaͤſernen Kubus auf irgend eine Flaͤche und ſchaue im Perpendikel oder im Winkel darauf; ſo wird die reine Flaͤche dem Auge voͤllig entgegen gehoben, aber es zeigt ſich keine Farbe.","norm":"Man setze einen gläsernen Kubus auf irgendeine Fläche und schaue im Perpendikel oder im Winkel darauf; so wird die reine Fläche dem Auge völlig entgegengehoben, aber es zeigt sich keine Farbe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":599,"orig":"Wenn man durchs Prisma einen rein grauen oder blauen Himmel, eine rein weiße oder farbige Wand betrachtet; ſo wird der Theil der Flaͤche, den wir eben ins Auge gefaßt haben, voͤllig von ſeiner Stelle geruͤckt ſeyn, ohne daß wir deßhalb die mindeſte Farbenerſcheinung darauf bemerken.","norm":"Wenn man durchs Prisma einen rein grauen oder blauen Himmel, eine rein weiße oder farbige Wand betrachtet; so wird der Teil der Fläche, den wir eben ins Auge gefasst haben, völlig von seiner Stelle gerückt sein, ohne dass wir deshalb die mindeste Farbenerscheinung darauf bemerken."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":600,"orig":"Haben wir bey den vorigen Verſuchen und Beobachtungen alle reinen Flaͤchen, groß oder klein, farblos gefunden; ſo bemerken wir an den Raͤndern, da wo ſich eine ſolche Flaͤche gegen einen hellern oder dunklern Gegenſtand abſchneidet, eine farbige Erſcheinung.","norm":"Haben wir bei den vorigen Versuchen und Beobachtungen alle reinen Flächen, groß oder klein, farblos gefunden; so bemerken wir an den Rändern, da wo sich eine solche Fläche gegen einen helleren oder dunkleren Gegenstand abschneidet, eine farbige Erscheinung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":601,"orig":"Durch Verbindung von Rand und Flaͤche entſtehen Bilder.","norm":"Durch Verbindung von Rand und Fläche entstehen Bilder."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":602,"orig":"Wir ſprechen daher die Haupterfahrung dergeſtalt aus: es muͤſſen Bilder verruͤckt werden, wenn eine Farbenerſcheinung ſich zeigen ſoll.","norm":"Wir sprechen daher die Haupterfahrung dergestalt aus: Es müssen Bilder verrückt werden, wenn eine Farbenerscheinung sich zeigen soll."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":603,"orig":"Wir nehmen das einfachſte Bild vor uns, ein helles Rund auf dunklem Grunde A. An dieſem findet eine Verruͤckung ſtatt, wenn wir ſeine Raͤnder von dem Mittelpuncte aus ſcheinbar nach außen dehnen, indem wir es vergroͤßern.","norm":"Wir nehmen das einfachste Bild vor uns, ein helles Rund auf dunklem Grunde A. An diesem findet eine Verrückung statt, wenn wir seine Ränder von dem Mittelpunkte aus scheinbar nach außen dehnen, indem wir es vergrößern."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":604,"orig":"Dieſes geſchieht durch jedes convexe Glas, und wir erblicken in dieſem Falle einen blauen Rand B.","norm":"Dieses geschieht durch jedes konvexe Glas, und wir erblicken in diesem Falle einen blauen Rand B."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":605,"orig":"Den Umkreis eben deſſelben Bildes koͤnnen wir nach dem Mittelpuncte zu ſcheinbar hineinbewegen, indem wir das Rund zuſammenziehen; da alsdann die Raͤnder gelb erſcheinen C. Dieſes geſchieht durch ein concaves Glas, das aber nicht, wie die gewoͤhnlichen Lorgnetten, duͤnn geſchliffen ſeyn darf, ſondern einige Maſſe haben muß.","norm":"Den Umkreis eben desselben Bildes können wir nach dem Mittelpunkte zu scheinbar hineinbewegen, indem wir das Rund zusammenziehen; da alsdann die Ränder gelb erscheinen C. Dieses geschieht durch ein konkaves Glas, das aber nicht, wie die gewöhnlichen Lorgnetten, dünn geschliffen sein darf, sondern einige Masse haben muss."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":606,"orig":"Damit man aber dieſen Verſuch auf einmal mit dem convexen Glas machen koͤnne, ſo bringe man in das helle Rund auf ſchwarzem Grunde eine kleinere ſchwarze Scheibe.","norm":"Damit man aber diesen Versuch auf einmal mit dem konvexen Glas machen könne, so bringe man in das helle Rund auf schwarzem Grunde eine kleinere schwarze Scheibe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":607,"orig":"Denn vergroͤßert man durch ein convexes Glas die ſchwarze Scheibe auf weißem Grund, ſo geſchieht dieſelbe Operation, als wenn man ein weißes Rund verkleinerte: denn wir fuͤhren den ſchwarzen Rand nach dem weißen zu; und wir erblicken alſo den gelblichen Farbenrand zugleich mit dem blauen D.","norm":"Denn vergrößert man durch ein konvexes Glas die schwarze Scheibe auf weißem Grund, so geschieht dieselbe Operation, als wenn man ein weißes Rund verkleinerte: denn wir führen den schwarzen Rand nach dem weißen zu; und wir erblicken also den gelblichen Farbenrand zugleich mit dem blauen D."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":608,"orig":"Dieſe beyden Erſcheinungen, die blaue und gelbe, zeigen ſich an und uͤber dem Weißen.","norm":"Diese beiden Erscheinungen, die blaue und gelbe, zeigen sich an und über dem Weißen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":609,"orig":"Sie nehmen, in ſo fern ſie uͤber das Schwarze reichen, einen roͤthlichen Schein an.","norm":"Sie nehmen, insofern sie über das Schwarze reichen, einen rötlichen Schein an."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":610,"orig":"Und hiermit ſind die Grundphaͤnomene aller Farbenerſcheinung bey Gelegenheit der Refraction ausgeſprochen, welche denn freylich auf mancherley Weiſe wiederholt, variirt, erhoͤht, verringert, verbunden, verwickelt, verwirrt, zuletzt aber immer wieder auf ihre urſpruͤngliche Einfalt zuruͤckgefuͤhrt werden koͤnnen.","norm":"Und hiermit sind die Grundphänomene aller Farbenerscheinung bei Gelegenheit der Refraktion ausgesprochen, welche denn freilich auf mancherlei Weise wiederholt, variiert, erhöht, verringert, verbunden, verwickelt, verwirrt, zuletzt aber immer wieder auf ihre ursprüngliche Einfalt zurückgeführt werden können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":611,"orig":"Unterſuchen wir nun die Operation, welche wir vorgenommen, ſo finden wir, daß wir in dem einen Falle den hellen Rand gegen die dunkle, in dem andern den dunkeln Rand gegen die helle Flaͤche ſcheinbar gefuͤhrt, eins durch das andre verdraͤngt, eins uͤber das andre weggeſchoben haben.","norm":"Untersuchen wir nun die Operation, welche wir vorgenommen, so finden wir, dass wir in dem einen Falle den hellen Rand gegen die dunkle, in dem anderen den dunkeln Rand gegen die helle Fläche scheinbar geführt, eins durch das andere verdrängt, eins über das andere weggeschoben haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":612,"orig":"Wir wollen nunmehr ſaͤmmtliche Erfahrungen ſchrittweiſe zu entwickeln ſuchen.","norm":"Wir wollen nunmehr sämtliche Erfahrungen schrittweise zu entwickeln suchen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":613,"orig":"Ruͤckt man die helle Scheibe, wie es beſonders durch Prismen geſchehen kann, im Ganzen von ihrer Stelle; ſo wird ſie in der Richtung gefaͤrbt, in der ſie ſcheinbar bewegt wird, und zwar nach jenen Geſetzen.","norm":"Rückt man die helle Scheibe, wie es besonders durch Prismen geschehen kann, im Ganzen von ihrer Stelle; so wird sie in der Richtung gefärbt, in der sie scheinbar bewegt wird, und zwar nach jenen Gesetzen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":614,"orig":"Man betrachte durch ein Prisma die in a befindliche Scheibe dergeſtalt, daß ſie nach b verruͤckt erſcheine; ſo wird der obere Rand, nach dem Geſetz der Figur c, blau und blauroth erſcheinen, der untere, nach dem Geſetz der Scheibe b, gelb und gelbroth.","norm":"Man betrachte durch ein Prisma die in a befindliche Scheibe dergestalt, dass sie nach b verrückt erscheine; so wird der obere Rand, nach dem Gesetz der Figur c, blau und blaurot erscheinen, der untere, nach dem Gesetz der Scheibe b, gelb und gelbrot."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":615,"orig":"Denn im erſten Fall wird das helle Bild in den dunklen Rand hinuͤber, und in dem andern der dunkle Rand uͤber das helle Bild gleichſam hineingefuͤhrt.","norm":"Denn im ersten Fall wird das helle Bild in den dunklen Rand hinüber, und in dem anderen der dunkle Rand über das helle Bild gleichsam hineingeführt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":616,"orig":"Ein gleiches gilt, wenn man die Scheibe von a nach c, von a nach d, und ſo im ganzen Kreiſe ſcheinbar herumfuͤhrt.","norm":"Ein Gleiches gilt, wenn man die Scheibe von a nach c, von a nach d, und so im ganzen Kreise scheinbar herumführt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":617,"orig":"Wie ſich nun die einfache Wirkung verhaͤlt, ſo verhaͤlt ſich auch die zuſammengeſetzte.","norm":"Wie sich nun die einfache Wirkung verhält, so verhält sich auch die zusammengesetzte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":618,"orig":"Man ſehe durch das horizontale Prisma a b nach einer hinter demſelben in einiger Entfernung befindlichen weißen Scheibe in e; ſo wird die Scheibe nach f erhoben und nach dem obigen Geſetz gefaͤrbt ſeyn.","norm":"Man sehe durch das horizontale Prisma a b nach einer hinter demselben in einiger Entfernung befindlichen weißen Scheibe in e; so wird die Scheibe nach f erhoben und nach dem obigen Gesetz gefärbt sein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":619,"orig":"Man hebe dieß Prisma weg und ſchaue durch ein verticales c d nach eben dem Bilde; ſo wird es in h erſcheinen, und nach eben demſelben Geſetze gefaͤrbt.","norm":"Man hebe dies Prisma weg und schaue durch ein vertikales c d nach eben dem Bilde; so wird es in h erscheinen, und nach eben demselben Gesetze gefärbt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":620,"orig":"Man bringe nun beyde Prismen uͤber einander, ſo erſcheint die Scheibe, nach einem allgemeinen Naturgeſetz, in der Diagonale verruͤckt und gefaͤrbt, wie es die Richtung e g mit ſich bringt.","norm":"Man bringe nun beide Prismen übereinander, so erscheint die Scheibe, nach einem allgemeinen Naturgesetz, in der Diagonale verrückt und gefärbt, wie es die Richtung e g mit sich bringt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":621,"orig":"Geben wir auf dieſe entgegengeſetzten Farbenraͤnder der Scheibe wohl Acht; ſo finden wir, daß ſie nur in der Richtung ihrer ſcheinbaren Bewegung entſtehen.","norm":"Geben wir auf diese entgegengesetzten Farbenränder der Scheibe wohl Acht; so finden wir, dass sie nur in der Richtung ihrer scheinbaren Bewegung entstehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":622,"orig":"Ein rundes Bild laͤßt uns uͤber dieſes Verhaͤltniß einigermaßen ungewiß; ein vierecktes hingegen belehrt uns klaͤrlich daruͤber.","norm":"Ein rundes Bild lässt uns über dieses Verhältnis einigermaßen ungewiss; ein viereckiges hingegen belehrt uns klärlich darüber."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":623,"orig":"Das viereckte Bild a, in der Richtung a b oder a d verruͤckt, zeigt uns an den Seiten, die mit der Richtung parallel gehen, keine Farben; in der Richtung a c hingegen, da ſich das Quadrat in ſeiner eignen Diagonale bewegt, erſcheinen alle Graͤnzen des Bildes gefaͤrbt.","norm":"Das viereckige Bild a, in der Richtung a b oder a d verrückt, zeigt uns an den Seiten, die mit der Richtung parallel gehen, keine Farben; in der Richtung a c hingegen, da sich das Quadrat in seiner eigenen Diagonale bewegt, erscheinen alle Grenzen des Bildes gefärbt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":624,"orig":"Hier beſtaͤtigt ſich alſo jener Ausſpruch (203. f.), ein Bild muͤſſe dergeſtalt verruͤckt werden, daß ſeine helle Graͤnze uͤber die dunkle, die dunkle Graͤnze aber uͤber die helle, das Bild uͤber ſeine Begraͤnzung, die Begraͤnzung uͤber das Bild ſcheinbar hingefuͤhrt werde.","norm":"Hier bestätigt sich also jener Ausspruch (203. f.), ein Bild müsse dergestalt verrückt werden, dass seine helle Grenze über die dunkle, die dunkle Grenze aber über die helle, das Bild über seine Begrenzung, die Begrenzung über das Bild scheinbar hingeführt werde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":625,"orig":"Bewegen ſich aber die geradlinigen Graͤnzen eines Bildes durch Refraction immerfort, daß ſie nur neben einander, nicht aber uͤber einander ihren Weg zuruͤcklegen; ſo entſtehen keine Farben, und wenn ſie auch bis ins Unendliche fortgefuͤhrt wuͤrden.","norm":"Bewegen sich aber die geradlinigen Grenzen eines Bildes durch Refraktion immerfort, dass sie nur nebeneinander, nicht aber übereinander ihren Weg zurücklegen; so entstehen keine Farben, und wenn sie auch bis ins Unendliche fortgeführt würden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":626,"orig":"Wir haben in dem Vorigen geſehen, daß alle Farbenerſcheinung bey Gelegenheit der Refraction darauf beruht, daß der Rand eines Bildes gegen das Bild ſelbſt oder uͤber den Grund geruͤckt, daß das Bild gleichſam uͤber ſich ſelbſt oder uͤber den Grund hingefuͤhrt werde.","norm":"Wir haben in dem Vorigen gesehen, dass alle Farbenerscheinung bei Gelegenheit der Refraktion darauf beruht, dass der Rand eines Bildes gegen das Bild selbst oder über den Grund gerückt, dass das Bild gleichsam über sich selbst oder über den Grund hingeführt werde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":627,"orig":"Und nun zeigt ſich auch, bey vermehrter Verruͤckung des Bildes, die Farbenerſcheinung in einem breitern Maße, und zwar bey ſubjectiven Verſuchen, bey denen wir immer noch verweilen, unter folgenden Bedingungen.","norm":"Und nun zeigt sich auch, bei vermehrter Verrückung des Bildes, die Farbenerscheinung in einem breiteren Maße, und zwar bei subjektiven Versuchen, bei denen wir immer noch verweilen, unter folgenden Bedingungen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":628,"orig":"Erſtlich, wenn das Auge gegen parallele Mittel eine ſchiefere Richtung annimmt.","norm":"Erstlich, wenn das Auge gegen parallele Mittel eine schiefere Richtung annimmt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":629,"orig":"Zweytens, wenn das Mittel aufhoͤrt, parallel zu ſeyn, und einen mehr oder weniger ſpitzen Winkel bildet.","norm":"Zweitens, wenn das Mittel aufhört, parallel zu sein, und einen mehr oder weniger spitzen Winkel bildet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":630,"orig":"Drittens, durch das verſtaͤrkte Maß des Mittels; es ſey nun, daß parallele Mittel am Volumen zunehmen, oder die Grade des ſpitzen Winkels verſtaͤrkt werden, doch ſo, daß ſie keinen rechten Winkel erreichen.","norm":"Drittens, durch das verstärkte Maß des Mittels; es sei nun, dass parallele Mittel am Volumen zunehmen, oder die Grade des spitzen Winkels verstärkt werden, doch so, dass sie keinen rechten Winkel erreichen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":631,"orig":"Viertens, durch Entfernung des mit brechenden Mitteln bewaffneten Auges von dem zu verruͤckenden Bilde.","norm":"Viertens, durch Entfernung des mit brechenden Mitteln bewaffneten Auges von dem zu verrückenden Bilde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":632,"orig":"Fuͤnftens, durch eine chemiſche Eigenſchaft, welche dem Glaſe mitgetheilt, auch in demſelben erhoͤht werden kann.","norm":"Fünftens, durch eine chemische Eigenschaft, welche dem Glase mitgeteilt, auch in demselben erhöht werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":633,"orig":"Die groͤßte Verruͤckung des Bildes, ohne daß deſſelben Geſtalt bedeutend veraͤndert werde, bringen wir durch Prismen hervor, und dieß iſt die Urſache, warum durch ſo geſtaltete Glaͤſer die Farbenerſcheinung hoͤchſt maͤchtig werden kann.","norm":"Die größte Verrückung des Bildes, ohne dass desselben Gestalt bedeutend verändert werde, bringen wir durch Prismen hervor, und dies ist die Ursache, warum durch so gestaltete Gläser die Farbenerscheinung höchst mächtig werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":634,"orig":"Wir wollen uns jedoch bey dem Gebrauch derſelben von jenen glaͤnzenden Erſcheinungen nicht blenden laſſen, vielmehr die oben feſtgeſetzten einfachen Anfaͤnge ruhig im Sinne behalten.","norm":"Wir wollen uns jedoch bei dem Gebrauch derselben von jenen glänzenden Erscheinungen nicht blenden lassen, vielmehr die oben festgesetzten einfachen Anfänge ruhig im Sinne behalten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":635,"orig":"Diejenige Farbe, welche bey Verruͤckung eines Bildes vorausgeht, iſt immer die breitere, und wir nennen ſie einen Saum; diejenige Farbe, welche an der Graͤnze zuruͤckbleibt, iſt die ſchmaͤlere, und wir nennen ſie einen Rand.","norm":"Diejenige Farbe, welche bei Verrückung eines Bildes vorausgeht, ist immer die breitere, und wir nennen sie einen Saum; diejenige Farbe, welche an der Grenze zurückbleibt, ist die schmälere, und wir nennen sie einen Rand."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":636,"orig":"Bewegen wir eine dunkle Graͤnze gegen das Helle, ſo geht der gelbe breitere Saum voran, und der ſchmaͤlere gelbrothe Rand folgt mit der Graͤnze.","norm":"Bewegen wir eine dunkle Grenze gegen das Helle, so geht der gelbe breitere Saum voran, und der schmälere gelbrote Rand folgt mit der Grenze."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":637,"orig":"Ruͤcken wir eine helle Graͤnze gegen das Dunkle, ſo geht der breitere violette Saum voraus und der ſchmaͤlere blaue Rand folgt.","norm":"Rücken wir eine helle Grenze gegen das Dunkle, so geht der breitere violette Saum voraus und der schmälere blaue Rand folgt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":638,"orig":"Iſt das Bild groß, ſo bleibt deſſen Mitte ungefaͤrbt.","norm":"Ist das Bild groß, so bleibt dessen Mitte ungefärbt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":639,"orig":"Sie iſt als eine unbegraͤnzte Flaͤche anzuſehen, die verruͤckt, aber nicht veraͤndert wird.","norm":"Sie ist als eine unbegrenzte Fläche anzusehen, die verrückt, aber nicht verändert wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":640,"orig":"Iſt es aber ſo ſchmal, daß unter obgedachten vier Bedingungen der gelbe Saum den blauen Rand erreichen kann; ſo wird die Mitte voͤllig durch Farben zugedeckt.","norm":"Ist es aber so schmal, dass unter obgedachten vier Bedingungen der gelbe Saum den blauen Rand erreichen kann; so wird die Mitte völlig durch Farben zugedeckt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":641,"orig":"Man mache dieſen Verſuch mit einem weißen Streifen auf ſchwarzem Grunde; uͤber einem ſolchen werden ſich die beyden Extreme bald vereinigen und das Gruͤn erzeugen.","norm":"Man mache diesen Versuch mit einem weißen Streifen auf schwarzem Grunde; über einem solchen werden sich die beiden Extreme bald vereinigen und das Grün erzeugen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":642,"orig":"Man erblickt alsdann folgende Reihe von Farben:","norm":"Man erblickt alsdann folgende Reihe von Farben:"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":643,"orig":"Gelbroth","norm":"Gelbrot"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":644,"orig":"Gruͤn","norm":"Grün"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":645,"orig":"Blauroth","norm":"Blaurot"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":646,"orig":"Bringt man auf weiß Papier einen ſchwarzen Streifen; ſo wird ſich der violette Saum daruͤber hinbreiten, und den gelbrothen Rand erreichen.","norm":"Bringt man auf weiß Papier einen schwarzen Streifen; so wird sich der violette Saum darüber hinbreiten, und den gelbroten Rand erreichen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":647,"orig":"Hier wird das dazwiſchen liegende Schwarz, ſo wie vorher das dazwiſchen liegende Weiß aufgehoben, und an ſeiner Stelle ein praͤchtig reines Roth erſcheinen, das wir oft mit dem Namen Purpur bezeichnet haben.","norm":"Hier wird das dazwischen liegende Schwarz, so wie vorher das dazwischen liegende Weiß aufgehoben, und an seiner Stelle ein prächtig reines Rot erscheinen, das wir oft mit dem Namen Purpur bezeichnet haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":648,"orig":"Nunmehr iſt die Farbenfolge nachſtehende:","norm":"Nunmehr ist die Farbenfolge nachstehende:"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":649,"orig":"Blau","norm":"Blau"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":650,"orig":"Gelb.","norm":"Gelb."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":651,"orig":"Nach und nach koͤnnen in dem erſten Falle (214.) Gelb und Blau dergeſtalt uͤber einander greifen, daß dieſe beyden Farben ſich voͤllig zu Gruͤn verbinden, und das farbige Bild folgendermaßen erſcheint:","norm":"Nach und nach können in dem ersten Falle (214) Gelb und Blau dergestalt übereinander greifen, dass diese beiden Farben sich völlig zu Grün verbinden, und das farbige Bild folgendermaßen erscheint:"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":652,"orig":"Gelbroth","norm":"Gelbrot"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":653,"orig":"Blauroth.","norm":"Blaurot."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":654,"orig":"Im zweyten Falle (215) ſieht man unter aͤhnlichen Umſtaͤnden nur:","norm":"Im zweiten Falle (215) sieht man unter ähnlichen Umständen nur:"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":655,"orig":"Blau","norm":"Blau"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":656,"orig":"Purpur","norm":"Purpur"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":657,"orig":"Gelb.","norm":"Gelb."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":658,"orig":"Welche Erſcheinung am ſchoͤnſten ſich an Fenſterſtaͤben zeigt, die einen grauen Himmel zum Hintergrunde haben.","norm":"Welche Erscheinung am schönsten sich an Fensterstäben zeigt, die einen grauen Himmel zum Hintergrunde haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":659,"orig":"Bey allem dieſem laſſen wir niemals aus dem Sinne, daß dieſe Erſcheinung nie als eine fertige, vollendete, ſondern immer als eine werdende, zunehmende, und in manchem Sinn beſtimmbare Erſcheinung anzuſehen ſey.","norm":"Bei allem diesem lassen wir niemals aus dem Sinne, dass diese Erscheinung nie als eine fertige, vollendete, sondern immer als eine werdende, zunehmende, und in manchem Sinn bestimmbare Erscheinung anzusehen sei."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":660,"orig":"Deßwegen ſie auch bey Negation obiger fuͤnf Bedingungen (210.) wieder nach und nach abnimmt, und zuletzt voͤllig verſchwindet.","norm":"Deswegen sie auch bei Negation obiger fünf Bedingungen (210) wieder nach und nach abnimmt, und zuletzt völlig verschwindet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":661,"orig":"Ehe wir nun weiter gehen, haben wir die erſtgedachten ziemlich einfachen Phaͤnomene aus dem Vorhergehenden abzuleiten, oder wenn man will, zu erklaͤren, damit eine deutliche Einſicht in die folgenden mehr zuſammengeſetzten Erſcheinungen dem Liebhaber der Natur werden koͤnne.","norm":"Ehe wir nun weiter gehen, haben wir die erstgedachten ziemlich einfachen Phänomene aus dem Vorhergehenden abzuleiten, oder wenn man will, zu erklären, damit eine deutliche Einsicht in die folgenden mehr zusammengesetzten Erscheinungen dem Liebhaber der Natur werden könne."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":662,"orig":"Vor allen Dingen erinnern wir uns, daß wir im Reiche der Bilder wandeln.","norm":"Vor allen Dingen erinnern wir uns, dass wir im Reiche der Bilder wandeln."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":663,"orig":"Beym Sehen uͤberhaupt iſt das begraͤnzt Geſehene immer das, worauf wir vorzuͤglich merken; und in dem gegenwaͤrtigen Falle, da wir von Farbenerſcheinung bey Gelegenheit der Refraction ſprechen, kommt nur das begraͤnzt Geſehene, kommt nur das Bild in Betrachtung.","norm":"Beim Sehen überhaupt ist das begrenzt Gesehene immer das, worauf wir vorzüglich merken; und in dem gegenwärtigen Falle, da wir von Farbenerscheinung bei Gelegenheit der Refraktion sprechen, kommt nur das begrenzt Gesehene, kommt nur das Bild in Betrachtung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":664,"orig":"Wir koͤnnen aber die Bilder uͤberhaupt zu unſern chromatiſchen Darſtellungen in primaͤre und ſecundaͤre Bilder eintheilen.","norm":"Wir können aber die Bilder überhaupt zu unseren chromatischen Darstellungen in primäre und sekundäre Bilder einteilen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":665,"orig":"Die Ausdruͤcke ſelbſt bezeichnen, was wir darunter verſtehen, und nachfolgendes wird unſern Sinn noch deutlicher machen.","norm":"Die Ausdrücke selbst bezeichnen, was wir darunter verstehen, und nachfolgendes wird unseren Sinn noch deutlicher machen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":666,"orig":"Man kann die primaͤren Bilder anſehen, erſtlich als urſpruͤngliche, als Bilder, die von dem anweſenden Gegenſtande in unſerm Auge erregt werden, und die uns von ſeinem wirklichen Daſeyn verſichern.","norm":"Man kann die primären Bilder ansehen, erstlich als ursprüngliche, als Bilder, die von dem anwesenden Gegenstande in unserem Auge erregt werden, und die uns von seinem wirklichen Dasein versichern."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":667,"orig":"Dieſen kann man die ſecundaͤren Bilder entgegenſetzen, als abgeleitete Bilder, die, wenn der Gegenſtand weggenommen iſt, im Auge zuruͤckbleiben, jene Scheinund Gegenbilder, welche wir in der Lehre von phyſiologiſchen Farben umſtaͤndlich abgehandelt haben.","norm":"Diesen kann man die sekundären Bilder entgegensetzen, als abgeleitete Bilder, die, wenn der Gegenstand weggenommen ist, im Auge zurückbleiben, jene Scheinund Gegenbilder, welche wir in der Lehre von physiologischen Farben umständlich abgehandelt haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":668,"orig":"Man kann die primaͤren Bilder zweytens auch als directe Bilder anſehen, welche wie jene urſpruͤnglichen unmittelbar von dem Gegenſtande zu unſerm Auge gelangen.","norm":"Man kann die primären Bilder zweitens auch als direkte Bilder ansehen, welche wie jene ursprünglichen unmittelbar von dem Gegenstande zu unserem Auge gelangen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":669,"orig":"Dieſen kann man die ſecundaͤren, als indirecte Bilder entgegenſetzen, welche erſt von einer ſpiegelnden Flaͤche aus der zweyten Hand uns uͤberliefert werden.","norm":"Diesen kann man die sekundären, als indirekte Bilder entgegensetzen, welche erst von einer spiegelnden Fläche aus der zweiten Hand uns überliefert werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":670,"orig":"Es ſind dieſes die katoptriſchen Bilder, welche auch in gewiſſen Faͤllen zu Doppelbildern werden koͤnnen.","norm":"Es sind dieses die katoptrischen Bilder, welche auch in gewissen Fällen zu Doppelbildern werden können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":671,"orig":"Wenn nehmlich der ſpiegelnde Koͤrper durchſichtig iſt und zwey hinter einander liegende parallele Flaͤchen hat; ſo kann von jeder Flaͤche ein Bild ins Auge kommen, und ſo entſtehen Doppelbilder, in ſo fern das obere Bild das untere nicht ganz deckt, welches auf mehr als eine Weiſe der Fall iſt.","norm":"Wenn nämlich der spiegelnde Körper durchsichtig ist und zwei hintereinanderliegende parallele Flächen hat; so kann von jeder Fläche ein Bild ins Auge kommen, und so entstehen Doppelbilder, insofern das obere Bild das untere nicht ganz deckt, welches auf mehr als eine Weise der Fall ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":672,"orig":"Man halte eine Spielkarte nahe vor einen Spiegel.","norm":"Man halte eine Spielkarte nahe vor einen Spiegel."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":673,"orig":"Man wird alsdann zuerſt das ſtarke lebhafte Bild der Karte erſcheinen ſehen; allein den Rand des ganzen ſowohl als jedes einzelnen darauf befindlichen Bildes mit einem Saume verbraͤmt, welcher der Anfang des zweyten Bildes iſt.","norm":"Man wird alsdann zuerst das starke lebhafte Bild der Karte erscheinen sehen; allein den Rand des ganzen sowohl als jedes einzelnen darauf befindlichen Bildes mit einem Saume verbrämt, welcher der Anfang des zweiten Bildes ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":674,"orig":"Dieſe Wirkung iſt bey verſchiedenen Spiegeln, nach Verſchiedenheit der Staͤrke des Glaſes und nach vorgekommenen Zufaͤlligkeiten beym Schleifen, gleichfalls verſchieden.","norm":"Diese Wirkung ist bei verschiedenen Spiegeln, nach Verschiedenheit der Stärke des Glases und nach vorgekommenen Zufälligkeiten beim Schleifen, gleichfalls verschieden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":675,"orig":"Tritt man mit einer weißen Weſte auf ſchwarzen Unterkleidern vor manchen Spiegel, ſo erſcheint der Saum ſehr ſtark, wobey man auch ſehr deutlich die Doppelbilder der Metallknoͤpfe auf dunklem Tuche erkennen kann.","norm":"Tritt man mit einer weißen Weste auf schwarzen Unterkleidern vor manchen Spiegel, so erscheint der Saum sehr stark, wobei man auch sehr deutlich die Doppelbilder der Metallknöpfe auf dunklem Tuche erkennen kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":676,"orig":"Wer ſich mit andern, von uns fruͤher angedeuteten Verſuchen (80.) ſchon bekannt gemacht hat, der wird ſich auch hier eher zurecht finden.","norm":"Wer sich mit anderen, von uns früher angedeuteten Versuchen (80) schon bekannt gemacht hat, der wird sich auch hier eher zurecht finden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":677,"orig":"Die Fenſterſtaͤbe von Glastafeln zuruͤckgeworfen zeigen ſich doppelt und laſſen ſich, bey mehrerer Staͤrke der Tafel und vergroͤßertem Zuruͤckwerfungswinkel gegen das Auge, voͤllig trennen.","norm":"Die Fensterstäbe von Glastafeln zurückgeworfen zeigen sich doppelt und lassen sich, bei mehrerer Stärke der Tafel und vergrößertem Zurückwerfungswinkel gegen das Auge, völlig trennen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":678,"orig":"So zeigt auch ein Gefaͤß voll Waſſer mit flachem ſpiegelndem Boden die ihm vorgehaltnen Gegenſtaͤnde doppelt, und nach Verhaͤltniß mehr oder weniger von einander getrennt; wobey zu bemerken iſt, daß da, wo beyde Bilder einander decken, eigentlich das vollkommen lebhafte Bild entſteht, wo es aber aus einander tritt und doppelt wird, ſich nun mehr ſchwache, durchſcheinende und geſpenſterhafte Bilder zeigen.","norm":"So zeigt auch ein Gefäß voll Wasser mit flachem spiegelndem Boden die ihm vorgehaltenen Gegenstände doppelt, und nach Verhältnis mehr oder weniger voneinander getrennt; wobei zu bemerken ist, dass da, wo beide Bilder einander decken, eigentlich das vollkommen lebhafte Bild entsteht, wo es aber auseinander tritt und doppelt wird, sich nun mehr schwache, durchscheinende und gespensterhafte Bilder zeigen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":679,"orig":"Will man wiſſen, welches das untere, und welches das obere Bild ſey; ſo nehme man gefaͤrbte Mittel, da denn ein helles Bild, das von der untern Flaͤche zuruͤckgeworfen wird, die Farbe des Mittels, das aber von der obern zuruͤckgeworfen wird, die geforderte Farbe hat.","norm":"Will man wissen, welches das untere, und welches das obere Bild sei; so nehme man gefärbte Mittel, da denn ein helles Bild, das von der unteren Fläche zurückgeworfen wird, die Farbe des Mittels, das aber von der oberen zurückgeworfen wird, die geforderte Farbe hat."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":680,"orig":"Umgekehrt iſt es mit dunklen Bildern; weswegen man auch hier ſchwarze und weiße Tafeln ſehr wohl brauchen kann.","norm":"Umgekehrt ist es mit dunklen Bildern; weswegen man auch hier schwarze und weiße Tafeln sehr wohl brauchen kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":681,"orig":"Wie leicht die Doppelbilder ſich Farbe mittheilen laſſen, Farbe hervorrufen, wird auch hier wieder auffallend ſeyn.","norm":"Wie leicht die Doppelbilder sich Farbe mitteilen lassen, Farbe hervorrufen, wird auch hier wieder auffallend sein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":682,"orig":"Drittens kann man die primaͤren Bilder auch als Hauptbilder anſehen und ihnen die ſecundaͤren als Nebenbilder gleichſam anfuͤgen.","norm":"Drittens kann man die primären Bilder auch als Hauptbilder ansehen und ihnen die sekundären als Nebenbilder gleichsam anfügen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":683,"orig":"Ein ſolches Nebenbild iſt eine Art von Doppelbild, nur daß es ſich von dem Hauptbilde nicht trennen laͤßt, ob es ſich gleich immer von demſelben zu entfernen ſtrebt.","norm":"Ein solches Nebenbild ist eine Art von Doppelbild, nur dass es sich von dem Hauptbilde nicht trennen lässt, ob es sich gleich immer von demselben zu entfernen strebt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":684,"orig":"Von ſolchen iſt nun bey den prismatiſchen Erſcheinungen die Rede.","norm":"Von solchen ist nun bei den prismatischen Erscheinungen die Rede."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":685,"orig":"Das unbegraͤnzt durch Refraction Geſehene zeigt keine Farbenerſcheinung (195.) Das Geſehene muß begraͤnzt ſeyn.","norm":"Das unbegrenzt durch Refraktion Gesehene zeigt keine Farbenerscheinung (195) das gesehene muss begrenzt sein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":686,"orig":"Es wird daher ein Bild gefordert; dieſes Bild wird durch Refraction verruͤckt, aber nicht vollkommen, nicht rein, nicht ſcharf verruͤckt, ſondern unvollkommen, dergeſtalt, daß ein Nebenbild entſtehet.","norm":"Es wird daher ein Bild gefordert; dieses Bild wird durch Refraktion verrückt, aber nicht vollkommen, nicht rein, nicht scharf verrückt, sondern unvollkommen, dergestalt, dass ein Nebenbild entstehet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":687,"orig":"Bey einer jeden Erſcheinung der Natur, beſonders aber bey einer bedeutenden, auffallenden, muß man nicht ſtehen bleiben, man muß ſich nicht an ſie heften, nicht an ihr kleben, ſie nicht iſolirt betrachten; ſondern in der ganzen Natur umherſehen, wo ſich etwas Aehnliches, etwas Verwandtes zeigt: denn nur durch Zuſammenſtellen des Verwandten entſteht nach und nach eine Totalitaͤt, die ſich ſelbſt ausſpricht und keiner weitern Erklaͤrung bedarf.","norm":"Bei einer jeden Erscheinung der Natur, besonders aber bei einer bedeutenden, auffallenden, muss man nicht stehen bleiben, man muss sich nicht an sie heften, nicht an ihr kleben, sie nicht isoliert betrachten; sondern in der ganzen Natur umhersehen, wo sich etwas Ähnliches, etwas Verwandtes zeigt: denn nur durch Zusammenstellen des Verwandten entsteht nach und nach eine Totalität, die sich selbst ausspricht und keiner weitern Erklärung bedarf."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":688,"orig":"Wir erinnern uns alſo hier, daß bey gewiſſen Faͤllen Refraction unlaͤugbare Doppelbilder hervorbringt, wie es bey dem ſogenannten Islaͤndiſchen Kryſtalle der Fall iſt.","norm":"Wir erinnern uns also hier, dass bei gewissen Fällen Refraktion unleugbare Doppelbilder hervorbringt, wie es bei dem sogenannten isländischen Kristalle der Fall ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":689,"orig":"Dergleichen Doppelbilder entſtehen aber auch bey Refraction durch große Bergkryſtalle und ſonſt;","norm":"Dergleichen Doppelbilder entstehen aber auch bei Refraktion durch große Bergkristalle und sonst;"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":690,"orig":"Phaͤnomene, die noch nicht genugſam beobachtet ſind.","norm":"Phänomene, die noch nicht genugsam beobachtet sind."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":691,"orig":"Da nun aber in gedachtem Falle (227.) nicht von Doppel-, ſondern von Nebenbildern die Rede iſt; ſo gedenken wir einer von uns ſchon dargelegten, aber noch nicht vollkommen ausgefuͤhrten Erſcheinung.","norm":"Da nun aber in gedachtem Falle (227) nicht von Doppel-, sondern von Nebenbildern die Rede ist; so gedenken wir einer von uns schon dargelegten, aber noch nicht vollkommen ausgeführten Erscheinung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":692,"orig":"Man erinnere ſich jener fruͤhern Erfahrung, daß ein helles Bild mit einem dunklen Grunde, ein dunkles mit einem hellen Grunde ſchon in Abſicht auf unſre Retina in einer Art von Conflict ſtehe.","norm":"Man erinnere sich jener früheren Erfahrung, dass ein helles Bild mit einem dunklen Grunde, ein dunkles mit einem hellen Grunde schon in Absicht auf unsere Retina in einer Art von Konflikt stehe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":693,"orig":"(16.) Das Helle erſcheint in dieſem Falle groͤßer, das Dunkle kleiner.","norm":"(16) Das Helle erscheint in diesem Falle größer, das Dunkle kleiner."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":694,"orig":"Bey genauer Beobachtung dieſes Phaͤnomens laͤßt ſich bemerken, daß die Bilder nicht ſcharf vom Grunde abgeſchnitten, ſondern mit einer Art von grauem, einigermaßen gefaͤrbtem Rande, mit einem Nebenbild erſcheinen.","norm":"Bei genauer Beobachtung dieses Phänomens lässt sich bemerken, dass die Bilder nicht scharf vom Grunde abgeschnitten, sondern mit einer Art von grauem, einigermaßen gefärbtem Rande, mit einem Nebenbild erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":695,"orig":"Bringen nun Bilder ſchon in dem nackten Auge ſolche Wirkungen hervor, was wird erſt geſchehen, wenn ein dichtes Mittel dazwiſchen tritt.","norm":"Bringen nun Bilder schon in dem nackten Auge solche Wirkungen hervor, was wird erst geschehen, wenn ein dichtes Mittel dazwischen tritt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":696,"orig":"Nicht das allein, was uns im hoͤchſten Sinne lebendig erſcheint, uͤbt Wirkungen aus und erleidet ſie; ſondern auch alles, was nur irgend einen Bezug auf einander hat, iſt wirkſam auf einander und zwar oft in ſehr hohem Maße.","norm":"Nicht das allein, was uns im höchsten Sinne lebendig erscheint, übt Wirkungen aus und erleidet sie; sondern auch alles, was nur irgendeinen Bezug aufeinander hat, ist wirksam aufeinander und zwar oft in sehr hohem Maße."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":697,"orig":"Es entſtehet alſo, wenn die Refraction auf ein Bild wirkt, an dem Hauptbilde ein Nebenbild, und zwar ſcheint es, daß das wahre Bild einigermaßen zuruͤckbleibe und ſich dem Verruͤcken gleichſam widerſetze.","norm":"Es entstehet also, wenn die Refraktion auf ein Bild wirkt, an dem Hauptbilde ein Nebenbild, und zwar scheint es, dass das wahre Bild einigermaßen zurückbleibe und sich dem Verrücken gleichsam widersetze."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":698,"orig":"Ein Nebenbild aber in der Richtung, wie das Bild durch Refraction uͤber ſich ſelbſt und uͤber den Grund hin bewegt wird, eilt vor und zwar ſchmaͤler oder breiter, wie oben ſchon ausgefuͤhrt worden.","norm":"Ein Nebenbild aber in der Richtung, wie das Bild durch Refraktion über sich selbst und über den Grund hin bewegt wird, eilt vor und zwar schmaler oder breiter, wie oben schon ausgeführt worden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":699,"orig":"(212 — 216.)","norm":"(212 — 216)"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":700,"orig":"Auch haben wir bemerkt (224.), daß Doppelbilder als halbirte Bilder, als eine Art von durchſichtigem Geſpenſt erſcheinen, ſo wie ſich die Doppelſchatten jedesmal als Halbſchatten zeigen muͤſſen.","norm":"Auch haben wir bemerkt (224), dass Doppelbilder als halbierte Bilder, als eine Art von durchsichtigem Gespenst erscheinen, so wie sich die Doppelschatten jedes Mal als Halbschatten zeigen müssen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":701,"orig":"Dieſe nehmen die Farbe leicht an und bringen ſie ſchnell hervor.","norm":"Diese nehmen die Farbe leicht an und bringen sie schnell hervor."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":702,"orig":"(69.) Jene gleichfalls.","norm":"(69) Jene gleichfalls."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":703,"orig":"(80.) Und eben der Fall tritt auch bey den Nebenbildern ein, welche zwar von dem Hauptbilde nicht ab, aber auch als halbirte Bilder aus demſelben hervortreten, und daher ſo ſchnell, ſo leicht und ſo energiſch gefaͤrbt erſcheinen koͤnnen.","norm":"(80) Und eben der Fall tritt auch bei den Nebenbildern ein, welche zwar von dem Hauptbilde nicht ab, aber auch als halbierte Bilder aus demselben hervortreten, und daher so schnell, so leicht und so energisch gefärbt erscheinen können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":704,"orig":"Daß nun die prismatiſche Farbenerſcheinung ein Nebenbild ſey, davon kann man ſich auf mehr als eine Weiſe uͤberzeugen.","norm":"Dass nun die prismatische Farbenerscheinung ein Nebenbild sei, davon kann man sich auf mehr als eine Weise überzeugen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":705,"orig":"Es entſteht genau nach der Form des Hauptbildes.","norm":"Es entsteht genau nach der Form des Hauptbildes."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":706,"orig":"Dieſes ſey nun gerade oder im Bogen begraͤnzt, gezackt oder wellenfoͤrmig, durchaus haͤlt ſich das Nebenbild genau an den Umriß des Hauptbildes.","norm":"Dieses sei nun gerade oder im Bogen begrenzt, gezackt oder wellenförmig, durchaus hält sich das Nebenbild genau an den Umriss des Hauptbildes."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":707,"orig":"Aber nicht allein die Form des wahren Bildes, ſondern auch andre Beſtimmungen deſſelben theilen ſich dem Nebenbilde mit.","norm":"Aber nicht allein die Form des wahren Bildes, sondern auch andere Bestimmungen desselben teilen sich dem Nebenbilde mit."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":708,"orig":"Schneidet ſich das Hauptbild ſcharf vom Grunde ab, wie Weiß auf Schwarz, ſo erſcheint das farbige Nebenbild gleichfalls in ſeiner hoͤchſten Energie.","norm":"Schneidet sich das Hauptbild scharf vom Grunde ab, wie Weiß auf Schwarz, so erscheint das farbige Nebenbild gleichfalls in seiner höchsten Energie."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":709,"orig":"Es iſt lebhaft, deutlich und gewaltig.","norm":"Es ist lebhaft, deutlich und gewaltig."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":710,"orig":"Am allermaͤchtigſten aber iſt es, wenn ein leuchtendes Bild ſich auf einem dunkeln Grunde zeigt, wozu man verſchiedene Vorrichtungen machen kann.","norm":"Am allermächtigsten aber ist es, wenn ein leuchtendes Bild sich auf einem dunkeln Grunde zeigt, wozu man verschiedene Vorrichtungen machen kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":711,"orig":"Stuft ſich aber das Hauptbild ſchwach von dem Grunde ab, wie ſich graue Bilder gegen Schwarz und Weiß, oder gar gegen einander verhalten; ſo iſt auch das Nebenbild ſchwach, und kann bei einer geringen Differenz von Tinten beynahe unmerklich werden.","norm":"Stuft sich aber das Hauptbild schwach von dem Grunde ab, wie sich graue Bilder gegen Schwarz und Weiß, oder gar gegeneinander verhalten; so ist auch das Nebenbild schwach, und kann bei einer geringen Differenz von Tinten beinahe unmerklich werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":712,"orig":"So iſt es ferner hoͤchſt merkwuͤrdig, was an farbigen Bildern auf hellem, dunklem oder farbigem Grunde beobachtet wird.","norm":"So ist es ferner höchst merkwürdig, was an farbigen Bildern auf hellem, dunklem oder farbigem Grunde beobachtet wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":713,"orig":"Hier entſteht ein Zuſammentritt der Farbe des Nebenbildes mit der realen Farbe des Hauptbildes, und es erſcheint daher eine zuſammengeſetzte, entweder durch Uebereinſtimmung beguͤnſtigte oder durch Widerwaͤrtigkeit verkuͤmmerte Farbe.","norm":"Hier entsteht ein Zusammentritt der Farbe des Nebenbildes mit der realen Farbe des Hauptbildes, und es erscheint daher eine zusammengesetzte, entweder durch Übereinstimmung begünstigte oder durch Widerwärtigkeit verkümmerte Farbe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":714,"orig":"Ueberhaupt aber iſt das Kennzeichen des Doppelund Nebenbildes die Halbdurchſichtigkeit.","norm":"Überhaupt aber ist das Kennzeichen des Doppel Nebenbildes die Halbdurchsichtigkeit."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":715,"orig":"Man denke ſich daher innerhalb eines durchſichtigen Mittels, deſſen innre Anlage nur halbdurchſichtig, nur durchſcheinend zu werden ſchon oben ausgefuͤhrt iſt (147); man denke ſich innerhalb deſſelben ein halbdurchſichtiges Scheinbild, ſo wird man dieſes ſogleich fuͤr ein truͤbes Bild anſprechen.","norm":"Man denke sich daher innerhalb eines durchsichtigen Mittels, dessen innere Anlage nur halbdurchsichtig, nur durchscheinend zu werden schon oben ausgeführt ist (147); man denke sich innerhalb desselben ein halbdurchsichtiges Scheinbild, so wird man dieses sogleich für ein trübes Bild ansprechen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":716,"orig":"Und ſo laſſen ſich die Farben bey Gelegenheit der Refraction aus der Lehre von den truͤben Mitteln gar bequem ableiten.","norm":"Und so lassen sich die Farben bei Gelegenheit der Refraktion aus der Lehre von den trüben Mitteln gar bequem ableiten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":717,"orig":"Denn wo der voreilende Saum des truͤben Nebenbildes ſich vom Dunklen uͤber das Helle zieht, erſcheint das Gelbe; umgekehrt wo eine helle Graͤnze uͤber die dunkle Umgebung hinaustritt, erſcheint das Blaue.","norm":"Denn wo der voreilende Saum des trüben Nebenbildes sich vom Dunklen über das Helle zieht, erscheint das Gelbe; umgekehrt wo eine helle Grenze über die dunkle Umgebung hinaustritt, erscheint das Blaue."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":718,"orig":"(150.","norm":"(150."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":719,"orig":"151.)","norm":"151.)"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":720,"orig":"Die voreilende Farbe iſt immer die breitere.","norm":"Die voreilende Farbe ist immer die breitere."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":721,"orig":"So greift die gelbe uͤber das Licht mit einem breiten Saume; da wo ſie aber an das Dunkle graͤnzt, entſteht, nach der Lehre der Steigerung und Beſchattung, das Gelbrothe als ein ſchmaͤlerer Rand.","norm":"So greift die gelbe über das Licht mit einem breiten Saume; da wo sie aber an das Dunkle grenzt, entsteht, nach der Lehre der Steigerung und Beschattung, das Gelbrote als ein schmalerer Rand."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":722,"orig":"An der entgegengeſetzten Seite haͤlt ſich das gedraͤngte Blau an der Graͤnze, der vorſtrebende Saum aber, als eiu leichtes Truͤbes uͤber das Schwarze verbreitet, laͤßt uns die violette Farbe ſehen, nach eben denſelben Bedingungen, welche oben bey der Lehre von den truͤben Mitteln angegeben worden, und welche ſich kuͤnftig in mehreren andern Faͤllen gleichmaͤßig wirkſam zeigen werden.","norm":"An der entgegengesetzten Seite hält sich das gedrängte Blau an der Grenze, der vorstehende Saum aber, als ein leichtes Trübes über das Schwarze verbreitet, lässt uns die violette Farbe sehen, nach eben denselben Bedingungen, welche oben bei der Lehre von den trüben Mitteln angegeben worden, und welche sich künftig in mehreren anderen Fällen gleichmäßig wirksam zeigen werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":723,"orig":"Da eine Ableitung wie die gegenwaͤrtige ſich eigentlich vor dem Anſchauen des Forſchers legitimiren muß; ſo verlangen wir von jedem, daß er ſich nicht auf eine fluͤchtige, ſondern gruͤndliche Weiſe mit dem bisher Vorgefuͤhrten bekannt mache.","norm":"Da eine Ableitung wie die gegenwärtige sich eigentlich vor dem Anschauen des Forschers legitimieren muss; so verlangen wir von jedem, dass er sich nicht auf eine flüchtige, sondern gründliche Weise mit dem bisher Vorgeführten bekannt mache."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":724,"orig":"Hier werden nicht willkuͤhrliche Zeichen, Buchſtaben und was man ſonſt belieben moͤchte, ſtatt der Erſcheinungen hingeſtellt; hier werden nicht Redensarten uͤberliefert, die man hundertmal wiederholen kann, ohne etwas dabey zu denken, noch Jemanden etwas dadurch denken zu machen; ſondern es iſt von Erſcheinungen die Rede, die man vor den Augen des Leibes und des Geiſtes gegenwaͤrtig haben muß, um ihre Abkunft, ihre Herleitung ſich und andern mit Klarheit entwickeln zu koͤnnen.","norm":"Hier werden nicht willkürliche Zeichen, Buchstaben und was man sonst belieben möchte, statt der Erscheinungen hingestellt; hier werden nicht Redensarten überliefert, die man hundertmal wiederholen kann, ohne etwas dabei zu denken, noch jemanden etwas dadurch denken zu machen; sondern es ist von Erscheinungen die Rede, die man vor den Augen des Leibes und des Geistes gegenwärtig haben muss, um ihre Abkunft, ihre Herleitung sich und anderen mit Klarheit entwickeln zu können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":725,"orig":"Da man jene vorſchreitenden fuͤnf Bedingungen, (210.) unter welchen die Farbenerſcheinung zunimmt, nur ruͤckgaͤngig annehmen darf, um die Abnahme des Phaͤnomens leicht einzuſehen und zu bewirken; ſo waͤre nur noch dasjenige, was dabey das Auge gewahr wird, kuͤrzlich zu beſchreiben und durchzufuͤhren.","norm":"Da man jene vorschreitenden fünf Bedingungen, (210) unter welchen die Farbenerscheinung zunimmt, nur rückgängig annehmen darf, um die Abnahme des Phänomens leicht einzusehen und zu bewirken; so wäre nur noch dasjenige, was dabei das Auge gewahr wird, kürzlich zu beschreiben und durchzuführen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":726,"orig":"Auf dem hoͤchſten Puncte wechſelſeitiger Deckung der entgegengeſetzten Raͤnder erſcheinen die Farben folgendermaßen (216):","norm":"Auf dem höchsten Punkte wechselseitiger Deckung der entgegengesetzten Ränder erscheinen die Farben folgendermaßen (216):"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":727,"orig":"Gelbroth","norm":"Gelbrot"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":728,"orig":"Gelb.","norm":"Gelb."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":729,"orig":"Bey minderer Deckung zeigt ſich das Phaͤnomen folgendermaßen (214.","norm":"Bei minderer Deckung zeigt sich das Phänomen folgendermaßen (214."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":730,"orig":"215):","norm":"215):"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":731,"orig":"Hier erſcheinen alſo die Bilder noch voͤllig gefaͤrbt, aber dieſe Reihen ſind nicht als urſpruͤngliche, ſtetig ſich auseinander entwickelnde ſtufen- und ſcalenartige Reihen anzuſehen; ſie koͤnnen und muͤſſen vielmehr in ihre Elemente zerlegt werden, wobey man denn ihre Natur und Eigenſchaft beſſer kennen lernt.","norm":"Hier erscheinen also die Bilder noch völlig gefärbt, aber diese Reihen sind nicht als ursprüngliche, stetig sich auseinander entwickelnde stufen- und skalenartige Reihen anzusehen; sie können und müssen vielmehr in ihre Elemente zerlegt werden, wobei man denn ihre Natur und Eigenschaft besser kennen lernt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":732,"orig":"Dieſe Elemente aber ſind (199.","norm":"Diese Elemente aber sind (199."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":733,"orig":"200.","norm":"200."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":734,"orig":"201):","norm":"201):"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":735,"orig":"Hier tritt nun das Hauptbild, das bisher ganz zugedeckt und gleichſam verloren geweſen, in der Mitte der Erſcheinung wieder hervor, behauptet ſein Recht und laͤßt uns die ſecundaͤre Natur der Nebenbilder, die ſich als Raͤnder und Saͤume zeigen, voͤllig erkennen.","norm":"Hier tritt nun das Hauptbild, das bisher ganz zugedeckt und gleichsam verloren gewesen, in der Mitte der Erscheinung wieder hervor, behauptet sein Recht und lässt uns die sekundäre Natur der Nebenbilder, die sich als Ränder und Säume zeigen, völlig erkennen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":736,"orig":"Es haͤngt von uns ab, dieſe Raͤnder und Saͤume ſo ſchmal werden zu laſſen, als es uns beliebt, ja noch Refraction uͤbrig zu behalten, ohne daß uns deßwegen eine Farbe an der Graͤnze erſchiene.","norm":"Es hängt von uns ab, diese Ränder und Säume so schmal werden zu lassen, als es uns beliebt, ja noch Refraktion übrig zu behalten, ohne dass uns deswegen eine Farbe an der Grenze erschiene."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":737,"orig":"Dieſes nunmehr genugſam entwickelte farbige Phaͤnomen laſſen wir denn nicht als ein urſpruͤngliches gelten; ſondern wir haben es auf ein fruͤheres und einfacheres zuruͤckgefuͤhrt, und ſolches aus dem Urphaͤnomen des Lichtes und der Finſterniß durch die Truͤbe vermittelt, in Verbindung mit der Lehre von den ſecundaͤren Bildern abgeleitet, und ſo geruͤſtet werden wir die Erſcheinungen, welche graue und farbige Bilder durch Brechung verruͤckt hervorbringen, zuletzt umſtaͤndlich vortragen und damit den Abſchnitt ſubjectiver Erſcheinungen voͤllig abſchließen.","norm":"Dieses nunmehr genugsam entwickelte farbige Phänomen lassen wir denn nicht als ein ursprüngliches Gelten; sondern wir haben es auf ein früheres und einfacheres zurückgeführt, und solches aus dem Urphänomen des Lichtes und der Finsternis durch die Trübe vermittelt, in Verbindung mit der Lehre von den sekundären Bildern abgeleitet, und so gerüstet werden wir die Erscheinungen, welche graue und farbige Bilder durch Brechung verrückt hervorbringen, zuletzt umständlich vortragen und damit den Abschnitt subjektiver Erscheinungen völlig abschließen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":738,"orig":"Wir haben bisher nur ſchwarze und weiße Bilder auf entgegengeſetztem Grunde durchs Prisma betrachtet, weil ſich an denſelben die farbigen Raͤnder und Saͤume am deutlichſten ausnehmen.","norm":"Wir haben bisher nur schwarze und weiße Bilder auf entgegengesetztem Grunde durchs Prisma betrachtet, weil sich an denselben die farbigen Ränder und Säume am deutlichsten ausnehmen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":739,"orig":"Gegenwaͤrtig wiederholen wir jene Verſuche mit grauen Bildern und finden abermals die bekannten Wirkungen.","norm":"Gegenwärtig wiederholen wir jene Versuche mit grauen Bildern und finden abermals die bekannten Wirkungen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":740,"orig":"Nannten wir das Schwarze den Repraͤſentanten der Finſterniß, das Weiße den Stellvertreter des Lichts (18); ſo koͤnnen wir ſagen, daß das Graue den Halbſchatten repraͤſentire, welcher mehr oder weniger an Licht und Finſterniß Theil nimmt und alſo zwiſchen beyden inne ſteht (36).","norm":"Nannten wir das Schwarze den Repräsentanten der Finsternis, das Weiße den Stellvertreter des Lichts (18); so können wir sagen, dass das Graue den Halbschatten repräsentiere, welcher mehr oder weniger an Licht und Finsternis teilnimmt und also zwischen beiden inne steht (36)."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":741,"orig":"Zu unſerm gegenwaͤrtigen Zwecke rufen wir folgende Phaͤnomene ins Gedaͤchtniß.","norm":"Zu unserem gegenwärtigen Zwecke rufen wir folgende Phänomene ins Gedächtnis."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":742,"orig":"Graue Bilder erſcheinen heller auf ſchwarzem als auf weißem Grunde (33), und erſcheinen in ſolchen Faͤllen, als ein Helles auf dem Schwarzen, groͤßer; als ein Dunkles auf dem Weißen, kleiner (16.)","norm":"Graue Bilder erscheinen heller auf schwarzem als auf weißem Grunde (33), und erscheinen in solchen Fällen, als ein Helles auf dem Schwarzen, größer; als ein Dunkles auf dem Weißen, kleiner (16)"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":743,"orig":"Je dunkler das Grau iſt, deſto mehr erſcheint es als ein ſchwaches Bild auf Schwarz, als ein ſtarkes Bild auf Weiß, und umgekehrt; daher giebt Dunkelgrau auf Schwarz nur ſchwache, daſſelbe auf Weiß ſtarke, Hellgrau auf Weiß ſchwache, auf Schwarz ſtarke Nebenbilder.","norm":"Je dunkler das Grau ist, desto mehr erscheint es als ein schwaches Bild auf Schwarz, als ein starkes Bild auf Weiß, und umgekehrt; daher gibt Dunkelgrau auf Schwarz nur schwache, dasselbe auf Weiß starke, Hellgrau auf Weiß schwache, auf Schwarz starke Nebenbilder."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":744,"orig":"Grau auf Schwarz wird uns durchs Prisma jene Phaͤnomene zeigen, die wir bisher mit Weiß auf Schwarz hervorgebracht haben; die Raͤnder werden nach eben der Regel gefaͤrbt, die Saͤume zeigen ſich nur ſchwaͤcher.","norm":"Grau auf Schwarz wird uns durchs Prisma jene Phänomene zeigen, die wir bisher mit Weiß auf Schwarz hervorgebracht haben; die Ränder werden nach eben der Regel gefärbt, die Säume zeigen sich nur schwächer."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":745,"orig":"Bringen wir Grau auf Weiß, ſo erblicken wir eben die Raͤnder und Saͤume, welche hervorgebracht wurden, wenn wir Schwarz auf Weiß durchs Prisma betrachteten.","norm":"Bringen wir Grau auf Weiß, so erblicken wir eben die Ränder und Säume, welche hervorgebracht wurden, wenn wir schwarz auf weiß durchs Prisma betrachteten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":746,"orig":"Verſchiedene Schattirungen von Grau, ſtufenweiſe an einander geſetzt, werden, je nachdem man das Dunklere oben oder untenhin bringt, entweder nur Blau und Violett, oder nur Roth und Gelb an den Raͤndern zeigen.","norm":"Verschiedene Schattierungen von Grau, stufenweise aneinander gesetzt, werden, je nachdem man das Dunklere oben oder untenhin bringt, entweder nur Blau und Violett, oder nur Rot und Gelb an den Rändern zeigen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":747,"orig":"Eine Reihe grauer Schattirungen, horizontal an einander geſtellt, wird, wie ſie oben oder unten an eine ſchwarze oder weiße Flaͤche ſtoͤßt, nach den bekannten Regeln gefaͤrbt.","norm":"Eine Reihe grauer Schattierungen, horizontal aneinander gestellt, wird, wie sie oben oder unten an eine schwarze oder weiße Fläche stößt, nach den bekannten Regeln gefärbt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":748,"orig":"Auf der zu dieſem Abſchnitt beſtimmten, von jedem Naturfreund fuͤr ſeinen Apparat zu vergroͤßernden Tafel kann man dieſe Phaͤnomene durchs Prisma mit einem Blicke gewahr werden.","norm":"Auf der zu diesem Abschnitt bestimmten, von jedem Naturfreund für seinen Apparat zu vergrößernden Tafel kann man diese Phänomene durchs Prisma mit einem Blicke gewahr werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":749,"orig":"Hoͤchſt wichtig aber iſt die Beobachtung und Betrachtung eines grauen Bildes, welches zwiſchen einer ſchwarzen und einer weißen Flaͤche dergeſtalt angebracht iſt, daß die Theilungslinie vertical durch das Bild durchgeht.","norm":"Höchst wichtig aber ist die Beobachtung und Betrachtung eines grauen Bildes, welches zwischen einer schwarzen und einer weißen Fläche dergestalt angebracht ist, dass die Teilungslinie vertikal durch das Bild durchgeht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":750,"orig":"An dieſem grauen Bilde werden die Farben nach der bekannten Regel, aber nach dem verſchiedenen Verhaͤltniſſe des Hellen zum Dunklen, auf einer Linie entgegengeſetzt erſcheinen.","norm":"An diesem grauen Bilde werden die Farben nach der bekannten Regel, aber nach dem verschiedenen Verhältnisse des Hellen zum Dunklen, auf einer Linie entgegengesetzt erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":751,"orig":"Denn indem das Graue zum Schwarzen ſich als hell zeigt; ſo hat es oben das Rothe und Gelbe, unten das Blaue und Violette.","norm":"Denn indem das Graue zum Schwarzen sich als hell zeigt; so hat es oben das Rote und Gelbe, unten das Blaue und Violette."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":752,"orig":"Indem es ſich zum Weißen als dunkel verhaͤlt; ſo ſieht man oben den blauen und violetten, unten hingegen den rothen und gelben Rand.","norm":"Indem es sich zum Weißen als dunkel verhält; so sieht man oben den blauen und violetten, unten hingegen den roten und gelben Rand."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":753,"orig":"Dieſe Beobachtung wird fuͤr die naͤchſte Abtheilung hoͤchſt wichtig.","norm":"Diese Beobachtung wird für die nächste Abteilung höchst wichtig."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":754,"orig":"Eine farbige große Flaͤche zeigt innerhalb ihrer ſelbſt, ſo wenig als eine ſchwarze, weiße oder graue, irgend eine prismatiſche Farbe; es muͤßte denn zufaͤllig oder vorſaͤtzlich auf ihr Hell und Dunkel abwechſeln.","norm":"Eine farbige große Fläche zeigt innerhalb ihrer selbst, so wenig als eine schwarze, weiße oder graue, irgendeine prismatische Farbe; es müsste denn zufällig oder vorsätzlich auf ihr Hell und Dunkel abwechseln."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":755,"orig":"Es ſind alſo auch nur Beobachtungen durchs Prisma an farbigen Flaͤchen anzuſtellen, in ſo fern ſie durch einen Rand von einer andern verſchieden tingirten Flaͤche abgeſondert werden, alſo auch nur an farbigen Bildern.","norm":"Es sind also auch nur Beobachtungen durchs Prisma an farbigen Flächen anzustellen, insofern sie durch einen Rand von einer anderen verschieden tingierten Fläche abgesondert werden, also auch nur an farbigen Bildern."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":756,"orig":"Es kommen alle Farben, welcher Art ſie auch ſeyn moͤgen, darin mit dem Grauen uͤberein, daß ſie dunkler als Weiß, und heller als Schwarz erſcheinen.","norm":"Es kommen alle Farben, welcher Art sie auch sein mögen, darin mit dem Grauen überein, dass sie dunkler als Weiß, und heller als Schwarz erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":757,"orig":"Dieſes Schattenhafte der Farbe (σκιεϱόν) iſt ſchon fruͤher angedeutet worden, (69.) und wird uns immer bedeutender werden.","norm":"Dieses Schattenhafte der Farbe (σκιεϱόν) ist schon früher angedeutet worden, (69) und wird uns immer bedeutender werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":758,"orig":"Wenn wir alſo vorerſt farbige Bilder auf ſchwarze und weiße Flaͤchen bringen, und ſie durchs Prisma betrachten; ſo werden wir alles, was wir bey grauen Flaͤchen bemerkt haben, hier abermals finden.","norm":"Wenn wir also vorerst farbige Bilder auf schwarze und weiße Flächen bringen, und sie durchs Prisma betrachten; so werden wir alles, was wir bei grauen Flächen bemerkt haben, hier abermals finden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":759,"orig":"Verruͤcken wir ein farbiges Bild, ſo entſteht, wie bey farbloſen Bildern, nach eben den Geſetzen, ein Nebenbild.","norm":"Verrücken wir ein farbiges Bild, so entsteht, wie bei farblosen Bildern, nach eben den Gesetzen, ein Nebenbild."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":760,"orig":"Dieſes Nebenbild behaͤlt, was die Farbe betrifft, ſeine urſpruͤngliche Natur bey und wirkt auf der einen Seite als ein Blaues und Blaurothes, auf der entgegengeſetzten als ein Gelbes und Gelbrothes.","norm":"Dieses Nebenbild behält, was die Farbe betrifft, seine ursprüngliche Natur bei und wirkt auf der einen Seite als ein Blaues und Blaurotes, auf der entgegengesetzten als ein Gelbes und Gelbrotes."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":761,"orig":"Daher muß der Fall eintreten, daß die Scheinfarbe des Randes und des Saumes mit der realen Farbe eines farbigen Bildes homogen ſey; es kann aber auch im andern Falle das mit einem Pigment gefaͤrbte Bild mit dem erſcheinenden Rand und Saum ſich heterogen finden.","norm":"Daher muss der Fall eintreten, dass die Scheinfarbe des Randes und des Saumes mit der realen Farbe eines farbigen Bildes homogen sei; es kann aber auch im anderen Falle das mit einem Pigment gefärbte Bild mit dem erscheinenden Rand und Saum sich heterogen finden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":762,"orig":"In dem erſten Falle identificirt ſich das Scheinbild mit dem wahren und ſcheint daſſelbe zu vergroͤßern; dahingegen in dem zweyten Falle das wahre Bild durch das Scheinbild verunreinigt, undeutlich gemacht und verkleinert werden kann.","norm":"In dem ersten Falle identifiziert sich das Scheinbild mit dem wahren und scheint dasselbe zu vergrößern; dahingegen in dem zweiten Falle das wahre Bild durch das Scheinbild verunreinigt, undeutlich gemacht und verkleinert werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":763,"orig":"Wir wollen die Faͤlle durchgehen, wo dieſe Wirkungen ſich am ſonderbarſten zeigen.","norm":"Wir wollen die Fälle durchgehen, wo diese Wirkungen sich am sonderbarsten zeigen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":764,"orig":"Man nehme die zu dieſen Verſuchen vorbereitete Tafel vor ſich, und betrachte das rothe und blaue Viereck auf ſchwarzem Grunde neben einander, nach der gewoͤhnlichen Weiſe durchs Prisma; ſo werden, da beyde Farben heller ſind als der Grund, an beyden, ſowohl oben als unten, gleiche farbige Raͤnder und Saͤume entſtehen, nur werden ſie dem Auge des Beobachters nicht gleich deutlich erſcheinen.","norm":"Man nehme die zu diesen Versuchen vorbereitete Tafel vor sich, und betrachte das rote und blaue Viereck auf schwarzem Grunde nebeneinander, nach der gewöhnlichen Weise durchs Prisma; so werden, da beide Farben heller sind als der Grund, an beiden, sowohl oben als unten, gleiche farbige Ränder und Säume entstehen, nur werden sie dem Auge des Beobachters nicht gleich deutlich erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":765,"orig":"Das Rothe iſt verhaͤltnißmaͤßig gegen das Schwarze viel heller als das Blaue.","norm":"Das Rote ist verhältnismäßig gegen das Schwarze viel heller als das Blaue."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":766,"orig":"Die Farben der Raͤnder werden alſo an dem Rothen ſtaͤrker als an dem Blauen erſcheinen, welches hier wie ein Dunkelgraues wirkt, das wenig von dem Schwarzen unterſchieden iſt.","norm":"Die Farben der Ränder werden also an dem Roten stärker als an dem Blauen erscheinen, welches hier wie ein Dunkelgraues wirkt, das wenig von dem Schwarzen unterschieden ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":767,"orig":"(251.)","norm":"(251)"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":768,"orig":"Der obere rothe Rand wird ſich mit der Zinnoberfarbe des Vierecks identificiren und ſo wird das rothe Viereck hinaufwaͤrts ein wenig vergroͤßert erſcheinen; der gelbe herabwaͤrtsſtrebende Saum aber giebt der rothen Flaͤche nur einen hoͤhern Glanz und wird erſt bey genauerer Aufmerkſamkeit bemerkbar.","norm":"Der obere rote Rand wird sich mit der Zinnoberfarbe des Vierecks identifizieren und so wird das rote Viereck hinaufwärts ein wenig vergrößert erscheinen; der gelbe herabwärtsstrebende Saum aber gibt der roten Fläche nur einen höheren Glanz und wird erst bei genauerer Aufmerksamkeit bemerkbar."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":769,"orig":"Dagegen iſt der rothe Rand und der gelbe Saum mit dem blauen Viereck heterogen; es wird alſo an dem Rande eine ſchmutzig rothe, und hereinwaͤrts in das Viereck eine ſchmutzig gruͤne Farbe entſtehen, und ſo wird beym fluͤchtigen Anblick das blaue Viereck von dieſer Seite zu verlieren ſcheinen.","norm":"Dagegen ist der rote Rand und der gelbe Saum mit dem blauen Viereck heterogen; es wird also an dem Rande eine schmutzig rote, und hereinwärts in das Viereck eine schmutzig grüne Farbe entstehen, und so wird beim flüchtigen Anblick das blaue Viereck von dieser Seite zu verlieren scheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":770,"orig":"An der untern Graͤnze der beyden Vierecke wird ein blauer Rand und ein violetter Saum entſtehen und die entgegengeſetzte Wirkung hervorbringen.","norm":"An der unteren Grenze der beiden Vierecke wird ein blauer Rand und ein violetter Saum entstehen und die entgegengesetzte Wirkung hervorbringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":771,"orig":"Denn der blaue Rand, der mit der Zinnoberflaͤche heterogen iſt, wird das Gelbrothe beſchmutzen und eine Art von Gruͤn hervorbringen, ſo daß das Rothe von dieſer Seite verkuͤrzt und hinaufgeruͤckt erſcheint, und der violette Saum nach dem Schwarzen zu kaum bemerkt wird.","norm":"Denn der blaue Rand, der mit der Zinnoberfläche heterogen ist, wird das Gelbrote beschmutzen und eine Art von Grün hervorbringen, so dass das Rote von dieser Seite verkürzt und hinaufgerückt erscheint, und der violette Saum nach dem Schwarzen zu kaum bemerkt wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":772,"orig":"Dagegen wird der blaue Scheinrand ſich mit der blauen Flaͤche identificiren, ihr nicht allein nichts nehmen, ſondern vielmehr noch geben; und dieſelbe wird alſo dadurch und durch den violetten benachbarten Saum, dem Anſcheine nach, vergroͤßert und ſcheinbar herunter geruͤckt werden.","norm":"Dagegen wird der blaue Scheinrand sich mit der blauen Fläche identifizieren, ihr nicht allein nichts nehmen, sondern vielmehr noch geben; und dieselbe wird also dadurch und durch den violetten benachbarten Saum, dem Anscheine nach, vergrößert und scheinbar herunter gerückt werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":773,"orig":"Die Wirkung der homogenen und heterogenen Raͤnder, wie ich ſie gegenwaͤrtig genau beſchrieben habe, iſt ſo maͤchtig und ſo ſonderbar, daß einem fluͤchtigen Beſchauer beym erſten Anblicke die beyden Vierecke aus ihrer wechſelſeitig horizontalen Lage geſchoben und im entgegengeſetzten Sinne verruͤckt ſcheinen, das Rothe hinaufwaͤrts, das Blaue herabwaͤrts.","norm":"Die Wirkung der homogenen und heterogenen Ränder, wie ich sie gegenwärtig genau beschrieben habe, ist so mächtig und so sonderbar, dass einem flüchtigen Beschauer beim ersten Anblicke die beiden Vierecke aus ihrer wechselseitig horizontalen Lage geschoben und im entgegengesetzten Sinne verrückt scheinen, das Rote hinaufwärts, das Blaue herabwärts."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":774,"orig":"Doch Niemand, der in einer gewiſſen Folge zu beobachten, Verſuche an einander zu knuͤpfen, aus einander herzuleiten verſteht, wird ſich von einer ſolchen Scheinwirkung taͤuſchen laſſen.","norm":"Doch niemand, der in einer gewissen Folge zu beobachten, Versuche aneinander zu knüpfen, auseinander herzuleiten versteht, wird sich von einer solchen Scheinwirkung täuschen lassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":775,"orig":"Eine richtige Einſicht in dieſes bedeutende Phaͤnomen wird aber dadurch erleichtert, daß gewiſſe ſcharfe, ja aͤngſtliche Bedingungen noͤthig ſind, wenn dieſe Taͤuſchung ſtatt finden ſoll.","norm":"Eine richtige Einsicht in dieses bedeutende Phänomen wird aber dadurch erleichtert, dass gewisse scharfe, ja ängstliche Bedingungen nötig sind, wenn diese Täuschung stattfinden soll."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":776,"orig":"Man muß nehmlich zu dem rothen Viereck ein mit Zinnober oder dem beſten Mennig, zu dem blauen ein mit Indig recht ſatt gefaͤrbtes Papier beſorgen.","norm":"Man muss nämlich zu dem roten Viereck ein mit Zinnober oder dem besten Mennig, zu dem blauen ein mit Indigo recht satt gefärbtes Papier besorgen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":777,"orig":"Alsdann verbindet ſich der blaue und rothe prismatiſche Rand, da wo er homogen iſt, unmerklich mit dem Bilde, da wo er heterogen iſt, beſchmutzt er die Farbe des Vierecks, ohne eine ſehr deutliche Mittelfarbe hervorzubringen.","norm":"Alsdann verbindet sich der blaue und rote prismatische Rand, da wo er homogen ist, unmerklich mit dem Bilde, da wo er heterogen ist, beschmutzt er die Farbe des Vierecks, ohne eine sehr deutliche Mittelfarbe hervorzubringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":778,"orig":"Das Roth des Vierecks darf nicht zu ſehr ins Gelbe fallen, ſonſt wird oben der dunkelrothe Scheinrand zu ſehr bemerklich; es muß aber von der andern Seite genug vom Gelben haben, ſonſt wird die Veraͤnderung durch den gelben Saum zu deutlich.","norm":"Das Rot des Vierecks darf nicht zu sehr ins Gelbe fallen, sonst wird oben der dunkelrote Scheinrand zu sehr bemerkbar; es muss aber von der anderen Seite genug vom Gelben haben, sonst wird die Veränderung durch den gelben Saum zu deutlich."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":779,"orig":"Das Blaue darf nicht hell ſeyn, ſonſt wird der rothe Rand ſichtbar, und der gelbe Saum bringt zu offenbar ein Gruͤn hervor, und man kann den untern violetten Saum nicht mehr fuͤr die verruͤckte Geſtalt eines hellblauen Vierecks anſehen oder ausgeben.","norm":"Das Blaue darf nicht hell sein, sonst wird der rote Rand sichtbar, und der gelbe Saum bringt zu offenbar ein Grün hervor, und man kann den unteren violetten Saum nicht mehr für die verrückte Gestalt eines hellblauen Vierecks ansehen oder ausgeben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":780,"orig":"Von allem dieſem wird kuͤnftig umſtaͤndlicher die Rede ſeyn, wenn wir vom Apparate zu dieſer Abtheilung handeln werden.","norm":"Von allem diesem wird künftig umständlicher die Rede sein, wenn wir vom Apparate zu dieser Abteilung handeln werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":781,"orig":"Jeder Naturforcher bereite ſich die Tafeln ſelbſt, um dieſes Taſchenſpielerſtuͤckchen hervorbringen zu koͤnnen, und ſich dabey zu uͤberzeugen, daß die farbigen Raͤnder ſelbſt in dieſem Falle einer geſchaͤrften Aufmerkſamkeit nicht entgehen koͤnnen.","norm":"Jeder Naturforscher bereite sich die Tafeln selbst, um dieses Taschenspielerstückchen hervorbringen zu können, und sich dabei zu überzeugen, dass die farbigen Ränder selbst in diesem Falle einer geschärften Aufmerksamkeit nicht entgehen können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":782,"orig":"Indeſſen ſind andere mannigfaltige Zuſammenſtellungen, wie ſie unſre Tafel zeigt, voͤllig geeignet, allen Zweifel uͤber dieſen Punct jedem Aufmerkſamen zu benehmen.","norm":"Indessen sind andere mannigfaltige Zusammenstellungen, wie sie unsere Tafel zeigt, völlig geeignet, allen Zweifel über diesen Punkt jedem Aufmerksamen zu benehmen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":783,"orig":"Man betrachte dagegen ein weißes, neben dem blauen ſtehendes Viereck auf ſchwarzem Grunde; ſo werden an dem weißen, welches hier an der Stelle des rothen ſteht, die entgegengeſetzten Raͤnder in ihrer hoͤchſten Energie ſich zeigen.","norm":"Man betrachte dagegen ein weißes, neben dem blauen stehendes Viereck auf schwarzem Grunde; so werden an dem weißen, welches hier an der Stelle des roten steht, die entgegengesetzten Ränder in ihrer höchsten Energie sich zeigen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":784,"orig":"Es erſtreckt ſich an demſelben der rothe Rand faſt noch mehr als oben am rothen ſelbſt uͤber die Horizontallinie des blauen hinauf; der untere blaue Rand aber iſt an dem weißen in ſeiner ganzen Schoͤne ſichtbar; dagegen verliert er ſich in dem blauen Viereck durch Identification.","norm":"Es erstreckt sich an demselben der rote Rand fast noch mehr als oben am roten selbst über die Horizontallinie des blauen hinauf; der untere blaue Rand aber ist an dem weißen in seiner ganzen Schöne sichtbar; dagegen verliert er sich in dem blauen Viereck durch Identifikation."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":785,"orig":"Der violette Saum hinabwaͤrts iſt viel deutlicher an dem weißen, als an dem blauen.","norm":"Der violette Saum hinabwärts ist viel deutlicher an dem weißen, als an dem blauen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":786,"orig":"Man vergleiche nun die mit Fleiß uͤber einander geſtellten Paare gedachter Vierecke, das rothe mit dem weißen, die beyden blauen Vierecke mit einander, das blaue mit dem rothen, das blaue mit dem weißen, und man wird die Verhaͤltniſſe dieſer Flaͤchen zu ihren farbigen Raͤndern und Saͤumen deutlich einſehen.","norm":"Man vergleiche nun die mit Fleiß übereinander gestellten Paare gedachter Vierecke, das rote mit dem weißen, die beiden blauen Vierecke miteinander, das blaue mit dem roten, das blaue mit dem weißen, und man wird die Verhältnisse dieser Flächen zu ihren farbigen Rändern und Säumen deutlich einsehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":787,"orig":"Noch auffallender erſcheinen die Raͤnder und ihre Verhaͤltniſſe zu den farbigen Bildern, wenn man die farbigen Vierecke und das ſchwarze auf weißem Grunde betrachtet.","norm":"Noch auffallender erscheinen die Ränder und ihre Verhältnisse zu den farbigen Bildern, wenn man die farbigen Vierecke und das schwarze auf weißem Grunde betrachtet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":788,"orig":"Denn hier faͤllt jene Taͤuſchung voͤllig weg, und die Wirkungen der Raͤnder ſind ſo ſichtbar, als wir ſie nur in irgend einem andern Falle bemerkt haben.","norm":"Denn hier fällt jene Täuschung völlig weg, und die Wirkungen der Ränder sind so sichtbar, als wir sie nur in irgendeinem anderen Falle bemerkt haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":789,"orig":"Man betrachte zuerſt das blaue und rothe Viereck durchs Prisma.","norm":"Man betrachte zuerst das blaue und rote Viereck durchs Prisma."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":790,"orig":"An beyden entſteht der blaue Rand nunmehr oben.","norm":"An beiden entsteht der blaue Rand nunmehr oben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":791,"orig":"Dieſer, homogen mit dem blauen Bilde, verbindet ſich demſelben und ſcheint es in die Hoͤhe zu heben; nur daß der hellblaue Rand oberwaͤrts zu ſehr abſticht.","norm":"Dieser, homogen mit dem blauen Bilde, verbindet sich demselben und scheint es in die Höhe zu heben; nur dass der hellblaue Rand oberwärts zu sehr absticht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":792,"orig":"Der violette Saum iſt auch herabwaͤrts ins blaue deutlich genug.","norm":"Der violette Saum ist auch herabwärts ins Blaue deutlich genug."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":793,"orig":"Ebendieſer obere blaue Scheinrand iſt nun mit dem rothen Viereck heterogen, er iſt in der Gegenwirkung begriffen und kaum ſichtbar.","norm":"Eben dieser obere blaue Scheinrand ist nun mit dem roten Viereck heterogen, er ist in der Gegenwirkung begriffen und kaum sichtbar."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":794,"orig":"Der violette Saum indeſſen bringt, verbunden mit dem Gelbrothen des Bildes, eine Pfirſichbluͤthfarbe zu Wege.","norm":"Der violette Saum indessen bringt, verbunden mit dem Gelbroten des Bildes, eine Pfirsichblütenfarbe zu Wege."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":795,"orig":"Wenn nun aus der angegebenen Urſache die oberen Raͤnder dieſer Vierecke nicht horizontal erſcheinen, ſo erſcheinen die untern deſto gleicher: denn indem beyde Farben, die rothe und die blaue, gegen das Weiße gerechnet, dunkler ſind, als ſie gegen das Schwarze hell waren, welches beſonders von der letztern gilt; ſo entſteht unter beyden der rothe Rand mit ſeinem gelben Saume ſehr deutlich.","norm":"Wenn nun aus der angegebenen Ursache die oberen Ränder dieser Vierecke nicht horizontal erscheinen, so erscheinen die unteren desto gleicher: denn indem beide Farben, die rote und die blaue, gegen das Weiße gerechnet, dunkler sind, als sie gegen das Schwarze hell waren, welches besonders von der letzteren gilt; so entsteht unter beiden der rote Rand mit seinem gelben Saume sehr deutlich."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":796,"orig":"Er zeigt ſich unter dem gelbrothen Bilde in ſeiner ganzen Schoͤnheit, und unter dem dunkelblauen beynahe wie er unter dem ſchwarzen erſchien; wie man bemerken kann, wenn man abermals die uͤbereinandergeſetzten Bilder und ihre Raͤnder und Saͤume vergleicht.","norm":"Er zeigt sich unter dem gelbroten Bilde in seiner ganzen Schönheit, und unter dem dunkelblauen beinahe wie er unter dem schwarzen erschien; wie man bemerken kann, wenn man abermals die übereinandergesetzten Bilder und ihre Ränder und Säume vergleicht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":797,"orig":"Um nun dieſen Verſuchen die groͤßte Mannigfaltigkeit und Deutlichkeit zu geben, ſind Vierecke von verſchiedenen Farben in der Mitte der Tafel dergeſtalt angebracht, daß die Graͤnze des Schwarzen und Weißen vertical durch ſie durchgeht.","norm":"Um nun diesen Versuchen die größte Mannigfaltigkeit und Deutlichkeit zu geben, sind Vierecke von verschiedenen Farben in der Mitte der Tafel dergestalt angebracht, dass die Grenze des Schwarzen und Weißen vertikal durch sie durchgeht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":798,"orig":"Man wird ſie, nach jenen uns uͤberhaupt und beſonders bey farbigen Bildern genugſam bekannt gewordenen Regeln, an jedem Rand zwiefach gefaͤrbt finden, und die Vierecke werden in ſich ſelbſt entzwey geriſſen und hinauf- oder herunterwaͤrts geruͤckt erſcheinen.","norm":"Man wird sie, nach jenen uns überhaupt und besonders bei farbigen Bildern genugsam bekannt gewordenen Regeln, an jedem Rand zwiefach gefärbt finden, und die Vierecke werden in sich selbst entzweigerissen und hinauf- oder herunterwärts gerückt erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":799,"orig":"Wir erinnern uns hiebey jenes grauen, gleichfalls auf der Graͤnzſcheidung des Schwarzen und Weißen beobachteten Bildes.","norm":"Wir erinnern uns hierbei jenes grauen, gleichfalls auf der Grenzscheidung des Schwarzen und Weißen beobachteten Bildes."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":800,"orig":"(257.)","norm":"(257)"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":801,"orig":"Da nun das Phaͤnomen, das wir vorhin an einem rothen und blauen Viereck auf ſchwarzem Grunde bis zur Taͤuſchung geſehen haben, das Hinauf- und Hinabruͤcken zweyer verſchieden gefaͤrbten Bilder uns hier an zwey Haͤlften eines und deſſelben Bildes von einer und derſelben Farbe ſichtbar wird; ſo werden wir dadurch abermals auf die farbigen Raͤnder, ihre Saͤume und auf die Wirkungen ihrer homogenen und heterogenen Natur hingewieſen, wie ſie ſich zu den Bildern verhaͤlt, an denen die Erſcheinung vorgeht.","norm":"Da nun das Phänomen, das wir vorhin an einem roten und blauen Viereck auf schwarzem Grunde bis zur Täuschung gesehen haben, das Hinauf- und Hinabrücken zweier verschieden gefärbten Bilder uns hier an zwei Hälften eines und desselben Bildes von einer und derselben Farbe sichtbar wird; so werden wir dadurch abermals auf die farbigen Ränder, ihre Säume und auf die Wirkungen ihrer homogenen und heterogenen Natur hingewiesen, wie sie sich zu den Bildern verhält, an denen die Erscheinung vorgeht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":802,"orig":"Ich uͤberlaſſe den Beobachtern die mannigfaltigen Schattirungen der halb auf Schwarz, halb auf Weiß angebrachten farbigen Vierecke ſelbſt zu vergleichen, und bemerke nur noch die widerſinnige ſcheinbare Verzerrung, da Roth und Gelb auf Schwarz hinaufwaͤrts, auf Weiß herunterwaͤrts, Blau auf Schwarz herunterwaͤrts, und auf Weiß hinaufwaͤrts gezogen ſcheinen; welches doch alles dem bisher weitlaͤuftig Abgehandelten gemaͤß iſt.","norm":"Ich überlasse den Beobachtern die mannigfaltigen Schattierungen der halb auf Schwarz, halb auf Weiß angebrachten farbigen Vierecke selbst zu vergleichen, und bemerke nur noch die widersinnige scheinbare Verzerrung, da Rot und Gelb auf Schwarz hinaufwärts, auf Weiß herunterwärts, Blau auf Schwarz herunterwärts, und auf Weiß hinaufwärts gezogen scheinen; welches doch alles dem bisher weitläufig Abgehandelten gemäß ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":803,"orig":"Nun ſtelle der Beobachter die Tafel dergeſtalt vor ſich, daß die vorgedachten, auf der Graͤnze des Schwarzen und Weißen ſtehenden Vierecke ſich vor ihm in einer horizontalen Reihe befinden, und daß zugleich der ſchwarze Theil oben, der weiße aber unten ſey.","norm":"Nun stelle der Beobachter die Tafel dergestalt vor sich, dass die vorgedachten, auf der Grenze des Schwarzen und Weißen stehenden Vierecke sich vor ihm in einer horizontalen Reihe befinden, und dass zugleich der schwarze Teil oben, der weiße aber unten sei."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":804,"orig":"Er betrachte durchs Prisma jene Vierecke, und er wird bemerken, daß das rothe Viereck durch den Anſatz zweyer rothen Raͤnder gewinnt; er wird bey genauer Aufmerkſamkeit den gelben Saum auf dem rothen Bilde bemerken, und der untere gelbe Saum nach dem Weißen zu wird voͤllig deutlich ſeyn.","norm":"Er betrachte durchs Prisma jene Vierecke, und er wird bemerken, dass das rote Viereck durch den Ansatz zweier roten Ränder gewinnt; er wird bei genauer Aufmerksamkeit den gelben Saum auf dem roten Bilde bemerken, und der untere gelbe Saum nach dem Weißen zu wird völlig deutlich sein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":805,"orig":"Oben an dem gelben Viereck iſt der rothe Rand ſehr merklich, weil das Gelbe als hell gegen das Schwarz genugſam abſticht.","norm":"Oben an dem gelben Viereck ist der rote Rand sehr merklich, weil das Gelbe als hell gegen das Schwarz genugsam absticht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":806,"orig":"Der gelbe Saum identificirt ſich mit der gelben Flaͤche, nur wird ſolche etwas ſchoͤner dadurch; der untere Rand zeigt nur wenig Roth, weil das helle Gelb gegen das Weiße nicht genugſam abſticht.","norm":"Der gelbe Saum identifiziert sich mit der gelben Fläche, nur wird solche etwas schöner dadurch; der untere Rand zeigt nur wenig Rot, weil das helle Gelb gegen das Weiße nicht genugsam absticht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":807,"orig":"Der untere gelbe Saum aber iſt deutlich genug.","norm":"Der untere gelbe Saum aber ist deutlich genug."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":808,"orig":"An dem blauen Viereck hingegen iſt der obere rothe Rand kaum ſichtbar; der gelbe Saum bringt herunterwaͤrts ein ſchmutziges Gruͤn im Bilde hervor; der untere rothe Rand und der gelbe Saum zeigen ſich in lebhaften Farben.","norm":"An dem blauen Viereck hingegen ist der obere rote Rand kaum sichtbar; der gelbe Saum bringt herunterwärts ein schmutziges Grün im Bilde hervor; der untere rote Rand und der gelbe Saum zeigen sich in lebhaften Farben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":809,"orig":"Bemerkt man nun in dieſen Faͤllen, daß das rothe Bild durch einen Anſatz auf beyden Seiten zu gewinnen, das dunkelblaue von einer Seite wenigſtens zu verlieren ſcheint; ſo wird man, wenn man die Pappe umkehrt, ſo daß der weiße Theil ſich oben, der ſchwarze ſich unten befindet, das umgekehrte Phaͤnomen erblicken.","norm":"Bemerkt man nun in diesen Fällen, dass das rote Bild durch einen Ansatz auf beiden Seiten zu gewinnen, das dunkelblaue von einer Seite wenigstens zu verlieren scheint; so wird man, wenn man die Pappe umkehrt, so dass der weiße Teil sich oben, der schwarze sich unten befindet, das umgekehrte Phänomen erblicken."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":810,"orig":"Denn da nunmehr die homogenen Raͤnder und Saͤume an den blauen Vierecken oben und unten entſtehen; ſo ſcheinen dieſe vergroͤßert, ja ein Theil der Bilder ſelbſt ſchoͤner gefaͤrbt, und nur eine genaue Beobachtung wird die Raͤnder und Saͤume von der Farbe der Flaͤche ſelbſt unterſcheiden lehren.","norm":"Denn da nunmehr die homogenen Ränder und Säume an den blauen Vierecken oben und unten entstehen; so scheinen diese vergrößert, ja ein Teil der Bilder selbst schöner gefärbt, und nur eine genaue Beobachtung wird die Ränder und Säume von der Farbe der Fläche selbst unterscheiden lehren."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":811,"orig":"Das gelbe und rothe dagegen werden in dieſer Stellung der Tafel von den heterogenen Raͤndern eingeſchraͤnkt und die Wirkung der Localfarbe verkuͤmmert.","norm":"Das Gelbe und rote dagegen werden in dieser Stellung der Tafel von den heterogenen Rändern eingeschränkt und die Wirkung der Lokalfarbe verkümmert."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":812,"orig":"Der obere blaue Rand iſt an beyden faſt gar nicht ſichtbar.","norm":"Der obere blaue Rand ist an beiden fast gar nicht sichtbar."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":813,"orig":"Der violette Saum zeigt ſich als ein ſchoͤnes Pfirſichbluͤth auf dem rothen, als ein ſehr blaſſes auf dem gelben; die beyden untern Raͤnder ſind gruͤn; an dem rothen ſchmutzig, lebhaft an dem gelben; den violetten Saum bemerkt man unter dem rothen wenig, mehr unter dem gelben.","norm":"Der violette Saum zeigt sich als ein schönes Pfirsichblüte auf dem roten, als ein sehr blasses auf dem gelben; die beiden unteren Ränder sind grün; an dem roten schmutzig, lebhaft an dem gelben; den violetten Saum bemerkt man unter dem roten wenig, mehr unter dem gelben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":814,"orig":"Ein jeder Naturfreund mache ſich zur Pflicht, mit allen den vorgetragenen Erſcheinungen genau bekannt zu werden, und halte es nicht fuͤr laͤſtig, ein einziges Phaͤnomen durch ſo manche bedingende Umſtaͤnde durchzufuͤhren.","norm":"Ein jeder Naturfreund mache sich zur Pflicht, mit allen den vorgetragenen Erscheinungen genau bekannt zu werden, und halte es nicht für lästig, ein einziges Phänomen durch so manche bedingende Umstände durchzuführen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":815,"orig":"Ja dieſe Erfahrungen laſſen ſich noch ins Unendliche durch Bilder von verſchiedenen Farben, auf und zwiſchen verſchiedenfarbigen Flaͤchen, vervielfaͤltigen.","norm":"Ja diese Erfahrungen lassen sich noch ins Unendliche durch Bilder von verschiedenen Farben, auf und zwischen verschiedenfarbigen Flächen, vervielfältigen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":816,"orig":"Unter allen Umſtaͤnden aber wird jedem Aufmerkſamen deutlich werden, daß farbige Vierecke neben einander nur deßwegen durch das Prisma verſchoben erſcheinen, weil ein Anſatz von homogenen und heterogenen Raͤndern eine Taͤuſchung hervorbringt.","norm":"Unter allen Umständen aber wird jedem Aufmerksamen deutlich werden, dass farbige Vierecke nebeneinander nur deswegen durch das Prisma verschoben erscheinen, weil ein Ansatz von homogenen und heterogenen Rändern eine Täuschung hervorbringt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":817,"orig":"Dieſe iſt man nur alsdann zu verbannen faͤhig, wenn man eine Reihe von Verſuchen neben einander zu ſtellen und ihre Uebereinſtimmung darzuthun genugſame Geduld hat.","norm":"Diese ist man nur alsdann zu verbannen fähig, wenn man eine Reihe von Versuchen nebeneinander zu stellen und ihre Übereinstimmung darzutun genugsame Geduld hat."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":818,"orig":"Warum wir aber vorſtehende Verſuche mit farbigen Bildern, welche auf mehr als eine Weiſe vorgetragen werden konnten, gerade ſo und ſo umſtaͤndlich dargeſtellt, wird in der Folge deutlicher werden.","norm":"Warum wir aber vorstehende Versuche mit farbigen Bildern, welche auf mehr als eine Weise vorgetragen werden konnten, gerade so und so umständlich dargestellt, wird in der Folge deutlicher werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":819,"orig":"Gedachte Phaͤnomene waren fruͤher zwar nicht unbekannt; aber ſehr verkannt, deßwegen wir ſie, zu Erleichterung eines kuͤnftigen hiſtoriſchen Vortrags, genau entwickeln mußten.","norm":"Gedachte Phänomene waren früher zwar nicht unbekannt; aber sehr verkannt, deswegen wir sie, zu Erleichterung eines künftigen historischen Vortrags, genau entwickeln mussten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":820,"orig":"Wir wollen nunmehr zum Schluſſe den Freunden der Natur eine Vorrichtung anzeigen, durch welche dieſe Erſcheinungen auf einmal deutlich, ja in ihrem groͤßten Glanze, geſehen werden koͤnnen.","norm":"Wir wollen nunmehr zum Schlusse den Freunden der Natur eine Vorrichtung anzeigen, durch welche diese Erscheinungen auf einmal deutlich, ja in ihrem größten Glanze, gesehen werden können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":821,"orig":"Man ſchneide aus einer Pappe fuͤnf, ungefaͤhr einen Zoll große, voͤllig gleiche Vierecke neben einander aus, genau in horizontaler Linie.","norm":"Man schneide aus einer Pappe fünf, ungefähr einen Zoll große, völlig gleiche Vierecke nebeneinander aus, genau in horizontaler Linie."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":822,"orig":"Man bringe dahinter fuͤnf farbige Glaͤſer, in der bekannten Ordnung, Orange, Gelb, Gruͤn, Blau, Violett.","norm":"Man bringe dahinter fünf farbige Gläser, in der bekannten Ordnung, Orange, Gelb, Grün, Blau, Violett."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":823,"orig":"Man befeſtige dieſe Tafel in einer Oeffnung der Camera obſcura, ſo daß der helle Himmel durch ſie geſehen wird, oder daß die Sonne darauf ſcheint, und man wird hoͤchſt energiſche Bilder vor ſich haben.","norm":"Man befestige diese Tafel in einer Öffnung der Kamera obscura, so dass der helle Himmel durch sie gesehen wird, oder dass die Sonne darauf scheint, und man wird höchst energische Bilder vor sich haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":824,"orig":"Man betrachte ſie nun durchs Prisma und beobachte die durch jene Verſuche an gemalten Bildern ſchon bekannten Phaͤnomene, nehmlich die theils beguͤnſtigenden, theils verkuͤmmernden Raͤnder und Saͤume, und die dadurch bewirkte ſcheinbare Verruͤckung der ſpecifiſch gefaͤrbten Bilder aus der horizontalen Linie.","norm":"Man betrachte sie nun durchs Prisma und beobachte die durch jene Versuche an gemalten Bildern schon bekannten Phänomene, nämlich die teils begünstigenden, teils verkümmernden Ränder und Säume, und die dadurch bewirkte scheinbare Verrückung der spezifisch gefärbten Bilder aus der horizontalen Linie."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":825,"orig":"Das was der Beobachter hier ſehen wird, folgt genugſam aus dem fruͤher Abgeleiteten; daher wir es auch nicht einzeln abermals durchfuͤhren, um ſo weniger, als wir auf dieſe Erſcheinungen zuruͤckzukehren noch oͤfteren Anlaß finden werden.","norm":"Das was der Beobachter hier sehen wird, folgt genugsam aus dem früher Abgeleiteten; daher wir es auch nicht einzeln abermals durchführen, um so weniger, als wir auf diese Erscheinungen zurückzukehren noch Öfteren Anlass finden werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":826,"orig":"In der fruͤhern Zeit, da man noch manches, was in der Natur regelmaͤßig und conſtant war, fuͤr ein bloßes Abirren, fuͤr zufaͤllig hielt, gab man auf die Farben weniger Acht, welche bey Gelegenheit der Refraction entſtehen, und hielt ſie fuͤr eine Erſcheinung, die ſich von beſondern Nebenumſtaͤnden herſchreiben moͤchte.","norm":"In der früheren Zeit, da man noch manches, was in der Natur regelmäßig und konstant war, für ein bloßes Abirren, für zufällig hielt, gab man auf die Farben weniger Acht, welche bei Gelegenheit der Refraktion entstehen, und hielt sie für eine Erscheinung, die sich von besonderen Nebenumständen herschreiben möchte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":827,"orig":"Nachdem man ſich aber uͤberzeugt hatte, daß dieſe Farbenerſcheinung die Refraction jederzeit begleite; ſo war es natuͤrlich, daß man ſie auch als innig und einzig mit der Refraction verwandt anſah, und nicht anders glaubte, als daß das Maß der Farbenerſcheinung ſich nach dem Maße der Brechung richten und beyde gleichen Schritt mit einander halten muͤßten.","norm":"Nachdem man sich aber überzeugt hatte, dass diese Farbenerscheinung die Refraktion jederzeit begleite; so war es natürlich, dass man sie auch als innig und einzig mit der Refraktion verwandt ansah, und nicht anders glaubte, als dass das Maß der Farbenerscheinung sich nach dem Maße der Brechung richten und beide gleichen Schritt miteinander halten müssten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":828,"orig":"Wenn man alſo nicht gaͤnzlich, doch einigermaßen, das Phaͤnomen einer ſtaͤrkeren oder ſchwaͤcheren Brechung der verſchiedenen Dichtigkeit der Mittel zuſchrieb; wie denn auch reinere atmoſphaͤriſche Luft, mit Duͤnſten angefuͤllte, Waſſer, Glas, nach ihren ſteigenden Dichtigkeiten, die ſogenannte Brechung, die Verruͤckung des Bildes vermehren: ſo mußte man kaum zweifeln, daß auch in ſelbiger Maße die Farbenerſcheinung ſich ſteigern muͤſſe, und man glaubte voͤllig gewiß zu ſeyn, daß bey verſchiedenen Mitteln, welche man im Gegenſinne der Brechung zu einander brachte, ſich, ſo lange Brechung vorhanden ſey, die Farbe zeigen, ſo bald aber die Farbe verſchwaͤnde, auch die Brechung aufgehoben ſeyn muͤſſe.","norm":"Wenn man also nicht gänzlich, doch einigermaßen, das Phänomen einer stärkeren oder schwächeren Brechung der verschiedenen Dichtigkeit der Mittel zuschrieb; wie denn auch reinere atmosphärische Luft, mit Dünsten angefüllte, Wasser, Glas, nach ihren steigenden Dichtigkeiten, die sogenannte Brechung, die Verrückung des Bildes vermehren: so musste man kaum zweifeln, dass auch in selbiger Maße die Farbenerscheinung sich steigern müsse, und man glaubte völlig gewiss zu sein, dass bei verschiedenen Mitteln, welche man im Gegensinne der Brechung zueinander brachte, sich, solange Brechung vorhanden sei, die Farbe zeigen, sobald aber die Farbe verschwände, auch die Brechung aufgehoben sein müsse."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":829,"orig":"In ſpaͤterer Zeit hingegen ward entdeckt, daß dieſes als gleich angenommene Verhaͤltniß ungleich ſey, daß zwey Mittel das Bild gleich weit verruͤcken, und doch ſehr ungleiche Farbenſaͤume hervorbringen koͤnnen.","norm":"In späterer Zeit hingegen wurde entdeckt, dass dieses als gleich angenommene Verhältnis ungleich sei, dass zwei Mittel das Bild gleich weit verrücken, und doch sehr ungleiche Farbensäume hervorbringen können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":830,"orig":"Man fand, daß man zu jener phyſiſchen Eigenſchaft, welcher man die Refraction zuſchrieb, noch eine chemiſche hinzu zu denken habe (210); wie wir ſolches kuͤnftig, wenn wir uns chemiſchen Ruͤckſichten naͤhern, weiter auszufuͤhren denken, ſo wie wir die naͤhern Umſtaͤnde dieſer wichtigen Entdeckung in der Geſchichte der Farbenlehre aufzuzeichnen haben.","norm":"Man fand, dass man zu jener physischen Eigenschaft, welcher man die Refraktion zuschrieb, noch eine chemische hinzuzudenken habe (210); wie wir solches künftig, wenn wir uns chemischen Rücksichten nähern, weiter auszuführen denken, so wie wir die nähern Umstände dieser wichtigen Entdeckung in der Geschichte der Farbenlehre aufzuzeichnen haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":831,"orig":"Gegenwaͤrtig ſey folgendes genug.","norm":"Gegenwärtig sei Folgendes genug."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":832,"orig":"Es zeigt ſich bey Mitteln von gleicher, oder wenigſtens nahezu gleicher, Brechungskraft der merkwuͤrdige Umſtand, daß ein Mehr und Weniger der Farbenerſcheinung durch eine chemiſche Behandlung hervorgebracht werden kann; das Mehr wird nehmlich durch Saͤuren, das Weniger durch Alcalien beſtimmt.","norm":"Es zeigt sich bei Mitteln von gleicher, oder wenigstens nahezu gleicher, Brechungskraft der merkwürdige Umstand, dass ein Mehr und weniger der Farbenerscheinung durch eine chemische Behandlung hervorgebracht werden kann; das Mehr wird nämlich durch Säuren, das Weniger durch Alkalien bestimmt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":833,"orig":"Bringt man unter eine gemeine Glasmaſſe Metalloxyde, ſo wird die Farbenerſcheinung ſolcher Glaͤſer, ohne daß die Refraction merklich veraͤndert werde, ſehr erhoͤht.","norm":"Bringt man unter eine gemeine Glasmasse Metalloxyde, so wird die Farbenerscheinung solcher Gläser, ohne dass die Refraktion merklich verändert werde, sehr erhöht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":834,"orig":"Daß das Mindere hingegen auf der alcaliſchen Seite liege, kann leicht vermuthet werden.","norm":"Dass das Mindere hingegen auf der alkalischen Seite liege, kann leicht vermutet werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":835,"orig":"Diejenigen Glasarten, welche nach der Entdeckung zuerſt angewendet worden, nennen die Englaͤnder Flintund Crownglas, und zwar gehoͤrt jenem erſten die ſtaͤrkere, dieſem zweyten die geringere Farbenerſcheinung an.","norm":"Diejenigen Glasarten, welche nach der Entdeckung zuerst angewendet worden, nennen die Engländer Flintund Crownglas, und zwar gehört jenem ersten die stärkere, diesem zweiten die geringere Farbenerscheinung an."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":836,"orig":"Zu unſerer gegenwaͤrtigen Darſtellung bedienen wir uns dieſer beyden Ausdruͤcke als Kunſtwoͤrter, und nehmen an, daß in beyden die Refraction gleich ſey, das Flintglas aber die Farbenerſcheinung um ein Drittel ſtaͤrker als das Crownglas hervorbringe; wobey wir unſerm Leſer eine, gewiſſermaßen ſymboliſche, Zeichnung zur Hand geben.","norm":"Zu unserer gegenwärtigen Darstellung bedienen wir uns dieser beiden Ausdrücke als Kunstwörter, und nehmen an, dass in beiden die Refraktion gleich sei, das Flintglas aber die Farbenerscheinung um ein Drittel stärker als das Crownglas hervorbringe; wobei wir unserem Leser eine, gewissermaßen symbolische, Zeichnung zur Hand geben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":837,"orig":"Man denke ſich auf einer ſchwarzen Tafel, welche hier, des bequemeren Vortrags wegen, in Caſen getheilt iſt, zwiſchen den Parallellinien a b und c d fuͤnf weiße Vierecke.","norm":"Man denke sich auf einer schwarzen Tafel, welche hier, des bequemeren Vortrags wegen, in Kasen geteilt ist, zwischen den Parallellinien a b und c d fünf weiße Vierecke."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":838,"orig":"Das Viereck Nr. 1. ſtehe vor dem nackten Auge unverruͤckt auf ſeinem Platz.","norm":"Das Viereck Nr. 1. stehe vor dem nackten Auge unverrückt auf seinem Platz."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":839,"orig":"Das Viereck Nr. 2. aber ſey, durch ein vor das Auge gehaltenes Prisma von Crownglas g, um drey Caſen verruͤckt und zeige die Farbenſaͤume in einer gewiſſen Breite; ferner ſey das Viereck Nr. 3 ., durch ein Prisma von Flintglas, gleichfalls um drey Caſen heruntergeruͤckt, dergeſtalt daß es die farbigen Saͤume nunmehr um ein Drittel breiter als Nr. 2. zeige.","norm":"Das Viereck Nr. 2. aber sei, durch ein vor das Auge gehaltenes Prisma von Crownglas g, um drei Kasen verrückt und zeige die Farbensäume in einer gewissen Breite; ferner sei das Viereck Nr. 3 ., durch ein Prisma von Flintglas, gleichfalls um drei Kasen heruntergerückt, dergestalt dass es die farbigen Säume nunmehr um ein Drittel breiter als Nr. 2. zeige."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":840,"orig":"Ferner ſtelle man ſich vor, das Viereck Nr. 4. ſey eben wie das Nr. 2 ., durch ein Prisma von Crownglas, erſt drey Caſen verruͤckt geweſen, dann ſey es aber, durch ein entgegengeſtelltes Prisma h von Flintglas, wieder auf ſeinen vorigen Fleck, wo man es nun ſieht, gehoben worden.","norm":"Ferner stelle man sich vor, das Viereck Nr. 4. sei eben wie das Nr. 2 ., durch ein Prisma von Crownglas, erst drei Kasen verrückt gewesen, dann sei es aber, durch ein entgegengestelltes Prisma h von Flintglas, wieder auf seinen vorigen Fleck, wo man es nun sieht, gehoben worden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":841,"orig":"Hier hebt ſich nun die Refraction zwar gegen einander auf; allein da das Prisma h bey der Verruͤckung durch drey Caſen um ein Drittel breitere Farbenſaͤume, als dem Prisma g eigen ſind, hervorbringt; ſo muß, bey aufgehobener Refraction, noch ein Ueberſchuß von Farbenſaum uͤbrig bleiben, und zwar im Sinne der ſcheinbaren Bewegung, welche das Prisma h dem Bilde ertheilt, und folglich umgekehrt, wie wir die Farben an den herabgeruͤckten Nummern 2. und 3. erblicken.","norm":"Hier hebt sich nun die Refraktion zwar gegeneinander auf; allein da das Prisma h bei der Verrückung durch drei Kasen um ein Drittel breitere Farbensäume, als dem Prisma g eigen sind, hervorbringt; so muss, bei aufgehobener Refraktion, noch ein Überschuss von Farbensaum übrig bleiben, und zwar im Sinne der scheinbaren Bewegung, welche das Prisma h dem Bilde erteilt, und folglich umgekehrt, wie wir die Farben an den herabgerückten Nummern 2. und 3. erblicken."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":842,"orig":"Dieſes Ueberſchießende der Farbe haben wir Hyperchromaſie genannt, woraus ſich denn die Achromaſie unmittelbar folgern laͤßt.","norm":"Dieses Überschießende der Farbe haben wir Hyperchromasie genannt, woraus sich denn die Achromasie unmittelbar folgern lässt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":843,"orig":"Denn geſetzt es waͤre das Viereck Nr. 5. von ſeinem erſten ſupponirten Platze, wie Nr. 2 ., durch ein Prisma von Crownglas g, um drey Caſen herunter geruͤckt worden; ſo duͤrfte man nur den Winkel eines Prisma’s von Flintglas h verkleinern, ſolches im umgekehrten Sinne an das Prisma g anſchließen, um das Viereck Nr. 5. zwey Caſen ſcheinbar hinauf zu heben; wobey die Hyperchromaſie des vorigen Falles wegfiele, das Bild nicht ganz an ſeine erſte Stelle gelangte und doch ſchon farblos erſchiene.","norm":"Denn gesetzt es wäre das Viereck Nr. 5. von seinem ersten supponierten Platze, wie Nr. 2 ., durch ein Prisma von Crownglas g, um drei Kasen herunter gerückt worden; so dürfte man nur den Winkel eines Prismas von Flintglas h verkleinern, solches im umgekehrten Sinne an das Prisma g anschließen, um das Viereck Nr. 5. zwei Kasen scheinbar hinaufzuheben; wobei die Hyperchromasie des vorigen Falles wegfiele, das Bild nicht ganz an seine erste Stelle gelangte und doch schon farblos erschiene."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":844,"orig":"Man ſieht auch an den fortpunctirten Linien der zuſammengeſetzten Prismen unter Nr. 5. daß ein wirkliches Prisma uͤbrig bleibt, und alſo auch auf dieſem Wege, ſo bald man ſich die Linien krumm denkt, ein Ocularglas entſtehen kann; wodurch denn die achromatiſchen Fernglaͤſer abgeleitet ſind.","norm":"Man sieht auch an den fortpunktierten Linien der zusammengesetzten Prismen unter Nr. 5. dass ein wirkliches Prisma übrig bleibt, und also auch auf diesem Wege, sobald man sich die Linien krumm denkt, ein Okularglas entstehen kann; wodurch denn die achromatischen Ferngläser abgeleitet sind."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":845,"orig":"Zu dieſen Verſuchen, wie wir ſie hier vortragen, iſt ein kleines aus drey verſchiedenen Prismen zuſammengeſetztes Prisma, wie ſolche in England verfertigt werden, hoͤchſt geſchickt.","norm":"Zu diesen Versuchen, wie wir sie hier vortragen, ist ein kleines aus drei verschiedenen Prismen zusammengesetztes Prisma, wie solche in England verfertigt werden, höchst geschickt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":846,"orig":"Hoffentlich werden kuͤnftig unſre inlaͤndiſchen Kuͤnſtler mit dieſem nothwendigen Inſtrumente jeden Naturfreund verſehen.","norm":"Hoffentlich werden künftig unsere inländischen Künstler mit diesem notwendigen Instrumente jeden Naturfreund versehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":847,"orig":"Wir haben die Farbenerſcheinungen, welche ſich bey Gelegenheit der Refraction ſehen laſſen, zuerſt durch ſubjective Verſuche dargeſtellt, und das Ganze in ſich dergeſtalt abgeſchloſſen, daß wir auch ſchon jene Phaͤnomene aus der Lehre von den truͤben Mitteln und Doppelbildern ableiteten.","norm":"Wir haben die Farbenerscheinungen, welche sich bei Gelegenheit der Refraktion sehen lassen, zuerst durch subjektive Versuche dargestellt, und das Ganze in sich dergestalt abgeschlossen, dass wir auch schon jene Phänomene aus der Lehre von den trüben Mitteln und Doppelbildern ableiteten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":848,"orig":"Da bey Vortraͤgen, die ſich auf die Natur beziehen, doch alles auf Sehen und Schauen ankommt, ſo ſind dieſe Verſuche um deſto erwuͤnſchter, als ſie ſich leicht und bequem anſtellen laſſen.","norm":"Da bei Vorträgen, die sich auf die Natur beziehen, doch alles auf Sehen und Schauen ankommt, so sind diese Versuche um desto erwünschter, als sie sich leicht und bequem anstellen lassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":849,"orig":"Jeder Liebhaber kann ſich den Apparat, ohne große Umſtaͤnde und Koſten, anſchaffen; ja wer mit Papparbeiten einigermaßen umzugehen weiß, einen großen Theil ſelbſt verfertigen.","norm":"Jeder Liebhaber kann sich den Apparat, ohne große Umstände und Kosten, anschaffen; ja wer mit Papparbeiten einigermaßen umzugehen weiß, einen großen Teil selbst verfertigen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":850,"orig":"Wenige Tafeln, auf welchen ſchwarze, weiße, graue und farbige Bilder auf hellem und dunkelm Grunde abwechſeln, ſind dazu hinreichend.","norm":"Wenige Tafeln, auf welchen schwarze, weiße, graue und farbige Bilder auf hellem und dunklem Grunde abwechseln, sind dazu hinreichend."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":851,"orig":"Man ſtellt ſie unverruͤckt vor ſich hin, betrachtet bequem und anhaltend die Erſcheinungen an dem Rande der Bilder; man entfernt ſich, man naͤhert ſich wieder und beobachtet genau den Stufengang des Phaͤnomens.","norm":"Man stellt sie unverrückt vor sich hin, betrachtet bequem und anhaltend die Erscheinungen an dem Rande der Bilder; man entfernt sich, man nähert sich wieder und beobachtet genau den Stufengang des Phänomens."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":852,"orig":"Ferner laſſen ſich auch durch geringe Prismen, die nicht von dem reinſten Glaſe ſind, die Erſcheinungen noch deutlich genug beobachten.","norm":"Ferner lassen sich auch durch geringe Prismen, die nicht von dem reinsten Glase sind, die Erscheinungen noch deutlich genug beobachten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":853,"orig":"Was jedoch wegen dieſer Glasgeraͤthſchaften noch zu wuͤnſchen ſeyn moͤchte, wird in dem Abſchnitt, der den Apparat abhandelt, umſtaͤndlich zu finden ſeyn.","norm":"Was jedoch wegen dieser Glasgerätschaften noch zu wünschen sein möchte, wird in dem Abschnitt, der den Apparat abhandelt, umständlich zu finden sein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":854,"orig":"Ein Hauptvortheil dieſer Verſuche iſt ſodann, daß man ſie zu jeder Tageszeit anſtellen kann, in jedem Zimmer, es ſey nach einer Weltgegend gerichtet nach welcher es wolle; man braucht nicht auf Sonnenſchein zu warten, der einem nordiſchen Beobachter uͤberhaupt nicht reichlich gewogen iſt.","norm":"Ein Hauptvorteil dieser Versuche ist sodann, dass man sie zu jeder Tageszeit anstellen kann, in jedem Zimmer, es sei nach einer Weltgegend gerichtet nach welcher es wolle; man braucht nicht auf Sonnenschein zu warten, der einem nordischen Beobachter überhaupt nicht reichlich gewogen ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":855,"orig":"Die objectiven Verſuche","norm":"Die objektiven Versuche"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":856,"orig":"verlangen hingegen nothwendig den Sonnenſchein, der, wenn er ſich auch einſtellt, nicht immer den wuͤnſchenswerthen Bezug auf den ihm entgegengeſtellten Apparat haben kann.","norm":"verlangen hingegen notwendig den Sonnenschein, der, wenn er sich auch einstellt, nicht immer den wünschenswerten Bezug auf den ihm entgegengestellten Apparat haben kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":857,"orig":"Bald ſteht die Sonne zu hoch, bald zu tief, und doch auch nur kurze Zeit in dem Meridian des am beſten gelegenen Zimmers.","norm":"Bald steht die Sonne zu hoch, bald zu tief, und doch auch nur kurze Zeit in dem Meridian des am besten gelegenen Zimmers."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":858,"orig":"Unter dem Beobachten weicht ſie; man muß mit dem Apparat nachruͤcken, wodurch in manchen Faͤllen die Verſuche unſicher werden.","norm":"Unter dem Beobachten weicht sie; man muss mit dem Apparat nachrücken, wodurch in manchen Fällen die Versuche unsicher werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":859,"orig":"Wenn die Sonne durchs Prisma ſcheint, ſo offenbart ſie alle Ungleichheiten, innere Faͤden und Blaͤschen des Glaſes, wodurch die Erſcheinung verwirrt, getruͤbt und mißfaͤrbig gemacht wird.","norm":"Wenn die Sonne durchs Prisma scheint, so offenbart sie alle Ungleichheiten, innere Fäden und Bläschen des Glases, wodurch die Erscheinung verwirrt, getrübt und missfärbig gemacht wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":860,"orig":"Doch muͤſſen die Verſuche beyder Arten gleich genau bekannt ſeyn.","norm":"Doch müssen die Versuche beider Arten gleich genau bekannt sein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":861,"orig":"Sie ſcheinen einander entgegengeſetzt und gehen immer mit einander parallel; was die einen zeigen, zeigen die andern auch, und doch hat jede Art wieder ihre Eigenheiten, wodurch gewiſſe Wirkungen der Natur auf mehr als eine Weiſe offenbar werden.","norm":"Sie scheinen einander entgegengesetzt und gehen immer miteinander parallel; was die einen zeigen, zeigen die anderen auch, und doch hat jede Art wieder ihre Eigenheiten, wodurch gewisse Wirkungen der Natur auf mehr als eine Weise offenbar werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":862,"orig":"Sodann giebt es bedeutende Phaͤnomene, welche man durch Verbindung der ſubjectiven und objectiven Verſuche hervorbringt.","norm":"Sodann gibt es bedeutende Phänomene, welche man durch Verbindung der subjektiven und objektiven Versuche hervorbringt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":863,"orig":"Nicht weniger gewaͤhren uns die objectiven den Vortheil, daß wir ſie meiſt durch Linearzeichnungen darſtellen und die innern Verhaͤltniſſe des Phaͤnomens auf unſern Tafeln vor Augen legen koͤnnen.","norm":"Nicht weniger gewähren uns die objektiven den Vorteil, dass wir sie meist durch Linearzeichnungen darstellen und die inneren Verhältnisse des Phänomens auf unseren Tafeln vor Augen legen können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":864,"orig":"Wir ſaͤumen daher nicht die objectiven Verſuche ſogleich dergeſtalt vorzutragen, daß die Phaͤnomene mit den ſubjectiv vorgeſtellten durchaus gleichen Schritt halten; deßwegen wir auch neben der Zahl eines jeden Paragraphen die Zahl der fruͤheren in Parentheſe unmittelbar anfuͤgen.","norm":"Wir säumen daher nicht die objektiven Versuche sogleich dergestalt vorzutragen, dass die Phänomene mit den subjektiv vorgestellten durchaus gleichen Schritt halten; deswegen wir auch neben der Zahl eines jeden Paragraphen die Zahl der früheren in Parenthese unmittelbar anfügen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":865,"orig":"Doch fetzen wir im Ganzen voraus, daß der Leſer ſich mit den Tafeln, der Forſcher mit dem Apparat bekannt mache, damit die Zwillings-Phaͤnomene, von denen die Rede iſt, auf eine oder die andere Weiſe, dem Liebhaber vor Augen ſeyen.","norm":"Doch setzen wir im Ganzen voraus, dass der Leser sich mit den Tafeln, der Forscher mit dem Apparat bekannt mache, damit die Zwillings-Phänomene, von denen die Rede ist, auf eine oder die andere Weise, dem Liebhaber vor Augen seien."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":866,"orig":"Daß die Refraction ihre Wirkung aͤußre, ohne eine Farbenerſcheinung hervorzubringen, iſt bey objectiven Verſuchen nicht ſo vollkommen als bey ſubjectiven darzuthun.","norm":"Dass die Refraktion ihre Wirkung äußre, ohne eine Farbenerscheinung hervorzubringen, ist bei objektiven Versuchen nicht so vollkommen als bei subjektiven darzutun."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":867,"orig":"Wir haben zwar unbegraͤnzte Raͤume, nach welchen wir durchs Prisma ſchauen und uns uͤberzeugen koͤnnen, daß ohne Graͤnze keine Farbe entſtehe; aber wir haben kein unbegraͤnzt Leuchtendes, welches wir koͤnnten aufs Prisma wirken laſſen.","norm":"Wir haben zwar unbegrenzte Räume, nach welchen wir durchs Prisma schauen und uns überzeugen können, dass ohne Grenze keine Farbe entstehe; aber wir haben kein unbegrenzt Leuchtendes, welches wir könnten aufs Prisma wirken lassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":868,"orig":"Unſer Licht kommt uns von begraͤnzten Koͤrpern, und die Sonne, welche unſre meiſten objectiven prismatiſchen Erſcheinungen hervorbringt, iſt ja ſelbſt nur ein kleines begraͤnzt leuchtendes Bild.","norm":"Unser Licht kommt uns von begrenzten Körpern, und die Sonne, welche unsere meisten objektiven prismatischen Erscheinungen hervorbringt, ist ja selbst nur ein kleines begrenzt leuchtendes Bild."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":869,"orig":"Indeſſen koͤnnen wie jede groͤßere Oeffnung, durch welche die Sonne durchſcheint, jedes groͤßere Mittel, wodurch das Sonnenlicht aufgefangen und aus ſeiner Richtung gebracht wird, ſchon in ſofern als unbegraͤnzt anſehen, indem wir bloß die Mitte der Flaͤchen, nicht aber ihre Graͤnzen betrachten.","norm":"Indessen können wie jede größere Öffnung, durch welche die Sonne durchscheint, jedes größere Mittel, wodurch das Sonnenlicht aufgefangen und aus seiner Richtung gebracht wird, schon insofern als unbegrenzt ansehen, indem wir bloß die Mitte der Flächen, nicht aber ihre Grenzen betrachten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":870,"orig":"Man ſtelle ein großes Waſſerprisma in die Sonne, und ein heller Raum wird ſich in die Hoͤhe gebrochen an einer entgegengeſetzten Tafel zeigen und die Mitte dieſes erleuchteten Raumes farblos ſeyn.","norm":"Man stelle ein großes Wasserprisma in die Sonne, und ein heller Raum wird sich in die Höhe gebrochen an einer entgegengesetzten Tafel zeigen und die Mitte dieses erleuchteten Raumes farblos sein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":871,"orig":"Eben daſſelbe erreicht man, wenn man mit Glasprismen, welche Winkel von wenigen Graden haben, den Verſuch anſtellt.","norm":"Eben dasselbe erreicht man, wenn man mit Glasprismen, welche Winkel von wenigen Geraden haben, den Versuch anstellt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":872,"orig":"Ja dieſe Erſcheinung zeigt ſich ſelbſt bey Glasprismen, deren brechender Winkel ſechzig Grad iſt, wenn man nur die Tafel nahe genug heran bringt.","norm":"Ja diese Erscheinung zeigt sich selbst bei Glasprismen, deren brechender Winkel sechzig Grad ist, wenn man nur die Tafel nahe genug heranbringt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":873,"orig":"Wenn nun gedachter erleuchteter Raum zwar gebrochen, von der Stelle geruͤckt, aber nicht gefaͤrbt erſcheint; ſo ſieht man jedoch an den horizontalen Graͤnzen deſſelben eine farbige Erſcheinung.","norm":"Wenn nun gedachter erleuchteter Raum zwar gebrochen, von der Stelle gerückt, aber nicht gefärbt erscheint; so sieht man jedoch an den horizontalen Grenzen desselben eine farbige Erscheinung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":874,"orig":"Daß auch hier die Farbe bloß durch Verruͤckung eines Bildes entſtehe, iſt umſtaͤndlicher darzuthun.","norm":"Dass auch hier die Farbe bloß durch Verrückung eines Bildes entstehe, ist umständlicher darzutun."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":875,"orig":"Das Leuchtende, welches hier wirkt, iſt ein Begraͤnztes, und die Sonne wirkt hier, indem ſie ſcheint und ſtrahlt, als ein Bild.","norm":"Das Leuchtende, welches hier wirkt, ist ein Begrenztes, und die Sonne wirkt hier, indem sie scheint und strahlt, als ein Bild."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":876,"orig":"Man mache die Oeffnung in dem Laden der Camera obſcura ſo klein als man kann, immer wird das ganze Bild der Sonne hereindringen.","norm":"Man mache die Öffnung in dem Laden der Kamera obscura so klein als man kann, immer wird das ganze Bild der Sonne hereindringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":877,"orig":"Das von ihrer Scheibe herſtroͤmende Licht wird ſich in der kleinſten Oeffnung kreuzen und den Winkel machen, der ihrem ſcheinbaren Diameter gemaͤß iſt.","norm":"Das von ihrer Scheibe herströmende Licht wird sich in der kleinsten Öffnung kreuzen und den Winkel machen, der ihrem scheinbaren Diameter gemäß ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":878,"orig":"Hier kommt ein Conus mit der Spitze außen an und inwendig verbreitert ſich dieſe Spitze wieder, bringt ein durch eine Tafel aufzufaſſendes rundes, ſich durch die Entfernung der Tafel auf immer vergroͤßerndes Bild hervor, welches Bild nebſt allen uͤbrigen Bildern der aͤußeren Landſchaft auf einer weißen gegengehaltenen Flaͤche im dunklen Zimmer umgekehrt erſcheint.","norm":"Hier kommt ein Konus mit der Spitze außen an und inwendig verbreitert sich diese Spitze wieder, bringt ein durch eine Tafel aufzufassendes rundes, sich durch die Entfernung der Tafel auf immer vergrößerndes Bild hervor, welches Bild nebst allen übrigen Bildern der äußeren Landschaft auf einer weißen gegengehaltenen Fläche im dunklen Zimmer umgekehrt erscheint."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":879,"orig":"Wie wenig alſo hier von einzelnen Sonnenſtrahlen, oder Strahlenbuͤndeln und Buͤſcheln, von Strahleneylindern, Staͤben und wie man ſich das alles vorſtellen mag, die Rede ſeyn kann, iſt auffallend.","norm":"Wie wenig also hier von einzelnen Sonnenstrahlen, oder Strahlenbündeln und Büscheln, von Strahlenzylindern, Stäben und wie man sich das alles vorstellen mag, die Rede sein kann, ist auffallend."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":880,"orig":"Zu Bequemlichkeit gewiſſer Lineardarſtellungen nehme man das Sonnenlicht als parallel einfallend an; aber man wiſſe, daß dieſes nur eine Fiction iſt, welche man ſich gar wohl erlauben kann, da wo der zwiſchen die Fiction und die wahre Erſcheinung fallende Bruch unbedeutend iſt.","norm":"Zu Bequemlichkeit gewisser Lineardarstellungen nehme man das Sonnenlicht als parallel einfallend an; aber man wisse, dass dieses nur eine Fiktion ist, welche man sich gar wohl erlauben kann, da wo der zwischen die Fiktion und die wahre Erscheinung fallende Bruch unbedeutend ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":881,"orig":"Man huͤte ſich aber, dieſe Fiction wieder zum Phaͤnomen zu machen, und mit einem ſolchen fingirten Phaͤnomen weiter fort zu operiren.","norm":"Man hüte sich aber, diese Fiktion wieder zum Phänomen zu machen, und mit einem solchen fingierten Phänomen weiter fort zu operieren."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":882,"orig":"Man vergroͤßre nunmehr die Oeffnung in dem Fenſterladen ſo weit man will, man mache ſie rund oder viereckt, ja man oͤffne den Laden ganz und laſſe die Sonne durch den voͤlligen Fenſterraum in das Zimmer ſcheinen; der Raum, den ſie erleuchtet, wird immer ſo viel groͤßer ſeyn, als der Winkel, den ihr Durchmeſſer macht, verlangt; und alſo iſt auch ſelbſt der ganze durch das groͤßte Fenſter von der Sonne erleuchtete Raum nur das Sonnenbild plus der Weite der Oeffnung.","norm":"Man vergrößre nunmehr die Öffnung in dem Fensterladen so weit man will, man mache sie rund oder viereckig, ja man öffne den Laden ganz und lasse die Sonne durch den völligen Fensterraum in das Zimmer scheinen; der Raum, den sie erleuchtet, wird immer so viel größer sein, als der Winkel, den ihr Durchmesser macht, verlangt; und also ist auch selbst der ganze durch das größte Fenster von der Sonne erleuchtete Raum nur das Sonnenbild plus der Weite der Öffnung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":883,"orig":"Wir werden hierauf zuruͤckzukehren kuͤnftig Gelegenheit finden.","norm":"Wir werden hierauf zurückzukehren künftig Gelegenheit finden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":884,"orig":"Fangen wir nun das Sonnenbild durch convexe Glaͤſer auf, ſo ziehen wir es gegen den Focus zuſammen.","norm":"Fangen wir nun das Sonnenbild durch konvexe Gläser auf, so ziehen wir es gegen den Fokus zusammen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":885,"orig":"Hier muß, nach den oben ausgefuͤhrten Regeln, ein gelber Saum und ein gelbrother Rand entſtehen, wenn das Bild auf einem weißen Papiere aufgefangen wird.","norm":"Hier muss, nach den oben ausgeführten Regeln, ein gelber Saum und ein gelbroter Rand entstehen, wenn das Bild auf einem weißen Papiere aufgefangen wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":886,"orig":"Weil aber dieſer Verſuch blendend und unbequem iſt, ſo macht er ſich am ſchoͤnſten mit dem Bilde des Vollmonds.","norm":"Weil aber dieser Versuch blendend und unbequem ist, so macht er sich am schönsten mit dem Bilde des Vollmonds."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":887,"orig":"Wenn man dieſes durch ein convexes Glas zuſammenzieht, ſo erſcheint der farbige Rand in der groͤßten Schoͤnheit: denn der Mond ſendet an ſich ſchon ein gemaͤßigtes Licht, und er kann alſo um deſto eher die Farbe, welche aus Maͤßigung des Lichts entſteht, hervorbringen; wobey zugleich das Auge des Beobachters nur leiſe und angenehm beruͤhrt wird.","norm":"Wenn man dieses durch ein konvexes Glas zusammenzieht, so erscheint der farbige Rand in der größten Schönheit: denn der Mond sendet an sich schon ein gemäßigtes Licht, und er kann also um desto eher die Farbe, welche aus Mäßigung des Lichts entsteht, hervorbringen; wobei zugleich das Auge des Beobachters nur leise und angenehm berührt wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":888,"orig":"Wenn man ein leuchtendes Bild durch concave Glaͤſer auffaßt, ſo wird es vergroͤßert und alſo ausgedehnt.","norm":"Wenn man ein leuchtendes Bild durch konkave Gläser auffasst, so wird es vergrößert und also ausgedehnt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":889,"orig":"Hier erſcheint das Bild blau begraͤnzt.","norm":"Hier erscheint das Bild blau begrenzt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":890,"orig":"Beyde entgegengeſetzten Erſcheinungen kann man durch ein convexes Glas ſowohl ſimultan als ſucceſſiv hervorbringen, und zwar ſimultan, wenn man auf das convexe Glas in der Mitte eine undurchſichtige Scheibe klebt, und nun das Sonnenbild auffaͤngt.","norm":"Beide entgegengesetzten Erscheinungen kann man durch ein konvexes Glas sowohl simultan als sukzessiv hervorbringen, und zwar simultan, wenn man auf das konvexe Glas in der Mitte eine undurchsichtige Scheibe klebt, und nun das Sonnenbild auffängt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":891,"orig":"Hier wird nun ſowohl das leuchtende Bild als der in ihm befindliche ſchwarze Kern zuſammengezogen, und ſo muͤſſen auch die entgegengeſetzten Farberſcheinungen entſtehen.","norm":"Hier wird nun sowohl das leuchtende Bild als der in ihm befindliche schwarze Kern zusammengezogen, und so müssen auch die entgegengesetzten Farberscheinungen entstehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":892,"orig":"Ferner kann man dieſen Gegenſatz ſucceſſiv gewahr werden, wenn man das leuchtende Bild erſt bis gegen den Focus zuſammenzieht; da man denn Gelb und Gelbroth gewahr wird: dann aber hinter dem Focus daſſelbe ſich ausdehnen laͤßt; da es denn ſogleich eine blaue Graͤnze zeigt.","norm":"Ferner kann man diesen Gegensatz sukzessiv gewahr werden, wenn man das leuchtende Bild erst bis gegen den Fokus zusammenzieht; da man denn Gelb und Gelbrot gewahr wird: dann aber hinter dem Fokus dasselbe sich ausdehnen lässt; da es denn sogleich eine blaue Grenze zeigt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":893,"orig":"Auch hier gilt, was bey den ſubjectiven Erfahrungen geſagt worden, daß das Blaue und Gelbe ſich an und uͤber dem Weißen zeige, und daß beyde Farben einen roͤthlichen Schein annehmen in ſofern ſie uͤber das Schwarze reichen.","norm":"Auch hier gilt, was bei den subjektiven Erfahrungen gesagt worden, dass das Blaue und Gelbe sich an und über dem Weißen zeige, und dass beide Farben einen rötlichen Schein annehmen insofern sie über das Schwarze reichen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":894,"orig":"Dieſe Grunderſcheinungen wiederhohlen ſich bey allen folgenden objectiven Erfahrungen, ſo wie ſie die Grundlage der ſubjectiven ausmachten.","norm":"Diese Grunderscheinungen wiederholen sich bei allen folgenden objektiven Erfahrungen, so wie sie die Grundlage der subjektiven ausmachten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":895,"orig":"Auch die Operation, welche vorgenommen wird, iſt eben dieſelbe; ein heller Rand wird gegen eine dunkle Flaͤche, eine dunkle Flaͤche gegen eine helle Graͤnze gefuͤhrt.","norm":"Auch die Operation, welche vorgenommen wird, ist eben dieselbe; ein heller Rand wird gegen eine dunkle Fläche, eine dunkle Fläche gegen eine helle Grenze geführt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":896,"orig":"Die Graͤnzen muͤſſen einen Weg machen und ſich gleichſam uͤber einander draͤngen, bey dieſen Verſuchen wie bey jenen.","norm":"Die Grenzen müssen einen Weg machen und sich gleichsam übereinander drängen, bei diesen Versuchen wie bei jenen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":897,"orig":"Laſſen wir alſo das Sonnenbild durch eine groͤßere oder kleinere Oeffnung in die dunkle Kammer, fangen wir es durch ein Prisma auf, deſſen brechender Winkel hier wie gewoͤhnlich unten ſeyn mag; ſo kommt das leuchtende Bild nicht in gerader Linie nach dem Fußboden, ſondern es wird an eine vertical geſetzte Tafel hinaufgebrochen.","norm":"Lassen wir also das Sonnenbild durch eine größere oder kleinere Öffnung in die dunkle Kammer, fangen wir es durch ein Prisma auf, dessen brechender Winkel hier wie gewöhnlich unten sein mag; so kommt das leuchtende Bild nicht in gerader Linie nach dem Fußboden, sondern es wird an eine vertikal gesetzte Tafel hinaufgebrochen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":898,"orig":"Hier iſt es Zeit, des Gegenſatzes zu gedenken, in welchem ſich die ſubjective und objective Verruͤckung des Bildes befindet.","norm":"Hier ist es Zeit, des Gegensatzes zu gedenken, in welchem sich die subjektive und objektive Verrückung des Bildes befindet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":899,"orig":"Sehen wir durch ein Prisma, deſſen brechender Winkel ſich unten befindet, nach einem in der Hoͤhe befindlichen Bilde; ſo wird dieſes Bild heruntergeruͤckt, anſtatt daß ein einfallendes leuchtendes Bild von demſelben Prisma in die Hoͤhe geſchoben wird.","norm":"Sehen wir durch ein Prisma, dessen brechender Winkel sich unten befindet, nach einem in der Höhe befindlichen Bilde; so wird dieses Bild heruntergerückt, anstatt dass ein einfallendes leuchtendes Bild von demselben Prisma in die Höhe geschoben wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":900,"orig":"Was wir hier der Kuͤrze wegen nur hiſtoriſch angeben, laͤßt ſich aus den Regeln der Brechung und Hebung ohne Schwierigkeit ableiten.","norm":"Was wir hier der Kürze wegen nur historisch angeben, lässt sich aus den Regeln der Brechung und Hebung ohne Schwierigkeit ableiten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":901,"orig":"Indem nun alſo auf dieſe Weiſe das leuchtende Bild von ſeiner Stelle geruͤckt wird; ſo gehen auch die Farbenſaͤume nach den fruͤher ausgefuͤhrten Regeln ihren Weg.","norm":"Indem nun also auf diese Weise das leuchtende Bild von seiner Stelle gerückt wird; so gehen auch die Farbensäume nach den früher ausgeführten Regeln ihren Weg."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":902,"orig":"Der violette Saum geht jederzeit voraus, und alſo bey objectiven hinaufwaͤrts, wenn er bey ſubjectiven herunterwaͤrts geht.","norm":"Der violette Saum geht jederzeit voraus, und also bei objektiven hinaufwärts, wenn er bei subjektiven herunterwärts geht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":903,"orig":"Eben ſo uͤberzeuge ſich der Beobachter von der Faͤrbung in der Diagonale, wenn die Verruͤckung durch zwey Prismen in dieſer Richtung geſchieht, wie bey dem ſubjectiven Falle deutlich genug angegeben; man ſchaffe ſich aber hiezu Prismen mit Winkeln von wenigen, etwa funfzehn Graden.","norm":"Eben so überzeuge sich der Beobachter von der Färbung in der Diagonale, wenn die Verrückung durch zwei Prismen in dieser Richtung geschieht, wie bei dem subjektiven Falle deutlich genug angegeben; man schaffe sich aber hiezu Prismen mit Winkeln von wenigen, etwa funfzehn Geraden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":904,"orig":"Daß die Faͤrbung des Bi des auch hier nach der Richtung ſeiner Bewegung geſchehe, wird man einſehen, wenn man eine Oeffnung im Laden von maͤßiger Groͤße viereckt macht, und das leuchtende Bild durch das Waſſerprisma gehen laͤßt, erſt die Raͤnder in horizontaler und verticaler Richtung, ſodann in der diagonalen.","norm":"Dass die Färbung des Bi des auch hier nach der Richtung seiner Bewegung geschehe, wird man einsehen, wenn man eine Öffnung im Laden von mäßiger Größe viereckig macht, und das leuchtende Bild durch das Wasserprisma gehen lässt, erst die Ränder in horizontaler und vertikaler Richtung, sodann in der diagonalen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":905,"orig":"Wobey ſich denn abermals zeigen wird, daß die Graͤnzen nicht neben einander weg, ſondern uͤber einander gefuͤhrt werden muͤſſen.","norm":"Wobei sich denn abermals zeigen wird, dass die Grenzen nicht nebeneinander weg, sondern übereinander geführt werden müssen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":906,"orig":"Auch hier bringt eine vermehrte Verruͤckung des Bildes eine ſtaͤrkere Farbenerſcheinung zu Wege.","norm":"Auch hier bringt eine vermehrte Verrückung des Bildes eine stärkere Farbenerscheinung zu Wege."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":907,"orig":"Dieſe vermehrte Verruͤckung aber hat Statt","norm":"Diese vermehrte Verrückung aber hat Statt"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":908,"orig":"1) durch ſchiefere Richtung des auffallenden leuchtenden Bildes auf parallele Mittel.","norm":"1) durch schiefere Richtung des auffallenden leuchtenden Bildes auf parallele Mittel."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":909,"orig":"2) Durch Veraͤnderung der parallelen Form in eine mehr oder weniger ſpitzwinklige.","norm":"2) Durch Veränderung der parallelen Form in eine mehr oder weniger spitzwinklige."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":910,"orig":"3) Durch verſtaͤrktes Maß des Mittels, des parallelen oder winkelhaften, theils weil das Bild auf dieſem Wege ſtaͤrker verruͤckt wird, theils weil eine der Maſſe angehoͤrige Eigenſchaft mit zur Wirkung gelangt.","norm":"3) Durch verstärktes Maß des Mittels, des parallelen oder winkelhaften, teils weil das Bild auf diesem Wege stärker verrückt wird, teils weil eine der Masse angehörige Eigenschaft mit zur Wirkung gelangt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":911,"orig":"4) Durch die Entfernung der Tafel von dem brechenden Mittel, ſo daß das heraustretende gefaͤrbte Bild einen laͤngeren Weg zuruͤcklegt.","norm":"4) Durch die Entfernung der Tafel von dem brechenden Mittel, so dass das heraustretende gefärbte Bild einen längeren Weg zurücklegt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":912,"orig":"5) Zeigt ſich eine chemiſche Eigenſchaft unter allen dieſen Umſtaͤnden wirkſam, welche wir ſchon unter den Rubriken der Achromaſie und Hyperchromaſie naͤher angedeutet haben.","norm":"5) Zeigt sich eine chemische Eigenschaft unter allen diesen Umständen wirksam, welche wir schon unter den Rubriken der Achromasie und Hyperchromasie näher angedeutet haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":913,"orig":"Die objectiven Verſuche geben uns den Vortheil, daß wir das Werdende des Phaͤnomens, ſeine ſucceſſive Geneſe außer uns darſtellen und zugleich mit Linearzeichnungen deutlich machen koͤnnen, welches bey ſubjectiven der Fall nicht iſt.","norm":"Die objektiven Versuche geben uns den Vorteil, dass wir das Werdende des Phänomens, seine sukzessive Genese außer uns darstellen und zugleich mit Linearzeichnungen deutlich machen können, welches bei subjektiven der Fall nicht ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":914,"orig":"Wenn man das aus dem Prisma heraustretende leuchtende Bild und ſeine wachſende Farbenerſcheinung auf einer entgegengehaltenen Tafel ſtufenweiſe beobachten, und ſich Durchſchnitte von dieſem Conus mit elliptiſcher Baſe vor Augen ſtellen kann; ſo laͤßt ſich auch das Phaͤnomen auf ſeinem ganzen Wege zum ſchoͤnſten folgendermaßen ſichtbar machen.","norm":"Wenn man das aus dem Prisma heraustretende leuchtende Bild und seine wachsende Farbenerscheinung auf einer entgegengehaltenen Tafel stufenweise beobachten, und sich Durchschnitte von diesem Konus mit elliptischer Base vor Augen stellen kann; so lässt sich auch das Phänomen auf seinem ganzen Wege zum schönsten folgendermaßen sichtbar machen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":915,"orig":"Man errege nehmlich in der Linie, in welcher das Bild durch den dunklen Raum geht, eine weiße feine Staubwolke, welche durch feinen recht trocknen Haarpuder am beſten hervorgebracht wird.","norm":"Man errege nämlich in der Linie, in welcher das Bild durch den dunklen Raum geht, eine weiße feine Staubwolke, welche durch feinen recht trocknen Haarpuder am besten hervorgebracht wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":916,"orig":"Die mehr oder weniger gefaͤrbte Erſcheinung wird nun durch die weißen Atomen aufgefangen und dem Auge in ihrer ganzen Breite und Laͤnge dargeſtellt.","norm":"Die mehr oder weniger gefärbte Erscheinung wird nun durch die weißen Atomen aufgefangen und dem Auge in ihrer ganzen Breite und Länge dargestellt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":917,"orig":"Eben ſo haben wir Linearzeichnungen bereitet und ſolche unter unſre Tafeln aufgenommen, wo die Erſcheinung von ihrem erſten Urſprunge an dargeſtellt iſt, und an welchen man ſich deutlich machen kann, warum das leuchtende Bild durch Prismen ſo viel ſtaͤrker als durch parallele Mittel gefaͤrbt wird.","norm":"Eben so haben wir Linearzeichnungen bereitet und solche unter unsere Tafeln aufgenommen, wo die Erscheinung von ihrem ersten Ursprunge an dargestellt ist, und an welchen man sich deutlich machen kann, warum das leuchtende Bild durch Prismen so viel stärker als durch parallele Mittel gefärbt wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":918,"orig":"An den beyden entgegengeſetzten Graͤnzen ſteht eine entgegengeſetzte Erſcheinung in einem ſpitzen Winkel auf, die ſich, wie ſie weiter in dem Raume vorwaͤrts geht, nach Maßgabe dieſes Winkels verbreitert.","norm":"An den beiden entgegengesetzten Grenzen steht eine entgegengesetzte Erscheinung in einem spitzen Winkel auf, die sich, wie sie weiter in dem Raume vorwärtsgeht, nach Maßgabe dieses Winkels verbreitert."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":919,"orig":"So ſtrebt in der Richtung, in welcher das leuchtende Bild verruͤckt worden, ein violetter Saum in das Dunkle hinaus, ein blauer ſchmalerer Rand bleibt an der Graͤnze.","norm":"So strebt in der Richtung, in welcher das leuchtende Bild verrückt worden, ein violetter Saum in das Dunkle hinaus, ein blauer schmalerer Rand bleibt an der Grenze."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":920,"orig":"Von der andern Seite ſtrebt ein gelber Saum in das Helle hinein und ein gelbrother Rand bleibt an der Graͤnze.","norm":"Von der anderen Seite strebt ein gelber Saum in das Helle hinein und ein gelbroter Rand bleibt an der Grenze."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":921,"orig":"Hier iſt alſo die Bewegung das Dunklen gegen das Helle, des Hellen gegen das Dunkle wohl zu beachten.","norm":"Hier ist also die Bewegung das Dunklen gegen das Helle, des Hellen gegen das Dunkle wohl zu beachten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":922,"orig":"Eines großen Bildes Mitte bleibt lange ungefaͤrbt, beſonders bey Mitteln von minderer Dichtigkeit und geringerem Maße, bis endlich die entgegengeſetzten Saͤume und Raͤnder einander erreichen, da alsdann bey dem leuchtenden Bild in der Mitte ein Gruͤn entſteht.","norm":"Eines großen Bildes Mitte bleibt lange ungefärbt, besonders bei Mitteln von minderer Dichtigkeit und geringerem Maße, bis endlich die entgegengesetzten Säume und Ränder einander erreichen, da alsdann bei dem leuchtenden Bild in der Mitte ein Grün entsteht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":923,"orig":"Wenn nun die objectiven Verſuche gewoͤhnlich nur mit dem leuchtenden Sonnenbilde gemacht wurden, ſo iſt ein objectiver Verſuch mit einem dunklen Bilde bisher faſt gar nicht vorgekommen.","norm":"Wenn nun die objektiven Versuche gewöhnlich nur mit dem leuchtenden Sonnenbilde gemacht wurden, so ist ein objektiver Versuch mit einem dunklen Bilde bisher fast gar nicht vorgekommen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":924,"orig":"Wir haben hierzu aber auch eine bequeme Vorrichtung angegeben.","norm":"Wir haben hierzu aber auch eine bequeme Vorrichtung angegeben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":925,"orig":"Jenes große Waſſerprisma nehmlich ſtelle man in die Sonne und klebe auf die aͤußere oder innere Seite eine runde Pappenſcheibe; ſo wird die farbige Erſcheinung abermals an den Raͤndern vorgehen, nach jenem bekannten Geſetz entſpringen, die Raͤnder werden erſcheinen, ſich in jener Maße verbreitern und in der Mitte der Purpur entſtehen.","norm":"Jenes große Wasserprisma nämlich stelle man in die Sonne und klebe auf die äußere oder innere Seite eine runde Pappenscheibe; so wird die farbige Erscheinung abermals an den Rändern vorgehen, nach jenem bekannten Gesetz entspringen, die Ränder werden erscheinen, sich in jener Maße verbreitern und in der Mitte der Purpur entstehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":926,"orig":"Man kann neben das Rund ein Viereck in beliebiger Richtung hinzufuͤgen und ſich von dem oben mehrmals angegebenen und ausgeſprochenen von neuen uͤberzeugen.","norm":"Man kann neben das Rund ein Viereck in beliebiger Richtung hinzufügen und sich von dem oben mehrmals Angegebenen und Ausgesprochenen von neuen überzeugen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":927,"orig":"Nimmt man von dem gedachten Prisma dieſe dunklen Bilder wieder hinweg, wobey jedoch die Glastafeln jedesmal ſorgfaͤltig zu reinigen ſind, und haͤlt einen ſchwachen Stab, etwa einen ſtarken Bleyſtift, vor die Mitte des horizontalen Prisma; ſo wird man das voͤllige Uebereinandergreifen des violetten Saums und des rothen Randes bewirken und nur die drey Farben, die zwey aͤußern und die mittlere, ſehen.","norm":"Nimmt man von dem gedachten Prisma diese dunklen Bilder wieder hinweg, wobei jedoch die Glastafeln jedes Mal sorgfältig zu reinigen sind, und hält einen schwachen Stab, etwa einen starken Bleistift, vor die Mitte des horizontalen Prisma; so wird man das völlige Übereinandergreifen des violetten Saums und des roten Randes bewirken und nur die drei Farben, die zwei äußeren und die mittlere, sehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":928,"orig":"Schneidet man eine vor das Prisma zu ſchiebende Pappe dergeſtalt aus, daß in der Mitte derſelben eine horizontale laͤngliche Oeffnung gebildet wird, und laͤßt alsdann das Sonnenlicht hindurchfallen; ſo wird man die voͤllige Vereinigung des gelben Saumes und des blauen Randes nunmehr uͤber das Helle bewirken und nur Gelbroth, Gruͤn und Violett ſehen; auf welche Art und Weiſe, iſt bey Erklaͤrung der Tafeln weiter aus einander geſetzt.","norm":"Schneidet man eine vor das Prisma zu schiebende Pappe dergestalt aus, dass in der Mitte derselben eine horizontale längliche Öffnung gebildet wird, und lässt alsdann das Sonnenlicht hindurchfallen; so wird man die völlige Vereinigung des gelben Saumes und des blauen Randes nunmehr über das Helle bewirken und nur Gelbrot, Grün und Violett sehen; auf welche Art und Weise, ist bei Erklärung der Tafeln weiter auseinandergesetzt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":929,"orig":"Die prismatiſche Erſcheinung iſt alſo keinesweges fertig und vollendet, indem das leuchtende Bild aus dem Prisma hervortritt.","norm":"Die prismatische Erscheinung ist also keineswegs fertig und vollendet, indem das leuchtende Bild aus dem Prisma hervortritt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":930,"orig":"Man wird alsdann nur erſt ihre Anfaͤnge im Gegenſatz gewahr; dann waͤchſt ſie, das Entgegengeſetzte vereinigt ſich und verſchraͤnkt ſich zuletzt aufs innigſte.","norm":"Man wird alsdann nur erst ihre Anfänge im Gegensatz gewahr; dann wächst sie, das Entgegengesetzte vereinigt sich und verschränkt sich zuletzt aufs innigste."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":931,"orig":"Der von einer Tafel aufgefangene Durchſchnitt dieſes Phaͤnomens iſt in jeder Entfernung vom Prisma anders, ſo daß weder von einer ſtetigen Folge der Farben, noch von einem durchaus gleichen Maß derſelben die Rede ſeyn kann; weßhalb der Liebhaber und Beobachter ſich an die Natur und unſre naturgemaͤßen Tafeln wenden wird, welchen zum Ueberfluß eine abermalige Erklaͤrung, ſo wie eine genugſame Anweiſung und Anleitung zu allen Verſuchen, hinzugefuͤgt iſt.","norm":"Der von einer Tafel aufgefangene Durchschnitt dieses Phänomens ist in jeder Entfernung vom Prisma anders, so dass weder von einer stetigen Folge der Farben, noch von einem durchaus gleichen Maß derselben die Rede sein kann; weshalb der Liebhaber und Beobachter sich an die Natur und unsere naturgemäßen Tafeln wenden wird, welchen zum Überfluss eine abermalige Erklärung, so wie eine genugsame Anweisung und Anleitung zu allen Versuchen, hinzugefügt ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":932,"orig":"Wenn wir dieſe Ableitung ſchon bey Gelegenheit der ſubjectiven Verſuche umſtaͤndlich vorgetragen, wenn alles, was dort gegolten hat, auch hier gilt; ſo bedarf es keiner weitlaͤufigen Ausfuͤhrung mehr, um zu zeigen, daß dasjenige, was in der Erſcheinung voͤllig parallel geht, ſich auch aus eben denſelben Quellen ableiten laſſe.","norm":"Wenn wir diese Ableitung schon bei Gelegenheit der subjektiven Versuche umständlich vorgetragen, wenn alles, was dort gegolten hat, auch hier gilt; so bedarf es keiner weitläufigen Ausführung mehr, um zu zeigen, dass dasjenige, was in der Erscheinung völlig parallel geht, sich auch aus eben denselben Quellen ableiten lasse."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":933,"orig":"Daß wir auch bey objectiven Verſuchen mit Bildern zu thun haben, iſt oben umſtaͤndlich dargethan worden.","norm":"Dass wir auch bei objektiven Versuchen mit Bildern zu tun haben, ist oben umständlich dargetan worden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":934,"orig":"Die Sonne mag durch die kleinſte Oeffnung hereinſcheinen, ſo dringt doch immer das Bild ihrer ganzen Scheibe hindurch.","norm":"Die Sonne mag durch die kleinste Öffnung hereinscheinen, so dringt doch immer das Bild ihrer ganzen Scheibe hindurch."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":935,"orig":"Man mag das groͤßte Prisma in das freye Sonnenlicht ſtellen, ſo iſt es doch immer wieder das Sonnenbild, das ſich an den Raͤndern der brechenden Flaͤchen ſelbſt begraͤnzt und die Nebenbilder dieſer Begraͤnzung hervorbringt.","norm":"Man mag das größte Prisma in das freie Sonnenlicht stellen, so ist es doch immer wieder das Sonnenbild, das sich an den Rändern der brechenden Flächen selbst begrenzt und die Nebenbilder dieser Begrenzung hervorbringt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":936,"orig":"Man mag eine vielfach ausgeſchnittene Pappe vor das Waſſerprisma ſchieben, ſo ſind es doch nur die Bilder aller Art, welche, nachdem ſie durch Brechung von ihrer Stelle geruͤckt worden, farbige Raͤnder und Saͤume, und in denſelben durchaus vollkommene Nebenbilder zeigen.","norm":"Man mag eine vielfach ausgeschnittene Pappe vor das Wasserprisma schieben, so sind es doch nur die Bilder aller Art, welche, nachdem sie durch Brechung von ihrer Stelle gerückt worden, farbige Ränder und Säume, und in denselben durchaus vollkommene Nebenbilder zeigen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":937,"orig":"Haben uns bey ſubjectiven Verſuchen ſtark von einander abſtechende Bilder eine hoͤchſt lebhafte Farbenerſcheinung zu Wege gebracht; ſo wird dieſe bey objectiven Verſuchen noch viel lebhafter und herrlicher ſeyn, weil das Sonnenbild von der hoͤchſten Energie iſt, die wir kennen, daher auch deſſen Nebenbild maͤchtig und, ungeachtet ſeines ſecundaͤren getruͤbten und verdunkelten Zuſtandes, noch immer herrlich und glaͤnzend ſeyn muß.","norm":"Haben uns bei subjektiven Versuchen stark voneinander abstechende Bilder eine höchst lebhafte Farbenerscheinung zuwege gebracht; so wird diese bei objektiven Versuchen noch viel lebhafter und herrlicher sein, weil das Sonnenbild von der höchsten Energie ist, die wir kennen, daher auch dessen Nebenbild mächtig und, ungeachtet seines sekundären getrübten und verdunkelten Zustandes, noch immer herrlich und glänzend sein muss."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":938,"orig":"Die vom Sonnenlicht durchs Prisma auf irgend einen Gegenſtand geworfenen Farben bringen ein gewaltiges Licht mit ſich, indem ſie das hoͤchſt energiſche Urlicht gleichſam im Hintergrunde haben.","norm":"Die vom Sonnenlicht durchs Prisma auf irgendeinen Gegenstand geworfenen Farben bringen ein gewaltiges Licht mit sich, indem sie das höchst energische Urlicht gleichsam im Hintergrunde haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":939,"orig":"In wiefern wir auch dieſe Nebenbilder truͤb nennen und ſie aus der Lehre von den truͤben Mitteln ableiten duͤrfen, wird jedem, der uns bis hieher aufmerkſam gefolgt, klar ſeyn, beſonders aber dem, der ſich den noͤthigen Apparat verſchafft, um die Beſtimmtheit und Lebhaftigkeit, womit truͤbe Mittel wirken, ſich jederzeit vergegenwaͤrtigen zu koͤnnen.","norm":"Inwiefern wir auch diese Nebenbilder trüb nennen und sie aus der Lehre von den trüben Mitteln ableiten dürfen, wird jedem, der uns bis hierher aufmerksam gefolgt, klar sein, besonders aber dem, der sich den nötigen Apparat verschafft, um die Bestimmtheit und Lebhaftigkeit, womit trübe Mittel wirken, sich jederzeit vergegenwärtigen zu können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":940,"orig":"Haben wir uns bey Darſtellung der Abnahme unſerer farbigen Erſcheinung in ſubjectiven Faͤllen kurz faſſen koͤnnen, ſo wird es uns erlaubt ſeyn, hier noch kuͤrzer zu verfahren, indem wir uns auf jene deutliche Darſtellung berufen.","norm":"Haben wir uns bei Darstellung der Abnahme unserer farbigen Erscheinung in subjektiven Fällen kurzfassen können, so wird es uns erlaubt sein, hier noch kürzer zu verfahren, indem wir uns auf jene deutliche Darstellung berufen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":941,"orig":"Nur eines mag wegen ſeiner großen Bedeutung, als ein Hauptmoment des ganzen Vortrags, hier dem Leſer zu beſonderer Aufmerkſamkeit empfohlen werden.","norm":"Nur eines mag wegen seiner großen Bedeutung, als ein Hauptmoment des ganzen Vortrags, hier dem Leser zu besonderer Aufmerksamkeit empfohlen werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":942,"orig":"Der Abnahme der prismatiſchen Erſcheinung muß erſt eine Entfaltung derſelben vorangehen.","norm":"Der Abnahme der prismatischen Erscheinung muss erst eine Entfaltung derselben vorangehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":943,"orig":"Aus dem gefaͤrbten Sonnenbilde verſchwinden, in gehoͤriger Entfernung der Tafel vom Prisma, zuletzt die blaue und gelbe Farbe, indem beyde uͤber einander greifen, voͤllig, und man ſieht nur Gelbroth, Gruͤn und Blauroth.","norm":"Aus dem gefärbten Sonnenbilde verschwinden, in gehöriger Entfernung der Tafel vom Prisma, zuletzt die blaue und gelbe Farbe, indem beide übereinandergreifen, völlig, und man sieht nur Gelbrot, Grün und Blaurot."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":944,"orig":"Naͤhert man die Tafel dem brechenden Mittel, ſo erſcheinen Gelb und Blau ſchon wieder, und man erblickt die fuͤnf Farben mit ihren Schattirungen.","norm":"Nähert man die Tafel dem brechenden Mittel, so erscheinen Gelb und Blau schon wieder, und man erblickt die fünf Farben mit ihren Schattierungen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":945,"orig":"Ruͤckt man mit der Tafel noch naͤher, ſo treten Gelb und Blau voͤllig aus einander, das Gruͤne verſchwindet und zwiſchen den gefaͤrbten Raͤndern und Saͤumen zeigt ſich das Bild farblos.","norm":"Rückt man mit der Tafel noch näher, so treten gelb und Blau völlig auseinander, das Grüne verschwindet und zwischen den gefärbten Rändern und Säumen zeigt sich das Bild farblos."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":946,"orig":"Je naͤher man mit der Tafel gegen das Prisma zuruͤckt, deſto ſchmaͤler werden gedachte Raͤnder und Saͤume, bis ſie endlich an und auf dem Prisma null werden.","norm":"Je näher man mit der Tafel gegen das Prisma zurückt, desto schmaler werden gedachte Ränder und Säume, bis sie endlich an und auf dem Prisma null werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":947,"orig":"Wir haben die grauen Bilder als hoͤchſt wichtig bey ſubjectiven Verſuchen dargeſtellt.","norm":"Wir haben die grauen Bilder als höchst wichtig bei subjektiven Versuchen dargestellt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":948,"orig":"Sie zeigen uns durch die Schwaͤche der Nebenbilder, daß eben dieſe Nebenbilder ſich jederzeit von dem Hauptbilde herſchreiben.","norm":"Sie zeigen uns durch die Schwäche der Nebenbilder, dass eben diese Nebenbilder sich jederzeit von dem Hauptbilde herschreiben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":949,"orig":"Will man nun die objectiven Verſuche auch hier parallel durchfuͤhren; ſo koͤnnte dieſes auf eine bequeme Weiſe geſchehen, wenn man ein mehr oder weniger matt geſchliffenes Glas vor die Oeffnung hielte, durch welche das Sonnenbild hereinfaͤllt.","norm":"Will man nun die objektiven Versuche auch hier parallel durchführen; so könnte dieses auf eine bequeme Weise geschehen, wenn man ein mehr oder weniger matt geschliffenes Glas vor die Öffnung hielte, durch welche das Sonnenbild hereinfällt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":950,"orig":"Es wuͤrde dadurch ein gedaͤmpftes Bild hervorgebracht werden, welches nach der Refraction viel mattere Farben, als das von der Sonnenſcheibe unmittelbar abgeleitete, auf der Tafel zeigen wuͤrde; und ſo wuͤrde auch von dem hoͤchſt energiſchen Sonnenbilde nur ein ſchwaches, der Daͤmpfung gemaͤßes Nebenbild entſtehen; wie denn freylich durch dieſen Verſuch dasjenige, was uns ſchon genugſam bekannt iſt, nur noch aber und abermal bekraͤftigt wird.","norm":"Es würde dadurch ein gedämpftes Bild hervorgebracht werden, welches nach der Refraktion viel mattere Farben, als das von der Sonnenscheibe unmittelbar abgeleitete, auf der Tafel zeigen würde; und so würde auch von dem höchst energischen Sonnenbilde nur ein schwaches, der Dämpfung gemäßes Nebenbild entstehen; wie denn freilich durch diesen Versuch dasjenige, was uns schon genugsam bekannt ist, nur noch aber und abermals bekräftigt wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":951,"orig":"Es giebt mancherley Arten, farbige Bilder zum Behuf objectiver Verſuche hervorzubringen.","norm":"Es gibt mancherlei Arten, farbige Bilder zum Behuf objektiver Versuche hervorzubringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":952,"orig":"Erſtlich kann man farbiges Glas vor die Oeffnung halten, wodurch ſogleich ein farbiges Bild hervorgebracht wird.","norm":"Erstlich kann man farbiges Glas vor die Öffnung halten, wodurch sogleich ein farbiges Bild hervorgebracht wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":953,"orig":"Zweytens kann man das Waſſerprisma mit farbigen Liquoren fuͤllen.","norm":"Zweitens kann man das Wasserprisma mit farbigen Liquoren füllen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":954,"orig":"Drittens kann man die von einem Prisma ſchon hervorgebrachten emphatiſchen Farben durch proportionirte kleine Oeffnungen eines Bleches durchlaſſen, und alſo kleine Bilder zu einer zweyten Refraction vorbereiten.","norm":"Drittens kann man die von einem Prisma schon hervorgebrachten emphatischen Farben durch proportionierte kleine Öffnungen eines Bleches durchlassen, und also kleine Bilder zu einer zweiten Refraktion vorbereiten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":955,"orig":"Dieſe letzte Art iſt die beſchwerlichſte, indem, bei dem beſtaͤndigen Fortruͤcken der Sonne, ein ſolches Bild nicht feſt gehalten, noch in beliebiger Richtung beſtaͤtigt werden kann.","norm":"Diese letzte Art ist die beschwerlichste, indem, bei dem beständigen Fortrücken der Sonne, ein solches Bild nicht festgehalten, noch in beliebiger Richtung bestätigt werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":956,"orig":"Die zweyte Art hat auch ihre Unbequemlichkeiten, weil nicht alle farbige Liquoren ſchoͤn hell und klar zu bereiten ſind.","norm":"Die zweite Art hat auch ihre Unbequemlichkeiten, weil nicht alle farbige Liquoren schön hell und klar zu bereiten sind."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":957,"orig":"Daher die erſte um ſo mehr den Vorzug verdient, als die Phyſiker ſchon bisher die von dem Sonnenlicht durchs Prisma hervorgebrachten Farben, diejenigen, welche durch Liquoren und Glaͤſer erzeugt werden, und die, welche ſchon auf Papier oder Tuch fixirt ſind, bey der Demonſtration als gleichwirkend gelten laſſen.","norm":"Daher die erste um so mehr den Vorzug verdient, als die Physiker schon bisher die von dem Sonnenlicht durchs Prisma hervorgebrachten Farben, diejenigen, welche durch Liquoren und Gläser erzeugt werden, und die, welche schon auf Papier oder Tuch fixiert sind, bei der Demonstration als gleichwirkend gelten lassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":958,"orig":"Da es nun alſo bloß darauf ankommt, daß das Bild gefaͤrbt werde; ſo gewaͤhrt uns das ſchon eingefuͤhrte große Waſſerprisma hierzu die beſte Gelegenheit: denn indem man vor ſeine großen Flaͤchen, welche das Licht ungefaͤrbt durchlaſſen, eine Pappe vorſchieben kann, in welche man Oeffnungen von verſchiedener Figur geſchnitten, um unterſchiedene Bilder und alſo auch unterſchiedene Nebenbilder hervorzubringen; ſo darf man nur vor die Oeffnungen der Pappe farbige Glaͤſer befeſtigen, um zu beobachten, welche Wirkung die Refraction im objectiven Sinne auf farbige Bilder hervorbringt.","norm":"Da es nun also bloß darauf ankommt, dass das Bild gefärbt werde; so gewährt uns das schon eingeführte große Wasserprisma hierzu die beste Gelegenheit: denn indem man vor seine großen Flächen, welche das Licht ungefärbt durchlassen, eine Pappe vorschieben kann, in welche man Öffnungen von verschiedener Figur geschnitten, um unterschiedene Bilder und also auch unterschiedene Nebenbilder hervorzubringen; so darf man nur vor die Öffnungen der Pappe farbige Gläser befestigen, um zu beobachten, welche Wirkung die Refraktion im objektiven Sinne auf farbige Bilder hervorbringt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":959,"orig":"Man bediene ſich nehmlich jener ſchon beſchriebenen Tafel (281.) mit farbigen Glaͤſern, welche man genau in der Groͤße eingerichtet, daß ſie in die Falzen des großen Waſſerprismas eingeſchoben werden kann.","norm":"Man bediene sich nämlich jener schon beschriebenen Tafel (281.) mit farbigen Gläsern, welche man genau in der Größe eingerichtet, dass sie in die Falzen des großen Wasserprismas eingeschoben werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":960,"orig":"Man laſſe nunmehr die Sonne hindurchſcheinen, ſo wird man die hinaufwaͤrts gebrochenen farbigen Bilder, jedes nach ſeiner Art, geſaͤumt und geraͤndert ſehen, indem ſich dieſe Saͤume und Raͤnder an einigen Bildern ganz deutlich zeigen, an andern ſich mit der ſpecifiſchen Farbe des Glaſes vermiſchen, ſie erhoͤhen oder verkuͤmmern; und jedermann wird ſich uͤberzeugen koͤnnen, daß hier abermals nur von dieſem von uns ſubjectiv und objectiv ſo umſtaͤndlich vorgetragenen einfachen Phaͤnomen die Rede ſey.","norm":"Man lasse nunmehr die Sonne hindurchscheinen, so wird man die hinaufwärts gebrochenen farbigen Bilder, jedes nach seiner Art, gesäumt und gerändert sehen, indem sich diese Säume und Ränder an einigen Bildern ganz deutlich zeigen, an anderen sich mit der spezifischen Farbe des Glases vermischen, sie erhöhen oder verkümmern; und jedermann wird sich überzeugen können, dass hier abermals nur von diesem von uns subjektiv und objektiv so umständlich vorgetragenen einfachen Phänomen die Rede sei."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":961,"orig":"Wie man die hyperchromatiſchen und achromatiſchen Verſuche auch objectiv anſtellen koͤnne, dazu brauchen wir nur, nach allem was oben weitlaͤuftig ausgefuͤhrt worden, eine kurze Anleitung zu geben, beſonders da wir vorausſetzen koͤnnen, daß jenes erwaͤhnte zuſammengeſetzte Prisma ſich in den Haͤnden des Naturfreundes befinde.","norm":"Wie man die hyperchromatischen und achromatischen Versuche auch objektiv anstellen könne, dazu brauchen wir nur, nach allem was oben weitläufig ausgeführt worden, eine kurze Anleitung zu geben, besonders da wir voraussetzen können, dass jenes erwähnte zusammengesetzte Prisma sich in den Händen des Naturfreundes befinde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":962,"orig":"Man laſſe durch ein ſpitzwinkliges Prisma von wenigen Graden, aus Crownglas geſchliffen, das Sonnenbild dergeſtalt durchgehen, daß es auf der entgegengeſetzten Tafel in die Hoͤhe gebrochen werde; die Raͤnder werden nach dem bekannten Geſetz gefaͤrbt erſcheinen, das Violette und Blaue nehmlich oben und außen, das Gelbe und Gelbrothe unten und innen.","norm":"Man lasse durch ein spitzwinkliges Prisma von wenigen Geraden, aus Crownglas geschliffen, das Sonnenbild dergestalt durchgehen, dass es auf der entgegengesetzten Tafel in die Höhe gebrochen werde; die Ränder werden nach dem bekannten Gesetz gefärbt erscheinen, das Violette und Blaue nämlich oben und außen, das Gelbe und Gelbrote unten und innen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":963,"orig":"Da nun der brechende Winkel dieſes Prismas ſich unten befindet; ſo ſetze man ihm ein andres proportionirtes von Flintglas entgegen, deſſen brechender Winkel nach oben gerichtet ſey.","norm":"Da nun der brechende Winkel dieses Prismas sich unten befindet; so setze man ihm ein anderes proportioniertes von Flintglas entgegen, dessen brechender Winkel nach oben gerichtet sei."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":964,"orig":"Das Sonnenbild werde dadurch wieder an ſeinen Platz gefuͤhrt, wo es denn durch den Ueberſchuß der farberregenden Kraft des herabfuͤhrenden Prismas von Flintglas, nach dem Geſetze dieſer Herabfuͤhrung, wenig gefaͤrbt ſeyn, das Blaue und Violette unten und außen, das Gelbe und Gelbrothe oben und innen zeigen wird.","norm":"Das Sonnenbild werde dadurch wieder an seinen Platz geführt, wo es denn durch den Überschuss der farberregenden Kraft des herabführenden Prismas von Flintglas, nach dem Gesetze dieser Herabführung, wenig gefärbt sein, das Blaue und Violette unten und außen, das Gelbe und Gelbrote oben und innen zeigen wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":965,"orig":"Man ruͤcke nun durch ein proportionirtes Prisma von Crownglas das ganze Bild wieder um weniges in die Hoͤhe; ſo wird die Hyperchromaſie aufgehoben, das Sonnenbild vom Platze geruͤckt und doch farblos erſcheinen.","norm":"Man rücke nun durch ein proportioniertes Prisma von Crownglas das ganze Bild wieder um weniges in die Höhe; so wird die Hyperchromasie aufgehoben, das Sonnenbild vom Platze gerückt und doch farblos erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":966,"orig":"Mit einem aus drey Glaͤſern zuſammengeſetzten achromatiſchen Objectivglaſe kann man eben dieſe Verſuche ſtufenweiſe machen, wenn man es ſich nicht reuen laͤßt, ſolches aus der Huͤlſe, worein es der Kuͤnſtler eingenietet hat, herauszubrechen.","norm":"Mit einem aus drei Gläsern zusammengesetzten achromatischen Objektivglase kann man eben diese Versuche stufenweise machen, wenn man es sich nicht reuen lässt, solches aus der Hülse, worein es der Künstler eingenietet hat, herauszubrechen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":967,"orig":"Die beyden convexen Glaͤſer von Crownglas, indem ſie das Bild nach dem Focus zuſammenziehen, das concave Glas von Flintglas, indem es das Sonnenbild hinter ſich ausdehnt, zeigen an dem Rande die hergebrachten Farben.","norm":"Die beiden konvexen Gläser von Crownglas, indem sie das Bild nach dem Fokus zusammenziehen, das konkave Glas von Flintglas, indem es das Sonnenbild hinter sich ausdehnt, zeigen an dem Rande die hergebrachten Farben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":968,"orig":"Ein Convexglas mit dem Concavglaſe zuſammengenommen zeigt die Farben nach dem Geſetz des letztern.","norm":"Ein Konvexglas mit dem Konkavglase zusammengenommen zeigt die Farben nach dem Gesetz des letzteren."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":969,"orig":"Sind alle drey Glaͤſer zuſammengelegt, ſo mag man das Sonnenbild nach dem Focus zuſammenziehen, oder ſich daſſelbe hinter dem Brennpuncte ausdehnen laſſen, niemals zeigen ſich farbige Raͤnder, und die von dem Kuͤnſtler intendirte Achromaſie bewaͤhrt ſich hier abermals.","norm":"Sind alle drei Gläser zusammengelegt, so mag man das Sonnenbild nach dem Fokus zusammenziehen, oder sich dasselbe hinter dem Brennpunkte ausdehnen lassen, niemals zeigen sich farbige Ränder, und die von dem Künstler intendierte Achromasie bewährt sich hier abermals."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":970,"orig":"Da jedoch das Crownglas durchaus eine gruͤnliche Farbe hat, ſo daß beſonders bey großen und ſtarken Objectiven etwas von einem gruͤnlichen Schein mit unter laufen, und ſich daneben die geforderte Purpurfarbe unter gewiſſen Umſtaͤnden einſtellen mag; welches uns jedoch, bey wiederholten Verſuchen mit mehreren Objectiven, nicht vorgekommen: ſo hat man hierzu die wunderbarſten Erklaͤrungen erſonnen und ſich, da man theoretiſch die Unmoͤglichkeit achromatiſcher Fernglaͤſer zu beweiſen genoͤthigt war, gewiſſermaßen gefreut, eine ſolche radicale Verbeſſerung laͤugnen zu koͤnnen; wovon jedoch nur in der Geſchichte dieſer Erfindungen umſtaͤndlich gehandelt werden kann.","norm":"Da jedoch das Crownglas durchaus eine grünliche Farbe hat, so dass besonders bei großen und starken Objektiven etwas von einem grünlichen Schein mitunter laufen, und sich daneben die geforderte Purpurfarbe unter gewissen Umständen einstellen mag; welches uns jedoch, bei wiederholten Versuchen mit mehreren Objektiven, nicht vorgekommen: so hat man hierzu die wunderbarsten Erklärungen ersonnen und sich, da man theoretisch die Unmöglichkeit achromatischer Ferngläser zu beweisen genötigt war, gewissermaßen gefreut, eine solche radikale Verbesserung leugnen zu können; wovon jedoch nur in der Geschichte dieser Erfindungen umständlich gehandelt werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":971,"orig":"Wenn wir oben angezeigt haben, daß die objectiv und ſubjectiv betrachtete Refraction im Gegenſinne wirken muͤſſe (318); ſo wird daraus folgen, daß wenn man die Verſuche verbindet, entgegengeſetzte und einander aufhebende Erſcheinungen ſich zeigen werden.","norm":"Wenn wir oben angezeigt haben, dass die objektiv und subjektiv betrachtete Refraktion im Gegensinne wirken müsse (318); so wird daraus folgen, dass wenn man die Versuche verbindet, entgegengesetzte und einander aufhebende Erscheinungen sich zeigen werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":972,"orig":"Durch ein horizontal geſtelltes Prisma werde das Sonnenbild an eine Wand hinaufgeworfen.","norm":"Durch ein horizontal gestelltes Prisma werde das Sonnenbild an eine Wand hinaufgeworfen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":973,"orig":"Iſt das Prisma lang genug, daß der Beobachter zugleich hindurch ſehen kann; ſo wird er das durch die objective Refraction hinaufgeruͤckte Bild wieder heruntergeruͤckt und ſolches an der Stelle ſehen, wo es ohne Refraction erſchienen waͤre.","norm":"Ist das Prisma lang genug, dass der Beobachter zugleich hindurchsehen kann; so wird er das durch die objektive Refraktion hinaufgerückte Bild wieder heruntergerückt und solches an der Stelle sehen, wo es ohne Refraktion erschienen wäre."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":974,"orig":"Hierbey zeigt ſich ein bedeutendes, aber gleichfalls aus der Natur der Sache herfließendes Phaͤnomen.","norm":"Hierbei zeigt sich ein bedeutendes, aber gleichfalls aus der Natur der Sache herfließendes Phänomen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":975,"orig":"Da nehmlich, wie ſchon ſo oft erinnert worden, das objectiv an die Wand geworfene gefaͤrbte Sonnenbild keine fertige noch unveraͤnderliche Erſcheinung iſt; ſo wird bey obgedachter Operation das Bild nicht allein fuͤr das Auge heruntergezogen, ſondern auch ſeiner Raͤnder und Saͤume voͤllig beraubt und in eine farbloſe Kreisgeſtalt zuruͤckgebracht.","norm":"Da nämlich, wie schon so oft erinnert worden, das objektiv an die Wand geworfene gefärbte Sonnenbild keine fertige noch unveränderliche Erscheinung ist; so wird bei obgedachter Operation das Bild nicht allein für das Auge heruntergezogen, sondern auch seiner Ränder und Säume völlig beraubt und in eine farblose Kreisgestalt zurückgebracht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":976,"orig":"Bedient man ſich zu dieſem Verſuche zweyer voͤllig gleichen Prismen; ſo kann man ſie erſt neben einander ſtellen, durch das eine das Sonnenbild durchfallen laſſen, durch das andre aber hindurchſehen.","norm":"Bedient man sich zu diesem Versuche zweier völlig gleichen Prismen; so kann man sie erst nebeneinander stellen, durch das eine das Sonnenbild durchfallen lassen, durch das andere aber hindurchsehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":977,"orig":"Geht der Beſchauer mit dem zweyten Prisma nunmehr weiter vorwaͤrts; ſo zieht ſich das Bild wieder hinauf und wird ſtufenweiſe nach dem Geſetz des erſten Prismas gefaͤrbt.","norm":"Geht der Beschauer mit dem zweiten Prisma nunmehr weiter vorwärts; so zieht sich das Bild wieder hinauf und wird stufenweise nach dem Gesetz des ersten Prismas gefärbt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":978,"orig":"Tritt der Beſchauer nun wieder zuruͤck, bis er das Bild wieder auf den Nullpunkt gebracht hat und geht ſodann immer weiter von dem Bilde weg; ſo bewegt ſich das fuͤr ihn rund und farblos gewordene Bild immer weiter herab und faͤrbt ſich im entgegengeſetzten Sinne, ſo daß wir daſſelbe Bild, wenn wir zugleich durch das Prisma hindurch und daran herſehen, nach objectiven und ſubjectiven Geſetzen gefaͤrbt erblicken.","norm":"Tritt der Beschauer nun wieder zurück, bis er das Bild wieder auf den Nullpunkt gebracht hat und geht sodann immer weiter von dem Bilde weg; so bewegt sich das für ihn rund und farblos gewordene Bild immer weiter herab und färbt sich im entgegengesetzten Sinne, so dass wir dasselbe Bild, wenn wir zugleich durch das Prisma hindurch und daran hersehen, nach objektiven und subjektiven Gesetzen gefärbt erblicken."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":979,"orig":"Wie dieſer Verſuch zu vermannigfaltigen ſey, ergiebt ſich von ſelbſt.","norm":"Wie dieser Versuch zu vermannigfaltigen sei, ergibt sich von selbst."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":980,"orig":"Iſt der brechende Winkel des Prismas, wodurch das Sonnenbild objectiv in die Hoͤhe gehoben wird, groͤßer als der des Prismas, wodurch der Beobachter blickt; ſo muß der Beobachter viel weiter zuruͤcktreten, um das farbige Bild an der Wand ſo weit herunterzufuͤhren, daß es farblos werde, und umgekehrt.","norm":"Ist der brechende Winkel des Prismas, wodurch das Sonnenbild objektiv in die Höhe gehoben wird, größer als der des Prismas, wodurch der Beobachter blickt; so muss der Beobachter viel weiter zurücktreten, um das farbige Bild an der Wand so weit herunterzuführen, dass es farblos werde, und umgekehrt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":981,"orig":"Daß man auf dieſem Wege die Achromaſie und Hyperchromaſie gleichfalls darſtellen koͤnne, faͤllt in die Augen; welches wir weiter auseinander zu ſetzen und auszufuͤhren dem Liebhaber wohl ſelbſt uͤberlaſſen koͤnnen, ſo wie wir auch andere complicirte Verſuche, wobey man Prismen und Linſen zugleich anwendet, auch die objectiven und ſubjectiven Erfahrungen auf mancherley Weiſe durch einander miſcht, erſt ſpaͤterhin darlegen und auf die einfachen, uns nunmehr genugſam bekannten Phaͤnomene zuruͤckfuͤhren werden.","norm":"Dass man auf diesem Wege die Achromasie und Hyperchromasie gleichfalls darstellen könne, fällt in die Augen; welches wir weiter auseinanderzusetzen und auszuführen dem Liebhaber wohl selbst überlassen können, so wie wir auch andere komplizierte Versuche, wobei man Prismen und Linsen zugleich anwendet, auch die objektiven und subjektiven Erfahrungen auf mancherlei Weise durcheinander mischt, erst späterhin darlegen und auf die einfachen, uns nunmehr genugsam bekannten Phänomene zurückführen werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":982,"orig":"Wenn wir auf die bisherige Darſtellung und Ableitung der dioptriſchen Farben zuruͤckſehen; koͤnnen wir keine Reue empfinden, weder daß wir ſie ſo umſtaͤndlich abgehandelt, noch daß wir ſie vor den uͤbrigen phyſiſchen Farben, außer der von uns ſelbſt angegebenen Ordnung, vorgetragen haben.","norm":"Wenn wir auf die bisherige Darstellung und Ableitung der dioptrischen Farben zurücksehen; können wir keine Reue empfinden, weder dass wir sie so umständlich abgehandelt, noch dass wir sie vor den übrigen physischen Farben, außer der von uns selbst angegebenen Ordnung, vorgetragen haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":983,"orig":"Doch gedenken wir hier an der Stelle des Uebergangs unſern Leſern und Mitarbeitern deßhalb einige Rechenſchaft zu geben.","norm":"Doch gedenken wir hier an der Stelle des Übergangs unseren Lesern und Mitarbeitern deshalb einige Rechenschaft zu geben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":984,"orig":"Sollten wir uns verantworten, daß wir die Lehre von den dioptriſchen Farben, beſonders der zweyten Claſſe, vielleicht zu weitlaͤuftig ausgefuͤhrt; ſo haͤtten wir folgendes zu bemerken.","norm":"Sollten wir uns verantworten, dass wir die Lehre von den dioptrischen Farben, besonders der zweiten Klasse, vielleicht zu weitläufig ausgeführt; so hätten wir Folgendes zu bemerken."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":985,"orig":"Der Vortrag irgend eines Gegenſtandes unſres Wiſſens kann ſich theils auf die innre Nothwendigkeit der abzuhandelnden Materie, theils aber auch auf das Beduͤrfniß der Zeit, in welcher der Vortrag geſchieht, beziehen.","norm":"Der Vortrag irgendeines Gegenstandes unseres Wissens kann sich teils auf die innere Notwendigkeit der abzuhandelnden Materie, teils aber auch auf das Bedürfnis der Zeit, in welcher der Vortrag geschieht, beziehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":986,"orig":"Bey dem unſrigen waren wir genoͤthigt, beyde Ruͤckſichten immer vor Augen zu haben.","norm":"Bei dem unsrigen waren wir genötigt, beide Rücksichten immer vor Augen zu haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":987,"orig":"Einmal war es die Abſicht, unſre ſaͤmmtlichen Erfahrungen ſo wie unſre Ueberzeugungen, nach einer lange gepruͤften Methode, vorzulegen; ſodann aber mußten wir unſer Augenmerk darauf richten, manche zwar bekannte, aber doch verkannte, beſonders auch in falſchen Verknuͤpfungen aufgeſtellte Phaͤnomene in ihrer natuͤrlichen Entwicklung und wahrhaft erfahrungsmaͤßigen Ordnung darzuſtellen, damit wir kuͤnftig, bey polemiſcher und hiſtoriſcher Behandlung, ſchon eine vollſtaͤndige Vorarbeit zu leichterer Ueberſicht ins Mittel bringen koͤnnten.","norm":"Einmal war es die Absicht, unsere sämtlichen Erfahrungen sowie unsere Überzeugungen, nach einer lange geprüften Methode, vorzulegen; sodann aber mussten wir unser Augenmerk darauf richten, manche zwar bekannte, aber doch verkannte, besonders auch in falschen Verknüpfungen aufgestellte Phänomene in ihrer natürlichen Entwicklung und wahrhaft erfahrungsmäßigen Ordnung darzustellen, damit wir künftig, bei polemischer und historischer Behandlung, schon eine vollständige Vorarbeit zu leichterer Übersicht ins Mittel bringen könnten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":988,"orig":"Daher iſt denn freylich eine groͤßere Umſtaͤndlichkeit noͤthig geworden, welche eigentlich nur dem gegenwaͤrtigen Beduͤrfniß zum Opfer gebracht wird.","norm":"Daher ist denn freilich eine größere Umständlichkeit nötig geworden, welche eigentlich nur dem gegenwärtigen Bedürfnis zum Opfer gebracht wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":989,"orig":"Kuͤnftig, wenn man erſt das Einfache als einfach, das Zuſammengeſetzte als zuſammengeſetzt, das Erſte und Obere als ein ſolches, das Zweyte, Abgeleitete auch als ein ſolches anerkennen und ſchauen wird; dann laͤßt ſich dieſer ganze Vortrag ins Engere zuſammenziehen, welches, wenn es uns nicht ſelbſt noch gluͤcken ſollte, wir einer heiter thaͤtigen Mit- und Nachwelt uͤberlaſſen.","norm":"Künftig, wenn man erst das Einfache als einfach, das Zusammengesetzte als zusammengesetzt, das Erste und Obere als ein solches, das Zweite, abgeleitete auch als ein solches Anerkennen und schauen wird; dann lässt sich dieser ganze Vortrag ins Engere zusammenziehen, welches, wenn es uns nicht selbst noch glücken sollte, wir einer heiter tätigen Mit- und Nachwelt überlassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":990,"orig":"Was ferner die Ordnung der Capitel uͤberhaupt betrifft, ſo mag man bedenken, daß ſelbſt verwandte Naturphaͤnomene in keiner eigentlichen Folge oder ſtetigen Reihe ſich an einander ſchließen; ſondern daß ſie durch Thaͤtigkeiten hervorgebracht werden, welche verſchraͤnkt wirken, ſo daß es gewiſſermaßen gleichguͤltig iſt, was fuͤr eine Erſcheinung man zuerſt, und was fuͤr eine man zuletzt betrachtet: weil es doch nur darauf ankommt, daß man ſich alle moͤglichſt vergegenwaͤrtige, um ſie zuletzt unter einem Geſichtspunct, theils nach ihrer Natur, theils nach Menſchen-Weiſe und Bequemlichkeit, zuſammenzufaſſen.","norm":"Was ferner die Ordnung der Kapitel überhaupt betrifft, so mag man bedenken, dass selbst verwandte Naturphänomene in keiner eigentlichen Folge oder stetigen Reihe sich aneinander schließen; sondern dass sie durch Tätigkeiten hervorgebracht werden, welche verschränkt wirken, so dass es gewissermaßen gleichgültig ist, was für eine Erscheinung man zuerst, und was für eine man zuletzt betrachtet: weil es doch nur darauf ankommt, dass man sich alle möglichst vergegenwärtige, um sie zuletzt unter einem Gesichtspunkt, teils nach ihrer Natur, teils nach Menschenweise und Bequemlichkeit, zusammenzufassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":991,"orig":"Doch kann man im gegenwaͤrtigen beſondern Falle behaupten, daß die dioptriſchen Farben billig an die Spitze der phyſiſchen geſtellt werden, ſo wohl wegen ihres auffallenden Glanzes und uͤbrigen Bedeutſamkeit, als auch weil, um dieſelben abzuleiten, manches zur Sprache kommen mußte, welches unſ zunaͤchſt große Erleichterung gewaͤhren wird.","norm":"Doch kann man im gegenwärtigen besonderen Falle behaupten, dass die dioptrischen Farben billig an die Spitze der physischen gestellt werden, sowohl wegen ihres auffallenden Glanzes und übrigen Bedeutsamkeit, als auch weil, um dieselben abzuleiten, manches zur Sprache kommen musste, welches uns zunächst große Erleichterung gewähren wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":992,"orig":"Denn man hat bisher das Licht als eine Art von Abſtractum, als ein fuͤr ſich beſtehendes und wirkendes, gewiſſermaßen ſich ſelbſt bedingendes, bey geringen Anlaͤſſen aus ſich ſelbſt die Farben hervorbringendes Weſen angeſehen.","norm":"Denn man hat bisher das Licht als eine Art von Abstraktum, als ein für sich bestehendes und wirkendes, gewissermaßen sich selbst bedingendes, bei geringen Anlässen aus sich selbst die Farben hervorbringendes Wesen angesehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":993,"orig":"Von dieſer Vorſtellungsart jedoch die Naturfreunde abzulenken, ſie aufmerkſam zu machen, daß, bey prismatiſchen und andern Erſcheinungen, nicht von einem unbegraͤnzten bedingenden, ſondern von einem begraͤnzten bedingten Lichte, von einem Lichtbilde, ja von Bildern uͤberhaupt, hellen oder dunklen, die Rede ſey.","norm":"Von dieser Vorstellungsart jedoch die Naturfreunde abzulenken, sie aufmerksam zu machen, dass, bei prismatischen und anderen Erscheinungen, nicht von einem unbegrenzten bedingenden, sondern von einem begrenzten bedingten Lichte, von einem Lichtbilde, ja von Bildern überhaupt, hellen oder dunklen, die Rede sei."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":994,"orig":"Dieß iſt die Aufgabe, welche zu loͤſen, das Ziel, welches zu erreichen waͤre.","norm":"Dies ist die Aufgabe, welche zu lösen, das Ziel, welches zu erreichen wäre."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":995,"orig":"Was bey dioptriſchen Faͤllen, beſonders der zweyten Claſſe, naͤmlich bey Refractionsfaͤllen vorgeht, iſt uns nunmehr genugſam bekannt, und dient uns zur Einleitung ins Kuͤnftige.","norm":"Was bei dioptrischen Fällen, besonders der zweiten Klasse, nämlich bei Refraktionsfällen vorgeht, ist uns nunmehr genugsam bekannt, und dient uns zur Einleitung ins Künftige."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":996,"orig":"Die katoptriſchen Faͤlle erinnern uns an die phyſiologiſchen, nur daß wir jenen mehr Objectivitaͤt zuſchreiben, und ſie deßhalb unter die phyſiſchen zu zaͤhlen uns berechtigt glauben.","norm":"Die katoptrischen Fälle erinnern uns an die physiologischen, nur dass wir jenen mehr Objektivität zuschreiben, und sie deshalb unter die physischen zu zählen uns berechtigt glauben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":997,"orig":"Wichtig aber iſt es, daß wir hier abermals nicht ein abſtractes Licht, ſondern ein Lichtbild zu beachten finden.","norm":"Wichtig aber ist es, dass wir hier abermals nicht ein abstraktes Licht, sondern ein Lichtbild zu beachten finden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":998,"orig":"Gehen wir zu den paroptiſchen uͤber, ſo werden wir, wenn das fruͤhere gut gefaßt worden, uns mit Verwundrung und Zufriedenheit abermals im Reiche der Bilder finden.","norm":"Gehen wir zu den paroptischen über, so werden wir, wenn das Frühere gut gefasst worden, uns mit Verwunderung und Zufriedenheit abermals im Reiche der Bilder finden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":999,"orig":"Beſonders wird uns der Schatten eines Koͤrpers, als ein ſecundaͤres, den Koͤrper ſo genau begleitendes Bild, manchen Aufſchluß geben.","norm":"Besonders wird uns der Schatten eines Körpers, als ein sekundäres, den Körper so genau begleitendes Bild, manchen Aufschluss geben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1000,"orig":"Doch greifen wir dieſen fernern Darſtellungen nicht vor, um, wie bisher geſchehen, nach unſerer Ueberzeugung regelmaͤßigen Schritt zu halten.","norm":"Doch greifen wir diesen ferneren Darstellungen nicht vor, um, wie bisher geschehen, nach unserer Überzeugung regelmäßigen Schritt zu halten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1001,"orig":"Wenn wir von katoptriſchen Farben ſprechen, ſo deuten wir damit an, daß uns Farben bekannt ſind, welche bey Gelegenheit einer Spiegelung erſcheinen.","norm":"Wenn wir von katoptrischen Farben sprechen, so deuten wir damit an, dass uns Farben bekannt sind, welche bei Gelegenheit einer Spiegelung erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1002,"orig":"Wir ſetzen voraus, daß das Licht ſowohl, als die Flaͤche, wovon es zuruͤckſtrahlt, ſich in einem voͤllig farbloſen Zuſtand befinde.","norm":"Wir setzen voraus, dass das Licht sowohl, als die Fläche, wovon es zurückstrahlt, sich in einem völlig farblosen Zustand befinde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1003,"orig":"In dieſem Sinne gehoͤren dieſe Erſcheinungen unter die phyſiſchen Farben.","norm":"In diesem Sinne gehören diese Erscheinungen unter die physischen Farben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1004,"orig":"Sie entſtehen bey Gelegenheit der Reflexion, wie wir oben die dioptriſchen der zweyten Claſſe, bey Gelegenheit der Refraction, hervortreten ſahen.","norm":"Sie entstehen bei Gelegenheit der Reflexion, wie wir oben die dioptrischen der zweiten Klasse, bei Gelegenheit der Refraktion, hervortreten sahen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1005,"orig":"Ohne jedoch weiter im Allgemeinen zu verweilen, wenden wir uns gleich zu den beſondern Faͤllen, und zu den Bedingungen, welche noͤthig ſind, daß gedachte Phaͤnomene ſich zeigen.","norm":"Ohne jedoch weiter im Allgemeinen zu verweilen, wenden wir uns gleich zu den besonderen Fällen, und zu den Bedingungen, welche nötig sind, dass gedachte Phänomene sich zeigen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1006,"orig":"Wenn man eine feine Stahlſaite vom Roͤllchen abnimmt, ſie ihrer Elaſticitaͤt gemaͤß verworren durch einander laufen laͤßt, und ſie an ein Fenſter in die Tageshelle legt; ſo wird man die Hoͤhen der Kreiſe und Windungen erhellt, aber weder glaͤnzend noch farbig ſehen.","norm":"Wenn man eine feine Stahlsaite vom Röllchen abnimmt, sie ihrer Elastizität gemäß verworren durcheinander laufen lässt, und sie an ein Fenster in die Tageshelle legt; so wird man die Höhen der Kreise und Windungen erhellt, aber weder glänzend noch farbig sehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1007,"orig":"Tritt die Sonne hingegen hervor; ſo zieht ſich dieſe Hellung auf einen Punct zuſammen, und das Auge erblickt ein kleines glaͤnzendes Sonnenbild, das, wenn man es nahe betrachtet, keine Farbe zeigt.","norm":"Tritt die Sonne hingegen hervor; so zieht sich diese Hellung auf einen Punkt zusammen, und das Auge erblickt ein kleines glänzendes Sonnenbild, das, wenn man es nahe betrachtet, keine Farbe zeigt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1008,"orig":"Geht man aber zuruͤck und faßt den Abglanz in einiger Entfernung mit den Augen auf; ſo ſieht man viele kleine, auf die mannigfaltigſte Weiſe gefaͤrbte Sonnenbilder, und ob man gleich Gruͤn und Purpur am meiſten zu ſehen glaubt, ſo zeigen ſich doch auch, bey genauerer Aufmerkſamkeit, die uͤbrigen Farben.","norm":"Geht man aber zurück und fasst den Abglanz in einiger Entfernung mit den Augen auf; so sieht man viele kleine, auf die mannigfaltigste Weise gefärbte Sonnenbilder, und ob man gleich Grün und Purpur am meisten zu sehen glaubt, so zeigen sich doch auch, bei genauerer Aufmerksamkeit, die übrigen Farben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1009,"orig":"Nimmt man eine Lorgnette, und ſteht dadurch auf die Erſcheinung; ſo ſind die Farben verſchwunden, ſo wie der ausgedehntere Glanz, in dem ſie erſcheinen, und man erblickt nur die kleinen leuchtenden Puncte, die wiederholten Sonnenbilder.","norm":"Nimmt man eine Lorgnette, und sieht dadurch auf die Erscheinung; so sind die Farben verschwunden, so wie der ausgedehntere Glanz, in dem sie erscheinen, und man erblickt nur die kleinen leuchtenden Punkte, die wiederholten Sonnenbilder."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1010,"orig":"Hieraus erkennt man, daß die Erfahrung ſubjectiver Natur iſt, und daß ſich die Erſcheinung an jene anſchließt, die wir unter dem Namen der ſtrahlenden Hoͤfe eingefuͤhrt haben (100).","norm":"Hieraus erkennt man, dass die Erfahrung subjektiver Natur ist, und dass sich die Erscheinung an jene anschließt, die wir unter dem Namen der strahlenden Höfe eingeführt haben (100)."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1011,"orig":"Allein wir koͤnnen dieſes Phaͤnomen auch von der objectiven Seite zeigen.","norm":"Allein wir können dieses Phänomen auch von der objektiven Seite zeigen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1012,"orig":"Man befeſtige unter eine maͤßige Oeffnung in dem Laden der Camera obſcura ein weißes Papier, und halte, wenn die Sonne durch die Oeffnung ſcheint, die verworrene Drathſaite in das Licht, ſo daß ſie dem Papiere gegenuͤber ſteht.","norm":"Man befestige unter eine mäßige Öffnung in dem Laden der Kamera obscura ein weißes Papier, und halte, wenn die Sonne durch die Öffnung scheint, die verworrene Drahtsaite in das Licht, so dass sie dem Papier gegenüber steht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1013,"orig":"Das Sonnenlicht wird auf und in die Ringe der Drathſaite fallen, ſich aber nicht, wie im concentrirenden menſchlichen Auge, auf einem Puncte zeigen; ſondern, weil das Papier auf jedem Theile ſeiner Flaͤche den Abglanz des Lichtes aufnehmen kann, in haarfoͤrmigen Streifen, welche zugleich bunt ſind, ſehen laſſen.","norm":"Das Sonnenlicht wird auf und in die Ringe der Drahtsaite fallen, sich aber nicht, wie im konzentrierenden menschlichen Auge, auf einem Punkte zeigen; sondern, weil das Papier auf jedem Teile seiner Fläche den Abglanz des Lichtes aufnehmen kann, in haarförmigen Streifen, welche zugleich bunt sind, sehen lassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1014,"orig":"Dieſer Verſuch iſt rein katoptriſch: denn da man ſich nicht denken kann, daß das Licht in die Oberflaͤche des Stahls hineindringe und etwa darin veraͤndert werde; ſo uͤberzeugen wir uns leicht, daß hier bloß von einer reinen Spiegelung die Rede ſey, die ſich, in ſo fern ſie ſubjectiv iſt, an die Lehre von den ſchwachwirkenden und abklingenden Lichtern anſchließt, und in ſo fern ſie objectiv gemacht werden kann, auf ein außer dem Menſchen Reales, ſogar in den leiſeſten Erſcheinungen hindeutet.","norm":"Dieser Versuch ist rein katoptrisch: denn da man sich nicht denken kann, dass das Licht in die Oberfläche des Stahls hineindringe und etwa darin verändert werde; so überzeugen wir uns leicht, dass hier bloß von einer reinen Spiegelung die Rede sei, die sich, insofern sie subjektiv ist, an die Lehre von den schwachwirkenden und abklingenden Lichtern anschließt, und insofern sie objektiv gemacht werden kann, auf ein außer dem Menschen Reales, sogar in den leisesten Erscheinungen hindeutet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1015,"orig":"Wir haben geſehen, daß hier nicht allein ein Licht, ſondern ein energiſches Licht, und ſelbſt dieſes nicht im Abſiracten und Allgemeinen, ſondern ein begraͤnztes Licht, ein Lichtbild noͤthig ſey, um dieſe Wirkung hervorzubringen.","norm":"Wir haben gesehen, dass hier nicht allein ein Licht, sondern ein energisches Licht, und selbst dieses nicht im Abstrakten und Allgemeinen, sondern ein begrenztes Licht, ein Lichtbild nötig sei, um diese Wirkung hervorzubringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1016,"orig":"Wir werden uns hiervon bey verwandten Faͤllen noch mehr uͤberzeugen.","norm":"Wir werden uns hiervon bei verwandten Fällen noch mehr überzeugen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1017,"orig":"Eine polirte Silberplatte gibt in der Sonne einen blendenden Schein von ſich; aber es wird bey dieſer Gelegenheit keine Farbe geſehen.","norm":"Eine polierte Silberplatte gibt in der Sonne einen blendenden Schein von sich; aber es wird bei dieser Gelegenheit keine Farbe gesehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1018,"orig":"Ritzt man hingegen die Oberflaͤche leicht, ſo erſcheinen bunte, beſonders gruͤne und purpurne Farben, unter einem gewiſſen Winkel, dem Auge.","norm":"Ritzt man hingegen die Oberfläche leicht, so erscheinen bunte, besonders grüne und purpurne Farben, unter einem gewissen Winkel, dem Auge."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1019,"orig":"Bey ciſelirten und guilloſchirten Metallen tritt auch dieſes Phaͤnomen auffallend hervor; doch laͤßt ſich durchans bemerken, daß wenn es erſcheinen ſoll, irgend ein Bild, eine Abwechſelung des Dunklen und Hellen, bey der Abſpiegelung mitwirken muͤſſe, ſo daß ein Fenſterſtab, der Aſt eines Baumes, ein zufaͤlliges oder mit Vorſatz aufgeſtelltes Hinderniß, eine merkliche Wirkung hervorbringt.","norm":"Bei ziselierten und guilloschierten Metallen tritt auch dieses Phänomen auffallend hervor; doch lässt sich durchaus bemerken, dass wenn es erscheinen soll, irgendein Bild, eine Abwechselung des Dunklen und Hellen, bei der Abspiegelung mitwirken müsse, so dass ein Fensterstab, der Ast eines Baumes, ein Zufälliges oder mit Vorsatz aufgestelltes Hindernis, eine merkliche Wirkung hervorbringt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1020,"orig":"Auch dieſe Erſcheinung laͤßt ſich in der Camera obſcura objectiviren.","norm":"Auch diese Erscheinung lässt sich in der Kamera obscura objektivieren."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1021,"orig":"Laͤßt man ein polirtes Silber durch Scheidewaſſer dergeſtalt anfreſſen, daß das darin befindliche Kupfer aufgeloͤſt und die Oberflaͤche gewiſſermaßen rauh werde, und laͤßt alsdann das Sonnenbild ſich auf der Platte ſpiegeln; ſo wird es von jedem unendlich kleinen erhoͤhten Puncte einzeln zuruͤckglaͤnzen, und die Oberflaͤche der Platte in bunten Farben erſcheinen.","norm":"Lässt man ein poliertes Silber durch Scheidewasser dergestalt anfressen, dass das darin befindliche Kupfer aufgelöst und die Oberfläche gewissermaßen rau werde, und lässt alsdann das Sonnenbild sich auf der Platte spiegeln; so wird es von jedem unendlich kleinen erhöhten Punkte einzeln zurückglänzen, und die Oberfläche der Platte in bunten Farben erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1022,"orig":"Eben ſo, wenn man ein ſchwarzes ungeglaͤttetes Papier in die Sonne haͤlt und aufmerkſam darauf blickt, ſieht man es in ſeinen kleinſten Theilen bunt in den lebhafteſten Farben glaͤnzen.","norm":"Ebenso, wenn man ein schwarzes ungeglättetes Papier in die Sonne hält und aufmerksam darauf blickt, sieht man es in seinen kleinsten Teilen bunt in den lebhaftesten Farben glänzen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1023,"orig":"Dieſe ſaͤmmtlichen Erfahrungen deuten auf eben dieſelben Bedingungen hin.","norm":"Diese sämtlichen Erfahrungen deuten auf eben dieselben Bedingungen hin."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1024,"orig":"In dem erſten Falle ſcheint das Lichtbild von einer ſchmalen Linie zuruͤck; in dem zweyten wahrſcheinlich von ſcharfen Kanten; in dem dritten von ſehr kleinen Puncten.","norm":"In dem ersten Falle scheint das Lichtbild von einer schmalen Linie zurück; in dem zweiten wahrscheinlich von scharfen Kanten; in dem dritten von sehr kleinen Punkten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1025,"orig":"Bey allen wird ein lebhaftes Licht und eine Begraͤnzung deſſelben verlangt.","norm":"Bei allen wird ein lebhaftes Licht und eine Begrenzung desselben verlangt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1026,"orig":"Nicht weniger wird zu dieſen ſaͤmmtlichen Farberſcheinungen erfordert, daß ſich das Auge in einer proportionirten Ferne von den reflectirenden Puncten befinde.","norm":"Nicht weniger wird zu diesen sämtlichen Farberscheinungen erfordert, dass sich das Auge in einer proportionierten Ferne von den reflektierenden Punkten befinde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1027,"orig":"Stellt man dieſe Beobachtungen unter dem Mikroſkop an, ſo wird die Erſcheinung an Kraft und Glanz unendlich wachſen: denn man ſieht alsdann die kleinſten Theile der Koͤrper, von der Sonne beſchienen, in dieſen Reflexionsfarben ſchimmern, die, mit den Refractionsfarben verwandt, ſich nun auf die hoͤchſte Stufe ihrer Herrlichkeit erheben.","norm":"Stellt man diese Beobachtungen unter dem Mikroskop an, so wird die Erscheinung an Kraft und Glanz unendlich wachsen: denn man sieht alsdann die kleinsten Teile der Körper, von der Sonne beschienen, in diesen Reflexionsfarben schimmern, die, mit den Refraktionsfarben verwandt, sich nun auf die höchste Stufe ihrer Herrlichkeit erheben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1028,"orig":"Man bemerkt in ſolchem Falle ein wurmfoͤrmig Buntes auf der Oberflaͤche organiſcher Koͤrper, wovon das Naͤhere kuͤnftig vorgelegt werden ſoll.","norm":"Man bemerkt in solchem Falle ein wurmförmig buntes auf der Oberfläche organischer Körper, wovon das Nähere künftig vorgelegt werden soll."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1029,"orig":"Uebrigens ſind die Farben, welche bey der Reflexion ſich zeigen, vorzuͤglich Purpur und Gruͤn; woraus ſich vermuthen laͤßt, daß beſonders die ſtreifige Erſcheinung aus einer zarten Purpurlinie beſtehe, welche an ihren beyden Seiten theils mit Blau, theils mit Gelb eingefaßt iſt.","norm":"Übrigens sind die Farben, welche bei der Reflexion sich zeigen, vorzüglich Purpur und Grün; woraus sich vermuten lässt, dass besonders die streifige Erscheinung aus einer zarten Purpurlinie bestehe, welche an ihren beiden Seiten teils mit Blau, teils mit Gelb eingefasst ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1030,"orig":"Treten die Linien ſehr nahe zuſammen, ſo muß der Zwiſchenraum gruͤn erſcheinen; ein Phaͤnomen, das uns noch oft vorkommen wird.","norm":"Treten die Linien sehr nahe zusammen, so muss der Zwischenraum grün erscheinen; ein Phänomen, das uns noch oft vorkommen wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1031,"orig":"In der Natur begegnen uns dergleichen Farben oͤfters.","norm":"In der Natur begegnen uns dergleichen Farben öfters."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1032,"orig":"Die Farben der Spinneweben ſetzen wir denen, die von Stahlſaiten wiederſcheinen, voͤllig gleich, ob ſich ſchon daran nicht ſo gut als an dem Stahl die Undurchdringlichkeit beglaubigen laͤßt, weßwegen man auch dieſe Farben mit zu den Refractionserſcheinungen hat ziehen wollen.","norm":"Die Farben der Spinneweben setzen wir denen, die von Stahlsaiten widerscheinen, völlig gleich, ob sich schon daran nicht so gut als an dem Stahl die Undurchdringlichkeit beglaubigen lässt, weswegen man auch diese Farben mit zu den Refraktionserscheinungen hat ziehen wollen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1033,"orig":"Beym Perlemutter werden wir unendlich feine, nebeneinanderliegende organiſche Fibern und Lamellen gewahr, von welchen, wie oben beym geritzten Silber, mannigfaltige Farben, vorzuͤglich aber Purpur und Gruͤn, entſpringen moͤgen.","norm":"Beim Perlemutter werden wir unendlich feine, nebeneinanderliegende organische Fibern und Lamellen gewahr, von welchen, wie oben beim geritzten Silber, mannigfaltige Farben, vorzüglich aber Purpur und Grün, entspringen mögen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1034,"orig":"Die changeanten Farben der Vogelfedern werden hier gleichfalls erwaͤhnt, obgleich bey allem Organiſchen eine chemiſche Vorbereitung und eine Aneignung der Farbe an den Koͤrper gedacht werden kann; wovon bey Gelegenheit der chemiſchen Farben weiter die Rede ſeyn wird.","norm":"Die changeanten Farben der Vogelfedern werden hier gleichfalls erwähnt, obgleich bei allem Organischen eine chemische Vorbereitung und eine Aneignung der Farbe an den Körper gedacht werden kann; wovon bei Gelegenheit der chemischen Farben weiter die Rede sein wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1035,"orig":"Daß die Erſcheinungen der objectiven Hoͤfe auch in der Naͤhe katoptriſcher Phaͤnomene liegen, wird leicht zugegeben werden, ob wir gleich nicht laͤugnen, daß auch Refraction mit im Spiele ſey.","norm":"Dass die Erscheinungen der objektiven Höfe auch in der Nähe katoptrischer Phänomene liegen, wird leicht zugegeben werden, ob wir gleich nicht leugnen, dass auch Refraktion mit im Spiele sei."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1036,"orig":"Wir wollen hier nur Einiges bemerken, bis wir, nach voͤllig durchlaufenem theoretiſchen Kreiſe, eine vollkommnere Anwendung des uns alsdann im Allgemeinen Bekannten auf die einzelnen Naturerſcheinungen zu machen im Standſeyn werden.","norm":"Wir wollen hier nur einiges bemerken, bis wir, nach völlig durchlaufenem theoretischen Kreise, eine vollkommenere Anwendung des uns alsdann im Allgemeinen Bekannten auf die einzelnen Naturerscheinungen zu machen im Stand-seyn werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1037,"orig":"Wir gedenken zuerſt jenes gelben und rothen Kreiſes an einer weißen oder graulichen Wand, den wir durch ein nah geſtelltes Licht hervorgebracht (88).","norm":"Wir gedenken zuerst jenes gelben und roten Kreises an einer weißen oder graulichen Wand, den wir durch ein nah gestelltes Licht hervorgebracht (88)."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1038,"orig":"Das Licht, indem es von einem Koͤrper zuruͤckſcheint, wird gemaͤßigt, das gemaͤßigte Licht erregt die Empfindung der gelben und ferner der rothen Farbe.","norm":"Das Licht, indem es von einem Körper zurückscheint, wird gemäßigt, das gemäßigte Licht erregt die Empfindung der gelben und ferner der roten Farbe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1039,"orig":"Eine ſolche Kerze erleuchte die Wand lebhaft in unmittelbarer Naͤhe.","norm":"Eine solche Kerze erleuchte die Wand lebhaft in unmittelbarer Nähe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1040,"orig":"Je weiter der Schein ſich verbreitet, deſto ſchwaͤcher wird er; allein er iſt doch immer die Wirkung der Flamme, die Fortſetzung ihrer Energie, die ausgedehnte Wirkung ihres Bildes.","norm":"Je weiter der Schein sich verbreitet, desto schwächer wird er; allein er ist doch immer die Wirkung der Flamme, die Fortsetzung ihrer Energie, die ausgedehnte Wirkung ihres Bildes."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1041,"orig":"Man koͤnnte dieſe Kreiſe daher gar wohl Graͤnzbilder nennen, weil ſie die Graͤnze der Thaͤtigkeit ausmachen und doch auch nur ein erweitertes Bild der Flamme darſtellen.","norm":"Man könnte diese Kreise daher gar wohl Grenzbilder nennen, weil sie die Grenze der Tätigkeit ausmachen und doch auch nur ein erweitertes Bild der Flamme darstellen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1042,"orig":"Wenn der Himmel um die Sonne weiß und leuchtend iſt, indem leichte Duͤnſte die Atmoſphaͤre erfuͤllen, wenn Duͤnſte oder Wolken um den Mond ſchweben; ſo ſpiegelt ſich der Abglanz der Scheibe in denſelben.","norm":"Wenn der Himmel um die Sonne weiß und leuchtend ist, indem leichte Dünste die Atmosphäre erfüllen, wenn Dünste oder Wolken um den Mond schweben; so spiegelt sich der Abglanz der Scheibe in denselben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1043,"orig":"Die Hoͤfe, die wir alsdann erblicken, ſind einfach oder doppelt, kleiner oder groͤßer, zuweilen ſehr groß, oft farblos, manchmal farbig.","norm":"Die Höfe, die wir alsdann erblicken, sind einfach oder doppelt, kleiner oder größer, zuweilen sehr groß, oft farblos, manchmal farbig."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1044,"orig":"Einen ſehr ſchoͤnen Hof um den Mond ſah ich den 15. November 1799 bey hohem Barometerſtande und dennoch wolkigem und dunſtigem Himmel.","norm":"Einen sehr schönen Hof um den Mond sah ich den 15. November 1799 bei hohem Barometerstande und dennoch wolkigem und dunstigem Himmel."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1045,"orig":"Der Hof war voͤllig farbig, und die Kreiſe folgten ſich wie bey ſubjectiven Hoͤfen ums Licht.","norm":"Der Hof war völlig farbig, und die Kreise folgten sich wie bei subjektiven Höfen um das Licht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1046,"orig":"Daß er objectiv war, konnte ich bald einſehen, indem ich das Bild des Mondes zuhielt und der Hof dennoch vollkommen geſehen wurde.","norm":"Dass er objektiv war, konnte ich bald einsehen, indem ich das Bild des Mondes zuhielt und der Hof dennoch vollkommen gesehen wurde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1047,"orig":"Die verſchiedene Groͤße der Hoͤfe ſcheint auf die Naͤhe oder Ferne des Dunſtes von dem Auge des Beobachters einen Bezug zu haben.","norm":"Die verschiedene Größe der Höfe scheint auf die Nähe oder Ferne des Dunstes von dem Auge des Beobachters einen Bezug zu haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1048,"orig":"Da leicht angehauchte Fenſterſcheiben die Lebhaftigkeit der ſubjectiven Hoͤfe vermehren, und ſie gewiſſermaßen zu objectiven machen; ſo ließe ſich vielleicht mit einer einfachen Vorrichtung, bey recht raſch kalter Winterzeit, hiervon die naͤhere Beſtimmung auffinden.","norm":"Da leicht angehauchte Fensterscheiben die Lebhaftigkeit der subjektiven Höfe vermehren, und sie gewissermaßen zu objektiven machen; so ließe sich vielleicht mit einer einfachen Vorrichtung, bei recht rasch kalter Winterzeit, hiervon die nähere Bestimmung auffinden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1049,"orig":"Wie ſehr wir Urſache haben, auch bey dieſen Kreiſen auf das Bild und deſſen Wirkung zu dringen, zeigt ſich bey dem Phaͤnomen der ſogenannten Nebenſonnen.","norm":"Wie sehr wir Ursache haben, auch bei diesen Kreisen auf das Bild und dessen Wirkung zu dringen, zeigt sich bei dem Phänomen der sogenannten Nebensonnen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1050,"orig":"Dergleichen Nachbarbilder finden ſich immer auf gewiſſen Puncten der Hoͤfe und Kreiſe, und ſtellen das wieder nur begraͤnzter dar, was in dem ganzen Kreiſe immerfort allgemeiner vorgeht.","norm":"Dergleichen Nachbarbilder finden sich immer auf gewissen Punkten der Höfe und Kreise, und stellen das wieder nur begrenzter dar, was in dem ganzen Kreise immerfort allgemeiner vorgeht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1051,"orig":"An die Erſcheinung des Regenbogens wird ſich dieſes alles bequemer anſchließen.","norm":"An die Erscheinung des Regenbogens wird sich dieses alles bequemer anschließen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1052,"orig":"Zum Schlufſe bleibt uns nichts weiter uͤbrig, als daß wir die Verwandtſchaft der katoptriſchen Farben mit den paroptiſchen einleiten.","norm":"Zum Schlusse bleibt uns nichts weiter übrig, als dass wir die Verwandtschaft der katoptrischen Farben mit den paroptischen einleiten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1053,"orig":"Die paroptiſchen Farben werden wir diejenigen nennen, welche entſtehen, wenn das Licht an einem undurchſichtigen farbloſen Koͤrper herſtrahlt.","norm":"Die paroptischen Farben werden wir diejenigen nennen, welche entstehen, wenn das Licht an einem undurchsichtigen farblosen Körper herstrahlt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1054,"orig":"Wie nahe ſie mit den dioptriſchen der zweyten Claſſe verwandt ſind, wird Jedermann leicht einſehen, der mit uns uͤberzeugt iſt, daß die Farben der Refraction bloß an den Raͤndern entſtehen.","norm":"Wie nahe sie mit den dioptrischen der zweiten Klasse verwandt sind, wird jedermann leicht einsehen, der mit uns überzeugt ist, dass die Farben der Refraktion bloß an den Rändern entstehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1055,"orig":"Die Verwandtſchaft der katoptriſchen und paroptiſchen aber wird uns in dem folgenden Capitel klar werden.","norm":"Die Verwandtschaft der katoptrischen und paroptischen aber wird uns in dem folgenden Kapitel klar werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1056,"orig":"Die paroptiſchen Farben wurden bisher perioptiſche genannt, weil man ſich eine Wirkung des Lichts gleichſam um den Koͤrper herum dachte, die man einer gewiſſen Biegbarkeit des Lichtes nach dem Koͤrper hin und vom Koͤrper ab zuſchrieb.","norm":"Die paroptischen Farben wurden bisher perioptische genannt, weil man sich eine Wirkung des Lichts gleichsam um den Körper herum dachte, die man einer gewissen Biegbarkeit des Lichtes nach dem Körper hin und vom Körper ab zuschrieb."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1057,"orig":"Auch dieſe Farben kann man in objective und ſubjective eintheilen, weil auch ſie theils außer uns, gleichſam wie auf der Flaͤche gemalt, theils in uns, unmittelbar auf der Retina, erſcheinen.","norm":"Auch diese Farben kann man in objektive und subjektive einteilen, weil auch sie teils außer uns, gleichsam wie auf der Fläche gemalt, teils in uns, unmittelbar auf der Retina, erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1058,"orig":"Wir finden bey dieſem Capitel das vortheilhafteſte, die objectiven zuerſt zu nehmen, weil die ſubjectiven ſich ſo nah an andre uns ſchon bekannte Erſcheinungen anſchließen, daß man ſie kaum davon zu trennen vermag.","norm":"Wir finden bei diesem Kapitel das vorteilhafteste, die objektiven zuerst zu nehmen, weil die subjektiven sich so nah an andere uns schon bekannte Erscheinungen anschließen, dass man sie kaum davon zu trennen vermag."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1059,"orig":"Die paroptiſchen Farben werden alſo genannt, weil, um ſie hervorzubringen, das Licht an einem Rande herſtrahlen muß.","norm":"Die paroptischen Farben werden also genannt, weil, um sie hervorzubringen, das Licht an einem Rande herstrahlen muss."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1060,"orig":"Allein nicht immer, wenn das Licht an einem Rande herſtrahlt, erſcheinen ſie; es ſind dazu noch ganz beſondre Nebenbedingungen noͤthig.","norm":"Allein nicht immer, wenn das Licht an einem Rande herstrahlt, erscheinen sie; es sind dazu noch ganz besondere Nebenbedingungen nötig."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1061,"orig":"Ferner iſt zu bemerken, daß hier abermals das Licht keinesweges in Abſtracto wirke (361); ſondern die Sonne ſcheint an einem Rande her.","norm":"Ferner ist zu bemerken, dass hier abermals das Licht keineswegs in Abstracto wirke (361); sondern die Sonne scheint an einem Rande her."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1062,"orig":"Das ganze von dem Sonnenbild ausſtroͤmende Licht wirkt an einer Koͤrpergraͤnze vorbey und verurſacht Schatten.","norm":"Das Ganze von dem Sonnenbild ausströmende Licht wirkt an einer Körpergrenze vorbei und verursacht Schatten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1063,"orig":"An dieſen Schatten, innerhalb derſelben, werden wir kuͤnftig die Farbe gewahr werden.","norm":"An diesen Schatten, innerhalb derselben, werden wir künftig die Farbe gewahr werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1064,"orig":"Vor allen Dingen aber betrachten wir die hieher gehoͤrigen Erfahrungen in vollem Lichte.","norm":"Vor allen Dingen aber betrachten wir die hierher gehörigen Erfahrungen in vollem Lichte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1065,"orig":"Wir ſetzen den Beobachter ins Freye, ehe wir ihn in die Beſchraͤnkung der dunklen Kammer fuͤhren.","norm":"Wir setzen den Beobachter ins Freie, ehe wir ihn in die Beschränkung der dunklen Kammer führen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1066,"orig":"Wer im Sonnenſchein in einem Garten oder ſonſt auf glatten Wegen wandelt, wird leicht bemerken, daß ſein Schatten nur unten am Fuß, der die Erde betritt, ſcharf begraͤnzt erſcheint, weiter hinauf, beſonders um das Haupt, verfließt er ſanft in die helle Flaͤche.","norm":"Wer im Sonnenschein in einem Garten oder sonst auf glatten Wegen wandelt, wird leicht bemerken, dass sein Schatten nur unten am Fuß, der die Erde betritt, scharf begrenzt erscheint, weiter hinauf, besonders um das Haupt, verfließt er sanft in die helle Fläche."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1067,"orig":"Denn indem das Sonnenlicht nicht allein aus der Mitte der Sonne herſtroͤmt, ſondern auch von den beyden Enden dieſes leuchtenden Geſtirnes uͤbers Kreuz wirkt; ſo entſteht eine objective Parallaxe, die an beyden Seiten des Koͤrpers einen Halbſchatten hervorbringt.","norm":"Denn indem das Sonnenlicht nicht allein aus der Mitte der Sonne herströmt, sondern auch von den beiden Enden dieses leuchtenden Gestirnes übers Kreuz wirkt; so entsteht eine objektive Parallaxe, die an beiden Seiten des Körpers einen Halbschatten hervorbringt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1068,"orig":"Wenn der Spaziergaͤnger ſeine Hand erhebt, ſo ſieht er an den Fingern deutlich das Auseinanderweichen der beyden Halbſchatten nach außen, die Verſchmaͤlerung des Hauptſchattens nach innen, beydes Wirkungen des ſich kreuzenden Lichtes.","norm":"Wenn der Spaziergänger seine Hand erhebt, so sieht er an den Fingern deutlich das Auseinanderweichen der beiden Halbschatten nach außen, die Verschmälerung des Hauptschattens nach innen, beides Wirkungen des sich kreuzenden Lichtes."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1069,"orig":"Man kann vor einer glatten Wand dieſe Verſuche mit Staͤben von verſchiedener Staͤrke, ſo wie auch mit Kugeln wiederhohlen und vervielfaͤltigen; immer wird man finden, daß je weiter der Koͤrper von der Tafel entfernt wird, deſto mehr verbreitet ſich der ſchwache Doppelſchatten, deſto mehr verſchmaͤlert ſich der ſtarke Hauptſchatten, bis dieſer zuletzt ganz aufgehoben ſcheint, ja die Doppelſchatten endlich ſo ſchwach werden, daß ſie beynahe verſchwinden; wie ſie denn in mehrerer Entfernung unbemerklich ſind.","norm":"Man kann vor einer glatten Wand diese Versuche mit Stäben von verschiedener Stärke, sowie auch mit Kugeln wiederholen und vervielfältigen; immer wird man finden, dass je weiter der Körper von der Tafel entfernt wird, desto mehr verbreitet sich der schwache Doppelschatten, desto mehr verschmälert sich der starke Hauptschatten, bis dieser zuletzt ganz aufgehoben scheint, ja die Doppelschatten endlich so schwach werden, dass sie beinahe verschwinden; wie sie denn in mehrerer Entfernung unbemerklich sind."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1070,"orig":"Daß dieſes von dem ſich kreuzenden Lichte herruͤhre, davon kann man ſich leicht uͤberzeugen; ſo wie denn auch der Schatten eines zugeſpitzten Koͤrpers zwey Spitzen deutlich zeigt.","norm":"Dass dieses von dem sich kreuzenden Lichte herrühre, davon kann man sich leicht überzeugen; so wie denn auch der Schatten eines zugespitzten Körpers zwei Spitzen deutlich zeigt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1071,"orig":"Wir duͤrfen alſo niemals außer Augen laſſen, daß in dieſem Falle das ganze Sonnenbild wirke, Schatten hervorbringe, ſie in Doppelſchatten verwandle und endlich ſogar aufhebe.","norm":"Wir dürfen also niemals außer Augen lassen, dass in diesem Falle das ganze Sonnenbild wirke, Schatten hervorbringe, sie in Doppelschatten verwandle und endlich sogar aufhebe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1072,"orig":"Man nehme nunmehr, ſtatt der feſten Koͤrper, ausgeſchnittene Oeffnungen von verſchiedener beſtimmter Groͤße neben einander, und laſſe das Sonnenlicht auf eine etwas entfernte Tafel hindurch fallen; ſo wird man finden, daß das helle Bild, welches auf der Tafel von der Sonne hervorgebracht wird, groͤßer ſey als die Oeffnung; welches daher kommt, daß der eine Rand der Sonne durch die entgegengeſetzte Seite der Oeffnung noch hindurch ſcheint, wenn der andre durch ſie ſchon verdeckt iſt.","norm":"Man nehme nunmehr, statt der festen Körper, ausgeschnittene Öffnungen von verschiedener bestimmter Größe nebeneinander, und lasse das Sonnenlicht auf eine etwas entfernte Tafel hindurchfallen; so wird man finden, dass das helle Bild, welches auf der Tafel von der Sonne hervorgebracht wird, größer sei als die Öffnung; welches daher kommt, dass der eine Rand der Sonne durch die entgegengesetzte Seite der Öffnung noch hindurch scheint, wenn der andere durch sie schon verdeckt ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1073,"orig":"Daher iſt das helle Bild an ſeinen Raͤndern ſchwaͤcher beleuchtet.","norm":"Daher ist das helle Bild an seinen Rändern schwächer beleuchtet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1074,"orig":"Nimmt man viereckte Oeffnungen von welcher Groͤße man wolle, ſo wird das helle Bild auf einer Tafel, die neun Fuß von den Oeffnungen ſteht, um einen Zoll an jeder Seite groͤßer ſeyn als die Oeffnung; welches mit dem Winkel des ſcheinbaren Sonnendiameters ziemlich uͤbereinkommt.","norm":"Nimmt man viereckige Öffnungen von welcher Größe man wolle, so wird das helle Bild auf einer Tafel, die neun Fuß von den Öffnungen steht, um einen Zoll an jeder Seite größer sein als die Öffnung; welches mit dem Winkel des scheinbaren Sonnendiameters ziemlich übereinkommt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1075,"orig":"Daß eben dieſe Randerleuchtung nach und nach abnehme, iſt ganz natuͤrlich, weil zuletzt nur ein Minimum des Sonnenlichtes vom Sonnenrande uͤbers Kreuz durch den Rand der Oeffnung einwirken kann.","norm":"Dass eben diese Randerleuchtung nach und nach abnehme, ist ganz natürlich, weil zuletzt nur ein Minimum des Sonnenlichtes vom Sonnenrande übers Kreuz durch den Rand der Öffnung einwirken kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1076,"orig":"Wir ſehen alſo hier abermals, wie ſehr wir Urſache haben, uns in der Erfahrung vor der Annahme von parallelen Strahlen, Strahlenbuͤſcheln- und Buͤndeln und dergleichen hypothetiſchen Weſen zu huͤten (309.","norm":"Wir sehen also hier abermals, wie sehr wir Ursache haben, uns in der Erfahrung vor der Annahme von parallelen Strahlen, Strahlenbüscheln- und Bündeln und dergleichen hypothetischen Wesen zu hüten (309."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1077,"orig":"310.)","norm":"310.)"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1078,"orig":"Wir koͤnnen uns vielmehr das Scheinen der Sonne, oder irgend eines Lichtes, als eine unendliche Abſpiegelung des beſchraͤnkten Lichtbildes vorſtellen; woraus ſich denn wohl ableiten laͤßt, wie alle viereckte Oeffnungen, durch welche die Sonne ſcheint, in gewiſſen Entfernungen, je nachdem ſie groͤßer oder kleiner ſind, ein rundes Bild geben muͤſſen.","norm":"Wir können uns vielmehr das Scheinen der Sonne, oder irgendeines Lichtes, als eine unendliche Abspiegelung des beschränkten Lichtbildes vorstellen; woraus sich denn wohl ableiten lässt, wie alle viereckige Öffnungen, durch welche die Sonne scheint, in gewissen Entfernungen, je nachdem sie größer oder kleiner sind, ein rundes Bild geben müssen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1079,"orig":"Obige Verſuche kann man durch Oeffnungen von mancherley Form und Groͤße wiederholen, und es wird ſich immer daſſelbe in verſchiedenen Abweichungen zeigen; wobey man jedoch immer bemerken wird, daß im vollen Lichte, und bey der einfachen Operation des Herſcheinens der Sonne an einem Rand, keine Farbe ſich ſehen laſſe.","norm":"Obige Versuche kann man durch Öffnungen von mancherlei Form und Größe wiederholen, und es wird sich immer dasselbe in verschiedenen Abweichungen zeigen; wobei man jedoch immer bemerken wird, dass im vollen Lichte, und bei der einfachen Operation des Herscheinens der Sonne an einem Rand, keine Farbe sich sehen lasse."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1080,"orig":"Wir wenden uns daher zu den Verſuchen mit dem gedaͤmpften Lichte, welches noͤthig iſt, damit die Farbenerſcheinung eintrete.","norm":"Wir wenden uns daher zu den Versuchen mit dem gedämpften Lichte, welches nötig ist, damit die Farbenerscheinung eintrete."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1081,"orig":"Man mache eine kleine Oeffnung in den Laden der dunklen Kammer, man fange das uͤbers Kreuz eindringende Sonnenbild mit einem weißen Papiere auf, und man wird, je kleiner die Oeffnung iſt, ein deſto matteres Licht erblicken; und zwar ganz natuͤrlich, weil die Erleuchtung nicht von der ganzen Sonne, ſondern nur von einzelnen Puncten, nur theilweiſe gewirkt wird.","norm":"Man mache eine kleine Öffnung in den Laden der dunklen Kammer, man fange das übers Kreuz eindringende Sonnenbild mit einem weißen Papiere auf, und man wird, je kleiner die Öffnung ist, ein desto matteres Licht erblicken; und zwar ganz natürlich, weil die Erleuchtung nicht von der ganzen Sonne, sondern nur von einzelnen Punkten, nur teilweise gewirkt wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1082,"orig":"Betrachtet man dieſes matte Sonnenbild genau, ſo findet man es gegen ſeine Raͤnder zu immer matter und mit einem gelben Saume begraͤnzt, der ſich deutlich zeigt, am deutlichſten aber, wenn ſich ein Nebel, oder eine durchſcheinende Wolke vor die Sonne zieht, ihr Licht maͤßiget und daͤmpft.","norm":"Betrachtet man dieses matte Sonnenbild genau, so findet man es gegen seine Ränder zu immer matter und mit einem gelben Saume begrenzt, der sich deutlich zeigt, am deutlichsten aber, wenn sich ein Nebel, oder eine durchscheinende Wolke vor die Sonne zieht, ihr Licht mäßiget und dämpft."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1083,"orig":"Sollten wir uns nicht gleich hiebey jenes Hofes an der Wand und des Scheins eines nahe davorſtehenden Lichtes erinnern?","norm":"Sollten wir uns nicht gleich hierbei jenes Hofes an der Wand und des Scheins eines nahe davorstehenden Lichtes erinnern?"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1084,"orig":"(88.)","norm":"(88)"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1085,"orig":"Betrachtet man jenes oben beſchriebene Sonnenbild genauer, ſo ſieht man, daß es mit dieſem gelben Saume noch nicht abgethan iſt; ſondern man bemerkt noch einen zweyten blaulichen Kreis, wo nicht gar eine hofartige Wiederholung des Farbenſaums.","norm":"Betrachtet man jenes oben beschriebene Sonnenbild genauer, so sieht man, dass es mit diesem gelben Saume noch nicht abgetan ist; sondern man bemerkt noch einen zweiten blaulichen Kreis, wo nicht gar eine hofartige Wiederholung des Farbensaums."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1086,"orig":"Iſt das Zimmer recht dunkel, ſo ſieht man, daß der zunaͤchſt um die Sonne erhellte Himmel gleichfalls einwirkt, man ſieht den blauen Himmel, ja ſogar die ganze Landſchaft auf dem Papiere und uͤberzeugt ſich abermals, daß hier nur von dem Sonnenbilde die Rede ſey.","norm":"Ist das Zimmer recht dunkel, so sieht man, dass der zunächst um die Sonne erhellte Himmel gleichfalls einwirkt, man sieht den blauen Himmel, ja sogar die ganze Landschaft auf dem Papiere und überzeugt sich abermals, dass hier nur von dem Sonnenbilde die Rede sei."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1087,"orig":"Nimmt man eine etwas groͤßere, viereckte Oeffnung, welche durch das Hineinſtrahlen der Sonne nicht gleich rund wird; ſo kann man die Halbſchatten von jedem Rande, das Zuſammentreffen derſelben in den Ecken, die Faͤrbung derſelben, nach Maßgabe obgemeldeter Erſcheinung der runden Oeffnung, genau bemerken.","norm":"Nimmt man eine etwas größere, viereckige Öffnung, welche durch das Hineinstrahlen der Sonne nicht gleich rund wird; so kann man die Halbschatten von jedem Rande, das Zusammentreffen derselben in den Ecken, die Färbung derselben, nach Maßgabe obgemeldeter Erscheinung der runden Öffnung, genau bemerken."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1088,"orig":"Wir haben nunmehr ein parallaktiſch ſcheinendes Licht gedaͤmpft, indem wir es durch kleine Oeffnungen ſcheinen ließen, wir haben ihm aber ſeine parallaktiſche Eigenſchaft nicht genommen, ſo daß es abermals Doppelſchatten der Koͤrper, wenn gleich mit gedaͤmpfter Wirkung, hervorbringen kann.","norm":"Wir haben nunmehr ein parallaktisch scheinendes Licht gedämpft, indem wir es durch kleine Öffnungen scheinen ließen, wir haben ihm aber seine parallaktische Eigenschaft nicht genommen, so dass es abermals Doppelschatten der Körper, wenn gleich mit gedämpfter Wirkung, hervorbringen kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1089,"orig":"Dieſe ſind nunmehr diejenigen, auf welche man bisher aufmerkſam geweſen, welche in verſchiedenen hellen und dunkeln, farbigen und farbloſen Kreiſen auf einander folgen, und vermehrte, ja gewiſſermaßen unzaͤhlige Hoͤfe hervorbringen.","norm":"Diese sind nunmehr diejenigen, auf welche man bisher aufmerksam gewesen, welche in verschiedenen hellen und dunkeln, farbigen und farblosen Kreisen aufeinander folgen, und vermehrte, ja gewissermaßen unzählige Höfe hervorbringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1090,"orig":"Sie ſind oft gezeichnet und in Kupfer geſtochen worden, indem man Nadeln, Haare und andre ſchmale Koͤrper in das gedaͤmpfte Licht brachte, die vielfachen, hofartigen Doppelſchatten bemerkte und ſie einer Aus- und Einbiegung des Lichtes zuſchrieb, und dadurch erklaͤren wollte, wie der Kernſchatten aufgehoben, und wie ein Helles an der Stelle des Dunkeln erſcheinen koͤnne.","norm":"Sie sind oft gezeichnet und in Kupfer gestochen worden, indem man Nadeln, Haare und andere schmale Körper in das gedämpfte Licht brachte, die vielfachen, hofartigen Doppelschatten bemerkte und sie einer Aus- und Einbiegung des Lichtes zuschrieb, und dadurch erklären wollte, wie der Kernschatten aufgehoben, und wie ein Helles an der Stelle des Dunkeln erscheinen könne."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1091,"orig":"Wir aber halten vorerſt daran feſt, daß es abermals parallaktiſche Doppelſchatten ſind, welche mit farbigen Saͤumen und Hoͤfen begraͤnzt erſcheinen.","norm":"Wir aber halten vorerst daran fest, dass es abermals parallaktische Doppelschatten sind, welche mit farbigen Säumen und Höfen begrenzt erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1092,"orig":"Wenn man alles dieſes nun geſehen, unterſucht und ſich deutlich gemacht hat; ſo kann man zu dem Verſuche mit den Meſſerklingen ſchreiten, welches nur ein Aneinanderruͤcken und parallaktiſches Uebereinandergreifen der uns ſchon bekannten Halbſchatten und Hoͤfe genannt werden kann.","norm":"Wenn man alles dieses nun gesehen, untersucht und sich deutlich gemacht hat; so kann man zu dem Versuche mit den Messerklingen schreiten, welches nur ein Aneinanderrücken und parallaktisches Übereinandergreifen der uns schon bekannten Halbschatten und Höfe genannt werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1093,"orig":"Zuletzt hat man jene Verſuche mit Haaren, Nadeln und Draͤhten in jenem Halblichte, das die Sonne wirkt, ſo wie im Halblichte, das ſich vom blauen Himmel herſchreibt und auf dem Papiere zeigt, anzuſtellen und zu betrachten; wodurch man der wahren Anſicht dieſer Phaͤnomene ſich immer mehr bemeiſtern wird.","norm":"Zuletzt hat man jene Versuche mit Haaren, Nadeln und Drähten in jenem Halblichte, das die Sonne wirkt, sowie im Halblichte, das sich vom blauen Himmel herschreibt und auf dem Papiere zeigt, anzustellen und zu betrachten; wodurch man der wahren Ansicht dieser Phänomene sich immer mehr bemeistern wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1094,"orig":"Da nun aber bey dieſen Verſuchen alles darauf ankommt, daß man ſich von der parallaktiſchen Wirkung des ſcheinenden Lichtes uͤberzeuge; ſo kann man ſich das, worauf es ankommt, durch zwey Lichter deutlicher machen, wodurch ſich die zwey Schatten uͤber einander fuͤhren und voͤllig ſondern laſſen.","norm":"Da nun aber bei diesen Versuchen alles darauf ankommt, dass man sich von der parallaktischen Wirkung des scheinenden Lichtes überzeuge; so kann man sich das, worauf es ankommt, durch zwei Lichter deutlicher machen, wodurch sich die zwei Schatten übereinander führen und völlig sondern lassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1095,"orig":"Bey Tage kann es durch zwey Oeffnungen am Fenſterladen geſchehen, bey Nacht durch zwey Kerzen; ja es giebt manche Zufaͤlligkeiten in Gebaͤuden beym Auf- und Zuſchlagen von Laͤden, wo man dieſe Erſcheinungen beſſer beobachten kann, als bey dem ſorgfaͤltigſten Apparate.","norm":"Bei Tage kann es durch zwei Öffnungen am Fensterladen geschehen, bei Nacht durch zwei Kerzen; ja es gibt manche Zufälligkeiten in Gebäuden beim Auf- und Zuschlagen von Läden, wo man diese Erscheinungen besser beobachten kann, als bei dem sorgfältigsten Apparate."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1096,"orig":"Jedoch laſſen ſich alle und jede zum Verſuch erheben, wenn man einen Kaſten einrichtet, in den man oben hineinſehen kann, und deſſen Thuͤre man ſachte zulehnt, nachdem man vorher ein Doppellicht einfallen laſſen.","norm":"Jedoch lassen sich alle und jede zum Versuch erheben, wenn man einen Kasten einrichtet, in den man oben hineinsehen kann, und dessen Türe man sachte zulehnt, nachdem man vorher ein Doppellicht einfallen lassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1097,"orig":"Daß hierbey die von uns unter den phyſiologiſchen Farben abgehandelten farbigen Schatten ſehr leicht eintreten, laͤßt ſich erwarten.","norm":"Dass hierbei die von uns unter den physiologischen Farben abgehandelten farbigen Schatten sehr leicht eintreten, lässt sich erwarten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1098,"orig":"Ueberhaupt erinnre man ſich, was wir uͤber die Natur der Doppelſchatten, Halblichter und dergleichen fruͤher ausgefuͤhrt haben, beſonders aber mache man Verſuche mit verſchiedenen neben einander geſtellten Schattirungen von Grau, wo jeder Streif an ſeinem dunklen Nachbar hell, am hellen dunkel erſcheinen wird.","norm":"Überhaupt erinnre man sich, was wir über die Natur der Doppelschatten, Halblichter und dergleichen früher ausgeführt haben, besonders aber mache man Versuche mit verschiedenen nebeneinander gestellten Schattierungen von Grau, wo jeder Streife an seinem dunklen Nachbar hell, am hellen dunkel erscheinen wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1099,"orig":"Bringt man Abends mit drey oder mehreren Lichtern Schatten hervor, die ſich ſtufenweiſe decken; ſo kann man dieſes Phaͤnomen ſehr deutlich gewahr werden, und man wird ſich uͤberzeugen, daß hier der phyſiologiſche Fall eintritt, den wir oben weiter ausgefuͤhrt haben.","norm":"Bringt man Abends mit drei oder mehreren Lichtern Schatten hervor, die sich stufenweise decken; so kann man dieses Phänomen sehr deutlich gewahr werden, und man wird sich überzeugen, dass hier der physiologische Fall eintritt, den wir oben weiter ausgeführt haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1100,"orig":"(38.)","norm":"(38)"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1101,"orig":"Inwiefern nun aber alles, was von Erſcheinungen die paroptiſchen Farben begleitet, aus der Lehre vom gemaͤßigten Lichte, von Halbſchatten und von phyſiologiſcher Beſtimmung der Retina ſich ableiten laſſe, oder ob wir genoͤthigt ſeyn werden, zu gewiſſen innern Eigenſchaften des Lichts unſere Zuflucht zu nehmen, wie man es bisher gethan, mag die Zeit lehren.","norm":"Inwiefern nun aber alles, was von Erscheinungen die paroptischen Farben begleitet, aus der Lehre vom gemäßigten Lichte, von Halbschatten und von physiologischer Bestimmung der Retina sich ableiten lasse, oder ob wir genötigt sein werden, zu gewissen inneren Eigenschaften des Lichts unsere Zuflucht zu nehmen, wie man es bisher getan, mag die Zeit lehren."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1102,"orig":"Hier ſey es genug, die Bedingungen angezeigt zu haben, unter welchen die paroptiſchen Farben entſtehen, ſo wie wir denn auch hoffen koͤnnen, daß unſre Winke auf den Zuſammenhang mit dem bisherigen Vortrag von Freunden der Natur nicht unbeachtet bleiben werden.","norm":"Hier sei es genug, die Bedingungen angezeigt zu haben, unter welchen die paroptischen Farben entstehen, so wie wir denn auch hoffen können, dass unsere Winke auf den Zusammenhang mit dem bisherigen Vortrag von Freunden der Natur nicht unbeachtet bleiben werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1103,"orig":"Die Verwandtſchaft der paroptiſchen Farben mit den dioptriſchen der zweyten Claſſe wird ſich auch jeder Denkende gern ausbilden.","norm":"Die Verwandtschaft der paroptischen Farben mit den dioptrischen der zweiten Klasse wird sich auch jeder Denkende gern ausbilden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1104,"orig":"Hier wie dort iſt von Raͤndern die Rede; hier wie dort von einem Lichte, das an dem Rande herſcheint.","norm":"Hier wie dort ist von Rändern die Rede; hier wie dort von einem Lichte, das an dem Rande herscheint."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1105,"orig":"Wie natuͤrlich iſt es alſo, daß die paroptiſchen Wirkungen durch die dioptriſchen erhoͤht, verſtaͤrkt und verherrlicht werden koͤnnen.","norm":"Wie natürlich ist es also, dass die paroptischen Wirkungen durch die dioptrischen erhöht, verstärkt und verherrlicht werden können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1106,"orig":"Doch kann hier nur von den objectiven Refractionsfaͤllen die Rede ſeyn, da das leuchtende Bild wirklich durch das Mittel durchſcheint: denn dieſe ſind eigentlich mit den paroptiſchen verwandt.","norm":"Doch kann hier nur von den objektiven Refraktionsfällen die Rede sein, da das leuchtende Bild wirklich durch das Mittel durchscheint: denn diese sind eigentlich mit den paroptischen verwandt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1107,"orig":"Die ſubjectiven Refractionsfaͤlle, da wir die Bilder durchs Mittel ſehen, ſtehen aber von den paroptiſchen voͤllig ab, und ſind auch ſchon wegen ihrer Reinheit von uns geprieſen worden.","norm":"Die subjektiven Refraktionsfälle, da wir die Bilder durchs Mittel sehen, stehen aber von den paroptischenvöllig ab, und sind auch schon wegen ihrer Reinheit von uns gepriesen worden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1108,"orig":"Wie die paroptiſchen Farben mit den katoptriſchen zuſammenhaͤngen, laͤßt ſich aus dem Geſagten ſchon vermuthen: denn da die katoptriſchen Farben nur an Ritzen, Puncten, Stahlſaiten, zarten Faͤden ſich zeigen, ſo iſt es ungefaͤhr derſelbe Fall, als wenn das Licht an einem Rande herſchiene.","norm":"Wie die paroptischen Farben mit den katoptrischen zusammenhängen, lässt sich aus dem Gesagten schon vermuten: denn da die katoptrischen Farben nur an Ritzen, Punkten, Stahlsaiten, zarten Fäden sich zeigen, so ist es ungefähr derselbe Fall, als wenn das Licht an einem Rande herschiene."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1109,"orig":"Es muß jeder Zeit von einem Rande zuruͤck ſcheinen, damit unſer Auge eine Farbe gewahr werde.","norm":"Es muss jederzeit von einem Rande zurück scheinen, damit unser Auge eine Farbe gewahr werde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1110,"orig":"Wie auch hier die Beſchraͤnkung des leuchtenden Bildes, ſo wie die Maͤßigung des Lichtes, zu betrachten ſey, iſt oben ſchon angezeigt worden.","norm":"Wie auch hier die Beschränkung des leuchtenden Bildes, sowie die Mäßigung des Lichtes, zu betrachten sei, ist oben schon angezeigt worden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1111,"orig":"Von den ſubjectiven paroptiſchen Farben fuͤhren wir nur noch weniges an, weil ſie ſich theils mit den phyſiologiſchen, theils mit den dioptriſchen der zweyten Claſſe in Verbindung ſetzen laſſen, und ſie groͤßtentheils kaum hieher zu gehoͤren ſcheinen, ob ſie gleich, wenn man genau aufmerkt, uͤber die ganze Lehre und ihre Verknuͤpfung ein erfreuliches Licht verbreiten.","norm":"Von den subjektiven paroptischen Farben führen wir nur noch weniges an, weil sie sich teils mit den physiologischen, teils mit den dioptrischen der zweiten Klasse in Verbindung setzen lassen, und sie größtenteils kaum hierher zu gehören scheinen, ob sie gleich, wenn man genau aufmerkt, über die ganze Lehre und ihre Verknüpfung ein erfreuliches Licht verbreiten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1112,"orig":"Wenn man eine Lineal dergeſtalt vor die Augen haͤlt, daß die Flamme des Lichts uͤber daſſelbe hervorſcheint; ſo ſieht man das Lineal gleichſam eingeſchnitten und ſchartig an der Stelle, wo das Licht hervorragt.","norm":"Wenn man eine Lineal dergestalt vor die Augen hält, dass die Flamme des Lichts über dasselbe hervorscheint; so sieht man das Lineal gleichsam eingeschnitten und schartig an der Stelle, wo das Licht hervorragt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1113,"orig":"Es ſcheint ſich dieſes aus der ausdehnenden Kraft des Lichtes auf der Retina ableiten zu laſſen.","norm":"Es scheint sich dieses aus der ausdehnenden Kraft des Lichtes auf der Retina ableiten zu lassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1114,"orig":"(18).","norm":"(18)."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1115,"orig":"Daſſelbige Phaͤnomen im Großen zeigt ſich beym Aufgang der Sonne, welche, wenn ſie rein, aber nicht allzu maͤchtig, aufgeht, alſo daß man ſie noch anblikken kann, jederzeit einen ſcharfen Einſchnitt in den Horizont macht.","norm":"Dasselbige Phänomen im Großen zeigt sich beim Aufgang der Sonne, welche, wenn sie rein, aber nicht allzu mächtig, aufgeht, also dass man sie noch anblicken kann, jederzeit einen scharfen Einschnitt in den Horizont macht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1116,"orig":"Wenn man bey grauem Himmel gegen ein Fenſter tritt, ſo daß das dunkle Kreuz ſich gegen denſelben abſchneidet, wenn man die Augen alsdann auf das horizontale Holz richtet, ferner den Kopf etwas vorzubiegen, zu blinzen und aufwaͤrts zu ſehen anfaͤngt; ſo wird man bald unten an dem Holze einen ſchoͤnen gelbrothen Saum, oben uͤber demſelben einen ſchoͤnen hellblauen entdecken.","norm":"Wenn man bei grauem Himmel gegen ein Fenster tritt, so dass das dunkle Kreuz sich gegen denselben abschneidet, wenn man die Augen alsdann auf das horizontale Holz richtet, ferner den Kopf etwas vorzubiegen, zu blinzen und aufwärts zu sehen anfängt; so wird man bald unten an dem Holze einen schönen gelbroten Saum, oben über demselben einen schönen hellblauen entdecken."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1117,"orig":"Je dunkelgrauer und gleicher der Himmel, je daͤmmernder das Zimmer und folglich je ruhiger das Auge, deſto lebhafter wird ſich die Erſcheinung zeigen, ob ſie ſich gleich einem aufmerkſamen Beobachter auch bey hellem Tage darſtellen wird.","norm":"Je dunkelgrauer und gleicher der Himmel, je dämmernder das Zimmer und folglich je ruhiger das Auge, desto lebhafter wird sich die Erscheinung zeigen, ob sie sich gleich einem aufmerksamen Beobachter auch bei hellem Tage darstellen wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1118,"orig":"Man biege nunmehr den Kopf zuruͤck und blinzle mit den Augen dergeſtalt, daß man den horizontalen Fenſterſtab unter ſich ſehe, ſo wird auch das Phaͤnomen umgekehrt erſcheinen.","norm":"Man biege nunmehr den Kopf zurück und blinzle mit den Augen dergestalt, dass man den horizontalen Fensterstab unter sich sehe, so wird auch das Phänomen umgekehrt erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1119,"orig":"Man wird nehmlich die obere Kante gelb und die untre blau ſehen.","norm":"Man wird nämlich die obere Kante gelb und die untere blau sehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1120,"orig":"In einer dunkeln Kammer ſtellen ſich die Beobachtungen am beſten an.","norm":"In einer dunkeln Kammer stellen sich die Beobachtungen am besten an."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1121,"orig":"Wenn man vor die Oeffnung, vor welche man gewoͤhnlich das Sonnen-Mikroſkop ſchraubt, ein weißes Papier heftet, wird man den untern Rand des Kreiſes blau, den obern gelb erblicken, ſelbſt indem man die Augen ganz offen hat, oder ſie nur in ſo fern zublinzt, daß kein Hof ſich mehr um das Weiße herum zeigt.","norm":"Wenn man vor die Öffnung, vor welche man gewöhnlich das Sonnen-Mikroskop schraubt, ein weißes Papier heftet, wird man den unteren Rand des Kreises blau, den oberen gelb erblicken, selbst indem man die Augen ganz offen hat, oder sie nur insofern zublinzt, dass kein Hof sich mehr um das Weiße herum zeigt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1122,"orig":"Biegt man den Kopf zuruͤck, ſo ſieht man die Farben umgekehrt.","norm":"Biegt man den Kopf zurück, so sieht man die Farben umgekehrt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1123,"orig":"Dieſe Phaͤnomene ſcheinen daher zu entſtehen, daß die Feuchtigkeiten unſres Auges eigentlich nur in der Mitte, wo das Sehen vorgeht, wirklich achromatiſch ſind, daß aber gegen die Peripherie zu, und in unnatuͤrlichen Stellungen, als Auf- und Niederbiegen des Kopfes, wirklich eine chromatiſche Eigenſchaft, beſonders wenn ſcharf abſetzende Bilder betrachtet werden, uͤbrig bleibe.","norm":"Diese Phänomene scheinen daher zu entstehen, dass die Feuchtigkeiten unseres Auges eigentlich nur in der Mitte, wo das Sehen vorgeht, wirklich achromatisch sind, dass aber gegen die Peripherie zu, und in unnatürlichen Stellungen, als Auf- und Niederbiegen des Kopfes, wirklich eine chromatische Eigenschaft, besonders wenn scharf absetzende Bilder betrachtet werden, übrig bleibe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1124,"orig":"Daher dieſe Phaͤnomene zu jenen gehoͤren moͤgen, welche mit den dioptriſchen der zweyten Claſſe verwandt ſind.","norm":"Daher diese Phänomene zu jenen gehören mögen, welche mit den dioptrischen der zweiten Klasse verwandt sind."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1125,"orig":"Aehnliche Farben erſcheinen, wenn man gegen ſchwarze und weiße Bilder durch den Nadelſtich einer Charte ſieht.","norm":"Ähnliche Farben erscheinen, wenn man gegen schwarze und weiße Bilder durch den Nadelstich einer Karte sieht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1126,"orig":"Statt des weißen Bildes kann man auch den lichten Punct im Bleche des Ladens der Camera obſcura waͤhlen, wenn die Vorrichtung zu den paroptiſchen Farben gemacht iſt.","norm":"Statt des weißen Bildes kann man auch den lichten Punkt im Bleche des Ladens der Kamera obscura wählen, wenn die Vorrichtung zu den paroptischen Farben gemacht ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1127,"orig":"Wenn man durch eine Roͤhre durchſieht, deren untre Oeffnung verengt, oder durch verſchiedene Ausſchnitte bedingt iſt, erſcheinen die Farben gleichfalls.","norm":"Wenn man durch eine Röhre durchsieht, deren untere Öffnung verengt, oder durch verschiedene Ausschnitte bedingt ist, erscheinen die Farben gleichfalls."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1128,"orig":"An die paroptiſchen Erſcheinungen aber ſchließen ſich meines Beduͤnkens folgende Phaͤnomene naͤher an.","norm":"An die paroptischen Erscheinungen aber schließen sich meines Bedünkens folgende Phänomene näher an."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1129,"orig":"Wenn man eine Nadelſpitze nah vor das Auge haͤlt, ſo entſteht in demſelben ein Doppelbild.","norm":"Wenn man eine Nadelspitze nah vor das Auge hält, so entsteht in demselben ein Doppelbild."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1130,"orig":"Beſonders merkwuͤrdig iſt aber, wenn man durch die zu paroptiſchen Verſuchen eingerichteten Meſſerklingen hindurch und gegen einen grauen Himmel ſieht.","norm":"Besonders merkwürdig ist aber, wenn man durch die zu paroptischen Versuchen eingerichteten Messerklingen hindurch und gegen einen grauen Himmel sieht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1131,"orig":"Man blickt nehmlich wie durch einen Flor, und es zeigen ſich im Auge ſehr viele Faͤden, welches eigentlich nur die wiederholten Bilder der Klingenſchaͤrfen ſind, davon das eine immer von dem folgenden ſucceſſiv, oder wohl auch von dem gegenuͤber wirkenden parallaktiſch bedingt und in eine Fadengeſtalt verwandelt wird.","norm":"Man blickt nämlich wie durch einen Flor, und es zeigen sich im Auge sehr viele Fäden, welches eigentlich nur die wiederholten Bilder der Klingenschärfen sind, davon das eine immer von dem folgenden sukzessiv, oder wohl auch von dem gegenüber wirkenden parallaktisch bedingt und in eine Fadengestalt verwandelt wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1132,"orig":"So iſt denn auch noch ſchließlich zu bemerken, daß, wenn man durch die Klingen nach einem lichten Punct im Fenſterladen hinſieht, auf der Retina dieſelben farbigen Streifen und Hoͤfe, wie auf dem Papiere, entſtehen.","norm":"So ist denn auch noch schließlich zu bemerken, dass, wenn man durch die Klingen nach einem lichten Punkt im Fensterladen hinsieht, auf der Retina dieselben farbigen Streifen und Höfe, wie auf dem Papiere, entstehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1133,"orig":"Und ſo ſey dieſes Kapitel gegenwaͤrtig um ſo mehr geſchloſſen, als ein Freund uͤbernommen hat, daſſelbe nochmals genau durch zu experimentiren, von deſſen Bemerkungen wir, bey Gelegenheit der Reviſion, der Tafeln und des Apparats, in der Folge weitere Rechenſchaft zu geben hoffen.","norm":"Und so sei dieses Kapitel gegenwärtig um so mehr geschlossen, als ein Freund übernommen hat, dasselbe nochmals genau durchzuexperimentieren, von dessen Bemerkungen wir, bei Gelegenheit der Revision, der Tafeln und des Apparats, in der Folge weitere Rechenschaft zu geben hoffen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1134,"orig":"Haben wir bisher uns mit ſolchen Farben abgegeben, welche zwar ſehr lebhaft erſcheinen, aber auch, bey aufgehobener Bedingung, ſogleich wieder verſchwinden; ſo machen wir nun die Erfahrung von ſolchen, welche zwar auch als voruͤbergehend beobachtet werden, aber unter gewiſſen Umſtaͤnden ſich dergeſtalt fixiren, daß ſie, auch nach aufgehobenen Bedingungen, welche ihre Erſcheinung hervorbrachten, beſtehen bleiben, und alſo den Uebergang von den phyſiſchen zu den chemiſchen Farben ausmachen.","norm":"Haben wir bisher uns mit solchen Farben abgegeben, welche zwar sehr lebhaft erscheinen, aber auch, bei aufgehobener Bedingung, sogleich wieder verschwinden; so machen wir nun die Erfahrung von solchen, welche zwar auch als vorübergehend beobachtet werden, aber unter gewissen Umständen sich dergestalt fixieren, dass sie, auch nach aufgehobenen Bedingungen, welche ihre Erscheinung hervorbrachten, bestehen bleiben, und also den Übergang von den physischen zu den chemischen Farben ausmachen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1135,"orig":"Sie entſpringen durch verſchiedene Veranlaſſungen auf der Oberflaͤche eines farbloſen Koͤrpers, urſpruͤnglich, ohne Mittheilung, Faͤrbe, Taufe (βαφή); und wir werden ſie nun, von ihrer leiſeſten Erſcheinung bis zu ihrer hartnaͤckigſten Dauer, durch die verſchiedenen Bedingungen ihres Entſtehens hindurch verfolgen, welche wir zu leichterer Ueberſicht hier ſogleich ſummariſch anfuͤhren.","norm":"Sie entspringen durch verschiedene Veranlassungen auf der Oberfläche eines farblosen Körpers, ursprünglich, ohne Mitteilung, Färbe, Taufe (βαφή); und wir werden sie nun, von ihrer leisesten Erscheinung bis zu ihrer hartnäckigsten Dauer, durch die verschiedenen Bedingungen ihres Entstehens hindurch verfolgen, welche wir zu leichterer Übersicht hier sogleich summarisch anführen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1136,"orig":"Erſte Bedingung.","norm":"Erste Bedingung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1137,"orig":"Beruͤhrung zweyer glatten Flaͤchen harter durchſichtiger Koͤrper.","norm":"Berührung zweier glatten Flächen harter durchsichtiger Körper."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1138,"orig":"Erſter Fall, wenn Glasmaſſen, Glastafeln, Linſen an einander gedruͤckt werden.","norm":"Erster Fall, wenn Glasmassen, Glastafeln, Linsen aneinander gedrückt werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1139,"orig":"Zweyter Fall, wenn in einer ſoliden Glas- Kryſtall- oder Eismaſſe ein Sprung entſteht.","norm":"Zweiter Fall, wenn in einer soliden Glas-Kristall-oder- oder Eismasse ein Sprung entsteht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1140,"orig":"Dritter Fall, indem ſich Lamellen durchſichtiger Steine von einander trennen.","norm":"Dritter Fall, indem sich Lamellen durchsichtiger Steine voneinander trennen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1141,"orig":"Zweyte Bedingung.","norm":"Zweite Bedingung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1142,"orig":"Wenn eine Glasflaͤche oder ein geſchliffner Stein angehaucht wird.","norm":"Wenn eine Glasfläche oder ein geschliffener Stein angehaucht wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1143,"orig":"Dritte Bedingung.","norm":"Dritte Bedingung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1144,"orig":"Verbindung von beyden obigen, daß man nehmlich die Glastafel anhaucht, eine andre drauf legt, die Farben durch den Druck erregt, dann das Glas abſchiebt, da ſich denn die Farben nachziehen und mit dem Hauche verfliegen.","norm":"Verbindung von beiden obigen, dass man nämlich die Glastafel anhaucht, eine andere drauflegt, die Farben durch den Druck erregt, dann das Glas abschiebt, da sich denn die Farben nachziehen und mit dem Hauche verfliegen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1145,"orig":"Vierte Bedingung.","norm":"Vierte Bedingung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1146,"orig":"Blaſen verſchiedener Fluͤſſigkeiten, Seife, Chocolade, Bier, Wein, feine Glasblaſen.","norm":"Blasen verschiedener Flüssigkeiten, Seife, Schokolade, Bier, Wein, feine Glasblasen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1147,"orig":"Fuͤnfte Bedingung.","norm":"Fünfte Bedingung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1148,"orig":"Sehr feine Haͤutchen und Lamellen mineraliſcher und metalliſcher Aufloͤſungen; das Kalkhaͤutchen, die Oberflaͤche ſtehender Waſſer, beſonders eiſenſchuͤſſiger; ingleichen Haͤutchen von Oel auf dem Waſſer, beſonders von Firniß auf Scheidewaſſer.","norm":"Sehr feine Häutchen und Lamellen mineralischer und metallischer Auflösungen; das Kalkhäutchen, die Oberfläche stehender Wasser, besonders eisenschüssiger; ingleichen Häutchen von Öl auf dem Wasser, besonders von Firnis auf Scheidewasser."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1149,"orig":"Sechſte Bedingung.","norm":"Sechste Bedingung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1150,"orig":"Wenn Metalle erhitzt werden.","norm":"Wenn Metalle erhitzt werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1151,"orig":"Anlaufen des Stahls und andrer Metalle.","norm":"Anlaufen des Stahls und anderer Metalle."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1152,"orig":"Siebente Bedingung.","norm":"Siebente Bedingung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1153,"orig":"Wenn die Oberflaͤche des Glaſes angegriffen wird.","norm":"Wenn die Oberfläche des Glases angegriffen wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1154,"orig":"Erſte Bedingung, Erſter Fall.","norm":"Erste Bedingung, Erster Fall."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1155,"orig":"Wenn zwey convexe Glaͤſer, oder ein Convex- und Planglas, am beſten ein Convex- und Hohlglas ſich einander beruͤhren, ſo entſtehn concentriſche farbige Kreiſe.","norm":"Wenn zwei konvexe Gläser, oder ein Konvex- und Planglas, am besten ein Konvex- und Hohlglas sich einander berühren, so entstehen konzentrische farbige Kreise."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1156,"orig":"Bey dem gelindeſten Druck zeigt ſich ſogleich das Phaͤnomen, welches nach und nach durch verſchiedene Stufen gefuͤhrt werden kann.","norm":"Bei dem gelindesten Druck zeigt sich sogleich das Phänomen, welches nach und nach durch verschiedene Stufen geführt werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1157,"orig":"Wir beſchreiben ſogleich die vollendete Erſcheinung, weil wir die verſchiedenen Grade, durch welche ſie durchgeht, ruͤckwaͤrts alsdann deſto beſſer werden einſehen lernen.","norm":"Wir beschreiben sogleich die vollendete Erscheinung, weil wir die verschiedenen Grade, durch welche sie durchgeht, rückwärts alsdann desto besser werden einsehen lernen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1158,"orig":"Die Mitte iſt farblos; daſelbſt, wo die Glaͤſer durch den ſtaͤrkſten Druck gleichſam zu einem vereinigt ſind, zeigt ſich ein dunkelgrauer Punct, um denſelben ein ſilberweißer Raum, alsdann folgen in abnehmenden Entfernungen verſchiedene iſolirte Ringe, welche ſaͤmmtlich aus drey Farben, die unmittelbar mit einander verbunden ſind, beſtehen.","norm":"Die Mitte ist farblos; daselbst, wo die Gläser durch den stärksten Druck gleichsam zu einem vereinigt sind, zeigt sich ein dunkelgrauer Punkt, um denselben ein silberweißer Raum, alsdann folgen in abnehmenden Entfernungen verschiedene isolierte Ringe, welche sämtlich aus drei Farben, die unmittelbar miteinander verbunden sind, bestehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1159,"orig":"Jeder dieſer Ringe, deren etwa drey bis vier gezaͤhlt werden koͤnnen, iſt inwendig gelb, in der Mitte purpurfarben und answendig blau.","norm":"Jeder dieser Ringe, deren etwa drei bis vier gezählt werden können, ist inwendig gelb, in der Mitte purpurfarben und auswendig blau."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1160,"orig":"Zwiſchen zwey Ringen findet ſich ein ſilberweißer Zwiſchenraum.","norm":"Zwischen zwei Ringen findet sich ein silberweißer Zwischenraum."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1161,"orig":"Die letzten Ringe gegen die Peripherie des Phaͤnomens ſtehen immer enger zuſammen.","norm":"Die letzten Ringe gegen die Peripherie des Phänomens stehen immer enger zusammen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1162,"orig":"Sie wechſeln mit Purpur und Gruͤn, ohne einen dazwiſchen bemerklichen ſilberweißen Raum.","norm":"Sie wechseln mit Purpur und Grün, ohne einen dazwischen bemerkbaren silberweißen Raum."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1163,"orig":"Wir wollen nunmehr die ſucceſſive Entſtehung des Phaͤnomens vom gelindeſten Druck an beobachten.","norm":"Wir wollen nunmehr die sukzessive Entstehung des Phänomens vom gelindesten Druck an beobachten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1164,"orig":"Beym gelindeſten Druck erſcheint die Mitte ſelbſt gruͤn gefaͤrbt.","norm":"Beim gelindesten Druck erscheint die Mitte selbst grün gefärbt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1165,"orig":"Darauf folgen bis an die Peripherie ſaͤmmtlicher concentriſchen Kreiſe purpurne und gruͤne Ringe.","norm":"Darauf folgen bis an die Peripherie sämtlicher konzentrischer Kreise purpurne und grüne Ringe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1166,"orig":"Sie ſind verhaͤltnißmaͤßig breit und man ſieht keine Spur eines ſilberweißen Raums zwiſchen ihnen.","norm":"Sie sind verhältnismäßig breit und man sieht keine Spur eines silberweißen Raums zwischen ihnen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1167,"orig":"Die gruͤne Mitte entſteht durch das Blau eines unentwickelten Cirkels, das ſich mit dem Gelb des erſten Kreiſes vermiſcht.","norm":"Die grüne Mitte entsteht durch das Blau eines unentwickelten Zirkels, das sich mit dem Gelb des ersten Kreises vermischt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1168,"orig":"Alle uͤbrigen Kreiſe ſind bey dieſer gelinden Beruͤhrung breit, ihre gelben und blauen Raͤnder vermiſchen ſich und bringen das ſchoͤne Gruͤn hervor.","norm":"Alle übrigen Kreise sind bei dieser gelinden Berührung breit, ihre gelben und blauen Ränder vermischen sich und bringen das schöne Grün hervor."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1169,"orig":"Der Purpur aber eines jeden Ringes bleibt rein und unberuͤhrt, daher zeigen ſich ſaͤmmtliche Kreiſe von dieſen beyden Farben.","norm":"Der Purpur aber eines jeden Ringes bleibt rein und unberührt, daher zeigen sich sämtliche Kreise von diesen beiden Farben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1170,"orig":"Ein etwas ſtaͤrkerer Druck entfernt den erſten Kreis von dem unentwickelten um etwas weniges und iſolirt ihn, ſo daß er ſich nun ganz vollkommen zeigt.","norm":"Ein etwas stärkerer Druck entfernt den ersten Kreis von dem unentwickelten um etwas weniges und isoliert ihn, so dass er sich nun ganz vollkommen zeigt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1171,"orig":"Die Mitte erſcheint nun als ein blauer Punct: denn das Gelbe des erſten Kreiſes iſt nun durch einen ſilberweißen Raum von ihr getrennt.","norm":"Die Mitte erscheint nun als ein blauer Punkt: denn das Gelbe des ersten Kreises ist nun durch einen silberweißen Raum von ihr getrennt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1172,"orig":"Aus dem Blauen entwickelt ſich in der Mitte ein Purpur, welcher jederzeit nach außen ſeinen zugehoͤrigen blauen Rand behaͤlt.","norm":"Aus dem Blauen entwickelt sich in der Mitte ein Purpur, welcher jederzeit nach außen seinen zugehörigen blauen Rand behält."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1173,"orig":"Der zweyte, dritte Ring, von innen gerechnet, iſt nun ſchon voͤllig iſolirt.","norm":"Der zweite, dritte Ring, von innen gerechnet, ist nun schon völlig isoliert."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1174,"orig":"Kommen abweichende Faͤlle vor, ſo wird man ſie aus dem geſagten und noch zu ſagenden zu beurtheilen wiſſen.","norm":"Kommen abweichende Fälle vor, so wird man sie aus dem Gesagten und noch zu Sagenden zu beurteilen wissen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1175,"orig":"Bey einem ſtaͤrkern Druck wird die Mitte gelb, ſie iſt mit einem purpurfarbenen und blauen Rand umgeben.","norm":"Bei einem stärkeren Druck wird die Mitte gelb, sie ist mit einem purpurfarbenen und blauen Rand umgeben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1176,"orig":"Endlich zieht ſich auch dieſes Gelb voͤllig aus der Mitte.","norm":"Endlich zieht sich auch dieses Gelb völlig aus der Mitte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1177,"orig":"Der innerſte Kreis iſt gebildet und die gelbe Farbe umgiebt deſſen Rand.","norm":"Der innerste Kreis ist gebildet und die gelbe Farbe umgibt dessen Rand."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1178,"orig":"Nun erſcheint die ganze Mitte ſilberweiß, bis zuletzt bey dem ſtaͤrkſten Druck ſich der dunkle Punct zeigt und das Phaͤnomen, wie es zu Anfang beſchrieben wurde, vollendet iſt.","norm":"Nun erscheint die ganze Mitte silberweiß, bis zuletzt bei dem stärksten Druck sich der dunkle Punkt zeigt und das Phänomen, wie es zu Anfang beschrieben wurde, vollendet ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1179,"orig":"Das Maß der concentriſchen Ringe und ihrer Entfernungen bezieht ſich auf die Form der Glaͤſer, welche zuſammen gedruͤckt werden.","norm":"Das Maß der konzentrischen Ringe und ihrer Entfernungen bezieht sich auf die Form der Gläser, welche zusammengedrückt werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1180,"orig":"Wir haben oben bemerkt, daß die farbige Mitte aus einem unentwickelten Kreiſe beſtehe.","norm":"Wir haben oben bemerkt, dass die farbige Mitte aus einem unentwickelten Kreise bestehe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1181,"orig":"Es findet ſich aber oft bey dem gelindeſten Druck, daß mehrere unentwickelte Kreiſe daſelbſt gleichſam im Keime liegen, welche nach und nach vor dem Auge des Beobachters entwickelt werden koͤnnen.","norm":"Es findet sich aber oft bei dem gelindesten Druck, dass mehrere unentwickelte Kreise daselbst gleichsam im Keime liegen, welche nach und nach vor dem Auge des Beobachters entwickelt werden können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1182,"orig":"Die Regelmaͤßigkeit dieſer Ringe entſpringt aus der Form des Convex-Glaſes, und der Durchmeſſer des Phaͤnomens richtet ſich nach dem groͤßern oder kleinern Kugelſchnitt, wornach eine Linſe geſchliffen iſt.","norm":"Die Regelmäßigkeit dieser Ringe entspringt aus der Form des Konvexglases, und der Durchmesser des Phänomens richtet sich nach dem größeren oder kleineren Kugelschnitt, wonach eine Linse geschliffen ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1183,"orig":"Man ſchließt daher leicht, daß man durch das Aneinanderdruͤcken von Planglaͤſern nur unregelmaͤßige Erſcheinungen ſehen werde, welche wellenfoͤrmig nach Art der gewaͤſſerten Seidenzeuge erſcheinen und ſich von dem Puncte des Drucks aus nach allen Enden verbreiten.","norm":"Man schließt daher leicht, dass man durch das Aneinanderdrücken von Plangläsern nur unregelmäßige Erscheinungen sehen werde, welche wellenförmig nach Art der gewässerten Seidenzeuge erscheinen und sich von dem Punkte des Drucks aus nach allen Enden verbreiten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1184,"orig":"Doch iſt auf dieſem Wege das Phaͤnomen viel herrlicher als auf jenem und fuͤr einen jeden auffallend und reizend.","norm":"Doch ist auf diesem Wege das Phänomen viel herrlicher als auf jenem und für einen jeden auffallend und reizend."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1185,"orig":"Stellt man nun den Verſuch auf dieſe Weiſe an, ſo wird man voͤllig wie bey dem oben beſchriebenen bemerken, daß bey gelindem Druck die gruͤnen und purpurnen Wellen zum Vorſchein kommen, beym ſtaͤrkeren aber Streifen, welche blau, purpurn und gelb ſind, ſich iſoliren.","norm":"Stellt man nun den Versuch auf diese Weise an, so wird man völlig wie bei dem oben beschriebenen bemerken, dass bei gelindem Druck die grünen und purpurnen Wellen zum Vorschein kommen, beim stärkeren aber Streifen, welche blau, purpurn und gelb sind, sich isolieren."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1186,"orig":"In dem erſten Falle beruͤhren ſich ihre Außenſeiten, in dem zweyten ſind ſie durch einen ſilberweißen Raum getrennt.","norm":"In dem ersten Falle berühren sich ihre Außenseiten, in dem zweiten sind sie durch einen silberweißen Raum getrennt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1187,"orig":"Che wir nun zur fernern Beſtimmung dieſes Phaͤnomens uͤbergehen, wollen wir die bequemſte Art, daſſelbe hervorzubringen, mittheilen.","norm":"Che wir nun zur ferneren Bestimmung dieses Phänomens übergehen, wollen wir die bequemste Art, dasselbe hervorzubringen, mitteilen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1188,"orig":"Man lege ein großes Convexglas vor ſich auf den Tiſch gegen ein Fenſter, und auf daſſelbe eine Tafel wohlgeſchliffenen Spiegelglaſes, ungefaͤhr von der Groͤße einer Spielcharte; ſo wird die bloße Schwere der Tafel ſie ſchon dergeſtalt andruͤcken, daß eins oder das andre der beſchriebenen Phaͤnomene entſteht, und man wird ſchon durch die verſchiedene Schwere der Glastafel, durch andre Zufaͤlligkeiten, wie z. B. wenn man die Glastafel auf die abhaͤngende Seite des Convexglaſes fuͤhrt, wo ſie nicht ſo ſtark aufdruͤckt als in der Mitte, alle von uns beſchriebenen Grade nach und nach hervorbringen koͤnnen.","norm":"Man lege ein großes Konvexglas vor sich auf den Tisch gegen ein Fenster, und auf dasselbe eine Tafel wohlgeschliffenen Spiegelglases, ungefähr von der Größe einer Spielkarte; so wird die bloße Schwere der Tafel sie schon dergestalt andrücken, dass eins oder das andere der beschriebenen Phänomene entsteht, und man wird schon durch die verschiedene Schwere der Glastafel, durch andere Zufälligkeiten, wie z. B. wenn man die Glastafel auf die abhängende Seite des Konvexglases führt, wo sie nicht so stark aufdrückt als in der Mitte, alle von uns beschriebenen Grade nach und nach hervorbringen können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1189,"orig":"Um das Phaͤnomen zu bemerken, muß man ſchief auf die Flaͤche ſehen, auf welcher uns daſſelbe erſcheint.","norm":"Um das Phänomen zu bemerken, muss man schief auf die Fläche sehen, auf welcher uns dasselbe erscheint."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1190,"orig":"Aeußerſt merkwuͤrdig iſt aber, daß, wenn man ſich immer mehr neigt, und unter einem ſpitzeren Winkel nach dem Phaͤnomen ſieht, die Kreiſe ſich nicht allein erweitern; ſondern aus der Mitte ſich noch andre Kreiſe entwickeln, von denen ſich, wenn man perpendiculaͤr auch durch das ſtaͤrkſte Vergroͤßerungsglas darauf ſah, keine Spur entdecken ließ.","norm":"Äußerst merkwürdig ist aber, dass, wenn man sich immer mehr neigt, und unter einem spitzeren Winkel nach dem Phänomen sieht, die Kreise sich nicht allein erweitern; sondern aus der Mitte sich noch andere Kreise entwickeln, von denen sich, wenn man perpendikulär auch durch das stärkste Vergrößerungsglas darauf sah, keine Spur entdecken ließ."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1191,"orig":"Wenn das Phaͤnomen gleich in ſeiner groͤßten Schoͤnheit erſcheinen ſoll, ſo hat man ſich der aͤußerſten Reinlichkeit zu befleißigen.","norm":"Wenn das Phänomen gleich in seiner größten Schönheit erscheinen soll, so hat man sich der äußersten Reinlichkeit zu befleißigen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1192,"orig":"Macht man den Verſuch mit Spiegelglasplatten, ſo thut man wohl, lederne Handſchuh anzuziehen.","norm":"Macht man den Versuch mit Spiegelglasplatten, so tut man wohl, lederne Handschuh anzuziehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1193,"orig":"Man kann bequem die innern Flaͤchen, welche ſich auf das genaueſte beruͤhren muͤſſen, vor dem Verſuche reinigen, und die aͤußern, bey dem Verſuche ſelbſt, unter dem Druͤcken rein erhalten.","norm":"Man kann bequem die inneren Flächen, welche sich auf das genaueste berühren müssen, vor dem Versuche reinigen, und die äußeren, bei dem Versuche selbst, unter dem Drücken rein erhalten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1194,"orig":"Man ſieht aus obigem, daß eine genaue Beruͤhrung zweyer glatten Flaͤchen noͤthig iſt.","norm":"Man sieht aus Obigem, dass eine genaue Berührung zweier glatten Flächen nötig ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1195,"orig":"Geſchliffene Glaͤſer thun den beſten Dienſt.","norm":"Geschliffene Gläser tun den besten Dienst."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1196,"orig":"Glasplatten zeigen die ſchoͤnſten Farben, wenn ſie an einander feſthaͤngen; und aus eben dieſer Urſache ſoll das Phaͤnomen an Schoͤnheit wachſen, wenn ſie unter die Luftpumpe gelegt werden, und man die Luft auspumpt.","norm":"Glasplatten zeigen die schönsten Farben, wenn sie aneinander festhängen; und aus eben dieser Ursache soll das Phänomen an Schönheit wachsen, wenn sie unter die Luftpumpe gelegt werden, und man die Luft auspumpt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1197,"orig":"Die Erſcheinung der farbigen Ringe kann am ſchoͤnſten hervorgebracht werden, wenn man ein convexes und concaves Glas, die nach einerley Kugelſchnitt geſchliffen ſind, zuſammenbringt.","norm":"Die Erscheinung der farbigen Ringe kann am schönsten hervorgebracht werden, wenn man ein konvexes und konkaves Glas, die nach einerlei Kugelschnitt geschliffen sind, zusammenbringt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1198,"orig":"Ich habe die Erſcheinung niemals glaͤnzender geſehen, als bey dem Objectivglaſe eines achromatiſchen Fernrohrs, bey welchem das Crownglas mit dem Flintglaſe ſich allzu genau beruͤhren mochte.","norm":"Ich habe die Erscheinung niemals glänzender gesehen, als bei dem Objektivglase eines achromatischen Fernrohrs, bei welchem das Crownglas mit dem Flintglase sich allzu genau berühren mochte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1199,"orig":"Merkwuͤrdig iſt die Erſcheinung, wenn ungleichartige Flaͤchen, z. B. ein geſchliffner Kryſtall an eine Glasplatte gedruͤckt wird.","norm":"Merkwürdig ist die Erscheinung, wenn ungleichartige Flächen, z. B. ein geschliffener Kristall an eine Glasplatte gedrückt wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1200,"orig":"Die Erſcheinung zeigt ſich keinesweges in großen fließenden Wellen, wie bey der Verbindung des Glaſes mit dem Glaſe, ſondern ſie iſt klein und zackig und gleichſam unterbrochen, ſo daß es ſcheint, die Flaͤche des geſchliffenen Kryſtalls, die aus unendlich kleinen Durchſchnitten der Lamellen beſteht, beruͤhre das Glas nicht in einer ſolchen Continuitaͤt, als es von einem andern Glaſe geſchieht.","norm":"Die Erscheinung zeigt sich keineswegs in großen fließenden Wellen, wie bei der Verbindung des Glases mit dem Glase, sondern sie ist klein und zackig und gleichsam unterbrochen, so dass es scheint, die Fläche des geschliffenen Kristalls, die aus unendlich kleinen Durchschnitten der Lamellen besteht, berühre das Glas nicht in einer solchen Kontinuität, als es von einem anderen Glase geschieht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1201,"orig":"Die Farbenerſcheinung verſchwindet durch den ſtaͤrkſten Druck, der die beyden Flaͤchen ſo innig verbindet, daß ſie nur einen Koͤrper auszumachen ſcheinen.","norm":"Die Farbenerscheinung verschwindet durch den stärksten Druck, der die beiden Flächen so innig verbindet, dass sie nur einen Körper auszumachen scheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1202,"orig":"Daher entſteht der dunkle Punct in der Mitte, weil die gedruckte Linſe auf dieſem Puncte kein Licht mehr zuruͤckwirft, ſo wie eben derſelbe Punct, wenn man ihn gegen das Licht ſieht, voͤllig hell und durchſichtig iſt.","norm":"Daher entsteht der dunkle Punkt in der Mitte, weil die gedrückte Linse auf diesem Punkte kein Licht mehr zurückwirft, so wie eben derselbe Punkt, wenn man ihn gegen das Licht sieht, völlig hell und durchsichtig ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1203,"orig":"Bey Nachlaſſung des Drucks verſchwinden die Farben allmaͤhlich, und voͤllig, wenn man die Flaͤchen von einander ſchiebt.","norm":"Bei Nachlassung des Drucks verschwinden die Farben allmählich, und völlig, wenn man die Flächen voneinander schiebt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1204,"orig":"Eben dieſe Erſcheinungen kommen noch in zwey aͤhnlichen Faͤllen vor.","norm":"Eben diese Erscheinungen kommen noch in zwei ähnlichen Fällen vor."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1205,"orig":"Wenn ganze durchſichtige Maſſen ſich von einander in dem Grade trennen, daß die Flaͤchen ihrer Theile ſich noch hinreichend beruͤhren; ſo ſieht man dieſelben Kreiſe und Wellen mehr oder weniger.","norm":"Wenn ganze durchsichtige Massen sich voneinander in dem Grade trennen, dass die Flächen ihrer Teile sich noch hinreichend berühren; so sieht man dieselben Kreise und Wellen mehr oder weniger."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1206,"orig":"Man kann ſie ſehr ſchoͤn hervorbringen, wenn man eine erhitzte Glasmaſſe ins Waſſer taucht, in deren verſchiedenen Riſſen und Spruͤngen man die Farben in mannigfaltigen Zeichnungen bequem beobachten kann.","norm":"Man kann sie sehr schön hervorbringen, wenn man eine erhitzte Glasmasse ins Wasser taucht, in deren verschiedenen Rissen und Sprüngen man die Farben in mannigfaltigen Zeichnungen bequem beobachten kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1207,"orig":"Die Natur zeigt uns oft daſſelbe Phaͤnomen an geſprungenem Bergkryſtall.","norm":"Die Natur zeigt uns oft dasselbe Phänomen an gesprungenem Bergkristall."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1208,"orig":"Haͤufig aber zeigt ſich dieſe Erſcheinung in der mineraliſchen Welt an ſolchen Steinarten, welche ihrer Natur nach blaͤttrig ſind.","norm":"Häufig aber zeigt sich diese Erscheinung in der mineralischen Welt an solchen Steinarten, welche ihrer Natur nach blättrig sind."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1209,"orig":"Dieſe urſpruͤnglichen Lamellen ſind zwar ſo innig verbunden, daß Steine dieſer Art auch voͤllig durchſichtig und farblos erſcheinen koͤnnen; doch werden die innerlichen Blaͤtter durch manche Zufaͤlle getrennt, ohne daß die Beruͤhrung aufgehoben werde; und ſo wird die uns nun genugſam bekannte Erſcheinung oͤfters hervorgebracht, beſonders bey Kalkſpaͤthen, bey Fraueneis, bey der Adularia und mehrern aͤhnlich gebildeten Mineralien.","norm":"Diese ursprünglichen Lamellen sind zwar so innig verbunden, dass Steine dieser Art auch völlig durchsichtig und farblos erscheinen können; doch werden die innerlichen Blätter durch manche Zufälle getrennt, ohne dass die Berührung aufgehoben werde; und so wird die uns nun genugsam bekannte Erscheinung öfters hervorgebracht, besonders bei Kalkspäten, bei Fraueneis, bei der Adularia und mehreren ähnlich gebildeten Mineralien."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1210,"orig":"Es zeigt alſo eine Unkenntniß der naͤchſten Urſachen einer Erſcheinung, welche zufaͤllig ſo oft hervorgebracht wird, wenn man ſie in der Mineralogie fuͤr ſo bedeutend hielt und den Exemplaren, welche ſie zeigten, einen beſondern Werth beylegte.","norm":"Es zeigt also eine Unkenntnis der nächsten Ursachen einer Erscheinung, welche zufällig so oft hervorgebracht wird, wenn man sie in der Mineralogie für so bedeutend hielt und den Exemplaren, welche sie zeigten, einen besonderen Wert beilegte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1211,"orig":"Es bleibt uns nur noch uͤbrig, von der hoͤchſt merkwuͤrdigen Umwendung dieſes Phaͤnomens zu ſprechen, wie ſie uns von den Naturforſchern uͤberliefert worden.","norm":"Es bleibt uns nur noch übrig, von der höchst merkwürdigen Umwendung dieses Phänomens zu sprechen, wie sie uns von den Naturforschern überliefert worden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1212,"orig":"Wenn man nehmlich, anſtatt die Farben bey reflectirtem Lichte zu betrachten, ſie bey durchfallendem Licht beobachtet; ſo ſollen an derſelben Stelle die entgegengeſetzten, und zwar auf eben die Weiſe, wie wir ſolche oben phyſiologiſch, als Farben, die einander fordern, angegeben haben, erſcheinen.","norm":"Wenn man nämlich, anstatt die Farben bei reflektiertem Lichte zu betrachten, sie bei durchfallendem Licht beobachtet; so sollen an derselben Stelle die entgegengesetzten, und zwar auf eben die Weise, wie wir solche oben physiologisch, als Farben, die einander fordern, angegeben haben, erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1213,"orig":"An der Stelle des Blauen ſoll man das Gelbe, und umgekehrt; an der Stelle des Rothen das Gruͤne u. ſ. w. ſehen.","norm":"An der Stelle des Blauen soll man das Gelbe, und umgekehrt; an der Stelle des Roten das Grüne u. s. w. sehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1214,"orig":"Die naͤheren Verſuche ſollen kuͤnftig angegeben werden, um ſo mehr, als bey uns uͤber dieſen Punct noch einige Zweifel obwalten.","norm":"Die näheren Versuche sollen künftig angegeben werden, um so mehr, als bei uns über diesen Punkt noch einige Zweifel obwalten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1215,"orig":"Verlangte man nun von uns, daß wir uͤber dieſe bisher vorgetragenen epoptiſchen Farben, die unter der erſten Bedingung erſcheinen, etwas Allgemeines ausſprechen und dieſe Phaͤnomene an die fruͤhern phyſiſchen Erſcheinungen anknuͤpfen ſollten; ſo wuͤrden wir folgendermaßen zu Werke gehen.","norm":"Verlangte man nun von uns, dass wir über diese bisher vorgetragenen epoptischen Farben, die unter der ersten Bedingung erscheinen, etwas Allgemeines aussprechen und diese Phänomene an die früheren physischen Erscheinungen anknüpfen sollten; so würden wir folgendermaßen zu Werke gehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1216,"orig":"Die Glaͤſer, welche zu den Verſuchen gebraucht werden, ſind als ein empiriſch moͤglichſt Durchſichtiges anzuſehen.","norm":"Die Gläser, welche zu den Versuchen gebraucht werden, sind als ein empirisch möglichst Durchsichtiges anzusehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1217,"orig":"Sie werden aber, nach unſrer Ueberzeugung, durch eine innige Beruͤhrung, wie ſie der Druck verurſacht, ſogleich auf ihren Oberflaͤchen, jedoch nur auf das leiſeſte, getruͤbt.","norm":"Sie werden aber, nach unserer Überzeugung, durch eine innige Berührung, wie sie der Druck verursacht, sogleich auf ihren Oberflächen, jedoch nur auf das leiseste, getrübt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1218,"orig":"Innerhalb dieſer Truͤbe entſtehn ſogleich die Farben, und zwar enthaͤlt jeder Ring das ganze Syſtem: denn indem die beyden entgegengeſetzten, das Gelb und Blau, mit ihren rothen Enden verbunden ſind, zeigt ſich der Purpur.","norm":"Innerhalb dieser Trübe entstehen sogleich die Farben, und zwar enthält jeder Ring das ganze System: denn indem die beiden entgegengesetzten, das Gelb und Blau, mit ihren roten Enden verbunden sind, zeigt sich der Purpur."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1219,"orig":"Das Gruͤne hingegen, wie bey dem prismatiſchen Verſuch, wenn Gelb und Blau ſich erreichen.","norm":"Das Grüne hingegen, wie bei dem prismatischen Versuch, wenn Gelb und Blau sich erreichen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1220,"orig":"Wie durchaus bey Entſtehung der Farbe das ganze Syſtem gefordert wird, haben wir ſchon fruͤher mehrmals erfahren, und es liegt auch in der Natur jeder phyſiſchen Erſcheinung, es liegt ſchon in dem Begriff von polariſcher Entgegenſetzung, wodurch eine elementare Einheit zur Erſcheinung kommt.","norm":"Wie durchaus bei Entstehung der Farbe das ganze System gefordert wird, haben wir schon früher mehrmals erfahren, und es liegt auch in der Natur jeder physischen Erscheinung, es liegt schon in dem Begriff von polarischer Entgegensetzung, wodurch eine elementare Einheit zur Erscheinung kommt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1221,"orig":"Daß bey durchſcheinendem Licht eine andre Farbe ſich zeigt, als bey reflectirtem, erinnert uns an jene dioptriſchen Farben der erſten Claſſe, die wir auf eben dieſe Weiſe aus dem Truͤben entſpringen ſahen.","norm":"Dass bei durchscheinendem Licht eine andere Farbe sich zeigt, als bei reflektiertem, erinnert uns an jene dioptrischen Farben der ersten Klasse, die wir auf ebendiese Weise aus dem Trüben entspringen sahen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1222,"orig":"Daß aber auch hier ein Truͤbes obwalte, daran kann faſt kein Zweifel ſeyn: denn das Ineinandergreifen der glaͤtteſten Glasplatten, welches ſo ſtark iſt, daß ſie feſt an einander haͤngen, bringt eine Halbvereinigung hervor, die jeder von beyden Flaͤchen etwas an Glaͤtte und Durchſichtigkeit entzieht.","norm":"Dass aber auch hier ein Trübes obwalte, daran kann fast kein Zweifel sein: denn das Ineinandergreifen der glattesten Glasplatten, welches so stark ist, dass sie fest aneinander hängen, bringt eine Halbvereinigung hervor, die jeder von beiden Flächen etwas an Glätte und Durchsichtigkeit entzieht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1223,"orig":"Den voͤlligen Ausſchlag aber moͤchte die Betrachtung geben, daß in der Mitte, wo die Linſe am feſteſten auf das andre Glas aufgedruͤckt und eine vollkommene Vereinigung hergeſtellt wird, eine voͤllige Durchſichtigkeit entſtehe, wobey man keine Farbe mehr gewahr wird.","norm":"Den völligen Ausschlag aber möchte die Betrachtung geben, dass in der Mitte, wo die Linse am festesten auf das andere Glas aufgedrückt und eine vollkommene Vereinigung hergestellt wird, eine völlige Durchsichtigkeit entstehe, wobei man keine Farbe mehr gewahr wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1224,"orig":"Jedoch mag alles dieſes ſeine Beſtaͤtigung erſt nach vollendeter allgemeiner Ueberſicht des Ganzen erhalten.","norm":"Jedoch mag alles dieses seine Bestätigung erst nach vollendeter allgemeiner Übersicht des Ganzen erhalten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1225,"orig":"Zweyte Bedingung.","norm":"Zweite Bedingung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1226,"orig":"Wenn man eine angehauchte Glasplatte mit dem Finger abwiſcht und ſogleich wieder anhaucht, ſieht man ſehr lebhaft durch einander ſchwebende Farben, welche, indem der Hauch ablaͤuft, ihren Ort veraͤndern und zuletzt mit dem Hauche verſchwinden.","norm":"Wenn man eine angehauchte Glasplatte mit dem Finger abwischt und sogleich wieder anhaucht, sieht man sehr lebhaft durcheinander schwebende Farben, welche, indem der Hauch abläuft, ihren Ort verändern und zuletzt mit dem Hauche verschwinden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1227,"orig":"Wiederholt man dieſe Operation, ſo werden die Farben lebhafter und ſchoͤner, und ſcheinen auch laͤnger als die erſten Male zu beſtehen.","norm":"Wiederholt man diese Operation, so werden die Farben lebhafter und schöner, und scheinen auch länger als die ersten Male zu bestehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1228,"orig":"So ſchnell auch dieſes Phaͤnomen voruͤbergeht und ſo confus es zu ſeyn ſcheint, ſo glaub’ ich doch folgendes bemerkt zu haben.","norm":"So schnell auch dieses Phänomen vorübergeht und so konfus es zu sein scheint, so glaube ich doch folgendes bemerkt zu haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1229,"orig":"Im Anfange erſcheinen alle Grundfarben und ihre Zuſammenſetzungen.","norm":"Im Anfange erscheinen alle Grundfarben und ihre Zusammensetzungen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1230,"orig":"Haucht man ſtaͤrker, ſo kann man die Erſcheinung in einer Folge gewahr werden.","norm":"Haucht man stärker, so kann man die Erscheinung in einer Folge gewahr werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1231,"orig":"Dabey laͤßt ſich bemerken, daß, wenn der Hauch im Ablaufen ſich von allen Seiten gegen die Mitte des Glaſes zieht, die blaue Farbe zuletzt verſchwindet.","norm":"Dabei lässt sich bemerken, dass, wenn der Hauch im Ablaufen sich von allen Seiten gegen die Mitte des Glases zieht, die blaue Farbe zuletzt verschwindet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1232,"orig":"Das Phaͤnomen entſteht am leichteſten zwiſchen den zarten Streifen, welche der Strich des Fingers auf der klaren Flaͤche zuruͤcklaͤßt, oder es erfordert eine ſonſtige gewiſſermaßen rauhe Dispoſition der Oberflaͤche des Koͤrpers.","norm":"Das Phänomen entsteht am leichtesten zwischen den zarten Streifen, welche der Strich des Fingers auf der klaren Fläche zurücklässt, oder es erfordert eine sonstige gewissermaßen raue Disposition der Oberfläche des Körpers."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1233,"orig":"Auf manchen Glaͤſern kann man durch den bloßen Hauch ſchon die Farbenerſcheinung hervorbringen, auf andern hingegen iſt das Reiben mit dem Finger noͤthig; ja ich habe geſchliffene Spiegelglaͤſer gefunden, von welchen die eine Seite angehaucht ſogleich die Farben lebhaft zeigte, die andre aber nicht.","norm":"Auf manchen Gläsern kann man durch den bloßen Hauch schon die Farbenerscheinung hervorbringen, auf anderen hingegen ist das Reiben mit dem Finger nötig; ja ich habe geschliffene Spiegelgläser gefunden, von welchen die eine Seite angehaucht sogleich die Farben lebhaft zeigte, die andere aber nicht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1234,"orig":"Nach den uͤberbliebenen Facetten zu urtheilen, war jene ehmals die freye Seite des Spiegels, dieſe aber die innere durch das Queckſilber bedeckte geweſen.","norm":"Nach den überbliebenen Facetten zu urteilen, war jene ehemals die freie Seite des Spiegels, diese aber die innere durch das Quecksilber bedeckte gewesen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1235,"orig":"Wie nun dieſe Verſuche ſich am beſten in der Kaͤlte anſtellen laſſen, weil ſich die Platte ſchneller und reiner anhauchen laͤßt und der Hauch ſchneller wieder ablaͤuft; ſo kann man auch bey ſtarkem Froſt, in der Kutſche fahrend, das Phaͤnomen im Großen gewahr werden, wenn die Kutſchfenſter ſehr rein geputzt und ſaͤmmtlich aufgezogen ſind.","norm":"Wie nun diese Versuche sich am besten in der Kälte anstellen lassen, weil sich die Platte schneller und reiner anhauchen lässt und der Hauch schneller wieder abläuft; so kann man auch bei starkem Frost, in der Kutsche fahrend, das Phänomen im Großen gewahr werden, wenn die Kutschfenster sehr rein geputzt und sämtlich aufgezogen sind."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1236,"orig":"Der Hauch der in der Kutſche ſitzenden Perſonen ſchlaͤgt auf das zarteſte an die Scheiben und erregt ſogleich das lebhafteſte Farbenſpiel.","norm":"Der Hauch der in der Kutsche sitzenden Personen schlägt auf das Zarteste an die Scheiben und erregt sogleich das lebhafteste Farbenspiel."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1237,"orig":"In wie fern eine regelmaͤßige Succeſſion darin ſey, habe ich nicht bemerken koͤnnen.","norm":"Inwiefern eine regelmäßige Sukzession darin sei, habe ich nicht bemerken können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1238,"orig":"Beſonders lebhaft aber erſcheinen die Farben, wenn ſie einen dunklen Gegenſtand zum Hintergrunde haben.","norm":"Besonders lebhaft aber erscheinen die Farben, wenn sie einen dunklen Gegenstand zum Hintergrunde haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1239,"orig":"Dieſer Farbenwechſel dauert aber nicht lange: denn ſobald ſich der Hauch in ſtaͤrkere Tropfen ſammelt oder zu Eisnadeln gefriert, ſo iſt die Erſcheinung alsbald aufgehoben.","norm":"Dieser Farbenwechsel dauert aber nicht lange: denn sobald sich der Hauch in stärkere Tropfen sammelt oder zu Eisnadeln gefriert, so ist die Erscheinung alsbald aufgehoben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1240,"orig":"Dritte Bedingung.","norm":"Dritte Bedingung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1241,"orig":"Man kann die beyden vorhergehenden Verſuche des Druckes und Hauches verbinden, indem man nehmlich eine Glasplatte anhaucht und die andre ſogleich darauf druͤckt.","norm":"Man kann die beiden vorhergehenden Versuche des Druckes und Hauches verbinden, indem man nämlich eine Glasplatte anhaucht und die andere sogleich darauf drückt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1242,"orig":"Es entſtehen alsdann die Farben, wie beym Drucke zweyer unangehauchten, nur mit dem Unterſchiede, daß die Feuchtigkeit hie und da einige Unterbrechung der Wellen verurſacht.","norm":"Es entstehen alsdann die Farben, wie beim Drucke zweier unangehauchten, nur mit dem Unterschiede, dass die Feuchtigkeit hie und da einige Unterbrechung der Wellen verursacht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1243,"orig":"Schiebt man eine Glasplatte von der andern weg, ſo laͤuft der Hauch farbig ab.","norm":"Schiebt man eine Glasplatte von der anderen weg, so läuft der Hauch farbig ab."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1244,"orig":"Man koͤnnte jedoch behaupten, daß dieſer verbundene Verſuch nichts mehr als die einzelnen ſage: denn wie es ſcheint, ſo verſchwinden die durch den Druck erregten Farben in dem Maße, wie man die Glaͤſer von einander abſchiebt, und die behauchten Stellen laufen alsdann mit ihren eignen Farben ab.","norm":"Man könnte jedoch behaupten, dass dieser verbundene Versuch nichts mehr als die einzelnen sage: denn wie es scheint, so verschwinden die durch den Druck erregten Farben in dem Maße, wie man die Gläser voneinander abschiebt, und die behauchten Stellen laufen alsdann mit ihren eigenen Farben ab."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1245,"orig":"Vierte Bedingung.","norm":"Vierte Bedingung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1246,"orig":"Farbige Erſcheinungen laſſen ſich faſt an allen Blaſen beobachten.","norm":"Farbige Erscheinungen lassen sich fast an allen Blasen beobachten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1247,"orig":"Die Seifenblaſen ſind die bekannteſten und ihre Schoͤnheit iſt am leichteſten darzuſtellen.","norm":"Die Seifenblasen sind die bekanntesten und ihre Schönheit ist am leichtesten darzustellen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1248,"orig":"Doch findet man ſie auch beym Weine, Bier, bey geiſtigen reinen Liquoren, beſonders auch im Schaume der Chocolade.","norm":"Doch findet man sie auch beim Weine, Bier, bei geistigen reinen Liquoren, besonders auch im Schaume der Schokolade."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1249,"orig":"Wie wir oben einen unendlich ſchmalen Raum zwiſchen zwey Flaͤchen, welche ſich beruͤhren, erforderten, ſo kann man das Haͤutchen der Seifenblaſe als ein unendlich duͤnnes Blaͤttchen zwiſchen zwey elaſtiſchen Koͤrpern anſehen: denn die Erſcheinung zeigt ſich doch eigentlich zwiſchen der innern, die Blaſe auftreibenden Luft und zwiſchen der atmoſphaͤriſchen.","norm":"Wie wir oben einen unendlich schmalen Raum zwischen zwei Flächen, welche sich berühren, erforderten, so kann man das Häutchen der Seifenblase als ein unendlich dünnes Blättchen zwischen zwei elastischen Körpern ansehen: denn die Erscheinung zeigt sich doch eigentlich zwischen der inneren, die Blase auftreibenden Luft und zwischen der atmosphärischen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1250,"orig":"Die Blaſe, indem man ſie hervorbringt, iſt farblos; dann fangen farbige Zuͤge, wie des Marmorpapieres, an ſich ſehen zu laſſen, die ſich endlich uͤber die ganze Blaſe verbreiten, oder vielmehr um ſie herumgetrieben werden, indem man ſie aufblaͤſt.","norm":"Die Blase, indem man sie hervorbringt, ist farblos; dann fangen farbige Züge, wie des Marmorpapieres, an sich sehen zu lassen, die sich endlich über die ganze Blase verbreiten, oder vielmehr um sie herumgetrieben werden, indem man sie aufbläst."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1251,"orig":"Es giebt verſchiedene Arten, die Blaſe zu machen; frey, indem man den Strohhalm nur in die Aufloͤſung taucht und die haͤngende Blaſe durch den Athem auftreibt.","norm":"Es gibt verschiedene Arten, die Blase zu machen; frei, indem man den Strohhalm nur in die Auflösung taucht und die hängende Blase durch den Atem auftreibt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1252,"orig":"Hier iſt die Entſtehung der Farbenerſcheinung ſchwer zu beobachten, weil die ſchnelle Rotation keine genaue Bemerkung zulaͤßt, und alle Farben durch einander gehen.","norm":"Hier ist die Entstehung der Farbenerscheinung schwer zu beobachten, weil die schnelle Rotation keine genaue Bemerkung zulässt, und alle Farben durcheinander gehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1253,"orig":"Doch laͤßt ſich bemerken, daß die Farben am Strohhalm anfangen.","norm":"Doch lässt sich bemerken, dass die Farben am Strohhalm anfangen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1254,"orig":"Ferner kann man in die Aufloͤſung ſelbſt blaſen, jedoch vorſichtig, damit nur eine Blaſe entſtehe.","norm":"Ferner kann man in die Auflösung selbst blasen, jedoch vorsichtig, damit nur eine Blase entstehe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1255,"orig":"Sie bleibt, wenn man ſie nicht ſehr auftreibt, weiß; wenn aber die Aufloͤſung nicht allzu waͤßrig iſt, ſo ſetzen ſich Kreiſe um die perpendiculare Achſe der Blaſe, die gewoͤhnlich gruͤn und purpurn abwechſeln, indem ſie nah an einander ſtoßen.","norm":"Sie bleibt, wenn man sie nicht sehr auftreibt, weiß; wenn aber die Auflösung nicht allzu wässrig ist, so setzen sich Kreise um die perpendikulare Achse der Blase, die gewöhnlich grün und purpurn abwechseln, indem sie nah aneinander stoßen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1256,"orig":"Zuletzt kann man auch mehrere Blaſen neben einander hervorbringen, die noch mit der Aufloͤſung zuſammenhangen.","norm":"Zuletzt kann man auch mehrere Blasen nebeneinander hervorbringen, die noch mit der Auflösung zusammenhangen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1257,"orig":"In dieſem Falle entſtehen die Farben an den Waͤnden, wo zwey Blaſen einander platt gedruͤckt haben.","norm":"In diesem Falle entstehen die Farben an den Wänden, wo zwei Blasen einander platt gedrückt haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1258,"orig":"An den Blaſen des Chocoladenſchaums ſind die Farben faſt bequemer zu beobachten, als an den Seifenblaſen.","norm":"An den Blasen des Schokoladenschaums sind die Farben fast bequemer zu beobachten, als an den Seifenblasen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1259,"orig":"Sie ſind beſtaͤndiger, obgleich kleiner.","norm":"Sie sind beständiger, obgleich kleiner."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1260,"orig":"In ihnen wird durch die Waͤrme ein Treiben, eine Bewegung hervorgebracht und unterhalten, die zur Entwicklung, Succeſſion und endlich zum Ordnen des Phaͤnomens noͤthig zu ſeyn ſcheinen.","norm":"In ihnen wird durch die Wärme ein Treiben, eine Bewegung hervorgebracht und unterhalten, die zur Entwicklung, Sukzession und endlich zum Ordnen des Phänomens nötig zu sein scheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1261,"orig":"Iſt die Blaſe klein, oder zwiſchen andern eingeſchloſſen, ſo treiben ſich farbige Zuͤge auf der Oberflaͤche herum, dem marmorirten Papiere aͤhnlich; man ſieht alle Farben unſres Schema’s durch einander ziehen, die reinen, geſteigerten, gemiſchten, alle deutlich hell und ſchoͤn.","norm":"Ist die Blase klein, oder zwischen anderen eingeschlossen, so treiben sich farbige Züge auf der Oberfläche herum, dem marmorierten Papiere ähnlich; man sieht alle Farben unseres Schemas durcheinanderziehen, die reinen, gesteigerten, gemischten, alle deutlich hell und schön."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1262,"orig":"Bey kleinen Blaſen dauert das Phaͤnomen immer fort.","norm":"Bei kleinen Blasen dauert das Phänomen immer fort."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1263,"orig":"Iſt die Blaſe groͤßer, oder wird ſie nach und nach iſolirt, dadurch daß die andern neben ihr zerſpringen; ſo bemerkt man bald, daß dieſes Treiben und Ziehen der Farben auf etwas abzwecke.","norm":"Ist die Blase größer, oder wird sie nach und nach isoliert, dadurch dass die anderen neben ihr zerspringen; so bemerkt man bald, dass dieses Treiben und Ziehen der Farben auf etwas abzwecke."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1264,"orig":"Wir ſehen nehmlich auf dem hoͤchſten Puncte der Blaſe einen kleinen Kreis entſtehen, der in der Mitte gelb iſt; die uͤbrigen farbigen Zuͤge bewegen ſich noch immer wurmfoͤrmig um ihn her.","norm":"Wir sehen nämlich auf dem höchsten Punkte der Blase einen kleinen Kreis entstehen, der in der Mitte gelb ist; die übrigen farbigen Züge bewegen sich noch immer wurmförmig um ihn her."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1265,"orig":"Es dauert nicht lange, ſo vergroͤßert ſich der Kreis und ſinkt nach allen Seiten hinab.","norm":"Es dauert nicht lange, so vergrößert sich der Kreis und sinkt nach allen Seiten hinab."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1266,"orig":"In der Mitte behaͤlt er ſein Gelb, nach unten und außen wird er purpurfarben und bald blau.","norm":"In der Mitte behält er sein Gelb, nach unten und außen wird er purpurfarben und bald blau."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1267,"orig":"Unter dieſem entſteht wieder ein neuer Kreis von eben dieſer Farbenfolge.","norm":"Unter diesem entsteht wieder ein neuer Kreis von eben dieser Farbenfolge."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1268,"orig":"Stehen ſie nahe genug beyſammen, ſo entſteht aus Vermiſchung der Endfarben ein Gruͤn.","norm":"Stehen sie nahe genug beisammen, so entsteht aus Vermischung der Endfarben ein Grün."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1269,"orig":"Wenn ich drey ſolcher Hauptkreiſe zaͤhlen konnte, ſo war die Mitte farblos und dieſer Raum wurde nach und nach groͤßer, indem die Kreiſe mehr niederſanken, bis zuletzt die Blaſe zerplatzte.","norm":"Wenn ich drei solcher Hauptkreise zählen konnte, so war die Mitte farblos und dieser Raum wurde nach und nach größer, indem die Kreise mehr niedersanken, bis zuletzt die Blase zerplatzte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1270,"orig":"Fuͤnfte Bedingung.","norm":"Fünfte Bedingung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1271,"orig":"Es koͤnnen auf verſchiedene Weiſe ſehr zarte Haͤutchen entſtehen, an welchen man ein ſehr lebhaftes Farbenſpiel entdeckt, indem nehmlich ſaͤmmtliche Farben entweder in der bekannten Ordnung, oder mehr verworren durch einander laufend geſehen werden.","norm":"Es können auf verschiedene Weise sehr zarte Häutchen entstehen, an welchen man ein sehr lebhaftes Farbenspiel entdeckt, indem nämlich sämtliche Farben entweder in der bekannten Ordnung, oder mehr verworren durcheinander laufend gesehen werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1272,"orig":"Das Waſſer, in welchem ungeloͤſchter Kalk aufgeloͤſt worden, uͤberzieht ſich bald mit einem farbigen Haͤutchen.","norm":"Das Wasser, in welchem ungelöschter Kalk aufgelöst worden, überzieht sich bald mit einem farbigen Häutchen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1273,"orig":"Ein Gleiches geſchieht auf der Oberflaͤche ſtehender Waſſer, vorzuͤglich ſolcher, welche Eiſen enthalten.","norm":"Ein Gleiches geschieht auf der Oberfläche stehender Wasser, vorzüglich solcher, welche Eisen enthalten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1274,"orig":"Die Lamellen des feinen Weinſteins, die ſich, beſonders von rothem franzoͤſiſchen Weine, in den Bouteillen anlegen, glaͤnzen von den ſchoͤnſten Farben, wenn ſie auf ſorgfaͤltige Weiſe losgeweicht und an das Tageslicht gebracht werden.","norm":"Die Lamellen des feinen Weinsteins, die sich, besonders von rotem französischen Weine, in den Bouteillen anlegen, glänzen von den schönsten Farben, wenn sie auf sorgfältige Weise losgeweicht und an das Tageslicht gebracht werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1275,"orig":"Oeltropfen auf Waſſer, Branntwein und andern Fluͤſſigkeiten bringen auch dergleichen Ringe und Flaͤmmchen hervor.","norm":"Öltropfen auf Wasser, Branntwein und anderen Flüssigkeiten bringen auch dergleichen Ringe und Flämmchen hervor."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1276,"orig":"Der ſchoͤnſte Verſuch aber, den man machen kann, iſt folgender.","norm":"Der schönste Versuch aber, den man machen kann, ist folgender."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1277,"orig":"Man gieße nicht allzuſtarkes Scheidewaſſer in eine flache Schale und tropfe mit einem Pinſel von jenem Firniß darauf, welchen die Kupferſtecher brauchen, um waͤhrend des Aetzens gewiſſe Stellen ihrer Platten zu decken.","norm":"Man gieße nicht allzu starkes Scheidewasser in eine flache Schale und tropfe mit einem Pinsel von jenem Firnis darauf, welchen die Kupferstecher brauchen, um während des Ätzens gewisse Stellen ihrer Platten zu decken."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1278,"orig":"Sogleich entſteht unter lebhafter Bewegung ein Haͤutchen, das ſich in Kreiſe ausbreitet, und zugleich die lebhafteſten Farbenerſcheinungen hervorbringt.","norm":"Sogleich entsteht unter lebhafter Bewegung ein Häutchen, das sich in Kreise ausbreitet, und zugleich die lebhaftesten Farbenerscheinungen hervorbringt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1279,"orig":"Sechſte Bedingung.","norm":"Sechste Bedingung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1280,"orig":"Wenn Metalle erhitzt werden, ſo entſtehen auf ihrer Oberflaͤche fluͤchtig auf einander folgende Farben, welche jedoch nach Belieben feſt gehalten werden koͤnnen.","norm":"Wenn Metalle erhitzt werden, so entstehen auf ihrer Oberfläche flüchtig aufeinanderfolgende Farben, welche jedoch nach Belieben festgehalten werden können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1281,"orig":"Man erhitze einen polirten Stahl, und er wird in einem gewiſſen Grad der Waͤrme gelb uͤberlaufen.","norm":"Man erhitze einen polierten Stahl, und er wird in einem gewissen Grad der Wärme gelb überlaufen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1282,"orig":"Nimmt man ihn ſchnell von den Kohlen weg, ſo bleibt ihm dieſe Farbe.","norm":"Nimmt man ihn schnell von den Kohlen weg, so bleibt ihm diese Farbe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1283,"orig":"Sobald der Stahl heißer wird, erſcheint das Gelbe dunkler, hoͤher und geht bald in den Purpur hinuͤber.","norm":"Sobald der Stahl heißer wird, erscheint das Gelbe dunkler, höher und geht bald in den Purpur hinüber."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1284,"orig":"Dieſer iſt ſchwer feſt zu halten, denn er eilt ſehr ſchnell ins Hochblaue.","norm":"Dieser ist schwer festzuhalten, denn er eilt sehr schnell ins Hochblaue."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1285,"orig":"Dieſes ſchoͤne Blau iſt feſt zu halten, wenn man ſchnell den Stahl aus der Hitze nimmt und ihn in Aſche ſteckt.","norm":"Dieses schöne Blau ist festzuhalten, wenn man schnell den Stahl aus der Hitze nimmt und ihn in Asche steckt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1286,"orig":"Die blau angelaufnen Stahlarbeiten werden auf dieſem Wege hervorgebracht.","norm":"Die blau angelaufenen Stahlarbeiten werden auf diesem Wege hervorgebracht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1287,"orig":"Faͤhrt man aber fort, den Stahl frey uͤber dem Feuer zu halten, ſo wird er in kurzem hellblau und ſo bleibt er.","norm":"Fährt man aber fort, den Stahl frei über dem Feuer zu halten, so wird er in kurzem hellblau und so bleibt er."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1288,"orig":"Dieſe Farben ziehen wie ein Hauch uͤber die Stahlplatte, eine ſcheint vor der andern zu fliehen; aber eigentlich entwickelt ſich immer die folgende aus der vorhergehenden.","norm":"Diese Farben ziehen wie ein Hauch über die Stahlplatte, eine scheint vor der anderen zu fliehen; aber eigentlich entwickelt sich immer die folgende aus der vorhergehenden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1289,"orig":"Wenn man ein Federmeſſer ins Licht haͤlt, ſo wird ein farbiger Streif quer uͤber die Klinge entſtehen.","norm":"Wenn man ein Federmesser ins Licht hält, so wird ein farbiger Streife quer über die Klinge entstehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1290,"orig":"Der Theil des Streifes, der am tiefſten in der Flamme war, iſt hellblau, das ſich ins Blaurothe verliert.","norm":"Der Teil des Streifes, der am tiefsten in der Flamme war, ist hellblau, das sich ins Blaurote verliert."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1291,"orig":"Der Purpur ſteht in der Mitte, dann folgt Gelbroth und Gelb.","norm":"Der Purpur steht in der Mitte, dann folgt Gelbrot und Gelb."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1292,"orig":"Dieſes Phaͤnomen leitet ſich aus dem vorhergehenden ab; denn die Klinge nach dem Stile zu iſt weniger erhitzt, als an der Spitze, welche ſich in der Flamme befindet; und ſo muͤſſen alle Farben, die ſonſt nach einander entſtehen, auf einmal erſcheinen, und man kann ſie auf das beſte figirt aufbewahren.","norm":"Dieses Phänomen leitet sich aus dem vorhergehenden ab; denn die Klinge nach dem Stiele zu ist weniger erhitzt, als an der Spitze, welche sich in der Flamme befindet; und so müssen alle Farben, die sonst nacheinander entstehen, auf einmal erscheinen, und man kann sie auf das beste figiert aufbewahren."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1293,"orig":"Robert Boyle giebt dieſe Farbenſucceſſion folgendermaßen an: a florido flavo ad flavum saturum et rubescentem (quem artifices sanguineum vocant) inde ad languidum, postea ad saturiorem cyaneum.","norm":"Robert Boyle gibt diese Farbensukzession folgendermaßen an: a florido flavo ad flavum saturum et rubescentem (quem artifices sanguineum vocant) inde ad languidum, postea ad saturiorem cyaneum."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1294,"orig":"Dieſes waͤre ganz gut, wenn man die Worte languidus und saturior ihre Stellen verwechſeln ließe.","norm":"Dieses wäre ganz gut, wenn man die Worte languidus und saturior ihre Stellen verwechseln ließe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1295,"orig":"Inwiefern die Bemerkung richtig iſt, daß die verſchiedenen Farben auf die Grade der folgenden Haͤrtung Einfluß haben, laſſen wir dahingeſtellt ſeyn.","norm":"Inwiefern die Bemerkung richtig ist, dass die verschiedenen Farben auf die Grade der folgenden Härtung Einfluss haben, lassen wir dahingestellt sein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1296,"orig":"Die Farben ſind hier nur Anzeichen der verſchiedenen Grade der Hitze.","norm":"Die Farben sind hier nur Anzeichen der verschiedenen Grade der Hitze."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1297,"orig":"Wenn man Bley calcinirt, wird die Oberflaͤche erſt graulich.","norm":"Wenn man Blei kalziniert, wird die Oberfläche erst graulich."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1298,"orig":"Dieſes grauliche Pulvur wird durch groͤßere Hitze gelb, und ſodann orange.","norm":"Dieses grauliche Pulver wird durch größere Hitze gelb, und sodann orange."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1299,"orig":"Auch das Silber zeigt bey der Erhitzung Farben.","norm":"Auch das Silber zeigt bei der Erhitzung Farben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1300,"orig":"Der Blick des Silbers beym Abtreiben gehoͤrt auch hieher.","norm":"Der Blick des Silbers beim Abtreiben gehört auch hierher."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1301,"orig":"Wenn metalliſche Glaͤſer ſchmelzen, entſtehen gleichfalls Farben auf der Oberflaͤche.","norm":"Wenn metallische Gläser schmelzen, entstehen gleichfalls Farben auf der Oberfläche."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1302,"orig":"Siebente Bedingung.","norm":"Siebente Bedingung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1303,"orig":"Wenn die Oberflaͤche des Glaſes angegriffen wird.","norm":"Wenn die Oberfläche des Glases angegriffen wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1304,"orig":"Das Blindwerden des Glaſes iſt uns oben ſchon merkwuͤrdig geweſen.","norm":"Das Blindwerden des Glases ist uns oben schon merkwürdig gewesen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1305,"orig":"Man bezeichnet durch dieſen Ausdruck, wenn die Oberflaͤche des Glaſes dergeſtalt angegriffen wird, daß es uns truͤb erſcheint.","norm":"Man bezeichnet durch diesen Ausdruck, wenn die Oberfläche des Glases dergestalt angegriffen wird, dass es uns trüb erscheint."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1306,"orig":"Das weiße Glas wird am erſten blind, desgleichen gegoſſenes und nachher geſchliffenes Glas, das blauliche weniger, das gruͤne am wenigſten.","norm":"Das weiße Glas wird am ersten blind, desgleichen gegossenes und nachher geschliffenes Glas, das blauliche weniger, das Grüne am wenigsten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1307,"orig":"Eine Glastafel hat zweyerley Seiten, davon man die eine die Spiegelſeite nennt.","norm":"Eine Glastafel hat zweierlei Seiten, davon man die eine die Spiegelseite nennt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1308,"orig":"Es iſt die, welche im Ofen oben liegt, an der man rundliche Erhoͤhungen bemerken kann.","norm":"Es ist die, welche im Ofen oben liegt, an der man rundliche Erhöhungen bemerken kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1309,"orig":"Sie iſt glaͤtter als die andere, die im Ofen unten liegt und an welcher man manchmal Kritzen bemerkt.","norm":"Sie ist glatter als die andere, die im Ofen unten liegt und an welcher man manchmal Kritzen bemerkt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1310,"orig":"Man nimmt deswegen gern die Spiegelſeite in die Zimmer, weil ſie durch die von innen anſchlagende Feuchtigkeit weniger als die andre angegriffen, und das Glas daher weniger blind wird.","norm":"Man nimmt deswegen gern die Spiegelseite in die Zimmer, weil sie durch die von innen anschlagende Feuchtigkeit weniger als die andere angegriffen, und das Glas daher weniger blind wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1311,"orig":"Dieſes Blindwerden oder Truͤben des Glaſes geht nach und nach in eine Farbenerſcheinung uͤber, die ſehr lebhaft werden kann, und bey welcher vielleicht auch eine gewiſſe Succeſſion, oder ſonſt etwas Ordnungsgemaͤßes zu entdecken waͤre.","norm":"Dieses Blindwerden oder Trüben des Glases geht nach und nach in eine Farbenerscheinung über, die sehr lebhaft werden kann, und bei welcher vielleicht auch eine gewisse Sukzession, oder sonst etwas Ordnungsgemäßes zu entdecken wäre."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1312,"orig":"Und ſo haͤtten wir denn auch die phyſiſchen Farben von ihrer leiſeſten Wirkung an bis dahin gefuͤhrt, wo ſich dieſe fluͤchtigen Erſcheinungen an die Koͤrper feſtſetzen, und wir waͤren auf dieſe Weiſe an die Graͤnze gelangt, wo die chemiſchen Farben eintreten, ja gewiſſermaßen haben wir dieſe Graͤnze ſchon uͤberſchritten; welches fuͤr die Staͤtigkeit unſres Vortrags ein gutes Vorurtheil erregen mag.","norm":"Und so hätten wir denn auch die physischen Farben von ihrer leisesten Wirkung an bis dahin geführt, wo sich diese flüchtigen Erscheinungen an die Körper festsetzen, und wir wären auf diese Weise an die Grenze gelangt, wo die chemischen Farben eintreten, ja gewissermaßen haben wir diese Grenze schon überschritten; welches für die Stetigkeit unseres Vortrags ein gutes Vorurteil erregen mag."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1313,"orig":"Sollen wir aber noch zu Ende dieſer Abtheilung etwas Allgemeines ausſprechen und auf ihren innern Zuſammenhang hindeuten; ſo fuͤgen wir zu dem, was wir oben (451 — 454.) geſagt haben, noch folgendes hinzu.","norm":"Sollen wir aber noch zu Ende dieser Abteilung etwas Allgemeines aussprechen und auf ihren inneren Zusammenhang hindeuten; so fügen wir zu dem, was wir oben (451 — 454) gesagt haben, noch folgendes hinzu."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1314,"orig":"Das Anlaufen des Stahls und die verwandten Erfahrungen koͤnnte man vielleicht ganz bequem aus der Lehre von den truͤben Mitteln herleiten.","norm":"Das Anlaufen des Stahls und die verwandten Erfahrungen könnte man vielleicht ganz bequem aus der Lehre von den trüben Mitteln herleiten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1315,"orig":"Polirter Stahl wirft maͤchtig das Licht zuruͤck.","norm":"Polierter Stahl wirft mächtig das Licht zurück."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1316,"orig":"Man denke ſich das durch die Hitze bewirkte Anlaufen als eine gelinde Truͤbe; ſogleich muͤßte daher ein Hellgelb erſcheinen, welches bey zunehmender Truͤbe immer verdichteter, gedraͤngter und roͤther, ja zuletzt Purpur- und Rubinroth erſcheinen muß.","norm":"Man denke sich das durch die Hitze bewirkte Anlaufen als eine gelinde Trübe; sogleich müsste daher ein Hellgelb erscheinen, welches bei zunehmender Trübe immer verdichteter, gedrängter und röter, ja zuletzt Purpur- und Rubinrot erscheinen muss."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1317,"orig":"Waͤre nun zuletzt dieſe Farbe auf den hoͤchſten Punct des Dunkelwerdens geſteigert, und man daͤchte ſich die immer fortwaltende Truͤbe; ſo wuͤrde dieſe nunmehr ſich uͤber ein Finſteres verbreiten und zuerſt ein Violett, dann ein Dunkelblau und endlich ein Hellblau hervorbringen, und ſo die Reihe der Erſcheinungen beſchließen.","norm":"Wäre nun zuletzt diese Farbe auf den höchsten Punkt des Dunkelwerdens gesteigert, und man dächte sich die immer fortwaltende Trübe; so würde diese nunmehr sich über ein Finsteres verbreiten und zuerst ein Violett, dann ein Dunkelblau und endlich ein Hellblau hervorbringen, und so die Reihe der Erscheinungen beschließen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1318,"orig":"Wir wollen nicht behaupten, daß man mit dieſer Erklaͤrungsart voͤllig auslange, unſre Abſicht iſt vielmehr, nur auf den Weg zu deuten, auf welchem zuletzt die alles umfaſſende Formel, das eigentliche Wort des Raͤthſels gefunden werden kann.","norm":"Wir wollen nicht behaupten, dass man mit dieser Erklärungsart völlig auslange, unsere Absicht ist vielmehr, nur auf den Weg zu deuten, auf welchem zuletzt die alles umfassende Formel, das eigentliche Wort des Rätsels gefunden werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1319,"orig":"So nennen wir diejenigen, welche wir an gewiſſen Koͤrpern erregen, mehr oder weniger fixiren, an ihnen ſteigern, von ihnen wieder wegnehmen und andern Koͤrpern mittheilen koͤnnen, denen wir denn auch deshalb eine gewiſſe immanente Eigenſchaft zuſchreiben.","norm":"So nennen wir diejenigen, welche wir an gewissen Körpern erregen, mehr oder weniger fixieren, an ihnen steigern, von ihnen wieder wegnehmen und anderen Körpern mitteilen können, denen wir denn auch deshalb eine gewisse immanente Eigenschaft zuschreiben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1320,"orig":"Die Dauer iſt meiſt ihr Kennzeichen.","norm":"Die Dauer ist meist ihr Kennzeichen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1321,"orig":"In dieſen Ruͤckſichten bezeichnete man fruͤher die chemiſchen Farben mit verſchiedenen Beywoͤrtern.","norm":"In diesen Rücksichten bezeichnete man früher die chemischen Farben mit verschiedenen Beiwörtern."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1322,"orig":"Sie hießen colores proprii, corporei, materiales, veri, permanentes, fixi.","norm":"Sie hießen colores proprii, corporei, materiales, veri, permanentes, fixi."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1323,"orig":"Wie ſich das Bewegliche und Voruͤbergehende der phyſiſchen Farben nach und nach an den Koͤrpern fixire, haben wir in dem Vorhergehenden bemerkt, und den Uebergang eingeleitet.","norm":"Wie sich das Bewegliche und Vorübergehende der physischen Farben nach und nach an den Körpern fixiere, haben wir in dem Vorhergehenden bemerkt, und den Übergang eingeleitet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1324,"orig":"Die Farbe fixirt ſich an den Koͤrpern mehr oder weniger dauerhaft, oberflaͤchlich oder durchdringend.","norm":"Die Farbe fixiert sich an den Körpern mehr oder weniger dauerhaft, oberflächlich oder durchdringend."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1325,"orig":"Alle Koͤrper ſind der Farbe faͤhig, entweder daß ſie an ihnen erregt, geſteigert, ſtufenweiſe fixirt, oder wenigſtens ihnen mitgetheilt werden kann.","norm":"Alle Körper sind der Farbe fähig, entweder dass sie an ihnen erregt, gesteigert, stufenweise fixiert, oder wenigstens ihnen mitgeteilt werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1326,"orig":"Indem wir bey Darſtellung der farbigen Erſcheinung auf einen Gegenſatz durchaus aufmerkſam zu machen Urſache hatten, ſo finden wir, indem wir den Boden der Chemie betreten, die chemiſchen Gegenſaͤtze uns auf eine bedeutende Weiſe begegnend.","norm":"Indem wir bei Darstellung der farbigen Erscheinung auf einen Gegensatz durchaus aufmerksam zu machen Ursache hatten, so finden wir, indem wir den Boden der Chemie betreten, die chemischen Gegensätze uns auf eine bedeutende Weise begegnend."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1327,"orig":"Wir ſprechen hier zu unſern Zwecken nur von demjenigen, den man unter dem allgemeinen Namen von Saͤure und Alcali zu begreifen pflegt.","norm":"Wir sprechen hier zu unseren Zwecken nur von demjenigen, den man unter dem allgemeinen Namen von Säure und Alkali zu begreifen pflegt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1328,"orig":"Wenn wir den chromatiſchen Gegenſatz nach Anleitung aller uͤbrigen phyſiſchen Gegenſaͤtze durch ein Mehr oder Weniger bezeichnen, der gelben Seite das Mehr, der blauen das Weniger zuſchreiben; ſo ſchließen ſich dieſe beyden Seiten nun auch in chemiſchen Faͤllen an die Seiten des chemiſch Entgegengeſetzten an.","norm":"Wenn wir den chromatischen Gegensatz nach Anleitung aller übrigen physischen Gegensätze durch ein Mehr oder weniger bezeichnen, der gelben Seite das Mehr, der blauen das Weniger zuschreiben; so schließen sich diese beiden Seiten nun auch in chemischen Fällen an die Seiten des chemisch Entgegengesetzten an."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1329,"orig":"Das Gelb und Gelbrothe widmet ſich den Saͤuern, das Blau und Blaurothe den Alcalien; und ſo laſſen ſich die Erſcheinungen der chemiſchen Farben, freylich mit noch manchen andern eintretenden Betrachtungen, auf eine ziemlich einfache Weiſe durchfuͤhren.","norm":"Das Gelb und Gelbrote widmet sich den Säuren, das Blau und Blaurote den Alkalien; und so lassen sich die Erscheinungen der chemischen Farben, freilich mit noch manchen anderen eintretenden Betrachtungen, auf eine ziemlich einfache Weise durchführen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1330,"orig":"Da uͤbrigens die Hauptphaͤnomene der chemiſchen Farben bey Saͤuerungen der Metalle vorkommen, ſo ſieht man, wie wichtig dieſe Betrachtung hier an der Spitze ſey.","norm":"Da übrigens die Hauptphänomene der chemischen Farben bei Säuerungen der Metalle vorkommen, so sieht man, wie wichtig diese Betrachtung hier an der Spitze sei."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1331,"orig":"Was uͤbrigens noch weiter zu bedenken eintritt, werden wir unter einzelnen Rubriken naͤher bemerken; wobey wir jedoch ausdruͤcklich erklaͤren, daß wir dem Chemiker nur im allgemeinſten vorzuarbeiten gedenken, ohne uns in irgend ein Beſondres, ohne uns in die zartern chemiſchen Aufgaben und Fragen miſchen oder ſie beantworten zu wollen.","norm":"Was übrigens noch weiter zu bedenken eintritt, werden wir unter einzelnen Rubriken näher bemerken; wobei wir jedoch ausdrücklich erklären, dass wir dem Chemiker nur im allgemeinsten vorzuarbeiten gedenken, ohne uns in irgendein Besonderes, ohne uns in die zarteren chemischen Aufgaben und Fragen mischen oder sie beantworten zu wollen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1332,"orig":"Unſre Abſicht kann nur ſeyn, eine Skizze zu geben, wie ſich allenfalls nach unſerer Ueberzeugung die chemiſche Farbenlehre an die allgemeine phyſiſche anſchließen koͤnnte.","norm":"Unsere Absicht kann nur sein, eine Skizze zu geben, wie sich allenfalls nach unserer Überzeugung die chemische Farbenlehre an die allgemeine physische anschließen könnte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1333,"orig":"Wir haben hiezu ſchon oben bey Gelegenheit der dioptriſchen Farben der erſten Claſſe (155 ff.) einige Schritte gethan.","norm":"Wir haben hiezu schon oben bei Gelegenheit der dioptrischen Farben der ersten Klasse (155 ff.) einige Schritte getan."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1334,"orig":"Durchſichtige Koͤrper ſtehen auf der hoͤchſten Stufe unorganiſcher Materialitaͤt.","norm":"Durchsichtige Körper stehen auf der höchsten Stufe unorganischer Materialität."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1335,"orig":"Zunaͤchſt daran fuͤgt ſich die reine Truͤbe, und das Weiße kann als die vollendete reine Truͤbe angeſehen werden.","norm":"Zunächst daran fügt sich die reine Trübe, und das Weiße kann als die vollendete reine Trübe angesehen werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1336,"orig":"Reines Waſſer zu Schnee kryſtalliſirt erſcheint weiß, indem die Durchſichtigkeit der einzelnen Theile kein durchſichtiges Ganzes macht.","norm":"Reines Wasser zu Schnee kristallisiert erscheint weiß, indem die Durchsichtigkeit der einzelnen Teile kein durchsichtiges Ganzes macht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1337,"orig":"Verſchiedene Salzkryſtalle, denen das Kryſtalliſationswaſſer entweicht, erſcheinen als ein weißes Pulver.","norm":"Verschiedene Salzkristalle, denen das Kristallisationswasser entweicht, erscheinen als ein weißes Pulver."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1338,"orig":"Man koͤnnte den zufaͤllig undurchſichtigen Zuſtand des rein Durchſichtigen Weiß nennen; ſo wie ein zermalmtes Glas als ein weißes Pulver erſcheint.","norm":"Man könnte den zufällig undurchsichtigen Zustand des rein durchsichtigen Weiß nennen; so wie ein zermalmtes Glas als ein weißes Pulver erscheint."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1339,"orig":"Man kann dabey die Aufhebung einer dynamiſchen Verbindung und die Darſtellung der atomiſtiſchen Eigenſchaft der Materie in Betracht ziehn.","norm":"Man kann dabei die Aufhebung einer dynamischen Verbindung und die Darstellung der atomistischen Eigenschaft der Materie in Betracht ziehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1340,"orig":"Die bekannten unzerlegten Erden ſind in ihrem reinen Zuſtand alle weiß.","norm":"Die bekannten unzerlegten Erden sind in ihrem reinen Zustand alle weiß."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1341,"orig":"Sie gehn durch natuͤrliche Kryſtalliſation in Durchſichtigkeit uͤber;","norm":"Sie gehen durch natürliche Kristallisation in Durchsichtigkeit über;"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1342,"orig":"Kieſelerde in den Bergkryſtall, Tonerde in den Glimmer, Bittererde in den Talk, Kalkerde und Schwererde erſcheinen in ſo mancherley Spaͤthen durchſichtig.","norm":"Kieselerde in den Bergkristall, Tonerde in den Glimmer, Bittererde in den Talk, Kalkerde und Schwererde erscheinen in so mancherlei Späten durchsichtig."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1343,"orig":"Da uns bey Faͤrbung mineraliſcher Koͤrper die Metallkalke vorzuͤglich begegnen werden, ſo bemerken wir noch zum Schluſſe, daß angehende gelinde Saͤurungen weiße Kalke darſtellen, wie das Bley durch die Eſſigſaͤure in Bleyweiß verwandelt wird.","norm":"Da uns bei Färbung mineralischer Körper die Metallkalke vorzüglich begegnen werden, so bemerken wir noch zum Schlusse, dass angehende gelinde Säurungen weiße Kalke darstellen, wie das Blei durch die Essigsäure in Bleiweiß verwandelt wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1344,"orig":"Das Schwarze entſpringt uns nicht ſo uranfaͤnglich, wie das Weiße.","norm":"Das Schwarze entspringt uns nicht so uranfänglich, wie das Weiße."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1345,"orig":"Wir treffen es im vegetabiliſchen Reiche bey Halbverbrennungen an, und die Kohle, der auch uͤbrigens hoͤchſt merkwuͤrdige Koͤrper, zeigt uns die ſchwarze Farbe.","norm":"Wir treffen es im vegetabilischen Reiche bei Halbverbrennungen an, und die Kohle, der auch übrigens höchst merkwürdige Körper, zeigt uns die schwarze Farbe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1346,"orig":"Auch wenn Holz, z. B. Breter, durch Licht, Luft und Feuchtigkeit ſeines Brennlichen zum Theil beraubt wird; ſo erſcheint erſt die graue, dann die ſchwarze Farbe.","norm":"Auch wenn Holz, z. B. Bretter, durch Licht, Luft und Feuchtigkeit seines Brennlichen zum Teil beraubt wird; so erscheint erst die graue, dann die schwarze Farbe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1347,"orig":"Wie wir denn auch animaliſche Theile durch eine Halbverbrennung in Kohle verwandeln koͤnnen.","norm":"Wie wir denn auch animalische Teile durch eine Halbverbrennung in Kohle verwandeln können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1348,"orig":"Eben ſo finden wir auch bey den Metallen, daß oft eine Halboxydation ſtatt findet, wenn die ſchwarze Farbe erregt werden ſoll.","norm":"Eben so finden wir auch bei den Metallen, dass oft eine Halboxydation stattfindet, wenn die schwarze Farbe erregt werden soll."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1349,"orig":"So werden durch ſchwache Saͤuerung mehrere Metalle, beſonders das Eiſen, ſchwarz, durch Eſſig, durch gelinde ſaure Gaͤhrungen, z. B. eines Reißdecocts u. ſ. w.","norm":"So werden durch schwache Säuerung mehrere Metalle, besonders das Eisen, schwarz, durch Essig, durch gelinde saure Gärungen, z. B. eines Reisdekokts u. s. w."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1350,"orig":"Nicht weniger laͤßt ſich vermuthen, daß eine Aboder Ruͤckſaͤuerung die ſchwarze Farbe hervorbringe.","norm":"Nicht weniger lässt sich vermuten, dass eine Aboder Rücksäuerung die schwarze Farbe hervorbringe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1351,"orig":"Dieſer Fall iſt bey der Entſtehung der Tinte, da das in der ſtarken Schwefelſaͤure aufgeloͤſte Eiſen gelblich wird, durch die Gallusinfuſion aber zum Theil entſaͤuert nunmehr ſchwarz erſcheint.","norm":"Dieser Fall ist bei der Entstehung der Tinte, da das in der starken Schwefelsäure aufgelöste Eisen gelblich wird, durch die Gallusinfusion aber zum Teil entsäuert nunmehr schwarz erscheint."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1352,"orig":"Als wir oben in der Abtheilung von phyſiſchen Farben truͤbe Mittel behandelten, ſahen wir die Farbe eher, als das Weiße und Schwarze.","norm":"Als wir oben in der Abteilung von physischen Farben trübe Mittel behandelten, sahen wir die Farbe eher, als das Weiße und Schwarze."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1353,"orig":"Nun ſetzen wir ein gewordnes Weißes, ein gewordnes Schwarzes fixirt voraus, und fragen, wie ſich an ihm die Farbe erregen laſſe.","norm":"Nun setzen wir ein gewordenes Weißes, ein gewordenes Schwarzes fixiert voraus, und fragen, wie sich an ihm die Farbe erregen lasse."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1354,"orig":"Auch hier koͤnnen wir ſagen, ein Weißes, das ſich verdunkelt, das ſich truͤbt, wird gelb; das Schwarze, das ſich erhellt, wird blau.","norm":"Auch hier können wir sagen, ein Weißes, das sich verdunkelt, das sich trübt, wird gelb; das Schwarze, das sich erhellt, wird blau."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1355,"orig":"Auf der activen Seite, unmittelbar am Lichte, am Hellen, am Weißen entſteht das Gelbe.","norm":"Auf der aktiven Seite, unmittelbar am Lichte, am Hellen, am Weißen entsteht das Gelbe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1356,"orig":"Wie leicht vergilbt alles, was weiße Oberflaͤchen hat, das Papier, die Leinwand, Baumwolle, Seide, Wachs; beſonders auch durchſichtige Liquoren, welche zum Brennen geneigt ſind, werden leicht gelb, d. h. mit andern Worten, ſie gehen leicht in eine gelinde Truͤbung uͤber.","norm":"Wie leicht vergilbt alles, was weiße Oberflächen hat, das Papier, die Leinwand, Baumwolle, Seide, Wachs; besonders auch durchsichtige Liquoren, welche zum Brennen geneigt sind, werden leicht gelb, d. h. mit anderen Worten, sie gehen leicht in eine gelinde Trübung über."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1357,"orig":"So iſt die Erregung auf der paſſiven Seite am Finſtern, Dunkeln, Schwarzen ſogleich mit der blauen, oder vielmehr mit einer roͤthlich blauen Erſcheinung begleitet.","norm":"So ist die Erregung auf der passiven Seite am Finstern, Dunkeln, Schwarzen sogleich mit der blauen, oder vielmehr mit einer rötlich-blauen Erscheinung begleitet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1358,"orig":"Eiſen in Schwefelſaͤure aufgeloͤſt und ſehr mit Waſſer diluirt bringt in einem gegen das Licht gehaltnen Glaſe, ſobald nur einige Tropfen Gallus dazu kommen, eine ſchoͤne violette Farbe hervor, welche die Eigenſchaften des Rauchtopaſes, das Orphninon eines verbrannten Purpurs, wie ſich die Alten ausdruͤcken, dem Auge darſtellt.","norm":"Eisen in Schwefelsäure aufgelöst und sehr mit Wasser diluiert bringt in einem gegen das Licht gehaltenen Glase, sobald nur einige Tropfen Gallus dazu kommen, eine schöne violette Farbe hervor, welche die Eigenschaften des Rauchtopases, das Orphninon eines verbrannten Purpurs, wie sich die Alten ausdrücken, dem Auge darstellt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1359,"orig":"Ob an den reinen Erden durch chemiſche Operationen der Natur und Kunſt, ohne Beymiſchung von Metallkalken eine Farbe erregt werden koͤnne, iſt eine wichtige Frage, die gewoͤhnlich mit Nein beantwortet wird.","norm":"Ob an den reinen Erden durch chemische Operationen der Natur und Kunst, ohne Beimischung von Metallkalken eine Farbe erregt werden könne, ist eine wichtige Frage, die gewöhnlich mit Nein beantwortet wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1360,"orig":"Sie haͤngt vielleicht mit der Frage zuſammen, inwiefern ſich durch Oxydation den Erden etwas abgewinnen laſſe.","norm":"Sie hängt vielleicht mit der Frage zusammen, inwiefern sich durch Oxydation den Erden etwas abgewinnen lasse."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1361,"orig":"Fuͤr die Verneinung der Frage ſpricht allerdings der Umſtand, daß uͤberall, wo man mineraliſche Farben findet, ſich eine Spur von Metall, beſonders von Eiſen zeigt; wobey man freylich in Betracht zieht, wie leicht ſich das Eiſen oxydire, wie leicht der Eiſenkalk verſchiedene Farben annehme, wie unendlich theilbar derſelbe ſey und wie geſchwind er ſeine Farbe mittheile.","norm":"Für die Verneinung der Frage spricht allerdings der Umstand, dass überall, wo man mineralische Farben findet, sich eine Spur von Metall, besonders von Eisen zeigt; wobei man freilich in Betracht zieht, wie leicht sich das Eisen oxidiere, wie leicht der Eisenkalk verschiedene Farben annehme, wie unendlich teilbar derselbe sei und wie geschwind er seine Farbe mitteile."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1362,"orig":"Demungeachtet waͤre zu wuͤnſchen, daß neue Verſuche hieruͤber angeſtellt, und die Zweifel entweder beſtaͤrkt oder beſeitigt wuͤrden.","norm":"Dem ungeachtet wäre zu wünschen, dass neue Versuche hierüber angestellt, und die Zweifel entweder bestärkt oder beseitigt würden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1363,"orig":"Wie dem auch ſeyn mag, ſo iſt die Receptivitaͤt der Erden gegen ſchon vorhandne Farben ſehr groß, worunter ſich die Alaunerde beſonders auszeichnet.","norm":"Wie dem auch sein mag, so ist die Rezeptivität der Erden gegen schon vorhandene Farben sehr groß, worunter sich die Alaunerde besonders auszeichnet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1364,"orig":"Wenn wir nun zu den Metallen uͤbergehen, welche ſich im unorganiſchen Reiche beynahe privativ das Recht farbig zu erſcheinen zugeeignet haben, ſo finden wir, daß ſie ſich in ihrem reinen, ſelbſtaͤndigen, reguliniſchen Zuſtande ſchon dadurch von den reinen Erden unterſcheiden, daß ſie ſich zu irgend einer Farbe hinneigen.","norm":"Wenn wir nun zu den Metallen übergehen, welche sich im unorganischen Reiche beinahe privativ das Recht farbig zu erscheinen zugeeignet haben, so finden wir, dass sie sich in ihrem reinen, selbständigen, regulinischen Zustande schon dadurch von den reinen Erden unterscheiden, dass sie sich zu irgendeiner Farbe hinneigen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1365,"orig":"Wenn das Silber ſich dem reinen Weißen am meiſten naͤhert, ja das reine Weiß, erhoͤht durch metalliſchen Glanz, wirklich darſtellt, ſo ziehen Stahl, Zinn, Bley u. ſ. w. ins bleiche Blaugraue hinuͤber; dagegen das Gold ſich zum reinen Gelben erhoͤht, das Kupfer zum Rothen hinanruͤckt, welches unter gewiſſen Umſtaͤnden ſich faſt bis zum Purpur ſteigert, durch Zink hingegen wieder zur gelben Goldfarbe hinabgezogen wird.","norm":"Wenn das Silber sich dem reinen Weißen am meisten nähert, ja das reine Weiß, erhöht durch metallischen Glanz, wirklich darstellt, so ziehen Stahl, Zinn, Blei u. s. w. ins bleiche Blaugraue hinüber; dagegen das Gold sich zum reinen Gelben erhöht, das Kupfer zum Roten hinanrückt, welches unter gewissen Umständen sich fast bis zum Purpur steigert, durch Zink hingegen wieder zur gelben Goldfarbe hinabgezogen wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1366,"orig":"Zeigen Metalle nun im gediegenen Zuſtande ſolche ſpecifiſche Determinationen zu dieſem oder jenem Farbenausdruck, ſo werden ſie durch die Wirkung der Oxydation gewiſſermaßen in eine gemeinſame Lage verſetzt.","norm":"Zeigen Metalle nun im gediegenen Zustande solche spezifische Determinationen zu diesem oder jenem Farbenausdruck, so werden sie durch die Wirkung der Oxydation gewissermaßen in eine gemeinsame Lage versetzt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1367,"orig":"Denn die Elementarfarben treten nun rein hervor, und obgleich dieſes und jenes Metall zu dieſer oder jener Farbe eine beſondre Beſtimmbarkeit zu haben ſcheint, ſo wiſſen wir doch von einigen, daß ſie den ganzen Farbenkreis durchlaufen koͤnnen, von andern, daß ſie mehr als eine Farbe darzuſtellen faͤhig ſind; wobey ſich jedoch das Zinn durch ſeine Unfaͤrblichkeit auszeichnet.","norm":"Denn die Elementarfarben treten nun rein hervor, und obgleich dieses und jenes Metall zu dieser oder jener Farbe eine besondere Bestimmbarkeit zu haben scheint, so wissen wir doch von einigen, dass sie den ganzen Farbenkreis durchlaufen können, von anderen, dass sie mehr als eine Farbe darzustellen fähig sind; wobei sich jedoch das Zinn durch seine Unfärblichkeit auszeichnet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1368,"orig":"Wir geben kuͤnftig eine Tabelle, in wiefern die verſchiedenen Metalle mehr oder weniger durch die verſchiedenen Farben durchgefuͤhrt werden koͤnnen.","norm":"Wir geben künftig eine Tabelle, inwiefern die verschiedenen Metalle mehr oder weniger durch die verschiedenen Farben durchgeführt werden können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1369,"orig":"Daß die reine glatte Oberflaͤche eines gediegenen Metalles bey Erhitzung von einem Farbenhauch uͤberzogen wird, welcher mit ſteigender Waͤrme eine Reihe von Erſcheinungen durchlaͤuft, deutet nach unſerer Ueberzeugung auf die Faͤhigkeit der Metalle, den ganzen Farbenkreis zu durchlaufen.","norm":"Dass die reine glatte Oberfläche eines gediegenen Metalles bei Erhitzung von einem Farbenhauch überzogen wird, welcher mit steigender Wärme eine Reihe von Erscheinungen durchläuft, deutet nach unserer Überzeugung auf die Fähigkeit der Metalle, den ganzen Farbenkreis zu durchlaufen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1370,"orig":"Am ſchoͤnſten werden wir dieſes Phaͤnomen am polirten Stahl gewahr; aber Silber, Kupfer, Meſſing, Bley, Zinn laſſen uns leicht aͤhnliche Erſcheinungen ſehen.","norm":"Am schönsten werden wir dieses Phänomen am polierten Stahl gewahr; aber Silber, Kupfer, Messing, Blei, Zinn lassen uns leicht ähnliche Erscheinungen sehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1371,"orig":"Wahrſcheinlich iſt hier eine oberflaͤchliche Saͤurung im Spiele, wie man aus der fortgeſetzten Operation, beſonders bey den leichter verkalklichen Metallen ſchließen kann.","norm":"Wahrscheinlich ist hier eine oberflächliche Säuerung im Spiele, wie man aus der fortgesetzten Operation, besonders bei den leichter verkalkbaren Metallen schließen kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1372,"orig":"Daß ein gegluͤhtes Eiſen leichter eine Saͤurung durch ſaure Liquoren erleidet, ſcheint auch dahin zu deuten, indem eine Wirkung der andern entgegenkommt.","norm":"Dass ein geglühtes Eisen leichter eine Säuerung durch saure Liquoren erleidet, scheint auch dahin zu deuten, indem eine Wirkung der anderen entgegenkommt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1373,"orig":"Noch bemerken wir, daß der Stahl, je nachdem er in verſchiedenen Epochen ſeiner Farbenerſcheinung gehaͤrtet wird, einigen Unterſchied der Elaſticitaͤt zeigen ſoll; welches ganz naturgemaͤß iſt, indem die verſchiedenen Farbenerſcheinungen die verſchiedenen Grade der Hitze andeuten.","norm":"Noch bemerken wir, dass der Stahl, je nachdem er in verschiedenen Epochen seiner Farbenerscheinung gehärtet wird, einigen Unterschied der Elastizität zeigen soll; welches ganz naturgemäß ist, indem die verschiedenen Farbenerscheinungen die verschiedenen Grade der Hitze andeuten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1374,"orig":"Geht man uͤber dieſen oberflaͤchlichen Hauch, uͤber dieſes Haͤutchen hinweg, beobachtet man, wie Metalle in Maſſen penetrativ geſaͤuert werden, ſo erſcheint mit dem erſten Grade, Weiß oder Schwarz, wie man beym Bleyweiß, Eiſen und Queckſilber bemerken kann.","norm":"Geht man über diesen oberflächlichen Hauch, über dieses Häutchen hinweg, beobachtet man, wie Metalle in Massen penetrant gesäuert werden, so erscheint mit dem ersten Grade, Weiß oder Schwarz, wie man beim Bleiweiß, Eisen und Quecksilber bemerken kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1375,"orig":"Fragen wir nun weiter nach eigentlicher Erregung der Farbe, ſo finden wir ſie auf der Plusſeite am haͤufigſten.","norm":"Fragen wir nun weiter nach eigentlicher Erregung der Farbe, so finden wir sie auf der Plusseite am häufigsten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1376,"orig":"Das oft erwaͤhnte Anlaufen glatter metalliſcher Flaͤchen geht von dem Gelben aus.","norm":"Das oft erwähnte Anlaufen glatter metallischer Flächen geht von dem Gelben aus."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1377,"orig":"Das Eiſen geht bald in den gelben Ocher, das Bley aus dem Bleyweiß in den Maſſicot, das Queckſilber aus dem Aethiops in den gelben Turbith hinuͤber.","norm":"Das Eisen geht bald in den gelben Ocker, das Blei aus dem Bleiweiß in den Massicot, das Quecksilber aus dem Aithiops in den gelben Turbith hinüber."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1378,"orig":"Die Aufloͤſungen des Goldes und der Platina in Saͤuren ſind gelb.","norm":"Die Auflösungen des Goldes und der Platina in Säuren sind gelb."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1379,"orig":"Die Erregungen auf der Minusſeite ſind ſeltner.","norm":"Die Erregungen auf der Minusseite sind seltener."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1380,"orig":"Ein wenig geſaͤuertes Kupfer erſcheint blau.","norm":"Ein wenig gesäuertes Kupfer erscheint blau."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1381,"orig":"Bey Bereitung des Berlinerblau ſind Alcalien im Spiele.","norm":"Bei Bereitung des Berlinerblau sind Alkalien im Spiele."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1382,"orig":"Ueberhaupt aber ſind dieſe Farbenerſcheinungen von ſo beweglicher Art, daß die Chemiker ſelbſt, ſobald ſie ins Feinere gehen, ſie als truͤgliche Kennzeichen betrachten.","norm":"Überhaupt aber sind diese Farbenerscheinungen von so beweglicher Art, dass die Chemiker selbst, sobald sie ins Feinere gehen, sie als trügliche Kennzeichen betrachten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1383,"orig":"Wir aber koͤnnen zu unſern Zwecken dieſe Materie nur im Durchſchnitt behandeln, und wollen nur ſo viel bemerken, daß man vielleicht die metalliſchen Farbenerſcheinungen, wenigſtens zum didaktiſchen Behuf, einſtweilen ordnen koͤnne, wie ſie durch Saͤurung, Aufſaͤurung, Abſaͤurung und Entſaͤurung entſtehen, ſich auf mannigfaltige Weiſe zeigen und verſchwinden.","norm":"Wir aber können zu unseren Zwecken diese Materie nur im Durchschnitt behandeln, und wollen nur so viel bemerken, dass man vielleicht die metallischen Farbenerscheinungen, wenigstens zum didaktischen Behuf, einstweilen ordnen könne, wie sie durch Säuerung, Aufsäurung, Absäuerung und Entsäuerung entstehen, sich auf mannigfaltige Weise zeigen und verschwinden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1384,"orig":"Die Steigerung erſcheint uns als eine in ſich ſelbſt Draͤngung, Saͤttigung, Beſchattung der Farben.","norm":"Die Steigerung erscheint uns als eine Insichselbstdrängung, Sättigung, Beschattung der Farben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1385,"orig":"So haben wir ſchon oben bey farbloſen Mitteln geſehen, daß wir durch Vermehrung der Truͤbe einen leuchtenden Gegenſtand vom leiſeſten Gelb bis zum hoͤchſten Rubinroth ſteigern koͤnnen.","norm":"So haben wir schon oben bei farblosen Mitteln gesehen, dass wir durch Vermehrung der Trübe einen leuchtenden Gegenstand vom leisesten Gelb bis zum höchsten Rubinrot steigern können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1386,"orig":"Umgekehrt ſteigert ſich das Blau in das ſchoͤnſte Violett, wenn wir eine erleuchtete Truͤbe vor der Finſterniß verduͤnnen und vermindern (150.","norm":"Umgekehrt steigert sich das Blau in das schönste Violett, wenn wir eine erleuchtete Trübe vor der Finsternis verdünnen und vermindern (150."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1387,"orig":"151.)","norm":"151.)"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1388,"orig":"Iſt die Farbe ſpecificirt, ſo tritt ein Aehnliches hervor.","norm":"Ist die Farbe spezifiziert, so tritt ein Ähnliches hervor."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1389,"orig":"Man laſſe nehmlich Stufengefaͤße aus weißem Porcellan machen, und fuͤlle das eine mit einer reinen gelben Feuchtigkeit, ſo wird dieſe von oben herunter bis auf den Boden ſtufenweiſe immer roͤther und zuletzt orange erſcheinen.","norm":"Man lasse nämlich Stufengefäße aus weißem Porzellan machen, und fülle das eine mit einer reinen gelben Feuchtigkeit, so wird diese von oben herunter bis auf den Boden stufenweise immer röter und zuletzt orange erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1390,"orig":"In das andre Gefaͤß gieße man eine blaue reine Solution, die oberſten Stufen werden ein Himmelblau, der Grund des Gefaͤßes ein ſchoͤnes Violett zeigen.","norm":"In das andere Gefäß gieße man eine blaue reine Solution, die obersten Stufen werden ein Himmelblau, der Grund des Gefäßes ein schönes Violett zeigen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1391,"orig":"Stellt man das Gefaͤß in die Sonne, ſo iſt die Schattenſeite der obern Stufen auch ſchon violett.","norm":"Stellt man das Gefäß in die Sonne, so ist die Schattenseite der oberen Stufen auch schon violett."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1392,"orig":"Wirft man mit der Hand, oder einem andern Gegenſtande, Schatten uͤber den erleuchteten Theil des Gefaͤßes, ſo erſcheint dieſer Schatten gleichfalls roͤthlich.","norm":"Wirft man mit der Hand, oder einem anderen Gegenstande, Schatten über den erleuchteten Teil des Gefäßes, so erscheint dieser Schatten gleichfalls rötlich."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1393,"orig":"Es iſt dieſes eine der wichtigſten Erſcheinungen in der Farbenlehre, indem wir ganz greiflich erfahren, daß ein quantitatives Verhaͤltniß einen qualitativen Eindruck auf unſre Sinne hervorbringe.","norm":"Es ist dieses eine der wichtigsten Erscheinungen in der Farbenlehre, indem wir ganz greiflich erfahren, dass ein quantitatives Verhältnis einen qualitativen Eindruck auf unsere Sinne hervorbringe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1394,"orig":"Und indem wir ſchon fruͤher, bey Gelegenheit der letzten epoptiſchen Farben (452), unſre Vermuthungen eroͤffnet, wie man das Anlaufen des Stahls vielleicht aus der Lehre von truͤben Mitteln herleiten koͤnnte; ſo bringen wir dieſes hier abermals ins Gedaͤchtniß.","norm":"Und indem wir schon früher, bei Gelegenheit der letzten epoptischen Farben (452), unsere Vermutungen eröffnet, wie man das Anlaufen des Stahls vielleicht aus der Lehre von trüben Mitteln herleiten könnte; so bringen wir dieses hier abermals ins Gedächtnis."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1395,"orig":"Uebrigens folgt alle chemiſche Steigerung unmittelbar auf die Erregung.","norm":"Übrigens folgt alle chemische Steigerung unmittelbar auf die Erregung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1396,"orig":"Sie geht unaufhaltſam und ſtetig fort; wobey man zu bemerken hat, daß die Steigerung auf der Plusſeite die gewoͤhnlichſte iſt.","norm":"Sie geht unaufhaltsam und stetig fort; wobei man zu bemerken hat, dass die Steigerung auf der Plusseite die gewöhnlichste ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1397,"orig":"Der gelbe Eiſenocher ſteigert ſich ſowohl durchs Feuer, als durch andre Operationen zu einer ſehr hohen Roͤthe.","norm":"Der gelbe Eisenocker steigert sich sowohl durchs Feuer, als durch andere Operationen zu einer sehr hohen Röte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1398,"orig":"Maſſicot wird in Mennige, Turbith in Zinnober geſteigert; welcher letztere ſchon auf eine ſehr hohe Stufe des Gelbrothen gelangt.","norm":"Massicot wird in Mennige, Turbith in Zinnober gesteigert; welcher letztere schon auf eine sehr hohe Stufe des Gelbroten gelangt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1399,"orig":"Eine innige Durchdringung des Metalls durch die Saͤure, eine Theilung deſſelben ins empiriſch Unendliche geht hierbey vor.","norm":"Eine innige Durchdringung des Metalls durch die Säure, eine Teilung desselben ins empirisch Unendliche geht hierbei vor."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1400,"orig":"Die Steigerung auf der Minusſeite iſt ſeltner, ob wir gleich bemerken, daß je reiner und gedraͤngter das Berlinerblau oder das Kobaltglas bereitet wird, es immer einen roͤthlichen Schein annimmt und mehr ins Violette ſpielt.","norm":"Die Steigerung auf der Minusseite ist seltener, ob wir gleich bemerken, dass je reiner und gedrängter das Berlinerblau oder das Kobaltglas bereitet wird, es immer einen rötlichen Schein annimmt und mehr ins Violette spielt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1401,"orig":"Fuͤr dieſe unmerkliche Steigerung des Gelben und Blauen ins Rothe haben die Franzoſen einen artigen Ausdruck, indem ſie ſagen, die Farbe habe einen Oeil de Rouge, welches wir durch einen roͤthlichen Blick ausdruͤcken koͤnnten.","norm":"Für diese unmerkliche Steigerung des Gelben und Blauen ins Rote haben die Franzosen einen artigen Ausdruck, indem sie sagen, die Farbe habe einen Oeil de Rouge, welches wir durch einen rötlichen Blick ausdrücken könnten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1402,"orig":"Sie erfolgt bey fortſchreitender Steigerung.","norm":"Sie erfolgt bei fortschreitender Steigerung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1403,"orig":"Das Rothe, worin weder Gelb noch Blau zu entdecken iſt, macht hier den Zenith.","norm":"Das Rote, worin weder Gelb noch Blau zu entdecken ist, macht hier den Zenit."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1404,"orig":"Suchen wir ein auffallendes Beyſpiel einer Culmination von der Plusſeite her; ſo finden wir es abermals beym anlaufenden Stahl, welcher bis in den Purpurzenith gelangt und auf dieſem Puncte feſtgehalten werden kann.","norm":"Suchen wir ein auffallendes Beispiel einer Kulmination von der Plusseite her; so finden wir es abermals beim anlaufenden Stahl, welcher bis in den Purpurzenit gelangt und auf diesem Punkte festgehalten werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1405,"orig":"Sollen wir die vorhin (516) angegebene Terminologie hier anwenden, ſo wuͤrden wir ſagen, die erſte Saͤuerung bringe das Gelbe hervor, die Aufſaͤurung das Gelbrothe; hier entſtehe ein gewiſſes Summum, da denn eine Abſaͤurung und endlich eine Entſaͤurung eintrete.","norm":"Sollen wir die vorhin (516) angegebene Terminologie hier anwenden, so würden wir sagen, die erste Säuerung bringe das Gelbe hervor, die Aufsäurung das Gelbrote; hier entstehe ein gewisses Summum, da denn eine Absäuerung und endlich eine Entsäuerung eintrete."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1406,"orig":"Hohe Puncte von Saͤuerung bringen eine Purpurfarbe hervor.","norm":"Hohe Punkte von Säuerung bringen eine Purpurfarbe hervor."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1407,"orig":"Gold aus ſeiner Aufloͤſung durch Zinnaufloͤſung gefaͤllt, erſcheint purpurfarben.","norm":"Gold aus seiner Auflösung durch Zinnauflösung gefällt, erscheint purpurfarben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1408,"orig":"Das Oxyd des Arſeniks mit Schwefel verbunden bringt eine Rubinfarbe hervor.","norm":"Das Oxyd des Arseniks mit Schwefel verbunden bringt eine Rubinfarbe hervor."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1409,"orig":"Wiefern aber eine Art von Abſaͤurung bey mancher Culmination mitwirke, waͤre zu unterſuchen: denn eine Einwirkung der Alcalien auf das Gelbrothe ſcheint auch die Culmination hervorzubringen, indem die Farbe gegen das Minus zu in den Zenith genoͤthigt wird.","norm":"Wiefern aber eine Art von Absäuerung bei mancher Kulmination mitwirke, wäre zu untersuchen: denn eine Einwirkung der Alkalien auf das Gelbrote scheint auch die Kulmination hervorzubringen, indem die Farbe gegen das Minus zu in den Zenit genötigt wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1410,"orig":"Aus dem beſten ungariſchen Zinnober, welcher das hoͤchſte Gelbroth zeigt, bereiten die Hollaͤnder eine Farbe, die man Vermillon nennt.","norm":"Aus dem besten ungarischen Zinnober, welcher das höchste Gelbrot zeigt, bereiten die Holländer eine Farbe, die man Vermillon nennt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1411,"orig":"Es iſt auch nur ein Zinnober, der ſich aber der Purpurfarbe naͤhert, und es laͤßt ſich vermuthen, daß man durch Alcalien ihn der Culmination naͤher zu bringen ſucht.","norm":"Es ist auch nur ein Zinnober, der sich aber der Purpurfarbe nähert, und es lässt sich vermuten, dass man durch Alkalien ihn der Kulmination näherzubringen sucht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1412,"orig":"Vegetabiliſche Saͤfte ſind, auf dieſe Weiſe behandelt, ein in die Augen fallendes Beyſpiel.","norm":"Vegetabilische Säfte sind, auf diese Weise behandelt, ein in die Augen fallendes Beispiel."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1413,"orig":"Gurcuma, Orlean, Safflor und andre, deren faͤrbendes Weſen man mit Weingeiſt ausgezogen, und nun Tincturen von gelber, gelb- und hyacinthrother Farbe vor ſich hat, gehen durch Beymiſchung von Alcalien in den Zenith, ja druͤber hinaus nach dem Blaurothen zu.","norm":"Kurkuma, Orlean, Safflor und andere, deren färbendes Wesen man mit Weingeist ausgezogen, und nun Tinkturen von gelber, gelb- und hyazinthroter Farbe vor sich hat, gehen durch Beimischung von Alkalien in den Zenit, ja drüber hinaus nach dem Blauroten zu."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1414,"orig":"Kein Fall einer Culmination von der Minusſeite iſt mir im mineraliſchen und vegetabiliſchen Reiche bekannt.","norm":"Kein Fall einer Kulmination von der Minusseite ist mir im mineralischen und vegetabilischen Reiche bekannt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1415,"orig":"In dem animaliſchen iſt der Saft der Purpurſchnecke merkwuͤrdig, von deſſen Steigerung und Culmination von der Minusſeite her, wir kuͤnftig ſprechen werden.","norm":"In dem animalischen ist der Saft der Purpurschnecke merkwürdig, von dessen Steigerung und Kulmination von der Minusseite her, wir künftig sprechen werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1416,"orig":"Die Beweglichkeit der Farbe iſt ſo groß, daß ſelbſt diejenigen Pigmente, welche man glaubt ſpecificirt zu haben, ſich wieder hin und her wenden laſſen.","norm":"Die Beweglichkeit der Farbe ist so groß, dass selbst diejenigen Pigmente, welche man glaubt spezifiziert zu haben, sich wieder hin und her wenden lassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1417,"orig":"Sie iſt in der Naͤhe des Culminationspunctes am merkwuͤrdigſten, und wird durch wechſelsweiſe Anwendung der Saͤuren und Alcalien am auffallendſten bewirkt.","norm":"Sie ist in der Nähe des Kulminationspunktes am merkwürdigsten, und wird durch wechselweise Anwendung der Säuren und Alkalien am auffallendsten bewirkt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1418,"orig":"Die Franzoſen bedienen ſich, um dieſe Erſcheinung bey der Faͤrberey auszudruͤcken, des Wortes virer, welches von einer Seite nach der andern wenden heißt, und druͤcken dadurch auf eine ſehr geſchickte Weiſe dasjenige aus, was man ſonſt durch Miſchungsverhaͤltniſſe zu bezeichnen und anzugeben verſucht.","norm":"Die Franzosen bedienen sich, um diese Erscheinung bei der Färberei auszudrücken, des Wortes virer, welches von einer Seite nach der anderen wenden heißt, und drücken dadurch auf eine sehr geschickte Weise dasjenige aus, was man sonst durch Mischungsverhältnisse zu bezeichnen und anzugeben versucht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1419,"orig":"Hievon iſt diejenige Operation, die wir mit dem Lacmus zu machen pflegen, eine der bekannteſten und auffallendſten.","norm":"Hiervon ist diejenige Operation, die wir mit dem Lackmus zu machen pflegen, eine der bekanntesten und auffallendsten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1420,"orig":"Lacmus iſt ein Farbematerial, das durch Alcalien zum Rothblauen ſpecificirt worden.","norm":"Lackmus ist ein Farbematerial, das durch Alkalien zum Rotblauen spezifiziert worden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1421,"orig":"Es wird dieſes ſehr leicht durch Saͤuren ins Rothgelbe hinuͤber und durch Alcalien wieder heruͤber gezogen.","norm":"Es wird dieses sehr leicht durch Säuren ins Rotgelbe hinüber und durch Alkalien wieder herübergezogen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1422,"orig":"In wie fern in dieſem Fall durch zarte Verſuche ein Culminationspunct zu entdecken und feſtzuhalten ſey, wird denen, die in dieſer Kunſt geuͤbt ſind, uͤberlaſſen, ſo wie die Faͤrbekunſt, beſonders die Scharlachfaͤrberey, von dieſem Hin- und Herwenden mannigfaltige Beyſpiele zu liefern im Stande iſt.","norm":"Inwiefern in diesem Fall durch zarte Versuche ein Kulminationspunkt zu entdecken und festzuhalten sei, wird denen, die in dieser Kunst geübt sind, überlassen, so wie die Färbekunst, besonders die Scharlachfärberei, von diesem Hin- und Herwenden mannigfaltige Beispiele zu liefern imstande ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1423,"orig":"Die Erregung und Steigerung kommt mehr auf der Plus- als auf der Minus-Seite vor.","norm":"Die Erregung und Steigerung kommt mehr auf der Plus- als auf der Minusseite vor."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1424,"orig":"So geht auch die Farbe, bey Durchwanderung des ganzen Wegs, meiſt von der Plus-Seite aus.","norm":"So geht auch die Farbe, bei Durchwanderung des ganzen Wegs, meist von der Plusseite aus."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1425,"orig":"Eine ſtaͤtige in die Augen fallende Durchwanderung des Wegs, vom Gelben durchs Rothe zum Blauen, zeigt ſich beym Anlaufen des Stahls.","norm":"Eine stetige in die Augen fallende Durchwanderung des Wegs, vom Gelben durchs Rote zum Blauen, zeigt sich beim Anlaufen des Stahls."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1426,"orig":"Die Metalle laſſen ſich durch verſchiedene Stufen und Arten der Oxydation auf verſchiedenen Puncten des Farbenkreiſes ſpecificiren.","norm":"Die Metalle lassen sich durch verschiedene Stufen und Arten der Oxydation auf verschiedenen Punkten des Farbenkreises spezifizieren."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1427,"orig":"Da ſie auch gruͤn erſcheinen, ſo iſt die Frage, ob man eine ſtaͤtige Durchwandrung aus dem Gelben durchs Gruͤne ins Blaue, und umgekehrt, in dem Mineralreiche kennt.","norm":"Da sie auch grün erscheinen, so ist die Frage, ob man eine stetige Durchwanderung aus dem Gelben durchs Grüne ins Blaue, und umgekehrt, in dem Mineralreiche kennt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1428,"orig":"Eiſenkalk mit Glas zuſammengeſchmolzen bringt erſt eine gruͤne, bey verſtaͤrktem Feuer eine blaue Farbe hervor.","norm":"Eisenkalk mit Glas zusammengeschmolzen bringt erst eine grüne, bei verstärktem Feuer eine blaue Farbe hervor."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1429,"orig":"Es iſt wohl hier am Platz, von dem Gruͤnen uͤberhaupt zu ſprechen.","norm":"Es ist wohl hier am Platz, von dem Grünen überhaupt zu sprechen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1430,"orig":"Es entſteht vor uns vorzuͤglich im atomiſtiſchen Sinne und zwar voͤllig rein, wenn wir Gelb und Blau zuſammenbringen; allein auch ſchon ein unreines beſchmutztes Gelb bringt uns den Eindruck des Gruͤnlichen hervor.","norm":"Es entsteht vor uns vorzüglich im atomistischen Sinne und zwar völlig rein, wenn wir Gelb und Blau zusammenbringen; allein auch schon ein unreines beschmutztes Gelb bringt uns den Eindruck des Grünlichen hervor."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1431,"orig":"Gelb mit Schwarz macht ſchon Gruͤn; aber auch dieſes leitet ſich davon ab, daß Schwarz mit dem Blauen verwandt iſt.","norm":"Gelb mit Schwarz macht schon Grün; aber auch dieses leitet sich davon ab, dass Schwarz mit dem Blauen verwandt ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1432,"orig":"Ein unvollkommnes Gelb, wie das Schwefelgelb, giebt uns den Eindruck von einem Gruͤnlichen.","norm":"Ein unvollkommenes Gelb, wie das Schwefelgelb, gibt uns den Eindruck von einem Grünlichen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1433,"orig":"Eben ſo werden wir ein unvollkommenes Blau als gruͤn gewahr.","norm":"Ebenso werden wir ein unvollkommenes Blau als grün gewahr."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1434,"orig":"Das Gruͤne der Weinflaſchen entſteht, ſo ſcheint es, durch eine unvollkommene Verbindung des Eiſenkalks mit dem Glaſe.","norm":"Das Grüne der Weinflaschen entsteht, so scheint es, durch eine unvollkommene Verbindung des Eisenkalks mit dem Glase."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1435,"orig":"Bringt man durch groͤßere Hitze eine vollkommenere Verbindung hervor, ſo entſteht ein ſchoͤnes blaues Glas.","norm":"Bringt man durch größere Hitze eine vollkommenere Verbindung hervor, so entsteht ein schönes blaues Glas."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1436,"orig":"Aus allem dieſem ſcheint ſo viel hervorzugehen, daß eine gewiſſe Kluft zwiſchen Gelb und Blau in der Natur ſich findet, welche zwar durch Verſchraͤnkung und Vermiſchung atomiſtiſch gehoben, und zum Gruͤnen verknuͤpft werden kann, daß aber eigentlich die wahre Vermittlung vom Gelben und Blauen nur durch das Rothe geſchieht.","norm":"Aus allem diesem scheint so viel hervorzugehen, dass eine gewisse Kluft zwischen Gelb und Blau in der Natur sich findet, welche zwar durch Verschränkung und Vermischung atomistisch gehoben, und zum Grünen verknüpft werden kann, dass aber eigentlich die wahre Vermittlung vom Gelben und Blauen nur durch das Rote geschieht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1437,"orig":"Was jedoch dem Unorganiſchen nicht gemaͤß zu ſeyn ſcheint, das werden wir, wenn von organiſchen Naturen die Rede iſt, moͤglich finden, indem in dieſem letzten Reiche eine ſolche Durchwandrung des Kreiſes vom Gelben durchs Gruͤne und Blaue bis zum Purpur wirklich vorkommt.","norm":"Was jedoch dem Unorganischen nicht gemäß zu sein scheint, das werden wir, wenn von organischen Naturen die Rede ist, möglich finden, indem in diesem letzten Reiche eine solche Durchwanderung des Kreises vom Gelben durchs Grüne und Blaue bis zum Purpur wirklich vorkommt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1438,"orig":"Auch eine unmittelbare Umkehrung in den geforderten Gegenſatz zeigt ſich als eine ſehr merkwuͤrdige Erſcheinung, wovon wir gegenwaͤrtig nur folgendes anzugeben wiſſen.","norm":"Auch eine unmittelbare Umkehrung in den geforderten Gegensatz zeigt sich als eine sehr merkwürdige Erscheinung, wovon wir gegenwärtig nur Folgendes anzugeben wissen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1439,"orig":"Das mineraliſche Chamaͤleon, welches eigentlich ein Braunſteinoxyd enthaͤlt, kann man in ſeinem ganz trocknen Zuſtande als ein gruͤnes Pulver anſehen.","norm":"Das mineralische Chamäleon, welches eigentlich ein Braunsteinoxyd enthält, kann man in seinem ganz trocknen Zustande als ein grünes Pulver ansehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1440,"orig":"Streut man es in Waſſer, ſo zeigt ſich in dem erſten Augenblick der Aufloͤſung die gruͤne Farbe ſehr ſchoͤn; aber ſie verwandelt ſich ſogleich in die dem Gruͤnen entgegengeſetzte Purpurfarbe, ohne daß irgend eine Zwiſchenſtufe bemerklich waͤre.","norm":"Streut man es in Wasser, so zeigt sich in dem ersten Augenblick der Auflösung die grüne Farbe sehr schön; aber sie verwandelt sich sogleich in die dem Grünen entgegengesetzte Purpurfarbe, ohne dass irgendeine Zwischenstufe bemerkbar wäre."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1441,"orig":"Derſelbe Fall iſt mit der ſympathetiſchen Tinte, welche auch als ein roͤthlicher Liquor angeſehen werden kann, deſſen Austrocknung durch Waͤrme die gruͤne Farbe auf dem Papiere zeigt.","norm":"Derselbe Fall ist mit der sympathetischen Tinte, welche auch als ein rötlicher Likör angesehen werden kann, dessen Austrocknung durch Wärme die grüne Farbe auf dem Papiere zeigt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1442,"orig":"Eigentlich ſcheint hier der Conflict zwiſchen Trockne und Feuchtigkeit dieſes Phaͤnomen hervorzubringen, wie, wenn wir uns nicht irren, auch ſchon von den Scheidekuͤnſtlern angegeben worden.","norm":"Eigentlich scheint hier der Konflikt zwischen Trockne und Feuchtigkeit dieses Phänomen hervorzubringen, wie, wenn wir uns nicht irren, auch schon von den Scheidekünstlern angegeben worden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1443,"orig":"Was ſich weiter daraus ableiten, woran ſich dieſe Phaͤnomene anknuͤpfen laſſen, daruͤber koͤnnen wir von der Zeit hinlaͤngliche Belehrung erwarten.","norm":"Was sich weiter daraus ableiten, woran sich diese Phänomene anknüpfen lassen, darüber können wir von der Zeit hinlängliche Belehrung erwarten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1444,"orig":"So beweglich wir bisher die Farbe, ſelbſt bey ihrer koͤrperlichen Erſcheinung geſehen haben, ſo fixirt ſie ſich doch zuletzt unter gewiſſen Umſtaͤnden.","norm":"So beweglich wir bisher die Farbe, selbst bei ihrer körperlichen Erscheinung gesehen haben, so fixiert sie sich doch zuletzt unter gewissen Umständen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1445,"orig":"Es giebt Koͤrper, welche faͤhig ſind ganz in Farbeſtoff verwandelt zu werden, und hier kann man ſagen, die Farbe fixire ſich in ſich ſelbſt, beharre auf einer gewiſſen Stufe und ſpecificire ſich.","norm":"Es gibt Körper, welche fähig sind ganz in Farbstoff verwandelt zu werden, und hier kann man sagen, die Farbe fixiere sich in sich selbst, beharre auf einer gewissen Stufe und spezifiziere sich."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1446,"orig":"So entſtehen Faͤrbematerialien aus allen Reichen, deren beſonders das vegetabiliſche eine große Menge darbietet, worunter doch einige ſich beſonders auszeichnen und als die Stellvertreter der andern angeſehen werden koͤnnen; wie auf der activen Seite der Krapp, auf der paſſiven der Indig.","norm":"So entstehen Färbematerialien aus allen Reichen, deren besonders das vegetabilische eine große Menge darbietet, worunter doch einige sich besonders auszeichnen und als die Stellvertreter der anderen angesehen werden können; wie auf der aktiven Seite der Krapp, auf der passiven der Indigo."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1447,"orig":"Um dieſe Materialien bedeutend und zum Gebrauch vortheilhaft zu machen, gehoͤrt, daß die faͤrbende Eigenſchaft in ihnen innig zuſammengedraͤngt und der faͤrbende Stoff zu einer unendlichen empiriſchen Theilbarkeit erhoben werde, welches auf allerley Weiſe und beſonders bey den genannten durch Gaͤhrung und Faͤulniß hervorgebracht wird.","norm":"Um diese Materialien bedeutend und zum Gebrauch vorteilhaft zu machen, gehört, dass die färbende Eigenschaft in ihnen innig zusammengedrängt und der färbende Stoff zu einer unendlichen empirischen Teilbarkeit erhoben werde, welches auf allerlei Weise und besonders bei den genannten durch Gärung und Fäulnis hervorgebracht wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1448,"orig":"Dieſe materiellen Farbenſtoffe fixiren ſich nun wieder an andern Koͤrpern.","norm":"Diese materiellen Farbenstoffe fixieren sich nun wieder an anderen Körpern."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1449,"orig":"So werfen ſie ſich im Mineralreich an Erden und Metallkalke, ſie verbinden ſich durch Schmelzung mit Glaͤſern und erhalten hier bey durchſcheinendem Licht die hoͤchſte Schoͤnheit, ſo wie man ihnen eine ewige Dauer zuſchreiben kann.","norm":"So werfen sie sich im Mineralreich an Erden und Metallkalke, sie verbinden sich durch Schmelzung mit Gläsern und erhalten hier bei durchscheinendem Licht die höchste Schönheit, so wie man ihnen eine ewige Dauer zuschreiben kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1450,"orig":"Vegetabiliſche und animaliſche Koͤrper ergreifen ſie mit mehr oder weniger Gewalt und halten daran mehr oder weniger feſt, theils ihrer Natur nach, wie denn Gelb vergaͤnglicher iſt als Blau, oder nach der Natur der Unterlagen.","norm":"Vegetabilische und animalische Körper ergreifen sie mit mehr oder weniger Gewalt und halten daran mehr oder weniger fest, teils ihrer Natur nach, wie denn Gelb vergänglicher ist als Blau, oder nach der Natur der Unterlagen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1451,"orig":"An vegetabiliſchen dauern ſie weniger als an animaliſchen, und ſelbſt innerhalb dieſer Reiche giebt es abermals Verſchiedenheit.","norm":"An vegetabilischen dauern sie weniger als an animalischen, und selbst innerhalb dieser Reiche gibt es abermals Verschiedenheit."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1452,"orig":"Flachs- oder baumwollnes Garn, Seide oder Wolle zeigen gar verſchiedene Verhaͤltniſſe zu den Faͤrbeſtoffen.","norm":"Flachs- oder baumwollenes Garn, Seide oder Wolle zeigen gar verschiedene Verhältnisse zu den Färbestoffen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1453,"orig":"Hier tritt nun die wichtige Lehre von den Beizen hervor, welche als Vermittler zwiſchen der Farbe und dem Koͤrper angeſehen werden koͤnnen.","norm":"Hier tritt nun die wichtige Lehre von den Beizen hervor, welche als Vermittler zwischen der Farbe und dem Körper angesehen werden können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1454,"orig":"Die Faͤrbebuͤcher ſprechen hievon umſtaͤndlich.","norm":"Die Färbebücher sprechen hiervon umständlich."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1455,"orig":"Uns ſey genug dahin gedeutet zu haben, daß durch dieſe Operationen die Farbe eine nur mit dem Koͤrper zu verwuͤſtende Dauer erhaͤlt, ja ſogar durch den Gebrauch an Klarheit und Schoͤnheit wachſen kann.","norm":"Uns sei genug dahin gedeutet zu haben, dass durch diese Operationen die Farbe eine nur mit dem Körper zu verwüstende Dauer erhält, ja sogar durch den Gebrauch an Klarheit und Schönheit wachsen kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1456,"orig":"Eine jede Miſchung ſetzt eine Specification voraus, und wir ſind daher, wenn wir von Miſchung reden, im atomiſtiſchen Felde.","norm":"Eine jede Mischung setzt eine Spezifikation voraus, und wir sind daher, wenn wir von Mischung reden, im atomistischen Felde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1457,"orig":"Man muß erſt gewiſſe Koͤrper auf irgend einem Puncte des Farbenkreiſes ſpecificirt vor ſich ſehen, ehe man durch Miſchung derſelben neue Schattirungen hervorbringen will.","norm":"Man muss erst gewisse Körper auf irgendeinem Punkte des Farbenkreises spezifiziert vor sich sehen, ehe man durch Mischung derselben neue Schattierungen hervorbringen will."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1458,"orig":"Man nehme im Allgemeinen Gelb, Blau und Roth als reine, als Grundfarben, fertig an.","norm":"Man nehme im allgemeinen Gelb, Blau und Rot als reine, als Grundfarben, fertig an."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1459,"orig":"Roth und Blau wird Violett, Roth und Gelb Orange, Gelb und Blau Gruͤn hervorbringen.","norm":"Rot und Blau wird Violett, Rot und Gelb Orange, Gelb und Blau Grün hervorbringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1460,"orig":"Man hat ſich ſehr bemuͤht, durch Zahl-Maaßund Gewichtsverhaͤltniſſe dieſe Miſchungen naͤher zu beſtimmen, hat aber dadurch wenig Erſprießliches geleiſtet.","norm":"Man hat sich sehr bemüht, durch Maß-und Gewichtsverhältnisse diese Mischungen näher zu bestimmen, hat aber dadurch wenig Ersprießliches geleistet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1461,"orig":"Die Malerey beruht eigentlich auf der Miſchung ſolcher ſpecificirten, ja individualiſirten Farbenkoͤrper und ihrer unendlichen moͤglichen Verbindungen, welche allein durch das zarteſte, geuͤbteſte Auge empfunden und unter deſſen Urtheil bewirkt werden koͤnnen.","norm":"Die Malerei beruht eigentlich auf der Mischung solcher spezifizierten, ja individualisierten Farbenkörper und ihrer unendlichen möglichen Verbindungen, welche allein durch das zarteste, geübteste Auge empfunden und unter dessen Urteil bewirkt werden können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1462,"orig":"Die innige Verbindung dieſer Miſchungen geſchieht durch die reinſte Theilung der Koͤrper durch Reiben, Schlemmen u. ſ. w. nicht weniger durch Saͤfte, welche das Staubartige zuſammenhalten, und das Unorganiſche gleichſam organiſch verbinden; dergleichen ſind die Oele, Harze u. ſ. w.","norm":"Die innige Verbindung dieser Mischungen geschieht durch die reinste Teilung der Körper durch Reiben, Schlemmen u. s. w. nicht weniger durch Säfte, welche das Staubartige zusammenhalten, und das Unorganische gleichsam organisch verbinden; dergleichen sind die Öle, Harze u. s. w."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1463,"orig":"Saͤmmtliche Farben zuſammengemiſcht behalten ihren allgemeinen Charakter als σκιερόν, und da ſie nicht mehr neben einander geſehen werden, wird keine Totalitaͤt, keine Harmonie empfunden, und ſo entſteht das Grau, das, wie die ſichtbare Farbe, immer etwas dunkler als Weiß, und immer etwas heller als Schwarz erſcheint.","norm":"Sämtliche Farben zusammengemischt behalten ihren allgemeinen Charakter als σκιερόν, und da sie nicht mehr nebeneinander gesehen werden, wird keine Totalität, keine Harmonie empfunden, und so entsteht das Grau, das, wie die sichtbare Farbe, immer etwas dunkler als Weiß, und immer etwas heller als Schwarz erscheint."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1464,"orig":"Dieſes Grau kann auf verſchiedene Weiſe hervorgebracht werden.","norm":"Dieses Grau kann auf verschiedene Weise hervorgebracht werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1465,"orig":"Einmal, wenn man aus Gelb und Blau ein Smaragdgruͤn miſcht und alsdann ſo viel reines Roth hinzubringt, bis ſich alle drey gleichſam neutraliſirt haben.","norm":"Einmal, wenn man aus Gelb und Blau ein Smaragdgrün mischt und alsdann so viel reines Rot hinzubringt, bis sich alle drei gleichsam neutralisiert haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1466,"orig":"Ferner entſteht gleichfalls ein Grau, wenn man eine Scala der urſpruͤnglichen und abgeleiteten Farben in einer gewiſſen Proportion zuſammenſtellt und hernach vermiſcht.","norm":"Ferner entsteht gleichfalls ein Grau, wenn man eine Skala der ursprünglichen und abgeleiteten Farben in einer gewissen Proportion zusammenstellt und hernach vermischt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1467,"orig":"Daß alle Farben zuſammengemiſcht weiß machen, iſt eine Abſurditaͤt, die man nebſt andern Abſurditaͤten ſchon ein Jahrhundert glaͤubig und dem Augenſchein entgegen zu wiederholen gewohnt iſt.","norm":"Dass alle Farben zusammengemischt Weiß machen, ist eine Absurdität, die man nebst anderen Absurditäten schon ein Jahrhundert gläubig und dem Augenschein entgegen zu wiederholen gewohnt ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1468,"orig":"Die zuſammengemiſchten Farben tragen ihr Dunkles in die Miſchung uͤber.","norm":"Die zusammengemischten Farben tragen ihr Dunkles in die Mischung über."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1469,"orig":"Je dunkler die Farben ſind, deſto dunkler wird das entſtehende Grau, welches zuletzt ſich dem Schwarzen naͤhert.","norm":"Je dunkler die Farben sind, desto dunkler wird das entstehende Grau, welches zuletzt sich dem Schwarzen nähert."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1470,"orig":"Je heller die Farben ſind, deſto heller wird das Grau, welches zuletzt ſich dem Weißen naͤhert.","norm":"Je heller die Farben sind, desto heller wird das Grau, welches zuletzt sich dem Weißen nähert."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1471,"orig":"Die ſcheinbare Miſchung wird hier um ſo mehr gleich mit abgehandelt, als ſie in manchem Sinne von großer Bedeutung iſt, und man ſogar die von uns als real angegebene Miſchung fuͤr ſcheinbar halten koͤnnte.","norm":"Die scheinbare Mischung wird hier um so mehr gleich mit abgehandelt, als sie in manchem Sinne von großer Bedeutung ist, und man sogar die von uns als real angegebene Mischung für scheinbar halten könnte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1472,"orig":"Denn die Elemente, woraus die zuſammengeſetzte Farbe entſprungen iſt, ſind nur zu klein, um einzeln geſehen zu werden.","norm":"Denn die Elemente, woraus die zusammengesetzte Farbe entsprungen ist, sind nur zu klein, um einzeln gesehen zu werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1473,"orig":"Gelbes und blaues Pulver zuſammengerieben erſcheint dem nackten Auge gruͤn, wenn man durch ein Vergroͤßerungsglas noch Gelb und Blau von einander abgeſondert bemerken kann.","norm":"Gelbes und blaues Pulver zusammengerieben erscheint dem nackten Auge grün, wenn man durch ein Vergrößerungsglas noch Gelb und Blau voneinander abgesondert bemerken kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1474,"orig":"So machen auch gelbe und blaue Streifen in der Entfernung eine gruͤne Flaͤche, welches alles auch von der Vermiſchung der uͤbrigen ſpecificirten Farben gilt.","norm":"So machen auch gelbe und blaue Streifen in der Entfernung eine grüne Fläche, welches alles auch von der Vermischung der übrigen spezifizierten Farben gilt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1475,"orig":"Unter dem Apparat wird kuͤnftig auch das Schwungrad abgehandelt werden, auf welchem die ſcheinbare Miſchung durch Schnelligkeit hervorgebracht wird.","norm":"Unter dem Apparat wird künftig auch das Schwungrad abgehandelt werden, auf welchem die scheinbare Mischung durch Schnelligkeit hervorgebracht wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1476,"orig":"Auf einer Scheibe bringt man verſchiedene Farben im Kreiſe neben einander an, dreht dieſelben durch die Gewalt des Schwunges mit groͤßter Schnelligkeit herum, und kann ſo, wenn man mehrere Scheiben zubereitet, alle moͤglichen Miſchungen vor Augen ſtellen, ſo wie zuletzt auch die Miſchung aller Farben zum Grau naturgemaͤß auf oben angezeigte Weiſe.","norm":"Auf einer Scheibe bringt man verschiedene Farben im Kreise nebeneinander an, dreht dieselben durch die Gewalt des Schwunges mit größter Schnelligkeit herum, und kann so, wenn man mehrere Scheiben zubereitet, alle möglichen Mischungen vor Augen stellen, sowie zuletzt auch die Mischung aller Farben zum Grau naturgemäß auf oben angezeigte Weise."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1477,"orig":"Phyſiologiſche Farben nehmen gleichfalls Miſchung an.","norm":"Physiologische Farben nehmen gleichfalls Mischung an."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1478,"orig":"Wenn man z. B. den blauen Schatten (65) auf einem leicht gelben Papiere hervorbringt, ſo erſcheint derſelbe gruͤn.","norm":"Wenn man z. B. den blauen Schatten (65) auf einem leicht gelben Papiere hervorbringt, so erscheint derselbe grün."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1479,"orig":"Ein gleiches gilt von den uͤbrigen Farben, wenn man die Vorrichtung darnach zu machen weiß.","norm":"Ein Gleiches gilt von den übrigen Farben, wenn man die Vorrichtung danach zu machen weiß."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1480,"orig":"Wenn man die im Auge verweilenden farbigen Scheinbilder (39 ff.) auf farbige Flaͤchen fuͤhrt, ſo entſteht auch eine Miſchung und Determination des Bildes zu einer andern Farbe, die ſich aus beyden herſchreibt.","norm":"Wenn man die im Auge verweilenden farbigen Scheinbilder (39 ff.) auf farbige Flächen führt, so entsteht auch eine Mischung und Determination des Bildes zu einer anderen Farbe, die sich aus beiden herschreibt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1481,"orig":"Phyſiſche Farben ſtellen gleichfalls eine Miſchung dar.","norm":"Physische Farben stellen gleichfalls eine Mischung dar."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1482,"orig":"Hieher gehoͤren die Verſuche, wenn man bunte Bilder durchs Prisma ſieht, wie wir ſolches oben (258 — 284.) umſtaͤndlich angegeben haben.","norm":"Hierher gehören die Versuche, wenn man bunte Bilder durchs Prisma sieht, wie wir solches oben (258 — 284) umständlich angegeben haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1483,"orig":"Am meiſten aber machten ſich die Phyſiker mit jenen Erſcheinungen zu thun, welche entſtehen, wenn man die prismatiſchen Farben auf gefaͤrbte Flaͤchen wirft.","norm":"Am meisten aber machten sich die Physiker mit jenen Erscheinungen zu tun, welche entstehen, wenn man die prismatischen Farben auf gefärbte Flächen wirft."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1484,"orig":"Das was man dabey gewahr wird, iſt ſehr einfach.","norm":"Das was man dabei gewahr wird, ist sehr einfach."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1485,"orig":"Erſtlich muß man bedenken, daß die prismatiſchen Farben viel lebhafter ſind, als die Farben der Flaͤche, worauf man ſie fallen laͤßt.","norm":"Erstlich muss man bedenken, dass die prismatischen Farben viel lebhafter sind, als die Farben der Fläche, worauf man sie fallen lässt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1486,"orig":"Zweytens kommt in Betracht, daß die prismatiſche Farbe entweder homogen mit der Flaͤche, oder heterogen ſeyn kann.","norm":"Zweitens kommt in Betracht, dass die prismatische Farbe entweder homogen mit der Fläche, oder heterogen sein kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1487,"orig":"Im erſten Fall erhoͤht und verherrlicht ſie ſolche und wird dadurch verherrlicht, wie der farbige Stein durch eine gleichgefaͤrbte Folie.","norm":"Im ersten Fall erhöht und verherrlicht sie solche und wird dadurch verherrlicht, wie der farbige Stein durch eine gleichgefärbte Folie."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1488,"orig":"Im entgegengeſetzten Falle beſchmutzt, ſtoͤrt und zerſtoͤrt eine die andre.","norm":"Im entgegengesetzten Falle beschmutzt, stört und zerstört eine die andere."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1489,"orig":"Man kann dieſe Verſuche durch farbige Glaͤſer wiederholen, und das Sonnenlicht durch dieſelben auf farbige Flaͤchen fallen laſſen; und durchaus werden aͤhnliche Reſultate erſcheinen.","norm":"Man kann diese Versuche durch farbige Gläser wiederholen, und das Sonnenlicht durch dieselben auf farbige Flächen fallen lassen; und durchaus werden ähnliche Resultate erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1490,"orig":"Ein Gleiches wird bewirkt, wenn der Beobachter durch farbige Glaͤſer nach gefaͤrbten Gegenſtaͤnden hinſieht, deren Farben ſodann nach Beſchaffenheit erhoͤht, erniedrigt oder aufgehoben werden.","norm":"Ein Gleiches wird bewirkt, wenn der Beobachter durch farbige Gläser nach gefärbten Gegenständen hinsieht, deren Farben sodann nach Beschaffenheit erhöht, erniedrigt oder aufgehoben werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1491,"orig":"Laͤßt man die prismatiſchen Farben durch farbige Glaͤſer durchgehen, ſo treten die Erſcheinungen voͤllig analog hervor; wobey mehr oder weniger Energie, mehr oder weniger Helle und Dunkle, Klarheit und Reinheit des Glaſes in Betracht kommt, und manchen zarten Unterſchied hervorbringt, wie jeder genaue Beobachter wird bemerken koͤnnen, der dieſe Phaͤnomene durchzuarbeiten Luſt und Geduld hat.","norm":"Lässt man die prismatischen Farben durch farbige Gläser durchgehen, so treten die Erscheinungen völlig analog hervor; wobei mehr oder weniger Energie, mehr oder weniger Helle und Dunkle, Klarheit und Reinheit des Glases in Betracht kommt, und manchen zarten Unterschied hervorbringt, wie jeder genaue Beobachter wird bemerken können, der diese Phänomene durchzuarbeiten Lust und Geduld hat."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1492,"orig":"So iſt es auch wohl kaum noͤthig zu erwaͤhnen, daß mehrere farbige Glaͤſer uͤber einander, nicht weniger oͤlgetraͤnkte, durchſcheinende Papiere, alle und jede Arten von Miſchung hervorbringen, und dem Auge, nach Belieben des Experimentirenden, darſtellen.","norm":"So ist es auch wohl kaum nötig zu erwähnen, dass mehrere farbige Gläser übereinander, nicht weniger ölgetränkte, durchscheinende Papiere, alle und jede Arten von Mischung hervorbringen, und dem Auge, nach Belieben des Experimentierenden, darstellen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1493,"orig":"Schließlich gehoͤren hieher die Laſuren der Maler, wodurch eine viel geiſtigere Miſchung entſteht, als durch die mechaniſch atomiſtiſche, deren ſie ſich gewoͤhnlich bedienen, hervorgebracht werden kann.","norm":"Schließlich gehören hierher die Lasuren der Maler, wodurch eine viel geistigere Mischung entsteht, als durch die mechanisch atomistische, deren sie sich gewöhnlich bedienen, hervorgebracht werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1494,"orig":"Wenn wir nunmehr auf gedachte Weiſe uns Farbematerialien verſchafft haben, ſo entſteht ferner die Frage, wie wir ſolche farbloſen Koͤrpern mittheilen koͤnnen, deren Beantwortung fuͤr das Leben, den Gebrauch, die Benutzung, die Technik von der groͤßten Bedeutung iſt.","norm":"Wenn wir nunmehr auf gedachte Weise uns Farbmaterialien verschafft haben, so entsteht ferner die Frage, wie wir solche farblosen Körpern mitteilen können, deren Beantwortung für das Leben, den Gebrauch, die Benutzung, die Technik von der größten Bedeutung ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1495,"orig":"Hier kommt abermals die dunkle Eigenſchaft einer jeden Farbe zur Sprache.","norm":"Hier kommt abermals die dunkle Eigenschaft einer jeden Farbe zur Sprache."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1496,"orig":"Von dem Gelben, das ganz nah am Weißen liegt, durchs Orange und Mennigfarbe zum Reinrothen und Carmin, durch alle Abſtufungen des Violetten bis in das ſatteſte Blau, das ganz am Schwarzen liegt, nimmt die Farbe immer an Dunkelheit zu.","norm":"Von dem Gelben, das ganz nah am Weißen liegt, durchs Orange und Mennigfarbe zum Reinroten und Karmin, durch alle Abstufungen des Violetten bis in das satteste Blau, das ganz am Schwarzen liegt, nimmt die Farbe immer an Dunkelheit zu."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1497,"orig":"Das Blaue einmal ſpecificirt laͤßt ſich verduͤnnen, erhellen, mit dem Gelben verbinden, wodurch es Gruͤn wird und ſich nach der Lichtſeite hinzieht.","norm":"Das Blaue einmal spezifiziert lässt sich verdünnen, erhellen, mit dem Gelben verbinden, wodurch es Grün wird und sich nach der Lichtseite hinzieht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1498,"orig":"Keinesweges geſchieht dieß aber ſeiner Natur nach.","norm":"Keineswegs geschieht dies aber seiner Natur nach."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1499,"orig":"Bey den phyſiologiſchen Farben haben wir ſchon geſehen, daß ſie ein Minus ſind als das Licht, indem ſie beym Abklingen des Lichteindrucks entſtehen, ja zuletzt dieſen Eindruck ganz als ein Dunkles zuruͤcklaſſen.","norm":"Bei den physiologischen Farben haben wir schon gesehen, dass sie ein Minus sind als das Licht, indem sie beim Abklingen des Lichteindrucks entstehen, ja zuletzt diesen Eindruck ganz als ein Dunkles zurücklassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1500,"orig":"Bey phyſiſchen Verſuchen belehrt uns ſchon der Gebrauch truͤber Mittel, die Wirkung truͤber Nebenbilder, daß hier von einem gedaͤmpften Lichte, von einem Uebergang ins Dunkle die Rede ſey.","norm":"Bei physischen Versuchen belehrt uns schon der Gebrauch trüber Mittel, die Wirkung trüber Nebenbilder, dass hier von einem gedämpften Lichte, von einem Übergang ins Dunkle die Rede sei."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1501,"orig":"Bey der chemiſchen Entſtehung der Pigmente werden wir daſſelbe bey der erſten Erregung gewahr.","norm":"Bei der chemischen Entstehung der Pigmente werden wir dasselbe bei der ersten Erregung gewahr."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1502,"orig":"Der gelbe Hauch, der ſich uͤber den Stahl zieht, verdunkelt ſchon die glaͤnzende Oberflaͤche.","norm":"Der gelbe Hauch, der sich über den Stahl zieht, verdunkelt schon die glänzende Oberfläche."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1503,"orig":"Bey der Verwandlung des Bleyweißes in Maſſicot iſt es deutlich, daß das Gelbe dunkler als Weiß ſey.","norm":"Bei der Verwandlung des Bleiweißes in Massicot ist es deutlich, dass das Gelbe dunkler als Weiß sei."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1504,"orig":"Dieſe Operation iſt von der groͤßten Zartheit, und ſo auch die Steigerung, welche immer fortwaͤchſt, die Koͤrper, welche bearbeitet werden, immer inniger und kraͤftiger faͤrbt, und ſo auf die groͤßte Feinheit der behandelten Theile, auf unendliche Theilbarkeit hinweiſt.","norm":"Diese Operation ist von der größten Zartheit, und so auch die Steigerung, welche immer fortwächst, die Körper, welche bearbeitet werden, immer inniger und kräftiger färbt, und so auf die größte Feinheit der behandelten Teile, auf unendliche Teilbarkeit hinweist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1505,"orig":"Mit den Farben, welche ſich gegen das Dunkle hinbegeben, und folglich beſonders mit dem Blauen koͤnnen wir ganz an das Schwarze hinanruͤcken; wie uns denn ein recht vollkommnes Berlinerblau, ein durch Vitriolſaͤure behandelter Indig faſt als Schwarz erſcheint.","norm":"Mit den Farben, welche sich gegen das Dunkle hinbegeben, und folglich besonders mit dem Blauen können wir ganz an das Schwarze hinanrücken; wie uns denn ein recht vollkommenes Berlinerblau, ein durch Vitriolsäure behandelter Indigo fast als Schwarz erscheint."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1506,"orig":"Hier iſt es nun der Ort, einer merkwuͤrdigen Erſcheinung zu gedenken, daß nehmlich Pigmente in ihrem hoͤchſt geſaͤttigten und gedraͤngten Zuſtande, beſonders aus dem Pflanzenreiche, als erſtgedachter Indig, oder auf ſeine hoͤchſte Stufe gefuͤhrter Krapp, ihre Farbe nicht mehr zeigen; vielmehr erſcheint auf ihrer Oberflaͤche ein entſchiedener Metallglanz, in welchem die phyſiologiſch geforderte Farbe ſpielt.","norm":"Hier ist es nun der Ort, einer merkwürdigen Erscheinung zu gedenken, dass nämlich Pigmente in ihrem höchst gesättigten und gedrängten Zustande, besonders aus dem Pflanzenreiche, als erstgedachter Indigo, oder auf seine höchste Stufe geführter Krapp, ihre Farbe nicht mehr zeigen; vielmehr erscheint auf ihrer Oberfläche ein entschiedener Metallglanz, in welchem die physiologisch geforderte Farbe spielt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1507,"orig":"Schon jeder gute Indig zeigt eine Kupferfarbe auf dem Bruch; welches im Handel ein Kennzeichen ausmacht.","norm":"Schon jeder gute Indigo zeigt eine Kupferfarbe auf dem Bruch; welches im Handel ein Kennzeichen ausmacht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1508,"orig":"Der durch Schwefelſaͤure bearbeitete aber, wenn man ihn dick aufſtreicht, oder eintrocknet, ſo daß weder das weiße Papier noch die Porcellanſchale durchwirken kann, laͤßt eine Farbe ſehen, die dem Orange nahkommt.","norm":"Der durch Schwefelsäure bearbeitete aber, wenn man ihn dick aufstreicht, oder eintrocknet, so dass weder das weiße Papier noch die Porzellanschale durchwirken kann, lässt eine Farbe sehen, die dem Orange nahekommt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1509,"orig":"Die hochpurpurfarbne ſpaniſche Schminke, wahrſcheinlich aus Krapp bereitet, zeigt auf der Oberflaͤche einen vollkommnen gruͤnen Merallglanz.","norm":"Die hochpurpurfarbene spanische Schminke, wahrscheinlich aus Krapp bereitet, zeigt auf der Oberfläche einen vollkommenen grünen Metallglanz."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1510,"orig":"Streicht man beyde Farben, die blaue und rothe, mit einem Pinſel auf Porcellan oder Papier aus einander; ſo hat man ſie wieder in ihrer Natur, indem das Helle der Unterlage durch ſie hindurchſcheint.","norm":"Streicht man beide Farben, die blaue und rote, mit einem Pinsel auf Porzellan oder Papier auseinander; so hat man sie wieder in ihrer Natur, indem das Helle der Unterlage durch sie hindurchscheint."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1511,"orig":"Farbige Liquoren erſcheinen ſchwarz, wenn kein Licht durch ſie hindurchfaͤllt, wie man ſich in parallelepipediſchen Blechgefaͤßen mit Glasboden ſehr leicht uͤberzeugen kann.","norm":"Farbige Liquoren erscheinen schwarz, wenn kein Licht durch sie hindurchfällt, wie man sich in parallelepipedischen Blechgefäßen mit Glasboden sehr leicht überzeugen kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1512,"orig":"In einem ſolchen wird jede durchſichtige, farbige Infuſion, wenn man einen ſchwarzen Grund unterlegt, ſchwarz und farblos erſcheinen.","norm":"In einem solchen wird jede durchsichtige, farbige Infusion, wenn man einen schwarzen Grund unterlegt, schwarz und farblos erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1513,"orig":"Macht man die Vorrichtung, daß das Bild einer Flamme von der untern Flaͤche zuruͤckſtrahlen kann; ſo erſcheint dieſe gefaͤrbt.","norm":"Macht man die Vorrichtung, dass das Bild einer Flamme von der unteren Fläche zurückstrahlen kann; so erscheint diese gefärbt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1514,"orig":"Hebt man das Gefaͤß in die Hoͤhe und laͤßt das Licht auf druntergehaltenes weißes Papier fallen; ſo erſcheint die Farbe auf dieſem.","norm":"Hebt man das Gefäß in die Höhe und lässt das Licht auf druntergehaltenes weißes Papier fallen; so erscheint die Farbe auf diesem."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1515,"orig":"Jede helle Unterlage durch ein ſolches gefaͤrbtes Mittel geſehen zeigt die Farbe deſſelben.","norm":"Jede helle Unterlage durch ein solches gefärbtes Mittel gesehen zeigt die Farbe desselben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1516,"orig":"Jede Farbe alſo, um geſehen zu werden, muß ein Licht im Hinterhalte haben.","norm":"Jede Farbe also, um gesehen zu werden, muss ein Licht im Hinterhalte haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1517,"orig":"Daher kommt es, daß je heller und glaͤnzender die Unterlagen ſind, deſto ſchoͤner erſcheinen die Farben.","norm":"Daher kommt es, dass je heller und glänzender die Unterlagen sind, desto schöner erscheinen die Farben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1518,"orig":"Zieht man Lackfarben auf einen metalliſch glaͤnzenden weißen Grund, wie unſre ſogenannten Folien verfertigt werden; ſo zeigt ſich die Herrlichkeit der Farbe bey dieſem zuruͤckwirkenden Licht ſo ſehr als bey irgend einem prismatiſchen Verſuche.","norm":"Zieht man Lackfarben auf einen metallisch glänzenden weißen Grund, wie unsere sogenannten Folien verfertigt werden; so zeigt sich die Herrlichkeit der Farbe bei diesem zurückwirkenden Licht so sehr als bei irgendeinem prismatischen Versuche."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1519,"orig":"Ja die Energie der phyſiſchen Farben beruht hauptſaͤchlich darauf, daß mit und hinter ihnen das Licht immerfort wirkſam iſt.","norm":"Ja die Energie der physischen Farben beruht hauptsächlich darauf, dass mit und hinter ihnen das Licht immerfort wirksam ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1520,"orig":"Lichtenberg, der zwar ſeiner Zeit und Lage nach der hergebrachten Vorſtellung folgen mußte, war doch zu ein guter Beobachter, und zu geiſtreich, als daß er das, was ihm vor Augen erſchien, nicht haͤtte bemerken und nach ſeiner Weiſe erklaͤren und zurecht legen ſollen.","norm":"Lichtenberg, der zwar seiner Zeit und Lage nach der hergebrachten Vorstellung folgen musste, war doch zu ein guter Beobachter, und zu geistreich, als dass er das, was ihm vor Augen erschien, nicht hätte bemerken und nach seiner Weise erklären und zurechtlegen sollen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1521,"orig":"Er ſagt in der Vorrede zu Delavalle: „Auch ſcheint es mir aus andern Gruͤnden — wahrſcheinlich, daß unſer Organ, um eine Farbe zu empfinden, etwas von allem Licht (weißes) zugleich mit empfinden muͤſſe.","norm":"Er sagt in der Vorrede zu Delavalle: „Auch scheint es mir aus anderen Gründen — wahrscheinlich, dass unser Organ, um eine Farbe zu empfinden, etwas von allem Licht (weißes) zugleich mitempfinden müsse."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1522,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1523,"orig":"Sich weiße Unterlagen zu verſchaffen, iſt das Hauptgeſchaͤft des Faͤrbers.","norm":"Sich weiße Unterlagen zu verschaffen, ist das Hauptgeschäft des Färbers."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1524,"orig":"Farbloſen Erden, beſonders dem Alaun, kann jede ſpecificirte Farbe leicht mitgetheilt werden.","norm":"Farblosen Erden, besonders dem Alaun, kann jede spezifizierte Farbe leicht mitgeteilt werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1525,"orig":"Beſonders aber hat der Faͤrber mit Produkten der animaliſchen und der Pflanzenorganiſation zu ſchaffen.","norm":"Besonders aber hat der Färber mit Produkten der animalischen und der Pflanzenorganisation zu schaffen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1526,"orig":"Alles Lebendige ſtrebt zur Farbe, zum Beſondern, zur Specification, zum Effect, zur Undurchſichtigkeit bis ins Unendlichfeine.","norm":"Alles Lebendige strebt zur Farbe, zum Besonderen, zur Spezifikation, zum Effekt, zur Undurchsichtigkeit bis ins Unendlichfeine."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1527,"orig":"Alles Abgelebte zieht ſich nach dem Weißen, zur Abſtraction, zur Allgemeinheit, zur Verklaͤrung, zur Durchſichtigkeit.","norm":"Alles Abgelebte zieht sich nach dem Weißen, zur Abstraktion, zur Allgemeinheit, zur Verklärung, zur Durchsichtigkeit."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1528,"orig":"Wie dieſes durch Technik bewirkt werde, iſt in dem Kapitel von Entziehung der Farbe anzudeuten.","norm":"Wie dieses durch Technik bewirkt werde, ist in dem Kapitel von Entziehung der Farbe anzudeuten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1529,"orig":"Hier bey der Mittheilung haben wir vorzuͤglich zu bedenken, daß Thiere und Vegetabilien im lebendigen Zuſtande Farbe an ihnen hervorbringen, und ſolche daher, wenn ſie ihnen voͤllig entzogen iſt, um deſto leichter wieder in ſich aufnehmen.","norm":"Hier bei der Mitteilung haben wir vorzüglich zu bedenken, dass Tiere und Vegetabilien im lebendigen Zustande Farbe an ihnen hervorbringen, und solche daher, wenn sie ihnen völlig entzogen ist, um desto leichter wieder in sich aufnehmen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1530,"orig":"Die Mittheilung trifft, wie man leicht ſehen kann, mit der Miſchung zuſammen, ſowohl die wahre als die ſcheinbare.","norm":"Die Mitteilung trifft, wie man leicht sehen kann, mit der Mischung zusammen, sowohl die wahre als die scheinbare."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1531,"orig":"Wir wiederholen deswegen nicht, was oben ſo viel als noͤthig ausgefuͤhrt worden.","norm":"Wir wiederholen deswegen nicht, was oben so viel als nötig ausgeführt worden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1532,"orig":"Doch bemerken wir gegenwaͤrtig umſtaͤndlicher die Wichtigkeit einer ſcheinbaren Mittheilung, welche durch den Widerſchein geſchieht.","norm":"Doch bemerken wir gegenwärtig umständlicher die Wichtigkeit einer scheinbaren Mitteilung, welche durch den Wiederschein geschieht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1533,"orig":"Es iſt dieſes zwar ſehr bekannte, doch immer ahndungsvolle Phaͤnomen dem Phyſiker wie dem Maler von der groͤßten Bedeutung.","norm":"Es ist dieses zwar sehr bekannte, doch immer ahndungsvolle Phänomen dem Physiker wie dem Maler von der größten Bedeutung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1534,"orig":"Man nehme eine jede ſpecificirte farbige Flaͤche, man ſtelle ſie in die Sonne und laſſe den Widerſchein auf andre farbloſe Gegenſtaͤnde fallen.","norm":"Man nehme eine jede spezifizierte farbige Fläche, man stelle sie in die Sonne und lasse den Wiederschein auf andere farblose Gegenstände fallen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1535,"orig":"Dieſer Widerſchein iſt eine Art gemaͤßigten Lichts, ein Halblicht, ein Halbſchatten, der außer ſeiner gedaͤmpften Natur die ſpecifiſche Farbe der Flaͤche mit abſpiegelt.","norm":"Dieser Wiederschein ist eine Art gemäßigten Lichts, ein Halblicht, ein Halbschatten, der außer seiner gedämpften Natur die spezifische Farbe der Fläche mit abspiegelt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1536,"orig":"Wirkt dieſer Widerſchein auf lichte Flaͤchen, ſo wird er aufgehoben, und man bemerkt die Farbe wenig, die er mit ſich bringt.","norm":"Wirkt dieser Wiederschein auf lichte Flächen, so wird er aufgehoben, und man bemerkt die Farbe wenig, die er mit sich bringt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1537,"orig":"Wirkt er aber auf Schattenſtellen, ſo zeigt ſich eine gleichſam magiſche Verbindung mit dem σκιερ ῷ.","norm":"Wirkt er aber auf Schattenstellen, so zeigt sich eine gleichsam magische Verbindung mit dem σκιερ ῷ."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1538,"orig":"Der Schatten iſt das eigentliche Element der Farbe, und hier tritt zu demſelben eine ſchattige Farbe beleuchtend, faͤrbend und belebend.","norm":"Der Schatten ist das eigentliche Element der Farbe, und hier tritt zu demselben eine schattige Farbe beleuchtend, färbend und belebend."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1539,"orig":"Und ſo entſteht eine eben ſo maͤchtige als angenehme Erſcheinung, welche dem Maler, der ſie zu benutzen weiß, die herrlichſten Dienſte leiſtet.","norm":"Und so entsteht eine ebenso mächtige als angenehme Erscheinung, welche dem Maler, der sie zu benutzen weiß, die herrlichsten Dienste leistet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1540,"orig":"Hier ſind die Vorbilder der ſogenannten Reflexe, die in der Geſchichte der Kunſt erſt ſpaͤter bemerkt werden, und die man ſeltner als billig in ihrer ganzen Mannigfaltigkeit anzuwenden gewußt hat.","norm":"Hier sind die Vorbilder der sogenannten Reflexe, die in der Geschichte der Kunst erst später bemerkt werden, und die man seltener als billig in ihrer ganzen Mannigfaltigkeit anzuwenden gewusst hat."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1541,"orig":"Die Scholaſtiker nannten dieſe Farben colores notionales und intentionales; wie uns denn uͤberhaupt die Geſchichte zeigen wird, daß jene Schule die Phaͤnomene ſchon gut genug beachtete, auch ſie gehoͤrig zu ſondern wußte, wenn ſchon die ganze Behandlungsart ſolcher Gegenſtaͤnde von der unſrigen ſehr verſchieden iſt.","norm":"Die Scholastiker nannten diese Farben colores notionales und intentionales; wie uns denn überhaupt die Geschichte zeigen wird, dass jene Schule die Phänomene schon gut genug beachtete, auch sie gehörig zu sondern wusste, wenn schon die ganze Behandlungsart solcher Gegenstände von der unsrigen sehr verschieden ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1542,"orig":"Den Koͤrpern werden auf mancherley Weiſe die Farben entzogen, ſie moͤgen dieſelben von Natur beſitzen, oder wir moͤgen ihnen ſolche mitgetheilt haben.","norm":"Den Körpern werden auf mancherlei Weise die Farben entzogen, sie mögen dieselben von Natur besitzen, oder wir mögen ihnen solche mitgeteilt haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1543,"orig":"Wir ſind daher im Stande, ihnen zu unſerm Vortheil zweckmaͤßig die Farbe zu nehmen, aber ſie entflieht auch oft zu unſerm Nachtheil gegen unſern Willen.","norm":"Wir sind daher imstande, ihnen zu unserem Vorteil zweckmäßig die Farbe zu nehmen, aber sie entflieht auch oft zu unserem Nachteil gegen unseren Willen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1544,"orig":"Nicht allein die Grunderden ſind in ihrem natuͤrlichen Zuſtande weiß, ſondern auch vegetabiliſche und animaliſche Stoffe koͤnnen, ohne daß ihr Gewebe zerſtoͤrt wird, in einen weißen Zuſtand verſetzt werden.","norm":"Nicht allein die Grunderden sind in ihrem natürlichen Zustande weiß, sondern auch vegetabilische und animalische Stoffe können, ohne dass ihr Gewebe zerstört wird, in einen weißen Zustand versetzt werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1545,"orig":"Da uns nun zu mancherley Gebrauch ein reinliches Weiß hoͤchſt noͤthig und angenehm iſt, wie wir uns beſonders gern der leinenen und baumwollenen Zeuge ungefaͤrbt bedienen; auch ſeidene Zeuge, das Papier und anderes uns deſto angenehmer ſind, je weißer ſie gefunden werden; weil auch ferner, wie wir oben geſehen, das Hauptfundament der ganzen Faͤrberey weiße Unterlagen ſind: ſo hat ſich die Technik, theils zufaͤllig, theils mit Nachdenken, auf das Entziehen der Farbe aus dieſen Stoffen ſo emſig geworfen, daß man hieruͤber unzaͤhlige Verſuche gemacht und gar manches Bedeutende entdeckt hat.","norm":"Da uns nun zu mancherlei Gebrauch ein reinliches Weiß höchst nötig und angenehm ist, wie wir uns besonders gern der Leinen und baumwollenen Zeuge ungefärbt bedienen; auch seidene Zeuge, das Papier und anderes uns desto angenehmer sind, je weißer sie gefunden werden; weil auch ferner, wie wir oben gesehen, das Hauptfundament der ganzen Färberei weiße Unterlagen sind: so hat sich die Technik, teils zufällig, teils mit Nachdenken, auf das Entziehen der Farbe aus diesen Stoffen so emsig geworfen, dass man hierüber unzählige Versuche gemacht und gar manches Bedeutende entdeckt hat."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1546,"orig":"In dieſer voͤlligen Entziehung der Farbe liegt eigentlich die Beſchaͤftigung der Bleichkunſt, welche von mehreren empiriſcher oder methodiſcher abgehandelt worden.","norm":"In dieser völligen Entziehung der Farbe liegt eigentlich die Beschäftigung der Bleichkunst, welche von mehreren empirischer oder methodischer abgehandelt worden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1547,"orig":"Wir geben die Hauptmomente hier nur kuͤrzlich an.","norm":"Wir geben die Hauptmomente hier nur kürzlich an."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1548,"orig":"Das Licht wird als eines der erſten Mittel, die Farbe den Koͤrpern zu entziehen, angeſehen, und zwar nicht allein das Sonnenlicht, ſondern das bloße gewaltloſe Tageslicht.","norm":"Das Licht wird als eines der ersten Mittel, die Farbe den Körpern zu entziehen, angesehen, und zwar nicht allein das Sonnenlicht, sondern das bloße gewaltlose Tageslicht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1549,"orig":"Denn wie beyde Lichter, ſowohl das directe von der Sonne, als auch das abgeleitete Himmelslicht, die Bonnoniſchen Phosphoren entzuͤnden, ſo wirken auch beyde Lichter auf gefaͤrbte Flaͤchen.","norm":"Denn wie beide Lichter, sowohl das direkte von der Sonne, als auch das abgeleitete Himmelslicht, die Bononischen Phosphoren entzünden, so wirken auch beide Lichter auf gefärbte Flächen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1550,"orig":"Es ſey nun, daß das Licht die ihm verwandte Farbe ergreife, ſie, die ſo viel Flammenartiges hat, gleichſam entzuͤnde, verbrenne, und das an ihr Specificirte wieder in ein Allgemeines aufloͤſe, oder daß eine andre uns unbekannte Operation geſchehe, genug das Licht uͤbt eine große Gewalt gegen farbige Flaͤchen aus und bleicht ſie mehr oder weniger.","norm":"Es sei nun, dass das Licht die ihm verwandte Farbe ergreife, sie, die so viel Flammenartiges hat, gleichsam entzünde, verbrenne, und das an ihr Spezifizierte wieder in ein Allgemeines auflöse, oder dass eine andere uns unbekannte Operation geschehe, genug das Licht übt eine große Gewalt gegen farbige Flächen aus und bleicht sie mehr oder weniger."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1551,"orig":"Doch zeigen auch hier die verſchiedenen Farben eine verſchiedene Zerſtoͤrlichkeit und Dauer; wie denn das Gelbe, beſonders das aus gewiſſen Stoffen bereitete hier zuerſt davon fliegt.","norm":"Doch zeigen auch hier die verschiedenen Farben eine verschiedene Zerstörlichkeit und Dauer; wie denn das Gelbe, besonders das aus gewissen Stoffen bereitete hier zuerst davonfliegt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1552,"orig":"Aber nicht allein das Licht, ſondern auch die Luft und beſonders das Waſſer wirken gewaltig auf die Entziehung der Farbe.","norm":"Aber nicht allein das Licht, sondern auch die Luft und besonders das Wasser wirken gewaltig auf die Entziehung der Farbe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1553,"orig":"Man will ſogar bemerkt haben, daß wohl befeuchtete, bey Nacht auf dem Raſen ausgebreitete Garne beſſer bleichen, als ſolche, welche, gleichfalls wohl befeuchtet, dem Sonnenlicht ausgeſetzt werden.","norm":"Man will sogar bemerkt haben, dass wohl befeuchtete, bei Nacht auf dem Rasen ausgebreitete Gar nicht besser bleichen, als solche, welche, gleichfalls wohl befeuchtet, dem Sonnenlicht ausgesetzt werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1554,"orig":"Und ſo mag ſich denn freylich das Waſſer auch hier als ein Aufloͤſendes, Vermittlendes, das Zufaͤllige Aufhebendes, und das Beſondre ins Allgemeine Zuruͤckfuͤhrendes beweiſen.","norm":"Und so mag sich denn freilich das Wasser auch hier als ein Auflösendes, Vermittelndes, das Zufällige Aufhebendes, und das Besondere ins Allgemeine Zurückführendes beweisen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1555,"orig":"Durch Reagentien wird auch eine ſolche Entziehung bewirkt.","norm":"Durch Reagenzien wird auch eine solche Entziehung bewirkt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1556,"orig":"Der Weingeiſt hat eine beſondre Neigung, dasjenige, was die Pflanzen faͤrbt, an ſich zu ziehen und ſich damit, oft auf eine ſehr beſtaͤndige Weiſe, zu faͤrben.","norm":"Der Weingeist hat eine besondere Neigung, dasjenige, was die Pflanzen färbt, an sich zu ziehen und sich damit, oft auf eine sehr beständige Weise, zu färben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1557,"orig":"Die Schwefelſaͤure zeigt ſich, beſonders gegen Wolle und Seide, als farbentziehend ſehr wirkſam; und wem iſt nicht der Gebrauch des Schwefeldampfes da bekannt, wo man etwas vergilbtes oder beflecktes Weiß herzuſtellen gedenkt.","norm":"Die Schwefelsäure zeigt sich, besonders gegen Wolle und Seide, als farbentziehend sehr wirksam; und wem ist nicht der Gebrauch des Schwefeldampfes da bekannt, wo man etwas Vergilbtes oder Beflecktes Weiß herzustellen gedenkt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1558,"orig":"Die ſtaͤrkſten Saͤuren ſind in der neuren Zeit als kuͤrzere Bleichmittel angerathen worden.","norm":"Die stärksten Säuren sind in der neueren Zeit als kürzere Bleichmittel angeraten worden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1559,"orig":"Eben ſo wirken im Gegenſinne die alcaliſchen Reagentien, die Laugen an ſich, die zu Seife mit Lauge verbundenen Oele und Fettigkeiten u. ſ. w. wie dieſes alles in den ausdruͤcklich zu dieſem Zwecke verfaßten Schriften umſtaͤndlich gefunden wird.","norm":"Eben so wirken im Gegensinne die alkalischen Reagenzien, die Laugen an sich, die zu Seife mit Lauge verbundenen Öle und Fettigkeiten u. s. w. wie dieses alles in den ausdrücklich zu diesem Zwecke verfassten Schriften umständlich gefunden wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1560,"orig":"Uebrigens moͤchte es wohl der Muͤhe werth ſeyn, gewiſſe zarte Verſuche zu machen, inwiefern Licht und Luft auf das Entziehen der Farbe ihre Thaͤtigkeit aͤußern.","norm":"Übrigens möchte es wohl der Mühe wert sein, gewisse zarte Versuche zu machen, inwiefern Licht und Luft auf das Entziehen der Farbe ihre Tätigkeit äußeren."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1561,"orig":"Man koͤnnte vielleicht unter luftleeren, mit gemeiner Luft oder beſondern Luftarten gefuͤllten Glocken ſolche Farbſtoffe dem Licht ausſetzen, deren Fluͤchtigkeit man kennt, und beobachten, ob ſich nicht an das Glas wieder etwas von der verfluͤchtigten Farbe anſetzte, oder ſonſt ein Niederſchlag ſich zeigte; und ob alsdann dieſes Wiedererſcheinende dem Unſichtbargewordnen voͤllig gleich ſey, oder ob es eine Veraͤnderung erlitten habe.","norm":"Man könnte vielleicht unter luftleeren, mit gemeiner Luft oder besonderen Luftarten gefüllten Glocken solche Farbstoffe dem Licht aussetzen, deren Flüchtigkeit man kennt, und beobachten, ob sich nicht an das Glas wieder etwas von der verflüchtigten Farbe ansetzte, oder sonst ein Niederschlag sich zeigte; und ob alsdann dieses Wiedererscheinende dem Unsichtbargewordenen völlig gleich sei, oder ob es eine Veränderung erlitten habe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1562,"orig":"Geſchickte Experimentatoren erſinnen ſich hierzu wohl mancherley Vorrichtungen.","norm":"Geschickte Experimentatoren ersinnen sich hierzu wohl mancherlei Vorrichtungen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1563,"orig":"Wenn wir nun alſo zuerſt die Naturwirkungen betrachtet haben, wie wir ſie zu unſern Abſichten anwenden, ſo iſt noch einiges zu ſagen von dem, wie ſie feindlich gegen uns wirken.","norm":"Wenn wir nun also zuerst die Naturwirkungen betrachtet haben, wie wir sie zu unseren Absichten anwenden, so ist noch einiges zu sagen von dem, wie sie feindlich gegen uns wirken."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1564,"orig":"Die Malerey iſt in dem Falle, daß ſie die ſchoͤnſten Arbeiten des Geiſtes und der Muͤhe durch die Zeit auf mancherley Weiſe zerſtoͤrt ſieht.","norm":"Die Malerei ist in dem Falle, dass sie die schönsten Arbeiten des Geistes und der Mühe durch die Zeit auf mancherlei Weise zerstört sieht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1565,"orig":"— Man hat daher ſich immer viel Muͤhe gegeben, dauernde Pigmente zu finden, und ſie auf eine Weiſe unter ſich, ſo wie mit der Unterlage zu vereinigen, daß ihre Dauer dadurch noch mehr geſichert werde; wie uns hiervon die Technik der Malerſchulen genugſam unterrichten kann.","norm":"— Man hat daher sich immer viel Mühe gegeben, dauernde Pigmente zu finden, und sie auf eine Weise unter sich, so wie mit der Unterlage zu vereinigen, dass ihre Dauer dadurch noch mehr gesichert werde; wie uns hiervon die Technik der Malerschulen genugsam unterrichten kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1566,"orig":"Auch iſt hier der Platz, einer Halbkunſt zu gedenken, welcher wir in Abſicht auf Faͤrberey ſehr vieles ſchuldig ſind, ich meyne die Tapetenwirkerey.","norm":"Auch ist hier der Platz, einer Halbkunst zu gedenken, welcher wir in Absicht auf Färberei sehr vieles schuldig sind, ich meine die Tapetenwirkerei."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1567,"orig":"Indem man nehmlich in den Fall kam, die zarteſten Schattirungen der Gemaͤlde nachzuahmen, und daher die verſchiedenſt gefaͤrbten Stoffe oft neben einander zu bringen; ſo bemerkte man bald, daß die Farben nicht alle gleich dauerhaft waren, ſondern die eine eher als die andre dem gewobenen Bilde entzogen wurde.","norm":"Indem man nämlich in den Fall kam, die zartesten Schattierungen der Gemälde nachzuahmen, und daher die verschiedenst gefärbten Stoffe oft nebeneinander zu bringen; so bemerkte man bald, dass die Farben nicht alle gleich dauerhaft waren, sondern die eine eher als die andere dem gewobenen Bilde entzogen wurde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1568,"orig":"Es entſprang daher das eifrigſte Beſtreben, den ſaͤmmtlichen Farben und Schattirungen eine gleiche Dauer zu verſichern, welches beſonders in Frankreich unter Colbert geſchah, deſſen Verfuͤgungen uͤber dieſen Punct in der Geſchichte der Faͤrbekunſt Epoche machen.","norm":"Es entsprang daher das eifrigste Bestreben, den sämtlichen Farben und Schattierungen eine gleiche Dauer zu versichern, welches besonders in Frankreich unter Colbert geschah, dessen Verfügungen über diesen Punkt in der Geschichte der Färbekunst Epoche machen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1569,"orig":"Die ſogenannte Schoͤnfaͤrberey, welche ſich nur zu einer vergaͤnglichen Anmuth verpflichtete, ward eine beſondre Gilde; mit deſto groͤßerm Ernſt hingegen ſuchte man diejenige Technik, welche fuͤr die Dauer ſtehn ſollte, zu begruͤnden.","norm":"Die sogenannte Schönfärberei, welche sich nur zu einer vergänglichen Anmut verpflichtete, wurde eine besondere Gilde; mit desto größerem Ernst hingegen suchte man diejenige Technik, welche für die Dauer stehen sollte, zu begründen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1570,"orig":"So waͤren wir, bey Betrachtung des Entziehens, der Fluͤchtigkeit und Vergaͤnglichkeit glaͤnzender Farbenerſcheinungen, wieder auf die Forderung der Dauer zuruͤckgekehrt, und haͤtten auch in dieſem Sinne unſern Kreis abermals abgeſchloſſen.","norm":"So wären wir, bei Betrachtung des Entziehens, der Flüchtigkeit und Vergänglichkeit glänzender Farbenerscheinungen, wieder auf die Forderung der Dauer zurückgekehrt, und hätten auch in diesem Sinne unseren Kreis abermals abgeschlossen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1571,"orig":"Nach dem, was wir bisher von dem Entſtehen, dem Fortſchreiten und der Verwandtſchaft der Farben ausgefuͤhrt, wird ſich beſſer uͤberſehen laſſen, welche Nomenclatur kuͤnftig wuͤnſchenswerth waͤre, und was von der bisherigen zu halten ſey.","norm":"Nach dem, was wir bisher von dem Entstehen, dem Fortschreiten und der Verwandtschaft der Farben ausgeführt, wird sich besser übersehen lassen, welche Nomenklatur künftig wünschenswert wäre, und was von der bisherigen zu halten sei."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1572,"orig":"Die Nomenclatur der Farben ging, wie alle Nomenclaturen, beſonders aber diejenigen, welche ſinnliche Gegenſtaͤnde bezeichnen, vom Beſondern aus ins Allgemeine und vom Allgemeinen wieder zuruͤck ins Beſondre.","norm":"Die Nomenklatur der Farben ging, wie alle Nomenklaturen, besonders aber diejenigen, welche sinnliche Gegenstände bezeichnen, vom Besonderen aus ins Allgemeine und vom Allgemeinen wieder zurück ins Besondere."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1573,"orig":"Der Name der Species ward ein Geſchlechtsname, dem ſich wieder das Einzelne unterordnete.","norm":"Der Name der Spezies wurde ein Geschlechtsname, dem sich wieder das Einzelne unterordnete."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1574,"orig":"Dieſer Weg konnte bey der Beweglichkeit und Unbeſtimmtheit des fruͤhern Sprachgebrauchs zuruͤckgelegt werden, beſonders da man in den erſten Zeiten ſich auf ein lebhafteres ſinnliches Anſchauen verlaſſen durfte.","norm":"Dieser Weg konnte bei der Beweglichkeit und Unbestimmtheit des früheren Sprachgebrauchs zurückgelegt werden, besonders da man in den ersten Zeiten sich auf ein lebhafteres sinnliches Anschauen verlassen durfte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1575,"orig":"Man bezeichnete die Eigenſchaften der Gegenſtaͤnde unbeſtimmt, weil ſie Jedermann deutlich in der Imagination feſthielt.","norm":"Man bezeichnete die Eigenschaften der Gegenstände unbestimmt, weil sie jedermann deutlich in der Imagination festhielt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1576,"orig":"Der reine Farbenkreis war zwar enge, er ſchien aber an unzaͤhligen Gegenſtaͤnden ſpecificirt und individualiſirt und mit Nebenbeſtimmungen bedingt.","norm":"Der reine Farbenkreis war zwar enge, er schien aber an unzähligen Gegenständen spezifiziert und individualisiert und mit Nebenbestimmungen bedingt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1577,"orig":"Man ſehe die Mannigfaltigkeit der griechiſchen und roͤmiſchen Ausdruͤcke (2r Band.","norm":"Man sehe die Mannigfaltigkeit der griechischen und römischen Ausdrücke (2r Band."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1578,"orig":"S. 54 — 59.) und man wird mit Vergnuͤgen dabey gewahr werden, wie beweglich und laͤßlich die Worte beynahe durch den ganzen Farbenkreis herum gebraucht worden.","norm":"S. 54 — 59.) und man wird mit Vergnügen dabei gewahr werden, wie beweglich und lässlich die Worte beinahe durch den ganzen Farbenkreis herum gebraucht worden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1579,"orig":"In ſpaͤteren Zeiten trat durch die mannigfaltigen Operationen der Faͤrbekunſt manche neue Schattirung ein.","norm":"In späteren Zeiten trat durch die mannigfaltigen Operationen der Färbekunst manche neue Schattierung ein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1580,"orig":"Selbſt die Modefarben und ihre Benennungen ſtellten ein unendliches Heer von Farbenindividualitaͤten dar.","norm":"Selbst die Modefarben und ihre Benennungen stellten ein unendliches Heer von Farbenindividualitäten dar."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1581,"orig":"Auch die Farbenterminologie der neuern Sprachen werden wir gelegentlich auffuͤhren; wobey ſich denn zeigen wird, daß man immer auf genauere Beſtimmungen ausgegangen, und ein Fixirtes, Specificirtes auch durch die Sprache feſtzuhalten und zu vereinzelnen geſucht hat.","norm":"Auch die Farbenterminologie der neueren Sprachen werden wir gelegentlich aufführen; wobei sich denn zeigen wird, dass man immer auf genauere Bestimmungen ausgegangen, und ein Fixiertes, spezifiziertes auch durch die Sprache festzuhalten und zu vereinzeln gesucht hat."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1582,"orig":"Was die deutſche Terminologie betrifft, ſo hat ſie den Vortheil, daß wir vier einſylbige, an ihren Urſprung nicht mehr erinnernde Namen beſitzen, nehmlich Gelb, Blau, Roth, Gruͤn.","norm":"Was die deutsche Terminologie betrifft, so hat sie den Vorteil, dass wir vier einsilbige, an ihren Ursprung nicht mehr erinnernde Namen besitzen, nämlich Gelb, Blau, Rot, Grün."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1583,"orig":"Sie ſtellen nur das Allgemeinſte der Farbe der Einbildungskraft dar, ohne auf etwas Specifiſches hinzudeuten.","norm":"Sie stellen nur das Allgemeinste der Farbe der Einbildungskraft dar, ohne auf etwas Spezifisches hinzudeuten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1584,"orig":"Wollten wir in jeden Zwiſchenraum zwiſchen dieſen vieren noch zwey Beſtimmungen ſetzen, als Rothgelb und Gelbroth, Rothblau und Blauroth, Gelbgruͤn und Gruͤngelb, Blaugruͤn und Gruͤnblau; ſo wuͤrden wir die Schattirungen des Farbenkreiſes beſtimmt genug ausdruͤcken; und wenn wir die Bezeichnungen von Hell und Dunkel hinzufuͤgen wollten, ingleichen die Beſchmutzungen einigermaßen andeuten, wozu uns die gleichfalls einſylbigen Worte Schwarz, Weiß, Grau und Braun zu Dienſten ſtehn; ſo wuͤrden wir ziemlich auslangen, und die vorkommenden Erſcheinungen ausdruͤcken, ohne uns zu bekuͤmmern, ob ſie auf dynamiſchem oder atomiſtiſchem Wege entſtanden ſind.","norm":"Wollten wir in jeden Zwischenraum zwischen diesen vieren noch zwei Bestimmungen setzen, als Rotgelb und Gelbrot, Rotblau und Blaurot, Gelbgrün und Grüngelb, Blaugrün und Grünblau; so würden wir die Schattierungen des Farbenkreises bestimmt genug ausdrücken; und wenn wir die Bezeichnungen von Hell und Dunkel hinzufügen wollten, ingleichen die Beschmutzungen einigermaßen andeuten, wozu uns die gleichfalls einsilbigen Worte Schwarz, Weiß, Grau und Braun zu Diensten stehen; so würden wir ziemlich auslangen, und die vorkommenden Erscheinungen ausdrücken, ohne uns zu bekümmern, ob sie auf dynamischem oder atomistischem Wege entstanden sind."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1585,"orig":"Man koͤnnte jedoch immer hiebey die ſpecifiſchen und individuellen Ausdruͤcke vortheilhaft benutzen; ſo wie wir uns auch des Worts Orange und Violett bedienten.","norm":"Man könnte jedoch immer hierbei die spezifischen und individuellen Ausdrücke vorteilhaft benutzen; so wie wir uns auch des Worts Orange und Violett bedienten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1586,"orig":"Ingleichen haben wir das Wort Purpur gebraucht, um das reine in der Mitte ſtehende Roth zu bezeichnen, weil der Saft der Purpurſchnecke, beſonders wenn er ſeine Leinwand durchdrungen hat, vorzuͤglich durch das Sonnenlicht zu dem hoͤchſten Puncte der Culmination zu bringen iſt.","norm":"Ingleichen haben wir das Wort Purpur gebraucht, um das Reine in der Mitte stehende Rot zu bezeichnen, weil der Saft der Purpurschnecke, besonders wenn er seine Leinwand durchdrungen hat, vorzüglich durch das Sonnenlicht zu dem höchsten Punkte der Kulmination zu bringen ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1587,"orig":"Die Farben der Mineralien ſind alle chemiſcher Natur, und ſo kann ihre Entſtehungsweiſe aus dem, was wir von den chemiſchen Farben geſagt haben, ziemlich entwickelt werden.","norm":"Die Farben der Mineralien sind alle chemischer Natur, und so kann ihre Entstehungsweise aus dem, was wir von den chemischen Farben gesagt haben, ziemlich entwickelt werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1588,"orig":"Die Farbenbenennungen ſtehn unter den aͤußern Kennzeichen oben an, und man hat ſich, im Sinne der neuern Zeit, große Muͤhe gegeben, jede vorkommende Erſcheinung genau zu beſtimmen und feſtzuhalten; man hat aber dadurch, wie uns duͤnkt, neue Schwierigkeiten erregt, welche beym Gebrauch manche Unbequemlichkeit veranlaſſen.","norm":"Die Farbenbenennungen stehen unter den äußeren Kennzeichen oben an, und man hat sich, im Sinne der neueren Zeit, große Mühe gegeben, jede vorkommende Erscheinung genau zu bestimmen und festzuhalten; man hat aber dadurch, wie uns dünkt, neue Schwierigkeiten erregt, welche beim Gebrauch manche Unbequemlichkeit veranlassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1589,"orig":"Freylich fuͤhrt auch dieſes, ſobald man bedenkt, wie die Sache entſtanden, ſeine Entſchuldigung mit ſich.","norm":"Freilich führt auch dieses, sobald man bedenkt, wie die Sache entstanden, seine Entschuldigung mit sich."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1590,"orig":"Der Maler hatte von jeher das Vorrecht, die Farbe zu handhaben.","norm":"Der Maler hatte von jeher das Vorrecht, die Farbe zu handhaben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1591,"orig":"Die wenigen ſpecificirten Farben ſtanden feſt, und dennoch kamen durch kuͤnſtliche Miſchungen unzaͤhlige Schattirungen hervor, welche die Oberflaͤche der natuͤrlichen Gegenſtaͤnde nachahmten.","norm":"Die wenigen spezifizierten Farben standen fest, und dennoch kamen durch künstliche Mischungen unzählige Schattierungen hervor, welche die Oberfläche der natürlichen Gegenstände nachahmten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1592,"orig":"War es daher ein Wunder, wenn man auch dieſen Miſchungsweg einſchlug und den Kuͤnſtler aufrief, gefaͤrbte Muſterflaͤchen aufzuſtellen, nach denen man die natuͤrlichen Gegenſtaͤnde beurtheilen und bezeichnen koͤnnte.","norm":"War es daher ein Wunder, wenn man auch diesen Mischungsweg einschlug und den Künstler aufrief, gefärbte Musterflächen aufzustellen, nach denen man die natürlichen Gegenstände beurteilen und bezeichnen könnte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1593,"orig":"Man fragte nicht, wie geht die Natur zu Werke, um dieſe und jene Farbe auf ihrem innern lebendigen Wege hervorzubringen, ſondern wie belebt der Maler das Todte, um ein dem Lebendigen aͤhnliches Scheinbild darzuſtellen.","norm":"Man fragte nicht, wie geht die Natur zu Werke, um diese und jene Farbe auf ihrem inneren lebendigen Wege hervorzubringen, sondern wie belebt der Maler das Tote, um ein dem Lebendigen ähnliches Scheinbild darzustellen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1594,"orig":"Man ging alſo immer von Miſchung aus und kehrte auf Miſchung zuruͤck, ſo daß man zuletzt das Gemiſchte wieder zu miſchen vornahm, um einige ſonderbare Specificationen und Individualiſationen auszudruͤcken und zu unterſcheiden.","norm":"Man ging also immer von Mischung aus und kehrte auf Mischung zurück, so dass man zuletzt das Gemischte wieder zu mischen vornahm, um einige sonderbare Spezifikationen und Individualisationen auszudrücken und zu unterscheiden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1595,"orig":"Uebrigens laͤßt ſich bey der gedachten eingefuͤhrten mineraliſchen Farbenterminologie noch manches erinnern.","norm":"Übrigens lässt sich bei der gedachten eingeführten mineralischen Farbenterminologie noch manches erinnern."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1596,"orig":"Man hat nehmlich die Benennungen nicht, wie es doch meiſtens moͤglich geweſen waͤre, aus dem Mineralreich, ſondern von allerley ſichtbaren Gegenſtaͤnden genommen, da man doch mit groͤßerem Vortheil auf eigenem Grund und Boden haͤtte bleiben koͤnnen.","norm":"Man hat nämlich die Benennungen nicht, wie es doch meistens möglich gewesen wäre, aus dem Mineralreich, sondern von allerlei sichtbaren Gegenständen genommen, da man doch mit größerem Vorteil auf eigenem Grund und Boden hätte bleiben können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1597,"orig":"Ferner hat man zu viel einzelne, ſpecifiſche Ausdruͤcke aufgenommen, und indem man, durch Vermiſchung dieſer Specificationen, wieder neue Beſtimmungen hervorzubringen ſuchte, nicht bedacht, daß man dadurch vor der Imagination das Bild und vor dem Verſtand den Begriff voͤllig aufhebe.","norm":"Ferner hat man zu viel einzelne, spezifische Ausdrücke aufgenommen, und indem man, durch Vermischung dieser Spezifikationen, wieder neue Bestimmungen hervorzubringen suchte, nicht bedacht, dass man dadurch vor der Imagination das Bild und vor dem Verstand den Begriff völlig aufhebe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1598,"orig":"Zuletzt ſtehen denn auch dieſe gewiſſermaßen als Grundbeſtimmungen gebrauchten einzelnen Farbenbenennungen nicht in der beſten Ordnung, wie ſie etwa von einander ſich ableiten; daher denn der Schuͤler jede Beſtimmung einzeln lernen und ſich ein beynahe todtes Poſitives einpraͤgen muß.","norm":"Zuletzt stehen denn auch diese gewissermaßen als Grundbestimmungen gebrauchten einzelnen Farbenbenennungen nicht in der besten Ordnung, wie sie etwa voneinander sich ableiten; daher denn der Schüler jede Bestimmung einzeln lernen und sich ein beinahe totes Positives einprägen muss."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1599,"orig":"Die weitere Ausfuͤhrung dieſes Angedeuteten ſtuͤnde hier nicht am rechten Orte.","norm":"Die weitere Ausführung dieses Angedeuteten stünde hier nicht am rechten Orte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1600,"orig":"Man kann die Farben organiſcher Koͤrper uͤberhaupt als eine hoͤhere chemiſche Operation anſehen, weswegen ſie auch die Alten durch das Wort Kochung (πέψις) ausgedruͤckt haben.","norm":"Man kann die Farben organischer Körper überhaupt als eine höhere chemische Operation ansehen, weswegen sie auch die Alten durch das Wort Kochung (pepsis) ausgedrückt haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1601,"orig":"Alle Elementarfarben ſowohl als die gemiſchten und abgeleiteten kommen auf der Oberflaͤche organiſcher Naturen vor; dahingegen das Innere, man kann nicht ſagen, unfaͤrbig, doch eigentlich mißfaͤrbig erſcheint, wenn es zu Tage gebracht wird.","norm":"Alle Elementarfarben sowohl als die gemischten und abgeleiteten kommen auf der Oberfläche organischer Naturen vor; dahingegen das Innere, man kann nicht sagen, unfarbig, doch eigentlich missfärbig erscheint, wenn es zutage gebracht wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1602,"orig":"Da wir bald an einem andern Orte von unſern Anſichten uͤber organiſche Natur einiges mitzutheilen denken; ſo ſtehe nur dasjenige hier, was fruͤher mit der Farbenlehre in Verbindung gebracht war, indeſſen wir zu jenen beſondern Zwecken das weitre vorbereiten.","norm":"Da wir bald an einem anderen Orte von unseren Ansichten über organische Natur einiges mitzuteilen denken; so stehe nur dasjenige hier, was früher mit der Farbenlehre in Verbindung gebracht war, indessen wir zu jenen besonderen Zwecken das Weitre vorbereiten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1603,"orig":"Von den Pflanzen ſey alſo zuerſt geſprochen.","norm":"Von den Pflanzen sei also zuerst gesprochen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1604,"orig":"Die Saamen, Bulben, Wurzeln und was uͤberhaupt vom Lichte ausgeſchloſſen iſt, oder unmittelbar von der Erde ſich umgeben befindet, zeigt ſich meiſtentheils weiß.","norm":"Die Samen, Bulben, Wurzeln und was überhaupt vom Lichte ausgeschlossen ist, oder unmittelbar von der Erde sich umgeben befindet, zeigt sich meistenteils weiß."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1605,"orig":"Die im Finſtern aus Saamen erzogenen Pflanzen ſind weiß oder ins Gelbe ziehend.","norm":"Die im Finstern aus Samen erzogenen Pflanzen sind weiß oder ins Gelbe ziehend."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1606,"orig":"Das Licht hingegen, indem es auf ihre Farben wirkt, wirkt zugleich auf ihre Form.","norm":"Das Licht hingegen, indem es auf ihre Farben wirkt, wirkt zugleich auf ihre Form."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1607,"orig":"Die Pflanzen, die im Finſtern wachſen, ſetzen ſich von Knoten zu Knoten zwar lange fort; aber die Stengel zwiſchen zwey Knoten ſind laͤnger als billig; keine Seitenzweige werden erzeugt und die Metamorphoſe der Pflanzen hat nicht ſtatt.","norm":"Die Pflanzen, die im Finstern wachsen, setzen sich von Knoten zu Knoten zwar lange fort; aber die Stängel zwischen zwei Knoten sind länger als billig; keine Seitenzweige werden erzeugt und die Metamorphose der Pflanzen hat nicht statt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1608,"orig":"Das Licht verſetzt ſie dagegen ſogleich in einen thaͤtigen Zuſtand, die Pflanze erſcheint gruͤn und der Gang der Metamorphoſe bis zur Begattung geht unaufhaltſam fort.","norm":"Das Licht versetzt sie dagegen sogleich in einen tätigen Zustand, die Pflanze erscheint grün und der Gang der Metamorphose bis zur Begattung geht unaufhaltsam fort."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1609,"orig":"Wir wiſſen, daß die Stengelblaͤtter nur Vorbereitungen und Vorbedeutungen auf die Blumen- und Fruchtwerkzeuge ſind; und ſo kann man in den Stengelblaͤttern ſchon Farben ſehen, die von weiten auf die Blume hindeuten, wie bey den Amaranthen der Fall iſt.","norm":"Wir wissen, dass die Stängelblätter nur Vorbereitungen und Vorbedeutungen auf die Blumen- und Fruchtwerkzeuge sind; und so kann man in den Stängelblättern schon Farben sehen, die von weiten auf die Blume hindeuten, wie bei den Amaranten der Fall ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1610,"orig":"Es gibt weiße Blumen, deren Blaͤtter ſich zur groͤßten Reinheit durchgearbeitet haben; aber auch farbige, in denen die ſchoͤne Elementarerſcheinung hin und wieder ſpielt.","norm":"Es gibt weiße Blumen, deren Blätter sich zur größten Reinheit durchgearbeitet haben; aber auch farbige, in denen die schöne Elementarerscheinung hin und wieder spielt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1611,"orig":"Es gibt deren, die ſich nur theilweiſe vom Gruͤnen auf eine hoͤhere Stufe losgearbeitet haben.","norm":"Es gibt deren, die sich nur teilweise vom Grünen auf eine höhere Stufe losgearbeitet haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1612,"orig":"Blumen einerley Geſchlechts, ja einerley Art, finden ſich von allen Farben.","norm":"Blumen einerlei Geschlechts, ja einerlei Art, finden sich von allen Farben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1613,"orig":"Roſen und beſonders Malven z. B. gehen einen großen Theil des Farbenkreiſes durch, vom Weißen ins Gelbe, ſodann durch das Rothgelbe in den Purpur, und von da in das dunkelſte, was der Purpur, indem er ſich dem Blauen naͤhert, ergreifen kann.","norm":"Rosen und besonders Malven z. B. gehen einen großen Teil des Farbenkreises durch, vom Weißen ins Gelbe, sodann durch das Rotgelbe in den Purpur, und von da in das Dunkelste, was der Purpur, indem er sich dem Blauen nähert, ergreifen kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1614,"orig":"Andere fangen ſchon auf einer hoͤhern Stufe an, wie z. B. die Mohne, welche von dem Gelbrothen ausgehen und ſich in das Violette hinuͤberziehen.","norm":"Andere fangen schon auf einer höheren Stufe an, wie z. B. die Mohne, welche von dem Gelbroten ausgehen und sich in das Violette hinüberziehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1615,"orig":"Doch ſind auch Farben bey Arten, Gattungen, ja Familien und Claſſen, wo nicht beſtaͤndig, doch herrſchend, beſonders die gelbe Farbe: die blaue iſt uͤberhaupt ſeltner.","norm":"Doch sind auch Farben bei Arten, Gattungen, ja Familien und Klassen, wo nicht beständig, doch herrschend, besonders die gelbe Farbe: Die blaue ist überhaupt seltener."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1616,"orig":"Bey den ſaftigen Huͤllen der Frucht geht etwas aͤhnliches vor, indem ſie ſich von der gruͤnen Farbe durch das Gelbliche und Gelbe bis zu dem hoͤchſten Roth erhoͤhen, wobey die Farbe der Schale die Stufen der Reife andeutet.","norm":"Bei den saftigen Hüllen der Frucht geht etwas Ähnliches vor, indem sie sich von der grünen Farbe durch das Gelbliche und Gelbe bis zu dem höchsten Rot erhöhen, wobei die Farbe der Schale die Stufen der Reife andeutet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1617,"orig":"Einige ſind ringsum gefaͤrbt, einige nur an der Sonnenſeite, in welchem letzten Falle man die Steigerung des Gelben ins Rothe durch groͤßere An- und Uebereinanderdraͤngung ſehr wohl beobachten kann.","norm":"Einige sind ringsum gefärbt, einige nur an der Sonnenseite, in welchem letzten Falle man die Steigerung des Gelben ins Rote durch größere An- und Übereinanderdrängung sehr wohl beobachten kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1618,"orig":"Auch ſind mehrere Fruͤchte innerlich gefaͤrbt, beſonders ſind purpurrothe Saͤfte gewoͤhnlich.","norm":"Auch sind mehrere Früchte innerlich gefärbt, besonders sind purpurrote Säfte gewöhnlich."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1619,"orig":"Wie die Farbe ſowohl oberflaͤchlich auf der Blume, als durchdringend in der Frucht ſich befindet, ſo verbreitet ſie ſich auch durch die uͤbrigen Theile, indem ſie die Wurzeln und die Saͤfte der Stengel faͤrbt, und zwar mit ſehr reicher und maͤchtiger Farbe.","norm":"Wie die Farbe sowohl oberflächlich auf der Blume, als durchdringend in der Frucht sich befindet, so verbreitet sie sich auch durch die übrigen Teile, indem sie die Wurzeln und die Säfte der Stängel färbt, und zwar mit sehr reicher und mächtiger Farbe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1620,"orig":"So geht auch die Farbe des Holzes vom Gelben durch die verſchiedenen Stufen des Rothen bis ins Purpurfarbene und Braune hinuͤber.","norm":"So geht auch die Farbe des Holzes vom Gelben durch die verschiedenen Stufen des Roten bis ins Purpurfarbene und Braune hinüber."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1621,"orig":"Blaue Hoͤlzer ſind mir nicht bekannt; und ſo zeigt ſich ſchon auf dieſer Stufe der Organiſation die active Seite maͤchtig, wenn in dem allgemeinen Gruͤn der Pflanzen beyde Seiten ſich balanciren moͤgen.","norm":"Blaue Hölzer sind mir nicht bekannt; und so zeigt sich schon auf dieser Stufe der Organisation die aktive Seite mächtig, wenn in dem allgemeinen Grün der Pflanzen beide Seiten sich balancieren mögen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1622,"orig":"Wir haben oben geſehen, daß der aus der Erde dringende Keim ſich mehrentheils weiß und gelblich zeigt, durch Einwirkung von Licht und Luft aber in die gruͤne Farbe uͤbergeht.","norm":"Wir haben oben gesehen, dass der aus der Erde dringende Keim sich mehrenteils weiß und gelblich zeigt, durch Einwirkung von Licht und Luft aber in die grüne Farbe übergeht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1623,"orig":"Ein aͤhnliches geſchieht bey jungen Blaͤttern der Baͤume, wie man z. B. an den Birken ſehen kann, deren junge Blaͤtter gelblich ſind und beym Auskochen einen ſchoͤnen gelben Saft von ſich geben.","norm":"Ein Ähnliches geschieht bei jungen Blättern der Bäume, wie man z. B. an den Birken sehen kann, deren junge Blätter gelblich sind und beim Auskochen einen schönen gelben Saft von sich geben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1624,"orig":"Nachher werden ſie immer gruͤner, ſo wie die Blaͤtter von andern Baͤumen nach und nach in das Blaugruͤne uͤbergehen.","norm":"Nachher werden sie immer grüner, so wie die Blätter von anderen Bäumen nach und nach in das Blaugrüne übergehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1625,"orig":"So ſcheint auch das Gelbe weſentlicher den Blaͤttern anzugehoͤren, als der blaue Antheil: denn dieſer verſchwindet im Herbſte, und das Gelbe des Blattes ſcheint in eine braune Farbe uͤbergegangen.","norm":"So scheint auch das Gelbe wesentlicher den Blättern anzugehören, als der blaue Anteil: denn dieser verschwindet im Herbste, und das Gelbe des Blattes scheint in eine braune Farbe übergegangen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1626,"orig":"Noch merkwuͤrdiger aber ſind die beſonderen Faͤlle, da die Blaͤtter im Herbſte wieder rein gelb werden, und andre ſich bis zu dem hoͤchſten Roth hinaufſteigern.","norm":"Noch merkwürdiger aber sind die besonderen Fälle, da die Blätter im Herbste wieder rein gelb werden, und andere sich bis zu dem höchsten Rot hinaufsteigern."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1627,"orig":"Uebrigens haben einige Pflanzen die Eigenſchaft, durch kuͤnſtliche Behandlung faſt durchaus in ein Farbematerial verwandelt zu werden, das ſo fein, wirkſam und unendlich theilbar iſt, als irgend ein anderes.","norm":"Übrigens haben einige Pflanzen die Eigenschaft, durch künstliche Behandlung fast durchaus in ein Farbematerial verwandelt zu werden, das so fein, wirksam und unendlich teilbar ist, als irgendein anderes."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1628,"orig":"Beyſpiele ſind der Indigo und Krapp, mit denen ſo viel geleiſtet wird.","norm":"Beispiele sind der Indigo und Krapp, mit denen so viel geleistet wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1629,"orig":"Auch werden Flechten zum Faͤrben benutzt.","norm":"Auch werden Flechten zum Färben benutzt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1630,"orig":"Dieſem Phaͤnomen ſteht ein anderes unmittelbar entgegen, daß man nehmlich den faͤrbenden Theil der Pflanzen ausziehen und gleichſam beſonders darſtellen kann, ohne daß ihre Organiſation dadurch etwas zu leiden ſcheint.","norm":"Diesem Phänomen steht ein anderes unmittelbar entgegen, dass man nämlich den färbenden Teil der Pflanzen ausziehen und gleichsam besonders darstellen kann, ohne dass ihre Organisation dadurch etwas zu leiden scheint."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1631,"orig":"Die Farben der Blumen laſſen ſich durch Weingeiſt ausziehen und tingiren denſelben; die Blumenblaͤtter dagegen erſcheinen weiß.","norm":"Die Farben der Blumen lassen sich durch Weingeist ausziehen und tingieren denselben; die Blumenblätter dagegen erscheinen weiß."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1632,"orig":"Es gibt verſchiedene Bearbeitungen der Blumen und ihrer Saͤfte durch Reagentien.","norm":"Es gibt verschiedene Bearbeitungen der Blumen und ihrer Säfte durch Reagenzien."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1633,"orig":"Dieſes hat Boyle in vielen Experimenten geleiſtet.","norm":"Dieses hat Boyle in vielen Experimenten geleistet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1634,"orig":"Man bleicht die Roſen durch Schwefel und ſtellt ſie durch andre Saͤuern wieder her.","norm":"Man bleicht die Rosen durch Schwefel und stellt sie durch andere Säuren wieder her."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1635,"orig":"Durch Tobaksrauch werden die Roſen gruͤn.","norm":"Durch Tobaksrauch werden die Rosen grün."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1636,"orig":"Von den Thieren, welche auf den niedern Stufen der Organiſation verweilen, ſey hier vorlaͤufig folgendes geſagt.","norm":"Von den Tieren, welche auf den niederen Stufen der Organisation verweilen, sei hier vorläufig folgendes gesagt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1637,"orig":"Die Wuͤrmer, welche ſich in der Erde aufhalten, der Finſterniß und der kalten Feuchtigkeit gewidmet ſind, zeigen ſich mißfaͤrbig; die Eingeweidewuͤrmer von warmer Feuchtigkeit im Finſtern ausgebruͤtet und genaͤhrt, unfaͤrbig; zu Beſtimmung der Farbe ſcheint ausdruͤcklich Licht zu gehoͤren.","norm":"Die Würmer, welche sich in der Erde aufhalten, der Finsternis und der kalten Feuchtigkeit gewidmet sind, zeigen sich missfärbig; die Eingeweidewürmer von warmer Feuchtigkeit im Finstern ausgebrütet und genährt, unfarbig; zu Bestimmung der Farbe scheint ausdrücklich Licht zu gehören."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1638,"orig":"Diejenigen Geſchoͤpfe, welche im Waſſer wohnen, welches als ein obgleich ſehr dichtes Mittel dennoch hinreichendes Licht hindurch laͤßt, erſcheinen mehr oder weniger gefaͤrbt.","norm":"Diejenigen Geschöpfe, welche im Wasser wohnen, welches als ein obgleich sehr dichtes Mittel dennoch hinreichendes Licht hindurchlässt, erscheinen mehr oder weniger gefärbt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1639,"orig":"Die Zoophyten, welche die reinſte Kalkerde zu beleben ſcheinen, ſind meiſtentheils weiß; doch finden wir die Corallen bis zum ſchoͤnſten Gelbroth hinaufgeſteigert, welches in andern Wurmgehaͤuſen ſich bis nahe zum Purpur hinanhebt.","norm":"Die Zoophyten, welche die reinste Kalkerde zu beleben scheinen, sind meistenteils weiß; doch finden wir die Korallen bis zum schönsten Gelbrot hinaufgesteigert, welches in anderen Wurmgehäusen sich bis nahe zum Purpur hinanhebt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1640,"orig":"Die Gehaͤuſe der Schalthiere ſind ſchoͤn gezeichnet und gefaͤrbt; doch iſt zu bemerken, daß weder die Landſchnecken, noch die Schale der Muſcheln des ſuͤßen Waſſers mit ſo hohen Farben geziert ſind, als die des Meerwaſſers.","norm":"Die Gehäuse der Schaltiere sind schön gezeichnet und gefärbt; doch ist zu bemerken, dass weder die Landschnecken, noch die Schale der Muscheln des süßen Wassers mit so hohen Farben geziert sind, als die des Meerwassers."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1641,"orig":"Bey Betrachtung der Muſchelſchalen, beſonders der gewundenen, bemerken wir, daß zu ihrem Entſtehen eine Verſammlung unter ſich aͤhnlicher, thieriſcher Organe ſich wachſend vorwaͤrts bewegte, und, indem ſie ſich um eine Axe drehten, das Gehaͤuſe durch eine Folge von Riefen, Raͤndern, Rinnen und Erhoͤhungen, nach einem immer ſich vergroͤßernden Maaßſtab, hervorbrachten.","norm":"Bei Betrachtung der Muschelschalen, besonders der gewundenen, bemerken wir, dass zu ihrem Entstehen eine Versammlung unter sich ähnlicher, tierischer Organe sich wachsend vorwärts bewegte, und, indem sie sich um eine Axe drehten, das Gehäuse durch eine Folge von Riefen, Rändern, Rinnen und Erhöhungen, nach einem immer sich vergrößernden Maßstab, hervorbrachten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1642,"orig":"Wir bemerken aber auch zugleich, daß dieſen Organen irgend ein mannigfaltig faͤrbender Saft beywohnen mußte, der die Oberflaͤche des Gehaͤuſes, wahrſcheinlich durch unmittelbare Einwirkung des Meerwaſſers, mit farbigen Linien, Puncten, Flecken und Schattirungen, Epochenweis bezeichnete, und ſo die Spuren ſeines ſteigenden Wachsthums auf der Außenſeite dauernd hinterließ, indeß die innre meiſtens weiß oder nur blaßgefaͤrbt angetroffen wird.","norm":"Wir bemerken aber auch zugleich, dass diesen Organen irgendein mannigfaltig färbender Saft beiwohnen musste, der die Oberfläche des Gehäuses, wahrscheinlich durch unmittelbare Einwirkung des Meerwassers, mit farbigen Linien, Punkten, Flecken und Schattierungen, Epochenweise bezeichnete, und so die Spuren seines steigenden Wachstums auf der Außenseite dauernd hinterließ, indes die innere meistens weiß oder nur blassgefärbt angetroffen wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1643,"orig":"Daß in den Muſcheln ſolche Saͤfte ſich befinden, zeigt uns die Erfahrung auch außerdem genugſam, indem ſie uns dieſelben noch in ihrem fluͤſſigen und faͤrbenden Zuſtande darbietet; wovon der Saft des Tintenfiſches ein Zeugniß gibt; ein weit ſtaͤrkeres aber derjenige Purpurſaft, welcher in mehreren Schnecken gefunden wird, der von Alters her ſo beruͤhmt iſt und in der neuern Zeit auch wohl benutzt wird.","norm":"Dass in den Muscheln solche Säfte sich befinden, zeigt uns die Erfahrung auch außerdem genugsam, indem sie uns dieselben noch in ihrem flüssigen und färbenden Zustande darbietet; wovon der Saft des Tintenfisches ein Zeugnis gibt; ein weit stärkeres aber derjenige Purpursaft, welcher in mehreren Schnecken gefunden wird, der von alters her so berühmt ist und in der neueren Zeit auch wohl benutzt wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1644,"orig":"Es gibt nehmlich unter den Eingeweiden mancher Wuͤrmer, welche ſich in Schalgehaͤuſen aufhalten, ein gewiſſes Gefaͤß, das mit einem rothen Safte gefuͤllt iſt.","norm":"Es gibt nämlich unter den Eingeweiden mancher Würmer, welche sich in Schalgehäusen aufhalten, ein gewisses Gefäß, das mit einem roten Safte gefüllt ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1645,"orig":"Dieſer enthaͤlt ein ſehr ſtark und dauerhaft faͤrbendes Weſen, ſo daß man die ganzen Thiere zerknirſchen, kochen und aus dieſer animaliſchen Bruͤhe doch noch eine hinreichend faͤrbende Feuchtigkeit herausnehmen konnte.","norm":"Dieser enthält ein sehr stark und dauerhaft färbendes Wesen, so dass man die ganzen Tiere zerknirschen, kochen und aus dieser animalischen Brühe doch noch eine hinreichend färbende Feuchtigkeit herausnehmen konnte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1646,"orig":"Es laͤßt ſich aber dieſes farbgefuͤllte Gefaͤß auch von dem Thiere abſondern, wodurch denn freylich ein concentrirterer Saft gewonnen wird.","norm":"Es lässt sich aber dieses farbgefüllte Gefäß auch von dem Tiere absondern, wodurch denn freilich ein konzentrierterer Saft gewonnen wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1647,"orig":"Dieſer Saft hat das Eigene, daß er, dem Licht und der Luft ausgeſetzt, erſt gelblich, dann gruͤnlich erſcheint, dann ins Blaue, von da ins Violette uͤbergeht, immer aber ein hoͤheres Roth annimmt, und zuletzt durch Einwirkung der Sonne, beſonders wenn er auf Battiſt aufgetragen worden, eine reine hohe rothe Farbe annimmt.","norm":"Dieser Saft hat das Eigene, dass er, dem Licht und der Luft ausgesetzt, erst gelblich, dann grünlich erscheint, dann ins Blaue, von da ins Violette übergeht, immer aber ein höheres Rot annimmt, und zuletzt durch Einwirkung der Sonne, besonders wenn er auf Batist aufgetragen worden, eine reine hohe rote Farbe annimmt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1648,"orig":"Wir haͤtten alſo hier eine Steigerung von der Minusſeite bis zur Culmination, die wir bey den unorganiſchen Faͤllen nicht leicht gewahr wurden; ja wir koͤnnen dieſe Erſcheinung beynahe ein Durchwandern des ganzen Kreiſes nennen, und wir ſind uͤberzeugt, daß durch gehoͤrige Verſuche wirklich die ganze Durchwanderung des Kreiſes bewirkt werden koͤnne: denn es iſt wohl kein Zweifel, daß ſich durch wohl angewendete Saͤuern der Purpur vom Culminationspuncte heruͤber nach dem Scharlach fuͤhren ließe.","norm":"Wir hätten also hier eine Steigerung von der Minusseite bis zur Kulmination, die wir bei den unorganischen Fällen nicht leicht gewahr wurden; ja wir können diese Erscheinung beinahe ein Durchwandern des ganzen Kreises nennen, und wir sind überzeugt, dass durch gehörige Versuche wirklich die ganze Durchwanderung des Kreises bewirkt werden könne: denn es ist wohl kein Zweifel, dass sich durch wohl angewendete Säuren der Purpur vom Kulminationspunkte herüber nach dem Scharlach führen ließe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1649,"orig":"Dieſe Feuchtigkeit ſcheint von der einen Seite mit der Begattung zuſammenzuhaͤngen, ja ſogar finden ſich Eier, die Anfaͤnge kuͤnftiger Schalthiere, welche ein ſolches faͤrbendes Weſen enthalten.","norm":"Diese Feuchtigkeit scheint von der einen Seite mit der Begattung zusammenzuhängen, ja sogar finden sich Eier, die Anfänge künftiger Schaltiere, welche ein solches färbendes Wesen enthalten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1650,"orig":"Von der andern Seite ſcheint aber dieſer Saft auf das bey hoͤher ſtehenden Thieren ſich entwickelnde Blut zu deuten.","norm":"Von der anderen Seite scheint aber dieser Saft auf das bei höher stehenden Tieren sich entwickelnde Blut zu deuten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1651,"orig":"Denn das Blut laͤßt uns aͤhnliche Eigenſchaften der Farbe ſehen.","norm":"Denn das Blut lässt uns ähnliche Eigenschaften der Farbe sehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1652,"orig":"In ſeinem verduͤnnteſten Zuſtande erſcheint es uns gelb, verdichtet, wie es in den Adern ſich befindet, roth, und zwar zeigt das arterielle Blut ein hoͤheres Roth, wahrſcheinlich wegen der Saͤurung, die ihm beym Athemholen widerfaͤhrt; das venoͤſe Blut geht mehr nach dem Violetten hin, und zeigt durch dieſe Beweglichkeit auf jenes uns genugſam bekannte Steigern und Wandern.","norm":"In seinem verdünntesten Zustande erscheint es uns gelb, verdichtet, wie es in den Adern sich befindet, rot, und zwar zeigt das arterielle Blut ein höheres Rot, wahrscheinlich wegen der Säuerung, die ihm beim Atemholen widerfährt; das venöse Blut geht mehr nach dem Violetten hin, und zeigt durch diese Beweglichkeit auf jenes uns genugsam bekannte Steigern und Wandern."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1653,"orig":"Sprechen wir, ehe wir das Element des Waſſers verlaſſen, noch einiges von den Fiſchen, deren ſchuppige Oberflaͤche zu gewiſſen Farben oͤfters theils im Ganzen, theils ſtreifig, theils fleckenweis ſpecificirt iſt, noch oͤfter ein gewiſſes Farbenſpiel zeigt, das auf die Verwandtſchaft der Schuppen mit den Gehaͤuſen der Schalthiere, dem Perlemutter, ja ſelbſt der Perle hinweiſt.","norm":"Sprechen wir, ehe wir das Element des Wassers verlassen, noch einiges von den Fischen, deren schuppige Oberfläche zu gewissen Farben öfters teils im Ganzen, teils streifig, teils fleckenweise spezifiziert ist, noch öfter ein gewisses Farbenspiel zeigt, das auf die Verwandtschaft der Schuppen mit den Gehäusen der Schaltiere, dem Perlemutter, ja selbst der Perle hinweist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1654,"orig":"Nicht zu uͤbergehen iſt hierbey, daß heißere Himmelsſtriche, auch ſchon in das Waſſer wirkſam, die Farben der Fiſche hervorbringen, verſchoͤnern und erhoͤhen.","norm":"Nicht zu übergehen ist hierbei, dass heißere Himmelsstriche, auch schon in das Wasser wirksam, die Farben der Fische hervorbringen, verschönern und erhöhen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1655,"orig":"Auf Otahiti bemerkte Forſter Fiſche, deren Oberflaͤchen ſehr ſchoͤn ſpielten, beſonders im Augenblick, da der Fiſch ſtarb.","norm":"Auf Otaheiti bemerkte Forster Fische, deren Oberflächen sehr schön spielten, besonders im Augenblick, da der Fisch starb."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1656,"orig":"Man erinnre ſich hierbey des Chamaͤleons und andrer aͤhnlichen Erſcheinungen, welche dereinſt zuſammengeſtellt dieſe Wirkungen deutlicher erkennen laſſen.","norm":"Man erinnre sich hierbei des Chamäleons und anderer ähnlichen Erscheinungen, welche dereinst zusammengestellt diese Wirkungen deutlicher erkennen lassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1657,"orig":"Noch zuletzt, obgleich außer der Reihe, iſt wohl noch das Farbenſpiel gewiſſer Molusken zu erwaͤhnen, ſo wie die Phosphorescenz einiger Seegeſchoͤpfe, welche ſich auch in Farben ſpielend verlieren ſoll.","norm":"Noch zuletzt, obgleich außer der Reihe, ist wohl noch das Farbenspiel gewisser Mollusken zu erwähnen, sowie die Phosphoreszenz einiger Seegeschöpfe, welche sich auch in Farben spielend verlieren soll."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1658,"orig":"Wenden wir nunmehr unſre Betrachtung auf diejenigen Geſchoͤpfe, welche dem Licht und der Luft und der trocknen Waͤrme angehoͤren; ſo finden wir uns freylich erſt recht im lebendigen Farbenreiche.","norm":"Wenden wir nunmehr unsere Betrachtung auf diejenigen Geschöpfe, welche dem Licht und der Luft und der trocknen Wärme angehören; so finden wir uns freilich erst recht im lebendigen Farbenreiche."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1659,"orig":"Hier erſcheinen uns an trefflich organiſirten Theilen die Elementarfarben in ihrer groͤßten Reinheit und Schoͤnheit.","norm":"Hier erscheinen uns an trefflich organisierten Teilen die Elementarfarben in ihrer größten Reinheit und Schönheit."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1660,"orig":"Sie deuten uns aber doch, daß eben dieſe Geſchoͤpfe noch auf einer niedern Stufe der Organiſation ſtehen, eben weil dieſe Elementarfarben noch unverarbeitet bey ihnen hervortreten koͤnnen.","norm":"Sie deuten uns aber doch, dass eben diese Geschöpfe noch auf einer niederen Stufe der Organisation stehen, eben weil diese Elementarfarben noch unverarbeitet bei ihnen hervortreten können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1661,"orig":"Auch hier ſcheint die Hitze viel zu Ausarbeitung dieſer Erſcheinung beyzutragen.","norm":"Auch hier scheint die Hitze viel zu Ausarbeitung dieser Erscheinung beizutragen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1662,"orig":"Wir finden Inſecten, welche als ganz concentrirter Farbenſtoff anzuſehen ſind, worunter beſonders die Coccusarten beruͤhmt ſind; wobey wir zu bemerken nicht unterlaſſen, daß ihre Weiſe, ſich an Vegetabilien anzuſiedeln, ja in dieſelben hineinzuniſten, auch zugleich jene Auswuͤchſe hervorbringt, welche als Beizen zu Befeſtigung der Farben ſo große Dienſte leiſten.","norm":"Wir finden Insekten, welche als ganz konzentrierter Farbenstoff anzusehen sind, worunter besonders die Kokkusarten berühmt sind; wobei wir zu bemerken nicht unterlassen, dass ihre Weise, sich an Vegetabilien anzusiedeln, ja in dieselben hineinzunisten, auch zugleich jene Auswüchse hervorbringt, welche als Beizen zu Befestigung der Farben so große Dienste leisten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1663,"orig":"Am auffallendſten aber zeigt ſich die Farbengewalt, verbunden mit regelmaͤßiger Organiſation, an denjenigen Inſecten, welche eine vollkommene Metamorphoſe zu ihrer Entwicklung beduͤrfen, an Kaͤfern, vorzuͤglich aber an Schmetterlingen.","norm":"Am auffallendsten aber zeigt sich die Farbengewalt, verbunden mit regelmäßiger Organisation, an denjenigen Insekten, welche eine vollkommene Metamorphose zu ihrer Entwicklung bedürfen, an Käfern, vorzüglich aber an Schmetterlingen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1664,"orig":"Dieſe letztern, die man wahrhafte Ausgeburten des Lichtes und der Luft nennen koͤnnte, zeigen ſchon in ihrem Raupenzuſtand oft die ſchoͤnſten Farben, welche, ſpecificirt wie ſie ſind, auf die kuͤnftigen Farben des Schmetterlings deuten; eine Betrachtung, die wenn ſie kuͤnftig weiter verfolgt wird, gewiß in manches Geheimniß der Organiſation eine erfreuliche Einſicht gewaͤhren muß.","norm":"Diese letzteren, die man wahrhafte Ausgeburten des Lichtes und der Luft nennen könnte, zeigen schon in ihrem Raupenzustand oft die schönsten Farben, welche, spezifiziert wie sie sind, auf die künftigen Farben des Schmetterlings deuten; eine Betrachtung, die wenn sie künftig weiter verfolgt wird, gewiss in manches Geheimnis der Organisation eine erfreuliche Einsicht gewähren muss."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1665,"orig":"Wenn wir uͤbrigens die Fluͤgel des Schmetterlings naͤher betrachten und in ſeinem netzartigen Gewebe die Spuren eines Armes entdecken, und ferner die Art, wie dieſer gleichſam verflaͤchte Arm durch zarte Federn bedeckt und zum Organ des Fliegens beſtimmt worden; ſo glauben wir ein Geſetz gewahr zu werden, wonach ſich die große Mannigfaltigkeit der Faͤrbung richtet, welches kuͤnftig naͤher zu entwickeln ſeyn wird.","norm":"Wenn wir übrigens die Flügel des Schmetterlings näher betrachten und in seinem netzartigen Gewebe die Spuren eines Armes entdecken, und ferner die Art, wie dieser gleichsam verflächte Arm durch zarte Federn bedeckt und zum Organ des Fliegens bestimmt worden; so glauben wir ein Gesetz gewahr zu werden, wonach sich die große Mannigfaltigkeit der Färbung richtet, welches künftig näher zu entwickeln sein wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1666,"orig":"Daß auch uͤberhaupt die Hitze auf Groͤße des Geſchoͤpfes, auf Ausbildung der Form, auf mehrere Herrlichkeit der Farben Einfluß habe, bedarf wohl kaum erinnert zu werden.","norm":"Dass auch überhaupt die Hitze auf Größe des Geschöpfes, auf Ausbildung der Form, auf mehrere Herrlichkeit der Farben Einfluss habe, bedarf wohl kaum erinnert zu werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1667,"orig":"Je weiter wir nun uns gegen die hoͤhern Organiſationen bewegen, deſto mehr haben wir Urſache, fluͤchtig und voruͤbergehend, nur einiges hinzuſtreuen.","norm":"Je weiter wir nun uns gegen die höheren Organisationen bewegen, desto mehr haben wir Ursache, flüchtig und vorübergehend, nur einiges hinzustreuen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1668,"orig":"Denn alles, was ſolchen organiſchen Weſen natuͤrlich begegnet, iſt eine Wirkung von ſo vielen Praͤmiſſen, daß ohne dieſelben wenigſtens angedeutet zu haben, nur etwas Unzulaͤngliches und Gewagtes ausgeſprochen wird.","norm":"Denn alles, was solchen organischen Wesen natürlich begegnet, ist eine Wirkung von so vielen Prämissen, dass ohne dieselben wenigstens angedeutet zu haben, nur etwas Unzulängliches und Gewagtes ausgesprochen wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1669,"orig":"Wie wir bey den Pflanzen finden, daß ihr Hoͤheres, die ausgebildeten Bluͤten und Fruͤchte auf dem Stamme gleichſam gewurzelt ſind, und ſich von vollkommneren Saͤften naͤhren, als ihnen die Wurzel zuerſt zugebracht hat; wie wir bemerken, daß die Schmarotzerpflanzen, die das Organiſche als ihr Element behandeln, an Kraͤften und Eigenſchaften ſich ganz vorzuͤglich beweiſen, ſo koͤnnen wir auch die Federn der Voͤgel in einem gewiſſen Sinne mit den Pflanzen vergleichen.","norm":"Wie wir bei den Pflanzen finden, dass ihr Höheres, die ausgebildeten Blüten und Früchte auf dem Stamme gleichsam gewurzelt sind, und sich von vollkommeneren Säften nähren, als ihnen die Wurzel zuerst zugebracht hat; wie wir bemerken, dass die Schmarotzerpflanzen, die das Organische als ihr Element behandeln, an Kräften und Eigenschaften sich ganz vorzüglich beweisen, so können wir auch die Federn der Vögel in einem gewissen Sinne mit den Pflanzen vergleichen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1670,"orig":"Die Federn entſpringen als ein Letztes aus der Oberflaͤche eines Koͤrpers, der noch viel nach außen herzugeben hat, und ſind deswegen ſehr reich ausgeſtattete Organe.","norm":"Die Federn entspringen als ein Letztes aus der Oberfläche eines Körpers, der noch viel nach außen herzugeben hat, und sind deswegen sehr reich ausgestattete Organe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1671,"orig":"Die Kiele erwachſen nicht allein verhaͤltnißmaͤßig zu einer anſehnlichen Groͤße, ſondern ſie ſind durchaus geaͤſtet, wodurch ſie eigentlich zu Federn werden, und manche dieſer Ausaͤſtungen, Befiederungen ſind wieder ſubdividirt, wodurch ſie abermals an die Pflanzen erinnern.","norm":"Die Kiele erwachsen nicht allein verhältnismäßig zu einer ansehnlichen Größe, sondern sie sind durchaus geästet, wodurch sie eigentlich zu Federn werden, und manche dieser Ausästungen, Befiederungen sind wieder subdividiert, wodurch sie abermals an die Pflanzen erinnern."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1672,"orig":"Die Federn ſind ſehr verſchieden an Form und Groͤße, aber ſie bleiben immer daſſelbe Organ, das ſich nur nach Beſchaffenheit des Koͤrpertheiles, aus welchem es entſpringt, bildet und umbildet.","norm":"Die Federn sind sehr verschieden an Form und Größe, aber sie bleiben immer dasselbe Organ, das sich nur nach Beschaffenheit des Körperteiles, aus welchem es entspringt, bildet und umbildet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1673,"orig":"Mit der Form verwandelt ſich auch die Farbe, und ein gewiſſes Geſetz leitet ſowohl die allgemeine Faͤrbung, als auch die beſondre, wie wir ſie nennen moͤchten, diejenige nehmlich, wodurch die einzelne Feder ſcheckig wird.","norm":"Mit der Form verwandelt sich auch die Farbe, und ein gewisses Gesetz leitet sowohl die allgemeine Färbung, als auch die besondere, wie wir sie nennen möchten, diejenige nämlich, wodurch die einzelne Feder scheckig wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1674,"orig":"Dieſes iſt es, woraus alle Zeichnung des bunten Gefieders entſpringt, und woraus zuletzt das Pfauenauge hervorgeht.","norm":"Dieses ist es, woraus alle Zeichnung des bunten Gefieders entspringt, und woraus zuletzt das Pfauenauge hervorgeht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1675,"orig":"Es iſt ein aͤhnliches mit jenem, das wir bey Gelegenheit der Metamorphoſe der Pflanzen fruͤher entwickelt, und welches darzulegen wir die naͤchſte Gelegenheit ergreifen werden.","norm":"Es ist ein Ähnliches mit jenem, das wir bei Gelegenheit der Metamorphose der Pflanzen früher entwickelt, und welches darzulegen wir die nächste Gelegenheit ergreifen werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1676,"orig":"Noͤthigen uns hier Zeit und Umſtaͤnde uͤber dieſes organiſche Geſetz hinauszugehen, ſo iſt doch hier unſre Pflicht, der chemiſchen Wirkungen zu gedenken, welche ſich bey Faͤrbung der Federn auf eine uns nun ſchon hinlaͤnglich bekannte Weiſe zu aͤußern pflegen.","norm":"Nötigen uns hier Zeit und Umstände über dieses organische Gesetz hinauszugehen, so ist doch hier unsere Pflicht, der chemischen Wirkungen zu gedenken, welche sich bei Färbung der Federn auf eine uns nun schon hinlänglich bekannte Weise zu äußeren pflegen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1677,"orig":"Das Gefieder iſt allfarbig, doch im Ganzen das gelbe, das ſich zum Rothen ſteigert, haͤufiger als das blaue.","norm":"Das Gefieder ist allfarbig, doch im Ganzen das gelbe, das sich zum Roten steigert, häufiger als das blaue."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1678,"orig":"Die Einwirkung des Lichts auf die Federn und ihre Farben iſt durchaus bemerklich.","norm":"Die Einwirkung des Lichts auf die Federn und ihre Farben ist durchaus bemerkbar."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1679,"orig":"So iſt zum Beyſpiel auf der Bruſt gewiſſer Papageyen die Feder eigentlich gelb.","norm":"So ist zum Beispiel auf der Brust gewisser Papageien die Feder eigentlich gelb."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1680,"orig":"Der ſchuppenartig hervortretende Theil, den das Licht beſcheint, iſt aus dem Gelben ins Rothe geſteigert.","norm":"Der schuppenartig hervortretende Teil, den das Licht bescheint, ist aus dem Gelben ins Rote gesteigert."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1681,"orig":"So ſieht die Bruſt eines ſolchen Thiers hochroth aus, wenn man aber in die Federn blaͤſt, erſcheint das Gelbe.","norm":"So sieht die Brust eines solchen Tiers hochrot aus, wenn man aber in die Federn bläst, erscheint das Gelbe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1682,"orig":"So iſt durchaus der unbedeckte Theil der Federn von dem im ruhigen Zuſtand bedeckten hoͤchlich unterſchieden, ſo daß ſogar nur der unbedeckte Theil, z. B. bey Raben, bunte Farben ſpielt, der bedeckte aber nicht; nach welcher Anleitung man die Schwanzfedern, wenn ſie durch einander geworfen ſind, ſogleich wieder zurecht legen kann.","norm":"So ist durchaus der unbedeckte Teil der Federn von dem im ruhigen Zustand bedeckten höchlich unterschieden, so dass sogar nur der unbedeckte Teil, z. B. bei Raben, bunte Farben spielt, der bedeckte aber nicht; nach welcher Anleitung man die Schwanzfedern, wenn sie durcheinander geworfen sind, sogleich wieder zurechtlegen kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1683,"orig":"Hier fangen die Elementarfarben an uns ganz zu verlaſſen.","norm":"Hier fangen die Elementarfarben an uns ganz zu verlassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1684,"orig":"Wir ſind auf der hoͤchſten Stufe, auf der wir nur fluͤchtig verweilen.","norm":"Wir sind auf der höchsten Stufe, auf der wir nur flüchtig verweilen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1685,"orig":"Das Saͤugthier ſteht uͤberhaupt entſchieden auf der Lebensſeite.","norm":"Das Säugetier steht überhaupt entschieden auf der Lebensseite."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1686,"orig":"Altes, was ſich an ihm aͤußert, iſt lebendig.","norm":"Alles, was sich an ihm äußert, ist lebendig."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1687,"orig":"Von dem Innern ſprechen wir nicht, alſo hier nur einiges von der Oberflaͤche.","norm":"Von dem Inneren sprechen wir nicht, also hier nur einiges von der Oberfläche."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1688,"orig":"Die Haare unterſcheiden ſich ſchon dadurch von den Federn, daß ſie der Haut mehr angehoͤren, daß ſie einfach, fadenartig, nicht geaͤſtet ſind.","norm":"Die Haare unterscheiden sich schon dadurch von den Federn, dass sie der Haut mehr angehören, dass sie einfach, fadenartig, nicht geästet sind."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1689,"orig":"An den verſchiedenen Theilen des Koͤrpers ſind ſie aber auch, nach Art der Federn, kuͤrzer, laͤnger, zarter und ſtaͤrker, farblos oder gefaͤrbt, und dieß alles nach Geſetzen, welche ſich ausſprechen laſſen.","norm":"An den verschiedenen Teilen des Körpers sind sie aber auch, nach Art der Federn, kürzer, länger, zarter und stärker, farblos oder gefärbt, und dies alles nach Gesetzen, welche sich aussprechen lassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1690,"orig":"Weiß und Schwarz, Gelb, Gelbroth und Braun wechſeln auf mannigfaltige Weiſe, doch erſcheinen ſie niemals auf eine ſolche Art, daß ſie uns an die Elementarfarben erinnerten.","norm":"Weiß und Schwarz, Gelb, Gelbrot und Braun wechseln auf mannigfaltige Weise, doch erscheinen sie niemals auf eine solche Art, dass sie uns an die Elementarfarben erinnerten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1691,"orig":"Sie ſind alle vielmehr gemiſchte, durch organiſche Kochung bezwungene Farben, und bezeichnen mehr oder weniger die Stufenhoͤhe des Weſens, dem ſie angehoͤren.","norm":"Sie sind alle vielmehr gemischte, durch organische Kochung bezwungene Farben, und bezeichnen mehr oder weniger die Stufenhöhe des Wesens, dem sie angehören."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1692,"orig":"Eine von den wichtigſten Betrachtungen der Morphologie, in ſofern ſie Oberflaͤchen beobachtet, iſt dieſe, daß auch bey den vierfuͤßigen Thieren die Flecken der Haut auf die innern Theile, uͤber welche ſie gezogen iſt, einen Bezug haben.","norm":"Eine von den wichtigsten Betrachtungen der Morphologie, insofern sie Oberflächen beobachtet, ist diese, dass auch bei den vierfüßigen Tieren die Flecken der Haut auf die inneren Teile, über welche sie gezogen ist, einen Bezug haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1693,"orig":"So willkuͤhrlich uͤbrigens die Natur dem fluͤchtigen Anblick hier zu wirken ſcheint, ſo conſequent wird dennoch ein tiefes Geſetz beobachtet, deſſen Entwicklung und Anwendung freylich nur einer genauen Sorgfalt und treuen Theilnehmung vorbehalten iſt.","norm":"So willkürlich übrigens die Natur dem flüchtigen Anblick hier zu wirken scheint, so konsequent wird dennoch ein tiefes Gesetz beobachtet, dessen Entwicklung und Anwendung freilich nur einer genauen Sorgfalt und treuen Teilnehmung vorbehalten ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1694,"orig":"Wenn bey Affen gewiſſe nackte Theile bunt, mit Elementarfarben, erſcheinen, ſo zeigt dieß die weite Entfernung eines ſolchen Geſchoͤpfs von der Vollkommenheit an: denn man kann ſagen, je edler ein Geſchoͤpf iſt, je mehr iſt alles Stoffartige in ihm verarbeitet; je weſentlicher ſeine Oberflaͤche mit dem Innern zuſammenhaͤngt, deſto weniger koͤnnen auf derſelben Elementarfarben erſcheinen.","norm":"Wenn bei Affen gewisse nackte Teile bunt, mit Elementarfarben, erscheinen, so zeigt dies die weite Entfernung eines solchen Geschöpfs von der Vollkommenheit an: denn man kann sagen, je edler ein Geschöpf ist, je mehr ist alles Stoffartige in ihm verarbeitet; je wesentlicher seine Oberfläche mit dem Inneren zusammenhängt, desto weniger können auf derselben Elementarfarben erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1695,"orig":"Denn da, wo alles ein vollkommenes Ganzes zuſammen ausmachen ſoll, kann ſich nicht hier und da etwas Specifiſches abſondern.","norm":"Denn da, wo alles ein vollkommenes Ganzes zusammen ausmachen soll, kann sich nicht hier und da etwas Spezifisches absondern."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1696,"orig":"Von dem Menſchen haben wir wenig zu ſagen, denn er trennt ſich ganz von der allgemeinen Naturlehre los, in der wir jetzt eigentlich wandeln.","norm":"Von dem Menschen haben wir wenig zu sagen, denn er trennt sich ganz von der allgemeinen Naturlehre los, in der wir jetzt eigentlich wandeln."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1697,"orig":"Auf des Menſchen Inneres iſt ſo viel verwandt, daß ſeine Oberflaͤche nur ſparſamer begabt werden konnte.","norm":"Auf des Menschen Inneres ist so viel verwandt, dass seine Oberfläche nur sparsamer begabt werden konnte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1698,"orig":"Wenn man nimmt, daß ſchon unter der Haut die Thiere mit Intercutanmuskeln mehr belaſtet als beguͤnſtigt ſind; wenn man ſieht, daß gar manches Ueberfluͤſſige nach außen ſtrebt, wie zum Beyſpiel die großen Ohren und Schwaͤnze, nicht weniger die Haare, Maͤhnen, Zotten: ſo ſieht man wohl, daß die Natur vieles abzugeben und zu verſchwenden hatte.","norm":"Wenn man nimmt, dass schon unter der Haut die Tiere mit Interkutanmuskeln mehr belastet als begünstigt sind; wenn man sieht, dass gar manches Überflüssige nach außen strebt, wie zum Beispiel die großen Ohren und Schwänze, nicht weniger die Haare, Mähnen, Zotten: so sieht man wohl, dass die Natur vieles abzugeben und zu verschwenden hatte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1699,"orig":"Dagegen iſt die Oberflaͤche des Menſchen glatt und rein, und laͤßt, bey den vollkommenſten, außer wenigen mit Haar mehr gezierten als bedeckten Stellen, die ſchoͤne Form ſehen: denn im Vorbeygehen ſey es geſagt, ein Ueberfluß der Haare an Bruſt, Armen, Schenkeln deutet eher auf Schwaͤche als auf Staͤrke; wie denn wahrſcheinlich nur die Poeten, durch den Anlaß einer uͤbrigens ſtarken Thiernatur verfuͤhrt, mit unter ſolche haarige Helden zu Ehren gebracht haben.","norm":"Dagegen ist die Oberfläche des Menschen glatt und rein, und lässt, bei den vollkommensten, außer wenigen mit Haar mehr gezierten als bedeckten Stellen, die schöne Form sehen: denn im Vorbeigehen sei es gesagt, ein Überfluss der Haare an Brust, Armen, Schenkeln deutet eher auf Schwäche als auf Stärke; wie denn wahrscheinlich nur die Poeten, durch den Anlass einer übrigens starken Tiernatur verführt, mitunter solche haarige Helden zu Ehren gebracht haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1700,"orig":"Doch haben wir hauptſaͤchlich an dieſem Ort von der Farbe zu reden.","norm":"Doch haben wir hauptsächlich an diesem Ort von der Farbe zu reden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1701,"orig":"Und ſo iſt die Farbe der menſchlichen Haut, in allen ihren Abweichungen, durchaus keine Elementarfarbe, ſondern eine durch organiſche Kochung hoͤchſt bearbeitete Erſcheinung.","norm":"Und so ist die Farbe der menschlichen Haut, in allen ihren Abweichungen, durchaus keine Elementarfarbe, sondern eine durch organische Kochung höchst bearbeitete Erscheinung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1702,"orig":"Daß die Farbe der Haut und Haare auf einen Unterſchied der Charaktere deute, iſt wohl keine Frage, wie wir ja ſchon einen bedeutenden Unterſchied an blonden und braunen Menſchen gewahr werden; wodurch wir auf die Vermuthung geleitet worden, daß ein oder das andre organiſche Syſtem vorwaltend eine ſolche Verſchiedenheit hervorbringe.","norm":"Dass die Farbe der Haut und Haare auf einen Unterschied der Charaktere deute, ist wohl keine Frage, wie wir ja schon einen bedeutenden Unterschied an blonden und braunen Menschen gewahr werden; wodurch wir auf die Vermutung geleitet worden, dass ein oder das andere organische System vorwaltend eine solche Verschiedenheit hervorbringe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1703,"orig":"Ein gleiches laͤßt ſich wohl auf Nationen anwenden; wobey vielleicht zu bemerken waͤre, daß auch gewiſſe Farben mit gewiſſen Bildungen zuſammentreffen, worauf wir ſchon durch die Mohrenphyſiognomien aufmerkſam geworden.","norm":"Ein Gleiches lässt sich wohl auf Nationen anwenden; wobei vielleicht zu bemerken wäre, dass auch gewisse Farben mit gewissen Bildungen zusammentreffen, worauf wir schon durch die Mohrenphysiognomien aufmerksam geworden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1704,"orig":"Uebrigens waͤre wohl hier der Ort, der Zweiflerfrage zu begegnen, ob denn nicht alle Menſchenbildung und Farbe gleich ſchoͤn, und nur durch Gewohnheit und Eigenduͤnkel eine der andern vorgezogen werde.","norm":"Übrigens wäre wohl hier der Ort, der Zweiflerfrage zu begegnen, ob denn nicht alle Menschenbildung und Farbe gleich schön, und nur durch Gewohnheit und Eigendünkel eine der anderen vorgezogen werde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1705,"orig":"Wir getrauen uns aber in Gefolg alles deſſen, was bisher vorgekommen, zu behaupten, daß der weiße Menſch, d. h. derjenige, deſſen Oberflaͤche vom Weißen ins Gelbliche, Braͤunliche, Roͤthliche ſpielt, kurz deſſen Oberflaͤche am gleichguͤltigſten erſcheint, am wenigſten ſich zu irgend etwas Beſondrem hinneigt, der ſchoͤnſte ſey.","norm":"Wir getrauen uns aber in Gefolge alles dessen, was bisher vorgekommen, zu behaupten, dass der weiße Mensch, d. h. derjenige, dessen Oberfläche vom Weißen ins Gelbliche, Bräunliche, Rötliche spielt, kurz dessen Oberfläche am gleichgültigsten erscheint, am wenigsten sich zu irgendetwas Besonderem hinneigt, der schönste sei."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1706,"orig":"Und ſo wird auch wohl kuͤnftig, wenn von der Form die Rede ſeyn wird, ein ſolcher Gipfel menſchlicher Geſtalt ſich vor das Anſchauen bringen laſſen; nicht als ob dieſe alte Streitfrage hierdurch fuͤr immer entſchieden ſeyn ſollte: denn es gibt Menſchen genug, welche Urſache haben, dieſe Deutſamkeit des Aeußern in Zweifel zu ſetzen; ſondern daß dasjenige ausgeſprochen werde, was aus einer Folge von Beobachtung und Urtheil einem Sicherheit und Beruhigung ſuchenden Gemuͤthe hervorſpringt.","norm":"Und so wird auch wohl künftig, wenn von der Form die Rede sein wird, ein solcher Gipfel menschlicher Gestalt sich vor das Anschauen bringen lassen; nicht als ob diese alte Streitfrage hierdurch für immer entschieden sein sollte: denn es gibt Menschen genug, welche Ursache haben, diese Deutsamkeit des Äußeren in Zweifel zu setzen; sondern dass dasjenige ausgesprochen werde, was aus einer Folge von Beobachtung und Urteil einem Sicherheit und Beruhigung suchenden Gemüte hervorspringt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1707,"orig":"Und ſo fuͤgen wir zum Schluß noch einige auf die elementarchemiſche Farbenlehre ſich beziehende Betrachtungen bey.","norm":"Und so fügen wir zum Schluss noch einige auf die elementarchemische Farbenlehre sich beziehende Betrachtungen bei."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1708,"orig":"Die phyſiſchen und chemiſchen Wirkungen farbloſer Beleuchtung ſind bekannt, ſo daß es hier unnoͤthig ſeyn duͤrfte, ſie weitlaͤuftig aus einander zu ſetzen.","norm":"Die physischen und chemischen Wirkungen farbloser Beleuchtung sind bekannt, so dass es hier unnötig sein dürfte, sie weitläufig auseinander zu setzen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1709,"orig":"Das farbloſe Licht zeigt ſich unter verſchiedenen Bedingungen, als Waͤrme erregend, als ein Leuchten gewiſſen Koͤrpern mittheilend, als auf Saͤurung und Entſaͤurung wirkend.","norm":"Das farblose Licht zeigt sich unter verschiedenen Bedingungen, als Wärme erregend, als ein Leuchten gewissen Körpern mitteilend, als auf Säuerung und Entsäuerung wirkend."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1710,"orig":"In der Art und Staͤrke dieſer Wirkungen findet ſich wohl mancher Unterſchied, aber keine ſolche Differenz, die auf einen Gegenſatz hinwieſe, wie ſolche bey farbigen Beleuchtungen erſcheint, wovon wir nunmehr kuͤrzlich Rechenſchaft zu geben gedenken.","norm":"In der Art und Stärke dieser Wirkungen findet sich wohl mancher Unterschied, aber keine solche Differenz, die auf einen Gegensatz hinwiese, wie solche bei farbigen Beleuchtungen erscheint, wovon wir nunmehr kürzlich Rechenschaft zu geben gedenken."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1711,"orig":"Von der Wirkung farbiger Beleuchtung als Waͤrme erregend wiſſen wir folgendes zu ſagen:","norm":"Von der Wirkung farbiger Beleuchtung als wärmeerregend wissen wir Folgendes zu sagen:"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1712,"orig":"An einem ſehr ſenſiblen, ſogenannten Luftthermometer beobachte man die Temperatur des dunklen Zimmers.","norm":"An einem sehr sensiblen, sogenannten Luftthermometer beobachte man die Temperatur des dunklen Zimmers."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1713,"orig":"Bringt man die Kugel darauf in das direct hereinſcheinende Sonnenlicht, ſo iſt nichts natuͤrlicher, als daß die Fluͤſſigkeit einen viel hoͤhern Grad der Waͤrme anzeige.","norm":"Bringt man die Kugel darauf in das direkt hereinscheinende Sonnenlicht, so ist nichts natürlicher, als dass die Flüssigkeit einen viel höheren Grad der Wärme anzeige."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1714,"orig":"Schiebt man alsdann farbige Glaͤſer vor, ſo folgt auch ganz natuͤrlich, daß ſich der Waͤrmegrad vermindre, erſtlich weil die Wirkung des directen Lichts ſchon durch das Glas etwas gehindert iſt, ſodann aber vorzuͤglich, weil ein farbiges Glas, als ein Dunkles, ein wenigeres Licht hindurchlaͤßt.","norm":"Schiebt man alsdann farbige Gläser vor, so folgt auch ganz natürlich, dass sich der Wärmegrad vermindre, erstlich weil die Wirkung des direkten Lichts schon durch das Glas etwas gehindert ist, sodann aber vorzüglich, weil ein farbiges Glas, als ein Dunkles, ein wenigeres Licht hindurchlässt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1715,"orig":"Hiebey zeigt ſich aber dem aufmerkſamen Beobachter ein Unterſchied der Waͤrmerregung, je nachdem dieſe oder jene Farbe dem Glaſe eigen iſt.","norm":"Hierbei zeigt sich aber dem aufmerksamen Beobachter ein Unterschied der Wärmeerregung, je nachdem diese oder jene Farbe dem Glase eigen ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1716,"orig":"Das gelbe und gelbrothe Glas bringt eine hoͤhere Temperatur, als das blaue und blaurothe hervor, und zwar iſt der Unterſchied von Bedeutung.","norm":"Das gelbe und gelbrote Glas bringt eine höhere Temperatur, als das blaue und blaurote hervor, und zwar ist der Unterschied von Bedeutung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1717,"orig":"Will man dieſen Verſuch mit dem ſogenannten prismatiſchen Spectrum anſtellen, ſo bemerke man am Thermometer erſt die Temperatur des Zimmers, laſſe alsdann das blaufaͤrbige Licht auf die Kugel fallen; ſo wird ein etwas hoͤherer Waͤrmegrad angezeigt, welcher immer waͤchſt, wenn man die uͤbrigen Farben nach und nach auf die Kugel bringt.","norm":"Will man diesen Versuch mit dem sogenannten prismatischen Spektrum anstellen, so bemerke man am Thermometer erst die Temperatur des Zimmers, lasse alsdann das blaufarbige Licht auf die Kugel fallen; so wird ein etwas höherer Wärmegrad angezeigt, welcher immer wächst, wenn man die übrigen Farben nach und nach auf die Kugel bringt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1718,"orig":"In der gelbrothen iſt die Temperatur am ſtaͤrkſten, noch ſtaͤrker aber unter dem Gelbrothen.","norm":"In der gelbroten ist die Temperatur am stärksten, noch stärker aber unter dem Gelbroten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1719,"orig":"Macht man die Vorrichtung mit dem Waſſerprisma, ſo daß man das weiße Licht in der Mitte vollkommen haben kann, ſo iſt dieſes zwar gebrochne, aber noch nicht gefaͤrbte Licht das waͤrmſte; die uͤbrigen Farben verhalten ſich hingegen wie vorher geſagt.","norm":"Macht man die Vorrichtung mit dem Wasserprisma, so dass man das weiße Licht in der Mitte vollkommen haben kann, so ist dieses zwar gebrochene, aber noch nicht gefärbte Licht das wärmste; die übrigen Farben verhalten sich hingegen wie vorher gesagt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1720,"orig":"Da es hier nur um Andeutung, nicht aber um Ableitung und Erklaͤrung dieſer Phaͤnomene zu thun iſt, ſo bemerken wir nur im Vorbeygehen, daß ſich am Spectrum unter dem Rothen keinesweges das Licht vollkommen abſchneidet, ſondern daß immer noch ein gebrochnes, von ſeinem Wege abgelenktes, ſich hinter dem prismatiſchen Farbenbilde gleichſam herſchleichendes Licht zu bemerken iſt; ſo daß man bey naͤherer Betrachtung wohl kaum noͤthig haben wird zu unſichtbaren Strahlen und deren Brechung ſeine Zuflucht zu nehmen.","norm":"Da es hier nur um Andeutung, nicht aber um Ableitung und Erklärung dieser Phänomene zu tun ist, so bemerken wir nur im Vorbeigehen, dass sich am Spektrum unter dem Roten keineswegs das Licht vollkommen abschneidet, sondern dass immer noch ein gebrochenes, von seinem Wege abgelenktes, sich hinter dem prismatischen Farbenbilde gleichsam herschleichendes Licht zu bemerken ist; so dass man bei näherer Betrachtung wohl kaum nötig haben wird zu unsichtbaren Strahlen und deren Brechung seine Zuflucht zu nehmen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1721,"orig":"Die Mittheilung des Lichtes durch farbige Beleuchtung zeigt dieſelbige Differenz.","norm":"Die Mitteilung des Lichtes durch farbige Beleuchtung zeigt dieselbige Differenz."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1722,"orig":"Den Bononiſchen Phosphoren theilt ſich das Licht mit durch blaue und violette Glaͤſer, keinesweges aber durch gelbe und gelbrothe; ja man will ſogar bemerkt haben, daß die Phosphoren, welchen man durch violette und blaue Glaͤſer den Gluͤhſchein mitgetheilt, wenn man ſolche nachher unter die gelben und gelbrothen Scheiben gebracht, fruͤher verloͤſchen, als die, welche man im dunklen Zimmer ruhig liegen laͤßt.","norm":"Den Bononischen Phosphoren teilt sich das Licht mit durch blaue und violette Gläser, keineswegs aber durch gelbe und gelbrote; ja man will sogar bemerkt haben, dass die Phosphoren, welchen man durch violette und blaue Gläser den Glühschein mitgeteilt, wenn man solche nachher unter die gelben und gelbroten Scheiben gebracht, früher verlöschen, als die, welche man im dunklen Zimmer ruhig liegen lässt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1723,"orig":"Man kann dieſe Verſuche wie die vorhergehenden auch durch das prismatiſche Spectrum machen, und es zeigen ſich immer dieſelben Reſultate.","norm":"Man kann diese Versuche wie die vorhergehenden auch durch das prismatische Spektrum machen, und es zeigen sich immer dieselben Resultate."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1724,"orig":"Von der Wirkung farbiger Beleuchtung auf Saͤurung und Entſaͤurung kann man ſich folgendermaßen unterrichten.","norm":"Von der Wirkung farbiger Beleuchtung auf Säuerung und Entsäuerung kann man sich folgendermaßen unterrichten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1725,"orig":"Man ſtreiche feuchtes, ganz weißes Hornſilber auf einen Papierſtreifen; man lege ihn ins Licht, daß er einigermaßen grau werde und ſchneide ihn alsdenn in drey Stuͤcke.","norm":"Man streiche feuchtes, ganz weißes Hornsilber auf einen Papierstreifen; man lege ihn ins Licht, dass er einigermaßen grau werde und schneide ihn alsdann in drei Stücke."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1726,"orig":"Das eine lege man in ein Buch, als bleibendes Muſter, das andre unter ein gelbrothes, das dritte unter ein blaurothes Glas.","norm":"Das eine lege man in ein Buch, als bleibendes Muster, das andere unter ein gelbrotes, das dritte unter ein blaurotes Glas."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1727,"orig":"Dieſes letzte Stuͤck wird immer dunkelgrauer werden und eine Entſaͤurung anzeigen.","norm":"Dieses letzte Stück wird immer dunkelgrauer werden und eine Entsäuerung anzeigen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1728,"orig":"Das unter dem gelbrothen befindliche wird immer heller grau, tritt alſo dem erſten Zuſtand vollkommnerer Saͤurung wieder naͤher.","norm":"Das unter dem gelbroten befindliche wird immer heller grau, tritt also dem ersten Zustand vollkommenerer Säuerung wieder näher."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1729,"orig":"Von beyden kann man ſich durch Vergleichung mit dem Muſterſtuͤcke uͤberzeugen.","norm":"Von beiden kann man sich durch Vergleichung mit dem Musterstücke überzeugen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1730,"orig":"Man hat auch eine ſchoͤne Vorrichtung gemacht, dieſe Verſuche mit dem prismatiſchen Bilde anzuſtellen.","norm":"Man hat auch eine schöne Vorrichtung gemacht, diese Versuche mit dem prismatischen Bilde anzustellen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1731,"orig":"Die Reſultate ſind denen bisher erwaͤhnten gemaͤß, und wir werden das naͤhere davon ſpaͤterhin vortragen und dabey die Arbeiten eines genauen Beobachters benutzen, der ſich bisher mit dieſen Verſuchen ſorgfaͤltig beſchaͤftigte.","norm":"Die Resultate sind denen bisher erwähnten gemäß, und wir werden das Nähere davon späterhin vortragen und dabei die Arbeiten eines genauen Beobachters benutzen, der sich bisher mit diesen Versuchen sorgfältig beschäftigte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1732,"orig":"Zuerſt erſuchen wir unſre Leſer, dasjenige wieder nachzuſehen, was wir oben (285 — 298) uͤber dieſe Materie vorgetragen, damit es hier keiner weitern Wiederholung beduͤrfe.","norm":"Zuerst ersuchen wir unsere Leser, dasjenige wieder nachzusehen, was wir oben (285 — 298) über diese Materie vorgetragen, damit es hier keiner weitern Wiederholung bedürfe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1733,"orig":"Man kann alſo einem Glaſe die Eigenſchaft geben, daß es, ohne viel ſtaͤrker zu refrangiren als vorher, d. h. ohne das Bild um ein ſehr merkliches weiter zu verruͤcken, dennoch viel breitere Farbenſaͤume hervorbringt.","norm":"Man kann also einem Glase die Eigenschaft geben, dass es, ohne viel stärker zu refrangieren als vorher, d. h. ohne das Bild um ein sehr merkliches weiter zu verrücken, dennoch viel breitere Farbensäume hervorbringt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1734,"orig":"Dieſe Eigenſchaft wird dem Glaſe durch Metallkalke mitgetheilt.","norm":"Diese Eigenschaft wird dem Glase durch Metallkalke mitgeteilt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1735,"orig":"Daher Mennige mit einem reinen Glaſe innig zuſammengeſchmolzen und vereinigt, dieſe Wirkung hervorbringt.","norm":"Daher Mennige mit einem reinen Glase innig zusammengeschmolzen und vereinigt, diese Wirkung hervorbringt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1736,"orig":"Flintglas (291) iſt ein ſolches mit Bleykalk bereitetes Glas.","norm":"Flintglas (291) ist ein solches mit Bleikalk bereitetes Glas."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1737,"orig":"Auf dieſem Wege iſt man weiter gegangen und hat die ſogenannte Spießglanzbutter, die ſich nach einer neuern Bereitung als reine Fluͤſſigkeit darſtellen laͤßt, in linſenfoͤrmigen und prismatiſchen Gefaͤßen benutzt, und hat eine ſehr ſtarke Farbenerſcheinung bey maͤßiger Refraction hervorgebracht, und die von uns ſogenannte Hyperchromaſie ſehr lebhaft dargeſtellt.","norm":"Auf diesem Wege ist man weiter gegangen und hat die sogenannte Spießglanzbutter, die sich nach einer neueren Bereitung als reine Flüssigkeit darstellen lässt, in linsenförmigen und prismatischen Gefäßen benutzt, und hat eine sehr starke Farbenerscheinung bei mäßiger Refraktion hervorgebracht, und die von uns so genannte Hyperchromasie sehr lebhaft dargestellt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1738,"orig":"Bedenkt man nun, daß das gemeine Glas, wenigſtens uͤberwiegend alcaliſcher Natur ſey, indem es vorzuͤglich aus Sand und Laugenſalzen zuſammengeſchmolzen wird; ſo moͤchte wohl eine Reihe von Verſuchen belehrend ſeyn, welche das Verhaͤltniß voͤllig alcaliſcher Liquoren zu voͤlligen Saͤuren auseinanderſetzten.","norm":"Bedenkt man nun, dass das gemeine Glas, wenigstens überwiegend alkalischer Natur sei, indem es vorzüglich aus Sand und Laugensalzen zusammengeschmolzen wird; so möchte wohl eine Reihe von Versuchen belehrend sein, welche das Verhältnis völlig alkalischer Liquoren zu völligen Säuren auseinandersetzten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1739,"orig":"Waͤre nun das Maximum und Minimum gefunden; ſo waͤre die Frage, ob nicht irgend ein brechend Mittel zu erdenken ſey, in welchem die von der Refraction beynah unabhaͤngig auf- und abſteigende Farbenerſcheinung, bey Verruͤckung des Bildes, voͤllig Null werden koͤnnte.","norm":"Wäre nun das Maximum und Minimum gefunden; so wäre die Frage, ob nicht irgendein brechend Mittel zu erdenken sei, in welchem die von der Refraktion beinahe unabhängig auf- und absteigende Farbenerscheinung, bei Verrückung des Bildes, völlig Null werden könnte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1740,"orig":"Wie ſehr wuͤnſchenswerth waͤre es daher fuͤr dieſen letzten Punct ſowohl, als fuͤr unſre ganze dritte Abtheilung, ja fuͤr die Farbenlehre uͤberhaupt, daß die mit Bearbeitung der Chemie, unter immer fortſchreitenden neuen Anſichten, beſchaͤftigten Maͤnner auch hier eingreifen, und das, was wir beynahe nur mit rohen Zuͤgen angedeutet, in das Feinere verfolgen und in einem allgemeinen, der ganzen Wiſſenſchaft zuſagenden Sinne bearbeiten moͤchten.","norm":"Wie sehr wünschenswert wäre es daher für diesen letzten Punkt sowohl, als für unsere ganze dritte Abteilung, ja für die Farbenlehre überhaupt, dass die mit Bearbeitung der Chemie, unter immer fortschreitenden neuen Ansichten, beschäftigten Männer auch hier eingreifen, und das, was wir beinahe nur mit rohen Zügen angedeutet, in das Feinere verfolgen und in einem allgemeinen, der ganzen Wissenschaft zusagenden Sinne bearbeiten möchten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1741,"orig":"Wir haben bisher die Phaͤnomene faſt gewaltſam aus einander gehalten, die ſich theils ihrer Natur nach, theils dem Beduͤrfniß unſres Geiſtes gemaͤß, immer wieder zu vereinigen ſtrebten.","norm":"Wir haben bisher die Phänomene fast gewaltsam auseinandergehalten, die sich teils ihrer Natur nach, teils dem Bedürfnis unseres Geistes gemäß, immer wieder zu vereinigen strebten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1742,"orig":"Wir haben ſie, nach einer gewiſſen Methode, in drey Abtheilungen vorgetragen, und die Farben zuerſt bemerkt als fluͤchtige Wirkung und Gegenwirkung des Auges ſelbſt, ferner als voruͤbergehende Wirkung farbloſer, durchſcheinender, durchſichtiger, undurchſichtiger Koͤrper auf das Licht, beſonders auf das Lichtbild; endlich ſind wir zu dem Puncte gelangt, wo wir ſie als dauernd, als den Koͤrpern wirklich einwohnend zuverſichtlich anſprechen konnten.","norm":"Wir haben sie, nach einer gewissen Methode, in drei Abteilungen vorgetragen, und die Farben zuerst bemerkt als flüchtige Wirkung und Gegenwirkung des Auges selbst, ferner als vorübergehende Wirkung farbloser, durchscheinender, durchsichtiger, undurchsichtiger Körper auf das Licht, besonders auf das Lichtbild; endlich sind wir zu dem Punkte gelangt, wo wir sie als dauernd, als den Körpern wirklich einwohnend zuversichtlich ansprechen konnten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1743,"orig":"In dieſer ſtaͤtigen Reihe haben wir, ſo viel es moͤglich ſeyn wollte, die Erſcheinungen zu beſtimmen, zu ſondern, und zu ordnen geſucht.","norm":"In dieser stetigen Reihe haben wir, soviel es möglich sein wollte, die Erscheinungen zu bestimmen, zu sondern, und zu ordnen gesucht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1744,"orig":"Jetzt, da wir nicht mehr fuͤrchten, ſie zu vermiſchen, oder zu verwirren, koͤnnen wir unternehmen, erſtlich das Allgemeine, was ſich von dieſen Erſcheinungen innerhalb des geſchloſſenen Kreiſes praͤdiciren laͤßt, anzugeben, zweytens, anzudeuten, wie ſich dieſer beſondre Kreis an die uͤbrigen Glieder verwandter Naturerſcheinungen anſchließt und ſich mit ihnen verkettet.","norm":"Jetzt, da wir nicht mehr fürchten, sie zu vermischen, oder zu verwirren, können wir unternehmen, erstlich das Allgemeine, was sich von diesen Erscheinungen innerhalb des geschlossenen Kreises prädizieren lässt, anzugeben, zweitens, anzudeuten, wie sich dieser besondere Kreis an die übrigen Glieder verwandter Naturerscheinungen anschließt und sich mit ihnen verkettet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1745,"orig":"Wir haben beobachtet, daß die Farbe unter mancherley Bedingungen ſehr leicht und ſchnell entſtehe.","norm":"Wir haben beobachtet, dass die Farbe unter mancherlei Bedingungen sehr leicht und schnell entstehe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1746,"orig":"Die Empfindlichkeit des Auges gegen das Licht, die geſetzliche Gegenwirkung der Retina gegen daſſelbe bringen augenblicklich ein leichtes Farbenſpiel hervor.","norm":"Die Empfindlichkeit des Auges gegen das Licht, die gesetzliche Gegenwirkung der Retina gegen dasselbe bringen augenblicklich ein leichtes Farbenspiel hervor."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1747,"orig":"Jedes gemaͤßigte Licht kann als farbig angeſehen werden, ja wir duͤrfen jedes Licht, inſofern es geſehen wird, farbig nennen.","norm":"Jedes gemäßigte Licht kann als farbig angesehen werden, ja wir dürfen jedes Licht, insofern es gesehen wird, farbig nennen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1748,"orig":"Farbloſes Licht, farbloſe Flaͤchen ſind gewiſſermaßen Abſtractionen; in der Erfahrung werden wir ſie kaum gewahr.","norm":"Farbloses Licht, farblose Flächen sind gewissermaßen Abstraktionen; in der Erfahrung werden wir sie kaum gewahr."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1749,"orig":"Wenn das Licht einen farbloſen Koͤrper beruͤhrt, von ihm zuruͤckprallt, an ihm her, durch ihn durchgeht, ſo erſcheinen die Farben ſogleich; nur muͤſſen wir hierbey bedenken, was ſo oft von uns urgirt worden, daß nicht jene Hauptbedingungen der Refraction, der Reflexion u. ſ. w. hinreichend ſind, die Erſcheinung hervorzubringen.","norm":"Wenn das Licht einen farblosen Körper berührt, von ihm zurückprallt, an ihm her, durch ihn durchgeht, so erscheinen die Farben sogleich; nur müssen wir hierbei bedenken, was so oft von uns urgiert worden, dass nicht jene Hauptbedingungen der Refraktion, der Reflexion u. s. w. hinreichend sind, die Erscheinung hervorzubringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1750,"orig":"Das Licht wirkt zwar manchmal dabey an und fuͤr ſich, oͤfters aber als ein beſtimmtes, begraͤnztes, als ein Lichtbild.","norm":"Das Licht wirkt zwar manchmal dabei an und für sich, öfters aber als ein bestimmtes, begrenztes, als ein Lichtbild."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1751,"orig":"Die Truͤbe der Mittel iſt oft eine nothwendige Bedingung, ſo wie auch Halb- und Doppelſchatten zu manchen farbigen Erſcheinungen erfordert werden.","norm":"Die Trübe der Mittel ist oft eine notwendige Bedingung, so wie auch Halb- und Doppelschatten zu manchen farbigen Erscheinungen erfordert werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1752,"orig":"Durchaus aber entſteht die Farbe augenblicklich und mit der groͤßten Leichtigkeit.","norm":"Durchaus aber entsteht die Farbe augenblicklich und mit der größten Leichtigkeit."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1753,"orig":"So finden wir denn auch ferner, daß durch Druck, Hauch, Rotation, Waͤrme, durch mancherley Arten von Bewegung und Veraͤnderung an glatten reinen Koͤrpern, ſo wie an farbloſen Liquoren, die Farbe ſogleich hervorgebracht werde.","norm":"So finden wir denn auch ferner, dass durch Druck, Hauch, Rotation, Wärme, durch mancherlei Arten von Bewegung und Veränderung an glatten reinen Körpern, so wie an farblosen Liquoren, die Farbe sogleich hervorgebracht werde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1754,"orig":"In den Beſtandtheilen der Koͤrper darf nur die geringſte Veraͤnderung vor ſich gehen, es ſey nun durch Miſchung mit andern, oder durch ſonſtige Beſtimmungen; ſo entſteht die Farbe an den Koͤrpern, oder veraͤndert ſich an denſelben.","norm":"In den Bestandteilen der Körper darf nur die geringste Veränderung vor sich gehen, es sei nun durch Mischung mit anderen, oder durch sonstige Bestimmungen; so entsteht die Farbe an den Körpern, oder verändert sich an denselben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1755,"orig":"Die phyſiſchen Farben und beſonders die prismatiſchen wurden ehemals wegen ihrer beſondern Herrlichkeit und Energie colores emphatici genannt.","norm":"Die physischen Farben und besonders die prismatischen wurden ehemals wegen ihrer besonderen Herrlichkeit und Energie colores emphatici genannt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1756,"orig":"Bey naͤherer Betrachtung aber kann man allen Farberſcheinungen eine hohe Emphaſe zuſchreiben; vorausgeſetzt, daß ſie unter den reinſten und vollkommenſten Bedingungen dargeſtellt werden.","norm":"Bei näherer Betrachtung aber kann man allen Farberscheinungen eine hohe Emphase zuschreiben; vorausgesetzt, dass sie unter den reinsten und vollkommensten Bedingungen dargestellt werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1757,"orig":"Die dunkle Natur der Farbe, ihre hohe geſaͤttigte Qualitaͤt iſt das, wodurch ſie den ernſthaften und zugleich reizenden Eindruck hervorbringt, und indem man ſie als eine Bedingung des Lichtes anſehen kann, ſo kann ſie auch das Licht nicht entbehren als der mitwirkenden Urſache ihrer Erſcheinung, als der Unterlage ihres Erſcheinens, als einer aufſcheinenden und die Farbe manifeſtirenden Gewalt.","norm":"Die dunkle Natur der Farbe, ihre hohe gesättigte Qualität ist das, wodurch sie den ernsthaften und zugleich reizenden Eindruck hervorbringt, und indem man sie als eine Bedingung des Lichtes ansehen kann, so kann sie auch das Licht nicht entbehren als der mitwirkenden Ursache ihrer Erscheinung, als der Unterlage ihres Erscheinens, als einer aufscheinenden und die Farbe manifestierenden Gewalt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1758,"orig":"Entſtehen der Farbe und ſich entſcheiden iſt eins.","norm":"Entstehen der Farbe und sich entscheiden ist eins."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1759,"orig":"Wenn das Licht mit einer allgemeinen Gleichguͤltigkeit ſich und die Gegenſtaͤnde darſtellt, und uns von einer bedeutungsloſen Gegenwart gewiß macht, ſo zeigt ſich die Farbe jederzeit ſpecifiſch, charakteriſtiſch, bedeutend.","norm":"Wenn das Licht mit einer allgemeinen Gleichgültigkeit sich und die Gegenstände darstellt, und uns von einer bedeutungslosen Gegenwart gewiss macht, so zeigt sich die Farbe jederzeit spezifisch, charakteristisch, bedeutend."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1760,"orig":"Im Allgemeinen betrachtet entſcheidet ſie ſich nach zwey Seiten.","norm":"Im Allgemeinen betrachtet entscheidet sie sich nach zwei Seiten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1761,"orig":"Sie ſtellt einen Gegenſatz dar, den wir eine Polaritaͤt nennen und durch ein + und — recht gut bezeichnen koͤnnen.","norm":"Sie stellt einen Gegensatz dar, den wir eine Polarität nennen und durch ein + und — recht gut bezeichnen können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1762,"orig":"Wenn man dieſen ſpecificirten Gegenſatz in ſich vermiſcht, ſo heben ſich die beyderſeitigen Eigenſchaften nicht auf; ſind ſie aber auf den Punct des Gleichgewichts gebracht, daß man keine der beyden beſonders erkennt, ſo erhaͤlt die Miſchung wieder etwas Specifiſches fuͤrs Auge, ſie erſcheint als eine Einheit, bey der wir an die Zuſammenſetzung nicht denken.","norm":"Wenn man diesen spezifizierten Gegensatz in sich vermischt, so heben sich die beiderseitigen Eigenschaften nicht auf; sind sie aber auf den Punkt des Gleichgewichts gebracht, dass man keine der beiden besonders erkennt, so erhält die Mischung wieder etwas Spezifisches fürs Auge, sie erscheint als eine Einheit, bei der wir an die Zusammensetzung nicht denken."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1763,"orig":"Dieſe Einheit nennen wir Gruͤn.","norm":"Diese Einheit nennen wir Grün."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1764,"orig":"Wenn nun zwey aus derſelben Quelle entſpringende entgegengeſetzte Phaͤnomene, indem man ſie zuſammenbringt, ſich nicht aufheben, ſondern ſich zu einem dritten angenehm Bemerkbaren verbinden; ſo iſt dieß ſchon ein Phaͤnomen, das auf Uebereinſtimmung hindeutet.","norm":"Wenn nun zwei aus derselben Quelle entspringende entgegengesetzte Phänomene, indem man sie zusammenbringt, sich nicht aufheben, sondern sich zu einem dritten angenehm Bemerkbaren verbinden; so ist dies schon ein Phänomen, das auf Übereinstimmung hindeutet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1765,"orig":"Das Vollkommnere iſt noch zuruͤck.","norm":"Das Vollkommenere ist noch zurück."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1766,"orig":"Das Blaue und Gelbe laͤßt ſich nicht verdichten, ohne daß zugleich eine andre Erſcheinung mit eintrete.","norm":"Das Blaue und Gelbe lässt sich nicht verdichten, ohne dass zugleich eine andere Erscheinung mit eintrete."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1767,"orig":"Die Farbe iſt in ihrem lichteſten Zuſtand ein Dunkles, wird ſie verdichtet, ſo muß ſie dunkler werden; aber zugleich erhaͤlt ſie einen Schein, den wir mit dem Worte roͤthlich bezeichnen.","norm":"Die Farbe ist in ihrem lichtesten Zustand ein Dunkles, wird sie verdichtet, so muss sie dunkler werden; aber zugleich erhält sie einen Schein, den wir mit dem Worte rötlich bezeichnen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1768,"orig":"Dieſer Schein waͤchſt immer fort, ſo daß er auf der hoͤchſten Stufe der Steigerung praͤvalirt.","norm":"Dieser Schein wächst immer fort, so dass er auf der höchsten Stufe der Steigerung prävaliert."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1769,"orig":"Ein gewaltſamer Lichteindruck klingt purpurfarben ab.","norm":"Ein gewaltsamer Lichteindruck klingt purpurfarben ab."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1770,"orig":"Bey dem Gelbrothen der prismatiſchen Verſuche, das unmittelbar aus dem Gelben entſpringt, denkt man kaum mehr an das Gelbe.","norm":"Bei dem Gelbroten der prismatischen Versuche, das unmittelbar aus dem Gelben entspringt, denkt man kaum mehr an das Gelbe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1771,"orig":"Die Steigerung entſteht ſchon durch farbloſe truͤbe Mittel, und hier ſehen wir die Wirkung in ihrer hoͤchſten Reinheit und Allgemeinheit.","norm":"Die Steigerung entsteht schon durch farblose trübe Mittel, und hier sehen wir die Wirkung in ihrer höchsten Reinheit und Allgemeinheit."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1772,"orig":"Farbige ſpecificirte durchſichtige Liquoren zeigen dieſe Steigerung ſehr auffallend in den Stufengefaͤßen.","norm":"Farbige spezifizierte durchsichtige Liquoren zeigen diese Steigerung sehr auffallend in den Stufengefäßen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1773,"orig":"Dieſe Steigerung iſt unaufhaltſam ſchnell und ſtaͤtig; ſie iſt allgemein und kommt ſowohl bey phyſiologiſchen als phyſiſchen und chemiſchen Farben vor.","norm":"Diese Steigerung ist unaufhaltsam schnell und stetig; sie ist allgemein und kommt sowohl bei physiologischen als physischen und chemischen Farben vor."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1774,"orig":"Haben die Enden des einfachen Gegenſatzes durch Miſchung ein ſchoͤnes und angenehmes Phaͤnomen bewirkt; ſo werden die geſteigerten Enden, wenn man ſie verbindet, noch eine anmuthigere Farbe hervorbringen, ja es laͤßt ſich denken, daß hier der hoͤchſte Punct der ganzen Erſcheinung ſeyn werde.","norm":"Haben die Enden des einfachen Gegensatzes durch Mischung ein schönes und angenehmes Phänomen bewirkt; so werden die gesteigerten Enden, wenn man sie verbindet, noch eine anmutigere Farbe hervorbringen, ja es lässt sich denken, dass hier der höchste Punkt der ganzen Erscheinung sein werde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1775,"orig":"Und ſo iſt es auch: denn es entſteht das reine Roth, das wir oft, um ſeiner hohen Wuͤrde willen, den Purpur genannt haben.","norm":"Und so ist es auch: denn es entsteht das reine Rot, das wir oft, um seiner hohen Würde Willen, den Purpur genannt haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1776,"orig":"Es gibt verſchiedene Arten, wie der Purpur in der Erſcheinung entſteht; durch Uebereinanderfuͤhrung des violetten Saums und gelbrothen Randes bey prismatiſchen Verſuchen; durch fortgeſetzte Steigerung bey chemiſchen; durch den organiſchen Gegenſatz bey phyſiologiſchen Verſuchen.","norm":"Es gibt verschiedene Arten, wie der Purpur in der Erscheinung entsteht; durch Übereinanderführung des violetten Saums und gelbroten Randes bei prismatischen Versuchen; durch fortgesetzte Steigerung bei chemischen; durch den organischen Gegensatz bei physiologischen Versuchen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1777,"orig":"Als Pigment entſteht er nicht durch Miſchung oder Vereinigung; ſondern durch Fixirung einer Koͤrperlichkeit auf dem hohen culminirenden Farbenpuncte.","norm":"Als Pigment entsteht er nicht durch Mischung oder Vereinigung; sondern durch Fixierung einer Körperlichkeit auf dem hohen kulminierenden Farbenpunkte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1778,"orig":"Daher der Maler Urſache hat, drey Grundfarben anzunehmen, indem er aus dieſen die uͤbrigen ſaͤmmtlich zuſammenſetzt.","norm":"Daher der Maler Ursache hat, drei Grundfarben anzunehmen, indem er aus diesen die übrigen sämtlich zusammensetzt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1779,"orig":"Der Phyſiker hingegen nimmt nur zwey Grundfarben an, aus denen er die uͤbrigen entwickelt und zuſammenſetzt.","norm":"Der Physiker hingegen nimmt nur zwei Grundfarben an, aus denen er die übrigen entwickelt und zusammensetzt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1780,"orig":"Die mannigfaltigen Erſcheinungen auf ihren verſchiedenen Stufen fixirt und neben einander betrachtet bringen Totalitaͤt hervor.","norm":"Die mannigfaltigen Erscheinungen auf ihren verschiedenen Stufen fixiert und nebeneinander betrachtet bringen Totalität hervor."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1781,"orig":"Dieſe Totalitaͤt iſt Harmonie fuͤrs Auge.","norm":"Diese Totalität ist Harmonie fürs Auge."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1782,"orig":"Der Farbenkreis iſt vor unſern Augen entſtanden, die mannigfaltigen Verhaͤltniſſe des Werdens ſind uns deutlich.","norm":"Der Farbenkreis ist vor unseren Augen entstanden, die mannigfaltigen Verhältnisse des Werden es sind uns deutlich."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1783,"orig":"Zwey reine urſpruͤngliche Gegenſaͤtze ſind das Fundament des Ganzen.","norm":"Zwei reine ursprüngliche Gegensätze sind das Fundament des Ganzen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1784,"orig":"Es zeigt ſich ſodann eine Steigerung, wodurch ſie ſich beyde einem dritten naͤhern; dadurch entſteht auf jeder Seite ein Tiefſtes und ein Hoͤchſtes, ein Einfachſtes und Bedingteſtes, ein Gemeinſtes und ein Edelſtes.","norm":"Es zeigt sich sodann eine Steigerung, wodurch sie sich beide einem dritten nähern; dadurch entsteht auf jeder Seite ein Tiefstes und ein Höchstes, ein Einfachstes und Bedingtestes, ein Gemeinstes und ein Edelstes."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1785,"orig":"Sodann kommen zwey Vereinungen, (Vermiſchungen, Verbindungen, wie man es nennen will,) zur Sprache; einmal der einfachen anfaͤnglichen, und ſodann der geſteigerten Gegenſaͤtze.","norm":"Sodann kommen zwei Vereinungen, (Vermischungen, Verbindungen, wie man es nennen will,) zur Sprache; einmal der einfachen anfänglichen, und sodann der gesteigerten Gegensätze."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1786,"orig":"Die Totalitaͤt neben einander zu ſehen macht einen harmoniſchen Eindruck aufs Auge.","norm":"Die Totalität nebeneinander zu sehen macht einen harmonischen Eindruck aufs Auge."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1787,"orig":"Man hat hier den Unterſchied zwiſchen dem phyſiſchen Gegenſatz und der harmoniſchen Entgegenſtellung zu bedenken.","norm":"Man hat hier den Unterschied zwischen dem physischen Gegensatz und der harmonischen Entgegenstellung zu bedenken."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1788,"orig":"Der erſte beruht auf der reinen nackten urſpruͤnglichen Dualitaͤt, inſofern ſie als ein Getrenntes angeſehen wird; die zweyte beruht auf der abgeleiteten, entwickelten und dargeſtellten Totalitaͤt.","norm":"Der erste beruht auf der reinen nackten ursprünglichen Dualität, insofern sie als ein Getrenntes angesehen wird; die zweite beruht auf der abgeleiteten, entwickelten und dargestellten Totalität."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1789,"orig":"Jede einzelne Gegeneinanderſtellung, die harmoniſch ſeyn ſoll, muß Totalitaͤt enthalten.","norm":"Jede einzelne Gegeneinanderstellung, die harmonisch sein soll, muss Totalität enthalten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1790,"orig":"Hievon werden wir durch die phyſiologiſchen Verſuche belehrt.","norm":"Hiervon werden wir durch die physiologischen Versuche belehrt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1791,"orig":"Eine Entwicklung der ſaͤmmtlichen moͤglichen Entgegenſtellungen um den ganzen Farbenkreis wird naͤchſtens geleiſtet.","norm":"Eine Entwicklung der sämtlichen möglichen Entgegenstellungen um den ganzen Farbenkreis wird nächstens geleistet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1792,"orig":"Die Beweglichkeit der Farbe haben wir ſchon bey der Steigerung und bey der Durchwanderung des Kreiſes zu bedenken Urſache gehabt; aber auch ſogar hinuͤber und heruͤber werfen ſie ſich nothwendig und geſchwind.","norm":"Die Beweglichkeit der Farbe haben wir schon bei der Steigerung und bei der Durchwanderung des Kreises zu bedenken Ursache gehabt; aber auch sogar hinüber und herüberwerfen sie sich notwendig und geschwind."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1793,"orig":"Phyſiologiſche Farben zeigen ſich anders auf dunklem als auf hellem Grund.","norm":"Physiologische Farben zeigen sich anders auf dunklem als auf hellem Grund."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1794,"orig":"Bey den phyſikaliſchen iſt die Verbindung des objectiven und ſubjectiven Verſuchs hoͤchſt merkwuͤrdig.","norm":"Bei den physikalischen ist die Verbindung des objektiven und subjektiven Versuchs höchst merkwürdig."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1795,"orig":"Die epoptiſchen Farben ſollen beym durchſcheinenden Licht und beym aufſcheinenden entgegengeſetzt ſeyn.","norm":"Die epoptischen Farben sollen beim durchscheinenden Licht und beim aufscheinenden entgegengesetzt sein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1796,"orig":"Wie die chemiſchen Farben durch Feuer und Alcalien umzuwenden, iſt ſeines Orts hinlaͤnglich gezeigt worden.","norm":"Wie die chemischen Farben durch Feuer und Alkalien umzuwenden, ist seines Orts hinlänglich gezeigt worden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1797,"orig":"Was ſeit der ſchnellen Erregung und ihrer Entſcheidung bisher bedacht worden, die Miſchung, die Steigerung, die Verbindung, die Trennung, ſo wie die harmoniſche Forderung, alles geſchieht mit der groͤßten Schnelligkeit und Bereitwilligkeit; aber eben ſo ſchnell verſchwindet auch die Farbe wieder gaͤnzlich.","norm":"Was seit der schnellen Erregung und ihrer Entscheidung bisher bedacht worden, die Mischung, die Steigerung, die Verbindung, die Trennung, so wie die harmonische Forderung, alles geschieht mit der größten Schnelligkeit und Bereitwilligkeit; aber ebenso schnell verschwindet auch die Farbe wieder gänzlich."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1798,"orig":"Die phyſiologiſchen Erſcheinungen ſind auf keine Weiſe feſtzuhalten; die phyſiſchen dauern nur ſo lange, als die aͤußre Bedingung waͤhrt; die chemiſchen ſelbſt haben eine große Beweglichkeit und ſind durch entgegengeſetzte Reagentien heruͤber und hinuͤber zu werfen, ja ſogar aufzuheben.","norm":"Die physiologischen Erscheinungen sind auf keine Weise festzuhalten; die physischen dauern nur so lange, als die äußre Bedingung währt; die chemischen selbst haben eine große Beweglichkeit und sind durch entgegengesetzte Reagenzien herüber und hinüber zu werfen, ja sogar aufzuheben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1799,"orig":"Die chemiſchen Farben geben ein Zeugniß ſehr langer Dauer.","norm":"Die chemischen Farben geben ein Zeugnis sehr langer Dauer."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1800,"orig":"Die Farben durch Schmelzung in Glaͤſern fixirt, ſo wie durch Natur in Edelſteinen, trotzen aller Zeit und Gegenwirkung.","norm":"Die Farben durch Schmelzung in Gläsern fixiert, so wie durch Natur in Edelsteinen, trotzen aller Zeit und Gegenwirkung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1801,"orig":"Die Faͤrberey fixirt von ihrer Seite die Farben ſehr maͤchtig.","norm":"Die Färberei fixiert von ihrer Seite die Farben sehr mächtig."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1802,"orig":"Und Pigmente, welche durch Reagentien ſonſt leicht heruͤber und hinuͤbergefuͤhrt werden, laſſen ſich durch Beizen zur groͤßten Beſtaͤndigkeit an und in Koͤrper uͤbertragen.","norm":"Und Pigmente, welche durch Reagenzien sonst leicht herüber und hinübergeführt werden, lassen sich durch Beizen zur größten Beständigkeit an und in Körper übertragen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1803,"orig":"Man kann von dem Phyſiker nicht fordern, daß er Philoſoph ſey; aber man kann von ihm erwarten, daß er ſo viel philoſophiſche Bildung habe, um ſich gruͤndlich von der Welt zu unterſcheiden und mit ihr wieder im hoͤhern Sinne zuſammenzutreten.","norm":"Man kann von dem Physiker nicht fordern, dass er Philosoph sei; aber man kann von ihm erwarten, dass er so viel philosophische Bildung habe, um sich gründlich von der Welt zu unterscheiden und mit ihr wieder im höheren Sinne zusammenzutreten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1804,"orig":"Er ſoll ſich eine Methode bilden, die dem Anſchauen gemaͤß iſt; er ſoll ſich huͤten, das Anſchauen in Begriffe, den Begriff in Worte zu verwandeln, und mit dieſen Worten, als waͤren’s Gegenſtaͤnde, umzugehen und zu verfahren; er ſoll von den Bemuͤhungen des Philoſophen Kenntniß haben, um die Phaͤnomene bis an die philoſophiſche Region hinanzufuͤhren.","norm":"Er soll sich eine Methode bilden, die dem Anschauen gemäß ist; er soll sich hüten, das Anschauen in Begriffe, den Begriff in Worte zu verwandeln, und mit diesen Worten, als wären es Gegenstände, umzugehen und zu verfahren; er soll von den Bemühungen des Philosophen Kenntnis haben, um die Phänomene bis an die philosophische Region hinanzuführen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1805,"orig":"Man kann von dem Philoſophen nicht verlangen, daß er Phyſiker ſey; und dennoch iſt ſeine Einwirkung auf den phyſiſchen Kreis ſo nothwendig und ſo wuͤnſchenswerth.","norm":"Man kann von dem Philosophen nicht verlangen, dass er Physiker sei; und dennoch ist seine Einwirkung auf den physischen Kreis so notwendig und so wünschenswert."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1806,"orig":"Dazu bedarf er nicht des Einzelnen, ſondern nur der Einſicht in jene Endpuncte, wo das Einzelne zuſammentrifft.","norm":"Dazu bedarf er nicht des Einzelnen, sondern nur der Einsicht in jene Endpunkte, wo das Einzelne zusammentrifft."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1807,"orig":"Wir haben fruͤher (175. ff.) dieſer wichtigen Betrachtung im Vorbeygehen erwaͤhnt, und ſprechen ſie hier, als am ſchicklichen Orte, nochmals aus.","norm":"Wir haben früher (175 ff.) dieser wichtigen Betrachtung im Vorbeigehen erwähnt, und sprechen sie hier, als am schicklichen Orte, nochmals aus."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1808,"orig":"Das ſchlimmſte, was der Phyſik, ſo wie mancher andern Wiſſenſchaft, widerfahren kann, iſt, daß man das Abgeleitete fuͤr das Urſpruͤngliche haͤlt, und da man das Urſpruͤngliche aus Abgeleitetem nicht ableiten kann, das Urſpruͤngliche aus dem Abgeleiteten zu erklaͤren ſucht.","norm":"Das Schlimmste, was der Physik, so wie mancher anderen Wissenschaft, widerfahren kann, ist, dass man das Abgeleitete für das Ursprüngliche hält, und da man das Ursprüngliche aus Abgeleitetem nicht ableiten kann, das Ursprüngliche aus dem Abgeleiteten zu erklären sucht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1809,"orig":"Dadurch entſteht eine unendliche Verwirrung, ein Wortkram und eine fortdauernde Bemuͤhung, Ausfluͤchte zu ſuchen und zu finden, wo das Wahre nur irgend hervortritt und maͤchtig werden will.","norm":"Dadurch entsteht eine unendliche Verwirrung, ein Wortkram und eine fortdauernde Bemühung, Ausflüchte zu suchen und zu finden, wo das Wahre nur irgend hervortritt und mächtig werden will."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1810,"orig":"Indem ſich der Beobachter, der Naturforſcher auf dieſe Weiſe abquaͤlt, weil die Erſcheinungen der Meynung jederzeit widerſprechen; ſo kann der Philoſoph mit einem falſchen Reſultate in ſeiner Sphaͤre noch immer operiren, indem kein Reſultat ſo falſch iſt, daß es nicht, als Form ohne allen Gehalt, auf irgend eine Weiſe gelten koͤnnte.","norm":"Indem sich der Beobachter, der Naturforscher auf diese Weise abquält, weil die Erscheinungen der Meinung jederzeit widersprechen; so kann der Philosoph mit einem falschen Resultate in seiner Sphäre noch immer operieren, indem kein Resultat so falsch ist, dass es nicht, als Form ohne allen Gehalt, auf irgendeine Weise gelten könnte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1811,"orig":"Kann dagegen der Phyſiker zur Erkenntniß desjenigen gelangen, was wir ein Urphaͤnomen genannt haben; ſo iſt er geborgen und der Philoſoph mit ihm;","norm":"Kann dagegen der Physiker zur Erkenntnis desjenigen gelangen, was wir ein Urphänomen genannt haben; so ist er geborgen und der Philosoph mit ihm;"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1812,"orig":"Er, denn er uͤberzeugt ſich, daß er an die Graͤnze ſeiner Wiſſenſchaft gelangt ſey, daß er ſich auf der empiriſchen Hoͤhe befinde, wo er ruͤckwaͤrts die Erfahrung in allen ihren Stufen uͤberſchauen, und vorwaͤrts in das Reich der Theorie, wo nicht eintreten, doch einblicken koͤnne.","norm":"Er, denn er überzeugt sich, dass er an die Grenze seiner Wissenschaft gelangt sei, dass er sich auf der empirischen Höhe befinde, wo er rückwärts die Erfahrung in allen ihren Stufen überschauen, und vorwärts in das Reich der Theorie, wo nicht eintreten, doch einblicken könne."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1813,"orig":"Der Philoſoph iſt geborgen: denn er nimmt aus des Phyſikers Hand ein Letztes, das bey ihm nun ein Erſtes wird.","norm":"Der Philosoph ist geborgen: denn er nimmt aus des Physikers Hand ein Letztes, das bei ihm nun ein Erstes wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1814,"orig":"Er bekuͤmmert ſich nun mit Recht nicht mehr um die Erſcheinung, wenn man darunter das Abgeleitete verſteht, wie man es entweder ſchon wiſſenſchaftlich zuſammengeſtellt findet, oder wie es gar in empiriſchen Faͤllen zerſtreut und verworren vor die Sinne tritt.","norm":"Er bekümmert sich nun mit Recht nicht mehr um die Erscheinung, wenn man darunter das Abgeleitete versteht, wie man es entweder schon wissenschaftlich zusammengestellt findet, oder wie es gar in empirischen Fällen zerstreut und verworren vor die Sinne tritt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1815,"orig":"Will er ja auch dieſen Weg durchlaufen und einen Blick ins Einzelne nicht verſchmaͤhen; ſo thut er es mit Bequemlichkeit, anſtatt daß er bey anderer Behandlung ſich entweder zu lange in den Zwiſchenregionen aufhaͤlt, oder ſie nur fluͤchtig durchſtreift, ohne ſie genau kennen zu lernen.","norm":"Will er ja auch diesen Weg durchlaufen und einen Blick ins Einzelne nicht verschmähen; so tut er es mit Bequemlichkeit, anstatt dass er bei anderer Behandlung sich entweder zu lange in den Zwischenregionen aufhält, oder sie nur flüchtig durchstreift, ohne sie genau kennenzulernen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1816,"orig":"In dieſem Sinne die Farbenlehre dem Philoſophen zu naͤhern, war des Verfaſſers Wunſch, und wenn ihm ſolches in der Ausfuͤhrung ſelbſt aus mancherley Urſachen nicht gelungen ſeyn ſollte; ſo wird er bey Reviſion ſeiner Arbeit, bey Recapitulation des Vorgetragenen, ſo wie in dem polemiſchen und hiſtoriſchen Theile, dieſes Ziel immer im Auge haben, und ſpaͤter, wo manches deutlicher wird auszuſprechen ſeyn, auf dieſe Betrachtung zuruͤckkehren.","norm":"In diesem Sinne die Farbenlehre dem Philosophen zu nähern, war des Verfassers Wunsch, und wenn ihm solches in der Ausführung selbst aus mancherlei Ursachen nicht gelungen sein sollte; so wird er bei Revision seiner Arbeit, bei Rekapitulation des Vorgetragenen, so wie in dem polemischen und historischen Teile, dieses Ziel immer im Auge haben, und später, wo manches deutlicher wird auszusprechen sein, auf diese Betrachtung zurückkehren."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1817,"orig":"Man kann von dem Phyſiker, welcher die Naturlehre in ihrem ganzen Umfange behandeln will, verlangen, daß er Mathematiker ſey.","norm":"Man kann von dem Physiker, welcher die Naturlehre in ihrem ganzen Umfange behandeln will, verlangen, dass er Mathematiker sei."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1818,"orig":"In den mittleren Zeiten war die Mathematik das vorzuͤglichſte unter den Organen, durch welche man ſich der Geheimniſſe der Natur zu bemaͤchtigen hoffte; und noch iſt in gewiſſen Theilen der Naturlehre die Meßkunſt, wie billig, herrſchend.","norm":"In den mittleren Zeiten war die Mathematik das vorzüglichste unter den Organen, durch welche man sich der Geheimnisse der Natur zu bemächtigen hoffte; und noch ist in gewissen Teilen der Naturlehre die Messkunst, wie billig, herrschend."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1819,"orig":"Der Verfaſſer kann ſich keiner Cultur von dieſer Seite ruͤhmen, und verweilt auch deshalb nur in den von der Meßkunſt unabhaͤngigen Regionen, die ſich in der neuern Zeit weit und breit aufgethan haben.","norm":"Der Verfasser kann sich keiner Kultur von dieser Seite rühmen, und verweilt auch deshalb nur in den von der Messkunst unabhängigen Regionen, die sich in der neueren Zeit weit und breit aufgetan haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1820,"orig":"Wer bekennt nicht, daß die Mathematik, als eins der herrlichſten menſchlichen Organe, der Phyſik von einer Seite ſehr vieles genutzt; daß ſie aber durch falſche Anwendung ihrer Behandlungsweiſe dieſer Wiſſenſchaft gar manches geſchadet, laͤßt ſich auch nicht wohl laͤugnen, und man findet’s, hier und da, nothduͤrftig eingeſtanden.","norm":"Wer bekennt nicht, dass die Mathematik, als eins der herrlichsten menschlichen Organe, der Physik von einer Seite sehr vieles genutzt; dass sie aber durch falsche Anwendung ihrer Behandlungsweise dieser Wissenschaft gar manches geschadet, lässt sich auch nicht wohl leugnen, und man findet es, hier und da, notdürftig eingestanden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1821,"orig":"Die Farbenlehre beſonders hat ſehr viel gelitten, und ihre Fortſchritte ſind aͤußerſt gehindert worden, daß man ſie mit der uͤbrigen Optik, welche der Meßkunſt nicht entbehren kann, vermengte, da ſie doch eigentlich von jener ganz abgeſondert betrachtet werden kann.","norm":"Die Farbenlehre besonders hat sehr viel gelitten, und ihre Fortschritte sind äußerst gehindert worden, dass man sie mit der übrigen Optik, welche der Messkunst nicht entbehren kann, vermengte, da sie doch eigentlich von jener ganz abgesondert betrachtet werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1822,"orig":"Dazu kam noch das Uebel, daß ein großer Mathematiker uͤber den phyſiſchen Urſprung der Farben eine ganz falſche Vorſtellung bey ſich feſtſetzte, und durch ſeine großen Verdienſte als Meßkuͤnſtler die Fehler, die er als Naturforſcher begangen, vor einer in Vorurtheilen ſtets befangnen Welt auf lange Zeit ſanctionirte.","norm":"Dazu kam noch das Übel, dass ein großer Mathematiker über den physischen Ursprung der Farben eine ganz falsche Vorstellung bei sich festsetzte, und durch seine großen Verdienste als Messkünstler die Fehler, die er als Naturforscher begangen, vor einer in Vorurteilen stets befangenen Welt auf lange Zeit sanktionierte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1823,"orig":"Der Verfaſſer des Gegenwaͤrtigen hat die Farbenlehre durchaus von der Mathematik entfernt zu halten geſucht, ob ſich gleich gewiſſe Puncte deutlich genug ergeben, wo die Beyhuͤlfe der Meßkunſt wuͤnſchenswerth ſeyn wuͤrde.","norm":"Der Verfasser des Gegenwärtigen hat die Farbenlehre durchaus von der Mathematik entfernt zu halten gesucht, ob sich gleich gewisse Punkte deutlich genug ergeben, wo die Beihilfe der Messkunst wünschenswert sein würde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1824,"orig":"Waͤren die vorurtheilsfreyen Mathematiker, mit denen er umzugehen das Gluͤck hatte und hat, nicht durch andre Geſchaͤfte abgehalten geweſen, um mit ihm gemeine Sache machen zu koͤnnen; ſo wuͤrde der Behandlung von dieſer Seite einiges Verdienſt nicht fehlen.","norm":"Wären die vorurteilsfreien Mathematiker, mit denen er umzugehen das Glück hatte und hat, nicht durch andere Geschäfte abgehalten gewesen, um mit ihm gemeine Sache machen zu können; so würde der Behandlung von dieser Seite einiges Verdienst nicht fehlen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1825,"orig":"Aber ſo mag denn auch dieſer Mangel zum Vortheil gereichen, indem es nunmehr des geiſtreichen Mathematikers Geſchaͤft werden kann, ſelbſt aufzuſuchen, wo denn die Farbenlehre ſeiner Huͤlfe bedarf, und wie er zur Vollendung dieſes Theils der Naturwiſſenſchaft das Seinige beytragen kann.","norm":"Aber so mag denn auch dieser Mangel zum Vorteil gereichen, indem es nunmehr des geistreichen Mathematikers Geschäft werden kann, selbst aufzusuchen, wo denn die Farbenlehre seiner Hilfe bedarf, und wie er zur Vollendung dieses Teils der Naturwissenschaft das Seinige beitragen kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1826,"orig":"Ueberhaupt waͤre es zu wuͤnſchen, daß die Deutſchen, die ſo vieles Gute leiſten, indem ſie ſich das Gute fremder Nationen aneignen, ſich nach und nach gewoͤhnten, in Geſellſchaft zu arbeiten.","norm":"Überhaupt wäre es zu wünschen, dass die Deutschen, die so vieles Gute leisten, indem sie sich das Gute fremder Nationen aneignen, sich nach und nach gewöhnten, in Gesellschaft zu arbeiten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1827,"orig":"Wir leben zwar in einer dieſem Wunſche gerade entgegengeſetzten Epoche.","norm":"Wir leben zwar in einer diesem Wunsche gerade entgegengesetzten Epoche."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1828,"orig":"Jeder will nicht nur original in ſeinen Anſichten, ſondern auch im Gange ſeines Lebens und Thuns, von den Bemuͤhungen anderer unabhaͤngig, wo nicht ſeyn, doch daß er es ſey, ſich uͤberreden.","norm":"Jeder will nicht nur original in seinen Ansichten, sondern auch im Gange seines Lebens und Tuns, von den Bemühungen anderer unabhängig, wo nicht sein, doch dass er es sei, sich überreden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1829,"orig":"Man bemerkt ſehr oft, daß Maͤnner, die freylich manches geleiſtet, nur ſich ſelbſt, ihre eigenen Schriften, Journale und Compendien citiren; anſtatt daß es fuͤr den Einzelnen und fuͤr die Welt viel vortheilhafter waͤre, wenn mehrere zu gemeinſamer Arbeit gerufen wuͤrden.","norm":"Man bemerkt sehr oft, dass Männer, die freilich manches geleistet, nur sich selbst, ihre eigenen Schriften, Journale und Kompendien zitieren; anstatt dass es für den Einzelnen und für die Welt viel vorteilhafter wäre, wenn mehrere zu gemeinsamer Arbeit gerufen würden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1830,"orig":"Das Betragen unſerer Nachbarn, der Franzoſen, iſt hierin muſterhaft, wie man z. B. in der Vorrede Cuvier’s zu ſeinem Tableau élémentaire de l’Histoire naturelle des animaux mit Vergnuͤgen ſehen wird.","norm":"Das Betragen unserer Nachbarn, der Franzosen, ist hierin musterhaft, wie man z. B. in der Vorrede Cuviers zu seinem Tableau élémentaire de l'Histoire naturelle des animaux mit Vergnügen sehen wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1831,"orig":"Wer die Wiſſenſchaften und ihren Gang mit treuem Auge beobachtet hat, wird ſogar die Frage aufwerfen: ob es denn vortheilhaft ſey?","norm":"Wer die Wissenschaften und ihren Gang mit treuem Auge beobachtet hat, wird sogar die Frage aufwerfen: ob es denn vorteilhaft sei?"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1832,"orig":"ſo manche, obgleich verwandte, Beſchaͤftigungen und Bemuͤhungen in Einer Perſon zu vereinigen; und ob es nicht bey der Beſchraͤnktheit der menſchlichen Natur gemaͤßer ſey, z. B. den aufſuchenden und findenden von dem behandelnden und anwendenden Manne zu unterſcheiden.","norm":"so manche, obgleich verwandte, Beschäftigungen und Bemühungen in Einer Person zu vereinigen; und ob es nicht bei der Beschränktheit der menschlichen Natur gemäßer sei, z. B. den aufsuchenden und findenden von dem behandelnden und anwendenden Manne zu unterscheiden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1833,"orig":"Haben ſich doch die Himmelbeobachtenden und Sternaufſuchenden Aſtronomen von den Bahnberechnenden, das Ganze umfaſſenden und naͤher beſtimmenden, in der neuern Zeit, gewiſſermaßen getrennt.","norm":"Haben sich doch die Himmelbeobachtenden und Sternaufsuchenden Astronomen von den Bahnberechnenden, das Ganze umfassenden und näher bestimmenden, in der neueren Zeit, gewissermaßen getrennt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1834,"orig":"Die Geſchichte der Farbenlehre wird uns zu dieſen Betrachtungen oͤfter zuruͤckfuͤhren.","norm":"Die Geschichte der Farbenlehre wird uns zu diesen Betrachtungen öfter zurückführen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1835,"orig":"Sind wir bey unſern Arbeiten dem Mathematiker aus dem Wege gegangen; ſo haben wir dagegen geſucht, der Technik des Faͤrbers zu begegnen.","norm":"Sind wir bei unseren Arbeiten dem Mathematiker aus dem Wege gegangen; so haben wir dagegen gesucht, der Technik des Färbers zu begegnen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1836,"orig":"Und obgleich diejenige Abtheilung, welche die Farben in chemiſcher Ruͤckſicht abhandelt, nicht die vollſtaͤndigſte und umſtaͤndlichſte iſt; ſo wird doch ſowohl darin, als in dem, was wir Allgemeines von den Farben ausgeſprochen, der Faͤrber weit mehr ſeine Rechnung finden, als bey der bisherigen Theorie, die ihn ohne allen Troſt ließ.","norm":"Und obgleich diejenige Abteilung, welche die Farben in chemischer Rücksicht abhandelt, nicht die vollständigste und umständlichste ist; so wird doch sowohl darin, als in dem, was wir Allgemeines von den Farben ausgesprochen, der Färber weit mehr seine Rechnung finden, als bei der bisherigen Theorie, die ihn ohne allen Trost ließ."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1837,"orig":"Merkwuͤrdig iſt es, in dieſem Sinne die Anleitungen zur Faͤrbekunſt zu betrachten.","norm":"Merkwürdig ist es, in diesem Sinne die Anleitungen zur Färbekunst zu betrachten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1838,"orig":"Wie der katholiſche Chriſt, wenn er in ſeinen Tempel tritt, ſich mit Weihwaſſer beſprengt und vor dem Hochwuͤrdigen die Kniee beugt und vielleicht alsdann, ohne ſonderliche Andacht, ſeine Angelegenheiten mit Freunden beſpricht, oder Liebesabenteuern nachgeht; ſo fangen die ſaͤmmtlichen Faͤrbelehren mit einer reſpectvollen Erwaͤhnung der Theorie geziemend an, ohne daß ſich auch nachher nur eine Spur faͤnde, daß etwas aus dieſer Theorie herfloͤſſe, daß dieſe Theorie irgend etwas erleuchte, erlaͤutere und zu praktiſchen Handgriffen irgend einen Vortheil gewaͤhre.","norm":"Wie der katholische Christ, wenn er in seinen Tempel tritt, sich mit Weihwasser besprengt und vor dem Hochwürdigen die Knie beugt und vielleicht alsdann, ohne sonderliche Andacht, seine Angelegenheiten mit Freunden bespricht, oder Liebesabenteuern nachgeht; so fangen die sämtlichen Färbelehren mit einer respektvollen Erwähnung der Theorie geziemend an, ohne dass sich auch nachher nur eine Spur fände, dass etwas aus dieser Theorie herflösse, dass diese Theorie irgendetwas erleuchte, erläutere und zu praktischen Handgriffen irgendeinen Vorteil gewähre."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1839,"orig":"Dagegen finden ſich Maͤnner, welche den Umfang des praktiſchen Faͤrbeweſens wohl eingeſehen, in dem Falle ſich mit der herkoͤmmlichen Theorie zu entzweyen, ihre Bloͤßen mehr oder weniger zu entdecken, und ein der Natur und Erfahrung gemaͤßeres Allgemeines aufzuſuchen.","norm":"Dagegen finden sich Männer, welche den Umfang des praktischen Färbewesens wohl eingesehen, in dem Falle sich mit der herkömmlichen Theorie zu entzweien, ihre Blößen mehr oder weniger zu entdecken, und ein der Natur und Erfahrung gemäßeres Allgemeines aufzusuchen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1840,"orig":"Wenn uns in der Geſchichte die Namen Caſtel und Guͤlich begegnen, ſo werden wir hieruͤber weitlaͤuftiger zu handeln Urſache haben; wobey ſich zugleich Gelegenheit finden wird zu zeigen, wie eine fortgeſetzte Empirie, indem ſie in allem Zufaͤlligen umhergreift, den Kreis, in den ſie gebannt iſt, wirklich auslaͤuft und ſich als ein hohes Vollendetes dem Theoretiker, wenn er klare Augen und ein redliches Gemuͤth hat, zu ſeiner großen Bequemlichkeit uͤberlie fert.","norm":"Wenn uns in der Geschichte die Namen Castel und Gülich begegnen, so werden wir hierüber weitläufiger zu handeln Ursache haben; wobei sich zugleich Gelegenheit finden wird zu zeigen, wie eine fortgesetzte Empirie, indem sie in allem Zufälligen umhergreift, den Kreis, in den sie gebannt ist, wirklich ausläuft und sich als ein hohes Vollendetes dem Theoretiker, wenn er klare Augen und ein redliches Gemüt hat, zu seiner großen Bequemlichkeit überliefert."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1841,"orig":"Wenn wir in der Abtheilung, welche die Farben in phyſiologiſcher und pathologiſcher Ruͤckſicht betrachtet, faſt nur allgemein bekannte Phaͤnomene uͤberliefert; ſo werden dagegen einige neue Anſichten dem Phyſiologen nicht unwillkommen ſeyn.","norm":"Wenn wir in der Abteilung, welche die Farben in physiologischer und pathologischer Rücksicht betrachtet, fast nur allgemein bekannte Phänomene überliefert; so werden dagegen einige neue Ansichten dem Physiologen nicht unwillkommen sein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1842,"orig":"Beſonders hoffen wir ſeine Zufriedenheit dadurch erreicht zu haben, daß wir gewiſſe Phaͤnomene, welche iſolirt ſtanden, zu ihren aͤhnlichen und gleichen gebracht und ihm dadurch gewiſſermaßen vorgearbeitet haben.","norm":"Besonders hoffen wir seine Zufriedenheit dadurch erreicht zu haben, dass wir gewisse Phänomene, welche isoliert standen, zu ihren ähnlichen und gleichen gebracht und ihm dadurch gewissermaßen vorgearbeitet haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1843,"orig":"Was den pathologiſchen Anhang betrifft, ſo iſt er freylich unzulaͤnglich und incohaͤrent.","norm":"Was den pathologischen Anhang betrifft, so ist er freilich unzulänglich und inkohärent."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1844,"orig":"Wir beſitzen aber die vortrefflichſten Maͤnner, die nicht allein in dieſem Fache hoͤchſt erfahren und kenntnißreich ſind; ſondern auch zugleich wegen eines ſo gebildeten Geiſtes verehrt werden, daß es ihnen wenig Muͤhe machen kann, dieſe Rubriken umzuſchreiben, und das, was ich angedeutet, vollſtaͤndig auszufuͤhren und zugleich an die hoͤheren Einſichten in den Organismus anzuſchließen.","norm":"Wir besitzen aber die vortrefflichsten Männer, die nicht allein in diesem Fache höchst erfahren und kenntnisreich sind; sondern auch zugleich wegen eines so gebildeten Geistes verehrt werden, dass es ihnen wenig Mühe machen kann, diese Rubriken umzuschreiben, und das, was ich angedeutet, vollständig auszuführen und zugleich an die höheren Einsichten in den Organismus anzuschließen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1845,"orig":"Inſofern wir hoffen koͤnnen, daß die Naturgeſchichte auch nach und nach ſich in eine Ableitung der Naturerſcheinungen aus hoͤhern Phaͤnomenen umbilden wird, ſo glaubt der Verfaſſer auch hierzu einiges angedeutet und vorbereitet zu haben.","norm":"Insofern wir hoffen können, dass die Naturgeschichte auch nach und nach sich in eine Ableitung der Naturerscheinungen aus höheren Phänomenen umbilden wird, so glaubt der Verfasser auch hierzu einiges angedeutet und vorbereitet zu haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1846,"orig":"Indem die Farbe in ihrer groͤßten Mannigfaltigkeit ſich auf der Oberflaͤche lebendiger Weſen dem Auge darſtellt, ſo iſt ſie ein wichtiger Theil der aͤußeren Zeichen, wodurch wir gewahr werden, was im Innern vorgeht.","norm":"Indem die Farbe in ihrer größten Mannigfaltigkeit sich auf der Oberfläche lebendiger Wesen dem Auge darstellt, so ist sie ein wichtiger Teil der äußeren Zeichen, wodurch wir gewahr werden, was im Inneren vorgeht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1847,"orig":"Zwar iſt ihr von einer Seite, wegen ihrer Unbeſtimmtheit und Verſatilitaͤt nicht allzu viel zu trauen; doch wird eben dieſe Beweglichkeit, inſofern ſie ſich uns als eine conſtante Erſcheinung zeigt, wieder ein Kriterion des beweglichen Lebens; und der Verfaſſer wuͤnſcht nichts mehr, als daß ihm Friſt gegoͤnnt ſey, das, was er hieruͤber wahrgenommen, in einer Folge, zu der hier der Ort nicht war, weitlaͤuftiger auseinander zu ſetzen.","norm":"Zwar ist ihr von einer Seite, wegen ihrer Unbestimmtheit und Versatilität nicht allzu viel zu trauen; doch wird eben diese Beweglichkeit, insofern sie sich uns als eine konstante Erscheinung zeigt, wieder ein Kriterium des beweglichen Lebens; und der Verfasser wünscht nichts mehr, als dass ihm Frist gegönnt sei, das, was er hierüber wahrgenommen, in einer Folge, zu der hier der Ort nicht war, weitläufiger auseinander zu setzen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1848,"orig":"Der Zuſtand, in welchem ſich die allgemeine Phyſik gegenwaͤrtig befindet, ſcheint auch unſerer Arbeit beſonders guͤnſtig, indem die Naturlehre durch raſtloſe, mannigfaltige Behandlung ſich nach und nach zu einer ſolchen Hoͤhe erhoben hat, daß es nicht unmoͤglich ſcheint, die graͤnzenloſe Empirie an einen methodiſchen Mittelpunct heranzuziehen.","norm":"Der Zustand, in welchem sich die allgemeine Physik gegenwärtig befindet, scheint auch unserer Arbeit besonders günstig, indem die Naturlehre durch rastlose, mannigfaltige Behandlung sich nach und nach zu einer solchen Höhe erhoben hat, dass es nicht unmöglich scheint, die grenzenlose Empirie an einen methodischen Mittelpunkt heranzuziehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1849,"orig":"Deſſen, was zu weit von unſerm beſondern Kreiſe abliegt, nicht zu gedenken, ſo finden ſich die Formeln, durch die man die elementaren Naturerſcheinungen, wo nicht dogmatiſch, doch wenigſtens zum didaktiſchen Behufe ausſpricht, durchaus auf dem Wege, daß man ſieht, man werde durch die Uebereinſtimmung der Zeichen bald auch nothwendig zur Uebereinſtimmung im Sinne gelangen.","norm":"Dessen, was zu weit von unserem besonderen Kreise abliegt, nicht zu gedenken, so finden sich die Formeln, durch die man die elementaren Naturerscheinungen, wo nicht dogmatisch, doch wenigstens zum didaktischen Behufe ausspricht, durchaus auf dem Wege, dass man sieht, man werde durch die Übereinstimmung der Zeichen bald auch notwendig zur Übereinstimmung im Sinne gelangen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1850,"orig":"Treue Beobachter der Natur, wenn ſie auch ſonſt noch ſo verſchieden denken, werden doch darin mit einander uͤbereinkommen, daß alles, was erſcheinen, was uns als ein Phaͤnomen begegnen ſolle, muͤſſe entweder eine urſpruͤngliche Entzweyung, die einer Vereinigung faͤhig iſt, oder eine urſpruͤngliche Einheit, die zur Entzweyung gelangen koͤnne, andeuten, und ſich auf eine ſolche Weiſe darſtellen.","norm":"Treue Beobachter der Natur, wenn sie auch sonst noch so verschieden denken, werden doch darin miteinander übereinkommen, dass alles, was erscheinen, was uns als ein Phänomen begegnen solle, müsse entweder eine ursprüngliche Entzweiung, die einer Vereinigung fähig ist, oder eine ursprüngliche Einheit, die zur Entzweiung gelangen könne, andeuten, und sich auf eine solche Weise darstellen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1851,"orig":"Das Geeinte zu entzweyen, das Entzweyte zu einigen, iſt das Leben der Natur; dieß iſt die ewige Syſtole und Diaſtole, die ewige Synkriſis und Diakriſis, das Ein- und Ausathmen der Welt, in der wir leben, weben und ſind.","norm":"Das Geeinte zu entzweien, das Entzweite zu einigen, ist das Leben der Natur; dies ist die ewige Systole und Diastole, die ewige Synkrisis und Diakrisis, das Ein- und Ausatmen der Welt, in der wir leben, weben und sind."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1852,"orig":"Daß dasjenige, was wir hier als Zahl, als Eins und Zwey ausſprechen, ein hoͤheres Geſchaͤft ſey, verſteht ſich von ſelbſt; ſo wie die Erſcheinung eines Dritten, Vierten ſich ferner entwickelnden immer in einem hoͤhern Sinne zu nehmen, beſonders aber allen dieſen Ausdruͤcken eine echte Anſchauung unterzulegen iſt.","norm":"Dass dasjenige, was wir hier als Zahl, als Eins und Zwei aussprechen, ein höheres Geschäft sei, versteht sich von selbst; so wie die Erscheinung eines Dritten, vierten sich ferner Entwickelnden immer in einem höheren Sinne zu nehmen, besonders aber allen diesen Ausdrücken eine echte Anschauung unterzulegen ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1853,"orig":"Das Eiſen kennen wir als einen beſondern von andern unterſchiedenen Koͤrper; aber es iſt ein gleichguͤltiges, uns nur in manchem Bezug und zu manchem Gebrauch merkwuͤrdiges Weſen.","norm":"Das Eisen kennen wir als einen besonderen von anderen unterschiedenen Körper; aber es ist ein gleichgültiges, uns nur in manchem Bezug und zu manchem Gebrauch merkwürdiges Wesen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1854,"orig":"Wie wenig aber bedarf es, und die Gleichguͤltigkeit dieſes Koͤrpers iſt aufgehoben.","norm":"Wie wenig aber bedarf es, und die Gleichgültigkeit dieses Körpers ist aufgehoben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1855,"orig":"Eine Entzweyung geht vor, die, indem ſie ſich wieder zu vereinigen ſtrebt und ſich ſelbſt aufſucht, einen gleichſam magiſchen Bezug auf ihres Gleichen gewinnt, und dieſe Entzweyung, die doch nur wieder eine Vereinigung iſt, durch ihr ganzes Geſchlecht fortſetzt.","norm":"Eine Entzweiung geht vor, die, indem sie sich wieder zu vereinigen strebt und sich selbst aufsucht, einen gleichsam magischen Bezug auf ihresgleichen gewinnt, und diese Entzweiung, die doch nur wieder eine Vereinigung ist, durch ihr ganzes Geschlecht fortsetzt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1856,"orig":"Hier kennen wir das gleichguͤltige Weſen, das Eiſen; wir ſehen die Entzweyung an ihm entſtehen, ſich fortpflanzen und verſchwinden, und ſich leicht wieder aufs neue erregen: nach unſerer Meynung ein Urphaͤnomen, das unmittelbar an der Idee ſteht und nichts Irdiſches uͤber ſich erkennt.","norm":"Hier kennen wir das gleichgültige Wesen, das Eisen; wir sehen die Entzweiung an ihm entstehen, sich fortpflanzen und verschwinden, und sich leicht wieder aufs neue erregen: nach unserer Meinung ein Urphänomen, das unmittelbar an der Idee steht und nichts Irdisches über sich erkennt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1857,"orig":"Mit der Electricitaͤt verhaͤlt es ſich wieder auf eine eigne Weiſe.","norm":"Mit der Elektrizität verhält es sich wieder auf eine eigene Weise."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1858,"orig":"Das Electriſche, als ein Gleichguͤltiges, kennen wir nicht.","norm":"Das Elektrische, als ein Gleichgültiges, kennen wir nicht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1859,"orig":"Es iſt fuͤr uns ein Nichts, ein Null, ein Nullpunct, ein Gleichguͤltigkeitspunct, der aber in allen erſcheinenden Weſen liegt, und zugleich der Quellpunct iſt, aus dem bey dem geringſten Anlaß eine Doppelerſcheinung hervortritt, welche nur inſofern erſcheint, als ſie wieder verſchwindet.","norm":"Es ist für uns ein Nichts, ein Null, ein Nullpunkt, ein Gleichgültigkeitspunkt, der aber in allen erscheinenden Wesen liegt, und zugleich der Quellpunkt ist, aus dem bei dem geringsten Anlass eine Doppelerscheinung hervortritt, welche nur insofern erscheint, als sie wieder verschwindet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1860,"orig":"Die Bedingungen, unter welchen jenes Hervortreten erregt wird, ſind, nach Beſchaffenheit der beſondern Koͤrper, unendlich verſchieden.","norm":"Die Bedingungen, unter welchen jenes Hervortreten erregt wird, sind, nach Beschaffenheit der besonderen Körper, unendlich verschieden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1861,"orig":"Von dem groͤbſten mechaniſchen Reiben ſehr unterſchiedener Koͤrper an einander bis zu dem leiſeſten Nebeneinanderſeyn zweyer voͤllig gleichen, nur durch weniger als einen Hauch anders determinirten Koͤrper, iſt die Erſcheinung rege und gegenwaͤrtig, ja auffallend und maͤchtig, und zwar dergeſtalt beſtimmt und geeignet, daß wir die Formeln der Polaritaͤt, des Plus und Minus, als Nord und Suͤd, als Glas und Harz, ſchicklich und naturgemaͤß anwenden.","norm":"Von dem gröbsten mechanischen Reiben sehr unterschiedener Körper aneinander bis zu dem leisesten Nebeneinandersein zweier völlig gleichen, nur durch weniger als einen Hauch anders determinierten Körper, ist die Erscheinung rege und gegenwärtig, ja auffallend und mächtig, und zwar dergestalt bestimmt und geeignet, dass wir die Formeln der Polarität, des Plus und Minus, als Nord und Süden, als Glas und Harz, schicklich und naturgemäß anwenden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1862,"orig":"Dieſe Erſcheinung, ob ſie gleich der Oberflaͤche beſonders folgt, iſt doch keinesweges oberflaͤchlich.","norm":"Diese Erscheinung, ob sie gleich der Oberfläche besonders folgt, ist doch keineswegs oberflächlich."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1863,"orig":"Sie wirkt auf die Beſtimmung koͤrperlicher Eigenſchaften, und ſchließt ſich an die große Doppelerſcheinung, welche ſich in der Chemie ſo herrſchend zeigt, an Oxydation und Desoxydation unmittelbar wirkend an.","norm":"Sie wirkt auf die Bestimmung körperlicher Eigenschaften, und schließt sich an die große Doppelerscheinung, welche sich in der Chemie so herrschend zeigt, an Oxydation und Desoxydation unmittelbar wirkend an."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1864,"orig":"In dieſe Reihe, in dieſen Kreis, in dieſen Kranz von Phaͤnomenen auch die Erſcheinungen der Farbe heranzubringen und einzuſchließen, war das Ziel unſeres Beſtrebens.","norm":"In diese Reihe, in diesen Kreis, in diesen Kranz von Phänomenen auch die Erscheinungen der Farbe heranzubringen und einzuschließen, war das Ziel unseres Bestrebens."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1865,"orig":"Was uns nicht gelungen iſt, werden andre leiſten.","norm":"Was uns nicht gelungen ist, werden andere leisten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1866,"orig":"Wir fanden einen uranfaͤnglichen ungeheuren Gegenſatz von Licht und Finſterniß, den man allgemeiner durch Licht und Nichtlicht ausdruͤcken kann; wir ſuchten denſelben zu vermitteln und dadurch die ſichtbare Welt aus Licht, Schatten und Farbe herauszubilden, wobey wir uns zu Entwickelung der Phaͤnomene verſchiedener Formeln bedienten, wie ſie uns in der Lehre des Magnetismus, der Electricitaͤt, des Chemismus uͤberliefert werden.","norm":"Wir fanden einen uranfänglichen ungeheuren Gegensatz von Licht und Finsternis, den man allgemeiner durch Licht und Nichtlicht ausdrücken kann; wir suchten denselben zu vermitteln und dadurch die sichtbare Welt aus Licht, Schatten und Farbe herauszubilden, wobei wir uns zu Entwickelung der Phänomene verschiedener Formeln bedienten, wie sie uns in der Lehre des Magnetismus, der Elektrizität, des Chemismus überliefert werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1867,"orig":"Wir mußten aber weiter gehen, weil wir uns in einer hoͤhern Region befanden und mannigfaltigere Verhaͤltniſſe auszudruͤcken hatten.","norm":"Wir mussten aber weiter gehen, weil wir uns in einer höheren Region befanden und mannigfaltigere Verhältnisse auszudrücken hatten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1868,"orig":"Wenn ſich Electricitaͤt und Galvanitaͤt in ihrer Allgemeinheit von dem Beſondern der magnetiſchen Erſcheinungen abtrennt und erhebt; ſo kann man ſagen, daß die Farbe, obgleich unter eben den Geſetzen ſtehend, ſich doch viel hoͤher erhebe und, indem ſie fuͤr den edlen Sinn des Auges wirkſam iſt, auch ihre Natur zu ihrem Vortheile darthue.","norm":"Wenn sich Elektrizität und Galvanität in ihrer Allgemeinheit von dem Besonderen der magnetischen Erscheinungen abtrennt und erhebt; so kann man sagen, dass die Farbe, obgleich unter eben den Gesetzen stehend, sich doch viel höher erhebe und, indem sie für den edlen Sinn des Auges wirksam ist, auch ihre Natur zu ihrem Vorteile dartue."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1869,"orig":"Man vergleiche das Mannigfaltige, das aus einer Steigerung des Gelben und Blauen zum Rothen, aus der Verknuͤpfung dieſer beyden hoͤheren Enden zum Purpur, aus der Vermiſchung der beyden niedern Enden zum Gruͤn entſteht.","norm":"Man vergleiche das Mannigfaltige, das aus einer Steigerung des Gelben und Blauen zum Roten, aus der Verknüpfung dieser beiden höheren Enden zum Purpur, aus der Vermischung der beiden niederen Enden zum Grün entsteht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1870,"orig":"Welch ein ungleich mannigfaltigeres Schema entſpringt hier nicht, als dasjenige iſt, worin ſich Magnetismus und Electricitaͤt begreifen laſſen.","norm":"Welch ein ungleich mannigfaltigeres Schema entspringt hier nicht, als dasjenige ist, worin sich Magnetismus und Elektrizität begreifen lassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1871,"orig":"Auch ſtehen dieſe letzteren Erſcheinungen auf einer niedern Stufe, ſo daß ſie zwar die allgemeine Welt durchdringen und beleben, ſich aber zum Menſchen im hoͤheren Sinne nicht heraufbegeben koͤnnen, um von ihm aͤſthetiſch benutzt zu werden.","norm":"Auch stehen diese letzteren Erscheinungen auf einer niederen Stufe, so dass sie zwar die allgemeine Welt durchdringen und beleben, sich aber zum Menschen im höheren Sinne nicht heraufbegeben können, um von ihm ästhetisch benutzt zu werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1872,"orig":"Das allgemeine einfache phyſiſche Schema muß erſt in ſich ſelbſt erhoͤht und vermannigfaltigt werden, um zu hoͤheren Zwecken zu dienen.","norm":"Das allgemeine einfache physische Schema muss erst in sich selbst erhöht und vermannigfaltigt werden, um zu höheren Zwecken zu dienen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1873,"orig":"Man rufe in dieſem Sinne zuruͤck, was durchaus von uns bisher ſowohl im Allgemeinen als Beſondern von der Farbe praͤdicirt worden, und man wird ſich ſelbſt dasjenige, was hier nur leicht angedeutet iſt, ausfuͤhren und entwickeln.","norm":"Man rufe in diesem Sinne zurück, was durchaus von uns bisher sowohl im Allgemeinen als Besonderen von der Farbe prädiziert worden, und man wird sich selbst dasjenige, was hier nur leicht angedeutet ist, ausführen und entwickeln."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1874,"orig":"Man wird dem Wiſſen, der Wiſſenſchaft, dem Handwerk und der Kunſt Gluͤck wuͤnſchen, wenn es moͤglich waͤre, das ſchoͤne Kapitel der Farbenlehre aus ſeiner atomiſtiſchen Beſchraͤnktheit und Abgeſondertheit, in die es bisher verwieſen, dem allgemeinen dynamiſchen Fluſſe des Lebens und Wirkens wieder zu geben, deſſen ſich die jetzige Zeit erfreut.","norm":"Man wird dem Wissen, der Wissenschaft, dem Handwerk und der Kunst Glück wünschen, wenn es möglich wäre, das schöne Kapitel der Farbenlehre aus seiner atomistischen Beschränktheit und Abgesondertheit, in die es bisher verwiesen, dem allgemeinen dynamischen Flusse des Lebens und Wirkens wiederzugeben, dessen sich die jetzige Zeit erfreut."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1875,"orig":"Dieſe Empfindungen werden bey uns noch lebhafter werden, wenn uns die Geſchichte ſo manchen wakkern und einſichtsvollen Mann vorfuͤhren wird, dem es nicht gelang, von ſeinen Ueberzeugungen ſeine Zeitgenoſſen zu durchdringen.","norm":"Diese Empfindungen werden bei uns noch lebhafter werden, wenn uns die Geschichte so manchen wackeren und einsichtsvollen Mann vorführen wird, dem es nicht gelang, von seinen Überzeugungen seine Zeitgenossen zu durchdringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1876,"orig":"Ehe wir nunmehr zu den ſinnlich-ſittlichen und daraus entſpringenden aͤſthetiſchen Wirkungen der Farbe uͤbergehen, iſt es der Ort, auch von ihrem Verhaͤltniſſe zu dem Ton einiges zu ſagen.","norm":"Ehe wir nunmehr zu den sinnlich-sittlichen und daraus entspringenden ästhetischen Wirkungen der Farbe übergehen, ist es der Ort, auch von ihrem Verhältnisse zu dem Ton einiges zu sagen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1877,"orig":"Daß ein gewiſſes Verhaͤltniß der Farbe zum Ton ſtatt finde, hat man von jeher gefuͤhlt, wie die oͤftern Vergleichungen, welche theils voruͤbergehend, theils umſtaͤndlich genug angeſtellt worden, beweiſen.","norm":"Dass ein gewisses Verhältnis der Farbe zum Ton stattfinde, hat man von jeher gefühlt, wie die Öfteren Vergleichungen, welche teils vorübergehend, teils umständlich genug angestellt worden, beweisen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1878,"orig":"Der Fehler, den man hiebey begangen, beruhet nur auf folgendem.","norm":"Der Fehler, den man hierbei begangen, beruhet nur auf folgendem."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1879,"orig":"Vergleichen laſſen ſich Farbe und Ton unter einander auf keine Weiſe; aber beyde laſſen ſich auf eine hoͤhere Formel beziehen, aus einer hoͤhern Formel beyde, jedoch jedes fuͤr ſich, ableiten.","norm":"Vergleichen lassen sich Farbe und Ton untereinander auf keine Weise; aber beide lassen sich auf eine höhere Formel beziehen, aus einer höheren Formel beide, jedoch jedes für sich, ableiten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1880,"orig":"Wie zwey Fluͤſſe, die auf einem Berge entſpringen, aber unter ganz verſchiedenen Bedingungen in zwey ganz entgegengeſetzte Weltgegenden laufen, ſo daß auf dem beyderſeitigen ganzen Wege keine einzelne Stelle der andern verglichen werden kann; ſo ſind auch Farbe und Ton.","norm":"Wie zwei Flüsse, die auf einem Berge entspringen, aber unter ganz verschiedenen Bedingungen in zwei ganz entgegengesetzte Weltgegenden laufen, so dass auf dem beiderseitigen ganzen Wege keine einzelne Stelle der anderen verglichen werden kann; so sind auch Farbe und Ton."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1881,"orig":"Beyde ſind allgemeine elementare Wirkungen nach dem allgemeinen Geſetz des Trennens und Zuſammenſtrebens, des Auf- und Abſchwankens, des Hinund wiederwaͤgens wirkend, doch nach ganz verſchiedenen Seiten, auf verſchiedene Weiſe, auf verſchiedene Zwiſchenelemente, fuͤr verſchiedene Sinne.","norm":"Beide sind allgemeine elementare Wirkungen nach dem allgemeinen Gesetz des Trennens und Zusammenstrebens, des Auf- und Abschwankens, des Hin- und Wiederwägens wirkend, doch nach ganz verschiedenen Seiten, auf verschiedene Weise, auf verschiedene Zwischenelemente, für verschiedene Sinne."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1882,"orig":"Moͤchte Jemand die Art und Weiſe, wie wir die Farbenlehre an die allgemeine Naturlehre angeknuͤpft, recht faſſen, und dasjenige, was uns entgangen und abgegangen durch Gluͤck und Genialitaͤt erſetzen; ſo wuͤrde die Tonlehre, nach unſerer Ueberzeugung, an die allgemeine Phyſik vollkommen anzuſchließen ſeyn, da ſie jetzt innerhalb derſelben gleichſam nur hiſtoriſch abgeſondert ſteht.","norm":"Möchte jemand die Art und Weise, wie wir die Farbenlehre an die allgemeine Naturlehre angeknüpft, recht fassen, und dasjenige, was uns entgangen und abgegangen durch Glück und Genialität ersetzen; so würde die Tonlehre, nach unserer Überzeugung, an die allgemeine Physik vollkommen anzuschließen sein, da sie jetzt innerhalb derselben gleichsam nur historisch abgesondert steht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1883,"orig":"Aber eben darin laͤge die groͤßte Schwierigkeit, die fuͤr uns gewordene poſitive, auf ſeltſamen empiriſchen, zufaͤlligen, mathematiſchen, aͤſthetiſchen, genialiſchen Wegen entſprungene Muſik zu Gunſten einer phyſikaliſchen Behandlung zu zerſtoͤren und in ihre erſten phyſiſchen Elemente aufzuloͤſen.","norm":"Aber eben darin läge die größte Schwierigkeit, die für uns gewordene positive, auf seltsamen empirischen, zufälligen, mathematischen, ästhetischen, genialischen Wegen entsprungene Musik zugunsten einer physikalischen Behandlung zu zerstören und in ihre ersten physischen Elemente aufzulösen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1884,"orig":"Vielleicht waͤre auch hierzu, auf dem Puncte, wo Wiſſenſchaft und Kunſt ſich befinden, nach ſo manchen ſchoͤnen Vorarbeiten, Zeit und Gelegenheit.","norm":"Vielleicht wäre auch hierzu, auf dem Punkte, wo Wissenschaft und Kunst sich befinden, nach so manchen schönen Vorarbeiten, Zeit und Gelegenheit."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1885,"orig":"Man bedenkt niemals genug, daß eine Sprache eigentlich nur ſymboliſch, nur bildlich ſey und die Gegenſtaͤnde niemals unmittelbar, ſondern nur im Widerſcheine ausdruͤcke.","norm":"Man bedenkt niemals genug, dass eine Sprache eigentlich nur symbolisch, nur bildlich sei und die Gegenstände niemals unmittelbar, sondern nur im Widerscheine ausdrücke."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1886,"orig":"Dieſes iſt beſonders der Fall, wenn von Weſen die Rede iſt, welche an die Erfahrung nur herantreten und die man mehr Thaͤtigkeiten als Gegenſtaͤnde nennen kann, dergleichen im Reiche der Naturlehre immerfort in Bewegung ſind.","norm":"Dieses ist besonders der Fall, wenn von Wesen die Rede ist, welche an die Erfahrung nur herantreten und die man mehr Tätigkeiten als Gegenstände nennen kann, dergleichen im Reiche der Naturlehre immerfort in Bewegung sind."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1887,"orig":"Sie laſſen ſich nicht feſthalten, und doch ſoll man von ihnen reden; man ſucht daher alle Arten von Formeln auf, um ihnen wenigſtens gleichnißweiſe beyzukommen.","norm":"Sie lassen sich nicht festhalten, und doch soll man von ihnen reden; man sucht daher alle Arten von Formeln auf, um ihnen wenigstens gleichnisweise beizukommen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1888,"orig":"Metaphyſiſche Formeln haben eine große Breite und Tiefe, jedoch ſie wuͤrdig auszufuͤllen, wird ein reicher Gehalt erfordert, ſonſt bleiben ſie hohl.","norm":"Metaphysische Formeln haben eine große Breite und Tiefe, jedoch sie würdig auszufüllen, wird ein reicher Gehalt erfordert, sonst bleiben sie hohl."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1889,"orig":"Mathematiſche Formeln laſſen ſich in vielen Faͤllen ſehr bequem und gluͤcklich anwenden; aber es bleibt ihnen immer etwas ſteifes und ungelenkes, und wir fuͤhlen bald ihre Unzulaͤnglichkeit, weil wir, ſelbſt in Elementarfaͤllen, ſehr fruͤh ein Incommenſurables gewahr werden; ferner ſind ſie auch nur innerhalb eines gewiſſen Kreiſes beſonders hiezu gebildeter Geiſter verſtaͤndlich.","norm":"Mathematische Formeln lassen sich in vielen Fällen sehr bequem und glücklich anwenden; aber es bleibt ihnen immer etwas Steifes und Ungelenkes, und wir fühlen bald ihre Unzulänglichkeit, weil wir, selbst in Elementarfällen, sehr früh ein Inkommensurables gewahr werden; ferner sind sie auch nur innerhalb eines gewissen Kreises besonders hiezu gebildeter Geister verständlich."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1890,"orig":"Mechaniſche Formeln ſprechen mehr zu dem gemeinen Sinn, aber ſie ſind auch gemeiner, und behalten immer etwas Rohes.","norm":"Mechanische Formeln sprechen mehr zu dem gemeinen Sinn, aber sie sind auch gemeiner, und behalten immer etwas Rohes."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1891,"orig":"Sie verwandlen das Lebendige in ein Todtes; ſie toͤdten das innre Leben, um von außen ein unzulaͤngliches heranzubringen.","norm":"Sie verwandeln das Lebendige in ein Totes; sie töten das innere Leben, um von außen ein unzulängliches heranzubringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1892,"orig":"CorpuscularFormeln ſind ihnen nahe verwandt; das Bewegliche wird ſtarr durch ſie, Vorſtellung und Ausdruck ungeſchlacht.","norm":"Korpuskularformeln sind ihnen nahe verwandt; das Bewegliche wird starr durch sie, Vorstellung und Ausdruck ungeschlacht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1893,"orig":"Dagegen erſcheinen die moraliſchen Formeln, welche freylich zartere Verhaͤltniſſe ausdruͤcken, als bloße Gleichniſſe und verlieren ſich denn auch wohl zuletzt in Spiele des Witzes.","norm":"Dagegen erscheinen die moralischen Formeln, welche freilich zartere Verhältnisse ausdrücken, als bloße Gleichnisse und verlieren sich denn auch wohl zuletzt in Spiele des Witzes."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1894,"orig":"Koͤnnte man ſich jedoch aller dieſer Arten der Vorſtellung und des Ausdrucks mit Bewußtſeyn bedienen, und in einer mannigfaltigen Sprache ſeine Betrachtungen uͤber Naturphaͤnomene uͤberliefern; hielte man ſich von Einſeitigkeit frey, und faßte einen lebendigen Sinn in einen lebendigen Ausdruck, ſo ließe ſich manches Erfreuliche mittheilen.","norm":"Könnte man sich jedoch aller dieser Arten der Vorstellung und des Ausdrucks mit Bewusstsein bedienen, und in einer mannigfaltigen Sprache seine Betrachtungen über Naturphänomene überliefern; hielte man sich von Einseitigkeit frei, und fasste einen lebendigen Sinn in einen lebendigen Ausdruck, so ließe sich manches Erfreuliche mitteilen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1895,"orig":"Jedoch wie ſchwer iſt es, das Zeichen nicht an die Stelle der Sache zu ſetzen, das Weſen immer lebendig vor ſich zu haben und es nicht durch das Wort zu toͤdten.","norm":"Jedoch wie schwer ist es, das Zeichen nicht an die Stelle der Sache zu setzen, das Wesen immer lebendig vor sich zu haben und es nicht durch das Wort zu töten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1896,"orig":"Dabey ſind wir in den neuern Zeiten in eine noch groͤßere Gefahr gerathen, indem wir aus allem Erkenn- und Wißbaren Ausdruͤcke und Terminologien heruͤbergenommen haben, um unſre Anſchauungen der einfacheren Natur auszudruͤcken.","norm":"Dabei sind wir in den neueren Zeiten in eine noch größere Gefahr geraten, indem wir aus allem Erkenne- und Wissbaren Ausdrücke und Terminologien herübergenommen haben, um unsere Anschauungen der einfacheren Natur auszudrücken."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1897,"orig":"Aſtronomie, Kosmologie, Geologie, Naturgeſchichte, ja Religion und Myſtik werden zu Huͤlfe gerufen; und wie oft wird nicht das Allgemeine durch ein Beſonderes, das Elementare durch ein Abgeleitetes mehr zugedeckt, und verdunkelt, als aufgehellt und naͤher gebracht.","norm":"Astronomie, Kosmologie, Geologie, Naturgeschichte, ja Religion und Mystik werden zu Hilfe gerufen; und wie oft wird nicht das Allgemeine durch ein Besonderes, das Elementare durch ein Abgeleitetes mehr zugedeckt, und verdunkelt, als aufgehellt und näher gebracht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1898,"orig":"Wir kennen das Beduͤrfniß recht gut, wodurch eine ſolche Sprache entſtanden iſt und ſich ausbreitet; wir wiſſen auch, daß ſie ſich in einem gewiſſen Sinne unentbehrlich macht: allein nur ein maͤßiger, anſpruchsloſer Gebrauch mit Ueberzeugung und Bewußtſeyn kann Vortheil bringen.","norm":"Wir kennen das Bedürfnis recht gut, wodurch eine solche Sprache entstanden ist und sich ausbreitet; wir wissen auch, dass sie sich in einem gewissen Sinne unentbehrlich macht: allein nur ein mäßiger, anspruchsloser Gebrauch mit Überzeugung und Bewusstsein kann Vorteil bringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1899,"orig":"Am wuͤnſchenswertheſten waͤre jedoch, daß man die Sprache, wodurch man die Einzelnheiten eines gewiſſen Kreiſes bezeichnen will, aus dem Kreiſe ſelbſt naͤhme; die einfachſte Erſcheinung als Grundformel behandelte, und die mannigfaltigern von daher ableitete und entwickelte.","norm":"Am wünschenswertesten wäre jedoch, dass man die Sprache, wodurch man die Einzelheiten eines gewissen Kreises bezeichnen will, aus dem Kreise selbst nähme; die einfachste Erscheinung als Grundformel behandelte, und die mannigfaltigeren von daher ableitete und entwickelte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1900,"orig":"Die Nothwendigkeit und Schicklichkeit einer ſolchen Zeichenſprache, wo das Grundzeichen die Erſcheinung ſelbſt ausdruͤckt, hat man recht gut gefuͤhlt, indem man die Formel der Polaritaͤt, dem Magneten abgeborgt, auf Electricitaͤt u. ſ. w. hinuͤber gefuͤhrt hat.","norm":"Die Notwendigkeit und Schicklichkeit einer solchen Zeichensprache, wo das Grundzeichen die Erscheinung selbst ausdrückt, hat man recht gut gefühlt, indem man die Formel der Polarität, dem Magneten abgeborgt, auf Elektrizität u. s. w. hinübergeführt hat."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1901,"orig":"Das Plus und Minus, was an deſſen Stelle geſetzt werden kann, hat bey ſo vielen Phaͤnomenen eine ſchickliche Anwendung gefunden; ja der Tonkuͤnſtler iſt, wahrſcheinlich ohne ſich um jene andern Faͤcher zu bekuͤmmern, durch die Natur veranlaßt worden, die Haupt-Differenz der Tonarten durch Majeur und Mineur auszudruͤcken.","norm":"Das Plus und Minus, was an dessen Stelle gesetzt werden kann, hat bei so vielen Phänomenen eine schickliche Anwendung gefunden; ja der Tonkünstler ist, wahrscheinlich ohne sich um jene anderen Fächer zu bekümmern, durch die Natur veranlasst worden, die Hauptdifferenz der Tonarten durch Majeur und Mineur auszudrücken."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1902,"orig":"So haben auch wir ſeit langer Zeit den Ausdruck der Polaritaͤt in die Farbenlehre einzufuͤhren gewuͤnſcht; mit welchem Rechte und in welchem Sinne, mag die gegenwaͤrtige Arbeit ausweiſen.","norm":"So haben auch wir seit langer Zeit den Ausdruck der Polarität in die Farbenlehre einzuführen gewünscht; mit welchem Rechte und in welchem Sinne, mag die gegenwärtige Arbeit ausweisen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1903,"orig":"Vielleicht finden wir kuͤnftig Raum, durch eine ſolche Behandlung und Symbolik, welche ihr Anſchauen jederzeit mit ſich fuͤhren muͤßte, die elementaren Naturphaͤnomene nach unſrer Weiſe an einander zu knuͤpfen, und dadurch dasjenige deutlicher zu machen, was hier nur im Allgemeinen, und vielleicht nicht beſtimmt genug ausgeſprochen worden.","norm":"Vielleicht finden wir künftig Raum, durch eine solche Behandlung und Symbolik, welche ihr Anschauen jederzeit mit sich führen müsste, die elementaren Naturphänomene nach unserer Weise aneinander zu knüpfen, und dadurch dasjenige deutlicher zu machen, was hier nur im Allgemeinen, und vielleicht nicht bestimmt genug ausgesprochen worden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1904,"orig":"Da die Farbe in der Reihe der uranfaͤnglichen Naturerſcheinungen einen ſo hohen Platz behauptet, indem ſie den ihr angewieſenen einfachen Kreis mit entſchiedener Mannigfaltigkeit ausfuͤllt; ſo werden wir uns nicht wundern, wenn wir erfahren, daß ſie auf den Sinn des Auges, dem ſie vorzuͤglich zugeeignet iſt, und durch deſſen Vermittelung, auf das Gemuͤth, in ihren allgemeinſten elementaren Erſcheinungen, ohne Bezug auf Beſchaffenheit oder Form eines Materials, an deſſen Oberflaͤche wir ſie gewahr werden, einzeln eine ſpecifiſche, in Zuſammenſtellung eine theils harmoniſche, theils charakteriſtiſche, oft auch unharmoniſche, immer aber eine entſchiedene und bedeutende Wirkung hervorbringe, die ſich unmittelbar an das Sittliche anſchließt.","norm":"Da die Farbe in der Reihe der uranfänglichen Naturerscheinungen einen so hohen Platz behauptet, indem sie den ihr angewiesenen einfachen Kreis mit entschiedener Mannigfaltigkeit ausfüllt; so werden wir uns nicht wundern, wenn wir erfahren, dass sie auf den Sinn des Auges, dem sie vorzüglich zugeeignet ist, und durch dessen Vermittlung, auf das Gemüt, in ihren allgemeinsten elementaren Erscheinungen, ohne Bezug auf Beschaffenheit oder Form eines Materials, an dessen Oberfläche wir sie gewahr werden, einzeln eine spezifische, in Zusammenstellung eine teils harmonische, teils charakteristische, oft auch unharmonische, immer aber eine entschiedene und bedeutende Wirkung hervorbringe, die sich unmittelbar an das Sittliche anschließt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1905,"orig":"Deshalb denn Farbe, als ein Element der Kunſt betrachtet, zu den hoͤchſten aͤſthetiſchen Zwecken mitwirkend genutzt werden kann.","norm":"Deshalb denn Farbe, als ein Element der Kunst betrachtet, zu den höchsten ästhetischen Zwecken mitwirkend genutzt werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1906,"orig":"Die Menſchen empfinden im Allgemeinen eine große Freude an der Farbe.","norm":"Die Menschen empfinden im Allgemeinen eine große Freude an der Farbe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1907,"orig":"Das Auge bedarf ihrer, wie es des Lichtes bedarf.","norm":"Das Auge bedarf ihrer, wie es des Lichtes bedarf."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1908,"orig":"Man erinnre ſich der Erquikkung, wenn an einem truͤben Tage die Sonne auf einen einzelnen Theil der Gegend ſcheint und die Farben daſelbſt ſichtbar macht.","norm":"Man erinnre sich der Erquickung, wenn an einem trüben Tage die Sonne auf einen einzelnen Teil der Gegend scheint und die Farben daselbst sichtbar macht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1909,"orig":"Daß man den farbigen Edelſteinen Heilkraͤfte zuſchrieb, mag aus dem tiefen Gefuͤhl dieſes unausſprechlichen Behagens entſtanden ſeyn.","norm":"Dass man den farbigen Edelsteinen Heilkräfte zuschrieb, mag aus dem tiefen Gefühl dieses unaussprechlichen Behagens entstanden sein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1910,"orig":"Die Farben, die wir an den Koͤrpern erblicken, ſind nicht etwa dem Auge ein voͤllig Fremdes, wodurch es erſt zu dieſer Empfindung gleichſam geſtempelt wuͤrde;","norm":"Die Farben, die wir an den Körpern erblicken, sind nicht etwa dem Auge ein völlig Fremdes, wodurch es erst zu dieser Empfindung gleichsam gestempelt würde;"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1911,"orig":"Nein.","norm":"Nein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1912,"orig":"Dieſes Organ iſt immer in der Diſpoſition, ſelbſt Farben hervorzubringen, und genießt einer angenehmen Empfindung, wenn etwas der eignen Natur gemaͤßes ihm von außen gebracht wird; wenn ſeine Beſtimmbarkeit nach einer gewiſſen Seite hin bedeutend beſtimmt wird.","norm":"Dieses Organ ist immer in der Disposition, selbst Farben hervorzubringen, und genießt einer angenehmen Empfindung, wenn etwas der eigenen Natur Gemäßes ihm von außen gebracht wird; wenn seine Bestimmbarkeit nach einer gewissen Seite hin bedeutend bestimmt wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1913,"orig":"Aus der Idee des Gegenſatzes der Erſcheinung, aus der Kenntniß, die wir von den beſondern Beſtimmungen deſſelben erlangt haben, koͤnnen wir ſchließen, daß die einzelnen Farbeindruͤcke nicht verwechſelt werden koͤnnen, daß ſie ſpecifiiſch wirken, und entſchieden ſpecifiſche Zuſtaͤnde in dem lebendigen Organ hervorbringen muͤſſen.","norm":"Aus der Idee des Gegensatzes der Erscheinung, aus der Kenntnis, die wir von den besonderen Bestimmungen desselben erlangt haben, können wir schließen, dass die einzelnen Farbeindrücke nicht verwechselt werden können, dass sie spezifisch wirken, und entschieden spezifische Zustände in dem lebendigen Organ hervorbringen müssen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1914,"orig":"Eben auch ſo in dem Gemuͤth.","norm":"Eben auch so in dem Gemüt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1915,"orig":"Die Erfahrung lehrt uns, daß die einzelnen Farben beſondre Gemuͤthsſtimmungen geben.","norm":"Die Erfahrung lehrt uns, dass die einzelnen Farben besondere Gemütsstimmungen geben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1916,"orig":"Von einem geiſtreichen Franzoſen wird erzaͤhlt:","norm":"Von einem geistreichen Franzosen wird erzählt:"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1917,"orig":"Il prétendoit que son ton de conversation avec Madame étoit changé depuis qu’elle avoit changé en cramoisi le meuble de son cabinet qui étoit bleu.","norm":"Il prétendoit que son Ton de conversation avec Madame étoit changé depuis qu'elle avait changé en cramoisi le meuble de son cabinet qui étoit bleu."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1918,"orig":"Dieſe einzelnen bedeutenden Wirkungen vollkommen zu empfinden, muß man das Auge ganz mit einer Farbe umgeben, z. B. in einem einfarbigen Zimmer ſich befinden, durch ein farbiges Glas ſehen.","norm":"Diese einzelnen bedeutenden Wirkungen vollkommen zu empfinden, muss man das Auge ganz mit einer Farbe umgeben, z. B. in einem einfarbigen Zimmer sich befinden, durch ein farbiges Glas sehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1919,"orig":"Man identificirt ſich alsdann mit der Farbe; ſie ſtimmt Auge und Geiſt mit ſich unisono.","norm":"Man identifiziert sich alsdann mit der Farbe; sie stimmt Auge und Geist mit sich unisono."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1920,"orig":"Die Farben von der Plusſeite ſind Gelb, Rothgelb (Orange), Gelbroth (Mennig, Zinnober).","norm":"Die Farben von der Plusseite sind Gelb, Rotgelb (Orange), Gelbrot (Mennig, Zinnober)."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1921,"orig":"Sie ſtimmen regſam, lebhaft, ſtrebend.","norm":"Sie stimmen regsam, lebhaft, strebend."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1922,"orig":"Es iſt die naͤchſte Farbe am Licht.","norm":"Es ist die nächste Farbe am Licht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1923,"orig":"Sie entſteht durch die gelindeſte Maͤßigung deſſelben, es ſey durch truͤbe Mittel, oder durch ſchwache Zuruͤckwerfung von weißen Flaͤchen.","norm":"Sie entsteht durch die gelindeste Mäßigung desselben, es sei durch trübe Mittel, oder durch schwache Zurückwerfung von weißen Flächen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1924,"orig":"Bey den prismatiſchen Verſuchen erſtreckt ſie ſich allein breit in den lichten Raum, und kann dort, wenn die beyden Pole noch abgeſondert von einander ſtehen, ehe ſie ſich mit dem Blauen zum Gruͤnen vermiſcht, in ihrer ſchoͤnſten Reinheit geſehen werden.","norm":"Bei den prismatischen Versuchen erstreckt sie sich allein breit in den lichten Raum, und kann dort, wenn die beiden Pole noch abgesondert voneinander stehen, ehe sie sich mit dem Blauen zum Grünen vermischt, in ihrer schönsten Reinheit gesehen werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1925,"orig":"Wie das chemiſche Gelb ſich an und uͤber dem Weißen entwickelt, iſt gehoͤrigen Orts umſtaͤndlich vorgetragen worden.","norm":"Wie das chemische Gelb sich an und über dem Weißen entwickelt, ist gehörigen Orts umständlich vorgetragen worden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1926,"orig":"Sie fuͤhrt in ihrer hoͤchſten Reinheit immer die Natur des Hellen mit ſich, und beſitzt eine heitere, muntere, ſanft reizende Eigenſchaft.","norm":"Sie führt in ihrer höchsten Reinheit immer die Natur des Hellen mit sich, und besitzt eine heitere, muntere, sanft reizende Eigenschaft."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1927,"orig":"In dieſem Grade iſt ſie als Umgebung, es ſey als Kleid, Vorhang, Tapete, angenehm.","norm":"In diesem Grade ist sie als Umgebung, es sei als Kleid, Vorhang, Tapete, angenehm."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1928,"orig":"Das Gold in ſeinem ganz ungemiſchten Zuſtande gibt uns, beſonders wenn der Glanz hinzukommt, einen neuen und hohen Begriff von dieſer Farbe; ſo wie ein ſtarkes Gelb, wenn es auf glaͤnzender Seide, z. B. auf Atlas erſcheint, eine praͤchtige und edle Wirkung thut.","norm":"Das Gold in seinem ganz ungemischten Zustande gibt uns, besonders wenn der Glanz hinzukommt, einen neuen und hohen Begriff von dieser Farbe; so wie ein starkes Gelb, wenn es auf glänzender Seide, z. B. auf Atlas erscheint, eine prächtige und edle Wirkung tut."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1929,"orig":"So iſt es der Erfahrung gemaͤß, daß das Gelbe einen durchaus warmen und behaglichen Eindruck mache.","norm":"So ist es der Erfahrung gemäß, dass das Gelbe einen durchaus warmen und behaglichen Eindruck mache."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1930,"orig":"Daher es auch in der Malerey der beleuchteten und wirkſamen Seite zukommt.","norm":"Daher es auch in der Malerei der beleuchteten und wirksamen Seite zukommt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1931,"orig":"Dieſen erwaͤrmenden Effect kann man am lebhafteſten bemerken, wenn man durch ein gelbes Glas, beſonders in grauen Wintertagen, eine Landſchaft anſieht.","norm":"Diesen erwärmenden Effekt kann man am lebhaftesten bemerken, wenn man durch ein gelbes Glas, besonders in grauen Wintertagen, eine Landschaft ansieht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1932,"orig":"Das Auge wird erfreut, das Herz ausgedehnt, das Gemuͤth erheitert; eine unmittelbare Waͤrme ſcheint uns anzuwehen.","norm":"Das Auge wird erfreut, das Herz ausgedehnt, das Gemüt erheitert; eine unmittelbare Wärme scheint uns anzuwehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1933,"orig":"Wenn nun dieſe Farbe, in ihrer Reinheit und hellem Zuſtande angenehm und erfreulich, in ihrer ganzen Kraft aber etwas Heiteres und Edles hat; ſo iſt ſie dagegen aͤußerſt empfindlich und macht eine ſehr unangenehme Wirkung, wenn ſie beſchmutzt, oder einigermaßen ins Minus gezogen wird.","norm":"Wenn nun diese Farbe, in ihrer Reinheit und hellem Zustande angenehm und erfreulich, in ihrer ganzen Kraft aber etwas Heiteres und Edles hat; so ist sie dagegen äußerst empfindlich und macht eine sehr unangenehme Wirkung, wenn sie beschmutzt, oder einigermaßen ins Minus gezogen wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1934,"orig":"So hat die Farbe des Schwefels, die ins Gruͤne faͤllt, etwas Unangenehmes.","norm":"So hat die Farbe des Schwefels, die ins Grüne fällt, etwas Unangenehmes."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1935,"orig":"Wenn die gelbe Farbe unreinen und unedlen Oberflaͤchen mitgetheilt wird, wie dem gemeinen Tuch, dem Filz und dergleichen, worauf ſie nicht mit ganzer Energie erſcheint, entſteht eine ſolche unangenehme Wirkung.","norm":"Wenn die gelbe Farbe unreinen und unedlen Oberflächen mitgeteilt wird, wie dem gemeinen Tuch, dem Filz und dergleichen, worauf sie nicht mit ganzer Energie erscheint, entsteht eine solche unangenehme Wirkung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1936,"orig":"Durch eine geringe und unmerkliche Bewegung wird der ſchoͤne Eindruck des Feuers und Goldes in die Empfindung des Kothigen verwandelt, und die Farbe der Ehre und Wonne zur Farbe der Schande, des Abſcheu’s und Mißbehagens umgekehrt.","norm":"Durch eine geringe und unmerkliche Bewegung wird der schöne Eindruck des Feuers und Goldes in die Empfindung des Kotigen verwandelt, und die Farbe der Ehre und Wonne zur Farbe der Schande, des Abscheus und Missbehagens umgekehrt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1937,"orig":"Daher moͤgen die gelben Huͤte der Bankerottirer, die gelben Ringe auf den Maͤnteln der Juden entſtanden ſeyn; ja die ſogenannte Hahnreihfarbe iſt eigentlich nur ein ſchmutziges Gelb.","norm":"Daher mögen die gelben Hüte der Bankrottierer, die gelben Ringe auf den Mänteln der Juden entstanden sein; ja die sogenannte Hahnreifarbe ist eigentlich nur ein schmutziges Gelb."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1938,"orig":"Da ſich keine Farbe als ſtillſtehend betrachten laͤßt, ſo kann man das Gelbe ſehr leicht durch Verdichtung und Verdunklung ins Roͤthliche ſteigern und erheben.","norm":"Da sich keine Farbe als stillstehend betrachten lässt, so kann man das Gelbe sehr leicht durch Verdichtung und Verdunklung ins Rötliche steigern und erheben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1939,"orig":"Die Farbe waͤchſt an Energie und erſcheint im Rothgelben maͤchtiger und herrlicher.","norm":"Die Farbe wächst an Energie und erscheint im Rotgelben mächtiger und herrlicher."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1940,"orig":"Alles was wir vom Gelben geſagt haben, gilt auch hier, nur im hoͤheren Grade.","norm":"Alles was wir vom Gelben gesagt haben, gilt auch hier, nur im höheren Grade."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1941,"orig":"Das Rothgelbe gibt eigentlich dem Auge das Gefuͤhl von Waͤrme und Wonne, indem es die Farbe der hoͤhern Glut, ſo wie den mildern Abglanz der untergehenden Sonne repraͤſentirt.","norm":"Das Rotgelbe gibt eigentlich dem Auge das Gefühl von Wärme und Wonne, indem es die Farbe der höheren Glut, so wie den mildern Abglanz der untergehenden Sonne repräsentiert."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1942,"orig":"Deswegen iſt ſie auch bey Umgebungen angenehm, und als Kleidung in mehr oder minderm Grade erfreulich oder herrlich.","norm":"Deswegen ist sie auch bei Umgebungen angenehm, und als Kleidung in mehr oder minderem Grade erfreulich oder herrlich."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1943,"orig":"Ein kleiner Blick ins Rothe gibt dem Gelben gleich ein ander Anſehn; und wenn Englaͤnder und Deutſche ſich noch an blaßgelben hellen Lederfarben genuͤgen laſſen, ſo liebt der Franzoſe, wie Pater Caſtel ſchon bemerkt, das ins Roth geſteigerte Gelb; wie ihn uͤberhaupt an Farben alles freut, was ſich auf der activen Seite befindet.","norm":"Ein kleiner Blick ins Rote gibt dem Gelben gleich ein ander Ansehen; und wenn Engländer und Deutsche sich noch an blassgelben hellen Lederfarben genügen lassen, so liebt der Franzose, wie Pater Castel schon bemerkt, das ins Rot gesteigerte Gelb; wie ihn überhaupt an Farben alles freut, was sich auf der aktiven Seite befindet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1944,"orig":"Wie das reine Gelb ſehr leicht in das Rothgelbe hinuͤbergeht, ſo iſt die Steigerung dieſes letzten ins Gelbrothe nicht aufzuhalten.","norm":"Wie das reine Gelb sehr leicht in das Rotgelbe hinübergeht, so ist die Steigerung dieses letzten ins Gelbrote nicht aufzuhalten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1945,"orig":"Das angenehme heitre Gefuͤhl, das uns das Rothgelbe noch gewaͤhrt, ſteigert ſich bis zum unertraͤglich Gewaltſamen im hohen Gelbrothen.","norm":"Das angenehme heitere Gefühl, das uns das Rotgelbe noch gewährt, steigert sich bis zum unerträglich Gewaltsamen im hohen Gelbroten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1946,"orig":"Die active Seite iſt hier in ihrer hoͤchſten Energie, und es iſt kein Wunder, daß energiſche, geſunde, rohe Menſchen ſich beſonders an dieſer Farbe erfreuen.","norm":"Die aktive Seite ist hier in ihrer höchsten Energie, und es ist kein Wunder, dass energische, gesunde, rohe Menschen sich besonders an dieser Farbe erfreuen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1947,"orig":"Man hat die Neigung zu derſelben bey wilden Voͤlkern durchaus bemerkt.","norm":"Man hat die Neigung zu derselben bei wilden Völkern durchaus bemerkt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1948,"orig":"Und wenn Kinder, ſich ſelbſt uͤberlaſſen, zu illuminiren anfangen, ſo werden ſie Zinnober und Mennig nicht ſchonen.","norm":"Und wenn Kinder, sich selbst überlassen, zu illuminieren anfangen, so werden sie Zinnober und Mennig nicht schonen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1949,"orig":"Man darf eine vollkommen gelbrothe Flaͤche ſtarr anſehen, ſo ſcheint ſich die Farbe wirklich ins Organ zu bohren.","norm":"Man darf eine vollkommen gelbrote Fläche starr ansehen, so scheint sich die Farbe wirklich ins Organ zu bohren."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1950,"orig":"Sie bringt eine unglaubliche Erſchuͤtterung hervor und behaͤlt dieſe Wirkung bey einem ziemlichen Grade von Dunkelheit.","norm":"Sie bringt eine unglaubliche Erschütterung hervor und behält diese Wirkung bei einem ziemlichen Grade von Dunkelheit."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1951,"orig":"Die Erſcheinung eines gelbrothen Tuches beunruhigt und erzuͤrnt die Thiere.","norm":"Die Erscheinung eines gelbroten Tuches beunruhigt und erzürnt die Tiere."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1952,"orig":"Auch habe ich gebildete Menſchen gekannt, denen es unertraͤglich fiel, wenn ihnen an einem ſonſt grauen Tage Jemand im Scharlachrock begegnete.","norm":"Auch habe ich gebildete Menschen gekannt, denen es unerträglich fiel, wenn ihnen an einem sonst grauen Tage jemand im Scharlachrock begegnete."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1953,"orig":"Die Farben von der Minusſeite ſind Blau, Rothblau, und Blauroth.","norm":"Die Farben von der Minusseite sind Blau, Rotblau, und Blaurot."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1954,"orig":"Sie ſtimmen zu einer unruhigen, weichen und ſehnenden Empfindung.","norm":"Sie stimmen zu einer unruhigen, weichen und sehnenden Empfindung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1955,"orig":"So wie Gelb immer ein Licht mit ſich fuͤhrt, ſo kann man ſagen, daß Blau immer etwas Dunkles mit ſich fuͤhre.","norm":"So wie Gelb immer ein Licht mit sich führt, so kann man sagen, dass Blau immer etwas Dunkles mit sich führe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1956,"orig":"Dieſe Farbe macht fuͤr das Auge eine ſonderbare und faſt unausſprechliche Wirkung.","norm":"Diese Farbe macht für das Auge eine sonderbare und fast unaussprechliche Wirkung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1957,"orig":"Sie iſt als Farbe eine Energie; allein ſie ſteht auf der negativen Seitund iſt in ihrer hoͤchſten Reinheit gleichſam ein reizendes Nichts.","norm":"Sie ist als Farbe eine Energie; allein sie steht auf der negativen Seite ist in ihrer höchsten Reinheit gleichsam ein reizendes nichts."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1958,"orig":"Es iſt etwas Widerſprechendes von Reiz und Ruhe im Anblick.","norm":"Es ist etwas Widersprechendes von Reiz und Ruhe im Anblick."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1959,"orig":"Wie wir den hohen Himmel, die fernen Berge blau ſehen, ſo ſcheint eine blaue Flaͤche auch vor uns zuruͤckzuweichen.","norm":"Wie wir den hohen Himmel, die fernen Berge blau sehen, so scheint eine blaue Fläche auch vor uns zurückzuweichen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1960,"orig":"Wie wir einen angenehmen Gegenſtand, der vor uns flieht, gern verfolgen, ſo ſehen wir das Blaue gern an, nicht weil es auf uns dringt, ſondern weil es uns nach ſich zieht.","norm":"Wie wir einen angenehmen Gegenstand, der vor uns flieht, gern verfolgen, so sehen wir das Blaue gern an, nicht weil es auf uns dringt, sondern weil es uns nach sich zieht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1961,"orig":"Das Blaue gibt uns ein Gefuͤhl von Kaͤlte, ſo wie es uns auch an Schatten erinnert.","norm":"Das Blaue gibt uns ein Gefühl von Kälte, so wie es uns auch an Schatten erinnert."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1962,"orig":"Wie es vom Schwarzen abgeleitet ſey, iſt uns bekannt.","norm":"Wie es vom Schwarzen abgeleitet sei, ist uns bekannt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1963,"orig":"Zimmer, die rein blau austapezirt ſind, erſcheinen gewiſſermaßen weit, aber eigentlich leer und kalt.","norm":"Zimmer, die rein blau austapeziert sind, erscheinen gewissermaßen weit, aber eigentlich leer und kalt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1964,"orig":"Blaues Glas zeigt die Gegenſtaͤnde im traurigen Licht.","norm":"Blaues Glas zeigt die Gegenstände im traurigen Licht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1965,"orig":"Es iſt nicht unangenehm, wenn das Blau einigermaßen vom Plus participirt.","norm":"Es ist nicht unangenehm, wenn das Blau einigermaßen vom Plus partizipiert."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1966,"orig":"Das Meergruͤn iſt vielmehr eine liebliche Farbe.","norm":"Das Meergrün ist vielmehr eine liebliche Farbe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1967,"orig":"Wie wir das Gelbe ſehr bald in einer Steigerung gefunden haben, ſo bemerken wir auch bey dem Blauen dieſelbe Eigenſchaft.","norm":"Wie wir das Gelbe sehr bald in einer Steigerung gefunden haben, so bemerken wir auch bei dem Blauen dieselbe Eigenschaft."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1968,"orig":"Das Blaue ſteigert ſich ſehr ſanft ins Rothe und erhaͤlt dadurch etwas Wirkſames, ob es ſich gleich auf der paſſiven Seite befindet.","norm":"Das Blaue steigert sich sehr sanft ins Rote und erhält dadurch etwas Wirksames, ob es sich gleich auf der passiven Seite befindet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1969,"orig":"Sein Reiz iſt aber von ganz andrer Art, als der des Rothgelben.","norm":"Sein Reiz ist aber von ganz anderer Art, als der des Rotgelben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1970,"orig":"Er belebt nicht ſowohl, als daß er unruhig macht.","norm":"Er belebt nicht sowohl, als dass er unruhig macht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1971,"orig":"So wie die Steigerung ſelbſt unaufhaltſam iſt, ſo wuͤnſcht man auch mit dieſer Farbe immer fortzugehen, nicht aber, wie beym Rothgelben, immer thaͤtig vorwaͤrts zu ſchreiten, ſondern einen Punct zu finden, wo man ausruhen koͤnnte.","norm":"So wie die Steigerung selbst unaufhaltsam ist, so wünscht man auch mit dieser Farbe immer fortzugehen, nicht aber, wie beim Rotgelben, immer tätig vorwärts zu schreiten, sondern einen Punkt zu finden, wo man ausruhen könnte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1972,"orig":"Sehr verduͤnnt kennen wir die Farbe unter dem Namen Lila; aber auch ſo hat ſie etwas Lebhaftes ohne Froͤhlichkeit.","norm":"Sehr verdünnt kennen wir die Farbe unter dem Namen Lila; aber auch so hat sie etwas Lebhaftes ohne Fröhlichkeit."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1973,"orig":"Jene Unruhe nimmt bey der weiter ſchreitenden Steigerung zu, und man kann wohl behaupten, daß eine Tapete von einem ganz reinen geſaͤttigten Blauroth eine Art von unertraͤglicher Gegenwart ſeyn muͤſſe.","norm":"Jene Unruhe nimmt bei der weiter schreitenden Steigerung zu, und man kann wohl behaupten, dass eine Tapete von einem ganz reinen gesättigten Blaurot eine Art von unerträglicher Gegenwart sein müsse."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1974,"orig":"Deswegen es auch, wenn es als Kleidung, Band, oder ſonſtiger Zierath vorkommt, ſehr verduͤnnt und hell angewendet wird; da es denn ſeiner bezeichneten Natur nach einen ganz beſondern Reiz ausuͤbt.","norm":"Deswegen es auch, wenn es als Kleidung, Band, oder sonstiger Zierrat vorkommt, sehr verdünnt und hell angewendet wird; da es denn seiner bezeichneten Natur nach einen ganz besonderen Reiz ausübt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1975,"orig":"Indem die hohe Geiſtlichkeit dieſe unruhige Farbe ſich angeeignet hat; ſo duͤrfte man wohl ſagen, daß ſie auf den unruhigen Staffeln einer immer vordringenden Steigerung unaufhaltſam zu dem Cardinalpurpur hinaufſtrebe.","norm":"Indem die hohe Geistlichkeit diese unruhige Farbe sich angeeignet hat; so dürfte man wohl sagen, dass sie auf den unruhigen Staffeln einer immer vordringenden Steigerung unaufhaltsam zu dem Kardinalpurpur hinaufstrebe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1976,"orig":"Man entferne bey dieſer Benennung alles, was im Rothen einen Eindruck von Gelb oder Blau machen koͤnnte.","norm":"Man entferne bei dieser Benennung alles, was im Roten einen Eindruck von Gelb oder Blau machen könnte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1977,"orig":"Man denke ſich ein ganz reines Roth, einen vollkommenen, auf einer weißen Porzellanſchale aufgetrockneten Carmin.","norm":"Man denke sich ein ganz reines Rot, einen vollkommenen, auf einer weißen Porzellanschale aufgetrockneten Karmin."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1978,"orig":"Wir haben dieſe Farbe, ihrer hohen Wuͤrde wegen, manchmal Purpur genannt, ob wir gleich wohl wiſſen, daß der Purpur der Alten ſich mehr nach der blauen Seite hinzog.","norm":"Wir haben diese Farbe, ihrer hohen Würde wegen, manchmal Purpur genannt, ob wir gleichwohl wissen, dass der Purpur der Alten sich mehr nach der blauen Seite hinzog."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1979,"orig":"Wer die prismatiſche Entſtehung des Purpurs kennt, der wird nicht paradox finden, wenn wir behaupten, daß dieſe Farbe theils actu, theils potentia alle andern Farben enthalte.","norm":"Wer die prismatische Entstehung des Purpurs kennt, der wird nicht paradox finden, wenn wir behaupten, dass diese Farbe teils actu, teils potentia alle anderen Farben enthalte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1980,"orig":"Wenn wir beym Gelben und Blauen eine ſtrebende Steigerung ins Rothe geſehen und dabey unſre Gefuͤhle bemerkt haben; ſo laͤßt ſich denken, daß nun in der Vereinigung der geſteigerten Pole eine eigentliche Beruhigung, die wir eine ideale Befriedigung nennen moͤchten, ſtatt finden koͤnne.","norm":"Wenn wir beim Gelben und Blauen eine strebende Steigerung ins Rote gesehen und dabei unsere Gefühle bemerkt haben; so lässt sich denken, dass nun in der Vereinigung der gesteigerten Pole eine eigentliche Beruhigung, die wir eine ideale Befriedigung nennen möchten, stattfinden könne."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1981,"orig":"Und ſo entſteht, bey phyſiſchen Phaͤnomenen, dieſe hoͤchſte aller Farbenerſcheinungen aus dem Zuſammentreten zweyer entgegengeſetzten Enden, die ſich zu einer Vereinigung nach und nach ſelbſt vorbereitet haben.","norm":"Und so entsteht, bei physischen Phänomenen, diese höchste aller Farbenerscheinungen aus dem Zusammentreten zweier entgegengesetzten Enden, die sich zu einer Vereinigung nach und nach selbst vorbereitet haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1982,"orig":"Als Pigment hingegen erſcheint ſie uns als ein Fertiges und als das vollkommenſte Roth in der Cochenille; welches Material jedoch durch chemiſche Behandlung bald ins Plus, bald ins Minus zu fuͤhren iſt, und allenfalls im beſten Carmin als voͤllig im Gleichgewicht ſtehend angeſehen werden kann.","norm":"Als Pigment hingegen erscheint sie uns als ein Fertiges und als das vollkommenste Rot in der Cochenille; welches Material jedoch durch chemische Behandlung bald ins Plus, bald ins Minus zu führen ist, und allenfalls im besten Karmin als völlig im Gleichgewicht stehend angesehen werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1983,"orig":"Die Wirkung dieſer Farbe iſt ſo einzig wie ihre Natur.","norm":"Die Wirkung dieser Farbe ist so einzig wie ihre Natur."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1984,"orig":"Sie gibt einen Eindruck ſowohl von Ernſt und Wuͤrde, als von Huld und Anmuth.","norm":"Sie gibt einen Eindruck sowohl von Ernst und Würde, als von Huld und Anmut."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1985,"orig":"Jenes leiſtet ſie in ihrem dunklen verdichteten, dieſes in ihrem hellen verduͤnnten Zuſtande.","norm":"Jenes leistet sie in ihrem dunklen verdichteten, dieses in ihrem hellen verdünnten Zustande."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1986,"orig":"Und ſo kann ſich die Wuͤrde des Alters und die Liebenswuͤrdigkeit der Jugend in Eine Farbe kleiden.","norm":"Und so kann sich die Würde des Alters und die Liebenswürdigkeit der Jugend in eine Farbe kleiden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1987,"orig":"Von der Eiferſucht der Regenten auf den Purpur erzaͤhlt uns die Geſchichte manches.","norm":"Von der Eifersucht der Regenten auf den Purpur erzählt uns die Geschichte manches."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1988,"orig":"Eine Umgebung von dieſer Farbe iſt immer ernſt und praͤchtig.","norm":"Eine Umgebung von dieser Farbe ist immer ernst und prächtig."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1989,"orig":"Das Purpurglas zeigt eine wohlerleuchtete Landſchaft in furchtbarem Lichte.","norm":"Das Purpurglas zeigt eine wohlerleuchtete Landschaft in furchtbarem Lichte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1990,"orig":"So muͤßte der Farbeton uͤber Erd’ und Himmel am Tage des Gerichts ausgebreitet ſeyn.","norm":"So müsste der Farbton über Erde und Himmel am Tage des Gerichts ausgebreitet sein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1991,"orig":"Da die beyden Materialien, deren ſich die Faͤrberey zur Hervorbringung dieſer Farbe vorzuͤglich bedient, der Kermes und die Cochenille, ſich mehr oder weniger zum Plus und Minus neigen; auch ſich durch Behandlung mit Saͤuern und Alcalien heruͤber und hinuͤber fuͤhren laſſen: ſo iſt zu bemerken, daß die Franzoſen ſich auf der wirkſamen Seite halten, wie der franzoͤſiſche Scharlach zeigt, welcher ins Gelbe zieht; die Italiaͤner hingegen auf der paſſiven Seite verharren, ſo daß ihr Scharlach eine Ahndung von Blau behaͤlt.","norm":"Da die beiden Materialien, deren sich die Färberei zur Hervorbringung dieser Farbe vorzüglich bedient, der Kermes und die Cochenille, sich mehr oder weniger zum Plus und Minus neigen; auch sich durch Behandlung mit Säuren und Alkalien herüber und hinüberführen lassen: so ist zu bemerken, dass die Franzosen sich auf der wirksamen Seite halten, wie der französische Scharlach zeigt, welcher ins Gelbe zieht; die Italiener hingegen auf der passiven Seite verharren, so dass ihr Scharlach eine Ahndung von Blau behält."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1992,"orig":"Durch eine aͤhnliche alcaliſche Behandlung entſteht das Karmeſin, eine Farbe, die den Franzoſen ſehr verhaßt ſeyn muß, da ſie die Ausdruͤcke sot en cramoisi, méchant en cramoisi als das Aeußerſte des Abgeſchmackten und Boͤſen bezeichnen.","norm":"Durch eine ähnliche alkalische Behandlung entsteht das Karmesin, eine Farbe, die den Franzosen sehr verhasst sein muss, da sie die Ausdrücke sot en cramoisi, méchant en cramoisi als das Äußerste des Abgeschmackten und Bösen bezeichnen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1993,"orig":"Wenn man Gelb und Blau, welche wir als die erſten und einfachſten Farben anſehen, gleich bey ihrem erſten Erſcheinen, auf der erſten Stufe ihrer Wirkung zuſammenbringt, ſo entſteht diejenige Farbe, welche wir Gruͤn nennen.","norm":"Wenn man Gelb und Blau, welche wir als die ersten und einfachsten Farben ansehen, gleich bei ihrem ersten Erscheinen, auf der ersten Stufe ihrer Wirkung zusammenbringt, so entsteht diejenige Farbe, welche wir Grün nennen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1994,"orig":"Unſer Auge findet in derſelben eine reale Befriedigung.","norm":"Unser Auge findet in derselben eine reale Befriedigung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1995,"orig":"Wenn beyde Mutterfarben ſich in der Miſchung genau das Gleichgewicht halten, dergeſtalt, daß keine vor der andern bemerklich iſt, ſo ruht das Auge und das Gemuͤth auf dieſem Gemiſchten wie auf einem Einfachen.","norm":"Wenn beide Mutterfarben sich in der Mischung genau das Gleichgewicht halten, dergestalt, dass keine vor der anderen bemerkbar ist, so ruht das Auge und das Gemüt auf diesem Gemischten wie auf einem Einfachen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1996,"orig":"Man will nicht weiter und man kann nicht weiter.","norm":"Man will nicht weiter und man kann nicht weiter."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1997,"orig":"Deswegen fuͤr Zimmer, in denen man ſich immer befindet, die gruͤne Farbe zur Tapete meiſt gewaͤhlt wird.","norm":"Deswegen für Zimmer, in denen man sich immer befindet, die grüne Farbe zur Tapete meist gewählt wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1998,"orig":"Wir haben bisher zum Behuf unſres Vortrages angenommen, daß das Auge genoͤthigt werden koͤnne, ſich mit irgend einer einzelnen Farbe zu identificiren; allein dieß moͤchte wohl nur auf einen Augenblick moͤglich ſeyn.","norm":"Wir haben bisher zum Behuf unseres Vortrages angenommen, dass das Auge genötigt werden könne, sich mit irgendeiner einzelnen Farbe zu identifizieren; allein dies möchte wohl nur auf einen Augenblick möglich sein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":1999,"orig":"Denn wenn wir uns von einer Farbe umgeben ſehen, welche die Empfindung ihrer Eigenſchaft in unſerm Auge erregt und uns durch ihre Gegenwart noͤthigt, mit ihr in einem identiſchen Zuſtande zu verharren; ſo iſt es eine gezwungene Lage, in welcher das Organ ungern verweilt.","norm":"Denn wenn wir uns von einer Farbe umgeben sehen, welche die Empfindung ihrer Eigenschaft in unserem Auge erregt und uns durch ihre Gegenwart nötigt, mit ihr in einem identischen Zustande zu verharren; so ist es eine gezwungene Lage, in welcher das Organ ungern verweilt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2000,"orig":"Wenn das Auge die Farbe erblickt, ſo wird es gleich in Thaͤtigkeit geſetzt, und es iſt ſeiner Natur gemaͤß, auf der Stelle eine andre, ſo unbewußt als nothwendig, hervorzubringen, welche mit der gegebenen die Totalitaͤt des ganzen Farbenkreiſes enthaͤlt.","norm":"Wenn das Auge die Farbe erblickt, so wird es gleich in Tätigkeit gesetzt, und es ist seiner Natur gemäß, auf der Stelle eine andere, so unbewusst als notwendig, hervorzubringen, welche mit der gegebenen die Totalität des ganzen Farbenkreises enthält."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2001,"orig":"Eine einzelne Farbe erregt in dem Auge, durch eine ſpecifiſche Empfindung, das Streben nach Allgemeinheit.","norm":"Eine einzelne Farbe erregt in dem Auge, durch eine spezifische Empfindung, das Streben nach Allgemeinheit."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2002,"orig":"Um nun dieſe Totalitaͤt gewahr zu werden, um ſich ſelbſt zu befriedigen, ſucht es neben jedem farbigen Raum einen farbloſen, um die geforderte Farbe an demſelben hervorzubringen.","norm":"Um nun diese Totalität gewahr zu werden, um sich selbst zu befriedigen, sucht es neben jedem farbigen Raum einen farblosen, um die geforderte Farbe an demselben hervorzubringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2003,"orig":"Hier liegt alſo das Grundgeſetz aller Harmonie der Farben, wovon ſich jeder durch eigene Erfahrung uͤberzeugen kann, indem er ſich mit den Verſuchen, die wir in der Abtheilung der phyſiologiſchen Farben angezeigt, genau bekannt macht.","norm":"Hier liegt also das Grundgesetz aller Harmonie der Farben, wovon sich jeder durch eigene Erfahrung überzeugen kann, indem er sich mit den Versuchen, die wir in der Abteilung der physiologischen Farben angezeigt, genau bekannt macht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2004,"orig":"Wird nun die Farbentotalitaͤt von außen dem Auge als Object gebracht, ſo iſt ſie ihm erfreulich, weil ihm die Summe ſeiner eignen Thaͤtigkeit als Realitaͤt entgegen kommt.","norm":"Wird nun die Farbentotalität von außen dem Auge als Objekt gebracht, so ist sie ihm erfreulich, weil ihm die Summe seiner eigenen Tätigkeit als Realität entgegenkommt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2005,"orig":"Es ſey alſo zuerſt von dieſen harmoniſchen Zuſammenſtellungen die Rede.","norm":"Es sei also zuerst von diesen harmonischen Zusammenstellungen die Rede."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2006,"orig":"Um ſich davon auf das leichteſte zu unterrichten, denke man ſich in dem von uns angegebenen Farbenkreiſe einen beweglichen Diameter und fuͤhre denſelben im ganzen Kreiſe herum; ſo werden die beyden Enden nach und nach die ſich fordernden Farben bezeichnen; welche ſich denn freylich zuletzt auf drey einfache Gegenſaͤtze zuruͤckfuͤhren laſſen.","norm":"Um sich davon auf das leichteste zu unterrichten, denke man sich in dem von uns angegebenen Farbenkreise einen beweglichen Diameter und führe denselben im ganzen Kreise herum; so werden die beiden Enden nach und nach die sich fordernden Farben bezeichnen; welche sich denn freilich zuletzt auf drei einfache Gegensätze zurückführen lassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2007,"orig":"Gelb fordert Rothblau","norm":"Gelb fordert Rotblau"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2008,"orig":"Blau fordert Rothgelb","norm":"Blau fordert Rotgelb"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2009,"orig":"Purpur fordert Gruͤn","norm":"Purpur fordert Grün"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2010,"orig":"und umgekehrt.","norm":"und umgekehrt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2011,"orig":"Wie der von uns ſupponirte Zeiger von der Mitte der von uns naturmaͤßig geordneten Farben wegruͤckt; eben ſo ruͤckt er mit dem andern Ende in der entgegengeſetzten Abſtufung weiter, und es laͤßt ſich durch eine ſolche Vorrichtung zu einer jeden fordernden Farbe die geforderte bequem bezeichnen.","norm":"Wie der von uns supponierte Zeiger von der Mitte der von uns naturmäßig geordneten Farben wegrückt; eben so rückt er mit dem anderen Ende in der entgegengesetzten Abstufung weiter, und es lässt sich durch eine solche Vorrichtung zu einer jeden fordernden Farbe die geforderte bequem bezeichnen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2012,"orig":"Sich hiezu einen Farbenkreis zu bilden, der nicht wie der unſre abgeſetzt, ſondern in einem ſtetigen Fortſchritte die Farben und ihre Uebergaͤnge zeigte, wuͤrde nicht unnuͤtz ſeyn: denn wir ſtehen hier auf einem ſehr wichtigen Punct, der alle unſre Aufmerkſamkeit verdient.","norm":"Sich hiezu einen Farbenkreis zu bilden, der nicht wie der unsere abgesetzt, sondern in einem stetigen Fortschritte die Farben und ihre Übergänge zeigte, würde nicht unnütz sein: denn wir stehen hier auf einem sehr wichtigen Punkt, der alle unsere Aufmerksamkeit verdient."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2013,"orig":"Wurden wir vorher bey dem Beſchauen einzelner Farben gewiſſermaßen pathologiſch afficirt, indem wir zu einzelnen Empfindungen fortgeriſſen, uns bald lebhaft und ſtrebend, bald weich und ſehnend, bald zum Edlen emporgehoben, bald zum Gemeinen herabgezogen fuͤhlten; ſo fuͤhrt uns das Beduͤrfniß nach Totalitaͤt, welches unſerm Organ eingeboren iſt, aus dieſer Beſchraͤnkung heraus; es ſetzt ſich ſelbſt in Freyheit, indem es den Gegenſatz des ihm aufgedrungenen Einzelnen und ſomit eine befriedigende Ganzheit hervorbringt.","norm":"Wurden wir vorher bei dem Beschauen einzelner Farben gewissermaßen pathologisch affiziert, indem wir zu einzelnen Empfindungen fortgerissen, uns bald lebhaft und strebend, bald weich und sehnend, bald zum Edlen emporgehoben, bald zum Gemeinen herabgezogen fühlten; so führt uns das Bedürfnis nach Totalität, welches unserem Organ eingeboren ist, aus dieser Beschränkung heraus; es setzt sich selbst in Freiheit, indem es den Gegensatz des ihm aufgedrungenen Einzelnen und somit eine befriedigende Ganzheit hervorbringt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2014,"orig":"So einfach alſo dieſe eigentlich harmoniſchen Gegenſaͤtze ſind, welche uns in dem engen Kreiſe gegeben werden, ſo wichtig iſt der Wink, daß uns die Natur durch Totalitaͤt zur Freyheit heraufzuheben angelegt iſt, und daß wir dießmal eine Naturerſcheinung zum aͤſthetiſchen Gebrauch unmittelbar uͤberliefert erhalten.","norm":"So einfach also diese eigentlich harmonischen Gegensätze sind, welche uns in dem engen Kreise gegeben werden, so wichtig ist der Wink, dass uns die Natur durch Totalität zur Freiheit heraufzuheben angelegt ist, und dass wir diesmal eine Naturerscheinung zum ästhetischen Gebrauch unmittelbar überliefert erhalten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2015,"orig":"Indem wir alſo ausſprechen koͤnnen, daß der Farbenkreis, wie wir ihn angegeben, auch ſchon dem Stoff nach eine angenehme Empfindung hervorbringe, iſt es der Ort zu gedenken, daß man bisher den Regenbogen mit Unrecht als ein Beyſpiel der Farbentotalitaͤt angenommen: denn es fehlt demſelben die Hauptfarbe, das reine Roth, der Purpur, welcher nicht entſtehen kann, da ſich bey dieſer Erſcheinung ſo wenig als bey dem hergebrachten prismatiſchen Bilde das Gelbroth und Blauroth zu erreichen vermoͤgen.","norm":"Indem wir also aussprechen können, dass der Farbenkreis, wie wir ihn angegeben, auch schon dem Stoff nach eine angenehme Empfindung hervorbringe, ist es der Ort zu gedenken, dass man bisher den Regenbogen mit Unrecht als ein Beispiel der Farbentotalität angenommen: denn es fehlt demselben die Hauptfarbe, das reine Rot, der Purpur, welcher nicht entstehen kann, da sich bei dieser Erscheinung so wenig als bei dem hergebrachten prismatischen Bilde das Gelbrot und Blaurot zu erreichen vermögen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2016,"orig":"Ueberhaupt zeigt uns die Natur kein allgemeines Phaͤnomen, wo die Farbentotalitaͤt voͤllig beyſammen waͤre.","norm":"Überhaupt zeigt uns die Natur kein allgemeines Phänomen, wo die Farbentotalität völlig beisammen wäre."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2017,"orig":"Durch Verſuche laͤßt ſich ein ſolches in ſeiner vollkommnen Schoͤnheit hervorbringen.","norm":"Durch Versuche lässt sich ein solches in seiner vollkommenen Schönheit hervorbringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2018,"orig":"Wie ſich aber die voͤllige Erſcheinung im Kreiſe zuſammenſtellt, machen wir uns am beſten durch Pigmente auf Papier begreiflich, bis wir, bey natuͤrlichen Anlagen und nach mancher Erfahrung und Uebung, uns endlich von der Idee dieſer Harmonie voͤllig penetrirt und ſie uns im Geiſte gegenwaͤrtig fuͤhlen.","norm":"Wie sich aber die völlige Erscheinung im Kreise zusammenstellt, machen wir uns am besten durch Pigmente auf Papier begreiflich, bis wir, bei natürlichen Anlagen und nach mancher Erfahrung und Übung, uns endlich von der Idee dieser Harmonie völlig penetriert und sie uns im Geiste gegenwärtig fühlen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2019,"orig":"Außer dieſen rein harmoniſchen, aus ſich ſelbſt entſpringenden Zuſammenſtellungen, welche immer Totalitaͤt mit ſich fuͤhren, gibt es noch andre, welche durch Willkuͤhr hervorgebracht werden, und die wir dadurch am leichteſten bezeichnen, daß ſie in unſerm Farbenkreiſe nicht nach Diametern, ſondern nach Chorden aufzufinden ſind, und zwar zuerſt dergeſtalt, daß eine Mittelfarbe uͤberſprungen wird.","norm":"Außer diesen rein harmonischen, aus sich selbst entspringenden Zusammenstellungen, welche immer Totalität mit sich führen, gibt es noch andere, welche durch Willkür hervorgebracht werden, und die wir dadurch am leichtesten bezeichnen, dass sie in unserem Farbenkreise nicht nach Diametern, sondern nach Chorden aufzufinden sind, und zwar zuerst dergestalt, dass eine Mittelfarbe übersprungen wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2020,"orig":"Wir nennen dieſe Zuſammenſtellungen charakteriſtiſch, weil ſie ſaͤmmtlich etwas Bedeutendes haben, das ſich uns mit einem gewiſſen Ausdruck aufdringt, aber uns nicht befriedigt, indem jedes Charakteriſtiſche nur dadurch entſteht, daß es als ein Theil aus einem Ganzen heraustritt, mit welchem es ein Verhaͤltniß hat, ohne ſich darin aufzuloͤſen.","norm":"Wir nennen diese Zusammenstellungen charakteristisch, weil sie sämtlich etwas Bedeutendes haben, das sich uns mit einem gewissen Ausdruck aufdringt, aber uns nicht befriedigt, indem jedes Charakteristische nur dadurch entsteht, dass es als ein Teil aus einem Ganzen heraustritt, mit welchem es ein Verhältnis hat, ohne sich darin aufzulösen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2021,"orig":"Da wir die Farben in ihrer Entſtehung, ſo wie deren harmoniſche Verhaͤltniſſe kennen, ſo laͤßt ſich erwarten, daß auch die Charaktere der willkuͤhrlichen Zuſammenſtellungen von der verſchiedenſten Bedeutung ſeyn werden.","norm":"Da wir die Farben in ihrer Entstehung, so wie deren harmonische Verhältnisse kennen, so lässt sich erwarten, dass auch die Charaktere der willkürlichen Zusammenstellungen von der verschiedensten Bedeutung sein werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2022,"orig":"Wir wollen ſie einzeln durchgehen.","norm":"Wir wollen sie einzeln durchgehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2023,"orig":"Dieſes iſt die einfachſte von ſolchen Zuſammenſtellungen.","norm":"Dieses ist die einfachste von solchen Zusammenstellungen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2024,"orig":"Man kann ſagen, es ſey zu wenig in ihr: denn da ihr jede Spur von Roth fehlt, ſo geht ihr zu viel von der Totalitaͤt ab.","norm":"Man kann sagen, es sei zu wenig in ihr: denn da ihr jede Spur von Rot fehlt, so geht ihr zu viel von der Totalität ab."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2025,"orig":"In dieſem Sinne kann man ſie arm und, da die beyden Pole auf ihrer niedrigſten Stufe ſtehn, gemein nennen.","norm":"In diesem Sinne kann man sie arm und, da die beiden Pole auf ihrer niedrigsten Stufe stehen, gemein nennen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2026,"orig":"Doch hat ſie den Vortheil, daß ſie zunaͤchſt am Gruͤnen und alſo an der realen Befriedigung ſteht.","norm":"Doch hat sie den Vorteil, dass sie zunächst am Grünen und also an der realen Befriedigung steht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2027,"orig":"Hat etwas Einſeitiges, aber Heiteres und Praͤchtiges.","norm":"Hat etwas Einseitiges, aber Heiteres und Prächtiges."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2028,"orig":"Man ſieht die beyden Enden der thaͤtigen Seite neben einander, ohne daß das ſtetige Werden ausgedruͤckt ſey.","norm":"Man sieht die beiden Enden der tätigen Seite nebeneinander, ohne dass das stetige Werden ausgedrückt sei."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2029,"orig":"Da man aus ihrer Miſchung durch Pigmente das Gelbrothe erwarten kann, ſo ſtehn ſie gewiſſermaßen anſtatt dieſer Farbe.","norm":"Da man aus ihrer Mischung durch Pigmente das Gelbrote erwarten kann, so stehen sie gewissermaßen anstatt dieser Farbe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2030,"orig":"Die beyden Enden der paſſiven Seite mit dem Uebergewicht des obern Endes nach dem activen zu.","norm":"Die beiden Enden der passiven Seite mit dem Übergewicht des oberen Endes nach dem aktiven zu."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2031,"orig":"Da durch Miſchung beyder das Blaurothe entſteht, ſo wird der Effect dieſer Zuſammenſtellung ſich auch gedachter Farbe naͤhern.","norm":"Da durch Mischung beider das Blaurote entsteht, so wird der Effekt dieser Zusammenstellung sich auch gedachter Farbe nähern."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2032,"orig":"Haben zuſammengeſtellt, als die geſteigerten Enden der beyden Seiten, etwas Erregendes Hohes.","norm":"Haben zusammengestellt, als die gesteigerten Enden der beiden Seiten, etwas Erregendes Hohes."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2033,"orig":"Sie geben uns die Vorahndung des Purpurs, der bey phyſikaliſchen Verſuchen aus ihrer Vereinigung entſteht.","norm":"Sie geben uns die Vorahndung des Purpurs, der bei physikalischen Versuchen aus ihrer Vereinigung entsteht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2034,"orig":"Dieſe vier Zuſammenſtellungen haben alſo das Gemeinſame, daß ſie, vermiſcht, die Zwiſchenfarben unſeres Farbenkreiſes hervorbringen wuͤrden; wie ſie auch ſchon thun, wenn die Zuſammenſtellung aus kleinen Theilen beſteht und aus der Ferne betrachtet wird.","norm":"Diese vier Zusammenstellungen haben also das Gemeinsame, dass sie, vermischt, die Zwischenfarben unseres Farbenkreises hervorbringen würden; wie sie auch schon tun, wenn die Zusammenstellung aus kleinen Teilen besteht und aus der Ferne betrachtet wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2035,"orig":"Eine Flaͤche mit ſchmalen blau und gelben Streifen erſcheint in einiger Entfernung gruͤn.","norm":"Eine Fläche mit schmalen blau und gelben Streifen erscheint in einiger Entfernung grün."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2036,"orig":"Wenn nun aber das Auge Blau und Gelb neben einander ſieht, ſo befindet es ſich in der ſonderbaren Bemuͤhung, immer Gruͤn hervorbringen zu wollen, ohne damit zu Stande zu kommen, und ohne alſo im Einzelnen Ruhe, oder im Ganzen Gefuͤhl der Totalitaͤt bewirken zu koͤnnen.","norm":"Wenn nun aber das Auge Blau und Gelb nebeneinander sieht, so befindet es sich in der sonderbaren Bemühung, immer Grün hervorbringen zu wollen, ohne damit zustande zu kommen, und ohne also im einzelnen Ruhe, oder im Ganzen Gefühl der Totalität bewirken zu können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2037,"orig":"Man ſieht alſo, daß wir nicht mit Unrecht dieſe Zuſammenſtellungen charakteriſtiſch genannt haben, ſo wie denn auch der Charakter einer jeden ſich auf den Charakter der einzelnen Farben, woraus ſie zuſammengeſtellt iſt, beziehen muß.","norm":"Man sieht also, dass wir nicht mit Unrecht diese Zusammenstellungen charakteristisch genannt haben, so wie denn auch der Charakter einer jeden sich auf den Charakter der einzelnen Farben, woraus sie zusammengestellt ist, beziehen muss."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2038,"orig":"Wir wenden uns nun zu der letzten Art der Zuſammenſtellungen, welche ſich aus dem Kreiſe leicht herausfinden laſſen.","norm":"Wir wenden uns nun zu der letzten Art der Zusammenstellungen, welche sich aus dem Kreise leicht herausfinden lassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2039,"orig":"Es ſind nehmlich diejenigen, welche durch kleinere Chorden angedeutet werden, wenn man nicht eine ganze Mittelfarbe, ſondern nur den Uebergang aus einer in die andere uͤberſpringt.","norm":"Es sind nämlich diejenigen, welche durch kleinere Chorden angedeutet werden, wenn man nicht eine ganze Mittelfarbe, sondern nur den Übergang aus einer in die andere überspringt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2040,"orig":"Man kann dieſe Zuſammenſtellungen wohl die charakterloſen nennen, indem ſie zu nahe an einander liegen, als daß ihr Eindruck bedeutſam werden koͤnnte.","norm":"Man kann diese Zusammenstellungen wohl die charakterlosen nennen, indem sie zu nahe aneinander liegen, als dass ihr Eindruck bedeutsam werden könnte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2041,"orig":"Doch behaupten die meiſten immer noch ein gewiſſes Recht, da ſie ein Fortſchreiten andeuten, deſſen Verhaͤltniß aber kaum fuͤhlbar werden kann.","norm":"Doch behaupten die meisten immer noch ein gewisses Recht, da sie ein Fortschreiten andeuten, dessen Verhältnis aber kaum fühlbar werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2042,"orig":"So drucken Gelb und Gelbroth, Gelbroth und Purpur, Blau und Blauroth, Blauroth und Purpur die naͤchſten Stufen der Steigerung und Culmination aus, und koͤnnen in gewiſſen Verhaͤltniſſen der Maſſen keine uͤble Wirkung thun.","norm":"So drücken Gelb und Gelbrot, Gelbrot und Purpur, Blau und Blaurot, Blaurot und Purpur die nächsten Stufen der Steigerung und Kulmination aus, und können in gewissen Verhältnissen der Massen keine üble Wirkung tun."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2043,"orig":"Gelb und Gruͤn hat immer etwas Gemein-heiteres, Blau und Gruͤn aber immer etwas Gemein-widerliches; deswegen unſre guten Vorfahren dieſe letzte Zuſammenſtellung auch Narrenfarbe genannt haben.","norm":"Gelb und Grün hat immer etwas Gemein-Heiteres, Blau und Grün aber immer etwas Gemein-Widerliches; deswegen unsere guten Vorfahren diese letzte Zusammenstellung auch Narrenfarbe genannt haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2044,"orig":"Dieſe Zuſammenſtellungen koͤnnen ſehr vermannichfaltigt werden, indem man beyde Farben hell, beyde Farben dunkel, eine Farbe hell die andre dunkel zuſammenbringen kann; wobey jedoch, was im Allgemeinen gegolten hat, in jedem beſondern Falle gelten muß.","norm":"Diese Zusammenstellungen können sehr vermannigfaltigt werden, indem man beide Farben hell, beide Farben dunkel, eine Farbe hell die andere dunkel zusammenbringen kann; wobei jedoch, was im Allgemeinen gegolten hat, in jedem besonderen Falle gelten muss."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2045,"orig":"Von dem unendlich Mannigfaltigen, was dabey ſtatt findet, erwaͤhnen wir nur folgendes.","norm":"Von dem unendlich Mannigfaltigen, was dabei stattfindet, erwähnen wir nur Folgendes."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2046,"orig":"Die active Seite mit dem Schwarzen zuſammengeſtellt, gewinnt an Energie; die paſſive verliert.","norm":"Die aktive Seite mit dem Schwarzen zusammengestellt, gewinnt an Energie; die passive verliert."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2047,"orig":"Die active mit dem Weißen und Hellen zuſammengebracht, verliert an Kraft; die paſſive gewinnt an Heiterkeit.","norm":"Die aktive mit dem Weißen und Hellen zusammengebracht, verliert an Kraft; die passive gewinnt an Heiterkeit."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2048,"orig":"Purpur und Gruͤn mit Schwarz ſieht dunkel und duͤſter, mit Weiß hingegen erfreulich aus.","norm":"Purpur und Grün mit Schwarz sieht dunkel und düster, mit Weiß hingegen erfreulich aus."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2049,"orig":"Hierzu kommt nun noch, daß alle Farben mehr oder weniger beſchmutzt, bis auf einen gewiſſen Grad unkenntlich gemacht, und ſo theils unter ſich ſelbſt, theils mit reinen Farben zuſammengeſtellt werden koͤnnen; wodurch zwar die Verhaͤltniſſe unendlich variirt werden, wobey aber doch alles gilt, was von dem reinen gegolten hat.","norm":"Hierzu kommt nun noch, dass alle Farben mehr oder weniger beschmutzt, bis auf einen gewissen Grad unkenntlich gemacht, und so teils unter sich selbst, teils mit reinen Farben zusammengestellt werden können; wodurch zwar die Verhältnisse unendlich variiert werden, wobei aber doch alles gilt, was von dem reinen gegolten hat."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2050,"orig":"Wenn in dem Vorhergehenden die Grundſaͤtze der Farbenharmonie vorgetragen worden; ſo wird es nicht zweckwidrig ſeyn, wenn wir das dort Ausgeſprochene in Verbindung mit Erfahrungen und Beyſpielen nochmals wiederholen.","norm":"Wenn in dem Vorhergehenden die Grundsätze der Farbenharmonie vorgetragen worden; so wird es nicht zweckwidrig sein, wenn wir das dort Ausgesprochene in Verbindung mit Erfahrungen und Beispielen nochmals wiederholen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2051,"orig":"Jene Grundſaͤtze waren aus der menſchlichen Natur und aus den anerkannten Verhaͤltniſſen der Farbenerſcheinungen abgeleitet.","norm":"Jene Grundsätze waren aus der menschlichen Natur und aus den anerkannten Verhältnissen der Farbenerscheinungen abgeleitet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2052,"orig":"In der Erfahrung begegnet uns manches, was jenen Grundſaͤtzen gemaͤß, manches, was ihnen widerſprechend iſt.","norm":"In der Erfahrung begegnet uns manches, was jenen Grundsätzen gemäß, manches, was ihnen widersprechend ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2053,"orig":"Naturmenſchen, rohe Voͤlker, Kinder haben große Neigung zur Farbe in ihrer hoͤchſten Energie, und alſo beſonders zu dem Gelbrothen.","norm":"Naturmenschen, rohe Völker, Kinder haben große Neigung zur Farbe in ihrer höchsten Energie, und also besonders zu dem Gelbroten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2054,"orig":"Sie haben auch eine Neigung zum Bunten.","norm":"Sie haben auch eine Neigung zum Bunten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2055,"orig":"Das Bunte aber entſteht, wenn die Farben in ihrer hoͤchſten Energie ohne harmoniſches Gleichgewicht zuſammengeſtellt worden.","norm":"Das Bunte aber entsteht, wenn die Farben in ihrer höchsten Energie ohne harmonisches Gleichgewicht zusammengestellt worden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2056,"orig":"Findet ſich aber dieſes Gleichgewicht durch Inſtinct, oder zufaͤllig beobachtet, ſo entſteht eine angenehme Wirkung.","norm":"Findet sich aber dieses Gleichgewicht durch Instinkt, oder zufällig beobachtet, so entsteht eine angenehme Wirkung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2057,"orig":"Ich erinnere mich, daß ein heſſiſcher Officier, der aus Amerika kam, ſein Geſicht nach Art der Wilden mit reinen Farben bemalte, wodurch eine Art von Totalitaͤt entſtand, die keine unangenehme Wirkung that.","norm":"Ich erinnere mich, dass ein hessischer Offizier, der aus Amerika kam, sein Gesicht nach Art der Wilden mit reinen Farben bemalte, wodurch eine Art von Totalität entstand, die keine unangenehme Wirkung tat."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2058,"orig":"Die Voͤlker des ſuͤdlichen Europa’s tragen zu Kleidern ſehr lebhafte Farben.","norm":"Die Völker des südlichen Europas tragen zu Kleidern sehr lebhafte Farben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2059,"orig":"Die Seidenwaaren, welche ſie leichten Kaufs haben, beguͤnſtigen dieſe Neigung.","norm":"Die Seidenwaren, welche sie leichten Kaufs haben, begünstigen diese Neigung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2060,"orig":"Auch ſind beſonders die Frauen mit ihren lebhafteſten Miedern und Baͤndern immer mit der Gegend in Harmonie, indem ſie nicht im Stande ſind, den Glanz des Himmels und der Erde zu uͤberſcheinen.","norm":"Auch sind besonders die Frauen mit ihren lebhaftesten Miedern und Bändern immer mit der Gegend in Harmonie, indem sie nicht imstande sind, den Glanz des Himmels und der Erde zu überscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2061,"orig":"Die Geſchichte der Faͤrberey belehrt uns, daß bey den Trachten der Nationen gewiſſe techniſche Bequemlichkeiten und Vortheile ſehr großen Einfluß hatten.","norm":"Die Geschichte der Färberei belehrt uns, dass bei den Trachten der Nationen gewisse technische Bequemlichkeiten und Vorteile sehr großen Einfluss hatten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2062,"orig":"So ſieht man die Deutſchen viel in Blau gehen, weil es eine dauerhafte Farbe des Tuches iſt; auch in manchen Gegenden, alle Landleute in gruͤnem Zwillich, weil dieſer gedachte Farbe gut annimmt.","norm":"So sieht man die Deutschen viel in Blau gehen, weil es eine dauerhafte Farbe des Tuches ist; auch in manchen Gegenden, alle Landleute in grünem Zwillich, weil dieser gedachte Farbe gut annimmt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2063,"orig":"Moͤchte ein Reiſender hierauf achten, ſo wuͤrden ihm bald angenehme und lehrreiche Beobachtungen gelingen.","norm":"Möchte ein Reisender hierauf achten, so würden ihm bald angenehme und lehrreiche Beobachtungen gelingen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2064,"orig":"Farben, wie ſie Stimmungen hervorbringen, fuͤgen ſich auch zu Stimmungen und Zuſtaͤnden.","norm":"Farben, wie sie Stimmungen hervorbringen, fügen sich auch zu Stimmungen und Zuständen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2065,"orig":"Lebhafte Nationen, z. B. die Franzoſen, lieben die geſteigerten Farben, beſonders der activen Seite; gemaͤßigte, als Englaͤnder und Deutſche, das Strohoder Ledergelb, wozu ſie Dunkelblau tragen.","norm":"Lebhafte Nationen, z. B. die Franzosen, lieben die gesteigerten Farben, besonders der aktiven Seite; gemäßigte, als Engländer und Deutsche, das Strohoder Ledergelb, wozu sie Dunkelblau tragen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2066,"orig":"Nach Wuͤrde ſtrebende Nationen, als Italiaͤner und Spanier, ziehen die rothe Farbe ihrer Maͤntel auf die paſſive Seite hinuͤber.","norm":"Nach Würde strebende Nationen, als Italiener und Spanier, ziehen die rote Farbe ihrer Mäntel auf die passive Seite hinüber."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2067,"orig":"Man bezieht bey Kleidungen den Charakter der Farbe auf den Charakter der Perſon.","norm":"Man bezieht bei Kleidungen den Charakter der Farbe auf den Charakter der Person."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2068,"orig":"So kann man das Verhaͤltniß der einzelnen Farben und Zuſammenſtellungen zu Geſichtsfarbe, Alter und Stand beobachten.","norm":"So kann man das Verhältnis der einzelnen Farben und Zusammenstellungen zu Gesichtsfarbe, Alter und Stand beobachten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2069,"orig":"Die weibliche Jugend haͤlt auf Roſenfarb und Meergruͤn; das Alter auf Violett und Dunkelgruͤn.","norm":"Die weibliche Jugend hält auf Rosenfarbe und Meergrün; das Alter auf Violett und Dunkelgrün."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2070,"orig":"Die Blondine hat zu Violett und Hellgelb, die Bruͤnette zu Blau und Gelbroth Neigung, und ſaͤmmtlich mit Recht.","norm":"Die Blondine hat zu Violett und Hellgelb, die Brünette zu Blau und Gelbrot Neigung, und sämtlich mit Recht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2071,"orig":"Die roͤmiſchen Kaiſer waren auf den Purpur hoͤchſt eiferſuͤchtig.","norm":"Die römischen Kaiser waren auf den Purpur höchst eifersüchtig."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2072,"orig":"Die Kleidung des chineſiſchen Kaiſers iſt Orange mit Purpur geſtickt.","norm":"Die Kleidung des chinesischen Kaisers ist Orange mit Purpur gestickt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2073,"orig":"Citronengelb duͤrfen auch ſeine Bedienten und die Geiſtlichen tragen.","norm":"Zitronengelb dürfen auch seine Bedienten und die Geistlichen tragen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2074,"orig":"Gebildete Menſchen haben einige Abneigung vor Farben.","norm":"Gebildete Menschen haben einige Abneigung vor Farben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2075,"orig":"Es kann dieſes theils aus Schwaͤche des Organs, theils aus Unſicherheit des Geſchmacks geſchehen, die ſich gern in das voͤllige Nichts fluͤchtet.","norm":"Es kann dieses teils aus Schwäche des Organs, teils aus Unsicherheit des Geschmacks geschehen, die sich gern in das völlige Nichts flüchtet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2076,"orig":"Die Frauen gehen nunmehr faſt durchgaͤngig weiß, und die Maͤnner ſchwarz.","norm":"Die Frauen gehen nunmehr fast durchgängig weiß, und die Männer schwarz."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2077,"orig":"Ueberhaupt aber ſteht hier eine Beobachtung nicht am unrechten Platze, daß der Menſch, ſo gern er ſich auszeichnet, ſich auch eben ſo gern unter ſeines Gleichen verlieren mag.","norm":"Überhaupt aber steht hier eine Beobachtung nicht am unrechten Platze, dass der Mensch, so gern er sich auszeichnet, sich auch ebenso gern unter seinesgleichen verlieren mag."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2078,"orig":"Die ſchwarze Farbe ſollte den venetianiſchen Edelmann an eine republicaniſche Gleichheit erinnern.","norm":"Die schwarze Farbe sollte den venezianischen Edelmann an eine republikanische Gleichheit erinnern."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2079,"orig":"In wiefern der truͤbe nordiſche Himmel die Farben nach und nach vertrieben hat, ließe ſich vielleicht auch noch unterſuchen.","norm":"Inwiefern der trübe nordische Himmel die Farben nach und nach vertrieben hat, ließe sich vielleicht auch noch untersuchen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2080,"orig":"Man iſt freylich bey dem Gebrauch der ganzen Farben ſehr eingeſchraͤnkt; dahingegen die beſchmuzten, getoͤdteten, ſogenannten Modefarben unendlich viele abweichende Grade und Schattirungen zeigen, wovon die meiſten nicht ohne Anmuth ſind.","norm":"Man ist freilich bei dem Gebrauch der ganzen Farben sehr eingeschränkt; dahingegen die beschmutzten, getöteten, sogenannten Modefarben unendlich viele abweichende Grade und Schattierungen zeigen, wovon die meisten nicht ohne Anmut sind."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2081,"orig":"Zu bemerken iſt noch, daß die Frauenzimmer bey ganzen Farben in Gefahr kommen, eine nicht ganz lebhafte Geſichtsfarbe noch unſcheinbarer zu machen; wie ſie denn uͤberhaupt genoͤthigt ſind, ſobald ſie einer glaͤnzenden Umgebung das Gleichgewicht halten ſollen, ihre Geſichtsfarbe durch Schminke zu erhoͤhen.","norm":"Zu bemerken ist noch, dass die Frauenzimmer bei ganzen Farben in Gefahr kommen, eine nicht ganz lebhafte Gesichtsfarbe noch unscheinbarer zu machen; wie sie denn überhaupt genötigt sind, sobald sie einer glänzenden Umgebung das Gleichgewicht halten sollen, ihre Gesichtsfarbe durch Schminke zu erhöhen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2082,"orig":"Hier waͤre nun noch eine artige Arbeit zu machen uͤbrig, naͤmlich eine Beurtheilung der Uniformen, Livreen, Cocarden und andrer Abzeichen, nach den oben aufgeſtellten Grundſaͤtzen.","norm":"Hier wäre nun noch eine artige Arbeit zu machen übrig, nämlich eine Beurteilung der Uniformen, Livreen, Kokarden und anderer Abzeichen, nach den oben aufgestellten Grundsätzen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2083,"orig":"Man koͤnnte im Allgemeinen ſagen, daß ſolche Kleidungen oder Abzeichen keine harmoniſchen Farben haben duͤrfen.","norm":"Man könnte im Allgemeinen sagen, dass solche Kleidungen oder Abzeichen keine harmonischen Farben haben dürfen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2084,"orig":"Die Uniformen ſollten Charakter und Wuͤrde haben; die Livreen koͤnnen gemein und ins Auge fallend ſeyn.","norm":"Die Uniformen sollten Charakter und Würde haben; die Livreen können gemein und ins Auge fallend sein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2085,"orig":"An Beyſpielen von guter und ſchlechter Art wuͤrde es nicht fehlen, da der Farbenkreis eng und ſchon oft genug durchprobirt worden iſt.","norm":"An Beispielen von guter und schlechter Art würde es nicht fehlen, da der Farbenkreis eng und schon oft genug durchprobiert worden ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2086,"orig":"Aus der ſinnlichen und ſittlichen Wirkung der Farben, ſowohl einzeln als in Zuſammenſtellung, wie wir ſie bisher vorgetragen haben, wird nun fuͤr den Kuͤnſtler die aͤſthetiſche Wirkung abgeleitet.","norm":"Aus der sinnlichen und sittlichen Wirkung der Farben, sowohl einzeln als in Zusammenstellung, wie wir sie bisher vorgetragen haben, wird nun für den Künstler die ästhetische Wirkung abgeleitet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2087,"orig":"Wir wollen auch daruͤber die noͤthigſten Winke geben, wenn wir vorher die allgemeine Bedingung maleriſcher Darſtellung, Licht und Schatten, abgehandelt, woran ſich die Farbenerſcheinung unmittelbar anſchließt.","norm":"Wir wollen auch darüber die nötigsten Winke geben, wenn wir vorher die allgemeine Bedingung malerischer Darstellung, Licht und Schatten, abgehandelt, woran sich die Farbenerscheinung unmittelbar anschließt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2088,"orig":"Das Helldunkel, clair-obscur, nennen wir die Erſcheinung koͤrperlicher Gegenſtaͤnde, wenn an denſelben nur die Wirkung des Lichtes und Schattens betrachtet wird.","norm":"Das Helldunkel, clair-obscur, nennen wir die Erscheinung körperlicher Gegenstände, wenn an denselben nur die Wirkung des Lichtes und Schattens betrachtet wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2089,"orig":"Im engern Sinne wird auch manchmal eine Schattenpartie, welche durch Reflexe beleuchtet wird, ſo genannt; doch wir brauchen hier das Wort in ſeinem erſten allgemeinern Sinne.","norm":"Im engeren Sinne wird auch manchmal eine Schattenpartie, welche durch Reflexe beleuchtet wird, so genannt; doch wir brauchen hier das Wort in seinem ersten allgemeineren Sinne."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2090,"orig":"Die Trennung des Helldunkels von aller Farbenerſcheinung iſt moͤglich und noͤthig.","norm":"Die Trennung des Helldunkels von aller Farbenerscheinung ist möglich und nötig."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2091,"orig":"Der Kuͤnſtler wird das Raͤthſel der Darſtellung eher loͤſen, wenn er ſich zuerſt das Helldunkel unabhaͤngig von Farben denkt, und daſſelbe in ſeinem ganzen Umfange kennen lernt.","norm":"Der Künstler wird das Rätsel der Darstellung eher lösen, wenn er sich zuerst das Helldunkel unabhängig von Farben denkt, und dasselbe in seinem ganzen Umfange kennen lernt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2092,"orig":"Das Helldunkel macht den Koͤrper als Koͤrper erſcheinen, indem uns Licht und Schatten von der Dichtigkeit belehrt.","norm":"Das Helldunkel macht den Körper als Körper erscheinen, indem uns Licht und Schatten von der Dichtigkeit belehrt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2093,"orig":"Es kommt dabey in Betracht das hoͤchſte Licht, die Mitteltinte, der Schatten, und bey dem letzten wieder der eigene Schatten des Koͤrpers, der auf andre Koͤrper geworfene Schatten, der erhellte Schatten oder Reflex.","norm":"Es kommt dabei in Betracht das höchste Licht, die Mitteltinte, der Schatten, und bei dem letzten wieder der eigene Schatten des Körpers, der auf andere Körper geworfene Schatten, der erhellte Schatten oder Reflex."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2094,"orig":"Zum natuͤrlichſten Beyſpiel fuͤr das Helldunkel waͤre die Kugel guͤnſtig, um ſich einen allgemeinen Begriff zu bilden, aber nicht hinlaͤnglich zum aͤſthetiſchen Gebrauch.","norm":"Zum natürlichsten Beispiel für das Helldunkel wäre die Kugel günstig, um sich einen allgemeinen Begriff zu bilden, aber nicht hinlänglich zum ästhetischen Gebrauch."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2095,"orig":"Die verfließende Einheit einer ſolchen Rundung fuͤhrt zum Nebuliſtiſchen.","norm":"Die verfließende Einheit einer solchen Rundung führt zum Nebulistischen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2096,"orig":"Um Kunſtwirkungen zu erzwecken, muͤſſen an ihr Flaͤchen hervorgebracht werden, damit die Theile der Schatten- und Lichtſeite ſich mehr in ſich ſelbſt abſondern.","norm":"Um Kunstwirkungen zu erzwecken, müssen an ihr Flächen hervorgebracht werden, damit die Teile der Schatten- und Lichtseite sich mehr in sich selbst absondern."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2097,"orig":"Die Italiaͤner nennen dieſes il piazzoſo; man koͤnnte es im Deutſchen das Flaͤchenhafte nennen.","norm":"Die Italiener nennen dieses il piazzoso; man könnte es im Deutschen das Flächenhafte nennen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2098,"orig":"Wenn nun alſo die Kugel ein vollkommenes Beyſpiel des natuͤrlichen Helldunkels waͤre; ſo wuͤrde ein Vieleck ein Beyſpiel des kuͤnſtlichen ſeyn, wo alle Arten von Lichtern, Halblichtern, Schatten und Reflexen bemerklich waͤren.","norm":"Wenn nun also die Kugel ein vollkommenes Beispiel des natürlichen Helldunkels wäre; so würde ein Vieleck ein Beispiel des künstlichen sein, wo alle Arten von Lichtern, Halblichtern, Schatten und Reflexen bemerkbar wären."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2099,"orig":"Die Traube iſt als ein gutes Beyſpiel eines maleriſchen Ganzen im Helldunkel anerkannt, um ſo mehr als ſie ihrer Form nach eine vorzuͤgliche Gruppe darzuſtellen im Stande iſt; aber ſie iſt bloß fuͤr den Meiſter tauglich, der das, was er auszuuͤben verſteht, in ihr zu ſehen weiß.","norm":"Die Traube ist als ein gutes Beispiel eines malerischen Ganzen im Helldunkel anerkannt, um so mehr als sie ihrer Form nach eine vorzügliche Gruppe darzustellen imstande ist; aber sie ist bloß für den Meister tauglich, der das, was er auszuüben versteht, in ihr zu sehen weiß."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2100,"orig":"Um den erſten Begriff faßlich zu machen, der ſelbſt von einem Vieleck immer noch ſchwer zu abſtrahiren iſt, ſchlagen wir einen Cubus vor, deſſen drey geſehene Seiten das Licht, die Mitteltinte und den Schatten, abgeſondert neben einander vorſtellen.","norm":"Um den ersten Begriff fasslich zu machen, der selbst von einem Vieleck immer noch schwer zu abstrahieren ist, schlagen wir einen Kubus vor, dessen drei gesehene Seiten das Licht, die Mitteltinte und den Schatten, abgesondert nebeneinander vorstellen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2101,"orig":"Jedoch um zum Helldunkel einer zuſammengeſetztern Figur uͤberzugehen, waͤhlen wir das Beyſpiel eines aufgeſchlagenen Buches, welches uns einer groͤßern Mannigfaltigkeit naͤher bringt.","norm":"Jedoch um zum Helldunkel einer zusammengesetzten Figur überzugehen, wählen wir das Beispiel eines aufgeschlagenen Buches, welches uns einer größeren Mannigfaltigkeit näher bringt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2102,"orig":"Die antiken Statuen aus der ſchoͤnen Zeit findet man zu ſolchen Wirkungen hoͤchſt zweckmaͤßig gearbeitet.","norm":"Die antiken Statuen aus der schönen Zeit findet man zu solchen Wirkungen höchst zweckmäßig gearbeitet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2103,"orig":"Die Lichtpartieen ſind einfach behandelt, die Schattenſeiten deſto mehr unterbrochen, damit ſie fuͤr mannigfaltige Reflexe empfaͤnglich wuͤrden; wobey man ſich des Beyſpiels vom Vieleck erinnern kann.","norm":"Die Lichtpartien sind einfach behandelt, die Schattenseiten desto mehr unterbrochen, damit sie für mannigfaltige Reflexe empfänglich würden; wobei man sich des Beispiels vom Vieleck erinnern kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2104,"orig":"Beyſpiele antiker Malerey geben hierzu die herkulaniſchen Gemaͤlde und die aldobrandiniſche Hochzeit.","norm":"Beispiele antiker Malerei geben hierzu die herkulanischen Gemälde und die Aldobrandinische Hochzeit."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2105,"orig":"Moderne Beyſpiele finden ſich in einzelnen Figuren Raphaels, an ganzen Gemaͤlden Correggios, der niederlaͤndiſchen Schule, beſonders des Rubens.","norm":"Moderne Beispiele finden sich in einzelnen Figuren Raffaels, an ganzen Gemälden Correggios, der niederländischen Schule, besonders des Rubens."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2106,"orig":"Ein Kunſtwerk ſchwarz und weiß kann in der Malerey ſelten vorkommen.","norm":"Ein Kunstwerk schwarz und weiß kann in der Malerei selten vorkommen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2107,"orig":"Einige Arbeiten von Polydor geben uns davon Beyſpiele, ſo wie unſre Kupferſtiche und geſchabten Blaͤtter.","norm":"Einige Arbeiten von Polydor geben uns davon Beispiele, sowie unsere Kupferstiche und geschabten Blätter."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2108,"orig":"Dieſe Arten, in ſofern ſie ſich mit Formen und Haltung beſchaͤftigen, ſind ſchaͤtzenswerth; allein ſie haben wenig Gefaͤlliges fuͤrs Auge, indem ſie nur durch eine gewaltſame Abſtraction entſtehen.","norm":"Diese Arten, insofern sie sich mit Formen und Haltung beschäftigen, sind schätzenswert; allein sie haben wenig Gefälliges fürs Auge, indem sie nur durch eine gewaltsame Abstraktion entstehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2109,"orig":"Wenn ſich der Kuͤnſtler ſeinem Gefuͤhl uͤberlaͤßt, ſo meldet ſich etwas farbiges gleich.","norm":"Wenn sich der Künstler seinem Gefühl überlässt, so meldet sich etwas Farbiges gleich."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2110,"orig":"So bald das Schwarze ins Blauliche faͤllt, entſteht eine Forderung des Gelben, das denn der Kuͤnſtler inſtinctmaͤßig vertheilt und theils rein in den Lichtern, theils geroͤthet und beſchmutzt als Braun in den Reflexen, zu Belebung des Ganzen anbringt, wie es ihm am raͤthlichſten zu ſeyn ſcheint.","norm":"Sobald das Schwarze ins Blauliche fällt, entsteht eine Forderung des Gelben, das denn der Künstler instinktmäßig verteilt und teils rein in den Lichtern, teils gerötet und beschmutzt als Braun in den Reflexen, zu Belebung des Ganzen anbringt, wie es ihm am rätlichsten zu sein scheint."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2111,"orig":"Alle Arten von Camayeu, oder Farb’ in Farbe, laufen doch am Ende dahin hinaus, daß ein geforderter Gegenſatz oder irgend eine farbige Wirkung angebracht wird.","norm":"Alle Arten von Camaieu, oder Farbe in Farbe, laufen doch am Ende dahin hinaus, dass ein geforderter Gegensatz oder irgendeine farbige Wirkung angebracht wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2112,"orig":"So hat Polydor in ſeinen ſchwarz und weißen Frescogemaͤlden ein gelbes Gefaͤß, oder ſonſt etwas der Art eingefuͤhrt.","norm":"So hat Polydor in seinen schwarz und weißen Freskogemälden ein gelbes Gefäß, oder sonst etwas der Art eingeführt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2113,"orig":"Ueberhaupt ſtrebten die Menſchen in der Kunſt inſtinctmaͤßig jederzeit nach Farbe.","norm":"Überhaupt strebten die Menschen in der Kunst instinktmäßig jederzeit nach Farbe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2114,"orig":"Man darf nur taͤglich beobachten, wie Zeichenluſtige von Tuſche oder ſchwarzer Kreide auf weiß Papier zu farbigem Papier ſich ſteigern; dann verſchiedene Kreiden anwenden und endlich ins Paſtell uͤbergehen.","norm":"Man darf nur täglich beobachten, wie Zeichenlustige von Tusche oder schwarzer Kreide auf weiß Papier zu farbigem Papier sich steigern; dann verschiedene Kreiden anwenden und endlich ins Pastell übergehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2115,"orig":"Man ſah in unſern Zeiten Geſichter mit Silberſtift gezeichnet, durch rothe Baͤckchen belebt und mit farbigen Kleidern angethan; ja Silhouetten in bunten Uniformen.","norm":"Man sah in unseren Zeiten Gesichter mit Silberstift gezeichnet, durch rote Bäckchen belebt und mit farbigen Kleidern angetan; ja Silhouetten in bunten Uniformen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2116,"orig":"Paolo Uccello malte farbige Landſchaften zu farbloſen Figuren.","norm":"Paolo Uccello malte farbige Landschaften zu farblosen Figuren."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2117,"orig":"Selbſt die Bildhauerey der Alten konnte dieſem Trieb nicht widerſtehen.","norm":"Selbst die Bildhauerei der Alten konnte diesem Trieb nicht widerstehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2118,"orig":"Die Aegypter ſtrichen ihre Basreliefs an.","norm":"Die Ägypter strichen ihre Basreliefs an."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2119,"orig":"Den Statuen gab man Augen von farbigen Steinen.","norm":"Den Statuen gab man Augen von farbigen Steinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2120,"orig":"Zu marmornen Koͤpfen und Extremitaͤten fuͤgte man porphyrne Gewaͤnder, ſo wie man bunte Kalkſinter zum Sturze der Bruſtbilder nahm.","norm":"Zu marmornen Köpfen und Extremitäten fügte man porphyrine Gewänder, so wie man bunte Kalksinter zum Sturze der Brustbilder nahm."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2121,"orig":"Die Jeſuiten verfehlten nicht, ihren heiligen Aloyſius in Rom auf dieſe Weiſe zuſammen zu ſetzen, und die neuſte Bildhauerey unterſcheidet das Fleiſch durch eine Tinctur von den Gewaͤndern.","norm":"Die Jesuiten verfehlten nicht, ihren heiligen Aloysius in Rom auf diese Weise zusammenzusetzen, und die neuste Bildhauerei unterscheidet das Fleisch durch eine Tinktur von den Gewändern."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2122,"orig":"Wenn die Linearperſpective die Abſtufung der Gegenſtaͤnde in ſcheinbarer Groͤße durch Entfernung zeigt; ſo laͤßt uns die Luftperſpective die Abſtufung der Gegenſtaͤnde in mehr oder minderer Deutlichkeit durch Entfernung ſehen.","norm":"Wenn die Linearperspektive die Abstufung der Gegenstände in scheinbarer Größe durch Entfernung zeigt; so lässt uns die Luftperspektive die Abstufung der Gegenstände in mehr oder minderer Deutlichkeit durch Entfernung sehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2123,"orig":"Ob wir zwar entfernte Gegenſtaͤnde nach der Natur unſres Auges nicht ſo deutlich ſehen als naͤhere; ſo ruht doch die Luftperſpective eigentlich auf dem wichtigen Satz, daß alle durchſichtigen Mittel einigermaßen truͤbe ſind.","norm":"Ob wir zwar entfernte Gegenstände nach der Natur unseres Auges nicht so deutlich sehen als nähere; so ruht doch die Luftperspektive eigentlich auf dem wichtigen Satz, dass alle durchsichtigen Mittel einigermaßen trübe sind."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2124,"orig":"Die Atmoſphaͤre iſt alſo immer mehr oder weniger truͤb.","norm":"Die Atmosphäre ist also immer mehr oder weniger trüb."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2125,"orig":"Beſonders zeigt ſie dieſe Eigenſchaft in den ſuͤdlichen Gegenden bey hohem Barometerſtand, trocknem Wetter und wolkenloſem Himmel, wo man eine ſehr merkliche Abſtufung wenig auseinanderſtehender Gegenſtaͤnde beobachten kann.","norm":"Besonders zeigt sie diese Eigenschaft in den südlichen Gegenden bei hohem Barometerstand, trockenem Wetter und wolkenlosem Himmel, wo man eine sehr merkliche Abstufung wenig auseinanderstehender Gegenstände beobachten kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2126,"orig":"Im Allgemeinen iſt dieſe Erſcheinung jedermann bekannt; der Maler hingegen ſieht die Abſtufung bey den geringſten Abſtaͤnden, oder glaubt ſie zu ſehen.","norm":"Im Allgemeinen ist diese Erscheinung jedermann bekannt; der Maler hingegen sieht die Abstufung bei den geringsten Abständen, oder glaubt sie zu sehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2127,"orig":"Er ſtellt ſie praktiſch dar, indem er die Theile eines Koͤrpers, z. B. eines voͤllig vorwaͤrts gekehrten Geſichtes, von einander abſtuft.","norm":"Er stellt sie praktisch dar, indem er die Teile eines Körpers, z. B. eines völlig vorwärts gekehrten Gesichtes, voneinander abstuft."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2128,"orig":"Hiebey behauptet Beleuchtung ihre Rechte.","norm":"Hierbei behauptet Beleuchtung ihre Rechte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2129,"orig":"Dieſe kommt von der Seite in Betracht, ſo wie die Haltung von vorn nach der Tiefe zu.","norm":"Diese kommt von der Seite in Betracht, sowie die Haltung von vorn nach der Tiefe zu."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2130,"orig":"Indem wir nunmehr zur Farbengebung uͤbergehen, ſetzen wir voraus, daß der Maler uͤberhaupt mit dem Entwurf unſerer Farbenlehre bekannt ſey und ſich gewiſſe Kapitel und Rubriken, die ihn vorzuͤglich beruͤhren, wohl zu eigen gemacht habe: denn ſo wird er ſich im Stande befinden, das Theoretiſche ſowohl als das Praktiſche, im Erkennen der Natur und im Anwenden auf die Kunſt, mit Leichtigkeit zu behandeln.","norm":"Indem wir nunmehr zur Farbengebung übergehen, setzen wir voraus, dass der Maler überhaupt mit dem Entwurf unserer Farbenlehre bekannt sei und sich gewisse Kapitel und Rubriken, die ihn vorzüglich berühren, wohl zu eigen gemacht habe: denn so wird er sich imstande befinden, das Theoretische sowohl als das Praktische, im Erkennen der Natur und im Anwenden auf die Kunst, mit Leichtigkeit zu behandeln."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2131,"orig":"Die erſte Erſcheinung des Colorits tritt in der Natur gleich mit der Haltung ein: denn die Luftperſpective beruht auf der Lehre von den truͤben Mitteln.","norm":"Die erste Erscheinung des Kolorits tritt in der Natur gleich mit der Haltung ein: denn die Luftperspektive beruht auf der Lehre von den trüben Mitteln."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2132,"orig":"Wir ſehen den Himmel, die entfernten Gegenſtaͤnde, ja die nahen Schatten blau.","norm":"Wir sehen den Himmel, die entfernten Gegenstände, ja die nahen Schatten blau."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2133,"orig":"Zugleich erſcheint uns das Leuchtende und Beleuchtete ſtufenweiſe Gelb bis zur Purpurfarbe.","norm":"Zugleich erscheint uns das Leuchtende und Beleuchtete stufenweise Gelb bis zur Purpurfarbe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2134,"orig":"In manchen Faͤllen tritt ſogleich die phyſiologiſche Forderung der Farben ein, und eine ganz farbloſe Landſchaft wird durch dieſe mit und gegen einander wirkenden Beſtimmungen vor unſerm Auge voͤllig farbig erſcheinen.","norm":"In manchen Fällen tritt sogleich die physiologische Forderung der Farben ein, und eine ganz farblose Landschaft wird durch diese mit und gegeneinander wirkenden Bestimmungen vor unserem Auge völlig farbig erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2135,"orig":"Localfarben ſind die allgemeinen Elementarfarben, aber nach den Eigenſchaften der Koͤrper und ihrer Oberflaͤchen, an denen wir ſie gewahr werden, ſpecificirt.","norm":"Lokalfarben sind die allgemeinen Elementarfarben, aber nach den Eigenschaften der Körper und ihrer Oberflächen, an denen wir sie gewahr werden, spezifiziert."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2136,"orig":"Dieſe Specification geht bis ins Unendliche.","norm":"Diese Spezifikation geht bis ins Unendliche."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2137,"orig":"Es iſt ein großer Unterſchied, ob man gefaͤrbte Seide oder Wolle vor ſich hat.","norm":"Es ist ein großer Unterschied, ob man gefärbte Seide oder Wolle vor sich hat."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2138,"orig":"Jede Art des Bereitens und Webens bringt ſchon Abweichungen hervor.","norm":"Jede Art des Bereitens und Webens bringt schon Abweichungen hervor."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2139,"orig":"Rauhigkeit, Glaͤtte, Glanz kommen in Betrachtung.","norm":"Rauheit, Glätte, Glanz kommen in Betrachtung."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2140,"orig":"Es iſt daher ein der Kunſt ſehr ſchaͤdliches Vorurtheil, daß der gute Maler keine Ruͤckſicht auf den Stoff der Gewaͤnder nehmen, ſondern nur immer gleichſam abſtracte Falten malen muͤſſe.","norm":"Es ist daher ein der Kunst sehr schädliches Vorurteil, dass der gute Maler keine Rücksicht auf den Stoff der Gewänder nehmen, sondern nur immer gleichsam abstrakte Falten malen müsse."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2141,"orig":"Wird nicht hierdurch alle charakteriſtiſche Abwechſlung aufgehoben, und iſt das Portraͤt von Leo X. deshalb weniger trefflich, weil au dieſem Bilde Sammt, Atlas und Mohr neben einander nachgeahmt ward?","norm":"Wird nicht hierdurch alle charakteristische Abwechslung aufgehoben, und ist das Porträt von Leo X. deshalb weniger trefflich, weil au diesem Bilde Samt, Atlas und Mohr nebeneinander nachgeahmt wurde?"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2142,"orig":"Bey Naturproducten erſcheinen die Farben mehr oder weniger modificirt, ſpecificirt, ja individualiſirt; welches bey Steinen und Pflanzen, bey den Federn der Voͤgel und den Haaren der Thiere wohl zu beobachten iſt.","norm":"Bei Naturprodukten erscheinen die Farben mehr oder weniger modifiziert, spezifiziert, ja individualisiert; welches bei Steinen und Pflanzen, bei den Federn der Vögel und den Haaren der Tiere wohl zu beobachten ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2143,"orig":"Die Hauptkunſt des Malers bleibt immer, daß er die Gegenwart des beſtimmten Stoffes nachahme und das Allgemeine, Elementare der Farbenerſcheinung zerſtoͤre.","norm":"Die Hauptkunst des Malers bleibt immer, dass er die Gegenwart des bestimmten Stoffes nachahme und das Allgemeine, Elementare der Farbenerscheinung zerstöre."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2144,"orig":"Die hoͤchſte Schwierigkeit findet ſich hier bey der Oberflaͤche des menſchlichen Koͤrpers.","norm":"Die höchste Schwierigkeit findet sich hier bei der Oberfläche des menschlichen Körpers."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2145,"orig":"Das Fleiſch ſteht im Ganzen auf der activen Seite; doch ſpielt das Blauliche der paſſiven auch mit herein.","norm":"Das Fleisch steht im Ganzen auf der aktiven Seite; doch spielt das Blauliche der passiven auch mit herein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2146,"orig":"Die Farbe iſt durchaus ihrem elementaren Zuſtande entruͤckt und durch Organiſation neutraliſirt.","norm":"Die Farbe ist durchaus ihrem elementaren Zustande entrückt und durch Organisation neutralisiert."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2147,"orig":"Das Colorit des Ortes und das Colorit der Gegenſtaͤnde in Harmonie zu bringen, wird nach Betrachtung deſſen, was von uns in der Farbenlehre abgehandelt worden, dem geiſtreichen Kuͤnſtler leichter werden, als bisher der Fall war, und er wird im Stande ſeyn, unendlich ſchoͤne, mannigfaltige und zugleich wahre Erſcheinungen darzuſtellen.","norm":"Das Kolorit des Ortes und das Kolorit der Gegenstände in Harmonie zu bringen, wird nach Betrachtung dessen, was von uns in der Farbenlehre abgehandelt worden, dem geistreichen Künstler leichter werden, als bisher der Fall war, und er wird imstande sein, unendlich schöne, mannigfaltige und zugleich wahre Erscheinungen darzustellen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2148,"orig":"Die Zuſammenſtellung farbiger Gegenſtaͤnde ſowohl als die Faͤrbung des Raums, in welchem ſie enthalten ſind, ſoll nach Zwecken geſchehen, welche der Kuͤnſtler ſich vorſetzt.","norm":"Die Zusammenstellung farbiger Gegenstände sowohl als die Färbung des Raums, in welchem sie enthalten sind, soll nach Zwecken geschehen, welche der Künstler sich vorsetzt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2149,"orig":"Hiezu iſt beſonders die Kenntniß der Wirkung der Farben auf Empfindung, ſowohl im Einzelnen als in Zuſammenſtellung, noͤthig.","norm":"Hiezu ist besonders die Kenntnis der Wirkung der Farben auf Empfindung, sowohl im Einzelnen als in Zusammenstellung, nötig."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2150,"orig":"Deshalb ſich denn der Maler von dem allgemeinen Dualism ſowohl als von den beſondern Gegenſaͤtzen penetriren ſoll; wie er denn uͤberhaupt wohl inne haben muͤßte, was wir von den Eigenſchaften der Farben geſagt haben.","norm":"Deshalb sich denn der Maler von dem allgemeinen Dualism sowohl als von den besonderen Gegensätzen penetrieren soll; wie er denn überhaupt wohl innehaben müsste, was wir von den Eigenschaften der Farben gesagt haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2151,"orig":"Das Charakteriſtiſche kann unter drey Hauptrubriken begriffen werden, die wir einſtweilen durch das Maͤchtige, das Sanfte und das Glaͤnzende bezeichnen wollen.","norm":"Das Charakteristische kann unter drei Hauptrubriken begriffen werden, die wir einstweilen durch das Mächtige, das Sanfte und das Glänzende bezeichnen wollen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2152,"orig":"Das erſte wird durch das Uebergewicht der activen, das zweyte durch das Uebergewicht der paſſiven Seite, das dritte durch Totalitaͤt und Darſtellung des ganzen Farbenkreiſes im Gleichgewicht hervorgebracht.","norm":"Das erste wird durch das Übergewicht der aktiven, das zweite durch das Übergewicht der passiven Seite, das dritte durch Totalität und Darstellung des ganzen Farbenkreises im Gleichgewicht hervorgebracht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2153,"orig":"Der maͤchtige Effect wird erreicht durch Gelb, Gelbroth und Purpur, welche letzte Farbe auch noch auf der Plusſeite zu halten iſt.","norm":"Der mächtige Effekt wird erreicht durch Gelb, Gelbrot und Purpur, welche letzte Farbe auch noch auf der Plusseite zu halten ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2154,"orig":"Wenig Violett und Blau, noch weniger Gruͤn iſt anzubringen.","norm":"Wenig Violett und Blau, noch weniger Grün ist anzubringen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2155,"orig":"Der ſanfte Effect wird durch Blau, Violett und Purpur, welcher jedoch auf die Minusſeite zu fuͤhren iſt, hervorgebracht.","norm":"Der sanfte Effekt wird durch Blau, Violett und Purpur, welcher jedoch auf die Minusseite zu führen ist, hervorgebracht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2156,"orig":"Wenig Gelb und Gelbroth, aber viel Gruͤn, kann ſtatt finden.","norm":"Wenig Gelb und Gelbrot, aber viel Grün, kann stattfinden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2157,"orig":"Wenn man alſo dieſe beyden Effecte in ihrer vollen Bedeutung hervorbringen will, ſo kann man die geforderten Farben bis auf ein Minimum ausſchließen und nur ſo viel von ihnen ſehen laſſen, als eine Ahndung der Totalitaͤt unweigerlich zu verlangen ſcheint.","norm":"Wenn man also diese beiden Effekte in ihrer vollen Bedeutung hervorbringen will, so kann man die geforderten Farben bis auf ein Minimum ausschließen und nur so viel von ihnen sehen lassen, als eine Ahndung der Totalität unweigerlich zu verlangen scheint."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2158,"orig":"Obgleich die beyden charakteriſtiſchen Beſtimmungen, nach der eben angezeigten Weiſe, auch gewiſſermaßen harmoniſch genannt werden koͤnnen; ſo entſteht doch die eigentliche harmoniſche Wirkung nur alsdann, wenn alle Farben neben einander im Gleichgewicht angebracht ſind.","norm":"Obgleich die beiden charakteristischen Bestimmungen, nach der eben angezeigten Weise, auch gewissermaßen harmonisch genannt werden können; so entsteht doch die eigentliche harmonische Wirkung nur alsdann, wenn alle Farben nebeneinander im Gleichgewicht angebracht sind."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2159,"orig":"Man kann hiedurch das Glaͤnzende ſowohl als das Angenehme hervorbringen, welche beyde jedoch immer etwas Allgemeines und in dieſem Sinne etwas Charakterloſes haben werden.","norm":"Man kann hierdurch das Glänzende sowohl als das Angenehme hervorbringen, welche beide jedoch immer etwas Allgemeines und in diesem Sinne etwas Charakterloses haben werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2160,"orig":"Hierin liegt die Urſache, warum das Colorit der meiſten Neuern charakterlos iſt; denn indem ſie nur ihrem Inſtinct folgen, ſo bleibt das Letzte, wohin er ſie fuͤhren kann, die Totalitaͤt, die ſie mehr oder weniger erreichen, dadurch aber zugleich den Charakter verſaͤumen, den das Bild allenfalls haben koͤnnte.","norm":"Hierin liegt die Ursache, warum das Kolorit der meisten Neueren charakterlos ist; denn indem sie nur ihrem Instinkt folgen, so bleibt das Letzte, wohin er sie führen kann, die Totalität, die sie mehr oder weniger erreichen, dadurch aber zugleich den Charakter versäumen, den das Bild allenfalls haben könnte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2161,"orig":"Hat man hingegen jene Grundſaͤtze im Auge, ſo ſieht man, wie ſich fuͤr jeden Gegenſtand mit Sicherheit eine andre Farbenſtimmung waͤhlen laͤßt.","norm":"Hat man hingegen jene Grundsätze im Auge, so sieht man, wie sich für jeden Gegenstand mit Sicherheit eine andere Farbenstimmung wählen lässt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2162,"orig":"Freylich fordert die Anwendung unendliche Modificationen, welche dem Genie allein, wenn es von dieſen Grundſaͤtzen durchdrungen iſt, gelingen werden.","norm":"Freilich fordert die Anwendung unendliche Modifikationen, welche dem Genie allein, wenn es von diesen Grundsätzen durchdrungen ist, gelingen werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2163,"orig":"Wenn man das Wort Ton, oder vielmehr Tonart, auch noch kuͤnftig von der Muſik borgen und bey der Farbengebung brauchen will; ſo wird es in einem beſſern Sinne als bisher geſchehen koͤnnen.","norm":"Wenn man das Wort Ton, oder vielmehr Tonart, auch noch künftig von der Musik borgen und bei der Farbengebung brauchen will; so wird es in einem besseren Sinne als bisher geschehen können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2164,"orig":"Man wuͤrde nicht mit Unrecht ein Bild von maͤchtigem Effect, mit einem muſikaliſchen Stuͤcke aus dem Durton; ein Gemaͤlde von ſanftem Effect, mit einem Stuͤcke aus dem Molton vergleichen; ſo wie man fuͤr die Modification dieſer beyden Haupteffecte andre Vergleichungen finden koͤnnte.","norm":"Man würde nicht mit Unrecht ein Bild von mächtigem Effekt, mit einem musikalischen Stücke aus dem Durton; ein Gemälde von sanftem Effekt, mit einem Stücke aus dem Mollton vergleichen; sowie man für die Modifikation dieser beiden Haupteffekte andere Vergleichungen finden könnte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2165,"orig":"Was man bisher Ton nannte, war ein Schleyer von einer einzigen Farbe uͤber das ganze Bild gezogen.","norm":"Was man bisher Ton nannte, war ein Schleier von einer einzigen Farbe über das ganze Bild gezogen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2166,"orig":"Man nahm ihn gewoͤhnlich gelb, indem man aus Inſtinct das Bild auf die maͤchtige Seite treiben wollte.","norm":"Man nahm ihn gewöhnlich gelb, indem man aus Instinkt das Bild auf die mächtige Seite treiben wollte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2167,"orig":"Wenn man ein Gemaͤlde durch ein gelbes Glas anſieht, ſo wird es uns in dieſem Ton erſcheinen.","norm":"Wenn man ein Gemälde durch ein gelbes Glas ansieht, so wird es uns in diesem Ton erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2168,"orig":"Es iſt der Muͤhe werth, dieſen Verſuch zu machen und zu wiederholen, um genau kennen zu lernen, was bey einer ſolchen Operation eigentlich vorgeht.","norm":"Es ist der Mühe wert, diesen Versuch zu machen und zu wiederholen, um genau kennenzulernen, was bei einer solchen Operation eigentlich vorgeht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2169,"orig":"Es iſt eine Art Nachtbeleuchtung, eine Steigerung, aber zugleich Verduͤſterung der Plusſeite, und eine Beſchmutzung der Minusſeite.","norm":"Es ist eine Art Nachtbeleuchtung, eine Steigerung, aber zugleich Verdüsterung der Plusseite, und eine Beschmutzung der Minusseite."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2170,"orig":"Dieſer unechte Ton iſt durch Inſtinct aus Unſicherheit deſſen, was zu thun ſey, entſtanden; ſo daß man anſtatt der Totalitaͤt eine Uniformitaͤt hervorbrachte.","norm":"Dieser unechte Ton ist durch Instinkt aus Unsicherheit dessen, was zu tun sei, entstanden; so dass man anstatt der Totalität eine Uniformität hervorbrachte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2171,"orig":"Eben dieſe Unſicherheit iſt Urſache, daß man die Farben der Gemaͤlde ſo ſehr gebrochen hat, daß man aus dem Grauen heraus, und in das Graue hinein malt, und die Farbe ſo leiſe behandelt als moͤglich.","norm":"Eben diese Unsicherheit ist Ursache, dass man die Farben der Gemälde so sehr gebrochen hat, dass man aus dem Grauen heraus, und in das Graue hinein malt, und die Farbe so leise behandelt als möglich."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2172,"orig":"Man findet in ſolchen Gemaͤlden oft die harmoniſchen Gegenſtellungen recht gluͤcklich, aber ohne Muth, weil man ſich vor dem Bunten fuͤrchtet.","norm":"Man findet in solchen Gemälden oft die harmonischen Gegenstellungen recht glücklich, aber ohne Mut, weil man sich vor dem Bunten fürchtet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2173,"orig":"Bunt kann ein Gemaͤlde leicht werden, in welchem man bloß empiriſch, nach unſichern Eindruͤcken, die Farben in ihrer ganzen Kraft neben einander ſtellen wollte.","norm":"Bunt kann ein Gemälde leicht werden, in welchem man bloß empirisch, nach unsicheren Eindrücken, die Farben in ihrer ganzen Kraft nebeneinander stellen wollte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2174,"orig":"Wenn man dagegen ſchwache, obgleich widrige Farben neben einander ſetzt, ſo iſt freylich der Effect nicht auffallend.","norm":"Wenn man dagegen schwache, obgleich widrige Farben nebeneinander setzt, so ist freilich der Effekt nicht auffallend."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2175,"orig":"Man traͤgt ſeine Unſicherheit auf den Zuſchauer hinuͤber, der denn an ſeiner Seite weder loben noch tadeln kann.","norm":"Man trägt seine Unsicherheit auf den Zuschauer hinüber, der denn an seiner Seite weder loben noch tadeln kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2176,"orig":"Auch iſt es eine wichtige Betrachtung, daß man zwar die Farben unter ſich in einem Bilde richtig aufſtellen koͤnne, daß aber doch ein Bild bunt werden muͤſſe, wenn man die Farben in Bezug auf Licht und Schatten falſch anwendet.","norm":"Auch ist es eine wichtige Betrachtung, dass man zwar die Farben unter sich in einem Bilde richtig aufstellen könne, dass aber doch ein Bild bunt werden müsse, wenn man die Farben in Bezug auf Licht und Schatten falsch anwendet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2177,"orig":"Es kann dieſer Fall um ſo leichter eintreten, als Licht und Schatten ſchon durch die Zeichnung gegeben und in derſelben gleichſam enthalten iſt, dahingegen die Farbe der Wahl und Willkuͤhr noch unterworfen bleibt.","norm":"Es kann dieser Fall um so leichter eintreten, als Licht und Schatten schon durch die Zeichnung gegeben und in derselben gleichsam enthalten ist, dahingegen die Farbe der Wahl und Willkür noch unterworfen bleibt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2178,"orig":"Man fand bisher bey den Malern eine Furcht, ja eine entſchiedene Abneigung gegen alle theoretiſche Betrachtungen uͤber die Farbe und was zu ihr gehoͤrt; welches ihnen jedoch nicht uͤbel zu deuten war.","norm":"Man fand bisher bei den Malern eine Furcht, ja eine entschiedene Abneigung gegen alle theoretische Betrachtungen über die Farbe und was zu ihr gehört; welches ihnen jedoch nicht übel zu deuten war."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2179,"orig":"Denn das bisher ſogenannte Theoretiſche war grundlos, ſchwankend und auf Empirie hindeutend.","norm":"Denn das bisher sogenannte Theoretische war grundlos, schwankend und auf Empirie hindeutend."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2180,"orig":"Wir wuͤnſchen, daß unſre Bemuͤhungen dieſe Furcht einigermaßen vermindern und den Kuͤnſtler anreizen moͤgen, die aufgeſtellten Grundſaͤtze praktiſch zu pruͤfen und zu beleben.","norm":"Wir wünschen, dass unsere Bemühungen diese Furcht einigermaßen vermindern und den Künstler anreizen mögen, die aufgestellten Grundsätze praktisch zu prüfen und zu beleben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2181,"orig":"Denn ohne Ueberſicht des Ganzen wird der letzte Zweck nicht erreicht.","norm":"Denn ohne Übersicht des Ganzen wird der letzte Zweck nicht erreicht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2182,"orig":"Von allem dem, was wir bisher vorgetragen, durchdringe ſich der Kuͤnſtler.","norm":"Von allem dem, was wir bisher vorgetragen, durchdringe sich der Künstler."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2183,"orig":"Nur durch die Einſtimmung des Lichtes und Schattens, der Haltung, der wahren und charakteriſtiſchen Farbengebung kann das Gemaͤlde von der Seite, von der wir es gegenwaͤrtig betrachten, als vollendet erſcheinen.","norm":"Nur durch die Einstimmung des Lichtes und Schattens, der Haltung, der wahren und charakteristischen Farbengebung kann das Gemälde von der Seite, von der wir es gegenwärtig betrachten, als vollendet erscheinen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2184,"orig":"Es war die Art der aͤltern Kuͤnſtler, auf hellen Grund zu malen.","norm":"Es war die Art der älteren Künstler, auf hellen Grund zu malen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2185,"orig":"Er beſtand aus Kreide und wurde auf Leinwand oder Holz ſtark aufgetragen und polirt.","norm":"Er bestand aus Kreide und wurde auf Leinwand oder Holz stark aufgetragen und poliert."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2186,"orig":"Sodann wurde der Umriß aufgezeichnet und das Bild mit einer ſchwaͤrzlichen oder braͤunlichen Farbe ausgetuſcht.","norm":"Sodann wurde der Umriss aufgezeichnet und das Bild mit einer schwärzlichen oder bräunlichen Farbe ausgetuscht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2187,"orig":"Dergleichen auf dieſe Art zum Coloriren vorbereitete Bilder ſind noch uͤbrig von Leonardo da Vinei, Fra Bartolomeo und mehrere von Guido.","norm":"Dergleichen auf diese Art zum Kolorieren vorbereitete Bilder sind noch übrig von Leonardo da Vinci, Fra Bartolomeo und mehrere von Guido."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2188,"orig":"Wenn man zur Colorirung ſchritt und weiße Gewaͤnder darſtellen wollte; ſo ließ man zuweilen dieſen Grund ſtehen.","norm":"Wenn man zur Kolorierung schritt und weiße Gewänder darstellen wollte; so ließ man zuweilen diesen Grund stehen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2189,"orig":"Tizian that es in ſeiner ſpaͤtern Zeit, wo er die große Sicherheit hatte, und mit wenig Muͤhe viel zu leiſten wußte.","norm":"Tizian tat es in seiner späteren Zeit, wo er die große Sicherheit hatte, und mit wenig Mühe viel zu leisten wusste."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2190,"orig":"Der weißliche Grund wurde als Mitteltinte behandelt, die Schatten aufgetragen und die hohen Lichter aufgeſetzt.","norm":"Der weißliche Grund wurde als Mitteltinte behandelt, die Schatten aufgetragen und die hohen Lichter aufgesetzt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2191,"orig":"Beym Coloriven war das untergelegte gleichſam getuſchte Bild immer wirkſam.","norm":"Beim Kolorieren war das untergelegte gleichsam getuschte Bild immer wirksam."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2192,"orig":"Man malte z. B. ein Gewand mit einer Laſurfarbe, und das Weiße ſchien durch und gab der Farbe ein Leben, ſo wie der ſchon fruͤher zum Schatten angelegte Theil die Farbe gedaͤmpft zeigte, ohne daß ſie gemiſcht oder beſchmutzt geweſen waͤre.","norm":"Man malte z. B. ein Gewand mit einer Lasurfarbe, und das Weiße schien durch und gab der Farbe ein Leben, so wie der schon früher zum Schatten angelegte Teil die Farbe gedämpft zeigte, ohne dass sie gemischt oder beschmutzt gewesen wäre."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2193,"orig":"Dieſe Methode hatte viele Vortheile.","norm":"Diese Methode hatte viele Vorteile."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2194,"orig":"Denn an den lichten Stellen des Bildes hatte man einen hellen, an den beſchatteten einen dunkeln Grund.","norm":"Denn an den lichten Stellen des Bildes hatte man einen hellen, an den beschatteten einen dunkeln Grund."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2195,"orig":"Das ganze Bild war vorbereitet; man konnte mit leichten Farben malen, und man war der Uebereinſtimmung des Lichtes mit den Farben gewiß.","norm":"Das ganze Bild war vorbereitet; man konnte mit leichten Farben malen, und man war der Übereinstimmung des Lichtes mit den Farben gewiss."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2196,"orig":"Zu unſern Zeiten ruht die Aquarellmalerey auf dieſen Grundſaͤtzen.","norm":"Zu unseren Zeiten ruht die Aquarellmalerei auf diesen Grundsätzen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2197,"orig":"Uebrigens wird in der Oelmalerey gegenwaͤrtig durchaus ein heller Grund gebraucht, weil Mitteltinten mehr oder weniger durchſichtig ſind, und alſo durch einen hellen Grund einigermaßen belebt, ſo wie die Schatten ſelbſt nicht ſo leicht dunkel werden.","norm":"Übrigens wird in der Ölmalerei gegenwärtig durchaus ein heller Grund gebraucht, weil Mitteltinten mehr oder weniger durchsichtig sind, und also durch einen hellen Grund einigermaßen belebt, so wie die Schatten selbst nicht so leicht dunkel werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2198,"orig":"Auf dunkle Gruͤnde malte man auch eine Zeitlang.","norm":"Auf dunkle Gründe malte man auch eine Zeitlang."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2199,"orig":"Wahrſcheinlich hat ſie Tintoret eingefuͤhrt; ob Giorgione ſich derſelben bedient, iſt nicht bekannt.","norm":"Wahrscheinlich hat sie Tintoretto eingeführt; ob Giorgione sich derselben bedient, ist nicht bekannt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2200,"orig":"Tizians beſte Bilder ſind nicht auf dunkeln Grund gemalt.","norm":"Tizians beste Bilder sind nicht auf dunkeln Grund gemalt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2201,"orig":"Ein ſolcher Grund war rothbrqun, und wenn auf denſelben das Bild aufgezeichnet war, ſo wurden die ſtaͤrkſten Schatten aufgetragen, die Lichtfarben impaſtirte man auf den hohen Stellen ſehr ſtark und vertrieb ſie gegen den Schatten zu; da denn der dunkle Grund durch die verduͤnnte Farbe als Mitteltinte durchſah.","norm":"Ein solcher Grund war rotbraun, und wenn auf denselben das Bild aufgezeichnet war, so wurden die stärksten Schatten aufgetragen, die Lichtfarben impastierte man auf den hohen Stellen sehr stark und vertrieb sie gegen den Schatten zu; da denn der dunkle Grund durch die verdünnte Farbe als Mitteltinte durchsah."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2202,"orig":"Der Effect wurde beym Ausmalen durch mehrmaliges Uebergehen der lichten Partieen und Aufſetzen der hohen Lichter erreicht.","norm":"Der Effekt wurde beim Ausmalen durch mehrmaliges Übergehen der lichten Partien und Aufsetzen der hohen Lichter erreicht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2203,"orig":"Wenn dieſe Art ſich beſonders wegen der Geſchwindigkeit bey der Arbeit empfielt, ſo hat ſie doch in der Folge viel Schaͤdliches.","norm":"Wenn diese Art sich besonders wegen der Geschwindigkeit bei der Arbeit empfiehlt, so hat sie doch in der Folge viel Schädliches."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2204,"orig":"Der energiſche Grund waͤchſt und wird dunkler; was die hellen Farben nach und nach an Klarheit verlieren, giebt der Schattenſeite immer mehr und mehr Uebergewicht.","norm":"Der energische Grund wächst und wird dunkler; was die hellen Farben nach und nach an Klarheit verlieren, gibt der Schattenseite immer mehr und mehr Übergewicht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2205,"orig":"Die Mitteltinten werden immer dunkler und der Schatten zuletzt ganz finſter.","norm":"Die Mitteltinten werden immer dunkler und der Schatten zuletzt ganz finster."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2206,"orig":"Die ſtark aufgetragenen Lichter bleiben allein hell und man ſieht nur lichte Flecken auf dem Bilde; wovon uns die Gemaͤlde der bologneſiſchen Schule und des Caravaggio genugſame Beyſpiele geben.","norm":"Die stark aufgetragenen Lichter bleiben allein hell und man sieht nur lichte Flecken auf dem Bilde; wovon uns die Gemälde der bolognesischen Schule und des Caravaggio genugsame Beispiele geben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2207,"orig":"Auch iſt nicht unſchicklich, hier noch zum Schluſſe des Laſirens zu erwaͤhnen.","norm":"Auch ist nicht unschicklich, hier noch zum Schlusse des Lasierens zu erwähnen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2208,"orig":"Dieſes geſchieht, wenn man eine ſchon aufgetragene Farbe als hellen Grund betrachtet.","norm":"Dieses geschieht, wenn man eine schon aufgetragene Farbe als hellen Grund betrachtet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2209,"orig":"Man kann eine Farbe dadurch fuͤrs Auge miſchen, ſie ſteigern, ihr einen ſogenannten Ton geben; man macht ſie dabey aber immer dunkler.","norm":"Man kann eine Farbe dadurch fürs Auge mischen, sie steigern, ihr einen sogenannten Ton geben; man macht sie dabei aber immer dunkler."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2210,"orig":"Wir empfangen ſie aus der Hand des Chemikers und Naturforſchers.","norm":"Wir empfangen sie aus der Hand des Chemikers und Naturforschers."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2211,"orig":"Manches iſt daruͤber aufgezeichnet und durch den Druck bekannt geworden; doch verdiente dieſes Capitel von Zeit zu Zeit neu bearbeiter zu werden.","norm":"Manches ist darüber aufgezeichnet und durch den Druck bekannt geworden; doch verdiente dieses Kapitel von Zeit zu Zeit neu bearbeitet zu werden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2212,"orig":"Indeſſen theilt der Meiſter ſeine Kenntniſſe hieruͤber dem Schuͤler mit, der Kuͤnſtler dem Kuͤnſtler.","norm":"Indessen teilt der Meister seine Kenntnisse hierüber dem Schüler mit, der Künstler dem Künstler."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2213,"orig":"Diejenigen Pigmente, welche ihrer Natur nach die dauerhafteſten ſind, werden vorzuͤglich ausgeſucht; aber auch die Behandlungsart traͤgt viel zur Dauer des Bildes bey.","norm":"Diejenigen Pigmente, welche ihrer Natur nach die dauerhaftesten sind, werden vorzüglich ausgesucht; aber auch die Behandlungsart trägt viel zur Dauer des Bildes bei."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2214,"orig":"Deswegen ſind ſo wenig Farbenkoͤrper als moͤglich anzuwenden, und die ſimpelſte Methode des Auftrags nicht genug zu empfehlen.","norm":"Deswegen sind so wenig Farbenkörper als möglich anzuwenden, und die simpelste Methode des Auftrags nicht genug zu empfehlen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2215,"orig":"Denn aus der Menge der Pigmente iſt manches Uebel fuͤr das Colorit entſprungen.","norm":"Denn aus der Menge der Pigmente ist manches Übel für das Kolorit entsprungen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2216,"orig":"Jedes Pigment hat ſein eigenthuͤmliches Weſen in Abſicht ſeiner Wirkung aufs Auge; ferner etwas Eigenthuͤmliches, wie es techniſch behandelt ſeyn will.","norm":"Jedes Pigment hat sein eigentümliches Wesen in Absicht seiner Wirkung aufs Auge; ferner etwas Eigentümliches, wie es technisch behandelt sein will."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2217,"orig":"Jenes iſt Urſache, daß die Harmonie ſchwerer durch mehrere als durch wenige Pigmente zu erreichen iſt; dieſes, daß chemiſche Wirkung und Gegenwirkung unter den Farbekoͤrpern ſtatt finden kann.","norm":"Jenes ist Ursache, dass die Harmonie schwerer durch mehrere als durch wenige Pigmente zu erreichen ist; dieses, dass chemische Wirkung und Gegenwirkung unter den Farbkörpern stattfinden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2218,"orig":"Ferner gedenken wir noch einiger falſchen Richtungen, von denen ſich die Kuͤnſtler hinreißen laſſen.","norm":"Ferner gedenken wir noch einiger falschen Richtungen, von denen sich die Künstler hinreißen lassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2219,"orig":"Die Maler begehren immer nach neuen Farbekoͤrpern, und glauben, wenn ein ſolcher gefunden wird, einen Vorſchritt in der Kunſt gethan zu haben.","norm":"Die Maler begehren immer nach neuen Farbkörpern, und glauben, wenn ein solcher gefunden wird, einen Vorschritt in der Kunst getan zu haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2220,"orig":"Sie tragen großes Verlangen, die alten mechaniſchen Behandlungsarten kennen zu lernen, wodurch ſie viel Zeit verlieren; wie wir uns denn zu Ende des vorigen Jahrhunderts mit der Wachsmalerey viel zu lange gequaͤlt haben.","norm":"Sie tragen großes Verlangen, die alten mechanischen Behandlungsarten kennenzulernen, wodurch sie viel Zeit verlieren; wie wir uns denn zu Ende des vorigen Jahrhunderts mit der Wachsmalerei viel zu lange gequält haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2221,"orig":"Andre gehen darauf aus, neue Behandlungsarten zu erfinden; wodurch denn auch weiter nichts gewonnen wird.","norm":"Andere gehen darauf aus, neue Behandlungsarten zu erfinden; wodurch denn auch weiter nichts gewonnen wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2222,"orig":"Denn es iſt zuletzt doch nur der Geiſt, der jede Technik lebendig macht.","norm":"Denn es ist zuletzt doch nur der Geist, der jede Technik lebendig macht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2223,"orig":"Es iſt oben umſtaͤndlich nachgewieſen worden, daß eine jede Farbe einen beſondern Eindruck auf den Menſchen mache, und dadurch ihr Weſen ſowohl dem Auge als Gemuͤth offenbare.","norm":"Es ist oben umständlich nachgewiesen worden, dass eine jede Farbe einen besonderen Eindruck auf den Menschen mache, und dadurch ihr Wesen sowohl dem Auge als Gemüt offenbare."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2224,"orig":"Daraus folgt ſogleich, daß die Farbe ſich zu gewiſſen ſinnlichen, ſittlichen, aͤſthetiſchen Zwecken anwenden laſſe.","norm":"Daraus folgt sogleich, dass die Farbe sich zu gewissen sinnlichen, sittlichen, ästhetischen Zwecken anwenden lasse."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2225,"orig":"Einen ſolchen Gebrauch alſo, der mit der Natur voͤllig uͤbereintraͤfe, koͤnnte man den ſymboliſchen nennen, indem die Farbe ihrer Wirkung gemaͤß angewendet wuͤrde, und das wahre Verhaͤltniß ſogleich die Bedeutung ausſpraͤche.","norm":"Einen solchen Gebrauch also, der mit der Natur völlig übereinträfe, könnte man den symbolischen nennen, indem die Farbe ihrer Wirkung gemäß angewendet würde, und das wahre Verhältnis sogleich die Bedeutung ausspräche."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2226,"orig":"Stellt man z. B. den Purpur als die Majeſtaͤt bezeichnend auf, ſo wird wohl kein Zweifel ſeyn, daß der rechte Ausdruck gefunden worden; wie ſich alles dieſes ſchon oben hinreichend auseinandergeſetzt findet.","norm":"Stellt man z. B. den Purpur als die Majestät bezeichnend auf, so wird wohl kein Zweifel sein, dass der rechte Ausdruck gefunden worden; wie sich alles dieses schon oben hinreichend auseinandergesetzt findet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2227,"orig":"Hiermit iſt ein anderer Gebrauch nahe verwandt, den man den allegoriſchen nennen koͤnnte.","norm":"Hiermit ist ein anderer Gebrauch nahe verwandt, den man den allegorischen nennen könnte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2228,"orig":"Bey dieſem iſt mehr zufaͤlliges und willkuͤhrliches, ja man kann ſagen etwas Conventionelles, indem uns erſt der Sinn des Zeichens uͤberliefert werden muß, ehe wir wiſſen, was es bedeuten ſoll, wie es ſich z. B. mit der gruͤnen Farbe verhaͤlt, die man der Hoffnung zugetheilt hat.","norm":"Bei diesem ist mehr Zufälliges und Willkürliches, ja man kann sagen etwas Konventionelles, indem uns erst der Sinn des Zeichens überliefert werden muss, ehe wir wissen, was es bedeuten soll, wie es sich z. B. mit der grünen Farbe verhält, die man der Hoffnung zugeteilt hat."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2229,"orig":"Daß zuletzt auch die Farbe eine myſtiſche Deutung erlaube, laͤßt ſich wohl ahnden.","norm":"Dass zuletzt auch die Farbe eine mystische Deutung erlaube, lässt sich wohl ahnden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2230,"orig":"Denn da jenes Schema, worin ſich die Farbenmannigfaltigkeit darſtellen laͤßt, ſolche Urverhaͤltniſſe andeutet, die ſowohl der menſchlichen Anſchauung als der Natur angehoͤren, ſo iſt wohl kein Zweifel, daß man ſich ihrer Bezuͤge, gleichſam als einer Sprache, auch da bedienen koͤnne, wenn man Urverhaͤltniſſe ausdruͤcken will, die nicht eben ſo maͤchtig und mannigfaltig in die Sinne fallen.","norm":"Denn da jenes Schema, worin sich die Farbenmannigfaltigkeit darstellen lässt, solche Urverhältnisse andeutet, die sowohl der menschlichen Anschauung als der Natur angehören, so ist wohl kein Zweifel, dass man sich ihrer Bezüge, gleichsam als einer Sprache, auch da bedienen könne, wenn man Urverhältnisse ausdrücken will, die nicht ebenso mächtig und mannigfaltig in die Sinne fallen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2231,"orig":"Der Mathematiker ſchaͤtzt den Werth und Gebrauch des Triangels; der Triangel ſteht bey dem Myſtiker in großer Verehrung; gar manches laͤßt ſich im Triangel ſchematiſiren und die Farbenerſcheinung gleichfalls, und zwar dergeſtalt, daß man durch Verdopplung und Verſchraͤnkung zu dem alten geheimnißvollen Sechseck gelangt.","norm":"Der Mathematiker schätzt den Wert und Gebrauch des Triangels; der Triangel steht bei dem Mystiker in großer Verehrung; gar manches lässt sich im Triangel schematisieren und die Farbenerscheinung gleichfalls, und zwar dergestalt, dass man durch Verdopplung und Verschränkung zu dem alten geheimnisvollen Sechseck gelangt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2232,"orig":"Wenn man erſt das Auseinandergehen des Gelben und Blauen wird recht gefaßt, beſonders aber die Steigerung ins Rothe genugſam betrachtet haben, wodurch das Entgegengeſetzte ſich gegen einander neigt, und ſich in einem Dritten vereinigt; dann wird gewiß eine beſondere geheimnißvolle Anſchauung eintreten, daß man dieſen beyden getrennten, einander entgegengeſetzten Weſen eine geiſtige Bedeutung unterlegen koͤnne, und man wird ſich kaum enthalten, wenn man ſie unterwaͤrts das Gruͤn, und oberwaͤrts das Roth hervorbringen ſieht, dort an die irdiſchen, hier an die himmliſchen Ausgeburten der Elohim zu gedenken.","norm":"Wenn man erst das Auseinandergehen des Gelben und Blauen wird recht gefasst, besonders aber die Steigerung ins Rote genugsam betrachtet haben, wodurch das Entgegengesetzte sich gegeneinander neigt, und sich in einem Dritten vereinigt; dann wird gewiss eine besondere geheimnisvolle Anschauung eintreten, dass man diesen beiden getrennten, einander entgegengesetzten Wesen eine geistige Bedeutung unterlegen könne, und man wird sich kaum enthalten, wenn man sie unterwärts das Grün, und oberwärts das Rot hervorbringen sieht, dort an die irdischen, hier an die himmlischen Ausgeburten der Elohim zu gedenken."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2233,"orig":"Doch wir thun beſſer, uns nicht noch zum Schluſſe dem Verdacht der Schwaͤrmerey auszuſetzen, um ſo mehr als es, wenn unſre Farbenlehre Gunſt gewinnt, an allegoriſchen ſymboliſchen und myſtiſchen Anwendungen und Deutungen, dem Geiſte der Zeit gemaͤß, gewiß nicht fehlen wird.","norm":"Doch wir tun besser, uns nicht noch zum Schlusse dem Verdacht der Schwärmerei auszusetzen, um so mehr als es, wenn unsere Farbenlehre Gunst gewinnt, an allegorischen symbolischen und mystischen Anwendungen und Deutungen, dem Geiste der Zeit gemäß, gewiss nicht fehlen wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2234,"orig":"Das Beduͤrfniß des Malers, der in der bisherigen Theorie keine Huͤlfe fand, ſondern ſeinem Gefuͤhl, ſeinem Geſchmack, einer unſichern Ueberlieferung in Abſicht auf die Farbe voͤllig uͤberlaſſen war, ohne irgend ein phyſiſches Fundament gewahr zu werden, worauf er ſeine Ausuͤbung haͤtte gruͤnden koͤnnen, dieſes Beduͤrfniß war der erſte Anlaß, der den Verfaſſer vermochte, in eine Bearbeitung der Farbenlehre ſich einzulaſſen.","norm":"Das Bedürfnis des Malers, der in der bisherigen Theorie keine Hilfe fand, sondern seinem Gefühl, seinem Geschmack, einer unsicheren Überlieferung in Absicht auf die Farbe völlig überlassen war, ohne irgendein physisches Fundament gewahr zu werden, worauf er seine Ausübung hätte gründen können, dieses Bedürfnis war der erste Anlass, der den Verfasser vermochte, in eine Bearbeitung der Farbenlehre sich einzulassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2235,"orig":"Da nichts wuͤnſchenswerther iſt, als daß dieſe theoretiſche Ausfuͤhrung bald im Praktiſchen genutzt und dadurch gepruͤft und ſchnell weiter gefuͤhrt werde; ſo muß es zugleich hoͤchſt willkommen ſeyn, wenn wir finden, daß Kuͤnſtler ſelbſt ſchon den Weg einſchlagen, den wir fuͤr den rechten halten.","norm":"Da nichts wünschenswerter ist, als dass diese theoretische Ausführung bald im Praktischen genutzt und dadurch geprüft und schnell weiter geführt werde; so muss es zugleich höchst willkommen sein, wenn wir finden, dass Künstler selbst schon den Weg einschlagen, den wir für den rechten halten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2236,"orig":"Ich laſſe daher zum Schluß, um hiervon ein Zeugniß abzugeben, den Brief eines talentvollen Malers, des Herrn Philipp Otto Runge, mit Vergnuͤgen abdrucken, eines jungen Mannes, der ohne von meinen Bemuͤhungen unterrichtet zu ſeyn, durch Naturel, Uebung und Nachdenken ſich auf die gleichen Wege gefunden hat.","norm":"Ich lasse daher zum Schluss, um hiervon ein Zeugnis abzugeben, den Brief eines talentvollen Malers, des Herrn Philipp Otto Runge, mit Vergnügen abdrucken, eines jungen Mannes, der ohne von meinen Bemühungen unterrichtet zu sein, durch Naturel, Übung und Nachdenken sich auf die gleichen Wege gefunden hat."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2237,"orig":"Man wird in dieſem Briefe, den ich ganz mittheile, weil ſeine ſaͤmmtlichen Glieder in einem innigen Zuſammenhange ſtehen, bey aufmerkſamer Vergleichung gewahr werden, daß mehrere Stellen genau mit meinem Entwurf uͤbereinkommen, daß andere ihre Deutung und Erlaͤuterung aus meiner Arbeit gewinnen koͤnnen, und daß dabey der Verfaſſer in mehreren Stellen mit lebhafter Ueberzeugung und wahrem Gefuͤhle mir ſelbſt auf meinem Gange vorgeſchritten iſt.","norm":"Man wird in diesem Briefe, den ich ganz mitteile, weil seine sämtlichen Glieder in einem innigen Zusammenhange stehen, bei aufmerksamer Vergleichung gewahr werden, dass mehrere Stellen genau mit meinem Entwurf übereinkommen, dass andere ihre Deutung und Erläuterung aus meiner Arbeit gewinnen können, und dass dabei der Verfasser in mehreren Stellen mit lebhafter Überzeugung und wahrem Gefühle mir selbst auf meinem Gange vorgeschritten ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2238,"orig":"Moͤge ſein ſchoͤnes Talent praktiſch bethaͤtigen, wovon wir uns beyde uͤberzeugt halten, und moͤchten wir bey fortgeſetzter Betrachtung und Ausuͤbung mehrere gewogene Mitarbeiter finden.","norm":"Möge sein schönes Talent praktisch betätigen, wovon wir uns beide überzeugt halten, und möchten wir bei fortgesetzter Betrachtung und Ausübung mehrere gewogene Mitarbeiter finden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2239,"orig":"Wollgaſt den 3. Juli i 1806.","norm":"Wolgast den 3. Juli i 1806."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2240,"orig":"Nach einer kleinen Wanderung, die ich durch unſere anmuthige Inſel Ruͤgen gemacht hatte, wo der ſtille Ernſt des Meeres von den freundlichen Halbinſeln und Thaͤlern, Huͤgeln und Felſen, auf mannigfaltige Art unterbrochen wird, fand ich zu dem freundlichen Willkommen der Meinigen, auch noch Ihren werthen Brief; und es iſt eine große Beruhigung fuͤr mich, meinen herzlichen Wunſch in Erfuͤllung gehen zu ſehen, daß meine Arbeiten doch auf irgend eine Art anſprechen moͤchten.","norm":"Nach einer kleinen Wanderung, die ich durch unsere anmutige Insel Rügen gemacht hatte, wo der stille Ernst des Meeres von den freundlichen Halbinseln und Tälern, Hügeln und Felsen, auf mannigfaltige Art unterbrochen wird, fand ich zu dem freundlichen Willkommen der Meinigen, auch noch Ihren werten Brief; und es ist eine große Beruhigung für mich, meinen herzlichen Wunsch in Erfüllung gehen zu sehen, dass meine Arbeiten doch auf irgendeine Art ansprechen möchten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2241,"orig":"Ich empfinde es ſehr, wie Sie ein Beſtreben, was auch außer der Richtung, die Sie der Kunſt wuͤnſchen, liegt, wuͤrdigen; und es wuͤrde eben ſo albern ſeyn, Ihnen meine Urſachen, warum ich ſo arbeite, zu ſagen, als wenn ich bereden wollte, die meinige waͤre die rechte.","norm":"Ich empfinde es sehr, wie Sie ein Bestreben, was auch außer der Richtung, die Sie der Kunst wünschen, liegt, würdigen; und es würde ebenso albern sein, Ihnen meine Ursachen, warum ich so arbeite, zu sagen, als wenn ich bereden wollte, die meinige wäre die rechte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2242,"orig":"Wenn die Praktik fuͤr Jeden mit ſo großen Schwierigkeiten verbunden iſt, ſo iſt ſie es in unſern Zeiten im hoͤchſten Grade.","norm":"Wenn die Praktik für Jeden mit so großen Schwierigkeiten verbunden ist, so ist sie es in unseren Zeiten im höchsten Grade."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2243,"orig":"Fuͤr den aber, der in einem Alter, wo der Verſtand ſchon eine große Oberhand erlangt hat, erſt anfaͤngt, ſich in den Anfangsgruͤnden zu uͤben, wird es unmoͤglich, ohne zu Grunde zu gehen, aus ſeiner Individualitaͤt heraus ſich in ein allgemeines Beſtreben zu verſetzen.","norm":"Für den aber, der in einem Alter, wo der Verstand schon eine große Oberhand erlangt hat, erst anfängt, sich in den Anfangsgründen zu üben, wird es unmöglich, ohne zugrundezugehen, aus seiner Individualität heraus sich in ein allgemeines Bestreben zu versetzen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2244,"orig":"Derjenige, der, indem er ſich in der unendlichen Fuͤlle von Leben, die um ihn ausgebreitet iſt, verliert, und unwiderſtehlich dadurch zum Nachbilden angereizt wird, ſich von dem totalen Eindrucke eben ſo gewaltig ergriffen fuͤhlt, wird gewiß auf eben die Weiſe, wie er in das Charakteriſtiſche der Einzelnheiten eingeht, auch in das Verhaͤltniß, die Natur und die Kraͤfte der großen Maſſen einzudringen ſuchen.","norm":"Derjenige, der, indem er sich in der unendlichen Fülle von Leben, die um ihn ausgebreitet ist, verliert, und unwiderstehlich dadurch zum Nachbilden angereizt wird, sich von dem totalen Eindrucke ebenso gewaltig ergriffen fühlt, wird gewiss auf eben die Weise, wie er in das Charakteristische der Einzelheiten eingeht, auch in das Verhältnis, die Natur und die Kräfte der großen Massen einzudringen suchen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2245,"orig":"Wer in dem beſtaͤndigen Gefuͤhl, wie alles bis ins kleinſte Detail lebendig iſt, und auf einander wirkt, die großen Maſſen betrachtet, kann ſolche nicht ohne eine beſondere Connexion oder Verwandtſchaft ſich denken, noch viel weniger darſtellen, ohne ſich auf die Grundurſachen einzulaſſen.","norm":"Wer in dem beständigen Gefühl, wie alles bis ins kleinste Detail lebendig ist, und aufeinander wirkt, die großen Massen betrachtet, kann solche nicht ohne eine besondere Konnexion oder Verwandtschaft sich denken, noch viel weniger darstellen, ohne sich auf die Grundursachen einzulassen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2246,"orig":"Und thut er dieß, ſo kann er nicht eher wieder zu der erſten Freyheit gelangen, wenn er ſich nicht gewiſſermaßen bis auf den reinen Grund durchgearbeitet hat.","norm":"Und tut er dies, so kann er nicht eher wieder zu der ersten Freiheit gelangen, wenn er sich nicht gewissermaßen bis auf den reinen Grund durchgearbeitet hat."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2247,"orig":"Um es deutlicher zu machen, wie ich es meyne: ich glaube, daß die alten deutſchen Kuͤnſtler, wenn ſie etwas von der Form gewußt haͤtten, die Unmittelbarkeit und Natuͤrlichkeit des Ausdrucks in ihren Figuren wuͤrden verloren haben, bis ſie in dieſer Wiſſenſchaft einen gewiſſen Grad erlangt haͤtten.","norm":"Um es deutlicher zu machen, wie ich es meine: Ich glaube, dass die alten deutschen Künstler, wenn sie etwas von der Form gewusst hätten, die Unmittelbarkeit und Natürlichkeit des Ausdrucks in ihren Figuren würden verloren haben, bis sie in dieser Wissenschaft einen gewissen Grad erlangt hätten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2248,"orig":"Es hat manchen Menſchen gegeben, der aus freyer Fauſt Bruͤcken und Haͤngewerke und gar kuͤnſtliche Sachen gebaut hat.","norm":"Es hat manchen Menschen gegeben, der aus freier Faust Brücken und Hängewerke und gar künstliche Sachen gebaut hat."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2249,"orig":"Es geht auch wohl eine Zeit lang, wann er aber zu einer gewiſſen Hoͤhe gekommen und er von ſelbſt auf mathematiſche Schluͤſſe verfaͤllt, ſo iſt ſein ganzes Talent fort, er arbeite ſich denn durch die Wiſſenſchaft durch wieder in die Freyheit hinein.","norm":"Es geht auch Wohl eine Zeitlang, wann er aber zu einer gewissen Höhe gekommen und er von selbst auf mathematische Schlüsse verfällt, so ist sein ganzes Talent fort, er arbeite sich denn durch die Wissenschaft durch wieder in die Freiheit hinein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2250,"orig":"So iſt es mir unmoͤglich geweſen, ſeit ich zuerſt mich uͤber die beſondern Erſcheinungen bey der Miſchung der drey Farben verwunderte, mich zu beruhigen, bis ich ein gewiſſes Bild von der ganzen Farbenwelt hatte, welches groß genug waͤre, um alle Verwandlungen und Erſcheinungen in ſich zu ſchließen.","norm":"So ist es mir unmöglich gewesen, seit ich zuerst mich über die besonderen Erscheinungen bei der Mischung der drei Farben verwunderte, mich zu beruhigen, bis ich ein gewisses Bild von der ganzen Farbenwelt hatte, welches groß genug wäre, um alle Verwandlungen und Erscheinungen in sich zu schließen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2251,"orig":"Es iſt ein ſehr natuͤrlicher Gedanke fuͤr einen Maler, wenn er zu wiſſen begehrt, indem er eine ſchoͤne Gegend ſieht, oder auf irgend eine Art von einem Effect in der Natur angeſprochen wird, aus welchen Stoffen gemiſcht dieſer Effect wieder zu geben waͤre.","norm":"Es ist ein sehr natürlicher Gedanke für einen Maler, wenn er zu wissen begehrt, indem er eine schöne Gegend sieht, oder auf irgendeine Art von einem Effekt in der Natur angesprochen wird, aus welchen Stoffen gemischt dieser Effekt wiederzugeben wäre."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2252,"orig":"Dieß hat mich wenigſtens angetrieben, die Eigenheiten der Farben zu ſtudiren, und ob es moͤglich waͤre, ſo tief einzudringen in ihre Kraͤfte, damit es mir deutlicher wuͤrde, was ſie leiſten, oder was durch ſie gewirkt wird, oder was auf ſie wirkt.","norm":"Dies hat mich wenigstens angetrieben, die Eigenheiten der Farben zu studieren, und ob es möglich wäre, so tief einzudringen in ihre Kräfte, damit es mir deutlicher würde, was sie leisten, oder was durch sie gewirkt wird, oder was auf sie wirkt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2253,"orig":"Ich hoffe, daß Sie mit Schonung einen Verſuch anſehen, den ich bloß aufſchreibe, um Ihnen meine Anſicht deutlich zu machen, die, wie ich doch glaube, ſich praktiſch nur ganz auszuſprechen vermag.","norm":"Ich hoffe, dass Sie mit Schonung einen Versuch ansehen, den ich bloß aufschreibe, um Ihnen meine Ansicht deutlich zu machen, die, wie ich doch glaube, sich praktisch nur ganz auszusprechen vermag."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2254,"orig":"Indeß hoffe ich nicht, daß es fuͤr die Malerey unnuͤtz iſt, oder nur entbehrt werden kann, die Farben von dieſer Seite anzuſehen; auch wird dieſe Anſicht den phyſikaliſchen Verſuchen, etwas vollſtaͤndiges uͤber die Farben zu erfahren, weder widerſprechen, noch ſie unnoͤthig machen.","norm":"Indes hoffe ich nicht, dass es für die Malerei unnütz ist, oder nur entbehrt werden kann, die Farben von dieser Seite anzusehen; auch wird diese Ansicht den physikalischen Versuchen, etwas Vollständiges über die Farben zu erfahren, weder widersprechen, noch sie unnötig machen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2255,"orig":"Da ich Ihnen hier aber keine unumſtoͤßlichen Beweiſe vorlegen kann, weil dieſe auf eine vollſtaͤndige Erfahrung begruͤndet ſeyn muͤſſen, ſo bitte ich nur, daß Sie auf Ihr eignes Gefuͤhl ſich reduciren moͤchten, um zu verſtehen, wie ich meynte, daß ein Maler mit keinen andern Elementen zu thun haͤtte, als mit denen, die Sie hier angegeben finden.","norm":"Da ich Ihnen hier aber keine unumstößlichen Beweise vorlegen kann, weil diese auf eine vollständige Erfahrung begründet sein müssen, so bitte ich nur, dass Sie auf Ihr eigenes Gefühl sich reduzieren möchten, um zu verstehen, wie ich meinte, dass ein Maler mit keinen anderen Elementen zu tun hätte, als mit denen, die Sie hier angegeben finden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2256,"orig":"1) Drey Farben, Gelb, Roth und Blau, gibt es bekanntlich nur, wenn wir dieſe in ihrer ganzen Kraft annehmen, und ſtellen ſie uns wie einen Cirkel vor, z. B. (ſiehe die Tafeln).","norm":"1) Drei Farben, Gelb, Rot und Blau, gibt es bekanntlich nur, wenn wir diese in ihrer ganzen Kraft annehmen, und stellen sie uns wie einen Zirkel vor, z. B. (siehe die Tafeln)."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2257,"orig":"ſo bilden ſich aus den drey Farben, Gelb, Roth und Blau drey Uebergaͤnge, Orange, Violett und Gruͤn (ich heiße alles Orange, was zwiſchen Gelb und Roth faͤllt, oder was von Gelb oder Roth aus ſich nach dieſen Seiten hinneigt) und dieſe ſind in ihrer mittleren Stellung am brillanteſten und die reinen Miſchungen der Farben.","norm":"so bilden sich aus den drei Farben, Gelb, Rot und Blau drei Übergänge, Orange, Violett und Grün (ich heiße alles Orange, was zwischen Gelb und Rot fällt, oder was von Gelb oder Rot aus sich nach diesen Seiten hinneigt) und diese sind in ihrer mittleren Stellung am brillantesten und die reinen Mischungen der Farben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2258,"orig":"2) Wenn man ſich ein blaͤuliches Orange, ein roͤthliches Gruͤn oder ein gelbliches Violett denken will, wird einem ſo zu Muthe wie bey einem ſuͤdweſtlichen Nordwinde.","norm":"2) Wenn man sich ein bläuliches Orange, ein rötliches Grün oder ein gelbliches Violett denken will, wird einem so zumute wie bei einem südwestlichen Nordwinde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2259,"orig":"Wie ſich aber ein warmes Violett erklaͤren laͤßt, gibt es im Verfolg vielleicht Materie.","norm":"Wie sich aber ein warmes Violett erklären lässt, gibt es im Verfolg vielleicht Materie."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2260,"orig":"3) Zwey reine Farben wie Gelb und Roth geben eine reine Miſchung Orange.","norm":"3) Zwei reine Farben wie Gelb und Rot geben eine reine Mischung Orange."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2261,"orig":"Wenn man aber zu ſolcher Blau miſcht, ſo wird ſie beſchmutzt, alſo daß wenn ſie zu gleichen Theilen geſchieht, alle Farbe in ein unſcheinendes Grau aufgehoben iſt.","norm":"Wenn man aber zu solcher Blau mischt, so wird sie beschmutzt, also dass wenn sie zu gleichen Teilen geschieht, alle Farbe in ein unscheinendes Grau aufgehoben ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2262,"orig":"Zwey reine Farben laſſen ſich miſchen, zwey Mittelfarben aber heben ſich einander auf oder beſchmutzen ſich, da ein Theil von der dritten Farbe hinzugekommen iſt.","norm":"Zwei reine Farben lassen sich mischen, zwei Mittelfarben aber heben sich einander auf oder beschmutzen sich, da ein Teil von der dritten Farbe hinzugekommen ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2263,"orig":"Wenn die drey reinen Farben ſich einander aufheben in Grau, ſo thun die drey Miſchungen, Orange, Violett und Gruͤn daſſelbe in ihrer mittlern Stellung, weil die drey Farben wieder gleich ſtark darin ſind.","norm":"Wenn die drei reinen Farben sich einander aufheben in Grau, so tun die drei Mischungen, Orange, Violett und Grün dasselbe in ihrer mittleren Stellung, weil die drei Farben wieder gleich stark darin sind."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2264,"orig":"Da nun in dieſem ganzen Kreiſe nur die reinen Uebergaͤnge der drey Farben liegen und ſie durch ihre Miſchung nur den Zuſatz von Grau erhalten, ſo liegt außer ihnen zur groͤßern Vervielfaͤltigung noch Weiß und Schwarz.","norm":"Da nun in diesem ganzen Kreise nur die reinen Übergänge der drei Farben liegen und sie durch ihre Mischung nur den Zusatz von Grau erhalten, so liegt außer ihnen zur größeren Vervielfältigung noch Weiß und Schwarz."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2265,"orig":"4) Das Weiß macht durch ſeine Beymiſchung alle Farben matter, und wenn ſie gleich heller werden, ſo verlieren ſie doch ihre Klarheit und Feuer.","norm":"4) Das Weiß macht durch seine Beimischung alle Farben matter, und wenn sie gleich heller werden, so verlieren sie doch ihre Klarheit und Feuer."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2266,"orig":"5) Schwarz macht alle Farben ſchmutzig, und wenn es ſolche gleich dunkler macht, ſo verlieren ſie eben ſo wohl ihre Reinheit und Klarheit.","norm":"5) Schwarz macht alle Farben schmutzig, und wenn es solche gleich dunkler macht, so verlieren sie ebenso wohl ihre Reinheit und Klarheit."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2267,"orig":"6) Weiß und Schwarz mit einander gemiſcht gibt Grau.","norm":"6) Weiß und Schwarz miteinander gemischt gibt Grau."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2268,"orig":"7) Man empfindet ſehr leicht, daß in dem Umfang von den drey Farben nebſt Weiß und Schwarz der durch unſre Augen empfundene Eindruck der Natur in ſeinen Elementen nicht erſchoͤpft iſt.","norm":"7) Man empfindet sehr leicht, dass in dem Umfang von den drei Farben nebst Weiß und Schwarz der durch unsere Augen empfundene Eindruck der Natur in seinen Elementen nicht erschöpft ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2269,"orig":"Da Weiß die Farben matt, und Schwarz ſie ſchmutzig macht, werden wir daher geneigt, ein Hell und Dunkel anzunehmen.","norm":"Da Weiß die Farben matt, und Schwarz sie schmutzig macht, werden wir daher geneigt, ein Hell und Dunkel anzunehmen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2270,"orig":"Die folgenden Betrachtungen werden uns aber zeigen, in wiefern ſich hieran zu halten iſt.","norm":"Die folgenden Betrachtungen werden uns aber zeigen, inwiefern sich hieran zu halten ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2271,"orig":"8) Es iſt in der Natur außer dem Unterſchied von Heller und Dunkler in den reinen Farben noch ein andrer wichtiger auffallend.","norm":"8) Es ist in der Natur außer dem Unterschied von Heller und Dunkler in den reinen Farben noch ein anderer wichtiger auffallend."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2272,"orig":"Wann wir z. B. in einer Helligkeit und in einer Reinheit rothes Tuch, Papier, Taft, Atlas oder Sammet, das Rothe des Abendroths oder rothes durchſichtiges Glas annehmen, ſo iſt da noch ein Unterſchied, der in der Durchſichtigkeit oder Undurchſichtigkeit der Materie liegt.","norm":"Wann wir z. B. in einer Helligkeit und in einer Reinheit rotes Tuch, Papier, Taft, Atlas oder Samt, das Rote des Abendrots oder rotes durchsichtiges Glas annehmen, so ist da noch ein Unterschied, der in der Durchsichtigkeit oder Undurchsichtigkeit der Materie liegt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2273,"orig":"9) Wenn wir die drey Farben, Roth Blau und Gelb undurchſichtig zuſammen miſchen, ſo entſteht ein Grau, welches Grau eben ſo aus Weiß und Schwarz gemiſcht werden kann.","norm":"9) Wenn wir die drei Farben, Rot Blau und Gelb undurchsichtig zusammen mischen, so entsteht ein Grau, welches Grau ebenso aus Weiß und Schwarz gemischt werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2274,"orig":"10) Wenn man dieſe drey Farben durchſichtig alſo miſcht, daß keine uͤberwiegend iſt, ſo erhaͤlt man eine Dunkelheit, die durch keine von den andern Theilen hervorgebracht werden kann.","norm":"10) Wenn man diese drei Farben durchsichtig also mischt, dass keine überwiegend ist, so erhält man eine Dunkelheit, die durch keine von den anderen Teilen hervorgebracht werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2275,"orig":"11) Weiß ſowohl als Schwarz ſind beyde undurchſichtig oder koͤrperlich.","norm":"11) Weiß sowohl als Schwarz sind beide undurchsichtig oder körperlich."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2276,"orig":"Man darf ſich an den Ausdruck weißes Glas nicht ſtoſten, womit man klares meynt.","norm":"Man darf sich an den Ausdruck weißes Glas nicht stoßen, womit man klares meint."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2277,"orig":"Weißes Waſſer wird man ſich nicht denken koͤnnen, was rein iſt, ſo wenig wie klare Milch.","norm":"Weißes Wasser wird man sich nicht denken können, was rein ist, so wenig wie klare Milch."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2278,"orig":"Wenn das Schwarze bloß dunkel machte, ſo koͤnnte es wohl klar ſeyn, da es aber ſchmutzt, ſo kann es ſolches nicht.","norm":"Wenn das Schwarze bloß dunkel machte, so könnte es wohl klar sein, da es aber schmutzt, so kann es solches nicht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2279,"orig":"12) Die undurchſichtigen Farben ſtehen zwiſchen dem Weißen und Schwarzen; ſie koͤnnen nie ſo hell wie Weiß und nie ſo dunkel wie Schwarz ſeyn.","norm":"12) Die undurchsichtigen Farben stehen zwischen dem Weißen und Schwarzen; sie können nie so hell wie Weiß und nie so dunkel wie Schwarz sein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2280,"orig":"13) Die durchſichtigen Farben ſind in ihrer Erleuchtung wie in ihrer Dunkelheit graͤnzenlos, wie Feuer und Waſſer als ihre Hoͤhe und ihre Tiefe angeſehen werden kann.","norm":"13) Die durchsichtigen Farben sind in ihrer Erleuchtung wie in ihrer Dunkelheit grenzenlos, wie Feuer und Wasser als ihre Höhe und ihre Tiefe angesehen werden kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2281,"orig":"14) Das Product der drey undurchſichtigen Farben, Grau, kann durch das Licht nicht wieder zu einer Reinheit kommen, noch durch eine Miſchung dazu gebracht werden; es verbleicht entweder zu Weiß oder verkohlt ſich zu Schwarz.","norm":"14) Das Produkt der drei undurchsichtigen Farben, Grau, kann durch das Licht nicht wieder zu einer Reinheit kommen, noch durch eine Mischung dazu gebracht werden; es verbleicht entweder zu Weiß oder verkohlt sich zu Schwarz."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2282,"orig":"15) Drey Stuͤcken Glas von den drey reinen durchſichtigen Farben wuͤrden auf einander gelegt eine Dunkelheit hervorbringen, die tiefer waͤre als jede Farbe einzeln, nehmlich ſo:","norm":"15) Drei Stücken Glas von den drei reinen durchsichtigen Farben würden aufeinander gelegt eine Dunkelheit hervorbringen, die tiefer wäre als jede Farbe einzeln, nämlich so:"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2283,"orig":"Drey durchſichtige Farben zuſammen geben eine farbloſe Dunkelheit, die tiefer iſt, als irgend eine von den Farben.","norm":"Drei durchsichtige Farben zusammen geben eine farblose Dunkelheit, die tiefer ist, als irgendeine von den Farben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2284,"orig":"Gelb iſt z. E. die hellſte und leuchtendſte unter den drey Farben, und doch, wenn man zu ganz dunklem Violett ſo viel Gelb miſcht, bis ſie ſich einander aufheben, ſo iſt die Dunkelheit in hohem Grade verſtaͤrkt.","norm":"Gelb ist z. E. die hellste und leuchtendste unter den drei Farben, und doch, wenn man zu ganz dunklem Violett so viel Gelb mischt, bis sie sich einander aufheben, so ist die Dunkelheit in hohem Grade verstärkt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2285,"orig":"16) Wenn man ein dunkles durchſichtiges Glas, wie es allenfalls bey den optiſchen Glaͤſern iſt, nimmt, und von der halben Dicke eine polirte Steinkohle, und legt beyde auf einen weißen Grund, ſo wird das Glas heller erſcheinen; verdoppelt man aber beyde, ſo muß die Steinkohle ſtille ſtehen, wegen der Undurchſichtigkeit; das Glas wird aber bis ins Unendliche ſich verdunkeln, obwohl fuͤr unſre Augen nicht ſichtbar.","norm":"16) Wenn man ein dunkles durchsichtiges Glas, wie es allenfalls bei den optischen Gläsern ist, nimmt, und von der halben Dicke eine polierte Steinkohle, und legt beide auf einen weißen Grund, so wird das Glas heller erscheinen; verdoppelt man aber beide, so muss die Steinkohle stille stehen, wegen der Undurchsichtigkeit; das Glas wird aber bis ins Unendliche sich verdunkeln, obwohl für unsere Augen nicht sichtbar."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2286,"orig":"Eine ſolche Dunkelheit koͤnnen eben ſowohl die einzelnen durchſichtigen Farben erreichen, ſo daß Schwarz dagegen nur wie ein ſchmutziger Fleck erſcheint.","norm":"Eine solche Dunkelheit können ebenso wohl die einzelnen durchsichtigen Farben erreichen, so dass Schwarz dagegen nur wie ein schmutziger Fleck erscheint."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2287,"orig":"17) Wenn wir ein ſolches durchſichtiges Product der drey durchſichtigen Farben auf die Weiſe verduͤnnen und das Licht durchſcheinen ließen, ſo wird es auch eine Art Grau geben, die aber ſehr verſchieden von der Miſchung der drey undurchſichtigen Farben ſeyn wuͤrde.","norm":"17) Wenn wir ein solches durchsichtiges Produkt der drei durchsichtigen Farben auf die Weise verdünnen und das Licht durchscheinen ließen, so wird es auch eine Art Grau geben, die aber sehr verschieden von der Mischung der drei undurchsichtigen Farben sein würde."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2288,"orig":"18) Die Helligkeit an einem klaren Himmel bey Sonnenaufgang dicht um die Sonne herum, oder vor der Sonne her kann ſo groß ſeyn, daß wir ſie kaum ertragen koͤnnen.","norm":"18) Die Helligkeit an einem klaren Himmel bei Sonnenaufgang dicht um die Sonne herum, oder vor der Sonne her kann so groß sein, dass wir sie kaum ertragen können."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2289,"orig":"Wenn wir nun von dieſer dort vorkommenden farbloſen Klarheit, als einem Product von den drey Farben auf dieſe ſchließen wollten, ſo wuͤrden dieſe ſo hell ſeyn muͤſſen, und ſo ſehr uͤber unſere Kraͤfte weggeruͤckt, daß ſie fuͤr uns daſſelbe Geheimniß blieben, wie die in der Dunkelheit verſunkenen.","norm":"Wenn wir nun von dieser dort vorkommenden farblosen Klarheit, als einem Produkt von den drei Farben auf diese schließen wollten, so würden diese so hell sein müssen, und so sehr über unsere Kräfte weggerückt, dass sie für uns dasselbe Geheimnis blieben, wie die in der Dunkelheit versunkenen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2290,"orig":"19) Nun merken wir aber auch, daß die Helligkeit oder Dunkelheit nicht in den Vergleich oder Verhaͤltniß zu den durchſichtigen Farben zu ſetzen ſey, wie das Schwarz und Weiß zu den undurchſichtigen.","norm":"19) Nun merken wir aber auch, dass die Helligkeit oder Dunkelheit nicht in den Vergleich oder Verhältnis zu den durchsichtigen Farben zu setzen sei, wie das Schwarz und Weiß zu den undurchsichtigen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2291,"orig":"Sie iſt vielmehr eine Eigenſchaft und eins mit der Klarheit und mit der Farbe.","norm":"Sie ist vielmehr eine Eigenschaft und eins mit der Klarheit und mit der Farbe."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2292,"orig":"Man ſtelle ſich einen reinen Rubin vor, ſo dick oder ſo duͤnn man will, ſo iſt das Roth eins und daſſelbe, und iſt alſo nur ein durchſichtiges Roth, welches hell oder dunkel wird, je nachdem es vom Licht erweckt oder verlaſſen wird.","norm":"Man stelle sich einen reinen Rubin vor, so dick oder so dünn man will, so ist das Rot eins und dasselbe, und ist also nur ein durchsichtiges Rot, welches hell oder dunkel wird, je nachdem es vom Licht erweckt oder verlassen wird."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2293,"orig":"Das Licht entzuͤndet natuͤrlich eben ſo das Product dieſer Farben in ſeiner Tiefe und erhebt es zu einer leuchtenden Klarheit, die jede Farbe durchſcheinen laͤßt.","norm":"Das Licht entzündet natürlich ebenso das Produkt dieser Farben in seiner Tiefe und erhebt es zu einer leuchtenden Klarheit, die jede Farbe durchscheinen lässt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2294,"orig":"Dieſe Erleuchtung, der ſie faͤhig iſt, indem das Licht ſie zu immer hoͤherem Brand entzuͤndet, macht, daß ſie oft unbemerkt um uns wogt und in tauſend Verwandlungen die Gegenſtaͤnde zeigt, die durch eine einfache Miſchung unmoͤglich waͤren, und alles in ſeiner Klarheit laͤßt und noch erhoͤht.","norm":"Diese Erleuchtung, der sie fähig ist, indem das Licht sie zu immer höherem Brand entzündet, macht, dass sie oft unbemerkt um uns wogt und in tausend Verwandlungen die Gegenstände zeigt, die durch eine einfache Mischung unmöglich wären, und alles in seiner Klarheit lässt und noch erhöht."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2295,"orig":"So koͤnnen wir uͤber die gleichguͤltigſten Gegenſtaͤnde oft einen Reiz verbreitet ſehen, der meiſt mehr in der Erleuchtung der zwiſchen uns und dem Gegenſtand befindlichen Luft liegt, als in der Beleuchtung ſeiner Formen.","norm":"So können wir über die gleichgültigsten Gegenstände oft einen Reiz verbreitet sehen, der meist mehr in der Erleuchtung der zwischen uns und dem Gegenstand befindlichen Luft liegt, als in der Beleuchtung seiner Formen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2296,"orig":"20) Das Verhaͤltniß des Lichts zur durchſichtigen Farbe iſt, wenn man ſich darein vertieft, unendlich reizend, und das Entzuͤnden der Farben und das Verſchwimmen in einander und Wiederentſtehen und Verſchwinden iſt wie das Odemhohlen in großen Pauſen von Ewigkeit zu Ewigkeit vom hoͤchſten Licht bis in die einſame und ewige Stille in den allertiefſten Toͤnen.","norm":"20) Das Verhältnis des Lichts zur durchsichtigen Farbe ist, wenn man sich darein vertieft, unendlich reizend, und das Entzünden der Farben und das Verschwimmen ineinander und Wiederentstehen und Verschwinden ist wie das Odemholen in großen Pausen von Ewigkeit zu Ewigkeit vom höchsten Licht bis in die einsame und ewige Stille in den allertiefsten Tönen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2297,"orig":"21) Die undurchſichtigen Farben ſtehen wie Blumen dagegen, die es nicht wagen, ſich mit dem Himmel zu meſſen, und doch mit der Schwachheit von der einen Seite, dem Weißen, und dem Boͤſen, dem Schwarzen, von der andern zu thun haben.","norm":"21) Die undurchsichtigen Farben stehen wie Blumen dagegen, die es nicht wagen, sich mit dem Himmel zu messen, und doch mit der Schwachheit von der einen Seite, dem Weißen, und dem Bösen, dem Schwarzen, von der anderen zu tun haben."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2298,"orig":"22) Dieſe ſind aber gerade faͤhig, wenn ſie ſich nicht mit Weiß noch Schwarz vermiſchen, ſondern duͤnn daruͤber gezogen werden, ſo anmuthige Variationen und ſo natuͤrliche Effecte hervorzubringen, daß ſich an ihnen gerade der praktiſche Gebrauch der Ideen halten muß, und die durchſichtigen am Ende nur wie Geiſter ihr Spiel daruͤber haben, und nur dienen, um ſie zu heben und zu erhoͤhen in ihrer Kraft.","norm":"22) Diese sind aber gerade fähig, wenn sie sich nicht mit Weiß noch Schwarz vermischen, sondern dünn darüber gezogen werden, so anmutige Variationen und so natürliche Effekte hervorzubringen, dass sich an ihnen gerade der praktische Gebrauch der Ideen halten muss, und die durchsichtigen am Ende nur wie Geister ihr Spiel darüber haben, und nur dienen, um sie zu heben und zu erhöhen in ihrer Kraft."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2299,"orig":"Der feſte Glaube an eine beſtimmte geiſtige Verbindung in den Elementen kann dem Maler zuletzt einen Troſt und Heiterkeit mittheilen, den er auf keine andre Art zu erlangen im Stande iſt; da ſein eignes Leben ſich ſo in ſeiner Arbeit verliert und Materie, Mittel und Ziel in eins zuletzt in ihm eine Vollendung hervorbringt, die gewiß durch ein ſtets fleißiges und getreues Beſtreben hervorgebracht werden muß, ſo daß es auch auf andere nicht ohne wohlthaͤtige Wirkung bleiben kann.","norm":"Der feste Glaube an eine bestimmte geistige Verbindung in den Elementen kann dem Maler zuletzt einen Trost und Heiterkeit mitteilen, den er auf keine andere Art zu erlangen imstande ist; da sein eigenes Leben sich so in seiner Arbeit verliert und Materie, Mittel und Ziel in eins zuletzt in ihm eine Vollendung hervorbringt, die gewiss durch ein stets fleißiges und getreues Bestreben hervorgebracht werden muss, so dass es auch auf andere nicht ohne wohltätige Wirkung bleiben kann."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2300,"orig":"Wenn ich die Stoffe, womit ich arbeite, betrachte, und ich halte ſie an den Maßſtab dieſer Qualitaͤten, ſo weiß ich beſtimmt wo und wie ich ſie anwenden kann, da kein Stoff, den wir verarbeiten, ganz rein iſt.","norm":"Wenn ich die Stoffe, womit ich arbeite, betrachte, und ich halte sie an den Maßstab dieser Qualitäten, so weiß ich bestimmt wo und wie ich sie anwenden kann, da kein Stoff, den wir verarbeiten, ganz rein ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2301,"orig":"Ich kann mich hier nicht uͤber die Praktik ausbreiten, weil es erſtlich zu weitlaͤuftig waͤre, auch ich bloß im Sinne gehabt habe, Ihnen den Standpunct zu zeigen, von welchem ich die Farben betrachte.","norm":"Ich kann mich hier nicht über die Praktik ausbreiten, weil es erstlich zu weitläufig wäre, auch ich bloß im Sinne gehabt habe, Ihnen den Standpunkt zu zeigen, von welchem ich die Farben betrachte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2302,"orig":"Indem ich dieſe Arbeit, welche mich lange genug beſchaͤftigt, doch zuletzt nur als Entwurf gleichſam aus dem Stegreife herauszugeben im Falle bin, und nun die vorſtehenden gedruckten Bogen durchblaͤttere, ſo erinnere ich mich des Wunſches, den ein ſorgfaͤltiger Schriftſteller vormals geaͤußert, daß er ſeine Werke lieber zuerſt ins Concept gedruckt ſaͤhe, um alsdann aufs neue mit friſchem Blick an das Geſchaͤft zu gehen, weil alles Mangelhafte uns im Drucke deutlicher entgegen komme, als ſelbſt in der ſauberſten Handſchrift.","norm":"Indem ich diese Arbeit, welche mich lange genug beschäftigt, doch zuletzt nur als Entwurf gleichsam aus dem Stegreife herauszugeben im Falle bin, und nun die vorstehenden gedruckten Bogen durchblättere, so erinnere ich mich des Wunsches, den ein sorgfältiger Schriftsteller vormals geäußert, dass er seine Werke lieber zuerst ins Konzept gedruckt sähe, um alsdann aufs neue mit frischem Blick an das Geschäft zu gehen, weil alles Mangelhafte uns im Drucke deutlicher entgegenkomme, als selbst in der saubersten Handschrift."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2303,"orig":"Um wie lebhafter mußte bey mir dieſer Wunſch entſtehen, da ich nicht einmal eine voͤllig reinliche Abſchrift vor dem Druck durchgehen konnte, da die ſucceſſive Redaction dieſer Blaͤtter in eine Zeit fiel, welche eine ruhige Sammlung des Gemuͤths unmoͤglich machte.","norm":"Um wie lebhafter musste bei mir dieser Wunsch entstehen, da ich nicht einmal eine völlig reinliche Abschrift vor dem Druck durchgehen konnte, da die sukzessive Redaktion dieser Blätter in eine Zeit fiel, welche eine ruhige Sammlung des Gemüts unmöglich machte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2304,"orig":"Wie vieles haͤtte ich daher meinen Leſern zu ſagen, wovon ſich doch manches ſchon in der Einleitung findet.","norm":"Wie vieles hätte ich daher meinen Lesern zu sagen, wovon sich doch manches schon in der Einleitung findet."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2305,"orig":"Ferner wird man mir vergoͤnnen, in der Geſchichte der Farbenlehre auch meiner Bemuͤhungen und der Schickſale zu gedenken, welche ſie erduldeten.","norm":"Ferner wird man mir vergönnen, in der Geschichte der Farbenlehre auch meiner Bemühungen und der Schicksale zu gedenken, welche sie erduldeten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2306,"orig":"Hier aber ſtehe wenigſtens eine Betrachtung vielleicht nicht am unrechten Orte, die Beantwortung der Frage, was kann derjenige, der nicht im Fall iſt, ſein ganzes Leben den Wiſſenſchaften zu widmen, doch fuͤr die Wiſſenſchaften leiſten und wirken?","norm":"Hier aber stehe wenigstens eine Betrachtung vielleicht nicht am unrechten Orte, die Beantwortung der Frage, was kann derjenige, der nicht im Fall ist, sein ganzes Leben den Wissenschaften zu widmen, doch für die Wissenschaften leisten und wirken?"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2307,"orig":"was kann er als Gaſt in einer fremden Wohnung zum Vortheile der Beſitzer ausrichten?","norm":"was kann er als Gast in einer fremden Wohnung zum Vorteile der Besitzer ausrichten?"} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2308,"orig":"Wenn man die Kunſt in einem hoͤhern Sinne betrachtet, ſo moͤchte man wuͤnſchen, daß nur Meiſter ſich damit abgaͤben, daß die Schuͤler auf das ſtrengſte gepruͤft wuͤrden, daß Liebhaber ſich in einer ehrfurchtsvollen Annaͤherung gluͤcklich fuͤhlten.","norm":"Wenn man die Kunst in einem höheren Sinne betrachtet, so möchte man wünschen, dass nur Meister sich damit abgäben, dass die Schüler auf das strengste geprüft würden, dass Liebhaber sich in einer ehrfurchtsvollen Annäherung glücklich fühlten."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2309,"orig":"Denn das Kunſtwerk ſoll aus dem Genie entſpringen, der Kuͤnſtler ſoll Gehalt und Form aus der Tiefe ſeines eigenen Weſens hervorrufen, ſich gegen den Stoff beherrſchend verhalten, und ſich der aͤußern Einfluͤſſe nur zu ſeiner Ausbildung bedienen.","norm":"Denn das Kunstwerk soll aus dem Genie entspringen, der Künstler soll Gehalt und Form aus der Tiefe seines eigenen Wesens hervorrufen, sich gegen den Stoff beherrschend verhalten, und sich der äußeren Einflüsse nur zu seiner Ausbildung bedienen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2310,"orig":"Wie aber dennoch aus mancherley Urſachen ſchon der Kuͤnſtler den Dilettanten zu ehren hat, ſo iſt es bey wiſſenſchaftlichen Gegenſtaͤnden noch weit mehr der Fall, daß der Liebhaber etwas erfreuliches und nuͤtzliches zu leiſten im Stande iſt.","norm":"Wie aber dennoch aus mancherlei Ursachen schon der Künstler den Dilettanten zu ehren hat, so ist es bei wissenschaftlichen Gegenständen noch weit mehr der Fall, dass der Liebhaber etwas Erfreuliches und Nützliches zu leisten imstande ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2311,"orig":"Die Wiſſenſchaften ruhen weit mehr auf der Erfahrung als die Kunſt, und zum Erfahren iſt gar mancher geſchickt.","norm":"Die Wissenschaften ruhen weit mehr auf der Erfahrung als die Kunst, und zum Erfahren ist gar mancher geschickt."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2312,"orig":"Das Wiſſenſchaftliche wird von vielen Seiten zuſammengetragen, und kann vieler Haͤnde, vieler Koͤpfe nicht entbehren.","norm":"Das Wissenschaftliche wird von vielen Seiten zusammengetragen, und kann vieler Hände, vieler Köpfe nicht entbehren."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2313,"orig":"Das Wiſſen laͤßt ſich uͤberliefern, dieſe Schaͤtze koͤnnen vererbt werden; und das von Einem Erworbene werden manche ſich zueignen.","norm":"Das Wissen lässt sich überliefern, diese Schätze können vererbt werden; und das von Einem Erworbene werden manche sich zueignen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2314,"orig":"Es iſt daher Niemand, der nicht ſeinen Beytrag den Wiſſenſchaften anbieten duͤrfte.","norm":"Es ist daher niemand, der nicht seinen Beitrag den Wissenschaften anbieten dürfte."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2315,"orig":"Wie vieles ſind wir nicht dem Zufall, dem Handwerk, einer augenblicklichen Aufmerkſamkeit ſchuldig.","norm":"Wie vieles sind wir nicht dem Zufall, dem Handwerk, einer augenblicklichen Aufmerksamkeit schuldig."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2316,"orig":"Alle Naturen, die mit einer gluͤcklichen Sinnlichkeit begabt ſind, Frauen, Kinder ſind faͤhig, uns lebhafte und wohlgefaßte Bemerkungen mitzutheilen.","norm":"Alle Naturen, die mit einer glücklichen Sinnlichkeit begabt sind, Frauen, Kinder sind fähig, uns lebhafte und wohlgefasste Bemerkungen mitzuteilen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2317,"orig":"In der Wiſſenſchaft kann alſo nicht verlangt werden, daß derjenige, der etwas fuͤr ſie zu leiſten gedenkt, ihr das ganze Leben widme, ſie ganz uͤberſchaue und umgehe; welches uͤberhaupt auch fuͤr den Eingeweihten eine hohe Forderung iſt.","norm":"In der Wissenschaft kann also nicht verlangt werden, dass derjenige, der etwas für sie zu leisten gedenkt, ihr das ganze Leben widme, sie ganz überschaue und umgehe; welches überhaupt auch für den Eingeweihten eine hohe Forderung ist."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2318,"orig":"Durchſucht man jedoch die Geſchichte der Wiſſenſchaften uͤberhaupt, beſonders aber die Geſchichte der Naturwiſſenſchaft; ſo findet man, daß manches Vorzuͤglichere von Einzelnen in einzelnen Faͤchern, ſehr oft von Laien geleiſtet worden.","norm":"Durchsucht man jedoch die Geschichte der Wissenschaften überhaupt, besonders aber die Geschichte der Naturwissenschaft; so findet man, dass manches Vorzüglichere von Einzelnen in einzelnen Fächern, sehr oft von Laien geleistet worden."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2319,"orig":"Wohin irgend die Neigung, Zufall oder Gelegenheit den Menſchen fuͤhrt, welche Phaͤnomene beſonders ihm auffallen, ihm einen Antheil abgewinnen, ihn feſthalten, ihn beſchaͤftigen, immer wird es zum Vortheil der Wiſſenſchaft ſeyn.","norm":"Wohin irgend die Neigung, Zufall oder Gelegenheit den Menschen führt, welche Phänomene besonders ihm auffallen, ihm einen Anteil abgewinnen, ihn festhalten, ihn beschäftigen, immer wird es zum Vorteil der Wissenschaft sein."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2320,"orig":"Denn jedes neue Verhaͤltniß, das an den Tag kommt, jede neue Behandlungsart, ſelbſt das Unzulaͤngliche, ſelbſt der Irrthum iſt brauchbar, oder aufregend und fuͤr die Folge nicht verloren.","norm":"Denn jedes neue Verhältnis, das an den Tag kommt, jede neue Behandlungsart, selbst das Unzulängliche, selbst der Irrtum ist brauchbar, oder aufregend und für die Folge nicht verloren."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2321,"orig":"In dieſem Sinne mag der Verfaſſer denn auch mit einiger Beruhigung auf ſeine Arbeit zuruͤckſehen; in dieſer Betrachtung kann er wohl einigen Muth ſchoͤpfen zu dem, was zu thun noch uͤbrig bleibt, und, zwar nicht mit ſich ſelbſt zufrieden, doch in ſich ſelbſt getroſt, das Geleiſtete und Zu-leiſtende einer theilnehmenden Welt und Nachwelt empfehlen.","norm":"In diesem Sinne mag der Verfasser denn auch mit einiger Beruhigung auf seine Arbeit zurücksehen; in dieser Betrachtung kann er wohl einigen Mut schöpfen zu dem, was zu tun noch übrig bleibt, und, zwar nicht mit sich selbst zufrieden, doch in sich selbst getrost, das Geleistete und Leistende einer teilnehmenden Welt und Nachwelt empfehlen."} {"basename":"goethe_farbenlehre01_1810","par_idx":2322,"orig":"Multi pertransibunt et augebitur scientia.","norm":"Multi pertransibunt et augebitur scientia."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":0,"orig":"Ihr naht euch wieder, ſchwankende Geſtalten!","norm":"Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1,"orig":"Die fruͤh ſich einſt dem truͤben Blick gezeigt.","norm":"Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2,"orig":"Verſuch’ ich wohl euch diesmal feſt zu halten?","norm":"Versuche ich wohl euch diesmal festzuhalten?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3,"orig":"Fuͤhl’ ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt?","norm":"Fühle ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":4,"orig":"Ihr draͤngt euch zu!","norm":"Ihr drängt euch zu!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":5,"orig":"nun gut, ſo moͤgt ihr walten, Wie ihr aus Dunſt und Nebel um mich ſteigt;","norm":"nun gut, so mögt ihr walten, wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":6,"orig":"Mein Buſen fuͤhlt ſich jugendlich erſchuͤttert Vom Zauberhauch der euren Zug umwittert.","norm":"Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert vom Zauberhauch der euren Zug umwittert."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":7,"orig":"Ihr bringt mit euch die Bilder froher Tage, Und manche liebe Schatten ſteigen auf;","norm":"Ihr bringt mit euch die Bilder froher Tage, und manche liebe Schatten steigen auf;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":8,"orig":"Gleich einer alten, halbverklungnen Sage, Kommt erſte Lieb’ und Freundſchaft mit herauf;","norm":"Gleich einer alten, halbverklungenen Sage, kommt erste Liebe und Freundschaft mit herauf;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":9,"orig":"Der Schmerz wird neu, es wiederholt die Klage Des Lebens labyrinthiſch irren Lauf, Und nennt die Guten, die, um ſchoͤne Stunden Vom Gluͤck getaͤuſcht, vor mir hinweggeſchwunden.","norm":"Der Schmerz wird neu, es wiederholt die Klage des Lebens labyrinthisch irren Lauf, und nennt die Guten, die, um schöne Stunden vom Glück getäuscht, vor mir hinweggeschwunden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":10,"orig":"Sie hoͤren nicht die folgenden Geſaͤnge, Die Seelen, denen ich die erſten ſang, Zerſtoben iſt das freundliche Gedraͤnge, Verklungen ach!","norm":"Sie hören nicht die folgenden Gesänge, die Seelen, denen ich die ersten sang, zerstoben ist das freundliche Gedränge, verklungen ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":11,"orig":"der erſte Wiederklang.","norm":"der erste Widerklang."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":12,"orig":"Mein Leid ertoͤnt der unbekannten Menge, Ihr Beyfall ſelbſt macht meinem Herzen bang, Und was ſich ſonſt an meinem Lied erfreuet, Wenn es noch lebt, irrt in der Welt zerſtreuet.","norm":"Mein Leid ertönt der unbekannten Menge, Ihr Beifall selbst macht meinem Herzen bang, und was sich sonst an meinem Lied erfreuet, wenn es noch lebt, irrt in der Welt zerstreuet."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":13,"orig":"Und mich ergreift ein laͤngſt entwoͤhntes Sehnen Nach jenem ſtillen, ernſten Geiſterreich, Es ſchwebet nun, in unbeſtimmten Toͤnen, Mein lispelnd Lied, der Aeolsharfe gleich, Ein Schauer faßt mich, Thraͤne folgt den Thraͤnen, Das ſtrenge Herz es fuͤhlt ſich mild und weich;","norm":"Und mich ergreift ein längst entwöhntes Sehnen nach jenem stillen, ernsten Geisterreich, es schwebet nun, in unbestimmten Tönen, Mein lispelnd Lied, der Äolsharfe gleich, ein Schauer fasst mich, Träne folgt den Tränen, das strenge Herz es fühlt sich mild und weich;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":14,"orig":"Was ich beſitze ſeh’ ich wie im weiten, Und was verſchwand wird mir zu Wirklichkeiten.","norm":"Was ich besitze sehe ich wie im Weiten, und was verschwand wird mir zu Wirklichkeiten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":15,"orig":"Ihr beyden die ihr mir ſo oft, In Noth und Truͤbſal, beygeſtanden, Sagt was ihr wohl, in deutſchen Landen, Von unſrer Unternehmung hofft?","norm":"Ihr beiden die ihr mir so oft, in Not und Trübsal, beigestanden, sagt was ihr wohl, in deutschen Landen, von unserer Unternehmung hofft?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":16,"orig":"Ich wuͤnſchte ſehr der Menge zu behagen, Beſonders weil ſie lebt und leben laͤßt.","norm":"Ich wünschte sehr der Menge zu behagen, besonders weil sie lebt und leben lässt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":17,"orig":"Die Pfoſten ſind, die Breter aufgeſchlagen, Und jedermann erwartet ſich ein Feſt.","norm":"Die Pfosten sind, die Bretter aufgeschlagen, und jedermann erwartet sich ein Fest."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":18,"orig":"Sie ſitzen ſchon, mit hohen Augenbraunen, Gelaſſen da und moͤchten gern erſtaunen.","norm":"Sie sitzen schon, mit hohen Augenbraunen, Gelassen da und möchten gern erstaunen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":19,"orig":"Ich weiß wie man den Geiſt des Volks verſoͤhnt;","norm":"Ich weiß wie man den Geist des Volks versöhnt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":20,"orig":"Doch ſo verlegen bin ich nie geweſen;","norm":"Doch so verlegen bin ich nie gewesen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":21,"orig":"Zwar ſind ſie an das Beſte nicht gewoͤhnt, Allein ſie haben ſchrecklich viel geleſen.","norm":"Zwar sind sie an das Beste nicht gewöhnt, allein sie haben schrecklich viel gelesen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":22,"orig":"Wie machen wir’s?","norm":"Wie machen wir es?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":23,"orig":"daß alles friſch und neu Und mit Bedeutung auch gefaͤllig ſey.","norm":"dass alles frisch und neu und mit Bedeutung auch gefällig sei."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":24,"orig":"Denn freylich mag ich gern die Menge ſehen, Wenn ſich der Strom nach unſrer Bude draͤngt, Und mit gewaltig wiederholten Wehen, Sich durch die enge Gnadenpforte zwaͤngt;","norm":"Denn freilich mag ich gern die Menge sehen, wenn sich der Strom nach unserer Bude drängt, und mit gewaltig wiederholten Wehen, sich durch die enge Gnadenpforte zwängt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":25,"orig":"Bey hellem Tage, ſchon vor Vieren, Mit Stoͤßen ſich bis an die Kaſſe ficht Und, wie in Hungersnoth um Brot an Beckerthuͤren, Um ein Billet ſich faſt die Haͤlſe bricht.","norm":"Bei hellem Tage, schon vor Vieren, mit Stößen sich bis an die Kasse ficht und, wie in Hungersnot um Brot an Bäckertüren, um ein Billett sich fast die Hälse bricht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":26,"orig":"Dieß Wunder wirkt auf ſo verſchiedne Leute Der Dichter nur; mein Freund, o!","norm":"Dies Wunder wirkt auf so verschiedene Leute der Dichter nur; mein Freund, o!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":27,"orig":"thu es heute.","norm":"tu es heute."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":28,"orig":"O ſprich mir nicht von jener bunten Menge, Bey deren Anblick uns der Geiſt entflieht.","norm":"O sprich mir nicht von jener bunten Menge, bei deren Anblick uns der Geist entflieht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":29,"orig":"Verhuͤlle mir das wogende Gedraͤnge, Das wider Willen uns zum Strudel zieht.","norm":"Verhülle mir das wogende Gedränge, das wider Willen uns zum Strudel zieht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":30,"orig":"Nein, fuͤhre mich zur ſtillen Himmelsenge, Wo nur dem Dichter reine Freude bluͤht;","norm":"Nein, führe mich zur stillen Himmelsenge, wo nur dem Dichter reine Freude blüht;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":31,"orig":"Wo Lieb’ und Freundſchaft unſres Herzens Segen Mit Goͤtterhand erſchaffen und erpflegen.","norm":"Wo Liebe und Freundschaft unseres Herzens Segen mit Götterhand erschaffen und erpflegen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":32,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":33,"orig":"was in tiefer Bruſt uns da entſprungen, Was ſich die Lippe ſchuͤchtern vorgelallt, Mißrathen jetzt und jetzt vielleicht gelungen, Verſchlingt des wilden Augenblicks Gewalt.","norm":"was in tiefer Brust uns da entsprungen, was sich die Lippe schüchtern vorgelallt, Missraten jetzt und jetzt vielleicht gelungen, Verschlingt des wilden Augenblicks Gewalt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":34,"orig":"Oft wenn es erſt durch Jahre durchgedrungen Erſcheint es in vollendeter Geſtalt.","norm":"Oft wenn es erst durch Jahre durchgedrungen erscheint es in vollendeter Gestalt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":35,"orig":"Was glaͤnzt iſt fuͤr den Augenblick geboren, Das Aechte bleibt der Nachwelt unverloren.","norm":"Was glänzt ist für den Augenblick geboren, das Echte bleibt der Nachwelt unverloren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":36,"orig":"Wenn ich nur nichts von Nachwelt hoͤren ſollte.","norm":"Wenn ich nur nichts von Nachwelt hören sollte."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":37,"orig":"Geſetzt daß ich von Nachwelt reden wollte, Wer machte denn der Mitwelt Spaß?","norm":"Gesetzt dass ich von Nachwelt reden wollte, wer machte denn der Mitwelt Spaß?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":38,"orig":"Den will ſie doch und ſoll ihn haben.","norm":"Den will sie doch und soll ihn haben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":39,"orig":"Die Gegenwart von einem braven Knaben Iſt, daͤcht’ ich, immer auch ſchon was.","norm":"Die Gegenwart von einem braven Knaben ist, dächte ich, immer auch schon was."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":40,"orig":"Wer ſich behaglich mitzutheilen weiß, Den wird des Volkes Laune nicht erbittern;","norm":"Wer sich behaglich mitzuteilen weiß, den wird des Volkes Laune nicht erbittern;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":41,"orig":"Er wuͤnſcht ſich einen großen Kreis, Um ihn gewiſſer zu erſchuͤttern.","norm":"Er wünscht sich einen großen Kreis, um ihn gewisser zu erschüttern."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":42,"orig":"Drum ſeyd nur brav und zeigt euch muſterhaft, Laßt Phantaſie, mit allen ihren Choͤren, Vernunft, Verſtand, Empfindung, Leidenſchaft, Doch, merkt euch wohl!","norm":"Darum seid nur brav und zeigt euch musterhaft, lasst Phantasie, mit allen ihren Chören, Vernunft, Verstand, Empfindung, Leidenschaft, Doch, merkt euch wohl!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":43,"orig":"nicht ohne Narrheit hoͤren.","norm":"nicht ohne Narrheit hören."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":44,"orig":"Beſonders aber laßt genug geſchehn!","norm":"Besonders aber lasst genug geschehen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":45,"orig":"Man kommt zu ſchaun, man will am liebſten ſehn.","norm":"Man kommt zu schauen, man will am liebsten sehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":46,"orig":"Wird vieles vor den Augen abgeſponnen, So daß die Menge ſtaunend gaffen kann, Da habt ihr in der Breite gleich gewonnen, Ihr ſeyd ein vielgeliebter Mann.","norm":"Wird vieles vor den Augen abgesponnen, so dass die Menge staunend gaffen kann, da habt Ihr in der Breite gleich gewonnen, Ihr seid ein vielgeliebter Mann."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":47,"orig":"Die Maſſe koͤnnt ihr nur durch Maſſe zwingen, Ein jeder ſucht ſich endlich ſelbſt was aus.","norm":"Die Masse könnt Ihr nur durch Masse zwingen, ein jeder sucht sich endlich selbst was aus."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":48,"orig":"Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen;","norm":"Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":49,"orig":"Und jeder geht zufrieden aus dem Haus.","norm":"Und jeder geht zufrieden aus dem Haus."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":50,"orig":"Gebt ihr ein Stuͤck, ſo gebt es gleich in Stuͤcken!","norm":"Gebt Ihr ein Stück, so gebt es gleich in Stücken!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":51,"orig":"Solch ein Ragout es muß euch gluͤcken;","norm":"Solch ein Ragout es muss Euch glücken;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":52,"orig":"Leicht iſt es vorgelegt, ſo leicht als ausgedacht.","norm":"Leicht ist es vorgelegt, so leicht als ausgedacht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":53,"orig":"Was hilft’s wenn ihr ein Ganzes dargebracht, Das Publikum wird es euch doch zerpfluͤcken.","norm":"Was hilft es wenn Ihr ein Ganzes dargebracht, das Publikum wird es Euch doch zerpflücken."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":54,"orig":"Ihr fuͤhlet nicht wie ſchlecht ein ſolches Handwerk ſey!","norm":"Ihr fühlet nicht wie schlecht ein solches Handwerk sei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":55,"orig":"Wie wenig das den aͤchten Kuͤnſtler zieme!","norm":"Wie wenig das den echten Künstler zieme!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":56,"orig":"Der ſaubern Herren Pfuſcherey Iſt, merk’ ich, ſchon bey euch Marime.","norm":"Der sauberen Herren Pfuscherei ist, merke ich, schon bei Euch Maxime."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":57,"orig":"Ein ſolcher Vorwurf laͤßt mich ungekraͤnkt;","norm":"Ein solcher Vorwurf lässt mich ungekränkt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":58,"orig":"Ein Mann, der recht zu wirken denkt, Muß auf das beſte Werkzeug halten.","norm":"Ein Mann, der recht zu wirken denkt, muss auf das beste Werkzeug halten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":59,"orig":"Bedenkt, ihr habet weiches Holz zu ſpalten, Und ſeht nur hin fuͤr wen ihr ſchreibt!","norm":"Bedenkt, Ihr habet weiches Holz zu spalten, und seht nur hin für wen Ihr schreibt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":60,"orig":"Wenn dieſen Langeweile treibt, Kommt jener ſatt vom uͤbertiſchten Mahle, Und, was das allerſchlimmſte bleibt, Gar mancher kommt vom Leſen der Journale.","norm":"Wenn diesen Langeweile treibt, kommt jener satt vom übertischten Mahle, Und, was das Allerschlimmste bleibt, Gar mancher kommt vom Lesen der Journale."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":61,"orig":"Man eilt zerſtreut zu uns, wie zu den Maskenſeſten, Und Neugier nur befluͤgelt jeden Schritt;","norm":"Man eilt zerstreut zu uns, wie zu den Maskenfesten, und Neugier nur beflügelt jeden Schritt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":62,"orig":"Die Damen geben ſich und ihren Putz zum beſten Und ſpielen ohne Gage mit.","norm":"Die Damen geben sich und ihren Putz zum Besten Und spielen ohne Gage mit."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":63,"orig":"Was traͤumet ihr auf eurer Dichter-Hoͤhe?","norm":"Was träumet Ihr auf Eurer Dichterhöhe?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":64,"orig":"Was macht ein volles Haus euch froh?","norm":"Was macht ein volles Haus Euch froh?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":65,"orig":"Beſeht die Goͤnner in der Naͤhe!","norm":"Beseht die Gönner in der Nähe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":66,"orig":"Halb ſind ſie kalt, halb ſind ſie roh.","norm":"Halb sind sie kalt, halb sind sie roh."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":67,"orig":"Der, nach dem Schauſpiel, hofft ein Kartenſpiel, Der eine wilde Nacht an einer Dirne Buſen.","norm":"Der, nach dem Schauspiel, hofft ein Kartenspiel, der eine wilde Nacht an einer Dirne Busen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":68,"orig":"Was plagt ihr armen Thoren viel, Zu ſolchem Zweck, die holden Muſen?","norm":"Was plagt ihr armen Toren viel, zu solchem Zweck, die holden Musen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":69,"orig":"Ich ſag’ euch, gebt nur mehr, und immer, immer mehr, So koͤnnt ihr euch vom Ziele nie verirren.","norm":"Ich sage Euch, gebt nur mehr, und immer, immer mehr, so könnt Ihr Euch vom Ziele nie verirren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":70,"orig":"Sucht nur die Menſchen zu verwirren, Sie zu befriedigen iſt ſchwer — — Was faͤllt euch an?","norm":"Sucht nur die Menschen zu verwirren, sie zu befriedigen ist schwer — — was fällt Euch an?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":71,"orig":"Entzuͤckung oder Schmerzen?","norm":"Entzückung oder Schmerzen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":72,"orig":"Geh hin und ſuch dir einen andern Knecht!","norm":"Gehe hin und such dir einen anderen Knecht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":73,"orig":"Der Dichter ſollte wohl das hoͤchſte Recht, Das Menſchenrecht, das ihm Natur vergoͤnnt, Um deinetwillen freventlich verſcherzen!","norm":"Der Dichter sollte wohl das höchste Recht, das Menschenrecht, das ihm Natur vergönnt, um deinetwillen freventlich verscherzen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":74,"orig":"Wodurch bewegt er alle Herzen?","norm":"Wodurch bewegt er alle Herzen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":75,"orig":"Wodurch beſiegt er jedes Element?","norm":"Wodurch besiegt er jedes Element?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":76,"orig":"Iſt es der Einklang nicht?","norm":"Ist es der Einklang nicht?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":77,"orig":"der aus dem Buſen dringt, Und in ſein Herz die Welt zuruͤcke ſchlingt.","norm":"der aus dem Busen dringt, und in sein Herz die Welt zurücke schlingt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":78,"orig":"Wenn die Natur des Fadens ew’ge Laͤnge, Gleichguͤltig drehend, auf die Spindel zwingt, Wenn aller Weſen unharmon’ſche Menge Verdrießlich durch einander klingt;","norm":"Wenn die Natur des Fadens ewige Länge, gleichgültig drehend, auf die Spindel zwingt, wenn aller Wesen unharmonische Menge verdrießlich durcheinander klingt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":79,"orig":"Wer theilt die fließend immer gleiche Reihe Belebend ab, daß ſie ſich rythmiſch regt?","norm":"Wer teilt die fließend immer gleiche Reihe belebend ab, dass sie sich rhythmisch regt?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":80,"orig":"Wer ruft das Einzelne zur allgemeinen Weihe?","norm":"Wer ruft das Einzelne zur allgemeinen Weihe?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":81,"orig":"Wo es in herrlichen Accorden ſchlaͤgt, Wer laͤßt den Sturm zu Leidenſchaften wuͤthen?","norm":"Wo es in herrlichen Akkorden schlägt, wer lässt den Sturm zu Leidenschaften wüten?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":82,"orig":"Das Abendroth im ernſten Sinne gluͤhn?","norm":"Das Abendrot im ernsten Sinne glühen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":83,"orig":"Wer ſchuͤttet alle ſchoͤnen Fruͤhlingsbluͤten Auf der Geliebten Pfade hin?","norm":"Wer schüttet alle schönen Frühlingsblüten auf der Geliebten Pfade hin?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":84,"orig":"Wer flicht die unbedeutend gruͤnen Blaͤtter Zum Ehrenkranz Verdienſten jeder Art?","norm":"Wer flicht die unbedeutend grünen Blätter zum Ehrenkranz Verdiensten jeder Art?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":85,"orig":"Wer ſichert den Olymp?","norm":"Wer sichert den Olymp?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":86,"orig":"vereinet Goͤtter?","norm":"vereinet Götter?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":87,"orig":"Des Menſchen Kraft im Dichter offenbart.","norm":"Des Menschen Kraft im Dichter offenbart."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":88,"orig":"So braucht ſie denn die ſchoͤnen Kraͤfte Und treibt die dicht’riſchen Geſchaͤfte, Wie man ein Liebesabenteuer treibt.","norm":"So braucht sie denn die schönen Kräfte und treibt die dichterischen Geschäfte, Wie man ein Liebesabenteuer treibt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":89,"orig":"Zufaͤllig naht man ſich, man fuͤhlt, man bleibt Und nach und nach wird man verflochten;","norm":"Zufällig naht man sich, man fühlt, man bleibt und nach und nach wird man verflochten;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":90,"orig":"Es waͤchſt das Gluͤck, dann wird es angefochten, Man iſt entzuͤckt, nun kommt der Schmerz heran, Und eh man ſich’s verſieht iſt’s eben ein Roman.","norm":"Es wächst das Glück, dann wird es angefochten, man ist entzückt, nun kommt der Schmerz heran, und ehe man sich es versieht ist es eben ein Roman."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":91,"orig":"Laßt uns auch ſo ein Schauſpiel geben!","norm":"Lasst uns auch so ein Schauspiel geben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":92,"orig":"Greift nur hinein ins volle Menſchenleben!","norm":"Greift nur hinein ins volle Menschenleben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":93,"orig":"Ein jeder lebt’s, nicht vielen iſt’s bekannt, Und wo ihr’s packt, da iſt’s intereſſant.","norm":"Ein jeder lebt es, nicht vielen ist es bekannt, und wo ihr es packt, da ist es interessant."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":94,"orig":"In bunten Bildern wenig Klarheit, Viel Irrthum und ein Fuͤnkchen Wahrheit, So wird der beſte Trank gebraut, Der alle Welt erquickt und auferbaut.","norm":"In bunten Bildern wenig Klarheit, viel Irrtum und ein Fünkchen Wahrheit, so wird der beste Trank gebraut, der alle Welt erquickt und auferbaut."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":95,"orig":"Dann ſammelt ſich der Jugend ſchoͤnſte Bluͤte Vor eurem Spiel und lauſcht der Offenbarung, Dann ſauget jedes zaͤrtliche Gemuͤthe Aus eurem Werk ſich melanchol’ſche Nahrung;","norm":"Dann sammelt sich der Jugend schönste Blüte vor eurem Spiel und lauscht der Offenbarung, dann sauget jedes zärtliche Gemüte aus eurem Werk sich melancholische Nahrung;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":96,"orig":"Dann wird bald dies bald jenes aufgeregt, Ein jeder ſieht was er im Herzen traͤgt.","norm":"Dann wird bald dies bald jenes aufgeregt, ein jeder sieht was er im Herzen trägt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":97,"orig":"Noch ſind ſie gleich bereit zu weinen und zu lachen, Sie ehren noch den Schwung, erfreuen ſich am Schein;","norm":"Noch sind sie gleich bereit zu weinen und zu lachen, Sie ehren noch den Schwung, erfreuen sich am Schein;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":98,"orig":"Wer fertig iſt, dem iſt nichts recht zu machen, Ein Werdender wird immer dankbar ſeyn.","norm":"Wer fertig ist, dem ist nichts recht zu machen, ein werdender wird immer dankbar sein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":99,"orig":"So gieb mir auch die Zeiten wieder, Da ich noch ſelbſt im Werden war, Da ſich ein Quell gedraͤngter Lieder Ununterbrochen neu gebar, Da Nebel mir die Welt verhuͤllten, Die Knospe Wunder noch verſprach, Da ich die tauſend Blumen brach, Die alle Thaͤler reichlich fuͤllten.","norm":"So gib mir auch die Zeiten wieder, da ich noch selbst im Werden war, da sich ein Quell gedrängter Lieder ununterbrochen neu gebar, da Nebel mir die Welt verhüllten, die Knospe Wunder noch versprach, da ich die tausend Blumen brach, die alle Täler reichlich füllten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":100,"orig":"Ich hatte nichts und doch genug, Den Drang nach Wahrheit und die Luſt am Trug.","norm":"Ich hatte nichts und doch genug, den Drang nach Wahrheit und die Lust am Trug."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":101,"orig":"Gieb ungebaͤndigt jene Triebe, Das tiefe ſchmerzenvolle Gluͤck, Des Haffes Kraft, die Macht der Liebe, Gieb meine Jugend mir zuruͤck!","norm":"Gib ungebändigt jene Triebe, das tiefe schmerzenvolle Glück, des Hasses Kraft, die Macht der Liebe, Gib meine Jugend mir zurück!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":102,"orig":"Der Jugend, guter Freund, bedarfſt du allenfalls Wenn dich in Schlachten Feinde draͤngen, Wenn mit Gewalt an deinen Hals Sich allerliebſte Maͤdchen haͤngen, Wenn fern des ſchnellen Laufes Kranz Vom ſchwer erreichten Ziele winket, Wenn nach dem heftgen Wirbeltanz Die Naͤchte ſchmauſend man vertrinket.","norm":"Der Jugend, guter Freund, bedarfst du allenfalls Wenn dich in Schlachten Feinde drängen, wenn mit Gewalt an deinen Hals sich allerliebste Mädchen hängen, wenn fern des schnellen Laufes Kranz vom schwer erreichten Ziele winket, wenn nach dem heftigen Wirbeltanz die Nächte schmausend man vertrinket."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":103,"orig":"Doch ins bekannte Saitenſpiel Mit Muth und Anmuth einzugreifen, Nach einem ſelbgeſteckten Ziel Mit holdem Irren hinzuſchweifen, Das, alte Herrn, iſt eure Pflicht, Und wir verehren euch darum nicht minder.","norm":"Doch ins bekannte Saitenspiel mit Mut und Anmut einzugreifen, nach einem selbstgesteckten Ziel mit holdem Irren hinzuschweifen, das, alte Herrn, ist eure Pflicht, und wir verehren euch darum nicht minder."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":104,"orig":"Das Alter macht nicht kindiſch, wie man ſpricht, Es findet uns nur noch als wahre Kinder.","norm":"Das Alter macht nicht kindisch, wie man spricht, es findet uns nur noch als wahre Kinder."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":105,"orig":"Der Worte ſind genug gewechſelt, Laßt mich auch endlich Thaten ſehn;","norm":"Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich auch endlich Taten sehen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":106,"orig":"Indeß ihr Complimente drechſelt, Kann etwas nuͤtzliches geſchehn.","norm":"Indes ihr Komplimente drechselt, kann etwas Nützliches geschehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":107,"orig":"Was hilft es viel von Stimmung reden?","norm":"Was hilft es viel von Stimmung reden?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":108,"orig":"Dem Zaudernden erſcheint ſie nie.","norm":"Dem Zaudernden erscheint sie nie."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":109,"orig":"Gebt ihr euch einmal fuͤr Poeten, So kommandirt die Poeſie.","norm":"Gebt ihr euch einmal für Poeten, so kommandiert die Poesie."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":110,"orig":"Euch iſt bekannt was wir beduͤrfen, Wir wollen ſtark Getraͤnke ſchluͤrfen;","norm":"Euch ist bekannt was wir bedürfen, wir wollen stark Getränke schlürfen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":111,"orig":"Nun braut mir unverzuͤglich dran!","norm":"Nun braut mir unverzüglich dran!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":112,"orig":"Was heute nicht geſchieht, iſt Morgen nicht gethan, Und keinen Tag ſoll man verpaſſen, Das Moͤgliche ſoll der Entſchluß Beherzt ſogleich beym Schopfe faſſen, Er will es dann nicht fahren laſſen, Und wirket weiter, weil er muß.","norm":"Was heute nicht geschieht, ist Morgen nicht getan, und keinen Tag soll man verpassen, das mögliche soll der Entschluss beherzt sogleich beim Schopfe fassen, er will es dann nicht fahren lassen, und wirket weiter, weil er muss."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":113,"orig":"Ihr wißt, auf unſern deutſchen Buͤhnen Probirt ein jeder was er mag;","norm":"Ihr wisst, auf unseren deutschen Bühnen probiert ein jeder was er mag;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":114,"orig":"Drum ſchonet mir an dieſem Tag Proſpecte nicht und nicht Maſchinen.","norm":"Darum schonet mir an diesem Tag Prospekte nicht und nicht Maschinen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":115,"orig":"Gebraucht das groß’ und kleine Himmelslicht, Die Sterne duͤrfet ihr verſchwenden;","norm":"Gebraucht das große und kleine Himmelslicht, die Sterne dürfet ihr verschwenden;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":116,"orig":"An Waſſer, Feuer, Felſenwaͤnden, An Thier und Voͤgeln fehlt es nicht.","norm":"An Wasser, Feuer, Felsenwänden, an Tier und Vögeln fehlt es nicht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":117,"orig":"So ſchreitet in dem engen Breterhaus Den ganzen Kreis der Schoͤpfung aus, Und wandelt, mit bedaͤchtger Schnelle, Vom Himmel, durch die Welt, zur Hoͤlle.","norm":"So schreitet in dem engen Bretterhaus den ganzen Kreis der Schöpfung aus, und wandelt, mit bedächtiger Schnelle, vom Himmel, durch die Welt, zur Hölle."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":118,"orig":"Die Sonne toͤnt, nach alter Weiſe, In Bruderſphaͤren Wettgeſang, Und ihre vorgeſchriebne Reiſe Vollendet ſie mit Donnergang.","norm":"Die Sonne tönt, nach alter Weise, in Brudersphären Wettgesang, und ihre vorgeschriebene Reise vollendet sie mit Donnergang."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":119,"orig":"Ihr Anblick giebt den Engeln Staͤrke, Wenn keiner ſie ergruͤnden mag.","norm":"Ihr Anblick gibt den Engeln Stärke, wenn keiner sie ergründen mag."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":120,"orig":"Die unbegreiflich hohen Werke Sind herrlich wie am erſten Tag.","norm":"Die unbegreiflich hohen Werke sind herrlich wie am ersten Tag."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":121,"orig":"Und ſchnell und unbegreiflich ſchnelle Dreht ſich umher der Erde Pracht;","norm":"Und schnell und unbegreiflich schnelle dreht sich umher der Erde Pracht;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":122,"orig":"Es wechſelt Paradieſes-Helle Mit tiefer ſchauervoller Nacht;","norm":"Es wechselt Paradieshelle mit tiefer schauervoller Nacht;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":123,"orig":"Es ſchaͤumt das Meer in breiten Fluͤſſen Am tiefen Grund der Felſen auf, Und Fels und Meer wird fortgeriſſen In ewig ſchnellem Sphaͤrenlauf.","norm":"Es schäumt das Meer in breiten Flüssen am tiefen Grund der Felsen auf, und Fels und Meer wird fortgerissen in ewig schnellem Sphärenlauf."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":124,"orig":"Und Stuͤrme brauſen um die Wette Vom Meer aufs Land vom Land aufs Meer, Und bilden wuͤthend eine Kette Der tiefſten Wirkung rings umher.","norm":"Und Stürme brausen um die Wette vom Meer aufs Land vom Land aufs Meer, und bilden wütend eine Kette der tiefsten Wirkung rings umher."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":125,"orig":"Da flammt ein blitzendes Verheeren Dem Pfade vor des Donnerſchlags.","norm":"Da flammt ein blitzendes Verheeren dem Pfade vor des Donnerschlags."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":126,"orig":"Doch deine Boten, Herr, verehren Das ſanfte Wandeln deines Tags.","norm":"Doch deine Boten, Herr, verehren das sanfte Wandeln deines Tags."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":127,"orig":"Der Anblick giebt den Engeln Staͤrke Da keiner dich ergruͤnden mag, Und alle deine hohen Werke Sind herrlich wie am erſten Tag.","norm":"Der Anblick gibt den Engeln Stärke da keiner dich ergründen mag, und alle deine hohen Werke sind herrlich wie am ersten Tag."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":128,"orig":"Da du, o Herr, dich einmal wieder nahſt Und fragſt wie alles ſich bey uns befinde, Und du mich ſonſt gewoͤhnlich gerne ſahſt;","norm":"Da du, o Herr, dich einmal wieder nahst und fragst wie alles sich bei uns befinde, und du mich sonst gewöhnlich gerne sahst;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":129,"orig":"So ſiehſt du mich auch unter dem Geſinde.","norm":"So siehst du mich auch unter dem Gesinde."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":130,"orig":"Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen, Und wenn mich auch der ganze Kreis verhoͤhnt;","norm":"Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen, und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":131,"orig":"Mein Pathos braͤchte dich gewiß zum lachen, Haͤttſt du dir nicht das Lachen abgewoͤhnt.","norm":"Mein Pathos brächte dich gewiss zum Lachen, hättest du dir nicht das Lachen abgewöhnt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":132,"orig":"Von Sonn’ und Welten weiß ich nichts zu ſagen, Ich ſehe nur wie ſich die Menſchen plagen.","norm":"Von Sonne und Welten weiß ich nichts zu sagen, Ich sehe nur wie sich die Menschen plagen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":133,"orig":"Der kleine Gott der Welt bleibt ſtets von gleichem Schlag, Und iſt ſo wunderlich als wie am erſten Tag.","norm":"Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag, und ist so wunderlich als wie am ersten Tag."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":134,"orig":"Ein wenig beſſer wuͤrd’ er leben, Haͤttſt du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;","norm":"Ein wenig besser würde er leben, hättest du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":135,"orig":"Er nennts Vernunft und braucht’s allein Nur thieriſcher als jedes Thier zu ſeyn.","norm":"Er nennt es Vernunft und braucht es allein Nur tierischer als jedes Tier zu sein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":136,"orig":"Er ſcheint mir, mit Verlaub von Ew. Gnaden, Wie eine der langbeinigen Cicaden, Die immer fliegt und fliegend ſpringt Und gleich im Gras ihr altes Liedchen ſingt;","norm":"Er scheint mir, mit Verlaub von Ew. Gnaden, wie eine der langbeinigen Zikaden, die immer fliegt und fliegend springt und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":137,"orig":"Und laͤg’ er nur noch immer in dem Graſe!","norm":"Und läge er nur noch immer in dem Grase!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":138,"orig":"In jeden Quark begraͤbt er ſeine Naſe.","norm":"In jeden Quark begräbt er seine Nase."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":139,"orig":"Haſt du mir weiter nichts zu ſagen?","norm":"Hast du mir weiter nichts zu sagen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":140,"orig":"Kommſt du nur immer anzuklagen?","norm":"Kommst du nur immer anzuklagen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":141,"orig":"Iſt auf der Erde ewig dir nichts recht?","norm":"Ist auf der Erde ewig dir nichts recht?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":142,"orig":"Nein Herr!","norm":"Nein Herr!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":143,"orig":"ich find’ es dort, wie immer, herzlich ſchlecht.","norm":"ich finde es dort, wie immer, herzlich schlecht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":144,"orig":"Die Menſchen dauern mich in ihren Jammertagen, Ich mag ſogar die Armen ſelbſt nicht plagen.","norm":"Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen, Ich mag sogar die Armen selbst nicht plagen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":145,"orig":"Kennſt du den Fauſt?","norm":"Kennst du den Faust?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":146,"orig":"Den Doctor?","norm":"Den Doktor?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":147,"orig":"Meinen Knecht!","norm":"Meinen Knecht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":148,"orig":"Fuͤrwahr!","norm":"Fürwahr!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":149,"orig":"er dient euch auf beſondre Weiſe.","norm":"er dient Euch auf besondere Weise."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":150,"orig":"Nicht irdiſch iſt des Thoren Trank noch Speiſe.","norm":"Nicht irdisch ist des Toren Trank noch Speise."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":151,"orig":"Ihn treibt die Gaͤhrung in die Ferne, Er iſt ſich ſeiner Tollheit halb bewußt;","norm":"Ihn treibt die Gärung in die Ferne, er ist sich seiner Tollheit halb bewusst;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":152,"orig":"Vom Himmel fordert er die ſchoͤnſten Sterne, Und von der Erde jede hoͤchſte Luſt, Und alle Naͤh’ und alle Ferne Befriedigt nicht die tiefbewegte Bruſt.","norm":"Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne, und von der Erde jede höchste Lust, und alle Nähe und alle Ferne Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":153,"orig":"Wenn er mir jetzt auch nur verworren dient;","norm":"Wenn er mir jetzt auch nur verworren dient;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":154,"orig":"So werd’ ich ihn bald in die Klarheit fuͤhren.","norm":"So werde ich ihn bald in die Klarheit führen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":155,"orig":"Weiß doch der Gaͤrtner, wenn das Baͤumchen gruͤnt, Daß Bluͤt’ und Frucht die kuͤnft’gen Jahre zieren.","norm":"Weiß doch der Gärtner, wenn das Bäumchen grünt, dass Blüte und Frucht die künftigen Jahre zieren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":156,"orig":"Was wettet ihr?","norm":"Was wettet Ihr?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":157,"orig":"den ſollt ihr noch verlieren!","norm":"den sollt Ihr noch verlieren!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":158,"orig":"Wenn ihr mir die Erlaubniß gebt Ihn meine Straße ſacht zu fuͤhren.","norm":"Wenn Ihr mir die Erlaubnis gebt ihn meine Straße sacht zu führen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":159,"orig":"So lang’ er auf der Erde lebt, So lange ſey dir’s nicht verboten.","norm":"Solang er auf der Erde lebt, solange sei dir es nicht verboten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":160,"orig":"Es irrt der Menſch ſo lang er ſtrebt.","norm":"Es irrt der Mensch so lang er strebt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":161,"orig":"Da dank’ ich euch; denn mit den Todten Hab’ ich mich niemals gern befangen.","norm":"Da danke ich Euch; denn mit den Toten habe ich mich niemals gern befangen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":162,"orig":"An meiſten lieb’ ich mir die vollen friſchen Wangen.","norm":"An meisten liebe ich mir die vollen frischen Wangen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":163,"orig":"Fuͤr einen Leichnam bin ich nicht zu Haus;","norm":"Für einen Leichnam bin ich nicht zu Haus;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":164,"orig":"Mir geht es wie der Katze mit der Maus.","norm":"Mir geht es wie der Katze mit der Maus."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":165,"orig":"Nun gut, es ſey dir uͤberlaſſen!","norm":"Nun gut, es sei dir überlassen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":166,"orig":"Zieh dieſen Geiſt von ſeinem Urquell ab, Und fuͤhr’ ihn, kannſt du ihn erfaſſen, Auf deinem Wege mit herab, Und ſteh’ beſchaͤmt, wenn du bekennen mußt:","norm":"Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab, und führe ihn, kannst du ihn erfassen, auf deinem Wege mit herab, und stehe beschämt, wenn du bekennen musst:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":167,"orig":"Ein guter Menſch, in ſeinem dunkeln Drange, Iſt ſich des rechten Weges wohl bewußt.","norm":"Ein guter Mensch, in seinem dunklen Drange, ist sich des rechten Weges wohl bewusst."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":168,"orig":"Schon gut!","norm":"Schon gut!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":169,"orig":"nur dauert es nicht lange.","norm":"nur dauert es nicht lange."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":170,"orig":"Mir iſt fuͤr meine Wette gar nicht bange.","norm":"Mir ist für meine Wette gar nicht bange."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":171,"orig":"Wenn ich zu meinem Zweck gelange, Erlaubt ihr mir Triumph aus voller Bruſt.","norm":"Wenn ich zu meinem Zweck gelange, erlaubt Ihr mir Triumph aus voller Brust."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":172,"orig":"Staub ſoll er freſſen, und mit Luſt, Wie meine Muhme, die beruͤhmte Schlange.","norm":"Staub soll er fressen, und mit Lust, wie meine Muhme, die berühmte Schlange."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":173,"orig":"Du darfſt auch da nur frey erſcheinen;","norm":"Du darfst auch da nur frei erscheinen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":174,"orig":"Ich habe deines gleichen nie gehaßt.","norm":"Ich habe deinesgleichen nie gehasst."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":175,"orig":"Von allen Geiſtern die verneinen Iſt mir der Schalk am wenigſten zur Laſt.","norm":"Von allen Geistern die verneinen ist mir der Schalk am wenigsten zur Last."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":176,"orig":"Des Menſchen Thaͤtigkeit kann allzuleicht erſchlaffen, Er liebt ſich bald die unbedingte Ruh;","norm":"Des Menschen Tätigkeit kann allzu leicht erschlaffen, er liebt sich bald die unbedingte Ruhe;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":177,"orig":"Drum geb’ ich gern ihm den Geſellen zu, Der reizt und wirkt, und muß, als Teufel, ſchaffen.","norm":"Darum gebe ich gern ihm den Gesellen zu, der reizt und wirkt, und muss, als Teufel, schaffen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":178,"orig":"Doch ihr, die aͤchten Goͤtterſoͤhne, Erfreut euch der lebendig reichen Schoͤne!","norm":"Doch ihr, die echten Göttersöhne, erfreut euch der lebendig reichen Schöne!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":179,"orig":"Das Werdende, das ewig wirkt und lebt, Umfaß’ euch mit der Liebe holden Schranken, Und was in ſchwankender Erſcheinung ſchwebt, Befeſtiget mit dauernden Gedanken.","norm":"Das Werdende, das ewig wirkt und lebt, umfasst euch mit der Liebe holden Schranken, und was in schwankender Erscheinung schwebt, Befestiget mit dauernden Gedanken."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":180,"orig":"Von Zeit zu Zeit ſeh’ ich den Alten gern, Und huͤte mich mit ihm zu brechen.","norm":"Von Zeit zu Zeit sehe ich den Alten gern, und hüte mich mit ihm zu brechen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":181,"orig":"Es iſt gar huͤbſch von einem großen Herrn So menſchlich mit dem Teufel ſelbſt zu ſprechen.","norm":"Es ist gar hübsch von einem großen Herrn So menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":182,"orig":"Habe nun, ach!","norm":"Habe nun, ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":183,"orig":"Philoſophie, Juriſterey und Medicin, Und leider auch Theologie!","norm":"Philosophie, Juristerei und Medizin, und leider auch Theologie!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":184,"orig":"Durchaus ſtudirt, mit heißem Bemuͤhn.","norm":"Durchaus studiert, mit heißem Bemühen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":185,"orig":"Da ſteh’ ich nun, ich armer Thor!","norm":"Da stehe ich nun, ich armer Tor!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":186,"orig":"Und bin ſo klug als wie zuvor;","norm":"Und bin so klug als wie zuvor;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":187,"orig":"Heiße Magiſter, heiße Doctor gar, Und ziehe ſchon an die zehen Jahr, Herauf, herab und quer und krumm, Meine Schuͤler an der Naſe herum — Und ſehe, daß wir nichts wiſſen koͤnnen!","norm":"Heiße Magister, heiße Doktor gar, und ziehe schon an die zehn Jahr, Herauf, herab und quer und krumm, Meine Schüler an der Nase herum — und sehe, dass wir nichts wissen können!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":188,"orig":"Das will mir ſchier das Herz verbrennen.","norm":"Das will mir schier das Herz verbrennen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":189,"orig":"Zwar bin ich geſcheidter als alle die Laffen, Doctoren, Magiſter, Schreiber und Pfaffen;","norm":"Zwar bin ich gescheiter als alle die Laffen, Doktoren, Magister, Schreiber und Pfaffen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":190,"orig":"Mich plagen keine Scrupel noch Zweifel, Fuͤrchte mich weder vor Hoͤlle noch Teufel — Dafuͤr iſt mir auch alle Freud’ entriſſen, Bilde mir nicht ein was rechts zu wiſſen, Bilde mir nicht ein, ich koͤnnte was lehren, Die Menſchen zu beſſern und zu bekehren.","norm":"Mich plagen keine Skrupel noch Zweifel, Fürchte mich weder vor Hölle noch Teufel — dafür ist mir auch alle Freude entrissen, Bilde mir nicht ein was Rechts zu wissen, Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren, die Menschen zu besseren und zu bekehren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":191,"orig":"Auch hab’ ich weder Gut noch Geld, Noch Ehr’ und Herrlichkeit der Welt.","norm":"Auch habe ich weder Gut noch Geld, noch Ehre und Herrlichkeit der Welt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":192,"orig":"Es moͤchte kein Hund ſo laͤnger leben?","norm":"Es möchte kein Hund so länger leben?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":193,"orig":"Drum hab’ ich mich der Magie ergeben, Ob mir durch Geiſtes Kraft und Mund Nicht manch Geheimniß wuͤrde kund;","norm":"Darum habe ich mich der Magie ergeben, ob mir durch Geistes Kraft und Mund nicht manch Geheimnis würde kund;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":194,"orig":"Daß ich nicht mehr mit ſauerm Schweiß, Zu ſagen brauche, was ich nicht weiß;","norm":"Dass ich nicht mehr mit saurem Schweiß, zu sagen brauche, was ich nicht weiß;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":195,"orig":"Daß ich erkenne, was die Welt Im Innerſten zuſammenhaͤlt, Schau’ alle Wirkenskraft und Samen, Und thu’ nicht mehr in Worten kramen.","norm":"Dass ich erkenne, was die Welt im Innersten zusammenhält, Schau alle Wirkenskraft und Samen, und tue nicht mehr in Worten kramen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":196,"orig":"O ſaͤhſt du, voller Mondenſchein, Zum letztenmal auf meine Pein, Den ich ſo manche Mitternacht An dieſem Pult herangewacht:","norm":"O sähst du, voller Mondenschein, zum letzten Mal auf meine Pein, den ich so manche Mitternacht an diesem Pult herangewacht:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":197,"orig":"Dann uͤber Buͤchern und Papier, Truͤbſel’ger Freund, erſchienſt du mir!","norm":"Dann über Büchern und Papier, trübseliger Freund, erschienst du mir!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":198,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":199,"orig":"koͤnnt’ ich doch auf Berges-Hoͤh ’ n, In deinem lieben Lichte gehn, Um Bergeshoͤle mit Geiſtern ſchweben, Auf Wieſen in deinem Daͤmmer weben, Von allem Wiſſensqualm entladen, In deinem Thau geſund mich baden!","norm":"könnte ich doch auf Berges-Höh ’ n, in deinem lieben Lichte gehen, um Bergeshöhle mit Geistern schweben, auf Wiesen in deinem Dämmer weben, von allem Wissensqualm entladen, in deinem Tau gesund mich baden!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":200,"orig":"Weh!","norm":"Weh!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":201,"orig":"ſteck’ ich in dem Kerker noch?","norm":"Stecke ich in dem Kerker noch?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":202,"orig":"Verfluchtes, dumpfes Mauerloch!","norm":"Verfluchtes, dumpfes Mauerloch!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":203,"orig":"Wo ſelbſt das liebe Himmelslicht Truͤb’ durch gemahlte Scheiben bricht.","norm":"Wo selbst das liebe Himmelslicht Trübe durch gemalte Scheiben bricht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":204,"orig":"Beſchraͤnkt mit dieſem Buͤcherhauf, Den Wuͤrme nagen, Staub bedeckt, Den, bis an’s hohe Gewoͤlb’ hinauf, Ein angeraucht Papier umſteckt;","norm":"Beschränkt mit diesem Bücherhauf, den Würmer nagen, Staub bedeckt, den, bis ans hohe Gewölbe hinauf, ein angeraucht Papier umsteckt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":205,"orig":"Mit Glaͤſern, Buͤchſen rings umſtellt, Mit Inſtrumenten vollgepfropft, Urvaͤter Hausrath drein geſtopft — Das iſt deine Welt!","norm":"Mit Gläsern, Büchsen rings umstellt, mit Instrumenten vollgepfropft, Urväter Hausrat drein gestopft — das ist deine Welt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":206,"orig":"das heißt eine Welt!","norm":"das heißt eine Welt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":207,"orig":"Und fragſt du noch, warum dein Herz Sich bang’ in deinem Buſen klemmt?","norm":"Und fragst du noch, warum dein Herz sich bang in deinem Busen klemmt?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":208,"orig":"Warum ein unerklaͤrter Schmerz Dir alle Lebensregung hemmt?","norm":"Warum ein unerklärter Schmerz Dir alle Lebensregung hemmt?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":209,"orig":"Statt der lebendigen Natur, Da Gott die Menſchen ſchuf hinein, Umgiebt in Rauch und Moder nur Dich Thiergeripp’ und Todtenbein.","norm":"Statt der lebendigen Natur, da Gott die Menschen schuf hinein, umgibt in Rauch und Moder nur Dich Tiergerippe und Totenbein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":210,"orig":"Flieh!","norm":"Fliehe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":211,"orig":"auf!","norm":"auf!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":212,"orig":"hinaus ins weite Land!","norm":"hinaus ins weite Land!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":213,"orig":"Und dieß geheimnißvolle Buch, Von Noſtradamus eigner Hand, Iſt dir es nicht Geleit genug?","norm":"Und dies geheimnisvolle Buch, von Nostradamus eigener Hand, ist dir es nicht Geleit genug?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":214,"orig":"Erkenneſt dann der Sterne Lauf, Und wenn Natur dich unterweiſt, Dann geht die Seelenkraft dir auf, Wie ſpricht ein Geiſt zum andern Geiſt.","norm":"Erkennst dann der Sterne Lauf, und wenn Natur dich unterweist, dann geht die Seelenkraft dir auf, wie spricht ein Geist zum anderen Geist."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":215,"orig":"Umſonſt, daß trocknes Sinnen hier Die heil’gen Zeichen dir erklaͤrt, Ihr ſchwebt, ihr Geiſter, neben mir, Antwortet mir, wenn ihr mich hoͤrt!","norm":"Umsonst, dass trockenes Sinnen hier die heiligen Zeichen dir erklärt, Ihr schwebt, ihr Geister, neben mir, antwortet mir, wenn ihr mich hört!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":216,"orig":"Ha!","norm":"Ha!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":217,"orig":"welche Wonne fließt in dieſem Blick Auf einmal mir durch alle meine Sinnen!","norm":"welche Wonne fließt in diesem Blick auf einmal mir durch alle meine Sinnen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":218,"orig":"Ich fuͤhle junges, heil’ges Lebensgluͤck Neugluͤhend mir durch Nerv’ und Adern rinnen.","norm":"Ich fühle junges, heiliges Lebensglück Neuglühend mir durch Nerv und Adern rinnen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":219,"orig":"War es ein Gott, der dieſe Zeichen ſchrieb?","norm":"War es ein Gott, der diese Zeichen schrieb?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":220,"orig":"Die mir das innre Toben ſtillen, Das arme Herz mit Freude fuͤllen, Und mit geheimnißvollem Trieb, Die Kraͤfte der Natur rings um mich her enthuͤllen.","norm":"Die mir das innere Toben stillen, das arme Herz mit Freude füllen, und mit geheimnisvollem Trieb, die Kräfte der Natur rings um mich her enthüllen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":221,"orig":"Bin ich ein Gott?","norm":"Bin ich ein Gott?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":222,"orig":"Mir wird ſo licht!","norm":"Mir wird so licht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":223,"orig":"Ich ſchau’ in dieſen reinen Zuͤgen Die wirkende Natur vor meiner Seele liegen.","norm":"Ich schau in diesen reinen Zügen die wirkende Natur vor meiner Seele liegen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":224,"orig":"Jetzt erſt erkenn’ ich was der Weiſe ſpricht:“ Die Geiſterwelt iſt nicht verſchloſſen;“ Dein Sinn iſt zu, dein Herz iſt todt!","norm":"Jetzt erst erkenne ich was der Weise spricht:“ Die Geisterwelt ist nicht verschlossen;“ Dein Sinn ist zu, dein Herz ist tot!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":225,"orig":"“ Auf bade, Schuͤler, unverdroſſen,“ Die ird’ſche Bruſt im Morgenroth! ”","norm":"“ Auf bade, Schüler, unverdrossen,“ Die irdische Brust im Morgenrot! ”"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":226,"orig":"Wie alles ſich zum Ganzen webt, Eins in dem andern wirkt und lebt!","norm":"Wie alles sich zum Ganzen webt, Eins in dem anderen wirkt und lebt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":227,"orig":"Wie Himmelskraͤfte auf und nieder ſteigen Und ſich die goldnen Eimer reichen!","norm":"Wie Himmelskräfte auf und niedersteigen und sich die goldenen Eimer reichen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":228,"orig":"Mit ſegenduftenden Schwingen Vom Himmel durch die Erde dringen, Harmoniſch all’ das All durchklingen!","norm":"Mit segenduftenden Schwingen vom Himmel durch die Erde dringen, harmonisch all das All durchklingen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":229,"orig":"Welch Schauſpiel!","norm":"Welch Schauspiel!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":230,"orig":"aber ach!","norm":"Aber ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":231,"orig":"ein Schauſpiel nur!","norm":"ein Schauspiel nur!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":232,"orig":"Wo faß’ ich dich, unendliche Natur?","norm":"Wo fasse ich dich, unendliche Natur?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":233,"orig":"Euch Bruͤſte, wo?","norm":"Euch Brüste, wo?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":234,"orig":"Ihr Quellen alles Lebens, An denen Himmel und Erde haͤngt, Dahin die welke Bruſt ſich draͤngt — Ihr quellt, ihr traͤnkt, und ſchmacht’ ich ſo vergebens?","norm":"Ihr Quellen alles Lebens, an denen Himmel und Erde hängt, dahin die welke Brust sich drängt — Ihr quellt, ihr tränkt, und schmachte ich so vergebens?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":235,"orig":"Wie anders wirkt dieß Zeichen auf mich ein!","norm":"Wie anders wirkt dies Zeichen auf mich ein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":236,"orig":"Du, Geiſt der Erde, biſt mir naͤher;","norm":"Du, Geist der Erde, bist mir näher;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":237,"orig":"Schon fuͤhl’ ich meine Kraͤfte hoͤher, Schon gluͤh’ ich wie von neuem Wein, Ich fuͤhle Muth, mich in die Welt zu wagen, Der Erde Weh, der Erde Gluͤck zu tragen, Mit Stuͤrmen mich herumzuſchlagen, Und in des Schiffbruchs Knirſchen nicht zu zagen, Es woͤlkt ſich uͤber mir — Der Mond verbirgt ſein Licht — Die Lampe ſchwindet!","norm":"Schon fühle ich meine Kräfte höher, schon glühe ich wie von neuem Wein, Ich fühle Mut, mich in die Welt zu wagen, der Erde Weh, der Erde Glück zu tragen, mit Stürmen mich herumzuschlagen, und in des Schiffbruchs Knirschen nicht zu zagen, es wölkt sich über mir — der Mond verbirgt sein Licht — die Lampe schwindet!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":238,"orig":"Es dampft!","norm":"Es dampft!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":239,"orig":"— Es zucken rothe Strahlen Mir um das Haupt — Es weht Ein Schauer vom Gewoͤlb’ herab Und faßt mich an!","norm":"— Es zucken rote Strahlen mir um das Haupt — es weht ein Schauer vom Gewölbe herab und fasst mich an!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":240,"orig":"Ich fuͤhl’s, du ſchwebſt um mich, erflehter Geiſt.","norm":"Ich fühle es, du schwebst um mich, erflehter Geist."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":241,"orig":"Enthuͤlle dich!","norm":"Enthülle dich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":242,"orig":"Ha!","norm":"Ha!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":243,"orig":"wie’s in meinem Herzen reißt!","norm":"wie es in meinem Herzen reißt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":244,"orig":"Zu neuen Gefuͤhlen All’ meine Sinnen ſich erwuͤhlen!","norm":"Zu neuen Gefühlen All meine Sinnen sich erwühlen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":245,"orig":"Ich fuͤhle ganz mein Herz dir hingegeben!","norm":"Ich fühle ganz mein Herz dir hingegeben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":246,"orig":"Du mußt!","norm":"Du musst!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":247,"orig":"du mußt!","norm":"du musst!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":248,"orig":"und koſtet’ es mein Leben!","norm":"und kostete es mein Leben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":249,"orig":"Wer ruft mir?","norm":"Wer ruft mir?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":250,"orig":"Schreckliches Geſicht!","norm":"Schreckliches Gesicht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":251,"orig":"Du haſt mich maͤchtig angezogen, An meiner Sphaͤre lang’ geſogen, Und nun —","norm":"Du hast mich mächtig angezogen, an meiner Sphäre lange gesogen, und nun —"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":252,"orig":"Weh!","norm":"Weh!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":253,"orig":"ich ertrag’ dich nicht!","norm":"ich ertrage dich nicht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":254,"orig":"Du flehſt erathmend mich zu ſchauen, Meine Stimme zu hoͤren, mein Antlitz zu ſehn, Mich neigt dein maͤchtig Seelenflehn, Da bin ich!","norm":"Du flehst eratmend mich zu schauen, Meine Stimme zu hören, mein Antlitz zu sehen, mich neigt dein mächtig Seelenflehen, da bin ich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":255,"orig":"— Welch erbaͤrmlich Grauen Faßt Uebermenſchen dich!","norm":"— Welch erbärmlich Grauen fasst Übermenschen dich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":256,"orig":"Wo iſt der Seele Ruf?","norm":"Wo ist der Seele Ruf?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":257,"orig":"Wo iſt die Bruſt?","norm":"Wo ist die Brust?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":258,"orig":"die eine Welt in ſich erſchuf, Und trug und hegte; die mit Freudebeben Erſchwoll, ſich uns, den Geiſtern, gleich zu heben.","norm":"die eine Welt in sich erschuf, und trug und hegte; die mit Freudenbeben Erschwoll, sich uns, den Geistern, gleich zu heben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":259,"orig":"Wo biſt du, Fauſt?","norm":"Wo bist du, Faust?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":260,"orig":"deß Stimme mir erklang, Der ſich an mich mit allen Kraͤften drang?","norm":"dessen Stimme mir erklang, der sich an mich mit allen Kräften drang?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":261,"orig":"Biſt Du es?","norm":"Bist Du es?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":262,"orig":"der, von meinem Hauch umwittert, In allen Lebenstiefen zittert, Ein furchtſam weggekruͤmmter Wurm!","norm":"der, von meinem Hauch umwittert, in allen Lebenstiefen zittert, ein furchtsam weggekrümmter Wurm!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":263,"orig":"Soll ich dir, Flammenbildung, weichen?","norm":"Soll ich dir, Flammenbildung, weichen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":264,"orig":"Ich bin’s, bin Fauſt, bin deines gleichen!","norm":"Ich bin es, bin Faust, bin deinesgleichen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":265,"orig":"In Lebensfluthen, im Thatenſturm Wall’ ich auf und ab, Webe hin und her!","norm":"In Lebensfluten, im Tatensturm Walle ich auf und ab, Webe hin und her!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":266,"orig":"Geburt und Grab, Ein ewiges Meer, Ein wechſelnd Weben, Ein gluͤhend Leben, So ſchaff’ ich am ſauſenden Webſtuhl der Zeit, Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.","norm":"Geburt und Grab, ein ewiges Meer, ein wechselnd Weben, ein glühend Leben, so schaffe ich am sausenden Webstuhl der Zeit, und wirke der Gottheit lebendiges Kleid."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":267,"orig":"Der du die weite Welt umſchweifſt, Geſchaͤftiger Geiſt, wie nah fuͤhl’ ich mich dir!","norm":"Der du die weite Welt umschweifst, geschäftiger Geist, wie nah fühle ich mich dir!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":268,"orig":"Du gleichſt dem Geiſt, den du begreifſt, Nicht mir!","norm":"Du gleichst dem Geist, den du begreifst, nicht mir!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":269,"orig":"Nicht dir!","norm":"Nicht dir!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":270,"orig":"Wem denn?","norm":"Wem denn?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":271,"orig":"Ich Ebenbild der Gottheit!","norm":"Ich Ebenbild der Gottheit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":272,"orig":"Und nicht einmal dir!","norm":"Und nicht einmal dir!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":273,"orig":"O Tod!","norm":"O Tod!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":274,"orig":"ich kenn’s — das iſt mein Famulus — Es wird mein ſchoͤnſtes Gluͤck zu nichte!","norm":"ich kenne es — das ist mein Famulus — es wird mein schönstes Glück zunichte!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":275,"orig":"Daß dieſe Fuͤlle der Geſichte Der trockne Schleicher ſtoͤren muß!","norm":"Dass diese Fülle der Gesichte der trockne Schleicher stören muss!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":276,"orig":"Verzeiht!","norm":"Verzeiht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":277,"orig":"ich hoͤr’ euch declamiren;","norm":"ich höre Euch deklamieren;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":278,"orig":"Ihr laſ’t gewiß ein griechiſch Trauerſpiel?","norm":"Ihr lässt gewiss ein griechisch Trauerspiel?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":279,"orig":"In dieſer Kunſt moͤcht’ ich ’ was profitiren, Denn heut zu Tage wirkt das viel.","norm":"In dieser Kunst möchte ich ’ was profitieren, denn heutzutage wirkt das viel."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":280,"orig":"Ich hab’ es oͤfters ruͤhmen hoͤren, Ein Komoͤdiant koͤnnt’ einen Pfarrer lehren.","norm":"Ich habe es öfters rühmen hören, ein Komödiant könnte einen Pfarrer lehren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":281,"orig":"Ja, wenn der Pfarrer ein Komoͤdiant iſt;","norm":"Ja, wenn der Pfarrer ein Komödiant ist;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":282,"orig":"Wie das denn wohl zu Zeiten kommen mag.","norm":"Wie das denn wohl zu Zeiten kommen mag."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":283,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":284,"orig":"wenn man ſo in ſein Muſeum gebannt iſt, Und ſieht die Welt kaum einen Feyertag, Kaum durch ein Fernglas, nur von weiten, Wie ſoll man ſie durch Ueberredung leiten?","norm":"wenn man so in sein Museum gebannt ist, und sieht die Welt kaum einen Feiertag, kaum durch ein Fernglas, nur von weiten, wie soll man sie durch Überredung leiten?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":285,"orig":"Wenn ihr’s nicht fuͤhlt, ihr werdet’s nicht erjagen, Wenn es nicht aus der Seele dringt, Und mit urkraͤftigem Behagen Die Herzen aller Hoͤrer zwingt.","norm":"Wenn ihr es nicht fühlt, ihr werdet es nicht erjagen, wenn es nicht aus der Seele dringt, und mit urkräftigem Behagen die Herzen aller Hörer zwingt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":286,"orig":"Sitzt ihr nur immer!","norm":"Sitzt ihr nur immer!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":287,"orig":"leimt zuſammen, Braut ein Ragout von andrer Schmaus, Und blaſ’t die kuͤmmerlichen Flammen Aus eurem Aſchenhaͤufchen ’ raus!","norm":"Leimt zusammen, Braut ein Ragout von anderer Schmaus, und blast die kümmerlichen Flammen aus eurem Aschenhäufchen' raus!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":288,"orig":"Bewund’rung von Kindern und Affen, Wenn euch darnach der Gaumen ſteht;","norm":"Bewunderung von Kindern und Affen, wenn euch danach der Gaumen steht;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":289,"orig":"Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen ſchaffen, Wenn es euch nicht von Herzen geht.","norm":"Doch werdet ihr nie Herz zu Herzen schaffen, wenn es euch nicht von Herzen geht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":290,"orig":"Allein der Vortrag macht des Redners Gluͤck;","norm":"Allein der Vortrag macht des Redners Glück;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":291,"orig":"Ich fuͤhl’ es wohl, noch bin ich weit zuruͤck.","norm":"Ich fühle es wohl, noch bin ich weit zurück."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":292,"orig":"Such’ Er den redlichen Gewinn!","norm":"Suche er den redlichen Gewinn!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":293,"orig":"Sey er kein ſchellenlauter Thor!","norm":"Sei er kein schellenlauter Tor!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":294,"orig":"Es traͤgt Verſtand und rechter Sinn Mit wenig Kunſt ſich ſelber vor;","norm":"Es trägt Verstand und rechter Sinn mit wenig Kunst sich selber vor;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":295,"orig":"Und wenn’s euch Ernſt iſt was zu ſagen, Iſt’s noͤthig Worten nachzujagen?","norm":"Und wenn es euch Ernst ist was zu sagen, ist es nötig Worten nachzujagen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":296,"orig":"Ja, eure Reden, die ſo blinkend ſind, In denen ihr der Menſchheit Schnitzel kraͤuſelt, Sind unerquicklich wie der Nebelwind, Der herbſtlich durch die duͤrren Blaͤtter ſaͤuſelt!","norm":"Ja, eure Reden, die so blinkend sind, in denen ihr der Menschheit Schnitzel kräuselt, sind unerquicklich wie der Nebelwind, der herbstlich durch die dürren Blätter säuselt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":297,"orig":"Ach Gott!","norm":"Ach Gott!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":298,"orig":"die Kunſt iſt lang;","norm":"die Kunst ist lang;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":299,"orig":"Und kurz iſt unſer Leben.","norm":"Und kurz ist unser Leben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":300,"orig":"Mir wird, bey meinem kritiſchen Beſtreben, Doch oft um Kopf und Buſen bang’.","norm":"Mir wird, bei meinem kritischen Bestreben, doch oft um Kopf und Busen bang."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":301,"orig":"Wie ſchwer ſind nicht die Mittel zu erwerben, Durch die man zu den Quellen ſteigt!","norm":"Wie schwer sind nicht die Mittel zu erwerben, durch die man zu den Quellen steigt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":302,"orig":"Und eh’ man nur den halben Weg erreicht, Muß wohl ein armer Teufel ſterben.","norm":"Und ehe man nur den halben Weg erreicht, muss wohl ein armer Teufel sterben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":303,"orig":"Das Pergament, iſt das der heilge Bronnen, Woraus ein Trunk den Durſt auf ewig ſtillt?","norm":"Das Pergament, ist das der heilige Brunnen, woraus ein Trunk den Durst auf ewig stillt?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":304,"orig":"Erquickung haſt du nicht gewonnen, Wenn ſie dir nicht aus eigner Seele quillt.","norm":"Erquickung hast du nicht gewonnen, wenn sie dir nicht aus eigener Seele quillt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":305,"orig":"Verzeiht!","norm":"Verzeiht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":306,"orig":"es iſt ein groß Ergetzen, Sich in den Geiſt der Zeiten zu verſetzen;","norm":"es ist ein groß Ergötzen, sich in den Geist der Zeiten zu versetzen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":307,"orig":"Zu ſchauen, wie vor uns ein weiſer Mann gedacht, Und wie wir’s dann zuletzt ſo herrlich weit gebracht.","norm":"Zu schauen, wie vor uns ein weiser Mann gedacht, und wie wir es dann zuletzt so herrlich weit gebracht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":308,"orig":"O ja, bis an die Sterne weit!","norm":"O ja, bis an die Sterne weit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":309,"orig":"Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit Sind uns ein Buch mit ſieben Siegeln.","norm":"Mein Freund, die Zeiten der Vergangenheit sind uns ein Buch mit sieben Siegeln."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":310,"orig":"Was ihr den Geiſt der Zeiten heißt, Das iſt im Grund der Herren eigner Geiſt, In dem die Zeiten ſich beſpiegeln.","norm":"Was ihr den Geist der Zeiten heißt, das ist im Grund der Herren eigener Geist, in dem die Zeiten sich bespiegeln."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":311,"orig":"Da iſt’s dann wahrlich oft ein Jammer!","norm":"Da ist es dann wahrlich oft ein Jammer!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":312,"orig":"Man laͤuft euch bey dem erſten Blick davon.","norm":"Man läuft euch bei dem ersten Blick davon."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":313,"orig":"Ein Kehrichtfaß und eine Rumpelkammer, Und hoͤchſtens eine Haupt- und Staatsaction, Mit trefflichen, pragmatiſchen Maximen, Wie ſie den Puppen wohl im Munde ziemen!","norm":"Ein Kehrichtfass und eine Rumpelkammer, und höchstens eine Haupt- und Staatsaktion, mit trefflichen, pragmatischen Maximen, wie sie den Puppen wohl im Munde ziemen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":314,"orig":"Allein die Welt!","norm":"Allein die Welt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":315,"orig":"des Menſchen Herz und Geiſt!","norm":"des Menschen Herz und Geist!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":316,"orig":"Moͤcht’ jeglicher doch was davon erkennen.","norm":"Möchte jeglicher doch was davon erkennen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":317,"orig":"Ja was man ſo erkennen heißt!","norm":"Ja was man so erkennen heißt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":318,"orig":"Wer darf das Kind beym rechten Namen nennen?","norm":"Wer darf das Kind beim rechten Namen nennen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":319,"orig":"Die wenigen, die was davon erkannt, Die thoͤricht g’nug ihr volles Herz nicht wahrten, Dem Poͤbel ihr Gefuͤhl, ihr Schauen offenbarten, Hat man von je gekreutzigt und verbrannt.","norm":"Die wenigen, die was davon erkannt, die töricht genug ihr volles Herz nicht wahrten, dem Pöbel ihr Gefühl, ihr Schauen offenbarten, Hat man von je gekreuzigt und verbrannt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":320,"orig":"Ich bitt’ euch, Freund, es iſt tief in der Nacht, Wir muͤſſen’s dießmal unterbrechen.","norm":"Ich bitte Euch, Freund, es ist tief in der Nacht, wir müssen es diesmal unterbrechen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":321,"orig":"Ich haͤtte gern nur immer fortgewacht, Um ſo gelehrt mit euch mich zu beſprechen.","norm":"Ich hätte gern nur immer fortgewacht, um so gelehrt mit Euch mich zu besprechen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":322,"orig":"Doch Morgen, als am erſten Oſtertage, Erlaubt mir ein’ und andre Frage.","norm":"Doch Morgen, als am ersten Ostertage, erlaubt mir eine und andere Frage."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":323,"orig":"Mit Eifer hab’ ich mich der Studien befliſſen, Zwar weiß ich viel, doch moͤcht’ ich alles wiſſen.","norm":"Mit Eifer habe ich mich der Studien beflissen, zwar weiß ich viel, doch möchte ich alles wissen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":324,"orig":"Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung ſchwindet, Der immerfort an ſchalem Zeuge klebt, Mit gier’ger Hand nach Schaͤtzen graͤbt, Und froh iſt, wenn er Regenwuͤrmer findet!","norm":"Wie nur dem Kopf nicht alle Hoffnung schwindet, der immerfort an schalem Zeuge klebt, mit gieriger Hand nach Schätzen gräbt, und froh ist, wenn er Regenwürmer findet!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":325,"orig":"Darf eine ſolche Menſchenſtimme hier, Wo Geiſterfuͤlle mich umgab, ertoͤnen?","norm":"Darf eine solche Menschenstimme hier, wo Geisterfülle mich umgab, ertönen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":326,"orig":"Doch ach!","norm":"Doch ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":327,"orig":"fuͤr dießmal dank’ ich dir, Dem aͤrmlichſten von allen Erdenſoͤhnen.","norm":"für diesmal danke ich dir, dem ärmlichsten von allen Erdensöhnen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":328,"orig":"Du riſſeſt mich von der Verzweiflung los, Die mir die Sinne ſchon zerſtoͤren wollte.","norm":"Du rissest mich von der Verzweiflung los, die mir die Sinne schon zerstören wollte."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":329,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":330,"orig":"die Erſcheinung war ſo Rieſen-groß, Daß ich mich recht als Zwerg empfinden ſollte.","norm":"die Erscheinung war so Riesengroß, dass ich mich recht als Zwerg empfinden sollte."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":331,"orig":"Ich, Ebenbild der Gottheit, das ſich ſchon Ganz nah geduͤnkt dem Spiegel ew’ger Wahrheit, Sein ſelbſt genoß, in Himmelsglanz und Klarheit, Und abgeſtreift den Erdenſohn;","norm":"Ich, Ebenbild der Gottheit, das sich schon Ganz nah gedünkt dem Spiegel ewiger Wahrheit, Sein selbst genoss, in Himmelsglanz und Klarheit, und abgestreift den Erdensohn;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":332,"orig":"Ich, mehr als Cherub, deſſen freye Kraft Schon durch die Adern der Natur zu fließen Und, ſchaffend, Goͤtterleben zu genießen Sich ahndungsvoll vermaß, wie muß ich’s buͤßen!","norm":"Ich, mehr als Cherub, dessen freie Kraft schon durch die Adern der Natur zu fließen und, schaffend, Götterleben zu genießen sich ahnungsvoll vermass, wie muss ich es büßen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":333,"orig":"Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft.","norm":"Ein Donnerwort hat mich hinweggerafft."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":334,"orig":"Nicht darf ich dir zu gleichen mich vermeſſen.","norm":"Nicht darf ich dir zu gleichen mich vermessen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":335,"orig":"Hab’ ich die Kraft dich anzuziehn beſeſſen;","norm":"Habe ich die Kraft dich anzuziehen besessen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":336,"orig":"So hatt’ ich dich zu halten keine Kraft.","norm":"So hatte ich dich zu halten keine Kraft."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":337,"orig":"In jenem ſel’gen Augenblicke Ich fuͤhlte mich ſo klein, ſo groß, Du ſtießeſt grauſam mich zuruͤcke, Ins ungewiſſe Menſchenloos.","norm":"In jenem seligen Augenblicke Ich fühlte mich so klein, so groß, Du stießest grausam mich zurücke, ins ungewisse Menschenlos."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":338,"orig":"Wer lehret mich?","norm":"Wer lehrt mich?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":339,"orig":"was ſoll ich meiden?","norm":"was soll ich meiden?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":340,"orig":"Soll ich gehorchen jenem Drang?","norm":"Soll ich gehorchen jenem Drang?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":341,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":342,"orig":"unſre Thaten ſelbſt, ſo gut als unſre Leiden, Sie hemmen unſres Lebens Gang.","norm":"unsere Taten selbst, so gut als unsere Leiden, Sie hemmen unseres Lebens Gang."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":343,"orig":"Dem herrlichſten, was auch der Geiſt empfangen, Draͤngt immer fremd und fremder Stoff ſich an;","norm":"Dem Herrlichsten, was auch der Geist empfangen, drängt immer fremd und fremder Stoff sich an;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":344,"orig":"Wenn wir zum Guten dieſer Welt gelangen, Dann heißt das Beßre Trug und Wahn.","norm":"Wenn wir zum Guten dieser Welt gelangen, dann heißt das bessere Trug und Wahn."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":345,"orig":"Die uns das Leben gaben, herrliche Gefuͤhle Erſtarren in dem irdiſchen Gewuͤhle.","norm":"Die uns das Leben gaben, herrliche Gefühle Erstarren in dem irdischen Gewühle."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":346,"orig":"Wenn Phantaſie ſich ſonſt, mit kuͤhnem Flug, Und hoffnungsvoll zum Ewigen erweitert, So iſt ein kleiner Raum ihr nun genug, Wenn Gluͤck auf Gluͤck im Zeitenſtrudel ſcheitert.","norm":"Wenn Phantasie sich sonst, mit kühnem Flug, und hoffnungsvoll zum Ewigen erweitert, so ist ein kleiner Raum ihr nun genug, wenn Glück auf Glück im Zeitenstrudel scheitert."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":347,"orig":"Die Sorge niſtet gleich im tiefen Herzen, Dort wirket ſie geheime Schmerzen, Unruhig wiegt ſie ſich und ſtoͤret Luſt und Ruh;","norm":"Die Sorge nistet gleich im tiefen Herzen, dort wirket sie geheime Schmerzen, unruhig wiegt sie sich und störet Lust und Ruhe;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":348,"orig":"Sie deckt ſich ſtets mit neuen Masken zu, Sie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind erſcheinen, Als Feuer, Waſſer, Dolch und Gift;","norm":"Sie deckt sich stets mit neuen Masken zu, Sie mag als Haus und Hof, als Weib und Kind erscheinen, als Feuer, Wasser, Dolch und Gift;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":349,"orig":"Du bebſt vor allem was nicht trifft, Und was du nie verlierſt das mußt du ſtets beweinen.","norm":"Du bebst vor allem was nicht trifft, und was du nie verlierst das musst du stets beweinen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":350,"orig":"Den Goͤttern gleich’ ich nicht!","norm":"Den Göttern gleiche ich nicht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":351,"orig":"zu tief iſt es gefuͤhlt;","norm":"Zu tief ist es gefühlt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":352,"orig":"Dem Wurme gleich’ ich, der den Staub durchwuͤhlt;","norm":"Dem Wurme gleiche ich, der den Staub durchwühlt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":353,"orig":"Den, wie er ſich im Staube naͤhreud lebt, Des Wandrers Tritt vernichtet und begraͤbt.","norm":"Den, wie er sich im Staube nährend lebt, des Wanderers Tritt vernichtet und begräbt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":354,"orig":"Iſt es nicht Staub?","norm":"Ist es nicht Staub?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":355,"orig":"was dieſe hohe Wand, Aus hundert Faͤchern, mir verenget;","norm":"was diese hohe Wand, aus hundert Fächern, mir verenget;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":356,"orig":"Der Troͤdel, der mit tauſendfachem Tand, In dieſer Mottenwelt mich draͤnget?","norm":"Der Trödel, der mit tausendfachem Tand, in dieser Mottenwelt mich dränget?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":357,"orig":"Hier ſoll ich finden was mir fehlt?","norm":"Hier soll ich finden was mir fehlt?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":358,"orig":"Soll ich vielleicht in tauſend Buͤchern leſen, Daß uͤberall die Menſchen ſich gequaͤlt, Daß hie und da ein Gluͤcklicher geweſen?","norm":"Soll ich vielleicht in tausend Büchern lesen, dass überall die Menschen sich gequält, dass hie und da ein Glücklicher gewesen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":359,"orig":"— Was grinſeſt du mir hohler Schaͤdel her?","norm":"— Was grinsest du mir hohler Schädel her?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":360,"orig":"Als daß dein Hirn, wie meines, einſt verwirret, Den leichten Tag geſucht und in der Daͤmmrung ſchwer, Mit Luſt nach Wahrheit, jaͤmmerlich geirret.","norm":"Als dass dein Hirn, wie meines, einst verwirret, den leichten Tag gesucht und in der Dämmerung schwer, mit Lust nach Wahrheit, jämmerlich geirrt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":361,"orig":"Ihr Inſtrumente freylich, ſpottet mein, Mit Rad und Kaͤmmen, Walz’ und Buͤgel.","norm":"Ihr Instrumente freilich, spottet mein, mit Rad und Kämmen, Walze und Bügel."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":362,"orig":"Ich ſtand am Thor, ihr ſolltet Schluͤſſel ſeyn;","norm":"Ich stand am Tor, ihr solltet Schlüssel sein;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":363,"orig":"Zwar euer Bart iſt kraus, doch hebt ihr nicht die Riegel.","norm":"Zwar euer Bart ist kraus, doch hebt ihr nicht die Riegel."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":364,"orig":"Geheimnißvoll am lichten Tag Laͤßt ſich Natur des Schleyers nicht berauben, Und was ſie deinem Geiſt nicht offenbaren mag, Das zwingſt du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben.","norm":"Geheimnisvoll am lichten Tag lässt sich Natur des Schleiers nicht berauben, und was sie deinem Geist nicht offenbaren mag, das zwingst du ihr nicht ab mit Hebeln und mit Schrauben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":365,"orig":"Du alt Geraͤthe das ich nicht gebraucht, Du ſtehſt nur hier, weil dich mein Vater brauchte.","norm":"Du alt Geräte das ich nicht gebraucht, Du stehst nur hier, weil dich mein Vater brauchte."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":366,"orig":"Du alte Rolle, du wirſt angeraucht, So lang an dieſem Pult die truͤbe Lampe ſchmauchte.","norm":"Du alte Rolle, du wirst angeraucht, solang an diesem Pult die trübe Lampe schmauchte."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":367,"orig":"Weit beſſer haͤtt’ ich doch mein weniges verpraßt, Als mit dem wenigen belaſtet hier zu ſchwitzen!","norm":"Weit besser hätte ich doch mein weniges verprasst, als mit dem wenigen belastet hier zu schwitzen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":368,"orig":"Was du ererbt von deinen Vaͤtern haſt Erwirb es, um es zu beſitzen.","norm":"Was du ererbt von deinen Vätern hast Erwirb es, um es zu besitzen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":369,"orig":"Was man nicht nuͤtzt iſt eine ſchwere Laſt, Nur was der Augenblick erſchafft, das kann er nuͤtzen.","norm":"Was man nicht nützt ist eine schwere Last, nur was der Augenblick erschafft, das kann er nützen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":370,"orig":"Doch warum heftet ſich mein Blick auf jene Stelle?","norm":"Doch warum heftet sich mein Blick auf jene Stelle?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":371,"orig":"Iſt jenes Flaͤſchchen dort den Augen ein Magnet?","norm":"Ist jenes Fläschchen dort den Augen ein Magnet?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":372,"orig":"Warum wird mir auf einmal lieblich helle?","norm":"Warum wird mir auf einmal lieblich helle?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":373,"orig":"Als wenn im naͤcht’gen Wald uns Mondenglanz umweht.","norm":"Als wenn im Nächtigen Wald uns Mondglanz umweht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":374,"orig":"Ich gruͤße dich, du einzige Phiole!","norm":"Ich grüße dich, du einzige Phiole!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":375,"orig":"Die ich mit Andacht nun herunterhole, In dir verehr’ ich Menſchenwitz und Kunſt.","norm":"Die ich mit Andacht nun herunterhole, in dir verehre ich Menschenwitz und Kunst."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":376,"orig":"Du Inbegriff der holden Schlummerſaͤfte, Du Auszug aller toͤdlich feinen Kraͤfte, Erweiſe deinem Meiſter deine Gunſt!","norm":"Du Inbegriff der holden Schlummersäfte, Du Auszug aller tödlich feinen Kräfte, Erweise deinem Meister deine Gunst!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":377,"orig":"Ich ſehe dich, es wird der Schmerz gelindert, Ich faſſe dich, das Streben wird gemindert, Des Geiſtes Fluthſtrom ebbet nach und nach.","norm":"Ich sehe dich, es wird der Schmerz gelindert, Ich fasse dich, das Streben wird gemindert, des Geistes Flutstrom ebbet nach und nach."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":378,"orig":"Ins hohe Meer werd’ ich hinausgewieſen, Die Spiegelfluth erglaͤnzt zu meinen Fuͤßen, Zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag.","norm":"Ins hohe Meer werde ich hinausgewiesen, die Spiegelflut erglänzt zu meinen Füßen, zu neuen Ufern lockt ein neuer Tag."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":379,"orig":"Ein Feuerwagen ſchwebt, auf leichten Schwingen, An mich heran!","norm":"Ein Feuerwagen schwebt, auf leichten Schwingen, an mich heran!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":380,"orig":"Ich fuͤhle mich bereit Auf neuer Bahn den Aether zu durchdringen, Zu neuen Sphaͤren reiner Thaͤtigkeit.","norm":"Ich fühle mich bereit Auf neuer Bahn den Äther zu durchdringen, zu neuen Sphären reiner Tätigkeit."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":381,"orig":"Dieß hohe Leben, dieſe Goͤtterwonne!","norm":"Dies hohe Leben, diese Götterwonne!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":382,"orig":"Du, erſt noch Wurm, und die verdieneſt du?","norm":"Du, erst noch Wurm, und die verdienest du?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":383,"orig":"Ja, kehre nur der holden Erdenſonne Entſchloſſen deinen Ruͤcken zu!","norm":"Ja, kehre nur der holden Erdensonne entschlossen deinen Rücken zu!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":384,"orig":"Vermeſſe dich die Pforten aufzureißen, Vor denen jeder gern voruͤber ſchleicht.","norm":"Vermesse dich die Pforten aufzureißen, vor denen jeder gern vorüberschleicht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":385,"orig":"Hier iſt es Zeit durch Thaten zu beweiſen, Daß Mannes-Wuͤrde nicht der Goͤtterhoͤhe weicht, Vor jener dunkeln Hoͤhle nicht zu beben, In der ſich Phantaſie zu eigner Quaal verdammt, Nach jenem Durchgang hinzuſtreben, Um deſſen engen Mund die ganze Hoͤlle flammt;","norm":"Hier ist es Zeit durch Taten zu beweisen, dass Manneswürde nicht der Götterhöhe weicht, vor jener dunkeln Höhle nicht zu beben, in der sich Phantasie zu eigener Qual verdammt, nach jenem Durchgang hinzustreben, um dessen engen Mund die ganze Hölle flammt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":386,"orig":"Zu dieſem Schritt ſich heiter zu entſchließen Und, waͤr’ es mit Gefahr, ins Nichts dahin zu fließen.","norm":"Zu diesem Schritt sich heiter zu entschließen und, wäre es mit Gefahr, ins Nichts dahinzufließen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":387,"orig":"Nun komm herab, kryſtallne reine Schaale!","norm":"Nun komme herab, kristallene reine Schale!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":388,"orig":"Hervor aus deinem alten Futterale, An die ich viele Jahre nicht gedacht.","norm":"Hervor aus deinem alten Futterale, an die ich viele Jahre nicht gedacht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":389,"orig":"Du glaͤnzteſt bey der Vaͤter Freudenfeſte, Erheiterteſt die ernſten Gaͤſte, Wenn einer dich dem andern zugebracht.","norm":"Du glänztest bei der Väter Freudenfeste, erheitertest die ernsten Gäste, wenn einer dich dem anderen zugebracht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":390,"orig":"Der vielen Bilder kuͤnſtlich reiche Pracht, Des Trinkers Pflicht, ſie reimweis zu erklaͤren, Auf Einen Zug die Hoͤhlung auszuleeren, Erinnert mich an manche Jugend-Nacht, Ich werde jetzt dich keinem Nachbar reichen, Ich werde meinen Witz an deiner Kunſt nicht zeigen, Hier iſt ein Saft, der eilig trunken macht.","norm":"Der vielen Bilder künstlich reiche Pracht, des Trinkers Pflicht, sie reimweise zu erklären, auf Einen Zug die Höhlung auszuleeren, erinnert mich an manche Jugendnacht, Ich werde jetzt dich keinem Nachbar reichen, Ich werde meinen Witz an deiner Kunst nicht zeigen, hier ist ein Saft, der eilig trunken macht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":391,"orig":"Mit brauner Flut erfuͤllt er deine Hoͤhle.","norm":"Mit brauner Flut erfüllt er deine Höhle."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":392,"orig":"Den ich bereitet, den ich waͤhle, Der letzte Trunk ſey nun, mit ganzer Seele, Als feſtlich hoher Gruß, dem Morgen zugebracht!","norm":"Den ich bereitet, den ich wähle, der letzte Trunk sei nun, mit ganzer Seele, als festlich hoher Gruß, dem Morgen zugebracht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":393,"orig":"Chriſt iſt erſtanden!","norm":"Christ ist erstanden!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":394,"orig":"Freude dem Sterblichen, Den die verderblichen, Schleichenden, erblichen Maͤngel umwanden.","norm":"Freude dem Sterblichen, den die verderblichen, schleichenden, erblichen Mängel umwanden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":395,"orig":"Welch tiefes Summen, welch ein heller Ton, Zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde?","norm":"Welch tiefes Summen, welch ein heller Ton, zieht mit Gewalt das Glas von meinem Munde?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":396,"orig":"Verkuͤndiget ihr dumpfen Glocken ſchon Des Oſterfeſtes erſte Feyerſtunde?","norm":"Verkündigt ihr dumpfen Glocken schon des Osterfestes erste Feierstunde?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":397,"orig":"Ihr Choͤre ſingt ihr ſchon den troͤſtlichen Geſang?","norm":"Ihr Chöre singt ihr schon den tröstlichen Gesang?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":398,"orig":"Der einſt, um Grabes Nacht, von Engelslippen klang, Gewißheit einem neuen Bunde.","norm":"Der einst, um Grabes Nacht, von Engelslippen klang, Gewissheit einem neuen Bunde."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":399,"orig":"Mi Spezereyen Hatten wir ihn gepflegt, Wir ſeine Treuen Hatten ihn hingelegt;","norm":"Mi Spezereien hatten wir ihn gepflegt, wir seine Treuen Hatten ihn hingelegt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":400,"orig":"Tuͤcher und Binden Reinlich umwanden wir, Ach!","norm":"Tücher und Binden reinlich umwanden wir, Ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":401,"orig":"und wir finden Chriſt nicht mehr hier.","norm":"und wir finden Christ nicht mehr hier."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":402,"orig":"Chriſt iſt erſtanden!","norm":"Christ ist erstanden!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":403,"orig":"Selig der Liebende, Der die Betruͤbende, Heilſam’ und uͤbende Pruͤfung beſtanden.","norm":"Selig der Liebende, der die Betrübende, heilsame und übende Prüfung bestanden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":404,"orig":"Was ſucht ihr, maͤchtig und gelind, Ihr Himmelstoͤne mich am Staube?","norm":"Was sucht ihr, mächtig und gelind, Ihr Himmelstöne mich am Staube?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":405,"orig":"Klingt dort umher, wo weiche Menſchen ſind.","norm":"Klingt dort umher, wo weiche Menschen sind."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":406,"orig":"Die Votſchaft hoͤr’ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube Das Wunder iſt des Glaubens liebſtes Kind.","norm":"Die Botschaft höre ich wohl, allein mir fehlt der Glaube das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":407,"orig":"Zu jenen Sphaͤren wag’ ich nicht zu ſtreben, Woher die holde Nachricht toͤnt;","norm":"Zu jenen Sphären wage ich nicht zu streben, woher die holde Nachricht tönt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":408,"orig":"Und doch, an dieſen Klang von Jugend auf gewoͤhnt, Ruft er auch jetzt zuruͤck mich in das Leben.","norm":"Und doch, an diesen Klang von Jugend auf gewöhnt, ruft er auch jetzt zurück mich in das Leben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":409,"orig":"Sonſt ſtuͤrzte ſich der Himmels-Liebe Kuß Auf mich herab, in ernſter Sabathſtille;","norm":"Sonst stürzte sich der Himmelsliebe Kuss auf mich herab, in ernster Sabbatstille;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":410,"orig":"Da klang ſo ahndungsvoll des Glockentones Fuͤlle, Und ein Gebet war bruͤnſtiger Genuß;","norm":"Da klang so ahnungsvoll des Glockentones Fülle, und ein Gebet war brünstiger Genuss;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":411,"orig":"Ein unbegreiflich holdes Sehnen Trieb mich durch Wald und Wieſen hinzugehn, Und unter tauſend heißen Thraͤnen, Fuͤhlt’ ich mir eine Welt entſtehn.","norm":"Ein unbegreiflich holdes Sehnen Trieb mich durch Wald und Wiesen hinzugehen, und unter tausend heißen Tränen, fühlte ich mir eine Welt entstehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":412,"orig":"Dieß Lied verkuͤndete der Jugend muntre Spiele, Der Fruͤhlingsfeyer freyes Gluͤck;","norm":"Dies Lied verkündete der Jugend muntere Spiele, der Frühlingsfeier freies Glück;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":413,"orig":"Erinnrung haͤlt mich nun, mit kindlichem Gefuͤhle, Vom letzten, ernſten Schritt zuruͤck.","norm":"Erinnerung hält mich nun, mit kindlichem Gefühle, vom letzten, ernsten Schritt zurück."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":414,"orig":"O!","norm":"O!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":415,"orig":"toͤnet fort, ihr ſuͤßen Himmelslieder!","norm":"tönet fort, ihr süßen Himmelslieder!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":416,"orig":"Die Thraͤne quillt, die Erde hat mich wieder!","norm":"Die Träne quillt, die Erde hat mich wieder!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":417,"orig":"Hat der Begrabene Schon ſich nach oben, Lebend Erhabene, Herrlich erhoben Iſt er in Werdeluſt Schaffender Freude nah;","norm":"Hat der Begrabene Schon sich nach oben, lebend erhabene, herrlich erhoben ist er in Werdelust schaffender Freude nah;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":418,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":419,"orig":"an der Erde Bruſt, Sind wir zum Leide da.","norm":"an der Erde Brust, sind wir zum Leide da."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":420,"orig":"Ließ er die Seinen Schmachtend uns hier zuruͤck;","norm":"Ließ er die Seinen schmachtend uns hier zurück;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":421,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":422,"orig":"wir beweinen Meiſter dein Gluͤck!","norm":"wir beweinen Meister dein Glück!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":423,"orig":"Chriſt iſt erſtanden, Aus der Verweſung Schoos.","norm":"Christ ist erstanden, aus der Verwesung Schoß."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":424,"orig":"Reißet von Banden Freudig euch los!","norm":"Reißet von Banden freudig euch los!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":425,"orig":"Thaͤtig ihn preiſenden, Liebe beweiſenden, Bruͤderlich ſpeiſenden, Predigend reiſenden, Wonne verheißenden Euch iſt der Meiſter nah’, Euch iſt er da!","norm":"Tätig ihn Preisenden, Liebe beweisenden, brüderlich speisenden, predigend Reisenden, Wonne Verheißenden Euch ist der Meister nah, Euch ist er da!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":426,"orig":"Warum denn dort hinaus?","norm":"Warum denn dort hinaus?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":427,"orig":"Wir gehn hinaus auf’s Jaͤgerhaus.","norm":"Wir gehen hinaus aufs Jägerhaus."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":428,"orig":"Wir aber wollen nach der Muͤhle wandern.","norm":"Wir aber wollen nach der Mühle wandern."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":429,"orig":"Ich rath’ euch nach dem Waſſerhof zu gehn.","norm":"Ich rate euch nach dem Wasserhof zu gehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":430,"orig":"Der Weg dahin iſt gar nicht ſchoͤn.","norm":"Der Weg dahin ist gar nicht schön."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":431,"orig":"Was thuſt denn du?","norm":"Was tust denn du?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":432,"orig":"Ich gehe mit den andern.","norm":"Ich gehe mit den anderen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":433,"orig":"Nach Burgdorf kommt herauf, gewiß dort findet ihr Die ſchoͤnſten Maͤdchen und das beſte Bier, Und Haͤndel von der erſten Sorte.","norm":"Nach Burgdorf kommt herauf, gewiss dort findet ihr Die schönsten Mädchen und das beste Bier, und Händel von der ersten Sorte."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":434,"orig":"Du uͤberluſtiger Geſell, Juckt dich zum drittenmal das Fell?","norm":"Du überlustiger Gesell, Juckt dich zum dritten Male das Fell?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":435,"orig":"Ich mag nicht hin, mir graut es vor dem Orte.","norm":"Ich mag nicht hin, mir graut es vor dem Orte."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":436,"orig":"Nein, nein!","norm":"Nein, nein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":437,"orig":"ich gehe nach der Stadt zuruͤck.","norm":"ich gehe nach der Stadt zurück."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":438,"orig":"Wir finden ihn gewiß bey jenen Pappeln ſtehen.","norm":"Wir finden ihn gewiss bei jenen Pappeln stehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":439,"orig":"Das iſt fuͤr mich kein großes Gluͤck;","norm":"Das ist für mich kein großes Glück;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":440,"orig":"Er wird an deiner Seite gehen, Mit dir nur tanzt er auf dem Plan.","norm":"Er wird an deiner Seite gehen, mit dir nur tanzt er auf dem Plan."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":441,"orig":"Was gehn mich deine Freuden an!","norm":"Was gehen mich deine Freuden an!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":442,"orig":"Heut iſt er ſicher nicht allein, Der Krauskopf, ſagt er, wuͤrde bey ihm ſeyn.","norm":"Heute ist er sicher nicht allein, der Krauskopf, sagt er, würde bei ihm sein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":443,"orig":"Blitz wie die wackern Dirnen ſchreiten!","norm":"Blitz wie die wackeren Dirnen schreiten!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":444,"orig":"Herr Bruder komm!","norm":"Herr Bruder komme!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":445,"orig":"wir muͤſſen ſie begleiten.","norm":"wir müssen sie begleiten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":446,"orig":"Ein ſtarkes Bier, ein beizender Toback, Und eine Magd im Putz das iſt nun mein Geſchmack.","norm":"Ein starkes Bier, ein beizender Tabak, und eine Magd im Putz das ist nun mein Geschmack."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":447,"orig":"Da ſieh mir nur die ſchoͤnen Knaben!","norm":"Da sieh mir nur die schönen Knaben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":448,"orig":"Es iſt wahrhaftig eine Schmach, Geſellſchaft koͤnnten ſie die allerbeſte haben, Und lauſen dieſen Maͤgden nach!","norm":"Es ist wahrhaftig eine Schmach, Gesellschaft könnten sie die allerbeste haben, und lausen diesen Mägden nach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":449,"orig":"Nicht ſo geſchwind!","norm":"Nicht so geschwind!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":450,"orig":"dort hinten kommen zwey, Sie ſind gar niedlich angezogen, ’ s iſt meine Nachbarin dabey;","norm":"dort hinten kommen zwei, Sie sind gar niedlich angezogen,' s ist meine Nachbarin dabei;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":451,"orig":"Ich bin dem Maͤdchen ſehr gewogen.","norm":"Ich bin dem Mädchen sehr gewogen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":452,"orig":"Sie gehen ihren ſtillen Schritt Und nehmen uns doch auch am Ende mit.","norm":"Sie gehen ihren stillen Schritt und nehmen uns doch auch am Ende mit."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":453,"orig":"Herr Bruder nein!","norm":"Herr Bruder nein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":454,"orig":"Ich bin nicht gern genirt.","norm":"Ich bin nicht gern geniert."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":455,"orig":"Geſchwind!","norm":"Geschwind!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":456,"orig":"daß wir das Wildpret nicht verlieren.","norm":"dass wir das Wildbret nicht verlieren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":457,"orig":"Die Hand, die Samſtags ihren Beſen fuͤhrt, Wird Sontags dich am beſten careſſiren.","norm":"Die Hand, die samstags ihren Besen führt, wird sonntags dich am besten karessieren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":458,"orig":"Nein, er gefaͤllt mir nicht der neue Burgemeiſter!","norm":"Nein, er gefällt mir nicht der neue Burgemeister!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":459,"orig":"Nun, da er’s iſt, wird er nur taͤglich dreiſter.","norm":"Nun, da er das ist, wird er nur täglich dreister."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":460,"orig":"Und fuͤr die Stadt was thut denn er?","norm":"Und für die Stadt was tut denn er?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":461,"orig":"Wird es nicht alle Tage ſchlimmer?","norm":"Wird es nicht alle Tage schlimmer?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":462,"orig":"Gehorchen ſoll man mehr als immer, Und zahlen mehr als je vorher.","norm":"Gehorchen soll man mehr als immer, und zahlen mehr als je vorher."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":463,"orig":"Ihr guten Herrn, ihr ſchoͤnen Frauen, So wohlgeputzt und backenroth, Belieb’ es euch mich anzuſchauen, Und ſeht und mildert meine Noth!","norm":"Ihr guten Herrn, ihr schönen Frauen, so wohlgeputzt und backenrot, Beliebe es euch mich anzuschauen, und seht und mildert meine Not!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":464,"orig":"Laßt hier mich nicht vergebens leyern!","norm":"Lasst hier mich nicht vergebens leiern!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":465,"orig":"Nur der iſt froh, der geben mag.","norm":"Nur der ist froh, der geben mag."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":466,"orig":"Ein Tag den alle Menſchen ſeyern, Er ſey fuͤr mich ein Aerndetag.","norm":"Ein Tag den alle Menschen feiern, er sei für mich ein Erntetag."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":467,"orig":"Nichts beſſers weiß ich mir an Sonn- und Feyertagen, Als ein Geſpraͤch von Krieg und Kriegsgeſchrey, Wenn hinten, weit, in der Tuͤrkey, Die Voͤlker auf einander ſchlagen.","norm":"Nichts Bessers weiß ich mir an Sonne- und Feiertagen, als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei, wenn hinten, weit, in der Türkei, die Völker aufeinander schlagen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":468,"orig":"Man ſteht am Fenſter, trinkt ſein Glaͤschen aus Und ſieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;","norm":"Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus Und sieht den Fluss hinab die bunten Schiffe gleiten;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":469,"orig":"Dann kehrt man Abends froh nach Haus, Und ſegnet Fried’ und Friedenszeiten.","norm":"Dann kehrt man Abends froh nach Haus, und segnet Friede und Friedenszeiten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":470,"orig":"Herr Nachbar, ja!","norm":"Herr Nachbar, ja!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":471,"orig":"ſo laß ich’s auch geſchehn, Sie moͤgen ſich die Koͤpfe ſpalten, Mag alles durch einander gehn;","norm":"so lass ich es auch geschehen, Sie mögen sich die Köpfe spalten, Mag alles durcheinander gehen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":472,"orig":"Doch nur zu Hauſe bleib’s beym Alten.","norm":"Doch nur zu Hause bleib's beim Alten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":473,"orig":"Ey!","norm":"Ei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":474,"orig":"wie geputzt!","norm":"wie geputzt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":475,"orig":"das ſchoͤne junge Blut!","norm":"das schöne junge Blut!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":476,"orig":"Wer ſoll ſich nicht in euch vergaffen?","norm":"Wer soll sich nicht in euch vergaffen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":477,"orig":"— Nur nicht ſo ſtolz!","norm":"— Nur nicht so stolz!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":478,"orig":"es iſt ſchon gut!","norm":"Es ist schon gut!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":479,"orig":"Und was ihr wuͤnſcht das wuͤßt’ ich wohl zu ſchaffen.","norm":"Und was ihr wünscht das wüsst ich wohl zu schaffen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":480,"orig":"Agathe fort!","norm":"Agathe fort!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":481,"orig":"ich nehme mich in Acht Mit ſolchen Hexen oͤffentlich zu gehen;","norm":"ich nehme mich in Acht Mit solchen Hexen öffentlich zu gehen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":482,"orig":"Sie ließ mich zwar, in Sanct Andreas Nacht, Den kuͤnftgen Liebſten leiblich ſehen.","norm":"Sie ließ mich zwar, in Sankt-Andreas-Nacht, den künftigen Liebsten leiblich sehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":483,"orig":"Mir zeigte ſie ihn im Kryſtall, Soldatenhaft, mit mehreren Verwegnen;","norm":"Mir zeigte sie ihn im Kristall, Soldatenhaft, mit mehreren Verwegenen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":484,"orig":"Ich ſeh’ mich um, ich ſuch’ ihn uͤberall, Allein mir will er nicht begegnen.","norm":"Ich sehe mich um, ich suche ihn überall, allein mir will er nicht begegnen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":485,"orig":"Burgen mit hohen Mauern und Zinnen, Maͤdchen mit ſtolzen Hoͤhnenden Sinnen Moͤcht’ ich gewinnen!","norm":"Burgen mit hohen Mauern und Zinnen, Mädchen mit stolzen Höhnenden Sinnen möchte ich gewinnen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":486,"orig":"Kuͤhn iſt das Muͤhen, Herrlich der Lohn!","norm":"Kühn ist das Mühen, Herrlich der Lohn!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":487,"orig":"Und die Trompete Laſſen wir werben, Wie zu der Freude, So zum Verderben.","norm":"Und die Trompete Lassen wir werben, Wie zu der Freude, so zum Verderben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":488,"orig":"Das iſt ein Stuͤrmen!","norm":"Das ist ein Stürmen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":489,"orig":"Das iſt ein Leben!","norm":"Das ist ein Leben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":490,"orig":"Maͤdchen und Burgen Muͤſſen ſich geben.","norm":"Mädchen und Burgen müssen sich geben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":491,"orig":"Kuͤhn iſt das Muͤhen, Herrlich der Lohn!","norm":"Kühn ist das Mühen, Herrlich der Lohn!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":492,"orig":"Und die Soldaten Ziehen davon.","norm":"Und die Soldaten Ziehen davon."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":493,"orig":"Vom Eiſe befreyt ſind Strom und Baͤche, Durch des Fruͤhlings holden, belebenden Blick, Im Thale gruͤnet Hoffnungs-Gluͤck;","norm":"Vom Eise befreit sind Strom und Bäche, durch des Frühlings holden, belebenden Blick, im Tale grünet Hoffnungsglück;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":494,"orig":"Der alte Winter, in ſeiner Schwaͤche, Zog ſich in rauhe Berge zuruͤck.","norm":"Der alte Winter, in seiner Schwäche, zog sich in raue Berge zurück."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":495,"orig":"Von dorther ſendet er, fliehend, nur Ohnmaͤchtige Schauer koͤrnigen Eiſes In Streifen uͤber die gruͤnende Flur;","norm":"Von dorther sendet er, fliehend, nur ohnmächtige Schauer körnigen Eises in Streifen über die grünende Flur;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":496,"orig":"Aber die Sonne duldet kein Weißes, Ueberall regt ſich Bildung und Streben, Alles will ſie mit Farben beleben;","norm":"Aber die Sonne duldet kein Weißes, Überall regt sich Bildung und Streben, alles will sie mit Farben beleben;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":497,"orig":"Doch an Blumen fehlts im Revier, Sie nimmt geputzte Menſchen dafuͤr.","norm":"Doch an Blumen fehlt es im Revier, Sie nimmt geputzte Menschen dafür."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":498,"orig":"Kehre dich um, von dieſen Hoͤhen Nach der Stadt zuruͤck zu ſehen.","norm":"Kehre dich um, von diesen Höhen nach der Stadt zurückzusehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":499,"orig":"Aus dem hohlen finſtren Thor Dringt ein buntes Gewimmel hervor.","norm":"Aus dem hohlen finsteren Tor dringt ein buntes Gewimmel hervor."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":500,"orig":"Jeder ſonnt ſich heute ſo gern.","norm":"Jeder sonnt sich heute so gern."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":501,"orig":"Sie feyern die Auferſtehung des Herrn, Denn ſie ſind ſelber auferſtanden, Aus niedriger Haͤuſer dumpfen Gemaͤchern, Aus Handwerks- und Gewerbes Banden, Aus dem Druck von Giebeln und Daͤchern, Aus der Straßen quetſchender Enge, Aus der Kirchen ehrwuͤrdiger Nacht Sind ſie alle ans Licht gebracht.","norm":"Sie feiern die Auferstehung des Herrn, denn sie sind selber auferstanden, aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern, aus Handwerks- und Gewerbesbanden, aus dem Druck von Giebeln und Dächern, aus der Straßen quetschender Enge, aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht sind sie alle ans Licht gebracht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":502,"orig":"Sieh nur ſieh!","norm":"Sieh nur sieh!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":503,"orig":"wie behend ſich die Menge Durch die Gaͤrten und Felder zerſchlaͤgt, Wie der Fluß, in Breit’ und Laͤnge, So manchen luſtigen Nachen bewegt, Und, bis zum Sinken uͤberladen Entfernt ſich dieſer letzte Kahn.","norm":"wie behände sich die Menge durch die Gärten und Felder zerschlägt, wie der Fluss, in Breite und Länge, so manchen lustigen Nachen bewegt, und, bis zum Sinken überladen entfernt sich dieser letzte Kahn."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":504,"orig":"Selbſt von des Berges fernen Pfaden Blinken uns farbige Kleider an.","norm":"Selbst von des Berges fernen Pfaden Blinken uns farbige Kleider an."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":505,"orig":"Ich hoͤre ſchon des Dorfs Getuͤmmel, Hier iſt des Volkes wahrer Himmel, Zufrieden jauchzet groß und klein:","norm":"Ich höre schon des Dorfs Getümmel, hier ist des Volkes wahrer Himmel, zufrieden jauchzet groß und klein:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":506,"orig":"Hier bin ich Menſch, hier darf ich’s ſeyn.","norm":"Hier bin ich Mensch, hier darf ich es sein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":507,"orig":"Mit euch, Herr Doctor, zu ſpazieren Iſt ehrenvoll und iſt Gewinn;","norm":"Mit Euch, Herr Doktor, zu spazieren ist ehrenvoll und ist Gewinn;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":508,"orig":"Doch wuͤrd’ ich nicht allein mich her verlieren, Weil ich ein Feind von allem Rohen bin.","norm":"Doch würde ich nicht allein mich her verlieren, weil ich ein Feind von allem Rohen bin."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":509,"orig":"Das Fiedeln, Schreien, Kegelſchieben, Iſt mir ein gar verhaßter Klang;","norm":"Das Fiedeln, Schreien, Kegelschieben, ist mir ein gar verhasster Klang;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":510,"orig":"Sie toben wie vom boͤſen Geiſt getrieben Und nennen’s Freude, nennen’s Geſang.","norm":"Sie toben wie vom bösen Geist getrieben und nennen es Freude, nennen es Gesang."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":511,"orig":"Der Schaͤfer putzte ſich zum Tanz, Mit bunter Jacke, Band und Kranz, Schmuck war er angezogen.","norm":"Der Schäfer putzte sich zum Tanz, mit bunter Jacke, Band und Kranz, Schmuck war er angezogen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":512,"orig":"Schon um die Linde war es voll Und alles tanzte ſchon wie toll.","norm":"Schon um die Linde war es voll Und alles tanzte schon wie toll."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":513,"orig":"Juchhe!","norm":"Juchhe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":514,"orig":"Juchhe!","norm":"Juchhe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":515,"orig":"Juchheiſa!","norm":"Juchheisa!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":516,"orig":"Heiſa!","norm":"Heisa!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":517,"orig":"He!","norm":"He!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":518,"orig":"So ging der Fiedelbogen.","norm":"So ging der Fiedelbogen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":519,"orig":"Er druͤckte haſtig ſich heran, Da ſtieß er an ein Maͤdchen an, Mit ſeinem Ellenbogen;","norm":"Er drückte hastig sich heran, da stieß er an ein Mädchen an, mit seinem Ellenbogen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":520,"orig":"Die friſche Dirne kehrt ſich um Und ſagte: nun das find’ ich dumm Juchhe!","norm":"Die frische Dirne kehrte sich um Und sagte: Nun das finde ich dumm Juchhe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":521,"orig":"Juchhe!","norm":"Juchhe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":522,"orig":"Juchheiſa!","norm":"Juchheisa!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":523,"orig":"Heiſa!","norm":"Heisa!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":524,"orig":"He!","norm":"He!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":525,"orig":"Soyd nicht ſo ungezogen.","norm":"Seid nicht so ungezogen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":526,"orig":"Doch hurtig in dem Kreiſe ging’s, Sie tanzten rechts ſie tanzten links Und alle Roͤcke flogen.","norm":"Doch hurtig in dem Kreise ging es, Sie tanzten rechts sie tanzten links und alle Röcke flogen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":527,"orig":"Sie wurden roth, ſie wurden warm Und ruhten athmend Arm in Arm, Juchhe!","norm":"Sie wurden rot, sie wurden warm und ruhten atmend Arm in Arm, Juchhe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":528,"orig":"Juchhe!","norm":"Juchhe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":529,"orig":"Juchheiſa!","norm":"Juchheisa!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":530,"orig":"Heiſa!","norm":"Heisa!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":531,"orig":"He!","norm":"He!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":532,"orig":"Und Huͤft’ an Ellenbogen.","norm":"Und Hüfte an Ellenbogen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":533,"orig":"Und thu mir doch nicht ſo vertraut!","norm":"Und tu mir doch nicht so vertraut!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":534,"orig":"Wie mancher hat nicht ſeine Braut Belogen und betrogen!","norm":"Wie mancher hat nicht seine Braut belogen und betrogen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":535,"orig":"Er ſchmeichelte ſie doch bey Seit’ Und von der Linde ſcholl es weit:","norm":"Er schmeichelte sie doch bei Seite und von der Linde scholl es weit:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":536,"orig":"Juchhe!","norm":"Juchhe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":537,"orig":"Juchhe!","norm":"Juchhe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":538,"orig":"Juchheiſa!","norm":"Juchheisa!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":539,"orig":"Heiſa!","norm":"Heisa!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":540,"orig":"He!","norm":"He!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":541,"orig":"Geſchrei und Fiedelbogen.","norm":"Geschrei und Fiedelbogen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":542,"orig":"Herr Doctor, das iſt ſchoͤn von euch, Daß ihr uns heute nicht verſchmaͤht, Und unter dieſes Volksgedraͤng’, Als ein ſo Hochgelahrter, geht.","norm":"Herr Doktor, das ist schön von Euch, dass Ihr uns heute nicht verschmäht, und unter dieses Volksgedränge, als ein so Hochgelahrter, geht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":543,"orig":"So nehmet auch den ſchoͤnſten Krug, Den wir mit friſchem Trunk gefuͤllt, Ich bring’ ihn zu und wuͤnſche laut, Daß er nicht nur den Durſt euch ſtillt;","norm":"So nehmet auch den schönsten Krug, den wir mit frischem Trunk gefüllt, Ich bringe ihn zu und wünsche laut, dass er nicht nur den Durst Euch stillt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":544,"orig":"Die Zahl der Tropfen, die er hegt, Sey euren Tagen zugelegt.","norm":"Die Zahl der Tropfen, die er hegt, Sei Euren Tagen zugelegt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":545,"orig":"Ich nehme den Erquickungs-Trank, Erwiedr’ euch allen Heil und Dank.","norm":"Ich nehme den Erquickungstrank, Erwidere euch allen Heil und Dank."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":546,"orig":"Fuͤrwahr es iſt ſehr wohl gethan, Daß ihr am frohen Tag erſcheint;","norm":"Fürwahr es ist sehr wohl getan, dass Ihr am frohen Tag erscheint;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":547,"orig":"Habt ihr es vormals doch mit uns An boͤſen Tagen gut gemeynt!","norm":"Habt Ihr es vormals doch mit uns An bösen Tagen gut gemeint!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":548,"orig":"Gar mancher ſteht lebendig hier, Den euer Vater noch zuletzt Der heißen Fieberwuth entriß, Als er der Seuche Ziel geſetzt.","norm":"Gar mancher steht lebendig hier, den Euer Vater noch zuletzt der heißen Fieberwut entriss, als er der Seuche Ziel gesetzt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":549,"orig":"Auch damals ihr, ein junger Mann, Ihr gingt in jedes Krankenhaus, Gar manche Leiche trug man fort, Ihr aber kamt geſund heraus, Beſtandet manche harte Proben;","norm":"Auch damals Ihr, ein junger Mann, Ihr gingt in jedes Krankenhaus, Gar manche Leiche trug man fort, Ihr aber kamt gesund heraus, bestandet manche harte Proben;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":550,"orig":"Dem Helfer half der Helfer droben.","norm":"Dem Helfer half der Helfer droben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":551,"orig":"Geſundheit dem bewaͤhrten Mann, Daß er noch lange helfen kann!","norm":"Gesundheit dem bewährten Mann, dass er noch lange helfen kann!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":552,"orig":"Vor jenem droben ſteht gebuͤckt, Der helfen lehrt und Huͤlfe ſchickt.","norm":"Vor jenem droben steht gebückt, der helfen lehrt und Hilfe schickt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":553,"orig":"Welch ein Gefuͤhl mußt du, o großer Mann!","norm":"Welch ein Gefühl musst du, o großer Mann!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":554,"orig":"Bey der Verehrung dieſer Menge haben!","norm":"Bei der Verehrung dieser Menge haben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":555,"orig":"O!","norm":"O!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":556,"orig":"gluͤcklich!","norm":"glücklich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":557,"orig":"wer von ſeinen Gaben Solch einen Vortheil ziehen kann.","norm":"wer von seinen Gaben solch einen Vorteil ziehen kann."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":558,"orig":"Der Vater zeigt dich ſeinem Knaben, Ein jeder fragt und draͤngt und eilt, Die Fiedel ſtockt, der Taͤnzer weilt.","norm":"Der Vater zeigt dich seinem Knaben, ein jeder fragt und drängt und eilt, die Fiedel stockt, der Tänzer weilt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":559,"orig":"Du gehſt, in Reihen ſtehen ſie, Die Muͤtzen fliegen in die Hoͤh’;","norm":"Du gehst, in Reihen stehen sie, die Mützen fliegen in die Höhe;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":560,"orig":"Und wenig fehlt, ſo beugten ſich die Knie, Als kaͤm’ das Venerabile.","norm":"Und wenig fehlt, so beugten sich die Knie, als käme das Venerabile."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":561,"orig":"Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein, Hier wollen wir von unſrer Wandrung raſten.","norm":"Nur wenig Schritte noch hinauf zu jenem Stein, hier wollen wir von unserer Wanderung rasten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":562,"orig":"Hier ſaß ich oft gedankenvoll allein Und quaͤlte mich mit Beten und mit Faſten.","norm":"Hier saß ich oft gedankenvoll allein und quälte mich mit Beten und mit Fasten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":563,"orig":"An Hoffnung reich, im Glauben feſt, Mit Thraͤnen, Seufzen, Haͤnderingen Dacht’ ich das Ende jener Peſt Vom Herrn des Himmels zu erzwingen.","norm":"An Hoffnung reich, im Glauben fest, mit Tränen, Seufzen, Händeringen dachte ich das Ende jener Pest vom Herrn des Himmels zu erzwingen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":564,"orig":"Der Menge Beyfall toͤnt mir nun wie Hohn.","norm":"Der Menge Beifall tönt mir nun wie Hohn."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":565,"orig":"O koͤnnteſt du in meinem Innern leſen, Wie wenig Vater und Sohn Solch eines Ruhmes werth geweſen!","norm":"O könntest du in meinem Inneren lesen, wie wenig Vater und Sohn Solch eines Ruhmes wert gewesen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":566,"orig":"Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann, Der uͤber die Natur und ihre heilgen Kreiſe, In Redlichkeit, jedoch auf ſeine Weiſe, Mit grillenhafter Muͤhe ſann.","norm":"Mein Vater war ein dunkler Ehrenmann, der über die Natur und ihre heiligen Kreise, in Redlichkeit, jedoch auf seine Weise, mit grillenhafter Mühe sann."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":567,"orig":"Der, in Geſellſchaft von Adepten, Sich in die ſchwarze Kuͤche ſchloß, Und, nach unendlichen Recepten, Das Widrige zuſammengoß.","norm":"Der, in Gesellschaft von Adepten, sich in die schwarze Küche schloss, und, nach unendlichen Rezepten, das Widrige zusammengoss."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":568,"orig":"Da ward ein rother Leu, ein kuͤhner Freyer, Im lauen Bad, der Lilie vermaͤhlt Und beyde dann, mit offnem Flammenfeuer, Aus einem Brautgemach ins andere gequaͤlt.","norm":"Da wurde ein roter Leu, ein kühner Freier, im lauen Bad, der Lilie vermählt und beide dann, mit offenem Flammenfeuer, aus einem Brautgemach ins andere gequält."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":569,"orig":"Erſchien darauf, mit bunten Farben, Die junge Koͤnigin im Glas, Hier war die Arzeney, die Patienten ſtarben, Und niemand fragte: wer genas?","norm":"Erschien darauf, mit bunten Farben, die junge Königin im Glas, hier war die Arznei, die Patienten starben, und niemand fragte: Wer genas?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":570,"orig":"So haben wir, mit hoͤlliſchen Latwergen, In dieſen Thaͤlern, dieſen Bergen, Weit ſchlimmer als die Peſt getobt.","norm":"So haben wir, mit höllischen Latwergen, in diesen Tälern, diesen Bergen, weit schlimmer als die Pest getobt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":571,"orig":"Ich habe ſelbſt den Gift an Tauſende gegeben, Sie welkten hin, ich muß erleben Daß man die frechen Moͤrder lobt.","norm":"Ich habe selbst den Gift an Tausende gegeben, Sie welkten hin, ich muss erleben dass man die frechen Mörder lobt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":572,"orig":"Wie koͤnnt ihr euch darum betruͤben!","norm":"Wie könnt Ihr Euch darum betrüben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":573,"orig":"Thut nicht ein braver Mann genug;","norm":"Tut nicht ein braver Mann genug;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":574,"orig":"Die Kunſt, die man ihm uͤbertrug, Gewiſſenhaft und puͤnctlich auszuuͤben.","norm":"Die Kunst, die man ihm übertrug, Gewissenhaft und pünktlich auszuüben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":575,"orig":"Wenn du, als Juͤngling, deinen Vater ehrſt, So wirſt du gern von ihm empfangen;","norm":"Wenn du, als Jüngling, deinen Vater ehrst, so wirst du gern von ihm empfangen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":576,"orig":"Wenn du, als Mann, die Wiſſenſchaft vermehrſt, So kann dein Sohn zu hoͤhrem Ziel gelangen.","norm":"Wenn du, als Mann, die Wissenschaft vermehrst, so kann dein Sohn zu höherem Ziel gelangen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":577,"orig":"O!","norm":"O!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":578,"orig":"gluͤcklich!","norm":"glücklich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":579,"orig":"wer noch hoffen kann Aus dieſem Meer des Irrthums aufzutauchen.","norm":"wer noch hoffen kann aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":580,"orig":"Was man nicht weiß das eben brauchte man, Und was man weiß kann man nicht brauchen.","norm":"Was man nicht weiß das eben brauchte man, und was man weiß kann man nicht brauchen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":581,"orig":"Doch laß uns dieſer Stunde ſchoͤnes Gut, Durch ſolchen Truͤbſinn, nicht verkuͤmmern!","norm":"Doch lass uns dieser Stunde schönes Gut, durch solchen Trübsinn, nicht verkümmern!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":582,"orig":"Betrachte wie, in Abendſonne-Glut, Die gruͤnumgebnen Huͤtten ſchimmern.","norm":"Betrachte wie, in Abendsonne-Glut, die grünumgebenen Hütten schimmern."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":583,"orig":"Sie ruͤckt und weicht, der Tag iſt uͤberlebt, Dort eilt ſie hin und foͤrdert neues Leben.","norm":"Sie rückt und weicht, der Tag ist überlebt, dort eilt sie hin und fördert neues Leben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":584,"orig":"O!","norm":"O!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":585,"orig":"daß kein Fluͤge!","norm":"dass kein Flügel!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":586,"orig":"mich vom Boden hebt, Ihr nach und immer nach zu ſtreben.","norm":"mich vom Boden hebt, Ihr nach und immer nach zu streben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":587,"orig":"Ich ſaͤh’ im ewigen Abendſtrahl Die ſtille Welt zu meinen Fuͤßen, Entzuͤndet alle Hoͤhn, beruhigt jedes Thal, Den Silberbach in goldne Stroͤme ſließen.","norm":"Ich sähe im ewigen Abendstrahl die stille Welt zu meinen Füßen, entzündet alle Höhn, beruhigt jedes Tal, den Silberbach in goldene Ströme fließen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":588,"orig":"Nicht hemmte dann den goͤttergleichen Lauf Der wilde Berg mit allen ſeinen Schluchten;","norm":"Nicht hemmte dann den göttergleichen Lauf der wilde Berg mit allen seinen Schluchten;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":589,"orig":"Schon thut das Meer ſich mit erwaͤrmten Buchten Vor den erſtaunten Augen auf.","norm":"Schon tut das Meer sich mit erwärmten Buchten vor den erstaunten Augen auf."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":590,"orig":"Doch ſcheint die Goͤttin endlich wegzuſinken;","norm":"Doch scheint die Göttin endlich wegzusinken;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":591,"orig":"Allein der neue Trieb erwacht, Ich eile fort ihr ew’ges Licht zu trinken, Vor mir den Tag, und hinter mir die Nacht, Den Himmel uͤber mir und unter mir die Wellen.","norm":"Allein der neue Trieb erwacht, Ich eile fort ihr ewiges Licht zu trinken, vor mir den Tag, und hinter mir die Nacht, den Himmel über mir und unter mir die Wellen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":592,"orig":"Ein ſchoͤner Traum, indeſſen ſie entweicht.","norm":"Ein schöner Traum, indessen sie entweicht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":593,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":594,"orig":"zu des Geiſtes Fluͤgeln wird ſo leicht Kein koͤrperlicher Fluͤgel ſich geſellen.","norm":"zu des Geistes Flügeln wird so leicht kein körperlicher Flügel sich gesellen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":595,"orig":"Doch iſt es jedem eingeboren, Daß ſein Gefuͤhl hinauf und vorwaͤrts dringt, Wenn uͤber uns, im blauen Raum verloren, Ihr ſchmetternd Lied die Lerche ſingt;","norm":"Doch ist es jedem eingeboren, dass sein Gefühl hinauf und vorwärts dringt, wenn über uns, im blauen Raum verloren, Ihr schmetternd Lied die Lerche singt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":596,"orig":"Wenn uͤber ſchroffen Fichtenhoͤhen Der Adler ausgebreitet ſchwebt, Und uͤber Flaͤchen, uͤber Seen, Der Kranich nach der Heimat ſtrebt.","norm":"Wenn über schroffen Fichtenhöhen der Adler ausgebreitet schwebt, und über Flächen, über Seen, der Kranich nach der Heimat strebt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":597,"orig":"Ich hatte ſelbſt oft grillenhafte Stunden, Doch ſolchen Trieb hab’ ich noch nie empfunden.","norm":"Ich hatte selbst oft grillenhafte Stunden, doch solchen Trieb habe ich noch nie empfunden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":598,"orig":"Man ſieht ſich leicht an Wald und Feldern ſatt, Des Vogels Fittig werd’ ich nie beneiden.","norm":"Man sieht sich leicht an Wald und Feldern satt, des Vogels Fittich werde ich nie beneiden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":599,"orig":"Wie anders tragen uns die Geiſtesfreuden, Von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt!","norm":"Wie anders tragen uns die Geistesfreuden, von Buch zu Buch, von Blatt zu Blatt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":600,"orig":"Da werden Winternaͤchte hold und ſchoͤn, Ein ſelig Leben waͤrmet alle Glieder, Und ach!","norm":"Da werden Winternächte hold und schön, ein selig Leben wärmet alle Glieder, und ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":601,"orig":"entrollſt du gar ein wuͤrdig Pergamen;","norm":"entrollst du gar ein würdig Pergamen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":602,"orig":"So ſteigt der ganze Himmel zu dir nieder.","norm":"So steigt der ganze Himmel zu dir nieder."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":603,"orig":"Du biſt dir nur des einen Triebs bewußt, O lerne nie den andern kennen!","norm":"Du bist dir nur des einen Triebs bewusst, O lerne nie den anderen kennen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":604,"orig":"Zwey Seelen wohnen, ach!","norm":"Zwei Seelen wohnen, ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":605,"orig":"in meiner Bruſt, Die eine will ſich von der andern trennen;","norm":"in meiner Brust, die eine will sich von der anderen trennen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":606,"orig":"Die eine haͤlt, in derber Liebesluſt, Sich an die Welt, mit klammernden Organen;","norm":"Die eine hält, in derber Liebeslust, sich an die Welt, mit klammernden Organen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":607,"orig":"Die andre hebt gewaltſam ſich vom Duſt, Zu den Gefilden hoher Ahnen.","norm":"Die andere hebt gewaltsam sich vom Dunst, zu den Gefilden hoher Ahnen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":608,"orig":"O giebt es Geiſter in der Luft, Die zwiſchen Erd’ und Himmel herrſchend weben, So ſteiget nieder aus dem goldnen Duft Und fuͤhrt mich weg, zu neuem buntem Leben!","norm":"O gibt es Geister in der Luft, die zwischen Erde und Himmel herrschend weben, so steiget nieder aus dem goldenen Duft und führt mich weg, zu neuem buntem Leben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":609,"orig":"Ja, waͤre nur ein Zaubermantel mein!","norm":"Ja, wäre nur ein Zaubermantel mein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":610,"orig":"Und truͤg’ er mich in fremde Laͤnder, Mir ſollt’ er, um die koͤſtlichſten Gewaͤnder, Nicht feil um einen Koͤnigsmantel ſeyn.","norm":"Und trüge er mich in fremde Länder, mir sollte er, um die köstlichsten Gewänder, nicht feil um einen Königsmantel sein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":611,"orig":"Berufe nicht die wohlbekannte Schaar, Die, ſtroͤmend, ſich im Dunſtkreis uͤberbreitet, Dem Menſchen tauſendfaͤltige Gefahr, Von allen Enden her, bereitet.","norm":"Berufe nicht die wohlbekannte Schar, Die, strömend, sich im Dunstkreis überbreitet, dem Menschen tausendfältige Gefahr, von allen Enden her, bereitet."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":612,"orig":"Von Norden dringt der ſcharfe Geiſterzahn Auf dich herbey, mit pfeilgeſpitzten Zungen;","norm":"Von Norden dringt der scharfe Geisterzahn auf dich herbei, mit pfeilgespitzten Zungen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":613,"orig":"Von Morgen ziehn, vertrocknend, ſie heran, Und naͤhren ſich von deinen Lungen;","norm":"Von Morgen ziehen, vertrocknend, sie heran, und nähren sich von deinen Lungen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":614,"orig":"Wenn ſie der Mittag aus der Wuͤſte ſchickt, Die Glut auf Glut um deinen Scheitel haͤufen, So bringt der Weſt den Schwarm, der erſt erquickt, Um dich und Feld und Aue zu erſaͤufen.","norm":"Wenn sie der Mittag aus der Wüste schickt, die Glut auf Glut um deinen Scheitel häufen, so bringt der West den Schwarm, der erst erquickt, um dich und Feld und Aue zu ersäufen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":615,"orig":"Sie hoͤren gern, zum Schaden froh gewandt, Gehorchen gern, weil ſie uns gern betruͤgen, Sie ſtellen wie vom Himmel ſich geſandt, Und lispeln engliſch, wenn ſie luͤgen.","norm":"Sie hören gern, zum Schaden froh gewandt, Gehorchen gern, weil sie uns gern betrügen, Sie stellen wie vom Himmel sich gesandt, und lispeln englisch, wenn sie lügen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":616,"orig":"Doch gehen wir!","norm":"Doch gehen wir!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":617,"orig":"ergraut iſt ſchon die Welt, Die Luft gekuͤhlt, der Nebel faͤllt!","norm":"Ergraut ist schon die Welt, die Luft gekühlt, der Nebel fällt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":618,"orig":"Am Abend ſchaͤtzt man erſt das Haus.","norm":"Am Abend schätzt man erst das Haus."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":619,"orig":"— Was ſtehſt du ſo und blickſt erſtaunt hinaus?","norm":"— Was stehst du so und blickst erstaunt hinaus?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":620,"orig":"Was kann dich in der Daͤmmrung ſo ergreifen?","norm":"Was kann dich in der Dämmerung so ergreifen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":621,"orig":"Siehſt du den ſchwarzen Hund durch Saat und Stoppel ſtreifen?","norm":"Siehst du den schwarzen Hund durch Saat und Stoppel streifen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":622,"orig":"Ich ſah ihn lange ſchon, nicht wichtig ſchien er mir.","norm":"Ich sah ihn lange schon, nicht wichtig schien er mir."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":623,"orig":"Betracht’ ihn recht!","norm":"Betrachte ihn recht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":624,"orig":"fuͤr was haͤltſt du das Thier?","norm":"für was hältst du das Tier?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":625,"orig":"Fuͤr einen Pudel, der auf ſeine Weiſe Sich auf der Spur des Herren plagt.","norm":"Für einen Pudel, der auf seine Weise Sich auf der Spur des Herren plagt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":626,"orig":"Bemerkſt du, wie in weitem Schneckenkreiſe Er um uns her und immer naͤher jagt?","norm":"Bemerkst du, wie in weitem Schneckenkreise er um uns her und immer näher jagt?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":627,"orig":"Und irr’ ich nicht, ſo zieht ein Feuerſtrudel Auf ſeinen Pfaden hinterdrein.","norm":"Und irre ich nicht, so zieht ein Feuerstrudel auf seinen Pfaden hinterdrein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":628,"orig":"Ich ſehe nichts als einen ſchwarzen Pudel, Es mag bey euch wohl Augentaͤuſchung ſeyn.","norm":"Ich sehe nichts als einen schwarzen Pudel, es mag bei Euch wohl Augentäuschung sein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":629,"orig":"Mir ſcheint es, daß er magiſch leiſe Schlingen, Zu kuͤnft’gem Band, um unſre Fuͤße zieht.","norm":"Mir scheint es, dass er magisch leise Schlingen, zu künftigem Band, um unsere Füße zieht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":630,"orig":"Ich ſeh’ ihn ungewiß und furchtſam uns umſpringen, Weil er, ſtatt ſeines Herrn, zwey Unbekannte ſieht.","norm":"Ich sehe ihn ungewiss und furchtsam uns umspringen, weil er, statt seines Herrn, zwei Unbekannte sieht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":631,"orig":"Der Kreis wird eng, ſchon iſt er nah!","norm":"Der Kreis wird eng, schon ist er nah!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":632,"orig":"Du ſiehſt!","norm":"Du siehst!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":633,"orig":"ein Hund, und kein Geſpenſt iſt da.","norm":"ein Hund, und kein Gespenst ist da."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":634,"orig":"Er knurrt und zweifelt, legt ſich auf den Bauch, Er wedelt.","norm":"Er knurrt und zweifelt, legt sich auf den Bauch, er wedelt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":635,"orig":"Alles Hunde Brauch.","norm":"Alles Hundebrauch."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":636,"orig":"Geſelle dich zu uns!","norm":"Geselle dich zu uns!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":637,"orig":"Komm hier!","norm":"Komme hier!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":638,"orig":"Es iſt ein pudelnaͤrriſch Thier.","norm":"Es ist ein pudelnärrisch Tier."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":639,"orig":"Du ſteheſt ſtill, er wartet auf;","norm":"Du stehest still, er wartet auf;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":640,"orig":"Du ſprichſt ihn an, er ſtrebt an dir hinauf;","norm":"Du sprichst ihn an, er strebt an dir hinauf;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":641,"orig":"Verliere was, er wird es bringen, Nach deinem Stock ins Waſſer ſpringen.","norm":"Verliere was, er wird es bringen, nach deinem Stock ins Wasser springen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":642,"orig":"Du haſt wohl recht, ich finde nicht die Spur Von einem Geiſt, und alles iſt Dreſſur.","norm":"Du hast wohl recht, ich finde nicht die Spur von einem Geist, und alles ist Dressur."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":643,"orig":"Dem Hunde, wenn er gut gezogen, Wird ſelbſt ein weiſer Mann gewogen.","norm":"Dem Hunde, wenn er gut gezogen, wird selbst ein weiser Mann gewogen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":644,"orig":"Ja deine Gunſt verdient er ganz und gar Er, der Studenten trefflicher Scolar.","norm":"Ja deine Gunst verdient er ganz und gar er, der Studenten trefflicher Scolar."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":645,"orig":"Verlaſſen hab’ ich Feld und Auen, Die eine tiefe Nacht bedeckt, Mit ahndungsvollem heil’gem Grauen In uns die beſſre Seele weckt.","norm":"Verlassen habe ich Feld und Auen, die eine tiefe Nacht bedeckt, mit ahnungsvollem heiligem Grauen in uns die bessere Seele weckt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":646,"orig":"Entſchlafen ſind nun wilde Triebe, Mit jedem ungeſtuͤmen Thun;","norm":"Entschlafen sind nun wilde Triebe, mit jedem ungestümen Tun;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":647,"orig":"Es reget ſich die Menſchenliebe, Die Liebe Gottes regt ſich nun.","norm":"Es reget sich die Menschenliebe, die Liebe Gottes regt sich nun."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":648,"orig":"Sey ruhig Pudel!","norm":"Sei ruhig Pudel!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":649,"orig":"renne nicht hin und wieder!","norm":"renne nicht hin und wider!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":650,"orig":"An der Schwelle was ſchnoperſt du hier?","norm":"An der Schwelle was schnoperst du hier?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":651,"orig":"Lege dich hinter den Ofen nieder, Mein beſtes Kiſſen geb’ ich dir.","norm":"Lege dich hinter den Ofen nieder, Mein bestes Kissen gebe ich dir."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":652,"orig":"Wie du draußen auf dem bergigen Wege, Durch Rennen und Springen, ergetzt uns haſt, So nimm nun auch von mir die Pflege, Als ein willkommner ſtiller Gaſt.","norm":"Wie du draußen auf dem bergigen Wege, durch Rennen und Springen, ergötzt uns hast, so nimm nun auch von mir die Pflege, als ein willkommener stiller Gast."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":653,"orig":"Ach wenn in unſrer engen Zelle Die Lampe freundlich wieder brennt, Dann wird’s in unſerm Buſen helle, Im Herzen, das ſich ſelber kennt.","norm":"Ach wenn in unserer engen Zelle die Lampe freundlich wieder brennt, dann wird es in unserem Busen helle, im Herzen, das sich selber kennt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":654,"orig":"Vernunft faͤngt wieder an zu ſprechen, Und Hoffnung wieder an zu bluͤhn, Man ſehnt ſich nach des Lebens Baͤchen, Ach!","norm":"Vernunft fängt wieder an zu sprechen, und Hoffnung wieder an zu blühen, man sehnt sich nach des Lebens Bächen, Ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":655,"orig":"nach des Lebens Quelle hin.","norm":"nach des Lebens Quelle hin."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":656,"orig":"Knurre nicht Pudel!","norm":"Knurre nicht Pudel!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":657,"orig":"Zu den heiligen Toͤnen, Die jetzt meine ganze Seel’ umfaſſen, Will der thieriſche Laut nicht paſſen.","norm":"Zu den heiligen Tönen, die jetzt meine ganze Seele umfassen, Will der tierische Laut nicht passen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":658,"orig":"Wir ſind gewohnt, daß die Menſchen verhoͤhnen Was ſie nicht verſtehn, Daß ſie vor dem Guten und Schoͤnen, Das ihnen oft beſchwerlich iſt, murren;","norm":"Wir sind gewohnt, dass die Menschen verhöhnen was sie nicht verstehen, dass sie vor dem Guten und Schönen, das ihnen oft beschwerlich ist, murren;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":659,"orig":"Will es der Hund, wie ſie, beknurren Aber ach!","norm":"Will es der Hund, wie sie, beknurren Aber ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":660,"orig":"ſchon fuͤhl’ ich, bey dem beſten Willen, Befriedigung nicht mehr aus dem Buſen quillen.","norm":"schon fühle ich, bei dem besten Willen, Befriedigung nicht mehr aus dem Busen quellen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":661,"orig":"Aber warum muß der Strom ſo bald verſiegen, Und wir wieder im Durſte liegen?","norm":"Aber warum muss der Strom so bald versiegen, und wir wieder im Durste liegen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":662,"orig":"Davon hab’ ich ſo viel Erfahrung.","norm":"Davon habe ich so viel Erfahrung."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":663,"orig":"Doch dieſer Mangel laͤßt ſich erſetzen, Wir lernen das Ueberirdiſche ſchaͤtzen, Wir ſehnen uns nach Offenbarung, Die nirgends wuͤrd’ger und ſchoͤner brennt, Als in dem neuen Teſtament.","norm":"Doch dieser Mangel lässt sich ersetzen, wir lernen das Überirdische schätzen, wir sehnen uns nach Offenbarung, die nirgends würdiger und schöner brennt, als in dem Neuen Testament."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":664,"orig":"Mich draͤngt’s den Grundtert aufzuſchlagen, Mit redlichem Gefuͤhl einmal Das heilige Original In mein geliebtes Deutſch zu uͤbertragen.","norm":"Mich drängt es den Grundtext aufzuschlagen, mit redlichem Gefühl einmal das heilige Original in mein geliebtes Deutsch zu übertragen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":665,"orig":"Geſchrieben ſteht:“ im Anfang war das Wort! ”Hier ſtock’ ich ſchon!","norm":"Geschrieben steht:“ Im Anfang war das Wort! ”Hier stocke ich schon!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":666,"orig":"Wer hilft mir weiter ſort?","norm":"Wer hilft mir weiter sort?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":667,"orig":"Ich kann das Wort ſo hoch unmoͤglich ſchaͤtzen, Ich muß es anders uͤberſetzen, Wenn ich vom Geiſte recht erleuchtet bin.","norm":"Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen, Ich muss es anders übersetzen, wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":668,"orig":"Geſchrieben ſteht: im Anfang war der Sinn.","norm":"Geschrieben steht: Im Anfang war der Sinn."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":669,"orig":"Bedenke wohl die erſte Zeile, Daß deine Feder ſich nicht uͤbereile!","norm":"Bedenke wohl die erste Zeile, dass deine Feder sich nicht übereile!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":670,"orig":"Iſt es der Sinn, der alles wirkt und ſchafft?","norm":"Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":671,"orig":"Es ſollte ſtehn: im Anfang war die Kraft!","norm":"Es sollte stehen: Im Anfang war die Kraft!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":672,"orig":"Doch, auch indem ich dieſes niederſchreibe, Schon warnt mich was, daß ich dabey nicht bleibe.","norm":"Doch, auch indem ich dieses niederschreibe, schon warnt mich was, dass ich dabei nicht bleibe."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":673,"orig":"Mir hilft der Geiſt!","norm":"Mir hilft der Geist!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":674,"orig":"auf einmal ſeh’ ich Rath Und ſchreibe getroſt: im Anfang war die That!","norm":"auf einmal sehe ich Rat und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":675,"orig":"Soll ich mit dir das Zimmer theilen, Pudel, ſo laß das Heulen, So laß das Bellen!","norm":"Soll ich mit dir das Zimmer teilen, Pudel, so lass das Heulen, so lass das Bellen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":676,"orig":"Solch einen ſtoͤrenden Geſellen Mag ich nicht in der Naͤhe leiden.","norm":"Solch einen störenden Gesellen Mag ich nicht in der Nähe leiden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":677,"orig":"Einer von uns beyden Muß die Zelle meiden.","norm":"Einer von uns beiden Muss die Zelle meiden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":678,"orig":"Ungern heb’ ich das Gaſtrecht auf, Die Thuͤr’ iſt offen, haſt freyen Lauf.","norm":"Ungern hebe ich das Gastrecht auf, die Tür ist offen, hast freien Lauf."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":679,"orig":"Aber was muß ich ſehen!","norm":"Aber was muss ich sehen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":680,"orig":"Kann das natuͤrlich geſchehen?","norm":"Kann das natürlich geschehen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":681,"orig":"Iſt es Schatten?","norm":"Ist es Schatten?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":682,"orig":"iſt’s Wirklichkeit?","norm":"ist es Wirklichkeit?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":683,"orig":"Wie wird mein Pudel lang und breit!","norm":"Wie wird mein Pudel lang und breit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":684,"orig":"Er hebt ſich mit Gewalt, Das iſt nicht eines Hundes Geſtalt!","norm":"Er hebt sich mit Gewalt, das ist nicht eines Hundes Gestalt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":685,"orig":"Welch ein Geſpenſt bracht’ ich ins Haus!","norm":"Welch ein Gespenst brachte ich ins Haus!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":686,"orig":"Schon ſieht er wie ein Nilpferd aus, Mit feurigen Augen, ſchrecklichem Gebiß.","norm":"Schon sieht er wie ein Nilpferd aus, mit feurigen Augen, schrecklichem Gebiss."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":687,"orig":"O!","norm":"O!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":688,"orig":"du biſt mir gewiß!","norm":"du bist mir gewiss!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":689,"orig":"Fuͤr ſolche halbe Hoͤllenbrut Iſt Salomonis Schluͤſſel gut.","norm":"Für solche halbe Höllenbrut ist Salomonis Schlüssel gut."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":690,"orig":"Drinnen gefangen iſt einer!","norm":"Drinnen gefangen ist einer!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":691,"orig":"Bleibet haußen, folg’ ihm keiner!","norm":"Bleibt haußen, folge ihm keiner!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":692,"orig":"Wie im Eiſen der Fuchs, Zagt ein alter Hoͤllenluchs.","norm":"Wie im Eisen der Fuchs, zagt ein alter Höllenluchs."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":693,"orig":"Aber gebt Acht!","norm":"Aber gebt Acht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":694,"orig":"Schwebet hin, ſchwebet wieder, Auf und nieder, Und er hat ſich losgemacht.","norm":"Schwebet hin, schwebet wider, auf und nieder, und er hat sich losgemacht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":695,"orig":"Koͤnnt ihr ihm nuͤtzen, Laßt ihn nicht ſitzen!","norm":"Könnt ihr ihm nützen, lasst ihn nicht sitzen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":696,"orig":"Denn er that uns allen Schon viel zu Gefallen.","norm":"Denn er tat uns allen Schon viel zu Gefallen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":697,"orig":"Erſt zu begegnen dem Thiere, Brauch’ ich den Spruch der Viere:","norm":"Erst zu begegnen dem Tiere, Brauche ich den Spruch der Viere:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":698,"orig":"Salamander ſoll gluͤhen, Undene ſich winden, Silphe verſchwinden, Kobold ſich muͤhen.","norm":"Salamander soll glühen, Undene sich winden, Sylphe verschwinden, Kobold sich mühen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":699,"orig":"Wer ſie nicht kennte Die Elemente, Ihre Kraft Und Eigenſchaft, Waͤre kein Meiſter Ueber die Geiſter.","norm":"Wer sie nicht kennte die Elemente, Ihre Kraft und Eigenschaft, wäre kein Meister über die Geister."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":700,"orig":"Verſchwind’ in Flammen Salamander!","norm":"Verschwind in Flammen Salamander!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":701,"orig":"Rauſchend fließe zuſammen Undene!","norm":"Rauschend fließe zusammen Undene!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":702,"orig":"Leucht’ in Meteoren-Schoͤne Silphe!","norm":"Leuchte in Meteoren-Schöne Sylphe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":703,"orig":"Bring’ haͤußliche Huͤlfe Incubus!","norm":"Bringe häusliche Hilfe Incubus!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":704,"orig":"incubus!","norm":"Incubus!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":705,"orig":"Tritt hervor und mache den Schluß.","norm":"Tritt hervor und mache den Schluss."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":706,"orig":"Keines der Viere Steckt in dem Thiere.","norm":"Keines der Viere steckt in dem Tiere."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":707,"orig":"Es liegt ganz ruhig und grinſ’t mich an, Ich hab’ ihm noch nicht weh gethan.","norm":"Es liegt ganz ruhig und grinst mich an, Ich habe ihm noch nicht weh getan."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":708,"orig":"Du ſollſt mich hoͤren Staͤrker beſchwoͤren.","norm":"Du sollst mich hören Stärker beschwören."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":709,"orig":"Biſt du Geſelle Ein Fluͤchtling der Hoͤlle?","norm":"Bist du Geselle ein Flüchtling der Hölle?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":710,"orig":"So ſieh dies Zeichen!","norm":"So sieh dies Zeichen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":711,"orig":"Dem ſie ſich beugen Die ſchwarzen Schaaren.","norm":"Dem sie sich beugen die schwarzen Scharen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":712,"orig":"Schon ſchwillt es auf mit borſtigen Haaren.","norm":"Schon schwillt es auf mit borstigen Haaren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":713,"orig":"Verworfnes Weſen!","norm":"Verworfenes Wesen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":714,"orig":"Kannſt du ihn leſen?","norm":"Kannst du ihn lesen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":715,"orig":"Den nie entſproſſnen, Unausgeſprochnen, Durch alle Himmel gegoſſnen, Freventlich durchſtochnen.","norm":"Den nie Entsprossenen, Unausgesprochenen, durch alle Himmel gegossenen, Freventlich durchstochenen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":716,"orig":"Hinter den Ofen gebannt Schwillt es wie ein Elephant, Den ganzen Raum fuͤllt es an, Es will zum Nebel zerfließen.","norm":"Hinter den Ofen gebannt schwillt es wie ein Elefant, den ganzen Raum füllt es an, es will zum Nebel zerfließen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":717,"orig":"Steige nicht zur Decke hinan!","norm":"Steige nicht zur Decke hinan!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":718,"orig":"Lege dich zu des Meiſters Fuͤßen!","norm":"Lege dich zu des Meisters Füßen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":719,"orig":"Du ſiehſt daß ich nicht vergebens drohe.","norm":"Du siehst dass ich nicht vergebens drohe."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":720,"orig":"Ich verſenge dich mit heiliger Lohe!","norm":"Ich versenge dich mit heiliger Lohe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":721,"orig":"Erwarte nicht Das dreymal gluͤhende Licht!","norm":"Erwarte nicht das dreimal glühende Licht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":722,"orig":"Erwarte nicht Die ſtaͤrkſte von meinen Kuͤnſten!","norm":"Erwarte nicht die stärkste von meinen Künsten!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":723,"orig":"Wozu der Laͤrm?","norm":"Wozu der Lärm?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":724,"orig":"was ſieht dem Herrn zu Dienſten?","norm":"was steht dem Herrn zu Diensten?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":725,"orig":"Das alſo war des Pudels Kern!","norm":"Das also war des Pudels Kern!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":726,"orig":"Ein fahrender Scolaſt?","norm":"Ein fahrender Skolast?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":727,"orig":"Der Caſus macht mich lachen.","norm":"Der Kasus macht mich lachen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":728,"orig":"Ich ſalutire den gelehrten Herrn!","norm":"Ich salutiere den gelehrten Herrn!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":729,"orig":"Ihr habt mich weidlich ſchwitzen machen.","norm":"Ihr habt mich weidlich schwitzen machen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":730,"orig":"Wie nennſt du dich?","norm":"Wie nennst du dich?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":731,"orig":"Die Frage ſcheint mir klein, Fuͤr einen der das Wort ſo ſehr verachtet, Der, weit entfernt von allem Schein, Nur in der Weſen Tiefe trachtet.","norm":"Die Frage scheint mir klein, für einen der das Wort so sehr verachtet, der, weit entfernt von allem Schein, nur in der Wesen Tiefe trachtet."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":732,"orig":"Bey euch, ihr Herrn, kann man das Weſen Gewoͤhnlich aus dem Namen leſen, Wo es ſich allzudeutlich weiſ’t, Wenn man euch Fliegengott, Verderber, Luͤgner heißt.","norm":"Bei euch, ihr Herrn, kann man das Wesen gewöhnlich aus dem Namen lesen, wo es sich allzu deutlich weist, Wenn man euch Fliegengott, Verderber, Lügner heißt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":733,"orig":"Nun gut wer biſt du denn?","norm":"Nun gut wer bist du denn?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":734,"orig":"Ein Theil von jener Kraft, Die ſtets das Boͤſe will und ſtets das Gute ſchafft.","norm":"Ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":735,"orig":"Was iſt mit dieſem Raͤthſelwort gemeynt?","norm":"Was ist mit diesem Rätselwort gemeint?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":736,"orig":"Ich bin der Geiſt der ſtets verneint!","norm":"Ich bin der Geist der stets verneint!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":737,"orig":"Und das mit Recht; denn alles was entſteht Iſt werth daß es zu Grunde geht;","norm":"Und das mit Recht; denn alles was entsteht ist wert dass es zugrunde geht;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":738,"orig":"Drum beſſer waͤr’s daß nichts entſtuͤnde.","norm":"Darum besser wäre es dass nichts entstünde."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":739,"orig":"So iſt denn alles was ihr Suͤnde, Zerſtoͤrung, kurz das Boͤſe nennt, Mein eigentliches Element.","norm":"So ist denn alles was ihr Sünde, Zerstörung, kurz das Böse nennt, Mein eigentliches Element."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":740,"orig":"Du nennſt dich einen Theil, und ſtehſt doch ganz vor mir?","norm":"Du nennst dich einen Teil, und stehst doch ganz vor mir?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":741,"orig":"Beſcheidne Wahrheit ſprech’ ich dir.","norm":"Bescheidene Wahrheit spreche ich dir."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":742,"orig":"Wenn ſich der Menſch, die kleine Narrenwelt, Gewoͤhnlich fuͤr ein Ganzes haͤlt;","norm":"Wenn sich der Mensch, die kleine Narrenwelt, gewöhnlich für ein Ganzes hält;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":743,"orig":"Ich bin ein Theil des Theils, der Anfangs alles war, Ein Theil der Finſterniß, die ſich das Licht gebar, Das ſtolze Licht, das nun der Mutter Nacht Den alten Rang, den Raum ihr ſtreitig macht, Und doch gelingt’s ihm nicht, da es, ſo viel es ſtrebt, Verhaftet an den Koͤrpern klebt.","norm":"Ich bin ein Teil des Teils, der Anfangs alles war, ein Teil der Finsternis, die sich das Licht gebar, das stolze Licht, das nun der Mutter Nacht den alten Rang, den Raum ihr streitig macht, und doch gelingt es ihm nicht, da es, so viel es strebt, verhaftet an den Körpern klebt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":744,"orig":"Von Koͤrpern ſtroͤmt’s, die Koͤrper macht es ſchoͤn, Ein Koͤrper hemmt’s auf ſeinem Gange, So, hoff’ ich, dauert es nicht lange Und mit den Koͤrpern wird’s zu Grunde gehn.","norm":"Von Körpern strömt es, die Körper macht es schön, ein Körper hemmt es auf seinem Gange, So, hoffe ich, dauert es nicht lange und mit den Körpern wird es zugrunde gehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":745,"orig":"Nun kenn’ ich deine wuͤrd’gen Pflichten!","norm":"Nun kenne ich deine würdigen Pflichten!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":746,"orig":"Du kannſt im Großen nichts vernichten Und faͤngſt es nun im Kleinen an.","norm":"Du kannst im Großen nichts vernichten und fängst es nun im Kleinen an."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":747,"orig":"Und freylich iſt nicht viel damit gethan.","norm":"Und freilich ist nicht viel damit getan."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":748,"orig":"Was ſich dem Nichts entgegenſtellt, Das Etwas, dieſe plumpe Welt, So viel als ich ſchon unternommen Ich wußte nicht ihr beyzukommen, Mit Wellen, Stuͤrmen, Schuͤtteln, Brand, Geruhig bleibt am Ende Meer und Land!","norm":"Was sich dem Nichts entgegenstellt, das etwas, diese plumpe Welt, so viel als ich schon unternommen Ich wusste nicht ihr beizukommen, mit Wellen, Stürmen, Schütteln, Brand, Geruhig bleibt am Ende Meer und Land!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":749,"orig":"Und dem verdammten Zeug, der Thier- und Menſchenbrut, Dem iſt nun gar nichts anzuhaben, Wie viele hab’ ich ſchon begraben!","norm":"Und dem verdammten Zeug, der Tier- und Menschenbrut, dem ist nun gar nichts anzuhaben, wie viele habe ich schon begraben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":750,"orig":"Und immer zirkulirt ein neues, friſches Blut.","norm":"Und immer zirkuliert ein neues, frisches Blut."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":751,"orig":"So geht es fort, man moͤchte raſend werden!","norm":"So geht es fort, man möchte rasend werden!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":752,"orig":"Der Luft, dem Waſſer, wie der Erden Entwinden tauſend Keime ſich, Im Trocknen, Feuchten, Warmen, Kalten!","norm":"Der Luft, dem Wasser, wie der Erden Entwinden tausend Keime sich, im Trocknen, Feuchten, Warmen, Kalten!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":753,"orig":"Haͤtt’ ich mir nicht die Flamme vorbehalten;","norm":"Hätte ich mir nicht die Flamme vorbehalten;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":754,"orig":"Ich haͤtte nichts apart’s fuͤr mich.","norm":"Ich hätte nichts Apartes für mich."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":755,"orig":"So ſetzeſt du der ewig regen, Der heilſam ſchaffenden Gewalt Die kalte Teufelsfauſt entgegen, Die ſich vergebens tuͤckiſch ballt!","norm":"So setzest du der ewig regen, der heilsam schaffenden Gewalt die kalte Teufelsfaust entgegen, die sich vergebens tückisch ballt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":756,"orig":"Was anders ſuche zu beginnen Des Chaos wunderlicher Sohn!","norm":"Was anders suche zu beginnen des Chaos wunderlicher Sohn!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":757,"orig":"Wir wollen wirklich uns beſinnen, Die naͤchſtenmale mehr davon!","norm":"Wir wollen wirklich uns besinnen, die nächsten Male mehr davon!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":758,"orig":"Duͤrft’ ich wohl diesmal mich entfernen?","norm":"Dürfte ich wohl diesmal mich entfernen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":759,"orig":"Ich ſehe nicht warum du fragſt.","norm":"Ich sehe nicht warum du fragst."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":760,"orig":"Ich habe jetzt dich kennen lernen, Beſuche nun mich wie du magſt.","norm":"Ich habe jetzt dich kennen lernen, Besuche nun mich wie du magst."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":761,"orig":"Hier iſt das Fenſter, hier die Thuͤre, Ein Rauchfang iſt dir auch gewiß.","norm":"Hier ist das Fenster, hier die Türe, ein Rauchfang ist dir auch gewiss."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":762,"orig":"Geſteh’ ichs nur!","norm":"Gestehe ich es nur!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":763,"orig":"daß ich hinausſpaziere Verbietet mir ein kleines Hinderniß, Der Drudenfuß auf eurer Schwelle —","norm":"dass ich hinausspaziere verbietet mir ein kleines Hindernis, der Drudenfuß auf Eurer Schwelle —"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":764,"orig":"Das Pentagramma macht dir Pein?","norm":"Das Pentagramm macht dir Pein?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":765,"orig":"Ey ſage mir, du Sohn der Hoͤlle, Wenn das dich bannt, wie kamſt du denn herein?","norm":"Ei sage mir, du Sohn der Hölle, wenn das dich bannt, wie kamst du denn herein?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":766,"orig":"Wie ward ein ſolcher Geiſt betrogen?","norm":"Wie wurde ein solcher Geist betrogen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":767,"orig":"Beſchaut es recht!","norm":"Beschaut es recht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":768,"orig":"es iſt nicht gut gezogen;","norm":"Es ist nicht gut gezogen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":769,"orig":"Der eine Winkel, der nach außen zu, Iſt, wie du ſiehſt, ein wenig offen.","norm":"Der eine Winkel, der nach außen zu, ist, wie du siehst, ein wenig offen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":770,"orig":"Das hat der Zufall gut getroffen!","norm":"Das hat der Zufall gut getroffen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":771,"orig":"Und mein Gefangner waͤrſt denn du?","norm":"Und mein Gefangener wärst denn du?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":772,"orig":"Das iſt von ohngefaͤhr gelungen!","norm":"Das ist von ungefähr gelungen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":773,"orig":"Der Pudel merkte nichts als er hereingeſprungen, Die Sache ſieht jetzt anders aus;","norm":"Der Pudel merkte nichts als er hereingesprungen, die Sache sieht jetzt anders aus;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":774,"orig":"Der Teufel kann nicht aus dem Haus.","norm":"Der Teufel kann nicht aus dem Haus."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":775,"orig":"Doch warum gehſt du nicht durchs Fenſter?","norm":"Doch warum gehst du nicht durchs Fenster?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":776,"orig":"’ s iſt ein Geſetz der Teufel und Geſpenſter:","norm":"' s ist ein Gesetz der Teufel und Gespenster:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":777,"orig":"Wo ſie hereingeſchluͤpft, da muͤſſen ſie hinaus.","norm":"Wo sie hereingeschlüpft, da müssen sie hinaus."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":778,"orig":"Das erſte ſteht uns frey, beym zweyten ſind wir Knechte.","norm":"Das erste steht uns frei, beim zweiten sind wir Knechte."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":779,"orig":"Die Hoͤlle ſelbſt hat ihre Rechte?","norm":"Die Hölle selbst hat ihre Rechte?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":780,"orig":"Das find’ ich gut, da ließe ſich ein Packt, Und ſicher wohl, mit euch ihr Herren ſchließen?","norm":"Das finde ich gut, da ließe sich ein Pakt, und sicher wohl, mit euch ihr Herren schließen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":781,"orig":"Was man verſpricht, das ſollſt du rein genießen, Dir wird davon nichts abgezwackt.","norm":"Was man verspricht, das sollst du rein genießen, Dir wird davon nichts abgezwackt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":782,"orig":"Doch das iſt nicht ſo kurz zu faſſen, Und wir beſprechen das zunaͤchſt;","norm":"Doch das ist nicht so kurz zu fassen, und wir besprechen das zunächst;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":783,"orig":"Doch jetzo bitt’ ich, hoch und hoͤchſt, Fuͤr dieſesmal mich zu entlaſſen.","norm":"Doch jetzt bitte ich, hoch und höchst, für dieses Mal mich zu entlassen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":784,"orig":"So bleibe doch noch einen Augenblick, Um mir erſt gute Maͤhr zu ſagen.","norm":"So bleibe doch noch einen Augenblick, um mir erst gute Mär zu sagen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":785,"orig":"Jetzt laß mich los!","norm":"Jetzt lass mich los!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":786,"orig":"ich komme bald zuruͤck, Dann magſt du nach Belieben fragen.","norm":"Ich komme bald zurück, dann magst du nach Belieben fragen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":787,"orig":"Ich habe dir nicht nachgeſtellt, Biſt du doch ſelbſt ins Garn gegangen.","norm":"Ich habe dir nicht nachgestellt, bist du doch selbst ins Garn gegangen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":788,"orig":"Den Teufel halte wer ihn haͤlt!","norm":"Den Teufel halte wer ihn hält!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":789,"orig":"Er wird ihn nicht ſobald zum zweytenmale fangen.","norm":"Er wird ihn nicht so bald zum zweiten Male fangen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":790,"orig":"Wenn dir’s beliebt, ſo bin ich auch bereit Dir zur Geſellſchaft hier zu bleiben;","norm":"Wenn dir es beliebt, so bin ich auch bereit Dir zur Gesellschaft hier zu bleiben;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":791,"orig":"Doch mit Bedingniß, dir die Zeit, Durch meine Kuͤnſte, wuͤrdig zu vertreiben.","norm":"Doch mit Bedingung, dir die Zeit, durch meine Künste, würdig zu vertreiben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":792,"orig":"Ich ſeh’ es gern, das ſteht dir frey;","norm":"Ich sehe es gern, das steht dir frei;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":793,"orig":"Nur daß die Kunſt gefaͤllig ſey!","norm":"Nur dass die Kunst gefällig sei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":794,"orig":"Du wirſt, mein Freund, fuͤr deine Sinnen, In dieſer Stunde mehr gewinnen, Als in des Jahres Einerley.","norm":"Du wirst, mein Freund, für deine Sinnen, in dieser Stunde mehr gewinnen, als in des Jahres Einerlei."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":795,"orig":"Was dir die zarten Geiſter ſingen, Die ſchoͤnen Bilder die ſie bringen, Sind nicht ein leeres Zauberſpiel.","norm":"Was dir die zarten Geister singen, die schönen Bilder die sie bringen, sind nicht ein leeres Zauberspiel."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":796,"orig":"Auch dein Geruch wird ſich ergetzen, Dann wirſt du deinen Gaumen letzen, Und dann entzuͤckt ſich dein Gefuͤhl.","norm":"Auch dein Geruch wird sich ergötzen, dann wirst du deinen Gaumen lechzen, und dann entzückt sich dein Gefühl."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":797,"orig":"Bereitung braucht es nicht voran, Beyſammen ſind wir, fanget an!","norm":"Bereitung braucht es nicht voran, beisammen sind wir, fanget an!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":798,"orig":"Schwindet ihr dunkeln Woͤlbungen droben!","norm":"Schwindet ihr dunkeln Wölbungen droben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":799,"orig":"Reizender ſchaue, Freundlich, der blaue Aether herein!","norm":"Reizender schaue, freundlich, der blaue Äther herein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":800,"orig":"Waͤren die dunkeln Wolken zerronnen!","norm":"Wären die dunkeln Wolken zerronnen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":801,"orig":"Sternelein funkeln, Mildere Sonnen.","norm":"Sternelein funkeln, Mildere Sonnen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":802,"orig":"Scheinen darein.","norm":"Scheinen darein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":803,"orig":"Himmliſcher Soͤhne Geiſtige Schoͤne, Schwankende Beugung Schwebet voruͤber.","norm":"Himmlischer Söhne Geistige Schöne, schwankende Beugung Schwebet vorüber."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":804,"orig":"Sehnende Neigung Folget hinuͤber;","norm":"Sehnende Neigung Folget hinüber;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":805,"orig":"Und der Gewaͤnder Flatternde Baͤnder Decken die Laͤnder, Decken die Laube, Wo ſich fuͤr’s Leben, Tief in Gedanken, Liebende geben.","norm":"Und der Gewänder flatternde Bänder Decken die Länder, Decken die Laube, wo sich fürs Leben, Tief in Gedanken, Liebende geben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":806,"orig":"Laube bey Laube!","norm":"Laube bei Laube!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":807,"orig":"Sproſſende Ranken!","norm":"Sprossende Ranken!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":808,"orig":"Laſtende Traube Stuͤrzt in’s Behaͤlter Draͤngender Kelter, Stuͤrzen in Baͤchen Schaͤumende Weine, Rieſeln durch reine, Edle Geſteine, Laſſen die Hoͤhen Hinter ſich liegen, Breiten zu Seen Sich ums Genuͤgen Gruͤnender Huͤgel.","norm":"Lastende Traube stürzt ins Behälter drängender Kelter, Stürzen in Bächen schäumende Weine, Rieseln durch reine, Edle Gesteine, Lassen die Höhen hinter sich liegen, Breiten zu Seen sich um das Genügen Grünender Hügel."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":809,"orig":"Und das Gefluͤgel Schluͤrfet ſich Wonne, Flieget der Sonne, Flieget den hellen Inſeln entgegen, Die ſich auf Wellen Gauklend bewegen;","norm":"Und das Geflügel Schlürfet sich Wonne, Flieget der Sonne, Flieget den hellen Inseln entgegen, die sich auf Wellen gaukelnd bewegen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":810,"orig":"Wo wir in Choͤren Jauchzende hoͤren, Ueber den Auen Tanzende ſchauen, Die ſich im Freyen Alle zerſtreuen.","norm":"Wo wir in Chören Jauchzende hören, über den Auen Tanzende schauen, die sich im Freien alle zerstreuen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":811,"orig":"Einige glimmen Ueber die Hoͤhen, Andere ſchwimmen Ueber die Seen, Andere ſchweben;","norm":"Einige klimmen über die Höhen, Andere schwimmen über die Seen, Andere schweben;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":812,"orig":"Alle zum Leben, Alle zur Ferne Liebender Sterne Seliger Huld.","norm":"Alle zum Leben, alle zur Ferne liebender Sterne Seliger Huld."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":813,"orig":"Er ſchlaͤft!","norm":"Er schläft!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":814,"orig":"So recht, ihr luft’gen, zarten Jungen!","norm":"So recht, ihr luftigen, zarten Jungen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":815,"orig":"Ihr habt ihn treulich eingeſungen!","norm":"Ihr habt ihn treulich eingesungen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":816,"orig":"Fuͤr dies Concert bin ich in eurer Schuld.","norm":"Für dies Konzert bin ich in eurer Schuld."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":817,"orig":"Du biſt noch nicht der Mann den Teufel feſt zu halten!","norm":"Du bist noch nicht der Mann den Teufel festzuhalten!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":818,"orig":"Umgaukelt ihn mit ſuͤßen Traumgeſtalten, Verſenkt ihn in ein Meer des Wahns;","norm":"Umgaukelt ihn mit süßen Traumgestalten, versenkt ihn in ein Meer des Wahns;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":819,"orig":"Doch dieſer Schwelle Zauber zu zerſpalten Bedarf ich eines Rattenzahns.","norm":"Doch dieser Schwelle Zauber zu zerspalten Bedarf ich eines Rattenzahns."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":820,"orig":"Nicht lange brauch’ ich zu beſchwoͤren, Schon raſchelt eine hier und wird ſogleich mich hoͤren.","norm":"Nicht lange brauche ich zu beschwören, schon raschelt eine hier und wird sogleich mich hören."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":821,"orig":"Der Herr der Ratten und der Maͤuſe, Der Fliegen, Froͤſche, Wanzen, Laͤuſe, Befiehlt dir dich hervor zu wagen Und dieſe Schwelle zu benagen, So wie er ſie mit Oel betupft — Da kommſt du ſchon hervorgehupft!","norm":"Der Herr der Ratten und der Mäuse, der Fliegen, Frösche, Wanzen, Läuse, befiehlt dir dich hervorzuwagen und diese Schwelle zu benagen, sowie er sie mit Öl betupft — da kommst du schon hervorgehupft!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":822,"orig":"Nur friſch aus Werk!","norm":"Nur frisch aus Werk!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":823,"orig":"Die Spitze, die mich bannte, Sie ſitzt ganz vornen an der Kante.","norm":"Die Spitze, die mich bannte, Sie sitzt ganz vorne an der Kante."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":824,"orig":"Noch einen Viß, ſo iſt’s geſchehn.","norm":"Noch einen Biss, so ist es geschehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":825,"orig":"— Nun Fauſte traͤume fort, bis wir uns wiederſehn.","norm":"— Nun Fauste träume fort, bis wir uns wiedersehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":826,"orig":"Bin ich denn abermals betrogen?","norm":"Bin ich denn abermals betrogen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":827,"orig":"Verſchwindet ſo der geiſterreiche Drang?","norm":"Verschwindet so der geisterreiche Drang?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":828,"orig":"Daß mir ein Traum den Teufel vorgelogen, Und daß ein Pudel mir entſprang.","norm":"Dass mir ein Traum den Teufel vorgelogen, und dass ein Pudel mir entsprang."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":829,"orig":"Es klopft?","norm":"Es klopft?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":830,"orig":"Herein!","norm":"Herein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":831,"orig":"Wer will mich wieder plagen?","norm":"Wer will mich wieder plagen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":832,"orig":"Ich bin’s.","norm":"Ich bin es."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":833,"orig":"Herein!","norm":"Herein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":834,"orig":"Du mußt es dreymal ſagen,","norm":"Du musst es dreimal sagen,"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":835,"orig":"Herein denn!","norm":"Herein denn!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":836,"orig":"So gefaͤllſt du mir.","norm":"So gefällst du mir."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":837,"orig":"Wir werden, hoff’ ich, uns vertragen;","norm":"Wir werden, hoffe ich, uns vertragen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":838,"orig":"Denn dir die Grillen zu verjagen Bin ich, als edler Junker, hier, In rothem goldverbraͤmten Kleide, Das Maͤntelchen von ſtarrer Seide, Die Hahnenfeder auf dem Hut, Mit einem langen, ſpitzen Degen, Und rathe nun dir, kurz und gut, Dergleichen gleichfalls anzulegen;","norm":"Denn dir die Grillen zu verjagen bin ich, als edler Junker, hier, in rotem goldverbrämten Kleide, das Mäntelchen von starrer Seide, die Hahnenfeder auf dem Hut, mit einem langen, spitzen Degen, und rate nun dir, kurz und gut, Dergleichen gleichfalls anzulegen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":839,"orig":"Damit du, losgebunden, frey, Erfahreſt was das Leben ſey.","norm":"Damit du, losgebunden, frei, Erfahrest was das Leben sei."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":840,"orig":"In jedem Kleide werd’ ich wohl die Pein Des engen Erdelebens fuͤhlen.","norm":"In jedem Kleide werde ich wohl die Pein des engen Erdelebens fühlen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":841,"orig":"Ich bin zu alt, um nur zu ſpielen, Zu jung, um ohne Wunſch zu ſeyn.","norm":"Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":842,"orig":"Was kann die Welt mir wohl gewaͤhren?","norm":"Was kann die Welt mir wohl gewähren?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":843,"orig":"Entbehren ſollſt du!","norm":"Entbehren sollst du!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":844,"orig":"ſollſt entbehren!","norm":"sollst entbehren!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":845,"orig":"Das iſt der ewige Geſang, Der jedem an die Ohren klingt, Den, unſer ganzes Leben lang, Uns heiſer jede Stunde ſingt.","norm":"Das ist der ewige Gesang, der jedem an die Ohren klingt, den, unser ganzes Leben lang, uns heiser jede Stunde singt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":846,"orig":"Nur mit Entſetzen wach’ ich Morgens auf, Ich moͤchte bittre Thraͤnen weinen, Den Tag zu ſehn, der mir in ſeinem Lauf Nicht Einen Wunſch erfuͤllen wird, nicht Einen, Der ſelbſt die Ahndung jeder Luſt Mit eigenſinnigem Krittel mindert, Die Schoͤpfung meiner regen Bruſt Mit tauſend Lebensfratzen hindert.","norm":"Nur mit Entsetzen wache ich Morgens auf, Ich möchte bittere Tränen weinen, den Tag zu sehen, der mir in seinem Lauf nicht Einen Wunsch erfüllen wird, nicht Einen, der selbst die Ahnung jeder Lust mit eigensinnigem Krittel mindert, die Schöpfung meiner regen Brust mit tausend Lebensfratzen hindert."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":847,"orig":"Auch muß ich, wenn die Nacht ſich niederſenkt, Mich aͤngſtlich auf das Lager ſtrecken, Auch da wird keine Raſt geſchenkt, Mich werden wilde Traͤume ſchrecken.","norm":"Auch muss ich, wenn die Nacht sich niedersenkt, mich ängstlich auf das Lager strecken, auch da wird keine Rast geschenkt, mich werden wilde Träume schrecken."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":848,"orig":"Der Gott, der mir im Buſen wohnt, Kann tief mein Innerſtes erregen, Der uͤber allen meinen Kraͤften thront, Er kann nach außen nichts bewegen;","norm":"Der Gott, der mir im Busen wohnt, kann tief mein Innerstes erregen, der über allen meinen Kräften thront, er kann nach außen nichts bewegen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":849,"orig":"Und ſo iſt mir das Daſeyn eine Laſt, Der Tod erwuͤnſcht, das Leben mir verhaßt.","norm":"Und so ist mir das Dasein eine Last, der Tod erwünscht, das Leben mir verhasst."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":850,"orig":"Und doch iſt nie der Tod ein ganz willkommner Gaſt.","norm":"Und doch ist nie der Tod ein ganz willkommener Gast."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":851,"orig":"O ſeelig der!","norm":"O selig der!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":852,"orig":"dem er im Siegesglanze Die blut’gen Lorbeern um die Schlaͤfe windet, Den er, nach raſch durchraſ’tem Tanze, In eines Maͤdchens Armen findet.","norm":"dem er im Siegesglanze die blutigen Lorbeeren um die Schläfe windet, den er, nach rasch durchrastem Tanze, in eines Mädchens Armen findet."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":853,"orig":"O waͤr’ ich vor des hohen Geiſtes Kraft Entzuͤckt, entſeelt dahin geſunken!","norm":"O wäre ich vor des hohen Geistes Kraft entzückt, entseelt dahingesunken!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":854,"orig":"Und doch hat Jemand einen braunen Saft, In jener Nacht, nicht ausgetrunken.","norm":"Und doch hat jemand einen braunen Saft, in jener Nacht, nicht ausgetrunken."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":855,"orig":"Das Spioniren, ſcheint’s, iſt deine Luſt.","norm":"Das Spionieren, scheint es, ist deine Lust."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":856,"orig":"Allwiſſend bin ich nicht; doch viel iſt mir bewußt.","norm":"Allwissend bin ich nicht; doch viel ist mir bewusst."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":857,"orig":"Wenn aus dem ſchrecklichen Gewuͤhle Ein ſuͤß bekannter Ton mich zog, Den Reſt von kindlichem Gefuͤhle Mit Anklang froher Zeit betrog;","norm":"Wenn aus dem schrecklichen Gewühle ein süß bekannter Ton mich zog, den Rest von kindlichem Gefühle mit Anklang froher Zeit betrog;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":858,"orig":"So fluch’ ich allem was die Seele Mit Lock- und Gaukelwerk umſpannt, Und ſie in dieſe Trauerhoͤle Mit Blend- und Schmeichelkraͤften bannt!","norm":"So fluche ich allem was die Seele mit Locke- und Gaukelwerk umspannt, und sie in diese Trauerhöhle mit Blend- und Schmeichelkräften bannt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":859,"orig":"Verflucht voraus die hohe Meinung, Womit der Geiſt ſich ſelbſt umfaͤngt!","norm":"Verflucht voraus die hohe Meinung, womit der Geist sich selbst umfängt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":860,"orig":"Verflucht das Blenden der Erſcheinung, Die ſich an unſre Sinne draͤngt!","norm":"Verflucht das Blenden der Erscheinung, die sich an unsere Sinne drängt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":861,"orig":"Verflucht was uns in Traͤumen heuchelt, Des Ruhms, der Namensdauer Trug!","norm":"Verflucht was uns in Träumen heuchelt, des Ruhms, der Namensdauer Trug!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":862,"orig":"Verflucht was als Beſitz uns ſchmeichelt, Als Weib und Kind, als Knecht und Pflug!","norm":"Verflucht was als Besitz uns schmeichelt, als Weib und Kind, als Knecht und Pflug!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":863,"orig":"Verflucht ſey Mammon, wenn mit Schaͤtzen Er uns zu kuͤhnen Thaten regt, Wenn er zu muͤßigem Ergetzen Die Polſter uns zurechte legt!","norm":"Verflucht sei Mammon, wenn mit Schätzen er uns zu kühnen Taten regt, wenn er zu müßigem Ergötzen die Polster uns zurechtelegt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":864,"orig":"Fluch ſey dem Balſamſaft der Trauben!","norm":"Fluch sei dem Balsamsaft der Trauben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":865,"orig":"Fluch jener hoͤchſten Liebeshuld!","norm":"Fluch jener höchsten Liebeshuld!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":866,"orig":"Fluch ſey der Hoffnung!","norm":"Fluch sei der Hoffnung!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":867,"orig":"Fluch dem Glauben, Und Fluch vor allen der Geduld!","norm":"Fluch dem Glauben, und Fluch vor allen der Geduld!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":868,"orig":"Weh!","norm":"Weh!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":869,"orig":"weh!","norm":"weh!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":870,"orig":"Du haſt ſie zerſtoͤrt, Die ſchoͤne Welt, Mit maͤchtiger Fauſt, Sie ſtuͤrzt, ſie zerfaͤllt!","norm":"Du hast sie zerstört, die schöne Welt, mit mächtiger Faust, Sie stürzt, sie zerfällt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":871,"orig":"Ein Halbgott hat ſie zerſchlagen!","norm":"Ein Halbgott hat sie zerschlagen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":872,"orig":"Wir tragen Die Truͤmmern ins Nichts hinuͤber, Und klagen Ueber die verlorne Schoͤne.","norm":"Wir tragen die Trümmern ins Nichts hinüber, und klagen über die verlorene Schöne."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":873,"orig":"Maͤchtiger Der Erdenſoͤhne, Praͤchtiger Baue ſie wieder, In deinem Buſen baue ſie auf!","norm":"Mächtiger der Erdensöhne, prächtiger Baue sie wieder, in deinem Busen baue sie auf!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":874,"orig":"Neuen Lebenslauf Beginne, Mit hellem Sinne, Und neue Lieder Toͤnen darauf!","norm":"Neuen Lebenslauf Beginne, mit hellem Sinne, und neue Lieder Tönen darauf!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":875,"orig":"Dies ſind die kleinen Von den Meinen.","norm":"Dies sind die Kleinen von den Meinen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":876,"orig":"Hoͤre, wie zu Luſt und Thaten Altklug ſie rathen!","norm":"Höre, wie zu Lust und Taten altklug sie raten!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":877,"orig":"In die Welt weit, Aus der Einſamkeit, Wo Sinnen und Saͤfte ſtocken, Wollen ſie dich locken.","norm":"In die Welt weit, aus der Einsamkeit, wo Sinnen und Säfte stocken, Wollen sie dich locken."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":878,"orig":"Hoͤr’ auf mit deinem Gram zu ſpielen, Der, wie ein Geyer, dir am Leben frißt;","norm":"Höre auf mit deinem Gram zu spielen, der, wie ein Geier, dir am Leben frisst;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":879,"orig":"Die ſchlechteſte Geſellſchaft laͤßt dich fuͤhlen Daß du ein Menſch mit Menſchen biſt.","norm":"Die schlechteste Gesellschaft lässt dich fühlen dass du ein Mensch mit Menschen bist."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":880,"orig":"Doch ſo iſt’s nicht gemeynt Dich unter das Pack zu ſtoßen.","norm":"Doch so ist es nicht gemeint Dich unter das Pack zu stoßen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":881,"orig":"Ich bin keiner von den Großen;","norm":"Ich bin keiner von den Großen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":882,"orig":"Doch willſt du, mit mir vereint, Deine Schritte durchs Leben nehmen;","norm":"Doch willst du, mit mir vereint, Deine Schritte durchs Leben nehmen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":883,"orig":"So will ich mich gern bequemen Dein zu ſeyn, auf der Stelle.","norm":"So will ich mich gern bequemen Dein zu sein, auf der Stelle."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":884,"orig":"Ich bin dein Geſelle Und, mach’ ich dir’s recht, Bin ich dein Diener, bin dein Knecht!","norm":"Ich bin dein Geselle und, mache ich dir es recht, bin ich dein Diener, bin dein Knecht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":885,"orig":"Und was ſoll ich dagegen dir erfuͤllen?","norm":"Und was soll ich dagegen dir erfüllen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":886,"orig":"Dazu haſt du noch eine lange Friſt.","norm":"Dazu hast du noch eine lange Frist."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":887,"orig":"Nein nein!","norm":"Nein nein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":888,"orig":"der Teufel iſt ein Egoiſt Und thut nicht leicht um Gottes Willen Was einem andern nuͤtzlich iſt.","norm":"der Teufel ist ein Egoist und tut nicht leicht um Gottes willen was einem anderen nützlich ist."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":889,"orig":"Sprich die Bedingung deutlich aus;","norm":"Sprich die Bedingung deutlich aus;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":890,"orig":"Ein ſolcher Diener bringt Gefahr ins Haus.","norm":"Ein solcher Diener bringt Gefahr ins Haus."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":891,"orig":"Ich will mich hier zu deinem Dienſt verbinden, Auf deinen Wink nicht raſten und nicht ruhn;","norm":"Ich will mich hier zu deinem Dienst verbinden, auf deinen Wink nicht rasten und nicht ruhen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":892,"orig":"Wenn wir uns druͤben wieder finden, So ſollſt du mir das Gleiche thun.","norm":"Wenn wir uns drüben wiederfinden, so sollst du mir das Gleiche tun."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":893,"orig":"Das Druͤben kann mich wenig kuͤmmern, Schlaͤgſt du erſt dieſe Welt zu Truͤmmern, Die andre mag darnach entſtehn.","norm":"Das Drüben kann mich wenig kümmern, schlägst du erst diese Welt zu Trümmern, die andere mag danach entstehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":894,"orig":"Aus dieſer Erde quillen meine Freuden, Und dieſe Sonne ſcheinet meinen Leiden;","norm":"Aus dieser Erde quellen meine Freuden, und diese Sonne scheinet meinen Leiden;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":895,"orig":"Kann ich mich erſt von ihnen ſcheiden, Dann mag was will und kann geſchehn.","norm":"Kann ich mich erst von ihnen scheiden, dann mag was will und kann geschehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":896,"orig":"Davon will ich nichts weiter hoͤren, Ob man auch kuͤnftig haßt und liebt, Und ob es auch in jenen Sphaͤren Ein Oben oder Unten giebt.","norm":"Davon will ich nichts weiter hören, Ob man auch künftig hasst und liebt, und ob es auch in jenen Sphären ein oben oder unten gibt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":897,"orig":"In dieſem Sinne kannſt du’s wagen.","norm":"In diesem Sinne kannst du es wagen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":898,"orig":"Verbinde dich; du ſollſt, in dieſen Tagen, Mit Freuden meine Kuͤnſte ſehn, Ich gebe dir was noch kein Menſch geſehn.","norm":"Verbinde dich; du sollst, in diesen Tagen, mit Freuden meine Künste sehen, Ich gebe dir was noch kein Mensch gesehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":899,"orig":"Was willſt du armer Teuſel geben?","norm":"Was willst du armer Teufel geben?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":900,"orig":"Ward eines Menſchen Geiſt, in ſeinem hohen Streben, Von deines Gleichen je gefaßt?","norm":"Wurde eines Menschen Geist, in seinem hohen Streben, von deinesgleichen je gefasst?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":901,"orig":"Doch haſt du Speiſe die nicht ſaͤttigt, haſt Du rothes Gold, das ohne Raſt, Queckſilber gleich, dir in der Hand zerrinnt, Ein Spiel, bey dem man nie gewinnt, Ein Maͤdchen, das an meiner Bruſt Mit Aeugeln ſchon dem Nachbar ſich verbindet, Der Ehre ſchoͤne Goͤtterluſt, Die, wie ein Meteor, verſchwindet.","norm":"Doch hast du Speise die nicht sättigt, hast Du rotes Gold, das ohne Rast, Quecksilber gleich, dir in der Hand zerrinnt, ein Spiel, bei dem man nie gewinnt, ein Mädchen, das an meiner Brust mit Äugeln schon dem Nachbar sich verbindet, der Ehre schöne Götterlust, Die, wie ein Meteor, verschwindet."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":902,"orig":"Zeig mir die Frucht die fault, eh’ man ſie bricht, Und Baͤume die ſich taͤglich neu begruͤnen!","norm":"Zeige mir die Frucht die fault, ehe man sie bricht, und Bäume die sich täglich neu begrünen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":903,"orig":"Ein ſolcher Auftrag ſchreckt mich nicht, Mit ſolchen Schaͤtzen kann ich dienen.","norm":"Ein solcher Auftrag schreckt mich nicht, mit solchen Schätzen kann ich dienen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":904,"orig":"Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran Wo wir was Gut’s in Ruhe ſchmauſen moͤgen.","norm":"Doch, guter Freund, die Zeit kommt auch heran wo wir was Gutes in Ruhe schmausen mögen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":905,"orig":"Werd’ ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen;","norm":"Werde ich beruhigt je mich auf ein Faulbett legen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":906,"orig":"So ſey es gleich um mich gethan!","norm":"So sei es gleich um mich getan!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":907,"orig":"Kannſt du mich ſchmeichelnd je beluͤgen, Daß ich mir ſelbſt gefallen mag, Kannſt du mich mit Genuß betruͤgen;","norm":"Kannst du mich schmeichelnd je belügen, dass ich mir selbst gefallen mag, kannst du mich mit Genuss betrügen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":908,"orig":"Das ſey fuͤr mich der letzte Tag!","norm":"Das sei für mich der letzte Tag!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":909,"orig":"Die Wette biet’ ich!","norm":"Die Wette biete ich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":910,"orig":"Top!","norm":"Top!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":911,"orig":"Und Schlag auf Schlag!","norm":"Und Schlag auf Schlag!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":912,"orig":"Werd’ ich zum Augenblicke ſagen:","norm":"Werde ich zum Augenblicke sagen:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":913,"orig":"Verweile doch!","norm":"Verweile doch!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":914,"orig":"du biſt ſo ſchoͤn!","norm":"du bist so schön!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":915,"orig":"Dann magſt du mich in Feſſeln ſchlagen, Dann will ich gern zu Grunde gehn!","norm":"Dann magst du mich in Fesseln schlagen, dann will ich gern zugrunde gehen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":916,"orig":"Dann mag die Todtenglocke ſchallen, Dann biſt du deines Dienſtes frey, Die Uhr mag ſtehn, der Zeiger fallen, Es ſey die Zeit fuͤr mich vorbey!","norm":"Dann mag die Totenglocke schallen, dann bist du deines Dienstes frei, die Uhr mag stehen, der Zeiger fallen, es sei die Zeit für mich vorbei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":917,"orig":"Bedenk’ es wohl, wir werden’s nicht vergeſſen.","norm":"Bedenk es wohl, wir werden es nicht vergessen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":918,"orig":"Dazu haſt du ein volles Recht;","norm":"Dazu hast du ein volles Recht;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":919,"orig":"Ich habe mich nicht freventlich vermeſſen.","norm":"Ich habe mich nicht freventlich vermessen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":920,"orig":"Wie ich beharre bin ich Knecht, Ob dein, was frag’ ich, oder weſſen.","norm":"Wie ich beharre bin ich Knecht, ob dein, was frage ich, oder wessen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":921,"orig":"Ich werde heute gleich, beym Doctorſchmaus, Als Diener, meine Pflicht erfuͤllen.","norm":"Ich werde heute gleich, beim Doktorschmaus, als Diener, meine Pflicht erfüllen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":922,"orig":"Nur eins!","norm":"Nur eins!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":923,"orig":"— um Lebens oder Sterbens willen, Bitt’ ich mir ein Paar Zeilen aus.","norm":"— um Lebens oder Sterbens Willen, Bitte ich mir ein paar Zeilen aus."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":924,"orig":"Auch was geſchriebnes forderſt du Pedant?","norm":"Auch was Geschriebenes forderst du Pedant?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":925,"orig":"Haſt du noch keinen Mann, nicht Mannes-Wort gekannt?","norm":"Hast du noch keinen Mann, nicht Manneswort gekannt?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":926,"orig":"Iſt’s nicht genug, daß mein geſprochnes Wort Auf ewig ſoll mit meinen Tagen ſchalten?","norm":"Ist es nicht genug, dass mein gesprochenes Wort auf ewig soll mit meinen Tagen schalten?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":927,"orig":"Raſ’t nicht die Welt in allen Stroͤmen fort, Und mich ſoll ein Verſprechen halten?","norm":"Rast nicht die Welt in allen Strömen fort, und mich soll ein Versprechen halten?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":928,"orig":"Doch dieſer Wahn iſt uns ins Herz gelegt, Wer mag ſich gern davon befreyen?","norm":"Doch dieser Wahn ist uns ins Herz gelegt, wer mag sich gern davon befreien?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":929,"orig":"Begluͤckt wer Treue rein im Buſen traͤgt, Kein Opfer wird ihn je gereuen!","norm":"Beglückt wer Treue rein im Busen trägt, kein Opfer wird ihn je gereuen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":930,"orig":"Allein ein Pergament, beſchrieben und bepraͤgt, Iſt ein Geſpenſt vor dem ſich alle ſcheuen.","norm":"Allein ein Pergament, beschrieben und beprägt, ist ein Gespenst vor dem sich alle scheuen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":931,"orig":"Das Wort erſtirbt ſchon in der Feder, Die Herrſchaft fuͤhren Wachs und Leder.","norm":"Das Wort erstirbt schon in der Feder, die Herrschaft führen Wachs und Leder."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":932,"orig":"Was willſt du boͤſer Geiſt von mir?","norm":"Was willst du böser Geist von mir?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":933,"orig":"Erz, Marmor, Pergament, Papier?","norm":"Erz, Marmor, Pergament, Papier?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":934,"orig":"Soll ich mit Griffel, Meißel, Feder ſchreiben?","norm":"Soll ich mit Griffel, Meißel, Feder schreiben?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":935,"orig":"Ich gebe jede Wahl dir frey.","norm":"Ich gebe jede Wahl dir frei."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":936,"orig":"Wie magſt du deine Rednerey Nur gleich ſo hitzig uͤbertreiben?","norm":"Wie magst du deine Rednerei nur gleich so hitzig übertreiben?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":937,"orig":"Iſt doch ein jedes Blaͤttchen gut.","norm":"Ist doch ein jedes Blättchen gut."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":938,"orig":"Du unterzeichneſt dich mit einem Troͤpfchen Blut.","norm":"Du unterzeichnest dich mit einem Tröpfchen Blut."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":939,"orig":"Wenn dieß dir voͤllig G’nuͤge thut, So mag es bey der Fratze bleiben.","norm":"Wenn dies dir völlig Genüge tut, so mag es bei der Fratze bleiben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":940,"orig":"Blut iſt ein ganz beſondrer Saft.","norm":"Blut ist ein ganz besonderer Saft."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":941,"orig":"Nur keine Furcht, daß ich dieß Buͤndniß breche!","norm":"Nur keine Furcht, dass ich dies Bündnis breche!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":942,"orig":"Das Streben meiner ganzen Kraft Iſt g’rade das was ich verſpreche.","norm":"Das Streben meiner ganzen Kraft ist gerade das was ich verspreche."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":943,"orig":"Ich habe mich zu hoch geblaͤht, In deinen Rang gehoͤr’ ich nur.","norm":"Ich habe mich zu hoch gebläht, in deinen Rang gehöre ich nur."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":944,"orig":"Der große Geiſt hat mich verſchmaͤht, Vor mir verſchließt ſich die Natur.","norm":"Der große Geist hat mich verschmäht, vor mir verschließt sich die Natur."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":945,"orig":"Des Denkens Faden iſt zerriſſen, Mir ekelt lange vor allem Wiſſen.","norm":"Des Denkens Faden ist zerrissen, mir ekelt lange vor allem Wissen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":946,"orig":"Laß in den Tiefen der Sinnlichkeit Uns gluͤhende Leidenſchaften ſtillen!","norm":"Lass in den Tiefen der Sinnlichkeit uns glühende Leidenschaften stillen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":947,"orig":"In undurchdrungnen Zauberhuͤllen Sey jedes Wunder gleich bereit!","norm":"In undurchdrungenen Zauberhüllen Sei jedes Wunder gleich bereit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":948,"orig":"Stuͤrzen wir uns in das Rauſchen der Zeit In’s Rollen der Begebenheit!","norm":"Stürzen wir uns in das Rauschen der Zeit ins Rollen der Begebenheit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":949,"orig":"Da mag denn Schmerz und Genuß, Gelingen und Verdruß, Mit einander wechſeln wie es kann;","norm":"Da mag denn Schmerz und Genuss, Gelingen und Verdruss, Miteinander wechseln wie es kann;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":950,"orig":"Nur raſtlos bethaͤtigt ſich der Mann.","norm":"Nur rastlos betätigt sich der Mann."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":951,"orig":"Euch iſt kein Maß und Ziel geſetzt.","norm":"Euch ist kein Maß und Ziel gesetzt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":952,"orig":"Beliebt’s euch uͤberall zu naſchen, Im Fliehen etwas zu erhaſchen;","norm":"Beliebt es Euch überall zu naschen, im Fliehen etwas zu erhaschen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":953,"orig":"Bekomm’ euch wohl was euch ergetzt.","norm":"Bekomme Euch wohl was Euch ergötzt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":954,"orig":"Nur greift mir zu und ſeyd nicht bloͤde!","norm":"Nur greift mir zu und seid nicht blöde!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":955,"orig":"Du hoͤreſt ja, von Freud’ iſt nicht die Rede.","norm":"Du hörest ja, von Freude ist nicht die Rede."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":956,"orig":"Dem Taumel weih’ ich mich, dem ſchmerzlichſten Genuß, Verliebtem Haß, erquickendem Verdruß.","norm":"Dem Taumel weihe ich mich, dem schmerzlichsten Genuss, verliebtem Hass, erquickendem Verdruss."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":957,"orig":"Mein Buſen, der vom Wiſſensdrang geheilt iſt, Soll keinen Schmerzen kuͤnftig ſich verſchließen, Und was der ganzen Menſchheit zugetheilt iſt, Will ich in meinem innern Selbſt genießen, Mit meinem Geiſt das Hoͤchſt’ und Tiefſte greifen, Ihr Wohl und Weh auf meinen Buſen haͤufen, Und ſo mein eigen Selbſt zu ihrem Selbſt erweitern, Und, wie ſie ſelbſt, am End’ auch ich zerſcheitern.","norm":"Mein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist, Soll keinen Schmerzen künftig sich verschließen, und was der ganzen Menschheit zugeteilt ist, will ich in meinem inneren Selbst genießen, mit meinem Geist das Höchste und Tiefste greifen, Ihr Wohl und Weh auf meinen Busen häufen, und so mein eigen Selbst zu ihrem Selbst erweitern, und, wie sie selbst, am Ende auch ich scheitern."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":958,"orig":"O glaube mir, der manche tauſend Jahre An dieſer harten Speiſe kaut, Daß von der Wiege bis zur Bahre Kein Menſch den alten Sauerteig verdaut!","norm":"O glaube mir, der manche tausend Jahre an dieser harten Speise kaut, dass von der Wiege bis zur Bahre kein Mensch den alten Sauerteig verdaut!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":959,"orig":"Glaub’ unſer einem, dieſes Ganze Iſt nur fuͤr einen Gott gemacht!","norm":"Glaube unsereinem, dieses Ganze Ist nur für einen Gott gemacht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":960,"orig":"Er findet ſich in einem ew’gen Glanze, Uns hat er in die Finſterniß gebracht, Und euch taugt einzig Tag und Nacht.","norm":"Er findet sich in einem ewigen Glanze, uns hat er in die Finsternis gebracht, und euch taugt einzig Tag und Nacht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":961,"orig":"Allein ich will!","norm":"Allein ich will!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":962,"orig":"Das laͤßt ſich hoͤren!","norm":"Das lässt sich hören!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":963,"orig":"Doch nur vor Einem iſt mir bang’;","norm":"Doch nur vor Einem ist mir bang;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":964,"orig":"Die Zeit iſt kurz, die Kunſt iſt lang.","norm":"Die Zeit ist kurz, die Kunst ist lang."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":965,"orig":"Ich daͤcht’, ihr ließet euch belehren.","norm":"Ich dächte, Ihr ließet Euch belehren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":966,"orig":"Aſſociirt euch mit einem Poeten, Laßt den Herrn in Gedanken ſchweifen, Und alle edlen Qualitaͤten Auf euren Ehren-Scheitel haͤufen, Des Loͤwen Muth, Des Hirſches Schnelligkeit, Des Italiaͤners feurig Blut, Des Nordens Dau’rbarkeit.","norm":"Assoziiert Euch mit einem Poeten, lasst den Herrn in Gedanken schweifen, und alle edlen Qualitäten auf Euren Ehrenscheitel häufen, des Löwen Mut, des Hirsches Schnelligkeit, des Italieners feurig Blut, des Nordens Dauerbarkeit."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":967,"orig":"Laßt ihn euch das Geheimniß finden, Großmuth und Argliſt zu verbinden, Und euch, mit warmen Jugendtrieben, Nach einem Plane, zu verlieben.","norm":"Lasst ihn Euch das Geheimnis finden, Großmut und Arglist zu verbinden, und Euch, mit warmen Jugendtrieben, nach einem Plane, zu verlieben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":968,"orig":"Moͤchte ſelbſt ſolch einen Herren kennen, Wuͤrd’ ihn Herrn Mikrokosmus nennen.","norm":"Möchte selbst solch einen Herren kennen, Würde ihn Herrn Mikrokosmos nennen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":969,"orig":"Was bin ich denn?","norm":"Was bin ich denn?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":970,"orig":"wenn es nicht moͤglich iſt Der Menſchheit Krone zu erringen, Nach der ſich alle Sinne dringen.","norm":"wenn es nicht möglich ist der Menschheit Krone zu erringen, nach der sich alle Sinne dringen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":971,"orig":"Du biſt am Ende — was du biſt.","norm":"Du bist am Ende — was du bist."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":972,"orig":"Setz’ dir Perruͤcken auf von Millionen Locken, Setz’ deinen Fuß auf ellenhohe Socken, Du bleibſt doch immer was du biſt.","norm":"Setze dir Perücken auf von Millionen Locken, Setze deinen Fuß auf ellenhohe Socken, Du bleibst doch immer was du bist."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":973,"orig":"Ich fuͤhl’s, vergebens hab’ ich alle Schaͤtze Des Menſchengeiſt’s auf mich herbeygerafft, Und wenn ich mich am Ende niederſetze, Quillt innerlich doch keine neue Kraft;","norm":"Ich fühle es, vergebens habe ich alle Schätze des Menschengeists auf mich herbeigerafft, und wenn ich mich am Ende niedersetze, quillt innerlich doch keine neue Kraft;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":974,"orig":"Ich bin nicht um ein Haar breit hoͤher, Bin dem Unendlichen nicht naͤher.","norm":"Ich bin nicht um ein Haar breit höher, bin dem Unendlichen nicht näher."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":975,"orig":"Mein guter Herr, ihr ſeht die Sachen, Wie man die Sachen eben ſieht;","norm":"Mein guter Herr, Ihr seht die Sachen, Wie man die Sachen eben sieht;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":976,"orig":"Wir muͤſſen das geſcheidter machen, Eh’ uns des Lebens Freude flieht.","norm":"Wir müssen das gescheiter machen, Ehe uns des Lebens Freude flieht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":977,"orig":"Was Henker!","norm":"Was Henker!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":978,"orig":"freylich Haͤnd’ und Fuͤße Und Kopf und H — — die ſind dein;","norm":"freilich Hände und Füße und Kopf und H — — die sind dein;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":979,"orig":"Doch alles was ich friſch genieße, Iſt das drum weniger mein?","norm":"Doch alles was ich frisch genieße, ist das darum weniger mein?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":980,"orig":"Wenn ich ſechs Hengſte zahlen kann, Sind ihre Kraͤfte nicht die meine?","norm":"Wenn ich sechs Hengste zahlen kann, sind ihre Kräfte nicht die meine?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":981,"orig":"Ich renne zu und bin ein rechter Mann, Als haͤtt’ ich vier und zwanzig Beine.","norm":"Ich renne zu und bin ein rechter Mann, als hätte ich vierundzwanzig Beine."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":982,"orig":"Drum friſch!","norm":"Darum frisch!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":983,"orig":"laß alles Sinnen ſeyn, Und g’rad ’ mit in die Welt hinein!","norm":"lass alles Sinnen sein, und gerate ’ mit in die Welt hinein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":984,"orig":"Ich ſag’ es dir: ein Kerl der ſpeculirt, Iſt wie ein Thier, auf duͤrrer Heide Von einem boͤſen Geiſt im Kreis herum gefuͤhrt, Und rings umher liegt ſchoͤne gruͤne Weide.","norm":"Ich sage es dir: Ein Kerl der spekuliert, ist wie ein Tier, auf dürrer Heide von einem bösen Geist im Kreis herumgeführt, und rings umher liegt schöne grüne Weide."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":985,"orig":"Wie fangen wir das an?","norm":"Wie fangen wir das an?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":986,"orig":"Wir gehen eben fort.","norm":"Wir gehen eben fort."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":987,"orig":"Was iſt das fuͤr ein Marterort?","norm":"Was ist das für ein Marterort?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":988,"orig":"Was heißt das fuͤr ein Leben fuͤhren, Sich und die Jungens ennuyiren?","norm":"Was heißt das für ein Leben führen, sich und die Jungen ennuyieren?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":989,"orig":"Laß du das dem Herrn Nachbar Wanſt!","norm":"Lass du das dem Herrn Nachbar Wanst!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":990,"orig":"Was willſt du dich das Stroh zu dreſchen plagen?","norm":"Was willst du dich das Stroh zu dreschen plagen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":991,"orig":"Das beſte, was du wiſſen kannſt, Darfſt du den Buben doch nicht ſagen.","norm":"Das Beste, was du wissen kannst, darfst du den Buben doch nicht sagen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":992,"orig":"Gleich hoͤr’ ich einen auf dem Gange!","norm":"Gleich höre ich einen auf dem Gange!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":993,"orig":"Mir iſt’s nicht moͤglich ihn zu ſehn.","norm":"Mir ist es nicht möglich ihn zu sehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":994,"orig":"Der arme Knabe wartet lange, Der darf nicht ungetroͤſtet gehn.","norm":"Der arme Knabe wartet lange, der darf nicht ungetröstet gehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":995,"orig":"Komm, gib mir deinen Rock und Muͤtze;","norm":"Komme, gib mir deinen Rock und Mütze;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":996,"orig":"Die Maske muß mir koͤſtlich ſtehn.","norm":"Die Maske muss mir köstlich stehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":997,"orig":"Nun uͤberlaß es meinem Witze!","norm":"Nun überlasse es meinem Witze!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":998,"orig":"Ich brauche nur ein Viertelſtuͤndchen Zeit;","norm":"Ich brauche nur ein Viertelstündchen Zeit;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":999,"orig":"Indeſſen mache dich zur ſchoͤnen Fahrt bereit!","norm":"Indessen mache dich zur schönen Fahrt bereit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1000,"orig":"Verachte nur Vernunft und Wiſſenſchaft, Des Menſchen allerhoͤchſte Kraft, Laß nur in Blend- und Zauberwerken Dich von dem Luͤgengeiſt beſtaͤrken, So hab’ ich dich ſchon unbedingt — Ihm hat das Schickſal einen Geiſt gegeben, Der ungebaͤndigt immer vorwaͤrts dringt, Und deſſen uͤbereiltes Streben Der Erde Freuden uͤberſpringt.","norm":"Verachte nur Vernunft und Wissenschaft, des Menschen allerhöchste Kraft, Lass nur in Blend- und Zauberwerken Dich von dem Lügengeist bestärken, so habe ich dich schon unbedingt — ihm hat das Schicksal einen Geist gegeben, der ungebändigt immer vorwärts dringt, und dessen übereiltes Streben der Erde Freuden überspringt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1001,"orig":"Den ſchlepp’ ich durch das wilde Leben, Durch flache Unbedeutenheit, Er ſoll mir zappeln, ſtarren, kleben, Und ſeiner Unerſaͤttlichkeit Soll Speiſ’ und Trank vor gier’gen Lippen ſchweben;","norm":"Den schleppe ich durch das wilde Leben, durch flache Unbedeutendheit, er soll mir zappeln, starren, kleben, und seiner Unersättlichkeit Soll Speise und Trank vor gierigen Lippen schweben;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1002,"orig":"Er wird Erquickung ſich umſonſt erflehn, Und haͤtt’ er ſich auch nicht dem Teufel uͤbergeben, Er muͤßte doch zu Grunde gehn!","norm":"Er wird Erquickung sich umsonst erflehen, und hätte er sich auch nicht dem Teufel übergeben, er müsste doch zugrunde gehen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1003,"orig":"Ich bin alhier erſt kurze Zeit, Und komme voll Ergebenheit, Einen Mann zu ſprechen und zu kennen, Den alle mir mit Ehrfurcht nennen.","norm":"Ich bin allhier erst kurze Zeit, und komme voll Ergebenheit, Einen Mann zu sprechen und zu kennen, den alle mir mit Ehrfurcht nennen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1004,"orig":"Eure Hoͤflichkeit erfreut mich ſehr!","norm":"Eure Höflichkeit erfreut mich sehr!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1005,"orig":"Ihr ſeht einen Mann wie andre mehr.","norm":"Ihr seht einen Mann wie andere mehr."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1006,"orig":"Habt ihr euch ſonſt ſchon umgethan?","norm":"Habt Ihr Euch sonst schon umgetan?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1007,"orig":"Ich bitt’ euch, nehmt euch meiner an!","norm":"Ich bitte Euch, nehmt Euch meiner an!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1008,"orig":"Ich komme mit allem guten Muth, Leidlichem Geld und friſchem Blut;","norm":"Ich komme mit allem guten Mut, leidlichem Geld und frischem Blut;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1009,"orig":"Meine Mutter wollte mich kaum entfernen;","norm":"Meine Mutter wollte mich kaum entfernen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1010,"orig":"Moͤchte gern’ was rechts hieraußen lernen.","norm":"Möchte gern was Rechts hieraußen lernen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1011,"orig":"Da ſeyd ihr eben recht am Ort.","norm":"Da seid Ihr eben recht am Ort."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1012,"orig":"Aufrichtig, moͤchte ſchon wieder fort:","norm":"Aufrichtig, möchte schon wieder fort:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1013,"orig":"In dieſen Mauern, dieſen Hallen, Will es mir keineswegs gefallen.","norm":"In diesen Mauern, diesen Hallen, will es mir keineswegs gefallen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1014,"orig":"Es iſt ein gar beſchraͤnkter Raum, Man ſieht nichts Gruͤnes, keinen Baum, Und in den Saͤlen, auf den Baͤnken, Vergeht mir Hoͤren, Seh’n und Denken.","norm":"Es ist ein gar beschränkter Raum, man sieht nichts Grünes, keinen Baum, und in den Sälen, auf den Bänken, vergeht mir Hören, Sehen und Denken."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1015,"orig":"Das kommt nur auf Gewohnheit an.","norm":"Das kommt nur auf Gewohnheit an."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1016,"orig":"So nimmt ein Kind der Mutter Bruſt Nicht gleich im Anfang willig an, Doch bald ernaͤhrt es ſich mit Luſt.","norm":"So nimmt ein Kind der Mutter Brust nicht gleich im Anfang willig an, doch bald ernährt es sich mit Lust."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1017,"orig":"So wird’s euch an der Weisheit Bruͤſten Mit jedem Tage mehr geluͤſten.","norm":"So wird es Euch an der Weisheit Brüsten mit jedem Tage mehr gelüsten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1018,"orig":"An ihrem Hals will ich mit Freuden hangen;","norm":"An ihrem Hals will ich mit Freuden hangen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1019,"orig":"Doch ſagt mir nur, wie kann ich hingelangen?","norm":"Doch sagt mir nur, wie kann ich hingelangen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1020,"orig":"Erklaͤrt euch, eh’ ihr weiter geht, Was waͤhlt ihr fuͤr eine Facultaͤt?","norm":"Erklärt Euch, ehe Ihr weiter geht, was wählt Ihr für eine Fakultät?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1021,"orig":"Ich wuͤnſchte recht gelehrt zu werden, Und moͤchte gern, was auf der Erden Und in dem Himmel iſt, erfaſſen, Die Wiſſenſchaft und die Natur.","norm":"Ich wünschte recht gelehrt zu werden, und möchte gern, was auf der Erden und in dem Himmel ist, erfassen, die Wissenschaft und die Natur."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1022,"orig":"Da ſeyd ihr auf der rechten Spur;","norm":"Da seid Ihr auf der rechten Spur;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1023,"orig":"Doch muͤßt ihr euch nicht zerſtreuen laſſen.","norm":"Doch müsst Ihr Euch nicht zerstreuen lassen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1024,"orig":"Ich bin dabey mit Seel’ und Leib;","norm":"Ich bin dabei mit Seele und Leib;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1025,"orig":"Doch freylich wuͤrde mir behagen Ein wenig Freyheit und Zeitvertreib, An ſchoͤnen Sommerfeiertagen.","norm":"Doch freilich würde mir behagen ein wenig Freiheit und Zeitvertreib, an schönen Sommerfeiertagen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1026,"orig":"Gebraucht der Zeit, ſie geht ſo ſchnell von hinnen, Doch Ordnung lehrt euch Zeit gewinnen.","norm":"Gebraucht der Zeit, sie geht so schnell von hinnen, doch Ordnung lehrt Euch Zeit gewinnen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1027,"orig":"Mein theurer Freund, ich rath’ euch drum Zuerſt Collegium Logicum.","norm":"Mein teurer Freund, ich rate Euch darum zuerst Collegium Logicum."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1028,"orig":"Da wird der Geiſt euch wohl dreſſirt, In ſpaniſche Stiefeln eingeſchnuͤrt, Daß er bedaͤchtiger ſo fort an Hinſchleiche die Gedankenbahn, Und nicht etwa, die Kreuz’ und Quer, Irlichtelire hin und her.","norm":"Da wird der Geist Euch wohl dressiert, in spanische Stiefeln eingeschnürt, dass er bedächtiger so fortan hinschleiche die Gedankenbahn, und nicht etwa, die kreuz und quer, Irrlichteliere hin und her."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1029,"orig":"Dann lehret man euch manchen Tag, Daß, was ihr ſonſt auf einen Schlag Getrieben, wie Eſſen und Trinken frey, Eins!","norm":"Dann lehrt man Euch manchen Tag, Dass, was Ihr sonst auf einen Schlag getrieben, wie Essen und Trinken frei, Eins!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1030,"orig":"Zwey!","norm":"Zwei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1031,"orig":"Drey!","norm":"Drei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1032,"orig":"dazu noͤthig ſey.","norm":"dazu nötig sei."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1033,"orig":"Zwar iſt’s mit der Gedanken-Fabrik Wie mit einem Weber-Meiſterſtuͤck, Wo Ein Tritt tauſend Faͤden regt, Die Schifflein heruͤber hinuͤber ſchießen, Die Faͤden ungeſehen fließen, Ein Schlag tauſend Verbindungen ſchlaͤgt:","norm":"Zwar ist es mit der Gedankenfabrik wie mit einem Weber-Meisterstück, wo ein Tritt tausend Fäden regt, die Schifflein herüber hinüber schießen, die Fäden ungesehen fließen, ein Schlag tausend Verbindungen schlägt:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1034,"orig":"Der Philoſoph der tritt herein, Und beweiſ’t euch, es muͤßt’ ſo ſeyn:","norm":"Der Philosoph der tritt herein, und beweist Euch, es müsste so sein:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1035,"orig":"Das Erſt’ waͤr’ ſo, das Zweyte ſo, Und drum das Dritt’ und Vierte ſo;","norm":"Das Erste wäre so, das Zweite so, und darum das Dritte und Vierte so;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1036,"orig":"Und wenn das Erſt’ und Zweyt’ nicht waͤr’, Das Dritt’ und Viert’ waͤr’ nimmermehr.","norm":"Und wenn das Erste und Zweite nicht wäre, das Dritte und Vierte wäre nimmermehr."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1037,"orig":"Das preiſen die Schuͤler aller Orten, Sind aber keine Weber geworden.","norm":"Das preisen die Schüler aller Orten, sind aber keine Weber geworden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1038,"orig":"Wer will was lebendig’s erkennen und beſchreiben, Sucht erſt den Geiſt heraus zu treiben, Dann hat er die Theile in ſeiner Hand, Fehlt leider!","norm":"Wer will was Lebendiges erkennen und beschreiben, Sucht erst den Geist herauszutreiben, dann hat er die Teile in seiner Hand, fehlt leider!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1039,"orig":"nur das geiſtige Band.","norm":"nur das geistige Band."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1040,"orig":"Encheiresin naturae nennt’s die Chimie, Spottet ihrer ſelbſt und weiß nicht wie.","norm":"Encheiresin naturae nennt es die Chemie, spottet ihrer selbst und weiß nicht wie."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1041,"orig":"Kann euch nicht eben ganz verſtehen.","norm":"Kann Euch nicht eben ganz verstehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1042,"orig":"Das wird naͤchſtens ſchon beſſer gehen, Wenn ihr lernt alles reduciren Und gehoͤrig klaſſificiren.","norm":"Das wird nächstens schon besser gehen, wenn Ihr lernt alles reduzieren und gehörig klassifizieren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1043,"orig":"Mir wird von alle dem ſo dumm, Als ging mir ein Muͤhlrad im Kopf herum.","norm":"Mir wird von alledem so dumm, als ging mir ein Mühlrad im Kopf herum."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1044,"orig":"Nachher vor allen andern Sachen Muͤßt ihr euch an die Metaphyſik machen!","norm":"Nachher vor allen anderen Sachen müsst Ihr Euch an die Metaphysik machen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1045,"orig":"Da ſeht, daß ihr tiefſinnig faßt, Was in des Menſchen Hirn nicht paßt;","norm":"Da seht, dass Ihr tiefsinnig fasst, was in des Menschen Hirn nicht passt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1046,"orig":"Fuͤr, was drein geht und nicht drein geht, Ein praͤchtig Wort zu Dienſten ſteht.","norm":"Für, was drein geht und nicht drein geht, ein prächtig Wort zu Diensten steht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1047,"orig":"Doch vorerſt dieſes halbe Jahr Nehmt ja der beſten Ordnung wahr.","norm":"Doch vorerst dieses halbe Jahr nehmt ja der besten Ordnung wahr."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1048,"orig":"Fuͤnf Stunden habt ihr jeden Tag;","norm":"Fünf Stunden habt Ihr jeden Tag;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1049,"orig":"Seyd drinnen mit dem Glockenſchlag!","norm":"Seid drinnen mit dem Glockenschlag!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1050,"orig":"Habt euch vorher wohl praͤparirt, Paragraphos wohl einſtudirt, Damit ihr nachher beſſer ſeht, Daß er nichts ſagt, als was im Buche ſteht;","norm":"Habt Euch vorher wohl präpariert, Paragraphos wohl einstudiert, damit Ihr nachher besser seht, dass er nichts sagt, als was im Buche steht;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1051,"orig":"Doch euch des Schreibens ja befleißt, Als dictirt’ euch der Heilig’ Geiſt!","norm":"Doch Euch des Schreibens ja befleißt, als diktierte Euch der Heilige Geist!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1052,"orig":"Das ſollt ihr mir nicht zweymal ſagen!","norm":"Das sollt Ihr mir nicht zweimal sagen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1053,"orig":"Ich denke mir wie viel es nuͤtzt;","norm":"Ich denke mir wie viel es nützt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1054,"orig":"Denn, was man ſchwarz auf weiß beſitzt, Kann man getroſt nach Hauſe tragen.","norm":"Denn, was man schwarz auf weiß besitzt, Kann man getrost nach Hause tragen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1055,"orig":"Doch waͤhlt mir eine Facultaͤt!","norm":"Doch wählt mir eine Fakultät!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1056,"orig":"Zur Rechtsgelehrſamkeit kann ich mich nicht bequemen.","norm":"Zur Rechtsgelehrsamkeit kann ich mich nicht bequemen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1057,"orig":"Ich kann es euch ſo ſehr nicht uͤbel nehmen, Ich weiß wie es um dieſe Lehre ſteht.","norm":"Ich kann es Euch so sehr nicht übel nehmen, Ich weiß wie es um diese Lehre steht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1058,"orig":"Es erben ſich Geſetz’ und Rechte Wie eine ew’ge Krankheit fort, Sie ſchleppen von Geſchlecht ſich zum Geſchlechte, Und ruͤcken ſacht von Ort zu Ort.","norm":"Es erben sich Gesetze und Rechte wie eine ewige Krankheit fort, Sie schleppen von Geschlecht sich zum Geschlecht, und rücken sacht von Ort zu Ort."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1059,"orig":"Vernunft wird Unſinn, Wohlthat Plage;","norm":"Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1060,"orig":"Weh dir, daß du ein Enkel biſt!","norm":"Weh dir, dass du ein Enkel bist!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1061,"orig":"Vom Rechte, das mit uns geboren iſt, Von dem iſt leider!","norm":"Vom Rechte, das mit uns geboren ist, von dem ist leider!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1062,"orig":"nie die Frage.","norm":"nie die Frage."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1063,"orig":"Mein Abſcheu wird durch euch vermehrt.","norm":"Mein Abscheu wird durch Euch vermehrt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1064,"orig":"O gluͤcklich der!","norm":"O glücklich der!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1065,"orig":"den ihr belehrt.","norm":"den Ihr belehrt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1066,"orig":"Faſt moͤcht’ ich nun Theologie ſtudiren.","norm":"Fast möchte ich nun Theologie studieren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1067,"orig":"Ich wuͤnſchte nicht euch irre zu fuͤhren.","norm":"Ich wünschte nicht Euch irrezuführen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1068,"orig":"Was dieſe Wiſſenſchaft betrifft, Es iſt ſo ſchwer den falſchen Weg zu meiden, Es liegt in ihr ſo viel verborgnes Gift, Und von der Arzeney iſts kaum zu unterſcheiden.","norm":"Was diese Wissenschaft betrifft, es ist so schwer den falschen Weg zu meiden, es liegt in ihr so viel verborgenes Gift, und von der Arznei ist es kaum zu unterscheiden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1069,"orig":"Am beſten iſt’s auch hier, wenn ihr nur Einen hoͤrt, Und auf des Meiſters Worte ſchwoͤrt.","norm":"Am besten ist es auch hier, wenn Ihr nur Einen hört, und auf des Meisters Worte schwört."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1070,"orig":"Im Ganzen — haltet euch an Worte!","norm":"Im Ganzen — haltet Euch an Worte!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1071,"orig":"Dann geht ihr durch die ſichre Pforte Zum Tempel der Gewißheit ein.","norm":"Dann geht Ihr durch die sichre Pforte zum Tempel der Gewissheit ein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1072,"orig":"Doch ein Begriff muß bey dem Worte ſeyn.","norm":"Doch ein Begriff muss bei dem Worte sein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1073,"orig":"Schon gut!","norm":"Schon gut!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1074,"orig":"Nur muß man ſich nicht allzu aͤngſtlich quaͤlen;","norm":"Nur muss man sich nicht allzu ängstlich quälen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1075,"orig":"Denn eben wo Begriffe fehlen, Da ſtellt ein Wort zur rechten Zeit ſich ein.","norm":"Denn eben wo Begriffe fehlen, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1076,"orig":"Mit Worten laͤßt ſich trefflich ſtreiten, Mit Worten ein Syſtem bereiten, An Worte laͤßt ſich trefflich glauben, Von einem Wort laͤßt ſich kein Jota rauben.","norm":"Mit Worten lässt sich trefflich streiten, mit Worten ein System bereiten, an Worte lässt sich trefflich glauben, von einem Wort lässt sich kein Jota rauben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1077,"orig":"Verzeiht, ich halt’ euch auf mit vielen Fragen, Allein ich muß euch noch bemuͤh’u.","norm":"Verzeiht, ich halte Euch auf mit vielen Fragen, allein ich muss Euch noch bemühen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1078,"orig":"Wollt ihr mir von der Medicin Nicht auch ein kraͤftig Woͤrtchen ſagen?","norm":"Wollt Ihr mir von der Medizin nicht auch ein kräftig Wörtchen sagen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1079,"orig":"Drey Jahr’ iſt eine kurze Zeit, Und, Gott!","norm":"Drei Jahre ist eine kurze Zeit, Und, Gott!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1080,"orig":"das Feld iſt gar zu weit.","norm":"das Feld ist gar zu weit."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1081,"orig":"Wenn man einen Fingerzeig nur hat, Laͤßt ſich’s ſchon eher weiter fuͤhlen.","norm":"Wenn man einen Fingerzeig nur hat, lässt sich es schon eher weiter fühlen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1082,"orig":"Ich bin des trocknen Tons nun ſatt, Muß wieder recht den Teufel ſpielen.","norm":"Ich bin des trocknen Tons nun satt, muss wieder recht den Teufel spielen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1083,"orig":"Der Geiſt der Medicin iſt leicht zu faſſen;","norm":"Der Geist der Medizin ist leicht zu fassen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1084,"orig":"Ihr durchſtudirt die groß’ und kleine Welt, Um es am Ende gehn zu laſſen, Wie’s Gott gefaͤllt.","norm":"Ihr durchstudiert die große und kleine Welt, um es am Ende gehen zu lassen, wie es Gott gefällt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1085,"orig":"Vergebens daß ihr ringsum wiſſenſchaftlich ſchweift, Ein jeder lernt nur was er lernen kann;","norm":"Vergebens dass Ihr ringsum wissenschaftlich schweift, ein jeder lernt nur was er lernen kann;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1086,"orig":"Doch der den Augenblick ergreift, Das iſt der rechte Mann.","norm":"Doch der den Augenblick ergreift, das ist der rechte Mann."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1087,"orig":"Ihr ſeyd noch ziemlich wohlgebaut, An Kuͤhnheit wird’s euch auch nicht fehlen, Und wenn ihr euch nur ſelbſt vertraut, Vertrauen euch die andern Seelen.","norm":"Ihr seid noch ziemlich wohlgebaut, an Kühnheit wird es Euch auch nicht fehlen, und wenn Ihr Euch nur selbst vertraut, Vertrauen Euch die anderen Seelen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1088,"orig":"Beſonders lernt die Weiber fuͤhren;","norm":"Besonders lernt die Weiber führen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1089,"orig":"Es iſt ihr ewig Weh und Ach So tauſendfach Aus Einem Puncte zu curiren, Und wenn ihr halbweg ehrbar thut, Dann habt ihr ſie all’ unter’m Hut.","norm":"Es ist ihr ewig Weh und Ach so tausendfach aus einem Punkte zu kurieren, und wenn Ihr halbwegs ehrbar tut, dann habt Ihr sie all unterm Hut."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1090,"orig":"Ein Titel muß ſie erſt vertraulich machen, Daß eure Kunſt viel Kuͤnſte uͤberſteigt;","norm":"Ein Titel muss sie erst vertraulich machen, dass Eure Kunst viel Künste übersteigt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1091,"orig":"Zum Willkomm’ tappt ihr dann nach allen Siebenſachen, Um die ein andrer viele Jahre ſtreicht, Verſteht das Puͤlslein wohl zu druͤcken, Und faſſet ſie, mit feurig ſchlauen Blicken, Wohl um die ſchlanke Huͤfte frey, Zu ſeh’n, wie feſt geſchnuͤrt ſie ſey.","norm":"Zum Willkommen tappt Ihr dann nach allen Siebensachen, um die ein anderer viele Jahre streicht, versteht das Pulslein wohl zu drücken, und fasst sie, mit feurig schlauen Blicken, Wohl um die schlanke Hüfte frei, zu sehen, wie fest geschnürt sie sei."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1092,"orig":"Das ſieht ſchon beſſer aus!","norm":"Das sieht schon besser aus!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1093,"orig":"Man ſieht doch wo und wie.","norm":"Man sieht doch wo und wie."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1094,"orig":"Grau, theurer Freund, iſt alle Theorie, Und gruͤn des Lebens goldner Baum.","norm":"Grau, teurer Freund, ist alle Theorie, und grün des Lebens goldener Baum."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1095,"orig":"Ich ſchwoͤr’ euch zu, mir iſt’s als wie ein Traum.","norm":"Ich schwöre Euch zu, mir ist es als wie ein Traum."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1096,"orig":"Duͤrft’ ich euch wohl ein andermal beſchweren, Von eurer Weisheit auf den Grund zu hoͤren?","norm":"Dürfte ich Euch wohl ein andermal beschweren, von Eurer Weisheit auf den Grund zu hören?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1097,"orig":"Was ich vermag, ſoll gern geſchehn.","norm":"Was ich vermag, soll gern geschehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1098,"orig":"Ich kann unmoͤglich wieder gehn, Ich muß euch noch mein Stammbuch uͤberreichen.","norm":"Ich kann unmöglich wieder gehen, Ich muss Euch noch mein Stammbuch überreichen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1099,"orig":"Goͤnn’ eure Gunſt mir dieſes Zeichen!","norm":"Gönne Eure Gunst mir dieses Zeichen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1100,"orig":"Sehr wohl.","norm":"Sehr wohl."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1101,"orig":"Eritis slcut Deus, scientes bonum et malum.","norm":"Eritis sicut Deus, scientes bonum et malum."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1102,"orig":"Folg’ nur dem alten Spruch und meiner Muhme der Schlange, Dir wird gewiß einmal bey deiner Gottaͤhnlichkeit bange!","norm":"Folge nur dem alten Spruch und meiner Muhme der Schlange, Dir wird gewiss einmal bei deiner Gottähnlichkeit bange!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1103,"orig":"Wohin ſoll es nun gehn?","norm":"Wohin soll es nun gehen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1104,"orig":"Wohin es dir gefaͤllt.","norm":"Wohin es dir gefällt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1105,"orig":"Wir ſehn die kleine, dann die große Welt.","norm":"Wir sehen die kleine, dann die große Welt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1106,"orig":"Mit welcher Freude, welchem Nutzen, Wirſt du den Curſum durchſchmarutzen!","norm":"Mit welcher Freude, welchem Nutzen, wirst du den Cursum durchschmarotzen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1107,"orig":"Allein bey meinem langen Bart Fehlt mir die leichte Lebensart.","norm":"Allein bei meinem langen Bart fehlt mir die leichte Lebensart."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1108,"orig":"Es wird mir der Verſuch nicht gluͤcken;","norm":"Es wird mir der Versuch nicht glücken;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1109,"orig":"Ich wußte nie mich in die Welt zu ſchicken, Vor andern fuͤhl’ ich mich ſo klein;","norm":"Ich wusste nie mich in die Welt zu schicken, vor anderen fühle ich mich so klein;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1110,"orig":"Ich werde ſtets verlegen ſeyn.","norm":"Ich werde stets verlegen sein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1111,"orig":"Mein guter Freund, das wird ſich alles geben;","norm":"Mein guter Freund, das wird sich alles geben;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1112,"orig":"Sobald du dir vertrauſt, ſobald weißt du zu leben.","norm":"Sobald du dir vertraust, sobald weißt du zu leben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1113,"orig":"Wie kommen wir denn aus dem Haus?","norm":"Wie kommen wir denn aus dem Haus?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1114,"orig":"Wo haſt du Pferde, Knecht und Wagen?","norm":"Wo hast du Pferde, Knecht und Wagen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1115,"orig":"Wir breiten nur den Mantel aus, Der ſoll uns durch die Luͤfte tragen.","norm":"Wir breiten nur den Mantel aus, der soll uns durch die Lüfte tragen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1116,"orig":"Du nimmſt bey dieſem kuͤhnen Schritt Nur keinen großen Buͤndel mit.","norm":"Du nimmst bei diesem kühnen Schritt nur keinen großen Bündel mit."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1117,"orig":"Ein Bißchen Feuerluft, die ich bereiten werde, Hebt uns behend von dieſer Erde.","norm":"Ein bisschen Feuerluft, die ich bereiten werde, hebt uns behände von dieser Erde."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1118,"orig":"Und ſind wir leicht, ſo geht es ſchnell hinauf;","norm":"Und sind wir leicht, so geht es schnell hinauf;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1119,"orig":"Ich gratulire dir zum neuen Lebenslauf!","norm":"Ich gratuliere dir zum neuen Lebenslauf!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1120,"orig":"Will keiner trinken?","norm":"Will keiner trinken?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1121,"orig":"keiner lachen?","norm":"keiner lachen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1122,"orig":"Ich will euch lehren Geſichter machen!","norm":"Ich will euch lehren Gesichter machen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1123,"orig":"Ihr ſeyd ja heut wie naſſes Stroh, Und brennt ſonſt immer lichterloh.","norm":"Ihr seid ja heute wie nasses Stroh, und brennt sonst immer lichterloh."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1124,"orig":"Das liegt an dir; du bringſt ja nichts herbey, Nicht eine Dummheit, keine Sauerey.","norm":"Das liegt an dir; du bringst ja nichts herbei, nicht eine Dummheit, keine Sauerei."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1125,"orig":"Da haſt du beydes!","norm":"Da hast du beides!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1126,"orig":"Doppelt Schwein!","norm":"Doppelt Schwein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1127,"orig":"Ihr wollt’ es ja, man ſoll es ſeyn!","norm":"Ihr wollte es ja, man soll es sein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1128,"orig":"Zur Thuͤr hinaus wer ſich entzweyt!","norm":"Zur Tür hinaus wer sich entzweit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1129,"orig":"Mit offner Bruſt ſingt Runda, ſauft und ſchreyt!","norm":"Mit offener Brust singt Runda, sauft und schreit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1130,"orig":"Auf!","norm":"Auf!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1131,"orig":"Holla!","norm":"Holla!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1132,"orig":"Ho!","norm":"Ho!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1133,"orig":"Weh mir, ich bin verloren!","norm":"Weh mir, ich bin verloren!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1134,"orig":"Baumwolle her!","norm":"Baumwolle her!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1135,"orig":"der Kerl ſprengt mir die Ohren.","norm":"der Kerl sprengt mir die Ohren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1136,"orig":"Wenn das Gewoͤlbe wiederſchallt, Fuͤhlt man erſt recht des Baſſes Grundgewalt.","norm":"Wenn das Gewölbe widerschallt, Fühlt man erst recht des Basses Grundgewalt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1137,"orig":"So recht, hinaus mit dem der etwas uͤbel nimmt!","norm":"So recht, hinaus mit dem der etwas übel nimmt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1138,"orig":"A!","norm":"A!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1139,"orig":"tara lara da!","norm":"tara lara da!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1140,"orig":"A!","norm":"A!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1141,"orig":"tara lara da!","norm":"tara lara da!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1142,"orig":"Die Kehlen ſind geſtimmt.","norm":"Die Kehlen sind gestimmt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1143,"orig":"Das liebe, heil’ge Roͤm’ſche Reich, Wie haͤlt’s nur noch zuſammen?","norm":"Das liebe, Heilige Römische Reich, wie hält es nur noch zusammen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1144,"orig":"Ein garſtig Lied!","norm":"Ein garstig Lied!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1145,"orig":"Pfuy!","norm":"Pfui!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1146,"orig":"ein politiſch Lied!","norm":"ein politisch Lied!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1147,"orig":"Ein leidig Lied!","norm":"Ein leidig Lied!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1148,"orig":"Dankt Gott mit jedem Morgen Daß ihr nicht braucht fuͤr’s Roͤm’ſche Reich zu ſorgen!","norm":"Dankt Gott mit jedem Morgen dass ihr nicht braucht fürs Römische Reich zu Sorgen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1149,"orig":"Ich halt’ es wenigſtens fuͤr reichlichen Gewinn, Daß ich nicht Kaiſer oder Kanzler bin.","norm":"Ich halte es wenigstens für reichlichen Gewinn, dass ich nicht Kaiser oder Kanzler bin."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1150,"orig":"Doch muß auch uns ein Oberhaupt nicht fehlen;","norm":"Doch muss auch uns ein Oberhaupt nicht fehlen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1151,"orig":"Wir wollen einen Papſt erwaͤhlen.","norm":"Wir wollen einen Papst erwählen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1152,"orig":"Ihr wißt, welch eine Qualitaͤt Den Ausſchlag giebt, den Mann erhoͤht.","norm":"Ihr wisst, welch eine Qualität den Ausschlag gibt, den Mann erhöht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1153,"orig":"Schwing’ dich auf, Frau Nachtigall, Gruͤß’ mir mein Liebchen zehentauſendmal.","norm":"Schwinge dich auf, Frau Nachtigall, Grüße mir mein Liebchen zehntausendmal."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1154,"orig":"Dem Liebchen keinen Gruß!","norm":"Dem Liebchen keinen Gruß!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1155,"orig":"ich will davon nichts hoͤren!","norm":"ich will davon nichts hören!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1156,"orig":"Dem Liebchen Gruß und Kuß!","norm":"Dem Liebchen Gruß und Kuss!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1157,"orig":"du wirſt wir’s nicht verwehren!","norm":"du wirst wir es nicht verwehren!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1158,"orig":"Riegel auf!","norm":"Riegel auf!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1159,"orig":"in ſtiller Nacht.","norm":"in stiller Nacht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1160,"orig":"Riegel auf!","norm":"Riegel auf!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1161,"orig":"der Liebſte wacht.","norm":"der Liebste wacht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1162,"orig":"Riegel zu!","norm":"Riegel zu!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1163,"orig":"des Morgens fruͤh.","norm":"des Morgens früh."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1164,"orig":"Ja, ſinge, ſinge nur, und lob’ und ruͤhme ſie!","norm":"Ja, singe, singe nur, und lobe und rühme sie!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1165,"orig":"Ich will zu meiner Zeit ſchon lachen.","norm":"Ich will zu meiner Zeit schon lachen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1166,"orig":"Sie hat mich angefuͤhrt, dir wird ſie’s auch ſo machen.","norm":"Sie hat mich angeführt, dir wird sie es auch so machen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1167,"orig":"Zum Liebſten ſey ein Kobold ihr beſcheert!","norm":"Zum Liebsten sei ein Kobold ihr beschert!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1168,"orig":"Der mag mit ihr auf einem Kreuzweg ſchaͤkern;","norm":"Der mag mit ihr auf einem Kreuzweg schäkern;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1169,"orig":"Ein alter Bock, wenn er vom Blocksberg kehrt, Mag im Galopp noch gute Nacht ihr meckern!","norm":"Ein alter Bock, wenn er vom Blocksberg kehrt, Mag im Galopp noch gute Nacht ihr meckern!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1170,"orig":"Ein braver Kerl von echtem Fleiſch und Blut Iſt fuͤr die Dirne viel zu gut.","norm":"Ein braver Kerl von echtem Fleisch und Blut ist für die Dirne viel zu gut."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1171,"orig":"Ich will von keinem Gruße wiſſen, Als ihr die Fenſter eingeſchmiſſen!","norm":"Ich will von keinem Gruße wissen, als ihr die Fenster eingeschmissen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1172,"orig":"Paßt auf!","norm":"Passt auf!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1173,"orig":"paßt auf!","norm":"passt auf!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1174,"orig":"Gehorchet mir!","norm":"Gehorchet mir!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1175,"orig":"Ihr Herrn geſteht, ich weiß zu leben, Verliebte Leute ſitzen hier, Und dieſen muß, nach Standsgebuͤhr, Zur guten Nacht ich was zum Beſten geben.","norm":"Ihr Herrn gesteht, ich weiß zu leben, Verliebte Leute sitzen hier, und diesen muss, nach Standsgebühr, zur guten Nacht ich was zum Besten geben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1176,"orig":"Gebt Acht!","norm":"Gebt Acht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1177,"orig":"Ein Lied vom neuſten Schnitt!","norm":"Ein Lied vom neusten Schnitt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1178,"orig":"Und ſingt den Rundreim kraͤftig mit!","norm":"Und singt den Rundreim kräftig mit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1179,"orig":"Es war eine Ratt’ im Kellerneſt, Lebte nur von Fett und Butter, Hatte ſich ein Raͤnzlein angemaͤſt’t, Als wie der Doctor Luther.","norm":"Es war eine Ratte im Kellernest, lebte nur von Fett und Butter, hatte sich ein Ränzlein angemästet, als wie der Doktor Luther."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1180,"orig":"Die Koͤchinn hatt’ ihr Gift geſtellt;","norm":"Die Köchin hatte ihr Gift gestellt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1181,"orig":"Da ward’s ſo eng’ ihr in der Welt, Als haͤtte ſie Lieb’ im Leibe.","norm":"Da ward es so eng ihr in der Welt, als hätte sie Liebe im Leibe."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1182,"orig":"Als haͤtte ſie Lieb’ im Leibe.","norm":"Als hätte sie Liebe im Leibe."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1183,"orig":"Sie fuhr herum, ſie fuhr heraus, Und ſoff aus allen Pfuͤtzen, Zernagt’, zerkratzt’ das ganze Haus, Wollte nichts ihr Wuͤthen nuͤtzen;","norm":"Sie fuhr herum, sie fuhr heraus, und soff aus allen Pfützen, Zernagte, zerkratzte das ganze Haus, wollte nichts ihr Wüten nützen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1184,"orig":"Sie thaͤt gar manchen Aengſteſprung, Bald hatte das arme Thier genung, Als haͤtt’ es Lieb’ im Leibe.","norm":"Sie täte gar manchen Ängstesprung, bald hatte das arme Tier genug, als hätte es Liebe im Leibe."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1185,"orig":"Als haͤtt’ es Lieb’ im Leibe.","norm":"Als hätte es Liebe im Leibe."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1186,"orig":"Sie kam fuͤr Angſt am hellen Tag Der Kuͤche zugelaufen, Fiel an den Heerd und zuckt’ und lag, Und thaͤt erbaͤrmlich ſchnaufen.","norm":"Sie kam für Angst am hellen Tag der Küche zugelaufen, fiel an den Herd und zuckte und lag, und täte erbärmlich schnaufen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1187,"orig":"Da lachte die Vergifterinn noch:","norm":"Da lachte die Vergifterin noch:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1188,"orig":"Ha!","norm":"Ha!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1189,"orig":"ſie pfeift auf dem letzten Loch, Als haͤtte ſie Lieb’ im Leibe.","norm":"sie pfeift auf dem letzten Loch, als hätte sie Liebe im Leibe."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1190,"orig":"Als haͤtte ſie Lieb’ im Leibe.","norm":"Als hätte sie Liebe im Leibe."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1191,"orig":"Wie ſich die platten Burſche freuen!","norm":"Wie sich die platten Bursche freuen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1192,"orig":"Es iſt mir eine rechte Kunſt, Den armen Ratten Gift zu ſtreuen!","norm":"Es ist mir eine rechte Kunst, den armen Ratten Gift zu streuen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1193,"orig":"Sie ſtehn wohl ſehr in deiner Gunſt?","norm":"Sie stehen wohl sehr in deiner Gunst?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1194,"orig":"Der Schmerbauch mit der kahlen Platte!","norm":"Der Schmerbauch mit der kahlen Platte!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1195,"orig":"Das Ungluͤck macht ihn zahm und mild;","norm":"Das Unglück macht ihn zahm und mild;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1196,"orig":"Er ſieht in der geſchwollnen Ratte Sein ganz natuͤrlich Ebenbild.","norm":"Er sieht in der geschwollenen Ratte Sein ganz natürlich Ebenbild."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1197,"orig":"Ich muß dich nun vor allen Dingen In luſtige Geſellſchaft bringen, Damit du ſiehſt, wie leicht ſich’s leben laͤßt.","norm":"Ich muss dich nun vor allen Dingen in lustige Gesellschaft bringen, damit du siehst, wie leicht sich es leben lässt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1198,"orig":"Dem Volke hier wird jeder Tag ein Feſt.","norm":"Dem Volke hier wird jeder Tag ein Fest."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1199,"orig":"Mit wenig Witz und viel Behagen Dreht jeder ſich im engen Zirkeltanz, Wie junge Katzen mit dem Schwanz.","norm":"Mit wenig Witz und viel Behagen dreht jeder sich im engen Zirkeltanz, wie junge Katzen mit dem Schwanz."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1200,"orig":"Wenn ſie nicht uͤber Kopfweh klagen, So lang’ der Wirth nur weiter borgt, Sind ſie vergnuͤgt und unbeſorgt.","norm":"Wenn sie nicht über Kopfweh klagen, Solange der Wirt nur weiter borgt, sind sie vergnügt und unbesorgt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1201,"orig":"Die kommen eben von der Reiſe, Man ſieht’s an ihrer wunderlichen Weiſe;","norm":"Die kommen eben von der Reise, man sieht es an ihrer wunderlichen Weise;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1202,"orig":"Sie ſind nicht eine Stunde hier.","norm":"Sie sind nicht eine Stunde hier."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1203,"orig":"Wahrhaftig du haſt Recht!","norm":"Wahrhaftig du hast Recht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1204,"orig":"Mein Leipzig lob’ ich mir!","norm":"Mein Leipzig lobe ich mir!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1205,"orig":"Es iſt ein klein Paris, und bildet ſeine Leute.","norm":"Es ist ein klein Paris, und bildet seine Leute."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1206,"orig":"Fuͤr was ſiehſt du die Fremden an?","norm":"Für was siehst du die Fremden an?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1207,"orig":"Laßt mich nur gehn!","norm":"Lasst mich nur gehen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1208,"orig":"bey einem vollen Glaſe, Zieh’ ich, wie einen Kinderzahn, Den Burſchen leicht die Wuͤrmer aus der Naſe.","norm":"Bei einem vollen Glase, Ziehe ich, wie einen Kinderzahn, den Burschen leicht die Würmer aus der Nase."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1209,"orig":"Sie ſcheinen mir aus einem edlen Haus, Sie ſehen ſtolz und unzufrieden aus.","norm":"Sie scheinen mir aus einem edlen Haus, Sie sehen stolz und unzufrieden aus."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1210,"orig":"Marktſchreyer ſind’s gewiß, ich wette!","norm":"Marktschreier sind es gewiss, ich wette!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1211,"orig":"Vielleicht.","norm":"Vielleicht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1212,"orig":"Gib Acht, ich ſchraube ſie!","norm":"Gib Acht, ich schraube sie!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1213,"orig":"Den Teufel ſpuͤrt das Voͤlkchen nie, Und wenn er ſie beym Kragen haͤtte.","norm":"Den Teufel spürt das Völkchen nie, und wenn er sie beim Kragen hätte."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1214,"orig":"Seyd uns gegruͤßt, ihr Herrn!","norm":"Seid uns gegrüßt, ihr Herrn!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1215,"orig":"Viel Dank zum Gegengruß.","norm":"Viel Dank zum Gegengruß."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1216,"orig":"Was hinkt der Kerl auf Einem Fuß?","norm":"Was hinkt der Kerl auf einem Fuß?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1217,"orig":"Iſt es erlaubt, uns auch zu euch zu ſetzen?","norm":"Ist es erlaubt, uns auch zu euch zu setzen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1218,"orig":"Statt eines guten Trunks, den man nicht haben kann, Soll die Geſellſchaft uns ergetzen.","norm":"Statt eines guten Trunks, den man nicht haben kann, Soll die Gesellschaft uns ergötzen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1219,"orig":"Ihr ſcheint ein ſehr verwoͤhnter Mann.","norm":"Ihr scheint ein sehr verwöhnter Mann."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1220,"orig":"Ihr ſeyd wohl ſpaͤt von Rippach aufgebrochen?","norm":"Ihr seid wohl spät von Rippach aufgebrochen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1221,"orig":"Habt ihr mit Herren Hans noch erſt zu Nacht geſpeiſ’t?","norm":"Habt ihr mit Herren Hans noch erst zu Nacht gespeist?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1222,"orig":"Heut ſind wir ihn vorbey gereiſ’t;","norm":"Heute sind wir ihn vorbeigereist;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1223,"orig":"Wir haben ihn das letztemal geſprochen.","norm":"Wir haben ihn das letzte Mal gesprochen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1224,"orig":"Von ſeinen Vettern wußt’ er viel zu ſagen, Viel Gruͤße hat er uns an jeden aufgetragen.","norm":"Von seinen Vettern wusste er viel zu sagen, viel Grüße hat er uns an jeden aufgetragen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1225,"orig":"Da haſt du’s!","norm":"Da hast du es!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1226,"orig":"der verſteht’s!","norm":"der versteht es!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1227,"orig":"Ein pfiffiger Patron!","norm":"Ein pfiffiger Patron!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1228,"orig":"Nun, warte nur, ich krieg’ ihn ſchon!","norm":"Nun, warte nur, ich kriege ihn schon!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1229,"orig":"Wenn ich nicht irrte, hoͤrten wir Geuͤbte Stimmen Chorus ſingen?","norm":"Wenn ich nicht irrte, hörten wir geübte Stimmen Chorus singen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1230,"orig":"Gewiß, Geſang muß trefflich hier Von dieſer Woͤlbung wiederklingen!","norm":"Gewiss, Gesang muss trefflich hier von dieser Wölbung widerklingen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1231,"orig":"Seyd ihr wohl gar ein Virtuos?","norm":"Seid Ihr wohl gar ein Virtuos?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1232,"orig":"O nein!","norm":"O nein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1233,"orig":"die Kraft iſt ſchwach, allein die Luſt iſt groß.","norm":"die Kraft ist schwach, allein die Lust ist groß."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1234,"orig":"Gebt uns ein Lied!","norm":"Gebt uns ein Lied!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1235,"orig":"Wenn ihr begehrt, die Menge.","norm":"Wenn ihr begehrt, die Menge."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1236,"orig":"Nur auch ein nagelneues Stuͤck!","norm":"Nur auch ein nagelneues Stück!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1237,"orig":"Wir kommen erſt aus Spanien zuruͤck, Dem ſchoͤnen Land des Weins und der Geſaͤnge.","norm":"Wir kommen erst aus Spanien zurück, dem schönen Land des Weins und der Gesänge."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1238,"orig":"Es war einmal ein Koͤnig, Der hatt’ einen großen Floh —","norm":"Es war einmal ein König, der hatte einen großen Floh —"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1239,"orig":"Horcht!","norm":"Horcht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1240,"orig":"Einen Floh!","norm":"Einen Floh!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1241,"orig":"Habt ihr das wohl gefaßt?","norm":"Habt ihr das wohl gefasst?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1242,"orig":"Ein Floh iſt mir ein ſaub’rer Gaſt.","norm":"Ein Floh ist mir ein sauberer Gast."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1243,"orig":"Es war einmal ein Koͤnig, Der hatt’ einen großen Floh, Den liebt’ er gar nicht wenig, Als wie ſeinen eignen Sohn.","norm":"Es war einmal ein König, der hatte einen großen Floh, den liebte er gar nicht wenig, als wie seinen eigenen Sohn."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1244,"orig":"Da rief er ſeinen Schneider, Der Schneider kam heran.","norm":"Da rief er seinen Schneider, der Schneider kam heran."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1245,"orig":"Da miß dem Junker Kleider, Und miß ihm Hoſen an!","norm":"Da miss dem Junker Kleider, und miss ihm Hosen an!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1246,"orig":"Vergeßt nur nicht dem Schneider einzuſchaͤrfen, Daß er mir auf’s genauſte mißt, Und daß, ſo lieb ſein Kopf ihm iſt, Die Hoſen keine Falten werfen!","norm":"Vergesst nur nicht dem Schneider einzuschärfen, dass er mir aufs genauste misst, und dass, so lieb sein Kopf ihm ist, die Hosen keine Falten werfen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1247,"orig":"In Sammet und in Seide War er nun angethan, Hatte Baͤnder auf dem Kleide, Hatt’ auch ein Kreuz daran, Und war ſogleich Miniſter, Und hatt’ einen großen Stern.","norm":"In Samt und in Seide war er nun angetan, hatte Bänder auf dem Kleide, hatte auch ein Kreuz daran, und war sogleich Minister, und hatte einen großen Stern."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1248,"orig":"Da wurden ſeine Geſchwiſter Bey Hof’ auch große Herrn.","norm":"Da wurden seine Geschwister bei Hofe auch große Herrn."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1249,"orig":"Und Herrn und Frau’n am Hofe, Die waren ſehr geplagt, Die Koͤniginn und die Zofe Geſtochen und genagt, Und durſten ſie nicht knicken, Und weg ſie jucken nicht.","norm":"Und Herrn und Frauen am Hofe, die waren sehr geplagt, die Königin und die Zofe gestochen und genagt, und durften sie nicht knicken, und weg sie jucken nicht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1250,"orig":"Wir knicken und erſticken Doch gleich wenn einer ſticht.","norm":"Wir knicken und ersticken doch gleich wenn einer sticht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1251,"orig":"Wir knicken und erſticken Doch gleich wenn einer ſticht.","norm":"Wir knicken und ersticken doch gleich wenn einer sticht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1252,"orig":"Bravo!","norm":"Bravo!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1253,"orig":"Bravo!","norm":"Bravo!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1254,"orig":"Das war ſchoͤn!","norm":"Das war schön!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1255,"orig":"So ſoll es jedem Floh ergehn!","norm":"So soll es jedem Floh ergehn!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1256,"orig":"Spitzt die Finger und packt ſie fein!","norm":"Spitzt die Finger und packt sie fein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1257,"orig":"Es lebe die Freyheit!","norm":"Es lebe die Freiheit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1258,"orig":"Es lebe der Wein!","norm":"Es lebe der Wein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1259,"orig":"Ich traͤnke gern ein Glas, die Freyheit hoch zu ehren, Wenn eure Weine nur ein Bißchen beſſer waͤren.","norm":"Ich tränke gern ein Glas, die Freiheit hoch zu ehren, wenn eure Weine nur ein bisschen besser wären."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1260,"orig":"Wir moͤgen das nicht wieder hoͤren!","norm":"Wir mögen das nicht wieder hören!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1261,"orig":"Ich fuͤrchte nur der Wirth beſchweret ſich, Sonſt gaͤb’ ich dieſen werthen Gaͤſten Aus unſerm Keller was zum Beſten.","norm":"Ich fürchte nur der Wirt beschweret sich, sonst gäbe ich diesen werten Gästen aus unserem Keller was zum Besten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1262,"orig":"Nur immer her!","norm":"Nur immer her!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1263,"orig":"ich nehm’s auf mich.","norm":"ich nehme es auf mich."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1264,"orig":"Schafft ihr ein gutes Glas, ſo wollen wir euch loben.","norm":"Schafft Ihr ein gutes Glas, so wollen wir Euch loben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1265,"orig":"Nur gebt nicht gar zu kleine Proben;","norm":"Nur gebt nicht gar zu kleine Proben;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1266,"orig":"Denn wenn ich judiciren ſoll, Verlang’ ich auch das Maul recht voll.","norm":"Denn wenn ich judizieren soll, Verlange ich auch das Maul recht voll."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1267,"orig":"Sie ſind vom Rheine, wie ich ſpuͤre.","norm":"Sie sind vom Rheine, wie ich spüre."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1268,"orig":"Schafft einen Bohrer an!","norm":"Schafft einen Bohrer an!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1269,"orig":"Was ſoll mit dem geſchehn?","norm":"Was soll mit dem geschehen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1270,"orig":"Ihr habt doch nicht die Faͤſſer vor der Thuͤre?","norm":"Ihr habt doch nicht die Fässer vor der Türe?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1271,"orig":"Dahinten hat der Wirth ein Koͤrbchen Werkzeug ſtehn.","norm":"Dahinten hat der Wirt ein Körbchen Werkzeug stehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1272,"orig":"Nun ſagt, was wuͤnſchet ihr zu ſchmecken?","norm":"Nun sagt, was wünschet Ihr zu schmecken?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1273,"orig":"Wie meynt ihr das?","norm":"Wie meint Ihr das?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1274,"orig":"Habt ihr ſo mancherley?","norm":"Habt Ihr so mancherlei?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1275,"orig":"Ich ſtell’ es einem jeden frey.","norm":"Ich stelle es einem jeden frei."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1276,"orig":"Aha!","norm":"Aha!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1277,"orig":"du faͤngſt ſchon an die Lippen abzulecken.","norm":"du fängst schon an die Lippen abzulecken."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1278,"orig":"Gut!","norm":"Gut!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1279,"orig":"wenn ich waͤhlen ſoll, ſo will ich Rheinwein haben.","norm":"wenn ich wählen soll, so will ich Rheinwein haben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1280,"orig":"Das Vaterland verleiht die allerbeſten Gaben.","norm":"Das Vaterland verleiht die allerbesten Gaben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1281,"orig":"Verſchafft ein wenig Wachs, die Pfropfen gleich zu machen!","norm":"Verschafft ein wenig Wachs, die Pfropfen gleich zu machen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1282,"orig":"Ach das ſind Taſchenſpielerſachen.","norm":"Ach das sind Taschenspielersachen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1283,"orig":"Und ihr?","norm":"Und Ihr?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1284,"orig":"Ich will Champagner Wein, Und recht muſſirend ſoll er ſeyn!","norm":"Ich will Champagner Wein, und recht moussierend soll er sein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1285,"orig":"Man kann nicht ſtets das Fremde meiden, Das Gute liegt uns oft ſo fern.","norm":"Man kann nicht stets das Fremde meiden, das Gute liegt uns oft so fern."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1286,"orig":"Ein echter deutſcher Mann mag keinen Franzen leiden, Doch ihre Weine trinkt er gern.","norm":"Ein echter deutscher Mann mag keinen Fransen leiden, doch ihre Weine trinkt er gern."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1287,"orig":"Ich muß geſtehn, den ſauren mag ich nicht, Gebt mir ein Glas vom echten ſuͤßen!","norm":"Ich muss gestehen, den sauren mag ich nicht, gebt mir ein Glas vom echten süßen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1288,"orig":"Euch ſoll ſogleich Tokayer fließen.","norm":"Euch soll sogleich Tokajer fließen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1289,"orig":"Nein, Herren, ſeht mir in’s Geſicht!","norm":"Nein, Herren, seht mir ins Gesicht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1290,"orig":"Ich ſeh’ es ein, ihr habt uns nur zum Beſten.","norm":"Ich sehe es ein, ihr habt uns nur zum Besten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1291,"orig":"Ey!","norm":"Ei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1292,"orig":"Ey!","norm":"Ei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1293,"orig":"Mit ſolchen edlen Gaͤſten Waͤr’ es ein Bißchen viel gewagt.","norm":"Mit solchen edlen Gästen wäre es ein bisschen viel gewagt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1294,"orig":"Geſchwind!","norm":"Geschwind!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1295,"orig":"Nur grad’ heraus geſagt!","norm":"Nur gerade herausgesagt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1296,"orig":"Mit welchem Weine kann ich dienen?","norm":"Mit welchem Weine kann ich dienen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1297,"orig":"Mit jedem!","norm":"Mit jedem!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1298,"orig":"Nur nicht lang gefragt.","norm":"Nur nicht lang gefragt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1299,"orig":"Trauben traͤgt der Weinſtock!","norm":"Trauben trägt der Weinstock!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1300,"orig":"Hoͤrner der Ziegenbock;","norm":"Hörner der Ziegenbock;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1301,"orig":"Der Wein iſt ſaftig, Holz die Reben, Der hoͤlzerne Tiſch kann Wein auch geben.","norm":"Der Wein ist saftig, Holz die Reben, der hölzerne Tisch kann Wein auch geben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1302,"orig":"Ein tiefer Blick in die Natur!","norm":"Ein tiefer Blick in die Natur!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1303,"orig":"Hier iſt ein Wunder, glaubet nur!","norm":"Hier ist ein Wunder, glaubet nur!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1304,"orig":"Nun zieht die Pfropfen und genießt!","norm":"Nun zieht die Pfropfen und genießt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1305,"orig":"O ſchoͤner Brunnen, der uns fließt!","norm":"O schöner Brunnen, der uns fließt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1306,"orig":"Nur huͤtet euch, daß ihr mir nichts vergießt!","norm":"Nur hütet euch, dass ihr mir nichts vergießt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1307,"orig":"Uns iſt ganz kannibaliſch wohl, Als wie fuͤnf hundert Saͤuen!","norm":"Uns ist ganz kannibalisch wohl, als wie fünfhundert Säuen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1308,"orig":"Das Volk iſt frey, ſeht an, wie wohl’s ihm geht!","norm":"Das Volk ist frei, seht an, wie wohl es ihm geht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1309,"orig":"Ich haͤtte Luſt nun abzufahren.","norm":"Ich hätte Lust nun abzufahren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1310,"orig":"Gib nur erſt Acht, die Beſtialitaͤt Wird ſich gar herrlich offenbaren.","norm":"Gib nur erst Acht, die Bestialität wird sich gar herrlich offenbaren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1311,"orig":"Helft!","norm":"Helft!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1312,"orig":"Feuer!","norm":"Feuer!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1313,"orig":"helft!","norm":"helft!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1314,"orig":"die Hoͤlle brennt!","norm":"Die Hölle brennt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1315,"orig":"Sey ruhig, freundlich Element!","norm":"Sei ruhig, freundlich Element!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1316,"orig":"Fuͤr dießmal war es nur ein Tropfen Fegefeuer.","norm":"Für diesmal war es nur ein Tropfen Fegefeuer."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1317,"orig":"Was ſoll das ſeyn?","norm":"Was soll das sein?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1318,"orig":"Wart!","norm":"Wart!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1319,"orig":"ihr bezahlt es theuer!","norm":"Ihr bezahlt es teuer!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1320,"orig":"Es ſcheinet, daß ihr uns nicht kennt.","norm":"Es scheinet, dass Ihr uns nicht kennt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1321,"orig":"Laß er uns das zum zweytenmale bleiben!","norm":"Lass er uns das zum zweiten Male bleiben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1322,"orig":"Ich daͤcht’, wir hießen ihn ganz ſachte ſeitwaͤrts gehn.","norm":"Ich dächte, wir hießen ihn ganz sachte seitwärts gehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1323,"orig":"Was Herr?","norm":"Was Herr?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1324,"orig":"Er will ſich unterſtehn, Und hier ſein Hokuspokus treiben?","norm":"Er will sich unterstehen, und hier Sein Hokuspokus treiben?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1325,"orig":"Still, altes Weinfaß!","norm":"Still, altes Weinfass!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1326,"orig":"Beſenſtiel!","norm":"Besenstiel!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1327,"orig":"Du willſt uns gar noch grob begegnen?","norm":"Du willst uns gar noch grob begegnen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1328,"orig":"Wart nur!","norm":"Warte nur!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1329,"orig":"es ſollen Schlaͤge regnen.","norm":"es sollen Schläge regnen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1330,"orig":"Ich brenne!","norm":"Ich brenne!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1331,"orig":"ich brenne!","norm":"ich brenne!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1332,"orig":"Zauberey!","norm":"Zauberei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1333,"orig":"Stoßt zu!","norm":"Stoßt zu!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1334,"orig":"der Kerl iſt vogelfrey!","norm":"der Kerl ist vogelfrei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1335,"orig":"Falſch Gebild und Wort Veraͤndern Sinn und Ort!","norm":"Falsch Gebilde und Wort Verändern Sinn und Ort!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1336,"orig":"Seyd hier und dort!","norm":"Seid hier und dort!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1337,"orig":"Wo bin ich?","norm":"Wo bin ich?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1338,"orig":"Welches ſchoͤne Land!","norm":"Welches schöne Land!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1339,"orig":"Weinberge!","norm":"Weinberge!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1340,"orig":"Seh’ ich recht?","norm":"Sehe ich recht?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1341,"orig":"Und Trauben gleich zur Hand!","norm":"Und Trauben gleich zur Hand!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1342,"orig":"Hier unter dieſem gruͤnen Laube, Seht, welch ein Stock!","norm":"Hier unter diesem grünen Laube, Seht, welch ein Stock!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1343,"orig":"Seht, welche Traube!","norm":"Seht, welche Traube!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1344,"orig":"Irrthum, laß los der Augen Band!","norm":"Irrtum, lass los der Augen Band!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1345,"orig":"Und merkt euch, wie der Teufel ſpaße.","norm":"Und merkt euch, wie der Teufel spaße."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1346,"orig":"Was giebt’s?","norm":"Was gibt es?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1347,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1348,"orig":"War das deine Naſe?","norm":"War das deine Nase?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1349,"orig":"Und deine hab’ ich in der Hand!","norm":"Und deine habe ich in der Hand!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1350,"orig":"Es war ein Schlag, der ging durch alle Glieder!","norm":"Es war ein Schlag, der ging durch alle Glieder!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1351,"orig":"Schafft einen Stuhl, ich ſinke nieder!","norm":"Schafft einen Stuhl, ich sinke nieder!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1352,"orig":"Nein, ſagt mir nur, was iſt geſchehn?","norm":"Nein, sagt mir nur, was ist geschehen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1353,"orig":"Wo iſt der Kerl?","norm":"Wo ist der Kerl?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1354,"orig":"Wenn ich ihn ſpuͤre, Er ſoll mir nicht lebendig gehn!","norm":"Wenn ich ihn spüre, er soll mir nicht lebendig gehen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1355,"orig":"Ich hab’ ihn ſelbſt hinaus zur Kellerthuͤre — Auf einem Faſſe reiten ſehn — — Es liegt mir bleyſchwer in den Fuͤßen.","norm":"Ich habe ihn selbst hinaus zur Kellertüre — auf einem Fasse reiten sehen — — es liegt mir bleischwer in den Füßen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1356,"orig":"Mein!","norm":"Mein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1357,"orig":"Sollte wohl der Wein noch fließen?","norm":"Sollte wohl der Wein noch fließen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1358,"orig":"Betrug war alles, Lug und Schein.","norm":"Betrug war alles, Lug und Schein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1359,"orig":"Mir daͤuchte doch als traͤnk’ ich Wein.","norm":"Mir dünkte doch als tränke ich Wein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1360,"orig":"Aber wie war es mit den Trauben?","norm":"Aber wie war es mit den Trauben?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1361,"orig":"Nun ſag’ mir eins, man ſoll kein Wunder glauben!","norm":"Nun sage mir eins, man soll kein Wunder glauben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1362,"orig":"Mir widerſteht das tolle Zauberweſen!","norm":"Mir widersteht das tolle Zauberwesen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1363,"orig":"Verſprichſt du mir, ich ſoll geneſen, In dieſem Wuſt von Raſerey?","norm":"Versprichst du mir, ich soll genesen, in diesem Wust von Raserei?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1364,"orig":"Verlang’ ich Rath von einem alten Weibe?","norm":"Verlange ich Rat von einem alten Weibe?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1365,"orig":"Und ſchafft die Sudelkoͤcherey Wohl dreyßig Jahre mir vom Leibe?","norm":"Und schafft die Sudelköcherei Wohl dreißig Jahre mir vom Leibe?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1366,"orig":"Weh mir, wenn du nichts beſſers weißt!","norm":"Weh mir, wenn du nichts Bessers weißt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1367,"orig":"Schon iſt die Hoffnung mir verſchwunden.","norm":"Schon ist die Hoffnung mir verschwunden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1368,"orig":"Hat die Natur und hat ein edler Geiſt Nicht irgend einen Balſam ausgefunden?","norm":"Hat die Natur und hat ein edler Geist nicht irgendeinen Balsam herausgefunden?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1369,"orig":"Mein Freund, nun ſprichſt du wieder klug!","norm":"Mein Freund, nun sprichst du wieder klug!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1370,"orig":"Doch zu verjuͤngen, gibt’s auch ein natuͤrlich Mittel;","norm":"Doch zu verjüngen, gibt es auch ein natürlich Mittel;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1371,"orig":"Allein es ſteht in einem andern Buch, Und iſt ein wunderlich Capitel.","norm":"Allein es steht in einem anderen Buch, und ist ein wunderlich Kapitel."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1372,"orig":"Ich will es wiſſen.","norm":"Ich will es wissen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1373,"orig":"Gut!","norm":"Gut!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1374,"orig":"Ein Mittel, ohne Geld Und Arzt und Zauberey, zu haben:","norm":"Ein Mittel, ohne Geld und Arzt und Zauberei, zu haben:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1375,"orig":"Begib dich gleich hinaus aufs Feld, Fang’ an zu hacken und zu graben, Erhalte dich und deinen Sinn In einem ganz beſchraͤnkten Kreiſe, Ernaͤhre dich mit ungemiſchter Speiſe, Leb’ mit dem Vieh als Vieh, und acht’ es nicht fuͤr Raub, Den Acker, den du aͤrndeſt, ſelbſt zu duͤngen;","norm":"Begib dich gleich hinaus aufs Feld, Fange an zu hacken und zu graben, Erhalte dich und deinen Sinn in einem ganz beschränkten Kreise, Ernähre dich mit ungemischter Speise, Lebe mit dem Vieh als Vieh, und acht es nicht für Raub, den Acker, den du erntest, selbst zu düngen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1376,"orig":"Das iſt das beſte Mittel, glaub’, Auf achtzig Jahr dich zu verjuͤngen!","norm":"Das ist das beste Mittel, glaube, auf achtzig Jahr dich zu verjüngen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1377,"orig":"Das bin ich nicht gewoͤhnt, ich kann mich nicht bequemen, Den Spaten in die Hand zu nehmen, Das enge Leben ſteht mir gar nicht an.","norm":"Das bin ich nicht gewöhnt, ich kann mich nicht bequemen, den Spaten in die Hand zu nehmen, das enge Leben steht mir gar nicht an."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1378,"orig":"So muß denn doch die Hexe dran.","norm":"So muss denn doch die Hexe dran."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1379,"orig":"Warum denn juſt das alte Weib?","norm":"Warum denn just das alte Weib?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1380,"orig":"Kannſt du den Trank nicht ſelber brauen?","norm":"Kannst du den Trank nicht selber brauen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1381,"orig":"Das waͤr’ ein ſchoͤner Zeitvertreib!","norm":"Das wäre ein schöner Zeitvertreib!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1382,"orig":"Ich wollt’ indeß wohl tauſend Bruͤcken bauen.","norm":"Ich wollte indes wohl tausend Brücken bauen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1383,"orig":"Nicht Kunſt und Wiſſenſchaft allein, Geduld will bey dem Werke ſeyn.","norm":"Nicht Kunst und Wissenschaft allein, Geduld will bei dem Werke sein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1384,"orig":"Ein ſtiller Geiſt iſt Jahre lang geſchaͤftig, Die Zeit nur macht die feine Gaͤhrung kraͤftig.","norm":"Ein stiller Geist ist Jahre lang geschäftig, die Zeit nur macht die feine Gärung kräftig."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1385,"orig":"Und alles was dazu gehoͤrt Es ſind gar wunderbare Sachen!","norm":"Und alles was dazugehört Es sind gar wunderbare Sachen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1386,"orig":"Der Teufel hat ſie’s zwar gelehrt;","norm":"Der Teufel hat sie es zwar gelehrt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1387,"orig":"Allein der Teufel kann’s nicht machen.","norm":"Allein der Teufel kann es nicht machen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1388,"orig":"Sieh, welch ein zierliches Geſchlecht!","norm":"Sieh, welch ein zierliches Geschlecht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1389,"orig":"Das iſt die Magd!","norm":"Das ist die Magd!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1390,"orig":"das iſt der Knecht!","norm":"das ist der Knecht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1391,"orig":"Es ſcheint, die Frau iſt nicht zu Hauſe?","norm":"Es scheint, die Frau ist nicht zu Hause?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1392,"orig":"Beym Schmauſe, Aus dem Haus Zum Schornſtein hinaus!","norm":"Beim Schmause, aus dem Haus zum Schornstein hinaus!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1393,"orig":"Wie lange pflegt ſie wohl zu ſchwaͤrmen?","norm":"Wie lange pflegt sie wohl zu schwärmen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1394,"orig":"So lange wir uns die Pfoten waͤrmen.","norm":"Solange wir uns die Pfoten wärmen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1395,"orig":"Wie findeſt du die zarten Thiere?","norm":"Wie findest du die zarten Tiere?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1396,"orig":"So abgeſchmackt, als ich nur jemand ſah!","norm":"So abgeschmackt, als ich nur jemand sah!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1397,"orig":"Nein, ein Discours wie dieſer da, Iſt g’rade der, den ich am liebſten fuͤhre!","norm":"Nein, ein Diskurs wie dieser da, ist gerade der, den ich am liebsten führe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1398,"orig":"So ſagt mir doch, verfluchte Puppen!","norm":"So sagt mir doch, verfluchte Puppen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1399,"orig":"Was quirlt ihr in dem Brey herum?","norm":"Was quirlt ihr in dem Brei herum?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1400,"orig":"Wir kochen breite Bettelſuppen.","norm":"Wir kochen breite Bettelsuppen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1401,"orig":"Da habt ihr ein groß Publicum.","norm":"Da habt ihr ein groß Publikum."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1402,"orig":"O wuͤrfle nur gleich, Und mache mich reich, Und laß mich gewinnen!","norm":"O würfle nur gleich, und mache mich reich, und lass mich gewinnen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1403,"orig":"Gar ſchlecht iſt’s beſtellt, Und waͤr’ ich bey Geld, So waͤr’ ich bey Sinnen.","norm":"Gar schlecht ist es bestellt, und wäre ich bei Geld, so wäre ich bei Sinnen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1404,"orig":"Wie gluͤcklich wuͤrde ſich der Affe ſchaͤtzen, Koͤnnt’ er nur auch in’s Lotto ſetzen!","norm":"Wie glücklich würde sich der Affe schätzen, könnte er nur auch ins Lotto setzen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1405,"orig":"Das iſt die Welt;","norm":"Das ist die Welt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1406,"orig":"Sie ſteigt und faͤllt Und rollt beſtaͤndig;","norm":"Sie steigt und fällt und rollt beständig;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1407,"orig":"Sie klingt wie Glas;","norm":"Sie klingt wie Glas;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1408,"orig":"Wie bald bricht das?","norm":"Wie bald bricht das?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1409,"orig":"Iſt hohl inwendig, Hier glaͤnzt ſie ſehr, Und hier noch mehr, Ich bin lebendig!","norm":"Ist hohl inwendig, hier glänzt sie sehr, und hier noch mehr, Ich bin lebendig!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1410,"orig":"Mein lieber Sohn, Halt dich davon!","norm":"Mein lieber Sohn, Halt dich davon!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1411,"orig":"Du mußt ſterben!","norm":"Du musst sterben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1412,"orig":"Sie iſt von Thon, Es giebt Scherben.","norm":"Sie ist von Ton, es gibt Scherben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1413,"orig":"Was ſoll das Sieb?","norm":"Was soll das Sieb?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1414,"orig":"Waͤrſt du ein Dieb, Wollt’ ich dich gleich erkennen.","norm":"Wärst du ein Dieb, wollte ich dich gleich erkennen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1415,"orig":"Sieh durch das Sieb!","norm":"Sieh durch das Sieb!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1416,"orig":"Erkennſt du den Dieb, Und darfſt ihn nicht nennen?","norm":"Erkennst du den Dieb, und darfst ihn nicht nennen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1417,"orig":"Und dieſer Topf?","norm":"Und dieser Topf?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1418,"orig":"Der alberne Tropf!","norm":"Der alberne Tropf!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1419,"orig":"Er kennt nicht den Topf, Er kennt nicht den Keſſel!","norm":"Er kennt nicht den Topf, er kennt nicht den Kessel!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1420,"orig":"Unhoͤfliches Thier!","norm":"Unhöfliches Tier!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1421,"orig":"Den Wedel nimm hier, Und ſetz’ dich in Seſſel!","norm":"Den Wedel nimm hier, und setze dich in Sessel!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1422,"orig":"Was ſeh’ ich?","norm":"Was sehe ich?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1423,"orig":"Welch ein himmliſch Bild Zeigt ſich in dieſem Zauberſpiegel!","norm":"Welch ein himmlisch Bild zeigt sich in diesem Zauberspiegel!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1424,"orig":"O Liebe, leihe mir den ſchnellſten deiner Fluͤgel, Und fuͤhre mich in ihr Gefild!","norm":"O Liebe, leihe mir den schnellsten deiner Flügel, und führe mich in ihr Gefilde!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1425,"orig":"Ach wenn ich nicht auf dieſer Stelle bleibe, Wenn ich es wage nah’ zu gehn, Kann ich ſie nur als wie im Nebel ſehn!","norm":"Ach wenn ich nicht auf dieser Stelle bleibe, wenn ich es wage nah zu gehen, kann ich sie nur als wie im Nebel sehen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1426,"orig":"— Das ſchoͤnſte Bild von einem Weibe!","norm":"— Das schönste Bild von einem Weibe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1427,"orig":"Iſt’s moͤglich, iſt das Weib ſo ſchoͤn?","norm":"Ist es möglich, ist das Weib so schön?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1428,"orig":"Muß’ ich an dieſem hingeſtreckten Leibe Den Inbegriff von allen Himmeln ſehn?","norm":"Muss ich an diesem hingestreckten Leibe den Inbegriff von allen Himmeln sehen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1429,"orig":"So etwas findet ſich auf Erden?","norm":"So etwas findet sich auf Erden?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1430,"orig":"Natuͤrlich, wenn ein Gott ſich erſt ſechs Tage plagt, Und ſelbſt am Ende Bravo ſagt, Da muß es was geſcheidtes werden.","norm":"Natürlich, wenn ein Gott sich erst sechs Tage plagt, und selbst am Ende Bravo sagt, da muss es was Gescheites werden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1431,"orig":"Fuͤr dießmal ſieh dich immer ſatt;","norm":"Für diesmal sieh dich immer satt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1432,"orig":"Ich weiß dir ſo ein Schaͤtzchen auszuſpuͤren, Und ſelig wer das gute Schickſal hat, Als Braͤutigam ſie heim zu fuͤhren!","norm":"Ich weiß dir so ein Schätzchen auszuspüren, und selig wer das gute Schicksal hat, als Bräutigam sie heimzuführen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1433,"orig":"Hier ſitz’ ich wie der Koͤnig auf dem Throne, Den Zepter halt’ ich hier, es fehlt nur noch die Krone.","norm":"Hier sitze ich wie der König auf dem Throne, den Zepter halte ich hier, es fehlt nur noch die Krone."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1434,"orig":"O ſey doch ſo gut, Mit Schweiß und mit Blut Die Krone zu leimen!","norm":"O sei doch so gut, mit Schweiß und mit Blut die Krone zu leimen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1435,"orig":"Nun iſt es geſchehn!","norm":"Nun ist es geschehen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1436,"orig":"Wir reden und ſehn, Wir hoͤren und reimen;","norm":"Wir reden und sehen, wir hören und reimen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1437,"orig":"Weh mir!","norm":"Weh mir!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1438,"orig":"ich werde ſchier verruͤckt.","norm":"ich werde schier verrückt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1439,"orig":"Nun faͤngt mir an faſt ſelbſt der Kopf zu ſchwanken.","norm":"Nun fängt mir an fast selbst der Kopf zu schwanken."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1440,"orig":"Und wenn es uns gluͤckt, Und wenn es ſich ſchickt, So ſind es Gedanken!","norm":"Und wenn es uns glückt, und wenn es sich schickt, so sind es Gedanken!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1441,"orig":"Mein Buſen faͤngt mir an zu brennen!","norm":"Mein Busen fängt mir an zu brennen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1442,"orig":"Entfernen wir uns nur geſchwind!","norm":"Entfernen wir uns nur geschwind!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1443,"orig":"Nun, wenigſtens muß man bekennen, Daß es aufrichtige Poeten ſind.","norm":"Nun, wenigstens muss man bekennen, dass es aufrichtige Poeten sind."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1444,"orig":"Au!","norm":"Au!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1445,"orig":"Au!","norm":"Au!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1446,"orig":"Au!","norm":"Au!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1447,"orig":"Au!","norm":"Au!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1448,"orig":"Verdammtes Thier!","norm":"Verdammtes Tier!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1449,"orig":"verfluchte Sau!","norm":"verfluchte Sau!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1450,"orig":"Verſaͤumſt den Keſſel, verſengſt die Frau!","norm":"Versäumst den Kessel, versengst die Frau!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1451,"orig":"Verfluchtes Thier!","norm":"Verfluchtes Tier!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1452,"orig":"Was iſt das hier?","norm":"Was ist das hier?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1453,"orig":"Wer ſeyd ihr hier?","norm":"Wer seid ihr hier?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1454,"orig":"Was wollt ihr da?","norm":"Was wollt ihr da?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1455,"orig":"Wer ſchlich ſich ein?","norm":"Wer schlich sich ein?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1456,"orig":"Die Feuerpein Euch in’s Gebein!","norm":"Die Feuerpein Euch ins Gebein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1457,"orig":"Entzwey!","norm":"Entzwei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1458,"orig":"entzwey!","norm":"entzwei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1459,"orig":"Da liegt der Brey!","norm":"Da liegt der Brei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1460,"orig":"Da liegt das Glas!","norm":"Da liegt das Glas!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1461,"orig":"Es iſt nur Spaß, Der Tact, du Aas, Zu deiner Melodey.","norm":"Es ist nur Spaß, der Takt, du Aas, zu deiner Melodei."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1462,"orig":"Erkennſt du mich?","norm":"Erkennst du mich?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1463,"orig":"Gerippe!","norm":"Gerippe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1464,"orig":"Scheuſal du!","norm":"Scheusal du!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1465,"orig":"Erkennſt du deinen Herrn und Meiſter?","norm":"Erkennst du deinen Herrn und Meister?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1466,"orig":"Was haͤlt mich ab, ſo ſchlag’ ich zu, Zerſchmettre dich und deine Katzen-Geiſter!","norm":"Was hält mich ab, so schlage ich zu, Zerschmettre dich und deine Katzengeister!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1467,"orig":"Haſt du vor’m rothen Wamms nicht mehr Reſpect?","norm":"Hast du vorm roten Wams nicht mehr Respekt?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1468,"orig":"Kannſt du die Hahnenfeder nicht erkennen?","norm":"Kannst du die Hahnenfeder nicht erkennen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1469,"orig":"Hab’ ich dieß Angeſicht verſteckt?","norm":"Habe ich dies Angesicht versteckt?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1470,"orig":"Soll ich mich etwa ſelber nennen?","norm":"Soll ich mich etwa selber nennen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1471,"orig":"O Herr, verzeiht den rohen Gruß!","norm":"O Herr, verzeiht den rohen Gruß!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1472,"orig":"Sah’ ich doch keinen Pferdefuß.","norm":"Sah ich doch keinen Pferdefuß."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1473,"orig":"Wo ſind denn eure beyden Raben?","norm":"Wo sind denn Eure beiden Raben?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1474,"orig":"Fuͤr dießmal kamſt du ſo davon;","norm":"Für diesmal kamst du so davon;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1475,"orig":"Denn freylich iſt es eine Weile ſchon, Daß wir uns nicht geſehen haben.","norm":"Denn freilich ist es eine Weile schon, dass wir uns nicht gesehen haben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1476,"orig":"Auch die Cultur, die alle Welt beleckt, Hat auf den Teufel ſich erſtreckt;","norm":"Auch die Kultur, die alle Welt beleckt, hat auf den Teufel sich erstreckt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1477,"orig":"Das nordiſche Phantom iſt nun nicht mehr zu ſchauen, Wo ſiehſt du Hoͤrner, Schweif und Klauen?","norm":"Das nordische Phantom ist nun nicht mehr zu schauen, wo siehst du Hörner, Schweife und Klauen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1478,"orig":"Und was den Fuß betrifft, den ich nicht miſſen kann, Der wuͤrde mir bey Leuten ſchaden;","norm":"Und was den Fuß betrifft, den ich nicht missen kann, der würde mir bei Leuten schaden;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1479,"orig":"Darum bedien’ ich mich, wie mancher junge Mann, Seit vielen Jahren falſcher Waden.","norm":"Darum bediene ich mich, wie mancher junge Mann, seit vielen Jahren falscher Waden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1480,"orig":"Sinn und Verſtand verlier’ ich ſchier, Seh’ ich den Junker Satan wieder hier!","norm":"Sinn und Verstand verliere ich schier, sehe ich den Junker Satan wieder hier!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1481,"orig":"Den Nahmen, Weib, verbitt’ ich mir!","norm":"Den Namen, Weib, verbitte ich mir!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1482,"orig":"Warum?","norm":"Warum?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1483,"orig":"Was hat er euch gethan?","norm":"Was hat er Euch getan?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1484,"orig":"Er iſt ſchon lang’ in’s Fabelbuch geſchrieben;","norm":"Er ist schon lange ins Fabelbuch geschrieben;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1485,"orig":"Allein die Menſchen ſind nichts beſſer dran, Den Boͤſen ſind ſie los, die Boͤſen ſind geblieben.","norm":"Allein die Menschen sind nichts besser dran, den Bösen sind sie los, die Bösen sind geblieben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1486,"orig":"Du nennſt mich Herr Baron, ſo iſt die Sache gut;","norm":"Du nennst mich Herr Baron, so ist die Sache gut;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1487,"orig":"Ich bin ein Cavalier, wie andre Cavaliere.","norm":"Ich bin ein Kavalier, wie andere Kavaliere."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1488,"orig":"Du zweifelſt nicht an meinem edlen Blut;","norm":"Du zweifelst nicht an meinem edlen Blut;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1489,"orig":"Sieh her, das iſt das Wapen, das ich fuͤhre!","norm":"Sieh her, das ist das Wappen, das ich führe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1490,"orig":"Ha!","norm":"Ha!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1491,"orig":"Ha!","norm":"Ha!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1492,"orig":"Das iſt in eurer Art!","norm":"Das ist in Eurer Art!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1493,"orig":"Ihr ſeyd ein Schelm, wie ihr nur immer war’t!","norm":"Ihr seid ein Schelm, wie Ihr nur immer wart!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1494,"orig":"Mein Freund, das lerne wohl verſtehn!","norm":"Mein Freund, das lerne wohl verstehen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1495,"orig":"Dieß iſt die Art mit Hexen umzugehn.","norm":"Dies ist die Art mit Hexen umzugehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1496,"orig":"Nun ſagt, ihr Herren, was ihr ſchafft.","norm":"Nun sagt, ihr Herren, was ihr schafft."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1497,"orig":"Ein gutes Glas von dem bekannten Saft!","norm":"Ein gutes Glas von dem bekannten Saft!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1498,"orig":"Doch muß ich euch um’s aͤlt’ſte bitten;","norm":"Doch muss ich Euch um das ältste bitten;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1499,"orig":"Die Jahre doppeln ſeine Kraft.","norm":"Die Jahre doppeln seine Kraft."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1500,"orig":"Gar gern!","norm":"Gar gern!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1501,"orig":"Hier hab’ ich eine Flaſche, Aus der ich ſelbſt zuweilen naſche, Die auch nicht mehr im mind’ſten ſtinkt;","norm":"Hier habe ich eine Flasche, aus der ich selbst zuweilen nasche, die auch nicht mehr im mindesten stinkt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1502,"orig":"Ich will euch gern ein Glaͤschen geben.","norm":"Ich will euch gern ein Gläschen geben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1503,"orig":"Doch wenn es dieſer Mann unvorbereitet trinkt, So kann er, wißt ihr wohl, nicht eine Stunde leben.","norm":"Doch wenn es dieser Mann unvorbereitet trinkt, so kann er, wisst Ihr wohl, nicht eine Stunde leben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1504,"orig":"Es iſt ein guter Freund, dem es gedeihen ſoll;","norm":"Es ist ein guter Freund, dem es gedeihen soll;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1505,"orig":"Ich goͤnn’ ihm gern das beſte deiner Kuͤche.","norm":"Ich gönne ihm gern das Beste deiner Küche."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1506,"orig":"Zieh deinen Kreis, ſprich deine Spruͤche, Und gieb ihm eine Taſſe voll!","norm":"Zieh deinen Kreis, sprich deine Sprüche, und gib ihm eine Tasse voll!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1507,"orig":"Nein, ſage mir, was ſoll das werden?","norm":"Nein, sage mir, was soll das werden?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1508,"orig":"Das tolle Zeug, die raſenden Geberden, Der abgeſchmackteſte Betrug Sind mir bekannt, verhaßt genug.","norm":"Das tolle Zeug, die rasenden Gebärden, der abgeschmackteste Betrug sind mir bekannt, verhasst genug."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1509,"orig":"Ey Poſſen!","norm":"Ei Possen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1510,"orig":"Das iſt nur zum Lachen;","norm":"Das ist nur zum Lachen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1511,"orig":"Sey nur nicht ein ſo ſtrenger Mann!","norm":"Sei nur nicht ein so strenger Mann!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1512,"orig":"Sie muß als Arzt ein Hokuspokus machen, Damit der Saft dir wohl gedeihen kann.","norm":"Sie muss als Arzt ein Hokuspokus machen, damit der Saft dir wohl gedeihen kann."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1513,"orig":"Du mußt verſtehn!","norm":"Du musst verstehen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1514,"orig":"Aus Eins mach’ Zehn, Und Zwey laß gehn, Und Drey mach’ gleich, So biſt du reich.","norm":"Aus Eins mache Zehn, und Zwei lass gehen, und Drei mache gleich, so bist du reich."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1515,"orig":"Verlier’ die Vier!","norm":"Verliere die Vier!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1516,"orig":"Aus Fuͤnf und Sechs, So ſagt die Hex’, Mach’ Sieben und Acht, So iſt’s vollbracht:","norm":"Aus Fünf und Sechs, so sagt die Hexe, Mache Sieben und Acht, so ist es vollbracht:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1517,"orig":"Und Neun iſt Eins, Und Zehn iſt keins.","norm":"Und Neun ist Eins, und Zehn ist keins."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1518,"orig":"Das iſt das Hexen-Einmal-Eins!","norm":"Das ist das Hexen-Einmaleins!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1519,"orig":"Mich duͤnkt, die Alte ſpricht im Fieber.","norm":"Mich dünkt, die Alte spricht im Fieber."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1520,"orig":"Das iſt noch lange nicht voruͤber, Ich kenn’ es wohl, ſo klingt das ganze Buch;","norm":"Das ist noch lange nicht vorüber, Ich kenne es wohl, so klingt das ganze Buch;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1521,"orig":"Ich habe manche Zeit damit verloren, Denn ein vollkommner Widerſpruch Bleibt gleich geheimnißvoll fuͤr Kluge wie fuͤr Thoren.","norm":"Ich habe manche Zeit damit verloren, denn ein vollkommener Widerspruch bleibt gleich geheimnisvoll für Kluge wie für Toren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1522,"orig":"Mein Freund, die Kunſt iſt alt und neu.","norm":"Mein Freund, die Kunst ist alt und neu."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1523,"orig":"Es war die Art zu allen Zeiten, Durch Drey und Eins, und Eins und Drey Irrthum ſtatt Wahrheit zu verbreiten.","norm":"Es war die Art zu allen Zeiten, durch drei und Eins, und Eins und Drei Irrtum statt Wahrheit zu verbreiten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1524,"orig":"So ſchwaͤtzt und lehrt man ungeſtoͤrt;","norm":"So schwätzt und lehrt man ungestört;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1525,"orig":"Wer will ſich mit den Narr’n befaſſen?","norm":"Wer will sich mit den Narren befassen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1526,"orig":"Gewoͤhnlich glaubt der Menſch, wenn er nur Worte hoͤrt, Es muͤſſe ſich dabey doch auch was denken laſſen.","norm":"Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört, es müsse sich dabei doch auch was denken lassen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1527,"orig":"Die hohe Kraft Der Wiſſenſchaft, Der ganzen Welt verborgen!","norm":"Die hohe Kraft der Wissenschaft, der ganzen Welt verborgen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1528,"orig":"Und wer nicht denkt, Dem wird ſie geſchenkt, Er hat ſie ohne Sorgen.","norm":"Und wer nicht denkt, dem wird sie geschenkt, er hat sie ohne Sorgen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1529,"orig":"Was ſagt ſie uns fuͤr Unſinn vor?","norm":"Was sagt sie uns für Unsinn vor?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1530,"orig":"Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen.","norm":"Es wird mir gleich der Kopf zerbrechen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1531,"orig":"Mich duͤnkt, ich hoͤr’ ein ganzes Chor Von hundert tauſend Narren ſprechen.","norm":"Mich dünkt, ich höre ein ganzes Chor von hunderttausend Narren sprechen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1532,"orig":"Genug, genug, o treffliche Sibylle!","norm":"Genug, genug, o treffliche Sibylle!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1533,"orig":"Gib deinen Trank herbey, und fuͤlle Die Schale raſch bis an den Rand hinan;","norm":"Gib deinen Trank herbei, und fülle die Schale rasch bis an den Rand hinan;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1534,"orig":"Denn meinem Freund wird dieſer Trunk nicht ſchaden:","norm":"Denn meinem Freund wird dieser Trunk nicht schaden:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1535,"orig":"Er iſt ein Mann von vielen Graden, Der manchen guten Schluck gethan.","norm":"Er ist ein Mann von vielen Geraden, der manchen guten Schluck getan."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1536,"orig":"Nur friſch hinunter!","norm":"Nur frisch hinunter!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1537,"orig":"Immer zu!","norm":"Immer zu!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1538,"orig":"Es wird dir gleich das Herz erfreuen.","norm":"Es wird dir gleich das Herz erfreuen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1539,"orig":"Biſt mit dem Teufel du und du, Und willſt dich vor der Flamme ſcheuen?","norm":"Bist mit dem Teufel du und du, und willst dich vor der Flamme scheuen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1540,"orig":"Nun friſch hinaus!","norm":"Nun frisch hinaus!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1541,"orig":"Du darfſt nicht ruhn.","norm":"Du darfst nicht ruhen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1542,"orig":"Moͤg’ euch das Schluͤckchen wohl behagen!","norm":"Möge Euch das Schlückchen wohl behagen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1543,"orig":"Und kann ich dir was zu Gefallen thun;","norm":"Und kann ich dir was zu Gefallen tun;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1544,"orig":"So darfſt du mir’s nur auf Walpurgis ſagen.","norm":"So darfst du mir es nur auf Walpurgis sagen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1545,"orig":"Hier iſt ein Lied!","norm":"Hier ist ein Lied!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1546,"orig":"wenn ihr’s zuweilen ſingt, So werdet ihr beſondre Wuͤrkung ſpuͤren.","norm":"wenn Ihr es zuweilen singt, so werdet Ihr besondere Wirkung spüren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1547,"orig":"Komm nur geſchwind und laß dich fuͤhren;","norm":"Komme nur geschwind und lass dich führen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1548,"orig":"Du mußt nothwendig tranſpiriren, Damit die Kraft durch inn- und aͤußres dringt.","norm":"Du musst notwendig transpirieren, damit die Kraft durch inn- und äußeres dringt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1549,"orig":"Den edlen Muͤßiggang lehr’ ich hernach dich ſchaͤtzen, Und bald empfindeſt du mit innigem Ergetzen, Wie ſich Cupido regt und hin und wieder ſpringt.","norm":"Den edlen Müßiggang lehre ich hernach dich schätzen, und bald empfindest du mit innigem Ergötzen, wie sich Cupido regt und hin und wider springt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1550,"orig":"Laß mich nur ſchnell noch in den Spiegel ſchauen!","norm":"Lass mich nur schnell noch in den Spiegel schauen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1551,"orig":"Das Frauenbild war gar zu ſchoͤn!","norm":"Das Frauenbild war gar zu schön!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1552,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1553,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1554,"orig":"Du ſollſt das Muſter aller Frauen Nun bald leibhaftig vor dir ſeh’n.","norm":"Du sollst das Muster aller Frauen nun bald leibhaftig vor dir sehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1555,"orig":"Du ſiehſt, mit dieſem Trank im Leibe, Bald Helenen in jedem Weibe.","norm":"Du siehst, mit diesem Trank im Leibe, bald Helene in jedem Weibe."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1556,"orig":"Mein ſchoͤnes Fraͤulein, darf ich wagen, Meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?","norm":"Mein schönes Fräulein, darf ich wagen, Meinen Arm und Geleit Ihr anzutragen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1557,"orig":"Bin weder Fraͤulein, weder ſchoͤn, Kann ungeleitet nach Hauſe gehn.","norm":"Bin weder Fräulein, weder schön, kann ungeleitet nach Hause gehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1558,"orig":"Beym Himmel, dieſes Kind iſt ſchoͤn!","norm":"Beim Himmel, dieses Kind ist schön!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1559,"orig":"So etwas hab’ ich nie geſehn.","norm":"So etwas habe ich nie gesehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1560,"orig":"Sie iſt ſo ſitt- und tugendreich, Und etwas ſchnippiſch doch zugleich.","norm":"Sie ist so sitt- und tugendreich, und etwas schnippisch doch zugleich."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1561,"orig":"Der Lippe Roth, der Wange Licht, Die Tage der Welt vergeſſ’ ich’s nicht!","norm":"Der Lippe Rot, der Wange Licht, die Tage der Welt vergesse ich es nicht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1562,"orig":"Wie ſie die Augen niederſchlaͤgt, Hat tief ſich in mein Herz gepraͤgt;","norm":"Wie sie die Augen niederschlägt, hat tief sich in mein Herz geprägt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1563,"orig":"Wie ſie kurz angebunden war, Das iſt nun zum Entzuͤcken gar!","norm":"Wie sie kurz angebunden war, das ist nun zum Entzücken gar!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1564,"orig":"Hoͤr, du mußt mir die Dirne ſchaffen!","norm":"Höre, du musst mir die Dirne schaffen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1565,"orig":"Nun, welche?","norm":"Nun, welche?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1566,"orig":"Sie ging juſt vorbey.","norm":"Sie ging just vorbei."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1567,"orig":"Da die?","norm":"Da die?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1568,"orig":"Sie kam von ihrem Pfaffen, Der ſprach ſie aller Suͤnden frey;","norm":"Sie kam von ihrem Pfaffen, der sprach sie aller Sünden frei;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1569,"orig":"Ich ſchlich mich hart am Stuhl vorbey, Es iſt ein gar unſchuldig Ding, Das eben fuͤr nichts zur Beichte ging;","norm":"Ich schlich mich hart am Stuhl vorbei, es ist ein gar unschuldig Ding, das eben für nichts zur Beichte ging;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1570,"orig":"Ueber die hab’ ich keine Gewalt!","norm":"Über die habe ich keine Gewalt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1571,"orig":"Iſt uͤber vierzehn Jahr doch alt.","norm":"Ist über vierzehn Jahr doch alt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1572,"orig":"Du ſprichſt ja wie Hans Liederlich, Der begehrt jede liebe Blum’ fuͤr ſich, Und duͤnkelt ihm, es waͤr’ kein’ Ehr’ Und Gunſt, die nicht zu pfluͤcken waͤr’;","norm":"Du sprichst ja wie Hans Liederlich, der begehrt jede liebe Blume für sich, und dünkelt ihm, es wäre keine Ehre und Gunst, die nicht zu pflücken wäre;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1573,"orig":"Geht aber doch nicht immer an.","norm":"Geht aber doch nicht immer an."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1574,"orig":"Mein Herr Magiſter Lobeſan, Laß er mich mit dem Geſetz in Frieden!","norm":"Mein Herr Magister Lobesan, Lass er mich mit dem Gesetz in Frieden!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1575,"orig":"Und das ſag’ ich ihm kurz und gut, Wenn nicht das ſuͤße junge Blut Heut’ Nacht in meinen Armen ruht;","norm":"Und das sage ich ihm kurz und gut, wenn nicht das süße junge Blut heute Nacht in meinen Armen ruht;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1576,"orig":"So ſind wir um Mitternacht geſchieden.","norm":"So sind wir um Mitternacht geschieden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1577,"orig":"Bedenkt was gehn und ſtehen mag!","norm":"Bedenkt was gehen und stehen mag!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1578,"orig":"Ich brauche wenigſtens vierzehn Tag’ Nur die Gelegenheit auszuſpuͤren.","norm":"Ich brauche wenigstens vierzehn Tage nur die Gelegenheit auszuspüren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1579,"orig":"Haͤtt’ ich nur ſieben Stunden Ruh, Brauchte den Teufel nicht dazu, So ein Geſchoͤpfchen zu verfuͤhren.","norm":"Hätte ich nur sieben Stunden Ruhe, brauchte den Teufel nicht dazu, so ein Geschöpfchen zu verführen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1580,"orig":"Ihr ſprecht ſchon faſt wie ein Franzos;","norm":"Ihr sprecht schon fast wie ein Franzose;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1581,"orig":"Doch bitt’ ich, laßt’s euch nicht verdrießen:","norm":"Doch bitte ich, lasst es Euch nicht verdrießen:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1582,"orig":"Was hilft’s nur g’rade zu genießen?","norm":"Was hilft es nur gerade zu genießen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1583,"orig":"Die Freud’ iſt lange nicht ſo groß, Als wenn ihr erſt herauf, herum, Durch allerley Brimborium, Das Puͤppchen geknetet und zugericht’t, Wie’s lehret manche welſche Geſchicht’.","norm":"Die Freude ist lange nicht so groß, als wenn Ihr erst herauf, herum, durch allerlei Brimborium, das Püppchen geknetet und zugerichtet, wie es lehrt manche welsche Geschichte."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1584,"orig":"Hab’ Appetit auch ohne das.","norm":"Habe Appetit auch ohne das."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1585,"orig":"Jetzt ohne Schimpf und ohne Spaß.","norm":"Jetzt ohne Schimpf und ohne Spaß."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1586,"orig":"Ich ſag’ euch, mit dem ſchoͤnen Kind Geht’s ein-fuͤr allemal nicht geſchwind.","norm":"Ich sage Euch, mit dem schönen Kind geht es ein allemal nicht geschwind."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1587,"orig":"Mit Sturm iſt da nichts einzunehmen;","norm":"Mit Sturm ist da nichts einzunehmen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1588,"orig":"Wir muͤſſen uns zur Liſt bequemen.","norm":"Wir müssen uns zur List bequemen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1589,"orig":"Schaff’ mir etwas vom Engelsſchatz!","norm":"Schaffe mir etwas vom Engelsschatz!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1590,"orig":"Fuͤhr’ mich an ihren Ruheplatz!","norm":"Führe mich an ihren Ruheplatz!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1591,"orig":"Schaff’ mir ein Halstuch von ihrer Bruſt, Ein Strumpfband meiner Liebesluſt!","norm":"Schaffe mir ein Halstuch von ihrer Brust, ein Strumpfband meiner Liebeslust!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1592,"orig":"Damit ihr ſeht, daß ich eurer Pein Will foͤrderlich und dienſtlich ſeyn;","norm":"Damit Ihr seht, dass ich Eurer Pein will förderlich und dienstlich sein;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1593,"orig":"Wollen wir keinen Augenblick verlieren, Will euch noch heut’ in ihr Zimmer fuͤhren.","norm":"Wollen wir keinen Augenblick verlieren, Will Euch noch heute in ihr Zimmer führen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1594,"orig":"Und ſoll ſie ſehn?","norm":"Und soll sie sehen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1595,"orig":"ſie haben?","norm":"sie haben?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1596,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1597,"orig":"Sie wird bey einer Nachbarinn ſeyn.","norm":"Sie wird bei einer Nachbarin sein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1598,"orig":"Indeſſen koͤnnt ihr ganz allein An aller Hoffnung kuͤnft’ger Freuden In ihrem Dunſtkreis ſatt euch weiden.","norm":"Indessen könnt Ihr ganz allein An aller Hoffnung künftiger Freuden in ihrem Dunstkreis satt Euch weiden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1599,"orig":"Koͤnnen wir hin?","norm":"Können wir hin?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1600,"orig":"Es iſt noch zu fruͤh.","norm":"Es ist noch zu früh."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1601,"orig":"Sorg’ du mir fuͤr ein Geſchenk fuͤr ſie.","norm":"Sorge du mir für ein Geschenk für sie."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1602,"orig":"Gleich ſchenken?","norm":"Gleich schenken?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1603,"orig":"Das iſt brav!","norm":"Das ist brav!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1604,"orig":"Da wird er reuͤſſiren!","norm":"Da wird er reüssieren!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1605,"orig":"Ich kenne manchen ſchoͤnen Platz Und manchen alt vergrabnen Schatz, Ich muß ein Bißchen revidiren.","norm":"Ich kenne manchen schönen Platz und manchen alt vergrabenen Schatz, Ich muss ein bisschen revidieren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1606,"orig":"Ich gaͤb’ was drum, wenn ich nur wuͤßt’, Wer heut der Herr geweſen iſt!","norm":"Ich gäbe was darum, wenn ich nur wüsst, wer heute der Herr gewesen ist!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1607,"orig":"Er ſah gewiß recht wacker aus, Und iſt aus einem edlen Haus;","norm":"Er sah gewiss recht wacker aus, und ist aus einem edlen Haus;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1608,"orig":"Das konnt’ ich ihm an der Stirne leſen — Er waͤr’ auch ſonſt nicht ſo keck geweſen.","norm":"Das konnte ich ihm an der Stirn lesen — er wäre auch sonst nicht so keck gewesen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1609,"orig":"Herein, ganz leiſe, nur herein!","norm":"Herein, ganz leise, nur herein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1610,"orig":"Ich bitte dich, laß mich allein!","norm":"Ich bitte dich, lass mich allein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1611,"orig":"Nicht jedes Maͤdchen haͤlt ſo rein.","norm":"Nicht jedes Mädchen hält so rein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1612,"orig":"Willkommen ſuͤßer Daͤmmerſchein!","norm":"Willkommen süßer Dämmerschein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1613,"orig":"Der du dieß Heiligthum durchwebſt.","norm":"Der du dies Heiligtum durchwebst."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1614,"orig":"Ergreif mein Herz, du ſuͤße Liebespein!","norm":"Ergreife mein Herz, du süße Liebespein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1615,"orig":"Die du vom Thau der Hoffnung ſchmachtend lebſt.","norm":"Die du vom Tau der Hoffnung schmachtend lebst."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1616,"orig":"Wie athmet rings Gefuͤhl der Stille, Der Ordnung, der Zufriedenheit!","norm":"Wie atmet rings Gefühl der Stille, der Ordnung, der Zufriedenheit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1617,"orig":"In dieſer Armuth welche Fuͤlle!","norm":"In dieser Armut welche Fülle!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1618,"orig":"In dieſem Kerker welche Seligkeit!","norm":"In diesem Kerker welche Seligkeit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1619,"orig":"O nimm mich auf!","norm":"O nimm mich auf!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1620,"orig":"der du die Vorwelt ſchon Bey Freud’ und Schmerz in offnen Arm empfangen!","norm":"der du die Vorwelt schon bei Freude und Schmerz in offenen Arm empfangen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1621,"orig":"Wie oft, ach!","norm":"Wie oft, ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1622,"orig":"hat an dieſem Vaͤter-Thron Schon eine Schaar von Kindern rings gehangen!","norm":"hat an diesem Väterthron schon eine Schar von Kindern rings gehangen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1623,"orig":"Vielleicht hat, dankbar fuͤr den heil’gen Chriſt, Mein Liebchen hier, mit vollen Kinderwangen, Dem Ahnherrn fromm die welke Hand gekuͤßt.","norm":"Vielleicht hat, dankbar für den heiligen Christ, Mein Liebchen hier, mit vollen Kinderwangen, dem Ahnherrn fromm die welke Hand geküsst."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1624,"orig":"Ich fuͤhl’, o Maͤdchen, deinen Geiſt Der Fuͤll’ und Ordnung um mich ſaͤuſeln, Der muͤtterlich dich taͤglich unterweiſ’t, Den Teppich auf den Tiſch dich reinlich breiten heißt, Sogar den Sand zu deinen Fuͤßen kraͤuſeln.","norm":"Ich fühle, o Mädchen, deinen Geist der Fülle und Ordnung um mich säuseln, der mütterlich dich täglich unterweist, den Teppich auf den Tisch dich reinlich breiten heißt, sogar den Sand zu deinen Füßen kräuseln."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1625,"orig":"O liebe Hand!","norm":"O liebe Hand!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1626,"orig":"ſo goͤttergleich!","norm":"so göttergleich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1627,"orig":"Die Huͤtte wird durch dich ein Himmelreich.","norm":"Die Hütte wird durch dich ein Himmelreich."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1628,"orig":"Und hier!","norm":"Und hier!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1629,"orig":"Was faßt mich fuͤr ein Wonnegraus!","norm":"Was fasst mich für ein Wonnegraus!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1630,"orig":"Hier moͤcht’ ich volle Stunden ſaͤumen.","norm":"Hier möchte ich volle Stunden säumen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1631,"orig":"Natur!","norm":"Natur!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1632,"orig":"Hier bildeteſt in leichten Traͤumen Den eingebornen Engel aus;","norm":"Hier bildetest in leichten Träumen den eingeborenen Engel aus;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1633,"orig":"Hier lag das Kind!","norm":"Hier lag das Kind!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1634,"orig":"mit warmem Leben Den zarten Buſen angefuͤllt, Und hier mit heilig reinem Weben Entwirkte ſich das Goͤtterbild!","norm":"mit warmem Leben den zarten Busen angefüllt, und hier mit heilig reinem Weben Entwirkte sich das Götterbild!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1635,"orig":"Und du!","norm":"Und du!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1636,"orig":"Was hat dich hergefuͤhrt?","norm":"Was hat dich hergeführt?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1637,"orig":"Wie innig fuͤhl’ ich mich geruͤhrt!","norm":"Wie innig fühle ich mich gerührt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1638,"orig":"Was willſt du hier?","norm":"Was willst du hier?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1639,"orig":"Was wird das Herz dir ſchwer?","norm":"Was wird das Herz dir schwer?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1640,"orig":"Armſel’ger Fauſt!","norm":"Armseliger Faust!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1641,"orig":"ich kenne dich nicht mehr.","norm":"ich kenne dich nicht mehr."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1642,"orig":"Umgiebt mich hier ein Zauberduft?","norm":"Umgibt mich hier ein Zauberduft?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1643,"orig":"Mich drang’s ſo g’rade zu genießen, Und fuͤhle mich in Liebestraum zerfließen!","norm":"Mich drang es so gerade zu genießen, und fühle mich in Liebestraum zerfließen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1644,"orig":"Sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft?","norm":"Sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1645,"orig":"Und traͤte ſie den Augenblick herein, Wie wuͤrdeſt du fuͤr deinen Frevel buͤßen!","norm":"Und träte sie den Augenblick herein, wie würdest du für deinen Frevel büßen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1646,"orig":"Der große Hans, ach wie ſo klein!","norm":"Der große Hans, ach wie so klein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1647,"orig":"Laͤg’, hingeſchmolzen, ihr zu Fuͤßen.","norm":"Läge, hingeschmolzen, ihr zu Füßen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1648,"orig":"Geſchwind!","norm":"Geschwind!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1649,"orig":"ich ſeh’ ſie unten kommen.","norm":"ich sehe sie unten kommen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1650,"orig":"Fort!","norm":"Fort!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1651,"orig":"Fort!","norm":"Fort!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1652,"orig":"Ich kehre nimmermehr!","norm":"Ich kehre nimmermehr!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1653,"orig":"Hier iſt ein Kaͤſtchen leidlich ſchwer, Ich hab’s wo anders hergenommen.","norm":"Hier ist ein Kästchen leidlich schwer, Ich habe es woanders hergenommen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1654,"orig":"Stellt’s hier nur immer in den Schrein, Ich ſchwoͤr’ euch, ihr vergehn die Sinnen;","norm":"Stellt es hier nur immer in den Schrein, Ich schwöre Euch, ihr vergehen die Sinnen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1655,"orig":"Ich that euch Saͤchelchen hinein, Um eine andre zu gewinnen.","norm":"Ich tat Euch Sächelchen hinein, um eine andere zu gewinnen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1656,"orig":"Zwar Kind iſt Kind und Spiel iſt Spiel.","norm":"Zwar Kind ist Kind und Spiel ist Spiel."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1657,"orig":"Ich weiß nicht, ſoll ich?","norm":"Ich weiß nicht, soll ich?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1658,"orig":"Fragt ihr viel?","norm":"Fragt Ihr viel?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1659,"orig":"Meint ihr vielleicht den Schatz zu wahren?","norm":"Meint Ihr vielleicht den Schatz zu wahren?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1660,"orig":"Dann rath’ ich eurer Luͤſternheit Die liebe ſchoͤne Tageszeit, Und mir die weitre Muͤh’ zu ſparen.","norm":"Dann rate ich eurer Lüsternheit die liebe schöne Tageszeit, und mir die weitre Mühe zu sparen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1661,"orig":"Ich hoff’ nicht daß ihr geitzig ſeyd!","norm":"Ich hoffe nicht dass Ihr geizig seid!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1662,"orig":"Ich kratz’ den Kopf, reib’ an den Haͤnden — Er ſtellt das Käſtchen in den Schrein und drückt das Schloß wieder zu.","norm":"Ich kratze den Kopf, reibe an den Händen — er stellt das Kästchen in den Schrein und drückt das Schloss wieder zu."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1663,"orig":"Nur fort!","norm":"Nur fort!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1664,"orig":"geſchwind!","norm":"geschwind!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1665,"orig":"— Um euch das ſuͤße junge Kind Nach Herzens Wunſch und Will’ zu wenden;","norm":"— Um Euch das süße junge Kind nach Herzens Wunsch und Wille zu wenden;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1666,"orig":"Und ihr ſeht drein, Als ſolltet ihr in den Hoͤrſal hinein, Als ſtuͤnd’ leibhaftig vor euch da Phyſik und Metaphyſika!","norm":"Und Ihr seht drein, als solltet Ihr in den Hörsaal hinein, als stünden leibhaftig vor Euch da Physik und Metaphysika!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1667,"orig":"Nur fort!","norm":"Nur fort!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1668,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1669,"orig":"Es iſt ſo ſchwuͤl, ſo dumpfig hie,","norm":"Es ist so schwül, so dumpfig hie,"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1670,"orig":"Und iſt doch eben ſo warm nicht drauß’.","norm":"Und ist doch ebenso warm nicht draußen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1671,"orig":"Es wird mir ſo, ich weiß’ nicht wie — Ich wollt’, die Mutter kaͤm’ nach Haus.","norm":"Es wird mir so, ich weiß nicht wie — Ich wollte, die Mutter käme nach Haus."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1672,"orig":"Mir laͤuft ein Schauer uͤber’n Leib — Bin doch ein thoͤricht furchtſam Weib!","norm":"Mir läuft ein Schauer über den Leib — bin doch ein töricht furchtsam Weib!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1673,"orig":"Es war ein Koͤnig in Thule Gar treu bis an das Grab, Dem ſterbend ſeine Buhle Einen goldnen Becher gab.","norm":"Es war ein König in Thule Gar treu bis an das Grab, dem sterbend seine Buhle Einen goldenen Becher gab."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1674,"orig":"Es ging ihm nichts daruͤber, Er leert ihn jeden Schmaus;","norm":"Es ging ihm nichts darüber, er leert ihn jeden Schmaus;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1675,"orig":"Die Augen gingen ihm uͤber, So oft er trank daraus.","norm":"Die Augen gingen ihm über, so oft er trank daraus."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1676,"orig":"Und als er kam zu ſterben, Zaͤhlt’ er ſeine Staͤdt’ im Reich, Goͤnnt’ alles ſeinem Erben, Den Becher nicht zugleich.","norm":"Und als er kam zu sterben, zählte er seine Städte im Reich, gönnte alles seinem Erben, den Becher nicht zugleich."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1677,"orig":"Er ſaß beym Koͤnigsmahle, Die Ritter um ihn her, Auf hohem Vaͤter-Saale, Dort auf dem Schloß am Meer.","norm":"Er saß beim Königsmahle, die Ritter um ihn her, auf hohem Vätersaale, dort auf dem Schloss am Meer."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1678,"orig":"Dort ſtand der alte Zecher, Trank letzte Lebensgluth, Und warf den heiligen Becher Hinunter in die Fluth.","norm":"Dort stand der alte Zecher, Trank letzte Lebensglut, und warf den heiligen Becher hinunter in die Flut."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1679,"orig":"Er ſah ihn ſtuͤrzen, trinken Und ſinken tief ins Meer, Die Augen thaͤten ihm ſinken, Trank nie einen Tropfen mehr.","norm":"Er sah ihn stürzen, trinken und sinken tief ins Meer, die Augen täten ihm sinken, Trank nie einen Tropfen mehr."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1680,"orig":"Wie kommt das ſchoͤne Kaͤſtchen hier herein?","norm":"Wie kommt das schöne Kästchen hier herein?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1681,"orig":"Ich ſchloß doch ganz gewiß den Schrein.","norm":"Ich schloss doch ganz gewiss den Schrein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1682,"orig":"Es iſt doch wunderbar!","norm":"Es ist doch wunderbar!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1683,"orig":"Was mag wohl drinne ſeyn?","norm":"Was mag wohl drinnen sein?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1684,"orig":"Vielleicht bracht’s jemand als ein Pfand, Und meine Mutter lieh darauf.","norm":"Vielleicht brachte es jemand als ein Pfand, und meine Mutter lieh darauf."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1685,"orig":"Da haͤngt ein Schluͤſſelchen am Band, Ich denke wohl, ich mach’ es auf!","norm":"Da hängt ein Schlüsselchen am Band, Ich denke wohl, ich mache es auf!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1686,"orig":"Was iſt das?","norm":"Was ist das?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1687,"orig":"Gott im Himmel!","norm":"Gott im Himmel!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1688,"orig":"ſchau, So was hab’ ich mein’ Tage nicht geſehn!","norm":"Schau, so was habe ich meine Tage nicht gesehen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1689,"orig":"Ein Schmuck!","norm":"Ein Schmuck!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1690,"orig":"Mit dem koͤnnt’ eine Edelfrau Am hoͤchſten Feiertage gehn.","norm":"Mit dem könnte eine Edelfrau am höchsten Feiertage gehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1691,"orig":"Wie ſollte mir die Kette ſtehn?","norm":"Wie sollte mir die Kette stehen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1692,"orig":"Wem mag die Herrlichkeit gehoͤren?","norm":"Wem mag die Herrlichkeit gehören?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1693,"orig":"Wenn nur die Ohrring’ meine waͤren!","norm":"Wenn nur die Ohrringe meine wären!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1694,"orig":"Man ſieht doch gleich ganz anders drein.","norm":"Man sieht doch gleich ganz anders drein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1695,"orig":"Was hilft euch Schoͤnheit, junges Blut?","norm":"Was hilft euch Schönheit, junges Blut?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1696,"orig":"Das iſt wohl alles ſchoͤn und gut, Allein man laͤßt’s auch alles ſeyn;","norm":"Das ist wohl alles schön und gut, Allein man lässt es auch alles sein;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1697,"orig":"Man lobt euch halb mit Erbarmen.","norm":"Man lobt euch halb mit Erbarmen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1698,"orig":"Nach Golde draͤngt, Am Golde haͤngt Doch alles.","norm":"Nach Golde drängt, am Golde hängt doch alles."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1699,"orig":"Ach wir Armen!","norm":"Ach wir Armen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1700,"orig":"Bey aller verſchmaͤhten Liebe!","norm":"Bei aller verschmähten Liebe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1701,"orig":"Beym hoͤlliſchen Elemente!","norm":"Beim höllischen Elemente!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1702,"orig":"Ich wollt’, ich wuͤßte ’ was aͤrgers, daß ich’s fluchen koͤnnte!","norm":"Ich wollte, ich wüsste ’ was Ärgers, dass ich es fluchen könnte!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1703,"orig":"Was haſt?","norm":"Was hast?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1704,"orig":"was kneipt dich denn ſo ſehr?","norm":"was kneift dich denn so sehr?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1705,"orig":"So kein Geſicht ſah’ ich in meinem Leben!","norm":"So kein Gesicht sah ich in meinem Leben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1706,"orig":"Ich moͤcht’ mich gleich dem Teufel uͤbergeben, Wenn ich nur ſelbſt kein Teufel waͤr’!","norm":"Ich möchte mich gleich dem Teufel übergeben, wenn ich nur selbst kein Teufel wäre!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1707,"orig":"Hat ſich dir was im Kopf verſchoben?","norm":"Hat sich dir was im Kopf verschoben?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1708,"orig":"Dich kleidet’s, wie ein Raſender zu toben!","norm":"Dich kleidet es, wie ein Rasender zu toben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1709,"orig":"Denkt nur, den Schmuck fuͤr Gretchen angeſchafft, Den hat ein Pfaff hinweggerafft!","norm":"Denkt nur, den Schmuck für Gretchen angeschafft, den hat ein Pfaff hinweggerafft!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1710,"orig":"— Die Mutter kriegt das Ding zu ſchauen, Gleich faͤngt’s ihr heimlich an zu grauen:","norm":"— Die Mutter kriegt das Ding zu schauen, gleich fängt es ihr heimlich an zu grauen:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1711,"orig":"Die Frau hat gar einen feinen Geruch, Schnuffelt immer im Gebetbuch, Und riecht’s einem jeden Moͤbel an, Ob das Ding heilig iſt oder profan;","norm":"Die Frau hat gar einen feinen Geruch, Schnuffelt immer im Gebetbuch, und riecht es einem jeden Möbel an, ob das Ding heilig ist oder profan;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1712,"orig":"Und an dem Schmuck da ſpuͤrt ſie’s klar, Daß dabey nicht viel Segen war.","norm":"Und an dem Schmuck da spürte sie es klar, dass dabei nicht viel Segen war."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1713,"orig":"Mein Kind, rief ſie, ungerechtes Gut Befaͤngt die Seele, zehrt auf das Blut.","norm":"Mein Kind, rief sie, ungerechtes Gut Befängt die Seele, zehrt auf das Blut."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1714,"orig":"Wollen’s der Mutter Gottes weihen, Wird uns mit Himmels-Manna erfreuen!","norm":"Wollen es der Mutter Gottes weihen, wird uns mit Himmels-Manna erfreuen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1715,"orig":"Margretlein zog ein ſchiefes Maul, Iſt halt, dacht’ ſie, ein geſchenkter Gaul, Und wahrlich!","norm":"Margretlein zog ein schiefes Maul, ist halt, dachte sie, ein geschenkter Gaul, und wahrlich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1716,"orig":"gottlos iſt nicht der, Der ihn ſo fein gebracht hierher.","norm":"gottlos ist nicht der, der ihn so fein gebracht hierher."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1717,"orig":"Die Mutter ließ einen Pfaffen kommen;","norm":"Die Mutter ließ einen Pfaffen kommen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1718,"orig":"Der hatte kaum den Spaß vernommen, Ließ ſich den Anblick wohl behagen.","norm":"Der hatte kaum den Spaß vernommen, ließ sich den Anblick wohl behagen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1719,"orig":"Er ſprach:","norm":"Er sprach:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1720,"orig":"So iſt man recht geſinnt!","norm":"So ist man recht gesinnt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1721,"orig":"Wer uͤberwindet der gewinnt.","norm":"Wer überwindet der gewinnt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1722,"orig":"Die Kirche hat einen guten Magen, Hat ganze Laͤnder aufgefreſſen, Und doch noch nie ſich uͤbergeſſen;","norm":"Die Kirche hat einen guten Magen, hat ganze Länder aufgefressen, und doch noch nie sich übergessen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1723,"orig":"Die Kirch’ allein, meine lieben Frauen, Kann ungerechtes Gut verdauen.","norm":"Die Kirche allein, meine lieben Frauen, kann ungerechtes Gut verdauen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1724,"orig":"Das iſt ein allgemeiner Brauch, Ein Jud’ und Koͤnig kann es auch.","norm":"Das ist ein allgemeiner Brauche, ein Jude und König kann es auch."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1725,"orig":"Strich drauf ein Spange, Kett’ und Ring’, Als waͤren’s eben Pfifferling’, Dankt’ nicht weniger und nicht mehr, Als ob’s ein Korb voll Nuͤſſe waͤr’, Verſprach ihnen allen himmliſchen Lohn — Und ſie waren ſehr erbaut davon.","norm":"Strich drauf ein Spange, Kette und Ringe, als wären es eben Pfifferlinge, dankte nicht weniger und nicht mehr, als ob es ein Korb voll Nüsse wäre, versprach ihnen allen himmlischen Lohn — und sie waren sehr erbaut davon."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1726,"orig":"Und Gretchen?","norm":"Und Gretchen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1727,"orig":"Sitzt nun unruhvoll, Weiß weder was ſie will noch ſoll, Denkt an’s Geſchmeide Tag und Nacht, Noch mehr an den, der’s ihr gebracht.","norm":"Sitzt nun unruhvoll, Weiß weder was sie will noch soll, denkt ans Geschmeide Tag und Nacht, noch mehr an den, der es ihr gebracht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1728,"orig":"Des Liebchens Kummer thut mir leid.","norm":"Des Liebchens Kummer tut mir leid."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1729,"orig":"Schaff’ du ihr gleich ein neu Geſchmeid’!","norm":"Schaffe du ihr gleich ein neu Geschmeide!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1730,"orig":"Am erſten war ja ſo nicht viel.","norm":"Am ersten war ja so nicht viel."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1731,"orig":"O ja, dem Herrn iſt alles Kinderſpiel!","norm":"O ja, dem Herrn ist alles Kinderspiel!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1732,"orig":"Und mach’, und richt’s nach meinem Sinn!","norm":"Und mache, und richte es nach meinem Sinn!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1733,"orig":"Haͤng’ dich an ihre Nachbarinn.","norm":"Hänge dich an ihre Nachbarin."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1734,"orig":"Sey Teufel doch nur nicht wie Brey, Und ſchaff’ einen neuen Schmuck herbey!","norm":"Sei Teufel doch nur nicht wie Brei, und schaffe einen neuen Schmuck herbei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1735,"orig":"Ja, gnaͤd’ger Herr, von Herzen gerne.","norm":"Ja, gnädiger Herr, von Herzen gerne."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1736,"orig":"So ein verliebter Thor verpufft Euch Sonne, Mond und alle Sterne Zum Zeitvertreib dem Liebchen in die Luft.","norm":"So ein verliebter Tor verpufft Euch Sonne, Mond und alle Sterne zum Zeitvertreib dem Liebchen in die Luft."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1737,"orig":"Gott verzeih’s meinem lieben Mann, Er hat an mir nicht wohl gethan!","norm":"Gott verzeih es meinem lieben Mann, er hat an mir nicht wohlgetan!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1738,"orig":"Geht da ſtracks in die Welt hinein, Und laͤßt mich auf dem Stroh allein.","norm":"Geht da stracks in die Welt hinein, und lässt mich auf dem Stroh allein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1739,"orig":"Thaͤt’ ihn doch wahrlich nicht betruͤben, Thaͤt’ ihn, weiß Gott, recht herzlich lieben.","norm":"Täte ihn doch wahrlich nicht betrüben, täte ihn, weiß Gott, recht herzlich lieben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1740,"orig":"Vielleicht iſt er gar todt!","norm":"Vielleicht ist er gar tot!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1741,"orig":"— O Pein!","norm":"— O Pein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1742,"orig":"— — Haͤtt’ ich nur einen Todtenſchein!","norm":"— — hätte ich nur einen Totenschein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1743,"orig":"Frau Marthe!","norm":"Frau Marthe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1744,"orig":"Gretelchen, was ſoll’s?","norm":"Gretelchen, was soll es?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1745,"orig":"Faſt ſinken mir die Kniee nieder!","norm":"Fast sinken mir die Kniee nieder!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1746,"orig":"Da find’ ich ſo ein Kaͤſtchen wieder In meinem Schrein, von Ebenholz, Und Sachen herrlich ganz und gar, Weit reicher als das erſte war.","norm":"Da finde ich so ein Kästchen wieder in meinem Schrein, von Ebenholz, und Sachen herrlich ganz und gar, weit reicher als das erste war."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1747,"orig":"Das muß ſie nicht der Mutter ſagen;","norm":"Das muss sie nicht der Mutter sagen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1748,"orig":"Thaͤt’s wieder gleich zur Beichte tragen.","norm":"Tät es wieder gleich zur Beichte tragen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1749,"orig":"Ach ſeh’ ſie nur!","norm":"Ach sehe sie nur!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1750,"orig":"ach ſchau’ ſie nur!","norm":"ach schau sie nur!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1751,"orig":"O du gluͤckſel’ge Creatur!","norm":"O du glückselige Kreatur!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1752,"orig":"Darf mich, leider, nicht auf der Gaſſen, Noch in der Kirche mit ſehen laſſen.","norm":"Darf mich, leider, nicht auf der Gassen, noch in der Kirche mit sehen lassen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1753,"orig":"Komm du nur oft zu mir heruͤber, Und leg’ den Schmuck hier heimlich an;","norm":"Komme du nur oft zu mir herüber, und lege den Schmuck hier heimlich an;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1754,"orig":"Spazier’ ein Stuͤndchen lang dem Spiegelglas voruͤber, Wir haben unſre Freude dran;","norm":"Spazier ein Stündchen lang dem Spiegelglas vorüber, wir haben unsere Freude dran;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1755,"orig":"Und dann gibt’s einen Anlaß, gibt’s ein Feſt, Wo man’s ſo nach und nach den Leuten ſehen laͤßt.","norm":"Und dann gibt es einen Anlass, gibt es ein Fest, Wo man es so nach und nach den Leuten sehen lässt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1756,"orig":"Ein Kettchen erſt, die Perle dann in’s Ohr;","norm":"Ein Kettchen erst, die Perle dann ins Ohr;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1757,"orig":"Die Mutter ſieht’s wohl nicht, man macht ihr auch was vor.","norm":"Die Mutter sieht es wohl nicht, man macht ihr auch was vor."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1758,"orig":"Wer konnte nur die beyden Kaͤſtchen bringen?","norm":"Wer konnte nur die beiden Kästchen bringen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1759,"orig":"Es geht nicht zu mit rechten Dingen!","norm":"Es geht nicht zu mit rechten Dingen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1760,"orig":"Ach Gott!","norm":"Ach Gott!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1761,"orig":"mag das meine Mutter ſeyn?","norm":"mag das meine Mutter sein?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1762,"orig":"Es iſt ein fremder Herr — Herein!","norm":"Es ist ein fremder Herr — herein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1763,"orig":"Bin ſo frey g’rad ’ herein zu treten, Muß bey den Frauen Verzeihn erbeten.","norm":"Bin so frei gerade ’ hereinzutreten, muss bei den Frauen Verzeihen erbeten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1764,"orig":"Wollte nach Frau Marthe Schwerdlein fragen!","norm":"Wollte nach Frau Marthe Schwertlein fragen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1765,"orig":"Ich bin’s, was hat der Herr zu ſagen?","norm":"Ich bin es, was hat der Herr zu sagen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1766,"orig":"Ich kenne Sie jetzt, mir iſt das genug;","norm":"Ich kenne Sie jetzt, mir ist das genug;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1767,"orig":"Sie hat da gar vornehmen Beſuch.","norm":"Sie hat da gar vornehmen Besuche."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1768,"orig":"Verzeiht die Freyheit die ich genommen, Will Nachmittage wieder kommen.","norm":"Verzeiht die Freiheit die ich genommen, will Nachmittage wiederkommen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1769,"orig":"Denk’, Kind, um alles in der Welt!","norm":"Denke, Kind, um alles in der Welt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1770,"orig":"Der Herr dich fuͤr ein Fraͤulein haͤlt.","norm":"Der Herr dich für ein Fräulein hält."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1771,"orig":"Ich bin ein armes junges Blut;","norm":"Ich bin ein armes junges Blut;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1772,"orig":"Ach Gott!","norm":"Ach Gott!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1773,"orig":"der Herr iſt gar zu gut:","norm":"der Herr ist gar zu gut:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1774,"orig":"Schmuck und Geſchmeide ſind nicht mein.","norm":"Schmuck und Geschmeide sind nicht mein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1775,"orig":"Ach, es iſt nicht der Schmuck allein;","norm":"Ach, es ist nicht der Schmuck allein;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1776,"orig":"Sie hat ein Weſen, einen Blick ſo ſcharf!","norm":"Sie hat ein Wesen, einen Blick so scharf!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1777,"orig":"Wie freut mich’s, daß ich bleiben darf.","norm":"Wie freut mich es, dass ich bleiben darf."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1778,"orig":"Was bringt Er denn?","norm":"Was bringt er denn?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1779,"orig":"Verlange ſehr —","norm":"Verlange sehr —"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1780,"orig":"Ich wollt’ ich haͤtt’ eine frohere Maͤhr’!","norm":"Ich wollte ich hätte eine frohere Märe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1781,"orig":"Ich hoffe, Sie laͤßt mich’s drum nicht buͤßen:","norm":"Ich hoffe, Sie lässt mich es darum nicht büßen:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1782,"orig":"Ihr Mann iſt todt und laͤßt Sie gruͤßen.","norm":"Ihr Mann ist tot und lässt Sie grüßen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1783,"orig":"Iſt todt?","norm":"Ist tot?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1784,"orig":"das treue Herz!","norm":"das treue Herz!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1785,"orig":"O weh!","norm":"O weh!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1786,"orig":"Mein Mann iſt todt!","norm":"Mein Mann ist tot!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1787,"orig":"Ach ich vergeh’!","norm":"Ach ich vergehe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1788,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1789,"orig":"liebe Frau, verzweifelt nicht!","norm":"liebe Frau, verzweifelt nicht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1790,"orig":"So hoͤrt die traurige Geſchicht’!","norm":"So hört die traurige Geschichte!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1791,"orig":"Ich moͤchte drum mein’ Tag’ nicht lieben, Wuͤrde mich Verluſt zu Tode betruͤben.","norm":"Ich möchte darum meine Tage nicht lieben, Würde mich Verlust zu Tode betrüben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1792,"orig":"Freud’ muß Leid, Leid muß Freude haben.","norm":"Freude muss Leid, Leid muss Freude haben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1793,"orig":"Erzaͤhlt mir ſeines Lebens Schluß!","norm":"Erzählt mir seines Lebens Schluss!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1794,"orig":"Er liegt in Padua begraben Bey’m heiligen Antonius, An einer wohlgeweihten Staͤtte Zum ewig kuͤhlen Ruhebette.","norm":"Er liegt in Padua begraben beim heiligen Antonius, an einer wohlgeweihten Stätte zum ewig kühlen Ruhebette."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1795,"orig":"Habt ihr ſonſt nichts an mich zu bringen?","norm":"Habt Ihr sonst nichts an mich zu bringen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1796,"orig":"Ja, eine Bitte, groß und ſchwer;","norm":"Ja, eine Bitte, groß und schwer;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1797,"orig":"Laß Sie doch ja fuͤr ihn dreyhundert Meſſen ſingen!","norm":"Lass Sie doch ja für ihn dreihundert Messen singen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1798,"orig":"Im uͤbrigen ſind meine Taſchen leer.","norm":"Im Übrigen sind meine Taschen leer."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1799,"orig":"Was!","norm":"Was!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1800,"orig":"nicht ein Schauſtuͤck?","norm":"nicht ein Schaustück?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1801,"orig":"Kein Geſchmeid’?","norm":"Kein Geschmeide?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1802,"orig":"Was jeder Handwerksburſch im Grund des Saͤckels ſpart, Zum Angedenken aufbewahrt, Und lieber hungert lieber bettelt!","norm":"Was jeder Handwerksbursch im Grund des Säckels spart, zum Angedenken aufbewahrt, und lieber hungert lieber bettelt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1803,"orig":"Madam, es thut mir herzlich leid;","norm":"Madam, es tut mir herzlich leid;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1804,"orig":"Allein er hat ſein Geld wahrhaftig nicht verzettelt.","norm":"Allein er hat sein Geld wahrhaftig nicht verzettelt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1805,"orig":"Auch er bereute ſeine Fehler ſehr, Ja, und bejammerte ſein Ungluͤck noch viel mehr.","norm":"Auch er bereute seine Fehler sehr, Ja, und bejammerte sein Unglück noch viel mehr."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1806,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1807,"orig":"daß die Menſchen ſo ungluͤcklich ſind!","norm":"dass die Menschen so unglücklich sind!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1808,"orig":"Gewiß ich will fuͤr ihn manch Requiem noch beten.","norm":"Gewiss ich will für ihn manch Requiem noch beten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1809,"orig":"Ihr waͤret werth, gleich in die Eh’ zu treten:","norm":"Ihr wäret wert, gleich in die Ehe zu treten:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1810,"orig":"Ihr ſeyd ein liebenswuͤrdig Kind.","norm":"Ihr seid ein liebenswürdig Kind."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1811,"orig":"Ach nein, das geht jetzt noch nicht an.","norm":"Ach nein, das geht jetzt noch nicht an."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1812,"orig":"Iſt’s nicht ein Mann, ſey’s derweil’ ein Galan.","norm":"Ist es nicht ein Mann, sei es derweil ein Galan."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1813,"orig":"’ s iſt eine der groͤßten Himmelsgaben, So ein lieb Ding im Arm zu haben.","norm":"' s ist eine der größten Himmelsgaben, so ein lieb Ding im Arm zu haben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1814,"orig":"Das iſt des Landes nicht der Brauch.","norm":"Das ist des Landes nicht der Brauche."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1815,"orig":"Brauch oder nicht!","norm":"Brauche oder nicht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1816,"orig":"es gibt ſich auch.","norm":"Es gibt sich auch."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1817,"orig":"Erzaͤhlt mir doch!","norm":"Erzählt mir doch!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1818,"orig":"Ich ſtand an ſeinem Sterbebette, Es war was beſſer als von Miſt, Von halbgefaultem Stroh; allein er ſtarb als Chriſt, Und fand, daß er weit mehr noch auf der Zeche haͤtte.","norm":"Ich stand an seinem Sterbebette, es war was besser als von Mist, von halbgefaultem Stroh; allein er starb als Christ, und fand, dass er weit mehr noch auf der Zeche hätte."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1819,"orig":"Wie, rief er, muß ich mich von Grund aus haſſen, So mein Gewerb, mein Weib ſo zu verlaſſen!","norm":"Wie, rief er, muss ich mich von Grund aus hassen, so mein Gewerbe, mein Weib so zu verlassen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1820,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1821,"orig":"die Erinnerung toͤdtet mich.","norm":"die Erinnerung tötet mich."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1822,"orig":"Vergaͤb’ ſie mir nur noch in dieſem Leben!","norm":"Vergäbe sie mir nur noch in diesem Leben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1823,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1824,"orig":"Der gute Mann!","norm":"Der gute Mann!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1825,"orig":"ich hab’ ihm laͤngſt vergeben.","norm":"ich habe ihm längst vergeben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1826,"orig":"Allein, weiß Gott!","norm":"Allein, weiß Gott!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1827,"orig":"ſie war mehr Schuld als ich.","norm":"sie war mehr schuld als ich."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1828,"orig":"Das luͤgt er!","norm":"Das lügt er!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1829,"orig":"Was!","norm":"Was!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1830,"orig":"am Rand des Grab’s zu luͤgen!","norm":"am Rand des Grabs zu lügen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1831,"orig":"Er fabelte gewiß in letzten Zuͤgen, Wenn ich nur halb ein Kenner bin.","norm":"Er fabelte gewiss in letzten Zügen, wenn ich nur halb ein Kenner bin."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1832,"orig":"Ich hatte, ſprach er, nicht zum Zeitvertreib zu gaffen, Erſt Kinder, und dann Brot fuͤr ſie zu ſchaffen, Und Brot im allerweit’ſten Sinn, Und konnte nicht einmal mein Theil in Frieden eſſen.","norm":"Ich hatte, sprach er, nicht zum Zeitvertreib zu gaffen, erst Kinder, und dann Brot für sie zu schaffen, und Brot im allerweitesten Sinn, und konnte nicht einmal mein Teil in Frieden essen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1833,"orig":"Hat er ſo aller Treu’, ſo aller Lieb’ vergeſſen, Der Plackerey bey Tag und Nacht!","norm":"Hat er so aller Treue, so aller Liebe vergessen, der Plackerei bei Tag und Nacht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1834,"orig":"Nicht doch, er hat euch herzlich dran gedacht.","norm":"Nicht doch, er hat Euch herzlich dran gedacht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1835,"orig":"Er ſprach:","norm":"Er sprach:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1836,"orig":"Als ich nun weg von Malta ging, Da betet’ ich fuͤr Frau und Kinder bruͤnſtig;","norm":"Als ich nun weg von Malta ging, da betete ich für Frau und Kinder brünstig;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1837,"orig":"Uns war denn auch der Himmel guͤnſtig, Daß unſer Schiff ein Tuͤrkiſch Fahrzeug fing, Das einen Schatz des großen Sultans fuͤhrte.","norm":"Uns war denn auch der Himmel günstig, dass unser Schiff ein türkisch Fahrzeug fing, das einen Schatz des großen Sultans führte."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1838,"orig":"Da ward der Tapferkeit ihr Lohn, Und ich empfing denn auch, wie ſich’s gebuͤhrte, Mein wohlgemeſſ’nes Theil davon.","norm":"Da wurde der Tapferkeit ihr Lohn, und ich empfing denn auch, wie sich es gebührte, Mein wohlgemessenes Teil davon."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1839,"orig":"Ey wie?","norm":"Ei wie?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1840,"orig":"Ey wo?","norm":"Ei wo?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1841,"orig":"Hat er’s vielleicht vergraben?","norm":"Hat er das vielleicht vergraben?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1842,"orig":"Wer weiß, wo nun es die vier Winde haben.","norm":"Wer weiß, wo nun es die vier Winde haben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1843,"orig":"Ein ſchoͤnes Fraͤulein nahm ſich ſeiner an, Als er in Napel fremd umher ſpazirte;","norm":"Ein schönes Fräulein nahm sich seiner an, als er in Napel fremd umherspazierte;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1844,"orig":"Sie hat an ihm viel Lieb’s und Treu’s gethan, Daß er’s bis an ſein ſelig Ende ſpuͤrte.","norm":"Sie hat an ihm viel Liebes und Treues getan, dass er das bis an sein selig Ende spürte."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1845,"orig":"Der Schelm!","norm":"Der Schelm!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1846,"orig":"der Dieb an ſeinen Kindern!","norm":"der Dieb an seinen Kindern!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1847,"orig":"Auch alles Elend, alle Noth Konnt’ nicht ſein ſchaͤndlich Leben hindern!","norm":"Auch alles Elend, alle Not konnte nicht sein schändlich Leben hindern!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1848,"orig":"Ja ſeht!","norm":"Ja seht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1849,"orig":"dafuͤr iſt er nun todt.","norm":"dafür ist er nun tot."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1850,"orig":"Waͤr’ ich nun jetzt an eurem Platze;","norm":"Wäre ich nun jetzt an Eurem Platze;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1851,"orig":"Betraurt’ ich ihn ein zuͤchtig Jahr, Viſirte dann unterweil’ nach einem neuen Schatze.","norm":"Betrauerte ich ihn ein züchtig Jahr, visierte dann unterweil nach einem neuen Schatze."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1852,"orig":"Ach Gott!","norm":"Ach Gott!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1853,"orig":"wie doch mein erſter war, Find’ ich nicht leicht auf dieſer Welt den andern!","norm":"wie doch mein erster war, Finde ich nicht leicht auf dieser Welt den anderen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1854,"orig":"Es konnte kaum ein herziger Naͤrrchen ſeyn.","norm":"Es konnte kaum ein herziger Närrchen sein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1855,"orig":"Er liebte nur das allzuviele Wandern, Und fremde Weiber, und fremden Wein, Und das verfluchte Wuͤrfelſpiel.","norm":"Er liebte nur das allzu viele Wandern, und fremde Weiber, und fremden Wein, und das verfluchte Würfelspiel."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1856,"orig":"Nun, nun, ſo konnt’ es gehn und ſtehen, Wenn er euch ungefaͤhr ſo viel Von ſeiner Seite nachgeſehen.","norm":"Nun, nun, so konnte es gehen und stehen, wenn er Euch ungefähr so viel von seiner Seite nachgesehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1857,"orig":"Ich ſchwoͤr’ euch zu, mit dem Beding Wechſelt’ ich ſelbſt mit euch den Ring!","norm":"Ich schwöre Euch zu, mit dem Beding wechselte ich selbst mit Euch den Ring!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1858,"orig":"O es beliebt dem Herrn zu ſcherzen!","norm":"O es beliebt dem Herrn zu scherzen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1859,"orig":"Nun mach’ ich mich bey Zeiten fort!","norm":"Nun mache ich mich beizeiten fort!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1860,"orig":"Die hielte wohl den Teufel ſelbſt beym Wort.","norm":"Die hielte wohl den Teufel selbst beim Wort."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1861,"orig":"Wie ſteht es denn mit Ihrem Herzen?","norm":"Wie steht es denn mit Ihrem Herzen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1862,"orig":"Was meint der Herr damit?","norm":"Was meint der Herr damit?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1863,"orig":"Du gut’s, unſchuldig’s Kind!","norm":"Du gutes, unschuldiges Kind!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1864,"orig":"Lebt wohl ihr Frauen!","norm":"Lebt wohl ihr Frauen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1865,"orig":"Lebt wohl!","norm":"Lebt wohl!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1866,"orig":"O ſagt mir doch geſchwind!","norm":"O sagt mir doch geschwind!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1867,"orig":"Ich moͤchte gern ein Zeugniß haben, Wo, wie und wann mein Schatz geſtorben und begraben.","norm":"Ich möchte gern ein Zeugnis haben, wo, wie und wann mein Schatz gestorben und begraben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1868,"orig":"Ich bin von je der Ordnung Freund geweſen, Moͤcht’ ihn auch todt im Wochenblaͤttchen leſen.","norm":"Ich bin von je der Ordnung Freund gewesen, möchte ihn auch tot im Wochenblättchen lesen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1869,"orig":"Ja, gute Frau, durch zweyer Zeugen Mund Wird allerwegs die Wahrheit kund;","norm":"Ja, gute Frau, durch zweier Zeugen Mund wird allerwegs die Wahrheit kund;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1870,"orig":"Habe noch gar einen feinen Geſellen, Den will ich euch vor den Richter ſtellen.","norm":"Habe noch gar einen feinen Gesellen, den will ich Euch vor den Richter stellen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1871,"orig":"Ich bring’ ihn her.","norm":"Ich bringe ihn her."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1872,"orig":"O thut das ja!","norm":"O tut das ja!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1873,"orig":"Und hier die Jungfrau iſt auch da?","norm":"Und hier die Jungfrau ist auch da?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1874,"orig":"— Ein braver Knab’!","norm":"— Ein braver Knabe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1875,"orig":"iſt viel gereiſ’t, Fraͤuleins alle Hoͤflichkeit erweiſ’t.","norm":"ist viel gereist, Fräuleins alle Höflichkeit erweist."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1876,"orig":"Muͤßte vor dem Herren ſchamroth werden.","norm":"Müsste vor dem Herren schamrot werden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1877,"orig":"Vor keinem Koͤnige der Erden.","norm":"Vor keinem Könige der Erden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1878,"orig":"Da hinter’m Haus in meinem Garten Wollen wir der Herrn heut’ Abend warten.","norm":"Da hinterm Haus in meinem Garten Wollen wir der Herrn heute Abend warten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1879,"orig":"Wie iſt’s?","norm":"Wie ist es?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1880,"orig":"Will’s foͤrdern?","norm":"Will es fördern?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1881,"orig":"Will’s bald gehn?","norm":"Will es bald gehen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1882,"orig":"Ah bravo!","norm":"Ah bravo!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1883,"orig":"Find’ ich euch in Feuer?","norm":"Finde ich Euch in Feuer?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1884,"orig":"In kurzer Zeit iſt Gretchen euer.","norm":"In kurzer Zeit ist Gretchen Euer."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1885,"orig":"Heut’ Abend ſollt ihr ſie bey Nachbar’ Marthen ſehn:","norm":"Heute Abend sollt Ihr sie bei Nachbar Marthen sehen:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1886,"orig":"Das iſt ein Weib wie auserleſen Zum Kuppler- und Zigeunerweſen!","norm":"Das ist ein Weib wie auserlesen Zum Kuppler- und Zigeunerwesen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1887,"orig":"So recht!","norm":"So recht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1888,"orig":"Doch wird auch was von uns begehrt.","norm":"Doch wird auch was von uns begehrt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1889,"orig":"Ein Dienſt iſt wohl des andern werth.","norm":"Ein Dienst ist wohl des anderen wert."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1890,"orig":"Wir legen nur ein guͤltig Zeugniß nieder, Daß ihres Ehherrn ausgereckte Glieder In Padua an heil’ger Staͤtte ruhn.","norm":"Wir legen nur ein gültig Zeugnis nieder, dass ihres Eheherrn ausgereckte Glieder in Padua an heiliger Stätte ruhen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1891,"orig":"Sehr klug!","norm":"Sehr klug!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1892,"orig":"Wir werden erſt die Reiſe machen muͤſſen!","norm":"Wir werden erst die Reise machen müssen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1893,"orig":"Sancta Simplicitas!","norm":"Sancta Simplicitas!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1894,"orig":"darum iſt’s nicht zu thun;","norm":"darum ist es nicht zu tun;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1895,"orig":"Bezeugt nur ohne viel zu wiſſen.","norm":"Bezeugt nur ohne viel zu wissen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1896,"orig":"Wenn Er nichts beſſers hat, ſo iſt der Plan zerriſſen.","norm":"Wenn Er nichts Bessers hat, so ist der Plan zerrissen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1897,"orig":"O heil’ger Mann!","norm":"O heiliger Mann!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1898,"orig":"Da waͤr’t ihr’s nun!","norm":"Da wärt Ihr es nun!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1899,"orig":"Iſt es das erſtemal in eurem Leben, Daß ihr falſch Zeugniß abgelegt?","norm":"Ist es das erste Mal in Eurem Leben, dass Ihr falsch Zeugnis abgelegt?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1900,"orig":"Habt ihr von Gott, der Welt und was ſich d’rin bewegt, Vom Menſchen, was ſich ihm in Kopf und Herzen regt, Definitionen nicht mit großer Kraft gegeben?","norm":"Habt Ihr von Gott, der Welt und was sich drin bewegt, vom Menschen, was sich ihm in Kopf und Herzen regt, Definitionen nicht mit großer Kraft gegeben?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1901,"orig":"Mit frecher Stirne, kuͤhner Bruſt?","norm":"Mit frecher Stirn, kühner Brust?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1902,"orig":"Und wollt ihr recht in’s Innre gehen, Habt ihr davon, ihr muͤßt es g’rad ’ geſtehen, So viel als von Herrn Schwerdleins Tod gewußt!","norm":"Und wollt Ihr recht ins Innere gehen, habt Ihr davon, Ihr müsst es gerade ’ gestehen, so viel als von Herrn Schwerdtleins Tod gewusst!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1903,"orig":"Du biſt und bleibſt ein Luͤgner, ein Sophiſte.","norm":"Du bist und bleibst ein Lügner, ein Sophist."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1904,"orig":"Ja, wenn man’s nicht ein Bißchen tiefer wuͤßte.","norm":"Ja, wenn man es nicht ein bisschen tiefer wüsste."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1905,"orig":"Denn morgen wirſt in allen Ehren Das arme Gretchen nicht bethoͤren, Und alle Seelenlieb’ ihr ſchwoͤren?","norm":"Denn morgen wirst in allen Ehren das arme Gretchen nicht betören, und alle Seelenliebe ihr schwören?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1906,"orig":"Und zwar von Herzen.","norm":"Und zwar von Herzen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1907,"orig":"Gut und ſchoͤn!","norm":"Gut und schön!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1908,"orig":"Dann wird von ewiger Treu’ und Liebe, Von einzig uͤberallmaͤcht’gem Triebe — Wird das auch ſo von Herzen gehn?","norm":"Dann wird von ewiger Treue und Liebe, von einzig überallmächtigem Triebe — wird das auch so von Herzen gehen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1909,"orig":"Laß das!","norm":"Lass das!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1910,"orig":"Es wird!","norm":"Es wird!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1911,"orig":"— Wenn ich empfinde, Fuͤr das Gefuͤhl, fuͤr das Gewuͤhl Nach Namen ſuche, keinen finde, Dann durch die Welt mit allen Sinnen ſchweife, Nach allen hoͤchſten Worten greife, Und dieſe Gluth, von der ich brenne, Unendlich, ewig, ewig nenne, Iſt das ein teufliſch Luͤgenſpiel?","norm":"— Wenn ich empfinde, für das Gefühl, für das Gewühl nach Namen suche, keinen finde, dann durch die Welt mit allen Sinnen schweife, nach allen höchsten Worten greife, und diese Glut, von der ich brenne, unendlich, ewig, ewig nenne, ist das ein teuflisch Lügenspiel?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1912,"orig":"Ich hab’ doch Recht!","norm":"Ich habe doch Recht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1913,"orig":"Hoͤr’!","norm":"Höre!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1914,"orig":"merk’ dir dieß — Ich bitte dich, und ſchone meine Lunge — Wer Recht behalten will und hat nur eine Zunge, Behaͤlt’s gewiß.","norm":"merke dir dies — Ich bitte dich, und schone meine Lunge — wer Recht behalten will und hat nur eine Zunge, behält es gewiss."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1915,"orig":"Und komm’, ich hab’ des Schwaͤtzens Ueberdruß, Denn du haſt Recht, vorzuͤglich weil ich muß.","norm":"Und komme, ich habe des Schwätzens Überdruss, denn du hast Recht, vorzüglich weil ich muss."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1916,"orig":"Ich fuͤhl’ es wohl, daß mich der Herr nur ſchont, Herab ſich laͤßt, mich zu beſchaͤmen.","norm":"Ich fühle es wohl, dass mich der Herr nur schont, herab sich lässt, mich zu beschämen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1917,"orig":"Ein Reiſender iſt ſo gewohnt Aus Guͤtigkeit fuͤrlieb zu nehmen, Ich weiß zu gut, daß ſolch’ erfahrnen Mann Mein arm Geſpraͤch nicht unterhalten kann.","norm":"Ein Reisender ist so gewohnt aus Gütigkeit fürlieb zu nehmen, Ich weiß zu gut, dass solch erfahrenen Mann Mein arm Gespräch nicht unterhalten kann."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1918,"orig":"Ein Blick von dir, Ein Wort mehr unterhaͤlt, Als alle Weisheit dieſer Welt.","norm":"Ein Blick von dir, ein Wort mehr unterhält, als alle Weisheit dieser Welt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1919,"orig":"Incommodirt euch nicht!","norm":"Inkommodiert Euch nicht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1920,"orig":"Wie koͤnnt ihr ſie nur kuͤſſen?","norm":"Wie könnt Ihr sie nur küssen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1921,"orig":"Sie iſt ſo garſtig, iſt ſo rauh!","norm":"Sie ist so garstig, ist so rau!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1922,"orig":"Was hab’ ich nicht ſchon alles ſchaffen muͤſſen!","norm":"Was habe ich nicht schon alles schaffen müssen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1923,"orig":"Die Mutter iſt gar zu genau.","norm":"Die Mutter ist gar zu genau."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1924,"orig":"Und ihr, mein Herr, ihr reiſ’t ſo immer fort?","norm":"Und Ihr, mein Herr, Ihr reist so immer fort?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1925,"orig":"Ach, daß Gewerb’ und Pflicht uns dazu treiben!","norm":"Ach, dass Gewerbe und Pflicht uns dazu treiben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1926,"orig":"Mit wie viel Schmerz verlaͤßt man manchen Ort, Und darf doch nun einmal nicht bleiben!","norm":"Mit wie viel Schmerz verlässt man manchen Ort, und darf doch nun einmal nicht bleiben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1927,"orig":"In raſchen Jahren geht’s wohl an, So um und um frey durch die Welt zu ſtreifen;","norm":"In raschen Jahren geht es wohl an, so um und um frei durch die Welt zu streifen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1928,"orig":"Doch koͤmmt die boͤſe Zeit heran, Und ſich als Hageſtolz allein zum Grab’ zu ſchleifen, Das hat noch keinem wohl gethan.","norm":"Doch kommt die böse Zeit heran, und sich als Hagestolz allein zum Grab zu schleifen, das hat noch keinem wohlgetan."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1929,"orig":"Mit Grauſen ſeh’ ich das von weiten.","norm":"Mit Grausen sehe ich das von weiten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1930,"orig":"Drum, werther Herr, berathet euch in Zeiten.","norm":"Darum, werter Herr, beratet Euch in Zeiten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1931,"orig":"Ja, aus den Augen aus dem Sinn!","norm":"Ja, aus den Augen aus dem Sinn!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1932,"orig":"Die Hoͤflichkeit iſt euch gelaͤufig;","norm":"Die Höflichkeit ist Euch geläufig;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1933,"orig":"Allein ihr habt der Freunde haͤufig, Sie ſind verſtaͤndiger als ich bin.","norm":"Allein Ihr habt der Freunde häufig, Sie sind verständiger als ich bin."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1934,"orig":"O Beſte!","norm":"O Beste!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1935,"orig":"glaube, was man ſo verſtaͤndig nennt, Iſt oft mehr Eitelkeit und Kurzſinn.","norm":"glaube, was man so verständig nennt, ist oft mehr Eitelkeit und Kurzsinn."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1936,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1937,"orig":"Ach, daß die Einfalt, daß die Unſchuld nie Sich ſelbſt und ihren heil’gen Werth erkennt!","norm":"Ach, dass die Einfalt, dass die Unschuld nie sich selbst und ihren heiligen Wert erkennt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1938,"orig":"Daß Demuth, Niedrigkeit, die hoͤchſten Gaben Der liebevoll austheilenden Natur —","norm":"Dass Demut, Niedrigkeit, die höchsten Gaben der liebevoll austeilenden Natur —"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1939,"orig":"Denkt ihr an mich ein Augenblickchen nur, Ich werde Zeit genug an euch zu denken haben.","norm":"Denkt Ihr an mich ein Augenblickchen nur, Ich werde Zeit genug an Euch zu denken haben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1940,"orig":"Ihr ſeyd wohl viel allein?","norm":"Ihr seid wohl viel allein?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1941,"orig":"Ja, unſre Wirthſchaft iſt nur klein, Und doch will ſie verſehen ſeyn.","norm":"Ja, unsere Wirtschaft ist nur klein, und doch will sie versehen sein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1942,"orig":"Wir haben keine Magd; muß kochen, fegen, ſtricken Und naͤhn, und laufen fruͤh und ſpat;","norm":"Wir haben keine Magd; muss kochen, fegen, stricken und nähen, und laufen früh und spat;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1943,"orig":"Und meine Mutter iſt in allen Stuͤcken So accurat!","norm":"Und meine Mutter ist in allen Stücken so akkurat!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1944,"orig":"Nicht daß ſie juſt ſo ſehr ſich einzuſchraͤnken hat;","norm":"Nicht dass sie just so sehr sich einzuschränken hat;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1945,"orig":"Wir koͤnnten uns weit eh’r als andre regen:","norm":"Wir könnten uns weit eher als andere regen:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1946,"orig":"Mein Vater hinterließ ein huͤbſch Vermoͤgen, Ein Haͤuschen und ein Gaͤrtchen vor der Stadt.","norm":"Mein Vater hinterließ ein hübsch Vermögen, ein Häuschen und ein Gärtchen vor der Stadt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1947,"orig":"Doch hab’ ich jetzt ſo ziemlich ſtille Tage;","norm":"Doch habe ich jetzt so ziemlich stille Tage;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1948,"orig":"Mein Bruder iſt Soldat, Mein Schweſterchen iſt todt.","norm":"Mein Bruder ist Soldat, Mein Schwesterchen ist tot."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1949,"orig":"Ich hatte mit dem Kind wohl meine liebe Noth;","norm":"Ich hatte mit dem Kind wohl meine liebe Not;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1950,"orig":"Doch uͤbernaͤhm’ ich gern noch einmal alle Plage, So lieb war mir das Kind.","norm":"Doch übernähme ich gern noch einmal alle Plage, so lieb war mir das Kind."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1951,"orig":"Ein Engel, wenn dir’s glich.","norm":"Ein Engel, wenn dir es glich."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1952,"orig":"Ich zog es auf, und herzlich liebt’ es mich.","norm":"Ich zog es auf, und herzlich liebte es mich."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1953,"orig":"Es war nach meines Vaters Tod geboren.","norm":"Es war nach meines Vaters Tod geboren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1954,"orig":"Die Mutter gaben wir verloren, So elend wie ſie damals lag, Und ſie erholte ſich ſehr langſam, nach und nach.","norm":"Die Mutter gaben wir verloren, so elend wie sie damals lag, und sie erholte sich sehr langsam, nach und nach."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1955,"orig":"Da konnte ſie nun nicht d’ran denken Das arme Wuͤrmchen ſelbſt zu traͤnken, Und ſo erzog ich’s ganz allein, Mit Milch und Waſſer; ſo ward’s mein.","norm":"Da konnte sie nun nicht dran denken das arme Würmchen selbst zu tränken, und so erzog ich es ganz allein, mit Milch und Wasser; so ward es mein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1956,"orig":"Auf meinem Arm, in meinem Schoos War’s freundlich, zappelte, ward groß.","norm":"Auf meinem Arm, in meinem Schoß war es freundlich, zappelte, wurde groß."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1957,"orig":"Du haſt gewiß das reinſte Gluͤck empfunden.","norm":"Du hast gewiss das reinste Glück empfunden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1958,"orig":"Doch auch gewiß gar manche ſchwere Stunden.","norm":"Doch auch gewiss gar manche schwere Stunden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1959,"orig":"Des Kleinen Wiege ſtand zu Nacht An meinem Bett’, es durfte kaum ſich regen, War ich erwacht;","norm":"Des kleinen Wiege stand zu Nacht an meinem Bett, es durfte kaum sich regen, war ich erwacht;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1960,"orig":"Bald mußt’ ich’s traͤnken, bald es zu mir legen, Bald, wenn’s nicht ſchwieg, vom Bett’ aufſtehn, Und taͤnzelnd in der Kammer auf und nieder gehn, Und fruͤh am Tage ſchon am Waſchtrog ſtehn;","norm":"Bald musste ich es tränken, bald es zu mir legen, bald, wenn es nicht schwieg, vom Bett aufstehen, und tänzelnd in der Kammer auf und niedergehen, und früh am Tage schon am Waschtrog stehen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1961,"orig":"Dann auf dem Markt und an dem Herde ſorgen, Und immer fort wie heut ſo morgen.","norm":"Dann auf dem Markt und an dem Herde Sorgen, und immer fort wie heute so morgen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1962,"orig":"Da geht’s, mein Herr, nicht immer muthig zu;","norm":"Da geht es, mein Herr, nicht immer mutig zu;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1963,"orig":"Doch ſchmeckt dafuͤr das Eſſen, ſchmeckt die Ruh.","norm":"Doch schmeckt dafür das Essen, schmeckt die Ruhe."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1964,"orig":"Die armen Weiber ſind doch uͤbel dran:","norm":"Die armen Weiber sind doch übel dran:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1965,"orig":"Ein Hageſtolz iſt ſchwerlich zu bekehren.","norm":"Ein Hagestolz ist schwerlich zu bekehren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1966,"orig":"Es kaͤme nur auf eures gleichen an, Mich eines beſſern zu belehren.","norm":"Es käme nur auf Euresgleichen an, mich eines besseren zu belehren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1967,"orig":"Sagt g’rad ’, mein Herr, habt ihr noch nichts gefunden?","norm":"Sagt gerade ’, mein Herr, habt Ihr noch nichts gefunden?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1968,"orig":"Hat ſich das Herz nicht irgendwo gebunden?","norm":"Hat sich das Herz nicht irgendwo gebunden?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1969,"orig":"Das Sprichwort ſagt:","norm":"Das Sprichwort sagt:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1970,"orig":"Ein eigner Herd, Ein braves Weib, ſind Gold und Perlen werth.","norm":"Ein eigener Herd, ein braves Weib, sind Gold und Perlen wert."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1971,"orig":"Ich meine, ob ihr niemals Luſt bekommen?","norm":"Ich meine, ob Ihr niemals Lust bekommen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1972,"orig":"Man hat mich uͤberall recht hoͤflich aufgenommen.","norm":"Man hat mich überall recht höflich aufgenommen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1973,"orig":"Ich wollte ſagen: ward’s nie Ernſt in eurem Herzen?","norm":"Ich wollte sagen: ward es nie Ernst in Eurem Herzen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1974,"orig":"Mit Frauen ſoll man ſich nie unterſtehn zu ſcherzen.","norm":"Mit Frauen soll man sich nie unterstehen zu scherzen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1975,"orig":"Ach, ihr verſteht mich nicht!","norm":"Ach, Ihr versteht mich nicht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1976,"orig":"Das thut mir herzlich leid!","norm":"Das tut mir herzlich leid!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1977,"orig":"Doch ich verſteh’ — daß ihr ſehr guͤtig ſeyd.","norm":"Doch ich verstehe — dass Ihr sehr gütig seid."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1978,"orig":"Du kannteſt mich, o kleiner Engel, wieder, Gleich als ich in den Garten kam?","norm":"Du kanntest mich, o kleiner Engel, wieder, gleich als ich in den Garten kam?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1979,"orig":"Saht ihr es nicht?","norm":"Saht Ihr es nicht?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1980,"orig":"ich ſchlug die Augen nieder.","norm":"ich schlug die Augen nieder."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1981,"orig":"Und du verzeihſt die Freyheit, die ich nahm?","norm":"Und du verzeihst die Freiheit, die ich nahm?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1982,"orig":"Was ſich die Frechheit unterfangen, Als du juͤngſt aus dem Dom gegangen.","norm":"Was sich die Frechheit unterfangen, als du jüngst aus dem Dom gegangen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1983,"orig":"Ich war beſtuͤrzt, mir war das nie geſchehn;","norm":"Ich war bestürzt, mir war das nie geschehen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1984,"orig":"Es konnte niemand von mir uͤbels ſagen.","norm":"Es konnte niemand von mir Übels sagen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1985,"orig":"Ach, dacht’ ich, hat er in deinem Betragen Was freches, unanſtaͤndiges geſehn?","norm":"Ach, dachte ich, hat er in deinem Betragen Was Freches, Unanständiges gesehen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1986,"orig":"Es ſchien ihn gleich nur anzuwandeln, Mit dieſer Dirne g’rade hin zu handeln.","norm":"Es schien ihn gleich nur anzuwandeln, mit dieser Dirne geradehin zu handeln."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1987,"orig":"Geſteh’ ich’s doch!","norm":"Gestehe ich es doch!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1988,"orig":"Ich wußte nicht was ſich Zu eurem Vortheil hier zu regen gleich begonnte;","norm":"Ich wusste nicht was sich Zu Eurem Vorteil hier zu regen gleich begann;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1989,"orig":"Allein gewiß, ich war recht boͤſ’ auf mich, Daß ich auf euch nicht boͤſer werden konnte.","norm":"Allein gewiss, ich war recht böse auf mich, dass ich auf Euch nicht böser werden konnte."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1990,"orig":"Suͤß Liebchen!","norm":"Süß Liebchen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1991,"orig":"Laßt einmal!","norm":"Lasst einmal!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1992,"orig":"Was ſoll das?","norm":"Was soll das?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1993,"orig":"Einen Strauß?","norm":"Einen Strauß?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1994,"orig":"Nein, es ſoll nur ein Spiel.","norm":"Nein, es soll nur ein Spiel."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1995,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1996,"orig":"Ceht!","norm":"Geht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1997,"orig":"ihr lacht mich aus.","norm":"Ihr lacht mich aus."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1998,"orig":"Was murmelſt du?","norm":"Was murmelst du?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":1999,"orig":"Er liebt mich — liebt mich nicht.","norm":"Er liebt mich — liebt mich nicht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2000,"orig":"Du holdes Himmels-Angeſicht!","norm":"Du holdes Himmelsangesicht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2001,"orig":"Liebt mich — Nicht — Liebt mich — Nicht —","norm":"Liebt mich — nicht — liebt mich — nicht —"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2002,"orig":"Er liebt mich!","norm":"Er liebt mich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2003,"orig":"Ja, mein Kind!","norm":"Ja, mein Kind!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2004,"orig":"Laß dieſes Blumenwort Dir Goͤtter-Ausſpruch ſeyn.","norm":"Lass dieses Blumenwort Dir Götterausspruch sein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2005,"orig":"Er liebt dich!","norm":"Er liebt dich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2006,"orig":"Verſtehſt du, was das heißt?","norm":"Verstehst du, was das heißt?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2007,"orig":"Er liebt dich!","norm":"Er liebt dich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2008,"orig":"Mich uͤberlaͤuft’s!","norm":"Mich überläuft es!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2009,"orig":"O ſchaudre nicht!","norm":"O schaudre nicht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2010,"orig":"Laß dieſen Blick, Laß dieſen Haͤndedruck dir ſagen, Was unausſprechlich iſt:","norm":"Lass diesen Blick, Lass diesen Händedruck dir sagen, was unaussprechlich ist:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2011,"orig":"Sich hinzugeben ganz und eine Wonne Zu fuͤhlen, die ewig ſeyn muß!","norm":"Sich hinzugeben ganz und eine Wonne zu fühlen, die ewig sein muss!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2012,"orig":"Ewig!","norm":"Ewig!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2013,"orig":"— Ihr Ende wuͤrde Verzweiflung ſeyn.","norm":"— Ihr Ende würde Verzweiflung sein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2014,"orig":"Nein, kein Ende!","norm":"Nein, kein Ende!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2015,"orig":"Kein Ende!","norm":"Kein Ende!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2016,"orig":"Die Nacht bricht an.","norm":"Die Nacht bricht an."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2017,"orig":"Ja, und wir wollen fort.","norm":"Ja, und wir wollen fort."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2018,"orig":"Ich baͤt’ euch laͤnger hier zu bleiben, Allein es iſt ein gar zu boͤſer Ort.","norm":"Ich bäte Euch länger hier zu bleiben, allein es ist ein gar zu böser Ort."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2019,"orig":"Es iſt als haͤtte niemand nichts zu treiben Und nichts zu ſchaffen, Als auf des Nachbarn Schritt und Tritt zu gaffen, Und man kommt in’s Gered’, wie man ſich immer ſtellt.","norm":"Es ist als hätte niemand nichts zu treiben und nichts zu schaffen, als auf des Nachbarn Schritt und Tritt zu gaffen, Und man kommt ins Gerede, wie man sich immer stellt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2020,"orig":"Und unſer Paͤrchen?","norm":"Und unser Pärchen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2021,"orig":"Iſt den Gang dort aufgeflogen.","norm":"Ist den Gang dort aufgeflogen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2022,"orig":"Muthwill’ge Sommervoͤgel!","norm":"Mutwillige Sommervögel!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2023,"orig":"Er ſcheint ihr gewogen.","norm":"Er scheint ihr gewogen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2024,"orig":"Und ſie ihm auch.","norm":"Und sie ihm auch."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2025,"orig":"Das iſt der Lauf der Welt.","norm":"Das ist der Lauf der Welt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2026,"orig":"Er kommt!","norm":"Er kommt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2027,"orig":"Ach Schelm, ſo neckſt du mich!","norm":"Ach Schelm, so neckst du mich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2028,"orig":"Treff’ ich dich!","norm":"Treffe ich dich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2029,"orig":"Beſter Mann!","norm":"Bester Mann!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2030,"orig":"von Herzen lieb’ ich dich!","norm":"von Herzen liebe ich dich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2031,"orig":"Wer da?","norm":"Wer da?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2032,"orig":"Gut Freund!","norm":"Gut Freund!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2033,"orig":"Ein Thier!","norm":"Ein Tier!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2034,"orig":"Es iſt wohl Zeit zu ſcheiden.","norm":"Es ist wohl Zeit zu scheiden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2035,"orig":"Ja, es iſt ſpaͤt, mein Herr.","norm":"Ja, es ist spät, mein Herr."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2036,"orig":"Darf ich euch nicht geleiten?","norm":"Darf ich Euch nicht geleiten?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2037,"orig":"Die Mutter wuͤrde mich — Lebt wohl!","norm":"Die Mutter würde mich — lebt wohl!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2038,"orig":"Muß ich denn gehn?","norm":"Muss ich denn gehen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2039,"orig":"Lebt wohl!","norm":"Lebt wohl!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2040,"orig":"Ade!","norm":"Ade!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2041,"orig":"Auf baldig Wiederſehn!","norm":"Auf baldig Wiedersehn!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2042,"orig":"Du lieber Gott!","norm":"Du lieber Gott!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2043,"orig":"was ſo ein Mann Nicht alles alles denken kann!","norm":"was so ein Mann nicht alles alles denken kann!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2044,"orig":"Beſchaͤmt nur ſteh’ ich vor ihm da, Und ſag’ zu allen Sachen ja.","norm":"Beschämt nur stehe ich vor ihm da, und sage zu allen Sachen ja."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2045,"orig":"Bin doch ein arm unwiſſend Kind, Begreife nicht was er an mir find’t.","norm":"Bin doch ein arm unwissend Kind, Begreife nicht was er an mir findet."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2046,"orig":"Erhabner Geiſt, du gabſt mir, gabſt mir alles, Warum ich bat.","norm":"Erhabener Geist, du gabst mir, gabst mir alles, warum ich bat."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2047,"orig":"Du haſt mir nicht umſonſt.","norm":"Du hast mir nicht umsonst."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2048,"orig":"Dein Angeſicht im Feuer zugewendet.","norm":"Dein Angesicht im Feuer zugewendet."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2049,"orig":"Gabſt mir die herrliche Natur zum Koͤnigreich, Kraft, ſie zu fuͤhlen, zu genießen.","norm":"Gabst mir die herrliche Natur zum Königreich, Kraft, sie zu fühlen, zu genießen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2050,"orig":"Nicht Kalt ſtaunenden Beſuch erlaubſt du nur, Vergoͤnneſt mir in ihre tiefe Bruſt, Wie in den Buſen eines Freund’s, zu ſchauen.","norm":"Nicht kalt staunenden Besuche erlaubst du nur, Vergönnest mir in ihre tiefe Brust, wie in den Busen eines Freunds, zu schauen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2051,"orig":"Du fuͤhrſt die Reihe der Lebendigen Vor mir vorbey, und lehrſt mich meine Bruͤder Im ſtillen Buſch, in Luft und Waſſer kennen.","norm":"Du führst die Reihe der Lebendigen vor mir vorbei, und lehrst mich meine Brüder im stillen Busch, in Luft und Wasser kennen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2052,"orig":"Und wenn der Sturm im Walde brauſ’t und knarrt, Die Rieſenfichte, ſtuͤrzend, Nachbaraͤſte Und Nachbarſtaͤmme, quetſchend, nieder ſtreift, Und ihrem Fall dumpf hohl der Huͤgel donnert;","norm":"Und wenn der Sturm im Walde braust und knarrt, die Riesenfichte, stürzend, Nachbaräste und Nachbarstämme, quetschend, niederstreift, und ihrem Fall dumpf hohl der Hügel donnert;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2053,"orig":"Dann fuͤhrſt du mich zur ſichern Hoͤhle, zeigſt Mich dann mir ſelbſt, und meiner eignen Bruſt Geheime tiefe Wunder oͤffnen ſich.","norm":"Dann führst du mich zur sichern Höhle, zeigst mich dann mir selbst, und meiner eigenen Brust Geheime tiefe Wunder öffnen sich."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2054,"orig":"Und ſteigt vor meinem Blick der reine Mond Beſaͤnftigend heruͤber; ſchweben mir Von Felſenwaͤnden, aus dem feuchten Buſch, Der Vorwelt ſilberne Geſtalten auf, Und lindern der Betrachtung ſtrenge Luſt.","norm":"Und steigt vor meinem Blick der reine Mond besänftigend herüber; schweben mir von Felsenwänden, aus dem feuchten Busch, der Vorwelt silberne Gestalten auf, und lindern der Betrachtung strenge Lust."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2055,"orig":"O daß dem Menſchen nichts Vollkomm’nes wird, Empfind’ ich nun.","norm":"O dass dem Menschen nichts Vollkommenes wird, Empfinde ich nun."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2056,"orig":"Du gabſt zu dieſer Wonne, Die mich den Goͤttern nah’ und naͤher bringt, Mir den Gefaͤhrten, den ich ſchon nicht mehr Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech, Mich vor mir ſelbſt erniedrigt, und zu Nichts, Mit einem Worthauch, deine Gaben wandelt.","norm":"Du gabst zu dieser Wonne, die mich den Göttern nah und näher bringt, mir den Gefährten, den ich schon nicht mehr Entbehren kann, wenn er gleich, kalt und frech, mich vor mir selbst erniedrigt, und zu Nichts, mit einem Worthauch, deine Gaben wandelt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2057,"orig":"Er facht in meiner Bruſt ein wildes Feuer Nach jenem ſchoͤnen Bild geſchaͤftig an.","norm":"Er facht in meiner Brust ein wildes Feuer nach jenem schönen Bild geschäftig an."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2058,"orig":"So tauml’ ich von Begierde zu Genuß, Und im Genuß verſchmacht’ ich nach Begierde.","norm":"So taumle ich von Begierde zu Genuss, und im Genuss verschmachte ich nach Begierde."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2059,"orig":"Habt ihr nun bald das Leben g’nug gefuͤhrt?","norm":"Habt Ihr nun bald das Leben genug geführt?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2060,"orig":"Wie kann’s euch in die Laͤnge freuen?","norm":"Wie kann es Euch in die Länge freuen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2061,"orig":"Es iſt wohl gut, daß man’s einmal probirt;","norm":"Es ist wohl gut, dass man es einmal probiert;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2062,"orig":"Dann aber wieder zu was neuen!","norm":"Dann aber wieder zu was Neuen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2063,"orig":"Ich wollt’, du haͤtteſt mehr zu thun, Als mich am guten Tag zu plagen.","norm":"Ich wollte, du hättest mehr zu tun, als mich am guten Tag zu plagen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2064,"orig":"Nun nun!","norm":"Nun nun!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2065,"orig":"ich laß’ dich gerne ruhn, Du darfſt mir’s nicht im Ernſte ſagen.","norm":"ich lasse dich gerne ruhen, Du darfst mir es nicht im Ernste sagen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2066,"orig":"An dir Geſellen unhold, barſch und toll, Iſt wahrlich wenig zu verlieren.","norm":"An dir Gesellen unhold, barsch und toll, ist wahrlich wenig zu verlieren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2067,"orig":"Den ganzen Tag hat man die Haͤnde voll!","norm":"Den ganzen Tag hat man die Hände voll!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2068,"orig":"Was ihm gefaͤllt und was man laſſen ſoll, Kann man dem Herrn nie an der Naſe ſpuͤren.","norm":"Was ihm gefällt und was man lassen soll, Kann man dem Herrn nie an der Nase spüren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2069,"orig":"Das iſt ſo juſt der rechte Ton!","norm":"Das ist so just der rechte Ton!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2070,"orig":"Er will noch Dank, daß er mich ennuͤyirt.","norm":"Er will noch Dank, dass er mich ennuyiert."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2071,"orig":"Wie haͤtt’ſt du, armer Erdenſohn, Dein Leben ohne mich gefuͤhrt?","norm":"Wie hättest du, armer Erdensohn, Dein Leben ohne mich geführt?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2072,"orig":"Vom Kribskrabs der Imagination Hab’ ich dich doch auf Zeiten lang curirt;","norm":"Vom Kribskrabs der Imagination Habe ich dich doch auf Zeiten lang kuriert;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2073,"orig":"Und waͤr’ ich nicht, ſo waͤr’ſt du ſchon Von dieſem Erdball abſpazirt.","norm":"Und wäre ich nicht, so wärst du schon Von diesem Erdball abspaziert."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2074,"orig":"Was haſt du da in Hoͤhlen, Felſenritzen Dich wie ein Schuhu zu verſitzen?","norm":"Was hast du da in Höhlen, Felsenritzen Dich wie ein Schuhu zu versitzen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2075,"orig":"Was ſchlurfſt aus dumpfem Moos und triefendem Geſtein, Wie eine Kroͤte, Nahrung ein?","norm":"Was schlurfst aus dumpfem Moos und triefendem Gestein, wie eine Kröte, Nahrung ein?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2076,"orig":"Ein ſchoͤner, ſuͤßer Zeitvertreib!","norm":"Ein schöner, süßer Zeitvertreib!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2077,"orig":"Dir ſteckt der Doctor noch im Leib.","norm":"Dir steckt der Doktor noch im Leib."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2078,"orig":"Verſtehſt du, was fuͤr neue Lebenskraft Mir dieſer Wandel in der Oede ſchafft?","norm":"Verstehst du, was für neue Lebenskraft mir dieser Wandel in der Öde schafft?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2079,"orig":"Ja, wuͤrdeſt du es ahnden koͤnnen, Du waͤreſt Teufel g’nug mein Gluͤck mir nicht zu goͤnnen.","norm":"Ja, würdest du es ahnen können, Du wärest Teufel genug mein Glück mir nicht zu gönnen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2080,"orig":"Ein uͤberirdiſches Vergnuͤgen!","norm":"Ein überirdisches Vergnügen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2081,"orig":"In Nacht und Thau auf den Gebirgen liegen, Und Erd und Himmel wonniglich umfaſſen, Zu einer Gottheit ſich aufſchwellen laſſen, Der Erde Mark mit Ahndungsdrang durchwuͤhlen, Alle ſechs Tagewerk’ im Buſen fuͤhlen, In ſtolzer Kraft ich weiß nicht was genießen, Bald liebewonniglich in alles uͤberfließen, Verſchwunden ganz der Erdenſohn, Und dann die hohe Intuition —","norm":"In Nacht und Tau auf den Gebirgen liegen, und Erde und Himmel wonniglich umfassen, zu einer Gottheit sich aufschwellen lassen, der Erde Mark mit Ahnungsdrang durchwühlen, alle sechs Tagewerke im Busen fühlen, in stolzer Kraft ich weiß nicht was genießen, bald liebewonniglich in alles überfließen, verschwunden ganz der Erdensohn, und dann die hohe Intuition —"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2082,"orig":"Ich darf nicht ſagen wie — zu ſchließen.","norm":"Ich darf nicht sagen wie — zu schließen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2083,"orig":"Pfuy uͤber dich!","norm":"Pfui über dich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2084,"orig":"Das will euch nicht behagen;","norm":"Das will Euch nicht behagen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2085,"orig":"Ihr habt das Recht geſittet pfuy zu ſagen.","norm":"Ihr habt das Recht gesittet pfui zu sagen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2086,"orig":"Man darf das nicht vor keuſchen Ohren nennen, Was keuſche Herzen nicht entbehren koͤnnen.","norm":"Man darf das nicht vor keuschen Ohren nennen, was keusche Herzen nicht entbehren können."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2087,"orig":"Und kurz und gut, ich goͤnn’ Ihm das Vergnuͤgen, Gelegentlich ſich etwas vorzuluͤgen;","norm":"Und kurz und gut, ich gönne ihm das Vergnügen, gelegentlich sich etwas vorzulügen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2088,"orig":"Doch lange haͤlt Er das nicht aus.","norm":"Doch lange hält er das nicht aus."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2089,"orig":"Du biſt ſchon wieder abgetrieben, Und, waͤhrt es laͤnger, aufgerieben In Tollheit oder Angſt und Graus.","norm":"Du bist schon wieder abgetrieben, und, währt es länger, aufgerieben in Tollheit oder Angst und Graus."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2090,"orig":"Genug damit!","norm":"Genug damit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2091,"orig":"dein Liebchen ſitzt dadrinne, Und alles wird ihr eng’ und truͤb’.","norm":"Dein Liebchen sitzt da drin, und alles wird ihr eng und trübe."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2092,"orig":"Du kommſt ihr gar nicht aus dem Sinne, Sie hat dich uͤbermaͤchtig lieb.","norm":"Du kommst ihr gar nicht aus dem Sinne, sie hat dich übermächtig lieb."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2093,"orig":"Erſt kam deine Liebeswuth uͤbergefloſſen, Wie vom geſchmolznen Schnee ein Baͤchlein uͤberſteigt;","norm":"Erst kam deine Liebeswut übergeflossen, wie vom geschmolzenen Schnee ein Bächlein übersteigt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2094,"orig":"Du haſt ſie ihr in’s Herz gegoſſen, Nun iſt dein Baͤchlein wieder ſeicht.","norm":"Du hast sie ihr ins Herz gegossen, nun ist dein Bächlein wieder seicht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2095,"orig":"Mich duͤnkt, anſtatt in Waͤldern zu thronen, Ließ es dem großen Herren gut, Das arme affenjunge Blut Fuͤr ſeine Liebe zu belohnen.","norm":"Mich dünkt, anstatt in Wäldern zu thronen, ließ es dem großen Herren gut, das arme affenjunge Blut für seine Liebe zu belohnen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2096,"orig":"Die Zeit wird ihr erbaͤrmlich lang;","norm":"Die Zeit wird ihr erbärmlich lang;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2097,"orig":"Sie ſteht am Fenſter, ſieht die Wolken ziehn Ueber die alte Stadtmauer hin.","norm":"Sie steht am Fenster, sieht die Wolken ziehen über die alte Stadtmauer hin."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2098,"orig":"Wenn ich ein Voͤglein waͤr’!","norm":"Wenn ich ein Vöglein wäre!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2099,"orig":"ſo geht ihr Geſang Tagelang, halbe Naͤchte lang.","norm":"so geht ihr Gesang tagelang, halbe Nächte lang."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2100,"orig":"Einmal iſt ſie munter, meiſt betruͤbt, Einmal recht ausgeweint, Dann wieder ruhig, wie’s ſcheint, Und immer verliebt.","norm":"Einmal ist sie munter, meist betrübt, einmal recht ausgeweint, dann wieder ruhig, wie es scheint, und immer verliebt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2101,"orig":"Schlange!","norm":"Schlange!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2102,"orig":"Schlange!","norm":"Schlange!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2103,"orig":"Gelt!","norm":"Geld!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2104,"orig":"daß ich dich fange!","norm":"dass ich dich fange!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2105,"orig":"Verruchter!","norm":"Verruchter!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2106,"orig":"hebe dich von hinnen, Und nenne nicht das ſchoͤne Weib!","norm":"hebe dich von hinnen, und nenne nicht das schöne Weib!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2107,"orig":"Bring’ die Begier zu ihrem ſuͤßen Leib Nicht wieder vor die halb verruͤckten Sinnen!","norm":"Bringe die Begier zu ihrem süßen Leib nicht wieder vor die halb verrückten Sinnen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2108,"orig":"Was ſoll es denn?","norm":"Was soll es denn?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2109,"orig":"Sie meint, du ſeyſt entfloh’n, Und halb und halb biſt du es ſchon.","norm":"Sie meint, du seist entflohen, und halb und halb bist du es schon."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2110,"orig":"Ich bin ihr nah’, und waͤr’ ich noch ſo fern, Ich kann ſie nie vergeſſen, nie verlieren;","norm":"Ich bin ihr nah, und wäre ich noch so fern, Ich kann sie nie vergessen, nie verlieren;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2111,"orig":"Ja, ich beneide ſchon den Leib des Herrn, Wenn ihre Lippen ihn indeß beruͤhren.","norm":"Ja, ich beneide schon den Leib des Herrn, wenn ihre Lippen ihn indes berühren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2112,"orig":"Gar wohl, mein Freund!","norm":"Gar wohl, mein Freund!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2113,"orig":"Ich hab’ euch oft beneidet Um’s Zwillingspaar, das unter Roſen weidet.","norm":"Ich habe Euch oft beneidet Um das Zwillingspaar, das unter Rosen weidet."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2114,"orig":"Entfliehe, Kuppler!","norm":"Entfliehe, Kuppler!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2115,"orig":"Schoͤn!","norm":"Schön!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2116,"orig":"Ihr ſchimpft und ich muß lachen.","norm":"Ihr schimpft und ich muss lachen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2117,"orig":"Der Gott, der Bub’ und Maͤdchen ſchuf, Erkannte gleich den edelſten Beruf, Auch ſelbſt Gelegenheit zu machen.","norm":"Der Gott, der Bub und Mädchen schuf, Erkannte gleich den edelsten Beruf, auch selbst Gelegenheit zu machen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2118,"orig":"Nur fort, es iſt ein großer Jammer!","norm":"Nur fort, es ist ein großer Jammer!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2119,"orig":"Ihr ſollt in eures Liebchens Kammer, Nicht etwa in den Tod.","norm":"Ihr sollt in Eures Liebchens Kammer, nicht etwa in den Tod."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2120,"orig":"Was iſt die Himmelsfreud’ in ihren Armen?","norm":"Was ist die Himmelsfreude in ihren Armen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2121,"orig":"Laß mich an ihrer Bruſt erwarmen!","norm":"Lass mich an ihrer Brust erwarmen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2122,"orig":"Fuͤhl’ ich nicht immer ihre Noth?","norm":"Fühle ich nicht immer ihre Not?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2123,"orig":"Bin ich der Fluͤchtling nicht?","norm":"Bin ich der Flüchtling nicht?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2124,"orig":"der Unbehauſ’te?","norm":"der Unbehauste?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2125,"orig":"Der Unmenſch ohne Zweck und Ruh?","norm":"Der Unmensch ohne Zweck und Ruhe?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2126,"orig":"Der wie ein Waſſerſturz von Fels zu Felſen brauſ’te Begierig wuͤthend nach dem Abgrund zu.","norm":"Der wie ein Wassersturz von Fels zu Felsen brauste Begierig wütend nach dem Abgrund zu."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2127,"orig":"Und ſeitwaͤrts ſie, mit kindlich dumpfen Sinnen, Im Huͤttchen auf dem kleinen Alpenfeld, Und all ihr haͤusliches Beginnen Umfangen in der kleinen Welt.","norm":"Und seitwärts sie, mit kindlich dumpfen Sinnen, im Hüttchen auf dem kleinen Alpenfeld, und all ihr häusliches Beginnen Umfangen in der kleinen Welt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2128,"orig":"Und ich, der Gottverhaßte, hatte nicht genug, Daß ich die Felſen faßte Und ſie zu Truͤmmern ſchlug!","norm":"Und ich, der Gottverhasste, hatte nicht genug, dass ich die Felsen fasste und sie zu Trümmern schlug!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2129,"orig":"Sie, ihren Frieden mußt’ ich untergraben!","norm":"Sie, ihren Frieden musste ich untergraben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2130,"orig":"Du, Hoͤlle, mußteſt dieſes Opfer haben!","norm":"Du, Hölle, musstest dieses Opfer haben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2131,"orig":"Hilf, Teufel, mir die Zeit der Angſt verkuͤrzen, Was muß geſchehn, mag’s gleich geſchehn!","norm":"Hilf, Teufel, mir die Zeit der Angst verkürzen, was muss geschehen, mag es gleich geschehen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2132,"orig":"Mag ihr Geſchick auf mich zuſammenſtuͤrzen Und ſie mit mir zu Grunde gehn!","norm":"Mag ihr Geschick auf mich zusammenstürzen und sie mit mir zugrunde gehen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2133,"orig":"Wie’s wieder ſiedet, wieder gluͤht!","norm":"Wie es wieder siedet, wieder glüht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2134,"orig":"Geh’ ein und troͤſte ſie, du Thor!","norm":"Gehe ein und tröste sie, du Tor!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2135,"orig":"Wo ſo ein Koͤpfchen keinen Ausgang ſieht, Stellt er ſich gleich das Ende vor.","norm":"Wo so ein Köpfchen keinen Ausgang sieht, stellt er sich gleich das Ende vor."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2136,"orig":"Es lebe wer ſich tapfer haͤlt!","norm":"Es lebe wer sich tapfer hält!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2137,"orig":"Du biſt doch ſonſt ſo ziemlich eingeteufelt.","norm":"Du bist doch sonst so ziemlich eingeteufelt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2138,"orig":"Nichts abgeſchmackters find’ ich auf der Welt, Als einen Teufel der verzweifelt.","norm":"Nichts Abgeschmackteres finde ich auf der Welt, als einen Teufel der verzweifelt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2139,"orig":"Meine Ruh’ iſt hin, Mein Herz iſt ſchwer, Ich finde ſie nimmer Und nimmermehr.","norm":"Meine Ruhe ist hin, Mein Herz ist schwer, Ich finde sie nimmer und nimmermehr."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2140,"orig":"Wo ich ihn nicht hab’ Iſt mir das Grab, Die ganze Welt Iſt mir vergaͤllt.","norm":"Wo ich ihn nicht habe ist mir das Grab, die ganze Welt ist mir vergällt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2141,"orig":"Mein armer Kopf Iſt mir verruͤckt, Mein armer Sinn Iſt mir zerſtuͤckt.","norm":"Mein armer Kopf ist mir verrückt, Mein armer Sinn ist mir zerstückt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2142,"orig":"Meine Ruh’ iſt hin, Mein Herz iſt ſchwer, Ich finde ſie nimmer Und nimmermehr.","norm":"Meine Ruhe ist hin, Mein Herz ist schwer, Ich finde sie nimmer und nimmermehr."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2143,"orig":"Nach ihm nur ſchau’ ich Zum Fenſter hinaus, Nach ihm nur geh’ ich Aus dem Haus.","norm":"Nach ihm nur schau ich zum Fenster hinaus, nach ihm nur gehe ich aus dem Haus."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2144,"orig":"Sein hoher Gang, Sein’ edle Geſtalt, Seines Mundes Laͤcheln, Seiner Augen Gewalt,","norm":"Sein hoher Gang, Seine edle Gestalt, seines Mundes Lächeln, seiner Augen Gewalt,"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2145,"orig":"Und ſeiner Rede Zauberfluß, Sein Haͤndedruck, Und ach ſein Kuß!","norm":"Und seiner Rede Zauberfluss, Sein Händedruck, und ach sein Kuss!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2146,"orig":"Meine Ruh’ iſt hin, Mein Herz iſt ſchwer, Ich finde ſie nimmer Und nimmermehr.","norm":"Meine Ruhe ist hin, Mein Herz ist schwer, Ich finde sie nimmer und nimmermehr."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2147,"orig":"Mein Buſen draͤngt Sich nach ihm hin, Ach duͤrft’ ich faſſen Und halten ihn!","norm":"Mein Busen drängt sich nach ihm hin, ach dürfte ich fassen und halten ihn!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2148,"orig":"Und kuͤſſen ihn So wie ich wollt’, An ſeinen Kuͤſſen Vergehen ſollt’!","norm":"Und küssen ihn So wie ich wollte, an seinen Küssen Vergehen sollte!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2149,"orig":"Verſprich mir, Heinrich!","norm":"Versprich mir, Heinrich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2150,"orig":"Was ich kann!","norm":"Was ich kann!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2151,"orig":"Nun ſag’, wie haſt du’s mit der Religion?","norm":"Nun sage, wie hast du es mit der Religion?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2152,"orig":"Du biſt ein herzlich guter Mann, Allein ich glaub’, du haͤlt’ſt nicht viel davon.","norm":"Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaube, du hältst nicht viel davon."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2153,"orig":"Laß das, mein Kind!","norm":"Lass das, mein Kind!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2154,"orig":"du fuͤhlſt, ich bin dir gut;","norm":"du fühlst, ich bin dir gut;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2155,"orig":"Fuͤr meine Lieben ließ’ ich Leib und Blut, Will niemand ſein Gefuͤhl und ſeine Kirche rauben.","norm":"Für meine Lieben ließ ich Leib und Blut, will niemand sein Gefühl und seine Kirche rauben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2156,"orig":"Das iſt nicht recht, man muß d’ran glauben!","norm":"Das ist nicht recht, man muss dran glauben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2157,"orig":"Muß man?","norm":"Muss man?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2158,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2159,"orig":"wenn ich etwas auf dich koͤnnte!","norm":"wenn ich etwas auf dich könnte!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2160,"orig":"Du ehrſt auch nicht die heil’gen Sacramente.","norm":"Du ehrst auch nicht die heiligen Sakramente."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2161,"orig":"Ich ehre ſie.","norm":"Ich ehre sie."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2162,"orig":"Doch ohne Verlangen.","norm":"Doch ohne Verlangen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2163,"orig":"Zur Meſſe, zur Beichte biſt du lange nicht gegangen.","norm":"Zur Messe, zur Beichte bist du lange nicht gegangen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2164,"orig":"Glaubſt du an Gott?","norm":"Glaubst du an Gott?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2165,"orig":"Mein Liebchen, wer darf ſagen.","norm":"Mein Liebchen, wer darf sagen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2166,"orig":"Ich glaub’ an Gott?","norm":"Ich glaube an Gott?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2167,"orig":"Magſt Prieſter oder Weiſe fragen, Und ihre Antwort ſcheint nur Spott Ueber den Frager zu ſeyn.","norm":"Magst Priester oder Weise fragen, und ihre Antwort scheint nur Spott über den Frager zu sein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2168,"orig":"So glaubſt du nicht?","norm":"So glaubst du nicht?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2169,"orig":"Mißhoͤr’ mich nicht, du holdes Angeſicht!","norm":"Mißhöre mich nicht, du holdes Angesicht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2170,"orig":"Wer darf ihn nennen?","norm":"Wer darf ihn nennen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2171,"orig":"Und wer bekennen:","norm":"Und wer bekennen:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2172,"orig":"Ich glaub’ ihn.","norm":"Ich glaube ihn."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2173,"orig":"Wer empfinden?","norm":"Wer empfinden?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2174,"orig":"Und ſich unterwinden Zu ſagen: ich glaub’ ihn nicht.","norm":"Und sich unterwinden zu sagen: ich glaube ihn nicht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2175,"orig":"Der Allumfaſſer, Der Allerhalter, Faßt und erhaͤlt er nicht Dich, mich, ſich ſelbſt?","norm":"Der Allumfasser, der Allerhalter, fasst und erhält er nicht Dich, mich, sich selbst?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2176,"orig":"Woͤlbt ſich der Himmel nicht dadroben?","norm":"Wölbt sich der Himmel nicht dadroben?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2177,"orig":"Liegt die Erde nicht hierunten feſt?","norm":"Liegt die Erde nicht hier unten fest?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2178,"orig":"Und ſteigen freundlich blickend Ewige Sterne nicht herauf?","norm":"Und steigen freundlich blickend ewige Sterne nicht herauf?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2179,"orig":"Schau’ ich nicht Aug’ in Auge dir, Und draͤngt nicht alles Nach Haupt und Herzen dir, Und webt in ewigem Geheimniß Unſichtbar ſichtbar neben dir?","norm":"Schau ich nicht Auge in Auge dir, und drängt nicht alles nach Haupt und Herzen dir, und webt in ewigem Geheimnis unsichtbar sichtbar neben dir?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2180,"orig":"Erfuͤll’ davon dein Herz, ſo groß es iſt, Und wenn du ganz in dem Gefuͤhle ſelig biſt, Nenn’ es dann wie du willſt, Nenn’s Gluͤck!","norm":"Erfüll davon dein Herz, so groß es ist, und wenn du ganz in dem Gefühle selig bist, Nenne es dann wie du willst, Nenne es Glück!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2181,"orig":"Herz!","norm":"Herz!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2182,"orig":"Liebe!","norm":"Liebe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2183,"orig":"Gott!","norm":"Gott!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2184,"orig":"Ich habe keinen Nahmen Dafuͤr!","norm":"Ich habe keinen Namen dafür!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2185,"orig":"Gefuͤhl iſt alles;","norm":"Gefühl ist alles;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2186,"orig":"Name iſt Schall und Rauch, Umnebelnd Himmelsgluth.","norm":"Name ist Schall und Rauch, umnebelnd Himmelsglut."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2187,"orig":"Das iſt alles recht ſchoͤn und gut;","norm":"Das ist alles recht schön und gut;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2188,"orig":"Ungefaͤhr ſagt das der Pfarrer auch, Nur mit ein Bißchen andern Worten.","norm":"Ungefähr sagt das der Pfarrer auch, nur mit ein bisschen anderen Worten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2189,"orig":"Es ſagen’s aller Orten Alle Herzen unter dem himmliſchen Tage, Jedes in ſeiner Sprache;","norm":"Es sagen es allerorten alle Herzen unter dem himmlischen Tage, jedes in seiner Sprache;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2190,"orig":"Warum nicht ich in der meinen?","norm":"Warum nicht ich in der meinen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2191,"orig":"Wenn man’s ſo hoͤrt, moͤcht’s leidlich ſcheinen, Steht aber doch immer ſchief darum;","norm":"Wenn man es so hört, möchte es leidlich scheinen, steht aber doch immer schief darum;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2192,"orig":"Denn du haſt kein Chriſtenthum.","norm":"Denn du hast kein Christentum."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2193,"orig":"Lieb’s Kind!","norm":"Liebes Kind!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2194,"orig":"Es thut mir lang’ ſchon weh, Daß ich dich in der Geſellſchaft ſeh’.","norm":"Es tut mir lang schon weh, dass ich dich in der Gesellschaft sehe."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2195,"orig":"Wie ſo?","norm":"Wieso?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2196,"orig":"Der Menſch, den du da bey dir haſt, Iſt mir in tiefer inn’rer Seele verhaßt:","norm":"Der Mensch, den du da bei dir hast, ist mir in tiefer innerer Seele verhasst:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2197,"orig":"Es hat mir in meinem Leben So nichts einen Stich in’s Herz gegeben, Als des Menſchen widrig Geſicht.","norm":"Es hat mir in meinem Leben so nichts einen Stich ins Herz gegeben, als des Menschen widrig Gesicht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2198,"orig":"Liebe Puppe, fuͤrcht’ ihn nicht!","norm":"Liebe Puppe, fürchte ihn nicht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2199,"orig":"Seine Gegenwart bewegt mir das Blut.","norm":"Seine Gegenwart bewegt mir das Blut."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2200,"orig":"Ich bin ſonſt allen Menſchen gut;","norm":"Ich bin sonst allen Menschen gut;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2201,"orig":"Aber, wie ich mich ſehne dich zu ſchauen, Hab’ ich vor dem Menſchen ein heimlich Grauen, Und halt’ ihn fuͤr einen Schelm dazu!","norm":"Aber, wie ich mich sehne dich zu schauen, Habe ich vor dem Menschen ein heimlich Grauen, und halte ihn für einen Schelm dazu!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2202,"orig":"Gott verzeih’ mir’s, wenn ich ihm Unrecht thu’!","norm":"Gott verzeihe mir es, wenn ich ihm Unrecht tue!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2203,"orig":"Es muß auch ſolche Kaͤuze geben.","norm":"Es muss auch solche Käuze geben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2204,"orig":"Wollte nicht mit ſeines Gleichen leben!","norm":"Wollte nicht mit seinesgleichen leben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2205,"orig":"Kommt er einmal zur Thuͤr herein, Sieht er immer ſo ſpoͤttiſch drein, Und halb ergrimmt;","norm":"Kommt er einmal zur Tür herein, sieht er immer so spöttisch drein, und halb ergrimmt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2206,"orig":"Man ſieht, daß er an nichts keinen Antheil nimmt;","norm":"Man sieht, dass er an nichts keinen Anteil nimmt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2207,"orig":"Es ſteht ihm an der Stirn’ geſchrieben, Daß er nicht mag eine Seele lieben.","norm":"Es steht ihm an der Stirn geschrieben, dass er nicht mag eine Seele lieben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2208,"orig":"Mir wird’s ſo wohl in deinem Arm, So frey, ſo hingegeben warm, Und ſeine Gegenwart ſchnuͤrt mir das Inn’re zu.","norm":"Mir wird es so wohl in deinem Arm, so frei, so hingegeben warm, und seine Gegenwart schnürt mir das Innere zu."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2209,"orig":"Du ahndungsvoller Engel du!","norm":"Du ahnungsvoller Engel du!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2210,"orig":"Das uͤbermannt mich ſo ſehr, Daß, wo er nur mag zu uns treten, Meyn’ ich ſogar, ich liebte dich nicht mehr.","norm":"Das übermannt mich so sehr, dass, wo er nur mag zu uns treten, Meine ich sogar, ich liebte dich nicht mehr."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2211,"orig":"Auch wenn er da iſt, koͤnnt’ ich nimmer beten, Und das frißt mir in’s Herz hinein;","norm":"Auch wenn er da ist, könnte ich nimmer beten, und das frisst mir ins Herz hinein;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2212,"orig":"Dir, Heinrich, muß es auch ſo ſeyn.","norm":"Dir, Heinrich, muss es auch so sein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2213,"orig":"Du haſt nun die Antipathie!","norm":"Du hast nun die Antipathie!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2214,"orig":"Ich muß nun fort.","norm":"Ich muss nun fort."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2215,"orig":"Ach kann ich nie Ein Stuͤndchen ruhig dir am Buſen haͤngen, Und Bruſt an Bruſt und Seel’ in Seele draͤngen?","norm":"Ach kann ich nie ein Stündchen ruhig dir am Busen hängen, und Brust an Brust und Seele in Seele drängen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2216,"orig":"Ach wenn ich nur alleine ſchlief!","norm":"Ach wenn ich nur alleine schlief!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2217,"orig":"Ich ließ dir gern heut Nacht den Riegel offen;","norm":"Ich ließ dir gern heute Nacht den Riegel offen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2218,"orig":"Doch meine Mutter ſchlaͤft nicht tief, Und wuͤrden wir von ihr betroffen, Ich waͤr’ gleich auf der Stelle todt!","norm":"Doch meine Mutter schläft nicht tief, und würden wir von ihr betroffen, Ich wäre gleich auf der Stelle tot!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2219,"orig":"Du Engel, das hat keine Noth. Hier iſt ein Flaͤſchchen!","norm":"Du Engel, das hat keine Not hier ist ein Fläschchen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2220,"orig":"Drey Tropfen nur In ihren Trank umhuͤllen Mit tiefem Schlaf gefaͤllig die Natur.","norm":"Drei Tropfen nur in ihren Trank umhüllen mit tiefem Schlaf gefällig die Natur."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2221,"orig":"Was thu’ ich nicht um deinetwillen?","norm":"Was tue ich nicht um deinetwillen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2222,"orig":"Es wird ihr hoffentlich nicht ſchaden!","norm":"Es wird ihr hoffentlich nicht schaden!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2223,"orig":"Wuͤrd’ ich ſonſt, Liebchen, dir es rathen?","norm":"Würde ich sonst, Liebchen, dir es raten?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2224,"orig":"Seh’ ich dich, beſter Mann, nur an, Weiß nicht was mich nach deinem Willen treibt, Ich habe ſchon ſo viel fuͤr dich gethan, Daß mir zu thun faſt nichts mehr uͤbrig bleibt.","norm":"Sehe ich dich, bester Mann, nur an, Weiß nicht was mich nach deinem Willen treibt, Ich habe schon so viel für dich getan, dass mir zu tun fast nichts mehr übrig bleibt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2225,"orig":"Der Grasaff’!","norm":"Der Grasaffe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2226,"orig":"iſt er weg?","norm":"ist er weg?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2227,"orig":"Haſt wieder ſpionirt?","norm":"Hast wieder spioniert?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2228,"orig":"Ich hab’s ausfuͤhrlich wohl vernommen.","norm":"Ich habe es ausführlich wohl vernommen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2229,"orig":"Herr Doctor wurden da katechiſirt;","norm":"Herr Doktor wurden da katechisiert;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2230,"orig":"Hoff’ es ſoll Ihnen wohl bekommen.","norm":"Hoffe es soll Ihnen wohl bekommen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2231,"orig":"Die Maͤdels ſind doch ſehr intereſſirt, Ob einer fromm und ſchlicht nach altem Brauch.","norm":"Die Mädels sind doch sehr interessiert, ob einer fromm und schlicht nach altem Brauche."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2232,"orig":"Sie denken, duckt er da, folgt er uns eben auch.","norm":"Sie denken, duckt er da, folgt er uns eben auch."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2233,"orig":"Du Ungeheuer ſiehſt nicht ein, Wie dieſe treue liebe Seele Von ihrem Glauben voll, Der ganz allein Ihr ſelig machend iſt, ſich heilig quaͤle, Daß ſie den liebſten Mann verloren halten ſoll.","norm":"Du Ungeheuer siehst nicht ein, wie diese treue liebe Seele von ihrem Glauben voll, der ganz allein Ihr selig machend ist, sich heilig quäle, dass sie den liebsten Mann verloren halten soll."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2234,"orig":"Du uͤberſinnlicher, ſinnlicher Freyer, Ein Maͤgdelein nasfuͤhret dich.","norm":"Du übersinnlicher, sinnlicher Freier, ein Mägdelein nasführet dich."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2235,"orig":"Du Spottgeburt von Dreck und Feuer!","norm":"Du Spottgeburt von Dreck und Feuer!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2236,"orig":"Und die Phyſiognomie verſteht ſie meiſterlich.","norm":"Und die Physiognomie versteht sie meisterlich."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2237,"orig":"In meiner Gegenwart wird’s ihr ſie weiß nicht wie, Mein Maͤskchen da weiſſagt verborgnen Sinn;","norm":"In meiner Gegenwart wird es ihr sie weiß nicht wie, Mein Mäskchen da weissagt verborgenen Sinn;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2238,"orig":"Sie fuͤhlt, daß ich ganz ſicher ein Genie, Vielleicht wohl gar der Teufel bin.","norm":"Sie fühlt, dass ich ganz sicher ein Genie, vielleicht wohl gar der Teufel bin."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2239,"orig":"Nun heute Nacht —?","norm":"Nun heute Nacht —?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2240,"orig":"Was geht dich’s an?","norm":"Was geht dich es an?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2241,"orig":"Hab’ ich doch meine Freude d’ran!","norm":"Habe ich doch meine Freude dran!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2242,"orig":"Haſt nichts von Baͤrbelchen gehoͤrt?","norm":"Hast nichts von Bärbelchen gehört?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2243,"orig":"Kein Wort.","norm":"Kein Wort."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2244,"orig":"Ich komm’ gar wenig unter Leute.","norm":"Ich komme gar wenig unter Leute."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2245,"orig":"Gewiß, Sibylle ſagt’ mir’s heute!","norm":"Gewiss, Sibylle sagte mir es heute!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2246,"orig":"Die hat ſich endlich auch bethoͤrt.","norm":"Die hat sich endlich auch betört."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2247,"orig":"Das iſt das Vornehmthun!","norm":"Das ist das Vornehmtun!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2248,"orig":"Wie ſo?","norm":"Wieso?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2249,"orig":"Es ſtinkt!","norm":"Es stinkt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2250,"orig":"Sie fuͤttert zwey, wenn ſie nun ißt und trinkt.","norm":"Sie füttert zwei, wenn sie nun isst und trinkt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2251,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2252,"orig":"So iſt’s ihr endlich recht ergangen.","norm":"So ist es ihr endlich recht ergangen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2253,"orig":"Wie lange hat ſie an dem Kerl gehangen!","norm":"Wie lange hat sie an dem Kerl gehangen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2254,"orig":"Das war ein Spaziren, Auf Dorf und Tanzplatz Fuͤhren, Mußt’ uͤberall die erſte ſeyn, Curteſirt’ ihr immer mit Paſtetchen und Wein;","norm":"Das war ein Spazieren, auf Dorf und Tanzplatz Führen, musste überall die Erste sein, Kurtesierte ihr immer mit Pastetchen und Wein;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2255,"orig":"Bild’t ſich was auf ihre Schoͤnheit ein, War doch ſo ehrlos ſich nicht zu ſchaͤmen Geſchenke von ihm anzunehmen.","norm":"Bildet sich was auf ihre Schönheit ein, war doch so ehrlos sich nicht zu schämen Geschenke von ihm anzunehmen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2256,"orig":"War ein Gekoſ’ und ein Geſchleck’;","norm":"War ein Gekose und ein Geschlecke;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2257,"orig":"Da iſt denn auch das Bluͤmchen weg","norm":"Da ist denn auch das Blümchen weg"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2258,"orig":"Das arme Ding!","norm":"Das arme Ding!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2259,"orig":"Bedauerſt ſie noch gar!","norm":"Bedauerst sie noch gar!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2260,"orig":"Wenn unſer eins am Spinnen war, Uns Nachts die Mutter nicht hinunterließ;","norm":"Wenn unsereins am Spinnen war, uns Nachts die Mutter nicht hinunterließ;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2261,"orig":"Stand ſie bey ihrem Buhlen ſuͤß, Auf der Thuͤrbank und im dunkeln Gang Ward’ ihnen keine Stunde zu lang.","norm":"Stand sie bei ihrem Buhlen süß, auf der Türbank und im Dunkeln Gang wurde ihnen keine Stunde zu lang."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2262,"orig":"Da mag ſie denn ſich ducken nun, Im Suͤnderhemdchen Kirchbuß’ thun!","norm":"Da mag sie denn sich ducken nun, im Sünderhemdchen Kirchbuße tun!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2263,"orig":"Er nimmt ſie gewiß zu ſeiner Frau.","norm":"Er nimmt sie gewiss zu seiner Frau."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2264,"orig":"Er waͤr’ ein Narr!","norm":"Er wäre ein Narr!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2265,"orig":"Ein flinker Jung’ Hat anderwaͤrts noch Luft genung.","norm":"Ein flinker Junge hat anderwärts noch Luft genug."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2266,"orig":"Er iſt auch fort.","norm":"Er ist auch fort."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2267,"orig":"Das iſt nicht ſchoͤn!","norm":"Das ist nicht schön!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2268,"orig":"Kriegt ſie ihn, ſoll’s ihr uͤbel gehn.","norm":"Kriegt sie ihn, soll es ihr übel gehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2269,"orig":"Das Kraͤnzel reißen die Buben ihr, Und Haͤckerling ſtreuen wir vor die Thuͤr!","norm":"Das Kränzchen reißen die Buben ihr, und Häcksel streuen wir vor die Tür!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2270,"orig":"Wie konnt’ ich ſonſt ſo tapfer ſchmaͤhlen, Sah ich ein armes Maͤgdlein fehlen!","norm":"Wie konnte ich sonst so tapfer schmälen, sah ich ein armes Mägdlein fehlen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2271,"orig":"Wie konnt’ ich uͤber andrer Suͤnden Nicht Worte g’nug der Zunge finden!","norm":"Wie konnte ich über anderer Sünden nicht Worte genug der Zunge finden!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2272,"orig":"Wie ſchien mir’s ſchwarz, und ſchwaͤrzt’s noch gar, Mir’s immer doch nicht ſchwarz g’nug war, Und ſegnet’ mich und that ſo groß, Und bin nun ſelbſt der Suͤnde bloß!","norm":"Wie schien mir es schwarz, und schwärzte es noch gar, mir es immer doch nicht schwarz genug war, und segnete mich und tat so groß, und bin nun selbst der Sünde bloß!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2273,"orig":"Doch — alles was dazu mich trieb, Gott!","norm":"Doch — alles was dazu mich trieb, Gott!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2274,"orig":"war ſo gut!","norm":"war so gut!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2275,"orig":"ach war ſo lieb!","norm":"ach war so lieb!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2276,"orig":"Ach neige, Du Schmerzenreiche, Dein Antlitz gnaͤdig meiner Noth!","norm":"Ach neige, Du Schmerzenreiche, Dein Antlitz gnädig meiner Not!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2277,"orig":"Das Schwert im Herzen, Mit tauſend Schmerzen Blickſt auf zu deines Sohnes Tod.","norm":"Das Schwert im Herzen, mit tausend Schmerzen blickst auf zu deines Sohnes Tod."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2278,"orig":"Zum Vater blickſt du, Und Seufzer ſchickſt du Hinauf um ſein’ und deine Noth.","norm":"Zum Vater blickst du, und Seufzer schickst du hinauf um seine und deine Not"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2279,"orig":"Wer fuͤhlet, Wie wuͤhlet Der Schmerz mir im Gebein?","norm":"Wer fühlet, wie wühlet der Schmerz mir im Gebein?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2280,"orig":"Was mein armes Herz hier banget, Was es zittert, was verlanget, Weißt nur du, nur du allein!","norm":"Was mein armes Herz hier banget, was es zittert, was verlanget, weißt nur du, nur du allein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2281,"orig":"Wohin ich immer gehe, Wie weh, wie weh, wie wehe Wird mir im Buſen hier!","norm":"Wohin ich immer gehe, wie weh, wie weh, wie wehe wird mir im Busen hier!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2282,"orig":"Ich bin ach kaum alleine, Ich wein’, ich wein’, ich weine, Das Herz zerbricht in mir.","norm":"Ich bin ach kaum alleine, Ich weine, ich weine, ich weine, das Herz zerbricht in mir."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2283,"orig":"Die Scherben vor meinem Fenſter Bethaut’ ich mit Thraͤnen, ach!","norm":"Die Scherben vor meinem Fenster Betaute ich mit Tränen, ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2284,"orig":"Als ich am fruͤhen Morgen Dir dieſe Blumen brach.","norm":"Als ich am frühen Morgen Dir diese Blumen brach."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2285,"orig":"Schien hell in meine Kammer Die Sonne fruͤh herauf, Saß ich in allem Jammer In meinem Bett’ ſchon auf.","norm":"Schien hell in meine Kammer die Sonne früh herauf, saß ich in allem Jammer in meinem Bett schon auf."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2286,"orig":"Hilf!","norm":"Hilf!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2287,"orig":"rette mich von Schmach und Tod!","norm":"rette mich von Schmach und Tod!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2288,"orig":"Ach neige, Du Schmerzeureiche, Dein Antlitz gnaͤdig meiner Noth!","norm":"Ach neige, Du schmerzensreiche, Dein Antlitz gnädig meiner Not!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2289,"orig":"Wenn ich ſaß bey einem Gelag, Wo mancher ſich beruͤhmen mag, Und die Geſellen mir den Flor Der Maͤgdlein laut geprieſen vor, Mit vollem Glas das Lob verſchwemmt, Den Ellenbogen aufgeſtemmt;","norm":"Wenn ich saß bei einem Gelage, wo mancher sich berühmen mag, und die Gesellen mir den Flor der Mägdlein laut gepriesen vor, mit vollem Glas das Lob verschwämmt, den Ellenbogen aufgestemmt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2290,"orig":"Saß ich in meiner ſichern Ruh Hoͤrt’ all’ dem Schwadroniren zu.","norm":"Saß ich in meiner sichern Ruhe hörte all dem Schwadronieren zu."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2291,"orig":"Und ſtreiche laͤchelnd meinen Bart, Und kriege das volle Glas zur Hand Und ſage: alles nach ſeiner Art!","norm":"Und streiche lächelnd meinen Bart, und kriege das volle Glas zur Hand und sage: alles nach seiner Art!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2292,"orig":"Aber iſt eine im ganzen Land, Die meiner trauten Gretel gleicht, Die meiner Schweſter das Waſſer reicht?","norm":"Aber ist eine im ganzen Land, die meiner trauten Gretel gleicht, die meiner Schwester das Wasser reicht?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2293,"orig":"Top!","norm":"Top!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2294,"orig":"Top!","norm":"Top!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2295,"orig":"Kling!","norm":"Kling!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2296,"orig":"Klang!","norm":"Klang!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2297,"orig":"das ging herum!","norm":"das ging herum!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2298,"orig":"Die einen ſchrieen: er hat Recht, Sie iſt die Zier vom ganzen Geſchlecht!","norm":"Die einen schrien: Er hat Recht, sie ist die Zier vom ganzen Geschlecht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2299,"orig":"Da ſaßen alle die Lober ſtumm.","norm":"Da saßen alle die Lober stumm."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2300,"orig":"Und nun!","norm":"Und nun!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2301,"orig":"— um’s Haar ſich auszuraufen Und an den Waͤnden hinauf zu laufen!","norm":"— um das Haar sich auszuraufen und an den Wänden hinaufzulaufen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2302,"orig":"— Mit Stichelreden, Naſeruͤmpfen Soll jeder Schurke mich beſchimpfen!","norm":"— Mit Stichelreden, Naserümpfen Soll jeder Schurke mich beschimpfen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2303,"orig":"Soll wie ein boͤſer Schuldner ſitzen, Bey jedem Zufallswoͤrtchen ſchwitzen!","norm":"Soll wie ein böser Schuldner sitzen, bei jedem Zufallswörtchen schwitzen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2304,"orig":"Und moͤcht’ ich ſie zuſammenſchmeißen;","norm":"Und möchte ich sie zusammenschmeißen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2305,"orig":"Koͤnnt’ ich ſie doch nicht Luͤgner heißen.","norm":"Könnte ich sie doch nicht Lügner heißen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2306,"orig":"Was kommt heran?","norm":"Was kommt heran?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2307,"orig":"Was ſchleicht herbey?","norm":"Was schleicht herbei?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2308,"orig":"Irr’ ich nicht, es ſind ihrer zwey.","norm":"Irre ich nicht, es sind ihrer zwei."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2309,"orig":"Iſt er’s, gleich pack’ ich ihn beym Felle, Soll nicht lebendig von der Stelle!","norm":"Ist er das, gleich packe ich ihn beim Felle, Soll nicht lebendig von der Stelle!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2310,"orig":"Wie von dem Fenſter dort der Sakriſtey Aufwaͤrts der Schein des ewigen Laͤmpchens flaͤmmert Und ſchwach und ſchwaͤcher ſeitwaͤrts daͤmmert, Und Finſterniß draͤngt ringsum bey!","norm":"Wie von dem Fenster dort der Sakristei aufwärts der Schein des ewigen Lämpchens flämmert und schwach und schwächer seitwärts dämmert, und Finsternis drängt ringsum bei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2311,"orig":"So ſieht’s in meinem Buſen naͤchtig.","norm":"So sieht es in meinem Busen nächtig."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2312,"orig":"Und mir iſt’s wis dem Kaͤtzlein ſchmaͤchtig, Das an den Feuerleitern ſchleicht, Sich leiſ’ dann um die Mauern ſtreicht.","norm":"Und mir ist es wie dem Kätzlein schmächtig, das an den Feuerleitern schleicht, sich leise dann um die Mauern streicht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2313,"orig":"Mir iſt’s ganz tugendlich dabey, Ein Bißchen Diebsgeluͤſt, ein Bißchen Rammeley.","norm":"Mir ist es ganz tugendlich dabei, Ein bisschen Diebsgelüst, ein bisschen Rammelei."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2314,"orig":"So ſpukt mir ſchon durch alle Glieder Die herrliche Walpurgisnacht.","norm":"So spukt mir schon durch alle Glieder die herrliche Walpurgisnacht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2315,"orig":"Die kommt uns uͤbermorgen wieder, Da weiß man doch warum man wacht.","norm":"Die kommt uns übermorgen wieder, da weiß man doch warum man wacht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2316,"orig":"Ruͤckt wohl der Schatz indeſſen in die Hoͤh’?","norm":"Rückt wohl der Schatz indessen in die Höhe?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2317,"orig":"Den ich dorthinten flimmern ſeh’.","norm":"Den ich dort hinten flimmern sehe."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2318,"orig":"Du kannſt die Freude bald erleben, Das Keſſelchen herauszuheben.","norm":"Du kannst die Freude bald erleben, das Kesselchen herauszuheben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2319,"orig":"Ich ſchielte neulich ſo hinein, Sind herrliche Loͤwenthaler drein.","norm":"Ich schielte neulich so hinein, sind herrliche Löwentaler drein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2320,"orig":"Nicht ein Geſchmeide?","norm":"Nicht ein Geschmeide?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2321,"orig":"Nicht ein Ring?","norm":"Nicht ein Ring?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2322,"orig":"Meine liebe Buhle damit zu zieren.","norm":"Meine liebe Buhle damit zu zieren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2323,"orig":"Ich ſah dabey wohl ſo ein Ding, Als wie eine Art von Perlenſchnuͤren.","norm":"Ich sah dabei wohl so ein Ding, als wie eine Art von Perlenschnüren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2324,"orig":"So iſt es recht!","norm":"So ist es recht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2325,"orig":"Mir thut es weh, Wenn ich ohne Geſchenke zu ihr geh’.","norm":"Mir tut es weh, wenn ich ohne Geschenke zu ihr gehe."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2326,"orig":"Es ſollt’ euch eben nicht verdrießen Umſonſt auch etwas zu genießen.","norm":"Es sollte Euch eben nicht verdrießen umsonst auch etwas zu genießen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2327,"orig":"Jetzt da der Himmel voller Sterne gluͤht, Sollt ihr ein wahres Kunſtſtuͤck hoͤren:","norm":"Jetzt da der Himmel voller Sterne glüht, sollt Ihr ein wahres Kunststück hören:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2328,"orig":"Ich ſing’ ihr ein moraliſch Lied, Um ſie gewiſſer zu bethoͤren.","norm":"Ich singe ihr ein moralisch Lied, um sie gewisser zu betören."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2329,"orig":"Was machſt du mir Vor Liebchens Thuͤr Cathrinchen hier Bey fruͤhem Tagesblicke?","norm":"Was machst du mir vor Liebchens Tür Kathrinchen hier bei frühem Tagesblicke?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2330,"orig":"Laß, laß es ſeyn!","norm":"Lass, lass es sein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2331,"orig":"Er laͤßt dich ein Als Maͤdchen ein, Als Maͤdchen nicht zuruͤcke.","norm":"Er lässt dich ein als Mädchen ein, als Mädchen nicht zurücke."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2332,"orig":"Nehmt euch in Acht!","norm":"Nehmt euch in Acht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2333,"orig":"Iſt es vollbracht, Dann gute Nacht Ihr armen, armen Dinger!","norm":"Ist es vollbracht, dann gute Nacht Ihr armen, armen Dinger!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2334,"orig":"Habt ihr euch lieb, Thut keinem Dieb Nur nichts zu Lieb’, Als mit dem Ring am Finger.","norm":"Habt ihr euch lieb, tut keinem Dieb nur nichts zu Liebe, als mit dem Ring am Finger."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2335,"orig":"Wen lockſt du hier?","norm":"Wen lockst du hier?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2336,"orig":"beym Element!","norm":"beim Element!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2337,"orig":"Vermaledeyter Rattenfaͤnger!","norm":"Vermaledeiter Rattenfänger!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2338,"orig":"Zum Teufel erſt das Inſtrument!","norm":"Zum Teufel erst das Instrument!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2339,"orig":"Zum Teufel hinter drein den Saͤnger!","norm":"Zum Teufel hinterdrein den Sänger!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2340,"orig":"Die Zither iſt entzwey!","norm":"Die Zither ist entzwei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2341,"orig":"an der iſt nichts zu halten.","norm":"an der ist nichts zu halten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2342,"orig":"Nun ſoll es an ein Schedelſpalten!","norm":"Nun soll es an ein Schädelspalten!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2343,"orig":"Herr Doctor nicht gewichen!","norm":"Herr Doktor nicht gewichen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2344,"orig":"Friſch!","norm":"Frisch!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2345,"orig":"Hart an mich an, wie ich euch fuͤhre.","norm":"Hart an mich an, wie ich Euch führe."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2346,"orig":"Heraus mit eurem Flederwiſch!","norm":"Heraus mit Eurem Flederwisch!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2347,"orig":"Nur zugeſtoßen!","norm":"Nur zugestoßen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2348,"orig":"ich parire.","norm":"ich pariere."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2349,"orig":"Parire den!","norm":"Pariere den!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2350,"orig":"Warum denn nicht?","norm":"Warum denn nicht?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2351,"orig":"G. wiß!","norm":"G. wiß!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2352,"orig":"Ich glaub’ der Teufel ficht!","norm":"Ich glaube der Teufel ficht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2353,"orig":"Was iſt denn das?","norm":"Was ist denn das?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2354,"orig":"Schon wird die Hand mir lahm.","norm":"Schon wird die Hand mir lahm."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2355,"orig":"Stoß zu!","norm":"Stoß zu!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2356,"orig":"O weh!","norm":"O weh!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2357,"orig":"Nun iſt der Luͤmmel zahm!","norm":"Nun ist der Lümmel zahm!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2358,"orig":"Nun aber fort!","norm":"Nun aber fort!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2359,"orig":"Wir muͤſſen gleich verſchwinden:","norm":"Wir müssen gleich verschwinden:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2360,"orig":"Denn ſchon entſteht ein moͤrderlich Geſchrey.","norm":"Denn schon entsteht ein mörderlich Geschrei."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2361,"orig":"Ich weiß mich trefflich mit der Polizey, Doch mit dem Blutbann ſchlecht mich abzufinden.","norm":"Ich weiß mich trefflich mit der Polizei, doch mit dem Blutbann schlecht mich abzufinden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2362,"orig":"Heraus!","norm":"Heraus!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2363,"orig":"Heraus!","norm":"Heraus!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2364,"orig":"Herbey ein Licht!","norm":"Herbei ein Licht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2365,"orig":"Man ſchilt und rauft, man ſchreit und ficht.","norm":"Man scheltet und rauft, man schreit und ficht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2366,"orig":"Da liegt ſchon einer todt!","norm":"Da liegt schon einer tot!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2367,"orig":"Die Moͤrder ſind ſie denn entflohn?","norm":"Die Mörder sind sie denn entflohen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2368,"orig":"Wer liegt hier?","norm":"Wer liegt hier?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2369,"orig":"Deiner Mutter Sohn.","norm":"Deiner Mutter Sohn."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2370,"orig":"Allmaͤchtiger!","norm":"Allmächtiger!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2371,"orig":"welche Noth!","norm":"welche Not!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2372,"orig":"Ich ſterbe!","norm":"Ich sterbe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2373,"orig":"das iſt bald geſagt Und baͤlder noch gethan.","norm":"das ist bald gesagt und bälder noch getan."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2374,"orig":"Was ſteht ihr Weiber, heult und klagt?","norm":"Was steht ihr Weiber, heult und klagt?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2375,"orig":"Kommt her und hoͤrt mich an!","norm":"Kommt her und hört mich an!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2376,"orig":"Mein Gretchen ſieh!","norm":"Mein Gretchen sieh!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2377,"orig":"du biſt noch jung, Biſt gar noch nicht geſcheidt genung, Machſt deine Sachen ſchlecht.","norm":"du bist noch jung, bist gar noch nicht gescheit genug, machst deine Sachen schlecht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2378,"orig":"Ich ſag’ dir’s im Vertrauen nur:","norm":"Ich sage dir es im Vertrauen nur:"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2379,"orig":"Du biſt doch nun einmal eine Hur’;","norm":"Du bist doch nun einmal eine Hure;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2380,"orig":"So ſey’s auch eben recht.","norm":"So sei es auch eben recht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2381,"orig":"Mein Bruder!","norm":"Mein Bruder!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2382,"orig":"Gott!","norm":"Gott!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2383,"orig":"Was ſoll mir das?","norm":"Was soll mir das?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2384,"orig":"Laßt unſern Herr Gott aus dem Spaß.","norm":"Lasst unseren Herrgott aus dem Spaß."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2385,"orig":"Geſchehn iſt leider nun geſchehn, Und wie es gehn kann, ſo wird’s gehn.","norm":"Geschehen ist leider nun geschehen, und wie es gehen kann, so wird es gehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2386,"orig":"Du fingſt mit Einem heimlich an, Bald kommen ihrer mehre dran, Und wenn dich erſt ein Dutzend hat, So hat dich auch die ganze Stadt.","norm":"Du fingst mit einem heimlich an, bald kommen ihrer mehrere dran, und wenn dich erst ein Dutzend hat, so hat dich auch die ganze Stadt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2387,"orig":"Wenn erſt die Schande wird geboren, Wird ſie heimlich zur Welt gebracht, Und man zieht den Schleyer der Nacht Ihr uͤber Kopf und Ohren;","norm":"Wenn erst die Schande wird geboren, wird sie heimlich zur Welt gebracht, Und man zieht den Schleier der Nacht Ihr über Kopf und Ohren;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2388,"orig":"Ja, man moͤchte ſie gern ermorden.","norm":"Ja, man möchte sie gern ermorden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2389,"orig":"Waͤchſt ſie aber und macht ſich groß, Dann geht ſie auch bey Tage bloß, Und iſt doch nicht ſchoͤner geworden.","norm":"Wächst sie aber und macht sich groß, dann geht sie auch bei Tage bloß, und ist doch nicht schöner geworden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2390,"orig":"Je haͤßlicher wird ihr Geſicht, Je mehr ſucht ſie des Tageslicht.","norm":"Je hässlicher wird ihr Gesicht, je mehr sucht sie des Tageslicht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2391,"orig":"Ich ſeh’ wahrhaftig ſchon die Zeit Daß alle brave Buͤrgersleut’ Wie von einer angeſteckten Leichen Von dir, du Metze!","norm":"Ich sehe wahrhaftig schon die Zeit dass alle brave Bürgersleute wie von einer angesteckten Leichen von dir, du Metze!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2392,"orig":"ſeitab weichen.","norm":"seitab weichen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2393,"orig":"Dir ſoll das Herz im Leib verzagen!","norm":"Dir soll das Herz im Leib verzagen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2394,"orig":"Wenn ſie dir in die Augen ſehn.","norm":"Wenn sie dir in die Augen sehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2395,"orig":"Sollſt keine goldne Kette mehr tragen!","norm":"Sollst keine goldene Kette mehr tragen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2396,"orig":"In der Kirche nicht mehr am Altar ſtehn In einem ſchoͤnen Spitzenkragen Dich nicht beym Tanze wohlbehagen!","norm":"In der Kirche nicht mehr am Altar stehen in einem schönen Spitzenkragen Dich nicht beim Tanze wohlbehagen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2397,"orig":"In eine finſtre Jammerecken Unter Bettler und Kruͤpel dich verſtecken, Und wenn dir denn auch Gott verzeiht, Auf Erden ſeyn vermaledeyt!","norm":"In eine finstre Jammerecken unter Bettler und Krüppel dich verstecken, und wenn dir denn auch Gott verzeiht, auf Erden sein vermaledeit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2398,"orig":"Befehlt eure Seele Gott zu Gnaden!","norm":"Befehlt Eure Seele Gott zu Gnaden!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2399,"orig":"Wollt ihr noch Laͤſtrung auf euch laden?","norm":"Wollt Ihr noch Lästerung auf Euch laden?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2400,"orig":"Koͤnnt’ ich dir nur an den duͤrren Leib Du ſchaͤndlich kuppleriſches Weib!","norm":"Könnte ich dir nur an den dürren Leib Du schändlich kupplerisches Weib!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2401,"orig":"Da hofft’ ich aller meiner Suͤnden Vergebung reiche Maß zu finden.","norm":"Da hoffte ich aller meiner Sünden Vergebung reiche Maß zu finden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2402,"orig":"Mein Bruder!","norm":"Mein Bruder!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2403,"orig":"Welche Hoͤllenpein!","norm":"Welche Höllenpein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2404,"orig":"Ich ſage, laß die Thraͤnen ſeyn!","norm":"Ich sage, lass die Tränen sein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2405,"orig":"Da du dich ſprachſt der Ehre los, Gabſt mir den ſchwerſten Herzensſtoß.","norm":"Da du dich sprachst der Ehre los, gabst mir den schwersten Herzensstoß."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2406,"orig":"Ich gehe durch den Todesſchlaf Zu Gott ein als Soldat und brav.","norm":"Ich gehe durch den Todesschlaf zu Gott ein als Soldat und brav."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2407,"orig":"Wie anders, Gretchen, war dir’s, Als du noch voll Unſchuld Hier zum Altar trat’ſt, Aus dem vergriffnen Buͤchelchen Gebete lallteſt, Halb Kinderſpiele, Halb Gott im Herzen Gretchen!","norm":"Wie anders, Gretchen, war dir es, als du noch voll Unschuld hier zum Altar tratst, aus dem vergriffenen Büchelchen Gebete lalltest, halb Kinderspiele, Halbgott im Herzen Gretchen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2408,"orig":"Wo ſteht dein Kopf?","norm":"Wo steht dein Kopf?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2409,"orig":"In deinem Herzen, Welche Miſſethat?","norm":"In deinem Herzen, welche Missetat?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2410,"orig":"Bet’ſt du fuͤr deiner Mutter Seele?","norm":"Betest du für deiner Mutter Seele?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2411,"orig":"die Durch dich zur langen, langen Pein hinuͤberſchlief.","norm":"die durch dich zur langen, langen Pein hinüberschlief."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2412,"orig":"Auf deiner Schwelle weſſen Blut?","norm":"Auf deiner Schwelle wessen Blut?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2413,"orig":"— Und unter deinem Herzen Regt ſich’s nicht quillend ſchon, Und aͤngſtet dich und ſich Mit ahndungsvoller Gegenwart?","norm":"— Und unter deinem Herzen regt sich es nicht quillend schon, und ängstet dich und sich Mit ahnungsvoller Gegenwart?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2414,"orig":"Weh!","norm":"Weh!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2415,"orig":"Weh!","norm":"Weh!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2416,"orig":"Waͤr’ ich der Gedanken los, Die mir heruͤber und hinuͤber gehen Wider mich!","norm":"Wäre ich der Gedanken los, die mir herüber und hinübergehen Wider mich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2417,"orig":"Dies irae, dies illa Solvet saeclum in favilla.","norm":"Dies irae, dies illa Solvet saeclum in favilla."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2418,"orig":"Grimm faßt dich!","norm":"Grimm fasst dich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2419,"orig":"Die Poſaune toͤnt!","norm":"Die Posaune tönt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2420,"orig":"Die Graͤber beben!","norm":"Die Gräber beben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2421,"orig":"Und dein Herz, Aus Aſchenruh’ Zu Flammenqualen Wieder aufgeſchaffen, Bebt auf!","norm":"Und dein Herz, aus Aschenruhe zu Flammenqualen wieder aufgeschaffen, bebt auf!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2422,"orig":"Waͤr’ ich hier weg!","norm":"Wäre ich hier weg!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2423,"orig":"Mir iſt als ob die Orgel mir Den Athem verſetzte, Geſang mein Herz Im Tiefſten loͤſ’te.","norm":"Mir ist als ob die Orgel mir den Atem versetzte, Gesang mein Herz im Tiefsten löste."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2424,"orig":"Judex ergo cum sedebit, Quidquid latet adparebit, Nil inultum remanebit.","norm":"Judex ergo cum sedebit, Quidquid latet adparebit, Nil inultum remanebit."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2425,"orig":"Wir wird ſo eng’!","norm":"Mir wird so eng!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2426,"orig":"Die Mauern-Pfeiler Befangen mich!","norm":"Die Mauernpfeiler Befangen mich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2427,"orig":"Das Gewoͤlbe Draͤngt mich!","norm":"Das Gewölbe drängt mich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2428,"orig":"— Luft!","norm":"— Luft!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2429,"orig":"Verbirg’ dich!","norm":"Verbirg dich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2430,"orig":"Suͤnd’ und Schande Bleibt’ nicht verborgen.","norm":"Sünde und Schande bleibt nicht verborgen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2431,"orig":"Luft?","norm":"Luft?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2432,"orig":"Licht?","norm":"Licht?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2433,"orig":"Weh dir!","norm":"Weh dir!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2434,"orig":"Quid sum miser tunc dicturus?","norm":"Quid sum miser tunc dicturus?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2435,"orig":"Quem patronum rogaturus?","norm":"Quem patronum rogaturus?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2436,"orig":"Cum vix justus sit securus.","norm":"Cum vix justus sit securus."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2437,"orig":"Ihr Antlitz wenden Verklaͤrte von dir ab.","norm":"Ihr Antlitz wenden Verklärte von dir ab."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2438,"orig":"Die Haͤnde dir zu reichen, Schauert’s den Reinen.","norm":"Die Hände dir zu reichen, Schauert es den Reinen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2439,"orig":"Weh!","norm":"Weh!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2440,"orig":"Quid sum miser tunc dicturus?","norm":"Quid sum miser tunc dicturus?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2441,"orig":"Nachbarin!","norm":"Nachbarin!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2442,"orig":"Euer Flaͤſchchen!","norm":"Euer Fläschchen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2443,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2444,"orig":"Verlangſt du nicht nach einem Beſenſtiele?","norm":"Verlangst du nicht nach einem Besenstiele?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2445,"orig":"Ich wuͤnſchte mir den allerderbſten Bock.","norm":"Ich wünschte mir den allerderbsten Bock."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2446,"orig":"Auf dieſem Weg ſind wir noch weit vom Ziele.","norm":"Auf diesem Weg sind wir noch weit vom Ziele."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2447,"orig":"So lang’ ich mich noch friſch auf meinen Beinen fuͤhle, Genuͤgt mir dieſer Knotenſtock.","norm":"Solange ich mich noch frisch auf meinen Beinen fühle, genügt mir dieser Knotenstock."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2448,"orig":"Was hilft’s daß man den Weg verkuͤrzt!","norm":"Was hilft es dass man den Weg verkürzt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2449,"orig":"— Im Labyrinth der Thaͤler hinzuſchleichen, Dann dieſen Felſen zu erſteigen, Von dem der Quell ſich ewig ſprudelnd ſtuͤrzt, Das iſt die Luſt, die ſolche Pfade wuͤrzt!","norm":"— Im Labyrinth der Täler hinzuschleichen, dann diesen Felsen zu ersteigen, von dem der Quell sich ewig sprudelnd stürzt, das ist die Lust, die solche Pfade würzt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2450,"orig":"Der Fruͤhling webt ſchon in den Birken Und ſelbſt die Fichte fuͤhlt ihn ſchon, Sollt’ er nicht auch auf unſre Glieder wirken?","norm":"Der Frühling webt schon in den Birken und selbst die Fichte fühlt ihn schon, sollte er nicht auch auf unsere Glieder wirken?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2451,"orig":"Fuͤrwahr ich ſpuͤre nichts davon!","norm":"Fürwahr ich spüre nichts davon!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2452,"orig":"Mir iſt es winterlich im Leibe, Ich wuͤnſchte Schnee und Froſt auf meiner Bahn.","norm":"Mir ist es winterlich im Leibe, Ich wünschte Schnee und Frost auf meiner Bahn."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2453,"orig":"Wie traurig ſteigt die unvollkommne Scheibe Des rothen Monds mit ſpaͤter Gluth heran!","norm":"Wie traurig steigt die unvollkommene Scheibe des roten Monds mit später Glut heran!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2454,"orig":"Und leuchtet ſchlecht, daß man bey jedem Schritte, Vor einen Baum, vor einen Felſen rennt!","norm":"Und leuchtet schlecht, dass man bei jedem Schritte, vor einen Baum, vor einen Felsen rennt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2455,"orig":"Erlaub’ daß ich ein Irrlicht bitte!","norm":"Erlaube dass ich ein Irrlicht bitte!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2456,"orig":"Dort ſeh’ ich eins, das eben luſtig brennt.","norm":"Dort sehe ich eins, das eben lustig brennt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2457,"orig":"He da!","norm":"He da!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2458,"orig":"mein Freund!","norm":"mein Freund!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2459,"orig":"darf ich dich zu uns fodern?","norm":"darf ich dich zu uns fordern?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2460,"orig":"Was willſt du ſo vergebens lodern?","norm":"Was willst du so vergebens lodern?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2461,"orig":"Sey doch ſo gut und leucht’ uns da hinauf!","norm":"Sei doch so gut und leuchte uns da hinauf!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2462,"orig":"Aus Ehrfurcht, hoff’ ich, ſoll es mir gelingen Mein leichtes Naturell zu zwingen, Nur Zickzack geht gewoͤhnlich unſer Lauf.","norm":"Aus Ehrfurcht, hoffe ich, soll es mir gelingen Mein leichtes Naturell zu zwingen, nur Zickzack geht gewöhnlich unser Lauf."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2463,"orig":"Ei!","norm":"Ei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2464,"orig":"Ei!","norm":"Ei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2465,"orig":"er denkt’s den Menſchen nachzuahmen.","norm":"er denkt es den Menschen nachzuahmen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2466,"orig":"Geh er nur g’rad ’, in’s Teufels Nahmen!","norm":"Gehe er nur gerade', ins Teufels Namen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2467,"orig":"Sonſt blaſ’ ich ihm ſein Flacker-Leben aus.","norm":"Sonst blase ich ihm Sein Flackerleben aus."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2468,"orig":"Ich merke wohl, ihr ſeyd der Herr vom Haus, Und will mich gern nach euch bequemen.","norm":"Ich merke wohl, Ihr seid der Herr vom Haus, und will mich gern nach Euch bequemen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2469,"orig":"Allein bedenkt!","norm":"Allein bedenkt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2470,"orig":"der Berg iſt heute zaubertoll, Und wenn ein Irrlicht euch die Wege weiſen ſoll, So muͤßt ihr’s ſo genau nicht nehmen.","norm":"der Berg ist heute zaubertoll, und wenn ein Irrlicht Euch die Wege weisen soll, so müsst Ihr es so genau nicht nehmen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2471,"orig":"In die Traum- und Zauberſphaͤre Sind wir, ſcheint es, eingegangen.","norm":"In die Traum- und Zaubersphäre sind wir, scheint es, eingegangen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2472,"orig":"Fuͤhr’ uns gut und mach’ dir Ehre!","norm":"Führe uns gut und mache dir Ehre!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2473,"orig":"Daß wir vorwaͤrts bald gelangen, In den weiten, oͤden Raͤumen.","norm":"Dass wir vorwärts bald gelangen, in den weiten, öden Räumen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2474,"orig":"Seh’ die Baͤume hinter Baͤumen, Wie ſie ſchnell voruͤber ruͤcken, Und die Klippen, die ſich buͤcken, Und die langen Felſennaſen, Wie ſie ſchnarchen, wie ſie blaſen!","norm":"Sehe die Bäume hinter Bäumen, wie sie schnell vorüberrücken, und die Klippen, die sich bücken, und die langen Felsennasen, wie sie schnarchen, wie sie blasen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2475,"orig":"Durch die Steine, durch den Raſen Eilet Bach und Baͤchlein nieder.","norm":"Durch die Steine, durch den Rasen Eilet Bach und Bächlein nieder."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2476,"orig":"Hoͤr’ ich Rauſchen?","norm":"Höre ich Rauschen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2477,"orig":"hoͤr’ ich Lieder?","norm":"höre ich Lieder?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2478,"orig":"Hoͤr’ ich holde Liebesklage, Stimmen jener Himmelstage?","norm":"Höre ich holde Liebesklage, Stimmen jener Himmelstage?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2479,"orig":"Was wir hoffen, was wir lieben!","norm":"Was wir hoffen, was wir lieben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2480,"orig":"Und das Echo, wie die Sage Alter Zeiten, hallet wieder.","norm":"Und das Echo, wie die Sage Alter Zeiten, hallet wider."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2481,"orig":"Uhu!","norm":"Uhu!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2482,"orig":"Schuhu!","norm":"Schuhu!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2483,"orig":"toͤnt es naͤher, Kauz und Kibitz und der Haͤher, Sind ſie alle wach geblieben?","norm":"tönt es näher, Kauz und Kiebitz und der Häher, sind sie alle wach geblieben?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2484,"orig":"Sind das Molche durchs Geſtraͤuche?","norm":"Sind das Molche durchs Gesträuche?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2485,"orig":"Lange Beine, dicke Baͤuche.","norm":"Lange Beine, dicke Bäuche."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2486,"orig":"Und die Wurzeln, wie die Schlangen, Winden ſich aus Fels und Sande;","norm":"Und die Wurzeln, wie die Schlangen, Winden sich aus Fels und Sande;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2487,"orig":"Strecken wunderliche Bande, Uns zu ſchrecken, uns zu fangen;","norm":"Strecken wunderliche Bande, uns zu schrecken, uns zu fangen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2488,"orig":"Aus belebten, derben Maſern Stecken ſie Polypenfaſern Nach dem Wandrer.","norm":"Aus belebten, derben Masern Strecken sie Polypenfasern nach dem Wanderer."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2489,"orig":"Und die Maͤuſe Tauſendfaͤrbig, ſchaarenweiſe, Durch das Moos und durch die Heide!","norm":"Und die Mäuse Tausendfarbig, scharenweise, durch das Moos und durch die Heide!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2490,"orig":"Und die Funkenwuͤrmer fliegen, Mit gedraͤngten Schwaͤrme-Zuͤgen, Zum verwirrenden Geleite.","norm":"Und die Funkenwürmer fliegen, mit gedrängten Schwärmezügen, zum verwirrenden Geleite."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2491,"orig":"Aber ſag’ mir ob wir ſtehen?","norm":"Aber sage mir ob wir stehen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2492,"orig":"Oder ob wir weiter gehen?","norm":"Oder ob wir weitergehen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2493,"orig":"Alles alles ſcheint zu drehen, Fels und Baͤume, die Geſichter Schneiden, und die irren Lichter, Die ſich mehren, die ſich blaͤhen.","norm":"Alles alles scheint zu drehen, Fels und Bäume, die Gesichter Schneiden, und die irren Lichter, die sich mehren, die sich blähen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2494,"orig":"Faſſe wacker meinen Zipfel!","norm":"Fasse wacker meinen Zipfel!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2495,"orig":"Hier iſt ſo ein Mittelgipfel, Wo man mit Erſtaunen ſieht, Wie im Berg der Mammon gluͤht.","norm":"Hier ist so ein Mittelgipfel, Wo man mit Erstaunen sieht, wie im Berg der Mammon glüht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2496,"orig":"Wie ſeltſam glimmert durch die Gruͤnde Ein morgenroͤthlich truͤber Schein!","norm":"Wie seltsam glimmert durch die Gründe ein morgenrötlich trüber Schein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2497,"orig":"Und ſelbſt bis in die tiefen Schluͤnde Des Abgrunds wittert er hinein.","norm":"Und selbst bis in die tiefen Schlünde des Abgrunds wittert er hinein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2498,"orig":"Da ſteigt ein Dampf, dort ziehen Schwaden, Hier leuchtet Glut aus Dunſt und Flor, Dann ſchleicht ſie wie ein zarter Faden, Dann bricht ſie wie ein Quell hervor.","norm":"Da steigt ein Dampf, dort ziehen Schwaden, hier leuchtet Glut aus Dunst und Flor, dann schleicht sie wie ein zarter Faden, dann bricht sie wie ein Quell hervor."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2499,"orig":"Hier ſchlingt ſie eine ganze Strecke, Mit hundert Adern, ſich durchs Thal, Und hier in der gedraͤngten Ecke Vereinzelt ſie ſich auf einmal.","norm":"Hier schlingt sie eine ganze Strecke, mit hundert Adern, sich durchs Tal, und hier in der gedrängten Ecke vereinzelt sie sich auf einmal."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2500,"orig":"Da ſpruͤhen Funken in der Naͤhe, Wie ausgeſtreuter goldner Sand.","norm":"Da sprühen Funken in der Nähe, wie ausgestreuter goldener Sand."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2501,"orig":"Doch ſchau!","norm":"Doch schau!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2502,"orig":"in ihrer ganzen Hoͤhe Entzuͤndet ſich die Felſenwand.","norm":"in ihrer ganzen Höhe entzündet sich die Felsenwand."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2503,"orig":"Erleuchtet nicht zu dieſem Feſte Herr Mammon praͤchtig den Pallaſt?","norm":"Erleuchtet nicht zu diesem Feste Herr Mammon prächtig den Palast?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2504,"orig":"Ein Gluͤck daß du’s geſehen haſt;","norm":"Ein Glück dass du es gesehen hast;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2505,"orig":"Ich ſpuͤre ſchon die ungeſtuͤmen Gaͤſte.","norm":"Ich spüre schon die ungestümen Gäste."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2506,"orig":"Wie raſ’t die Windsbraut durch die Luft!","norm":"Wie rast die Windsbraut durch die Luft!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2507,"orig":"Mit welchen Schlaͤgen trifft ſie meinen Nacken!","norm":"Mit welchen Schlägen trifft sie meinen Nacken!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2508,"orig":"Du mußt des Felſens alte Rippen packen, Sonſt ſtuͤrzt ſie dich hinab in dieſer Schluͤnde Gruft.","norm":"Du musst des Felsens alte Rippen packen, sonst stürzt sie dich hinab in dieser Schlünde Gruft."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2509,"orig":"Ein Nebel verdichtet die Nacht.","norm":"Ein Nebel verdichtet die Nacht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2510,"orig":"Hoͤre wie’s durch die Waͤlder kracht!","norm":"Höre wie es durch die Wälder kracht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2511,"orig":"Auſgeſcheucht fliegen die Eulen.","norm":"Aufgescheucht fliegen die Eulen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2512,"orig":"Hoͤr’ es ſplittern die Saͤulen Ewig gruͤner Pallaͤſte.","norm":"Höre es splittern die Säulen ewig grüner Paläste."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2513,"orig":"Girren und Brechen der Aeſte Der Staͤmme maͤchtiges Droͤhnen!","norm":"Girren und Brechen der Äste der Stämme mächtiges Dröhnen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2514,"orig":"Der Wurzeln Knarren und Gaͤhnen!","norm":"Der Wurzeln Knarren und Gähnen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2515,"orig":"Im fuͤrchterlich verworrenen Falle Ueber einander krachen ſie alle, Und durch die uͤbertruͤmmerten Kluͤfte Ziſchen und heulen die Luͤfte.","norm":"Im fürchterlich verworrenen Falle übereinander krachen sie alle, und durch die übertrümmerten Klüfte Zischen und heulen die Lüfte."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2516,"orig":"Hoͤrſt du Stimmen in der Hoͤhe?","norm":"Hörst du Stimmen in der Höhe?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2517,"orig":"In der Ferne in der Naͤhe?","norm":"In der Ferne in der Nähe?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2518,"orig":"Ja, den ganzen Berg entlang Stroͤmt ein wuͤthender Zaubergeſang.","norm":"Ja, den ganzen Berg entlang strömt ein wütender Zaubergesang."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2519,"orig":"Die Hexen zu dem Brocken ziehn, Die Stoppel iſt gelb, die Saat iſt gruͤn.","norm":"Die Hexen zu dem Brocken ziehen, die Stoppel ist gelb, die Saat ist grün."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2520,"orig":"Dort ſammelt ſich der große Hauf, Herr Urian ſitzt oben auf.","norm":"Dort sammelt sich der große Hauf, Herr Urian sitzt oben auf."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2521,"orig":"So geht es uͤber Stein und Stock Es f — t die Hexe, es ſt — t der Bock.","norm":"So geht es über Stein und Stock es f — t die Hexe, es st — t der Bock."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2522,"orig":"Die alte Baubo kommt allein, Sie reitet auf einem Mutterſchwein.","norm":"Die alte Baubo kommt allein, Sie reitet auf einem Mutterschwein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2523,"orig":"So Ehre dem, wem Ehre gebuͤrt!","norm":"So Ehre dem, wem Ehre gebührt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2524,"orig":"Frau Baubo vor!","norm":"Frau Baubo vor!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2525,"orig":"und angefuͤhrt!","norm":"und angeführt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2526,"orig":"Ein tuͤchtig Schwein und Mutter drauf, Da folgt der ganze Hexenhauf.","norm":"Ein tüchtig Schwein und Mutter drauf, da folgt der ganze Hexenhauf."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2527,"orig":"Welchen Weg kommſt du her?","norm":"Welchen Weg kommst du her?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2528,"orig":"Ueber’n Ilſenſtein!","norm":"Über den Ilsenstein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2529,"orig":"Da guckt’ ich der Eule ins Neſt hinein.","norm":"Da guckte ich der Eule ins Nest hinein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2530,"orig":"Die macht ein Paar Augen!","norm":"Die macht ein Paar Augen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2531,"orig":"O fahre zur Hoͤlle!","norm":"O fahre zur Hölle!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2532,"orig":"Was reit’ſt du ſo ſchnelle!","norm":"Was reitest du so schnelle!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2533,"orig":"Mich hat ſie geſchunden, Da ſieh nur die Wunden!","norm":"Mich hat sie geschunden, da sieh nur die Wunden!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2534,"orig":"Der Weg iſt breit, der Weg iſt lang, Was iſt das fuͤr ein toller Drang?","norm":"Der Weg ist breit, der Weg ist lang, was ist das für ein toller Drang?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2535,"orig":"Die Gabel ſticht, der Beſen kratzt, Das Kind erſtickt, die Mutter platzt.","norm":"Die Gabel sticht, der Besen kratzt, das Kind erstickt, die Mutter platzt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2536,"orig":"Wir ſchleichen wie die Schneck’ im Haus, Die Weiber alle ſind voraus.","norm":"Wir schleichen wie die Schnecke im Haus, die Weiber alle sind voraus."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2537,"orig":"Denn, geht es zu des Boͤſen Haus, Das Weib hat tauſend Schritt voraus.","norm":"Denn, geht es zu des Bösen Haus, das Weib hat tausend Schritt voraus."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2538,"orig":"Wir nehmen das nicht ſo genau, Mit tauſend Schritten macht’s die Frau;","norm":"Wir nehmen das nicht so genau, mit tausend Schritten macht es die Frau;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2539,"orig":"Doch, wie ſie auch ſich eilen kann, Mit Einem Sprunge macht’s der Mann.","norm":"Doch, wie sie auch sich eilen kann, mit einem Sprunge macht es der Mann."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2540,"orig":"Kommt mit, kommt mit, vom Felſenſee!","norm":"Kommt mit, kommt mit, vom Felsensee!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2541,"orig":"Wir moͤchten gerne mit in die Hoͤh’.","norm":"Wir möchten gerne mit in die Höhe."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2542,"orig":"Wir waſchen und blank ſind wir ganz und gar;","norm":"Wir waschen und blank sind wir ganz und gar;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2543,"orig":"Aber auch ewig unfruchtbar.","norm":"Aber auch ewig unfruchtbar."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2544,"orig":"Es ſchweigt der Wind, es flieht der Stern, Der truͤbe Mond verbirgt ſich gern.","norm":"Es schweigt der Wind, es flieht der Stern, der trübe Mond verbirgt sich gern."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2545,"orig":"Im Sauſen ſpruͤht das Zauberchor Viel tauſend Feuer unken hervor.","norm":"Im Sausen sprüht das Zauberchor viel tausend Feuerfunken hervor."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2546,"orig":"Halte!","norm":"Halte!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2547,"orig":"Halte!","norm":"Halte!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2548,"orig":"Wer ruft da aus der Felſenſpalte?","norm":"Wer ruft da aus der Felsenspalte?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2549,"orig":"Nehmt mich mit!","norm":"Nehmt mich mit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2550,"orig":"Nehmt mich mit!","norm":"Nehmt mich mit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2551,"orig":"Ich ſteige ſchon dreyhundert Jahr, Und kann den Gipfel nicht erreichen.","norm":"Ich steige schon dreihundert Jahr, und kann den Gipfel nicht erreichen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2552,"orig":"Ich waͤre gern bey meines gleichen.","norm":"Ich wäre gern bei meinesgleichen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2553,"orig":"Es traͤgt der Beſen, traͤgt der Stock, Die Gabel traͤgt, es traͤgt der Bock, Wer heute ſich nicht heben kann, Iſt ewig ein verlorner Mann.","norm":"Es trägt der Besen, trägt der Stock, die Gabel trägt, es trägt der Bock, wer heute sich nicht heben kann, ist ewig ein verlorener Mann."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2554,"orig":"Ich tripple nach, ſo lange Zeit, Wie ſind die andern ſchon ſo weit!","norm":"Ich tripple nach, solange Zeit, wie sind die anderen schon so weit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2555,"orig":"Ich hab’ zu Hauſe keine Ruh, Und komme hier doch nicht dazu.","norm":"Ich habe zu Hause keine Ruhe, und komme hier doch nicht dazu."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2556,"orig":"Die Salbe giebt den Hexen Muth, Ein Lumpen iſt zum Segel gut, Ein gutes Schiff iſt jeder Trog, Der flieget nie, der heut nicht flog.","norm":"Die Salbe gibt den Hexen Mut, ein Lumpen ist zum Segel gut, ein gutes Schiff ist jeder Trog, der flieget nie, der heute nicht flog."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2557,"orig":"Und wenn wir um den Gipfel ziehn, So ſtreichet an dem Boden hin, Und deckt die Heide weit und breit Mit eurem Schwarm der Hexenheit.","norm":"Und wenn wir um den Gipfel ziehen, so streichet an dem Boden hin, und deckt die Heide weit und breit mit eurem Schwarm der Hexenheit."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2558,"orig":"Das draͤngt und ſtoͤßt, das ruſcht und klappert!","norm":"Das drängt und stößt, das ruscht und klappert!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2559,"orig":"Das ziſcht und quirlt, das zieht und plappert!","norm":"Das zischt und quirlt, das zieht und plappert!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2560,"orig":"Das leuchtet, ſpruͤht und ſtinkt und brennt!","norm":"Das leuchtet, sprüht und stinkt und brennt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2561,"orig":"Ein wahres Hexenelement!","norm":"Ein wahres Hexenelement!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2562,"orig":"Nur feſt an mir!","norm":"Nur fest an mir!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2563,"orig":"ſonſt ſind wir gleich getrennt.","norm":"sonst sind wir gleich getrennt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2564,"orig":"Wo biſt du?","norm":"Wo bist du?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2565,"orig":"Hier!","norm":"Hier!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2566,"orig":"Was!","norm":"Was!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2567,"orig":"dort ſchon hingeriſſen?","norm":"dort schon hingerissen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2568,"orig":"Da werd’ ich Hausrecht brauchen muͤſſen.","norm":"Da werde ich Hausrecht brauchen müssen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2569,"orig":"Platz!","norm":"Platz!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2570,"orig":"Junker Voland kommt.","norm":"Junker Voland kommt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2571,"orig":"Platz!","norm":"Platz!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2572,"orig":"ſuͤßer Poͤbel, Platz!","norm":"süßer Pöbel, Platz!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2573,"orig":"Hier, Doctor, faſſe mich!","norm":"Hier, Doktor, fasse mich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2574,"orig":"und nun, in Einem Satz, Laß uns aus dem Gedraͤng’ entweichen;","norm":"und nun, in einem Satz, Lass uns aus dem Gedränge entweichen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2575,"orig":"Es iſt zu toll, ſogar fuͤr meines gleichen.","norm":"Es ist zu toll, sogar für meinesgleichen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2576,"orig":"Dort neben leuchtet was mit ganz beſond’rem Schein, Es zieht mich was nach jenen Straͤuchen.","norm":"Dort neben leuchtet was mit ganz besonderem Schein, es zieht mich was nach jenen Sträuchern."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2577,"orig":"Komm, komm!","norm":"Komme, komme!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2578,"orig":"wir ſchlupfen da hinein.","norm":"wir schlupfen da hinein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2579,"orig":"Du Geiſt des Widerſpruchs!","norm":"Du Geist des Widerspruchs!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2580,"orig":"Nur zu!","norm":"Nur zu!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2581,"orig":"du magſt mich fuͤhren.","norm":"du magst mich führen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2582,"orig":"Ich denke doch das war recht klug gemacht.","norm":"Ich denke doch das war recht klug gemacht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2583,"orig":"Zum Brocken wandlen wir in der Walpurgisnacht, Um uns beliebig nun hieſelbſt zu iſoliren.","norm":"Zum Brocken wandeln wir in der Walpurgisnacht, um uns beliebig nun hieselbst zu isolieren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2584,"orig":"Da ſieh nur welche bunten Flammen!","norm":"Da sieh nur welche bunten Flammen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2585,"orig":"Es iſt ein muntrer Klub beyſammen.","norm":"Es ist ein munterer Klub beisammen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2586,"orig":"Im Kleinen iſt man nicht allein.","norm":"Im Kleinen ist man nicht allein."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2587,"orig":"Doch droben moͤcht’ ich lieber ſeyn!","norm":"Doch droben möchte ich lieber sein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2588,"orig":"Schon ſeh’ ich Glut und Wirbelrauch.","norm":"Schon sehe ich Glut und Wirbelrauch."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2589,"orig":"Dort ſtroͤmt die Menge zu dem Boͤſen;","norm":"Dort strömt die Menge zu dem Bösen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2590,"orig":"Da muß ſich manches Raͤthſel loͤſen.","norm":"Da muss sich manches Rätsel lösen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2591,"orig":"Doch manches Raͤthſel knuͤpft ſich auch.","norm":"Doch manches Rätsel knüpft sich auch."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2592,"orig":"Laß du die große Welt nur ſauſen, Wir wollen hier im Stillen hauſen.","norm":"Lass du die große Welt nur sausen, wir wollen hier im Stillen hausen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2593,"orig":"Es iſt doch lange hergebracht, Daß in der großen Welt man kleine Welten macht.","norm":"Es ist doch lange hergebracht, dass in der großen Welt man kleine Welten macht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2594,"orig":"Da ſeh’ ich junge Hexchen nackt und blos, Und alte die ſich klug verhuͤllen.","norm":"Da sehe ich junge Hexchen nackt und bloß, und alte die sich klug verhüllen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2595,"orig":"Seyd freundlich, nur um meinetwillen, Die Muͤh’ iſt klein, der Spaß iſt groß.","norm":"Seid freundlich, nur um meinetwillen, die Mühe ist klein, der Spaß ist groß."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2596,"orig":"Ich hoͤre was von Inſtrumenten toͤnen!","norm":"Ich höre was von Instrumenten tönen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2597,"orig":"Verflucht Geſchnarr!","norm":"Verflucht Geschnarr!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2598,"orig":"Man muß ſich dran gewoͤhnen.","norm":"Man muss sich dran gewöhnen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2599,"orig":"Komm mit!","norm":"Komme mit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2600,"orig":"Komm mit!","norm":"Komme mit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2601,"orig":"Es kann nicht anders ſeyn, Ich tret’ heran und fuͤhre dich herein, Und ich verbinde dich aufs neue.","norm":"Es kann nicht anders sein, Ich trete heran und führe dich herein, und ich verbinde dich aufs neue."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2602,"orig":"Was ſagſt du Freund?","norm":"Was sagst du Freund?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2603,"orig":"das iſt kein kleiner Raum.","norm":"das ist kein kleiner Raum."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2604,"orig":"Da ſieh nur hin!","norm":"Da sieh nur hin!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2605,"orig":"du ſiehſt das Ende kaum.","norm":"du siehst das Ende kaum."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2606,"orig":"Ein Hundert Feuer brennen in der Reihe;","norm":"Einhundert Feuer brennen in der Reihe;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2607,"orig":"Man tanzt, man ſchwazt, man kocht, man trinkt, man liebt;","norm":"Man tanzt, man schwatzt, man kocht, man trinkt, man liebt;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2608,"orig":"Nun ſage mir, wo es was beſſers giebt?","norm":"Nun sage mir, wo es was Bessers gibt?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2609,"orig":"Willſt du dich nun, um uns hier einzufuͤhren Als Zaub’rer oder Teufel produziren?","norm":"Willst du dich nun, um uns hier einzuführen als Zaubrer oder Teufel produzieren?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2610,"orig":"Zwar bin ich ſehr gewohnt incognito zu gehn;","norm":"Zwar bin ich sehr gewohnt inkognito zu gehen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2611,"orig":"Doch laͤßt am Galatag man ſeinen Orden ſehn.","norm":"Doch lässt am Galatag man seinen Orden sehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2612,"orig":"Ein Knieband zeichnet mich nicht aus, Doch iſt der Pferdefuß hier ehrenvoll zu Haus.","norm":"Ein Knieband zeichnet mich nicht aus, doch ist der Pferdefuß hier ehrenvoll zu Haus."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2613,"orig":"Siehſt du die Schnecke da!","norm":"Siehst du die Schnecke da!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2614,"orig":"ſie kommt herangekrochen;","norm":"sie kommt herangekrochen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2615,"orig":"Mit ihrem taſtenden Geſicht Hat ſie mir ſchon was abgerochen.","norm":"Mit ihrem tastenden Gesicht hat sie mir schon was abgerochen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2616,"orig":"Wenn ich auch will, verlaͤugn’ ich hier mich nicht.","norm":"Wenn ich auch will, verleugne ich hier mich nicht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2617,"orig":"Komm nur!","norm":"Komme nur!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2618,"orig":"von Feuer gehen wir zu Feuer, Ich bin der Werber und du biſt der Freyer.","norm":"von Feuer gehen wir zu Feuer, Ich bin der Werber und du bist der Freier."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2619,"orig":"Ihr alten Herrn, was macht ihr hier am Ende?","norm":"Ihr alten Herrn, was macht ihr hier am Ende?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2620,"orig":"Ich lobt’ euch, wenn ich euch huͤbſch in der Mitte faͤnde, Von Saus umzirkt und Jugendbraus.","norm":"Ich lobte euch, wenn ich euch hübsch in der Mitte fände, von Saus umzirkt und Jugendbraus."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2621,"orig":"Genug allein iſt jeder ja zu Haus.","norm":"Genug allein ist jeder ja zu Haus."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2622,"orig":"Wer mag auf Nationen trauen!","norm":"Wer mag auf Nationen trauen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2623,"orig":"Man habe noch ſo viel fuͤr ſie gethan;","norm":"Man habe noch so viel für sie getan;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2624,"orig":"Denn bey dem Volk, wie bey den Frauen, Steht immerfort die Jugend oben an.","norm":"Denn bei dem Volk, wie bei den Frauen, steht immerfort die Jugend oben an."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2625,"orig":"Jetzt iſt man von dem Rechten allzuweit, Ich lobe mir die guten Alten;","norm":"Jetzt ist man von dem Rechten allzu weit, Ich lobe mir die guten Alten;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2626,"orig":"Denn freylich, da wir alles galten, Da war die rechte goldne Zeit.","norm":"Denn freilich, da wir alles galten, da war die rechte goldene Zeit."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2627,"orig":"Wir waren wahrlich auch nicht dumm, Und thaten oft was wir nicht ſollten;","norm":"Wir waren wahrlich auch nicht dumm, und taten oft was wir nicht sollten;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2628,"orig":"Doch jetzo kehrt ſich alles um und um, Und eben da wir’s feſt erhalten wollten.","norm":"Doch jetzt kehrt sich alles um und um, und eben da wir es fest erhalten wollten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2629,"orig":"Wer mag wohl uͤberhaupt jetzt eine Schrift Von maͤßig klugem Inhalt leſen!","norm":"Wer mag wohl überhaupt jetzt eine Schrift von mäßig klugem Inhalt lesen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2630,"orig":"Und was das liebe junge Volk betrifft, Das iſt noch nie ſo naſeweis geweſen.","norm":"Und was das liebe junge Volk betrifft, das ist noch nie so naseweis gewesen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2631,"orig":"Zum juͤngſten Tag fuͤhl’ ich das Volk gereift;","norm":"Zum jüngsten Tag fühle ich das Volk gereift;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2632,"orig":"Da ich zum letztenmal den Hexenberg erſteige, Und, weil mein Faͤßchen truͤbe laͤuft;","norm":"Da ich zum letzten Mal den Hexenberg ersteige, und, weil mein Faßchen trübe läuft;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2633,"orig":"So iſt die Welt auch auf der Neige.","norm":"So ist die Welt auch auf der Neige."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2634,"orig":"Ihr Herren geht nicht ſo vorbey!","norm":"Ihr Herren geht nicht so vorbei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2635,"orig":"Laßt die Gelegenheit nicht fahren!","norm":"Lasst die Gelegenheit nicht fahren!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2636,"orig":"Aufmerkſam blickt nach meinen Waaren, Es ſteht dahier gar mancherley.","norm":"Aufmerksam blickt nach meinen Waren, es steht dahier gar mancherlei."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2637,"orig":"Und doch iſt nichts in meinem Laden, Dem keiner auf der Erde gleicht, Das nicht einmal zum tuͤcht’gen Schaden Der Menſchen und der Welt gereicht.","norm":"Und doch ist nichts in meinem Laden, dem keiner auf der Erde gleicht, das nicht einmal zum tüchtigen Schaden der Menschen und der Welt gereicht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2638,"orig":"Kein Dolch iſt hier, von dem nicht Blut gefloſſen, Kein Kelch, aus dem ſich nicht, in ganz geſunden Leib, Verzehrend heißes Gift ergoſſen.","norm":"Kein Dolch ist hier, von dem nicht Blut geflossen, kein Kelch, aus dem sich nicht, in ganz gesunden Leib, verzehrend heißes Gift ergossen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2639,"orig":"Kein Schmuck, der nicht ein liebenswuͤrdig Weib Verfuͤhrt, kein Schwerdt das nicht den Bund gebrochen, Nicht etwa hinterruͤcks den Gegenmann durchſtochen.","norm":"Kein Schmuck, der nicht ein liebenswürdig Weib verführt, kein Schwert das nicht den Bund gebrochen, nicht etwa hinterrücks den Gegenmann durchstochen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2640,"orig":"Frau Muhme!","norm":"Frau Muhme!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2641,"orig":"Sie verſteht mir ſchlecht die Zeiten.","norm":"Sie versteht mir schlecht die Zeiten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2642,"orig":"Gethan geſchehn!","norm":"Getan geschehen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2643,"orig":"Geſchehn gethan!","norm":"Geschehen getan!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2644,"orig":"Verleg’ ſie ſich auf Neuigkeiten, Nur Neuigkeiten ziehn uns an.","norm":"Verlege sie sich auf Neuigkeiten, nur Neuigkeiten ziehen uns an."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2645,"orig":"Daß ich mich nur nicht ſelbſt vergeſſe!","norm":"Dass ich mich nur nicht selbst vergesse!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2646,"orig":"Heiß’ ich mir das doch eine Meſſe!","norm":"Heiße ich mir das doch eine Messe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2647,"orig":"Der ganze Strudel ſtrebt nach oben;","norm":"Der ganze Strudel strebt nach oben;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2648,"orig":"Du glaubſt zu ſchieben und du wirſt geſchoben.","norm":"Du glaubst zu schieben und du wirst geschoben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2649,"orig":"Wer iſt denn das?","norm":"Wer ist denn das?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2650,"orig":"Betrachte ſie genau!","norm":"Betrachte sie genau!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2651,"orig":"Lilith iſt das.","norm":"Lilith ist das."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2652,"orig":"Wer?","norm":"Wer?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2653,"orig":"Adams erſte Frau.","norm":"Adams erste Frau."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2654,"orig":"Nimm dich in Acht vor ihren ſchoͤnen Haaren, Vor dieſem Schmuck, mit dem ſie einzig prangt.","norm":"Nimm dich in Acht vor ihren schönen Haaren, vor diesem Schmuck, mit dem sie einzig prangt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2655,"orig":"Wenn ſie damit den jungen Mann erlangt, So laͤßt ſie ihn ſobald nicht wieder fahren.","norm":"Wenn sie damit den jungen Mann erlangt, so lässt sie ihn so bald nicht wieder fahren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2656,"orig":"Da ſitzen zwey, die alte mit der jungen;","norm":"Da sitzen zwei, die Alte mit der Jungen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2657,"orig":"Die haben ſchon was rechts geſprungen!","norm":"Die haben schon was Rechts gesprungen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2658,"orig":"Das hat nun heute keine Ruh.","norm":"Das hat nun heute keine Ruhe."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2659,"orig":"Es geht zum neuen Tanz, nun komm!","norm":"Es geht zum neuen Tanz, nun komme!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2660,"orig":"wir greifen zu.","norm":"wir greifen zu."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2661,"orig":"Einſt hatt’ ich einen ſchoͤnen Traum;","norm":"Einst hatte ich einen schönen Traum;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2662,"orig":"Da ſah ich einen Apfelbaum, Zwey ſchoͤne Aepfel glaͤnzten dran, Sie reizten mich, ich ſtieg hinan.","norm":"Da sah ich einen Apfelbaum, Zwei schöne Äpfel glänzten dran, Sie reizten mich, ich stieg hinan."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2663,"orig":"Der Aepfelchen begehrt ihr ſehr Und ſchon vom Paradieſe her.","norm":"Der Äpfelchen begehrt ihr sehr Und schon vom Paradiese her."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2664,"orig":"Von Freuden fuͤhl’ ich mich bewegt, Daß auch mein Garten ſolche traͤgt.","norm":"Von Freuden fühle ich mich bewegt, dass auch mein Garten solche trägt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2665,"orig":"Einſt hatt’ ich einen wuͤſten Traum;","norm":"Einst hatte ich einen wüsten Traum;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2666,"orig":"Da ſah’ ich einen geſpaltnen Baum, Der hatt’ ein — — —;","norm":"Da sah ich einen gespaltenen Baum, der hatte ein — — —;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2667,"orig":"So — es war, gefiel mir’s doch.","norm":"So — es war, gefiel mir es doch."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2668,"orig":"Ich biete meinen beſten Gruß Dem Ritter mit dem Pferdefuß!","norm":"Ich biete meinen besten Gruß dem Ritter mit dem Pferdefuß!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2669,"orig":"Halt’ er einen — — bereit, Wenn er — — — nicht ſcheut.","norm":"Halte er einen — — bereit, wenn er — — — nicht scheut."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2670,"orig":"Verfluchtes Volk!","norm":"Verfluchtes Volk!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2671,"orig":"was unterſteht ihr euch?","norm":"was untersteht ihr euch?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2672,"orig":"Hat man euch lange nicht bewieſen?","norm":"Hat man euch lange nicht bewiesen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2673,"orig":"Ein Geiſt ſteht nie auf ordentlichen Fuͤßen;","norm":"Ein Geist steht nie auf ordentlichen Füßen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2674,"orig":"Nun tanzt ihr gar, uns andern Menſchen gleich!","norm":"Nun tanzt ihr gar, uns anderen Menschen gleich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2675,"orig":"Was will denn der auf unſerm Ball?","norm":"Was will denn der auf unserem Ball?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2676,"orig":"Ey!","norm":"Ei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2677,"orig":"der iſt eben uͤberall.","norm":"der ist eben überall."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2678,"orig":"Was andre tanzen muß er ſchaͤtzen.","norm":"Was andere tanzen muss er schätzen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2679,"orig":"Kann er nicht jeden Schritt beſchwaͤtzen;","norm":"Kann er nicht jeden Schritt beschwätzen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2680,"orig":"So iſt der Schritt ſo gut als nicht geſchehn.","norm":"So ist der Schritt so gut als nicht geschehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2681,"orig":"Am meiſten aͤrgert ihn, ſobald wir vorwaͤrts gehn.","norm":"Am meisten ärgert ihn, sobald wir vorwärtsgehn."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2682,"orig":"Wenn ihr euch ſo im Kreiſe drehen wolltet, Wie er’s in ſeiner alten Muͤhle thut, Das hieß er allenfalls noch gut;","norm":"Wenn ihr euch so im Kreise drehen wolltet, wie er das in seiner alten Mühle tut, das hieß er allenfalls noch gut;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2683,"orig":"Beſonders wenn ihr ihn darum begruͤßen ſolltet.","norm":"Besonders wenn ihr ihn darum begrüßen solltet."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2684,"orig":"Ihr ſeyd noch immer da!","norm":"Ihr seid noch immer da!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2685,"orig":"nein das iſt unerhoͤrt.","norm":"Nein das ist unerhört."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2686,"orig":"Verſchwindet doch!","norm":"Verschwindet doch!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2687,"orig":"Wir haben ja aufgeklaͤrt.","norm":"Wir haben ja aufgeklärt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2688,"orig":"Das Tenfelspack es fragt nach keiner Regel.","norm":"Das Teufelspack es fragt nach keiner Regel."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2689,"orig":"Wir ſind ſo klug und dennoch ſpukt’s in Tegel.","norm":"Wir sind so klug und dennoch spukt es in Tegel."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2690,"orig":"Wie lange hab’ ich nicht am Wahn hinausgekehrt Und nie wird’s rein, das iſt doch unerhoͤrt!","norm":"Wie lange habe ich nicht am Wahn hinausgekehrt und nie wird es rein, das ist doch unerhört!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2691,"orig":"So hoͤrt doch auf uns hier zu ennuyiren!","norm":"So hört doch auf uns hier zu ennuyieren!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2692,"orig":"Ich ſag’s euch Geiſtern in’s Geſicht, Den Geiſtesdespotismus leid’ ich nicht;","norm":"Ich sage es euch Geistern ins Gesicht, den Geistesdespotismus leide ich nicht;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2693,"orig":"Mein Geiſt kann ihn nicht exerziren.","norm":"Mein Geist kann ihn nicht exerzieren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2694,"orig":"Heut, ſeh’ ich, will mir nichts gelingen, Doch eine Reiſe nehm’ ich immer mit Und hoffe noch, vor meinem letzten Schritt, Die Teufel und die Dichter zu bezwingen.","norm":"Heute, sehe ich, will mir nichts gelingen, doch eine Reise nehme ich immer mit Und hoffe noch, vor meinem letzten Schritt, die Teufel und die Dichter zu bezwingen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2695,"orig":"Er wird ſich gleich in eine Pfuͤtze ſetzen, Das iſt die Art wie er ſich ſoulagirt, Und wenn Blutegel ſich an ſeinem Steiß ergoͤtzen, Iſt er von Geiſtern und von Geiſt kurirt.","norm":"Er wird sich gleich in eine Pfütze setzen, das ist die Art wie er sich soulagiert, und wenn Blutegel sich an seinem Steiß ergötzen, ist er von Geistern und von Geist kuriert."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2696,"orig":"Was laͤſſeſt du das ſchoͤne Maͤdchen fahren?","norm":"Was lässt du das schöne Mädchen fahren?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2697,"orig":"Das dir zum Tanz ſo lieblich ſang.","norm":"Das dir zum Tanz so lieblich sang."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2698,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2699,"orig":"mitten im Geſange ſprang Ein rothes Maͤuschen ihr aus dem Munde.","norm":"mitten im Gesange sprang ein rotes Mäuschen ihr aus dem Munde."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2700,"orig":"Das iſt was rechts!","norm":"Das ist was Rechts!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2701,"orig":"Das nimmt man nicht genau.","norm":"Das nimmt man nicht genau."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2702,"orig":"Genug die Maus war doch nicht grau.","norm":"Genug die Maus war doch nicht grau."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2703,"orig":"Wer fragt darnach in einer Schaͤferſtunde?","norm":"Wer fragt danach in einer Schäferstunde?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2704,"orig":"Dann ſah’ ich —","norm":"Dann sah ich —"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2705,"orig":"Was?","norm":"Was?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2706,"orig":"Mephiſto ſiehſt du dort Ein blaſſes, ſchoͤnes Kind allein und ferne ſtehen?","norm":"Mephisto siehst du dort Ein blasses, schönes Kind allein und ferne stehen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2707,"orig":"Sie ſchiebt ſich langſam nur vom Ort, Sie ſcheint mit geſchloßnen Fuͤßen zu gehen.","norm":"Sie schiebt sich langsam nur vom Ort, Sie scheint mit geschlossenen Füßen zu gehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2708,"orig":"Ich muß bekennen, daß mir daͤucht, Daß ſie dem guten Gretchen gleicht.","norm":"Ich muss bekennen, dass mir deucht, dass sie dem guten Gretchen gleicht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2709,"orig":"Laß das nur ſtehn!","norm":"Lass das nur stehen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2710,"orig":"dabey wird’s niemand wohl.","norm":"dabei wird es niemand wohl."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2711,"orig":"Es iſt ein Zauberbild, iſt leblos, ein Idol.","norm":"Es ist ein Zauberbild, ist leblos, ein Idol."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2712,"orig":"Ihm zu begegnen iſt nicht gut, Vom ſtarren Blick erſtarrt des Menſchen Blut, Und er wird faſt in Stein verkehrt, Von der Meduſe haſt du ja gehoͤrt.","norm":"Ihm zu begegnen ist nicht gut, vom starren Blick erstarrt des Menschen Blut, und er wird fast in Stein verkehrt, von der Meduse hast du ja gehört."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2713,"orig":"Fuͤrwahr es ſind die Augen eines Todten, Die eine liebende Hand nicht ſchloß.","norm":"Fürwahr es sind die Augen eines Toten, die eine liebende Hand nicht schloss."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2714,"orig":"Das iſt die Bruſt, die Gretchen mir geboten, Das iſt der ſuͤße Leib, den ich genoß.","norm":"Das ist die Brust, die Gretchen mir geboten, das ist der süße Leib, den ich genoss."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2715,"orig":"Das iſt die Zauberey, du leicht verfuͤhrter Thor!","norm":"Das ist die Zauberei, du leicht verführter Tor!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2716,"orig":"Denn jedem kommt ſie wie ſein Liebchen vor.","norm":"Denn jedem kommt sie wie sein Liebchen vor."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2717,"orig":"Welch eine Wonne!","norm":"Welch eine Wonne!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2718,"orig":"welch ein Leiden!","norm":"welch ein Leiden!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2719,"orig":"Ich kann von dieſem Blick nicht ſcheiden.","norm":"Ich kann von diesem Blick nicht scheiden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2720,"orig":"Wie ſonderbar muß dieſen ſchoͤnen Hals Ein einzig rothes Schnuͤrchen ſchmuͤcken, Nicht breiter als ein Meſſerruͤcken!","norm":"Wie sonderbar muss diesen schönen Hals ein einzig rotes Schnürchen schmücken, nicht breiter als ein Messerrücken!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2721,"orig":"Ganz recht!","norm":"Ganz recht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2722,"orig":"ich ſeh’ es ebenfalls.","norm":"ich sehe es ebenfalls."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2723,"orig":"Sie kann das Haupt auch unterm Arme tragen;","norm":"Sie kann das Haupt auch unterm Arme tragen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2724,"orig":"Denn Perſeus hat’s ihr abgeſchlagen.","norm":"Denn Perseus hat es ihr abgeschlagen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2725,"orig":"Nur immer dieſe Luſt zum Wahn!","norm":"Nur immer diese Lust zum Wahn!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2726,"orig":"Komm doch das Huͤgelchen heran, Hier iſt’s ſo luſtig wie im Prater;","norm":"Komme doch das Hügelchen heran, hier ist es so lustig wie im Prater;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2727,"orig":"Und hat man mir’s nicht angethan, So ſeh’ ich wahrlich ein Theater.","norm":"Und hat man mir es nicht angetan, so sehe ich wahrlich ein Theater."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2728,"orig":"Was giebt’s denn da?","norm":"Was gibt es denn da?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2729,"orig":"Gleich faͤngt man wieder an.","norm":"Gleich fängt man wieder an."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2730,"orig":"Ein neues Stuͤck, das letzte Stuͤck von ſieben, Soviel zu geben iſt allhier der Brauch.","norm":"Ein neues Stück, das letzte Stück von sieben, Soviel zu geben ist allhier der Brauche."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2731,"orig":"Ein Dilettant hat es geſchrieben, Und Dilettanten ſpielen’s auch.","norm":"Ein Dilettant hat es geschrieben, und Dilettanten spielen es auch."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2732,"orig":"Verzeiht ihr Herrn, wenn ich verſchwinde;","norm":"Verzeiht ihr Herrn, wenn ich verschwinde;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2733,"orig":"Mich dilettirt’s den Vorhang aufzuziehn.","norm":"Mich dilettiert es den Vorhang aufzuziehen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2734,"orig":"Wenn ich euch auf dem Blocksberg finde, Das find’ ich gut; denn da gehoͤrt ihr hin.","norm":"Wenn ich euch auf dem Blocksberg finde, das finde ich gut; denn da gehört ihr hin."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2735,"orig":"Heute ruhen wir einmal Miedings wackre Soͤhne.","norm":"Heute ruhen wir einmal Miedings wackere Söhne."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2736,"orig":"Alter Berg und feuchtes Thal, Das iſt die ganze Scene!","norm":"Alter Berg und feuchtes Tal, das ist die ganze Szene!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2737,"orig":"Daß die Hochzeit golden ſey Soll’n funfzig Jahr ſeyn voruͤber;","norm":"Dass die Hochzeit golden sei sollen fünfzig Jahr sein vorüber;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2738,"orig":"Aber iſt der Streit vorbey, Das golden iſt mir lieber.","norm":"Aber ist der Streit vorbei, das Golden ist mir lieber."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2739,"orig":"Seyd ihr Geiſter wo ich bin, So zeigt’s in dieſen Stunden;","norm":"Seid ihr Geister wo ich bin, so zeigt es in diesen Stunden;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2740,"orig":"Koͤnig und die Koͤniginn, Sie ſind auf’s neu verbunden.","norm":"König und die Königin, Sie sind aufs neu verbunden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2741,"orig":"Kommt der Puck und dreht ſich queer Und ſchleift den Fuß im Reihen, Hundert kommen hinterher Sich auch mit ihm zu freuen.","norm":"Kommt der Puck und dreht sich quer Und schleift den Fuß im Reihen, Hundert kommen hinterher sich auch mit ihm zu freuen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2742,"orig":"Ariel bewegt den Sang In himmliſch reinen Toͤnen, Viele Fratzen lockt ſein Klang, Doch lockt er auch die Schoͤnen.","norm":"Ariel bewegt den Sang in himmlisch reinen Tönen, viele Fratzen lockt sein Klang, doch lockt er auch die Schönen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2743,"orig":"Gatten die ſich vertragen wollen, Lernen’s von uns beyden!","norm":"Gatten die sich vertragen wollen, Lernen es von uns beiden!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2744,"orig":"Wenn ſich zweye lieben ſollen, Braucht man ſie nur zu ſcheiden.","norm":"Wenn sich zweie lieben sollen, Braucht man sie nur zu scheiden."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2745,"orig":"Schmollt der Mann und grillt die Frau, So faßt ſie nur behende, Fuͤhrt mir nach dem Mittag Sie Und Ihn an Nordens Ende.","norm":"Schmollt der Mann und grillt die Frau, so fasst sie nur behände, führt mir nach dem Mittag Sie Und ihn an Nordens Ende."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2746,"orig":"Fliegenſchnauz’ und Muͤckennaſ’, Mit ihren Anverwandten, Froſch im Laub’ und Grill’ im Graſ’ Das ſind die Muſikanten!","norm":"Fliegenschnauze und Mückennase, mit ihren Anverwandten, Frosch im Laub und Grille im Gras das sind die Musikanten!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2747,"orig":"Seht da kommt der Dudelſack!","norm":"Seht da kommt der Dudelsack!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2748,"orig":"Es iſt die Seifenblaſe, Hoͤrt den Schneckeſchnickeſchnack Durch ſeine ſtumpfe Naſe.","norm":"Es ist die Seifenblase, hört den Schneckeschnickeschnack durch seine stumpfe Nase."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2749,"orig":"Spinnenfuß und Kroͤtenbauch Und Fluͤgelchen dem Wichtchen!","norm":"Spinnenfuß und Krötenbauch und Flügelchen dem Wichtchen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2750,"orig":"Zwar ein Thierchen giebt es nicht, Doch glebt es ein Gedichtchen.","norm":"Zwar ein Tierchen gibt es nicht, doch gibt es ein Gedichtchen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2751,"orig":"Kleiner Schritt und hoher Sprung Durch Honigthau und Duͤfte;","norm":"Kleiner Schritt und hoher Sprung durch Honigtau und Düfte;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2752,"orig":"Zwar du trippelſt mir genung, Doch geht’s nicht in die Luͤfte.","norm":"Zwar du trippelst mir genug, doch geht es nicht in die Lüfte."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2753,"orig":"Iſt das nicht Maskeraden-Spott?","norm":"Ist das nicht Maskeraden-Spott?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2754,"orig":"Soll ich den Augen trauen?","norm":"Soll ich den Augen trauen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2755,"orig":"Oberon den ſchoͤnen Gott Auch heute hier zu ſchauen!","norm":"Oberon den schönen Gott auch heute hier zu schauen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2756,"orig":"Keine Klauen, keinen Schwanz!","norm":"Keine Klauen, keinen Schwanz!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2757,"orig":"Doch bleibt es außer Zweifel, So wie die Goͤtter Griechenlands, So iſt auch er ein Teufel.","norm":"Doch bleibt es außer Zweifel, so wie die Götter Griechenlands, so ist auch er ein Teufel."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2758,"orig":"Was ich ergreife das iſt heut Fuͤrwahr nur ſkizzenweiſe;","norm":"Was ich ergreife das ist heute Fürwahr nur skizzenweise;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2759,"orig":"Doch ich bereite mich bey Zeit Zur Italiaͤn’ſchen Reiſe.","norm":"Doch ich bereite mich bei Zeit zur italienischen Reise."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2760,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2761,"orig":"mein Ungluͤck fuͤhrt mich her.","norm":"mein Unglück führt mich her."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2762,"orig":"Wie wird nicht hier geludert!","norm":"Wie wird nicht hier geludert!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2763,"orig":"Und von dem ganzen Hexenheer Sind zweye nur gepudert.","norm":"Und von dem ganzen Hexenheer sind zweie nur gepudert."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2764,"orig":"Der Puder iſt ſo wie der Rock Fuͤr alt’ und graue Weibchen, Drum ſitz’ ich nackt auf meinem Bock Und zeig’ ein derbes Leibchen.","norm":"Der Puder ist so wie der Rock für alte und graue Weibchen, darum sitze ich nackt auf meinem Bock und zeige ein derbes Leibchen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2765,"orig":"Wir haben zu viel Lebensart Um hier mit euch zu maulen;","norm":"Wir haben zu viel Lebensart um hier mit euch zu maulen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2766,"orig":"Doch hoff’ ich, ſollt ihr jung und zart, So wie ihr ſeyd verfaulen.","norm":"Doch hoffe ich, sollt ihr jung und zart, so wie ihr seid verfaulen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2767,"orig":"Fliegenſchnauz’ und Muͤckennaſ’ Umſchwaͤrmt mir nicht die Nackte!","norm":"Fliegenschnauze und Mückennase umschwärmt mir nicht die Nackte!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2768,"orig":"Froſch im Laub’ und Grill’ im Graſ’ So bleibt doch auch im Tacte!","norm":"Frosch im Laub und Grille im Gras so bleibt doch auch im Takte!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2769,"orig":"Geſellſchaft wie man wuͤnſchen kann.","norm":"Gesellschaft wie man wünschen kann."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2770,"orig":"Wahrhaftig lauter Braͤute!","norm":"Wahrhaftig lauter Bräute!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2771,"orig":"Und Junggeſellen, Mann fuͤr Mann, Die hoffnungsvollſten Leute.","norm":"Und Junggesellen, Mann für Mann, die hoffnungsvollsten Leute."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2772,"orig":"Und thut ſich nicht der Boden auf Sie alle zu verſchlingen, So will ich mit behendem Lauf Gleich in die Hoͤlle ſpringen.","norm":"Und tut sich nicht der Boden auf Sie alle zu verschlingen, so will ich mit behändem Lauf gleich in die Hölle springen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2773,"orig":"Als Inſekten ſind wir da, Mit kleinen ſcharfen Scheren, Satan unſern Herrn Papa, Nach Wuͤrden zu verehren.","norm":"Als Insekten sind wir da, mit kleinen scharfen Scheren, Satan unseren Herrn Papa, nach Würden zu verehren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2774,"orig":"Seht!","norm":"Seht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2775,"orig":"wie ſie in gedraͤngter Schaar Naiv zuſammen ſcherzen.","norm":"wie sie in gedrängter Schar naiv zusammen scherzen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2776,"orig":"Am Ende ſagen ſie noch gar, Sie haͤtten gute Herzen.","norm":"Am Ende sagen sie noch gar, Sie hätten gute Herzen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2777,"orig":"Ich mag in dieſem Hexenheer Mich gar zu gern verlieren;","norm":"Ich mag in diesem Hexenheer mich gar zu gern verlieren;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2778,"orig":"Denn freylich dieſe wuͤßt’ ich eh’r, Als Muſen anzufuͤhren.","norm":"Denn freilich diese wüsst ich eher, als Musen anzuführen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2779,"orig":"Mit rechten Leuten wird man was.","norm":"Mit rechten Leuten wird man was."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2780,"orig":"Komm faſſe meinen Zipfel!","norm":"Komme fasse meinen Zipfel!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2781,"orig":"Der Blocksberg, wie der deutſche Parnaß, Hat gar einen breiten Gipfel.","norm":"Der Blocksberg, wie der deutsche Parnass, hat gar einen breiten Gipfel."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2782,"orig":"Sagt wie heißt der ſteife Mann?","norm":"Sagt wie heißt der steife Mann?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2783,"orig":"Er geht mit ſtolzen Schritten.","norm":"Er geht mit stolzen Schritten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2784,"orig":"Er ſchnopert was er ſchnopern kann.","norm":"Er schnopert was er schnopern kann."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2785,"orig":"“ Er ſpuͤrt nach Jeſuiten.","norm":"“ Er spürt nach Jesuiten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2786,"orig":"”","norm":"”"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2787,"orig":"In dem Klaren mag ich gern Und auch im Truͤben fiſchen, Darum ſeht ihr den frommen Herrn Sich auch mit Teufeln miſchen.","norm":"In dem Klaren mag ich gern Und auch im Trüben fischen, darum seht ihr den frommen Herrn Sich auch mit Teufeln mischen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2788,"orig":"Ja fuͤr die Frommen, glaubet mir, Iſt alles ein Vehikel, Sie bilden auf dem Blocksberg hier Gar manches Conventikel.","norm":"Ja für die Frommen, glaubet mir, ist alles ein Vehikel, Sie bilden auf dem Blocksberg hier Gar manches Konventikel."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2789,"orig":"Da kommt ja wohl ein neues Chor?","norm":"Da kommt ja wohl ein neues Chor?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2790,"orig":"Ich hoͤre ferne Trommeln.","norm":"Ich höre ferne Trommeln."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2791,"orig":"Nur ungeſtoͤrt!","norm":"Nur ungestört!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2792,"orig":"es ſind im Rohr Die uniſonen Dommeln.","norm":"es sind im Rohr die unisonen Dommeln."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2793,"orig":"Ich laſſe mich nicht irre ſchreyn, Nicht durch Critik noch Zweifel.","norm":"Ich lasse mich nicht irreschreien, nicht durch Kritik noch Zweifel."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2794,"orig":"Der Teufel muß doch etwas ſeyn;","norm":"Der Teufel muss doch etwas sein;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2795,"orig":"Wie gaͤb’s denn ſonſt auch Teufel?","norm":"Wie gäbe es denn sonst auch Teufel?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2796,"orig":"Die Phantaſie in meinem Sinn Iſt dießmal gar zu herriſch.","norm":"Die Phantasie in meinem Sinn ist diesmal gar zu herrisch."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2797,"orig":"Fuͤrwahr, wenn ich das alles bin, So bin ich heute naͤrriſch.","norm":"Fürwahr, wenn ich das alles bin, so bin ich heute närrisch."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2798,"orig":"Das Weſen iſt mir recht zur Qual Und muß mich baß verdrießen;","norm":"Das Wesen ist mir recht zur Qual und muss mich bass verdrießen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2799,"orig":"Ich ſtehe hier zum erſtenmal Nicht feſt auf meinen Fuͤßen.","norm":"Ich stehe hier zum ersten Mal nicht fest auf meinen Füßen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2800,"orig":"Mit viel Vergnuͤgen bin ich da Und freue mich mit dieſen;","norm":"Mit viel Vergnügen bin ich da Und freue mich mit diesen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2801,"orig":"Denn von den Teufeln kann ich ja Auf gute Geiſter ſchließen.","norm":"Denn von den Teufeln kann ich ja Auf gute Geister schließen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2802,"orig":"Sie gehn den Flaͤmmchen auf der Spur, Und glaub’n ſich nah dem Schatze.","norm":"Sie gehen den Flämmchen auf der Spur, und glauben sich nah dem Schatze."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2803,"orig":"Auf Teufel reimt der Zweifel nur, Da bin ich recht am Platze.","norm":"Auf Teufel reimt der Zweifel nur, da bin ich recht am Platze."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2804,"orig":"Froſch im Laub’ und Grill’ im Graſ’ Verfluchte Dilettanten!","norm":"Frosch im Laub und Grille im Gras Verfluchte Dilettanten!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2805,"orig":"Fliegenſchnauz’ und Muͤckennaſ’ Ihr ſeyd doch Muſikanten!","norm":"Fliegenschnauze und Mückennase Ihr seid doch Musikanten!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2806,"orig":"Sansſonci ſo heißt das Heer Von luſtigen Geſchoͤpfen, Auf den Fuͤßen geht’s nicht mehr, Drum gehn wir auf den Koͤpfen.","norm":"Sanssouci so heißt das Heer von lustigen Geschöpfen, auf den Füßen geht es nicht mehr, darum gehen wir auf den Köpfen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2807,"orig":"Sonſt haben wir manchen Biſſen erſchranzt, Nun aber Gott befohlen!","norm":"Sonst haben wir manchen Bissen erschranzt, nun aber Gott befohlen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2808,"orig":"Unſere Schuhe ſind durchgetanzt, Wir laufen auf nackten Sohlen.","norm":"Unsere Schuhe sind durchgetanzt, wir laufen auf nackten Sohlen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2809,"orig":"Von dem Sumpfe kommen wir, Woraus wir erſt entſtanden;","norm":"Von dem Sumpfe kommen wir, woraus wir erst entstanden;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2810,"orig":"Doch ſind wir gleich im Reihen hier Die glaͤnzenden Galanten.","norm":"Doch sind wir gleich im Reihen hier die glänzenden Galanten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2811,"orig":"Aus der Hoͤhe ſchoß ich her Im Stern- und Feuerſcheine, Liege nun im Graſe quer, Wer hilft mir auf die Beine?","norm":"Aus der Höhe schoss ich her Im Stern- und Feuerscheine, Liege nun im Grase quer, wer hilft mir auf die Beine?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2812,"orig":"Platz und Platz!","norm":"Platz und Platz!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2813,"orig":"und ringsherum!","norm":"und ringsherum!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2814,"orig":"So gehn die Graͤschen nieder, Geiſter kommen, Geiſter auch Sie haben plumpe Glieder.","norm":"So gehen die Gräschen nieder, Geister kommen, Geister auch Sie haben plumpe Glieder."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2815,"orig":"Tretet nicht ſo maſtig auf Wie Elephantenkaͤlber, Und der plumpſt’ an dieſem Tag Sey Puck der derbe ſelber.","norm":"Tretet nicht so mastig auf wie Elefantenkälber, und der plumpste an diesem Tag Sei Puck der Derbe selber."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2816,"orig":"Gab die liebende Natur Gab der Geiſt euch Fluͤgel, Folget meiner leichten Spur, Auf zum Roſenhuͤgel!","norm":"Gab die liebende Natur Gab der Geist euch Flügel, Folget meiner leichten Spur, auf zum Rosenhügel!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2817,"orig":"Wolkenzug und Nebelflor Erhellen ſich von oben.","norm":"Wolkenzug und Nebelflor Erhellen sich von oben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2818,"orig":"Luft im Laub und Wind im Rohr, Und alles iſt zerſtoben.","norm":"Luft im Laub und Wind im Rohr, und alles ist zerstoben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2819,"orig":"Im Elend!","norm":"Im Elend!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2820,"orig":"Verzweifelnd!","norm":"Verzweifelnd!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2821,"orig":"Erbaͤrmlich auf der Erde lange verirrt und nun gefangen!","norm":"Erbärmlich auf der Erde lange verirrt und nun gefangen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2822,"orig":"Als Miſſethaͤterinn im Kerker zu entſetzlichen Qualen eingeſperrt das holde unſelige Geſchoͤpf!","norm":"Als Missetäterin im Kerker zu entsetzlichen Qualen eingesperrt das holde unselige Geschöpf!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2823,"orig":"Bis dahin!","norm":"Bis dahin!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2824,"orig":"dahin!","norm":"dahin!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2825,"orig":"— Verraͤthriſcher, nichtswuͤrdiger Geiſt, und das haſt du mir verheimlicht!","norm":"— Verräterischer, nichtswürdiger Geist, und das hast du mir verheimlicht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2826,"orig":"— Steh nur, ſteh!","norm":"— Stehe nur, stehe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2827,"orig":"waͤlze die teufliſchen Augen ingrimmend im Kopf herum!","norm":"Wälze die teuflischen Augen ingrimmend im Kopf herum!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2828,"orig":"Steh und trutze mir durch deine unertraͤgliche Gegenwart!","norm":"Stehe und trutze mir durch deine unerträgliche Gegenwart!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2829,"orig":"Gefangen!","norm":"Gefangen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2830,"orig":"Im unwiederbringlichen Elend!","norm":"Im unwiederbringlichen Elend!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2831,"orig":"Boͤſen Geiſtern uͤbergeben und der richtenden gefuͤhlloſen Menſchheit!","norm":"Bösen Geistern übergeben und der richtenden gefühllosen Menschheit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2832,"orig":"Und mich wiegſt du indeß in abgeſchmackten Zerſtreuungen, verbirgſt mir ihren wachſenden Jammer und laͤſſeſt ſie huͤlflos verderben!","norm":"Und mich wiegst du indes in abgeschmackten Zerstreuungen, verbirgst mir ihren wachsenden Jammer und lässt sie hilflos verderben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2833,"orig":"Sie iſt die erſte nicht.","norm":"Sie ist die Erste nicht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2834,"orig":"Hund!","norm":"Hund!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2835,"orig":"abſcheuliches Unthier!","norm":"abscheuliches Untier!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2836,"orig":"— Wandle ihn, du unendlicher Geiſt!","norm":"— Wandle ihn, du unendlicher Geist!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2837,"orig":"wandle den Wurm wieder in ſeine Hundsgeſtalt, wie er ſich oft naͤchtlicher Weiſe gefiel vor mir herzutrotten, dem harmloſen Wandrer vor die Fuͤße zu kollern und ſich dem niederſtuͤrzenden auf die Schultern zu haͤngen.","norm":"Wandle den Wurm wieder in seine Hundsgestalt, wie er sich oft nächtlicherweise gefiel vor mir herzutrotten, dem harmlosen Wanderer vor die Füße zu kollern und sich dem niederstürzenden auf die Schultern zu hängen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2838,"orig":"Wandl’ ihn wieder in ſeine Lieblingsbildung, daß er vor mir im Sand auf dem Bauch krieche, ich ihn mit Fuͤßen trete, den Verworfnen!","norm":"Wandle ihn wieder in seine Lieblingsbildung, dass er vor mir im Sand auf dem Bauch krieche, ich ihn mit Füßen trete, den Verworfenen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2839,"orig":"— die erſte nicht!","norm":"— Die Erste nicht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2840,"orig":"— Jammer!","norm":"— Jammer!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2841,"orig":"Jammer!","norm":"Jammer!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2842,"orig":"von keiner Menſchenſeele zu faſſen, daß mehr als ein Geſchoͤpf in die Tiefe dieſes Elendes verſank, daß nicht das erſte genugthat fuͤr die Schuld aller uͤbrigen in ſeiner windenden Todesnoth vor den Augen des ewig Verzeihenden!","norm":"von keiner Menschenseele zu fassen, dass mehr als ein Geschöpf in die Tiefe dieses Elendes versank, dass nicht das erste genugtat für die Schuld aller übrigen in seiner windenden Todesnot vor den Augen des ewig Verzeihenden!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2843,"orig":"Mir wuͤhlt es Mark und Leben durch das Elend dieſer einzigen, du grinſeſt gelaſſen uͤber das Schickſal von Tauſenden hin.","norm":"Mir wühlt es Mark und Leben durch das Elend dieser Einzigen, du grinsest gelassen über das Schicksal von Tausenden hin."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2844,"orig":"Nun ſind wir ſchon wieder an der Graͤnze unſres Witzes, da wo euch Menſchen der Sinn uͤberſchnappt.","norm":"Nun sind wir schon wieder an der Grenze unseres Witzes, da wo euch Menschen der Sinn überschnappt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2845,"orig":"Warum machſt du Gemeinſchaft mit uns, wenn du ſie nicht durchfuͤhren kannſt?","norm":"Warum machst du Gemeinschaft mit uns, wenn du sie nicht durchführen kannst?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2846,"orig":"Willſt fliegen und biſt vorm Schwindel nicht ſicher?","norm":"Willst fliegen und bist vorm Schwindel nicht sicher?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2847,"orig":"Drangen wir uns dir auf, oder du dich uns?","norm":"Drangen wir uns dir auf, oder du dich uns?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2848,"orig":"Fletſche deine gefraͤßigen Zaͤhne mir nicht ſo entgegen!","norm":"Fletsche deine gefräßigen Zähne mir nicht so entgegen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2849,"orig":"Mir eckelts!","norm":"Mir ekelt es!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2850,"orig":"— Großer herrlicher Geiſt, der du mir zu erſcheinen wuͤrdigteſt, der du mein Herz kenneſt und meine Seele, warum an den Schandgeſellen mich ſchmieden?","norm":"— Großer herrlicher Geist, der du mir zu erscheinen würdigtest, der du mein Herz kennest und meine Seele, warum an den Schandgesellen mich schmieden?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2851,"orig":"der ſich am Schaden weidet und am Verderben ſich letzt.","norm":"der sich am Schaden weidet und am Verderben sich letzt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2852,"orig":"Endigſt du?","norm":"Endigst du?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2853,"orig":"Rette ſie!","norm":"Rette sie!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2854,"orig":"oder weh dir!","norm":"oder weh dir!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2855,"orig":"den graͤßlichſten Fluch uͤber dich auf Jahrtauſende!","norm":"Den grässlichsten Fluch über dich auf Jahrtausende!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2856,"orig":"Ich kann die Bande des Raͤchers nicht loͤſen, ſeine Riegel nicht oͤffnen.","norm":"Ich kann die Bande des Rächers nicht lösen, seine Riegel nicht öffnen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2857,"orig":"— Rette ſie!","norm":"— Rette sie!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2858,"orig":"— Wer war’s, der ſie ins Verderben ſtuͤrzte?","norm":"— Wer war es, der sie ins Verderben stürzte?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2859,"orig":"Ich oder du?","norm":"Ich oder du?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2860,"orig":"Greifſt du nach dem Donner?","norm":"Greifst du nach dem Donner?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2861,"orig":"Wohl, daß er euch elenden Sterblichen nicht gegeben ward!","norm":"Wohl, dass er euch elenden Sterblichen nicht gegeben wurde!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2862,"orig":"Den unſchuldig entgegnenden zu zerſchmettern, das iſt ſo Tyrannen-Art ſich in Verlegenheiten Luft zu machen.","norm":"Den unschuldig Entgegnenden zu zerschmettern, das ist so Tyrannenart sich in Verlegenheiten Luft zu machen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2863,"orig":"Bringe mich hin!","norm":"Bringe mich hin!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2864,"orig":"Sie ſoll frey ſeyn!","norm":"Sie soll frei sein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2865,"orig":"Und die Gefahr der du dich ausſetzeſt?","norm":"Und die Gefahr der du dich aussetzest?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2866,"orig":"Wiſſe, noch liegt auf der Stadt Blutſchuld von deiner Hand.","norm":"Wisse, noch liegt auf der Stadt Blutschuld von deiner Hand."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2867,"orig":"Ueber des Erſchlagenen Staͤtte ſchweben raͤchende Geiſter und lauern auf den wiederkehrenden Moͤrder.","norm":"Über des erschlagenen Stätte schweben rächende Geister und lauern auf den wiederkehrenden Mörder."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2868,"orig":"Noch das von dir?","norm":"Noch das von dir?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2869,"orig":"Mord und Tod einer Welt uͤber dich Ungeheuer!","norm":"Mord und Tod einer Welt über dich Ungeheuer!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2870,"orig":"Fuͤhre mich hin, ſag’ ich, und befrey ſie!","norm":"Führe mich hin, sage ich, und befreie sie!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2871,"orig":"Ich fuͤhre dich und was ich thun kann, hoͤre!","norm":"Ich führe dich und was ich tun kann, höre!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2872,"orig":"Habe ich alle Macht im Himmel und auf Erden?","norm":"Habe ich alle Macht im Himmel und auf Erden?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2873,"orig":"Des Thuͤrners Sinne will ich umnebeln, bemaͤchtige dich der Schluͤſſel und fuͤhre ſie heraus mit Menſchenhand.","norm":"Des Türners Sinne will ich umnebeln, bemächtige dich der Schlüssel und führe sie heraus mit Menschenhand."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2874,"orig":"Ich wache!","norm":"Ich wache!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2875,"orig":"die Zauberpferde ſind bereit, ich entfuͤhre euch.","norm":"die Zauberpferde sind bereit, ich entführe euch."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2876,"orig":"Das vermag ich!","norm":"Das vermag ich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2877,"orig":"Auf und dapon!","norm":"Auf und davon!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2878,"orig":"Was weben die dort um den Rabenſtein?","norm":"Was weben die dort um den Rabenstein?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2879,"orig":"Weiß nicht was ſie kochen und ſchaffen.","norm":"Weiß nicht was sie kochen und schaffen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2880,"orig":"Schweben auf, ſchweben ab, neigen ſich, beugen ſich.","norm":"Schweben auf, schweben ab, neigen sich, beugen sich."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2881,"orig":"Eine Hexenzunft.","norm":"Eine Hexenzunft."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2882,"orig":"Sie ſtreuen und weihen.","norm":"Sie streuen und weihen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2883,"orig":"Vorbey!","norm":"Vorbei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2884,"orig":"Vorbey!","norm":"Vorbei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2885,"orig":"Mich faßt ein laͤngſt entwohnter Schauer, Der Menſchheit ganzer Jammer faßt mich an.","norm":"Mich fasst ein längst entwohnter Schauer, der Menschheit ganzer Jammer fasst mich an."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2886,"orig":"Hier wohnt ſie hinter dieſer feuchten Mauer, Und ihr Verbrechen war ein guter Wahn!","norm":"Hier wohnt sie hinter dieser feuchten Mauer, und ihr Verbrechen war ein guter Wahn!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2887,"orig":"Du zauderſt zu ihr zu gehen!","norm":"Du zauderst zu ihr zu gehen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2888,"orig":"Du fuͤrchteſt ſie wieder zu ſehen!","norm":"Du fürchtest sie wiederzusehen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2889,"orig":"Fort!","norm":"Fort!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2890,"orig":"dein Zagen zoͤgert den Tod heran.","norm":"Dein Zagen zögert den Tod heran."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2891,"orig":"Meine Mutter, die Hur, Die mich umgebracht hat!","norm":"Meine Mutter, die Hure, die mich umgebracht hat!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2892,"orig":"Mein Vater, der Schelm, Der mich geſſen hat!","norm":"Mein Vater, der Schelm, der mich vergessen hat!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2893,"orig":"Mein Schweſterlein klein Hub auf die Bein, An einem kuͤhlen Ort;","norm":"Mein Schwesterlein klein hob auf die Beine, an einem kühlen Ort;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2894,"orig":"Da ward ich ein ſchoͤnes Waldvoͤgelein, Fliege fort, fliege fort!","norm":"Da wurde ich ein schönes Waldvögelein, Fliege fort, fliege fort!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2895,"orig":"Sie ahndet nicht, daß der Geliebte lauſcht, Die Ketten klirren hoͤrt, das Stroh das ranſcht.","norm":"Sie ahnet nicht, dass der Geliebte lauscht, die Ketten klirren hört, das Stroh das rauscht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2896,"orig":"Weh!","norm":"Weh!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2897,"orig":"Weh!","norm":"Weh!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2898,"orig":"Sie kommen.","norm":"Sie kommen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2899,"orig":"Bittrer Tod!","norm":"Bittrer Tod!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2900,"orig":"Still!","norm":"Still!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2901,"orig":"Still!","norm":"Still!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2902,"orig":"ich komme dich zu befreyen.","norm":"ich komme dich zu befreien."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2903,"orig":"Biſt du ein Menſch, ſo fuͤhle meine Noth.","norm":"Bist du ein Mensch, so fühle meine Not"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2904,"orig":"Du wirſt die Waͤchter aus dem Schlafe ſchreyen!","norm":"Du wirst die Wächter aus dem Schlafe schreien!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2905,"orig":"Wer hat dir Henker dieſe Macht Ueber mich gegeben!","norm":"Wer hat dir Henker diese Macht über mich gegeben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2906,"orig":"Du holſt mich ſchon um Mitternacht.","norm":"Du holst mich schon um Mitternacht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2907,"orig":"Erbarme dich und laß mich leben!","norm":"Erbarme dich und lass mich leben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2908,"orig":"Iſt’s morgen fruͤh nicht zeitig genung?","norm":"Ist es morgen früh nicht zeitig genug?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2909,"orig":"Bin ich doch noch ſo jung, ſo jung!","norm":"Bin ich doch noch so jung, so jung!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2910,"orig":"Und ſoll ſchon ſterben!","norm":"Und soll schon sterben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2911,"orig":"Schoͤn war ich auch, und das war mein Verderben.","norm":"Schön war ich auch, und das war mein Verderben."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2912,"orig":"Nah war der Freund, nun iſt er weit, Zerriſſen liegt der Kranz, die Blumen zerſtreut.","norm":"Nah war der Freund, nun ist er weit, zerrissen liegt der Kranz, die Blumen zerstreut."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2913,"orig":"Faſſe mich nicht ſo gewaltſam an!","norm":"Fasse mich nicht so gewaltsam an!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2914,"orig":"Schone mich!","norm":"Schone mich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2915,"orig":"Was hab’ ich dir gethan?","norm":"Was habe ich dir getan?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2916,"orig":"Laß mich nicht vergebens flehen, Hab’ ich dich doch mein Tage nicht geſehen!","norm":"Lass mich nicht vergebens flehen, Habe ich dich doch mein Tage nicht gesehen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2917,"orig":"Werd’ ich den Jammer uͤberſtehen!","norm":"Werde ich den Jammer überstehen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2918,"orig":"Ich bin nun ganz in deiner Macht.","norm":"Ich bin nun ganz in deiner Macht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2919,"orig":"Laß mich nur erſt das Kind noch traͤnken.","norm":"Lass mich nur erst das Kind noch tränken."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2920,"orig":"Ich herzt’ es dieſe ganze Nacht;","norm":"Ich herzte es diese ganze Nacht;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2921,"orig":"Sie nahmen mir’s um mich zu kraͤnken Und ſagen nun, ich haͤtt’ es umgebracht.","norm":"Sie nahmen mir es um mich zu kränken und sagen nun, ich hätte es umgebracht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2922,"orig":"Und niemals werd’ ich wieder froh.","norm":"Und niemals werde ich wieder froh."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2923,"orig":"Sie ſingen Lieder auf mich!","norm":"Sie singen Lieder auf mich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2924,"orig":"Es iſt boͤs von den Leuten!","norm":"Es ist bös von den Leuten!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2925,"orig":"Ein altes Maͤhrchen endigt ſo, Wer heißt ſie’s deuten?","norm":"Ein altes Märchen endigt so, wer heißt sie es deuten?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2926,"orig":"Ein Liebender liegt dir zu Fuͤßen Die Jammerknechtſchaft aufzuſchließen.","norm":"Ein Liebender liegt dir zu Füßen die Jammerknechtschaft aufzuschließen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2927,"orig":"O laß uns knien die Heil’gen anzurufen!","norm":"O lass uns knien die Heiligen anzurufen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2928,"orig":"Sieh!","norm":"Sieh!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2929,"orig":"unter dieſen Stufen, Unter der Schwelle Siedet die Hoͤlle!","norm":"unter diesen Stufen, Unter der Schwelle siedet die Hölle!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2930,"orig":"Der Boͤſe, Mit furchtbarem Grimme, Macht ein Getoͤſe!","norm":"Der Böse, mit furchtbarem Grimme, Macht ein Getöse!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2931,"orig":"Gretchen!","norm":"Gretchen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2932,"orig":"Gretchen!","norm":"Gretchen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2933,"orig":"Das war des Freundes Stimme!","norm":"Das war des Freundes Stimme!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2934,"orig":"Wo iſt er?","norm":"Wo ist er?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2935,"orig":"ich hab’ ihn rufen hoͤren.","norm":"Ich habe ihn rufen hören."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2936,"orig":"Ich bin frey!","norm":"Ich bin frei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2937,"orig":"mir ſoll niemand wehren.","norm":"Mir soll niemand wehren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2938,"orig":"An ſeinen Hals will ich fliegen, An ſeinem Buſen liegen!","norm":"An seinen Hals will ich fliegen, an seinem Busen liegen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2939,"orig":"Er rief Gretchen!","norm":"Er rief Gretchen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2940,"orig":"Er ſtand auf der Schwelle.","norm":"Er stand auf der Schwelle."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2941,"orig":"Mitten durch’s Heulen und Klappen der Hoͤlle, Durch den grimmigen, teufliſchen Hohn, Erkannt’ ich den ſuͤßen, den liebenden Ton.","norm":"Mitten durchs Heulen und Klappen der Hölle, durch den grimmigen, teuflischen Hohn, erkannte ich den süßen, den liebenden Ton."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2942,"orig":"Ich bin’s!","norm":"Ich bin es!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2943,"orig":"Du biſt’s!","norm":"Du bist es!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2944,"orig":"O ſag’ es noch einmal!","norm":"O sage es noch einmal!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2945,"orig":"Er iſt’s!","norm":"Er ist es!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2946,"orig":"Er iſt’s!","norm":"Er ist es!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2947,"orig":"Wohin iſt alle Qual?","norm":"Wohin ist alle Qual?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2948,"orig":"Wohin die Augſt des Kerkers?","norm":"Wohin die Angst des Kerkers?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2949,"orig":"der Ketten?","norm":"der Ketten?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2950,"orig":"Du biſt’s!","norm":"Du bist es!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2951,"orig":"Kommſt mich zu retten.","norm":"Kommst mich zu retten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2952,"orig":"Ich bin gerettet!","norm":"Ich bin gerettet!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2953,"orig":"— Schon iſt die Straße wieder da, Auf der ich dich zum erſtenmale ſah.","norm":"— Schon ist die Straße wieder da, auf der ich dich zum ersten Male sah."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2954,"orig":"Und der heitere Garten, Wo ich und Marthe deiner warten.","norm":"Und der heitere Garten, wo ich und Marthe deiner warten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2955,"orig":"Komm mit!","norm":"Komme mit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2956,"orig":"Komm mit!","norm":"Komme mit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2957,"orig":"O weile!","norm":"O weile!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2958,"orig":"Weil’ ich doch ſo gern wo du weileſt.","norm":"Weile ich doch so gern wo du weilest."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2959,"orig":"Eile!","norm":"Eile!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2960,"orig":"Wenn du nicht eileſt, Werden wir’s theuer buͤßen muͤſſen.","norm":"Wenn du nicht eilest, Werden wir es teuer büßen müssen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2961,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2962,"orig":"du kannſt nicht mehr kuͤſſen?","norm":"du kannst nicht mehr küssen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2963,"orig":"Mein Freund, ſo kurz von mir entfernt, Und haſt’s Kuͤſſen verlernt?","norm":"Mein Freund, so kurz von mir entfernt, und hast du das Küssen verlernt?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2964,"orig":"Warum wird mir an deinem Halſe ſo bang?","norm":"Warum wird mir an deinem Halse so bang?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2965,"orig":"Wenn ſonſt von deinen Worten, deinen Blicken Ein ganzer Himmel mich uͤberdrang, Und du mich kuͤßteſt als wollteſt du mich erſticken.","norm":"Wenn sonst von deinen Worten, deinen Blicken ein ganzer Himmel mich überdrang, und du mich küsstest als wolltest du mich ersticken."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2966,"orig":"Kuͤſſe mich!","norm":"Küsse mich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2967,"orig":"Sonſt kuͤſſ’ ich dich!","norm":"Sonst küsse ich dich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2968,"orig":"O weh!","norm":"O weh!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2969,"orig":"deine Lippen ſind kalt, Sind ſtumm.","norm":"deine Lippen sind kalt, sind stumm."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2970,"orig":"Wo iſt dein Lieben Geblieben?","norm":"Wo ist dein Lieben geblieben?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2971,"orig":"Wer brachte mich drum?","norm":"Wer brachte mich darum?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2972,"orig":"Komm!","norm":"Komme!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2973,"orig":"Folge mir!","norm":"Folge mir!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2974,"orig":"Liebchen faſſe Muth!","norm":"Liebchen fasse Mut!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2975,"orig":"Ich herze dich mit tauſendfacher Glut, Nur folge mir!","norm":"Ich herze dich mit tausendfacher Glut, nur folge mir!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2976,"orig":"Ich bitte dich nur dieß!","norm":"Ich bitte dich nur dies!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2977,"orig":"Und biſt du’s denn?","norm":"Und bist du es denn?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2978,"orig":"Und biſt du’s auch gewiß.","norm":"Und bist du es auch gewiss."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2979,"orig":"Ich bin’s!","norm":"Ich bin es!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2980,"orig":"Komm mit!","norm":"Komme mit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2981,"orig":"Du machſt die Feſſeln los, Nimmſt wieder mich in deinen Schoos.","norm":"Du machst die Fesseln los, nimmst wieder mich in deinen Schoß."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2982,"orig":"Wie kommt es, daß du dich vor mir nicht ſcheuſt?","norm":"Wie kommt es, dass du dich vor mir nicht scheust?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2983,"orig":"— Und weißt du denn, mein Freund, wen du befreyſt?","norm":"— Und weißt du denn, mein Freund, wen du befreist?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2984,"orig":"Komm!","norm":"Komme!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2985,"orig":"komm!","norm":"komme!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2986,"orig":"ſchon weicht die tiefe Nacht.","norm":"schon weicht die tiefe Nacht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2987,"orig":"Meine Mutter hab’ ich umgebracht, Mein Kind hab’ ich ertraͤnkt.","norm":"Meine Mutter habe ich umgebracht, Mein Kind habe ich ertränkt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2988,"orig":"War es nicht dir und mir geſchenkt?","norm":"War es nicht dir und mir geschenkt?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2989,"orig":"Dir auch — Du biſt’s!","norm":"Dir auch — Du bist es!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2990,"orig":"ich glaub’ es kaum.","norm":"ich glaube es kaum."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2991,"orig":"Gieb deine Hand!","norm":"Gib deine Hand!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2992,"orig":"Es iſt kein Traum!","norm":"Es ist kein Traum!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2993,"orig":"Deine liebe Hand!","norm":"Deine liebe Hand!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2994,"orig":"— Ach aber ſie iſt feucht!","norm":"— Ach aber sie ist feucht!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2995,"orig":"Wiſche ſie ab!","norm":"Wische sie ab!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2996,"orig":"Wie mich daͤucht Iſt Blut dran.","norm":"Wie mich deucht ist Blut dran."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2997,"orig":"Ach Gott!","norm":"Ach Gott!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2998,"orig":"was haſt du gethan!","norm":"was hast du getan!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":2999,"orig":"Stecke den Degen ein, Ich bitte dich drum!","norm":"Stecke den Degen ein, Ich bitte dich darum!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3000,"orig":"Laß das Vergang’ne vergangen ſeyn, Du bringſt mich um.","norm":"Lass das Vergangene vergangen sein, Du bringst mich um."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3001,"orig":"Nein, du mußt uͤbrig bleiben!","norm":"Nein, du musst übrigbleiben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3002,"orig":"Ich will dir die Graͤber beſchreiben, Fuͤr die mußt du ſorgen Gleich morgen;","norm":"Ich will dir die Gräber beschreiben, für die musst du Sorgen gleich morgen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3003,"orig":"Der Mutter den beſten Platz geben, Meinen Bruder ſogleich darneben, Mich ein wenig bey Seit’, Nur nicht gar zu weit!","norm":"Der Mutter den besten Platz geben, Meinen Bruder sogleich darneben, mich ein wenig beiseite, nur nicht gar zu weit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3004,"orig":"Und das Kleine mir an die rechte Bruſt.","norm":"Und das Kleine mir an die rechte Brust."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3005,"orig":"Niemand wird ſonſt bey mir liegen!","norm":"Niemand wird sonst bei mir liegen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3006,"orig":"— Mich an deine Seite zu ſchmiegen Das war ein ſuͤßes, ein holdes Gluͤck!","norm":"— Mich an deine Seite zu schmiegen das war ein süßes, ein holdes Glück!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3007,"orig":"Aber es will mir nicht mehr gelingen, Mir iſt’s als muͤßt’ ich mich zu dir zwingen, Als ßießeſt du mich von dir zuruͤck.","norm":"Aber es will mir nicht mehr gelingen, mir ist es als müsste ich mich zu dir zwingen, als stießest du mich von dir zurück."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3008,"orig":"Und doch biſt du’s und blickſt ſo gut, ſo fromm.","norm":"Und doch bist du es und blickst so gut, so fromm."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3009,"orig":"Fuͤhiſt du daß ich es bin, ſo komm!","norm":"Fühlst du dass ich es bin, so komme!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3010,"orig":"Dahinaus?","norm":"Dahinaus?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3011,"orig":"In’s Freye.","norm":"Ins Freie."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3012,"orig":"Iſt das Grab drauß’, Lauert der Tod; ſo komm!","norm":"Ist das Grab draußen, Lauert der Tod; so komme!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3013,"orig":"Von hier in’s ewige Ruhebett Und weiter keinen Schritt — Du gehſt nun fort?","norm":"Von hier ins ewige Ruhebett und weiter keinen Schritt — Du gehst nun fort?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3014,"orig":"O Heinrich koͤnnt’ ich mit!","norm":"O Heinrich könnte ich mit!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3015,"orig":"Du kannſt!","norm":"Du kannst!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3016,"orig":"So wolle nur!","norm":"So wolle nur!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3017,"orig":"die Thuͤr ſteht offen.","norm":"Die Tür steht offen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3018,"orig":"Ich darf nicht fort; fuͤr mich iſt nichts zu hoffen.","norm":"Ich darf nicht fort; für mich ist nichts zu hoffen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3019,"orig":"Was hilft es fliehn?","norm":"Was hilft es fliehen?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3020,"orig":"ſie lauern doch mir auf.","norm":"sie lauern doch mir auf."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3021,"orig":"Es iſt ſo elend betteln zu muͤſſen, Und noch dazu mit boͤſem Gewiſſen!","norm":"Es ist so elend betteln zu müssen, und noch dazu mit bösem Gewissen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3022,"orig":"Es iſt ſo elend in der Fremde ſchweifen Und ſie werden mich doch ergreifen!","norm":"Es ist so elend in der Fremde schweifen und sie werden mich doch ergreifen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3023,"orig":"Ich bleibe bey dir.","norm":"Ich bleibe bei dir."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3024,"orig":"Geſchwind!","norm":"Geschwind!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3025,"orig":"Geſchwind!","norm":"Geschwind!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3026,"orig":"Rette dein armes Kind.","norm":"Rette dein armes Kind."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3027,"orig":"Fort!","norm":"Fort!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3028,"orig":"immer den Weg Am Bach hinauf, Ueber den Steg, In den Wald hinein, Links wo die Planke ſteht, Im Teich.","norm":"Immer den Weg am Bach hinauf, über den Steg, in den Wald hinein, Links wo die Planke steht, im Teich."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3029,"orig":"Faß es nur gleich Es will ſich heben, Es zappelt noch, Rette!","norm":"Faße es nur gleich Es will sich heben, es zappelt noch, Rette!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3030,"orig":"rette!","norm":"rette!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3031,"orig":"Beſinne dich doch!","norm":"Besinne dich doch!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3032,"orig":"Nur Einen Schritt, ſo biſt du frey!","norm":"Nur Einen Schritt, so bist du frei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3033,"orig":"Waͤren wir nur den Berg vorbey!","norm":"Wären wir nur den Berg vorbei!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3034,"orig":"Da ſitzt meine Mutter auf einem Stein, Es faßt mich kalt beym Schopfe!","norm":"Da sitzt meine Mutter auf einem Stein, es fasst mich kalt beim Schopfe!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3035,"orig":"Da ſizt meine Mutter auf einem Stein Und wackelt mit dem Kopfe;","norm":"Da sitzt meine Mutter auf einem Stein und wackelt mit dem Kopfe;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3036,"orig":"Sie winkt nicht, ſie nickt nicht, der Kopf iſt ihr ſchwer, Sie ſchlief ſo lange, ſie wacht nicht mehr.","norm":"Sie winkt nicht, sie nickt nicht, der Kopf ist ihr schwer, Sie schlief so lange, sie wacht nicht mehr."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3037,"orig":"Sie ſchlief damit wir uns freuten.","norm":"Sie schlief damit wir uns freuten."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3038,"orig":"Es waren gluͤckliche Zeiten!","norm":"Es waren glückliche Zeiten!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3039,"orig":"Hilft hier kein Flehen, hilft kein Sagen;","norm":"Hilft hier kein Flehen, hilft kein Sagen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3040,"orig":"So wag’ ich’s dich hinweg zu tragen.","norm":"So wage ich es dich hinwegzutragen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3041,"orig":"Laß mich!","norm":"Lass mich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3042,"orig":"Nein, ich leide keine Gewalt!","norm":"Nein, ich leide keine Gewalt!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3043,"orig":"Faſſe mich nicht ſo moͤrderiſch an!","norm":"Fasse mich nicht so mörderisch an!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3044,"orig":"Sonſt hab’ ich dir ja alles zu lieb gethan.","norm":"Sonst habe ich dir ja alles zu lieb getan."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3045,"orig":"Der Tag graut!","norm":"Der Tag graut!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3046,"orig":"Liebchen!","norm":"Liebchen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3047,"orig":"Liebchen!","norm":"Liebchen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3048,"orig":"Tag!","norm":"Tag!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3049,"orig":"Ja es wird Tag!","norm":"Ja es wird Tag!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3050,"orig":"der letzte Tag dringt herein!","norm":"der letzte Tag dringt herein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3051,"orig":"Mein Hochzeittag ſollt’ es ſeyn!","norm":"Mein Hochzeittag sollte es sein!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3052,"orig":"Sag Niemand daß du ſchon bey Gretchen warſt.","norm":"Sage niemand dass du schon bei Gretchen warst."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3053,"orig":"Weh meinem Kranze!","norm":"Weh meinem Kranze!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3054,"orig":"Es iſt eben geſchehn!","norm":"Es ist eben geschehen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3055,"orig":"Wir werden uns wiederſehn;","norm":"Wir werden uns wiedersehen;"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3056,"orig":"Aber nicht beym Tanze.","norm":"Aber nicht beim Tanze."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3057,"orig":"Die Menge draͤngt ſich, man hoͤrt ſie nicht.","norm":"Die Menge drängt sich, man hört sie nicht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3058,"orig":"Der Platz, die Gaſſen Koͤnnen ſie nicht faſſen.","norm":"Der Platz, die Gassen Können sie nicht fassen."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3059,"orig":"Die Glocke ruft, das Staͤbchen bricht.","norm":"Die Glocke ruft, das Stäbchen bricht."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3060,"orig":"Wie ſie mich binden und packen!","norm":"Wie sie mich binden und packen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3061,"orig":"Zum Blutſtuhl bin ich ſchon entruͤckt.","norm":"Zum Blutstuhl bin ich schon entrückt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3062,"orig":"Schon zuckt nach jedem Nacken Die Schaͤrfe die nach meinem zuͤckt.","norm":"Schon zuckt nach jedem Nacken die Schärfe die nach meinem zückt."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3063,"orig":"Stumm liegt die Welt wie das Grab!","norm":"Stumm liegt die Welt wie das Grab!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3064,"orig":"O waͤr’ ich nie geboren!","norm":"O wäre ich nie geboren!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3065,"orig":"Auf!","norm":"Auf!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3066,"orig":"oder ihr ſeyd verloren.","norm":"oder ihr seid verloren."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3067,"orig":"Unnuͤtzes Zagen!","norm":"Unnützes Zagen!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3068,"orig":"Zaudern und Plaudern!","norm":"Zaudern und Plaudern!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3069,"orig":"Meine Pferde ſchaudern, Der Morgen daͤmmert auf.","norm":"Meine Pferde schaudern, der Morgen dämmert auf."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3070,"orig":"Was ſteigt aus dem Boden herauf?","norm":"Was steigt aus dem Boden herauf?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3071,"orig":"Der!","norm":"Der!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3072,"orig":"der!","norm":"der!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3073,"orig":"Schicke ihn fort!","norm":"Schicke ihn fort!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3074,"orig":"Was will der an dem heiligen Ort?","norm":"Was will der an dem heiligen Ort?"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3075,"orig":"Er will mich!","norm":"Er will mich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3076,"orig":"Du ſollſt leben!","norm":"Du sollst leben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3077,"orig":"Gericht Gottes!","norm":"Gericht Gottes!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3078,"orig":"dir hab’ ich mich uͤbergeben!","norm":"dir habe ich mich übergeben!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3079,"orig":"Komm!","norm":"Komme!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3080,"orig":"komm!","norm":"komme!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3081,"orig":"ich laſſe dich mit ihr im Stich.","norm":"Ich lasse dich mit ihr im Stich."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3082,"orig":"Dein bin ich, Vater!","norm":"Dein bin ich, Vater!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3083,"orig":"Rette mich!","norm":"Rette mich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3084,"orig":"Ihr Engel!","norm":"Ihr Engel!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3085,"orig":"Ihr heiligen Schaaren, Lagert euch umher, mich zu bewahren!","norm":"Ihr heiligen Scharen, lagert euch umher, mich zu bewahren!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3086,"orig":"Heinrich!","norm":"Heinrich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3087,"orig":"Mir graut’s vor dir.","norm":"Mir graut es vor dir."} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3088,"orig":"Sie iſt gerichtet!","norm":"Sie ist gerichtet!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3089,"orig":"Iſt gerettet!","norm":"Ist gerettet!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3090,"orig":"Her zu mir!","norm":"Her zu mir!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3091,"orig":"Heinrich!","norm":"Heinrich!"} {"basename":"goethe_faust01_1808","par_idx":3092,"orig":"Heinrich!","norm":"Heinrich!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":0,"orig":"Eduard — ſo nennen wir einen reichen Baron im beſten Mannesalter — Eduard hatte in ſeiner Baumſchule die ſchoͤnſte Stunde eines Aprilnachmittags zugebracht, um friſch erhaltene Pfropfreiſer auf junge Staͤmme zu bringen.","norm":"Eduard — so nennen wir einen reichen Baron im besten Mannesalter — Eduard hatte in seiner Baumschule die schönste Stunde eines Aprilnachmittags zugebracht, um frisch erhaltene Pfropfreiser auf junge Stämme zu bringen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1,"orig":"Sein Geſchaͤft war eben vollendet; er legte die Geraͤthſchaften in das Futteral zuſammen und betrachtete ſeine Arbeit mit Vergnuͤgen, als der Gaͤrtner hinzutrat und ſich an dem theilnehmenden Fleiße des Herrn ergetzte.","norm":"Sein Geschäft war eben vollendet; er legte die Gerätschaften in das Futteral zusammen und betrachtete seine Arbeit mit Vergnügen, als der Gärtner hinzutrat und sich an dem teilnehmenden Fleiße des Herrn ergötzte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":2,"orig":"Haſt du meine Frau nicht geſehen?","norm":"Hast du meine Frau nicht gesehen?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":3,"orig":"fragte Eduard, indem er ſich weiter zu gehen anſchickte.","norm":"fragte Eduard, indem er sich weiterzugehen anschickte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":4,"orig":"Druͤben in den neuen Anlagen, verſetzte der Gaͤrtner.","norm":"Drüben in den neuen Anlagen, versetzte der Gärtner."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":5,"orig":"Die Mooshuͤtte wird heute fertig, die ſie an der Felswand, dem Schloſſe gegenuͤber gebaut hat.","norm":"Die Mooshütte wird heute fertig, die sie an der Felswand, dem Schlosse gegenüber gebaut hat."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":6,"orig":"Alles iſt recht ſchoͤn geworden und muß Ew. Gnaden gefallen.","norm":"Alles ist recht schön geworden und muss Ew. Gnaden gefallen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":7,"orig":"Man hat einen vortrefflichen Anblick: unten das Dorf, ein wenig rechter Hand die Kirche, uͤber deren Thurmſpitze man faſt hinwegſieht; gegenuͤber das Schloß und die Gaͤrten.","norm":"Man hat einen vortrefflichen Anblick: unten das Dorf, ein wenig rechter Hand die Kirche, über deren Turmspitze man fast hinwegsieht; gegenüber das Schloss und die Gärten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":8,"orig":"Ganz recht, verſetzte Eduard; einige Schritte von hier konnte ich die Leute arbeiten ſehen.","norm":"Ganz recht, versetzte Eduard; einige Schritte von hier konnte ich die Leute arbeiten sehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":9,"orig":"Dann, fuhr der Gaͤrtner fort, oͤffnet ſich rechts das Thal und man ſieht uͤber die reichen Baumwieſen in eine heitere Ferne.","norm":"Dann, fuhr der Gärtner fort, öffnet sich rechts das Tal und man sieht über die reichen Baumwiesen in eine heitere Ferne."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":10,"orig":"Der Stieg die Felſen hinauf iſt gar huͤbſch angelegt.","norm":"Der Stieg die Felsen hinauf ist gar hübsch angelegt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":11,"orig":"Die gnaͤdige Frau verſteht es; man arbeitet unter ihr mit Vergnuͤgen.","norm":"Die gnädige Frau versteht es; man arbeitet unter ihr mit Vergnügen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":12,"orig":"Geh zu ihr, ſagte Eduard, und erſuche ſie, auf mich zu warten.","norm":"Gehe zu ihr, sagte Eduard, und ersuche sie, auf mich zu warten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":13,"orig":"Sage ihr, ich wuͤnſche die neue Schoͤpfung zu ſehen und mich daran zu erfreuen.","norm":"Sage ihr, ich wünsche die neue Schöpfung zu sehen und mich daran zu erfreuen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":14,"orig":"Der Gaͤrtner entfernte ſich eilig und Eduard folgte bald.","norm":"Der Gärtner entfernte sich eilig und Eduard folgte bald."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":15,"orig":"Dieſer ſtieg nun die Terraſſen hinunter, muſterte, im Vorbeygehen, Gewaͤchshaͤuſer und Treibebeete, bis er ans Waſſer, dann uͤber einen Steg an den Ort kam, wo ſich der Pfad nach den neuen Anlagen in zwey Arme theilte.","norm":"Dieser stieg nun die Terrassen hinunter, musterte, im Vorbeigehen, Gewächshäuser und Treibebeete, bis er ans Wasser, dann über einen Steg an den Ort kam, wo sich der Pfad nach den neuen Anlagen in zwei Arme teilte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":16,"orig":"Den einen, der uͤber den Kirchhof ziemlich gerade nach der Felswand hinging, ließ er liegen um den andern einzuſchlagen, der ſich links etwas weiter durch anmuthiges Gebuͤſch ſachte hinaufwand; da wo beyde zuſammentrafen, ſetzte er ſich fuͤr einen Augenblick auf einer wohlangebrachten Bank nieder, betrat ſodann den eigentlichen Stieg, und ſah ſich durch allerley Treppen und Abſaͤtze, auf dem ſchmalen, bald mehr bald weniger ſteilen Wege endlich zur Mooshuͤtte geleitet.","norm":"Den einen, der über den Kirchhof ziemlich gerade nach der Felswand hinging, ließ er liegen um den anderen einzuschlagen, der sich links etwas weiter durch anmutiges Gebüsch sachte hinaufwand; da wo beide zusammentrafen, setzte er sich für einen Augenblick auf einer wohlangebrachten Bank nieder, betrat sodann den eigentlichen Stieg, und sah sich durch allerlei Treppen und Absätze, auf dem schmalen, bald mehr bald weniger steilen Wege endlich zur Mooshütte geleitet."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":17,"orig":"An der Thuͤre empfing Charlotte ihren Gemahl und ließ ihn dergeſtalt niederſitzen, daß er durch Thuͤre und Fenſter die verſchiedenen Bilder, welche die Landſchaft gleichſam im Rahmen zeigten, auf einen Blick uͤberſehen konnte.","norm":"An der Türe empfing Charlotte ihren Gemahl und ließ ihn dergestalt niedersitzen, dass er durch Türe und Fenster die verschiedenen Bilder, welche die Landschaft gleichsam im Rahmen zeigten, auf einen Blick übersehen konnte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":18,"orig":"Er freute ſich daran, in Hoffnung daß der Fruͤhling bald alles noch reichlicher beleben wuͤrde.","norm":"Er freute sich daran, in Hoffnung dass der Frühling bald alles noch reichlicher beleben würde."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":19,"orig":"Nur eines habe ich zu erinnern, ſetzte er hinzu: die Huͤtte ſcheint mir etwas zu eng.","norm":"Nur eines habe ich zu erinnern, setzte er hinzu: Die Hütte scheint mir etwas zu eng."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":20,"orig":"Fuͤr uns beyde doch geraͤumig genug, verſetzte Charlotte.","norm":"Für uns beide doch geräumig genug, versetzte Charlotte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":21,"orig":"Nun freylich, ſagte Eduard, fuͤr einen Dritten iſt auch wohl noch Platz.","norm":"Nun freilich, sagte Eduard, für einen Dritten ist auch wohl noch Platz."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":22,"orig":"Warum nicht?","norm":"Warum nicht?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":23,"orig":"verſetzte Charlotte, und auch fuͤr ein Viertes.","norm":"versetzte Charlotte, und auch für ein Viertes."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":24,"orig":"Fuͤr groͤßere Geſellſchaft wollen wir ſchon andere Stellen bereiten.","norm":"Für größere Gesellschaft wollen wir schon andere Stellen bereiten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":25,"orig":"Da wir denn ungeſtoͤrt hier allein ſind, ſagte Eduard, und ganz ruhigen heiteren Sinnes; ſo muß ich dir geſtehen, daß ich ſchon einige Zeit etwas auf dem Herzen habe, was ich dir vertrauen muß und moͤchte, und nicht dazu kommen kann.","norm":"Da wir denn ungestört hier allein sind, sagte Eduard, und ganz ruhigen heiteren Sinnes; so muss ich dir gestehen, dass ich schon einige Zeit etwas auf dem Herzen habe, was ich dir vertrauen muss und möchte, und nicht dazu kommen kann."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":26,"orig":"Ich habe dir ſo etwas angemerkt, verſetzte Charlotte.","norm":"Ich habe dir so etwas angemerkt, versetzte Charlotte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":27,"orig":"Und ich will nur geſtehen, fuhr Eduard fort, wenn mich der Poſtbote morgen fruͤh nicht draͤngte, wenn wir uns nicht heut entſchließen muͤßten, ich haͤtte vielleicht noch laͤnger geſchwiegen.","norm":"Und ich will nur gestehen, fuhr Eduard fort, wenn mich der Postbote morgen früh nicht drängte, wenn wir uns nicht heute entschließen müssten, ich hätte vielleicht noch länger geschwiegen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":28,"orig":"Was iſt es denn?","norm":"Was ist es denn?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":29,"orig":"fragte Charlotte freundlich entgegenkommend.","norm":"fragte Charlotte freundlich entgegenkommend."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":30,"orig":"Es betrifft unſern Freund, den Hauptmann, antwortete Eduard.","norm":"Es betrifft unseren Freund, den Hauptmann, antwortete Eduard."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":31,"orig":"Du kennſt die traurige Lage, in die er, wie ſo mancher andere, ohne ſein Verſchulden geſetzt iſt.","norm":"Du kennst die traurige Lage, in die er, wie so mancher andere, ohne sein Verschulden gesetzt ist."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":32,"orig":"Wie ſchmerzlich muß es einem Manne von ſeinen Kenntniſſen, ſeinen Talenten und Fertigkeiten ſeyn, ſich außer Thaͤtigkeit zu ſehen und — ich will nicht lange zuruͤckhalten mit dem was ich fuͤr ihn wuͤnſche: ich moͤchte daß wir ihn auf einige Zeit zu uns naͤhmen.","norm":"Wie schmerzlich muss es einem Manne von seinen Kenntnissen, seinen Talenten und Fertigkeiten sein, sich außer Tätigkeit zu sehen und — ich will nicht lange zurückhalten mit dem was ich für ihn wünsche: Ich möchte dass wir ihn auf einige Zeit zu uns nähmen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":33,"orig":"Das iſt wohl zu uͤberlegen und von mehr als einer Seite zu betrachten, verſetzte Charlotte.","norm":"Das ist wohl zu überlegen und von mehr als einer Seite zu betrachten, versetzte Charlotte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":34,"orig":"Meine Anſichten bin ich bereit dir mitzutheilen, entgegnete ihr Eduard.","norm":"Meine Ansichten bin ich bereit dir mitzuteilen, entgegnete ihr Eduard."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":35,"orig":"In ſeinem letzten Briefe herrſcht ein ſtiller Ausdruck des tiefſten Mismuthes; nicht daß es ihm an irgend einem Beduͤrfniß fehle: denn er weiß ſich durchaus zu beſchraͤnken und fuͤr das Nothwendige habe ich geſorgt; auch druͤckt es ihn nicht etwas von mir anzunehmen: denn wir ſind unſre Lebzeit uͤber einander wechſelſeitig ſo viel ſchuldig geworden, daß wir nicht berechnen koͤnnen, wie unſer Credit und Debet ſich gegen einander verhalte — daß er geſchaͤftlos iſt, das iſt eigentlich ſeine Qual.","norm":"In seinem letzten Briefe herrscht ein stiller Ausdruck des tiefsten Missmutes; nicht dass es ihm an irgendeinem Bedürfnis fehle: denn er weiß sich durchaus zu beschränken und für das Notwendige habe ich gesorgt; auch drückt es ihn nicht etwas von mir anzunehmen: denn wir sind unsere Lebzeit übereinander wechselseitig so viel schuldig geworden, dass wir nicht berechnen können, wie unser Kredit und Debet sich gegeneinander verhalte — dass er geschäftlos ist, das ist eigentlich seine Qual."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":36,"orig":"Das Vielfache, was er an ſich ausgebildet hat, zu Andrer Nutzen taͤglich und ſtuͤndlich zu gebrauchen, iſt ganz allein ſein Vergnuͤgen, ja ſeine Leidenſchaft.","norm":"Das Vielfache, was er an sich ausgebildet hat, zu anderer Nutzen täglich und stündlich zu gebrauchen, ist ganz allein sein Vergnügen, ja seine Leidenschaft."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":37,"orig":"Und nun die Haͤnde in den Schoos zu legen, oder noch weiter zu ſtudiren, ſich weitere Geſchicklichkeit zu verſchaffen, da er das nicht brauchen kann, was er in vollem Maaße beſitzt — genug, liebes Kind, es iſt eine peinliche Lage, deren Qual er doppelt und dreyfach in ſeiner Einſamkeit empfindet.","norm":"Und nun die Hände in den Schoß zu legen, oder noch weiter zu studieren, sich weitere Geschicklichkeit zu verschaffen, da er das nicht brauchen kann, was er in vollem Maße besitzt — genug, liebes Kind, es ist eine peinliche Lage, deren Qual er doppelt und dreifach in seiner Einsamkeit empfindet."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":38,"orig":"Ich dachte doch, ſagte Charlotte, ihm waͤren von verſchiedenen Orten Anerbietungen geſchehen.","norm":"Ich dachte doch, sagte Charlotte, ihm wären von verschiedenen Orten Anerbietungen geschehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":39,"orig":"Ich hatte ſelbſt, um ſeinetwillen, an manche thaͤtige Freunde und Freundinnen geſchrieben, und ſoviel ich weiß, blieb dieß auch nicht ohne Wirkung.","norm":"Ich hatte selbst, um seinetwillen, an manche tätige Freunde und Freundinnen geschrieben, und soviel ich weiß, blieb dies auch nicht ohne Wirkung."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":40,"orig":"Ganz recht, verſetzte Eduard; aber ſelbſt dieſe verſchiedenen Gelegenheiten, dieſe Anerbietungen machen ihm neue Qual, neue Unruhe.","norm":"Ganz recht, versetzte Eduard; aber selbst diese verschiedenen Gelegenheiten, diese Anerbietungen machen ihm neue Qual, neue Unruhe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":41,"orig":"Keines von den Verhaͤltniſſen iſt ihm gemaͤß.","norm":"Keines von den Verhältnissen ist ihm gemäß."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":42,"orig":"Er ſoll nicht wirken; er ſoll ſich aufopfern, ſeine Zeit, ſeine Geſinnungen, ſeine Art zu ſeyn, und das iſt ihm unmoͤglich.","norm":"Er soll nicht wirken; er soll sich aufopfern, seine Zeit, seine Gesinnungen, seine Art zu sein, und das ist ihm unmöglich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":43,"orig":"Jemehr ich das alles betrachte, jemehr ich es fuͤhle, deſto lebhafter wird der Wunſch ihn bey uns zu ſehen.","norm":"Je mehr ich das alles betrachte, je mehr ich es fühle, desto lebhafter wird der Wunsch ihn bei uns zu sehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":44,"orig":"Es iſt recht ſchoͤn und liebenswuͤrdig von dir, verſetzte Charlotte, daß du des Freundes Zuſtand mit ſo viel Theilnahme bedenkſt; allein erlaube mir dich aufzufordern, auch deiner, auch unſer zu gedenken.","norm":"Es ist recht schön und liebenswürdig von dir, versetzte Charlotte, dass du des Freundes Zustand mit soviel Teilnahme bedenkst; allein erlaube mir dich aufzufordern, auch deiner, auch unser zu gedenken."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":45,"orig":"Das habe ich gethan, entgegnete ihr Eduard.","norm":"Das habe ich getan, entgegnete ihr Eduard."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":46,"orig":"Wir koͤnnen von ſeiner Naͤhe uns nur Vortheil und Annehmlichkeit verſprechen.","norm":"Wir können von seiner Nähe uns nur Vorteil und Annehmlichkeit versprechen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":47,"orig":"Von dem Aufwande will ich nicht reden, der auf alle Faͤlle gering fuͤr mich wird, wenn er zu uns zieht; beſonders wenn ich zugleich bedenke, daß uns ſeine Gegenwart nicht die mindeſte Unbequemlichkeit verurſacht.","norm":"Von dem Aufwande will ich nicht reden, der auf alle Fälle gering für mich wird, wenn er zu uns zieht; besonders wenn ich zugleich bedenke, dass uns seine Gegenwart nicht die mindeste Unbequemlichkeit verursacht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":48,"orig":"Auf dem rechten Fluͤgel des Schloſſes kann er wohnen, und alles andre findet ſich.","norm":"Auf dem rechten Flügel des Schlosses kann er wohnen, und alles andere findet sich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":49,"orig":"Wie viel wird ihm dadurch geleiſtet, und wie manches Angenehme wird uns durch ſeinen Umgang, ja wie mancher Vortheil!","norm":"Wie viel wird ihm dadurch geleistet, und wie manches Angenehme wird uns durch seinen Umgang, ja wie mancher Vorteil!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":50,"orig":"Ich haͤtte laͤngſt eine Ausmeſſung des Gutes und der Gegend gewuͤnſcht; er wird ſie beſorgen und leiten.","norm":"Ich hätte längst eine Ausmessung des Gutes und der Gegend gewünscht; er wird sie besorgen und leiten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":51,"orig":"Deine Abſicht iſt, ſelbſt die Guͤter kuͤnftig zu verwalten, ſobald die Jahre der gegenwaͤrtigen Paͤchter verfloſſen ſind.","norm":"Deine Absicht ist, selbst die Güter künftig zu verwalten, sobald die Jahre der gegenwärtigen Pächter verflossen sind."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":52,"orig":"Wie bedenklich iſt ein ſolches Unternehmen!","norm":"Wie bedenklich ist ein solches Unternehmen!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":53,"orig":"Zu wie manchen Vorkenntniſſen kann er uns nicht verhelfen!","norm":"Zu wie manchen Vorkenntnissen kann er uns nicht verhelfen!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":54,"orig":"Ich fuͤhle nur zu ſehr, daß mir ein Mann dieſer Art abgeht.","norm":"Ich fühle nur zu sehr, dass mir ein Mann dieser Art abgeht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":55,"orig":"Die Landleute haben die rechten Kenntniſſe; ihre Mittheilungen aber ſind confus und nicht ehrlich.","norm":"Die Landleute haben die rechten Kenntnisse; ihre Mitteilungen aber sind konfus und nicht ehrlich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":56,"orig":"Die Studirten aus der Stadt und von den Akademieen ſind wohl klar und ordentlich; aber es fehlt an der unmittelbaren Einſicht in die Sache.","norm":"Die Studierten aus der Stadt und von den Akademien sind wohl klar und ordentlich; aber es fehlt an der unmittelbaren Einsicht in die Sache."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":57,"orig":"Vom Freunde kann ich mir beydes verſprechen; und dann entſpringen noch hundert andre Verhaͤltniſſe daraus, die ich mir alle gern vorſtellen mag, die auch auf dich Bezug haben und wovon ich viel Gutes vorausſehe.","norm":"Vom Freunde kann ich mir beides versprechen; und dann entspringen noch hundert andere Verhältnisse daraus, die ich mir alle gern vorstellen mag, die auch auf dich Bezug haben und wovon ich viel Gutes voraussehe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":58,"orig":"Nun danke ich dir, daß du mich freundlich angehoͤrt haſt; itzt ſprich aber auch recht frey und umſtaͤndlich und ſage mir alles was du zu ſagen haſt, ich will dich nicht unterbrechen.","norm":"Nun danke ich dir, dass du mich freundlich angehört hast; jetzt sprich aber auch recht frei und umständlich und sage mir alles was du zu sagen hast, ich will dich nicht unterbrechen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":59,"orig":"Recht gut, verſetzte Charlotte: ſo will ich gleich mit einer allgemeinen Bemerkung anfangen.","norm":"Recht gut, versetzte Charlotte: so will ich gleich mit einer allgemeinen Bemerkung anfangen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":60,"orig":"Die Maͤnner denken mehr auf das Einzelne, auf das Gegenwaͤrtige, und das mit Recht, weil ſie zu thun, zu wirken berufen ſind; die Weiber hingegen mehr auf das was im Leben zuſammenhaͤngt, und das mit gleichem Rechte, weil ihr Schickſal, das Schickſal ihrer Familien, an dieſen Zuſammenhang geknuͤpft iſt, und auch gerade dieſes Zuſammenhaͤngende von ihnen gefordert wird.","norm":"Die Männer denken mehr auf das Einzelne, auf das Gegenwärtige, und das mit Recht, weil sie zu tun, zu wirken berufen sind; die Weiber hingegen mehr auf das was im Leben zusammenhängt, und das mit gleichem Rechte, weil ihr Schicksal, das Schicksal ihrer Familien, an diesen Zusammenhang geknüpft ist, und auch gerade dieses Zusammenhängende von ihnen gefordert wird."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":61,"orig":"Laß uns deswegen einen Blick auf unſer gegenwaͤrtiges, auf unſer vergangenes Leben werfen, und du wirſt mir eingeſtehen, daß die Berufung des Hauptmanns nicht ſo ganz mit unſern Vorſaͤtzen, unſern Planen, unſern Einrichtungen zuſammentrifft.","norm":"Lass uns deswegen einen Blick auf unser gegenwärtiges, auf unser vergangenes Leben werfen, und du wirst mir eingestehen, dass die Berufung des Hauptmanns nicht so ganz mit unseren Vorsätzen, unseren Planen, unseren Einrichtungen zusammentrifft."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":62,"orig":"Mag ich doch ſo gern unſerer fruͤhſten Verhaͤltniſſe gedenken!","norm":"Mag ich doch so gern unserer frühsten Verhältnisse gedenken!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":63,"orig":"Wir liebten einander als junge Leute recht herzlich; wir wurden getrennt: du von mir, weil dein Vater, aus nie zu ſaͤttigender Begierde des Beſitzes, dich mit einer ziemlich aͤlteren reichen Frau verband; ich von dir, weil ich, ohne ſonderliche Ausſichten, einem wohlhabenden, nicht geliebten aber geehrten Manne meine Hand reichen mußte.","norm":"Wir liebten einander als junge Leute recht herzlich; wir wurden getrennt: du von mir, weil dein Vater, aus nie zu sättigender Begierde des Besitzes, dich mit einer ziemlich älteren reichen Frau verband; ich von dir, weil ich, ohne sonderliche Aussichten, einem wohlhabenden, nicht geliebten aber geehrten Manne meine Hand reichen musste."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":64,"orig":"Wir wurden wieder frey; du fruͤher, indem dich dein Muͤtterchen im Beſitz eines großen Vermoͤgens ließ; ich ſpaͤter, eben zu der Zeit, da du von Reiſen zuruͤckkamſt.","norm":"Wir wurden wieder frei; du früher, indem dich dein Mütterchen im Besitz eines großen Vermögens ließ; ich später, eben zu der Zeit, da du von Reisen zurückkamst."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":65,"orig":"So fanden wir uns wieder.","norm":"So fanden wir uns wieder."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":66,"orig":"Wir freuten uns der Erinnerung, wir liebten die Erinnerung, wir konnten ungeſtoͤrt zuſammen leben.","norm":"Wir freuten uns der Erinnerung, wir liebten die Erinnerung, wir konnten ungestört zusammenleben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":67,"orig":"Du drangſt auf eine Verbindung; ich willigte nicht gleich: denn da wir ohngefaͤhr von denſelben Jahren ſind, ſo bin ich als Frau wohl aͤlter geworden, du nicht als Mann.","norm":"Du drangst auf eine Verbindung; ich willigte nicht gleich: denn da wir ungefähr von denselben Jahren sind, so bin ich als Frau wohl älter geworden, du nicht als Mann."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":68,"orig":"Zuletzt wollte ich dir nicht verſagen, was du fuͤr dein einziges Gluͤck zu halten ſchienſt.","norm":"Zuletzt wollte ich dir nicht versagen, was du für dein einziges Glück zu halten schienst."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":69,"orig":"Du wollteſt von allen Unruhen, die du bey Hof, im Militaͤr, auf Reiſen erlebt hatteſt, dich an meiner Seite erhohlen, zur Beſinnung kommen, des Lebens genießen; aber auch nur mit mir allein.","norm":"Du wolltest von allen Unruhen, die du bei Hof, im Militär, auf Reisen erlebt hattest, dich an meiner Seite erholen, zur Besinnung kommen, des Lebens genießen; aber auch nur mit mir allein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":70,"orig":"Meine einzige Tochter that ich in Penſion, wo ſie ſich freylich mannigfaltiger ausbildet, als bey einem laͤndlichen Aufenthalte geſchehen koͤnnte; und nicht ſie allein, auch Ottilien, meine liebe Nichte, that ich dorthin, die vielleicht zur haͤuslichen Gehuͤlfinn unter meiner Anleitung am beſten herangewachſen waͤre.","norm":"Meine einzige Tochter tat ich in Pension, wo sie sich freilich mannigfaltiger ausbildet, als bei einem ländlichen Aufenthalte geschehen könnte; und nicht sie allein, auch Ottilie, meine liebe Nichte, tat ich dorthin, die vielleicht zur häuslichen Gehilfin unter meiner Anleitung am besten herangewachsen wäre."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":71,"orig":"Das alles geſchah mit deiner Einſtimmung, bloß damit wir uns ſelbſt leben, bloß damit wir das fruͤh ſo ſehnlich gewuͤnſchte, endlich ſpaͤt erlangte Gluͤck ungeſtoͤrt genießen moͤchten.","norm":"Das alles geschah mit deiner Einstimmung, bloß damit wir uns selbst leben, bloß damit wir das früh so sehnlich gewünschte, endlich spät erlangte Glück ungestört genießen möchten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":72,"orig":"So haben wir unſern laͤndlichen Aufenthalt angetreten.","norm":"So haben wir unseren ländlichen Aufenthalt angetreten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":73,"orig":"Ich uͤbernahm das Innere, du das Aeußere und was ins Ganze geht.","norm":"Ich übernahm das Innere, du das Äußere und was ins Ganze geht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":74,"orig":"Meine Einrichtung iſt gemacht, dir in allem entgegen zu kommen, nur fuͤr dich allein zu leben; laß uns wenigſtens eine Zeit lang verſuchen, in wie fern wir auf dieſe Weiſe mit einander ausreichen.","norm":"Meine Einrichtung ist gemacht, dir in allem entgegenzukommen, nur für dich allein zu leben; lass uns wenigstens eine Zeitlang versuchen, inwiefern wir auf diese Weise miteinander ausreichen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":75,"orig":"Da das Zuſammenhaͤngende, wie du ſagſt, eigentlich euer Element iſt, verſetzte Eduard; ſo muß man euch freylich nicht in einer Folge reden hoͤren, oder ſich entſchließen euch Recht zu geben, und du ſollſt auch Recht haben bis auf den heutigen Tag.","norm":"Da das Zusammenhängende, wie du sagst, eigentlich euer Element ist, versetzte Eduard; so muss man euch freilich nicht in einer Folge reden hören, oder sich entschließen euch Recht zu geben, und du sollst auch Recht haben bis auf den heutigen Tag."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":76,"orig":"Die Anlage, die wir bis jetzt zu unſerm Daſeyn gemacht haben, iſt von guter Art; ſollen wir aber nichts weiter darauf bauen, und ſoll ſich nichts weiter daraus entwickeln?","norm":"Die Anlage, die wir bis jetzt zu unserem Dasein gemacht haben, ist von guter Art; sollen wir aber nichts weiter darauf bauen, und soll sich nichts weiter daraus entwickeln?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":77,"orig":"Was ich im Garten leiſte, du im Park, ſoll das nur fuͤr Einſiedler gethan ſeyn?","norm":"Was ich im Garten leiste, du im Park, soll das nur für Einsiedler getan sein?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":78,"orig":"Recht gut!","norm":"Recht gut!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":79,"orig":"verſetzte Charlotte, recht wohl!","norm":"versetzte Charlotte, recht wohl!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":80,"orig":"Nur daß wir nichts hinderndes, fremdes herein bringen.","norm":"Nur dass wir nichts Hinderndes, fremdes hereinbringen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":81,"orig":"Bedenke, daß unſre Vorſaͤtze, auch was die Unterhaltung betrifft, ſich gewiſſermaßen nur auf unſer beyderſeitiges Zuſammenſeyn bezogen.","norm":"Bedenke, dass unsere Vorsätze, auch was die Unterhaltung betrifft, sich gewissermaßen nur auf unser beiderseitiges Zusammensein bezogen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":82,"orig":"Du wollteſt zuerſt die Tagebuͤcher deiner Reiſe mir in ordentlicher Folge mittheilen, bey dieſer Gelegenheit ſo manches dahin gehoͤrige von Papieren in Ordnung bringen, und unter meiner Theilnahme, mit meiner Beyhuͤlfe, aus dieſen unſchaͤtzbaren aber verworrenen Heften und Blaͤttern ein fuͤr uns und andre erfreuliches Ganze zuſammenſtellen.","norm":"Du wolltest zuerst die Tagebücher deiner Reise mir in ordentlicher Folge mitteilen, bei dieser Gelegenheit so manches dahin gehörige von Papieren in Ordnung bringen, und unter meiner Teilnahme, mit meiner Beihilfe, aus diesen unschätzbaren aber verworrenen Heften und Blättern ein für uns und andere erfreuliches Ganze zusammenstellen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":83,"orig":"Ich verſprach dir an der Abſchrift zu helfen, und wir dachten es uns ſo bequem, ſo artig, ſo gemuͤthlich und heimlich, die Welt, die wir zuſammen nicht ſehen ſollten, in der Erinnerung zu durchreiſen.","norm":"Ich versprach dir an der Abschrift zu helfen, und wir dachten es uns so bequem, so artig, so gemütlich und heimlich, die Welt, die wir zusammen nicht sehen sollten, in der Erinnerung zu durchreisen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":84,"orig":"Ja der Anfang iſt ſchon gemacht.","norm":"Ja der Anfang ist schon gemacht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":85,"orig":"Dann haſt du die Abende deine Floͤte wieder vorgenommen, begleiteſt mich am Clavier; und an Beſuchen aus der Nachbarſchaft und in die Nachbarſchaft fehlt es uns nicht.","norm":"Dann hast du die Abende deine Flöte wieder vorgenommen, begleitest mich am Klavier; und an Besuchen aus der Nachbarschaft und in die Nachbarschaft fehlt es uns nicht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":86,"orig":"Ich wenigſtens habe mir aus allem dieſem den erſten wahrhaft froͤhlichen Sommer zuſammengebaut, den ich in meinem Leben zu genießen dachte.","norm":"Ich wenigstens habe mir aus allem diesem den ersten wahrhaft fröhlichen Sommer zusammengebaut, den ich in meinem Leben zu genießen dachte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":87,"orig":"Wenn mir nur nicht, verſetzte Eduard indem er ſich die Stirne rieb, bey alle dem, was du mir ſo liebe oll und verſtaͤndig wiederhohlſt, immer der Gedanke beyginge, durch die Gegenwart des Hauptmanns wuͤrde nichts geſtoͤrt, ja vielmehr alles beſchleunigt und neu belebt.","norm":"Wenn mir nur nicht, versetzte Eduard indem er sich die Stirn rieb, bei alledem, was du mir so liebe voll und verständig wiederholst, immer der Gedanke beiginge, durch die Gegenwart des Hauptmanns würde nichts gestört, ja vielmehr alles beschleunigt und neu belebt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":88,"orig":"Auch er hat einen Theil meiner Wanderungen mitgemacht; auch er hat manches, und in verſchiedenem Sinne, ſich angemerkt: wir benutzten das zuſammen, und alsdann wuͤrde es erſt ein huͤbſches Ganze werden.","norm":"Auch er hat einen Teil meiner Wanderungen mitgemacht; auch er hat manches, und in verschiedenem Sinne, sich angemerkt: Wir benutzten das zusammen, und alsdann würde es erst ein hübsches Ganze werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":89,"orig":"So laß mich denn dir aufrichtig geſtehen, entgegnete Charlotte mit einiger Ungeduld, daß dieſem Vorhaben mein Gefuͤhl widerſpricht, daß eine Ahndung mir nichts Gutes weiſſagt.","norm":"So lass mich denn dir aufrichtig gestehen, entgegnete Charlotte mit einiger Ungeduld, dass diesem Vorhaben mein Gefühl widerspricht, dass eine Ahnung mir nichts Gutes weissagt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":90,"orig":"Auf dieſe Weiſe waͤret Ihr Frauen wohl unuͤberwindlich, verſetzte Eduard: erſt verſtaͤndig, daß man nicht widerſprechen kann, liebevoll, daß man ſich gern hingiebt, gefuͤhlvoll, daß man Euch nicht weh thun mag, ahndungsvoll, daß man erſchrickt.","norm":"Auf diese Weise wäret Ihr Frauen wohl unüberwindlich, versetzte Eduard: erst verständig, dass man nicht widersprechen kann, liebevoll, dass man sich gern hingibt, gefühlvoll, dass man Euch nicht weh tun mag, ahnungsvoll, dass man erschrickt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":91,"orig":"Ich bin nicht aberglaͤubiſch, verſetzte Charlotte, und gebe nichts auf dieſe dunklen Anregungen, inſofern ſie nur ſolche waͤren; aber es ſind meiſtentheils unbewußte Erinnerungen gluͤcklicher und ungluͤcklicher Folgen, die wir an eigenen oder fremden Handlungen erlebt haben.","norm":"Ich bin nicht abergläubisch, versetzte Charlotte, und gebe nichts auf diese dunklen Anregungen, insofern sie nur solche wären; aber es sind meistenteils unbewusste Erinnerungen glücklicher und unglücklicher Folgen, die wir an eigenen oder fremden Handlungen erlebt haben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":92,"orig":"Nichts iſt bedeutender in jedem Zuſtande, als die Dazwiſchenkunft eines Dritten.","norm":"Nichts ist bedeutender in jedem Zustande, als die Dazwischenkunft eines Dritten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":93,"orig":"Ich habe Freunde geſehen, Geſchwiſter, Liebende, Gatten, deren Verhaͤltniß durch den zufaͤlligen oder gewaͤhlten Hinzutritt einer neuen Perſon ganz und gar veraͤndert, deren Lage voͤllig umgekehrt worden.","norm":"Ich habe Freunde gesehen, Geschwister, Liebende, Gatten, deren Verhältnis durch den zufälligen oder gewählten Hinzutritt einer neuen Person ganz und gar verändert, deren Lage völlig umgekehrt wurde."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":94,"orig":"Das kann wohl geſchehen, verſetzte Eduard, bey Menſchen, die nur dunkel vor ſich hin leben, nicht bey ſolchen, die ſchon durch Erfahrung aufgeklaͤrt ſich mehr bewußt ſind.","norm":"Das kann wohl geschehen, versetzte Eduard, bei Menschen, die nur dunkel vor sich hinleben, nicht bei solchen, die schon durch Erfahrung aufgeklärt sich mehr bewusst sind."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":95,"orig":"Das Bewußtſeyn, mein Liebſter, entgegnete Charlotte, iſt keine hinlaͤngliche Waffe, ja manchmal eine gefaͤhrliche, fuͤr den der ſie fuͤhrt; und aus dieſem allen tritt wenigſtens ſo viel hervor, daß wir uns ja nicht uͤbereilen ſollen.","norm":"Das Bewusstsein, mein Liebster, entgegnete Charlotte, ist keine hinlängliche Waffe, ja manchmal eine gefährliche, für den der sie führt; und aus diesem allen tritt wenigstens soviel hervor, dass wir uns ja nicht übereilen sollen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":96,"orig":"Goͤnne mir noch einige Tage, entſcheide nicht!","norm":"Gönne mir noch einige Tage, entscheide nicht!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":97,"orig":"Wie die Sache ſteht, erwiederte Eduard, werden wir uns, auch nach mehreren Tagen, immer uͤbereilen.","norm":"Wie die Sache steht, erwiderte Eduard, werden wir uns, auch nach mehreren Tagen, immer übereilen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":98,"orig":"Die Gruͤnde fuͤr und dagegen haben wir wechſelsweiſe vorgebracht; es kommt auf den Entſchluß an, und da waͤr' es wirklich das beſte, wir gaͤben ihn dem Loos anheim.","norm":"Die Gründe für und dagegen haben wir wechselweise vorgebracht; es kommt auf den Entschluss an, und da wäre es wirklich das Beste, wir gäben ihn dem Los anheim."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":99,"orig":"Ich weiß, verſetzte Charlotte, daß du in zweifelhaften Faͤllen gerne wetteſt oder wuͤrfelſt; bey einer ſo ernſthaften Sache hingegen wuͤrde ich dieß fuͤr einen Frevel halten.","norm":"Ich weiß, versetzte Charlotte, dass du in zweifelhaften Fällen gerne wettest oder würfelst; bei einer so ernsthaften Sache hingegen würde ich dies für einen Frevel halten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":100,"orig":"Was ſoll ich aber dem Hauptmann ſchreiben?","norm":"Was soll ich aber dem Hauptmann schreiben?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":101,"orig":"rief Eduard aus: denn ich muß mich gleich hinſetzen.","norm":"rief Eduard aus: denn ich muss mich gleich hinsetzen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":102,"orig":"Einen ruhigen, vernuͤnftigen, troͤſtlichen Brief, ſagte Charlotte.","norm":"Einen ruhigen, vernünftigen, tröstlichen Brief, sagte Charlotte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":103,"orig":"Das heißt ſoviel wie keinen, verſetzte Eduard.","norm":"Das heißt soviel wie keinen, versetzte Eduard."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":104,"orig":"Und doch iſt es in manchen Faͤllen, verſetzte Charlotte, nothwendig und freundlich lieber Nichts zu ſchreiben als nicht zu ſchreiben.","norm":"Und doch ist es in manchen Fällen, versetzte Charlotte, notwendig und freundlich lieber Nichts zu schreiben als nicht zu schreiben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":105,"orig":"Eduard fand ſich allein auf ſeinem Zimmer, und wirklich hatte die Wiederhohlung ſeiner Lebensſchickſale aus dem Munde Charlottens, die Vergegenwaͤrtigung ihres beyderſeitigen Zuſtandes, ihrer Vorſaͤtze, ſein lebhaftes Gemuͤth angenehm aufgeregt.","norm":"Eduard fand sich allein auf seinem Zimmer, und wirklich hatte die Wiederholung seiner Lebensschicksale aus dem Munde Charlottes, die Vergegenwärtigung ihres beiderseitigen Zustandes, ihrer Vorsätze, sein lebhaftes Gemüt angenehm aufgeregt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":106,"orig":"Er hatte ſich in ihrer Naͤhe, in ihrer Geſellſchaft ſo gluͤcklich gefuͤhlt, daß er ſich einen freundlichen, theilnehmenden, aber ruhigen und auf nichts hindeutenden Brief an den Hauptmann ausdachte.","norm":"Er hatte sich in ihrer Nähe, in ihrer Gesellschaft so glücklich gefühlt, dass er sich einen freundlichen, teilnehmenden, aber ruhigen und auf nichts hindeutenden Brief an den Hauptmann ausdachte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":107,"orig":"Als er aber zum Schreibtiſch ging und den Brief des Freundes aufnahm, um ihn nochmals durchzuleſen, trat ihm ſogleich wieder der traurige Zuſtand des trefflichen Mannes entgegen; alle Empfindungen, die ihn dieſe Tage gepeinigt hatten, wachten wieder auf, und es ſchien ihm unmoͤglich, ſeinen Freund einer ſo aͤngſtlichen Lage zu uͤberlaſſen.","norm":"Als er aber zum Schreibtisch ging und den Brief des Freundes aufnahm, um ihn nochmals durchzulesen, trat ihm sogleich wieder der traurige Zustand des trefflichen Mannes entgegen; alle Empfindungen, die ihn diese Tage gepeinigt hatten, wachten wieder auf, und es schien ihm unmöglich, seinen Freund einer so ängstlichen Lage zu überlassen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":108,"orig":"Sich etwas zu verſagen, war Eduard nicht gewohnt.","norm":"Sich etwas zu versagen, war Eduard nicht gewohnt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":109,"orig":"Von Jugend auf das einzige, verzogene Kind reicher Aeltern, die ihn zu einer ſeltſamen aber hoͤchſt vortheilhaften Heirat mit einer viel aͤltern Frau zu bereden wußten, von dieſer auch auf alle Weiſe verzaͤrtelt, indem ſie ſein gutes Betragen gegen ſie durch die groͤßte Freygebigkeit zu erwiedern ſuchte, nach ihrem baldigen Tode ſein eigener Herr, auf Reiſen unabhaͤngig, jeder Abwechſelung jeder Veraͤnderung maͤchtig, nichts Uebertriebenes wollend, aber viel und vielerley wollend, freymuͤthig, wohlthaͤtig, brav, ja tapfer im Fall — was konnte in der Welt ſeinen Wuͤnſchen entgegenſtehen!","norm":"Von Jugend auf das einzige, verzogene Kind reicher Eltern, die ihn zu einer seltsamen aber höchst vorteilhaften Heirat mit einer viel älteren Frau zu bereden wussten, von dieser auch auf alle Weise verzärtelt, indem sie sein gutes Betragen gegen sie durch die größte Freigebigkeit zu erwidern suchte, nach ihrem baldigen Tode sein eigener Herr, auf Reisen unabhängig, jeder Abwechslung jeder Veränderung mächtig, nichts Übertriebenes wollend, aber viel und vielerlei wollend, freimütig, wohltätig, brav, ja tapfer im Fall — was konnte in der Welt seinen Wünschen entgegenstehen!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":110,"orig":"Bisher war alles nach ſeinem Sinne gegangen, auch zum Beſitz Charlottens war er gelangt, den er ſich durch eine hartnaͤckige, ja romanenhafte Treue doch zuletzt erworben hatte; und nun fuͤhlte er ſich zum erſtenmal widerſprochen, zum erſtenmal gehindert, eben da er ſeinen Jugendfreund an ſich heranziehen, da er ſein ganzes Daſeyn gleichſam abſchließen wollte.","norm":"Bisher war alles nach seinem Sinne gegangen, auch zum Besitz Charlottes war er gelangt, den er sich durch eine hartnäckige, ja romanenhafte Treue doch zuletzt erworben hatte; und nun fühlte er sich zum ersten Mal widersprochen, zum ersten Mal gehindert, eben da er seinen Jugendfreund an sich heranziehen, da er sein ganzes Dasein gleichsam abschließen wollte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":111,"orig":"Er war verdrießlich, ungeduldig, nahm einigemal die Feder und legte ſie nieder, weil er nicht einig mit ſich werden konnte, was er ſchreiben ſollte.","norm":"Er war verdrießlich, ungeduldig, nahm einige Mal die Feder und legte sie nieder, weil er nicht einig mit sich werden konnte, was er schreiben sollte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":112,"orig":"Gegen die Wuͤnſche ſeiner Fran wollte er nicht, nach ihrem Verlangen konnte er nicht; unruhig wie er war ſollte er einen ruhigen Brief ſchreiben, es waͤre ihm ganz unmoͤglich geweſen.","norm":"Gegen die Wünsche seiner Frau wollte er nicht, nach ihrem Verlangen konnte er nicht; unruhig wie er war sollte er einen ruhigen Brief schreiben, es wäre ihm ganz unmöglich gewesen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":113,"orig":"Das natuͤrlichſte war, daß er Aufſchub ſuchte.","norm":"Das natürlichste war, dass er Aufschub suchte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":114,"orig":"Mit wenig Worten bat er ſeinen Freund um Verzeihung, daß er dieſe Tage nicht geſchrieben, daß er heut nicht umſtaͤndlich ſchreibe, und verſprach fuͤr naͤchſtens ein bedeutenderes, ein beruhigendes Blatt.","norm":"Mit wenig Worten bat er seinen Freund um Verzeihung, dass er diese Tage nicht geschrieben, dass er heute nicht umständlich schreibe, und versprach für nächstens ein bedeutenderes, ein beruhigendes Blatt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":115,"orig":"Charlotte benutzte des andern Tags auf einem Spaziergang nach derſelben Stelle die Gelegenheit das Geſpraͤch wieder anzuknuͤpfen, vielleicht in der Ueberzeugung, daß man einen Vorſatz nicht ſichrer abſtumpfen kann, als wenn man ihn oͤfters durchſpricht.","norm":"Charlotte benutzte des anderen Tags auf einem Spaziergang nach derselben Stelle die Gelegenheit das Gespräch wieder anzuknüpfen, vielleicht in der Überzeugung, dass man einen Vorsatz nicht sicherer abstumpfen kann, als wenn man ihn öfters durchspricht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":116,"orig":"Eduarden war dieſe Wiederhohlung erwuͤnſcht.","norm":"Eduard war diese Wiederholung erwünscht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":117,"orig":"Er aͤußerte ſich nach ſeiner Weiſe freundlich und angenehm: denn wenn er, empfaͤnglich wie er war, leicht aufloderte, wenn ſein lebhaftes Begehren zudringlich ward, wenn ſeine Hartnaͤckigkeit ungeduldig machen konnte; ſo waren doch alle ſeine Aeußerungen durch eine vollkommene Schonung des andern dergeſtalt gemildert, daß man ihn immer noch liebenswuͤrdig finden mußte, wenn man ihn auch beſchwerlich fand.","norm":"Er äußerte sich nach seiner Weise freundlich und angenehm: denn wenn er, empfänglich wie er war, leicht aufloderte, wenn sein lebhaftes Begehren zudringlich wurde, wenn seine Hartnäckigkeit ungeduldig machen konnte; so waren doch alle seine Äußerungen durch eine vollkommene Schonung des anderen dergestalt gemildert, dass man ihn immer noch liebenswürdig finden musste, wenn man ihn auch beschwerlich fand."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":118,"orig":"Auf eine ſolche Weiſe brachte er Charlotten dieſen Morgen erſt in die heiterſte Laune, dann durch anmuthige Geſpraͤchswendungen ganz aus der Faſſung, ſo daß ſie zuletzt ausrief:","norm":"Auf eine solche Weise brachte er Charlotten diesen Morgen erst in die heiterste Laune, dann durch anmutige Gesprächswendungen ganz aus der Fassung, so dass sie zuletzt ausrief:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":119,"orig":"Du willſt gewiß, daß ich das was ich dem Ehmann verſagte, dem Liebhaber zugeſtehen ſoll.","norm":"Du willst gewiss, dass ich das was ich dem Ehemann versagte, dem Liebhaber zugestehen soll."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":120,"orig":"Wenigſtens, mein Lieber, fuhr ſie fort, ſollſt du gewahr werden, daß deine Wuͤnſche, die freundliche Lebhaftigkeit womit du ſie ausdruͤckſt, mich nicht ungeruͤhrt, mich nicht unbewegt laſſen.","norm":"Wenigstens, mein Lieber, fuhr sie fort, sollst du gewahr werden, dass deine Wünsche, die freundliche Lebhaftigkeit womit du sie ausdrückst, mich nicht ungerührt, mich nicht unbewegt lassen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":121,"orig":"Sie noͤthigen mich zu einem Geſtaͤndniß.","norm":"Sie nötigen mich zu einem Geständnis."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":122,"orig":"Ich habe dir bisher auch etwas verborgen.","norm":"Ich habe dir bisher auch etwas verborgen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":123,"orig":"Ich befinde mich in einer aͤhnlichen Lage wie du, und habe mir ſchon eben die Gewalt angethan, die ich dir nun uͤber dich ſelbſt zumuthe.","norm":"Ich befinde mich in einer ähnlichen Lage wie du, und habe mir schon eben die Gewalt angetan, die ich dir nun über dich selbst zumute."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":124,"orig":"Das hoͤr' ich gern, ſagte Eduard; ich merke wohl, im Ehſtande muß man ſich manchmal ſtreiten, denn dadurch erfaͤhrt man was von einander.","norm":"Das höre ich gern, sagte Eduard; ich merke wohl, im Ehestande muss man sich manchmal streiten, denn dadurch erfährt man was voneinander."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":125,"orig":"Nun ſollſt du alſo erfahren, ſagte Charlotte, daß es mir mit Ottilien geht, wie dir mit dem Hauptmann.","norm":"Nun sollst du also erfahren, sagte Charlotte, dass es mir mit Ottilie geht, wie dir mit dem Hauptmann."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":126,"orig":"Hoͤchſt ungern weiß ich das liebe Kind in der Penſion, wo ſie ſich in ſehr druͤckenden Verhaͤltniſſen befindet.","norm":"Höchst ungern weiß ich das liebe Kind in der Pension, wo sie sich in sehr drückenden Verhältnissen befindet."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":127,"orig":"Wenn Luciane, meine Tochter, die fuͤr die Welt geboren iſt, ſich dort fuͤr die Welt bildet, wenn ſie Sprachen, Geſchichtliches und was ſonſt von Kenntniſſen ihr mitgetheilt wird, ſo wie ihre Noten und Variationen vom Blatte wegſpielt; wenn bey einer lebhaften Natur und bey einem gluͤcklichen Gedaͤchtniß ſie, man moͤchte wohl ſagen, alles vergißt und im Augenblicke ſich an alles erinnert; wenn ſie durch Freyheit des Betragens, Anmuth im Tanze, ſchickliche Bequemlichkeit des Geſpraͤchs ſich vor allen auszeichnet, und durch ein angebornes herrſchendes Weſen ſich zur Koͤniginn des kleinen Kreiſes macht; wenn die Vorſteherinn dieſer Anſtalt ſie als eine kleine Gottheit anſieht, die nun erſt unter ihren Haͤnden recht gedeiht, die ihr Ehre machen, Zutrauen erwerben und einen Zufluß von andern jungen Perſonen verſchaffen wird; wenn die erſten Seiten ihrer Briefe und Monatsberichte immer nur Hymnen ſind uͤber die Vortrefflichkeit eines ſolchen Kindes, die ich denn recht gut in meine Proſe zu uͤberſetzen weiß: ſo iſt dagegen, was ſie ſchließlich von Ottilien erwaͤhnt, nur immer Entſchuldigung auf Entſchuldigung, daß ein uͤbrigens ſo ſchoͤn heranwachſendes Maͤdchen ſich nicht entwickeln, keine Faͤhigkeiten und keine Fertigkeiten zeigen wolle.","norm":"Wenn Luciane, meine Tochter, die für die Welt geboren ist, sich dort für die Welt bildet, wenn sie Sprachen, Geschichtliches und was sonst von Kenntnissen ihr mitgeteilt wird, so wie ihre Noten und Variationen vom Blatte wegspielt; wenn bei einer lebhaften Natur und bei einem glücklichen Gedächtnis sie, man möchte wohl sagen, alles vergisst und im Augenblicke sich an alles erinnert; wenn sie durch Freiheit des Betragens, Anmut im Tanze, schickliche Bequemlichkeit des Gesprächs sich vor allen auszeichnet, und durch ein angeborenes herrschendes Wesen sich zur Königin des kleinen Kreises macht; wenn die Vorsteherin dieser Anstalt sie als eine kleine Gottheit ansieht, die nun erst unter ihren Händen recht gedeiht, die ihr Ehre machen, Zutrauen erwerben und einen Zufluss von anderen jungen Personen verschaffen wird; wenn die ersten Seiten ihrer Briefe und Monatsberichte immer nur Hymnen sind über die Vortrefflichkeit eines solchen Kindes, die ich denn recht gut in meine Prosa zu übersetzen weiß: so ist dagegen, was sie schließlich von Ottilie erwähnt, nur immer Entschuldigung auf Entschuldigung, dass ein übrigens so schön heranwachsendes Mädchen sich nicht entwickeln, keine Fähigkeiten und keine Fertigkeiten zeigen wolle."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":128,"orig":"Das wenige was ſie ſonſt noch hinzufuͤgt iſt gleichfalls fuͤr mich kein Raͤthſel, weil ich in dieſem lieben Kinde den ganzen Character ihrer Mutter, meiner wertheſten Freundinn, gewahr werde, die ſich neben mir entwickelt hat und deren Tochter ich gewiß, wenn ich Erzieherinn oder Aufſeherinn ſeyn koͤnnte, zu einem herrlichen Geſchoͤpf heraufbilden wollte.","norm":"Das wenige was sie sonst noch hinzufügt ist gleichfalls für mich kein Rätsel, weil ich in diesem lieben Kinde den ganzen Charakter ihrer Mutter, meiner wertesten Freundin, gewahr werde, die sich neben mir entwickelt hat und deren Tochter ich gewiss, wenn ich Erzieherin oder Aufseherin sein könnte, zu einem herrlichen Geschöpf heraufbilden wollte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":129,"orig":"Da es aber einmal nicht in unſern Plan geht, und man an ſeinen Lebensverhaͤltniſſen nicht ſo viel zupfen und zerren, nicht immer was neues an ſie heranziehen ſoll; ſo trag ich das lieber, ja ich uͤberwinde die unangenehme Empfindung, wenn meine Tochter, welche recht gut weiß, daß die arme Ottilie ganz von uns abhaͤngt, ſich ihrer Vortheile uͤbermuͤthig gegen ſie bedient, und unſre Wohlthat dadurch gewiſſermaßen vernichtet.","norm":"Da es aber einmal nicht in unseren Plan geht, und man an seinen Lebensverhältnissen nicht soviel zupfen und zerren, nicht immer was Neues an sie heranziehen soll; so trage ich das lieber, ja ich überwinde die unangenehme Empfindung, wenn meine Tochter, welche recht gut weiß, dass die arme Ottilie ganz von uns abhängt, sich ihrer Vorteile übermütig gegen sie bedient, und unsere Wohltat dadurch gewissermaßen vernichtet."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":130,"orig":"Doch wer iſt ſo gebildet, daß er nicht ſeine Vorzuͤge gegen andre manchmal auf eine grauſame Weiſe geltend machte?","norm":"Doch wer ist so gebildet, dass er nicht seine Vorzüge gegen andere manchmal auf eine grausame Weise geltend machte?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":131,"orig":"Wer ſteht ſo hoch, daß er unter einem ſolchen Druck nicht manchmal leiden muͤßte?","norm":"Wer steht so hoch, dass er unter einem solchen Druck nicht manchmal leiden müsste?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":132,"orig":"Durch dieſe Pruͤfungen waͤchſt Ottiliens Werth; aber ſeitdem ich den peinlichen Zuſtand recht deutlich einſehe, habe ich mir Muͤhe gegeben, ſie anderwaͤrts unterzubringen.","norm":"Durch diese Prüfungen wächst Ottilies Wert; aber seitdem ich den peinlichen Zustand recht deutlich einsehe, habe ich mir Mühe gegeben, sie anderwärts unterzubringen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":133,"orig":"Stuͤndlich ſoll mir eine Antwort kommen, und alsdann will ich nicht zaudern.","norm":"Stündlich soll mir eine Antwort kommen, und alsdann will ich nicht zaudern."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":134,"orig":"So ſteht es mit mir, mein Beſter.","norm":"So steht es mit mir, mein Bester."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":135,"orig":"Du ſiehſt, wir tragen beyderſeits dieſelben Sorgen in einem treuen freundſchaftlichen Herzen.","norm":"Du siehst, wir tragen beiderseits dieselben Sorgen in einem treuen freundschaftlichen Herzen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":136,"orig":"Laß uns ſie gemeinſam tragen, da ſie ſich nicht gegeneinander aufheben.","norm":"Lass uns sie gemeinsam tragen, da sie sich nicht gegeneinander aufheben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":137,"orig":"Wir ſind wunderliche Menſchen, ſagte Eduard laͤchelnd.","norm":"Wir sind wunderliche Menschen, sagte Eduard lächelnd."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":138,"orig":"Wenn wir nur etwas das uns Sorge macht, aus unſerer Gegenwart verbannen koͤnnen, da glauben wir ſchon, nun ſey es abgethan.","norm":"Wenn wir nur etwas das uns Sorge macht, aus unserer Gegenwart verbannen können, da glauben wir schon, nun sei es abgetan."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":139,"orig":"Im Ganzen koͤnnen wir vieles aufopfern, aber uns im Einzelnen herzugeben, iſt eine Forderung, der wir ſelten gewachſen ſind.","norm":"Im Ganzen können wir vieles aufopfern, aber uns im Einzelnen herzugeben, ist eine Forderung, der wir selten gewachsen sind."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":140,"orig":"So war meine Mutter.","norm":"So war meine Mutter."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":141,"orig":"So lange ich als Knabe oder Juͤngling bey ihr lebte, konnte ſie der augenblicklichen Beſorgniſſe nicht los werden.","norm":"Solange ich als Knabe oder Jüngling bei ihr lebte, konnte sie der augenblicklichen Besorgnisse nicht loswerden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":142,"orig":"Verſpaͤtete ich mich bey einem Ausritt, ſo mußte mir ein Ungluͤck begegnet ſeyn; durchnetzte mich ein Regenſchauer, ſo war das Fieber mir gewiß.","norm":"Verspätete ich mich bei einem Ausritt, so musste mir ein Unglück begegnet sein; durchnetzte mich ein Regenschauer, so war das Fieber mir gewiss."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":143,"orig":"Ich verreiſte, ich entfernte mich von ihr, und nun ſchien ich ihr kaum anzugehoͤren.","norm":"Ich verreiste, ich entfernte mich von ihr, und nun schien ich ihr kaum anzugehören."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":144,"orig":"Betrachten wir es genauer, fuhr er fort, ſo handeln wir beyde thoͤrigt und unverantwortlich, zwey der edelſten Naturen, die unſer Herz ſo nahe angehen, im Kummer und im Druck zu laſſen, nur um uns keiner Gefahr auszuſetzen.","norm":"Betrachten wir es genauer, fuhr er fort, so handeln wir beide töricht und unverantwortlich, zwei der edelsten Naturen, die unser Herz so nahe angehen, im Kummer und im Druck zu lassen, nur um uns keiner Gefahr auszusetzen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":145,"orig":"Wenn dieß nicht ſelbſtſuͤchtig genannt werden ſoll, was will man ſo nennen!","norm":"Wenn dies nicht selbstsüchtig genannt werden soll, was will man so nennen!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":146,"orig":"Nimm Ottilien, laß mir den Hauptmann, und in Gottes Namen ſey der Verſuch gemacht!","norm":"Nimm Ottilie, lass mir den Hauptmann, und in Gottes Namen sei der Versuch gemacht!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":147,"orig":"Es moͤchte noch zu wagen ſeyn, ſagte Charlotte bedenklich, wenn die Gefahr fuͤr uns allein waͤre.","norm":"Es möchte noch zu wagen sein, sagte Charlotte bedenklich, wenn die Gefahr für uns allein wäre."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":148,"orig":"Glaubſt du denn aber, daß es raͤthlich ſey, den Hauptmann mit Ottilien als Hausgenoſſen zu ſehen, einen Mann ohngefaͤhr in deinen Jahren, in den Jahren — daß ich dir dieſes Schmeichelhafte nur gerade unter die Augen ſage — wo der Mann erſt liebefaͤhig und erſt der Liebe werth wird, und ein Maͤdchen von Ottiliens Vorzuͤgen?","norm":"Glaubst du denn aber, dass es rätlich sei, den Hauptmann mit Ottilie als Hausgenossen zu sehen, einen Mann ungefähr in deinen Jahren, in den Jahren — dass ich dir dieses Schmeichelhafte nur gerade unter die Augen sage — wo der Mann erst liebefähig und erst der Liebe wert wird, und ein Mädchen von Ottilies Vorzügen?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":149,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":150,"orig":"Ich weiß doch auch nicht, verſetzte Eduard, wie du Ottilien ſo hoch ſtellen kannſt!","norm":"Ich weiß doch auch nicht, versetzte Eduard, wie du Ottilie so hoch stellen kannst!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":151,"orig":"Nur dadurch erklaͤre ich mir's, daß ſie deine Neigung zu ihrer Mutter geerbt hat.","norm":"Nur dadurch erkläre ich mir es, dass sie deine Neigung zu ihrer Mutter geerbt hat."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":152,"orig":"Huͤbſch iſt ſie, das iſt wahr, und ich erinnre mich, daß der Hauptmann mich auf ſie aufmerkſam machte, als wir vor einem Jahre zuruͤckkamen und ſie mit dir bey deiner Tante trafen.","norm":"Hübsch ist sie, das ist wahr, und ich erinnere mich, dass der Hauptmann mich auf sie aufmerksam machte, als wir vor einem Jahre zurückkamen und sie mit dir bei deiner Tante trafen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":153,"orig":"Huͤbſch iſt ſie, beſonders hat ſie ſchoͤne Augen; aber ich wuͤßte doch nicht, daß ſie den mindeſten Eindruck auf mich gemacht haͤtte.","norm":"Hübsch ist sie, besonders hat sie schöne Augen; aber ich wüsste doch nicht, dass sie den mindesten Eindruck auf mich gemacht hätte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":154,"orig":"Das iſt loͤblich an dir, ſagte Charlotte, denn ich war ja gegenwaͤrtig; und ob ſie gleich viel juͤnger iſt als ich, ſo hatte doch die Gegenwart der aͤltern Freundinn ſo viele Reize fuͤr dich, daß du uͤber die aufbluͤhende verſprechende Schoͤnheit hinausſaheſt.","norm":"Das ist löblich an dir, sagte Charlotte, denn ich war ja gegenwärtig; und ob sie gleich viel jünger ist als ich, so hatte doch die Gegenwart der älteren Freundin so viele Reize für dich, dass du über die aufblühende versprechende Schönheit hinaussahst."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":155,"orig":"Es gehoͤrt auch dieß zu deiner Art zu ſeyn, deshalb ich ſo gern das Leben mit dir theile.","norm":"Es gehört auch dies zu deiner Art zu sein, deshalb ich so gern das Leben mit dir Teile."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":156,"orig":"Charlotte, ſo aufrichtig ſie zu ſprechen ſchien, verhehlte doch etwas.","norm":"Charlotte, so aufrichtig sie zu sprechen schien, verhehlte doch etwas."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":157,"orig":"Sie hatte naͤmlich damals dem von Reiſen zuruͤckkehrenden Eduard Ottilien abſichtlich vorgefuͤhrt, um dieſer geliebten Pflegetochter eine ſo große Parthie zuzuwenden: denn an ſich ſelbſt, in Bezug auf Eduard, dachte ſie nicht mehr.","norm":"Sie hatte nämlich damals dem von Reisen zurückkehrenden Eduard Ottilie absichtlich vorgeführt, um dieser geliebten Pflegetochter eine so große Partie zuzuwenden: denn an sich selbst, in Bezug auf Eduard, dachte sie nicht mehr."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":158,"orig":"Der Hauptmann war auch angeſtiftet, Eduarden aufmerkſam zu machen; aber dieſer, der ſeine fruͤhe Liebe zu Charlotten hartnaͤckig im Sinne behielt, ſah weder rechts noch links, und war nur gluͤcklich in dem Gefuͤhl, daß es moͤglich ſey, eines ſo lebhaft gewuͤnſchten und durch eine Reihe von Ereigniſſen ſcheinbar auf immer verſagten Gutes endlich doch theilhaft zu werden.","norm":"Der Hauptmann war auch angestiftet, Eduard aufmerksam zu machen; aber dieser, der seine frühe Liebe zu Charlotten hartnäckig im Sinne behielt, sah weder rechts noch links, und war nur glücklich in dem Gefühl, dass es möglich sei, eines so lebhaft gewünschten und durch eine Reihe von Ereignissen scheinbar auf immer versagten Gutes endlich doch teilhaft zu werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":159,"orig":"Eben ſtand das Ehpaar im Begriff die neuen Anlagen herunter nach dem Schloſſe zu gehen, als ein Bedienter ihnen haſtig entgegen ſtieg und mit lachendem Munde ſich ſchon von unten herauf vernehmen ließ.","norm":"Eben stand das Ehepaar im Begriff die neuen Anlagen herunter nach dem Schlosse zu gehen, als ein Bedienter ihnen hastig entgegenstieg und mit lachendem Munde sich schon von unten herauf vernehmen ließ."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":160,"orig":"Kommen Ew. Gnaden doch ja ſchnell heruͤber!","norm":"Kommen Ew. Gnaden doch ja schnell herüber!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":161,"orig":"Herr Mittler iſt in den Schloßhof geſprengt.","norm":"Herr Mittler ist in den Schlosshof gesprengt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":162,"orig":"Er hat uns alle zuſammengeſchrieen, wir ſollen Sie aufſuchen, wir ſollen Sie fragen, ob es Noth thue?","norm":"Er hat uns alle zusammengeschrien, wir sollen Sie aufsuchen, wir sollen Sie fragen, ob es Not tue?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":163,"orig":"Ob es Noth thut, rief er uns nach:","norm":"Ob es Not tut, rief er uns nach:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":164,"orig":"Hoͤrt ihr?","norm":"Hört ihr?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":165,"orig":"aber geſchwind, geſchwind!","norm":"aber geschwind, geschwind!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":166,"orig":"Der drollige Mann!","norm":"Der drollige Mann!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":167,"orig":"rief Eduard aus: kommt er nicht gerade zur rechten Zeit, Charlotte?","norm":"rief Eduard aus: kommt er nicht gerade zur rechten Zeit, Charlotte?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":168,"orig":"Geſchwind zuruͤck!","norm":"Geschwind zurück!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":169,"orig":"befahl er dem Bedienten: ſage ihm: es thue Noth, ſehr Noth!","norm":"befahl er dem Bedienten: sage ihm: Es tue Not, sehr Not!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":170,"orig":"Er ſoll nur abſteigen.","norm":"Er soll nur absteigen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":171,"orig":"Verſorgt ſein Pferd, fuͤhrt ihn in den Saal, ſetzt ihm ein Fruͤhſtuͤck vor; wir kommen gleich.","norm":"Versorgt sein Pferd, führt ihn in den Saal, setzt ihm ein Frühstück vor; wir kommen gleich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":172,"orig":"Laß uns den naͤchſten Weg nehmen, ſagte er zu ſeiner Frau, und ſchlug den Pfad uͤber den Kirchhof ein, den er ſonſt zu vermeiden pflegte.","norm":"Lass uns den nächsten Weg nehmen, sagte er zu seiner Frau, und schlug den Pfad über den Kirchhof ein, den er sonst zu vermeiden pflegte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":173,"orig":"Aber wie verwundert war er, als er fand, daß Charlotte auch hier fuͤr das Gefuͤhl geſorgt habe.","norm":"Aber wie verwundert war er, als er fand, dass Charlotte auch hier für das Gefühl gesorgt habe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":174,"orig":"Mit moͤglichſter Schonung der alten Denkmaͤler hatte ſie alles ſo zu vergleichen und zu ordnen gewußt, daß es ein angenehmer Raum erſchien, auf dem das Auge und die Einbildungskraft gern verweilte.","norm":"Mit möglichster Schonung der alten Denkmäler hatte sie alles so zu vergleichen und zu ordnen gewusst, dass es ein angenehmer Raum erschien, auf dem das Auge und die Einbildungskraft gern verweilte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":175,"orig":"Auch dem aͤlteſten Stein hatte ſie ſeine Ehre gegoͤnnt.","norm":"Auch dem ältesten Stein hatte sie seine Ehre gegönnt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":176,"orig":"Den Jahren nach waren ſie an der Mauer aufgerichtet, eingefuͤgt oder ſonſt angebracht; der hohe Sockel der Kirche ſelbſt war damit vermannigfaltigt und geziert.","norm":"Den Jahren nach waren sie an der Mauer aufgerichtet, eingefügt oder sonst angebracht; der hohe Sockel der Kirche selbst war damit vermannigfaltigt und geziert."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":177,"orig":"Eduard fuͤhlte ſich ſonderbar uͤberraſcht, wie er durch die kleine Pforte herein trat; er druͤckte Charlotten die Hand und im Auge ſtand ihm eine Thraͤne.","norm":"Eduard fühlte sich sonderbar überrascht, wie er durch die kleine Pforte hereintrat; er drückte Charlotten die Hand und im Auge stand ihm eine Träne."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":178,"orig":"Aber der naͤrriſche Gaſt verſcheuchte ſie gleich.","norm":"Aber der närrische Gast verscheuchte sie gleich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":179,"orig":"Denn dieſer hatte keine Ruh im Schloß gehabt, war ſpornſtreichs durchs Dorf bis an das Kirchhofthor geritten, wo er ſtill hielt und ſeinen Freunden entgegen rief:","norm":"Denn dieser hatte keine Ruhe im Schloss gehabt, war spornstreichs durchs Dorf bis an das Kirchhoftor geritten, wo er still hielt und seinen Freunden entgegenrief:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":180,"orig":"Ihr habt mich doch nicht zum beſten?","norm":"Ihr habt mich doch nicht zum besten?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":181,"orig":"Thut's wirklich Noth, ſo bleibe ich zu Mittage hier.","norm":"Tut es wirklich Not, so bleibe ich zu Mittage hier."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":182,"orig":"Haltet mich nicht auf: ich habe heute noch viel zu thun.","norm":"Haltet mich nicht auf: Ich habe heute noch viel zu tun."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":183,"orig":"Da Ihr Euch ſo weit bemuͤht habt, rief ihm Eduard entgegen; ſo reitet noch vollends herein, wir kommen an einem ernſthaften Orte zuſammen, und ſeht wie ſchoͤn Charlotte dieſe Trauer ausgeſchmuͤckt hat.","norm":"Da Ihr Euch so weit bemüht habt, rief ihm Eduard entgegen; so reitet noch vollends herein, wir kommen an einem ernsthaften Orte zusammen, und seht wie schön Charlotte diese Trauer ausgeschmückt hat."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":184,"orig":"Hier herein, rief der Reiter, komm' ich weder zu Pferde, noch zu Wagen, noch zu Fuße.","norm":"Hier herein, rief der Reiter, komme ich weder zu Pferde, noch zu Wagen, noch zu Fuße."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":185,"orig":"Dieſe da ruhen in Frieden, mit ihnen habe ich nichts zu ſchaffen.","norm":"Diese da ruhen in Frieden, mit ihnen habe ich nichts zu schaffen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":186,"orig":"Gefallen muß ich mir's laſſen, wenn man mich einmal die Fuͤße voran hereinſchleppt.","norm":"Gefallen muss ich mir es lassen, wenn man mich einmal die Füße voran hereinschleppt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":187,"orig":"Alſo iſt's Ernſt?","norm":"Also ist es Ernst?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":188,"orig":"Ja, rief Charlotte, recht Ernſt!","norm":"Ja, rief Charlotte, recht Ernst!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":189,"orig":"Es iſt das erſtemal, daß wir neue Gatten in Noth und Verwirrung ſind, woraus wir uns nicht zu helfen wiſſen.","norm":"Es ist das erste Mal, dass wir neue Gatten in Not und Verwirrung sind, woraus wir uns nicht zu helfen wissen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":190,"orig":"Ihr ſeht nicht darnach aus, verſetzte er: doch will ich's glauben.","norm":"Ihr seht nicht danach aus, versetzte er: doch will ich es glauben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":191,"orig":"Fuͤhrt Ihr mich an, ſo laß ich Euch kuͤnftig ſtecken.","norm":"Führt Ihr mich an, so lass ich Euch künftig stecken."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":192,"orig":"Folgt geſchwinde nach; meinem Pferde mag die Erhohlung zu gut kommen.","norm":"Folgt geschwinde nach; meinem Pferde mag die Erholung zugutkommen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":193,"orig":"Bald fanden ſich die Dreye im Saale zuſammen; das Eſſen ward aufgetragen, und Mittler erzaͤhlte von ſeinen heutigen Thaten und Vorhaben.","norm":"Bald fanden sich die Drei im Saale zusammen; das Essen wurde aufgetragen, und Mittler erzählte von seinen heutigen Taten und Vorhaben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":194,"orig":"Dieſer ſeltſame Mann war fruͤherhin Geiſtlicher geweſen und hatte ſich bey einer raſtloſen Thaͤtigkeit in ſeinem Amte dadurch ausgezeichnet, daß er alle Streitigkeiten, ſowohl die haͤuslichen, als die nachbarlichen, erſt der einzelnen Bewohner, ſodann ganzer Gemeinden und mehrerer Gutsbeſitzer, zu ſtillen und zu ſchlichten wußte.","norm":"Dieser seltsame Mann war früherhin Geistlicher gewesen und hatte sich bei einer rastlosen Tätigkeit in seinem Amte dadurch ausgezeichnet, dass er alle Streitigkeiten, sowohl die häuslichen, als die nachbarlichen, erst der einzelnen Bewohner, sodann ganzer Gemeinden und mehrerer Gutsbesitzer, zu stillen und zu schlichten wusste."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":195,"orig":"So lange er im Dienſte war, hatte ſich kein Ehpaar ſcheiden laſſen, und die Landescollegien wurden mit keinen Haͤndeln und Proceſſen von dorther behelliget.","norm":"Solange er im Dienste war, hatte sich kein Ehepaar scheiden lassen, und die Landeskollegien wurden mit keinen Händeln und Prozessen von dorther behelliget."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":196,"orig":"Wie noͤthig ihm die Rechtskunde ſey, ward er zeitig gewahr.","norm":"Wie nötig ihm die Rechtskunde sei, wurde er zeitig gewahr."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":197,"orig":"Er warf ſein ganzes Studium darauf, und fuͤhlte ſich bald den geſchickteſten Advocaten gewachſen.","norm":"Er warf sein ganzes Studium darauf, und fühlte sich bald den geschicktesten Advokaten gewachsen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":198,"orig":"Sein Wirkungskreis dehnte ſich wunderbar aus, und man war im Begriff ihn nach der Reſidenz zu ziehen, um das von oben herein zu vollenden, was er von unten herauf begonnen hatte, als er einen anſehnlichen Lotteriegewinnſt that, ſich ein maͤßiges Gut kaufte, es verpachtete und zum Mittelpunct ſeiner Wirkſamkeit machte, mit dem feſten Vorſatz, oder vielmehr nach alter Gewohnheit und Neigung, in keinem Hauſe zu verweilen, wo nichts zu ſchlichten und nichts zu helfen waͤre.","norm":"Sein Wirkungskreis dehnte sich wunderbar aus, und man war im Begriff ihn nach der Residenz zu ziehen, um das von oben herein zu vollenden, was er von unten herauf begonnen hatte, als er einen ansehnlichen Lotteriegewinn tat, sich ein mäßiges Gut kaufte, es verpachtete und zum Mittelpunkt seiner Wirksamkeit machte, mit dem festen Vorsatz, oder vielmehr nach alter Gewohnheit und Neigung, in keinem Hause zu verweilen, wo nichts zu schlichten und nichts zu helfen wäre."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":199,"orig":"Diejenigen die auf Namensbedeutungen aberglaͤubiſch ſind, behaupten, der Name Mittler habe ihn genoͤthigt, dieſe ſeltſamſte aller Beſtimmungen zu ergreifen.","norm":"Diejenigen die auf Namensbedeutungen abergläubisch sind, behaupten, der Name Mittler habe ihn genötigt, diese seltsamste aller Bestimmungen zu ergreifen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":200,"orig":"Der Nachtiſch war aufgetragen, als der Gaſt ſeine Wirthe ernſtlich vermahnte, nicht weiter mit ihren Entdeckungen zuruͤckzuhalten, weil er gleich nach dem Kaffee fortmuͤſſe.","norm":"Der Nachtisch war aufgetragen, als der Gast seine Wirte ernstlich vermahnte, nicht weiter mit ihren Entdeckungen zurückzuhalten, weil er gleich nach dem Kaffee fortmüsse."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":201,"orig":"Die beyden Ehleute machten umſtaͤndlich ihre Bekenntniſſe; aber kaum hatte er den Sinn der Sache vernommen, als er verdrießlich vom Tiſche auffuhr, ans Fenſter ſprang und ſein Pferd zu ſatteln befahl.","norm":"Die beiden Eheleute machten umständlich ihre Bekenntnisse; aber kaum hatte er den Sinn der Sache vernommen, als er verdrießlich vom Tische auffuhr, ans Fenster sprang und sein Pferd zu satteln befahl."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":202,"orig":"Entweder Ihr kennt mich nicht, rief er aus, Ihr verſteht mich nicht, oder Ihr ſeyd ſehr boshaft.","norm":"Entweder Ihr kennt mich nicht, rief er aus, Ihr versteht mich nicht, oder Ihr seid sehr boshaft."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":203,"orig":"Iſt denn hier ein Streit?","norm":"Ist denn hier ein Streit?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":204,"orig":"iſt denn hier eine Huͤlfe noͤthig?","norm":"ist denn hier eine Hilfe nötig?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":205,"orig":"Glaubt Ihr, daß ich in der Welt bin, um Rath zu geben?","norm":"Glaubt Ihr, dass ich in der Welt bin, um Rat zu geben?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":206,"orig":"Das iſt das duͤmmſte Handwerk das einer treiben kann.","norm":"Das ist das dümmste Handwerk das einer treiben kann."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":207,"orig":"Rathe ſich jeder ſelbſt und thue was er nicht laſſen kann.","norm":"Rate sich jeder selbst und tue was er nicht lassen kann."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":208,"orig":"Geraͤth es gut, ſo freue er ſich ſeiner Weisheit und ſeines Gluͤcks; laͤuft's uͤbel ab, dann bin ich bey der Hand.","norm":"Gerät es gut, so freue er sich seiner Weisheit und seines Glücks; läuft es übel ab, dann bin ich bei der Hand."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":209,"orig":"Wer ein Uebel los ſeyn will, der weiß immer was er will; wer was beſſers will als er hat, der iſt ganz ſtaarblind — Ja ja!","norm":"Wer ein Übel los sein will, der weiß immer was er will; wer was Bessers will als er hat, der ist ganz starblind — Ja ja!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":210,"orig":"lacht nur — er ſpielt Blindekuh, er ertappt's vielleicht; aber was?","norm":"lacht nur — er spielt Blindekuh, er ertappt es vielleicht; aber was?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":211,"orig":"Thut was Ihr wollt: es iſt ganz einerley!","norm":"Tut was Ihr wollt: Es ist ganz einerlei!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":212,"orig":"Nehmt die Freunde zu Euch, laßt ſie weg: alles einerley!","norm":"Nehmt die Freunde zu Euch, lasst sie weg: alles einerlei!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":213,"orig":"Das Vernuͤnftigſte habe ich mislingen ſehen, das Abgeſchmackteſte gelingen.","norm":"Das Vernünftigste habe ich misslingen sehen, das Abgeschmackteste gelingen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":214,"orig":"Zerbrecht Euch die Koͤpfe nicht, und wenn's auf eine oder die andre Weiſe uͤbel ablaͤuft, zerbrecht ſie Euch auch nicht.","norm":"Zerbrecht Euch die Köpfe nicht, und wenn es auf eine oder die andere Weise übel abläuft, zerbrecht sie Euch auch nicht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":215,"orig":"Schickt nur nach mir, und Euch ſoll geholfen ſeyn.","norm":"Schickt nur nach mir, und Euch soll geholfen sein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":216,"orig":"Bis dahin Euer Diener!","norm":"Bis dahin Euer Diener!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":217,"orig":"Und ſo ſchwang er ſich aufs Pferd, ohne den Kaffee abzuwarten.","norm":"Und so schwang er sich aufs Pferd, ohne den Kaffee abzuwarten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":218,"orig":"Hier ſiehſt du, ſagte Charlotte, wie wenig eigentlich ein Dritter fruchtet, wenn es zwiſchen zwey nah verbundenen Perſonen nicht ganz im Gleichgewicht ſteht.","norm":"Hier siehst du, sagte Charlotte, wie wenig eigentlich ein Dritter fruchtet, wenn es zwischen zwei nah verbundenen Personen nicht ganz im Gleichgewicht steht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":219,"orig":"Gegenwaͤrtig ſind wir doch wohl noch verworrner und ungewiſſer, wenn's moͤglich iſt, als vorher.","norm":"Gegenwärtig sind wir doch wohl noch verworrener und ungewisser, wenn es möglich ist, als vorher."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":220,"orig":"Beyde Gatten wuͤrden auch wohl noch eine Zeit lang geſchwankt haben, waͤre nicht ein Brief des Hauptmanns im Wechſel gegen Eduards letzten angekommen.","norm":"Beide Gatten würden auch wohl noch eine Zeitlang geschwankt haben, wäre nicht ein Brief des Hauptmanns im Wechsel gegen Eduards letzten angekommen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":221,"orig":"Er hatte ſich entſchloſſen, eine der ihm angebotenen Stellen anzunehmen, ob ſie ihm gleich keineswegs gemaͤß war.","norm":"Er hatte sich entschlossen, eine der ihm angebotenen Stellen anzunehmen, ob sie ihm gleich keineswegs gemäß war."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":222,"orig":"Er ſollte mit vornehmen und reichen Leuten die Langeweile theilen indem man auf ihn das Zutrauen ſetzte, daß er ſie vertreiben wuͤrde.","norm":"Er sollte mit vornehmen und reichen Leuten die Langeweile teilen indem man auf ihn das Zutrauen setzte, dass er sie vertreiben würde."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":223,"orig":"Eduard uͤberſah das ganze Verhaͤltniß recht deutlich und mahlte es noch recht ſcharf aus.","norm":"Eduard übersah das ganze Verhältnis recht deutlich und malte es noch recht scharf aus."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":224,"orig":"Wollen wir unſern Freund in einem ſolchen Zuſtande wiſſen?","norm":"Wollen wir unseren Freund in einem solchen Zustande wissen?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":225,"orig":"rief er:","norm":"rief er:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":226,"orig":"Du kannſt nicht ſo grauſam ſeyn, Charlotte!","norm":"Du kannst nicht so grausam sein, Charlotte!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":227,"orig":"Der wunderliche Mann, unſer Mittler, verſetzte Charlotte, hat am Ende doch Recht.","norm":"Der wunderliche Mann, unser Mittler, versetzte Charlotte, hat am Ende doch Recht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":228,"orig":"Alle ſolche Unternehmungen ſind Wageſtuͤcke.","norm":"Alle solche Unternehmungen sind Wagestücke."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":229,"orig":"Was daraus werden kann ſieht kein Menſch voraus.","norm":"Was daraus werden kann sieht kein Mensch voraus."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":230,"orig":"Solche neue Verhaͤltniſſe koͤnnen fruchtbar ſeyn an Gluͤck und an Ungluͤck, ohne daß wir uns dabey Verdienſt oder Schuld ſonderlich zurechnen duͤrfen.","norm":"Solche neue Verhältnisse können fruchtbar sein an Glück und an Unglück, ohne dass wir uns dabei Verdienst oder Schuld sonderlich zurechnen dürfen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":231,"orig":"Ich fuͤhle mich nicht ſtark genug dir laͤnger zu widerſtehen.","norm":"Ich fühle mich nicht stark genug dir länger zu widerstehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":232,"orig":"Laß uns den Verſuch machen.","norm":"Lass uns den Versuch machen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":233,"orig":"Das einzige was ich dich bitte: es ſey nur auf kurze Zeit angeſehen.","norm":"Das einzige was ich dich bitte: Es sei nur auf kurze Zeit angesehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":234,"orig":"Erlaube mir, daß ich mich thaͤtiger als bisher fuͤr ihn verwende, und meinen Einfluß, meine Verbindungen eifrig benutze und aufrege, ihm eine Stelle zu verſchaffen, die ihm nach ſeiner Weiſe einige Zufriedenheit gewaͤhren kann.","norm":"Erlaube mir, dass ich mich tätiger als bisher für ihn verwende, und meinen Einfluss, meine Verbindungen eifrig benutze und aufrege, ihm eine Stelle zu verschaffen, die ihm nach seiner Weise einige Zufriedenheit gewähren kann."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":235,"orig":"Eduard verſicherte ſeine Gattinn auf die anmuthigſte Weiſe der lebhafteſten Dankbarkeit.","norm":"Eduard versicherte seine Gattin auf die anmutigste Weise der lebhaftesten Dankbarkeit."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":236,"orig":"Er eilte mit freyem frohen Gemuͤth ſeinem Freunde Vorſchlaͤge ſchriftlich zu thun.","norm":"Er eilte mit freiem frohen Gemüt seinem Freunde Vorschläge schriftlich zu tun."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":237,"orig":"Charlotte mußte in einer Nachſchrift ihren Beyfall eigenhaͤndig hinzufuͤgen, ihre freundſchaftlichen Bitten mit den ſeinen vereinigen.","norm":"Charlotte musste in einer Nachschrift ihren Beifall eigenhändig hinzufügen, ihre freundschaftlichen Bitten mit den seinen vereinigen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":238,"orig":"Sie ſchrieb mit gewandter Feder gefaͤllig und verbindlich, aber doch mit einer Art von Haſt, die ihr ſonſt nicht gewoͤhnlich war; und was ihr nicht leicht begegnete, ſie verunſtaltete das Papier zuletzt mit einem Tintenfleck, der ſie aͤrgerlich machte und nur groͤßer wurde, indem ſie ihn wegwiſchen wollte.","norm":"Sie schrieb mit gewandter Feder gefällig und verbindlich, aber doch mit einer Art von Hast, die ihr sonst nicht gewöhnlich war; und was ihr nicht leicht begegnete, sie verunstaltete das Papier zuletzt mit einem Tintenfleck, der sie ärgerlich machte und nur größer wurde, indem sie ihn wegwischen wollte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":239,"orig":"Eduard ſcherzte daruͤber, und weil noch Platz war fuͤgte er eine zweyte Nachſchrift hinzu: der Freund ſolle aus dieſen Zeichen die Ungeduld ſehen womit er erwartet werde, und nach der Eile womit der Brief geſchrieben, die Eilfertigkeit ſeiner Reiſe einrichten.","norm":"Eduard scherzte darüber, und weil noch Platz war fügte er eine zweite Nachschrift hinzu: Der Freund solle aus diesen Zeichen die Ungeduld sehen womit er erwartet werde, und nach der Eile womit der Brief geschrieben, die Eilfertigkeit seiner Reise einrichten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":240,"orig":"Der Bote war fort und Eduard glaubte ſeine Dankbarkeit nicht uͤberzeugender ausdruͤcken zu koͤnnen, als indem er aber und abermals darauf beſtand:","norm":"Der Bote war fort und Eduard glaubte seine Dankbarkeit nicht überzeugender ausdrücken zu können, als indem er aber und abermals darauf bestand:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":241,"orig":"Charlotte ſolle ſogleich Ottilien aus der Penſion hohlen laſſen.","norm":"Charlotte solle sogleich Ottilie aus der Pension holen lassen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":242,"orig":"Sie bat um Aufſchub und wußte dieſen Abend bey Eduard die Luſt zu einer muſicaliſchen Unterhaltung aufzuregen.","norm":"Sie bat um Aufschub und wusste diesen Abend bei Eduard die Lust zu einer musikalischen Unterhaltung aufzuregen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":243,"orig":"Charlotte ſpielte ſehr gut Clavier;","norm":"Charlotte spielte sehr gut Klavier;"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":244,"orig":"Eduard nicht eben ſo bequem die Floͤte: denn ob er ſich gleich zu Zeiten viel Muͤhe gegeben hatte, ſo war ihm doch nicht die Geduld, die Ausdauer verliehen, die zur Ausbildung eines ſolchen Talentes gehoͤrt.","norm":"Eduard nicht ebenso bequem die Flöte: denn ob er sich gleich zuzeiten viel Mühe gegeben hatte, so war ihm doch nicht die Geduld, die Ausdauer verliehen, die zur Ausbildung eines solchen Talentes gehört."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":245,"orig":"Er fuͤhrte deshalb ſeine Partie ſehr ungleich aus, einige Stellen gut, nur vielleicht zu geſchwind; bey andern wieder hielt er an, weil ſie ihm nicht gelaͤufig waren, und ſo waͤr' es fuͤr jeden Andern ſchwer geweſen ein Duett mit ihm durchzubringen.","norm":"Er führte deshalb seine Partie sehr ungleich aus, einige Stellen gut, nur vielleicht zu geschwind; bei anderen wieder hielt er an, weil sie ihm nicht geläufig waren, und so wäre es für jeden Anderen schwer gewesen ein Duett mit ihm durchzubringen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":246,"orig":"Aber Charlotte wußte ſich darein zu finden; ſie hielt an und ließ ſich wieder von ihm fortreißen, und verſah alſo die doppelte Pflicht eines guten Kapellmeiſters und einer klugen Hausfrau, die im Ganzen immer das Maaß zu erhalten wiſſen, wenn auch die einzelnen Paſſagen nicht immer im Tact bleiben ſollten.","norm":"Aber Charlotte wusste sich darein zu finden; sie hielt an und ließ sich wieder von ihm fortreißen, und versah also die doppelte Pflicht eines guten Kapellmeisters und einer klugen Hausfrau, die im Ganzen immer das Maß zu erhalten wissen, wenn auch die einzelnen Passagen nicht immer im Takt bleiben sollten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":247,"orig":"Der Hauptmann kam.","norm":"Der Hauptmann kam."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":248,"orig":"Er hatte einen ſehr verſtaͤndigen Brief vorausgeſchickt, der Charlotten voͤllig beruhigte.","norm":"Er hatte einen sehr verständigen Brief vorausgeschickt, der Charlotten völlig beruhigte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":249,"orig":"So viel Deutlichkeit uͤber ſich ſelbſt, ſo viel Klarheit uͤber ſeinen eigenen Zuſtand, uͤber den Zuſtand ſeiner Freunde, gab eine heitere und froͤhliche Ausſicht.","norm":"Soviel Deutlichkeit über sich selbst, soviel Klarheit über seinen eigenen Zustand, über den Zustand seiner Freunde, gab eine heitere und fröhliche Aussicht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":250,"orig":"Die Unterhaltungen der erſten Stunden waren, wie unter Freunden zu geſchehen pflegt die ſich eine Zeit lang nicht geſehen haben, lebhaft, ja faſt erſchoͤpfend.","norm":"Die Unterhaltungen der ersten Stunden waren, wie unter Freunden zu geschehen pflegt die sich eine Zeitlang nicht gesehen haben, lebhaft, ja fast erschöpfend."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":251,"orig":"Gegen Abend veranlaßte Charlotte einen Spaziergang auf die neuen Anlagen.","norm":"Gegen Abend veranlasste Charlotte einen Spaziergang auf die neuen Anlagen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":252,"orig":"Der Hauptmann gefiel ſich ſehr in der Gegend und bemerkte jede Schoͤnheit welche durch die neuen Wege erſt ſichtbar und genießbar geworden.","norm":"Der Hauptmann gefiel sich sehr in der Gegend und bemerkte jede Schönheit welche durch die neuen Wege erst sichtbar und genießbar geworden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":253,"orig":"Er hatte ein geuͤbtes Auge und dabey ein genuͤgſames; und ob er gleich das wuͤnſchenswerthe ſehr wohl kannte, machte er doch nicht, wie es oͤfters zu geſchehen pflegt, Perſonen die ihn in dem Ihrigen herumfuͤhrten, dadurch einen uͤblen Humor, daß er mehr verlangte als die Umſtaͤnde zuließen, oder auch wohl gar an etwas Vollkommneres erinnerte das er anderswo geſehen.","norm":"Er hatte ein geübtes Auge und dabei ein genügsames; und ob er gleich das Wünschenswerte sehr wohl kannte, machte er doch nicht, wie es öfters zu geschehen pflegt, Personen die ihn in dem Ihrigen herumführten, dadurch einen üblen Humor, dass er mehr verlangte als die Umstände zuließen, oder auch wohl gar an etwas Vollkommneres erinnerte das er anderswo gesehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":254,"orig":"Als ſie die Mooshuͤtte erreichten, fanden ſie ſolche auf das luſtigſte ausgeſchmuͤckt, zwar nur mit kuͤnſtlichen Blumen und Wintergruͤn, doch darunter ſo ſchoͤne Buͤſchel natuͤrlichen Weizens und anderer Feld- und Baumfruͤchte angebracht, daß ſie dem Kunſtſinn der Anordnenden zur Ehre gereichten.","norm":"Als sie die Mooshütte erreichten, fanden sie solche auf das lustigste ausgeschmückt, zwar nur mit künstlichen Blumen und Wintergrün, doch darunter so schöne Büschel natürlichen Weizens und anderer Feld- und Baumfrüchte angebracht, dass sie dem Kunstsinn der Anordnenden zur Ehre gereichten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":255,"orig":"Obſchon mein Mann nicht liebt, daß man ſeinen Geburtsoder Namenstag feyre, ſo wird er mir doch heute nicht verargen, einem dreyfachen Feſte dieſe wenigen Kraͤnze zu widmen.","norm":"Obschon mein Mann nicht liebt, dass man seinen Geburts- oder Namenstag feiere, so wird er mir doch heute nicht verargen, einem dreifachen Feste diese wenigen Kränze zu widmen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":256,"orig":"Ein dreyfaches?","norm":"Ein dreifaches?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":257,"orig":"rief Eduard.","norm":"rief Eduard."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":258,"orig":"Ganz gewiß!","norm":"Ganz gewiss!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":259,"orig":"verſetzte Charlotte: unſeres Freundes Ankunft behandlen wir billig als ein Feſt; und dann habt Ihr beyde wohl nicht daran gedacht, daß heute Euer Namenstag iſt.","norm":"versetzte Charlotte: Unseres Freundes Ankunft behandeln wir billig als ein Fest; und dann habt Ihr beide wohl nicht daran gedacht, dass heute Euer Namenstag ist."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":260,"orig":"Heißt nicht einer Otto ſo gut als der andere?","norm":"Heißt nicht einer Otto so gut als der andere?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":261,"orig":"Beyde Freunde reichten ſich die Haͤnde uͤber den kleinen Tiſch.","norm":"Beide Freunde reichten sich die Hände über den kleinen Tisch."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":262,"orig":"Du erinnerſt mich, ſagte Eduard, an dieſes jugendliche Freundſchaftsſtuͤck.","norm":"Du erinnerst mich, sagte Eduard, an dieses jugendliche Freundschaftsstück."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":263,"orig":"Als Kinder hießen wir beyde ſo; doch als wir in der Penſion zuſammenlebten und manche Irrung daraus entſtand, ſo trat ich ihm freywillig dieſen huͤbſchen laconiſchen Namen ab.","norm":"Als Kinder hießen wir beide so; doch als wir in der Pension zusammenlebten und manche Irrung daraus entstand, so trat ich ihm freiwillig diesen hübschen lakonischen Namen ab."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":264,"orig":"Wobey du denn doch nicht gar zu großmuͤthig warſt, ſagte der Hauptmann.","norm":"Wobei du denn doch nicht gar zu großmütig warst, sagte der Hauptmann."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":265,"orig":"Denn ich erinnere mich recht wohl, daß dir der Name Eduard beſſer gefiel, wie er denn auch von angenehmen Lippen ausgeſprochen einen beſonders guten Klang hat.","norm":"Denn ich erinnere mich recht wohl, dass dir der Name Eduard besser gefiel, wie er denn auch von angenehmen Lippen ausgesprochen einen besonders guten Klang hat."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":266,"orig":"Nun ſaßen ſie alſo zu dreyen um daſſelbige Tiſchchen, wo Charlotte ſo eifrig gegen die Ankunft des Gaſtes geſprochen hatte.","norm":"Nun saßen sie also zu drei um dasselbige Tischchen, wo Charlotte so eifrig gegen die Ankunft des Gastes gesprochen hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":267,"orig":"Eduard in ſeiner Zufriedenheit wollte die Gattinn nicht an jene Stunden erinnern; doch enthielt er ſich nicht zu ſagen: fuͤr ein Viertes waͤre auch noch recht gut Platz.","norm":"Eduard in seiner Zufriedenheit wollte die Gattin nicht an jene Stunden erinnern; doch enthielt er sich nicht zu sagen: für ein Viertes wäre auch noch recht gut Platz."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":268,"orig":"Waldhoͤrner ließen ſich in dieſem Augenblick vom Schloß heruͤber vernehmen, bejahten gleichſam und bekraͤftigten die guten Geſinnungen und Wuͤnſche der beyſammen verweilenden Freunde.","norm":"Waldhörner ließen sich in diesem Augenblick vom Schloss herüber vernehmen, bejahten gleichsam und bekräftigten die guten Gesinnungen und Wünsche der beisammen verweilenden Freunde."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":269,"orig":"Stillſchweigend hoͤrten ſie zu, indem jedes in ſich ſelbſt zuruͤckkehrte, und ſein eigen Gluͤck in ſo ſchoͤner Verbindung doppelt empfand.","norm":"Stillschweigend hörten sie zu, indem jedes in sich selbst zurückkehrte, und sein eigen Glück in so schöner Verbindung doppelt empfand."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":270,"orig":"Eduard unterbrach die Pauſe zuerſt, indem er aufſtand und vor die Mooshuͤtte hinaustrat.","norm":"Eduard unterbrach die Pause zuerst, indem er aufstand und vor die Mooshütte hinaustrat."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":271,"orig":"Laß uns, ſagte er zu Charlotten, den Freund gleich voͤllig auf die Hoͤhe fuͤhren, damit er nicht glaube, dieſes beſchraͤnkte Thal nur ſey unſer Erbgut und Aufenthalt; der Blick wird oben freyer und die Bruſt erweitert ſich.","norm":"Lass uns, sagte er zu Charlotten, den Freund gleich völlig auf die Höhe führen, damit er nicht glaube, dieses beschränkte Tal nur sei unser Erbgut und Aufenthalt; der Blick wird oben freier und die Brust erweitert sich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":272,"orig":"So muͤſſen wir dießmal noch, verſetzte Charlotte, den alten, etwas beſchwerlichen Fußpfad erklimmen; doch, hoffe ich, ſollen meine Stufen und Steige naͤchſtens bequemer bis ganz hinauf leiten.","norm":"So müssen wir diesmal noch, versetzte Charlotte, den alten, etwas beschwerlichen Fußpfad erklimmen; doch, hoffe ich, sollen meine Stufen und Steige nächstens bequemer bis ganz hinaufleiten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":273,"orig":"Und ſo gelangte man denn uͤber Felſen, durch Buſch und Geſtraͤuch zur letzten Hoͤhe, die zwar keine Flaͤche, doch fortlaufende fruchtbare Ruͤcken bildete.","norm":"Und so gelangte man denn über Felsen, durch Busch und Gesträuch zur letzten Höhe, die zwar keine Fläche, doch fortlaufende fruchtbare Rücken bildete."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":274,"orig":"Dorf und Schloß hinterwaͤrts waren nicht mehr zu ſehen.","norm":"Dorf und Schloss hinterwärts waren nicht mehr zu sehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":275,"orig":"In der Tiefe erblickte man ausgebreitete Teiche; druͤben bewachſene Huͤgel, an denen ſie ſich hinzogen; endlich ſteile Felſen, welche ſenkrecht den letzten Waſſerſpiegel entſchieden begraͤnzten und ihre bedeutenden Formen auf der Oberflaͤche deſſelben abbildeten.","norm":"In der Tiefe erblickte man ausgebreitete Teiche; drüben bewachsene Hügel, an denen sie sich hinzogen; endlich steile Felsen, welche senkrecht den letzten Wasserspiegel entschieden begrenzten und ihre bedeutenden Formen auf der Oberfläche desselben abbildeten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":276,"orig":"Dort in der Schlucht, wo ein ſtarker Bach den Teichen zufiel, lag eine Muͤhle halb verſteckt, die mit ihren Umgebungen als ein freundliches Ruheplaͤtzchen erſchien.","norm":"Dort in der Schlucht, wo ein starker Bach den Teichen zufiel, lag eine Mühle halb versteckt, die mit ihren Umgebungen als ein freundliches Ruheplätzchen erschien."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":277,"orig":"Mannigfaltig wechſelten im ganzen Halbkreiſe den man uͤberſah, Tiefen und Hoͤhen, Buͤſche und Waͤlder, deren erſtes Gruͤn fuͤr die Folge den fuͤllereichſten Anblick verſprach.","norm":"Mannigfaltig wechselten im ganzen Halbkreise den man übersah, Tiefen und Höhen, Büsche und Wälder, deren erstes Grün für die Folge den füllereichsten Anblick versprach."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":278,"orig":"Auch einzelne Baumgruppen hielten an mancher Stelle das Auge feſt.","norm":"Auch einzelne Baumgruppen hielten an mancher Stelle das Auge fest."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":279,"orig":"Beſonders zeichnete zu den Fuͤßen der ſchauenden Freunde ſich eine Maſſe Pappeln und Platanen zunaͤchſt an dem Rande des mittleren Teiches vortheilhaft aus.","norm":"Besonders zeichnete zu den Füßen der schauenden Freunde sich eine Masse Pappeln und Platanen zunächst an dem Rande des mittleren Teiches vorteilhaft aus."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":280,"orig":"Sie ſtand in ihrem beſten Wachsthum, friſch, geſund, empor und in die Breite ſtrebend.","norm":"Sie stand in ihrem besten Wachstum, frisch, gesund, empor und in die Breite strebend."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":281,"orig":"Eduard lenkte beſonders auf dieſe die Aufmerkſamkeit ſeines Freundes.","norm":"Eduard lenkte besonders auf diese die Aufmerksamkeit seines Freundes."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":282,"orig":"Dieſe habe ich, rief er aus, in meiner Jugend ſelbſt gepflanzt.","norm":"Diese habe ich, rief er aus, in meiner Jugend selbst gepflanzt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":283,"orig":"Es waren junge Staͤmmchen, die ich rettete, als mein Vater, bey der Anlage zu einem neuen Theil des großen Schloßgartens, ſie mitten im Sommer ausroden ließ.","norm":"Es waren junge Stämmchen, die ich rettete, als mein Vater, bei der Anlage zu einem neuen Teil des großen Schlossgartens, sie mitten im Sommer ausroden ließ."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":284,"orig":"Ohne Zweifel werden ſie auch dieſes Jahr ſich durch neue Triebe wieder dankbar hervorthun.","norm":"Ohne Zweifel werden sie auch dieses Jahr sich durch neue Triebe wieder dankbar hervortun."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":285,"orig":"Man kehrte zufrieden und heiter zuruͤck.","norm":"Man kehrte zufrieden und heiter zurück."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":286,"orig":"Dem Gaſte ward auf dem rechten Fluͤgel des Schloſſes ein freundliches geraͤumiges Quartier angewieſen, wo er ſehr bald Buͤcher, Papiere und Inſtrumente aufgeſtellt und geordnet hatte, um in ſeiner gewohnten Thaͤtigkeit fortzufahren.","norm":"Dem Gaste wurde auf dem rechten Flügel des Schlosses ein freundliches geräumiges Quartier angewiesen, wo er sehr bald Bücher, Papiere und Instrumente aufgestellt und geordnet hatte, um in seiner gewohnten Tätigkeit fortzufahren."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":287,"orig":"Aber Eduard ließ ihm in den erſten Tagen keine Ruhe; er fuͤhrte ihn uͤberall herum, bald zu Pferde bald zu Fuße, und machte ihn mit der Gegend, mit dem Gute bekannt; wobey er ihm zugleich die Wuͤnſche mittheilte, die er zu beſſerer Kenntniß und vortheilhafterer Benutzung deſſelben ſeit langer Zeit bey ſich hegte.","norm":"Aber Eduard ließ ihm in den ersten Tagen keine Ruhe; er führte ihn überall herum, bald zu Pferde bald zu Fuße, und machte ihn mit der Gegend, mit dem Gute bekannt; wobei er ihm zugleich die Wünsche mitteilte, die er zu besserer Kenntnis und vorteilhafterer Benutzung desselben seit langer Zeit bei sich hegte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":288,"orig":"Das erſte was wir thun ſollten, ſagte der Hauptmann, waͤre, daß ich die Gegend mit der Magnetnadel aufnaͤhme.","norm":"Das erste was wir tun sollten, sagte der Hauptmann, wäre, dass ich die Gegend mit der Magnetnadel aufnähme."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":289,"orig":"Es iſt das ein leichtes heiteres Geſchaͤft, und wenn es auch nicht die groͤßte Genauigkeit gewaͤhrt, ſo bleibt es doch immer nuͤtzlich und fuͤr den Anfang erfreulich; auch kann man es ohne große Beyhuͤlfe leiſten und weiß gewiß, daß man fertig wird.","norm":"Es ist das ein leichtes heiteres Geschäft, und wenn es auch nicht die größte Genauigkeit gewährt, so bleibt es doch immer nützlich und für den Anfang erfreulich; auch kann man es ohne große Beihilfe leisten und weiß gewiss, dass man fertig wird."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":290,"orig":"Denkſt du einmal an eine genauere Ausmeſſung, ſo laͤßt ſich dazu wohl auch noch Rath finden.","norm":"Denkst du einmal an eine genauere Ausmessung, so lässt sich dazu wohl auch noch Rat finden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":291,"orig":"Der Hauptmann war in dieſer Art des Aufnehmens ſehr geuͤbt.","norm":"Der Hauptmann war in dieser Art des Aufnehmens sehr geübt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":292,"orig":"Er hatte die noͤthige Geraͤthſchaft mitgebracht und fing ſogleich an.","norm":"Er hatte die nötige Gerätschaft mitgebracht und fing sogleich an."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":293,"orig":"Er unterrichtete Eduarden, einige Jaͤger und Bauern, die ihm bey dem Geſchaͤft behuͤlflich ſeyn ſollten.","norm":"Er unterrichtete Eduard, einige Jäger und Bauern, die ihm bei dem Geschäft behilflich sein sollten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":294,"orig":"Die Tage waren guͤnſtig; die Abende und die fruͤhſten Morgen brachte er mit Aufzeichnen und Schraffiren zu.","norm":"Die Tage waren günstig; die Abende und die frühsten Morgen brachte er mit Aufzeichnen und Schraffieren zu."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":295,"orig":"Schnell war auch alles lavirt und illuminirt, und Eduard ſah ſeine Beſitzungen auf das deutlichſte, aus dem Papier, wie eine neue Schoͤpfung, hervorgewachſen.","norm":"Schnell war auch alles laviert und illuminiert, und Eduard sah seine Besitzungen auf das deutlichste, aus dem Papier, wie eine neue Schöpfung, hervorgewachsen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":296,"orig":"Er glaubte ſie jetzt erſt kennen zu lernen; ſie ſchienen ihm jetzt erſt recht zu gehoͤren.","norm":"Er glaubte sie jetzt erst kennenzulernen; sie schienen ihm jetzt erst recht zu gehören."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":297,"orig":"Es gab Gelegenheit uͤber die Gegend, uͤber Anlagen zu ſprechen, die man nach einer ſolchen Ueberſicht viel beſſer zu Stande bringe, als wenn man nur einzeln, nach zufaͤlligen Eindruͤcken, an der Natur herumverſuche.","norm":"Es gab Gelegenheit über die Gegend, über Anlagen zu sprechen, die man nach einer solchen Übersicht viel besser zustande bringe, als wenn man nur einzeln, nach zufälligen Eindrücken, an der Natur herumversuche."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":298,"orig":"Das muͤſſen wir meiner Frau deutlich machen, ſagte Eduard.","norm":"Das müssen wir meiner Frau deutlich machen, sagte Eduard."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":299,"orig":"Thue das nicht!","norm":"Tue das nicht!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":300,"orig":"verſetzte der Hauptmann, der die Ueberzeugungen anderer nicht gern mit den ſeinigen durchkreuzte, den die Erfahrung gelehrt hatte, daß die Anſichten der Menſchen viel zu mannigfaltig ſind, als daß ſie, ſelbſt durch die vernuͤnftigſten Vorſtellungen, auf einen Punct verſammelt werden koͤnnten.","norm":"versetzte der Hauptmann, der die Überzeugungen anderer nicht gern mit den seinigen durchkreuzte, den die Erfahrung gelehrt hatte, dass die Ansichten der Menschen viel zu mannigfaltig sind, als dass sie, selbst durch die vernünftigsten Vorstellungen, auf Einen Punkt versammelt werden könnten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":301,"orig":"Thue es nicht!","norm":"Tue es nicht!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":302,"orig":"rief er: ſie duͤrfte leicht irre werden.","norm":"rief er: Sie dürfte leicht irre werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":303,"orig":"Es iſt ihr, wie allen denen, die ſich nur aus Liebhaberey mit ſolchen Dingen beſchaͤftigen, mehr daran gelegen, daß ſie etwas thue, als daß etwas gethan werde.","norm":"Es ist ihr, wie allen denen, die sich nur aus Liebhaberei mit solchen Dingen beschäftigen, mehr daran gelegen, dass sie etwas tue, als dass etwas getan werde."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":304,"orig":"Man taſtet an der Natur, man hat Vorliebe fuͤr dieſes oder jenes Plaͤtzchen; man wagt nicht dieſes oder jenes Hinderniß wegzuraͤumen, man iſt nicht kuͤhn genug etwas aufzuopfern; man kann ſich voraus nicht vorſtellen was entſtehen ſoll, man probiert, es geraͤth, es misraͤth, man veraͤndert, veraͤndert vielleicht was man laſſen ſollte, laͤßt was man veraͤndern ſollte, und ſo bleibt es zuletzt immer ein Stuͤckwerk, das gefaͤllt und anregt, aber nicht befriedigt.","norm":"Man tastet an der Natur, man hat Vorliebe für dieses oder jenes Plätzchen; man wagt nicht dieses oder jenes Hindernis wegzuräumen, man ist nicht kühn genug etwas aufzuopfern; man kann sich voraus nicht vorstellen was entstehen soll, man probiert, es gerät, es missrät, man verändert, verändert vielleicht was man lassen sollte, lässt was man verändern sollte, und so bleibt es zuletzt immer ein Stückwerk, das gefällt und anregt, aber nicht befriedigt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":305,"orig":"Geſteh mir aufrichtig, ſagte Eduard, du biſt mit ihren Anlagen nicht zufrieden.","norm":"Gestehe mir aufrichtig, sagte Eduard, du bist mit ihren Anlagen nicht zufrieden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":306,"orig":"Wenn die Ausfuͤhrung den Gedanken erſchoͤpfte, der ſehr gut iſt, ſo waͤre nichts zu erinnern.","norm":"Wenn die Ausführung den Gedanken erschöpfte, der sehr gut ist, so wäre nichts zu erinnern."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":307,"orig":"Sie hat ſich muͤhſam durch das Geſtein hinaufgequaͤlt und quaͤlt nun jeden, wenn du willſt, den ſie hinauffuͤhrt.","norm":"Sie hat sich mühsam durch das Gestein hinaufgequält und quält nun jeden, wenn du willst, den sie hinaufführt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":308,"orig":"Weder neben einander, noch hinter einander ſchreitet man mit einer gewiſſen Freyheit.","norm":"Weder nebeneinander, noch hintereinander schreitet man mit einer gewissen Freiheit."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":309,"orig":"Der Tact des Schrittes wird jeden Augenblick unterbrochen; und was ließe ſich nicht noch alles einwenden.","norm":"Der Takt des Schrittes wird jeden Augenblick unterbrochen; und was ließe sich nicht noch alles einwenden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":310,"orig":"Waͤre es denn leicht anders zu machen geweſen?","norm":"Wäre es denn leicht anders zu machen gewesen?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":311,"orig":"fragte Eduard.","norm":"fragte Eduard."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":312,"orig":"Gar leicht, verſetzte der Hauptmann; ſie durfte nur die eine Felſenecke, die noch dazu unſcheinbar iſt, weil ſie aus kleinen Theilen beſteht, wegbrechen; ſo erlangte ſie eine ſchoͤn geſchwungene Wendung zum Aufſtieg und zugleich uͤberfluͤſſige Steine, um die Stellen heraufzumauern, wo der Weg ſchmal und verkruͤppelt geworden waͤre.","norm":"Gar leicht, versetzte der Hauptmann; sie durfte nur die eine Felsenecke, die noch dazu unscheinbar ist, weil sie aus kleinen Teilen besteht, wegbrechen; so erlangte sie eine schön geschwungene Wendung zum Aufstieg und zugleich überflüssige Steine, um die Stellen heraufzumauern, wo der Weg schmal und verkrüppelt geworden wäre."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":313,"orig":"Doch ſey dieß im engſten Vertrauen unter uns geſagt: ſie wird ſonſt irre und verdrießlich.","norm":"Doch sei dies im engsten Vertrauen unter uns gesagt: Sie wird sonst irre und verdrießlich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":314,"orig":"Auch muß man was gemacht iſt, beſtehen laſſen.","norm":"Auch muss man was gemacht ist, bestehen lassen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":315,"orig":"Will man weiter Geld und Muͤhe aufwenden, ſo waͤre von der Mooshuͤtte hinaufwaͤrts und uͤber die Anhoͤhe noch mancherley zu thun und viel angenehmes zu leiſten.","norm":"Will man weiter Geld und Mühe aufwenden, so wäre von der Mooshütte hinaufwärts und über die Anhöhe noch mancherlei zu tun und viel Angenehmes zu leisten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":316,"orig":"Hatten auf dieſe Weiſe die beyden Freunde am Gegenwaͤrtigen manche Beſchaͤftigung, ſo fehlte es nicht an lebhafter und vergnuͤglicher Erinnerung vergangener Tage, woran Charlotte wohl Theil zu nehmen pflegte.","norm":"Hatten auf diese Weise die beiden Freunde am Gegenwärtigen manche Beschäftigung, so fehlte es nicht an lebhafter und vergnüglicher Erinnerung vergangener Tage, woran Charlotte wohl teilzunehmen pflegte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":317,"orig":"Auch ſetzte man ſich vor, wenn nur die naͤchſten Arbeiten erſt gethan waͤren, an die Reiſejournale zu gehen und auch auf dieſe Weiſe die Vergangenheit hervorzurufen.","norm":"Auch setzte man sich vor, wenn nur die nächsten Arbeiten erst getan wären, an die Reisejournale zu gehen und auch auf diese Weise die Vergangenheit hervorzurufen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":318,"orig":"Uebrigens hatte Eduard mit Charlotten allein weniger Stoff zur Unterhaltung, beſonders ſeitdem er den Tadel ihrer Parkanlagen, der ihm ſo gerecht ſchien, auf dem Herzen fuͤhlte.","norm":"Übrigens hatte Eduard mit Charlotten allein weniger Stoff zur Unterhaltung, besonders seitdem er den Tadel ihrer Parkanlagen, der ihm so gerecht schien, auf dem Herzen fühlte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":319,"orig":"Lange verſchwieg er was ihm der Hauptmann vertraut hatte; aber als er ſeine Gattinn zuletzt beſchaͤftigt ſah, von der Mooshuͤtte hinauf zur Anhoͤhe wieder mit Stuͤfchen und Pfaͤdchen ſich empor zu arbeiten; ſo hielt er nicht laͤnger zuruͤck, ſondern machte ſie nach einigen Umſchweifen mit ſeinen neuen Einſichten bekannt.","norm":"Lange verschwieg er was ihm der Hauptmann vertraut hatte; aber als er seine Gattin zuletzt beschäftigt sah, von der Mooshütte hinauf zur Anhöhe wieder mit Stüfchen und Pfädchen sich emporzuarbeiten; so hielt er nicht länger zurück, sondern machte sie nach einigen Umschweifen mit seinen neuen Einsichten bekannt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":320,"orig":"Charlotte ſtand betroffen.","norm":"Charlotte stand betroffen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":321,"orig":"Sie war geiſtreich genug, um ſchnell einzuſehen, daß jene Recht hatten; aber das Gethane widerſprach, es war nun einmal ſo gemacht; ſie hatte es recht, ſie hatte es wuͤnſchenswerth gefunden, ſelbſt das Getadelte war ihr in jedem einzelnen Theile lieb; ſie widerſtrebte der Ueberzeugung, ſie vertheidigte ihre kleine Schoͤpfung, ſie ſchalt auf die Maͤnner, die gleich ins Weite und Große gingen, aus einem Scherz, aus einer Unterhaltung gleich ein Werk machen wollten, nicht an die Koſten denken, die ein erweiteter Plan durchaus nach ſich zieht.","norm":"Sie war geistreich genug, um schnell einzusehen, dass jene Recht hatten; aber das Getane widersprach, es war nun einmal so gemacht; sie hatte es recht, sie hatte es wünschenswert gefunden, selbst das Getadelte war ihr in jedem einzelnen Teile lieb; sie widerstrebte der Überzeugung, sie verteidigte ihre kleine Schöpfung, sie schalt auf die Männer, die gleich ins Weite und Große gingen, aus einem Scherz, aus einer Unterhaltung gleich ein Werk machen wollten, nicht an die Kosten denken, die ein erweiterter Plan durchaus nach sich zieht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":322,"orig":"Sie war bewegt, verletzt, verdrießlich; ſie konnte das Alte nicht fahren laſſen, das Neue nicht ganz abweiſen; aber entſchloſſen wie ſie war, ſtellte ſie ſogleich die Arbeit ein und nahm ſich Zeit, die Sache zu bedenken und bey ſich reif werden zu laſſen.","norm":"Sie war bewegt, verletzt, verdrießlich; sie konnte das Alte nicht fahren lassen, das Neue nicht ganz abweisen; aber entschlossen wie sie war, stellte sie sogleich die Arbeit ein und nahm sich Zeit, die Sache zu bedenken und bei sich reif werden zu lassen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":323,"orig":"Indem ſie nun auch dieſe thaͤtige Unterhaltung vermißte, da indeß die Maͤnner ihr Geſchaͤft immer geſelliger betrieben und beſonders die Kunſtgaͤrten und Glashaͤuſer mit Eifer beſorgten, auch dazwiſchen die gewoͤhnlichen ritterlichen Uebungen fortſetzten, als Jagen, Pferde Kaufen, Tauſchen, Bereiten und Einfahren; ſo fuͤhlte ſich Charlotte taͤglich einſamer.","norm":"Indem sie nun auch diese tätige Unterhaltung vermisste, da indes die Männer ihr Geschäft immer geselliger betrieben und besonders die Kunstgärten und Glashäuser mit Eifer besorgten, auch dazwischen die gewöhnlichen ritterlichen Übungen fortsetzten, als Jagen, Pferdekaufen, Tauschen, Bereiten und Einfahren; so fühlte sich Charlotte täglich einsamer."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":324,"orig":"Sie fuͤhrte ihren Briefwechſel, auch um des Hauptmanns willen, lebhafter, und doch gab es manche einſame Stunde.","norm":"Sie führte ihren Briefwechsel, auch um des Hauptmanns willen, lebhafter, und doch gab es manche einsame Stunde."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":325,"orig":"Deſto angenehmer und unterhaltender waren ihr die Berichte, die ſie aus der Penſionsanſtalt erhielt.","norm":"Desto angenehmer und unterhaltender waren ihr die Berichte, die sie aus der Pensionsanstalt erhielt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":326,"orig":"Einem weitlaͤuftigen Briefe der Vorſteherinn, welcher ſich wie gewoͤhnlich uͤber der Tochter Fortſchritte mit Behagen verbreitete, war eine kurze Nachſchrift hinzugefuͤgt, nebſt einer Beylage von der Hand eines maͤnnlichen Gehuͤlfen am Inſtitut, die wir beyde mittheilen.","norm":"Einem weitläufigen Briefe der Vorsteherin, welcher sich wie gewöhnlich über der Tochter Fortschritte mit Behagen verbreitete, war eine kurze Nachschrift hinzugefügt, nebst einer Beilage von der Hand eines männlichen Gehilfen am Institut, die wir beide mitteilen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":327,"orig":"Von Ottilien, meine Gnaͤdige, haͤtte ich eigentlich nur zu wiederholen, was in meinen vorigen Berichten enthalten iſt.","norm":"Von Ottilie, meine Gnädige, hätte ich eigentlich nur zu wiederholen, was in meinen vorigen Berichten enthalten ist."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":328,"orig":"Ich wuͤßte ſie nicht zu ſchelten und doch kann ich nicht zufrieden mit ihr ſeyn.","norm":"Ich wüsste sie nicht zu schelten und doch kann ich nicht zufrieden mit ihr sein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":329,"orig":"Sie iſt nach wie vor beſcheiden und gefaͤllig gegen andre; aber dieſes Zuruͤcktreten, dieſe Dienſtbarkeit will mir nicht gefallen.","norm":"Sie ist nach wie vor bescheiden und gefällig gegen andere; aber dieses Zurücktreten, diese Dienstbarkeit will mir nicht gefallen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":330,"orig":"Ew. Gnaden haben ihr neulich Geld und verſchiedene Zeuge geſchickt.","norm":"Ew. Gnaden haben ihr neulich Geld und verschiedene Zeuge geschickt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":331,"orig":"Das erſte hat ſie nicht angegriffen; die andern liegen auch noch da, unberuͤhrt.","norm":"Das erste hat sie nicht angegriffen; die anderen liegen auch noch da, unberührt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":332,"orig":"Sie haͤlt freylich ihre Sachen ſehr reinlich und gut, und ſcheint nur in dieſem Sinn die Kleider zu wechſeln.","norm":"Sie hält freilich ihre Sachen sehr reinlich und gut, und scheint nur in diesem Sinn die Kleider zu wechseln."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":333,"orig":"Auch kann ich ihre große Maͤßigkeit im Eſſen und Trinken nicht loben.","norm":"Auch kann ich ihre große Mäßigkeit im Essen und Trinken nicht loben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":334,"orig":"An unſerm Tiſch iſt kein Ueberfluß; doch ſehe ich nichts lieber als wenn die Kinder ſich an ſchmackhaften und geſunden Speiſen ſatt eſſen.","norm":"An unserem Tisch ist kein Überfluss; doch sehe ich nichts lieber als wenn die Kinder sich an schmackhaften und gesunden Speisen satt essen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":335,"orig":"Was mit Bedacht und Ueberzeugung aufgetragen und vorgelegt iſt, ſoll auch aufgegeſſen werden.","norm":"Was mit Bedacht und Überzeugung aufgetragen und vorgelegt ist, soll auch aufgegessen werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":336,"orig":"Dazu kann ich Ottilien niemals bringen.","norm":"Dazu kann ich Ottilie niemals bringen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":337,"orig":"Ja ſie macht ſich irgend ein Geſchaͤft, um eine Luͤcke auszufuͤllen, wo die Dienerinnen etwas verſaͤumen, nur um eine Speiſe oder den Nachtiſch zu uͤbergehen.","norm":"Ja sie macht sich irgendein Geschäft, um eine Lücke auszufüllen, wo die Dienerinnen etwas versäumen, nur um eine Speise oder den Nachtisch zu übergehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":338,"orig":"Bey dieſem allen kommt jedoch in Betrachtung, daß ſie manchmal, wie ich erſt ſpaͤt erfahren habe, Kopfweh auf der linken Seite hat, das zwar voruͤbergeht, aber ſchmerzlich und bedeutend ſeyn mag.","norm":"Bei diesem allen kommt jedoch in Betrachtung, dass sie manchmal, wie ich erst spät erfahren habe, Kopfweh auf der linken Seite hat, das zwar vorübergeht, aber schmerzlich und bedeutend sein mag."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":339,"orig":"Soviel von dieſem uͤbrigens ſo ſchoͤnen und lieben Kinde.","norm":"Soviel von diesem übrigens so schönen und lieben Kinde."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":340,"orig":"Unſre vortreffliche Vorſteherinn laͤßt mich gewoͤhnlich die Briefe leſen, in welchen ſie Beobachtungen uͤber ihre Zoͤglinge den Aeltern und Vorgeſetzten mittheilt.","norm":"Unsere vortreffliche Vorsteherin lässt mich gewöhnlich die Briefe lesen, in welchen sie Beobachtungen über ihre Zöglinge den Eltern und Vorgesetzten mitteilt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":341,"orig":"Diejenigen die an Ew. Gnaden gerichtet ſind leſe ich immer mit doppelter Aufmerkſamkeit, mit doppeltem Vergnuͤgen: denn indem wir Ihnen zu einer Tochter Gluͤck zu wuͤnſchen haben, die alle jene glaͤnzenden Eigenſchaften vereinigt, wodurch man in der Welt emporſteigt; ſo muß ich wenigſtens Sie nicht minder gluͤcklich preiſen, daß Ihnen in Ihrer Pflegetochter ein Kind beſchert iſt, das zum Wohl, zur Zufriedenheit anderer und gewiß auch zu ſeinem eigenen Gluͤck geboren ward.","norm":"Diejenigen die an Ew. Gnaden gerichtet sind lese ich immer mit doppelter Aufmerksamkeit, mit doppeltem Vergnügen: denn indem wir Ihnen zu einer Tochter Glück zu wünschen haben, die alle jene glänzenden Eigenschaften vereinigt, wodurch man in der Welt emporsteigt; so muss ich wenigstens Sie nicht minder glücklich preisen, dass Ihnen in Ihrer Pflegetochter ein Kind beschert ist, das zum Wohl, zur Zufriedenheit anderer und gewiss auch zu seinem eigenen Glück geboren wurde."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":342,"orig":"Ottilie iſt faſt unſer einziger Zoͤgling, uͤber den ich mit unſerer ſo ſehr verehrten Vorſteherinn nicht einig werden kann.","norm":"Ottilie ist fast unser einziger Zögling, über den ich mit unserer so sehr verehrten Vorsteherin nicht einig werden kann."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":343,"orig":"Ich verarge dieſer thaͤtigen Frau keinesweges, daß ſie verlangt, man ſoll die Fruͤchte ihrer Sorgfalt aͤußerlich und deutlich ſehen; aber es giebt auch verſchloſſene Fruͤchte, die erſt die rechten kernhaften ſind, und die ſich fruͤher oder ſpaͤter zu einem ſchoͤnen Leben entwickeln.","norm":"Ich verarge dieser tätigen Frau keineswegs, dass sie verlangt, man soll die Früchte ihrer Sorgfalt äußerlich und deutlich sehen; aber es gibt auch verschlossene Früchte, die erst die rechten kernhaften sind, und die sich früher oder später zu einem schönen Leben entwickeln."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":344,"orig":"Dergleichen iſt gewiß Ihre Pflegetochter.","norm":"Dergleichen ist gewiss Ihre Pflegetochter."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":345,"orig":"So lange ich ſie unterrichte ſehe ich ſie immer gleichen Schrittes gehen, langſam, langſam vorwaͤrts, nie zuruͤck.","norm":"Solange ich sie unterrichte sehe ich sie immer gleichen Schrittes gehen, langsam, langsam vorwärts, nie zurück."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":346,"orig":"Wenn es bey einem Kinde noͤthig iſt, vom Anfange anzufangen, ſo iſt es gewiß bey ihr.","norm":"Wenn es bei einem Kinde nötig ist, vom Anfange anzufangen, so ist es gewiss bei ihr."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":347,"orig":"Was nicht aus dem Vorhergehenden folgt, begreift ſie nicht.","norm":"Was nicht aus dem Vorhergehenden folgt, begreift sie nicht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":348,"orig":"Sie ſteht unfaͤhig, ja ſtoͤckiſch vor einer leicht faßlichen Sache, die fuͤr ſie mit nichts zuſammenhaͤngt.","norm":"Sie steht unfähig, ja stöckisch vor einer leicht fasslichen Sache, die für sie mit nichts zusammenhängt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":349,"orig":"Kann man aber die Mittelglieder finden und ihr deutlich machen, ſo iſt ihr das ſchwerſte begreiflich.","norm":"Kann man aber die Mittelglieder finden und ihr deutlich machen, so ist ihr das Schwerste begreiflich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":350,"orig":"Bey dieſem langſamen Vorſchreiten bleibt ſie gegen ihre Mitſchuͤlerinnen zuruͤck, die mit ganz andern Faͤhigkeiten immer vorwaͤrts eilen, alles, auch das Unzuſammenhaͤngende, leicht faſſen, leicht behalten und bequem wieder anwenden.","norm":"Bei diesem langsamen Vorschreiten bleibt sie gegen ihre Mitschülerinnen zurück, die mit ganz anderen Fähigkeiten immer vorwärtseilen, alles, auch das Unzusammenhängende, leicht fassen, leicht behalten und bequem wieder anwenden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":351,"orig":"So lernt ſie, ſo vermag ſie bey einem beſchleunigten Lehrvortrage gar nichts; wie es der Fall in einigen Stunden iſt, welche von trefflichen, aber raſchen und ungeduldigen Lehrern gegeben werden.","norm":"So lernt sie, so vermag sie bei einem beschleunigten Lehrvortrage gar nichts; wie es der Fall in einigen Stunden ist, welche von trefflichen, aber raschen und ungeduldigen Lehrern gegeben werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":352,"orig":"Man hat uͤber ihre Handſchrift geklagt, uͤber ihre Unfaͤhigkeit die Regeln der Grammatik zu faſſen.","norm":"Man hat über ihre Handschrift geklagt, über ihre Unfähigkeit die Regeln der Grammatik zu fassen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":353,"orig":"Ich habe dieſe Beſchwerde naͤher unterſucht: es iſt wahr, ſie ſchreibt langſam und ſteif wenn man ſo will, doch nicht zaghaft und ungeſtalt.","norm":"Ich habe diese Beschwerde näher untersucht: Es ist wahr, sie schreibt langsam und steif wenn man so will, doch nicht zaghaft und ungestalt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":354,"orig":"Was ich ihr von der franzoͤſiſchen Sprache, die zwar mein Fach nicht iſt, ſchrittweiſe mittheilte, begriff ſie leicht.","norm":"Was ich ihr von der französischen Sprache, die zwar mein Fach nicht ist, schrittweise mitteilte, begriff sie leicht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":355,"orig":"Freilich iſt es wunderbar, ſie weiß vieles und recht gut, nur wenn man ſie fragt, ſcheint ſie nichts zu wiſſen.","norm":"Freilich ist es wunderbar, sie weiß vieles und recht gut, nur wenn man sie fragt, scheint sie nichts zu wissen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":356,"orig":"Soll ich mit einer allgemeinen Bemerkung ſchließen, ſo moͤchte ich ſagen: ſie lernt nicht als eine die erzogen werden ſoll, ſondern als eine die erziehen will; nicht als Schuͤlerinn, ſondern als kuͤnftige Lehrerinn.","norm":"Soll ich mit einer allgemeinen Bemerkung schließen, so möchte ich sagen: Sie lernt nicht als eine die erzogen werden soll, sondern als eine die erziehen will; nicht als Schülerin, sondern als künftige Lehrerin."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":357,"orig":"Vielleicht kommt es Ew. Gnaden ſonderbar vor, daß ich ſelbſt als Erzieher und Lehrer jemanden nicht mehr zu loben glaube, als wenn ich ihn fuͤr meines gleichen erklaͤre.","norm":"Vielleicht kommt es Ew. Gnaden sonderbar vor, dass ich selbst als Erzieher und Lehrer jemanden nicht mehr zu loben glaube, als wenn ich ihn für meinesgleichen erkläre."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":358,"orig":"Ew. Gnaden beſſre Einſicht, tiefere Menſchen- und Weltkenntniß wird aus meinen beſchraͤnkten wohlgemeinten Worten das Beſte nehmen.","norm":"Ew. Gnaden bessere Einsicht, tiefere Menschen- und Weltkenntnis wird aus meinen beschränkten wohlgemeinten Worten das Beste nehmen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":359,"orig":"Sie werden ſich uͤberzeugen, daß auch an dieſem Kinde viel Freude zu hoffen iſt.","norm":"Sie werden sich überzeugen, dass auch an diesem Kinde viel Freude zu hoffen ist."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":360,"orig":"Ich empfehle mich zu Gnaden und bitte um die Erlaubniß wieder zu ſchreiben, ſobald ich glaube, daß mein Brief etwas Bedeutendes und Angenehmes enthalten werde.","norm":"Ich empfehle mich zu Gnaden und bitte um die Erlaubnis wieder zu schreiben, sobald ich glaube, dass mein Brief etwas Bedeutendes und Angenehmes enthalten werde."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":361,"orig":"Charlotte freute ſich uͤber dieſes Blatt.","norm":"Charlotte freute sich über dieses Blatt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":362,"orig":"Sein Inhalt traf ganz nahe mit den Vorſtellungen zuſammen, welche ſie von Ottilien hegte; dabey konnte ſie ſich eines Laͤchelns nicht enthalten, indem der Antheil des Lehrers herzlicher zu ſeyn ſchien, als ihn die Einſicht in die Tugenden eines Zoͤglings hervorzubringen pflegt.","norm":"Sein Inhalt traf ganz nahe mit den Vorstellungen zusammen, welche sie von Ottilie hegte; dabei konnte sie sich eines Lächelns nicht enthalten, indem der Anteil des Lehrers herzlicher zu sein schien, als ihn die Einsicht in die Tugenden eines Zöglings hervorzubringen pflegt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":363,"orig":"Bey ihrer ruhigen, vorurtheilsfreyen Denkweiſe ließ ſie auch ein ſolches Verhaͤltniß, wie ſo viele andre, vor ſich liegen; die Theilnahme des verſtaͤndigen Mannes an Ottilien hielt ſie werth: denn ſie hatte in ihrem Leben genugſam einſehen gelernt, wie hoch jede wahre Neigung zu ſchaͤtzen ſey, in einer Welt wo Gleichguͤltigkeit und Abneigung eigentlich recht zu Hauſe ſind.","norm":"Bei ihrer ruhigen, vorurteilsfreien Denkweise ließ sie auch ein solches Verhältnis, wie so viele andere, vor sich liegen; die Teilnahme des verständigen Mannes an Ottilie hielt sie wert: denn sie hatte in ihrem Leben genugsam einsehen gelernt, wie hoch jede wahre Neigung zu schätzen sei, in einer Welt wo Gleichgültigkeit und Abneigung eigentlich recht zu Hause sind."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":364,"orig":"Die topographiſche Charte, auf welcher das Gut mit ſeinen Umgebungen, nach einem ziemlich großen Maaßſtabe, charakteriſtiſch und faßlich durch Federſtriche und Farben dargeſtellt war, und welche der Hauptmann durch einige trigonometriſche Meſſungen ſicher zu gruͤnden wußte, war bald fertig: denn weniger Schlaf, als dieſer thaͤtige Mann, bedurfte kaum Jemand, ſo wie ſein Tag ſtets dem augenblicklichen Zwecke gewidmet und deswegen jederzeit am Abende etwas gethan war.","norm":"Die topographische Karte, auf welcher das Gut mit seinen Umgebungen, nach einem ziemlich großen Maßstabe, charakteristisch und fasslich durch Federstriche und Farben dargestellt war, und welche der Hauptmann durch einige trigonometrische Messungen sicher zu gründen wusste, war bald fertig: denn weniger Schlaf, als dieser tätige Mann, bedurfte kaum jemand, so wie sein Tag stets dem augenblicklichen Zwecke gewidmet und deswegen jederzeit am Abende etwas getan war."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":365,"orig":"Laß uns nun, ſagte er zu ſeinem Freunde, an das Uebrige gehen, an die Gutsbeſchreibung, wozu ſchon genugſame Vorarbeit da ſeyn muß, aus der ſich nachher Pachtanſchlaͤge und anderes ſchon entwickeln werden.","norm":"Lass uns nun, sagte er zu seinem Freunde, an das Übrige gehen, an die Gutsbeschreibung, wozu schon genugsame Vorarbeit da sein muss, aus der sich nachher Pachtanschläge und anderes schon entwickeln werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":366,"orig":"Nur eines laß uns feſtſetzen und einrichten: trenne alles was eigentlich Geſchaͤft iſt vom Leben.","norm":"Nur eines lass uns festsetzen und einrichten: trenne alles was eigentlich Geschäft ist vom Leben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":367,"orig":"Das Geſchaͤft verlangt Ernſt und Strenge, das Leben Willkuͤhr; das Geſchaͤft die reinſte Folge, dem Leben thut eine Inconſequenz oft noth, ja ſie iſt liebenswuͤrdig und erheiternd.","norm":"Das Geschäft verlangt Ernst und Strenge, das Leben Willkür; das Geschäft die reinste Folge, dem Leben tut eine Inkonsequenz oft not, ja sie ist liebenswürdig und erheiternd."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":368,"orig":"Biſt du bey dem einen ſicher, ſo kannſt du in dem andern deſto freyer ſeyn; anſtatt daß bey einer Vermiſchung das Sichre durch das Freye weggeriſſen und aufgehoben wird.","norm":"Bist du bei dem einen sicher, so kannst du in dem anderen desto freier sein; anstatt dass bei einer Vermischung das Sichre durch das Freie weggerissen und aufgehoben wird."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":369,"orig":"Eduard fuͤhlte in dieſen Vorſchlaͤgen einen leiſen Vorwurf.","norm":"Eduard fühlte in diesen Vorschlägen einen leisen Vorwurf."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":370,"orig":"Zwar von Natur nicht unordentlich, konnte er doch niemals dazu kommen, ſeine Papiere nach Faͤchern abzutheilen.","norm":"Zwar von Natur nicht unordentlich, konnte er doch niemals dazu kommen, seine Papiere nach Fächern abzuteilen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":371,"orig":"Das was er mit andern abzuthun hatte, was blos von ihm ſelbſt abhing, es war nicht geſchieden; ſo wie er auch Geſchaͤfte und Beſchaͤftigung, Unterhaltung und Zerſtreuung nicht genugſam von einander abſonderte.","norm":"Das was er mit anderen abzutun hatte, was bloß von ihm selbst abhing, es war nicht geschieden; so wie er auch Geschäfte und Beschäftigung, Unterhaltung und Zerstreuung nicht genugsam voneinander absonderte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":372,"orig":"Jetzt wurde es ihm leicht, da ein Freund dieſe Bemuͤhung uͤbernahm, ein zweytes Ich die Sonderung bewirkte, in die das eine Ich nicht immer ſich ſpalten mag.","norm":"Jetzt wurde es ihm leicht, da ein Freund diese Bemühung übernahm, ein zweites Ich die Sonderung bewirkte, in die das eine Ich nicht immer sich spalten mag."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":373,"orig":"Sie errichteten auf dem Fluͤgel des Hauptmanns eine Repoſitur fuͤr das Gegenwaͤrtige, ein Archiv fuͤr das Vergangene; ſchafften alle Documente, Papiere, Nachrichten, aus verſchiedenen Behaͤltniſſen, Kammern, Schraͤnken und Kiſten herbey, und auf das geſchwindeſte war der Wuſt in eine erfreuliche Ordnung gebracht, lag rubricirt in bezeichneten Faͤchern.","norm":"Sie errichteten auf dem Flügel des Hauptmanns eine Repositur für das Gegenwärtige, ein Archiv für das Vergangene; schafften alle Dokumente, Papiere, Nachrichten, aus verschiedenen Behältnissen, Kammern, Schränken und Kisten herbei, und auf das geschwindeste war der Wust in eine erfreuliche Ordnung gebracht, lag rubriziert in bezeichneten Fächern."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":374,"orig":"Was man wuͤnſchte ward vollſtaͤndiger gefunden als man gehofft hatte.","norm":"Was man wünschte wurde vollständiger gefunden als man gehofft hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":375,"orig":"Hierbey ging ihnen ein alter Schreiber ſehr an die Hand, der den Tag uͤber, ja einen Theil der Nacht, nicht vom Pulte kam, und mit dem Eduard bisher immer unzufrieden geweſen war.","norm":"Hierbei ging ihnen ein alter Schreiber sehr an die Hand, der den Tag über, ja einen Teil der Nacht, nicht vom Pulte kam, und mit dem Eduard bisher immer unzufrieden gewesen war."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":376,"orig":"Ich kenne ihn nicht mehr, ſagte Eduard zu ſeinem Freund, wie thaͤtig und brauchbar der Menſch iſt.","norm":"Ich kenne ihn nicht mehr, sagte Eduard zu seinem Freund, wie tätig und brauchbar der Mensch ist."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":377,"orig":"Das macht, verſetzte der Hauptmann, wir tragen ihm nichts Neues auf, als bis er das Alte nach ſeiner Bequemlichkeit vollendet hat, und ſo leiſtet er, wie du ſiehſt, ſehr viel; ſobald man ihn ſtoͤrt, vermag er gar nichts.","norm":"Das macht, versetzte der Hauptmann, wir tragen ihm nichts Neues auf, als bis er das Alte nach seiner Bequemlichkeit vollendet hat, und so leistet er, wie du siehst, sehr viel; sobald man ihn stört, vermag er gar nichts."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":378,"orig":"Brachten die Freunde auf dieſe Weiſe ihre Tage zuſammen zu, ſo verſaͤumten ſie Abends nicht Charlotten regelmaͤßig zu beſuchen.","norm":"Brachten die Freunde auf diese Weise ihre Tage zusammen zu, so versäumten sie Abends nicht Charlotten regelmäßig zu besuchen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":379,"orig":"Fand ſich keine Geſellſchaft von benachbarten Orten und Guͤtern, welches oͤfter geſchah; ſo war das Geſpraͤch, wie das Leſen, meiſt ſolchen Gegenſtaͤnden gewidmet, welche den Wohlſtand, die Vortheile und das Behagen der buͤrgerlichen Geſellſchaft vermehren.","norm":"Fand sich keine Gesellschaft von benachbarten Orten und Gütern, welches öfter geschah; so war das Gespräch, wie das Lesen, meist solchen Gegenständen gewidmet, welche den Wohlstand, die Vorteile und das Behagen der bürgerlichen Gesellschaft vermehren."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":380,"orig":"Charlotte, ohnehin gewohnt die Gegenwart zu nutzen, fuͤhlte ſich, indem ſie ihren Mann zufrieden ſah, auch perſoͤnlich gefoͤrdert.","norm":"Charlotte, ohnehin gewohnt die Gegenwart zu nutzen, fühlte sich, indem sie ihren Mann zufrieden sah, auch persönlich gefördert."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":381,"orig":"Verſchiedene haͤusliche Anſtalten, die ſie laͤngſt gewuͤnſcht, aber nicht recht einleiten koͤnnen, wurden durch die Thaͤtigkeit des Hauptmanns bewirkt.","norm":"Verschiedene häusliche Anstalten, die sie längst gewünscht, aber nicht recht einleiten können, wurden durch die Tätigkeit des Hauptmanns bewirkt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":382,"orig":"Die Hausapotheke, die bisher nur aus wenigen Mitteln beſtanden, ward bereichert, und Charlotte, ſowohl durch faßliche Buͤcher als durch Unterredung, in den Stand geſetzt ihr thaͤtiges und huͤlfreiches Weſen oͤfter und wirkſamer als bisher in Uebung zu bringen.","norm":"Die Hausapotheke, die bisher nur aus wenigen Mitteln bestanden, wurde bereichert, und Charlotte, sowohl durch fassliche Bücher als durch Unterredung, in den Stand gesetzt ihr tätiges und hülfreiches Wesen öfter und wirksamer als bisher in Übung zu bringen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":383,"orig":"Da man auch die gewoͤhnlichen und demungeachtet nur zu oft uͤberraſchenden Nothfaͤlle durchdachte; ſo wurde alles was zur Rettung der Ertrunkenen noͤthig ſeyn moͤchte um ſo mehr angeſchafft, als bey der Naͤhe ſo mancher Teiche, Gewaͤſſer und Waſſerwerke, oͤfters ein und der andre Unfall dieſer Art vorkam.","norm":"Da man auch die gewöhnlichen und dem ungeachtet nur zu oft überraschenden Notfälle durchdachte; so wurde alles was zur Rettung der Ertrunkenen nötig sein möchte um so mehr angeschafft, als bei der Nähe so mancher Teiche, Gewässer und Wasserwerke, öfters ein und der andere Unfall dieser Art vorkam."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":384,"orig":"Dieſe Rubrik beſorgte der Hauptmann ſehr ausfuͤhrlich, und Eduarden entſchluͤpfte die Bemerkung, daß ein ſolcher Fall in dem Leben ſeines Freundes auf die ſeltſamſte Weiſe Epoche gemacht.","norm":"Diese Rubrik besorgte der Hauptmann sehr ausführlich, und Eduard entschlüpfte die Bemerkung, dass ein solcher Fall in dem Leben seines Freundes auf die seltsamste Weise Epoche gemacht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":385,"orig":"Doch als dieſer ſchwieg und einer traurigen Erinnerung auszuweichen ſchien, hielt Eduard gleichfalls an, ſo wie auch Charlotte, die nicht weniger im Allgemeinen davon unterrichtet war, uͤber jene Aeußerungen hinausging.","norm":"Doch als dieser schwieg und einer traurigen Erinnerung auszuweichen schien, hielt Eduard gleichfalls an, so wie auch Charlotte, die nicht weniger im Allgemeinen davon unterrichtet war, über jene Äußerungen hinausging."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":386,"orig":"Wir wollen alle dieſe vorſorglichen Anſtalten loben, ſagte eines Abends der Hauptmann; nun geht uns aber das Nothwendigſte noch ab, ein tuͤchtiger Mann, der das alles zu handhaben weiß.","norm":"Wir wollen alle diese vorsorglichen Anstalten loben, sagte eines Abends der Hauptmann; nun geht uns aber das Notwendigste noch ab, ein tüchtiger Mann, der das alles zu handhaben weiß."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":387,"orig":"Ich kann hiezu einen mir bekannten Feldchirurgus vorſchlagen, der jetzt um leidliche Bedingung zu haben iſt, ein vorzuͤglicher Mann in ſeinem Fache, und der mir auch in Behandlung heftiger innerer Uebel oͤfters mehr Genuͤge gethan hat als ein beruͤhmter Arzt; und augenblickliche Huͤlfe iſt doch immer das, was auf dem Lande am meiſten vermißt wird.","norm":"Ich kann hiezu einen mir bekannten Feldchirurg vorschlagen, der jetzt um leidliche Bedingung zu haben ist, ein vorzüglicher Mann in seinem Fache, und der mir auch in Behandlung heftiger innerer Übel öfters mehr Genüge getan hat als ein berühmter Arzt; und augenblickliche Hilfe ist doch immer das, was auf dem Lande am meisten vermisst wird."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":388,"orig":"Auch dieſer wurde ſogleich verſchrieben und beyde Gatten freuten ſich, daß ſie ſo manche Summe, die ihnen zu willkuͤhrlichen Ausgaben uͤbrig blieb, auf die noͤthigſten zu verwenden Anlaß gefunden.","norm":"Auch dieser wurde sogleich verschrieben und beide Gatten freuten sich, dass sie so manche Summe, die ihnen zu willkürlichen Ausgaben übrigblieb, auf die nötigsten zu verwenden Anlass gefunden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":389,"orig":"So benutzte Charlotte die Kenntniſſe, die Thaͤtigkeit des Hauptmanns auch nach ihrem Sinne und fing an mit ſeiner Gegenwart voͤllig zufrieden und uͤber alle Folgen beruhigt zu werden.","norm":"So benutzte Charlotte die Kenntnisse, die Tätigkeit des Hauptmanns auch nach ihrem Sinne und fing an mit seiner Gegenwart völlig zufrieden und über alle Folgen beruhigt zu werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":390,"orig":"Sie bereitete ſich gewoͤhnlich vor, manches zu fragen, und da ſie gern leben mochte, ſo ſuchte ſie alles Schaͤdliche, alles Toͤdtliche zu entfernen.","norm":"Sie bereitete sich gewöhnlich vor, manches zu fragen, und da sie gern leben mochte, so suchte sie alles Schädliche, alles Tödliche zu entfernen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":391,"orig":"Die Bleyglaſur der Toͤpferwaren, der Gruͤnſpan kupferner Gefaͤße hatte ihr ſchon manche Sorge gemacht.","norm":"Die Bleiglasur der Töpferwaren, der Grünspan kupferner Gefäße hatte ihr schon manche Sorge gemacht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":392,"orig":"Sie ließ ſich hieruͤber belehren, und natuͤrlicherweiſe mußte man auf die Grundbegriffe der Phyſik und Chemie zuruͤckgehen.","norm":"Sie ließ sich hierüber belehren, und natürlicherweise musste man auf die Grundbegriffe der Physik und Chemie zurückgehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":393,"orig":"Zufaͤlligen aber immer willkommenen Anlaß zu ſolchen Unterhaltungen gab Eduards Neigung, der Geſellſchaft vorzuleſen.","norm":"Zufälligen aber immer willkommenen Anlass zu solchen Unterhaltungen gab Eduards Neigung, der Gesellschaft vorzulesen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":394,"orig":"Er hatte eine ſehr wohlklingende tiefe Stimme und war fruͤher, wegen lebhafter gefuͤhlter Recitation dichteriſcher und redneriſcher Arbeiten, angenehm und beruͤhmt geweſen.","norm":"Er hatte eine sehr wohlklingende tiefe Stimme und war früher, wegen lebhafter gefühlter Rezitation dichterischer und rednerischer Arbeiten, angenehm und berühmt gewesen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":395,"orig":"Nun waren es andre Gegenſtaͤnde die ihn beſchaͤftigten, andre Schriften woraus er vorlas und eben ſeit einiger Zeit vorzuͤglich Werke phyſiſchen, chemiſchen und techniſchen Inhalts.","norm":"Nun waren es andere Gegenstände die ihn beschäftigten, andere Schriften woraus er vorlas und eben seit einiger Zeit vorzüglich Werke physischen, chemischen und technischen Inhalts."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":396,"orig":"Eine ſeiner beſondern Eigenheiten, die er jedoch vielleicht mit mehrern Menſchen theilt, war die, daß es ihm unertraͤglich fiel, wenn Jemand ihm beym Leſen in das Buch ſah.","norm":"Eine seiner besonderen Eigenheiten, die er jedoch vielleicht mit mehreren Menschen teilt, war die, dass es ihm unerträglich fiel, wenn Jemand ihm beim Lesen in das Buch sah."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":397,"orig":"In fruͤherer Zeit, beym Vorleſen von Gedichten, Schauſpielen, Erzaͤhlungen, war es die natuͤrliche Folge der lebhaften Abſicht, die der Vorleſende ſo gut als der Dichter, der Schauſpieler, der Erzaͤhlende hat, zu uͤberraſchen, Pauſen zu machen, Erwartungen zu erregen; da es denn freylich dieſer beabſichtigten Wirkung ſehr zuwider iſt, wenn ihm ein Dritter wiſſentlich mit den Augen vorſpringt.","norm":"In früherer Zeit, beim Vorlesen von Gedichten, Schauspielen, Erzählungen, war es die natürliche Folge der lebhaften Absicht, die der Vorlesende so gut als der Dichter, der Schauspieler, der Erzählende hat, zu überraschen, Pausen zu machen, Erwartungen zu erregen; da es denn freilich dieser beabsichtigten Wirkung sehr zuwider ist, wenn ihm ein Dritter wissentlich mit den Augen vorspringt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":398,"orig":"Er pflegte ſich auch deswegen in ſolchem Falle immer ſo zu ſetzen, daß er Niemand im Ruͤcken hatte.","norm":"Er pflegte sich auch deswegen in solchem Falle immer so zu setzen, dass er niemand im Rücken hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":399,"orig":"Jetzt zu dreyen war dieſe Vorſicht unnoͤthig; und da es dießmal nicht auf Erregung des Gefuͤhls, auf Ueberraſchung der Einbildungskraft angeſehen war; ſo dachte er ſelbſt nicht daran, ſich ſonderlich in Acht zu nehmen.","norm":"Jetzt zu drei war diese Vorsicht unnötig; und da es diesmal nicht auf Erregung des Gefühls, auf Überraschung der Einbildungskraft angesehen war; so dachte er selbst nicht daran, sich sonderlich in Acht zu nehmen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":400,"orig":"Nur eines Abends fiel es ihm auf, als er ſich nachlaͤſſig geſetzt hatte, daß Charlotte ihm in das Buch ſah.","norm":"Nur eines Abends fiel es ihm auf, als er sich nachlässig gesetzt hatte, dass Charlotte ihm in das Buch sah."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":401,"orig":"Seine alte Ungeduld erwachte und er verwies es ihr, gewiſſermaßen unfreundlich.","norm":"Seine alte Ungeduld erwachte und er verwies es ihr, gewissermaßen unfreundlich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":402,"orig":"Wollte man ſich doch ſolche Unarten, wie ſo manches andre was der Geſellſchaft laͤſtig iſt, ein fuͤr allemal abgewoͤhnen.","norm":"Wollte man sich doch solche Unarten, wie so manches Andere was der Gesellschaft lästig ist, ein für allemal abgewöhnen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":403,"orig":"Wenn ich Jemand vorleſe, iſt es denn nicht als wenn ich ihm muͤndlich etwas vortruͤge?","norm":"Wenn ich jemand vorlese, ist es denn nicht als wenn ich ihm mündlich etwas vortrüge?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":404,"orig":"Das Geſchriebene, das Gedruckte tritt an die Stelle meines eigenen Sinnes, meines eigenen Herzens; und wuͤrde ich mich wohl zu reden bemuͤhen, wenn ein Fenſterchen vor meiner Stirn, vor meiner Bruſt angebracht waͤre, ſo daß der, dem ich meine Gedanken einzeln zuzaͤhlen, meine Empfindungen einzeln zureichen will, immer ſchon lange vorher wiſſen koͤnnte, wo es mit mir hinaus wollte?","norm":"Das Geschriebene, das Gedruckte tritt an die Stelle meines eigenen Sinnes, meines eigenen Herzens; und würde ich mich wohl zu reden bemühen, wenn ein Fensterchen vor meiner Stirn, vor meiner Brust angebracht wäre, so dass der, dem ich meine Gedanken einzeln zuzählen, meine Empfindungen einzeln zureichen will, immer schon lange vorher wissen könnte, wo es mit mir hinaus wollte?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":405,"orig":"Wenn mir Jemand ins Buch ſieht, ſo iſt mir immer als wenn ich in zwey Stuͤcke geriſſen wuͤrde.","norm":"Wenn mir Jemand ins Buch sieht, so ist mir immer als wenn ich in zwei Stücke gerissen würde."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":406,"orig":"Charlotte, deren Gewandtheit ſich in groͤßeren und kleineren Zirkeln beſonders dadurch bewies, daß ſie jede unangenehme, jede heftige, ja ſelbſt nur lebhafte Aeußerung zu beſeitigen, ein ſich verlaͤngerndes Geſpraͤch zu unterbrechen, ein ſtockendes anzuregen wußte, war auch dießmal von ihrer guten Gabe nicht verlaſſen.","norm":"Charlotte, deren Gewandtheit sich in größeren und kleineren Zirkeln besonders dadurch bewies, dass sie jede unangenehme, jede heftige, ja selbst nur lebhafte Äußerung zu beseitigen, ein sich verlängerndes Gespräch zu unterbrechen, ein stockendes anzuregen wusste, war auch diesmal von ihrer guten Gabe nicht verlassen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":407,"orig":"Du wirſt mir meinen Fehler gewiß verzeihen, wenn ich bekenne was mir dieſen Augenblick begegnet iſt.","norm":"Du wirst mir meinen Fehler gewiss verzeihen, wenn ich bekenne was mir diesen Augenblick begegnet ist."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":408,"orig":"Ich hoͤrte von Verwandtſchaften leſen, und da dacht' ich eben gleich an meine Verwandten, an ein Paar Vettern, die mir gerade in dieſem Augenblick zu ſchaffen machen.","norm":"Ich hörte von Verwandtschaften lesen, und da dachte ich eben gleich an meine Verwandten, an ein paar Vettern, die mir gerade in diesem Augenblick zu schaffen machen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":409,"orig":"Meine Aufmerkſamkeit kehrt zu deiner Vorleſung zuruͤck; ich hoͤre daß von ganz lebloſen Dingen die Rede iſt, und blicke dir ins Buch, um mich wieder zurecht zu finden.","norm":"Meine Aufmerksamkeit kehrt zu deiner Vorlesung zurück; ich höre dass von ganz leblosen Dingen die Rede ist, und blicke dir ins Buch, um mich wieder zurechtzufinden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":410,"orig":"Es iſt eine Gleichnißrede, die dich verfuͤhrt und verwirrt hat, ſagte Eduard.","norm":"Es ist eine Gleichnisrede, die dich verführt und verwirrt hat, sagte Eduard."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":411,"orig":"Hier wird freylich nur von Erden und Mineralien gehandelt, aber der Menſch iſt ein wahrer Narziß; er beſpiegelt ſich uͤberall gern ſelbſt; er legt ſich als Folie der ganzen Welt unter.","norm":"Hier wird freilich nur von Erden und Mineralien gehandelt, aber der Mensch ist ein wahrer Narziss; er bespiegelt sich überall gern selbst; er legt sich als Folie der ganzen Welt unter."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":412,"orig":"Ja wohl!","norm":"Jawohl!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":413,"orig":"fuhr der Hauptmann fort: ſo behandelt er alles was er außer ſich findet; ſeine Weisheit wie ſeine Thorheit, ſeinen Willen wie ſeine Willkuͤhr leicht er den Thieren, den Pflanzen, den Elementen und den Goͤttern.","norm":"fuhr der Hauptmann fort: so behandelt er alles was er außer sich findet; seine Weisheit wie seine Torheit, seinen Willen wie seine Willkür leiht er den Tieren, den Pflanzen, den Elementen und den Göttern."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":414,"orig":"Moͤchtet Ihr mich, verſetzte Charlotte, da ich Euch nicht zu weit von dem augenblicklichen Intereſſe wegfuͤhren will, nur kuͤrzlich belehren, wie es eigentlich hier mit den Verwandtſchaften gemeint ſey.","norm":"Möchtet Ihr mich, versetzte Charlotte, da ich Euch nicht zu weit von dem augenblicklichen Interesse wegführen will, nur kürzlich belehren, wie es eigentlich hier mit den Verwandtschaften gemeint sei."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":415,"orig":"Das will ich wohl gerne thun, erwiederte der Hauptmann, gegen den ſich Charlotte gewendet hatte; freylich nur ſo gut als ich es vermag, wie ich es etwa vor zehn Jahren gelernt, wie ich es geleſen habe.","norm":"Das will ich wohl gerne tun, erwiderte der Hauptmann, gegen den sich Charlotte gewendet hatte; freilich nur so gut als ich es vermag, wie ich es etwa vor zehn Jahren gelernt, wie ich es gelesen habe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":416,"orig":"Ob man in der wiſſenſchaftlichen Welt noch ſo daruͤber denkt, ob es zu den neuern Lehren paßt, wuͤßte ich nicht zu ſagen.","norm":"Ob man in der wissenschaftlichen Welt noch so darüber denkt, ob es zu den neueren Lehren passt, wüsste ich nicht zu sagen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":417,"orig":"Es iſt ſchlimm genug, rief Eduard, daß man jetzt nichts mehr fuͤr ſein ganzes Leben lernen kann.","norm":"Es ist schlimm genug, rief Eduard, dass man jetzt nichts mehr für sein ganzes Leben lernen kann."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":418,"orig":"Unſre Vorfahren hielten ſich an den Unterricht, den ſie in ihrer Jugend empfangen; wir aber muͤſſen jetzt alle fuͤnf Jahre umlernen, wenn wir nicht ganz aus der Mode kommen wollen.","norm":"Unsere Vorfahren hielten sich an den Unterricht, den sie in ihrer Jugend empfangen; wir aber müssen jetzt alle fünf Jahre umlernen, wenn wir nicht ganz aus der Mode kommen wollen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":419,"orig":"Wir Frauen, ſagte Charlotte, nehmen es nicht ſo genau; und wenn ich aufrichtig ſeyn ſoll, ſo iſt es mir eigentlich nur um den Wortverſtand zu thun: denn es macht in der Geſellſchaft nichts laͤcherlicher, als wenn man ein fremdes, ein Kunſt-Wort falſch anwendet.","norm":"Wir Frauen, sagte Charlotte, nehmen es nicht so genau; und wenn ich aufrichtig sein soll, so ist es mir eigentlich nur um den Wortverstand zu tun: denn es macht in der Gesellschaft nichts lächerlicher, als wenn man ein fremdes, ein Kunstwort falsch anwendet."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":420,"orig":"Deshalb moͤchte ich nur wiſſen, in welchem Sinne dieſer Ausdruck eben bey dieſen Gegenſtaͤnden gebraucht wird.","norm":"Deshalb möchte ich nur wissen, in welchem Sinne dieser Ausdruck eben bei diesen Gegenständen gebraucht wird."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":421,"orig":"Wie es wiſſenſchaftlich damit zuſammenhaͤnge, wollen wir den Gelehrten uͤberlaſſen, die uͤbrigens, wie ich habe bemerken koͤnnen, ſich wohl ſchwerlich jemals vereinigen werden.","norm":"Wie es wissenschaftlich damit zusammenhänge, wollen wir den Gelehrten überlassen, die übrigens, wie ich habe bemerken können, sich wohl schwerlich jemals vereinigen werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":422,"orig":"Wo fangen wir aber nun an, um am ſchnellſten in die Sache zu kommen?","norm":"Wo fangen wir aber nun an, um am schnellsten in die Sache zu kommen?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":423,"orig":"fragte Eduard nach einer Pauſe den Hauptmann, der ſich ein wenig bedenkend bald darauf erwiederte:","norm":"fragte Eduard nach einer Pause den Hauptmann, der sich ein wenig bedenkend bald darauf erwiderte:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":424,"orig":"Wenn es mir erlaubt iſt, dem Scheine nach weit auszuhohlen, ſo ſind wir bald am Platze.","norm":"Wenn es mir erlaubt ist, dem Scheine nach weit auszuholen, so sind wir bald am Platze."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":425,"orig":"Seyn Sie meiner ganzen Aufmerkſamkeit verſichert, ſagte Charlotte, indem ſie ihre Arbeit bey Seite legte.","norm":"Sein Sie meiner ganzen Aufmerksamkeit versichert, sagte Charlotte, indem sie ihre Arbeit beiseitelegte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":426,"orig":"Und ſo begann der Hauptmann: an allen Naturweſen, die wir gewahr werden, bemerken wir zuerſt, daß ſie einen Bezug auf ſich ſelbſt haben.","norm":"Und so begann der Hauptmann: an allen Naturwesen, die wir gewahr werden, bemerken wir zuerst, dass sie einen Bezug auf sich selbst haben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":427,"orig":"Es klingt freylich wunderlich, wenn man etwas ausſpricht was ſich ohnehin verſteht; doch nur indem man ſich uͤber das Bekannte voͤllig verſtaͤndigt hat, kann man mit einander zum Unbekannten fortſchreiten.","norm":"Es klingt freilich wunderlich, wenn man etwas ausspricht was sich ohnehin versteht; doch nur indem man sich über das Bekannte völlig verständigt hat, kann man miteinander zum Unbekannten fortschreiten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":428,"orig":"Ich daͤchte, fiel ihm Eduard ein, wir machten ihr und uns die Sache durch Beyſpiele bequem.","norm":"Ich dächte, fiel ihm Eduard ein, wir machten ihr und uns die Sache durch Beispiele bequem."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":429,"orig":"Stelle dir nur das Waſſer, das Oel, das Queckſilber vor, ſo wirſt du eine Einigkeit, einen Zuſammenhang ihrer Theile finden.","norm":"Stelle dir nur das Wasser, das Öl, das Quecksilber vor, so wirst du eine Einigkeit, einen Zusammenhang ihrer Teile finden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":430,"orig":"Dieſe Einung verlaſſen ſie nicht, außer durch Gewalt oder ſonſtige Beſtimmung.","norm":"Diese Einung verlassen sie nicht, außer durch Gewalt oder sonstige Bestimmung."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":431,"orig":"Iſt dieſe beſeitigt, ſo treten ſie gleich wieder zuſammen.","norm":"Ist diese beseitigt, so treten sie gleich wieder zusammen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":432,"orig":"Ohne Frage, ſagte Charlotte beyſtimmend.","norm":"Ohne Frage, sagte Charlotte beistimmend."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":433,"orig":"Regentropfen vereinigen ſich ſchnell zu Stroͤmen.","norm":"Regentropfen vereinigen sich schnell zu Strömen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":434,"orig":"Und ſchon als Kinder ſpielen wir erſtaunt mit dem Queckſilber, indem wir es in Kuͤgelchen trennen und es wieder zuſammenlaufen laſſen.","norm":"Und schon als Kinder spielen wir erstaunt mit dem Quecksilber, indem wir es in Kügelchen trennen und es wieder zusammenlaufen lassen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":435,"orig":"Und ſo darf ich wohl, fuͤgte der Hauptmann hinzu, eines bedeutenden Punctes im fluͤchtigen Vorbeygehen erwaͤhnen, daß naͤmlich dieſer voͤllig reine, durch Fluͤſſigkeit moͤgliche Bezug ſich entſchieden und immer durch die Kugelgeſtalt auszeichnet.","norm":"Und so darf ich wohl, fügte der Hauptmann hinzu, eines bedeutenden Punktes im flüchtigen Vorbeigehen erwähnen, dass nämlich dieser völlig reine, durch Flüssigkeit mögliche Bezug sich entschieden und immer durch die Kugelgestalt auszeichnet."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":436,"orig":"Der fallende Waſſertropfen iſt rund; von den Queckſilberkuͤgelchen haben Sie ſelbſt geſprochen; ja ein fallendes geſchmolzenes Bley, wenn es Zeit hat voͤllig zu erſtarren, kommt unten in Geſtalt einer Kugel an.","norm":"Der fallende Wassertropfen ist rund; von den Quecksilberkügelchen haben Sie selbst gesprochen; ja ein fallendes geschmolzenes Blei, wenn es Zeit hat völlig zu erstarren, kommt unten in Gestalt einer Kugel an."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":437,"orig":"Laſſen Sie mich voreilen, ſagte Charlotte, ob ich treffe, wo Sie hinwollen.","norm":"Lassen Sie mich voreilen, sagte Charlotte, ob ich treffe, wo Sie hinwollen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":438,"orig":"Wie jedes gegen ſich ſelbſt einen Bezug hat, ſo muß es auch gegen andere ein Verhaͤltniß haben.","norm":"Wie jedes gegen sich selbst einen Bezug hat, so muss es auch gegen andere ein Verhältnis haben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":439,"orig":"Und das wird nach Verſchiedenheit der Weſen verſchieden ſeyn, fuhr Eduard eilig fort.","norm":"Und das wird nach Verschiedenheit der Wesen verschieden sein, fuhr Eduard eilig fort."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":440,"orig":"Bald werden ſie ſich als Freunde und alte Bekannte begegnen, die ſchnell zuſammentreten, ſich vereinigen, ohne an einander etwas zu veraͤndern, wie ſich Wein mit Waſſer vermiſcht.","norm":"Bald werden sie sich als Freunde und alte Bekannte begegnen, die schnell zusammentreten, sich vereinigen, ohne aneinander etwas zu verändern, wie sich Wein mit Wasser vermischt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":441,"orig":"Dagegen werden andre fremd neben einander verharren und ſelbſt durch mechaniſches Miſchen und Reiben ſich keinesweges verbinden; wie Oel und Waſſer zuſammengeruͤttelt ſich den Augenblick wieder aus einander ſondert.","norm":"Dagegen werden andere fremd nebeneinander verharren und selbst durch mechanisches Mischen und Reiben sich keineswegs verbinden; wie Öl und Wasser zusammengerüttelt sich den Augenblick wieder auseinander sondert."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":442,"orig":"Es fehlt nicht viel, ſagte Charlotte, ſo ſieht man in dieſen einfachen Formen die Menſchen, die man gekannt hat; beſonders aber erinnert man ſich dabey der Societaͤten, in denen man lebte.","norm":"Es fehlt nicht viel, sagte Charlotte, so sieht man in diesen einfachen Formen die Menschen, die man gekannt hat; besonders aber erinnert man sich dabei der Sozietäten, in denen man lebte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":443,"orig":"Die meiſte Aehnlichkeit jedoch mit dieſen ſeelenloſen Weſen haben die Maſſen, die in der Welt ſich einander gegenuͤber ſtellen, die Staͤnde, die Berufsbeſtimmungen, der Adel und der dritte Stand, der Soldat und der Civiliſt.","norm":"Die meiste Ähnlichkeit jedoch mit diesen seelenlosen Wesen haben die Massen, die in der Welt sich einander gegenüberstellen, die Stände, die Berufsbestimmungen, der Adel und der dritte Stand, der Soldat und der Zivilist."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":444,"orig":"Und doch, verſetzte Eduard, wie dieſe durch Sitten und Geſetze vereinbar ſind, ſo giebt es auch in unſerer chemiſchen Welt Mittelglieder, dasjenige zu verbinden, was ſich einander abweiſt.","norm":"Und doch, versetzte Eduard, wie diese durch Sitten und Gesetze vereinbar sind, so gibt es auch in unserer chemischen Welt Mittelglieder, dasjenige zu verbinden, was sich einander abweist."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":445,"orig":"So verbinden wir, fiel der Hauptmann ein, das Oel durch Laugenſalz mit dem Waſſer.","norm":"So verbinden wir, fiel der Hauptmann ein, das Öl durch Laugensalz mit dem Wasser."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":446,"orig":"Nur nicht zu geſchwind mit Ihrem Vortrag, ſagte Charlotte, damit ich zeigen kann, daß ich Schritt halte.","norm":"Nur nicht zu geschwind mit Ihrem Vortrag, sagte Charlotte, damit ich zeigen kann, dass ich Schritt halte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":447,"orig":"Sind wir nicht hier ſchon zu den Verwandtſchaften gelangt?","norm":"Sind wir nicht hier schon zu den Verwandtschaften gelangt?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":448,"orig":"Ganz richtig, erwiederte der Hauptmann, und wir werden ſie gleich in ihrer vollen Kraft und Beſtimmtheit kennen lernen.","norm":"Ganz richtig, erwiderte der Hauptmann, und wir werden sie gleich in ihrer vollen Kraft und Bestimmtheit kennenlernen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":449,"orig":"Diejenigen Naturen, die ſich beym Zuſammentreffen einander ſchnell ergreifen und wechſelſeitig beſtimmen, nennen wir verwandt.","norm":"Diejenigen Naturen, die sich beim Zusammentreffen einander schnell ergreifen und wechselseitig bestimmen, nennen wir verwandt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":450,"orig":"An den Alcalien und Saͤuren, die, obgleich einander entgegengeſetzt und vielleicht eben deswegen, weil ſie einander entgegengeſetzt ſind, ſich am entſchiedenſten ſuchen und faſſen, ſich modificiren und zuſammen einen neuen Koͤrper bilden, iſt dieſe Verwandtſchaft auffallend genug.","norm":"An den Alkalien und Säuren, die, obgleich einander entgegengesetzt und vielleicht eben deswegen, weil sie einander entgegengesetzt sind, sich am entschiedensten suchen und fassen, sich modifizieren und zusammen einen neuen Körper bilden, ist diese Verwandtschaft auffallend genug."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":451,"orig":"Gedenken wir nur des Kalks, der zu allen Saͤuren eine große Neigung, eine entſchiedene Vereinigungsluſt aͤußert.","norm":"Gedenken wir nur des Kalks, der zu allen Säuren eine große Neigung, eine entschiedene Vereinigungslust äußert."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":452,"orig":"Sobald unſer chemiſches Cabinet ankommt, wollen wir Sie verſchiedene Verſuche ſehen laſſen, die ſehr unterhaltend ſind und einen beſſern Begriff geben als Worte, Namen und Kunſtausdruͤcke.","norm":"Sobald unser chemisches Cabinet ankommt, wollen wir Sie verschiedene Versuche sehen lassen, die sehr unterhaltend sind und einen besseren Begriff geben als Worte, Namen und Kunstausdrücke."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":453,"orig":"Laſſen Sie mich geſtehen, ſagte Charlotte, wenn Sie dieſe Ihre wunderlichen Weſen verwandt nennen, ſo kommen ſie mir nicht ſowohl als Blutsverwandte, vielmehr als Geiſtes- und Seelenverwandte vor.","norm":"Lassen Sie mich gestehen, sagte Charlotte, wenn Sie diese Ihre wunderlichen Wesen verwandt nennen, so kommen sie mir nicht sowohl als Blutsverwandte, vielmehr als Geistes- und Seelenverwandte vor."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":454,"orig":"Auf eben dieſe Weiſe koͤnnen unter Menſchen wahrhaft bedeutende Freundſchaften entſtehen: denn entgegengeſetzte Eigenſchaften machen eine innigere Vereinigung moͤglich.","norm":"Auf eben diese Weise können unter Menschen wahrhaft bedeutende Freundschaften entstehen: denn entgegengesetzte Eigenschaften machen eine innigere Vereinigung möglich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":455,"orig":"Und ſo will ich denn abwarten, was Sie mir von dieſen geheimnißvollen Wirkungen vor die Augen bringen werden.","norm":"Und so will ich denn abwarten, was Sie mir von diesen geheimnisvollen Wirkungen vor die Augen bringen werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":456,"orig":"Ich will dich — ſagte ſie zu Eduard gewendet — jetzt im Vorleſen nicht weiter ſtoͤren, und um ſo viel beſſer unterrichtet, deinen Vortrag mit Aufmerkſamkeit vernehmen.","norm":"Ich will dich — sagte sie zu Eduard gewendet — jetzt im Vorlesen nicht weiter stören, und um so viel besser unterrichtet, deinen Vortrag mit Aufmerksamkeit vernehmen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":457,"orig":"Da du uns einmal aufgerufen haſt, verſetzte Eduard; ſo kommſt du ſo leicht nicht los: denn eigentlich ſind die verwickelten Faͤlle die intereſſanteſten.","norm":"Da du uns einmal aufgerufen hast, versetzte Eduard; so kommst du so leicht nicht los: denn eigentlich sind die verwickelten Fälle die interessantesten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":458,"orig":"Erſt bey dieſen lernt man die Grade der Verwandtſchaften, die naͤhern, ſtaͤrkern, entferntern, geringern Beziehungen kennen; die Verwandtſchaften werden erſt intereſſant, wenn ſie Scheidungen bewirken.","norm":"Erst bei diesen lernt man die Grade der Verwandtschaften, die nähern, stärkeren, entfernteren, geringeren Beziehungen kennen; die Verwandtschaften werden erst interessant, wenn sie Scheidungen bewirken."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":459,"orig":"Kommt das traurige Wort, rief Charlotte, das man leider in der Welt jetzt ſo oft hoͤrt, auch in der Naturlehre vor?","norm":"Kommt das traurige Wort, rief Charlotte, das man leider in der Welt jetzt so oft hört, auch in der Naturlehre vor?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":460,"orig":"Allerdings, erwiederte Eduard.","norm":"Allerdings, erwiderte Eduard."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":461,"orig":"Es war ſogar ein bezeichnender Ehrentitel der Chemiker, daß man ſie Scheidekuͤnſtler nannte.","norm":"Es war sogar ein bezeichnender Ehrentitel der Chemiker, dass man sie Scheidekünstler nannte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":462,"orig":"Das thut man alſo nicht mehr, verſetzte Charlotte, und thut ſehr wohl daran.","norm":"Das tut man also nicht mehr, versetzte Charlotte, und tut sehr wohl daran."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":463,"orig":"Das Vereinigen iſt eine groͤßere Kunſt, ein groͤßeres Verdienſt.","norm":"Das Vereinigen ist eine größere Kunst, ein größeres Verdienst."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":464,"orig":"Ein Einungskuͤnſtler waͤre in jedem Fache der ganzen Welt willkommen.","norm":"Ein Einungskünstler wäre in jedem Fache der ganzen Welt willkommen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":465,"orig":"— Nun ſo laßt mich denn, weil Ihr doch einmal im Zuge ſeyd, ein Paar ſolche Faͤlle wiſſen.","norm":"— Nun so lasst mich denn, weil Ihr doch einmal im Zuge seid, ein Paar solche Fälle wissen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":466,"orig":"So ſchließen wir uns denn gleich, ſagte der Hauptmann, an dasjenige wieder an, was wir oben ſchon benannt und beſprochen haben.","norm":"So schließen wir uns denn gleich, sagte der Hauptmann, an dasjenige wieder an, was wir oben schon benannt und besprochen haben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":467,"orig":"Z. B. was wir Kalkſtein nennen iſt eine mehr oder weniger reine Kalkerde, innig mit einer zarten Saͤure verbunden, die uns in Luftform bekannt geworden iſt.","norm":"Z. B. was wir Kalkstein nennen ist eine mehr oder weniger reine Kalkerde, innig mit einer zarten Säure verbunden, die uns in Luftform bekannt geworden ist."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":468,"orig":"Bringt man ein Stuͤck ſolchen Steines in verduͤnnte Schwefelſaͤure, ſo ergreift dieſe den Kalk und erſcheint mit ihm als Gyps; jene zarte luftige Saͤure hingegen entflieht.","norm":"Bringt man ein Stück solchen Steines in verdünnte Schwefelsäure, so ergreift diese den Kalk und erscheint mit ihm als Gips; jene zarte luftige Säure hingegen entflieht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":469,"orig":"Hier iſt eine Trennung, eine neue Zuſammenſetzung entſtanden und man glaubt ſich nunmehr berechtigt, ſogar das Wort Wahlverwandtſchaft anzuwenden, weil es wirklich ausſieht als wenn ein Verhaͤltniß dem andern vorgezogen, eins vor dem andern erwaͤhlt wuͤrde.","norm":"Hier ist eine Trennung, eine neue Zusammensetzung entstanden und man glaubt sich nunmehr berechtigt, sogar das Wort Wahlverwandtschaft anzuwenden, weil es wirklich aussieht als wenn ein Verhältnis dem anderen vorgezogen, eins vor dem anderen erwählt würde."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":470,"orig":"Verzeihen Sie mir, ſagte Charlotte, wie ich dem Naturforſcher verzeihe; aber ich wuͤrde hier niemals eine Wahl, eher eine Naturnothwendigkeit erblicken, und dieſe kaum: denn es iſt am Ende vielleicht gar nur die Sache der Gelegenheit.","norm":"Verzeihen Sie mir, sagte Charlotte, wie ich dem Naturforscher verzeihe; aber ich würde hier niemals eine Wahl, eher eine Naturnotwendigkeit erblicken, und diese kaum: denn es ist am Ende vielleicht gar nur die Sache der Gelegenheit."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":471,"orig":"Gelegenheit macht Verhaͤltniſſe wie ſie Diebe macht; und wenn von Ihren Naturkoͤrpern die Rede iſt, ſo ſcheint mir die Wahl blos in den Haͤnden des Chemikers zu liegen, der dieſe Weſen zuſammenbringt.","norm":"Gelegenheit macht Verhältnisse wie sie Diebe macht; und wenn von Ihren Naturkörpern die Rede ist, so scheint mir die Wahl bloß in den Händen des Chemikers zu liegen, der diese Wesen zusammenbringt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":472,"orig":"Sind ſie aber einmal beyſammen, dann gnade ihnen Gott!","norm":"Sind sie aber einmal beisammen, dann gnade ihnen Gott!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":473,"orig":"In dem gegenwaͤrtigen Falle dauert mich nur die arme Luftſaͤure, die ſich wieder im Unendlichen herumtreiben muß.","norm":"In dem gegenwärtigen Falle dauert mich nur die arme Luftsäure, die sich wieder im Unendlichen herumtreiben muss."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":474,"orig":"Es kommt nur auf ſie an, verſetzte der Hauptmann, ſich mit dem Waſſer zu verbinden und als Mineralquelle Geſunden und Kranken zur Erquickung zu dienen.","norm":"Es kommt nur auf sie an, versetzte der Hauptmann, sich mit dem Wasser zu verbinden und als Mineralquelle Gesunden und Kranken zur Erquickung zu dienen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":475,"orig":"Der Gyps hat gut reden, ſagte Charlotte, der iſt nun fertig, iſt ein Koͤrper, iſt verſorgt, anſtatt daß jenes ausgetriebene Weſen noch manche Noth haben kann bis es wieder unterkommt.","norm":"Der Gips hat gut reden, sagte Charlotte, der ist nun fertig, ist ein Körper, ist versorgt, anstatt dass jenes ausgetriebene Wesen noch manche Not haben kann bis es wieder unterkommt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":476,"orig":"Ich muͤßte ſehr irren, ſagte Eduard laͤchelnd, oder es ſteckt eine kleine Tuͤcke hinter deinen Reden.","norm":"Ich müsste sehr irren, sagte Eduard lächelnd, oder es steckt eine kleine Tücke hinter deinen Reden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":477,"orig":"Geſteh' nur deine Schalkheit!","norm":"Gestehe nur deine Schalkheit!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":478,"orig":"Am Ende bin ich in deinen Augen der Kalk, der vom Hauptmann, als einer Schwefelſaͤure ergriffen, deiner anmuthigen Geſellſchaft entzogen und in einen refractaͤren Gyps verwandelt wird.","norm":"Am Ende bin ich in deinen Augen der Kalk, der vom Hauptmann, als einer Schwefelsäure ergriffen, deiner anmutigen Gesellschaft entzogen und in einen refraktären Gips verwandelt wird."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":479,"orig":"Wenn das Gewiſſen, verſetzte Charlotte, dich ſolche Betrachtungen machen heißt; ſo kann ich ohne Sorge ſeyn.","norm":"Wenn das Gewissen, versetzte Charlotte, dich solche Betrachtungen machen heißt; so kann ich ohne Sorge sein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":480,"orig":"Dieſe Gleichnißreden ſind artig und unterhaltend, und wer ſpielt nicht gern mit Aehnlichkeiten?","norm":"Diese Gleichnisreden sind artig und unterhaltend, und wer spielt nicht gern mit Ähnlichkeiten?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":481,"orig":"Aber der Menſch iſt doch um ſo manche Stufe uͤber jene Elemente erhoͤht, und wenn er hier mit den ſchoͤnen Worten Wahl und Wahlverwandtſchaft etwas freygebig geweſen; ſo thut er wohl, wieder in ſich ſelbſt zuruͤckzukehren und den Werth ſolcher Ausdruͤcke bey dieſem Anlaß recht zu bedenken.","norm":"Aber der Mensch ist doch um so manche Stufe über jene Elemente erhöht, und wenn er hier mit den schönen Worten Wahl und Wahlverwandtschaft etwas freigebig gewesen; so tut er wohl, wieder in sich selbst zurückzukehren und den Wert solcher Ausdrücke bei diesem Anlass recht zu bedenken."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":482,"orig":"Mir ſind leider Faͤlle genug bekannt, wo eine innige unaufloͤslich ſcheinende Verbindung zweyer Weſen, durch gelegentliche Zugeſellung eines Dritten, aufgehoben, und eins der erſt ſo ſchoͤn verbundenen ins loſe Weite hinausgetrieben ward.","norm":"Mir sind leider Fälle genug bekannt, wo eine innige unauflöslich scheinende Verbindung zweier Wesen, durch gelegentliche Zugesellung eines Dritten, aufgehoben, und eins der erst so schön verbundenen ins lose Weite hinausgetrieben wurde."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":483,"orig":"Da ſind die Chemiker viel galanter, ſagte Eduard: ſie geſellen ein viertes dazu, damit keines leer ausgehe.","norm":"Da sind die Chemiker viel galanter, sagte Eduard: sie gesellen ein viertes dazu, damit keines leer ausgehe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":484,"orig":"Ja wohl!","norm":"Jawohl!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":485,"orig":"verſetzte der Hauptmann: dieſe Faͤlle ſind allerdings die bedeutendſten und merkwuͤrdigſten, wo man das Anziehen, das Verwandtſeyn, dieſes Verlaſſen, dieſes Vereinigen gleichſam uͤbers Kreuz, wirklich darſtellen kann; wo vier, bisher je zwey zu zwey verbundene Weſen in Beruͤhrung gebracht, ihre bisherige Vereinigung verlaſſen und ſich aufs neue verbinden.","norm":"versetzte der Hauptmann: Diese Fälle sind allerdings die bedeutendsten und merkwürdigsten, wo man das Anziehen, das Verwandtsein, dieses Verlassen, dieses Vereinigen gleichsam übers Kreuz, wirklich darstellen kann; wo vier, bisher je zwei zu zwei verbundene Wesen in Berührung gebracht, ihre bisherige Vereinigung verlassen und sich aufs neue verbinden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":486,"orig":"In dieſem Fahrenlaſſen und Ergreifen, in dieſem Fliehen und Suchen, glaubt man wirklich eine hoͤhere Beſtimmung zu ſehen; man traut ſolchen Weſen eine Art von Wollen und Waͤhlen zu, und haͤlt das Kunſtwort Wahlverwandtſchaften vollkommen gerechtfertigt.","norm":"In diesem Fahrenlassen und Ergreifen, in diesem Fliehen und Suchen, glaubt man wirklich eine höhere Bestimmung zu sehen; man traut solchen Wesen eine Art von Wollen und Wählen zu, und hält das Kunstwort Wahlverwandtschaften vollkommen gerechtfertigt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":487,"orig":"Beſchreiben Sie mir einen ſolchen Fall, ſagte Charlotte.","norm":"Beschreiben Sie mir einen solchen Fall, sagte Charlotte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":488,"orig":"Man ſollte dergleichen, verſetzte der Hauptmann, nicht mit Worten abthun.","norm":"Man sollte dergleichen, versetzte der Hauptmann, nicht mit Worten abtun."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":489,"orig":"Wie ſchon geſagt!","norm":"Wie schon gesagt!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":490,"orig":"ſobald ich Ihnen die Verſuche ſelbſt zeigen kann, wird alles anſchaulicher und angenehmer werden.","norm":"sobald ich Ihnen die Versuche selbst zeigen kann, wird alles anschaulicher und angenehmer werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":491,"orig":"Jetzt muͤßte ich Sie mit ſchrecklichen Kunſtworten hinhalten, die Ihnen doch keine Vorſtellung gaͤben.","norm":"Jetzt müsste ich Sie mit schrecklichen Kunstworten hinhalten, die Ihnen doch keine Vorstellung gäben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":492,"orig":"Man muß dieſe todtſcheinenden und doch zur Thaͤtigkeit innerlich immer bereiten Weſen wirkend vor ſeinen Augen ſehen, mit Theilnahme ſchauen, wie ſie einander ſuchen, ſich anziehen, ergreifen, zerſtoͤren, verſchlingen, aufzehren und ſodann aus der innigſten Verbindung wieder in erneuter, neuer, unerwarteter Geſtalt hervortreten: dann traut man ihnen erſt ein ewiges Leben, ja wohl gar Sinn und Verſtand zu, weil wir unſere Sinne kaum genuͤgend fuͤhlen, ſie recht zu beobachten, und unſre Vernunft kaum hinlaͤnglich, ſie zu faſſen.","norm":"Man muss diese tot scheinenden und doch zur Tätigkeit innerlich immer bereiten Wesen wirkend vor seinen Augen sehen, mit Teilnahme schauen, wie sie einander suchen, sich anziehen, ergreifen, zerstören, verschlingen, aufzehren und sodann aus der innigsten Verbindung wieder in erneuter, neuer, unerwarteter Gestalt hervortreten: dann traut man ihnen erst ein ewiges Leben, ja wohl gar Sinn und Verstand zu, weil wir unsere Sinne kaum genügend fühlen, sie recht zu beobachten, und unsere Vernunft kaum hinlänglich, sie zu fassen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":493,"orig":"Ich laͤugne nicht, ſagte Eduard, daß die ſeltſamen Kunſtwoͤrter demjenigen der nicht durch ſinnliches Anſchauen, durch Begriffe mit ihnen verſoͤhnt iſt, beſchwerlich, ja laͤcherlich werden muͤſſen.","norm":"Ich leugne nicht, sagte Eduard, dass die seltsamen Kunstwörter demjenigen der nicht durch sinnliches Anschauen, durch Begriffe mit ihnen versöhnt ist, beschwerlich, ja lächerlich werden müssen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":494,"orig":"Doch koͤnnten wir leicht mit Buchſtaben einſtweilen das Verhaͤltniß ausdruͤcken, wovon hier die Rede war.","norm":"Doch könnten wir leicht mit Buchstaben einstweilen das Verhältnis ausdrücken, wovon hier die Rede war."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":495,"orig":"Wenn Sie glauben, daß es nicht pedantiſch ausſieht, verſetzte der Hauptmann, ſo kann ich wohl in der Zeichenſprache mich kuͤrzlich zuſammenfaſſen.","norm":"Wenn Sie glauben, dass es nicht pedantisch aussieht, versetzte der Hauptmann, so kann ich wohl in der Zeichensprache mich kürzlich zusammenfassen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":496,"orig":"Denken ſie ſich ein A, das mit einem B innig verbunden iſt, durch viele Mittel und durch manche Gewalt nicht von ihm zu trennen; denken Sie ſich ein C, das ſich eben ſo zu einem D verhaͤlt; bringen Sie nun die beyden Paare in Beruͤhrung:","norm":"Denken sie sich ein A, das mit einem B innig verbunden ist, durch viele Mittel und durch manche Gewalt nicht von ihm zu trennen; denken Sie sich ein C, das sich ebenso zu einem D verhält; bringen Sie nun die beiden Paare in Berührung:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":497,"orig":"A wird ſich zu D, C zu B werfen, ohne daß man ſagen kann, wer das andere zuerſt verlaſſen, wer ſich mit dem andern zuerſt wieder verbunden habe.","norm":"A wird sich zu D, C zu B werfen, ohne dass man sagen kann, wer das andere zuerst verlassen, wer sich mit dem anderen zuerst wieder verbunden habe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":498,"orig":"Nun denn!","norm":"Nun denn!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":499,"orig":"fiel Eduard ein: bis wir alles dieſes mit Augen ſehen, wollen wir dieſe Formel als Gleichnißrede betrachten, woraus wir uns eine Lehre zum unmittelbaren Gebrauch ziehen.","norm":"fiel Eduard ein: bis wir alles dieses mit Augen sehen, wollen wir diese Formel als Gleichnisrede betrachten, woraus wir uns eine Lehre zum unmittelbaren Gebrauch ziehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":500,"orig":"Du ſtellſt das A vor, Charlotte, und ich dein B: denn eigentlich haͤnge ich doch nur von dir ab und folge dir, wie dem A das B. Das C iſt ganz deutlich der Capitain, der mich fuͤr dießmal dir einigermaßen entzieht.","norm":"Du stellst das A vor, Charlotte, und ich dein B: denn eigentlich hänge ich doch nur von dir ab und folge dir, wie dem A das B. Das C ist ganz deutlich der Kapitän, der mich für diesmal dir einigermaßen entzieht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":501,"orig":"Nun iſt es billig, daß wenn du nicht ins Unbeſtimmte entweichen ſollſt, dir fuͤr ein D geſorgt werde, und das iſt ganz ohne Frage das liebenswuͤrdige Daͤmchen Ottilie, gegen deren Annaͤherung du dich nicht laͤnger vertheidigen darfſt.","norm":"Nun ist es billig, dass wenn du nicht ins Unbestimmte entweichen sollst, dir für ein D gesorgt werde, und das ist ganz ohne Frage das liebenswürdige Dämchen Ottilie, gegen deren Annäherung du dich nicht länger verteidigen darfst."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":502,"orig":"Gut!","norm":"Gut!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":503,"orig":"verſetzte Charlotte, wenn auch das Beyſpiel, wie mir ſcheint, nicht ganz auf unſern Fall paßt; ſo halte ich es doch fuͤr ein Gluͤck, daß wir heute einmal voͤllig zuſammentreffen, und daß dieſe Natur- und Wahlverwandtſchaften unter uns eine vertrauliche Mittheilung beſchleunigen.","norm":"versetzte Charlotte, wenn auch das Beispiel, wie mir scheint, nicht ganz auf unseren Fall passt; so halte ich es doch für ein Glück, dass wir heute einmal völlig zusammentreffen, und dass diese Natur- und Wahlverwandtschaften unter uns eine vertrauliche Mitteilung beschleunigen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":504,"orig":"Ich will es alſo nur geſtehen, daß ich ſeit dieſem Nachmittage entſchloſſen bin, Ottilien zu berufen: denn meine bisherige treue Beſchließerinn und Haushaͤlterinn wird abziehen, weil ſie heiratet.","norm":"Ich will es also nur gestehen, dass ich seit diesem Nachmittage entschlossen bin, Ottilie zu berufen: denn meine bisherige treue Beschließerin und Haushälterin wird abziehen, weil sie heiratet."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":505,"orig":"Dieß waͤre von meiner Seite und um meinetwillen; was mich um Ottiliens willen beſtimmt, das wirſt du uns vorleſen.","norm":"Dies wäre von meiner Seite und um meinetwillen; was mich um Ottilies Willen bestimmt, das wirst du uns vorlesen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":506,"orig":"Ich will dir nicht ins Blatt ſehen, aber freylich iſt mir der Inhalt ſchon bekannt.","norm":"Ich will dir nicht ins Blatt sehen, aber freilich ist mir der Inhalt schon bekannt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":507,"orig":"Doch lies nur, lies!","norm":"Doch lies nur, lies!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":508,"orig":"Mit dieſen Worten zog ſie einen Brief hervor und reichte ihn Eduarden.","norm":"Mit diesen Worten zog sie einen Brief hervor und reichte ihn Eduard."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":509,"orig":"Ew. Gnaden werden verzeihen, wenn ich mich heute ganz kurz faſſe: denn ich habe nach vollendeter oͤffentlicher Pruͤfung deſſen was wir im vergangenen Jahr an unſern Zoͤglingen geleiſtet haben, an die ſaͤmmtlichen Aeltern und Vorgeſetzten den Verlauf zu melden; auch darf ich wohl kurz ſeyn, weil ich mit Wenigem Viel ſagen kann.","norm":"Ew. Gnaden werden verzeihen, wenn ich mich heute ganz kurz fasse: denn ich habe nach vollendeter öffentlicher Prüfung dessen was wir im vergangenen Jahr an unseren Zöglingen geleistet haben, an die sämtlichen Eltern und Vorgesetzten den Verlauf zu melden; auch darf ich wohl kurz sein, weil ich mit Wenigem Viel sagen kann."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":510,"orig":"Ihre Fraͤulein Tochter hat ſich in jedem Sinne als die erſte bewieſen.","norm":"Ihre Fräulein Tochter hat sich in jedem Sinne als die Erste bewiesen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":511,"orig":"Die beyliegenden Zeugniſſe, ihr eigner Brief, der die Beſchreibung der Preiſe enthaͤlt die ihr geworden ſind, und zugleich das Vergnuͤgen ausdruͤckt das ſie uͤber ein ſo gluͤckliches Gelingen empfindet, wird Ihnen zur Beruhigung, ja zur Freude gereichen.","norm":"Die beiliegenden Zeugnisse, ihr eigener Brief, der die Beschreibung der Preise enthält die ihr geworden sind, und zugleich das Vergnügen ausdrückt das sie über ein so glückliches Gelingen empfindet, wird Ihnen zur Beruhigung, ja zur Freude gereichen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":512,"orig":"Die meinige wird dadurch einigermaßen gemindert, daß ich vorausſehe, wir werden nicht lange mehr Urſache haben ein ſo weit vorgeſchrittenes Frauenzimmer bey uns zuruͤck zu halten.","norm":"Die meinige wird dadurch einigermaßen gemindert, dass ich voraussehe, wir werden nicht lange mehr Ursache haben ein so weit vorgeschrittenes Frauenzimmer bei uns zurückzuhalten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":513,"orig":"Ich empfehle mich zu Gnaden und nehme mir die Freyheit naͤchſtens meine Gedanken uͤber das was ich am vortheilhafteſten fuͤr ſie halte, zu eroͤffnen.","norm":"Ich empfehle mich zu Gnaden und nehme mir die Freiheit nächstens meine Gedanken über das was ich am vorteilhaftesten für sie halte, zu eröffnen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":514,"orig":"Von Ottilien ſchreibt mein freundlicher Gehuͤlfe.","norm":"Von Ottilie schreibt mein freundlicher Gehilfe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":515,"orig":"Von Ottilien laͤßt mich unſre ehrwuͤrdige Vorſteherinn ſchreiben, theils weil es ihr, nach ihrer Art zu denken, peinlich waͤre dasjenige was zu melden iſt zu melden, theils auch weil ſie ſelbſt einer Entſchuldigung bedarf, die ſie lieber mir in den Mund legen mag.","norm":"Von Ottilie lässt mich unsere ehrwürdige Vorsteherin schreiben, teils weil es ihr, nach ihrer Art zu denken, peinlich wäre dasjenige was zu melden ist zu melden, teils auch weil sie selbst einer Entschuldigung bedarf, die sie lieber mir in den Mund legen mag."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":516,"orig":"Da ich nur allzuwohl weiß, wie wenig die gute Ottilie das zu aͤußern im Stande iſt, was in ihr liegt und was ſie vermag; ſo war mir vor der oͤffentlichen Pruͤfung einigermaßen bange, um ſo mehr als uͤberhaupt dabey keine Vorbereitung moͤglich iſt, und auch, wenn es nach der gewoͤhnlichen Weiſe ſeyn koͤnnte, Ottilie auf den Schein nicht vorzubereiten waͤre.","norm":"Da ich nur allzu wohl weiß, wie wenig die gute Ottilie das zu äußeren imstande ist, was in ihr liegt und was sie vermag; so war mir vor der öffentlichen Prüfung einigermaßen bange, um so mehr als überhaupt dabei keine Vorbereitung möglich ist, und auch, wenn es nach der gewöhnlichen Weise sein könnte, Ottilie auf den Schein nicht vorzubereiten wäre."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":517,"orig":"Der Ausgang hat meine Sorge nur zu ſehr gerechtfertigt; ſie hat keinen Preis erhalten und iſt auch unter denen die kein Zeugniß empfangen haben.","norm":"Der Ausgang hat meine Sorge nur zu sehr gerechtfertigt; sie hat keinen Preis erhalten und ist auch unter denen die kein Zeugnis empfangen haben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":518,"orig":"Was ſoll ich viel ſagen?","norm":"Was soll ich viel sagen?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":519,"orig":"Im Schreiben hatten andere kaum ſo wohlgeformte Buchſtaben, doch viel freyere Zuͤge; im Rechnen waren alle ſchneller, und an ſchwierige Aufgaben, welche ſie beſſer loͤſt, kam es bey der Unterſuchung nicht.","norm":"Im Schreiben hatten andere kaum so wohlgeformte Buchstaben, doch viel freiere Züge; im Rechnen waren alle schneller, und an schwierige Aufgaben, welche sie besser löst, kam es bei der Untersuchung nicht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":520,"orig":"Im Franzoͤſiſchen uͤberparlirten und uͤberexponirten ſie manche; in der Geſchichte waren ihr Namen und Jahrzahlen nicht gleich bey der Hand; bey der Geographie vermißte man Aufmerkſamkeit auf die politiſche Eintheilung.","norm":"Im Französischen überparlierten und überexponierten sie manche; in der Geschichte waren ihr Namen und Jahrzahlen nicht gleich bei der Hand; bei der Geographie vermisste man Aufmerksamkeit auf die politische Einteilung."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":521,"orig":"Zum muſicaliſchen Vortrag ihrer wenigen beſcheidenen Melodieen fand ſich weder Zeit noch Ruhe.","norm":"Zum musikalischen Vortrag ihrer wenigen bescheidenen Melodien fand sich weder Zeit noch Ruhe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":522,"orig":"Im Zeichnen haͤtte ſie gewiß den Preis davon getragen: ihre Umriſſe waren rein und die Ausfuͤhrung bey vieler Sorgfalt geiſtreich.","norm":"Im Zeichnen hätte sie gewiss den Preis davongetragen: Ihre Umrisse waren rein und die Ausführung bei vieler Sorgfalt geistreich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":523,"orig":"Leider hatte ſie etwas zu Großes unternommen und war nicht fertig geworden.","norm":"Leider hatte sie etwas zu Großes unternommen und war nicht fertig geworden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":524,"orig":"Als die Schuͤlerinnen abgetreten waren, die Pruͤfenden zuſammen Rath hielten und uns Lehrern wenigſtens einiges Wort dabey goͤnnten, merkte ich wohl bald, daß von Ottilien gar nicht, und wenn es geſchah, wo nicht mit Misbilligung doch mit Gleichguͤltigkeit geſprochen wurde.","norm":"Als die Schülerinnen abgetreten waren, die Prüfenden zusammen Rat hielten und uns Lehrern wenigstens einiges Wort dabei gönnten, merkte ich wohl bald, dass von Ottilie gar nicht, und wenn es geschah, wo nicht mit Missbilligung doch mit Gleichgültigkeit gesprochen wurde."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":525,"orig":"Ich hoffte durch eine offne Darſtellung ihrer Art zu ſeyn, einige Gunſt zu erregen, und wagte mich daran mit doppeltem Eifer, einmal weil ich nach meiner Ueberzeugung ſprechen konnte, und ſodann weil ich mich in juͤngeren Jahren in eben demſelben traurigen Fall befunden hatte.","norm":"Ich hoffte durch eine offene Darstellung ihrer Art zu sein, einige Gunst zu erregen, und wagte mich daran mit doppeltem Eifer, einmal weil ich nach meiner Überzeugung sprechen konnte, und sodann weil ich mich in jüngeren Jahren in eben demselben traurigen Fall befunden hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":526,"orig":"Man hoͤrte mich mit Aufmerkſamkeit an; doch als ich geendigt hatte, ſagte mir der vorſitzende Pruͤfende zwar freundlich aber laconiſch:","norm":"Man hörte mich mit Aufmerksamkeit an; doch als ich geendigt hatte, sagte mir der vorsitzende Prüfende zwar freundlich aber lakonisch:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":527,"orig":"Faͤhigkeiten werden vorausgeſetzt, ſie ſollen zu Fertigkeiten werden.","norm":"Fähigkeiten werden vorausgesetzt, sie sollen zu Fertigkeiten werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":528,"orig":"Dieß iſt der Zweck aller Erziehung, dieß iſt die laute deutliche Abſicht der Aeltern und Vorgeſetzten, die ſtille nur halbbewußte der Kinder ſelbſt.","norm":"Dies ist der Zweck aller Erziehung, dies ist die laute deutliche Absicht der Eltern und Vorgesetzten, die stille nur halb bewusste der Kinder selbst."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":529,"orig":"Dieß iſt auch der Gegenſtand der Pruͤfung, wobey zugleich Lehrer und Schuͤler beurtheilt werden.","norm":"Dies ist auch der Gegenstand der Prüfung, wobei zugleich Lehrer und Schüler beurteilt werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":530,"orig":"Aus dem was wir von Ihnen vernehmen, ſchoͤpfen wir gute Hoffnung von dem Kinde, und Sie ſind allerdings lobenswuͤrdig, indem Sie auf die Faͤhigkeiten der Schuͤlerinnen genau Acht geben.","norm":"Aus dem was wir von Ihnen vernehmen, schöpfen wir gute Hoffnung von dem Kinde, und Sie sind allerdings lobenswürdig, indem Sie auf die Fähigkeiten der Schülerinnen genau achtgeben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":531,"orig":"Verwandeln Sie ſolche bis uͤbers Jahr in Fertigkeiten, ſo wird es Ihnen und Ihrer beguͤnſtigten Schuͤlerinn nicht an Beyfall mangeln.","norm":"Verwandeln Sie solche bis übers Jahr in Fertigkeiten, so wird es Ihnen und Ihrer begünstigten Schülerin nicht an Beifall mangeln."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":532,"orig":"In das was hierauf folgte hatte ich mich ſchon ergeben; aber ein noch Uebleres nicht befuͤrchtet, das ſich bald darauf zutrug.","norm":"In das was hierauf folgte hatte ich mich schon ergeben; aber ein noch übleres nicht befürchtet, das sich bald darauf zutrug."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":533,"orig":"Unſere gute Vorſteherinn, die wie ein guter Hirte auch nicht eins von ihren Schaͤfchen verloren, oder wie es hier der Fall war, ungeſchmuͤckt ſehen moͤchte, konnte, nachdem die Herren ſich entfernt hatten, ihren Unwillen nicht bergen und ſagte zu Ottilien, die ganz ruhig, indem die andern ſich uͤber ihre Preiſe freuten, am Fenſter ſtand: aber ſagen Sie mir, ums Himmelswillen!","norm":"Unsere gute Vorsteherin, die wie ein guter Hirte auch nicht eins von ihren Schäfchen verloren, oder wie es hier der Fall war, ungeschmückt sehen möchte, konnte, nachdem die Herren sich entfernt hatten, ihren Unwillen nicht bergen und sagte zu Ottilie, die ganz ruhig, indem die anderen sich über ihre Preise freuten, am Fenster stand: Aber sagen Sie mir, um das Himmels Willen!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":534,"orig":"wie kann man ſo dumm ausſehen, wenn man es nicht iſt?","norm":"wie kann man so dumm aussehen, wenn man es nicht ist?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":535,"orig":"Ottilie verſetzte ganz gelaſſen: verzeihen Sie, liebe Mutter; ich habe gerade heute wieder mein Kopfweh und ziemlich ſtark.","norm":"Ottilie versetzte ganz gelassen: Verzeihen Sie, liebe Mutter; ich habe gerade heute wieder mein Kopfweh und ziemlich stark."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":536,"orig":"Das kann niemand wiſſen!","norm":"Das kann niemand wissen!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":537,"orig":"verſetzte die ſonſt ſo theilnehmende Frau und kehrte ſich verdrießlich um.","norm":"versetzte die sonst so teilnehmende Frau und kehrte sich verdrießlich um."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":538,"orig":"Nun es iſt wahr:","norm":"Nun es ist wahr:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":539,"orig":"Niemand kann es wiſſen; denn Ottilie veraͤndert das Geſicht nicht, und ich habe auch nicht geſehen, daß ſie einmal die Hand nach dem Schlafe zu bewegt haͤtte.","norm":"Niemand kann es wissen; denn Ottilie verändert das Gesicht nicht, und ich habe auch nicht gesehen, dass sie einmal die Hand nach dem Schlafe zu bewegt hätte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":540,"orig":"Das war noch nicht alles.","norm":"Das war noch nicht alles."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":541,"orig":"Ihre Fraͤulein Tochter, gnaͤdige Frau, ſonſt lebhaft und freymuͤthig, war im Gefuͤhl ihres heutigen Triumphs ausgelaſſen und uͤbermuͤthig.","norm":"Ihre Fräulein Tochter, gnädige Frau, sonst lebhaft und freimütig, war im Gefühl ihres heutigen Triumphs ausgelassen und übermütig."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":542,"orig":"Sie ſprang mit ihren Preiſen und Zeugniſſen in den Zimmern herum, und ſchuͤttelte ſie auch Ottilien vor dem Geſicht.","norm":"Sie sprang mit ihren Preisen und Zeugnissen in den Zimmern herum, und schüttelte sie auch Ottilie vor dem Gesicht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":543,"orig":"Du biſt heute ſchlecht gefahren!","norm":"Du bist heute schlecht gefahren!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":544,"orig":"rief ſie aus.","norm":"rief sie aus."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":545,"orig":"Ganz gelaſſen antwortete Ottilie: es iſt noch nicht der letzte Pruͤfungstag.","norm":"Ganz gelassen antwortete Ottilie: Es ist noch nicht der letzte Prüfungstag."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":546,"orig":"Und doch wirſt du immer die letzte bleiben!","norm":"Und doch wirst du immer die Letzte bleiben!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":547,"orig":"rief die Fraͤulein und ſprang hinweg.","norm":"rief die Fräulein und sprang hinweg."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":548,"orig":"Ottilie ſchien gelaſſen fuͤr jeden andern, nur nicht fuͤr mich.","norm":"Ottilie schien gelassen für jeden anderen, nur nicht für mich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":549,"orig":"Eine innre unangenehme lebhafte Bewegung, der ſie widerſteht, zeigt ſich durch eine ungleiche Farbe des Geſichts.","norm":"Eine innere unangenehme lebhafte Bewegung, der sie widersteht, zeigt sich durch eine ungleiche Farbe des Gesichts."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":550,"orig":"Die linke Wange wird auf einen Augenblick roth, indem die rechte bleich wird.","norm":"Die linke Wange wird auf einen Augenblick rot, indem die rechte bleich wird."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":551,"orig":"Ich ſah dieß Zeichen und meine Theilnehmung konnte ſich nicht zuruͤckhalten.","norm":"Ich sah dies Zeichen und meine Teilnehmung konnte sich nicht zurückhalten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":552,"orig":"Ich fuͤhrte unſre Vorſteherinn bey Seite, ſprach ernſthaft mit ihr uͤber die Sache.","norm":"Ich führte unsere Vorsteherin beiseite, sprach ernsthaft mit ihr über die Sache."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":553,"orig":"Die treffliche Frau erkannte ihren Fehler.","norm":"Die treffliche Frau erkannte ihren Fehler."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":554,"orig":"Wir beriethen, wir beſprachen uns lange, und ohne deshalb weitlaͤufiger zu ſeyn, will ich Ew. Gnaden unſern Beſchluß und unſre Bitte vortragen:","norm":"Wir berieten, wir besprachen uns lange, und ohne deshalb weitläufiger zu sein, will ich Ew. Gnaden unseren Beschluss und unsere Bitte vortragen:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":555,"orig":"Ottilien auf einige Zeit zu ſich zu nehmen.","norm":"Ottilie auf einige Zeit zu sich zu nehmen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":556,"orig":"Die Gruͤnde werden Sie ſich ſelbſt am beſten entfalten.","norm":"Die Gründe werden Sie sich selbst am besten entfalten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":557,"orig":"Beſtimmen Sie ſich hiezu, ſo ſage ich mehr uͤber die Behandlung des guten Kindes.","norm":"Bestimmen Sie sich hiezu, so sage ich mehr über die Behandlung des guten Kindes."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":558,"orig":"Verlaͤßt uns dann Ihre Fraͤulein Tochter, wie zu vermuthen ſteht; ſo ſehen wir Ottilien mit Freuden zuruͤckkehren.","norm":"Verlässt uns dann Ihre Fräulein Tochter, wie zu vermuten steht; so sehen wir Ottilie mit Freuden zurückkehren."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":559,"orig":"Noch eins, das ich vielleicht in der Folge vergeſſen koͤnnte: ich habe nie geſehen, daß Ottilie etwas verlangt, oder gar um etwas dringend gebethen haͤtte.","norm":"Noch eins, das ich vielleicht in der Folge vergessen könnte: Ich habe nie gesehen, dass Ottilie etwas verlangt, oder gar um etwas dringend gebeten hätte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":560,"orig":"Dagegen kommen Faͤlle, wiewohl ſelten, daß ſie etwas abzulehnen ſucht was man von ihr fordert.","norm":"Dagegen kommen Fälle, wiewohl selten, dass sie etwas abzulehnen sucht was man von ihr fordert."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":561,"orig":"Sie thut das mit einer Gebaͤrde, die fuͤr den der den Sinn davon gefaßt hat unwiderſtehlich iſt.","norm":"Sie tut das mit einer Gebärde, die für den der den Sinn davon gefasst hat unwiderstehlich ist."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":562,"orig":"Sie druͤckt die flachen Haͤnde, die ſie in die Hoͤhe hebt, zuſammen und fuͤhrt ſie gegen die Bruſt, indem ſie ſich nur wenig vorwaͤrts neigt und den dringend Fordernden mit einem ſolchen Blick anſieht, daß er gern von allem abſteht was er verlangen oder wuͤnſchen moͤchte.","norm":"Sie drückt die flachen Hände, die sie in die Höhe hebt, zusammen und führt sie gegen die Brust, indem sie sich nur wenig vorwärts neigt und den dringend Fordernden mit einem solchen Blick ansieht, dass er gern von allem absteht was er verlangen oder wünschen möchte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":563,"orig":"Sehen Sie jemals dieſe Gebaͤrde, gnaͤdige Frau, wie es bey Ihrer Behandlung nicht wahrſcheinlich iſt; ſo gedenken Sie meiner und ſchonen Ottilien.","norm":"Sehen Sie jemals diese Gebärde, gnädige Frau, wie es bei Ihrer Behandlung nicht wahrscheinlich ist; so gedenken Sie meiner und schonen Ottilie."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":564,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":565,"orig":"Eduard hatte dieſe Briefe vorgeleſen, nicht ohne Laͤcheln und Kopfſchuͤtteln.","norm":"Eduard hatte diese Briefe vorgelesen, nicht ohne Lächeln und Kopfschütteln."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":566,"orig":"Auch konnte es an Bemerkungen uͤber die Perſonen und uͤber die Lage der Sache nicht fehlen.","norm":"Auch konnte es an Bemerkungen über die Personen und über die Lage der Sache nicht fehlen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":567,"orig":"Genug!","norm":"Genug!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":568,"orig":"rief Eduard endlich aus: es iſt entſchieden, ſie kommt!","norm":"rief Eduard endlich aus: Es ist entschieden, sie kommt!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":569,"orig":"Fuͤr dich waͤre geſorgt, meine Liebe, und wir duͤrfen nun auch mit unſerm Vorſchlag hervorruͤcken.","norm":"Für dich wäre gesorgt, meine Liebe, und wir dürfen nun auch mit unserem Vorschlag hervorrücken."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":570,"orig":"Es wird hoͤchſt noͤthig, daß ich zu dem Hauptmann auf den rechten Fluͤgel hinuͤber ziehe.","norm":"Es wird höchst nötig, dass ich zu dem Hauptmann auf den rechten Flügel hinüberziehe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":571,"orig":"Sowohl Abends als Morgens iſt erſt die rechte Zeit zuſammen zu arbeiten.","norm":"Sowohl Abends als Morgens ist erst die rechte Zeit zusammenzuarbeiten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":572,"orig":"Du erhaͤltſt dagegen fuͤr dich und Ottilien auf deiner Seite den ſchoͤnſten Raum.","norm":"Du erhältst dagegen für dich und Ottilie auf deiner Seite den schönsten Raum."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":573,"orig":"Charlotte ließ ſich's gefallen, und Eduard ſchilderte ihre kuͤnftige Lebensart.","norm":"Charlotte ließ sich es gefallen, und Eduard schilderte ihre künftige Lebensart."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":574,"orig":"Unter andern rief er aus: es iſt doch recht zuvorkommend von der Nichte, ein wenig Kopfweh auf der linken Seite zu haben; ich habe es manchmal auf der rechten.","norm":"Unter anderen rief er aus: Es ist doch recht zuvorkommend von der Nichte, ein wenig Kopfweh auf der linken Seite zu haben; ich habe es manchmal auf der rechten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":575,"orig":"Trifft es zuſammen und wir ſitzen gegeneinander, ich auf den rechten Elbogen, ſie auf den linken geſtuͤtzt, und die Koͤpfe nach verſchiedenen Seiten in die Hand gelegt; ſo muß das ein Paar artige Gegenbilder geben.","norm":"Trifft es zusammen und wir sitzen gegeneinander, ich auf den rechten Ellbogen, sie auf den linken gestützt, und die Köpfe nach verschiedenen Seiten in die Hand gelegt; so muss das ein Paar artige Gegenbilder geben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":576,"orig":"Der Hauptmann wollte das gefaͤhrlich finden;","norm":"Der Hauptmann wollte das gefährlich finden;"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":577,"orig":"Eduard hingegen rief aus: nehmen Sie ſich nur, lieber Freund, vor dem D in Acht!","norm":"Eduard hingegen rief aus: nehmen Sie sich nur, lieber Freund, vor dem D in Acht!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":578,"orig":"Was ſollte B denn anfangen, wenn ihm C entriſſen wuͤrde?","norm":"Was sollte B denn anfangen, wenn ihm C entrissen würde?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":579,"orig":"Nun, ich daͤchte doch, verſetzte Charlotte, das verſtuͤnde ſich von ſelbſt.","norm":"Nun, ich dächte doch, versetzte Charlotte, das verstünde sich von selbst."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":580,"orig":"Freylich, rief Eduard: es kehrte zu ſeinem A zuruͤck, zu ſeinem A und O!","norm":"Freilich, rief Eduard: Es kehrte zu seinem A zurück, zu seinem A und O!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":581,"orig":"rief er, indem er aufſprang und Charlotten feſt an ſeine Bruſt druͤckte.","norm":"rief er, indem er aufsprang und Charlotten fest an seine Brust drückte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":582,"orig":"Ein Wagen der Ottilien brachte war angefahren.","norm":"Ein Wagen der Ottilie brachte war angefahren."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":583,"orig":"Charlotte ging ihr entgegen; das liebe Kind eilte ſich ihr zu naͤhern, warf ſich ihr zu Fuͤßen und umfaßte ihre Kniee.","norm":"Charlotte ging ihr entgegen; das liebe Kind eilte sich ihr zu nähern, warf sich ihr zu Füßen und umfasste ihre Kniee."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":584,"orig":"Wozu die Demuͤthigung!","norm":"Wozu die Demütigung!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":585,"orig":"ſagte Charlotte, die einigermaßen verlegen war und ſie aufheben wollte.","norm":"sagte Charlotte, die einigermaßen verlegen war und sie aufheben wollte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":586,"orig":"Es iſt ſo demuͤthig nicht gemeynt, verſetzte Ottilie, die in ihrer vorigen Stellung blieb.","norm":"Es ist so demütig nicht gemeint, versetzte Ottilie, die in ihrer vorigen Stellung blieb."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":587,"orig":"Ich mag mich nur ſo gern jener Zeit erinnern, da ich noch nicht hoͤher reichte als bis an Ihre Kniee und Ihrer Liebe ſchon ſo gewiß war.","norm":"Ich mag mich nur so gern jener Zeit erinnern, da ich noch nicht höher reichte als bis an Ihre Kniee und Ihrer Liebe schon so gewiss war."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":588,"orig":"Sie ſtand auf und Charlotte umarmte ſie herzlich.","norm":"Sie stand auf und Charlotte umarmte sie herzlich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":589,"orig":"Sie ward den Maͤnnern vorgeſtellt und gleich mit beſonderer Achtung als Gaſt behandelt.","norm":"Sie wurde den Männern vorgestellt und gleich mit besonderer Achtung als Gast behandelt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":590,"orig":"Schoͤnheit iſt uͤberall ein gar willkommner Gaſt.","norm":"Schönheit ist überall ein gar willkommener Gast."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":591,"orig":"Sie ſchien aufmerkſam auf das Geſpraͤch, ohne daß ſie daran Theil genommen haͤtte.","norm":"Sie schien aufmerksam auf das Gespräch, ohne dass sie daran teilgenommen hätte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":592,"orig":"Den andern Morgen ſagte Eduard zu Charlotten: es iſt ein angenehmes unterhaltendes Maͤdchen.","norm":"Den anderen Morgen sagte Eduard zu Charlotten: Es ist ein angenehmes unterhaltendes Mädchen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":593,"orig":"Unterhaltend?","norm":"Unterhaltend?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":594,"orig":"verſetzte Charlotte mit Laͤcheln: ſie hat ja den Mund noch nicht aufgethan.","norm":"versetzte Charlotte mit Lächeln: Sie hat ja den Mund noch nicht aufgetan."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":595,"orig":"So?","norm":"So?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":596,"orig":"erwiederte Eduard, indem er ſich zu beſinnen ſchien: das waͤre doch wunderbar!","norm":"erwiderte Eduard, indem er sich zu besinnen schien: Das wäre doch wunderbar!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":597,"orig":"Charlotte gab dem neuen Ankoͤmmling nur wenige Winke, wie es mit dem Hausgeſchaͤfte zu halten ſey.","norm":"Charlotte gab dem neuen Ankömmling nur wenige Winke, wie es mit dem Hausgeschäfte zu halten sei."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":598,"orig":"Ottilie hatte ſchnell die ganze Ordnung eingeſehen, ja was noch mehr iſt, empfunden.","norm":"Ottilie hatte schnell die ganze Ordnung eingesehen, ja was noch mehr ist, empfunden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":599,"orig":"Was ſie fuͤr alle, fuͤr einen Jeden insbeſondre zu beſorgen hatte, begriff ſie leicht.","norm":"Was sie für alle, für einen Jeden insbesondere zu besorgen hatte, begriff sie leicht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":600,"orig":"Alles geſchah puͤnctlich.","norm":"Alles geschah pünktlich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":601,"orig":"Sie wußte anzuordnen, ohne daß ſie zu befehlen ſchien, und wo Jemand ſaͤumte, verrichtete ſie das Geſchaͤft gleich ſelbſt.","norm":"Sie wusste anzuordnen, ohne dass sie zu befehlen schien, und wo jemand säumte, verrichtete sie das Geschäft gleich selbst."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":602,"orig":"Sobald ſie gewahr wurde, wie viel Zeit ihr uͤbrig blieb, bat ſie Charlotten ihre Stunden eintheilen zu duͤrfen, die nun genau beobachtet wurden.","norm":"Sobald sie gewahr wurde, wie viel Zeit ihr übrigblieb, bat sie Charlotten ihre Stunden einteilen zu dürfen, die nun genau beobachtet wurden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":603,"orig":"Sie arbeitete das Vorgeſetzte auf eine Art, von der Charlotte durch den Gehuͤlfen unterrichtet war.","norm":"Sie arbeitete das Vorgesetzte auf eine Art, von der Charlotte durch den Gehilfen unterrichtet war."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":604,"orig":"Man ließ ſie gewaͤhren.","norm":"Man ließ sie gewähren."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":605,"orig":"Nur zuweilen ſuchte Charlotte ſie anzuregen.","norm":"Nur zuweilen suchte Charlotte sie anzuregen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":606,"orig":"So ſchob ſie ihr manchmal abgeſchriebene Federn unter, um ſie auf einen freyeren Zug der Handſchrift zu leiten; aber auch dieſe waren bald wieder ſcharf geſchnitten.","norm":"So schob sie ihr manchmal abgeschriebene Federn unter, um sie auf einen freieren Zug der Handschrift zu leiten; aber auch diese waren bald wieder scharf geschnitten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":607,"orig":"Die Frauenzimmer hatten untereinander feſtgeſetzt, franzoͤſiſch zu reden wenn ſie allein waͤren; und Charlotte beharrte um ſo mehr dabey, als Ottilie geſpraͤchiger in der fremden Sprache war, indem man ihr die Uebung derſelben zur Pflicht gemacht hatte.","norm":"Die Frauenzimmer hatten untereinander festgesetzt, Französisch zu reden wenn sie allein wären; und Charlotte beharrte um so mehr dabei, als Ottilie gesprächiger in der fremden Sprache war, indem man ihr die Übung derselben zur Pflicht gemacht hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":608,"orig":"Hier ſagte ſie oft mehr als ſie zu wollen ſchien.","norm":"Hier sagte sie oft mehr als sie zu wollen schien."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":609,"orig":"Beſonders ergetzte ſich Charlotte an einer zufaͤlligen, zwar genauen aber doch liebevollen Schilderung der ganzen Penſionsanſtalt.","norm":"Besonders ergötzte sich Charlotte an einer zufälligen, zwar genauen aber doch liebevollen Schilderung der ganzen Pensionsanstalt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":610,"orig":"Ottilie ward ihr eine liebe Geſellſchafterinn, und ſie hoffte dereinſt an ihr eine zuverlaͤſſige Freundinn zu finden.","norm":"Ottilie wurde ihr eine liebe Gesellschafterin, und sie hoffte dereinst an ihr eine zuverlässige Freundin zu finden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":611,"orig":"Charlotte nahm indeß die aͤlteren Papiere wieder vor, die ſich auf Ottilien bezogen, um ſich in Erinnerung zu bringen, was die Vorſteherinn, was der Gehuͤlfe uͤber das gute Kind geurtheilt, um es mit ihrer Perſoͤnlichkeit ſelbſt zu vergleichen.","norm":"Charlotte nahm indes die älteren Papiere wieder vor, die sich auf Ottilie bezogen, um sich in Erinnerung zu bringen, was die Vorsteherin, was der Gehilfe über das gute Kind geurteilt, um es mit ihrer Persönlichkeit selbst zu vergleichen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":612,"orig":"Denn Charlotte war der Meynung, man koͤnne nicht geſchwind genug mit dem Character der Menſchen bekannt werden, mit denen man zu leben hat, um zu wiſſen, was ſich von ihnen erwarten, was ſich an ihnen bilden laͤßt, oder was man ihnen ein fuͤr allemal zugeſtehen und verzeihen muß.","norm":"Denn Charlotte war der Meinung, man könne nicht geschwind genug mit dem Charakter der Menschen bekannt werden, mit denen man zu leben hat, um zu wissen, was sich von ihnen erwarten, was sich an ihnen bilden lässt, oder was man ihnen ein für allemal zugestehen und verzeihen muss."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":613,"orig":"Sie fand zwar bey dieſer Unterſuchung nichts neues, aber manches Bekannte ward ihr bedeutender und auffallender.","norm":"Sie fand zwar bei dieser Untersuchung nichts Neues, aber manches Bekannte wurde ihr bedeutender und auffallender."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":614,"orig":"So konnte ihr z. B. Ottiliens Maͤßigkeit im Eſſen und Trinken wirklich Sorge machen.","norm":"So konnte ihr z. B. Ottilies Mäßigkeit im Essen und Trinken wirklich Sorge machen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":615,"orig":"Das naͤchſte was die Frauen beſchaͤftigte war der Anzug.","norm":"Das Nächste was die Frauen beschäftigte war der Anzug."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":616,"orig":"Charlotte verlangte von Ottilien, ſie ſolle in Kleidern reicher und mehr ausgeſucht erſcheinen.","norm":"Charlotte verlangte von Ottilie, sie solle in Kleidern reicher und mehr ausgesucht erscheinen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":617,"orig":"Sogleich ſchnitt das gute thaͤtige Kind die ihr fruͤher geſchenkten Stoffe ſelbſt zu und wußte ſie ſich, mit geringer Beyhuͤlfe anderer, ſchnell und hoͤchſt zierlich anzupaſſen.","norm":"Sogleich schnitt das gute tätige Kind die ihr früher geschenkten Stoffe selbst zu und wusste sie sich, mit geringer Beihilfe anderer, schnell und höchst zierlich anzupassen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":618,"orig":"Die neuen, modiſchen Gewaͤnder erhoͤhten ihre Geſtalt: denn indem das Angenehme einer Perſon ſich auch uͤber ihre Huͤlle verbreitet, ſo glaubt man ſie immer wieder von neuem und anmuthiger zu ſehen, wenn ſie ihre Eigenſchaften einer neuen Umgebung mittheilt.","norm":"Die neuen, modischen Gewänder erhöhten ihre Gestalt: denn indem das Angenehme einer Person sich auch über ihre Hülle verbreitet, so glaubt man sie immer wieder von neuem und anmutiger zu sehen, wenn sie ihre Eigenschaften einer neuen Umgebung mitteilt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":619,"orig":"Dadurch ward ſie den Maͤnnern, wie von Anfang ſo immer mehr, daß wir es nur mit dem rechten Namen nennen, ein wahrer Augentroſt.","norm":"Dadurch wurde sie den Männern, wie von Anfang so immer mehr, dass wir es nur mit dem rechten Namen nennen, ein wahrer Augentrost."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":620,"orig":"Denn wenn der Smaragd durch ſeine herrliche Farbe dem Geſicht wohl thut, ja ſogar einige Heilkraft an dieſem edlen Sinn ausuͤbt; ſo wirkt die menſchliche Schoͤnheit noch mit weit groͤßerer Gewalt auf den aͤußern und inneren Sinn.","norm":"Denn wenn der Smaragd durch seine herrliche Farbe dem Gesicht wohltut, ja sogar einige Heilkraft an diesem edlen Sinn ausübt; so wirkt die menschliche Schönheit noch mit weit größerer Gewalt auf den äußeren und inneren Sinn."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":621,"orig":"Wer ſie erblickt, den kann nichts uͤbles anwehen; er fuͤhlt ſich mit ſich ſelbſt und mit der Welt in Uebereinſtimmung.","norm":"Wer sie erblickt, den kann nichts Übles anwehen; er fühlt sich mit sich selbst und mit der Welt in Übereinstimmung."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":622,"orig":"Auf manche Weiſe hatte daher die Geſellſchaft durch Ottiliens Ankunft gewonnen.","norm":"Auf manche Weise hatte daher die Gesellschaft durch Ottilies Ankunft gewonnen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":623,"orig":"Die beyden Freunde hielten regelmaͤßiger die Stunden, ja die Minuten der Zuſammenkuͤnfte.","norm":"Die beiden Freunde hielten regelmäßiger die Stunden, ja die Minuten der Zusammenkünfte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":624,"orig":"Sie ließen weder zum Eſſen, noch zum Thee, noch zum Spaziergang laͤnger als billig auf ſich warten.","norm":"Sie ließen weder zum Essen, noch zum Tee, noch zum Spaziergang länger als billig auf sich warten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":625,"orig":"Sie eilten, beſonders Abends, nicht ſobald von Tiſche weg.","norm":"Sie eilten, besonders Abends, nicht so bald von Tische weg."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":626,"orig":"Charlotte bemerkte das wohl und ließ beyde nicht unbeobachtet.","norm":"Charlotte bemerkte das wohl und ließ beide nicht unbeobachtet."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":627,"orig":"Sie ſuchte zu erforſchen, ob einer vor dem andern hiezu den Anlaß gaͤbe; aber ſie konnte keinen Unterſchied bemerken.","norm":"Sie suchte zu erforschen, ob einer vor dem anderen hiezu den Anlass gäbe; aber sie konnte keinen Unterschied bemerken."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":628,"orig":"Beyde zeigten ſich uͤberhaupt geſelliger.","norm":"Beide zeigten sich überhaupt geselliger."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":629,"orig":"Bey ihren Unterhaltungen ſchienen ſie zu bedenken, was Ottiliens Theilnahme zu erregen geeignet ſeyn moͤchte, was ihren Einſichten, ihren uͤbrigen Kenntniſſen gemaͤß waͤre.","norm":"Bei ihren Unterhaltungen schienen sie zu bedenken, was Ottilies Teilnahme zu erregen geeignet sein möchte, was ihren Einsichten, ihren übrigen Kenntnissen gemäß wäre."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":630,"orig":"Beym Leſen und Erzaͤhlen hielten ſie inne, bis ſie wiederkam.","norm":"Beim Lesen und Erzählen hielten sie inne, bis sie wiederkam."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":631,"orig":"Sie wurden milder und im Ganzen mittheilender.","norm":"Sie wurden milder und im Ganzen mitteilender."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":632,"orig":"In Erwiederung dagegen wuchs die Dienſtbefliſſenheit Ottiliens mit jedem Tage.","norm":"In Erwiderung dagegen wuchs die Dienstbeflissenheit Ottilies mit jedem Tage."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":633,"orig":"Je mehr ſie das Haus, die Menſchen, die Verhaͤltniſſe kennen lernte, deſto lebhafter griff ſie ein, deſto ſchneller verſtand ſie jeden Blick, jede Bewegung, ein halbes Wort, einen Laut. Ihre ruhige Aufmerkſamkeit blieb ſich immer gleich, ſo wie ihre gelaſſene Regſamkeit.","norm":"Je mehr sie das Haus, die Menschen, die Verhältnisse kennenlernte, desto lebhafter griff sie ein, desto schneller verstand sie jeden Blick, jede Bewegung, ein halbes Wort, einen Laut. Ihre ruhige Aufmerksamkeit blieb sich immer gleich, so wie ihre gelassene Regsamkeit."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":634,"orig":"Und ſo war ihr Sitzen, Aufſtehen, Gehen, Kommen, Hohlen, Bringen, wieder Niederſitzen, ohne einen Schein von Unruhe ein ewiger Wechſel, eine ewige angenehme Bewegung.","norm":"Und so war ihr Sitzen, Aufstehen, Gehen, Kommen, Holen, Bringen, Wiederniedersitzen, ohne einen Schein von Unruhe ein ewiger Wechsel, eine ewige angenehme Bewegung."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":635,"orig":"Dazu kam, daß man ſie nicht gehen hoͤrte, ſo leiſe trat ſie auf.","norm":"Dazu kam, dass man sie nicht gehen hörte, so leise trat sie auf."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":636,"orig":"Dieſe anſtaͤndige Dienſtfertigkeit Ottiliens machte Charlotten viele Freude.","norm":"Diese anständige Dienstfertigkeit Ottilies machte Charlotten viele Freude."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":637,"orig":"Ein einziges was ihr nicht ganz angemeſſen vorkam, verbarg ſie Ottilien nicht.","norm":"Ein einziges was ihr nicht ganz angemessen vorkam, verbarg sie Ottilie nicht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":638,"orig":"Es gehoͤrt, ſagte ſie eines Tages zu ihr, unter die lobenswuͤrdigen Aufmerkſamkeiten, daß wir uns ſchnell buͤcken, wenn Jemand etwas aus der Hand fallen laͤßt, und es eilig aufzuheben ſuchen.","norm":"Es gehört, sagte sie eines Tages zu ihr, unter die lobenswürdigen Aufmerksamkeiten, dass wir uns schnell bücken, wenn Jemand etwas aus der Hand fallen lässt, und es eilig aufzuheben suchen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":639,"orig":"Wir bekennen uns dadurch ihm gleichſam dienſtpflichtig; nur iſt in der groͤßern Welt dabey zu bedenken, wem man eine ſolche Ergebenheit bezeigt.","norm":"Wir bekennen uns dadurch ihm gleichsam dienstpflichtig; nur ist in der größeren Welt dabei zu bedenken, wem man eine solche Ergebenheit bezeigt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":640,"orig":"Gegen Frauen will ich dir daruͤber keine Geſetze vorſchreiben.","norm":"Gegen Frauen will ich dir darüber keine Gesetze vorschreiben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":641,"orig":"Du biſt jung.","norm":"Du bist jung."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":642,"orig":"Gegen Hoͤhere und Aeltere iſt es Schuldigkeit, gegen deines Gleichen Artigkeit, gegen Juͤngere und Niedere zeigt man ſich dadurch menſchlich und gut; nur will es einem Frauenzimmer nicht wohl geziemen, ſich Maͤnnern auf dieſe Weiſe ergeben und dienſtbar zu bezeigen.","norm":"Gegen Höhere und Ältere ist es Schuldigkeit, gegen deinesgleichen Artigkeit, gegen Jüngere und Niedere zeigt man sich dadurch menschlich und gut; nur will es einem Frauenzimmer nicht wohl geziemen, sich Männern auf diese Weise ergeben und dienstbar zu bezeigen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":643,"orig":"Ich will es mir abzugewoͤhnen ſuchen, verſetzte Ottilie.","norm":"Ich will es mir abzugewöhnen suchen, versetzte Ottilie."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":644,"orig":"Indeſſen werden Sie mir dieſe Unſchicklichkeit vergeben, wenn ich Ihnen ſage, wie ich dazu gekommen bin.","norm":"Indessen werden Sie mir diese Unschicklichkeit vergeben, wenn ich Ihnen sage, wie ich dazu gekommen bin."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":645,"orig":"Man hat uns die Geſchichte gelehrt; ich habe nicht ſo viel daraus behalten, als ich wohl geſollt haͤtte: denn ich wußte nicht wozu ich's brauchen wuͤrde.","norm":"Man hat uns die Geschichte gelehrt; ich habe nicht soviel daraus behalten, als ich wohl gesollt hätte: denn ich wusste nicht wozu ich es brauchen würde."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":646,"orig":"Nur einzelne Begebenheiten ſind mir ſehr eindruͤcklich geweſen; ſo folgende:","norm":"Nur einzelne Begebenheiten sind mir sehr eindrücklich gewesen; so folgende:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":647,"orig":"Als Carl der Erſte von England vor ſeinen ſogenannten Richtern ſtand, fiel der goldne Knopf des Stoͤckchens das er trug herunter.","norm":"Als Carl der Erste von England vor seinen sogenannten Richtern stand, fiel der goldene Knopf des Stöckchens das er trug herunter."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":648,"orig":"Gewohnt, daß bey ſolchen Gelegenheiten ſich alles fuͤr ihn bemuͤhte, ſchien er ſich umzuſehen und zu erwarten, daß ihm Jemand auch dießmal den kleinen Dienſt erzeigen ſollte.","norm":"Gewohnt, dass bei solchen Gelegenheiten sich alles für ihn bemühte, schien er sich umzusehen und zu erwarten, dass ihm Jemand auch diesmal den kleinen Dienst erzeigen sollte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":649,"orig":"Es regte ſich Niemand; er buͤckte ſich ſelbſt, um den Knopf aufzuheben.","norm":"Es regte sich Niemand; er bückte sich selbst, um den Knopf aufzuheben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":650,"orig":"Mir kam das ſo ſchmerzlich vor, ich weiß nicht ob mit Recht, daß ich von jenem Augenblick an Niemanden kann etwas aus den Haͤnden fallen ſehn, ohne mich darnach zu buͤcken.","norm":"Mir kam das so schmerzlich vor, ich weiß nicht ob mit Recht, dass ich von jenem Augenblick an Niemanden kann etwas aus den Händen fallen sehen, ohne mich danach zu bücken."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":651,"orig":"Da es aber freylich nicht immer ſchicklich ſeyn mag, und ich, fuhr ſie laͤchelnd fort, nicht jederzeit meine Geſchichte erzaͤhlen kann; ſo will ich mich kuͤnftig mehr zuruͤckhalten.","norm":"Da es aber freilich nicht immer schicklich sein mag, und ich, fuhr sie lächelnd fort, nicht jederzeit meine Geschichte erzählen kann; so will ich mich künftig mehr zurückhalten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":652,"orig":"Indeſſen hatten die guten Anſtalten, zu denen ſich die beyden Freunde berufen fuͤhlten, ununterbrochenen Fortgang.","norm":"Indessen hatten die guten Anstalten, zu denen sich die beiden Freunde berufen fühlten, ununterbrochenen Fortgang."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":653,"orig":"Ja taͤglich fanden ſie neuen Anlaß etwas zu bedenken und zu unternehmen.","norm":"Ja täglich fanden sie neuen Anlass etwas zu bedenken und zu unternehmen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":654,"orig":"Als ſie eines Tages zuſammen durch das Dorf gingen, bemerkten ſie mißfaͤllig, wie weit es an Ordnung und Reinlichkeit hinter jenen Doͤrfern zuruͤckſtehe, wo die Bewohner durch die Koſtbarkeit des Raums auf beydes hingewieſen werden.","norm":"Als sie eines Tages zusammen durch das Dorf gingen, bemerkten sie missfällig, wie weit es an Ordnung und Reinlichkeit hinter jenen Dörfern zurückstehe, wo die Bewohner durch die Kostbarkeit des Raums auf beides hingewiesen werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":655,"orig":"Du erinnerſt dich, ſagte der Hauptmann, wie wir auf unſerer Reiſe durch die Schweiz den Wunſch aͤußerten, eine laͤndliche ſogenannte Parkanlage recht eigentlich zu verſchoͤnern, indem wir ein ſo gelegenes Dorf, nicht zur Schweizer-Bauart, ſondern zur SchweizerOrdnung und Sauberkeit, welche die Benutzung ſo ſehr befoͤrdern, einrichteten.","norm":"Du erinnerst dich, sagte der Hauptmann, wie wir auf unserer Reise durch die Schweiz den Wunsch äußerten, eine ländliche sogenannte Parkanlage recht eigentlich zu verschönern, indem wir ein so gelegenes Dorf, nicht zur Schweizer, sondern zur Schweizer-Ordnung und Sauberkeit, welche die Benutzung so sehr befördern, einrichteten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":656,"orig":"Hier z. B., verſetzte Eduard, ginge das wohl an.","norm":"Hier z. B., versetzte Eduard, ginge das wohl an."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":657,"orig":"Der Schloßberg verlaͤuft ſich in einen vorſpringenden Winkel herunter; das Dorf iſt ziemlich regelmaͤßig im Halbzirkel gegenuͤber gebaut; dazwiſchen fließt der Bach, gegen deſſen Anſchwellen ſich der eine mit Steinen, der andre mit Pfaͤhlen, wieder einer mit Balken, und der Nachbar ſodann mit Planken verwahren will, keiner aber den andern foͤrdert, vielmehr ſich und den uͤbrigen Schaden und Nachtheil bringt.","norm":"Der Schlossberg verläuft sich in einen vorspringenden Winkel herunter; das Dorf ist ziemlich regelmäßig im Halbzirkel gegenüber gebaut; dazwischen fließt der Bach, gegen dessen Anschwellen sich der eine mit Steinen, der andere mit Pfählen, wieder einer mit Balken, und der Nachbar sodann mit Planken verwahren will, keiner aber den anderen fördert, vielmehr sich und den übrigen Schaden und Nachteil bringt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":658,"orig":"So geht der Weg auch in ungeſchickter Bewegung bald herauf, bald herab, bald durchs Waſſer, bald uͤber Steine.","norm":"So geht der Weg auch in ungeschickter Bewegung bald herauf, bald herab, bald durchs Wasser, bald über Steine."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":659,"orig":"Wollten die Leute mit Hand anlegen, ſo wuͤrde kein großer Zuſchuß noͤthig ſeyn, um hier eine Mauer im Halbkreis aufzufuͤhren, den Weg dahinter bis an die Haͤuſer zu erhoͤhen, den ſchoͤnſten Raum herzuſtellen, der Reinlichkeit Platz zu geben und durch eine ins Große gehende Anſtalt alle kleine unzulaͤngliche Sorge auf einmal zu verbannen.","norm":"Wollten die Leute mit Hand anlegen, so würde kein großer Zuschuss nötig sein, um hier eine Mauer im Halbkreis aufzuführen, den Weg dahinter bis an die Häuser zu erhöhen, den schönsten Raum herzustellen, der Reinlichkeit Platz zu geben und durch eine ins Große gehende Anstalt alle kleine unzulängliche Sorge auf einmal zu verbannen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":660,"orig":"Laß es uns verſuchen, ſagte der Hauptmann, indem er die Lage mit den Augen uͤberlief und ſchnell beurtheilte.","norm":"Lass es uns versuchen, sagte der Hauptmann, indem er die Lage mit den Augen überlief und schnell beurteilte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":661,"orig":"Ich mag mit Buͤrgern und Bauern nichts zu thun haben, wenn ich ihnen nicht geradezu befehlen kann, verſetzte Eduard.","norm":"Ich mag mit Bürgern und Bauern nichts zu tun haben, wenn ich ihnen nicht geradezu befehlen kann, versetzte Eduard."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":662,"orig":"Du haſt ſo Unrecht nicht, erwiederte der Hauptmann: denn auch mir machten dergleichen Geſchaͤfte im Leben ſchon viel Verdruß.","norm":"Du hast so Unrecht nicht, erwiderte der Hauptmann: denn auch mir machten dergleichen Geschäfte im Leben schon viel Verdruss."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":663,"orig":"Wie ſchwer iſt es, daß der Menſch recht abwaͤge, was man aufopfern muß gegen das was zu gewinnen iſt!","norm":"Wie schwer ist es, dass der Mensch recht abwäge, was man aufopfern muss gegen das was zu gewinnen ist!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":664,"orig":"wie ſchwer, den Zweck zu wollen und die Mittel nicht zu verſchmaͤhen!","norm":"wie schwer, den Zweck zu wollen und die Mittel nicht zu verschmähen!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":665,"orig":"Viele verwechſeln gar die Mittel und den Zweck, erfreuen ſich an jenen, ohne dieſen im Auge zu behalten.","norm":"Viele verwechseln gar die Mittel und den Zweck, erfreuen sich an jenen, ohne diesen im Auge zu behalten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":666,"orig":"Jedes Uebel ſoll an der Stelle geheilt werden, wo es zum Vorſchein kommt, und man bekuͤmmert ſich nicht um jenen Punct, wo es eigentlich ſeinen Urſprung nimmt, woher es wirkt.","norm":"Jedes Übel soll an der Stelle geheilt werden, wo es zum Vorschein kommt, und man bekümmert sich nicht um jenen Punkt, wo es eigentlich seinen Ursprung nimmt, woher es wirkt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":667,"orig":"Deswegen iſt es ſo ſchwer Rath zu pflegen, beſonders mit der Menge, die im Taͤglichen ganz verſtaͤndig iſt, aber ſelten weiter ſieht als auf Morgen.","norm":"Deswegen ist es so schwer Rat zu pflegen, besonders mit der Menge, die im Täglichen ganz verständig ist, aber selten weiter sieht als auf Morgen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":668,"orig":"Kommt nun gar dazu, daß der eine bey einer gemeinſamen Anſtalt gewinnen, der andre verlieren ſoll, da iſt mit Vergleich nun gar nichts auszurichten.","norm":"Kommt nun gar dazu, dass der eine bei einer gemeinsamen Anstalt gewinnen, der andere verlieren soll, da ist mit Vergleich nun gar nichts auszurichten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":669,"orig":"Alles eigentlich gemeinſame Gute muß durch das unumſchraͤnkte Majeſtaͤtsrecht gefoͤrdert werden.","norm":"Alles eigentlich gemeinsame Gute muss durch das unumschränkte Majestätsrecht gefördert werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":670,"orig":"Indem ſie ſtanden und ſprachen, bettelte ſie ein Menſch an, der mehr frech als beduͤrftig ausſah.","norm":"Indem sie standen und sprachen, bettelte sie ein Mensch an, der mehr frech als bedürftig aussah."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":671,"orig":"Eduard, ungern unterbrochen und beunruhigt, ſchalt ihn, nachdem er ihn einigemal vergebens gelaſſener abgewieſen hatte; als aber der Kerl ſich murrend, ja gegenſcheltend, mit kleinen Schritten entfernte, auf die Rechte des Bettlers trotzte, dem man wohl ein Almoſen verſagen, ihn aber nicht beleidigen duͤrfe, weil er ſo gut wie jeder andere unter dem Schutze Gottes und der Obrigkeit ſtehe, kam Eduard ganz aus der Faſſung.","norm":"Eduard, ungern unterbrochen und beunruhigt, schalt ihn, nachdem er ihn einige Mal vergebens gelassener abgewiesen hatte; als aber der Kerl sich murrend, ja gegenscheltend, mit kleinen Schritten entfernte, auf die Rechte des Bettlers trotzte, dem man wohl ein Almosen versagen, ihn aber nicht beleidigen dürfe, weil er so gut wie jeder andere unter dem Schutze Gottes und der Obrigkeit stehe, kam Eduard ganz aus der Fassung."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":672,"orig":"Der Hauptmann, ihn zu beguͤtigen, ſagte darauf: laß uns dieſen Vorfall als eine Aufforderung annehmen, unſere laͤndliche Polizey auch hieruͤber zu erſtrecken.","norm":"Der Hauptmann, ihn zu begütigen, sagte darauf: lass uns diesen Vorfall als eine Aufforderung annehmen, unsere ländliche Polizei auch hierüber zu erstrecken."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":673,"orig":"Almoſen muß man einmal geben; man thut aber beſſer, wenn man ſie nicht ſelbſt giebt, beſonders zu Hauſe.","norm":"Almosen muss man einmal geben; man tut aber besser, wenn man sie nicht selbst gibt, besonders zu Hause."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":674,"orig":"Da ſollte man maͤßig und gleichfoͤrmig in allem ſeyn, auch im Wohlthun.","norm":"Da sollte man mäßig und gleichförmig in allem sein, auch im Wohltun."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":675,"orig":"Eine allzureichliche Gabe lockt Bettler herbey, anſtatt ſie abzufertigen; dagegen man wohl auf der Reiſe, im Vorbeyfliegen, einem Armen an der Straße in der Geſtalt des zufaͤlligen Gluͤcks erſcheinen und ihm eine uͤberraſchende Gabe zuwerfen mag.","norm":"Eine allzur eichliche Gabe lockt Bettler herbei, anstatt sie abzufertigen; dagegen man wohl auf der Reise, im Vorbeifliegen, einem Armen an der Straße in der Gestalt des zufälligen Glücks erscheinen und ihm eine überraschende Gabe zuwerfen mag."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":676,"orig":"Uns macht die Lage des Dorfes, des Schloſſes, eine ſolche Anſtalt ſehr leicht; ich habe ſchon fruͤher daruͤber nachgedacht.","norm":"Uns macht die Lage des Dorfes, des Schlosses, eine solche Anstalt sehr leicht; ich habe schon früher darüber nachgedacht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":677,"orig":"An dem einen Ende des Dorfes liegt das Wirthshaus, an dem andern wohnen ein Paar alte gute Leute; an beyden Orten mußt du eine kleine Geldſumme niederlegen.","norm":"An dem einen Ende des Dorfes liegt das Wirtshaus, an dem anderen wohnen ein Paar alte gute Leute; an beiden Orten musst du eine kleine Geldsumme niederlegen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":678,"orig":"Nicht der ins Dorf hereingehende, ſondern der hinausgehende erhaͤlt etwas; und da die beyden Haͤuſer zugleich an den Wegen ſtehen die auf das Schloß fuͤhren, ſo wird auch alles was ſich hinaufwenden wollte, an die beyden Stellen gewieſen.","norm":"Nicht der ins Dorf Hereingehende, sondern der Hinausgehende erhält etwas; und da die beiden Häuser zugleich an den Wegen stehen die auf das Schloss führen, so wird auch alles was sich hinaufwenden wollte, an die beiden Stellen gewiesen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":679,"orig":"Komm, ſagte Eduard, wir wollen das gleich abmachen; das Genauere koͤnnen wir immer noch nachhohlen.","norm":"Komme, sagte Eduard, wir wollen das gleich abmachen; das Genauere können wir immer noch nachholen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":680,"orig":"Sie gingen zum Wirth und zu dem alten Paare, und die Sache war abgethan.","norm":"Sie gingen zum Wirt und zu dem alten Paare, und die Sache war abgetan."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":681,"orig":"Ich weiß recht gut, ſagte Eduard, indem ſie zuſammen den Schloßberg wieder hinaufſtiegen, daß alles in der Welt ankommt auf einen geſcheiden Einfall und auf einen feſten Entſchluß.","norm":"Ich weiß recht gut, sagte Eduard, indem sie zusammen den Schlossberg wieder hinaufstiegen, dass alles in der Welt ankommt auf einen gescheiten Einfall und auf einen festen Entschluss."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":682,"orig":"So haſt du die Parkanlagen meiner Frau ſehr richtig beurtheilt, und mir auch ſchon einen Wink zum Beſſern gegeben, den ich ihr, wie ich gar nicht laͤugnen will, ſogleich mitgetheilt habe.","norm":"So hast du die Parkanlagen meiner Frau sehr richtig beurteilt, und mir auch schon einen Wink zum Besseren gegeben, den ich ihr, wie ich gar nicht leugnen will, sogleich mitgeteilt habe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":683,"orig":"Ich konnte es vermuthen, verſetzte der Hauptmann, aber nicht billigen.","norm":"Ich konnte es vermuten, versetzte der Hauptmann, aber nicht billigen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":684,"orig":"Du haſt ſie irre gemacht; ſie laͤßt alles liegen und trutzt in dieſer einzigen Sache mit uns: denn ſie vermeidet davon zu reden und hat uns nicht wieder zur Mooshuͤtte geladen, ob ſie gleich mit Ottilien in den Zwiſchenſtunden hinaufgeht.","norm":"Du hast sie irregemacht; sie lässt alles liegen und trutzt in dieser einzigen Sache mit uns: denn sie vermeidet davon zu reden und hat uns nicht wieder zur Mooshütte geladen, ob sie gleich mit Ottilie in den Zwischenstunden hinaufgeht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":685,"orig":"Dadurch muͤſſen wir uns, verſetzte Eduard, nicht abſchrecken laſſen.","norm":"Dadurch müssen wir uns, versetzte Eduard, nicht abschrecken lassen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":686,"orig":"Wenn ich von etwas Gutem uͤberzeugt bin, was geſchehen koͤnnte und ſollte, ſo habe ich keine Ruhe bis ich es gethan ſehe.","norm":"Wenn ich von etwas Gutem überzeugt bin, was geschehen könnte und sollte, so habe ich keine Ruhe bis ich es getan sehe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":687,"orig":"Sind wir doch ſonſt klug etwas einzuleiten.","norm":"Sind wir doch sonst klug etwas einzuleiten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":688,"orig":"Laß uns die engliſchen Parkbeſchreibungen mit Kupfern zur Abendunterhaltung vornehmen, nachher deine Guts-Charte.","norm":"Lass uns die englischen Parkbeschreibungen mit Kupfern zur Abendunterhaltung vornehmen, nachher deine Gutskarte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":689,"orig":"Man muß es erſt problematiſch und nur wie zum Scherz behandeln, der Ernſt wird ſich ſchon finden.","norm":"Man muss es erst problematisch und nur wie zum Scherz behandeln, der Ernst wird sich schon finden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":690,"orig":"Nach dieſer Verabredung wurden die Buͤcher aufgeſchlagen, worin man jedesmal den Grundriß der Gegend und ihre landſchaftliche Anſicht in ihrem erſten rohen Naturzuſtande gezeichnet ſah, ſodann auf andern Blaͤttern die Veraͤnderung vorgeſtellt fand, welche die Kunſt daran vorgenommen, um alles das beſtehende Gute zu nutzen und zu ſteigern.","norm":"Nach dieser Verabredung wurden die Bücher aufgeschlagen, worin man jedes Mal den Grundriss der Gegend und ihre landschaftliche Ansicht in ihrem ersten rohen Naturzustande gezeichnet sah, sodann auf anderen Blättern die Veränderung vorgestellt fand, welche die Kunst daran vorgenommen, um alles das bestehende Gute zu nutzen und zu steigern."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":691,"orig":"Hievon war der Uebergang zur eigenen Beſitzung, zur eignen Umgebung, und zu dem was man daran ausbilden koͤnnte, ſehr leicht.","norm":"Hiervon war der Übergang zur eigenen Besitzung, zur eigenen Umgebung, und zu dem was man daran ausbilden könnte, sehr leicht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":692,"orig":"Die von dem Hauptmann entworfene Charte zum Grunde zu legen war nunmehr eine angenehme Beſchaͤftigung, nur konnte man ſich von jener erſten Vorſtellung, nach der Charlotte die Sache einmal angefangen hatte, nicht ganz losreißen.","norm":"Die von dem Hauptmann entworfene Karte zum Grunde zu legen war nunmehr eine angenehme Beschäftigung, nur konnte man sich von jener ersten Vorstellung, nach der Charlotte die Sache einmal angefangen hatte, nicht ganz losreißen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":693,"orig":"Doch erfand man einen leichtern Aufgang auf die Hoͤhe; man wollte oberwaͤrts am Abhange vor einem angenehmen Hoͤlzchen ein Luſtgebaͤude auffuͤhren; dieſes ſollte einen Bezug aufs Schloß haben, aus den Schloßfenſtern ſollte man es uͤberſehen, von dorther Schloß und Gaͤrten wieder beſtreichen koͤnnen.","norm":"Doch erfand man einen leichteren Aufgang auf die Höhe; man wollte oberwärts am Abhange vor einem angenehmen Hölzchen ein Lustgebäude aufführen; dieses sollte einen Bezug aufs Schloss haben, aus den Schlossfenstern sollte man es übersehen, von dorther Schloss und Gärten wieder bestreichen können."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":694,"orig":"Der Hauptmann hatte alles wohl uͤberlegt und gemeſſen, und brachte jenen Dorfweg, jene Mauer am Bache her, jene Ausfuͤllung wieder zur Sprache.","norm":"Der Hauptmann hatte alles wohl überlegt und gemessen, und brachte jenen Dorfweg, jene Mauer am Bache her, jene Ausfüllung wieder zur Sprache."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":695,"orig":"Ich gewinne, ſagte er, indem ich einen bequemen Weg zur Anhoͤhe hinauf fuͤhre, gerade ſoviel Steine, als ich zu jener Mauer bedarf.","norm":"Ich gewinne, sagte er, indem ich einen bequemen Weg zur Anhöhe hinaufführe, gerade soviel Steine, als ich zu jener Mauer bedarf."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":696,"orig":"Sobald eins ins andre greift, wird beydes wohlfeiler und geſchwinder bewerkſtelligt.","norm":"Sobald eins ins andere greift, wird beides wohlfeiler und geschwinder bewerkstelligt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":697,"orig":"Nun aber, ſagte Charlotte, kommt meine Sorge.","norm":"Nun aber, sagte Charlotte, kommt meine Sorge."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":698,"orig":"Nothwendig muß etwas Beſtimmtes ausgeſetzt werden; und wenn man weiß, wieviel zu einer ſolchen Anlage erforderlich iſt, dann theilt man es ein, wo nicht auf Wochen, doch wenigſtens auf Monate.","norm":"Notwendig muss etwas Bestimmtes ausgesetzt werden; und wenn man weiß, wie viel zu einer solchen Anlage erforderlich ist, dann teilt man es ein, wo nicht auf Wochen, doch wenigstens auf Monate."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":699,"orig":"Die Kaſſe iſt unter meinem Beſchluß; ich zahle die Zettel, und die Rechnung fuͤhre ich ſelbſt.","norm":"Die Kasse ist unter meinem Beschluss; ich zahle die Zettel, und die Rechnung führe ich selbst."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":700,"orig":"Du ſcheinſt uns nicht ſonderlich viel zu vertrauen, ſagte Eduard.","norm":"Du scheinst uns nicht sonderlich viel zu vertrauen, sagte Eduard."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":701,"orig":"Nicht viel in willkuͤhrlichen Dingen, verſetzte Charlotte.","norm":"Nicht viel in willkürlichen Dingen, versetzte Charlotte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":702,"orig":"Die Willkuͤhr wiſſen wir beſſer zu beherrſchen als ihr.","norm":"Die Willkür wissen wir besser zu beherrschen als ihr."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":703,"orig":"Die Einrichtung war gemacht, die Arbeit raſch angefangen, der Hauptmann immer gegenwaͤrtig, und Charlotte nunmehr faſt taͤglich Zeuge ſeines ernſten und beſtimmten Sinnes.","norm":"Die Einrichtung war gemacht, die Arbeit rasch angefangen, der Hauptmann immer gegenwärtig, und Charlotte nunmehr fast täglich Zeuge seines ernsten und bestimmten Sinnes."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":704,"orig":"Auch er lernte ſie naͤher kennen, und beyden wurde es leicht, zuſammen zu wirken und etwas zu Stande zu bringen.","norm":"Auch er lernte sie näher kennen, und beiden wurde es leicht, zusammen zu wirken und etwas zustande zu bringen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":705,"orig":"Es iſt mit den Geſchaͤften wie mit dem Tanze;","norm":"Es ist mit den Geschäften wie mit dem Tanze;"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":706,"orig":"Perſonen die gleichen Schritt halten, muͤſſen ſich unentbehrlich werden; ein wechſelſeitiges Wohlwollen muß nothwendig daraus entſpringen, und daß Charlotte dem Hauptmann, ſeitdem ſie ihn naͤher kennen gelernt, wirklich wohlwollte, davon war ein ſicherer Beweis, daß ſie ihn einen ſchoͤnen Ruheplatz, den ſie bey ihren erſten Anlagen beſonders ausgeſucht und verziert hatte, der aber ſeinem Plane entgegenſtand, ganz gelaſſen zerſtoͤren ließ, ohne auch nur die mindeſte unangenehme Empfindung dabey zu haben.","norm":"Personen die gleichen Schritt halten, müssen sich unentbehrlich werden; ein wechselseitiges Wohlwollen muss notwendig daraus entspringen, und dass Charlotte dem Hauptmann, seitdem sie ihn näher kennengelernt, wirklich wohlwollte, davon war ein sicherer Beweis, dass sie ihn einen schönen Ruheplatz, den sie bei ihren ersten Anlagen besonders ausgesucht und verziert hatte, der aber seinem Plane entgegenstand, ganz gelassen zerstören ließ, ohne auch nur die mindeste unangenehme Empfindung dabei zu haben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":707,"orig":"Indem nun Charlotte mit dem Hauptmann eine gemeinſame Beſchaͤftigung fand, ſo war die Folge, daß ſich Eduard mehr zu Ottilien geſellte.","norm":"Indem nun Charlotte mit dem Hauptmann eine gemeinsame Beschäftigung fand, so war die Folge, dass sich Eduard mehr zu Ottilie gesellte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":708,"orig":"Fuͤr ſie ſprach ohnehin ſeit einiger Zeit eine ſtille freundliche Neigung in ſeinem Herzen.","norm":"Für sie sprach ohnehin seit einiger Zeit eine stille freundliche Neigung in seinem Herzen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":709,"orig":"Gegen Jedermann war ſie dienſtfertig und zuvorkommend; daß ſie es gegen ihn am meiſten ſey, das wollte ſeiner Selbſtliebe ſcheinen.","norm":"Gegen jedermann war sie dienstfertig und zuvorkommend; dass sie es gegen ihn am meisten sei, das wollte seiner Selbstliebe scheinen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":710,"orig":"Nun war keine Frage: was fuͤr Speiſen und wie er ſie liebte, hatte ſie ſchon genau bemerkt; wieviel er Zucker zum Thee zu nehmen pflegte, und was dergleichen mehr iſt, entging ihr nicht.","norm":"Nun war keine Frage: Was für Speisen und wie er sie liebte, hatte sie schon genau bemerkt; wie viel er Zucker zum Tee zu nehmen pflegte, und was dergleichen mehr ist, entging ihr nicht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":711,"orig":"Beſonders war ſie ſorgfaͤltig, alle Zugluft abzuwehren, gegen die er eine uͤbertriebene Empfindlichkeit zeigte, und deshalb mit ſeiner Frau, der es nicht luſtig genug ſeyn konnte, manchmal in Widerſpruch gerieth.","norm":"Besonders war sie sorgfältig, alle Zugluft abzuwehren, gegen die er eine übertriebene Empfindlichkeit zeigte, und deshalb mit seiner Frau, der es nicht lustig genug sein konnte, manchmal in Widerspruch geriet."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":712,"orig":"Eben ſo wußte ſie im Baum- und Blumengarten Beſcheid.","norm":"Ebenso wusste sie im Baum- und Blumengarten Bescheid."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":713,"orig":"Was er wuͤnſchte ſuchte ſie zu befoͤrdern, was ihn ungeduldig machen konnte, zu verhuͤthen, dergeſtalt, daß ſie in kurzem wie ein freundlicher Schutzgeiſt ihm unentbehrlich ward und er anfing ihre Abweſenheit ſchon peinlich zu empfinden.","norm":"Was er wünschte suchte sie zu befördern, was ihn ungeduldig machen konnte, zu verhüten, dergestalt, dass sie in kurzem wie ein freundlicher Schutzgeist ihm unentbehrlich wurde und er anfing ihre Abwesenheit schon peinlich zu empfinden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":714,"orig":"Hiezu kam noch, daß ſie geſpraͤchiger und offner ſchien ſobald ſie ſich allein trafen.","norm":"Hiezu kam noch, dass sie gesprächiger und offener schien sobald sie sich allein trafen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":715,"orig":"Eduard hatte bey zunehmenden Jahren immer etwas Kindliches behalten, das der Jugend Ottiliens beſonders zuſagte.","norm":"Eduard hatte bei zunehmenden Jahren immer etwas Kindliches behalten, das der Jugend Ottilies besonders zusagte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":716,"orig":"Sie erinnerten ſich gern fruͤherer Zeiten, wo ſie einander geſehen; es ſtiegen dieſe Erinnerungen bis in die erſten Epochen der Neigung Eduards zu Charlotten.","norm":"Sie erinnerten sich gern früherer Zeiten, wo sie einander gesehen; es stiegen diese Erinnerungen bis in die ersten Epochen der Neigung Eduards zu Charlotten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":717,"orig":"Ottilie wollte ſich der beyden noch als des ſchoͤnſten Hofpaares erinnern; und wenn Eduard ihr ein ſolches Gedaͤchtniß aus ganz fruͤher Jugend abſprach, ſo behauptete ſie doch beſonders einen Fall noch vollkommen gegenwaͤrtig zu haben, wie ſie ſich einmal, bey ſeinem Hereintreten, in Charlottens Schooß verſteckt, nicht aus Furcht, ſondern aus kindiſcher Ueberraſchung.","norm":"Ottilie wollte sich der beiden noch als des schönsten Hofpaares erinnern; und wenn Eduard ihr ein solches Gedächtnis aus ganz früher Jugend absprach, so behauptete sie doch besonders einen Fall noch vollkommen gegenwärtig zu haben, wie sie sich einmal, bei seinem Hereintreten, in Charlottes Schoß versteckt, nicht aus Furcht, sondern aus kindischer Überraschung."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":718,"orig":"Sie haͤtte dazu ſetzen koͤnnen: weil er ſo lebhaften Eindruck auf ſie gemacht, weil er ihr gar ſo wohl gefallen.","norm":"Sie hätte dazusetzen können: weil er so lebhaften Eindruck auf sie gemacht, weil er ihr gar so wohl gefallen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":719,"orig":"Bey ſolchen Verhaͤltniſſen waren manche Geſchaͤfte, welche die beyden Freunde zuſammen fruͤher vorgenommen, gewiſſermaßen in Stocken gerathen, ſo daß ſie fuͤr noͤthig fanden ſich wieder eine Ueberſicht zu verſchaffen, einige Aufſaͤtze zu entwerfen, Briefe zu ſchreiben.","norm":"Bei solchen Verhältnissen waren manche Geschäfte, welche die beiden Freunde zusammen früher vorgenommen, gewissermaßen in Stocken geraten, so dass sie für nötig fanden sich wieder eine Übersicht zu verschaffen, einige Aufsätze zu entwerfen, Briefe zu schreiben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":720,"orig":"Sie beſtellten ſich deshalb auf ihre Canzley, wo ſie den alten Copiſten muͤßig fanden.","norm":"Sie bestellten sich deshalb auf ihre Kanzlei, wo sie den alten Kopisten müßig fanden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":721,"orig":"Sie gingen an die Arbeit und gaben ihm bald zu thun, ohne zu bemerken, daß ſie ihm manches aufbuͤrdeten, was ſie ſonſt ſelbſt zu verrichten gewohnt waren.","norm":"Sie gingen an die Arbeit und gaben ihm bald zu tun, ohne zu bemerken, dass sie ihm manches aufbürdeten, was sie sonst selbst zu verrichten gewohnt waren."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":722,"orig":"Gleich der erſte Aufſatz wollte dem Hauptmann, gleich der erſte Brief Eduarden nicht gelingen.","norm":"Gleich der erste Aufsatz wollte dem Hauptmann, gleich der erste Brief Eduard nicht gelingen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":723,"orig":"Sie quaͤlten ſich eine Zeit lang mit Concipiren und Umſchreiben, bis endlich Eduard, dem es am wenigſten von ſtatten ging, nach der Zeit fragte.","norm":"Sie quälten sich eine Zeitlang mit Konzipieren und Umschreiben, bis endlich Eduard, dem es am wenigsten vonstattenging, nach der Zeit fragte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":724,"orig":"Da zeigte ſich denn, daß der Hauptmann vergeſſen hatte ſeine chronometriſche SecundenUhr aufzuziehen, das erſtemal ſeit vielen Jahren; und ſie ſchienen, wo nicht zu empfinden, doch zu ahnden, daß die Zeit anfange ihnen gleichguͤltig zu werden.","norm":"Da zeigte sich denn, dass der Hauptmann vergessen hatte seine chronometrische Sekundenuhr aufzuziehen, das erste Mal seit vielen Jahren; und sie schienen, wo nicht zu empfinden, doch zu ahnen, dass die Zeit anfange ihnen gleichgültig zu werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":725,"orig":"Indem ſo die Maͤnner einigermaßen in ihrer Geſchaͤftigkeit nachließen, wuchs vielmehr die Thaͤtigkeit der Frauen.","norm":"Indem so die Männer einigermaßen in ihrer Geschäftigkeit nachließen, wuchs vielmehr die Tätigkeit der Frauen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":726,"orig":"Ueberhaupt nimmt die gewoͤhnliche Lebensweiſe einer Familie, die aus den gegebenen Perſonen und aus nothwendigen Umſtaͤnden entſpringt, auch wohl eine außerordentliche Neigung, eine werdende Leidenſchaft, in ſich wie in ein Gefaͤß auf, und es kann eine ziemliche Zeit vergehen, ehe dieſes neue Ingrediens eine merkliche Gaͤrung verurſacht und ſchaͤumend uͤber den Rand ſchwillt.","norm":"Überhaupt nimmt die gewöhnliche Lebensweise einer Familie, die aus den gegebenen Personen und aus notwendigen Umständen entspringt, auch wohl eine außerordentliche Neigung, eine werdende Leidenschaft, in sich wie in ein Gefäß auf, und es kann eine ziemliche Zeit vergehen, ehe dieses neue Ingrediens eine merkliche Gärung verursacht und schäumend über den Rand schwillt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":727,"orig":"Bey unſern Freunden waren die entſtehenden wechſelſeitigen Neigungen von der angenehmſten Wirkung.","norm":"Bei unseren Freunden waren die entstehenden wechselseitigen Neigungen von der angenehmsten Wirkung."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":728,"orig":"Die Gemuͤther oͤffneten ſich, und ein allgemeines Wohlwollen entſprang aus dem beſonderen.","norm":"Die Gemüter öffneten sich, und ein allgemeines Wohlwollen entsprang aus dem besonderen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":729,"orig":"Jeder Theil fuͤhlte ſich gluͤcklich und goͤnnte dem andern ſein Gluͤck.","norm":"Jeder Teil fühlte sich glücklich und gönnte dem anderen sein Glück."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":730,"orig":"Ein ſolcher Zuſtand erhebt den Geiſt, indem er das Herz erweitert, und alles was man thut und vornimmt, hat eine Richtung gegen das Unermeßliche.","norm":"Ein solcher Zustand erhebt den Geist, indem er das Herz erweitert, und alles was man tut und vornimmt, hat eine Richtung gegen das Unermessliche."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":731,"orig":"So waren auch die Freunde nicht mehr in ihrer Wohnung befangen.","norm":"So waren auch die Freunde nicht mehr in ihrer Wohnung befangen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":732,"orig":"Ihre Spazirgaͤnge dehnten ſich weiter aus, und wenn dabey Eduard mit Ottilien, die Pfade zu waͤhlen, die Wege zu bahnen, vorauseilte; ſo folgte der Hauptmann mit Charlotten in bedeutender Unterhaltung, theilnehmend an manchem neuentdeckten Plaͤtzchen, an mancher unerwarteten Ausſicht, geruhig der Spur jener raſcheren Vorgaͤnger.","norm":"Ihre Spaziergänge dehnten sich weiter aus, und wenn dabei Eduard mit Ottilie, die Pfade zu wählen, die Wege zu bahnen, vorauseilte; so folgte der Hauptmann mit Charlotten in bedeutender Unterhaltung, teilnehmend an manchem neuentdeckten Plätzchen, an mancher unerwarteten Aussicht, geruhig der Spur jener rascheren Vorgänger."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":733,"orig":"Eines Tages leitete ſie ihr Spazirgang durch die Schloßpforte des rechten Fluͤgels hinunter nach dem Gaſthofe, uͤber die Bruͤcke gegen die Teiche zu, an denen ſie hingingen, ſo weit man gewoͤhnlich das Waſſer verfolgte, deſſen Ufer ſodann von einem buſchigen Huͤgel und weiterhin von Felſen eingeſchloſſen aufhoͤrte gangbar zu ſeyn.","norm":"Eines Tages leitete sie ihr Spaziergang durch die Schlosspforte des rechten Flügels hinunter nach dem Gasthofe, über die Brücke gegen die Teiche zu, an denen sie hingingen, soweit man gewöhnlich das Wasser verfolgte, dessen Ufer sodann von einem buschigen Hügel und weiterhin von Felsen eingeschlossen aufhörte gangbar zu sein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":734,"orig":"Aber Eduard, dem von ſeinen Jagdwanderungen her die Gegend bekannt war, drang mit Ottilien auf einem bewachſenen Pfade weiter vor, wohl wiſſend, daß die alte, zwiſchen Felſen verſteckte Muͤhle nicht weit abliegen konnte.","norm":"Aber Eduard, dem von seinen Jagdwanderungen her die Gegend bekannt war, drang mit Ottilie auf einem bewachsenen Pfade weiter vor, wohl wissend, dass die alte, zwischen Felsen versteckte Mühle nicht weit abliegen konnte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":735,"orig":"Allein der wenig betretene Pfad verlor ſich bald, und ſie fanden ſich im dichten Gebuͤſch zwiſchen mooſigem Geſtein verirrt, doch nicht lange: denn das Rauſchen der Raͤder verkuͤndigte ihnen ſogleich die Naͤhe des geſuchten Ortes.","norm":"Allein der wenig betretene Pfad verlor sich bald, und sie fanden sich im dichten Gebüsch zwischen moosigem Gestein verirrt, doch nicht lange: denn das Rauschen der Räder verkündigte ihnen sogleich die Nähe des gesuchten Ortes."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":736,"orig":"Auf eine Klippe vorwaͤrts tretend ſahen ſie das alte ſchwarze wunderliche Holzgebaͤude im Grunde vor ſich, von ſteilen Felſen ſo wie von hohen Baͤumen umſchattet.","norm":"Auf eine Klippe vorwärts tretend sahen sie das alte schwarze wunderliche Holzgebäude im Grunde vor sich, von steilen Felsen sowie von hohen Bäumen umschattet."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":737,"orig":"Sie entſchloſſen ſich kurz und gut uͤber Moos und Felstruͤmmer hinabzuſteigen:","norm":"Sie entschlossen sich kurz und gut über Moos und Felstrümmer hinabzusteigen:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":738,"orig":"Eduard voran; und wenn er nun in die Hoͤhe ſah, und Ottilie leicht ſchreitend, ohne Furcht und Aengſtlichkeit, im ſchoͤnſten Gleichgewicht von Stein zu Stein ihm folgte, glaubte er ein himmliſches Weſen zu ſehen, das uͤber ihm ſchwebte.","norm":"Eduard voran; und wenn er nun in die Höhe sah, und Ottilie leicht schreitend, ohne Furcht und Ängstlichkeit, im schönsten Gleichgewicht von Stein zu Stein ihm folgte, glaubte er ein himmlisches Wesen zu sehen, das über ihm schwebte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":739,"orig":"Und wenn ſie nun manchmal an unſicherer Stelle ſeine ausgeſtreckte Hand ergriff, ja ſich auf ſeine Schulter ſtuͤtzte, dann konnte er ſich nicht verlaͤugnen, daß es das zarteſte weibliche Weſen ſey, das ihn beruͤhrte.","norm":"Und wenn sie nun manchmal an unsicherer Stelle seine ausgestreckte Hand ergriff, ja sich auf seine Schulter stützte, dann konnte er sich nicht verleugnen, dass es das zarteste weibliche Wesen sei, das ihn berührte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":740,"orig":"Faſt haͤtte er gewuͤnſcht, ſie moͤchte ſtraucheln, gleiten, daß er ſie in ſeine Arme auffangen, ſie an ſein Herz druͤcken koͤnnte.","norm":"Fast hätte er gewünscht, sie möchte straucheln, gleiten, dass er sie in seine Arme auffangen, sie an sein Herz drücken könnte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":741,"orig":"Doch dieß haͤtte er unter keiner Bedingung gethan, aus mehr als einer Urſache: er fuͤrchtete ſie zu beleidigen, ſie zu beſchaͤdigen.","norm":"Doch dies hätte er unter keiner Bedingung getan, aus mehr als einer Ursache: Er fürchtete sie zu beleidigen, sie zu beschädigen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":742,"orig":"Wie dieß gemeint ſey, erfahren wir ſogleich.","norm":"Wie dies gemeint sei, erfahren wir sogleich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":743,"orig":"Denn als er nun herabgelangt, ihr unter den hohen Baͤumen am laͤndlichen Tiſche gegenuͤber ſaß, die freundliche Muͤllerinn nach Milch, der bewillkommende Muͤller Charlotten und dem Hauptmann entgegen geſandt war, fing Eduard mit einigem Zaudern zu ſprechen an.","norm":"Denn als er nun herabgelangt, ihr unter den hohen Bäumen am ländlichen Tische gegenübersaß, die freundliche Müllerin nach Milch, der bewillkommende Müller Charlotten und dem Hauptmann entgegen gesandt war, fing Eduard mit einigem Zaudern zu sprechen an."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":744,"orig":"Ich habe eine Bitte, liebe Ottilie: verzeihen Sie mir die, wenn Sie mir ſie auch verſagen.","norm":"Ich habe eine Bitte, liebe Ottilie: verzeihen Sie mir die, wenn Sie mir sie auch versagen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":745,"orig":"Sie machen kein Geheimniß daraus, und es braucht es auch nicht, daß Sie unter Ihrem Gewand, auf Ihrer Bruſt ein Miniaturbild tragen.","norm":"Sie machen kein Geheimnis daraus, und es braucht es auch nicht, dass Sie unter Ihrem Gewand, auf Ihrer Brust ein Miniaturbild tragen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":746,"orig":"Es iſt das Bild Ihres Vaters, des braven Mannes, den Sie kaum gekannt, und der in jedem Sinne eine Stelle an Ihrem Herzen verdient.","norm":"Es ist das Bild Ihres Vaters, des braven Mannes, den Sie kaum gekannt, und der in jedem Sinne eine Stelle an Ihrem Herzen verdient."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":747,"orig":"Aber vergeben Sie mir: das Bild iſt ungeſchickt groß, und dieſes Metall, dieſes Glas macht mir tauſend Aengſten, wenn Sie ein Kind in die Hoͤhe heben, etwas vor ſich hintragen, wenn die Kutſche ſchwankt, wenn wir durchs Gebuͤſch dringen, eben jetzt, wie wir vom Felſen herabſtiegen.","norm":"Aber vergeben sie mir: das Bild ist ungeschickt groß, und dieses Metall, dieses Glas macht mir tausend Ängsten, wenn Sie ein Kind in die Höhe heben, etwas vor sich hintragen, wenn die Kutsche schwankt, wenn wir durchs Gebüsch dringen, eben jetzt, wie wir vom Felsen herabstiegen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":748,"orig":"Mir iſt die Moͤglichkeit ſchrecklich, daß irgend ein unvorgeſehener Stoß, ein Fall, eine Beruͤhrung Ihnen ſchaͤdlich und verderblich ſeyn koͤnnte.","norm":"Mir ist die Möglichkeit schrecklich, dass irgendein unvorgesehener Stoß, ein Fall, eine Berührung Ihnen schädlich und verderblich sein könnte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":749,"orig":"Thun Sie es mir zu Liebe, entfernen Sie das Bild, nicht aus Ihrem Andenken, nicht aus Ihrem Zimmer; ja geben Sie ihm den ſchoͤnſten, den heiligſten Ort Ihrer Wohnung: nur von Ihrer Bruſt entfernen Sie etwas, deſſen Naͤhe mir, vielleicht aus uͤbertriebener Aengſtlichkeit, ſo gefaͤhrlich ſcheint.","norm":"Tun Sie es mir zuliebe, entfernen Sie das Bild, nicht aus Ihrem Andenken, nicht aus Ihrem Zimmer; ja geben Sie ihm den schönsten, den heiligsten Ort Ihrer Wohnung: nur von Ihrer Brust entfernen Sie etwas, dessen Nähe mir, vielleicht aus übertriebener Ängstlichkeit, so gefährlich scheint."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":750,"orig":"Ottilie ſchwieg, und hatte waͤhrend er ſprach vor ſich hingeſehen; dann, ohne Uebereilung und ohne Zaudern, mit einem Blick mehr gen Himmel als auf Eduard gewendet, loͤſte ſie die Kette, zog das Bild hervor, druͤckte es gegen ihre Stirn und reichte es dem Freunde hin, mit den Worten: heben Sie mir es auf, bis wir nach Hauſe kommen.","norm":"Ottilie schwieg, und hatte während er sprach vor sich hingesehen; dann, ohne Übereilung und ohne Zaudern, mit einem Blick mehr gen Himmel als auf Eduard gewendet, löste sie die Kette, zog das Bild hervor, drückte es gegen ihre Stirn und reichte es dem Freunde hin, mit den Worten: Heben Sie mir es auf, bis wir nach Hause kommen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":751,"orig":"Ich vermag Ihnen nicht beſſer zu bezeigen, wie ſehr ich Ihre freundliche Sorgfalt zu ſchaͤtzen weiß.","norm":"Ich vermag Ihnen nicht besser zu bezeugen, wie sehr ich Ihre freundliche Sorgfalt zu schätzen weiß."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":752,"orig":"Der Freund wagte nicht das Bild an ſeine Lippen zu druͤcken, aber er faßte ihre Hand und druͤckte ſie an ſeine Augen.","norm":"Der Freund wagte nicht das Bild an seine Lippen zu drücken, aber er fasste ihre Hand und drückte sie an seine Augen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":753,"orig":"Es waren vielleicht die zwey ſchoͤnſten Haͤnde, die ſich jemals zuſammenſchloſſen.","norm":"Es waren vielleicht die zwei schönsten Hände, die sich jemals zusammenschlossen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":754,"orig":"Ihm war, als wenn ihm ein Stein vom Herzen gefallen waͤre, als wenn ſich eine Scheidewand zwiſchen ihm und Ottilien niedergelegt haͤtte.","norm":"Ihm war, als wenn ihm ein Stein vom Herzen gefallen wäre, als wenn sich eine Scheidewand zwischen ihm und Ottilie niedergelegt hätte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":755,"orig":"Vom Muͤller gefuͤhrt langten Charlotte und der Hauptmann auf einem bequemeren Pfade herunter.","norm":"Vom Müller geführt langten Charlotte und der Hauptmann auf einem bequemeren Pfade herunter."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":756,"orig":"Man begruͤßte ſich, man erfreute und erquickte ſich.","norm":"Man begrüßte sich, man erfreute und erquickte sich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":757,"orig":"Zuruͤck wollte man denſelben Weg nicht kehren, und Eduard ſchlug einen Felspfad auf der andern Seite des Baches vor, auf welchem die Teiche wieder zu Geſicht kamen, indem man ihn mit einiger Anſtrengung zuruͤcklegte.","norm":"Zurück wollte man denselben Weg nicht kehren, und Eduard schlug einen Felspfad auf der anderen Seite des Baches vor, auf welchem die Teiche wieder zu Gesicht kamen, indem man ihn mit einiger Anstrengung zurücklegte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":758,"orig":"Nun durchſtrich man abwechſelndes Gehoͤlz und erblickte, nach dem Lande zu, mancherley Doͤrfer, Flecken, Meyereyen mit ihren gruͤnen und fruchtbaren Umgebungen; zunaͤchſt ein Vorwerk, das an der Hoͤhe, mitten im Holze gar vertraulich lag.","norm":"Nun durchstrich man abwechselndes Gehölz und erblickte, nach dem Lande zu, mancherlei Dörfer, Flecken, Meiereien mit ihren grünen und fruchtbaren Umgebungen; zunächst ein Vorwerk, das an der Höhe, mitten im Holze gar vertraulich lag."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":759,"orig":"Am ſchoͤnſten zeigte ſich der groͤßte Reichthum der Gegend, vor und ruͤckwaͤrts, auf der ſanfterſtiegenen Hoͤhe, von da man zu einem luſtigen Waͤldchen gelangte, und beym Heraustreten aus demſelben ſich auf dem Felſen den Schloſſe gegenuͤber befand.","norm":"Am schönsten zeigte sich der größte Reichtum der Gegend, vor und rückwärts, auf der sanfterstiegenen Höhe, von da man zu einem lustigen Wäldchen gelangte, und beim Heraustreten aus demselben sich auf dem Felsen den Schlosse gegenüber befand."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":760,"orig":"Wie froh waren ſie, als ſie daſelbſt gewiſſermaßen unvermuthet ankamen.","norm":"Wie froh waren sie, als sie daselbst gewissermaßen unvermutet ankamen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":761,"orig":"Sie hatten eine kleine Welt umgangen; ſie ſtanden auf dem Platze wo das neue Gebaͤude hinkommen ſollte, und ſahen wieder in die Fenſter ihrer Wohnung.","norm":"Sie hatten eine kleine Welt umgangen; sie standen auf dem Platze wo das neue Gebäude hinkommen sollte, und sahen wieder in die Fenster ihrer Wohnung."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":762,"orig":"Man ſtieg zur Mooshuͤtte hinunter, und ſaß zum erſtenmal darin zu vieren.","norm":"Man stieg zur Mooshütte hinunter, und saß zum ersten Mal darin zu vieren."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":763,"orig":"Nichts war natuͤrlicher, als daß einſtimmig der Wunſch ausgeſprochen wurde, dieſer heutige Weg, den ſie langſam und nicht ohne Beſchwerlichkeit gemacht, moͤchte dergeſtalt gefuͤhrt und eingerichtet werden, daß man ihn geſellig, ſchlendernd und mit Behaglichkeit zuruͤcklegen koͤnnte.","norm":"Nichts war natürlicher, als dass einstimmig der Wunsch ausgesprochen wurde, dieser heutige Weg, den sie langsam und nicht ohne Beschwerlichkeit gemacht, möchte dergestalt geführt und eingerichtet werden, dass man ihn gesellig, schlendernd und mit Behaglichkeit zurücklegen könnte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":764,"orig":"Jedes that Vorſchlaͤge, und man berechnete, daß der Weg, zu welchem ſie mehrere Stunden gebraucht hatten, wohl gebahnt in einer Stunde zum Schloß zuruͤckfuͤhren muͤßte.","norm":"Jedes tat Vorschläge, und man berechnete, dass der Weg, zu welchem sie mehrere Stunden gebraucht hatten, wohlgebahnt in einer Stunde zum Schloss zurückführen müsste."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":765,"orig":"Schon legte man in Gedanken, unterhalb der Muͤhle, wo der Bach in die Teiche fließt, eine Wegverkuͤrzende und die Landſchaft zierende Bruͤcke an, als Charlotte der erfindenden Einbildungskraft einigen Stillſtand gebot, indem ſie an die Koſten erinnerte, welche zu einem ſolchen Unternehmen erforderlich ſeyn wuͤrden.","norm":"Schon legte man in Gedanken, unterhalb der Mühle, wo der Bach in die Teiche fließt, eine Wegverkürzende und die Landschaft zierende Brücke an, als Charlotte der erfindenden Einbildungskraft einigen Stillstand gebot, indem sie an die Kosten erinnerte, welche zu einem solchen Unternehmen erforderlich sein würden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":766,"orig":"Hier iſt auch zu helfen, verſetzte Eduard.","norm":"Hier ist auch zu helfen, versetzte Eduard."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":767,"orig":"Jenes Vorwerk im Walde, das ſo ſchoͤn zu liegen ſcheint, und ſo wenig eintraͤgt, duͤrfen wir nur veraͤußern und das daraus Geloͤſte zu dieſen Anlagen verwenden; ſo genießen wir vergnuͤglich auf einem unſchaͤtzbaren Spazirgange die Intereſſen eines wohlangelegten Capitals, da wir jetzt mit Mismuth, bey letzter Berechnung am Schluſſe des Jahrs, eine kuͤmmerliche Einnahme davon ziehen.","norm":"Jenes Vorwerk im Walde, das so schön zu liegen scheint, und so wenig einträgt, dürfen wir nur veräußern und das daraus Gelöste zu diesen Anlagen verwenden; so genießen wir vergnüglich auf einem unschätzbaren Spaziergange die Interessen eines wohlangelegten Kapitals, da wir jetzt mit Missmut, bei letzter Berechnung am Schlusse des Jahrs, eine kümmerliche Einnahme davon ziehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":768,"orig":"Charlotte ſelbſt konnte als gute Haushaͤlterin nicht viel dagegen erinnern.","norm":"Charlotte selbst konnte als gute Haushälterin nicht viel dagegen erinnern."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":769,"orig":"Die Sache war ſchon fruͤher zur Sprache gekommen.","norm":"Die Sache war schon früher zur Sprache gekommen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":770,"orig":"Nun wollte der Hauptmann einen Plan zu Zerſchlagung der Grundſtuͤcke unter die Waldbauern machen;","norm":"Nun wollte der Hauptmann einen Plan zu Zerschlagung der Grundstücke unter die Waldbauern machen;"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":771,"orig":"Eduard aber wollte kuͤrzer und bequemer verfahren wiſſen.","norm":"Eduard aber wollte kürzer und bequemer verfahren wissen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":772,"orig":"Der gegenwaͤrtige Pachter, der ſchon Vorſchlaͤge gethan hatte; ſollte es erhalten, Terminweiſe zahlen und ſo Terminweiſe wollte man die planmaͤßigen Anlagen von Strecke zu Strecke vornehmen.","norm":"Der gegenwärtige Pachter, der schon Vorschläge getan hatte; sollte es erhalten, Terminweise zahlen und so Terminweise wollte man die planmäßigen Anlagen von Strecke zu Strecke vornehmen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":773,"orig":"So eine vernuͤnftige gemaͤßigte Einrichtung mußte durchaus Beyfall finden, und ſchon ſah die ganze Geſellſchaft im Geiſte die neuen Wege ſich ſchlaͤngeln, auf denen und in deren Naͤhe man noch die angenehmſten Ruhe- und Ausſichtsplaͤtze zu entdecken hoffte.","norm":"So eine vernünftige gemäßigte Einrichtung musste durchaus Beifall finden, und schon sah die ganze Gesellschaft im Geiste die neuen Wege sich schlängeln, auf denen und in deren Nähe man noch die angenehmsten Ruhe- und Aussichtsplätze zu entdecken hoffte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":774,"orig":"Um ſich alles mehr im Einzelnen zu vergegenwaͤrtigen nahm man Abends zu Hauſe ſogleich die neue Charte vor.","norm":"Um sich alles mehr im Einzelnen zu vergegenwärtigen nahm man Abends zu Hause sogleich die neue Karte vor."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":775,"orig":"Man uͤberſah den zuruͤckgelegten Weg und wie er vielleicht an einigen Stellen noch vortheilhafter zu fuͤhren waͤre.","norm":"Man übersah den zurückgelegten Weg und wie er vielleicht an einigen Stellen noch vorteilhafter zu führen wäre."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":776,"orig":"Alle fruͤheren Vorſaͤtze wurden nochmals durchgeſprochen und mit den neueſten Gedanken verbunden, der Platz des neuen Hauſes, gegen dem Schloß uͤber, nochmals gebilligt und der Kreislauf der Wege bis dahin abgeſchloſſen.","norm":"Alle früheren Vorsätze wurden nochmals durchgesprochen und mit den neuesten Gedanken verbunden, der Platz des neuen Hauses, gegen dem Schloss über, nochmals gebilligt und der Kreislauf der Wege bis dahin abgeschlossen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":777,"orig":"Ottilie hatte zu dem allen geſchwiegen, als Eduard zuletzt den Plan, der bisher vor Charlotten gelegen, vor ſie hinwandte und ſie zugleich einlud, ihre Meinung zu ſagen, und als ſie einen Augenblick anhielt, ſie liebevoll ermunterte, doch ja nicht zu ſchweigen: alles ſey ja noch gleichguͤltig, alles noch im Werden.","norm":"Ottilie hatte zu dem allen geschwiegen, als Eduard zuletzt den Plan, der bisher vor Charlotten gelegen, vor sie hinwandte und sie zugleich einlud, ihre Meinung zu sagen, und als sie einen Augenblick anhielt, sie liebevoll ermunterte, doch ja nicht zu schweigen: Alles sei ja noch gleichgültig, alles noch im Werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":778,"orig":"Ich wuͤrde, ſagte Ottilie, indem ſie den Finger auf die hoͤchſte Flaͤche der Anhoͤhe ſetzte, das Haus hieher bauen.","norm":"Ich würde, sagte Ottilie, indem sie den Finger auf die höchste Fläche der Anhöhe setzte, das Haus hierher bauen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":779,"orig":"Man ſaͤhe zwar das Schloß nicht: denn es wird von dem Waͤldchen bedeckt; aber man befaͤnde ſich auch dafuͤr wie in einer andern und neuen Welt, indem zugleich das Dorf und alle Wohnungen verborgen waͤren.","norm":"Man sähe zwar das Schloss nicht: denn es wird von dem Wäldchen bedeckt; aber man befände sich auch dafür wie in einer anderen und neuen Welt, indem zugleich das Dorf und alle Wohnungen verborgen wären."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":780,"orig":"Die Ausſicht auf die Teiche, nach der Muͤhle, auf die Hoͤhen, in die Gebirge, nach dem Lande zu, iſt außerordentlich ſchoͤn; ich habe es im Vorbeygehen bemerkt.","norm":"Die Aussicht auf die Teiche, nach der Mühle, auf die Höhen, in die Gebirge, nach dem Lande zu, ist außerordentlich schön; ich habe es im Vorbeigehen bemerkt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":781,"orig":"Sie hat Recht!","norm":"Sie hat Recht!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":782,"orig":"rief Eduard: wie konnte uns das nicht einfallen?","norm":"rief Eduard: Wie konnte uns das nicht einfallen?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":783,"orig":"Nicht wahr, ſo iſt es gemeint, Ottilie? — Er nahm einen Bleyſtift und ſtrich ein laͤngliches Viereck recht ſtark und derb auf die Anhoͤhe.","norm":"Nicht wahr, so ist es gemeint, Ottilie? — Er nahm einen Bleistift und strich ein längliches Viereck recht stark und derb auf die Anhöhe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":784,"orig":"Dem Hauptmann fuhr das durch die Seele: denn er ſah einen ſorgfaͤltigen, reinlich gezeichneten Plan ungern auf dieſe Weiſe verunſtaltet; doch faßte er ſich nach einer leiſen Misbilligung und ging auf den Gedanken ein.","norm":"Dem Hauptmann fuhr das durch die Seele: denn er sah einen sorgfältigen, reinlich gezeichneten Plan ungern auf diese Weise verunstaltet; doch fasste er sich nach einer leisen Missbilligung und ging auf den Gedanken ein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":785,"orig":"Ottilie hat Recht, ſagte er:","norm":"Ottilie hat Recht, sagte er:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":786,"orig":"Macht man nicht gern eine entfernte Spazirfahrt, um einen Kaffee zu trinken, einen Fiſch zu genießen, der uns zu Hauſe nicht ſo gut geſchmeckt haͤtte.","norm":"Macht man nicht gern eine entfernte Spazierfahrt, um einen Kaffee zu trinken, einen Fisch zu genießen, der uns zu Hause nicht so gut geschmeckt hätte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":787,"orig":"Wir verlangen Abwechſelung und fremde Gegenſtaͤnde.","norm":"Wir verlangen Abwechselung und fremde Gegenstände."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":788,"orig":"Das Schloß haben die Alten mit Vernunft hieher gebaut: denn es liegt geſchuͤtzt vor den Winden, und nah an allen taͤglichen Beduͤrfniſſen; ein Gebaͤude hingegen, mehr zum geſelligen Aufenthalt als zur Wohnung, wird ſich dorthin recht wohl ſchicken und in der guten Jahrszeit die angenehmſten Stunden gewaͤhren.","norm":"Das Schloss haben die Alten mit Vernunft hierher gebaut: denn es liegt geschützt vor den Winden, und nah an allen täglichen Bedürfnissen; ein Gebäude hingegen, mehr zum geselligen Aufenthalt als zur Wohnung, wird sich dorthin recht wohl schicken und in der guten Jahrszeit die angenehmsten Stunden gewähren."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":789,"orig":"Jemehr man die Sache durchſprach deſto guͤnſtiger erſchien ſie, und Eduard konnte ſeinen Triumph nicht bergen, daß Ottilie den Gedanken gehabt.","norm":"Je mehr man die Sache durchsprach desto günstiger erschien sie, und Eduard konnte seinen Triumph nicht bergen, dass Ottilie den Gedanken gehabt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":790,"orig":"Er war ſo ſtolz darauf als ob die Erfindung ſein geweſen waͤre.","norm":"Er war so stolz darauf als ob die Erfindung sein gewesen wäre."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":791,"orig":"Der Hauptmann unterſuchte gleich am fruͤhſten Morgen den Platz, entwarf erſt einen fluͤchtigen, und als die Geſellſchaft an Ort und Stelle ſich nochmals entſchieden hatte, einen genauen Riß nebſt Anſchlag und allem Erforderlichen.","norm":"Der Hauptmann untersuchte gleich am frühsten Morgen den Platz, entwarf erst einen flüchtigen, und als die Gesellschaft an Ort und Stelle sich nochmals entschieden hatte, einen genauen Riss nebst Anschlag und allem Erforderlichen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":792,"orig":"Es fehlte nicht an der noͤthigen Vorbereitung.","norm":"Es fehlte nicht an der nötigen Vorbereitung."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":793,"orig":"Jenes Geſchaͤft wegen Verkauf des Vorwerks ward auch ſogleich wieder angegriffen.","norm":"Jenes Geschäft wegen Verkaufe des Vorwerks wurde auch sogleich wieder angegriffen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":794,"orig":"Die Maͤnner fanden zuſammen neuen Anlaß zur Thaͤtigkeit.","norm":"Die Männer fanden zusammen neuen Anlass zur Tätigkeit."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":795,"orig":"Der Hauptmann machte Eduarden bemerklich, daß es eine Artigkeit, ja wohl gar eine Schuldigkeit ſey, Charlottens Geburtstag durch Legung des Grundſteins zu feyern.","norm":"Der Hauptmann machte Eduard bemerkbar, dass es eine Artigkeit, ja wohl gar eine Schuldigkeit sei, Charlottes Geburtstag durch Legung des Grundsteins zu feiern."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":796,"orig":"Es bedurfte nicht viel, die alte Abneigung Eduards gegen ſolche Feſte zu uͤberwinden: denn es kam ihm ſchnell in den Sinn, Ottiliens Geburtstag, der ſpaͤter fiel, gleichfalls recht feyerlich zu begehen.","norm":"Es bedurfte nicht viel, die alte Abneigung Eduards gegen solche Feste zu überwinden: denn es kam ihm schnell in den Sinn, Ottilies Geburtstag, der später fiel, gleichfalls recht feierlich zu begehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":797,"orig":"Charlotte, der die neuen Anlagen, und was deshalb geſchehen ſollte, bedeutend, ernſtlich, ja faſt bedenklich vorkamen, beſchaͤftigte ſich damit, die Anſchlaͤge, Zeit- und Geldeintheilungen nochmals fuͤr ſich durchzugehen.","norm":"Charlotte, der die neuen Anlagen, und was deshalb geschehen sollte, bedeutend, ernstlich, ja fast bedenklich vorkamen, beschäftigte sich damit, die Anschläge, Zeit- und Geldeinteilungen nochmals für sich durchzugehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":798,"orig":"Man ſah ſich des Tages weniger, und mit deſto mehr Verlangen ſuchte man ſich des Abends auf.","norm":"Man sah sich des Tages weniger, und mit desto mehr Verlangen suchte man sich des Abends auf."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":799,"orig":"Ottilie war indeſſen ſchon voͤllig Herrinn des Haushaltes, und wie konnte es anders ſeyn, bey ihrem ſtillen und ſichern Betragen.","norm":"Ottilie war indessen schon völlig Herrin des Haushaltes, und wie konnte es anders sein, bei ihrem stillen und sichern Betragen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":800,"orig":"Auch war ihre ganze Sinnesweiſe dem Hauſe und dem Haͤuslichen mehr als der Welt, mehr als dem Leben im Freyen zugewendet.","norm":"Auch war ihre ganze Sinnesweise dem Hause und dem Häuslichen mehr als der Welt, mehr als dem Leben im Freien zugewendet."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":801,"orig":"Eduard bemerkte bald, daß ſie eigentlich nur aus Gefaͤlligkeit in die Gegend mitging, daß ſie nur aus geſelliger Pflicht Abends laͤnger draußen verweilte, auch wohl manchmal einen Vorwand haͤuslicher Thaͤtigkeit ſuchte, um wieder hinein zu gehen.","norm":"Eduard bemerkte bald, dass sie eigentlich nur aus Gefälligkeit in die Gegend mitging, dass sie nur aus geselliger Pflicht Abends länger draußen verweilte, auch wohl manchmal einen Vorwand häuslicher Tätigkeit suchte, um wieder hineinzugehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":802,"orig":"Sehr bald wußte er daher die gemeinſchaftlichen Wanderungen ſo einzurichten, daß man vor Sonnenuntergang wieder zu Hauſe war, und fing an, was er lange unterlaſſen hatte, Gedichte vorzuleſen, ſolche beſonders, in deren Vortrag der Ausdruck einer reinen doch leidenſchaftlichen Liebe zu legen war.","norm":"Sehr bald wusste er daher die gemeinschaftlichen Wanderungen so einzurichten, dass man vor Sonnenuntergang wieder zu Hause war, und fing an, was er lange unterlassen hatte, Gedichte vorzulesen, solche besonders, in deren Vortrag der Ausdruck einer reinen doch leidenschaftlichen Liebe zu legen war."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":803,"orig":"Gewoͤhnlich ſaßen ſie Abends um einen kleinen Tiſch, auf hergebrachten Plaͤtzen:","norm":"Gewöhnlich saßen sie Abends um einen kleinen Tisch, auf hergebrachten Plätzen:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":804,"orig":"Charlotte auf dem Sopha, Ottilie auf einem Seſſel gegen ihr uͤber, und die Maͤnner nahmen die beyden andern Seiten ein.","norm":"Charlotte auf dem Sofa, Ottilie auf einem Sessel gegen ihr über, und die Männer nahmen die beiden anderen Seiten ein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":805,"orig":"Ottilie ſaß Eduarden zur Rechten, wohin er auch das Licht ſchob, wenn er las.","norm":"Ottilie saß Eduard zur Rechten, wohin er auch das Licht schob, wenn er las."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":806,"orig":"Alsdann ruͤckte ſich Ottilie wohl naͤher, um ins Buch zu ſehen: denn auch ſie traute ihren eigenen Augen mehr als fremden Lippen; und Eduard gleichfalls ruͤckte zu, um es ihr auf alle Weiſe bequem zu machen; ja er hielt oft laͤngere Pauſen als noͤthig, damit er nur nicht eher umwendete, bis auch ſie zu Ende der Seite gekommen.","norm":"Alsdann rückte sich Ottilie wohl näher, um ins Buch zu sehen: denn auch sie traute ihren eigenen Augen mehr als fremden Lippen; und Eduard gleichfalls rückte zu, um es ihr auf alle Weise bequem zu machen; ja er hielt oft längere Pausen als nötig, damit er nur nicht eher umwendete, bis auch sie zu Ende der Seite gekommen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":807,"orig":"Charlotte und der Hauptmann bemerkten es wohl und ſahen manchmal einander laͤchelnd an; doch wurden beyde von einem andern Zeichen uͤberraſcht, in welchem ſich Ottiliens ſtille Neigung gelegentlich offenbarte.","norm":"Charlotte und der Hauptmann bemerkten es wohl und sahen manchmal einander lächelnd an; doch wurden beide von einem anderen Zeichen überrascht, in welchem sich Ottilies stille Neigung gelegentlich offenbarte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":808,"orig":"An einem Abende, welcher der kleinen Geſellſchaft durch einen laͤſtigen Beſuch zum Theil verloren gegangen, that Eduard den Vorſchlag noch beyſammen zu bleiben.","norm":"An einem Abende, welcher der kleinen Gesellschaft durch einen lästigen Besuche zum Teil verloren gegangen, tat Eduard den Vorschlag noch beisammen zu bleiben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":809,"orig":"Er fuͤhlte ſich aufgelegt ſeine Floͤte vorzunehmen, welche lange nicht an die Tagesordnung gekommen war.","norm":"Er fühlte sich aufgelegt seine Flöte vorzunehmen, welche lange nicht an die Tagesordnung gekommen war."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":810,"orig":"Charlotte ſuchte nach den Sonaten, die ſie zuſammen gewoͤhnlich auszufuͤhren pflegten, und da ſie nicht zu finden waren, geſtand Ottilie nach einigem Zaudern, daß ſie ſolche mit auf ihr Zimmer genommen.","norm":"Charlotte suchte nach den Sonaten, die sie zusammen gewöhnlich auszuführen pflegten, und da sie nicht zu finden waren, gestand Ottilie nach einigem Zaudern, dass sie solche mit auf ihr Zimmer genommen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":811,"orig":"Und Sie koͤnnen, Sie wollen mich auf dem Fluͤgel begleiten?","norm":"Und Sie können, Sie wollen mich auf dem Flügel begleiten?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":812,"orig":"rief Eduard, dem die Augen vor Freude glaͤnzten.","norm":"rief Eduard, dem die Augen vor Freude glänzten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":813,"orig":"Ich glaube wohl, verſetzte Ottilie, daß es gehn wird.","norm":"Ich glaube wohl, versetzte Ottilie, dass es gehen wird."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":814,"orig":"Sie brachte die Noten herbey und ſetzte ſich ans Clavier.","norm":"Sie brachte die Noten herbei und setzte sich ans Klavier."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":815,"orig":"Die Zuhoͤrenden waren aufmerkſam und uͤberraſcht, wie vollkommen Ottilie das Muſikſtuͤck fuͤr ſich ſelbſt eingelernt hatte, aber noch mehr uͤberraſcht, wie ſie es der Spielart Eduards anzupaſſen wußte.","norm":"Die Zuhörenden waren aufmerksam und überrascht, wie vollkommen Ottilie das Musikstück für sich selbst eingelernt hatte, aber noch mehr überrascht, wie sie es der Spielart Eduards anzupassen wusste."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":816,"orig":"Anzupaſſen wußte iſt nicht der rechte Ausdruck: denn wenn es von Charlottens Geſchicklichkeit und freyem Willen abhing, ihrem bald zoͤgernden bald voreilenden Gatten zu Liebe, hier anzuhalten, dort mitzugehen; ſo ſchien Ottilie, welche die Sonate von jenen einigemal ſpielen gehoͤrt, ſie nur in dem Sinne eingelernt zu haben, wie jener ſie begleitete.","norm":"Anzupassen wusste ist nicht der rechte Ausdruck: denn wenn es von Charlottes Geschicklichkeit und freiem Willen abhing, ihrem bald zögernden bald voreilenden Gatten zuliebe, hier anzuhalten, dort mitzugehen; so schien Ottilie, welche die Sonate von jenen einige Mal spielen gehört, sie nur in dem Sinne eingelernt zu haben, wie jener sie begleitete."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":817,"orig":"Sie hatte ſeine Maͤngel ſo zu den ihrigen gemacht, daß daraus wieder eine Art von lebendigem Ganzen entſprang, das ſich zwar nicht tactgemaͤß bewegte, aber doch hoͤchſt angenehm und gefaͤllig lautete.","norm":"Sie hatte seine Mängel so zu den ihrigen gemacht, dass daraus wieder eine Art von lebendigem Ganzen entsprang, das sich zwar nicht taktgemäß bewegte, aber doch höchst angenehm und gefällig lautete."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":818,"orig":"Der Componiſt ſelbſt haͤtte ſeine Freude daran gehabt, ſein Werk auf eine ſo liebevolle Weiſe entſtellt zu ſehen.","norm":"Der Komponist selbst hätte seine Freude daran gehabt, sein Werk auf eine so liebevolle Weise entstellt zu sehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":819,"orig":"Auch dieſem wunderſamen, unerwarteten Begegniß ſahen der Hauptmann und Charlotte ſtillſchweigend mit einer Empfindung zu, wie man oft kindiſche Handlungen betrachtet, die man wegen ihrer beſorglichen Folgen gerade nicht billigt und doch nicht ſchelten kann, ja vielleicht beneiden muß.","norm":"Auch diesem wundersamen, unerwarteten Begegnung sahen der Hauptmann und Charlotte stillschweigend mit einer Empfindung zu, wie man oft kindische Handlungen betrachtet, die man wegen ihrer besorglichen Folgen gerade nicht billigt und doch nicht schelten kann, ja vielleicht beneiden muss."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":820,"orig":"Denn eigentlich war die Neigung dieſer beyden eben ſo gut im Wachſen als jene, und vielleicht nur noch gefaͤhrlicher dadurch, daß beyde ernſter, ſicherer von ſich ſelbſt, ſich zu halten faͤhiger waren.","norm":"Denn eigentlich war die Neigung dieser beiden ebenso gut im Wachsen als jene, und vielleicht nur noch gefährlicher dadurch, dass beide ernster, sicherer von sich selbst, sich zu halten fähiger waren."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":821,"orig":"Schon fing der Hauptmann an zu fuͤhlen, daß eine unwiderſtehliche Gewohnheit ihn an Charlotten zu feſſeln drohte.","norm":"Schon fing der Hauptmann an zu fühlen, dass eine unwiderstehliche Gewohnheit ihn an Charlotten zu fesseln drohte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":822,"orig":"Er gewann es uͤber ſich, den Stunden auszuweichen, in denen Charlotte nach den Anlagen zu kommen pflegte, indem er ſchon am fruͤhſten Morgen aufſtand, alles anordnete und ſich dann zur Arbeit auf ſeinen Fluͤgel ins Schloß zuruͤckzog.","norm":"Er gewann es über sich, den Stunden auszuweichen, in denen Charlotte nach den Anlagen zu kommen pflegte, indem er schon am frühsten Morgen aufstand, alles anordnete und sich dann zur Arbeit auf seinen Flügel ins Schloss zurückzog."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":823,"orig":"Die erſten Tage hielt es Charlotte fuͤr zufaͤllig; ſie ſuchte ihn an allen wahrſcheinlichen Stellen; dann glaubte ſie ihn zu verſtehen und achtete ihn nur um deſto mehr.","norm":"Die ersten Tage hielt es Charlotte für zufällig; sie suchte ihn an allen wahrscheinlichen Stellen; dann glaubte sie ihn zu verstehen und achtete ihn nur um desto mehr."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":824,"orig":"Vermied nun der Hauptmann mit Charlotten allein zu ſeyn, ſo war er deſto emſiger, zur glaͤnzenden Feyer des herannahenden Geburtsfeſtes die Anlagen zu betreiben und zu beſchleunigen: denn indem er von unten hinauf, hinter dem Dorfe her, den bequemen Weg fuͤhrte, ſo ließ er, vorgeblich um Steine zu brechen, auch von oben herunter arbeiten, und hatte alles ſo eingerichtet und berechnet, daß erſt in der letzten Nacht die beyden Theile des Weges ſich begegnen ſollten.","norm":"Vermied nun der Hauptmann mit Charlotten allein zu sein, so war er desto emsiger, zur glänzenden Feier des herannahenden Geburtsfestes die Anlagen zu betreiben und zu beschleunigen: denn indem er von unten hinauf, hinter dem Dorfe her, den bequemen Weg führte, so ließ er, vorgeblich um Steine zu brechen, auch von oben herunter arbeiten, und hatte alles so eingerichtet und berechnet, dass erst in der letzten Nacht die beiden Teile des Weges sich begegnen sollten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":825,"orig":"Zum neuen Hauſe oben war auch ſchon der Keller mehr gebrochen als gegraben, und ein ſchoͤner Grundſtein mit Faͤchern und Deckplatten zugehauen.","norm":"Zum neuen Hause oben war auch schon der Keller mehr gebrochen als gegraben, und ein schöner Grundstein mit Fächern und Deckplatten zugehauen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":826,"orig":"Die aͤußere Thaͤtigkeit, dieſe kleinen freundlichen geheimnißvollen Abſichten, bey innern mehr oder weniger zuruͤckgedraͤngten Empfindungen, ließen die Unterhaltung der Geſellſchaft, wenn ſie beyſammen war, nicht lebhaft werden, dergeſtalt daß Eduard, der etwas luͤckenhaftes empfand, den Hauptmann eines Abends aufrief, ſeine Violine hervorzunehmen und Charlotten bey dem Clavier zu begleiten.","norm":"Die äußere Tätigkeit, diese kleinen freundlichen geheimnisvollen Absichten, bei inneren mehr oder weniger zurückgedrängten Empfindungen, ließen die Unterhaltung der Gesellschaft, wenn sie beisammen war, nicht lebhaft werden, dergestalt dass Eduard, der etwas Lückenhaftes empfand, den Hauptmann eines Abends aufrief, seine Violine hervorzunehmen und Charlotten bei dem Klavier zu begleiten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":827,"orig":"Der Hauptmann konnte dem allgemeinen Verlangen nicht widerſtehen, und ſo fuͤhrten beyde, mit Empfindung, Behagen und Freyheit, eins der ſchwerſten Muſikſtuͤcke zuſammen auf, daß es ihnen und dem zuhoͤrenden Paar zum groͤßten Vergnuͤgen gereichte.","norm":"Der Hauptmann konnte dem allgemeinen Verlangen nicht widerstehen, und so führten beide, mit Empfindung, Behagen und Freiheit, eins der schwersten Musikstücke zusammen auf, dass es ihnen und dem zuhörenden Paar zum größten Vergnügen gereichte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":828,"orig":"Man verſprach ſich oͤftere Wiederhohlung und mehrere Zuſammenuͤbung","norm":"Man versprach sich öftere Wiederholung und mehrere Zusammenübung"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":829,"orig":"Sie machen es beſſer, als wir, Ottilie!","norm":"Sie machen es besser, als wir, Ottilie!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":830,"orig":"ſagte Eduard.","norm":"sagte Eduard."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":831,"orig":"Wir wollen ſie bewundern, aber uns doch zuſammen freuen.","norm":"Wir wollen sie bewundern, aber uns doch zusammen freuen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":832,"orig":"Der Geburtstag war herbeygekommen und alles fertig geworden: die ganze Mauer die den Dorfweg gegen das Waſſer zu einfaßte und erhoͤhte, eben ſo der Weg an der Kirche vorbey, wo er eine Zeit lang in dem von Charlotten angelegten Pfade fortlief, ſich dann die Felſen hinaufwaͤrts ſchlang, die Mooshuͤtte links uͤber ſich, dann nach einer voͤlligen Wendung links unter ſich ließ und ſo allmaͤhlig auf die Hoͤhe gelangte.","norm":"Der Geburtstag war herbeigekommen und alles fertig geworden: Die ganze Mauer die den Dorfweg gegen das Wasser zu einfasste und erhöhte, ebenso der Weg an der Kirche vorbei, wo er eine Zeitlang in dem von Charlotten angelegten Pfade fortlief, sich dann die Felsen hinaufwärts schlang, die Mooshütte links über sich, dann nach einer völligen Wendung links unter sich ließ und so allmählich auf die Höhe gelangte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":833,"orig":"Es hatte ſich dieſen Tag viel Geſellſchaft eingefunden.","norm":"Es hatte sich diesen Tag viel Gesellschaft eingefunden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":834,"orig":"Man ging zur Kirche, wo man die Gemeinde im feſtlichen Schmuck verſammelt antraf.","norm":"Man ging zur Kirche, wo man die Gemeinde im festlichen Schmuck versammelt antraf."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":835,"orig":"Nach dem Gottesdienſte zogen Knaben, Juͤnglinge und Maͤnner, wie es angeordnet war, voraus; dann kam die Herrſchaft mit ihrem Beſuch und Gefolge;","norm":"Nach dem Gottesdienste zogen Knaben, Jünglinge und Männer, wie es angeordnet war, voraus; dann kam die Herrschaft mit ihrem Besuche und Gefolge;"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":836,"orig":"Maͤdchen, Jungfrauen und Frauen machten den Beſchluß.","norm":"Mädchen, Jungfrauen und Frauen machten den Beschluss."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":837,"orig":"Bey der Wendung des Weges war ein erhoͤhter Felſenplatz eingerichtet; dort ließ der Hauptmann Charlotten und die Gaͤſte ausruhen.","norm":"Bei der Wendung des Weges war ein erhöhter Felsenplatz eingerichtet; dort ließ der Hauptmann Charlotten und die Gäste ausruhen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":838,"orig":"Hier uͤberſahen ſie den ganzen Weg, die hinaufgeſchrittene Maͤnnerſchaar, die nachwandelnden Frauen, welche nun vorbeyzogen.","norm":"Hier übersahen sie den ganzen Weg, die hinaufgeschrittene Männerschar, die nachwandelnden Frauen, welche nun vorbeizogen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":839,"orig":"Es war bey dem herrlichen Wetter ein wunderſchoͤner Anblick.","norm":"Es war bei dem herrlichen Wetter ein wunderschöner Anblick."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":840,"orig":"Charlotte fuͤhlte ſich uͤberraſcht, geruͤhrt und druͤckte dem Hauptmann herzlich die Hand.","norm":"Charlotte fühlte sich überrascht, gerührt und drückte dem Hauptmann herzlich die Hand."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":841,"orig":"Man folgte der ſachte fortſchreitenden Menge, die nun ſchon einen Kreis um den kuͤnftigen Hausraum gebildet hatte.","norm":"Man folgte der sachte fortschreitenden Menge, die nun schon einen Kreis um den künftigen Hausraum gebildet hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":842,"orig":"Der Bauherr, die Seinigen und die vornehmſten Gaͤſte wurden eingeladen in die Tiefe hinabzuſteigen, wo der Grundſtein an einer Seite unterſtuͤtzt eben zum Niederlaſſen bereit lag.","norm":"Der Bauherr, die Seinigen und die vornehmsten Gäste wurden eingeladen in die Tiefe hinabzusteigen, wo der Grundstein an einer Seite unterstützt eben zum Niederlassen bereitlag."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":843,"orig":"Ein wohlgeputzter Maurer, die Kelle in der einen, den Hammer in der andern Hand, hielt in Reimen eine anmuthige Rede, die wir in Proſa nur unvollkommen wiedergeben koͤnnen.","norm":"Ein wohlgeputzter Maurer, die Kelle in der einen, den Hammer in der anderen Hand, hielt in Reimen eine anmutige Rede, die wir in Prosa nur unvollkommen wiedergeben können."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":844,"orig":"Drey Dinge, fing er an, ſind bey einem Gebaͤude zu beobachten: daß es am rechten Fleck ſtehe, daß es wohl gegruͤndet, daß es vollkommen ausgefuͤhrt ſey.","norm":"Drei Dinge, fing er an, sind bei einem Gebäude zu beachten: dass es am rechten Fleck stehe, dass es wohl gegründet, dass es vollkommen ausgeführt sei."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":845,"orig":"Das erſte iſt eigentlich die Sache des Bauherrn: denn wie in der Stadt nur der Fuͤrſt und die Gemeine beſtimmen koͤnnen, wohin gebaut werden ſoll; ſo iſt es auf dem Lande das Vorrecht des Grundherren, daß er ſage: hier ſoll meine Wohnung ſtehen und nirgends anders.","norm":"Das erste ist eigentlich die Sache des Bauherrn: denn wie in der Stadt nur der Fürst und die Gemeine bestimmen können, wohin gebaut werden soll; so ist es auf dem Lande das Vorrecht des Grundherren, dass er sage: hier soll meine Wohnung stehen und nirgends anders."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":846,"orig":"Eduard und Ottilie wagten nicht bey dieſen Worten einander anzuſehen, ob ſie gleich nahe gegen einander uͤber ſtanden.","norm":"Eduard und Ottilie wagten nicht bei diesen Worten einander anzusehen, ob sie gleich nahe gegen einander überstanden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":847,"orig":"Das dritte, die Vollendung, iſt die Sorge gar vieler Gewerken; ja wenige ſind, die nicht dabey beſchaͤftigt waͤren.","norm":"Das Dritte, die Vollendung, ist die Sorge gar vieler Gewerken; ja wenige sind, die nicht dabei beschäftigt wären."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":848,"orig":"Aber das zweyte, die Gruͤndung, iſt des Maurers Angelegenheit, und daß wir es nur keck herausſagen, die Hauptangelegenheit des ganzen Unternehmens.","norm":"Aber das zweite, die Gründung, ist des Maurers Angelegenheit, und dass wir es nur keck heraussagen, die Hauptangelegenheit des ganzen Unternehmens."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":849,"orig":"Es iſt ein ernſtes Geſchaͤft und unſre Einladung iſt ernſthaft: denn dieſe Feyerlichkeit wird in der Tiefe begangen.","norm":"Es ist ein ernstes Geschäft und unsere Einladung ist ernsthaft: denn diese Feierlichkeit wird in der Tiefe begangen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":850,"orig":"Hier innerhalb dieſes engen ausgegrabenen Raums erweiſen Sie uns die Ehre als Zeugen unſeres geheimnißvollen Geſchaͤftes zu erſcheinen.","norm":"Hier innerhalb dieses engen ausgegrabenen Raums erweisen Sie uns die Ehre als Zeugen unseres geheimnisvollen Geschäftes zu erscheinen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":851,"orig":"Gleich werden wir dieſen wohl zugehauenen Stein niederlegen und bald werden dieſe mit ſchoͤnen und wuͤrdigen Perſonen gezierten Erdwaͤnde nicht mehr zugaͤnglich, ſie werden ausgefuͤllt ſeyn.","norm":"Gleich werden wir diesen wohlzugehauenen Stein niederlegen und bald werden diese mit schönen und würdigen Personen gezierten Erdwände nicht mehr zugänglich, sie werden ausgefüllt sein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":852,"orig":"Dieſen Grundſtein, der mit ſeiner Ecke die rechte Ecke des Gebaͤudes, mit ſeiner Rechtwinkligkeit die Regelmaͤßigkeit deſſelben, mit ſeiner waſſer- und ſenkrechten Lage, Loth und Wage aller Mauern und Waͤnde bezeichnet, koͤnnten wir ohne weiteres niederlegen: denn er ruhte wohl auf ſeiner eignen Schwere.","norm":"Diesen Grundstein, der mit seiner Ecke die rechte Ecke des Gebäudes, mit seiner Rechtwinkligkeit die Regelmäßigkeit desselben, mit seiner wasser- und senkrechten Lage, Lot und Waage aller Mauern und Wände bezeichnet, könnten wir ohne weiteres niederlegen: denn er ruhte wohl auf seiner eigenen Schwere."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":853,"orig":"Aber auch hier ſoll es am Kalk, am Bindungsmittel nicht fehlen: denn ſo wie Menſchen die einander von Natur geneigt ſind, noch beſſer zuſammenhalten, wenn das Geſetz ſie verkittet; ſo werden auch Steine deren Form ſchon zuſammenpaßt, noch beſſer durch dieſe bindenden Kraͤfte vereinigt: und da es ſich nicht ziemen will unter den Thaͤtigen muͤßig zu ſeyn, ſo werden Sie nicht verſchmaͤhen auch hier Mitarbeiter zu werden.","norm":"Aber auch hier soll es am Kalk, am Bindungsmittel nicht fehlen: denn so wie Menschen die einander von Natur geneigt sind, noch besser zusammenhalten, wenn das Gesetz sie verkittet; so werden auch Steine deren Form schon zusammenpasst, noch besser durch diese bindenden Kräfte vereinigt: und da es sich nicht ziemen will unter den Tätigen müßig zu sein, so werden Sie nicht verschmähen auch hier Mitarbeiter zu werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":854,"orig":"Er uͤberreichte hierauf ſeine Kelle Charlotten, welche damit Kalk unter den Stein warf.","norm":"Er überreichte hierauf seine Kelle Charlotten, welche damit Kalk unter den Stein warf."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":855,"orig":"Mehreren wurde ein Gleiches zu thun angeſonnen und der Stein alſobald niedergeſenkt; worauf denn Charlotten und den uͤbrigen ſogleich der Hammer gereicht wurde, um durch ein dreymaliges Pochen die Verbindung des Steins mit dem Grunde ausdruͤcklich zu ſegnen.","norm":"Mehreren wurde ein Gleiches zu tun angesonnen und der Stein alsobald niedergesenkt; worauf denn Charlotten und den übrigen sogleich der Hammer gereicht wurde, um durch ein dreimaliges Pochen die Verbindung des Steins mit dem Grunde ausdrücklich zu segnen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":856,"orig":"Des Maurers Arbeit, fuhr der Redner fort, zwar jetzt unter freyem Himmel, geſchieht wo nicht immer im Verborgnen doch zum Verborgnen.","norm":"Des Maurers Arbeit, fuhr der Redner fort, zwar jetzt unter freiem Himmel, geschieht wo nicht immer im Verborgenen doch zum Verborgenen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":857,"orig":"Der regelmaͤßig aufgefuͤhrte Grund wird verſchuͤttet, und ſogar bey den Mauern die wir am Tage auffuͤhren, iſt man unſer am Ende kaum eingedenk.","norm":"Der regelmäßig aufgeführte Grund wird verschüttet, und sogar bei den Mauern die wir am Tage aufführen, ist man unser am Ende kaum eingedenk."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":858,"orig":"Die Arbeiten des Steinmetzen und Bildhauers fallen mehr in die Augen, und wir muͤſſen es ſogar noch gut heißen, wenn der Tuͤncher die Spur unſerer Haͤnde voͤllig ausloͤſcht und ſich unſer Werk zueignet, indem er es uͤberzieht, glaͤttet und faͤrbt.","norm":"Die Arbeiten des Steinmetzen und Bildhauers fallen mehr in die Augen, und wir müssen es sogar noch gutheißen, wenn der Tüncher die Spur unserer Hände völlig auslöscht und sich unser Werk zueignet, indem er es überzieht, glättet und färbt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":859,"orig":"Wem muß alſo mehr daran gelegen ſeyn, das was er thut ſich ſelbſt recht zu machen, indem er es recht macht, als dem Maurer?","norm":"Wem muss also mehr daran gelegen sein, das was er tut sich selbst recht zu machen, indem er es recht macht, als dem Maurer?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":860,"orig":"Wer hat mehr als er das Selbſtbewußtſeyn zu naͤhren Urſach?","norm":"Wer hat mehr als er das Selbstbewusstsein zu nähren Ursache?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":861,"orig":"Wenn das Haus aufgefuͤhrt, der Boden geplattet und gepflaſtert, die Außenſeite mit Zieraten uͤberdeckt iſt; ſo ſieht er durch alle Huͤllen immer noch hinein und erkennt noch jene regelmaͤßigen ſorgfaͤltigen Fugen, denen das Ganze ſein Daſeyn und ſeinen Halt zu danken hat.","norm":"Wenn das Haus aufgeführt, der Boden geplattet und gepflastert, die Außenseite mit Zierraten überdeckt ist; so sieht er durch alle Hüllen immer noch hinein und erkennt noch jene regelmäßigen sorgfältigen Fugen, denen das Ganze sein Dasein und seinen Halt zu danken hat."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":862,"orig":"Aber wie Jeder, der eine Uebelthat begangen, fuͤrchten muß, daß ungeachtet alles Abwehrens, ſie dennoch ans Licht kommen werde; ſo muß derjenige erwarten, der ins Geheim das Gute gethan, daß auch dieſes wider ſeinen Willen an den Tag komme.","norm":"Aber wie jeder, der eine Übeltat begangen, fürchten muss, dass ungeachtet alles Abwehrens, sie dennoch ans Licht kommen werde; so muss derjenige erwarten, der insgeheim das Gute getan, dass auch dieses wider seinen Willen an den Tag komme."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":863,"orig":"Deswegen machen wir dieſen Grundſtein zugleich zum Denkſtein.","norm":"Deswegen machen wir diesen Grundstein zugleich zum Denkstein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":864,"orig":"Hier in dieſe unterſchiedlichen gehauenen Vertiefungen ſoll verſchiedenes eingeſenkt werden, zum Zeugniß fuͤr eine entfernte Nachwelt.","norm":"Hier in diese unterschiedlichen gehauenen Vertiefungen soll verschiedenes eingesenkt werden, zum Zeugnis für eine entfernte Nachwelt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":865,"orig":"Dieſe metallnen zugeloͤtheten Koͤcher enthalten ſchriftliche Nachrichten; auf dieſe Metall-Platten iſt allerley Merkwuͤrdiges eingegraben; in dieſen ſchoͤnen glaͤſernen Flaſchen verſenken wir den beſten alten Wein, mit Bezeichnung ſeines Geburtsjahrs; es fehlt nicht an Muͤnzen verſchiedener Art, in dieſem Jahre gepraͤgt: alles dieſes erhielten wir durch die Freygebigkeit unſers Bauherrn.","norm":"Diese metallenen zugelöteten Köcher enthalten schriftliche Nachrichten; auf diese Metallplatten ist allerlei Merkwürdiges eingegraben; in diesen schönen gläsernen Flaschen versenken wir den besten alten Wein, mit Bezeichnung seines Geburtsjahrs; es fehlt nicht an Münzen verschiedener Art, in diesem Jahre geprägt: Alles dieses erhielten wir durch die Freigebigkeit unseres Bauherrn."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":866,"orig":"Auch iſt hier noch mancher Platz, wenn irgend ein Gaſt und Zuſchauer etwas der Nachwelt zu uͤbergeben Belieben truͤge.","norm":"Auch ist hier noch mancher Platz, wenn irgendein Gast und Zuschauer etwas der Nachwelt zu übergeben Belieben trüge."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":867,"orig":"Nach einer kleinen Pauſe ſah der Geſelle ſich um; aber wie es in ſolchen Faͤllen zu gehen pflegt, Niemand war vorbereitet, Jedermann uͤberraſcht, bis endlich ein junger munterer Officier anfing und ſagte: wenn ich etwas beytragen ſoll, das in dieſer Schatzkammer noch nicht niedergelegt iſt; ſo muß ich ein Paar Knoͤpfe von der Uniform ſchneiden, die doch wohl auch verdienen auf die Nachwelt zu kommen.","norm":"Nach einer kleinen Pause sah der Geselle sich um; aber wie es in solchen Fällen zu gehen pflegt, niemand war vorbereitet, jedermann überrascht, bis endlich ein junger munterer Offizier anfing und sagte: Wenn ich etwas beitragen soll, das in dieser Schatzkammer noch nicht niedergelegt ist; so muss ich ein paar Knöpfe von der Uniform schneiden, die doch wohl auch verdienen auf die Nachwelt zu kommen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":868,"orig":"Geſagt, gethan!","norm":"Gesagt, getan!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":869,"orig":"und nun hatte mancher einen aͤhnlichen Einfall.","norm":"und nun hatte mancher einen ähnlichen Einfall."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":870,"orig":"Die Frauenzimmer ſaͤumten nicht von ihren kleinen Haarkaͤmmen hineinzulegen;","norm":"Die Frauenzimmer säumten nicht von ihren kleinen Haarkämmen hineinzulegen;"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":871,"orig":"Riechflaͤſchchen und andre Zierden wurden nicht geſchont: nur Ottilie zauderte, bis Eduard ſie durch ein freundliches Wort aus der Betrachtung aller der beygeſteuerten und eingelegten Dinge herausriß.","norm":"Riechfläschchen und andere Zierden wurden nicht geschont: nur Ottilie zauderte, bis Eduard sie durch ein freundliches Wort aus der Betrachtung aller der beigesteuerten und eingelegten Dinge herausriss."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":872,"orig":"Sie loͤſte darauf die goldne Kette vom Halſe, an der das Bild ihres Vaters gehangen hatte, und legte ſie mit leiſer Hand uͤber die anderen Kleinode hin, worauf Eduard mit einiger Haſt veranſtaltete, daß der wohlgefugte Deckel ſogleich aufgeſtuͤrzt und eingekittet wurde.","norm":"Sie löste darauf die goldene Kette vom Halse, an der das Bild ihres Vaters gehangen hatte, und legte sie mit leiser Hand über die anderen Kleinode hin, worauf Eduard mit einiger Hast veranstaltete, dass der wohlgefugte Deckel sogleich aufgestürzt und eingekittet wurde."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":873,"orig":"Der junge Geſell, der ſich dabey am thaͤtigſten erwieſen, nahm ſeine Rednermiene wieder an und fuhr fort: wir gruͤnden dieſen Stein fuͤr ewig, zur Sicherung des laͤngſten Genuſſes der gegenwaͤrtigen und kuͤnftigen Beſitzer dieſes Hauſes.","norm":"Der junge Gesell, der sich dabei am tätigsten erwiesen, nahm seine Rednermiene wieder an und fuhr fort: Wir gründen diesen Stein für ewig, zur Sicherung des längsten Genusses der gegenwärtigen und künftigen Besitzer dieses Hauses."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":874,"orig":"Allein indem wir hier gleichſam einen Schatz vergraben, ſo denken wir zugleich, bey dem gruͤndlichſten aller Geſchaͤfte, an die Vergaͤnglichkeit der menſchlichen Dinge: wir denken uns eine Moͤglichkeit, daß dieſer feſtverſiegelte Deckel wieder aufgehoben werden koͤnne, welches nicht anders geſchehen duͤrfte, als wenn das alles wieder zerſtoͤrt waͤre, was wir noch nicht einmal aufgefuͤhrt haben.","norm":"Allein indem wir hier gleichsam einen Schatz vergraben, so denken wir zugleich, bei dem gründlichsten aller Geschäfte, an die Vergänglichkeit der menschlichen Dinge: Wir denken uns eine Möglichkeit, dass dieser festversiegelte Deckel wieder aufgehoben werden könne, welches nicht anders geschehen dürfte, als wenn das alles wieder zerstört wäre, was wir noch nicht einmal aufgeführt haben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":875,"orig":"Aber eben, damit dieſes aufgefuͤhrt werde, zuruͤck mit den Gedanken aus der Zukunft, zuruͤck ins Gegenwaͤrtige!","norm":"Aber eben, damit dieses aufgeführt werde, zurück mit den Gedanken aus der Zukunft, zurück ins Gegenwärtige!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":876,"orig":"Laßt uns, nach begangenem heutigen Feſte, unſre Arbeit ſogleich foͤrdern, damit keiner von den Gewerken, die auf unſerm Grunde fortarbeiten, zu feyern brauche, daß der Bau eilig in die Hoͤhe ſteige und vollendet werde, und aus den Fenſtern, die noch nicht ſind, der Hausherr mit den Seinigen und ſeinen Gaͤſten ſich froͤhlich in der Gegend umſchaue, deren aller ſo wie ſaͤmmtlicher Anweſenden Geſundheit hiermit getrunken ſey!","norm":"Lasst uns, nach begangenem heutigen Feste, unsere Arbeit sogleich fördern, damit keiner von den Gewerken, die auf unserem Grunde fortarbeiten, zu feiern brauche, dass der Bau eilig in die Höhe steige und vollendet werde, und aus den Fenstern, die noch nicht sind, der Hausherr mit den Seinigen und seinen Gästen sich fröhlich in der Gegend umschaue, deren aller so wie sämtlicher anwesenden Gesundheit hiermit getrunken sei!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":877,"orig":"Und ſo leerte er ein wohlgeſchliffenes Kelchglas auf Einen Zug aus und warf es in die Luft: denn es bezeichnet das Uebermaß einer Freude, das Gefaͤß zu zerſtoͤren, deſſen man ſich in der Froͤhlichkeit bedient.","norm":"Und so leerte er ein wohlgeschliffenes Kelchglas auf Einen Zug aus und warf es in die Luft: denn es bezeichnet das Übermaß einer Freude, das Gefäß zu zerstören, dessen man sich in der Fröhlichkeit bedient."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":878,"orig":"Aber dießmal ereignete es ſich anders: das Glas kam nicht wieder auf den Boden, und zwar ohne Wunder.","norm":"Aber diesmal ereignete es sich anders: Das Glas kam nicht wieder auf den Boden, und zwar ohne Wunder."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":879,"orig":"Man hatte naͤmlich, um mit dem Bau vorwaͤrts zu kommen, bereits an der entgegengeſetzten Ecke den Grund voͤllig herausgeſchlagen, ja ſchon angefangen die Mauern aufzufuͤhren, und zu dem Endzweck das Geruͤſt erbaut, ſo hoch als es uͤberhaupt noͤthig war.","norm":"Man hatte nämlich, um mit dem Bau vorwärtszukommen, bereits an der entgegengesetzten Ecke den Grund völlig herausgeschlagen, ja schon angefangen die Mauern aufzuführen, und zu dem Endzweck das Gerüst erbaut, so hoch als es überhaupt nötig war."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":880,"orig":"Daß man es beſonders zu dieſer Feyerlichkeit mit Brettern belegt und eine Menge Zuſchauer hinaufgelaſſen hatte, war zum Vortheil der Arbeitsleute geſchehen.","norm":"Dass man es besonders zu dieser Feierlichkeit mit Brettern belegt und eine Menge Zuschauer hinaufgelassen hatte, war zum Vorteil der Arbeitsleute geschehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":881,"orig":"Dort hinauf flog das Glas und wurde von Einem aufgefangen, der dieſen Zufall als ein gluͤckliches Zeichen fuͤr ſich anſah.","norm":"Dort hinauf flog das Glas und wurde von Einem aufgefangen, der diesen Zufall als ein glückliches Zeichen für sich ansah."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":882,"orig":"Er wieß es zuletzt herum, ohne es aus der Hand zu laſſen, und man ſah darauf die Buchſtaben E und O in ſehr zierlicher Verſchlingung eingeſchnitten: es war eins der Glaͤſer, die fuͤr Eduarden in ſeiner Jugend verfertigt worden.","norm":"Er wies es zuletzt herum, ohne es aus der Hand zu lassen, und man sah darauf die Buchstaben E und O in sehr zierlicher Verschlingung eingeschnitten: Es war eins der Gläser, die für Eduard in seiner Jugend verfertigt worden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":883,"orig":"Die Geruͤſte ſtanden wieder leer, und die leichteſten unter den Gaͤſten ſtiegen hinauf, ſich umzuſehen, und konnten die ſchoͤne Ausſicht nach allen Seiten nicht genugſam ruͤhmen: denn was entdeckt der nicht alles, der auf einem hohen Puncte nur um ein Geſchoß hoͤher ſteht.","norm":"Die Gerüste standen wieder leer, und die leichtesten unter den Gästen stiegen hinauf, sich umzusehen, und konnten die schöne Aussicht nach allen Seiten nicht genugsam rühmen: denn was entdeckt der nicht alles, der auf einem hohen Punkte nur um ein Geschoss höher steht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":884,"orig":"Nach dem Innern des Landes zu kamen mehrere neue Doͤrfer zum Vorſchein; den ſilbernen Streifen des Fluſſes erblickte man deutlich; ja ſelbſt die Thuͤrme der Hauptſtadt wollte Einer gewahr werden.","norm":"Nach dem Inneren des Landes zu kamen mehrere neue Dörfer zum Vorschein; den silbernen Streifen des Flusses erblickte man deutlich; ja selbst die Türme der Hauptstadt wollte Einer gewahr werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":885,"orig":"An der Ruͤckſeite, hinter den waldigen Huͤgeln, erhoben ſich die blauen Gipfel eines fernen Gebirges, und die naͤchſte Gegend uͤberſah man im Ganzen.","norm":"An der Rückseite, hinter den waldigen Hügeln, erhoben sich die blauen Gipfel eines fernen Gebirges, und die nächste Gegend übersah man im Ganzen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":886,"orig":"Nun ſollten nur noch, rief einer, die drey Teiche zu einem See vereinigt werden; dann haͤtte der Anblick alles was groß und wuͤnſchenswerth iſt.","norm":"Nun sollten nur noch, rief einer, die drei Teiche zu einem See vereinigt werden; dann hätte der Anblick alles was groß und wünschenswert ist."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":887,"orig":"Das ließe ſich wohl machen, ſagte der Hauptmann: denn ſie bildeten ſchon vor Zeiten einen Bergſee.","norm":"Das ließe sich wohl machen, sagte der Hauptmann: denn sie bildeten schon vorzeiten einen Bergsee."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":888,"orig":"Nur bitte ich meine Platanen- und Pappelgruppe zu ſchonen, ſagte Eduard, die ſo ſchoͤn am mittelſten Teich ſteht.","norm":"Nur bitte ich meine Platanen- und Pappelgruppe zu schonen, sagte Eduard, die so schön am mittelsten Teich steht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":889,"orig":"Sehen Sie — wandte er ſich zu Ottilien, die er einige Schritte vorfuͤhrte, indem er hinabwies — dieſe Baͤume habe ich ſelbſt gepflanzt.","norm":"Sehen Sie — wandte er sich zu Ottilie, die er einige Schritte vorführte, indem er hinabwies — diese Bäume habe ich selbst gepflanzt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":890,"orig":"Wie lange ſtehen ſie wohl ſchon?","norm":"Wie lange stehen sie wohl schon?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":891,"orig":"fragte Ottilie.","norm":"fragte Ottilie."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":892,"orig":"Etwa ſo lange, verſetzte Eduard, als Sie auf der Welt ſind.","norm":"Etwa so lange, versetzte Eduard, als Sie auf der Welt sind."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":893,"orig":"Ja, liebes Kind, ich pflanzte ſchon, da Sie noch in der Wiege lagen.","norm":"Ja, liebes Kind, ich pflanzte schon, da Sie noch in der Wiege lagen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":894,"orig":"Die Geſellſchaft begab ſich wieder in das Schloß zuruͤck.","norm":"Die Gesellschaft begab sich wieder in das Schloss zurück."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":895,"orig":"Nach aufgehobener Tafel wurde ſie zu einem Spazirgang durch das Dorf eingeladen, um auch hier die neuen Anſtalten in Augenſchein zu nehmen.","norm":"Nach aufgehobener Tafel wurde sie zu einem Spaziergang durch das Dorf eingeladen, um auch hier die neuen Anstalten in Augenschein zu nehmen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":896,"orig":"Dort hatten ſich, auf des Hauptmanns Veranlaſſung, die Bewohner vor ihren Haͤuſern verſammelt; ſie ſtanden nicht in Reihen, ſondern Familienweiſe natuͤrlich gruppirt, theils wie es der Abend forderte beſchaͤftigt, theils auf neuen Baͤnken ausruhend.","norm":"Dort hatten sich, auf des Hauptmanns Veranlassung, die Bewohner vor ihren Häusern versammelt; sie standen nicht in Reihen, sondern Familienweise natürlich gruppiert, teils wie es der Abend forderte beschäftigt, teils auf neuen Bänken ausruhend."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":897,"orig":"Es ward ihnen zur angenehmen Pflicht gemacht, wenigſtens jeden Sonntag und Feſttag, dieſe Reinlichkeit, dieſe Ordnung zu erneuen.","norm":"Es wurde ihnen zur angenehmen Pflicht gemacht, wenigstens jeden Sonntag und Festtag, diese Reinlichkeit, diese Ordnung zu erneuern."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":898,"orig":"Eine innre Geſelligkeit mit Neigung, wie ſie ſich unter unſeren Freunden erzeugt hatte, wird durch eine groͤßere Geſellſchaft immer nur unangenehm unterbrochen.","norm":"Eine innere Geselligkeit mit Neigung, wie sie sich unter unseren Freunden erzeugt hatte, wird durch eine größere Gesellschaft immer nur unangenehm unterbrochen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":899,"orig":"Alle viere waren zufrieden ſich wieder im großen Saale allein zu finden; doch ward dieſes haͤusliche Gefuͤhl einigermaßen geſtoͤrt, indem ein Brief, der Eduarden uͤberreicht wurde, neue Gaͤſte auf morgen ankuͤndigte.","norm":"Alle viere waren zufrieden sich wieder im großen Saale allein zu finden; doch wurde dieses häusliche Gefühl einigermaßen gestört, indem ein Brief, der Eduard überreicht wurde, neue Gäste auf morgen ankündigte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":900,"orig":"Wie wir vermutheten, rief Eduard Charlotten zu: der Graf wird nicht ausbleiben, er kommt morgen.","norm":"Wie wir vermuteten, rief Eduard Charlotten zu: Der Graf wird nicht ausbleiben, er kommt morgen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":901,"orig":"Da iſt alſo auch die Baroneſſe nicht weit, verſetzte Charlotte.","norm":"Da ist also auch die Baronesse nicht weit, versetzte Charlotte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":902,"orig":"Gewiß nicht!","norm":"Gewiss nicht!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":903,"orig":"antwortete Eduard: ſie wird auch morgen von ihrer Seite anlangen.","norm":"antwortete Eduard: Sie wird auch morgen von ihrer Seite anlangen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":904,"orig":"Sie bitten um ein Nachtquartier und wollen uͤbermorgen zuſammen wieder fortreiſen.","norm":"Sie bitten um ein Nachtquartier und wollen übermorgen zusammen wieder fortreisen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":905,"orig":"Da muͤſſen wir unſre Anſtalten bey Zeiten machen, Ottilie!","norm":"Da müssen wir unsere Anstalten beizeiten machen, Ottilie!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":906,"orig":"ſagte Charlotte.","norm":"sagte Charlotte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":907,"orig":"Wie befehlen Sie die Einrichtung?","norm":"Wie befehlen Sie die Einrichtung?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":908,"orig":"fragte Ottilie.","norm":"fragte Ottilie."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":909,"orig":"Charlotte gab es im Allgemeinen an, und Ottilie entfernte ſich.","norm":"Charlotte gab es im Allgemeinen an, und Ottilie entfernte sich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":910,"orig":"Der Hauptmann erkundigte ſich nach dem Verhaͤltniß dieſer beyden Perſonen, das er nur im Allgemeinſten kannte.","norm":"Der Hauptmann erkundigte sich nach dem Verhältnis dieser beiden Personen, das er nur im Allgemeinsten kannte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":911,"orig":"Sie hatten fruͤher, beyde ſchon anderwaͤrts verheiratet, ſich leidenſchaftlich liebgewonnen.","norm":"Sie hatten früher, beide schon anderwärts verheiratet, sich leidenschaftlich liebgewonnen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":912,"orig":"Eine doppelte Ehe war nicht ohne Aufſehn geſtoͤrt; man dachte an Scheidung.","norm":"Eine doppelte Ehe war nicht ohne Aufsehen gestört; man dachte an Scheidung."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":913,"orig":"Bey der Baroneſſe war ſie moͤglich geworden, bey dem Grafen nicht.","norm":"Bei der Baronesse war sie möglich geworden, bei dem Grafen nicht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":914,"orig":"Sie mußten ſich zum Scheine trennen, allein ihr Verhaͤltniß blieb; und wenn ſie Winters in der Reſidenz nicht zuſammenſeyn konnten, ſo entſchaͤdigten ſie ſich Sommers auf Luſtreiſen und in Baͤdern.","norm":"Sie mussten sich zum Scheine trennen, allein ihr Verhältnis blieb; und wenn sie Winters in der Residenz nicht zusammen sein konnten, so entschädigten sie sich Sommers auf Lustreisen und in Bädern."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":915,"orig":"Sie waren beyde um etwas aͤlter als Eduard und Charlotte und ſaͤmmtlich genaue Freunde aus fruͤher Hofzeit her.","norm":"Sie waren beide um etwas älter als Eduard und Charlotte und sämtlich genaue Freunde aus früher Hofzeit her."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":916,"orig":"Man hatte immer ein gutes Verhaͤltniß erhalten, ob man gleich nicht alles an ſeinen Freunden billigte.","norm":"Man hatte immer ein gutes Verhältnis erhalten, ob man gleich nicht alles an seinen Freunden billigte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":917,"orig":"Nur dießmal war Charlotten ihre Ankunft gewiſſermaßen ganz ungelegen, und wenn ſie die Urſache genau unterſucht haͤtte, es war eigentlich um Ottiliens willen.","norm":"Nur diesmal war Charlotten ihre Ankunft gewissermaßen ganz ungelegen, und wenn sie die Ursache genau untersucht hätte, es war eigentlich um Ottilies Willen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":918,"orig":"Das gute reine Kind ſollte ein ſolches Beyſpiel ſo fruͤh nicht gewahr werden.","norm":"Das gute reine Kind sollte ein solches Beispiel so früh nicht gewahr werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":919,"orig":"Sie haͤtten wohl noch ein paar Tage wegbleiben koͤnnen, ſagte Eduard als eben Ottilie wieder hereintrat, bis wir den Vorwerksverkauf in Ordnung gebracht.","norm":"Sie hätten wohl noch ein paar Tage wegbleiben können, sagte Eduard als eben Ottilie wieder hereintrat, bis wir den Vorwerksverkauf in Ordnung gebracht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":920,"orig":"Der Aufſatz iſt fertig; die eine Abſchrift habe ich hier, nun fehlt es aber an der zweyten und unſer alter Canzelliſt iſt recht krank.","norm":"Der Aufsatz ist fertig; die eine Abschrift habe ich hier, nun fehlt es aber an der zweiten und unser alter Kanzellist ist recht krank."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":921,"orig":"Der Hauptmann bot ſich an, auch Charlotte; dagegen waren einige Einwendungen zu machen.","norm":"Der Hauptmann bot sich an, auch Charlotte; dagegen waren einige Einwendungen zu machen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":922,"orig":"Geben Sie mir's nur!","norm":"Geben Sie mir es nur!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":923,"orig":"rief Ottilie, mit einiger Haſt.","norm":"rief Ottilie, mit einiger Hast."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":924,"orig":"Du wirſt nicht damit fertig, ſagte Charlotte.","norm":"Du wirst nicht damit fertig, sagte Charlotte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":925,"orig":"Freylich muͤßte ich es uͤbermorgen fruͤh haben und es iſt viel, ſagte Eduard.","norm":"Freilich müsste ich es übermorgen früh haben und es ist viel, sagte Eduard."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":926,"orig":"Es ſoll fertig ſeyn, rief Ottilie, und hatte das Blatt ſchon in Haͤnden.","norm":"Es soll fertig sein, rief Ottilie, und hatte das Blatt schon in Händen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":927,"orig":"Des andern Morgens, als ſie ſich aus dem obern Stock nach den Gaͤſten umſahen, denen ſie entgegen zu gehen nicht verfehlen wollten, ſagte Eduard: wer reitet denn ſo langſam dort die Straße her?","norm":"Des anderen Morgens, als sie sich aus dem oberen Stock nach den Gästen umsahen, denen sie entgegenzugehen nicht verfehlen wollten, sagte Eduard: Wer reitet denn so langsam dort die Straße her?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":928,"orig":"Der Hauptmann beſchrieb die Figur des Reiters genauer.","norm":"Der Hauptmann beschrieb die Figur des Reiters genauer."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":929,"orig":"So iſt er's doch, ſagte Eduard: denn das Einzelne, das du beſſer ſiehſt als ich, paßt ſehr gut zu dem Ganzen, das ich recht wohl ſehe.","norm":"So ist er es doch, sagte Eduard: denn das Einzelne, das du besser siehst als ich, passt sehr gut zu dem Ganzen, das ich recht wohl sehe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":930,"orig":"Es iſt Mittler.","norm":"Es ist Mittler."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":931,"orig":"Wie kommt er aber dazu, langſam und ſo langſam zu reiten?","norm":"Wie kommt er aber dazu, langsam und so langsam zu reiten?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":932,"orig":"Die Figur kam naͤher und Mittler war es wirklich.","norm":"Die Figur kam näher und Mittler war es wirklich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":933,"orig":"Man empfing ihn freundlich, als er langſam die Treppe heraufſtieg.","norm":"Man empfing ihn freundlich, als er langsam die Treppe heraufstieg."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":934,"orig":"Warum ſind Sie nicht geſtern gekommen?","norm":"Warum sind Sie nicht gestern gekommen?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":935,"orig":"rief ihm Eduard entgegen.","norm":"rief ihm Eduard entgegen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":936,"orig":"Laute Feſte lieb' ich nicht, verſetzte jener.","norm":"Laute Feste liebe ich nicht, versetzte jener."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":937,"orig":"Heute komm' ich aber den Geburtstag meiner Freundinn mit Euch im Stillen nachzufeyern.","norm":"Heute komme ich aber den Geburtstag meiner Freundin mit Euch im Stillen nachzufeiern."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":938,"orig":"Wie koͤnnen Sie denn ſo viel Zeit gewinnen?","norm":"Wie können Sie denn soviel Zeit gewinnen?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":939,"orig":"fragte Eduard ſcherzend.","norm":"fragte Eduard scherzend."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":940,"orig":"Meinen Beſuch, wenn er Euch etwas werth iſt, ſeyd Ihr einer Betrachtung ſchuldig, die ich geſtern gemacht habe.","norm":"Meinen Besuche, wenn er Euch etwas wert ist, seid Ihr einer Betrachtung schuldig, die ich gestern gemacht habe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":941,"orig":"Ich freute mich recht herzlich den halben Tag in einem Hauſe wo ich Frieden geſtiftet hatte, und dann hoͤrte ich, daß hier Geburtstag gefeyert werde.","norm":"Ich freute mich recht herzlich den halben Tag in einem Hause wo ich Frieden gestiftet hatte, und dann hörte ich, dass hier Geburtstag gefeiert werde."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":942,"orig":"Das kann man doch am Ende ſelbſtiſch nennen, dachte ich bey mir, daß du dich nur mit denen freuen willſt die du zum Frieden bewogen haſt.","norm":"Das kann man doch am Ende selbstisch nennen, dachte ich bei mir, dass du dich nur mit denen freuen willst die du zum Frieden bewogen hast."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":943,"orig":"Warum freuſt du dich nicht auch einmal mit Freunden die Frieden halten und hegen?","norm":"Warum freust du dich nicht auch einmal mit Freunden die Frieden halten und hegen?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":944,"orig":"Geſagt, gethan!","norm":"Gesagt, getan!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":945,"orig":"Hier bin ich, wie ich mir vorgenommen hatte.","norm":"Hier bin ich, wie ich mir vorgenommen hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":946,"orig":"Geſtern haͤtten Sie große Geſellſchaft gefunden, heute finden Sie nur kleine, ſagte Charlotte.","norm":"Gestern hätten Sie große Gesellschaft gefunden, heute finden Sie nur kleine, sagte Charlotte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":947,"orig":"Sie finden den Grafen und die Baroneſſe, die Ihnen auch ſchon zu ſchaffen gemacht haben.","norm":"Sie finden den Grafen und die Baronesse, die Ihnen auch schon zu schaffen gemacht haben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":948,"orig":"Aus der Mitte der vier Hausgenoſſen, die den ſeltſamen willkommenen Mann umgeben hatten, fuhr er mit verdrießlicher Lebhaftigkeit heraus, indem er ſogleich nach Hut und Reitgerte ſuchte.","norm":"Aus der Mitte der vier Hausgenossen, die den seltsamen willkommenen Mann umgeben hatten, fuhr er mit verdrießlicher Lebhaftigkeit heraus, indem er sogleich nach Hut und Reitgerte suchte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":949,"orig":"Schwebt doch immer ein Unſtern uͤber mir, ſobald ich einmal ruhen und mir wohlthun will!","norm":"Schwebt doch immer ein Unstern über mir, sobald ich einmal ruhen und mir wohltun will!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":950,"orig":"Aber warum gehe ich auch aus meinem Character heraus!","norm":"Aber warum gehe ich auch aus meinem Charakter heraus!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":951,"orig":"Ich haͤtte nicht kommen ſollen, und nun werd' ich vertrieben.","norm":"Ich hätte nicht kommen sollen, und nun werde ich vertrieben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":952,"orig":"Denn mit Jenen will ich nicht unter Einem Dache bleiben; und nehmt Euch in Acht: ſie bringen nichts als Unheil!","norm":"Denn mit Jenen will ich nicht unter einem Dache bleiben; und nehmt Euch in Acht: sie bringen nichts als Unheil!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":953,"orig":"Ihr Weſen iſt wie ein Sauerteig, der ſeine Anſteckung fortpflanzt.","norm":"Ihr Wesen ist wie ein Sauerteig, der seine Ansteckung fortpflanzt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":954,"orig":"Man ſuchte ihn zu beguͤtigen; aber vergebens.","norm":"Man suchte ihn zu begütigen; aber vergebens."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":955,"orig":"Wer mir den Ehſtand angreift, rief er aus, wer mir durch Wort, ja durch That, dieſen Grund aller ſittlichen Geſellſchaft untergraͤbt, der hat es mit mir zu thun; oder wenn ich ihn nicht Herr werden kann, habe ich nichts mit ihm zu thun.","norm":"Wer mir den Ehestand angreift, rief er aus, wer mir durch Wort, ja durch Tat, diesen Grund aller sittlichen Gesellschaft untergräbt, der hat es mit mir zu tun; oder wenn ich ihn nicht Herr werden kann, habe ich nichts mit ihm zu tun."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":956,"orig":"Die Ehe iſt der Anfang und der Gipfel aller Cultur.","norm":"Die Ehe ist der Anfang und der Gipfel aller Kultur."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":957,"orig":"Sie macht den Rohen mild, und der Gebildetſte hat keine beßre Gelegenheit ſeine Milde zu beweiſen.","norm":"Sie macht den Rohen mild, und der Gebildetste hat keine bessere Gelegenheit seine Milde zu beweisen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":958,"orig":"Unaufloͤslich muß ſie ſeyn: denn ſie bringt ſo vieles Gluͤck, daß alles einzelne Ungluͤck dagegen gar nicht zu rechnen iſt.","norm":"Unauflöslich muss sie sein: denn sie bringt so vieles Glück, dass alles einzelne Unglück dagegen gar nicht zu rechnen ist."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":959,"orig":"Und was will man von Ungluͤck reden?","norm":"Und was will man von Unglück reden?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":960,"orig":"Ungeduld iſt es, die den Menſchen von Zeit zu Zeit anfaͤllt, und dann beliebt er ſich ungluͤcklich zu finden.","norm":"Ungeduld ist es, die den Menschen von Zeit zu Zeit anfällt, und dann beliebt er sich unglücklich zu finden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":961,"orig":"Laſſe man den Augenblick voruͤbergehen, und man wird ſich gluͤcklich preiſen, daß ein ſo lange Beſtandenes noch beſteht.","norm":"Lasse man den Augenblick vorübergehen, und man wird sich glücklich preisen, dass ein so lange bestandenes noch besteht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":962,"orig":"Sich zu trennen giebt's gar keinen hinlaͤnglichen Grund.","norm":"Sich zu trennen gibt es gar keinen hinlänglichen Grund."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":963,"orig":"Der menſchliche Zuſtand iſt ſo hoch in Leiden und Freuden geſetzt, daß gar nicht berechnet werden kann, was ein Paar Gatten einander ſchuldig werden.","norm":"Der menschliche Zustand ist so hoch in Leiden und Freuden gesetzt, dass gar nicht berechnet werden kann, was ein Paar Gatten einander schuldig werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":964,"orig":"Es iſt eine unendliche Schuld, die nur durch die Ewigkeit abgetragen werden kann.","norm":"Es ist eine unendliche Schuld, die nur durch die Ewigkeit abgetragen werden kann."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":965,"orig":"Unbequem mag es manchmal ſeyn, das glaub' ich wohl, und das iſt eben Recht.","norm":"Unbequem mag es manchmal sein, das glaube ich wohl, und das ist eben Recht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":966,"orig":"Sind wir nicht auch mit dem Gewiſſen verheiratet?","norm":"Sind wir nicht auch mit dem Gewissen verheiratet?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":967,"orig":"das wir oft gerne los ſeyn moͤchten, weil es unbequemer iſt als uns je ein Mann oder eine Frau werden koͤnnte.","norm":"das wir oft gerne los sein möchten, weil es unbequemer ist als uns je ein Mann oder eine Frau werden könnte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":968,"orig":"So ſprach er lebhaft und haͤtte wohl noch lange fortgeſprochen, wenn nicht blaſende Poſtillions die Ankunft der Herrſchaften verkuͤndigt haͤtten, welche wie abgemeſſen von beyden Seiten zu gleicher Zeit in den Schloßhof hereinfuhren.","norm":"So sprach er lebhaft und hätte wohl noch lange fortgesprochen, wenn nicht blasende Postillons die Ankunft der Herrschaften verkündigt hätten, welche wie abgemessen von beiden Seiten zu gleicher Zeit in den Schlosshof hereinfuhren."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":969,"orig":"Als ihnen die Hausgenoſſen entgegen eilten, verſteckte ſich Mittler, ließ ſich das Pferd an den Gaſthof bringen, und ritt verdrießlich davon.","norm":"Als ihnen die Hausgenossen entgegeneilten, versteckte sich Mittler, ließ sich das Pferd an den Gasthof bringen, und ritt verdrießlich davon."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":970,"orig":"Die Gaͤſte waren bewillkommt und eingefuͤhrt; ſie freuten ſich das Haus, die Zimmer wieder zu betreten, wo ſie fruͤher ſo manchen guten Tag erlebt und die ſie eine lange Zeit nicht geſehn hatten.","norm":"Die Gäste waren bewillkommt und eingeführt; sie freuten sich das Haus, die Zimmer wieder zu betreten, wo sie früher so manchen guten Tag erlebt und die sie eine lange Zeit nicht gesehen hatten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":971,"orig":"Hoͤchſt angenehm war auch den Freunden ihre Gegenwart.","norm":"Höchst angenehm war auch den Freunden ihre Gegenwart."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":972,"orig":"Den Grafen ſo wie die Baroneſſe konnte man unter jene hohen ſchoͤnen Geſtalten zaͤhlen, die man in einem mittlern Alter faſt lieber als in der Jugend ſieht: denn wenn ihnen auch etwas von der erſten Bluͤthe abgehn moͤchte, ſo erregen ſie doch nun mit der Neigung ein entſchiedenes Zutrauen.","norm":"Den Grafen sowie die Baronesse konnte man unter jene hohen schönen Gestalten zählen, die man in einem mittleren Alter fast lieber als in der Jugend sieht: denn wenn ihnen auch etwas von der ersten Blüte abgehen möchte, so erregen sie doch nun mit der Neigung ein entschiedenes Zutrauen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":973,"orig":"Auch dieſes Paar zeigte ſich hoͤchſt bequem in der Gegenwart.","norm":"Auch dieses Paar zeigte sich höchst bequem in der Gegenwart."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":974,"orig":"Ihre freye Weiſe die Zuſtaͤnde des Lebens zu nehmen und zu behandlen, ihre Heiterkeit und ſcheinbare Unbefangenheit theilte ſich ſogleich mit, und ein hoher Anſtand begraͤnzte das Ganze, ohne daß man irgend einen Zwang bemerkt haͤtte.","norm":"Ihre freie Weise die Zustände des Lebens zu nehmen und zu behandeln, ihre Heiterkeit und scheinbare Unbefangenheit teilte sich sogleich mit, und ein hoher Anstand begrenzte das Ganze, ohne dass man irgendeinen Zwang bemerkt hätte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":975,"orig":"Dieſe Wirkung ließ ſich augenblicks in der Geſellſchaft empfinden.","norm":"Diese Wirkung ließ sich augenblicks in der Gesellschaft empfinden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":976,"orig":"Die Neueintretenden, welche unmittelbar aus der Welt kamen, wie man ſogar an ihren Kleidern, Geraͤthſchaften und allen Umgebungen ſehen konnte, machten gewiſſermaßen mit unſern Freunden, ihrem laͤndlichen und heimlich leidenſchaftlichen Zuſtande, eine Art von Gegenſatz, der ſich jedoch ſehr bald verlor, indem alte Erinnerungen und gegenwaͤrtige Theilnahme ſich vermiſchten, und ein ſchnelles lebhaftes Geſpraͤch alle geſchwind zuſammenverband.","norm":"Die Neueintretenden, welche unmittelbar aus der Welt kamen, wie man sogar an ihren Kleidern, Gerätschaften und allen Umgebungen sehen konnte, machten gewissermaßen mit unseren Freunden, ihrem ländlichen und heimlich leidenschaftlichen Zustande, eine Art von Gegensatz, der sich jedoch sehr bald verlor, indem alte Erinnerungen und gegenwärtige Teilnahme sich vermischten, und ein schnelles lebhaftes Gespräch alle geschwind zusammenverband."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":977,"orig":"Es waͤhrte indeſſen nicht lange, als ſchon eine Sonderung vorging.","norm":"Es währte indessen nicht lange, als schon eine Sonderung vorging."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":978,"orig":"Die Frauen zogen ſich auf ihren Fluͤgel zuruͤck und fanden daſelbſt, indem ſie ſich mancherley vertrauten und zugleich die neuſten Formen und Zuſchnitte von Fruͤhkleidern, Huͤten und dergleichen zu muſtern anfingen, genugſame Unterhaltung; waͤhrend die Maͤnner ſich um die neuen Reiſewaͤgen, mit vorgefuͤhrten Pferden, beſchaͤftigten und gleich zu handeln und zu tauſchen anfingen.","norm":"Die Frauen zogen sich auf ihren Flügel zurück und fanden daselbst, indem sie sich mancherlei vertrauten und zugleich die neuesten Formen und Zuschnitte von Frühkleidern, Hüten und dergleichen zu mustern anfingen, genugsame Unterhaltung; während die Männer sich um die neuen Reisewagen, mit vorgeführten Pferden, beschäftigten und gleich zu handeln und zu tauschen anfingen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":979,"orig":"Erſt zu Tiſche kam man wieder zuſammen.","norm":"Erst zu Tische kam man wieder zusammen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":980,"orig":"Die Umkleidung war geſchehen und auch hier zeigte ſich das angekommene Paar zu ſeinem Vortheile.","norm":"Die Umkleidung war geschehen und auch hier zeigte sich das angekommene Paar zu seinem Vorteile."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":981,"orig":"Alles was ſie an ſich trugen war neu und gleichſam ungeſehen und doch ſchon durch den Gebrauch zur Gewohnheit und Bequemlichkeit eingeweiht.","norm":"Alles was sie an sich trugen war neu und gleichsam ungesehen und doch schon durch den Gebrauch zur Gewohnheit und Bequemlichkeit eingeweiht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":982,"orig":"Das Geſpraͤch war lebhaft und abwechſelnd, wie denn in Gegenwart ſolcher Perſonen alles und nichts zu intereſſiren ſcheint.","norm":"Das Gespräch war lebhaft und abwechselnd, wie denn in Gegenwart solcher Personen alles und nichts zu interessieren scheint."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":983,"orig":"Man bediente ſich der franzoͤſiſchen Sprache, um die Aufwartenden von dem Mitverſtaͤndniß auszuſchließen, und ſchweifte mit muthwilligem Behagen uͤber hohe und mittlere Weltverhaͤltniſſe hin.","norm":"Man bediente sich der französischen Sprache, um die Aufwartenden von dem Mitverständnis auszuschließen, und schweifte mit mutwilligem Behagen über hohe und mittlere Weltverhältnisse hin."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":984,"orig":"Auf einem einzigen Punct blieb die Unterhaltung laͤnger als billig haften, indem Charlotte nach einer Jugendfreundinn ſich erkundigte und mit einiger Befremdung vernahm, daß ſie ehſtens geſchieden werden ſollte.","norm":"Auf einem einzigen Punkt blieb die Unterhaltung länger als billig haften, indem Charlotte nach einer Jugendfreundin sich erkundigte und mit einiger Befremdung vernahm, dass sie ehestens geschieden werden sollte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":985,"orig":"Es iſt unerfreulich, ſagte Charlotte, wenn man ſeine abweſenden Freunde irgend einmal geborgen, eine Freundinn, die man liebt, verſorgt glaubt; eh' man ſich's verſieht, muß man wieder hoͤren, daß ihr Schickſal im Schwanken iſt und daß ſie erſt wieder neue und vielleicht abermals unſichre Pfade des Lebens betreten ſoll.","norm":"Es ist unerfreulich, sagte Charlotte, wenn man seine abwesenden Freunde irgendeinmal geborgen, eine Freundin, die man liebt, versorgt glaubt; ehe man sich es versieht, muss man wieder hören, dass ihr Schicksal im Schwanken ist und dass sie erst wieder neue und vielleicht abermals unsichere Pfade des Lebens betreten soll."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":986,"orig":"Eigentlich, meine Beſte, verſetzte der Graf, ſind wir ſelbſt Schuld, wenn wir auf ſolche Weiſe uͤberraſcht werden.","norm":"Eigentlich, meine Beste, versetzte der Graf, sind wir selbst schuld, wenn wir auf solche Weise überrascht werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":987,"orig":"Wir moͤgen uns die irdiſchen Dinge, und beſonders auch die ehlichen Verbindungen gern ſo recht dauerhaft vorſtellen, und was den letzten Punct betrifft, ſo verfuͤhren uns die Luſtſpiele, die wir immer wiederhohlen ſehen, zu ſolchen Einbildungen, die mit dem Gange der Welt nicht zuſammentreffen.","norm":"Wir mögen uns die irdischen Dinge, und besonders auch die ehelichen Verbindungen gern so recht dauerhaft vorstellen, und was den letzten Punkt betrifft, so verführen uns die Lustspiele, die wir immer wiederholen sehen, zu solchen Einbildungen, die mit dem Gange der Welt nicht zusammentreffen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":988,"orig":"In der Comoͤdie ſehen wir eine Heirat als das letzte Ziel eines durch die Hinderniſſe mehrerer Acte verſchobenen Wunſches, und im Augenblick, da es erreicht iſt, faͤllt der Vorhang und die momentane Befriedigung klingt bey uns nach.","norm":"In der Komödie sehen wir eine Heirat als das letzte Ziel eines durch die Hindernisse mehrerer Akte verschobenen Wunsches, und im Augenblick, da es erreicht ist, fällt der Vorhang und die momentane Befriedigung klingt bei uns nach."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":989,"orig":"In der Welt iſt es anders; da wird hinten immer fort geſpielt, und wenn der Vorhang wieder aufgeht, mag man gern nichts weiter davon ſehen noch hoͤren.","norm":"In der Welt ist es anders; da wird hinten immer fortgespielt, und wenn der Vorhang wieder aufgeht, mag man gern nichts weiter davon sehen noch hören."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":990,"orig":"Es muß doch ſo ſchlimm nicht ſeyn, ſagte Charlotte laͤchelnd, da man ſieht, daß auch Perſonen die von dieſem Theater abgetreten ſind, wohl gern darauf wieder eine Rolle ſpielen moͤgen.","norm":"Es muss doch so schlimm nicht sein, sagte Charlotte lächelnd, da man sieht, dass auch Personen die von diesem Theater abgetreten sind, wohl gern darauf wieder eine Rolle spielen mögen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":991,"orig":"Dagegen iſt nichts einzuwenden, ſagte der Graf.","norm":"Dagegen ist nichts einzuwenden, sagte der Graf."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":992,"orig":"Eine neue Rolle mag man gern wieder uͤbernehmen, und wenn man die Welt kennt, ſo ſieht man wohl, auch bey dem Eheſtande iſt es nur dieſe entſchiedene ewige Dauer zwiſchen ſo viel Beweglichem in der Welt, die etwas Ungeſchicktes an ſich traͤgt.","norm":"Eine neue Rolle mag man gern wieder übernehmen, und wenn man die Welt kennt, so sieht man wohl, auch bei dem Ehestande ist es nur diese entschiedene ewige Dauer zwischen soviel beweglichem in der Welt, die etwas Ungeschicktes an sich trägt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":993,"orig":"Einer von meinen Freunden, deſſen gute Laune ſich meiſt in Vorſchlaͤgen zu neuen Geſetzen hervorthat, behauptete: eine jede Ehe ſolle nur auf fuͤnf Jahren geſchloſſen werden.","norm":"Einer von meinen Freunden, dessen gute Laune sich meist in Vorschlägen zu neuen Gesetzen hervortat, behauptete: Eine jede Ehe solle nur auf fünf Jahren geschlossen werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":994,"orig":"Es ſey, ſagte er, dieß eine ſchoͤne ungrade heilige Zahl und ein ſolcher Zeitraum eben hinreichend um ſich kennen zu lernen, einige Kinder heran zu bringen, ſich zu entzweyen und, was das ſchoͤnſte ſey, ſich wieder zu verſoͤhnen.","norm":"Es sei, sagte er, dies eine schöne ungerade heilige Zahl und ein solcher Zeitraum eben hinreichend um sich kennenzulernen, einige Kinder heranzubringen, sich zu entzweien und, was das Schönste sei, sich wieder zu versöhnen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":995,"orig":"Gewoͤhnlich rief er aus: wie gluͤcklich wuͤrde die erſte Zeit verſtreichen!","norm":"Gewöhnlich rief er aus: Wie glücklich würde die erste Zeit verstreichen!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":996,"orig":"Zwey, drey Jahre wenigſtens gingen vergnuͤglich hin.","norm":"Zwei, drei Jahre wenigstens gingen vergnüglich hin."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":997,"orig":"Dann wuͤrde doch wohl dem einen Theil daran gelegen ſeyn, das Verhaͤltniß laͤnger dauern zu ſehen, die Gefaͤlligkeit wuͤrde wachſen, jemehr man ſich dem Termin der Aufkuͤndigung naͤherte.","norm":"Dann würde doch wohl dem einen Teil daran gelegen sein, das Verhältnis länger dauern zu sehen, die Gefälligkeit würde wachsen, je mehr man sich dem Termin der Aufkündigung näherte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":998,"orig":"Der gleichguͤltige, ja ſelbſt der unzufriedene Theil wuͤrde durch ein ſolches Betragen beguͤtigt und eingenommen.","norm":"Der gleichgültige, ja selbst der unzufriedene Teil würde durch ein solches Betragen begütigt und eingenommen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":999,"orig":"Man vergaͤße, wie man in guter Geſellſchaft die Stunden vergißt, daß die Zeit verfließe, und faͤnde ſich aufs angenehmſte uͤberraſcht, wenn man nach verlaufnem Termin erſt bemerkte, daß er ſchon ſtillſchweigend verlaͤngert ſey.","norm":"Man vergäße, wie man in guter Gesellschaft die Stunden vergisst, dass die Zeit verfließe, und fände sich aufs angenehmste überrascht, wenn man nach verlaufenem Termin erst bemerkte, dass er schon stillschweigend verlängert sei."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1000,"orig":"So artig und luſtig dieß klang und ſo gut man, wie Charlotte wohl empfand, dieſem Scherz eine tiefe moraliſche Deutung geben konnte, ſo waren ihr dergleichen Aeußerungen, beſonders um Ottiliens willen, nicht angenehm.","norm":"So artig und lustig dies klang und so gut man, wie Charlotte wohl empfand, diesem Scherz eine tiefe moralische Deutung geben konnte, so waren ihr dergleichen Äußerungen, besonders um Ottilies Willen, nicht angenehm."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1001,"orig":"Sie wußte recht gut, daß nichts gefaͤhrlicher ſey, als ein allzufreyes Geſpraͤch, das einen ſtrafbaren oder halbſtrafbaren Zuſtand als einen gewoͤhnlichen, gemeinen, ja loͤblichen behandelt; und dahin gehoͤrt doch gewiß alles was die eheliche Verbindung antaſtet.","norm":"Sie wusste recht gut, dass nichts gefährlicher sei, als ein allzu freies Gespräch, das einen strafbaren oder halbstrafbaren Zustand als einen gewöhnlichen, gemeinen, ja löblichen behandelt; und dahin gehört doch gewiss alles was die eheliche Verbindung antastet."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1002,"orig":"Sie ſuchte daher nach ihrer gewandten Weiſe das Geſpraͤch abzulenken; da ſie es nicht vermochte, that es ihr leid, daß Ottilie alles ſo gut eingerichtet hatte um nicht aufſtehen zu duͤrfen.","norm":"Sie suchte daher nach ihrer gewandten Weise das Gespräch abzulenken; da sie es nicht vermochte, tat es ihr Leid, dass Ottilie alles so gut eingerichtet hatte um nicht aufstehen zu dürfen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1003,"orig":"Das ruhig aufmerkſame Kind verſtand ſich mit dem Haushofmeiſter durch Blick und Wink, daß alles auf das trefflichſte gerieth, obgleich ein paar neue ungeſchickte Bedienten in der Livree ſtaken.","norm":"Das ruhig aufmerksame Kind verstand sich mit dem Haushofmeister durch Blick und Wink, dass alles auf das trefflichste geriet, obgleich ein paar neue ungeschickte bedienten in der Livree staken."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1004,"orig":"Und ſo fuhr der Graf, Charlottens Ablenken nicht empfindend, uͤber dieſen Gegenſtand ſich zu aͤußern fort.","norm":"Und so fuhr der Graf, Charlottes Ablenken nicht empfindend, über diesen Gegenstand sich zu äußeren fort."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1005,"orig":"Ihm, der ſonſt nicht gewohnt war im Geſpraͤch irgend laͤſtig zu ſeyn, laſtete dieſe Sache zu ſehr auf dem Herzen, und die Schwierigkeiten, ſich von ſeiner Gemahlinn getrennt zu ſehen, machten ihn bitter gegen alles was eheliche Verbindung betraf, die er doch ſelbſt mit der Baroneſſe ſo eifrig wuͤnſchte.","norm":"Ihm, der sonst nicht gewohnt war im Gespräch irgend lästig zu sein, lastete diese Sache zu sehr auf dem Herzen, und die Schwierigkeiten, sich von seiner Gemahlin getrennt zu sehen, machten ihn bitter gegen alles was eheliche Verbindung betraf, die er doch selbst mit der Baronesse so eifrig wünschte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1006,"orig":"Jener Freund, ſo fuhr er fort, that noch einen andern Geſetzvorſchlag.","norm":"Jener Freund, so fuhr er fort, tat noch einen anderen Gesetzvorschlag."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1007,"orig":"Eine Ehe ſollte nur alsdann fuͤr unaufloͤslich gehalten werden, wenn entweder beyde Theile, oder wenigſtens der eine Theil, zum drittenmal verheiratet waͤre.","norm":"Eine Ehe sollte nur alsdann für unauflöslich gehalten werden, wenn entweder beide Teile, oder wenigstens der eine Teil, zum dritten Male verheiratet wäre."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1008,"orig":"Denn was eine ſolche Perſon betreffe, ſo bekenne ſie unwiderſprechlich, daß ſie die Ehe fuͤr etwas unentbehrliches halte.","norm":"Denn was eine solche Person betreffe, so bekenne sie unwidersprechlich, dass sie die Ehe für etwas Unentbehrliches halte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1009,"orig":"Nun ſey auch ſchon bekannt geworden, wie ſie ſich in ihren fruͤhern Verbindungen betragen, ob ſie Eigenheiten habe, die oft mehr zur Trennung Anlaß geben als uͤble Eigenſchaften.","norm":"Nun sei auch schon bekannt geworden, wie sie sich in ihren früheren Verbindungen betragen, ob sie Eigenheiten habe, die oft mehr zur Trennung Anlass geben als üble Eigenschaften."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1010,"orig":"Man habe ſich alſo wechſelſeitig zu erkundigen; man habe eben ſo gut auf Verheiratete wie auf Unverheiratete Acht zu geben, weil man nicht wiſſe, wie die Faͤlle kommen koͤnnen.","norm":"Man habe sich also wechselseitig zu erkundigen; man habe ebenso gut auf Verheiratete wie auf Unverheiratete achtzugeben, weil man nicht wisse, wie die Fälle kommen können."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1011,"orig":"Das wuͤrde freylich das Intereſſe der Geſellſchaft ſehr vermehren, ſagte Eduard: denn in der That jetzt, wenn wir verheiratet ſind, fragt Niemand weiter mehr nach unſern Tugenden, noch unſern Maͤngeln.","norm":"Das würde freilich das Interesse der Gesellschaft sehr vermehren, sagte Eduard: denn in der Tat jetzt, wenn wir verheiratet sind, fragt niemand weiter mehr nach unseren Tugenden, noch unseren Mängeln."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1012,"orig":"Bey einer ſolchen Einrichtung, fiel die Baroneſſe laͤchelnd ein, haͤtten unſre lieben Wirthe ſchon zwey Stufen gluͤcklich uͤberſtiegen, und koͤnnten ſich zu der dritten vorbereiten.","norm":"Bei einer solchen Einrichtung, fiel die Baronesse lächelnd ein, hätten unsere lieben Wirte schon zwei Stufen glücklich überstiegen, und könnten sich zu der dritten vorbereiten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1013,"orig":"Ihnen iſt's wohl gerathen, ſagte der Graf: hier hat der Tod willig gethan, was die Conſiſtorien ſonſt nur ungern zu thun pflegen.","norm":"Ihnen ist es wohl geraten, sagte der Graf: hier hat der Tod willig getan, was die Konsistorien sonst nur ungern zu tun pflegen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1014,"orig":"Laſſen wir die Todten ruhen, verſetzte Charlotte, mit einem halb ernſten Blicke.","norm":"Lassen wir die Toten ruhen, versetzte Charlotte, mit einem halb ernsten Blicke."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1015,"orig":"Warum?","norm":"Warum?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1016,"orig":"verſetzte der Graf, da man ihrer in Ehren gedenken kann.","norm":"versetzte der Graf, da man ihrer in Ehren gedenken kann."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1017,"orig":"Sie waren beſcheiden genug ſich mit einigen Jahren zu begnuͤgen, fuͤr mannigfaltiges Gute das ſie zuruͤckließen.","norm":"Sie waren bescheiden genug sich mit einigen Jahren zu begnügen, für mannigfaltiges Gute das sie zurückließen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1018,"orig":"Wenn nur nicht gerade, ſagte die Baroneſſe mit einem verhaltenen Seufzer, in ſolchen Faͤllen das Opfer der beſten Jahre gebracht werden muͤßte.","norm":"Wenn nur nicht gerade, sagte die Baronesse mit einem verhaltenen Seufzer, in solchen Fällen das Opfer der besten Jahre gebracht werden müsste."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1019,"orig":"Ja wohl, verſetzte der Graf: man muͤßte daruͤber verzweifeln, wenn nicht uͤberhaupt in der Welt ſo weniges eine gehoffte Folge zeigte.","norm":"Jawohl, versetzte der Graf: Man müsste darüber verzweifeln, wenn nicht überhaupt in der Welt so weniges eine gehoffte Folge zeigte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1020,"orig":"Kinder halten nicht was ſie verſprechen; junge Leute ſehr ſelten, und wenn ſie Wort halten, haͤlt es ihnen die Welt nicht.","norm":"Kinder halten nicht was sie versprechen; junge Leute sehr selten, und wenn sie Wort halten, hält es ihnen die Welt nicht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1021,"orig":"Charlotte, welche froh war, daß das Geſpraͤch ſich wendete, verſetzte heiter:","norm":"Charlotte, welche froh war, dass das Gespräch sich wendete, versetzte heiter:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1022,"orig":"Nun!","norm":"Nun!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1023,"orig":"wir muͤſſen uns ja ohnehin bald genug gewoͤhnen, das Gute ſtuͤck- und theilweiſe zu genießen.","norm":"wir müssen uns ja ohnehin bald genug gewöhnen, das Gute stück- und teilweise zu genießen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1024,"orig":"Gewiß, verſetzte der Graf, Sie haben beyde ſehr ſchoͤner Zeiten genoſſen.","norm":"Gewiss, versetzte der Graf, Sie haben beide sehr schöner Zeiten genossen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1025,"orig":"Wenn ich mir die Jahre zuruͤckerinnere, da Sie und Eduard das ſchoͤnſte Paar bey Hof waren; weder von ſo glaͤnzenden Zeiten noch von ſo hervorleuchtenden Geſtalten iſt jetzt die Rede mehr.","norm":"Wenn ich mir die Jahre zurückerinnere, da Sie und Eduard das schönste Paar bei Hof waren; weder von so glänzenden Zeiten noch von so hervorleuchtenden Gestalten ist jetzt die Rede mehr."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1026,"orig":"Wenn Sie beyde zuſammen tanzten, aller Augen waren auf Sie gerichtet und wie umworben beyde, indem Sie ſich nur in einander beſpiegelten.","norm":"Wenn Sie beide zusammen tanzten, aller Augen waren auf Sie gerichtet und wie umworben beide, indem Sie sich nur ineinander bespiegelten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1027,"orig":"Da ſich ſo manches veraͤndert hat, ſagte Charlotte, koͤnnen wir wohl ſo viel Schoͤnes mit Beſcheidenheit anhoͤren.","norm":"Da sich so manches verändert hat, sagte Charlotte, können wir wohl soviel Schönes mit Bescheidenheit anhören."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1028,"orig":"Eduarden habe ich doch oft im Stillen getadelt, ſagte der Graf, daß er nicht beharrlicher war: denn am Ende haͤtten ſeine wunderlichen Aeltern wohl nachgegeben; und zehn fruͤhe Jahre gewinnen iſt keine Kleinigkeit.","norm":"Eduard habe ich doch oft im Stillen getadelt, sagte der Graf, dass er nicht beharrlicher war: denn am Ende hätten seine wunderlichen Eltern wohl nachgegeben; und zehn frühe Jahre gewinnen ist keine Kleinigkeit."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1029,"orig":"Ich muß mich ſeiner annehmen, fiel die Baroneſſe ein.","norm":"Ich muss mich seiner annehmen, fiel die Baronesse ein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1030,"orig":"Charlotte war nicht ganz ohne Schuld, nicht ganz rein von allem Umherſehen, und ob ſie gleich Eduarden von Herzen liebte und ſich ihn auch heimlich zum Gatten beſtimmte; ſo war ich doch Zeuge, wie ſehr ſie ihn manchmal quaͤlte, ſo daß man ihn leicht zu dem ungluͤcklichen Entſchluß draͤngen konnte, zu reiſen, ſich zu entfernen, ſich von ihr zu entwoͤhnen.","norm":"Charlotte war nicht ganz ohne Schuld, nicht ganz rein von allem Umhersehen, und ob sie gleich Eduard von Herzen liebte und sich ihn auch heimlich zum Gatten bestimmte; so war ich doch Zeuge, wie sehr sie ihn manchmal quälte, so dass man ihn leicht zu dem unglücklichen Entschluss drängen konnte, zu reisen, sich zu entfernen, sich von ihr zu entwöhnen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1031,"orig":"Eduard nickte der Baroneſſe zu und ſchien dankbar fuͤr ihre Vorſprache.","norm":"Eduard nickte der Baronesse zu und schien dankbar für ihre Vorsprache."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1032,"orig":"Und dann muß ich eins, fuhr ſie fort, zu Charlottens Entſchuldigung beyfuͤgen: der Mann der zu jener Zeit um ſie warb, hatte ſich ſchon lange durch Neigung zu ihr ausgezeichnet und war, wenn man ihn naͤher kannte, gewiß liebenswuͤrdiger als ihr andern gern zugeſtehen moͤgt.","norm":"Und dann muss ich eins, fuhr sie fort, zu Charlottes Entschuldigung beifügen: Der Mann der zu jener Zeit um sie warb, hatte sich schon lange durch Neigung zu ihr ausgezeichnet und war, wenn man ihn näher kannte, gewiss liebenswürdiger als ihr anderen gern zugestehen mögt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1033,"orig":"Liebe Freundinn, verſetzte der Graf etwas lebhaft: bekennen wir nur, daß er Ihnen nicht ganz gleichguͤltig war, und daß Charlotte von Ihnen mehr zu befuͤrchten hatte als von einer andern.","norm":"Liebe Freundin, versetzte der Graf etwas lebhaft: bekennen wir nur, dass er Ihnen nicht ganz gleichgültig war, und dass Charlotte von Ihnen mehr zu befürchten hatte als von einer anderen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1034,"orig":"Ich finde das einen ſehr huͤbſchen Zug an den Frauen, daß ſie ihre Anhaͤnglichkeit an irgend einen Mann ſo lange noch fortſetzen, ja durch keine Art von Trennung ſtoͤren oder aufheben laſſen.","norm":"Ich finde das einen sehr hübschen Zug an den Frauen, dass sie ihre Anhänglichkeit an irgendeinen Mann so lange noch fortsetzen, ja durch keine Art von Trennung stören oder aufheben lassen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1035,"orig":"Dieſe gute Eigenſchaft beſitzen vielleicht die Maͤnner noch mehr, verſetzte die Baroneſſe; wenigſtens an Ihnen, lieber Graf, habe ich bemerkt, daß Niemand mehr Gewalt uͤber Sie hat als ein Frauenzimmer dem Sie fruͤher geneigt waren.","norm":"Diese gute Eigenschaft besitzen vielleicht die Männer noch mehr, versetzte die Baronesse; wenigstens an Ihnen, lieber Graf, habe ich bemerkt, dass Niemand mehr Gewalt über sie hat als ein Frauenzimmer dem Sie früher geneigt waren."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1036,"orig":"So habe ich geſehen, daß Sie auf die Vorſprache einer ſolchen ſich mehr Muͤhe gaben, um etwas auszuwirken, als vielleicht die Freundinn des Augenblicks von Ihnen erlangt haͤtte.","norm":"So habe ich gesehen, dass Sie auf die Vorsprache einer solchen sich mehr Mühe gaben, um etwas auszuwirken, als vielleicht die Freundin des Augenblicks von Ihnen erlangt hätte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1037,"orig":"Einen ſolchen Vorwurf darf man ſich wohl gefallen laſſen, verſetzte der Graf; doch was Charlottens erſten Gemahl betrifft, ſo konnte ich ihn deshalb nicht leiden, weil er mir das ſchoͤne Paar auseinander ſprengte, ein wahrhaft praͤdeſtinirtes Paar, das einmal zuſammengegeben weder fuͤnf Jahre zu ſcheuen, noch auf eine zweyte oder gar dritte Verbindung hinzuſehen brauchte.","norm":"Einen solchen Vorwurf darf man sich wohl gefallen lassen, versetzte der Graf; doch was Charlottes ersten Gemahl betrifft, so konnte ich ihn deshalb nicht leiden, weil er mir das schöne Paar auseinandersprengte, ein wahrhaft prädestiniertes Paar, das einmal zusammengegeben weder fünf Jahre zu scheuen, noch auf eine zweite oder gar dritte Verbindung hinzusehen brauchte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1038,"orig":"Wir wollen verſuchen, ſagte Charlotte, wieder einzubringen was wir verſaͤumt haben.","norm":"Wir wollen versuchen, sagte Charlotte, wieder einzubringen was wir versäumt haben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1039,"orig":"Da muͤſſen Sie ſich dazu halten, ſagte der Graf.","norm":"Da müssen Sie sich dazuhalten, sagte der Graf."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1040,"orig":"Ihre erſten Heiraten, fuhr er mit einiger Heftigkeit fort, waren doch ſo eigentlich rechte Heiraten von der verhaßten Art; und leider haben uͤberhaupt die Heiraten — verzeihen Sie mir einen lebhafteren Ausdruck — etwas Toͤlpelhaftes; ſie verderben die zarteſten Verhaͤltniſſe, und es liegt doch eigentlich nur an der plumpen Sicherheit, auf die ſich wenigſtens ein Theil etwas zu Gute thut.","norm":"Ihre ersten Heiraten, fuhr er mit einiger Heftigkeit fort, waren doch so eigentlich rechte Heiraten von der verhassten Art; und leider haben überhaupt die Heiraten — verzeihen Sie mir einen lebhafteren Ausdruck — etwas Tölpelhaftes; sie verderben die zartesten Verhältnisse, und es liegt doch eigentlich nur an der plumpen Sicherheit, auf die sich wenigstens ein Teil etwas zugute tut."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1041,"orig":"Alles verſteht ſich von ſelbſt, und man ſcheint ſich nur verbunden zu haben damit eins wie das andre nunmehr ſeiner Wege gehe.","norm":"Alles versteht sich von selbst, und man scheint sich nur verbunden zu haben damit eins wie das andere nunmehr seiner Wege gehe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1042,"orig":"In dieſem Augenblick machte Charlotte, die ein fuͤr allemal dieß Geſpraͤch abbrechen wollte, von einer kuͤhnen Wendung Gebrauch; es gelang ihr.","norm":"In diesem Augenblick machte Charlotte, die ein für allemal dies Gespräch abbrechen wollte, von einer kühnen Wendung Gebrauch; es gelang ihr."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1043,"orig":"Die Unterhaltung ward allgemeiner, die beyden Gatten und der Hauptmann konnten daran Theil nehmen; ſelbſt Ottilie ward veranlaßt ſich zu aͤußern, und der Nachtiſch ward mit der beſten Stimmung genoſſen, woran der in zierlichen Fruchtkoͤrben aufgeſtellte Obſtreichthum, die bunteſte in Prachtgefaͤßen ſchoͤn vertheilte Blumenfuͤlle, den vorzuͤglichſten Antheil hatte.","norm":"Die Unterhaltung wurde allgemeiner, die beiden Gatten und der Hauptmann konnten daran teilnehmen; selbst Ottilie wurde veranlasst sich zu äußeren, und der Nachtisch wurde mit der besten Stimmung genossen, woran der in zierlichen Fruchtkörben aufgestellte Obstreichtum, die bunteste in Prachtgefäßen schön verteilte Blumenfülle, den vorzüglichsten Anteil hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1044,"orig":"Auch die neuen Parkanlagen kamen zur Sprache, die man ſogleich nach Tiſche beſuchte.","norm":"Auch die neuen Parkanlagen kamen zur Sprache, die man sogleich nach Tische besuchte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1045,"orig":"Ottilie zog ſich unter dem Vorwande haͤuslicher Beſchaͤftigungen zuruͤck; eigentlich aber ſetzte ſie ſich wieder zur Abſchrift.","norm":"Ottilie zog sich unter dem Vorwande häuslicher Beschäftigungen zurück; eigentlich aber setzte sie sich wieder zur Abschrift."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1046,"orig":"Der Graf wurde von dem Hauptmann unterhalten; ſpaͤter geſellte ſich Charlotte zu ihm.","norm":"Der Graf wurde von dem Hauptmann unterhalten; später gesellte sich Charlotte zu ihm."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1047,"orig":"Als ſie oben auf die Hoͤhe gelangt waren, und der Hauptmann gefaͤllig hinunter eilte um den Plan zu hohlen, ſagte der Graf zu Charlotten: dieſer Mann gefaͤllt mir außerordentlich.","norm":"Als sie oben auf die Höhe gelangt waren, und der Hauptmann gefällig hinuntereilte um den Plan zu holen, sagte der Graf zu Charlotten: Dieser Mann gefällt mir außerordentlich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1048,"orig":"Er iſt ſehr wohl und im Zuſammenhang unterrichtet.","norm":"Er ist sehr wohl und im Zusammenhang unterrichtet."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1049,"orig":"Eben ſo ſcheint ſeine Thaͤtigkeit ſehr ernſt und folgerecht.","norm":"Ebenso scheint seine Tätigkeit sehr ernst und folgerecht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1050,"orig":"Was er hier leiſtet, wuͤrde in einem hoͤhern Kreiſe von viel Bedeutung ſeyn.","norm":"Was er hier leistet, würde in einem höheren Kreise von viel Bedeutung sein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1051,"orig":"Charlotte vernahm des Hauptmanns Lob mit innigem Behagen.","norm":"Charlotte vernahm des Hauptmanns Lob mit innigem Behagen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1052,"orig":"Sie faßte ſich jedoch und bekraͤftigte das Geſagte mit Ruhe und Klarheit.","norm":"Sie fasste sich jedoch und bekräftigte das Gesagte mit Ruhe und Klarheit."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1053,"orig":"Wie uͤberraſcht war ſie aber, als der Graf fortfuhr: dieſe Bekanntſchaft kommt mir ſehr zu gelegener Zeit.","norm":"Wie überrascht war sie aber, als der Graf fortfuhr: Diese Bekanntschaft kommt mir sehr zu gelegener Zeit."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1054,"orig":"Ich weiß eine Stelle, an die der Mann vollkommen paßt, und ich kann mir durch eine ſolche Empfehlung, indem ich ihn gluͤcklich mache, einen hohen Freund auf das allerbeſte verbinden.","norm":"Ich weiß eine Stelle, an die der Mann vollkommen passt, und ich kann mir durch eine solche Empfehlung, indem ich ihn glücklich mache, einen hohen Freund auf das allerbeste verbinden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1055,"orig":"Es war wie ein Donnerſchlag der auf Charlotten herabfiel.","norm":"Es war wie ein Donnerschlag der auf Charlotten herabfiel."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1056,"orig":"Der Graf bemerkte nichts: denn die Frauen, gewohnt ſich jederzeit zu baͤndigen, behalten in den außerordentlichſten Faͤllen immer noch eine Art von ſcheinbarer Faſſung.","norm":"Der Graf bemerkte nichts: denn die Frauen, gewohnt sich jederzeit zu bändigen, behalten in den außerordentlichsten Fällen immer noch eine Art von scheinbarer Fassung."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1057,"orig":"Doch hoͤrte ſie ſchon nicht mehr was der Graf ſagte, indem er fortfuhr:","norm":"Doch hörte sie schon nicht mehr was der Graf sagte, indem er fortfuhr:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1058,"orig":"Wenn ich von etwas uͤberzeugt bin, geht es bey mir geſchwind her.","norm":"Wenn ich von etwas überzeugt bin, geht es bei mir geschwind her."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1059,"orig":"Ich habe ſchon meinen Brief im Kopfe zuſammengeſtellt, und mich draͤngt's ihn zu ſchreiben.","norm":"Ich habe schon meinen Brief im Kopfe zusammengestellt, und mich drängt es ihn zu schreiben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1060,"orig":"Sie verſchaffen mir einen reitenden Boten, den ich noch heute Abend wegſchicken kann.","norm":"Sie verschaffen mir einen reitenden Boten, den ich noch heute Abend wegschicken kann."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1061,"orig":"Charlotte war innerlich zerriſſen.","norm":"Charlotte war innerlich zerrissen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1062,"orig":"Von dieſen Vorſchlaͤgen ſo wie von ſich ſelbſt uͤberraſcht, konnte ſie kein Wort hervorbringen.","norm":"Von diesen Vorschlägen sowie von sich selbst überrascht, konnte sie kein Wort hervorbringen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1063,"orig":"Der Graf fuhr gluͤcklicherweiſe fort von ſeinen Planen fuͤr den Hauptmann zu ſprechen, deren Guͤnſtiges Charlotten nur allzuſehr in die Augen fiel.","norm":"Der Graf fuhr glücklicherweise fort von seinen Planen für den Hauptmann zu sprechen, deren Günstiges Charlotten nur allzu sehr in die Augen fiel."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1064,"orig":"Es war Zeit, daß der Hauptmann herauftrat und ſeine Rolle vor dem Grafen entfaltete.","norm":"Es war Zeit, dass der Hauptmann herauftrat und seine Rolle vor dem Grafen entfaltete."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1065,"orig":"Aber mit wie andern Augen ſah ſie den Freund an, den ſie verlieren ſollte!","norm":"Aber mit wie anderen Augen sah sie den Freund an, den sie verlieren sollte!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1066,"orig":"Mit einer nothduͤrftigen Verbeugung wandte ſie ſich weg und eilte hinunter nach der Mooshuͤtte.","norm":"Mit einer notdürftigen Verbeugung wandte sie sich weg und eilte hinunter nach der Mooshütte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1067,"orig":"Schon auf halbem Wege ſtuͤrzten ihr die Thraͤnen aus den Augen, und nun warf ſie ſich in den engen Raum der kleinen Einſiedeley und uͤberließ ſich ganz einem Schmerz, einer Leidenſchaft, einer Verzweiflung, von deren Moͤglichkeit ſie wenig Augenblicke vorher auch nicht die leiſeſte Ahndung gehabt hatte.","norm":"Schon auf halbem Wege stürzten ihr die Tränen aus den Augen, und nun warf sie sich in den engen Raum der kleinen Einsiedelei und überließ sich ganz einem Schmerz, einer Leidenschaft, einer Verzweiflung, von deren Möglichkeit sie wenig Augenblicke vorher auch nicht die leiseste Ahnung gehabt hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1068,"orig":"Auf der andern Seite war Eduard mit der Baroneſſe an den Teichen hergegangen.","norm":"Auf der anderen Seite war Eduard mit der Baronesse an den Teichen hergegangen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1069,"orig":"Die kluge Frau, die gern von allem unterrichtet ſeyn mochte, bemerkte bald in einem taſtenden Geſpraͤch, daß Eduard ſich zu Ottiliens Lobe weitlaͤuftig herausließ, und wußte ihn auf eine ſo natuͤrliche Weiſe nach und nach in den Gang zu bringen, daß ihr zuletzt kein Zweifel uͤbrig blieb, hier ſey eine Leidenſchaft nicht auf dem Wege, ſondern wirklich angelangt.","norm":"Die kluge Frau, die gern von allem unterrichtet sein mochte, bemerkte bald in einem tastenden Gespräch, dass Eduard sich zu Ottilies Lobe weitläufig herausließ, und wusste ihn auf eine so natürliche Weise nach und nach in den Gang zu bringen, dass ihr zuletzt kein Zweifel übrigblieb, hier sei eine Leidenschaft nicht auf dem Wege, sondern wirklich angelangt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1070,"orig":"Verheiratete Frauen, wenn ſie ſich auch untereinander nicht lieben, ſtehen doch ſtillſchweigend mit einander, beſonders gegen junge Maͤdchen, im Buͤndniß.","norm":"Verheiratete Frauen, wenn sie sich auch untereinander nicht lieben, stehen doch stillschweigend miteinander, besonders gegen junge Mädchen, im Bündnis."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1071,"orig":"Die Folgen einer ſolchen Zuneigung ſtellten ſich ihrem weltgewandten Geiſte nur allzugeſchwind dar.","norm":"Die Folgen einer solchen Zuneigung stellten sich ihrem weltgewandten Geiste nur allzugeschwind dar."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1072,"orig":"Dazu kam noch, daß ſie ſchon heute fruͤh mit Charlotten uͤber Ottilien geſprochen und den Aufenthalt dieſes Kindes auf dem Lande, beſonders bey ſeiner ſtillen Gemuͤthsart, nicht gebilligt und den Vorſchlag gethan hatte, Ottilien in die Stadt zu einer Freundinn zu bringen, die ſehr viel an die Erziehung ihrer einzigen Tochter wende, und ſich nur nach einer gutartigen Geſpielinn umſehe, die an die zweyte Kindesſtatt eintreten und alle Vortheile mitgenießen ſolle.","norm":"Dazu kam noch, dass sie schon heute früh mit Charlotten über Ottilie gesprochen und den Aufenthalt dieses Kindes auf dem Lande, besonders bei seiner stillen Gemütsart, nicht gebilligt und den Vorschlag getan hatte, Ottilie in die Stadt zu einer Freundin zu bringen, die sehr viel an die Erziehung ihrer einzigen Tochter wende, und sich nur nach einer gutartigen Gespielin umsehe, die an die zweite Kindesstatt eintreten und alle Vorteile mitgenießen solle."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1073,"orig":"Charlotte hatte ſich's zur Ueberlegung genommen.","norm":"Charlotte hatte sich es zur Überlegung genommen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1074,"orig":"Nun aber brachte der Blick in Eduards Gemuͤth dieſen Vorſchlag bey der Baroneſſe ganz zur vorſaͤtzlichen Feſtigkeit, und um ſo ſchneller dieſes in ihr vorging, um deſto mehr ſchmeichelte ſie aͤußerlich Eduards Wuͤnſchen.","norm":"Nun aber brachte der Blick in Eduards Gemüt diesen Vorschlag bei der Baronesse ganz zur vorsätzlichen Festigkeit, und um so schneller dieses in ihr vorging, um desto mehr schmeichelte sie äußerlich Eduards Wünschen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1075,"orig":"Denn Niemand beſaß ſich mehr als dieſe Frau, und dieſe Selbſtbeherrſchung in außerordentlichen Faͤllen gewoͤhnt uns ſogar einen gemeinen Fall mit Verſtellung zu behandeln, macht uns geneigt, indem wir ſo viel Gewalt uͤber uns ſelbſt uͤben, unſre Herrſchaft auch uͤber die andern zu verbreiten, um uns durch das was wir aͤußerlich gewinnen, fuͤr dasjenige was wir innerlich entbehren, gewiſſermaßen ſchadlos zu halten.","norm":"Denn niemand besaß sich mehr als diese Frau, und diese Selbstbeherrschung in außerordentlichen Fällen gewöhnt uns sogar einen gemeinen Fall mit Verstellung zu behandeln, macht uns geneigt, indem wir soviel Gewalt über uns selbst üben, unsere Herrschaft auch über die anderen zu verbreiten, um uns durch das was wir äußerlich gewinnen, für dasjenige was wir innerlich entbehren, gewissermaßen schadlos zu halten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1076,"orig":"An dieſe Geſinnung ſchließt ſich meiſt eine Art heimlicher Schadenfreude uͤber die Dunkelheit der andern, uͤber das Bewußtloſe, womit ſie in eine Falle gehen.","norm":"An diese Gesinnung schließt sich meist eine Art heimlicher Schadenfreude über die Dunkelheit der anderen, über das Bewusstlose, womit sie in eine Falle gehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1077,"orig":"Wir freuen uns nicht allein uͤber das gegenwaͤrtige Gelingen, ſondern zugleich auch auf die kuͤnftig uͤberraſchende Beſchaͤmung.","norm":"Wir freuen uns nicht allein über das gegenwärtige Gelingen, sondern zugleich auch auf die künftig überraschende Beschämung."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1078,"orig":"Und ſo war die Baroneſſe boshaft genug, Eduarden zur Weinleſe auf ihre Guͤter mit Charlotten einzuladen und die Frage Eduards: ob ſie Ottilien mitbringen duͤrften, auf eine Weiſe die er beliebig zu ſeinen Gunſten auslegen konnte, zu beantworten.","norm":"Und so war die Baronesse boshaft genug, Eduard zur Weinlese auf ihre Güter mit Charlotten einzuladen und die Frage Eduards: ob sie Ottilie mitbringen dürften, auf eine Weise die er beliebig zu seinen Gunsten auslegen konnte, zu beantworten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1079,"orig":"Eduard ſprach ſchon mit Entzuͤcken von der herrlichen Gegend, dem großen Fluſſe, den Huͤgeln, Felſen und Weinbergen, von alten Schloͤſſern, von Waſſerfahrten, von dem Jubel der Weinleſe, des Kelterns u. ſ. w. wobey er in der Unſchuld ſeines Herzens ſich ſchon zum Voraus laut uͤber den Eindruck freute, den dergleichen Scenen auf das friſche Gemuͤth Ottiliens machen wuͤrden.","norm":"Eduard sprach schon mit Entzücken von der herrlichen Gegend, dem großen Flusse, den Hügeln, Felsen und Weinbergen, von alten Schlössern, von Wasserfahrten, von dem Jubel der Weinlese, des Kelterns u. s. w. wobei er in der Unschuld seines Herzens sich schon zum Voraus laut über den Eindruck freute, den dergleichen Szenen auf das frische Gemüt Ottilies machen würden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1080,"orig":"In dieſem Augenblick ſah man Ottilien heran kommen, und die Baroneſſe ſagte ſchnell zu Eduard:","norm":"In diesem Augenblick sah man Ottilie herankommen, und die Baronesse sagte schnell zu Eduard:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1081,"orig":"Er moͤchte von dieſer vorhabenden Herbſtreiſe ja nichts reden: denn gewoͤhnlich geſchaͤhe das nicht worauf man ſich ſo lange voraus freue.","norm":"Er möchte von dieser vorhabenden Herbstreise ja nichts reden: denn gewöhnlich geschähe das nicht worauf man sich so lange voraus freue."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1082,"orig":"Eduard verſprach, noͤthigte ſie aber Ottilien entgegen geſchwinder zu gehen, und eilte ihr endlich, dem lieben Kinde zu, mehrere Schritte voran.","norm":"Eduard versprach, nötigte sie aber Ottilie entgegen geschwinder zu gehen, und eilte ihr endlich, dem lieben Kinde zu, mehrere Schritte voran."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1083,"orig":"Eine herzliche Freude druͤckte ſich in ſeinem ganzen Weſen aus.","norm":"Eine herzliche Freude drückte sich in seinem ganzen Wesen aus."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1084,"orig":"Er kuͤßte ihr die Hand, in die er einen Strauß Feldblumen druͤckte, die er unterwegs zuſammengepfluͤckt hatte.","norm":"Er küsste ihr die Hand, in die er einen Strauß Feldblumen drückte, die er unterwegs zusammengepflückt hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1085,"orig":"Die Baroneſſe fuͤhlte ſich bey dieſem Anblick in ihrem Innern faſt erbittert.","norm":"Die Baronesse fühlte sich bei diesem Anblick in ihrem Inneren fast erbittert."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1086,"orig":"Denn wenn ſie auch das was an dieſer Neigung ſtrafbar ſeyn mochte, nicht billigen durfte, ſo konnte ſie das was daran liebenswuͤrdig und angenehm war, jenem unbedeutenden Neuling von Maͤdchen keineswegs goͤnnen.","norm":"Denn wenn sie auch das was an dieser Neigung strafbar sein mochte, nicht billigen durfte, so konnte sie das was daran liebenswürdig und angenehm war, jenem unbedeutenden Neuling von Mädchen keineswegs gönnen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1087,"orig":"Als man ſich zum Abendeſſen zuſammen geſetzt hatte, war eine voͤllig andre Stimmung in der Geſellſchaft verbreitet.","norm":"Als man sich zum Abendessen zusammengesetzt hatte, war eine völlig andere Stimmung in der Gesellschaft verbreitet."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1088,"orig":"Der Graf, der ſchon vor Tiſche geſchrieben und den Boten fortgeſchickt hatte, unterhielt ſich mit dem Hauptmann, den er auf eine verſtaͤndige und beſcheidene Weiſe immer mehr ausforſchte, indem er ihn dieſen Abend an ſeine Seite gebracht hatte.","norm":"Der Graf, der schon vor Tische geschrieben und den Boten fortgeschickt hatte, unterhielt sich mit dem Hauptmann, den er auf eine verständige und bescheidene Weise immer mehr ausforschte, indem er ihn diesen Abend an seine Seite gebracht hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1089,"orig":"Die zur Rechten des Grafen ſitzende Baroneſſe fand von daher wenig Unterhaltung; eben ſo wenig an Eduard, der erſt durſtig, dann aufgeregt, des Weines nicht ſchonte und ſich ſehr lebhaft mit Ottilien unterhielt die er an ſich gezogen hatte, wie von der andern Seite neben dem Hauptmann Charlotte ſaß, der es ſchwer, ja beynahe unmoͤglich ward, die Bewegungen ihres Innren zu verbergen.","norm":"Die zur Rechten des Grafen sitzende Baronesse fand von daher wenig Unterhaltung; ebenso wenig an Eduard, der erst durstig, dann aufgeregt, des Weines nicht schonte und sich sehr lebhaft mit Ottilie unterhielt die er an sich gezogen hatte, wie von der anderen Seite neben dem Hauptmann Charlotte saß, der es schwer, ja beinahe unmöglich wurde, die Bewegungen ihres Inneren zu verbergen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1090,"orig":"Die Baroneſſe hatte Zeit genug, Beobachtungen anzuſtellen.","norm":"Die Baronesse hatte Zeit genug, Beobachtungen anzustellen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1091,"orig":"Sie bemerkte Charlottens Unbehagen, und weil ſie nur Eduards Verhaͤltniß zu Ottilien im Sinn hatte; ſo uͤberzeugte ſie ſich leicht, auch Charlotte ſey bedenklich und verdrießlich uͤber ihres Gemahls Benehmen, und uͤberlegte, wie ſie nunmehr am beſten zu ihren Zwecken gelangen koͤnne.","norm":"Sie bemerkte Charlottes Unbehagen, und weil sie nur Eduards Verhältnis zu Ottilie im Sinn hatte; so überzeugte sie sich leicht, auch Charlotte sei bedenklich und verdrießlich über ihres Gemahls Benehmen, und überlegte, wie sie nunmehr am besten zu ihren Zwecken gelangen könne."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1092,"orig":"Auch nach Tiſche fand ſich ein Zwieſpalt in der Geſellſchaft.","norm":"Auch nach Tische fand sich ein Zwiespalt in der Gesellschaft."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1093,"orig":"Der Graf, der den Hauptmann recht ergruͤnden wollte, brauchte bey einem ſo ruhigen, keineswegs eitlen und uͤberhaupt laconiſchen Manne verſchiedene Wendungen, um zu erfahren was er wuͤnſchte.","norm":"Der Graf, der den Hauptmann recht ergründen wollte, brauchte bei einem so ruhigen, keineswegs eitlen und überhaupt lakonischen Manne verschiedene Wendungen, um zu erfahren was er wünschte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1094,"orig":"Sie gingen miteinander an der einen Seite des Saals auf und ab, indeß Eduard, aufgeregt von Wein und Hoffnung, mit Ottilien an einem Fenſter ſcherzte, Charlotte und die Baroneſſe aber ſtillſchweigend an der andern Seite des Saals nebeneinander hin und wieder gingen.","norm":"Sie gingen miteinander an der einen Seite des Saals auf und ab, indes Eduard, aufgeregt von Wein und Hoffnung, mit Ottilie an einem Fenster scherzte, Charlotte und die Baronesse aber stillschweigend an der anderen Seite des Saals nebeneinander hin und wider gingen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1095,"orig":"Ihr Schweigen und muͤßiges Umherſtehen brachte denn auch zuletzt eine Stockung in die uͤbrige Geſellſchaft.","norm":"Ihr Schweigen und müßiges Umherstehen brachte denn auch zuletzt eine Stockung in die übrige Gesellschaft."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1096,"orig":"Die Frauen zogen ſich zuruͤck auf ihren Fluͤgel, die Maͤnner auf den andern, und ſo ſchien dieſer Tag abgeſchloſſen.","norm":"Die Frauen zogen sich zurück auf ihren Flügel, die Männer auf den anderen, und so schien dieser Tag abgeschlossen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1097,"orig":"Eduard begleitete den Grafen auf ſein Zimmer und ließ ſich recht gern durchs Geſpraͤch verfuͤhren, noch eine Zeit lang bey ihm zu bleiben.","norm":"Eduard begleitete den Grafen auf sein Zimmer und ließ sich recht gern durchs Gespräch verführen, noch eine Zeit lang bei ihm zu bleiben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1098,"orig":"Der Graf verlor ſich in vorige Zeiten, gedachte mit Lebhaftigkeit an die Schoͤnheit Charlottens, die er als ein Kenner mit vielem Feuer entwickelte.","norm":"Der Graf verlor sich in vorige Zeiten, gedachte mit Lebhaftigkeit an die Schönheit Charlottes, die er als ein Kenner mit vielem Feuer entwickelte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1099,"orig":"Ein ſchoͤner Fuß iſt eine große Gabe der Natur.","norm":"Ein schöner Fuß ist eine große Gabe der Natur."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1100,"orig":"Dieſe Anmuth iſt unverwuͤſtlich.","norm":"Diese Anmut ist unverwüstlich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1101,"orig":"Ich habe ſie heute im Gehen beobachtet; noch immer moͤchte man ihren Schuh kuͤſſen, und die zwar etwas barbariſche aber doch tief gefuͤhlte Ehrenbezeugung der Sarmaten wiederhohlen, die ſich nichts beſſeres kennen, als aus dem Schuh einer geliebten und verehrten Perſon ihre Geſundheit zu trinken.","norm":"Ich habe sie heute im Gehen beobachtet; noch immer möchte man ihren Schuh küssen, und die zwar etwas barbarische aber doch tief gefühlte Ehrenbezeugung der Sarmaten wiederholen, die sich nichts Besseres kennen, als aus dem Schuh einer geliebten und verehrten Person ihre Gesundheit zu trinken."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1102,"orig":"Die Spitze des Fußes blieb nicht allein der Gegenſtand des Lobes unter zwey vertrauten Maͤnnern.","norm":"Die Spitze des Fußes blieb nicht allein der Gegenstand des Lobes unter zwei vertrauten Männern."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1103,"orig":"Sie gingen von der Perſon auf alte Geſchichten und Abenteuer zuruͤck und kamen auf die Hinderniſſe, die man ehemals den Zuſammenkuͤnften dieſer beyden Liebenden entgegengeſetzt, welche Muͤhe ſie ſich gegeben, welche Kunſtgriffe ſie erfunden, nur um ſich ſagen zu koͤnnen, daß ſie ſich liebten.","norm":"Sie gingen von der Person auf alte Geschichten und Abenteuer zurück und kamen auf die Hindernisse, die man ehemals den Zusammenkünften dieser beiden Liebenden entgegengesetzt, welche Mühe sie sich gegeben, welche Kunstgriffe sie erfunden, nur um sich sagen zu können, dass sie sich liebten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1104,"orig":"Erinnerſt du dich, fuhr der Graf fort, welch Abenteuer ich dir recht freundſchaftlich und uneigennuͤtzig beſtehen helfen, als unſre hoͤchſten Herrſchaften ihren Oheim beſuchten und auf dem weitlaͤuftigen Schloſſe zuſammenkamen?","norm":"Erinnerst du dich, fuhr der Graf fort, welch Abenteuer ich dir recht freundschaftlich und uneigennützig bestehen helfen, als unsere höchsten Herrschaften ihren Oheim besuchten und auf dem weitläufigen Schlosse zusammenkamen?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1105,"orig":"Der Tag war in Feyerlichkeiten und Feyerkleidern hingegangen, ein Theil der Nacht ſollte wenigſtens unter freyem liebevollen Geſpraͤch verſtreichen.","norm":"Der Tag war in Feierlichkeiten und Feierkleidern hingegangen, ein Teil der Nacht sollte wenigstens unter freiem liebevollen Gespräch verstreichen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1106,"orig":"Den Hinweg zu dem Quartier der Hofdamen hatten Sie ſich wohl gemerkt, ſagte Eduard.","norm":"Den Hinweg zu dem Quartier der Hofdamen hatten Sie sich wohl gemerkt, sagte Eduard."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1107,"orig":"Wir gelangten gluͤcklich zu meiner Geliebten.","norm":"Wir gelangten glücklich zu meiner Geliebten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1108,"orig":"Die, verſetzte der Graf, mehr an den Anſtand als an meine Zufriedenheit gedacht und eine ſehr haͤßliche Ehrenwaͤchterinn bey ſich behalten hatte; da mir denn, indeſſen ihr euch mit Blicken und Worten ſehr gut unterhieltet, ein hoͤchſt unerfreuliches Loos zu Theil ward.","norm":"Die, versetzte der Graf, mehr an den Anstand als an meine Zufriedenheit gedacht und eine sehr hässliche Ehrenwächterin bei sich behalten hatte; da mir denn, indessen ihr euch mit Blicken und Worten sehr gut unterhieltet, ein höchst unerfreuliches Los zuteilwurde."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1109,"orig":"Ich habe mich noch geſtern, verſetzte Eduard, als Sie ſich anmelden ließen, mit meiner Frau an die Geſchichte erinnert, beſonders an unſern Ruͤckzug.","norm":"Ich habe mich noch gestern, versetzte Eduard, als Sie sich anmelden ließen, mit meiner Frau an die Geschichte erinnert, besonders an unseren Rückzug."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1110,"orig":"Wir verfehlten den Weg und kamen an den Vorſaal der Garden.","norm":"Wir verfehlten den Weg und kamen an den Vorsaal der Garden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1111,"orig":"Weil wir uns nun von da recht gut zu finden wußten, ſo glaubten wir auch hier ganz ohne Bedenken hindurch und an dem Poſten, wie an den uͤbrigen, vorbey gehen zu koͤnnen.","norm":"Weil wir uns nun von da recht gut zu finden wussten, so glaubten wir auch hier ganz ohne Bedenken hindurch und an dem Posten, wie an den übrigen, vorbeigehen zu können."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1112,"orig":"Aber wie groß war beym Eroͤffnen der Thuͤre unſere Verwunderung!","norm":"Aber wie groß war beim Eröffnen der Türe unsere Verwunderung!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1113,"orig":"Der Weg war mit Matratzen verlegt, auf denen die Rieſen in mehreren Reihen ausgeſtreckt lagen und ſchliefen.","norm":"Der Weg war mit Matratzen verlegt, auf denen die Riesen in mehreren Reihen ausgestreckt lagen und schliefen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1114,"orig":"Der einzige Wachende auf dem Poſten ſah uns verwundert an; wir aber im jugendlichen Muth und Muthwillen ſtiegen ganz gelaſſen uͤber die ausgeſtreckten Stiefel weg, ohne daß auch nur einer von dieſen ſchnarchenden Enakskindern erwacht waͤre.","norm":"Der einzige Wachende auf dem Posten sah uns verwundert an; wir aber im jugendlichen Mut und Mutwillen stiegen ganz gelassen über die ausgestreckten Stiefel weg, ohne dass auch nur einer von diesen schnarchenden Enakskindern erwacht wäre."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1115,"orig":"Ich hatte große Luſt zu ſtolpern, ſagte der Graf, damit es Laͤrm gegeben haͤtte: denn welch eine ſeltſame Auferſtehung wuͤrden wir geſehen haben!","norm":"Ich hatte große Lust zu stolpern, sagte der Graf, damit es Lärm gegeben hätte: denn welch eine seltsame Auferstehung würden wir gesehen haben!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1116,"orig":"In dieſem Augenblick ſchlug die Schloßglocke Zwoͤlf.","norm":"In diesem Augenblick schlug die Schlossglocke Zwölf."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1117,"orig":"Es iſt hoch Mitternacht, ſagte der Graf laͤchelnd, und eben gerechte Zeit.","norm":"Es ist hoch Mitternacht, sagte der Graf lächelnd, und eben gerechte Zeit."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1118,"orig":"Ich muß Sie, lieber Baron, um eine Gefaͤlligkeit bitten: fuͤhren Sie mich heute wie ich Sie damals fuͤhrte; ich habe der Baroneſſe das Verſprechen gegeben ſie noch zu beſuchen.","norm":"Ich muss Sie, lieber Baron, um eine Gefälligkeit bitten: führen Sie mich heute wie ich Sie damals führte; ich habe der Baronesse das Versprechen gegeben sie noch zu besuchen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1119,"orig":"Wir haben uns den ganzen Tag nicht allein geſprochen, wir haben uns ſo lange nicht geſehen, und nichts iſt natuͤrlicher als daß man ſich nach einer vertraulichen Stunde ſehnt.","norm":"Wir haben uns den ganzen Tag nicht allein gesprochen, wir haben uns so lange nicht gesehen, und nichts ist natürlicher als dass man sich nach einer vertraulichen Stunde sehnt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1120,"orig":"Zeigen Sie mir den Hinweg, den Ruͤckweg will ich ſchon finden und auf alle Faͤlle werde ich uͤber keine Stiefel wegzuſtolpern haben.","norm":"Zeigen Sie mir den Hinweg, den Rückweg will ich schon finden und auf alle Fälle werde ich über keine Stiefel wegzustolpern haben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1121,"orig":"Ich will Ihnen recht gern dieſe gaſtliche Gefaͤlligkeit erzeigen, verſetzte Eduard; nur ſind die drey Frauenzimmer druͤben zuſammen auf dem Fluͤgel.","norm":"Ich will Ihnen recht gern diese gastliche Gefälligkeit erzeigen, versetzte Eduard; nur sind die drei Frauenzimmer drüben zusammen auf dem Flügel."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1122,"orig":"Wer weiß, ob wir ſie nicht noch beyeinander finden, oder was wir ſonſt fuͤr Haͤndel anrichten, die irgend ein wunderliches Anſehn gewinnen.","norm":"Wer weiß, ob wir sie nicht noch beieinander finden, oder was wir sonst für Händel anrichten, die irgendein wunderliches Ansehen gewinnen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1123,"orig":"Nur ohne Sorge!","norm":"Nur ohne Sorge!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1124,"orig":"ſagte der Graf: die Baroneſſe erwartet mich.","norm":"sagte der Graf: Die Baronesse erwartet mich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1125,"orig":"Sie iſt um dieſe Zeit gewiß auf ihrem Zimmer und allein.","norm":"Sie ist um diese Zeit gewiss auf ihrem Zimmer und allein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1126,"orig":"Die Sache iſt uͤbrigens leicht, verſetzte Eduard, und nahm ein Licht, dem Grafen vorleuchtend eine geheime Treppe hinunter, die zu einem langen Gang fuͤhrte.","norm":"Die Sache ist übrigens leicht, versetzte Eduard, und nahm ein Licht, dem Grafen vorleuchtend eine geheime Treppe hinunter, die zu einem langen Gang führte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1127,"orig":"Am Ende deſſelben oͤffnete Eduard eine kleine Thuͤre.","norm":"Am Ende desselben öffnete Eduard eine kleine Türe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1128,"orig":"Sie erſtiegen eine Wendeltreppe; oben auf einem engen Ruheplatz deutete Eduard dem Grafen, dem er das Licht in die Hand gab, nach einer Tapetenthuͤre rechts, die beym erſten Verſuch ſogleich ſich oͤffnete, den Grafen aufnahm und Eduard in dem dunklen Raum zuruͤckließ.","norm":"Sie erstiegen eine Wendeltreppe; oben auf einem engen Ruheplatz deutete Eduard dem Grafen, dem er das Licht in die Hand gab, nach einer Tapetentüre rechts, die beim ersten Versuch sogleich sich öffnete, den Grafen aufnahm und Eduard in dem dunklen Raum zurückließ."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1129,"orig":"Eine andre Thuͤre links ging in Charlottens Schlafzimmer.","norm":"Eine andere Türe links ging in Charlottes Schlafzimmer."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1130,"orig":"Er hoͤrte reden und horchte.","norm":"Er hörte reden und horchte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1131,"orig":"Charlotte ſprach zu ihrem Kammermaͤdchen: iſt Ottilie ſchon zu Bette?","norm":"Charlotte sprach zu ihrem Kammermädchen: ist Ottilie schon zu Bette?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1132,"orig":"Nein, verſetzte jene; ſie ſitzt noch unten und ſchreibt.","norm":"Nein, versetzte jene; sie sitzt noch unten und schreibt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1133,"orig":"So zuͤnde Sie das Nachtlicht an, ſagte Charlotte, und gehe Sie nur hin: es iſt ſpaͤt.","norm":"So zünde Sie das Nachtlicht an, sagte Charlotte, und gehe sie nur hin: Es ist spät."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1134,"orig":"Die Kerze will ich ſelbſt ausloͤſchen und fuͤr mich zu Bette gehen.","norm":"Die Kerze will ich selbst auslöschen und für mich zu Bette gehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1135,"orig":"Eduard hoͤrte mit Entzuͤcken, daß Ottilie noch ſchreibe.","norm":"Eduard hörte mit Entzücken, dass Ottilie noch schreibe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1136,"orig":"Sie beſchaͤftigt ſich fuͤr mich!","norm":"Sie beschäftigt sich für mich!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1137,"orig":"dachte er triumphirend.","norm":"dachte er triumphierend."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1138,"orig":"Durch die Finſterniß ganz in ſich ſelbſt geengt ſah er ſie ſitzen, ſchreiben; er glaubte zu ihr zu treten, ſie zu ſehen, wie ſie ſich nach ihm umkehrte; er fuͤhlte ein unuͤberwindliches Verlangen ihr noch einmal nahe zu ſeyn.","norm":"Durch die Finsternis ganz in sich selbst geengt sah er sie sitzen, schreiben; er glaubte zu ihr zu treten, sie zu sehen, wie sie sich nach ihm umkehrte; er fühlte ein unüberwindliches Verlangen ihr noch einmal nahe zu sein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1139,"orig":"Von hier aber war kein Weg in das Halbgeſchoß wo ſie wohnte.","norm":"Von hier aber war kein Weg in das Halbgeschoss wo sie wohnte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1140,"orig":"Nun fand er ſich unmittelbar an ſeiner Frauen Thuͤre, eine ſonderbare Verwechſelung ging in ſeiner Seele vor, er ſuchte die Thuͤre aufzudrehen, er fand ſie verſchloſſen, er pochte leiſe an, Charlotte hoͤrte nicht.","norm":"Nun fand er sich unmittelbar an seiner Frauen Türe, eine sonderbare Verwechselung ging in seiner Seele vor, er suchte die Türe aufzudrehen, er fand sie verschlossen, er pochte leise an, Charlotte hörte nicht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1141,"orig":"Sie ging in dem groͤßeren Nebenzimmer lebhaft auf und ab.","norm":"Sie ging in dem größeren Nebenzimmer lebhaft auf und ab."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1142,"orig":"Sie wiederhohlte ſich aber und abermals was ſie ſeit jenem unerwarteten Vorſchlag des Grafen oft genug bey ſich um und um gewendet hatte.","norm":"Sie wiederholte sich aber und abermals was sie seit jenem unerwarteten Vorschlag des Grafen oft genug bei sich um und um gewendet hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1143,"orig":"Der Hauptmann ſchien vor ihr zu ſtehen.","norm":"Der Hauptmann schien vor ihr zu stehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1144,"orig":"Er fuͤllte noch das Haus, er belebte noch die Spazirgaͤnge und er ſollte fort, das alles ſollte leer werden!","norm":"Er füllte noch das Haus, er belebte noch die Spaziergänge und er sollte fort, das alles sollte leer werden!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1145,"orig":"Sie ſagte ſich alles was man ſich ſagen kann, ja ſie anticipirte, wie man gewoͤhnlich pflegt, den leidigen Troſt, daß auch ſolche Schmerzen durch die Zeit gelindert werden.","norm":"Sie sagte sich alles was man sich sagen kann, ja sie antizipierte, wie man gewöhnlich pflegt, den leidigen Trost, dass auch solche Schmerzen durch die Zeit gelindert werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1146,"orig":"Sie verwuͤnſchte die Zeit, die es braucht um ſie zu lindern; ſie verwuͤnſchte die todtenhafte Zeit, wo ſie wuͤrden gelindert ſeyn.","norm":"Sie verwünschte die Zeit, die es braucht um sie zu lindern; sie verwünschte die totenhafte Zeit, wo sie würden gelindert sein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1147,"orig":"Da war denn zuletzt die Zuflucht zu den Thraͤnen um ſo willkommner, als ſie bey ihr ſelten ſtatt fand.","norm":"Da war denn zuletzt die Zuflucht zu den Tränen um so willkommener, als sie bei ihr selten stattfand."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1148,"orig":"Sie warf ſich auf den Sopha und uͤberließ ſich ganz ihrem Schmerz.","norm":"Sie warf sich auf den Sofa und überließ sich ganz ihrem Schmerz."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1149,"orig":"Eduard ſeinerſeits konnte von der Thuͤre nicht weg; er pochte nochmals, und zum drittenmal etwas ſtaͤrker, ſo daß Charlotte durch die Nachtſtille es ganz deutlich vernahm und erſchreckt auffuhr.","norm":"Eduard seinerseits konnte von der Türe nicht weg; er pochte nochmals, und zum dritten Male etwas stärker, so dass Charlotte durch die Nachtstille es ganz deutlich vernahm und erschreckt auffuhr."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1150,"orig":"Der erſte Gedanke war: es koͤnne, es muͤſſe der Hauptmann ſeyn; der zweyte: das ſey unmoͤglich!","norm":"Der erste Gedanke war: Es könne, es müsse der Hauptmann sein; der zweite: Das sei unmöglich!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1151,"orig":"Sie hielt es fuͤr Taͤuſchung; aber ſie hatte es gehoͤrt, ſie wuͤnſchte, ſie fuͤrchtete es gehoͤrt zu haben.","norm":"Sie hielt es für Täuschung; aber sie hatte es gehört, sie wünschte, sie fürchtete es gehört zu haben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1152,"orig":"Sie ging ins Schlafzimmer, trat leiſe zu der verriegelten Tapetenthuͤre.","norm":"Sie ging ins Schlafzimmer, trat leise zu der verriegelten Tapetentür."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1153,"orig":"Sie ſchalt ſich uͤber ihre Furcht: wie leicht kann die Graͤfinn etwas beduͤrfen!","norm":"Sie schalt sich über ihre Furcht: Wie leicht kann die Gräfin etwas bedürfen!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1154,"orig":"ſagte ſie zu ſich ſelbſt und rief gefaßt und geſetzt:","norm":"sagte sie zu sich selbst und rief gefasst und gesetzt:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1155,"orig":"Iſt jemand da?","norm":"Ist jemand da?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1156,"orig":"Eine leiſe Stimme antwortete:","norm":"Eine leise Stimme antwortete:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1157,"orig":"Ich bins.","norm":"Ich bin es."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1158,"orig":"Wer?","norm":"Wer?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1159,"orig":"entgegnete Charlotte, die den Ton nicht unterſcheiden konnte.","norm":"entgegnete Charlotte, die den Ton nicht unterscheiden konnte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1160,"orig":"Ihr ſtand des Hauptmanns Geſtalt vor der Thuͤre.","norm":"Ihr stand des Hauptmanns Gestalt vor der Türe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1161,"orig":"Etwas lauter klang es ihr entgegen:","norm":"Etwas lauter klang es ihr entgegen:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1162,"orig":"Eduard!","norm":"Eduard!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1163,"orig":"Sie oͤffnete und ihr Gemahl ſtand vor ihr.","norm":"Sie öffnete und ihr Gemahl stand vor ihr."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1164,"orig":"Er begruͤßte ſie mit einem Scherz.","norm":"Er begrüßte sie mit einem Scherz."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1165,"orig":"Es ward ihr moͤglich in dieſem Tone fortzufahren.","norm":"Es wurde ihr möglich in diesem Tone fortzufahren."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1166,"orig":"Er verwickelte den raͤthſelhaften Beſuch in raͤthſelhafte Erklaͤrungen.","norm":"Er verwickelte den rätselhaften Besuche in rätselhafte Erklärungen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1167,"orig":"Warum ich denn aber eigentlich komme, ſagte er zuletzt, muß ich dir nur geſtehen.","norm":"Warum ich denn aber eigentlich komme, sagte er zuletzt, muss ich dir nur gestehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1168,"orig":"Ich habe ein Geluͤbde gethan, heute Abend noch deinen Schuh zu kuͤſſen.","norm":"Ich habe ein Gelübde getan, heute Abend noch deinen Schuh zu küssen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1169,"orig":"Das iſt dir lange nicht eingefallen, ſagte Charlotte.","norm":"Das ist dir lange nicht eingefallen, sagte Charlotte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1170,"orig":"Deſto ſchlimmer, verſetzte Eduard, und deſto beſſer!","norm":"Desto schlimmer, versetzte Eduard, und desto besser!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1171,"orig":"Sie hatte ſich in einen Seſſel geſetzt, um ihre leichte Nachtkleidung ſeinen Blicken zu entziehen.","norm":"Sie hatte sich in einen Sessel gesetzt, um ihre leichte Nachtkleidung seinen Blicken zu entziehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1172,"orig":"Er warf ſich vor ihr nieder und ſie konnte ſich nicht erwehren, daß er nicht ihren Schuh kuͤßte, und daß, als dieſer ihm in der Hand blieb, er den Fuß ergriff und ihn zaͤrtlich an ſeine Bruſt druͤckte.","norm":"Er warf sich vor ihr nieder und sie konnte sich nicht erwehren, dass er nicht ihren Schuh küsste, und dass, als dieser ihm in der Hand blieb, er den Fuß ergriff und ihn zärtlich an seine Brust drückte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1173,"orig":"Charlotte war eine von den Frauen, die von Natur maͤßig, im Eheſtande, ohne Vorſatz und Anſtrengung, die Art und Weiſe der Liebhaberinnen fortfuͤhren.","norm":"Charlotte war eine von den Frauen, die von Natur mäßig, im Ehestande, ohne Vorsatz und Anstrengung, die Art und Weise der Liebhaberinnen fortführen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1174,"orig":"Niemals reizte ſie den Mann, ja ſeinem Verlangen kam ſie kaum entgegen; aber ohne Kaͤlte und abſtoßende Strenge glich ſie immer einer liebevollen Braut, die ſelbſt vor dem Erlaubten noch innige Scheu traͤgt.","norm":"Niemals reizte sie den Mann, ja seinem Verlangen kam sie kaum entgegen; aber ohne Kälte und abstoßende Strenge glich sie immer einer liebevollen Braut, die selbst vor dem Erlaubten noch innige Scheu trägt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1175,"orig":"Und ſo fand ſie Eduard dieſen Abend in doppeltem Sinne.","norm":"Und so fand sie Eduard diesen Abend in doppeltem Sinne."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1176,"orig":"Wie ſehnlich wuͤnſchte ſie den Gatten weg: denn die Luftgeſtalt des Freundes ſchien ihr Vorwuͤrfe zu machen.","norm":"Wie sehnlich wünschte sie den Gatten weg: denn die Luftgestalt des Freundes schien ihr Vorwürfe zu machen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1177,"orig":"Aber das was Eduarden haͤtte entfernen ſollen, zog ihn nur mehr an.","norm":"Aber das was Eduard hätte entfernen sollen, zog ihn nur mehr an."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1178,"orig":"Eine gewiſſe Bewegung war an ihr ſichtbar.","norm":"Eine gewisse Bewegung war an ihr sichtbar."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1179,"orig":"Sie hatte geweint, und wenn weiche Perſonen dadurch meiſt an Anmuth verlieren, ſo gewinnen diejenigen dadurch unendlich, die wir gewoͤhnlich als ſtark und gefaßt kennen.","norm":"Sie hatte geweint, und wenn weiche Personen dadurch meist an Anmut verlieren, so gewinnen diejenigen dadurch unendlich, die wir gewöhnlich als stark und gefasst kennen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1180,"orig":"Eduard war ſo liebenswuͤrdig, ſo freundlich, ſo dringend; er bat ſie, bey ihr bleiben zu duͤrfen, er forderte nicht, bald ernſt bald ſcherzhaft ſuchte er ſie zu bereden, er dachte nicht daran, daß er Rechte habe und loͤſchte zuletzt muthwillig die Kerze aus.","norm":"Eduard war so liebenswürdig, so freundlich, so dringend; er bat sie, bei ihr bleiben zu dürfen, er forderte nicht, bald ernst bald scherzhaft suchte er sie zu bereden, er dachte nicht daran, dass er Rechte habe und löschte zuletzt mutwillig die Kerze aus."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1181,"orig":"In der Lampendaͤmmerung ſogleich behauptete die innre Neigung, behauptete die Einbildungskraft ihre Rechte uͤber das Wirkliche.","norm":"In der Lampendämmerung sogleich behauptete die innere Neigung, behauptete die Einbildungskraft ihre Rechte über das Wirkliche."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1182,"orig":"Eduard hielt nur Ottilien in ſeinen Armen;","norm":"Eduard hielt nur Ottilie in seinen Armen;"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1183,"orig":"Charlotten ſchwebte der Hauptmann naͤher oder ferner vor der Seele, und ſo verwebten, wunderſam genug, ſich Abweſendes und Gegenwaͤrtiges reizend und wonnevoll durcheinander.","norm":"Charlotten schwebte der Hauptmann näher oder ferner vor der Seele, und so verwebten, wundersam genug, sich Abwesendes und Gegenwärtiges reizend und wonnevoll durcheinander."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1184,"orig":"Und doch laͤßt ſich die Gegenwart ihr ungeheures Recht nicht rauben.","norm":"Und doch lässt sich die Gegenwart ihr ungeheures Recht nicht rauben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1185,"orig":"Sie brachten einen Theil der Nacht unter allerley Geſpraͤchen und Scherzen zu, die um deſto freyer waren als das Herz leider keinen Theil daran nahm.","norm":"Sie brachten einen Teil der Nacht unter allerlei Gesprächen und Scherzen zu, die um desto freier waren als das Herz leider keinen Teil daran nahm."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1186,"orig":"Aber als Eduard des andern Morgens an dem Buſen ſeiner Frau erwachte, ſchien ihm der Tag ahndungsvoll hereinzublicken, die Sonne ſchien ihm ein Verbrechen zu beleuchten; er ſchlich ſich leiſe von ihrer Seite, und ſie fand ſich, ſeltſam genug, allein als ſie erwachte.","norm":"Aber als Eduard des anderen Morgens an dem Busen seiner Frau erwachte, schien ihm der Tag ahnungsvoll hereinzublicken, die Sonne schien ihm ein Verbrechen zu beleuchten; er schlich sich leise von ihrer Seite, und sie fand sich, seltsam genug, allein als sie erwachte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1187,"orig":"Als die Geſellſchaft zum Fruͤhſtuͤck wieder zuſammen kam, haͤtte ein aufmerkſamer Beobachter an dem Betragen der Einzelnen die Verſchiedenheit der innern Geſinnungen und Empfindungen abnehmen koͤnnen.","norm":"Als die Gesellschaft zum Frühstück wieder zusammenkam, hätte ein aufmerksamer Beobachter an dem Betragen der Einzelnen die Verschiedenheit der inneren Gesinnungen und Empfindungen abnehmen können."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1188,"orig":"Der Graf und die Baroneſſe begegneten ſich mit dem heitern Behagen, das ein paar Liebende empfinden, die ſich, nach erduldeter Trennung, ihrer wechſelſeitigen Neigung abermals verſichert halten; dagegen Charlotte und Eduard gleichſam beſchaͤmt und reuig dem Hauptmann und Ottilien entgegen traten.","norm":"Der Graf und die Baronesse begegneten sich mit dem heiteren Behagen, das ein paar Liebende empfinden, die sich, nach erduldeter Trennung, ihrer wechselseitigen Neigung abermals versichert halten; dagegen Charlotte und Eduard gleichsam beschämt und reuig dem Hauptmann und Ottilie entgegentraten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1189,"orig":"Denn ſo iſt die Liebe beſchaffen, daß ſie allein Recht zu haben glaubt und alle anderen Rechte vor ihr verſchwinden.","norm":"Denn so ist die Liebe beschaffen, dass sie allein Recht zu haben glaubt und alle anderen Rechte vor ihr verschwinden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1190,"orig":"Ottilie war kindlich heiter, nach ihrer Weiſe konnte man ſie offen nennen.","norm":"Ottilie war kindlich heiter, nach ihrer Weise konnte man sie offen nennen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1191,"orig":"Ernſt erſchien der Hauptmann; ihm war bey der Unterredung mit dem Grafen, indem dieſer alles in ihm aufregte was einige Zeit geruht und geſchlafen hatte, nur zu fuͤhlbar geworden, daß er eigentlich hier ſeine Beſtimmung nicht erfuͤlle und im Grunde blos in einem halbthaͤtigen Muͤßiggang hinſchlendere.","norm":"Ernst erschien der Hauptmann; ihm war bei der Unterredung mit dem Grafen, indem dieser alles in ihm aufregte was einige Zeit geruht und geschlafen hatte, nur zu fühlbar geworden, dass er eigentlich hier seine Bestimmung nicht erfülle und im Grunde bloß in einem halbtätigen Müßiggang hinschlendere."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1192,"orig":"Kaum hatten ſich die beyden Gaͤſte entfernt, als ſchon wieder neuer Beſuch eintraf, Charlotten willkommen, die aus ſich ſelbſt heraus zu gehen, ſich zu zerſtreuen wuͤnſchte;","norm":"Kaum hatten sich die beiden Gäste entfernt, als schon wieder neuer Besuche eintraf, Charlotten willkommen, die aus sich selbst herauszugehen, sich zu zerstreuen wünschte;"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1193,"orig":"Eduarden ungelegen, der eine doppelte Neigung fuͤhlte ſich mit Ottilien zu beſchaͤftigen;","norm":"Eduard ungelegen, der eine doppelte Neigung fühlte sich mit Ottilie zu beschäftigen;"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1194,"orig":"Ottilien gleichfalls unerwuͤnſcht, die mit ihrer auf morgen fruͤh ſo noͤthigen Abſchrift noch nicht fertig war.","norm":"Ottilie gleichfalls unerwünscht, die mit ihrer auf morgen früh so nötigen Abschrift noch nicht fertig war."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1195,"orig":"Und ſo eilte ſie auch, als die Fremden ſich ſpaͤt entfernten, ſogleich auf ihr Zimmer.","norm":"Und so eilte sie auch, als die Fremden sich spät entfernten, sogleich auf ihr Zimmer."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1196,"orig":"Es war Abend geworden.","norm":"Es war Abend geworden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1197,"orig":"Eduard, Charlotte und der Hauptmann, welche die Fremden, ehe ſie ſich in den Wagen ſetzten, eine Strecke zu Fuß begleitet hatten, wurden einig noch einen Spazirgang nach den Teichen zu machen.","norm":"Eduard, Charlotte und der Hauptmann, welche die Fremden, ehe sie sich in den Wagen setzten, eine Strecke zu Fuß begleitet hatten, wurden einig noch einen Spaziergang nach den Teichen zu machen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1198,"orig":"Ein Kahn war angekommen, den Eduard mit anſehnlichen Koſten aus der Ferne verſchrieben hatte.","norm":"Ein Kahn war angekommen, den Eduard mit ansehnlichen Kosten aus der Ferne verschrieben hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1199,"orig":"Man wollte verſuchen, ob er ſich leicht bewegen und lenken laſſe.","norm":"Man wollte versuchen, ob er sich leicht bewegen und lenken lasse."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1200,"orig":"Er war am Ufer des mittelſten Teiches nicht weit von einigen alten Eichbaͤumen angebunden, auf die man ſchon bey kuͤnftigen Anlagen gerechnet hatte.","norm":"Er war am Ufer des mittelsten Teiches nicht weit von einigen alten Eichbäumen angebunden, auf die man schon bei künftigen Anlagen gerechnet hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1201,"orig":"Hier ſollte ein Landungsplatz angebracht, unter den Baͤumen ein architectoniſcher Ruheſitz aufgefuͤhrt werden, wonach diejenigen die uͤber den See fahren, zu ſteuern haͤtten.","norm":"Hier sollte ein Landungsplatz angebracht, unter den Bäumen ein architektonischer Ruhesitz aufgeführt werden, wonach diejenigen die über den See fahren, zu steuern hätten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1202,"orig":"Wo wird man denn nun druͤben die Landung am beſten anlegen?","norm":"Wo wird man denn nun drüben die Landung am besten anlegen?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1203,"orig":"fragte Eduard.","norm":"fragte Eduard."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1204,"orig":"Ich ſollte denken bey meinen Platanen.","norm":"Ich sollte denken bei meinen Platanen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1205,"orig":"Sie ſtehen ein wenig zu weit rechts, ſagte der Hauptmann.","norm":"Sie stehen ein wenig zu weit rechts, sagte der Hauptmann."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1206,"orig":"Landet man weiter unten, ſo iſt man dem Schloſſe naͤher; doch muß man es uͤberlegen.","norm":"Landet man weiter unten, so ist man dem Schlosse näher; doch muss man es überlegen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1207,"orig":"Der Hauptmann ſtand ſchon im Hintertheile des Kahns und hatte ein Ruder ergriffen.","norm":"Der Hauptmann stand schon im Hinterteile des Kahns und hatte ein Ruder ergriffen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1208,"orig":"Charlotte ſtieg ein, Eduard gleichfalls und faßte das andre Ruder; aber als er eben im Abſtoßen begriffen war, gedachte er Ottiliens, gedachte daß ihn dieſe Waſſerfahrt verſpaͤten, wer weiß erſt wann zuruͤckfuͤhren wuͤrde.","norm":"Charlotte stieg ein, Eduard gleichfalls und fasste das andere Ruder; aber als er eben im Abstoßen begriffen war, gedachte er Ottilies, gedachte dass ihn diese Wasserfahrt verspäten, wer weiß erst wann zurückführen würde."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1209,"orig":"Er entſchloß ſich kurz und gut, ſprang wieder ans Land, reichte dem Hauptmann das andre Ruder und eilte, ſich fluͤchtig entſchuldigend, nach Hauſe.","norm":"Er entschloss sich kurz und gut, sprang wieder ans Land, reichte dem Hauptmann das andere Ruder und eilte, sich flüchtig entschuldigend, nach Hause."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1210,"orig":"Dort vernahm er:","norm":"Dort vernahm er:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1211,"orig":"Ottilie habe ſich eingeſchloſſen, ſie ſchreibe.","norm":"Ottilie habe sich eingeschlossen, sie schreibe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1212,"orig":"Bey dem angenehmen Gefuͤhle, daß ſie fuͤr ihn etwas thue, empfand er das lebhafteſte Misbehagen ſie nicht gegenwaͤrtig zu ſehen.","norm":"Bei dem angenehmen Gefühle, dass sie für ihn etwas tue, empfand er das lebhafteste Missbehagen sie nicht gegenwärtig zu sehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1213,"orig":"Seine Ungeduld vermehrte ſich mit jedem Augenblicke.","norm":"Seine Ungeduld vermehrte sich mit jedem Augenblicke."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1214,"orig":"Er ging in dem großen Saale auf und ab, verſuchte allerley und nichts vermochte ſeine Aufmerkſamkeit zu feſſeln.","norm":"Er ging in dem großen Saale auf und ab, versuchte allerlei und nichts vermochte seine Aufmerksamkeit zu fesseln."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1215,"orig":"Sie wuͤnſchte er zu ſehen, allein zu ſehen, ehe noch Charlotte mit dem Hauptmann zuruͤckkaͤme.","norm":"Sie wünschte er zu sehen, allein zu sehen, ehe noch Charlotte mit dem Hauptmann zurückkäme."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1216,"orig":"Es ward Nacht, die Kerzen wurden angezuͤndet.","norm":"Es wurde Nacht, die Kerzen wurden angezündet."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1217,"orig":"Endlich trat ſie herein, glaͤnzend von Liebenswuͤrdigkeit.","norm":"Endlich trat sie herein, glänzend von Liebenswürdigkeit."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1218,"orig":"Das Gefuͤhl etwas fuͤr den Freund gethan zu haben, hatte ihr ganzes Weſen uͤber ſich ſelbſt gehoben.","norm":"Das Gefühl etwas für den Freund getan zu haben, hatte ihr ganzes Wesen über sich selbst gehoben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1219,"orig":"Sie legte das Original und die Abſchrift vor Eduard auf den Tiſch.","norm":"Sie legte das Original und die Abschrift vor Eduard auf den Tisch."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1220,"orig":"Wollen wir collationiren?","norm":"Wollen wir kollationieren?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1221,"orig":"ſagte ſie laͤchelnd.","norm":"sagte sie lächelnd."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1222,"orig":"Eduard wußte nicht was er erwiedern ſollte.","norm":"Eduard wusste nicht was er erwidern sollte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1223,"orig":"Er ſah ſie an, er beſah die Abſchrift.","norm":"Er sah sie an, er besah die Abschrift."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1224,"orig":"Die erſten Blaͤtter waren mit der groͤßten Sorgfalt, mit einer zarten weiblichen Hand geſchrieben; dann ſchienen ſich die Zuͤge zu veraͤndern, leichter und freyer zu werden: aber wie erſtaunt war er, als er die letzten Seiten mit den Augen uͤberlief!","norm":"Die ersten Blätter waren mit der größten Sorgfalt, mit einer zarten weiblichen Hand geschrieben; dann schienen sich die Züge zu verändern, leichter und freier zu werden: aber wie erstaunt war er, als er die letzten Seiten mit den Augen überlief!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1225,"orig":"Um Gotteswillen!","norm":"Um Gottes willen!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1226,"orig":"rief er aus, was iſt das?","norm":"rief er aus, was ist das?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1227,"orig":"Das iſt meine Hand!","norm":"Das ist meine Hand!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1228,"orig":"Er ſah Ottilien an und wieder auf die Blaͤtter; beſonders der Schluß war ganz als wenn er ihn ſelbſt geſchrieben haͤtte.","norm":"Er sah Ottilie an und wieder auf die Blätter; besonders der Schluss war ganz als wenn er ihn selbst geschrieben hätte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1229,"orig":"Ottilie ſchwieg, aber ſie blickte ihm mit der groͤßten Zufriedenheit in die Augen.","norm":"Ottilie schwieg, aber sie blickte ihm mit der größten Zufriedenheit in die Augen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1230,"orig":"Eduard hob ſeine Arme empor:","norm":"Eduard hob seine Arme empor:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1231,"orig":"Du liebſt mich!","norm":"Du liebst mich!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1232,"orig":"rief er aus:","norm":"rief er aus:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1233,"orig":"Ottilie du liebſt mich!","norm":"Ottilie du liebst mich!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1234,"orig":"und ſie hielten einander umfaßt.","norm":"und sie hielten einander umfasst."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1235,"orig":"Wer das andere zuerſt ergriffen, waͤre nicht zu unterſcheiden geweſen.","norm":"Wer das andere zuerst ergriffen, wäre nicht zu unterscheiden gewesen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1236,"orig":"Von dieſem Augenblick an war die Welt fuͤr Eduarden umgewendet, er nicht mehr was er geweſen, die Welt nicht mehr was ſie geweſen.","norm":"Von diesem Augenblick an war die Welt für Eduard umgewendet, er nicht mehr was er gewesen, die Welt nicht mehr was sie gewesen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1237,"orig":"Sie ſtanden vor einander, er hielt ihre Haͤnde, ſie ſahen einander in die Augen, im Begriff ſich wieder zu umarmen.","norm":"Sie standen voreinander, er hielt ihre Hände, sie sahen einander in die Augen, im Begriff sich wieder zu umarmen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1238,"orig":"Charlotte mit dem Hauptmann trat herein.","norm":"Charlotte mit dem Hauptmann trat herein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1239,"orig":"Zu den Entſchuldigungen eines laͤngeren Außenbleibens laͤchelte Eduard heimlich.","norm":"Zu den Entschuldigungen eines längeren Außenbleibens lächelte Eduard heimlich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1240,"orig":"O wie viel zu fruͤh kommt ihr!","norm":"O wie viel zu früh kommt ihr!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1241,"orig":"ſagte er zu ſich ſelbſt.","norm":"sagte er zu sich selbst."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1242,"orig":"Sie ſetzten ſich zum Abendeſſen.","norm":"Sie setzten sich zum Abendessen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1243,"orig":"Die Perſonen des heutigen Beſuchs wurden beurtheilt.","norm":"Die Personen des heutigen Besuchs wurden beurteilt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1244,"orig":"Eduard liebevoll aufgeregt ſprach gut von einem Jeden, immer ſchonend, oft billigend.","norm":"Eduard liebevoll aufgeregt sprach gut von einem Jeden, immer schonend, oft billigend."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1245,"orig":"Charlotte, die nicht durchaus ſeiner Meinung war, bemerkte dieſe Stimmung und ſcherzte mit ihm, daß er, der ſonſt uͤber die ſcheidende Geſellſchaft immer das ſtrengſte Zungengericht ergehen laſſe, heute ſo mild und nachſichtig ſey.","norm":"Charlotte, die nicht durchaus seiner Meinung war, bemerkte diese Stimmung und scherzte mit ihm, dass er, der sonst über die scheidende Gesellschaft immer das strengste Zungengericht ergehen lasse, heute so mild und nachsichtig sei."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1246,"orig":"Mit Feuer und herzlicher Ueberzeugung rief Eduard:","norm":"Mit Feuer und herzlicher Überzeugung rief Eduard:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1247,"orig":"Man muß nur Ein Weſen recht von Grund aus lieben, da kommen einem die uͤbrigen alle liebenswuͤrdig vor!","norm":"Man muss nur ein Wesen recht von Grund aus lieben, da kommen einem die übrigen alle liebenswürdig vor!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1248,"orig":"Ottilie ſchlug die Augen nieder, und Charlotte ſah vor ſich hin.","norm":"Ottilie schlug die Augen nieder, und Charlotte sah vor sich hin."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1249,"orig":"Der Hauptmann nahm das Wort und ſagte:","norm":"Der Hauptmann nahm das Wort und sagte:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1250,"orig":"Mit den Gefuͤhlen der Hochachtung, der Verehrung, iſt es doch auch etwas aͤhnliches.","norm":"Mit den Gefühlen der Hochachtung, der Verehrung, ist es doch auch etwas Ähnliches."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1251,"orig":"Man erkennt nur erſt das Schaͤtzenswerthe in der Welt, wenn man ſolche Geſinnungen an Einem Gegenſtande zu uͤben Gelegenheit findet.","norm":"Man erkennt nur erst das Schätzenswerte in der Welt, wenn man solche Gesinnungen an einem Gegenstande zu üben Gelegenheit findet."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1252,"orig":"Charlotte ſuchte bald in ihr Schlafzimmer zu gelangen, um ſich der Erinnerung deſſen zu uͤberlaſſen, was dieſen Abend zwiſchen ihr und dem Hauptmann vorgegangen war.","norm":"Charlotte suchte bald in ihr Schlafzimmer zu gelangen, um sich der Erinnerung dessen zu überlassen, was diesen Abend zwischen ihr und dem Hauptmann vorgegangen war."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1253,"orig":"Als Eduard ans Ufer ſpringend den Kahn vom Lande ſtieß, Gattinn und Freund dem ſchwankenden Element ſelbſt uͤberantwortete, ſah nunmehr Charlotte den Mann, um den ſie im Stillen ſchon ſo viel gelitten hatte, in der Daͤmmerung vor ſich ſitzen und durch die Fuͤhrung zweyer Ruder das Fahrzeug in beliebiger Richtung fortbewegen.","norm":"Als Eduard ans Ufer springend den Kahn vom Lande stieß, Gattin und Freund dem schwankenden Element selbst überantwortete, sah nunmehr Charlotte den Mann, um den sie im Stillen schon soviel gelitten hatte, in der Dämmerung vor sich sitzen und durch die Führung zweier Ruder das Fahrzeug in beliebiger Richtung fortbewegen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1254,"orig":"Sie empfand eine tiefe, ſelten gefuͤhlte Traurigkeit.","norm":"Sie empfand eine tiefe, selten gefühlte Traurigkeit."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1255,"orig":"Das Kreiſen des Kahns, das Plaͤtſchern der Ruder, der uͤber den Waſſerſpiegel hinſchauernde Windhauch, das Saͤuſeln der Rohre, das letzte Schweben der Voͤgel, das Blinken und Wiederblinken der erſten Sterne, alles hatte etwas Geiſterhaftes in dieſer allgemeinen Stille.","norm":"Das Kreisen des Kahns, das Plätschern der Ruder, der über den Wasserspiegel hinschauernde Windhauch, das Säuseln der Rohre, das letzte Schweben der Vögel, das Blinken und Widerblinken der ersten Sterne, alles hatte etwas Geisterhaftes in dieser allgemeinen Stille."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1256,"orig":"Es ſchien ihr, der Freund fuͤhre ſie weit weg, um ſie auszuſetzen, ſie allein zu laſſen.","norm":"Es schien ihr, der Freund führe sie weit weg, um sie auszusetzen, sie allein zu lassen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1257,"orig":"Eine wunderbare Bewegung war in ihrem Innern, und ſie konnte nicht weinen.","norm":"Eine wunderbare Bewegung war in ihrem Inneren, und sie konnte nicht weinen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1258,"orig":"Der Hauptmann beſchrieb ihr unterdeſſen, wie nach ſeiner Abſicht die Anlagen werden ſollten.","norm":"Der Hauptmann beschrieb ihr unterdessen, wie nach seiner Absicht die Anlagen werden sollten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1259,"orig":"Er ruͤhmte die guten Eigenſchaften des Kahns, daß er ſich leicht mit zwey Rudern von Einer Perſon bewegen nnd regieren laſſe.","norm":"Er rühmte die guten Eigenschaften des Kahns, dass er sich leicht mit zwei Rudern von Einer Person bewegen und regieren lasse."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1260,"orig":"Sie werde das ſelbſt lernen, es ſey eine angenehme Empfindung manchmal allein auf dem Waſſer hinzuſchwimmen und ſein eigner Faͤhr- und Steuermann zu ſeyn.","norm":"Sie werde das selbst lernen, es sei eine angenehme Empfindung manchmal allein auf dem Wasser hinzuschwimmen und sein eigener Fähr- und Steuermann zu sein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1261,"orig":"Bey dieſen Worten fiel der Freundinn die bevorſtehende Trennung aufs Herz.","norm":"Bei diesen Worten fiel der Freundin die bevorstehende Trennung aufs Herz."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1262,"orig":"Sagt er das mit Vorſatz?","norm":"Sagt er das mit Vorsatz?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1263,"orig":"dachte ſie bey ſich ſelbſt:","norm":"dachte sie bei sich selbst:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1264,"orig":"Weiß er ſchon davon?","norm":"Weiß er schon davon?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1265,"orig":"vermuthet er's?","norm":"vermutet er es?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1266,"orig":"oder ſagt er es zufaͤllig?","norm":"Oder sagt er es zufällig?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1267,"orig":"ſo daß er mir bewußtlos mein Schickſal vorausverkuͤndigt.","norm":"so dass er mir bewusstlos mein Schicksal vorausverkündigt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1268,"orig":"Es ergriff ſie eine große Wehmuth, eine Ungeduld; ſie bat ihn, baldmoͤglichſt zu landen und mit ihr nach dem Schloſſe zuruͤckzukehren.","norm":"Es ergriff sie eine große Wehmut, eine Ungeduld; sie bat ihn, baldmöglichst zu landen und mit ihr nach dem Schlosse zurückzukehren."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1269,"orig":"Es war das erſtemal, daß der Hauptmann die Teiche befuhr, und ob er gleich im Allgemeinen ihre Tiefe unterſucht hatte, ſo waren ihm doch die einzelnen Stellen unbekannt.","norm":"Es war das erste Mal, dass der Hauptmann die Teiche befuhr, und ob er gleich im Allgemeinen ihre Tiefe untersucht hatte, so waren ihm doch die einzelnen Stellen unbekannt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1270,"orig":"Dunkel fing es an zu werden, er richtete ſeinen Lauf dahin, wo er einen bequemen Ort zum Ausſteigen vermuthete und den Fußpfad nicht entfernt wußte, der nach dem Schloſſe fuͤhrte.","norm":"Dunkel fing es an zu werden, er richtete seinen Lauf dahin, wo er einen bequemen Ort zum Aussteigen vermutete und den Fußpfad nicht entfernt wusste, der nach dem Schlosse führte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1271,"orig":"Aber auch von dieſer Bahn wurde er einigermaßen abgelenkt, als Charlotte mit einer Art von Aengſtlichkeit den Wunſch wiederhohlte, bald am Lande zu ſeyn.","norm":"Aber auch von dieser Bahn wurde er einigermaßen abgelenkt, als Charlotte mit einer Art von Ängstlichkeit den Wunsch wiederholte, bald am Lande zu sein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1272,"orig":"Er naͤherte ſich mit erneuten Anſtrengungen dem Ufer, aber leider fuͤhlte er ſich in einiger Entfernung davon angehalten; er hatte ſich feſt gefahren und ſeine Bemuͤhungen wieder los zu kommen waren vergebens.","norm":"Er näherte sich mit erneuten Anstrengungen dem Ufer, aber leider fühlte er sich in einiger Entfernung davon angehalten; er hatte sich festgefahren und seine Bemühungen wieder loszukommen waren vergebens."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1273,"orig":"Was war zu thun?","norm":"Was war zu tun?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1274,"orig":"Ihm blieb nichts uͤbrig als in das Waſſer zu ſteigen, das ſeicht genug war, und die Freundinn an das Land zu tragen.","norm":"Ihm blieb nichts übrig als in das Wasser zu steigen, das seicht genug war, und die Freundin an das Land zu tragen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1275,"orig":"Gluͤcklich brachte er die liebe Buͤrde hinuͤber, ſtark genug um nicht zu ſchwanken oder ihr einige Sorge zu geben, aber doch hatte ſie aͤngſtlich ihre Arme um ſeinen Hals geſchlungen.","norm":"Glücklich brachte er die liebe Bürde hinüber, stark genug um nicht zu schwanken oder ihr einige Sorge zu geben, aber doch hatte sie ängstlich ihre Arme um seinen Hals geschlungen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1276,"orig":"Er hielt ſie feſt und druͤckte ſie an ſich.","norm":"Er hielt sie fest und drückte sie an sich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1277,"orig":"Erſt auf einem Raſenabhang ließ er ſie nieder, nicht ohne Bewegung und Verwirrung.","norm":"Erst auf einem Rasenabhang ließ er sie nieder, nicht ohne Bewegung und Verwirrung."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1278,"orig":"Sie lag noch an ſeinem Halſe; er ſchloß ſie aufs neue in ſeine Arme und druͤckte einen lebhaften Kuß auf ihre Lippen; aber auch im Augenblick lag er zu ihren Fuͤßen, druͤckte ſeinen Mund auf ihre Hand und rief:","norm":"Sie lag noch an seinem Halse; er schloss sie aufs neue in seine Arme und drückte einen lebhaften Kuss auf ihre Lippen; aber auch im Augenblick lag er zu ihren Füßen, drückte seinen Mund auf ihre Hand und rief:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1279,"orig":"Charlotte, werden Sie mir vergeben?","norm":"Charlotte, werden Sie mir vergeben?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1280,"orig":"Der Kuß, den der Freund gewagt, den ſie ihm beynahe zuruͤck gegeben, brachte Charlotten wieder zu ſich ſelbſt.","norm":"Der Kuss, den der Freund gewagt, den sie ihm beinahe zurückgegeben, brachte Charlotten wieder zu sich selbst."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1281,"orig":"Sie druͤckte ſeine Hand, aber ſie hob ihn nicht auf.","norm":"Sie drückte seine Hand, aber sie hob ihn nicht auf."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1282,"orig":"Doch indem ſie ſich zu ihm hinunterneigte und eine Hand auf ſeine Schultern legte, rief ſie aus:","norm":"Doch indem sie sich zu ihm hinunterneigte und eine Hand auf seine Schultern legte, rief sie aus:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1283,"orig":"Daß dieſer Augenblick in unſerm Leben Epoche mache, koͤnnen wir nicht verhindern; aber daß ſie unſer werth ſey, haͤngt von uns ab.","norm":"Dass dieser Augenblick in unserem Leben Epoche mache, können wir nicht verhindern; aber dass sie unser wert sei, hängt von uns ab."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1284,"orig":"Sie muͤſſen ſcheiden, lieber Freund, und Sie werden ſcheiden.","norm":"Sie müssen scheiden, lieber Freund, und Sie werden scheiden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1285,"orig":"Der Graf macht Anſtalt Ihr Schickſal zu verbeſſern; es freut und ſchmerzt mich.","norm":"Der Graf macht Anstalt Ihr Schicksal zu verbessern; es freut und schmerzt mich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1286,"orig":"Ich wollte es verſchweigen bis es gewiß waͤre; der Augenblick noͤthigt mich dieß Geheimniß zu entdecken.","norm":"Ich wollte es verschweigen bis es gewiss wäre; der Augenblick nötigt mich dies Geheimnis zu entdecken."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1287,"orig":"Nur in ſofern kann ich Ihnen, kann ich mir verzeihen, wenn wir den Muth haben unſre Lage zu aͤndern, da es von uns nicht abhaͤngt unſre Geſinnung zu aͤndern.","norm":"Nur insofern kann ich Ihnen, kann ich mir verzeihen, wenn wir den Mut haben unsere Lage zu ändern, da es von uns nicht abhängt unsere Gesinnung zu ändern."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1288,"orig":"Sie hub ihn auf und ergriff ſeinen Arm um ſich darauf zu ſtuͤtzen, und ſo kamen ſie ſtillſchweigend nach dem Schloſſe.","norm":"Sie hob ihn auf und ergriff seinen Arm um sich darauf zu stützen, und so kamen sie stillschweigend nach dem Schlosse."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1289,"orig":"Nun aber ſtand ſie in ihrem Schlafzimmer, wo ſie ſich als Gattinn Eduards empfinden und betrachten mußte.","norm":"Nun aber stand sie in ihrem Schlafzimmer, wo sie sich als Gattin Eduards empfinden und betrachten musste."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1290,"orig":"Ihr kam bey dieſen Widerſpruͤchen ihr tuͤchtiger und durchs Leben mannigfaltig geuͤbter Character zu Huͤlfe.","norm":"Ihr kam bei diesen Widersprüchen ihr tüchtiger und durchs Leben mannigfaltig geübter Charakter zu Hilfe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1291,"orig":"Immer gewohnt ſich ihrer ſelbſt bewußt zu ſeyn, ſich ſelbſt zu gebieten, ward es ihr auch jetzt nicht ſchwer, durch ernſte Betrachtung ſich dem erwuͤnſchten Gleichgewichte zu naͤhern; ja ſie mußte uͤber ſich ſelbſt laͤcheln, indem ſie des wunderlichen Nachtbeſuches gedachte.","norm":"Immer gewohnt sich ihrer selbst bewusst zu sein, sich selbst zu gebieten, wurde es ihr auch jetzt nicht schwer, durch ernste Betrachtung sich dem erwünschten Gleichgewichte zu nähern; ja sie musste über sich selbst lächeln, indem sie des wunderlichen Nachtbesuches gedachte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1292,"orig":"Doch ſchnell ergriff ſie eine ſeltſame Ahndung, ein freudig baͤngliches Erzittern, das in fromme Wuͤnſche und Hoffnungen ſich aufloͤſte.","norm":"Doch schnell ergriff sie eine seltsame Ahnung, ein freudig bängliches Erzittern, das in fromme Wünsche und Hoffnungen sich auflöste."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1293,"orig":"Geruͤhrt kniete ſie nieder, ſie wiederhohlte den Schwur den ſie Eduarden vor dem Altar gethan.","norm":"Gerührt kniete sie nieder, sie wiederholte den Schwur den sie Eduard vor dem Altar getan."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1294,"orig":"Freundſchaft, Neigung, Entſagen gingen vor ihr in heitern Bildern voruͤber.","norm":"Freundschaft, Neigung, Entsagen gingen vor ihr in heiteren Bildern vorüber."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1295,"orig":"Sie fuͤhlte ſich innerlich wieder hergeſtellt.","norm":"Sie fühlte sich innerlich wiederhergestellt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1296,"orig":"Bald ergreift ſie eine ſuͤße Muͤdigkeit und ruhig ſchlaͤft ſie ein.","norm":"Bald ergreift sie eine süße Müdigkeit und ruhig schläft sie ein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1297,"orig":"Eduard von ſeiner Seite iſt in einer ganz verſchiedenen Stimmung.","norm":"Eduard von seiner Seite ist in einer ganz verschiedenen Stimmung."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1298,"orig":"Zu ſchlafen denkt er ſo wenig, daß es ihm nicht einmal einfaͤllt ſich auszuziehen.","norm":"Zu schlafen denkt er so wenig, dass es ihm nicht einmal einfällt sich auszuziehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1299,"orig":"Die Abſchrift des Documents kuͤßt er tauſendmal, den Anfang von Ottiliens kindlich ſchuͤchterner Hand; das Ende wagt er kaum zu kuͤſſen, weil er ſeine eigene Hand zu ſehen glaubt.","norm":"Die Abschrift des Dokuments küsst er tausendmal, den Anfang von Ottilies kindlich schüchterner Hand; das Ende wagt er kaum zu küssen, weil er seine eigene Hand zu sehen glaubt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1300,"orig":"O daß es ein andres Document waͤre!","norm":"O dass es ein anderes Dokument wäre!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1301,"orig":"ſagt er ſich im Stillen; und doch iſt es ihm auch ſo ſchon die ſchoͤnſte Verſicherung, daß ſein hoͤchſter Wunſch erfuͤllt ſey.","norm":"sagt er sich im Stillen; und doch ist es ihm auch so schon die schönste Versicherung, dass sein höchster Wunsch erfüllt sei."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1302,"orig":"Bleibt es ja doch in ſeinen Haͤnden, und wird er es nicht immerfort an ſein Herz druͤcken, obgleich entſtellt durch die Unterſchrift eines Dritten!","norm":"Bleibt es ja doch in seinen Händen, und wird er es nicht immerfort an sein Herz drücken, obgleich entstellt durch die Unterschrift eines Dritten!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1303,"orig":"Der abnehmende Mond ſteigt uͤber den Wald hervor.","norm":"Der abnehmende Mond steigt über den Wald hervor."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1304,"orig":"Die warme Nacht lockt Eduarden ins Freye; er ſchweift umher, er iſt der unruhigſte und der gluͤcklichſte aller Sterblichen.","norm":"Die warme Nacht lockt Eduard ins Freie; er schweift umher, er ist der unruhigste und der glücklichste aller Sterblichen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1305,"orig":"Er wandelt durch die Gaͤrten; ſie ſind ihm zu enge; er eilt auf das Feld, und es wird ihm zu weit.","norm":"Er wandelt durch die Gärten; sie sind ihm zu enge; er eilt auf das Feld, und es wird ihm zu weit."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1306,"orig":"Nach dem Schloſſe zieht es ihn zuruͤck; er findet ſich unter Ottiliens Fenſtern.","norm":"Nach dem Schlosse zieht es ihn zurück; er findet sich unter Ottilies Fenstern."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1307,"orig":"Dort ſetzt er ſich auf eine Terraſſentreppe.","norm":"Dort setzt er sich auf eine Terrassentreppe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1308,"orig":"Mauern und Riegel, ſagt er zu ſich ſelbſt, trennen uns jetzt, aber unſre Herzen ſind nicht getrennt.","norm":"Mauern und Riegel, sagt er zu sich selbst, trennen uns jetzt, aber unsere Herzen sind nicht getrennt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1309,"orig":"Stuͤnde ſie vor mir, in meine Arme wuͤrde ſie fallen, ich in die ihrigen, und was bedarf es weiter als dieſe Gewißheit!","norm":"Stünde sie vor mir, in meine Arme würde sie fallen, ich in die ihrigen, und was bedarf es weiter als diese Gewissheit!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1310,"orig":"Alles war ſtill um ihn her, kein Luͤftchen regte ſich, ſo ſtill war's, daß er das wuͤhlende Arbeiten emſiger Thiere unter der Erde vernehmen konnte, denen Tag und Nacht gleich ſind.","norm":"Alles war still um ihn her, kein Lüftchen regte sich, so still war es, dass er das wühlende Arbeiten emsiger Tiere unter der Erde vernehmen konnte, denen Tag und Nacht gleich sind."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1311,"orig":"Er hing ganz ſeinen gluͤcklichen Traͤumen nach, ſchlief endlich ein und erwachte nicht eher wieder als bis die Sonne mit herrlichem Blick heraufſtieg und die fruͤhſten Nebel gewaͤltigte.","norm":"Er hing ganz seinen glücklichen Träumen nach, schlief endlich ein und erwachte nicht eher wieder als bis die Sonne mit herrlichem Blick heraufstieg und die frühsten Nebel gewältigte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1312,"orig":"Nun fand er ſich den erſten Wachenden in ſeinen Beſitzungen.","norm":"Nun fand er sich den ersten Wachenden in seinen Besitzungen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1313,"orig":"Die Arbeiter ſchienen ihm zu lange auszubleiben.","norm":"Die Arbeiter schienen ihm zu lange auszubleiben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1314,"orig":"Sie kamen; es ſchienen ihm ihrer zu wenig, und die vorgeſetzte Tagesarbeit fuͤr ſeine Wuͤnſche zu gering.","norm":"Sie kamen; es schienen ihm ihrer zu wenig, und die vorgesetzte Tagesarbeit für seine Wünsche zu gering."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1315,"orig":"Er fragte nach mehreren Arbeitern: man verſprach ſie und ſtellte ſie im Laufe des Tages.","norm":"Er fragte nach mehreren Arbeitern: Man versprach sie und stellte sie im Laufe des Tages."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1316,"orig":"Aber auch dieſe ſind ihm nicht genug, um ſeine Vorſaͤtze ſchleunig ausgefuͤhrt zu ſehen.","norm":"Aber auch diese sind ihm nicht genug, um seine Vorsätze schleunig ausgeführt zu sehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1317,"orig":"Das Schaffen macht ihm keine Freude mehr: es ſoll ſchon alles fertig ſeyn, und fuͤr wen?","norm":"Das Schaffen macht ihm keine Freude mehr: Es soll schon alles fertig sein, und für wen?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1318,"orig":"Die Wege ſollen gebahnt ſeyn, damit Ottilie bequem ſie gehen, die Sitze ſchon an Ort und Stelle, damit Ottilie dort ruhen koͤnne.","norm":"Die Wege sollen gebahnt sein, damit Ottilie bequem sie gehen, die Sitze schon an Ort und Stelle, damit Ottilie dort ruhen könne."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1319,"orig":"Auch an dem neuen Hauſe treibt er was er kann: es ſoll an Ottiliens Geburtstage gerichtet werden.","norm":"Auch an dem neuen Hause treibt er was er kann: Es soll an Ottilies Geburtstage gerichtet werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1320,"orig":"In Eduards Geſinnungen, wie in ſeinen Handlungen iſt kein Maaß mehr.","norm":"In Eduards Gesinnungen, wie in seinen Handlungen ist kein Maß mehr."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1321,"orig":"Das Bewußtſeyn zu lieben und geliebt zu werden treibt ihn ins Unendliche.","norm":"Das Bewusstsein zu lieben und geliebt zu werden treibt ihn ins Unendliche."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1322,"orig":"Wie veraͤndert iſt ihm die Anſicht von allen Zimmern, von allen Umgebungen!","norm":"Wie verändert ist ihm die Ansicht von allen Zimmern, von allen Umgebungen!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1323,"orig":"Er findet ſich in ſeinem eigenen Hauſe nicht mehr.","norm":"Er findet sich in seinem eigenen Hause nicht mehr."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1324,"orig":"Ottiliens Gegenwart verſchlingt ihm alles: er iſt ganz in ihr verſunken; keine andre Betrachtung ſteigt vor ihm auf, kein Gewiſſen ſpricht ihm zu; alles was in ſeiner Natur gebaͤndigt war bricht los, ſein ganzes Weſen ſtroͤmt gegen Ottilien.","norm":"Ottilies Gegenwart verschlingt ihm alles: Er ist ganz in ihr versunken; keine andere Betrachtung steigt vor ihm auf, kein Gewissen spricht ihm zu; alles was in seiner Natur gebändigt war bricht los, sein ganzes Wesen strömt gegen Ottilie."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1325,"orig":"Der Hauptmann beobachtet dieſes leidenſchaftliche Treiben und wuͤnſcht den traurigen Folgen zuvorzukommen.","norm":"Der Hauptmann beobachtet dieses leidenschaftliche Treiben und wünscht den traurigen Folgen zuvorzukommen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1326,"orig":"Alle dieſe Anlagen, die jetzt mit einem einſeitigen Triebe uͤbermaͤßig gefoͤrdert werden, hatte er auf ein ruhig freundliches Zuſammenleben berechnet.","norm":"Alle diese Anlagen, die jetzt mit einem einseitigen Triebe übermäßig gefördert werden, hatte er auf ein ruhig freundliches Zusammenleben berechnet."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1327,"orig":"Der Verkauf des Vorwerks war durch ihn zu Stande gebracht, die erſte Zahlung geſchehen, Charlotte hatte ſie der Abrede nach in ihre Caſſe genommen.","norm":"Der Verkaufe des Vorwerks war durch ihn zustande gebracht, die erste Zahlung geschehen, Charlotte hatte sie der Abrede nach in ihre Kasse genommen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1328,"orig":"Aber ſie muß gleich in der erſten Woche Ernſt und Geduld und Ordnung mehr als ſonſt uͤben und im Auge haben: denn nach der uͤbereilten Weiſe wird das Ausgeſetzte nicht lange reichen.","norm":"Aber sie muss gleich in der ersten Woche Ernst und Geduld und Ordnung mehr als sonst üben und im Auge haben: denn nach der übereilten Weise wird das Ausgesetzte nicht lange reichen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1329,"orig":"Es war viel angefangen und viel zu thun.","norm":"Es war viel angefangen und viel zu tun."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1330,"orig":"Wie ſoll er Charlotten in dieſer Lage laſſen!","norm":"Wie soll er Charlotten in dieser Lage lassen!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1331,"orig":"Sie berathen ſich und kommen uͤberein, man wolle die planmaͤßigen Arbeiten lieber ſelbſt beſchleunigen, zu dem Ende Gelder aufnehmen, und zu deren Abtragung die Zahlungstermine anweiſen, die vom Vorwerksverkauf zuruͤckgeblieben waren.","norm":"Sie beraten sich und kommen überein, man wolle die planmäßigen Arbeiten lieber selbst beschleunigen, zu dem Ende Gelder aufnehmen, und zu deren Abtragung die Zahlungstermine anweisen, die vom Vorwerksverkauf zurückgeblieben waren."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1332,"orig":"Es ließ ſich faſt ohne Verluſt, durch Ceſſion der Gerechtſame thun; man hatte freyere Hand; man leiſtete, da alles im Gange, Arbeiter genug vorhanden waren, mehr auf Einmal und gelangte gewiß und bald zum Zweck.","norm":"Es ließ sich fast ohne Verlust, durch Zession der Gerechtsame tun; man hatte freiere Hand; man leistete, da alles im Gange, Arbeiter genug vorhanden waren, mehr auf Einmal und gelangte gewiss und bald zum Zweck."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1333,"orig":"Eduard ſtimmte gern bey, weil es mit ſeinen Abſichten uͤbereintraf.","norm":"Eduard stimmte gern bei, weil es mit seinen Absichten übereintraf."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1334,"orig":"Im innern Herzen beharrt indeſſen Charlotte bey dem was ſie bedacht und ſich vorgeſetzt, und maͤnnlich ſteht ihr der Freund mit gleichem Sinn zur Seite.","norm":"Im inneren Herzen beharrt indessen Charlotte bei dem was sie bedacht und sich vorgesetzt, und männlich steht ihr der Freund mit gleichem Sinn zur Seite."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1335,"orig":"Aber eben dadurch wird ihre Vertraulichkeit nur vermehrt.","norm":"Aber eben dadurch wird ihre Vertraulichkeit nur vermehrt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1336,"orig":"Sie erklaͤren ſich wechſelſeitig uͤber Eduards Leidenſchaft; ſie berathen ſich daruͤber.","norm":"Sie erklären sich wechselseitig über Eduards Leidenschaft; sie beraten sich darüber."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1337,"orig":"Charlotte ſchließt Ottilien naͤher an ſich, beobachtet ſie ſtrenger, und jemehr ſie ihr eigen Herz gewahr worden, deſto tiefer blickt ſie in das Herz des Maͤdchens.","norm":"Charlotte schließt Ottilie näher an sich, beobachtet sie strenger, und je mehr sie ihr eigen Herz gewahr worden, desto tiefer blickt sie in das Herz des Mädchens."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1338,"orig":"Sie ſieht keine Rettung, als ſie muß das Kind entfernen.","norm":"Sie sieht keine Rettung, als sie muss das Kind entfernen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1339,"orig":"Nun ſcheint es ihr eine gluͤckliche Fuͤgung, daß Luciane ein ſo ausgezeichnetes Lob in der Penſion erhalten: denn die Großtante, davon unterrichtet, will ſie nun ein fuͤr allemal zu ſich nehmen, ſie um ſich haben, ſie in die Welt einfuͤhren.","norm":"Nun scheint es ihr eine glückliche Fügung, dass Luciane ein so ausgezeichnetes Lob in der Pension erhalten: denn die Großtante, davon unterrichtet, will sie nun ein für allemal zu sich nehmen, sie um sich haben, sie in die Welt einführen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1340,"orig":"Ottilie konnte in die Penſion zuruͤckkehren; der Hauptmann entfernte ſich, wohlverſorgt; und alles ſtand wie vor wenigen Monaten, ja um ſo viel beſſer.","norm":"Ottilie konnte in die Pension zurückkehren; der Hauptmann entfernte sich, wohlversorgt; und alles stand wie vor wenigen Monaten, ja um so viel besser."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1341,"orig":"Ihr eigenes Verhaͤltniß hoffte Charlotte zu Eduard bald wieder herzuſtellen, und ſie legte das alles ſo verſtaͤndig bey ſich zurecht, daß ſie ſich nur immer mehr in dem Wahn beſtaͤrkte: in einen fruͤhern beſchraͤnktern Zuſtand koͤnne man zuruͤckkehren, ein gewaltſam Entbundenes laſſe ſich wieder ins Enge bringen.","norm":"Ihr eigenes Verhältnis hoffte Charlotte zu Eduard bald wiederherzustellen, und sie legte das alles so verständig bei sich zurecht, dass sie sich nur immer mehr in dem Wahn bestärkte: in einen früheren beschränkteren Zustand könne man zurückkehren, ein gewaltsam entbundenes lasse sich wieder ins Enge bringen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1342,"orig":"Eduard empfand indeſſen die Hinderniſſe ſehr hoch, die man ihm in den Weg legte.","norm":"Eduard empfand indessen die Hindernisse sehr hoch, die man ihm in den Weg legte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1343,"orig":"Er bemerkte gar bald, daß man ihn und Ottilien auseinander hielt, daß man ihm erſchwerte ſie allein zu ſprechen, ja ſich ihr zu naͤhern, außer in Gegenwart von mehreren; und indem er hieruͤber verdrießlich war, ward er es uͤber manches andere.","norm":"Er bemerkte gar bald, dass man ihn und Ottilie auseinanderhielt, dass man ihm erschwerte sie allein zu sprechen, ja sich ihr zu nähern, außer in Gegenwart von mehreren; und indem er hierüber verdrießlich war, wurde er es über manches Andere."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1344,"orig":"Konnte er Ottilien fluͤchtig ſprechen, ſo war es nicht nur ſie ſeiner Liebe zu verſichern, ſondern ſich auch uͤber ſeine Gattinn, uͤber den Hauptmann zu beſchweren.","norm":"Konnte er Ottilie flüchtig sprechen, so war es nicht nur sie seiner Liebe zu versichern, sondern sich auch über seine Gattin, über den Hauptmann zu beschweren."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1345,"orig":"Er fuͤhlte nicht, daß er ſelbſt durch ſein heftiges Treiben die Caſſe zu erſchoͤpfen auf dem Wege war; er tadelte bitter Charlotten und den Hauptmann, daß ſie bey dem Geſchaͤft gegen die erſte Abrede handelten, und doch hatte er in die zweyte Abrede gewilligt, ja er hatte ſie ſelbſt veranlaßt und nothwendig gemacht.","norm":"Er fühlte nicht, dass er selbst durch sein heftiges Treiben die Kasse zu erschöpfen auf dem Wege war; er tadelte bitter Charlotten und den Hauptmann, dass sie bei dem Geschäft gegen die erste Abrede handelten, und doch hatte er in die zweite Abrede gewilligt, ja er hatte sie selbst veranlasst und notwendig gemacht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1346,"orig":"Der Haß iſt parteyiſch, aber die Liebe iſt es noch mehr.","norm":"Der Hass ist parteiisch, aber die Liebe ist es noch mehr."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1347,"orig":"Auch Ottilie entfremdete ſich einigermaßen von Charlotten und dem Hauptmann.","norm":"Auch Ottilie entfremdete sich einigermaßen von Charlotten und dem Hauptmann."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1348,"orig":"Als Eduard ſich einſt gegen Ottilien uͤber den letztern beklagte, daß er als Freund und in einem ſolchen Verhaͤltniſſe nicht ganz aufrichtig handle, verſetzte Ottilie unbedachtſam: es hat mir ſchon fruͤher mißfallen, daß er nicht ganz redlich gegen Sie iſt.","norm":"Als Eduard sich einst gegen Ottilie über den letzteren beklagte, dass er als Freund und in einem solchen Verhältnisse nicht ganz aufrichtig handle, versetzte Ottilie unbedachtsam: Es hat mir schon früher missfallen, dass er nicht ganz redlich gegen sie ist."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1349,"orig":"Ich hoͤrte ihn einmal zu Charlotten ſagen, wenn uns nur Eduard mit ſeiner Floͤtendudeley verſchonte: es kann daraus nichts werden und iſt fuͤr die Zuhoͤrer ſo laͤſtig.","norm":"Ich hörte ihn einmal zu Charlotten sagen, wenn uns nur Eduard mit seiner Flötendudelei verschonte: Es kann daraus nichts werden und ist für die Zuhörer so lästig."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1350,"orig":"Sie koͤnnen denken, wie mich das geſchmerzt hat, da ich Sie ſo gern accompagnire.","norm":"Sie können denken, wie mich das geschmerzt hat, da ich Sie so gern akkompagniere."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1351,"orig":"Kaum hatte ſie es geſagt, als ihr ſchon der Geiſt zufluͤſterte, daß ſie haͤtte ſchweigen ſollen; aber es war heraus.","norm":"Kaum hatte sie es gesagt, als ihr schon der Geist zuflüsterte, dass sie hätte schweigen sollen; aber es war heraus."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1352,"orig":"Eduards Geſichtszuͤge verwandelten ſich.","norm":"Eduards Gesichtszüge verwandelten sich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1353,"orig":"Nie hatte ihn etwas mehr verdroſſen: er war in ſeinen liebſten Forderungen angegriffen, er war ſich eines kindlichen Strebens ohne die mindeſte Anmaßung bewußt.","norm":"Nie hatte ihn etwas mehr verdrossen: Er war in seinen liebsten Forderungen angegriffen, er war sich eines kindlichen Strebens ohne die mindeste Anmaßung bewusst."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1354,"orig":"Was ihn unterhielt, was ihn erfreute, ſollte doch mit Schonung von Freunden behandelt werden.","norm":"Was ihn unterhielt, was ihn erfreute, sollte doch mit Schonung von Freunden behandelt werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1355,"orig":"Er dachte nicht, wie ſchrecklich es fuͤr einen Dritten ſey, ſich die Ohren durch ein unzulaͤngliches Talent verletzen zu laſſen.","norm":"Er dachte nicht, wie schrecklich es für einen Dritten sei, sich die Ohren durch ein unzulängliches Talent verletzen zu lassen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1356,"orig":"Er war beleidigt, wuͤthend um nicht wieder zu vergeben.","norm":"Er war beleidigt, wütend um nicht wieder zu vergeben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1357,"orig":"Er fuͤhlte ſich von allen Pflichten losgeſprochen.","norm":"Er fühlte sich von allen Pflichten losgesprochen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1358,"orig":"Die Nothwendigkeit mit Ottilien zu ſeyn, ſie zu ſehen, ihr etwas zuzufluͤſtern, ihr zu vertrauen, wuchs mit jedem Tage.","norm":"Die Notwendigkeit mit Ottilie zu sein, sie zu sehen, ihr etwas zuzuflüstern, ihr zu vertrauen, wuchs mit jedem Tage."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1359,"orig":"Er entſchloß ſich ihr zu ſchreiben, ſie um einen geheimen Briefwechſel zu bitten.","norm":"Er entschloss sich ihr zu schreiben, sie um einen geheimen Briefwechsel zu bitten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1360,"orig":"Das Streifchen Papier, worauf er dieß laconiſch genug gethan hatte, lag auf dem Schreibtiſch und ward vom Zugwind heruntergefuͤhrt, als der Kammerdiener hereintrat, ihm die Haare zu kraͤuſeln.","norm":"Das Streifchen Papier, worauf er dies lakonisch genug getan hatte, lag auf dem Schreibtisch und wurde vom Zugwind heruntergeführt, als der Kammerdiener hereintrat, ihm die Haare zu kräuseln."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1361,"orig":"Gewoͤhnlich, um die Hitze des Eiſens zu verſuchen, buͤckte ſich dieſer nach Papierſchnitzeln auf der Erde; dießmal ergriff er das Billet, zwickte es eilig und es war verſengt.","norm":"Gewöhnlich, um die Hitze des Eisens zu versuchen, bückte sich dieser nach Papierschnitzeln auf der Erde; diesmal ergriff er das Billett, zwickte es eilig und es war versengt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1362,"orig":"Eduard den Mißgriff bemerkend riß es ihm aus der Hand.","norm":"Eduard den Missgriff bemerkend riss es ihm aus der Hand."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1363,"orig":"Bald darauf ſetzte er ſich hin, es noch einmal zu ſchreiben; es wollte nicht ganz ſo zum zweytenmal aus der Feder.","norm":"Bald darauf setzte er sich hin, es noch einmal zu schreiben; es wollte nicht ganz so zum zweiten Mal aus der Feder."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1364,"orig":"Er fuͤhlte einiges Bedenken, einige Beſorgniß, die er jedoch uͤberwand.","norm":"Er fühlte einiges Bedenken, einige Besorgnis, die er jedoch überwand."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1365,"orig":"Ottilien wurde das Blaͤttchen in die Hand gedruͤckt, den erſten Augenblick wo er ſich ihr naͤhern konnte.","norm":"Ottilie wurde das Blättchen in die Hand gedrückt, den ersten Augenblick wo er sich ihr nähern konnte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1366,"orig":"Ottilie verſaͤumte nicht ihm zu antworten.","norm":"Ottilie versäumte nicht ihm zu antworten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1367,"orig":"Ungeleſen ſteckte er das Zettelchen in die Weſte, die modiſch kurz es nicht gut verwahrte.","norm":"Ungelesen steckte er das Zettelchen in die Weste, die modisch kurz es nicht gut verwahrte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1368,"orig":"Es ſchob ſich heraus und fiel, ohne von ihm bemerkt zu werden, auf den Boden.","norm":"Es schob sich heraus und fiel, ohne von ihm bemerkt zu werden, auf den Boden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1369,"orig":"Charlotte ſah es und hob es auf, und reichte es ihm mit einem fluͤchtigen Ueberblick.","norm":"Charlotte sah es und hob es auf, und reichte es ihm mit einem flüchtigen Überblick."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1370,"orig":"Hier iſt etwas von deiner Hand, ſagte ſie, das du vielleicht ungern verloͤreſt.","norm":"Hier ist etwas von deiner Hand, sagte sie, das du vielleicht ungern verlörest."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1371,"orig":"Er war betroffen.","norm":"Er war betroffen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1372,"orig":"Verſtellt ſie ſich?","norm":"Verstellt sie sich?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1373,"orig":"dachte er.","norm":"dachte er."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1374,"orig":"Iſt ſie den Inhalt des Blaͤttchens gewahr geworden, oder irrt ſie ſich an der Aehnlichkeit der Haͤnde?","norm":"Ist sie den Inhalt des Blättchens gewahr geworden, oder irrt sie sich an der Ähnlichkeit der Hände?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1375,"orig":"Er hoffte, er dachte das letztre.","norm":"Er hoffte, er dachte das letztere."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1376,"orig":"Er war gewarnt, doppelt gewarnt, aber dieſe ſonderbaren zufaͤlligen Zeichen, durch die ein hoͤheres Weſen mit uns zu ſprechen ſcheint, waren ſeiner Leidenſchaft unverſtaͤndlich; vielmehr indem ſie ihn immer weiter fuͤhrte, empfand er die Beſchraͤnkung in der man ihn zu halten ſchien, immer unangenehmer.","norm":"Er war gewarnt, doppelt gewarnt, aber diese sonderbaren zufälligen Zeichen, durch die ein höheres Wesen mit uns zu sprechen scheint, waren seiner Leidenschaft unverständlich; vielmehr indem sie ihn immer weiter führte, empfand er die Beschränkung in der man ihn zu halten schien, immer unangenehmer."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1377,"orig":"Die freundliche Geſelligkeit verlor ſich.","norm":"Die freundliche Geselligkeit verlor sich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1378,"orig":"Sein Herz war verſchloſſen, und wenn er mit Freund und Frau zuſammen zu ſeyn genoͤthigt war, ſo gelang es ihm nicht, ſeine fruͤhere Neigung zu ihnen in ſeinem Buſen wieder aufzufinden, zu beleben.","norm":"Sein Herz war verschlossen, und wenn er mit Freund und Frau zusammen zu sein genötigt war, so gelang es ihm nicht, seine frühere Neigung zu ihnen in seinem Busen wieder aufzufinden, zu beleben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1379,"orig":"Der ſtille Vorwurf, den er ſich ſelbſt hieruͤber machen mußte, war ihm unbequem und er ſuchte ſich durch eine Art von Humor zu helfen, der aber, weil er ohne Liebe war, auch der gewohnten Anmuth ermangelte.","norm":"Der stille Vorwurf, den er sich selbst hierüber machen musste, war ihm unbequem und er suchte sich durch eine Art von Humor zu helfen, der aber, weil er ohne Liebe war, auch der gewohnten Anmut ermangelte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1380,"orig":"Ueber alle dieſe Pruͤfungen half Charlotten ihr inneres Gefuͤhl hinweg.","norm":"Über alle diese Prüfungen half Charlotten ihr inneres Gefühl hinweg."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1381,"orig":"Sie war ſich ihres ernſten Vorſatzes bewußt, auf eine ſo ſchoͤne edle Neigung Verzicht zu thun.","norm":"Sie war sich ihres ernsten Vorsatzes bewusst, auf eine so schöne edle Neigung Verzicht zu tun."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1382,"orig":"Wie ſehr wuͤnſcht ſie jenen beyden auch zu Huͤlfe zu kommen.","norm":"Wie sehr wünschte sie jenen beiden auch zu Hilfe zu kommen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1383,"orig":"Entfernung, fuͤhlte ſie wohl, wird nicht allein hinreichend ſeyn, ein ſolches Uebel zu heilen.","norm":"Entfernung, fühlte sie wohl, wird nicht allein hinreichend sein, ein solches Übel zu heilen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1384,"orig":"Sie nimmt ſich vor die Sache gegen das gute Kind zur Sprache zu bringen; aber ſie vermag es nicht; die Erinnerung ihres eignen Schwankens ſteht ihr im Wege.","norm":"Sie nimmt sich vor die Sache gegen das gute Kind zur Sprache zu bringen; aber sie vermag es nicht; die Erinnerung ihres eigenen Schwankens steht ihr im Wege."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1385,"orig":"Sie ſucht ſich daruͤber im Allgemeinen auszudruͤcken; das Allgemeine paßt auch auf ihren eignen Zuſtand, den ſie auszuſprechen ſcheut.","norm":"Sie sucht sich darüber im Allgemeinen auszudrücken; das Allgemeine passt auch auf ihren eigenen Zustand, den sie auszusprechen scheut."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1386,"orig":"Ein jeder Wink, den ſie Ottilien geben will, deutet zuruͤck in ihr eignes Herz.","norm":"Ein jeder Wink, den sie Ottilie geben will, deutet zurück in ihr eigenes Herz."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1387,"orig":"Sie will warnen und fuͤhlt, daß ſie wohl ſelbſt noch einer Warnung beduͤrfen koͤnnte.","norm":"Sie will warnen und fühlt, dass sie wohl selbst noch einer Warnung bedürfen könnte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1388,"orig":"Schweigend haͤlt ſie daher die Liebenden noch immer auseinander, und die Sache wird dadurch nicht beſſer.","norm":"Schweigend hält sie daher die Liebenden noch immer auseinander, und die Sache wird dadurch nicht besser."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1389,"orig":"Leiſe Andeutungen, die ihr manchmal entſchluͤpfen, wirken auf Ottilien nicht: denn Eduard hatte dieſe von Charlottens Neigung zum Hauptmann uͤberzeugt, ſie uͤberzeugt, daß Charlotte ſelbſt eine Scheidung wuͤnſche, die er nun auf eine anſtaͤndige Weiſe zu bewirken denke.","norm":"Leise Andeutungen, die ihr manchmal entschlüpfen, wirken auf Ottilie nicht: denn Eduard hatte diese von Charlottes Neigung zum Hauptmann überzeugt, sie überzeugt, dass Charlotte selbst eine Scheidung wünsche, die er nun auf eine anständige Weise zu bewirken denke."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1390,"orig":"Ottilie getragen durch das Gefuͤhl ihrer Unſchuld, auf dem Wege zu dem erwuͤnſchteſten Gluͤck, lebt nur fuͤr Eduard.","norm":"Ottilie getragen durch das Gefühl ihrer Unschuld, auf dem Wege zu dem erwünschtesten Glück, lebt nur für Eduard."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1391,"orig":"Durch die Liebe zu ihm in allem Guten geſtaͤrkt, um ſeinetwillen freudiger in ihrem Thun, aufgeſchloſſener gegen andre, findet ſie ſich in einem Himmel auf Erden.","norm":"Durch die Liebe zu ihm in allem Guten gestärkt, um seinetwillen freudiger in ihrem Tun, aufgeschlossener gegen andere, findet sie sich in einem Himmel auf Erden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1392,"orig":"So ſetzen alle zuſammen, jeder auf ſeine Weiſe, das taͤgliche Leben fort, mit und ohne Nachdenken; alles ſcheint ſeinen gewoͤhnlichen Gang zu gehen, wie man auch in ungeheuren Faͤllen, wo alles auf dem Spiele ſteht, noch immer ſo fort lebt, als wenn von nichts die Rede waͤre.","norm":"So setzen alle zusammen, jeder auf seine Weise, das tägliche Leben fort, mit und ohne Nachdenken; alles scheint seinen gewöhnlichen Gang zu gehen, wie man auch in ungeheuren Fällen, wo alles auf dem Spiele steht, noch immer so fortlebt, als wenn von nichts die Rede wäre."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1393,"orig":"Von dem Grafen war indeſſen ein Brief an den Hauptmann angekommen, und zwar ein doppelter, einer zum Vorzeigen, der ſehr ſchoͤne Ausſichten in die Ferne darwies, der andre hingegen, der ein entſchiedenes Anerbieten fuͤr die Gegenwart enthielt, eine bedeutende Hof- und Geſchaͤftsſtelle, den Charakter als Major, anſehnlichen Gehalt, und andre Vortheile, ſollte wegen verſchiedener Nebenumſtaͤnde noch geheim gehalten werden.","norm":"Von dem Grafen war indessen ein Brief an den Hauptmann angekommen, und zwar ein doppelter, einer zum Vorzeigen, der sehr schöne Aussichten in die Ferne darwies, der andere hingegen, der ein entschiedenes Anerbieten für die Gegenwart enthielt, eine bedeutende Hof- und Geschäftsstelle, den Charakter als Major, ansehnlichen Gehalt, und andere Vorteile, sollte wegen verschiedener Nebenumstände noch geheimgehalten werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1394,"orig":"Auch unterrichtete der Hauptmann ſeine Freunde nur von jenen Hoffnungen und verbarg was ſo nahe bevorſtand.","norm":"Auch unterrichtete der Hauptmann seine Freunde nur von jenen Hoffnungen und verbarg was so nahe bevorstand."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1395,"orig":"Indeſſen ſetzte er die gegenwaͤrtigen Geſchaͤfte lebhaft fort und machte in der Stille Einrichtungen, wie alles in ſeiner Abweſenheit ungehinderten Fortgang haben koͤnnte.","norm":"Indessen setzte er die gegenwärtigen Geschäfte lebhaft fort und machte in der Stille Einrichtungen, wie alles in seiner Abwesenheit ungehinderten Fortgang haben könnte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1396,"orig":"Es iſt ihm nun ſelbſt daran gelegen, daß fuͤr manches ein Termin beſtimmt werde, daß Ottiliens Geburtstag manches beſchleunige.","norm":"Es ist ihm nun selbst daran gelegen, dass für manches ein Termin bestimmt werde, dass Ottilies Geburtstag manches beschleunige."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1397,"orig":"Nun wirken die beyden Freunde, obſchon ohne ausdruͤckliches Einverſtaͤndniß, gern zuſammen.","norm":"Nun wirken die beiden Freunde, obschon ohne ausdrückliches Einverständnis, gern zusammen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1398,"orig":"Eduard iſt nun recht zufrieden, daß man durch das Vorauserheben der Gelder die Caſſe verſtaͤrkt hat; die ganze Anſtalt ruͤckt auf das raſcheſte vorwaͤrts.","norm":"Eduard ist nun recht zufrieden, dass man durch das Vorauserheben der Gelder die Kasse verstärkt hat; die ganze Anstalt rückt auf das rascheste vorwärts."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1399,"orig":"Die drey Teiche in einen See zu verwandeln haͤtte jetzt der Hauptmann am liebſten ganz widerrathen.","norm":"Die drei Teiche in einen See zu verwandeln hätte jetzt der Hauptmann am liebsten ganz widerraten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1400,"orig":"Der untere Damm war zu verſtaͤrken, die mittlern abzutragen, und die ganze Sache in mehr als einem Sinne wichtig und bedenklich.","norm":"Der untere Damm war zu verstärken, die mittleren abzutragen, und die ganze Sache in mehr als einem Sinne wichtig und bedenklich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1401,"orig":"Beyde Arbeiten aber, wie ſie ineinander wirken konnten, waren ſchon angefangen, und hier kam ein junger Architect, ein ehemaliger Zoͤgling des Hauptmanns, ſehr erwuͤnſcht, der theils mit Anſtellung tuͤchtiger Meiſter, theils mit Verdingen der Arbeit, wo ſich's thun ließ, die Sache foͤrderte und dem Werke Sicherheit und Dauer verſprach; wobey ſich der Hauptmann im Stillen freute, daß man ſeine Entfernung nicht fuͤhlen wuͤrde.","norm":"Beide Arbeiten aber, wie sie ineinanderwirken konnten, waren schon angefangen, und hier kam ein junger Architekt, ein ehemaliger Zögling des Hauptmanns, sehr erwünscht, der teils mit Anstellung tüchtiger Meister, teils mit Verdingen der Arbeit, wo sich es tun ließ, die Sache förderte und dem Werke Sicherheit und Dauer versprach; wobei sich der Hauptmann im Stillen freute, dass man seine Entfernung nicht fühlen würde."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1402,"orig":"Denn er hatte den Grundſatz, aus einem uͤbernommenen unvollendeten Geſchaͤft nicht zu ſcheiden, bis er ſeine Stelle genugſam erſetzt ſaͤhe.","norm":"Denn er hatte den Grundsatz, aus einem übernommenen unvollendeten Geschäft nicht zu scheiden, bis er seine Stelle genugsam ersetzt sähe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1403,"orig":"Ja er verachtete diejenigen, die, um ihren Abgang fuͤhlbar zu machen, erſt noch Verwirrung in ihrem Kreiſe anrichten, indem ſie als ungebildete Selbſtler das zu zerſtoͤren wuͤnſchen, wobey ſie nicht mehr fortwirken ſollen.","norm":"Ja er verachtete diejenigen, die, um ihren Abgang fühlbar zu machen, erst noch Verwirrung in ihrem Kreise anrichten, indem sie als ungebildete Selbstler das zu zerstören wünschen, wobei sie nicht mehr fortwirken sollen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1404,"orig":"So arbeitete man immer mit Anſtrengung, um Ottiliens Geburtstag zu verherrlichen, ohne daß man es ausſprach, oder ſich's recht aufrichtig bekannte.","norm":"So arbeitete man immer mit Anstrengung, um Ottilies Geburtstag zu verherrlichen, ohne dass man es aussprach, oder sich es recht aufrichtig bekannte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1405,"orig":"Nach Charlottens obgleich neidloſen Geſinnungen konnte es doch kein entſchiedenes Feſt werden.","norm":"Nach Charlottes obgleich neidlosen Gesinnungen konnte es doch kein entschiedenes Fest werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1406,"orig":"Die Jugend Ottiliens, ihre Gluͤcksumſtaͤnde, das Verhaͤltniß zur Familie berechtigten ſie nicht als Koͤniginn eines Tages zu erſcheinen.","norm":"Die Jugend Ottilies, ihre Glücksumstände, das Verhältnis zur Familie berechtigten sie nicht als Königin eines Tages zu erscheinen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1407,"orig":"Und Eduard wollte nicht davon geſprochen haben, weil alles wie von ſelbſt entſpringen, uͤberraſchen und natuͤrlich erfreuen ſollte.","norm":"Und Eduard wollte nicht davon gesprochen haben, weil alles wie von selbst entspringen, überraschen und natürlich erfreuen sollte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1408,"orig":"Alle kamen daher ſtillſchweigend in dem Vorwande uͤberein, als wenn an dieſem Tage, ohne weitere Beziehung, jenes Luſthaus gerichtet werden ſollte, und bey dieſem Anlaß konnte man dem Volke ſo wie den Freunden ein Feſt ankuͤndigen.","norm":"Alle kamen daher stillschweigend in dem Vorwande überein, als wenn an diesem Tage, ohne weitere Beziehung, jenes Lusthaus gerichtet werden sollte, und bei diesem Anlass konnte man dem Volke sowie den Freunden ein Fest ankündigen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1409,"orig":"Eduards Neigung war aber graͤnzenlos.","norm":"Eduards Neigung war aber grenzenlos."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1410,"orig":"Wie er ſich Ottilien zuzueignen begehrte; ſo kannte er auch kein Maaß des Hingebens, Schenkens, Verſprechens.","norm":"Wie er sich Ottilie zuzueignen begehrte; so kannte er auch kein Maß des Hingebens, Schenkens, Versprechens."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1411,"orig":"Zu einigen Gaben, die er Ottilien an dieſem Tage verehren wollte, hatte ihm Charlotte viel zu aͤrmliche Vorſchlaͤge gethan.","norm":"Zu einigen Gaben, die er Ottilie an diesem Tage verehren wollte, hatte ihm Charlotte viel zu ärmliche Vorschläge getan."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1412,"orig":"Er ſprach mit ſeinem Kammerdiener, der ſeine Garderobe beſorgte und mit Handelsleuten und Modehaͤndlern in beſtaͤndigem Verhaͤltniß blieb; dieſer, nicht unbekannt ſowohl mit den angenehmſten Gaben ſelbſt als mit der beſten Art ſie zu uͤberreichen, beſtellte ſogleich in der Stadt den niedlichſten Koffer mit rothem Saffian uͤberzogen, mit Stahlnaͤgeln beſchlagen, und angefuͤllt mit Geſchenken einer ſolchen Schale wuͤrdig.","norm":"Er sprach mit seinem Kammerdiener, der seine Garderobe besorgte und mit Handelsleuten und Modehändlern in beständigem Verhältnis blieb; dieser, nicht unbekannt sowohl mit den angenehmsten Gaben selbst als mit der besten Art sie zu überreichen, bestellte sogleich in der Stadt den niedlichsten Koffer mit rotem Saffian überzogen, mit Stahlnägeln beschlagen, und angefüllt mit Geschenken einer solchen Schale würdig."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1413,"orig":"Noch einen andern Vorſchlag that er Eduarden.","norm":"Noch einen anderen Vorschlag tat er Eduard."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1414,"orig":"Es war ein kleines Feuerwerk vorhanden, das man immer abzubrennen verſaͤumt hatte.","norm":"Es war ein kleines Feuerwerk vorhanden, das man immer abzubrennen versäumt hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1415,"orig":"Dieß konnte man leicht verſtaͤrken und erweitern.","norm":"Dies konnte man leicht verstärken und erweitern."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1416,"orig":"Eduard ergriff den Gedanken und jener verſprach fuͤr die Ausfuͤhrung zu ſorgen.","norm":"Eduard ergriff den Gedanken und jener versprach für die Ausführung zu Sorgen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1417,"orig":"Die Sache ſollte ein Geheimniß bleiben.","norm":"Die Sache sollte ein Geheimnis bleiben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1418,"orig":"Der Hauptmann hatte unterdeſſen, je naͤher der Tag heranruͤckte, ſeine polizeylichen Einrichtungen getroffen, die er fuͤr ſo noͤthig hielt, wenn eine Maſſe Menſchen zuſammen berufen oder gelockt wird.","norm":"Der Hauptmann hatte unterdessen, je näher der Tag heranrückte, seine polizeilichen Einrichtungen getroffen, die er für so nötig hielt, wenn eine Masse Menschen zusammenberufen oder gelockt wird."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1419,"orig":"Ja ſogar hatte er wegen des Bettelns, und andrer Unbequemlichkeiten, wodurch die Anmuth eines Feſtes geſtoͤrt wird, durchaus Vorſorge genommen.","norm":"Ja sogar hatte er wegen des Bettelns, und anderer Unbequemlichkeiten, wodurch die Anmut eines Festes gestört wird, durchaus Vorsorge genommen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1420,"orig":"Eduard und ſein Vertrauter dagegen beſchaͤftigten ſich vorzuͤglich mit dem Feuerwerk.","norm":"Eduard und sein Vertrauter dagegen beschäftigten sich vorzüglich mit dem Feuerwerk."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1421,"orig":"Am mittelſten Teiche vor jenen großen Eichbaͤumen ſollte es abgebrannt werden; gegenuͤber unter den Platanen ſollte die Geſellſchaft ſich aufhalten, um die Wirkung aus gehoͤriger Ferne, die Abſpiegelung im Waſſer, und was auf dem Waſſer ſelbſt brennend zu ſchwimmen beſtimmt war, mit Sicherheit und Bequemlichkeit anzuſchauen.","norm":"Am mittelsten Teiche vor jenen großen Eichbäumen sollte es abgebrannt werden; gegenüber unter den Platanen sollte die Gesellschaft sich aufhalten, um die Wirkung aus gehöriger Ferne, die Abspiegelung im Wasser, und was auf dem Wasser selbst brennend zu schwimmen bestimmt war, mit Sicherheit und Bequemlichkeit anzuschauen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1422,"orig":"Unter einem andern Vorwand ließ daher Eduard den Raum unter den Platanen von Geſtraͤuch, Gras und Moos ſaͤubern, und nun erſchien erſt die Herrlichkeit des Baumwuchſes ſowohl an Hoͤhe als Breite auf dem gereinigten Boden.","norm":"Unter einem anderen Vorwand ließ daher Eduard den Raum unter den Platanen von Gesträuch, Gras und Moos säubern, und nun erschien erst die Herrlichkeit des Baumwuchses sowohl an Höhe als Breite auf dem gereinigten Boden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1423,"orig":"Eduard empfand daruͤber die groͤßte Freude.","norm":"Eduard empfand darüber die größte Freude."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1424,"orig":"— Es war ungefaͤhr um dieſe Jahreszeit als ich ſie pflanzte.","norm":"— Es war ungefähr um diese Jahreszeit als ich sie pflanzte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1425,"orig":"Wie lange mag es her ſeyn?","norm":"Wie lange mag es her sein?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1426,"orig":"ſagte er zu ſich ſelbſt.","norm":"sagte er zu sich selbst."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1427,"orig":"— Sobald er nach Hauſe kam, ſchlug er in alten Tagebuͤchern nach, die ſein Vater, beſonders auf dem Lande, ſehr ordentlich gefuͤhrt hatte.","norm":"— Sobald er nach Hause kam, schlug er in alten Tagebüchern nach, die sein Vater, besonders auf dem Lande, sehr ordentlich geführt hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1428,"orig":"Zwar dieſe Pflanzung konnte nicht darin erwaͤhnt ſeyn, aber eine andre haͤuslich wichtige Begebenheit an demſelben Tage, deren ſich Eduard noch wohl erinnerte, mußte nothwendig darin angemerkt ſtehen.","norm":"Zwar diese Pflanzung konnte nicht darin erwähnt sein, aber eine andere häuslich wichtige Begebenheit an demselben Tage, deren sich Eduard noch wohl erinnerte, musste notwendig darin angemerkt stehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1429,"orig":"Er durchblaͤttert einige Baͤnde; der Umſtand findet ſich: aber wie erſtaunt, wie erfreut iſt Eduard, als er das wunderbarſte Zuſammentreffen bemerkt.","norm":"Er durchblättert einige Bände; der Umstand findet sich: Aber wie erstaunt, wie erfreut ist Eduard, als er das wunderbarste Zusammentreffen bemerkt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1430,"orig":"Der Tag, das Jahr jener Baumpflanzung iſt zugleich der Tag, das Jahr von Ottiliens Geburt.","norm":"Der Tag, das Jahr jener Baumpflanzung ist zugleich der Tag, das Jahr von Ottilies Geburt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1431,"orig":"Endlich leuchtete Eduarden der ſehnlich erwartete Morgen und nach und nach ſtellten viele Gaͤſte ſich ein: denn man hatte die Einladungen weit umher geſchickt, und manche die das Legen des Grundſteins verſaͤumt hatten, wovon man ſo viel artiges erzaͤhlte, wollten dieſe zweyte Feyerlichkeit um ſo weniger verfehlen.","norm":"Endlich leuchtete Eduard der sehnlich erwartete Morgen und nach und nach stellten viele Gäste sich ein: denn man hatte die Einladungen weit umhergeschickt, und manche die das Legen des Grundsteins versäumt hatten, wovon man soviel artiges erzählte, wollten diese zweite Feierlichkeit um so weniger verfehlen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1432,"orig":"Vor Tafel erſchienen die Zimmerleute mit Muſik im Schloßhofe, ihren reichen Kranz tragend, der aus vielen ſtufenweiſe uͤbereinander ſchwankenden Laub- und Blumenreifen zuſammengeſetzt war.","norm":"Vor Tafel erschienen die Zimmerleute mit Musik im Schlosshofe, ihren reichen Kranz tragend, der aus vielen stufenweise übereinander schwankenden Laub- und Blumenreifen zusammengesetzt war."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1433,"orig":"Sie ſprachen ihren Gruß, und erbaten ſich zur gewoͤhnlichen Ausſchmuͤckung ſeidene Tuͤcher und Baͤnder von dem ſchoͤnen Geſchlecht.","norm":"Sie sprachen ihren Gruß, und erbaten sich zur gewöhnlichen Ausschmückung seidene Tücher und Bänder von dem schönen Geschlecht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1434,"orig":"Indeß die Herrſchaft ſpeiſte, ſetzten ſie ihren jauchzenden Zug weiter fort, und nachdem ſie ſich eine Zeit lang im Dorfe aufgehalten und daſelbſt Frauen und Maͤdchen gleichfalls um manches Band gebracht; ſo kamen ſie endlich, begleitet und erwartet von einer großen Menge, auf die Hoͤhe wo das gerichtete Haus ſtand.","norm":"Indes die Herrschaft speiste, setzten sie ihren jauchzenden Zug weiter fort, und nachdem sie sich eine Zeitlang im Dorfe aufgehalten und daselbst Frauen und Mädchen gleichfalls um manches Band gebracht; so kamen sie endlich, begleitet und erwartet von einer großen Menge, auf die Höhe wo das gerichtete Haus stand."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1435,"orig":"Charlotte hielt nach der Tafel die Geſellſchaft einigermaßen zuruͤck.","norm":"Charlotte hielt nach der Tafel die Gesellschaft einigermaßen zurück."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1436,"orig":"Sie wollte keinen feyerlichen foͤrmlichen Zug und man fand ſich daher in einzelnen Partieen, ohne Rang und Ordnung, auf dem Platz gemaͤchlich ein.","norm":"Sie wollte keinen feierlichen förmlichen Zug und man fand sich daher in einzelnen Partien, ohne Rang und Ordnung, auf dem Platz gemächlich ein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1437,"orig":"Charlotte zoͤgerte mit Ottilien und machte dadurch die Sache nicht beſſer: denn weil Ottilie wirklich die letzte war die herantrat, ſo ſchien es als wenn Trompeten und Pauken nur auf ſie gewartet haͤtten, als wenn die Feyerlichkeit bey ihrer Ankunft nun gleich beginnen muͤßte.","norm":"Charlotte zögerte mit Ottilie und machte dadurch die Sache nicht besser: denn weil Ottilie wirklich die letzte war die herantrat, so schien es als wenn Trompeten und Pauken nur auf sie gewartet hätten, als wenn die Feierlichkeit bei ihrer Ankunft nun gleich beginnen müsste."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1438,"orig":"Dem Hauſe das rohe Anſehn zu nehmen, hatte man es mit gruͤnem Reiſig und Blumen, nach Angabe des Hauptmanns, architectoniſch ausgeſchmuͤckt, allein ohne deſſen Mitwiſſen hatte Eduard den Architecten veranlaßt, in dem Geſims das Datum mit Blumen zu bezeichnen.","norm":"Dem Hause das rohe Ansehen zu nehmen, hatte man es mit grünem Reisig und Blumen, nach Angabe des Hauptmanns, architektonisch ausgeschmückt, allein ohne dessen Mitwissen hatte Eduard den Architekten veranlasst, in dem Gesims das Datum mit Blumen zu bezeichnen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1439,"orig":"Das mochte noch hingehen; allein zeitig genug langte der Hauptmann an, um zu verhindern, daß nicht auch der Name Ottiliens im Giebelfelde glaͤnzte.","norm":"Das mochte noch hingehen; allein zeitig genug langte der Hauptmann an, um zu verhindern, dass nicht auch der Name Ottilies im Giebelfelde glänzte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1440,"orig":"Er wußte dieſes Beginnen auf eine geſchickte Weiſe abzulehnen und die ſchon fertigen Blumenbuchſtaben bey Seite zu bringen.","norm":"Er wusste dieses Beginnen auf eine geschickte Weise abzulehnen und die schon fertigen Blumenbuchstaben beiseite zu bringen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1441,"orig":"Der Kranz war aufgeſteckt und weit umher in der Gegend ſichtbar.","norm":"Der Kranz war aufgesteckt und weit umher in der Gegend sichtbar."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1442,"orig":"Bunt flatterten die Baͤnder und Tuͤcher in der Luft und eine kurze Rede verſcholl zum groͤßten Theil im Winde.","norm":"Bunt flatterten die Bänder und Tücher in der Luft und eine kurze Rede verschollte zum größten Teil im Winde."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1443,"orig":"Die Feyerlichkeit war zu Ende, der Tanz auf dem geebneten und mit Lauben umkreiſeten Platze vor dem Gebaͤude ſollte nun angehen.","norm":"Die Feierlichkeit war zu Ende, der Tanz auf dem geebneten und mit Lauben umkreisten Platze vor dem Gebäude sollte nun angehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1444,"orig":"Ein ſchmucker Zimmergeſelle fuͤhrte Eduarden ein flinkes Bauermaͤdchen zu, und forderte Ottilien auf, welche daneben ſtand.","norm":"Ein schmucker Zimmergeselle führte Eduard ein flinkes Bauermädchen zu, und forderte Ottilie auf, welche danebenstand."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1445,"orig":"Die beyden Paare fanden ſogleich ihre Nachfolger und bald genug wechſelte Eduard, indem er Ottilien ergriff und mit ihr die Runde machte.","norm":"Die beiden Paare fanden sogleich ihre Nachfolger und bald genug wechselte Eduard, indem er Ottilie ergriff und mit ihr die Runde machte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1446,"orig":"Die juͤngere Geſellſchaft miſchte ſich froͤhlich in den Tanz des Volks, indeß die aͤlteren beobachteten.","norm":"Die jüngere Gesellschaft mischte sich fröhlich in den Tanz des Volks, indes die Älteren beobachteten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1447,"orig":"Sodann, ehe man ſich auf den Spazirgaͤngen zerſtreute, ward abgeredet, daß man ſich mit Untergang der Sonne bey den Platanen wieder verſammeln wolle.","norm":"Sodann, ehe man sich auf den Spaziergängen zerstreute, wurde abgeredet, dass man sich mit Untergang der Sonne bei den Platanen wieder versammeln wolle."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1448,"orig":"Eduard fand ſich zuerſt ein, ordnete alles und nahm Abrede mit dem Kammerdiener, der auf der andern Seite, in Geſellſchaft des Feuerwerkers, die Luſterſcheinungen zu beſorgen hatte.","norm":"Eduard fand sich zuerst ein, ordnete alles und nahm Abrede mit dem Kammerdiener, der auf der anderen Seite, in Gesellschaft des Feuerwerkers, die Lusterscheinungen zu besorgen hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1449,"orig":"Der Hauptmann bemerkte die dazu getroffenen Vorrichtungen nicht mit Vergnuͤgen; er wollte wegen des zu erwartenden Andrangs der Zuſchauer mit Eduard ſprechen, als ihn derſelbe etwas haſtig bat, er moͤge ihm dieſen Theil der Feyerlichkeit doch allein uͤberlaſſen.","norm":"Der Hauptmann bemerkte die dazu getroffenen Vorrichtungen nicht mit Vergnügen; er wollte wegen des zu erwartenden Andrangs der Zuschauer mit Eduard sprechen, als ihn derselbe etwas hastig bat, er möge ihm diesen Teil der Feierlichkeit doch allein überlassen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1450,"orig":"Schon hatte ſich das Volk auf die oberwaͤrts abgeſtochenen und vom Raſen entbloͤßten Daͤmme gedraͤngt, wo das Erdreich uneben und unſicher war.","norm":"Schon hatte sich das Volk auf die oberwärts abgestochenen und vom Rasen entblößten Dämme gedrängt, wo das Erdreich uneben und unsicher war."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1451,"orig":"Die Sonne ging unter, die Daͤmmerung trat ein, und in Erwartung groͤßerer Dunkelheit wurde die Geſellſchaft unter den Platanen mit Erfriſchungen bedient.","norm":"Die Sonne ging unter, die Dämmerung trat ein, und in Erwartung größerer Dunkelheit wurde die Gesellschaft unter den Platanen mit Erfrischungen bedient."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1452,"orig":"Man fand den Ort unvergleichlich und freute ſich in Gedanken, kuͤnftig von hier die Ausſicht auf einen weiten und ſo mannigfaltig begraͤnzten See zu genießen.","norm":"Man fand den Ort unvergleichlich und freute sich in Gedanken, künftig von hier die Aussicht auf einen weiten und so mannigfaltig begrenzten See zu genießen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1453,"orig":"Ein ruhiger Abend, eine vollkommene Windſtille verſprachen das naͤchtliche Feſt zu beguͤnſtigen, als auf einmal ein entſetzliches Geſchrey entſtand.","norm":"Ein ruhiger Abend, eine vollkommene Windstille versprachen das nächtliche Fest zu begünstigen, als auf einmal ein entsetzliches Geschrei entstand."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1454,"orig":"Große Schollen hatten ſich vom Damme losgetrennt, man ſah mehrere Menſchen ins Waſſer ſtuͤrzen.","norm":"Große Schollen hatten sich vom Damme losgetrennt, man sah mehrere Menschen ins Wasser stürzen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1455,"orig":"Das Erdreich hatte nachgegeben unter dem Draͤngen und Treten der immer zunehmenden Menge.","norm":"Das Erdreich hatte nachgegeben unter dem Drängen und Treten der immer zunehmenden Menge."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1456,"orig":"Jeder wollte den beſten Platz haben und nun konnte Niemand vorwaͤrts noch zuruͤck.","norm":"Jeder wollte den besten Platz haben und nun konnte niemand vorwärts noch zurück."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1457,"orig":"Jedermann ſprang auf und hinzu, mehr um zu ſchauen als zu thun: denn was war da zu thun wo Niemand hinreichen konnte.","norm":"Jedermann sprang auf und hinzu, mehr um zu schauen als zu tun: denn was war da zu tun wo niemand hinreichen konnte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1458,"orig":"Nebſt einigen Entſchloſſenen eilte der Hauptmann, trieb ſogleich die Menge von dem Damm herunter nach den Ufern, um den Huͤlfreichen freye Hand zu geben, welche die Verſinkenden herauszuziehen ſuchten.","norm":"Nebst einigen Entschlossenen eilte der Hauptmann, trieb sogleich die Menge von dem Damm herunter nach den Ufern, um den Hülfreichen freie Hand zu geben, welche die Versinkenden herauszuziehen suchten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1459,"orig":"Schon waren alle, theils durch eignes, theils durch fremdes Beſtreben, wieder auf dem Trocknen, bis auf einen Knaben, der durch allzu aͤngſtliches Bemuͤhen, ſtatt ſich dem Damm zu naͤhern, ſich davon entfernt hatte.","norm":"Schon waren alle, teils durch eigenes, teils durch fremdes Bestreben, wieder auf dem Trocknen, bis auf einen Knaben, der durch allzu ängstliches Bemühen, statt sich dem Damm zu nähern, sich davon entfernt hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1460,"orig":"Die Kraͤfte ſchienen ihn zu verlaſſen, nur einigemal kam noch eine Hand, ein Fuß in die Hoͤhe.","norm":"Die Kräfte schienen ihn zu verlassen, nur einige Mal kam noch eine Hand, ein Fuß in die Höhe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1461,"orig":"Ungluͤcklicher Weiſe war der Kahn auf der andern Seite, mit Feuerwerk gefuͤllt, nur langſam konnte man ihn ausladen und die Huͤlfe verzoͤgerte ſich.","norm":"Unglücklicherweise war der Kahn auf der anderen Seite, mit Feuerwerk gefüllt, nur langsam konnte man ihn ausladen und die Hilfe verzögerte sich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1462,"orig":"Des Hauptmanns Entſchluß war gefaßt, er warf die Oberkleider weg, aller Augen richteten ſich auf ihn, und ſeine tuͤchtige kraͤftige Geſtalt floͤßte Jedermann Zutrauen ein; aber ein Schrey der Ueberraſchung drang aus der Menge hervor, als er ſich ins Waſſer ſtuͤrzte.","norm":"Des Hauptmanns Entschluss war gefasst, er warf die Oberkleider weg, aller Augen richteten sich auf ihn, und seine tüchtige kräftige Gestalt flößte jedermann Zutrauen ein; aber ein Schrei der Überraschung drang aus der Menge hervor, als er sich ins Wasser stürzte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1463,"orig":"Jedes Auge begleitete ihn, der als geſchickter Schwimmer den Knaben bald erreichte und ihn, jedoch fuͤr todt, an den Damm brachte.","norm":"Jedes Auge begleitete ihn, der als geschickter Schwimmer den Knaben bald erreichte und ihn, jedoch für tot, an den Damm brachte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1464,"orig":"Indeſſen ruderte der Kahn herbey, der Hauptmann beſtieg ihn und forſchte genau von den Anweſenden, ob denn auch wirklich alle gerettet ſeyen.","norm":"Indessen ruderte der Kahn herbei, der Hauptmann bestieg ihn und forschte genau von den Anwesenden, ob denn auch wirklich alle gerettet seien."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1465,"orig":"Der Chirurgus kommt und uͤbernimmt den todtgeglaubten Knaben;","norm":"Der Chirurg kommt und übernimmt den totgeglaubten Knaben;"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1466,"orig":"Charlotte tritt hinzu, ſie bittet den Hauptmann nur fuͤr ſich zu ſorgen, nach dem Schloſſe zuruͤckzukehren und die Kleider zu wechſeln.","norm":"Charlotte tritt hinzu, sie bittet den Hauptmann nur für sich zu Sorgen, nach dem Schlosse zurückzukehren und die Kleider zu wechseln."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1467,"orig":"Er zaudert, bis ihm geſetzte verſtaͤndige Leute, die ganz nahe gegenwaͤrtig geweſen, die ſelbſt zur Rettung der einzelnen beygetragen, auf das heiligſte verſichern, daß alle gerettet ſeyen.","norm":"Er zaudert, bis ihm gesetzte verständige Leute, die ganz nahe gegenwärtig gewesen, die selbst zur Rettung der einzelnen beigetragen, auf das heiligste versichern, dass alle gerettet seien."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1468,"orig":"Charlotte ſieht ihn nach Hauſe gehen, ſie denkt, daß Wein und Thee, und was ſonſt noͤthig waͤre, verſchloſſen iſt, daß in ſolchen Faͤllen die Menſchen gewoͤhnlich verkehrt handeln; ſie eilt durch die zerſtreute Geſellſchaft, die ſich noch unter den Platanen befindet;","norm":"Charlotte sieht ihn nach Hause gehen, sie denkt, dass Wein und Tee, und was sonst nötig wäre, verschlossen ist, dass in solchen Fällen die Menschen gewöhnlich verkehrt handeln; sie eilt durch die zerstreute Gesellschaft, die sich noch unter den Platanen befindet;"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1469,"orig":"Eduard iſt beſchaͤftigt Jedermann zuzureden: man ſoll bleiben; in kurzem gedenkt er das Zeichen zu geben und das Feuerwerk ſoll beginnen;","norm":"Eduard ist beschäftigt jedermann zuzureden: Man soll bleiben; in kurzem gedenkt er das Zeichen zu geben und das Feuerwerk soll beginnen;"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1470,"orig":"Charlotte tritt hinzu und bittet ihn, ein Vergnuͤgen zu verſchieben das jetzt nicht am Platze ſey, das in dem gegenwaͤrtigen Augenblick nicht genoſſen werden koͤnne; ſie erinnert ihn, was man dem Geretteten und dem Retter ſchuldig ſey.","norm":"Charlotte tritt hinzu und bittet ihn, ein Vergnügen zu verschieben das jetzt nicht am Platze sei, das in dem gegenwärtigen Augenblick nicht genossen werden könne; sie erinnert ihn, was man dem Geretteten und dem Retter schuldig sei."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1471,"orig":"Der Chirurgus wird ſchon ſeine Pflicht thun, verſetzte Eduard.","norm":"Der Chirurg wird schon seine Pflicht tun, versetzte Eduard."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1472,"orig":"Er iſt mit allem verſehen und unſer Zudringen waͤre nur eine hinderliche Theilnahme.","norm":"Er ist mit allem versehen und unser Zudringen wäre nur eine hinderliche Teilnahme."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1473,"orig":"Charlotte beſtand auf ihrem Sinne und winkte Ottilien, die ſich ſogleich zum Weggehn anſchickte.","norm":"Charlotte bestand auf ihrem Sinne und winkte Ottilie, die sich sogleich zum Weggehen anschickte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1474,"orig":"Eduard ergriff ihre Hand und rief:","norm":"Eduard ergriff ihre Hand und rief:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1475,"orig":"Wir wollen dieſen Tag nicht im Lazareth endigen!","norm":"Wir wollen diesen Tag nicht im Lazarett endigen!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1476,"orig":"Zur barmherzigen Schweſter iſt ſie zu gut.","norm":"Zur barmherzigen Schwester ist sie zu gut."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1477,"orig":"Auch ohne uns werden die Scheintodten erwachen und die Lebendigen ſich abtrocknen.","norm":"Auch ohne uns werden die Scheintoten erwachen und die Lebendigen sich abtrocknen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1478,"orig":"Charlotte ſchwieg und ging.","norm":"Charlotte schwieg und ging."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1479,"orig":"Einige folgten ihr, andere dieſen; endlich wollte Niemand der letzte ſeyn und ſo folgten alle.","norm":"Einige folgten ihr, andere diesen; endlich wollte niemand der letzte sein und so folgten alle."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1480,"orig":"Eduard und Ottilie fanden ſich allein unter den Platanen.","norm":"Eduard und Ottilie fanden sich allein unter den Platanen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1481,"orig":"Er beſtand darauf zu bleiben, ſo dringend, ſo aͤngſtlich ſie ihn auch bat, mit ihr nach dem Schloſſe zuruͤckzukehren.","norm":"Er bestand darauf zu bleiben, so dringend, so ängstlich sie ihn auch bat, mit ihr nach dem Schlosse zurückzukehren."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1482,"orig":"Nein, Ottilie!","norm":"Nein, Ottilie!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1483,"orig":"rief er: das Außerordentliche geſchieht nicht auf glattem gewoͤhnlichen Wege.","norm":"rief er: Das Außerordentliche geschieht nicht auf glattem gewöhnlichen Wege."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1484,"orig":"Dieſer uͤberraſchende Vorfall von heute Abend bringt uns ſchneller zuſammen.","norm":"Dieser überraschende Vorfall von heute Abend bringt uns schneller zusammen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1485,"orig":"Du biſt die meine!","norm":"Du bist die Meine!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1486,"orig":"Ich habe dir's ſchon ſo oft geſagt und geſchworen; wir wollen es nicht mehr ſagen und ſchwoͤren, nun ſoll es werden!","norm":"Ich habe dir es schon so oft gesagt und geschworen; wir wollen es nicht mehr sagen und schwören, nun soll es werden!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1487,"orig":"Der Kahn von der andern Seite ſchwamm heruͤber.","norm":"Der Kahn von der anderen Seite schwamm herüber."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1488,"orig":"Es war der Kammerdiener, der verlegen anfragte: was nunmehr mit dem Feuerwerk werden ſollte.","norm":"Es war der Kammerdiener, der verlegen anfragte: Was nunmehr mit dem Feuerwerk werden sollte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1489,"orig":"Brennt es ab!","norm":"Brennt es ab!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1490,"orig":"rief er ihm entgegen.","norm":"rief er ihm entgegen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1491,"orig":"Fuͤr dich allein war es beſtellt, Ottilie, und nun ſollſt du es auch allein ſehen!","norm":"Für dich allein war es bestellt, Ottilie, und nun sollst du es auch allein sehen!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1492,"orig":"Erlaube mir an deiner Seite ſitzend, es mit zu genießen.","norm":"Erlaube mir an deiner Seite sitzend, es mitzugenießen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1493,"orig":"Zaͤrtlich beſcheiden ſetzte er ſich neben ſie ohne ſie zu beruͤhren.","norm":"Zärtlich bescheiden setzte er sich neben sie ohne sie zu berühren."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1494,"orig":"Raketen rauſchten auf, Kanonenſchlaͤge donnerten, Leuchtkugeln ſtiegen, Schwaͤrmer ſchlaͤngelten und platzten, Raͤder giſchten, jedes erſt einzeln, dann gepaart, dann alle zuſammen, und immer gewaltſamer hintereinander und zuſammen.","norm":"Raketen rauschten auf, Kanonenschläge donnerten, Leuchtkugeln stiegen, Schwärmer schlängelten und platzten, Räder gischten, jedes erst einzeln, dann gepaart, dann alle zusammen, und immer gewaltsamer hintereinander und zusammen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1495,"orig":"Eduard deſſen Buſen brannte, verfolgte mit lebhaft zufriedenem Blick dieſe feurigen Erſcheinungen.","norm":"Eduard dessen Busen brannte, verfolgte mit lebhaft zufriedenem Blick diese feurigen Erscheinungen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1496,"orig":"Ottiliens zartem, aufgeregten Gemuͤth war dieſes rauſchende blitzende Entſtehen und Verſchwinden eher aͤngſtlich als angenehm.","norm":"Ottilies zartem, aufgeregten Gemüt war dieses rauschende blitzende Entstehen und Verschwinden eher ängstlich als angenehm."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1497,"orig":"Sie lehnte ſich ſchuͤchtern an Eduard, dem dieſe Annaͤherung, dieſes Zutrauen das volle Gefuͤhl gab, daß ſie ihm ganz angehoͤre.","norm":"Sie lehnte sich schüchtern an Eduard, dem diese Annäherung, dieses Zutrauen das volle Gefühl gab, dass sie ihm ganz angehöre."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1498,"orig":"Die Nacht war kaum in ihre Rechte wieder eingetreten, als der Mond aufging und die Pfade der beyden Ruͤckkehrenden beleuchtete.","norm":"Die Nacht war kaum in ihre Rechte wieder eingetreten, als der Mond aufging und die Pfade der beiden Rückkehrenden beleuchtete."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1499,"orig":"Eine Figur, den Hut in der Hand, vertrat ihnen den Weg, und ſprach ſie um ein Almoſen an, da er an dieſem feſtlichen Tage verſaͤumt worden ſey.","norm":"Eine Figur, den Hut in der Hand, vertrat ihnen den Weg, und sprach sie um ein Almosen an, da er an diesem festlichen Tage versäumt worden sei."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1500,"orig":"Der Mond ſchien ihm ins Geſicht und Eduard erkannte die Zuͤge jenes zudringlichen Bettlers.","norm":"Der Mond schien ihm ins Gesicht und Eduard erkannte die Züge jenes zudringlichen Bettlers."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1501,"orig":"Aber ſo gluͤcklich wie er war, konnte er nicht ungehalten ſeyn, konnte es ihm nicht einfallen, daß beſonders fuͤr heute das Betteln hoͤchlich verpoͤnt worden.","norm":"Aber so glücklich wie er war, konnte er nicht ungehalten sein, konnte es ihm nicht einfallen, dass besonders für heute das Betteln höchlich verpönt worden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1502,"orig":"Er forſchte nicht lange in der Taſche und gab ein Goldſtuͤck hin.","norm":"Er forschte nicht lange in der Tasche und gab ein Goldstück hin."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1503,"orig":"Er haͤtte jeden gern gluͤcklich gemacht, da ſein Gluͤck ohne Graͤnzen ſchien.","norm":"Er hätte jeden gern glücklich gemacht, da sein Glück ohne Grenzen schien."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1504,"orig":"Zu Hauſe war indeß alles erwuͤnſcht gelungen.","norm":"Zu Hause war indes alles erwünscht gelungen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1505,"orig":"Die Thaͤtigkeit des Chirurgen, die Bereitſchaft alles Noͤthigen, der Beyſtand Charlottens, alles wirkte zuſammen und der Knabe ward wieder zum Leben hergeſtellt.","norm":"Die Tätigkeit des Chirurgen, die Bereitschaft alles Nötigen, der Beistand Charlottes, alles wirkte zusammen und der Knabe wurde wieder zum Leben hergestellt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1506,"orig":"Die Gaͤſte zerſtreuten ſich, ſowohl um noch etwas vom Feuerwerk aus der Ferne zu ſehen, als auch, um nach ſolchen verworrnen Scenen ihre ruhige Heimat wieder zu betreten.","norm":"Die Gäste zerstreuten sich, sowohl um noch etwas vom Feuerwerk aus der Ferne zu sehen, als auch, um nach solchen verworrenen Szenen ihre ruhige Heimat wieder zu betreten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1507,"orig":"Auch hatte der Hauptmann, geſchwind umgekleidet, an der noͤthigen Vorſorge thaͤtigen Antheil genommen; alles war beruhigt und er fand ſich mit Charlotten allein.","norm":"Auch hatte der Hauptmann, geschwind umgekleidet, an der nötigen Vorsorge tätigen Anteil genommen; alles war beruhigt und er fand sich mit Charlotten allein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1508,"orig":"Mit zutraulicher Freundlichkeit erklaͤrte er nun, daß ſeine Abreiſe nahe bevorſtehe.","norm":"Mit zutraulicher Freundlichkeit erklärte er nun, dass seine Abreise nahe bevorstehe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1509,"orig":"Sie hatte dieſen Abend ſo viel erlebt, daß dieſe Entdeckung wenig Eindruck auf ſie machte; ſie hatte geſehen, wie der Freund ſich aufopferte, wie er rettete und ſelbſt gerettet war.","norm":"Sie hatte diesen Abend so viel erlebt, dass diese Entdeckung wenig Eindruck auf sie machte; sie hatte gesehen, wie der Freund sich aufopferte, wie er rettete und selbst gerettet war."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1510,"orig":"Dieſe wunderbaren Ereigniſſe ſchienen ihr eine bedeutende Zukunft aber keine ungluͤckliche zu weiſſagen.","norm":"Diese wunderbaren Ereignisse schienen ihr eine bedeutende Zukunft aber keine unglückliche zu weissagen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1511,"orig":"Eduarden, der mit Ottilien hereintrat, wurde die bevorſtehende Abreiſe des Hauptmanns gleichfalls angekuͤndigt.","norm":"Eduard, der mit Ottilie hereintrat, wurde die bevorstehende Abreise des Hauptmanns gleichfalls angekündigt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1512,"orig":"Er argwohnte, daß Charlotte fruͤher um das Naͤhere gewußt habe, war aber viel zu ſehr mit ſich und ſeinen Abſichten beſchaͤftigt, als daß er es haͤtte uͤbel empfinden ſollen.","norm":"Er argwöhnte, dass Charlotte früher um das Nähere gewusst habe, war aber viel zu sehr mit sich und seinen Absichten beschäftigt, als dass er es hätte übel empfinden sollen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1513,"orig":"Im Gegentheil vernahm er aufmerkſam und zufrieden die gute und ehrenvolle Lage in die der Hauptmann verſetzt werden ſollte.","norm":"Im Gegenteil vernahm er aufmerksam und zufrieden die gute und ehrenvolle Lage in die der Hauptmann versetzt werden sollte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1514,"orig":"Unbaͤndig drangen ſeine geheimen Wuͤnſche den Begebenheiten vor.","norm":"Unbändig drangen seine geheimen Wünsche den Begebenheiten vor."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1515,"orig":"Schon ſah er jenen mit Charlotten verbunden, ſich mit Ottilien.","norm":"Schon sah er jenen mit Charlotten verbunden, sich mit Ottilie."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1516,"orig":"Man haͤtte ihm zu dieſem Feſt kein groͤßeres Geſchenk machen koͤnnen.","norm":"Man hätte ihm zu diesem Fest kein größeres Geschenk machen können."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1517,"orig":"Aber wie erſtaunt war Ottilie, als ſie auf ihr Zimmer trat und den koͤſtlichen kleinen Coffer auf ihrem Tiſche fand.","norm":"Aber wie erstaunt war Ottilie, als sie auf ihr Zimmer trat und den köstlichen kleinen Koffer auf ihrem Tische fand."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1518,"orig":"Sie ſaͤumte nicht ihn zu eroͤffnen.","norm":"Sie säumte nicht ihn zu eröffnen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1519,"orig":"Da zeigte ſich alles ſo ſchoͤn gepackt und geordnet, daß ſie es nicht auseinander zu nehmen, ja kaum zu luͤften wagte.","norm":"Da zeigte sich alles so schön gepackt und geordnet, dass sie es nicht auseinanderzunehmen, ja kaum zu lüften wagte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1520,"orig":"Muſſelin, Battiſt, Seide, Shawls und Spitzen wetteiferten an Feinheit, Zierlichkeit und Koſtbarkeit.","norm":"Musselin, Batist, Seide, Schals und Spitzen wetteiferten an Feinheit, Zierlichkeit und Kostbarkeit."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1521,"orig":"Auch war der Schmuck nicht vergeſſen.","norm":"Auch war der Schmuck nicht vergessen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1522,"orig":"Sie begriff wohl die Abſicht, ſie mehr als einmal vom Kopf bis auf den Fuß zu kleiden: es war aber alles ſo koſtbar und fremd, daß ſie ſich's in Gedanken nicht zuzueignen getraute.","norm":"Sie begriff wohl die Absicht, sie mehr als einmal vom Kopf bis auf den Fuß zu kleiden: Es war aber alles so kostbar und fremd, dass sie sich es in Gedanken nicht zuzueignen getraute."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1523,"orig":"Des andern Morgens war der Hauptmann verſchwunden, und ein dankbar gefuͤhltes Blatt an die Freunde von ihm zuruͤckgeblieben.","norm":"Des anderen Morgens war der Hauptmann verschwunden, und ein dankbar gefühltes Blatt an die Freunde von ihm zurückgeblieben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1524,"orig":"Er und Charlotte hatten Abends vorher ſchon halben und einſylbigen Abſchied genommen.","norm":"Er und Charlotte hatten Abends vorher schon halben und einsilbigen Abschied genommen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1525,"orig":"Sie empfand eine ewige Trennung und ergab ſich darein: denn in dem zweyten Briefe des Grafen, den ihr der Hauptmann zuletzt mittheilte, war auch von einer Ausſicht auf eine vortheilhafte Heirat die Rede; und obgleich er dieſem Punkt keine Aufmerkſamkeit ſchenkte, ſo hielt ſie doch die Sache ſchon fuͤr gewiß und entſagte ihm rein und voͤllig.","norm":"Sie empfand eine ewige Trennung und ergab sich darein: denn in dem zweiten Briefe des Grafen, den ihr der Hauptmann zuletzt mitteilte, war auch von einer Aussicht auf eine vorteilhafte Heirat die Rede; und obgleich er diesem Punkt keine Aufmerksamkeit schenkte, so hielt sie doch die Sache schon für gewiss und entsagte ihm rein und völlig."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1526,"orig":"Dagegen glaubte ſie nun auch die Gewalt, die ſie uͤber ſich ſelbſt ausgeuͤbt, von andern fordern zu koͤnnen.","norm":"Dagegen glaubte sie nun auch die Gewalt, die sie über sich selbst ausgeübt, von anderen fordern zu können."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1527,"orig":"Ihr war es nicht unmoͤglich geweſen, andern ſollte das Gleiche moͤglich ſeyn.","norm":"Ihr war es nicht unmöglich gewesen, anderen sollte das Gleiche möglich sein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1528,"orig":"In dieſem Sinne begann ſie das Geſpraͤch mit ihrem Gemahl, um ſomehr offen und zuverſichtlich, als ſie empfand, daß die Sache ein fuͤr allemal abgethan werden muͤſſe.","norm":"In diesem Sinne begann sie das Gespräch mit ihrem Gemahl, um somehr offen und zuversichtlich, als sie empfand, dass die Sache ein für allemal abgetan werden müsse."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1529,"orig":"Unſer Freund hat uns verlaſſen, ſagte ſie: wir ſind nun wieder gegen einander uͤber wie vormals, und es kaͤme nun wohl auf uns an, ob wir wieder voͤllig in den alten Zuſtand zuruͤckkehren wollten.","norm":"Unser Freund hat uns verlassen, sagte sie: Wir sind nun wieder gegeneinander über wie vormals, und es käme nun wohl auf uns an, ob wir wieder völlig in den alten Zustand zurückkehren wollten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1530,"orig":"Eduard, der nichts vernahm als was ſeiner Leidenſchaft ſchmeichelte, glaubte daß Charlotte durch dieſe Worte den fruͤheren Wittwenſtand bezeichnen und, obgleich auf unbeſtimmte Weiſe, zu einer Scheidung Hoffnung machen wolle.","norm":"Eduard, der nichts vernahm als was seiner Leidenschaft schmeichelte, glaubte dass Charlotte durch diese Worte den früheren Witwenstand bezeichnen und, obgleich auf unbestimmte Weise, zu einer Scheidung Hoffnung machen wolle."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1531,"orig":"Er antwortete deshalb mit Laͤcheln:","norm":"Er antwortete deshalb mit Lächeln:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1532,"orig":"Warum nicht?","norm":"Warum nicht?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1533,"orig":"Es kaͤme nur darauf an, daß man ſich verſtaͤndigte.","norm":"Es käme nur darauf an, dass man sich verständigte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1534,"orig":"Er fand ſich daher gar ſehr betrogen, als Charlotte verſetzte:","norm":"Er fand sich daher gar sehr betrogen, als Charlotte versetzte:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1535,"orig":"Auch Ottilien in eine andre Lage zu bringen, haben wir gegenwaͤrtig nur zu waͤhlen; denn es findet ſich eine doppelte Gelegenheit, ihr Verhaͤltniſſe zu geben die fuͤr ſie wuͤnſchenswerth ſind.","norm":"Auch Ottilie in eine andere Lage zu bringen, haben wir gegenwärtig nur zu wählen; denn es findet sich eine doppelte Gelegenheit, ihr Verhältnisse zu geben die für sie wünschenswert sind."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1536,"orig":"Sie kann in die Penſion zuruͤckkehren, da meine Tochter zur Großtante gezogen iſt; ſie kann in ein angeſehenes Haus aufgenommen werden, um mit einer einzigen Tochter alle Vortheile einer ſtandesmaͤßigen Erziehung zu genießen.","norm":"Sie kann in die Pension zurückkehren, da meine Tochter zur Großtante gezogen ist; sie kann in ein angesehenes Haus aufgenommen werden, um mit einer einzigen Tochter alle Vorteile einer standesmäßigen Erziehung zu genießen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1537,"orig":"Indeſſen, verſetzte Eduard ziemlich gefaßt, hat Ottilie ſich in unſerer freundlichen Geſellſchaft ſo verwoͤhnt, daß ihr eine andre wohl ſchwerlich willkommen ſeyn moͤchte.","norm":"Indessen, versetzte Eduard ziemlich gefasst, hat Ottilie sich in unserer freundlichen Gesellschaft so verwöhnt, dass ihr eine andere wohl schwerlich willkommen sein möchte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1538,"orig":"Wir haben uns alle verwoͤhnt, ſagte Charlotte, und du nicht zum letzten.","norm":"Wir haben uns alle verwöhnt, sagte Charlotte, und du nicht zum letzten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1539,"orig":"Indeſſen iſt es eine Epoche, die uns zur Beſinnung auffordert, die uns ernſtlich ermahnt, an das Beſte ſaͤmmtlicher Mitglieder unſeres kleinen Zirkels zu denken und auch irgend eine Aufopferung nicht zu verſagen.","norm":"Indessen ist es eine Epoche, die uns zur Besinnung auffordert, die uns ernstlich ermahnt, an das Beste sämtlicher Mitglieder unseres kleinen Zirkels zu denken und auch irgendeine Aufopferung nicht zu versagen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1540,"orig":"Wenigſtens finde ich es nicht billig, verſetzte Eduard, daß Ottilie aufgeopfert werde, und das geſchaͤhe doch wenn man ſie gegenwaͤrtig unter fremde Menſchen hinunter ſtieße.","norm":"Wenigstens finde ich es nicht billig, versetzte Eduard, dass Ottilie aufgeopfert werde, und das geschähe doch wenn man sie gegenwärtig unter fremde Menschen hinunterstieße."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1541,"orig":"Den Hauptmann hat ſein gutes Geſchick hier aufgeſucht; wir duͤrfen ihn mit Ruhe, ja mit Behagen von uns wegſcheiden laſſen.","norm":"Den Hauptmann hat sein gutes Geschick hier aufgesucht; wir dürfen ihn mit Ruhe, ja mit Behagen von uns wegscheiden lassen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1542,"orig":"Wer weiß was Ottilien bevorſteht; warum ſollten wir uns uͤbereilen?","norm":"Wer weiß was Ottilie bevorsteht; warum sollten wir uns übereilen?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1543,"orig":"Was uns bevorſteht iſt ziemlich klar, verſetzte Charlotte mit einiger Bewegung, und da ſie die Abſicht hatte ein fuͤr allemal ſich auszuſprechen, fuhr ſie fort:","norm":"Was uns bevorsteht ist ziemlich klar, versetzte Charlotte mit einiger Bewegung, und da sie die Absicht hatte ein für allemal sich auszusprechen, fuhr sie fort:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1544,"orig":"Du liebſt Ottilien, du gewoͤhnſt dich an ſie.","norm":"Du liebst Ottilie, du gewöhnst dich an sie."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1545,"orig":"Neigung und Leidenſchaft entſpringt und naͤhrt ſich auch von ihrer Seite.","norm":"Neigung und Leidenschaft entspringt und nährt sich auch von ihrer Seite."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1546,"orig":"Warum ſollen wir nicht mit Worten ausſprechen, was uns jede Stunde geſteht und bekennt?","norm":"Warum sollen wir nicht mit Worten aussprechen, was uns jede Stunde gesteht und bekennt?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1547,"orig":"Sollen wir nicht ſoviel Vorſicht haben, uns zu fragen, was das werden wird?","norm":"Sollen wir nicht soviel Vorsicht haben, uns zu fragen, was das werden wird?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1548,"orig":"Wenn man auch ſogleich darauf nicht antworten kann, verſetzte Eduard, der ſich zuſammennahm; ſo laͤßt ſich doch ſoviel ſagen, daß man eben alsdann ſich am erſten entſchließt abzuwarten was uns die Zukunft lehren wird, wenn man gerade nicht ſagen kann, was aus einer Sache werden ſoll.","norm":"Wenn man auch sogleich darauf nicht antworten kann, versetzte Eduard, der sich zusammennahm; so lässt sich doch soviel sagen, dass man eben alsdann sich am ersten entschließt abzuwarten was uns die Zukunft lehren wird, wenn man gerade nicht sagen kann, was aus einer Sache werden soll."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1549,"orig":"Hier vorauszuſehen, verſetzte Charlotte, bedarf es wohl keiner großen Weisheit, und ſoviel laͤßt ſich auf alle Faͤlle gleich ſagen, daß wir beyde nicht mehr jung genug ſind, um blindlings dahin zu gehen, wohin man nicht moͤchte oder nicht ſollte.","norm":"Hier vorauszusehen, versetzte Charlotte, bedarf es wohl keiner großen Weisheit, und soviel lässt sich auf alle Fälle gleich sagen, dass wir beide nicht mehr jung genug sind, um blindlings dahinzugehen, wohin man nicht möchte oder nicht sollte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1550,"orig":"Niemand kann mehr fuͤr uns ſorgen; wir muͤſſen unſre eigenen Freunde ſeyn, unſre eigenen Hofmeiſter.","norm":"Niemand kann mehr für uns Sorgen; wir müssen unsere eigenen Freunde sein, unsere eigenen Hofmeister."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1551,"orig":"Niemand erwartet von uns, daß wir uns in ein Aeußerſtes verlieren werden, Niemand erwartet uns tadelnswerth oder gar laͤcherlich zu finden.","norm":"Niemand erwartet von uns, dass wir uns in ein Äußerstes verlieren werden, niemand erwartet uns tadelnswert oder gar lächerlich zu finden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1552,"orig":"Kannſt du mir's verdenken, verſetzte Eduard, der die offne reine Sprache ſeiner Gattinn nicht zu erwiedern vermochte: kannſt du mich ſchelten, wenn mir Ottiliens Gluͤck am Herzen liegt?","norm":"Kannst du mir es verdenken, versetzte Eduard, der die offene reine Sprache seiner Gattin nicht zu erwidern vermochte: kannst du mich schelten, wenn mir Ottilies Glück am Herzen liegt?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1553,"orig":"und nicht etwa ein kuͤnftiges, das immer nicht zu berechnen iſt; ſondern ein gegenwaͤrtiges.","norm":"und nicht etwa ein künftiges, das immer nicht zu berechnen ist; sondern ein gegenwärtiges."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1554,"orig":"Denke dir, aufrichtig und ohne Selbſtbetrug, Ottilien aus unſerer Geſellſchaft geriſſen, und fremden Menſchen untergeben — ich wenigſtens fuͤhle mich nicht grauſam genug, ihr eine ſolche Veraͤnderung zuzumuthen.","norm":"Denke dir, aufrichtig und ohne Selbstbetrug, Ottilie aus unserer Gesellschaft gerissen, und fremden Menschen untergeben — ich wenigstens fühle mich nicht grausam genug, ihr eine solche Veränderung zuzumuten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1555,"orig":"Charlotte ward gar wohl die Entſchloſſenheit ihres Gemahls hinter ſeiner Verſtellung gewahr.","norm":"Charlotte wurde gar wohl die Entschlossenheit ihres Gemahls hinter seiner Verstellung gewahr."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1556,"orig":"Erſt jetzt fuͤhlte ſie, wie weit er ſich von ihr entfernt hatte.","norm":"Erst jetzt fühlte sie, wie weit er sich von ihr entfernt hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1557,"orig":"Mit einiger Bewegung rief ſie aus:","norm":"Mit einiger Bewegung rief sie aus:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1558,"orig":"Kann Ottilie gluͤcklich ſeyn, wenn ſie uns entzweyt!","norm":"Kann Ottilie glücklich sein, wenn sie uns entzweit!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1559,"orig":"wenn ſie mir einen Gatten, ſeinen Kindern einen Vater entreißt!","norm":"wenn sie mir einen Gatten, seinen Kindern einen Vater entreißt!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1560,"orig":"Fuͤr unſere Kinder, daͤchte ich, waͤre geſorgt, ſagte Eduard laͤchelnd und kalt; etwas freundlicher aber fuͤgte er hinzu:","norm":"Für unsere Kinder, dächte ich, wäre gesorgt, sagte Eduard lächelnd und kalt; etwas freundlicher aber fügte er hinzu:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1561,"orig":"Wer wird auch gleich das Aeußerſte denken!","norm":"Wer wird auch gleich das Äußerste denken!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1562,"orig":"Das Aeußerſte liegt der Leidenſchaft zu allernaͤchſt, bemerkte Charlotte.","norm":"Das Äußerste liegt der Leidenschaft zu allernächst, bemerkte Charlotte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1563,"orig":"Lehne, ſo lange es noch Zeit iſt, den guten Rath nicht ab, nicht die Huͤlfe die ich uns biete.","norm":"Lehne, solange es noch Zeit ist, den guten Rat nicht ab, nicht die Hilfe die ich uns biete."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1564,"orig":"In truͤben Faͤllen muß derjenige wirken und helfen der am klaͤrſten ſieht.","norm":"In trüben Fällen muss derjenige wirken und helfen der am klarsten sieht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1565,"orig":"Dießmal bin ich's.","norm":"Diesmal bin ich es."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1566,"orig":"Lieber, liebſter Eduard, laß mich gewaͤhren!","norm":"Lieber, liebster Eduard, lass mich gewähren!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1567,"orig":"Kannſt du mir zumuthen, daß ich auf mein wohlerworbnes Gluͤck, auf die ſchoͤnſten Rechte, auf dich ſo geradehin Verzicht leiſten ſoll?","norm":"Kannst du mir zumuten, dass ich auf mein wohlerworbenes Glück, auf die schönsten Rechte, auf dich so geradehin Verzicht leisten soll?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1568,"orig":"Wer ſagt das?","norm":"Wer sagt das?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1569,"orig":"verſetzte Eduard mit einiger Verlegenheit.","norm":"versetzte Eduard mit einiger Verlegenheit."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1570,"orig":"Du ſelbſt, verſetzte Charlotte: indem du Ottilien in der Naͤhe behalten willſt, geſtehſt du nicht alles zu, was daraus entſpringen muß?","norm":"Du selbst, versetzte Charlotte: indem du Ottilie in der Nähe behalten willst, gestehst du nicht alles zu, was daraus entspringen muss?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1571,"orig":"Ich will nicht in dich dringen; aber wenn du dich nicht uͤberwinden kannſt, ſo wirſt du wenigſtens dich nicht lange mehr betruͤgen koͤnnen.","norm":"Ich will nicht in dich dringen; aber wenn du dich nicht überwinden kannst, so wirst du wenigstens dich nicht lange mehr betrügen können."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1572,"orig":"Eduard fuͤhlte wie Recht ſie hatte.","norm":"Eduard fühlte wie Recht sie hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1573,"orig":"Ein ausgeſprochnes Wort iſt fuͤrchterlich, wenn es das auf einmal ausſpricht, was das Herz lange ſich erlaubt hat; und um nur fuͤr den Augenblick auszuweichen, erwiederte Eduard:","norm":"Ein ausgesprochenes Wort ist fürchterlich, wenn es das auf einmal ausspricht, was das Herz lange sich erlaubt hat; und um nur für den Augenblick auszuweichen, erwiderte Eduard:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1574,"orig":"Es iſt mir ja noch nicht einmal klar, was du vorhaſt.","norm":"Es ist mir ja noch nicht einmal klar, was du vorhast."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1575,"orig":"Meine Abſicht war, verſetzte Charlotte, mit dir die beyden Vorſchlaͤge zu uͤberlegen.","norm":"Meine Absicht war, versetzte Charlotte, mit dir die beiden Vorschläge zu überlegen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1576,"orig":"Beyde haben viel Gutes.","norm":"Beide haben viel Gutes."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1577,"orig":"Die Penſion wuͤrde Ottilien am gemaͤßeſten ſeyn, wenn ich betrachte, wie das Kind jetzt iſt.","norm":"Die Pension würde Ottilie am gemäßesten sein, wenn ich betrachte, wie das Kind jetzt ist."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1578,"orig":"Jene groͤßere und weitere Lage verſpricht aber mehr, wenn ich bedenke, was ſie werden ſoll.","norm":"Jene größere und weitere Lage verspricht aber mehr, wenn ich bedenke, was sie werden soll."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1579,"orig":"Sie legte darauf umſtaͤndlich ihrem Gemahl die beyden Verhaͤltniſſe dar und ſchloß mit den Worten:","norm":"Sie legte darauf umständlich ihrem Gemahl die beiden Verhältnisse dar und schloss mit den Worten:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1580,"orig":"Was meine Meynung betrifft; ſo wuͤrde ich das Haus jener Dame der Penſion vorziehen aus mehreren Urſachen, beſonders aber auch, weil ich die Neigung, ja die Leidenſchaft des jungen Mannes, den Ottilie dort fuͤr ſich gewonnen, nicht vermehren will.","norm":"Was meine Meinung betrifft; so würde ich das Haus jener Dame der Pension vorziehen aus mehreren Ursachen, besonders aber auch, weil ich die Neigung, ja die Leidenschaft des jungen Mannes, den Ottilie dort für sich gewonnen, nicht vermehren will."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1581,"orig":"Eduard ſchien ihr Beyfall zu geben, nur aber um einigen Aufſchub zu ſuchen.","norm":"Eduard schien ihr Beifall zu geben, nur aber um einigen Aufschub zu suchen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1582,"orig":"Charlotte, die darauf ausging etwas Entſcheidendes zu thun, ergriff ſogleich die Gelegenheit, als Eduard nicht unmittelbar widerſprach, die Abreiſe Ottiliens, zu der ſie ſchon alles im Stillen vorbereitet hatte, auf die naͤchſten Tage feſtzuſetzen.","norm":"Charlotte, die darauf ausging etwas Entscheidendes zu tun, ergriff sogleich die Gelegenheit, als Eduard nicht unmittelbar widersprach, die Abreise Ottilies, zu der sie schon alles im Stillen vorbereitet hatte, auf die nächsten Tage festzusetzen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1583,"orig":"Eduard ſchauderte; er hielt ſich fuͤr verrathen und die liebevolle Sprache ſeiner Frau fuͤr ausgedacht, kuͤnſtlich und planmaͤßig, um ihn auf ewig von ſeinem Gluͤcke zu trennen.","norm":"Eduard schauderte; er hielt sich für verraten und die liebevolle Sprache seiner Frau für ausgedacht, künstlich und planmäßig, um ihn auf ewig von seinem Glücke zu trennen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1584,"orig":"Er ſchien ihr die Sache ganz zu uͤberlaſſen; allein ſchon war innerlich ſein Entſchluß gefaßt.","norm":"Er schien ihr die Sache ganz zu überlassen; allein schon war innerlich sein Entschluss gefasst."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1585,"orig":"Um nur zu Athem zu kommen, um das bevorſtehende unabſehliche Unheil der Entfernung Ottiliens abzuwenden, entſchied er ſich ſein Haus zu verlaſſen, und zwar nicht ganz ohne Vorbewußt Charlottens, die er jedoch durch die Einleitung zu taͤuſchen verſtand, daß er bey Ottiliens Abreiſe nicht gegenwaͤrtig ſeyn, ja ſie von dieſem Augenblick an nicht mehr ſehen wolle.","norm":"Um nur zu Atem zu kommen, um das bevorstehende unabsehliche Unheil der Entfernung Ottilies abzuwenden, entschied er sich sein Haus zu verlassen, und zwar nicht ganz ohne Vorbewusst Charlottes, die er jedoch durch die Einleitung zu täuschen verstand, dass er bei Ottilies Abreise nicht gegenwärtig sein, ja sie von diesem Augenblick an nicht mehr sehen wolle."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1586,"orig":"Charlotte, die gewonnen zu haben glaubte, that ihm allen Vorſchub.","norm":"Charlotte, die gewonnen zu haben glaubte, tat ihm allen Vorschub."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1587,"orig":"Er befahl ſeine Pferde, gab dem Kammerdiener die noͤthige Anweiſung was er einpacken und wie er ihm folgen ſolle, und ſo, wie ſchon im Stegreife, ſetzte er ſich hin und ſchrieb.","norm":"Er befahl seine Pferde, gab dem Kammerdiener die nötige Anweisung was er einpacken und wie er ihm folgen solle, und so, wie schon im Stegreife, setzte er sich hin und schrieb."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1588,"orig":"Das Uebel, meine Liebe, das uns befallen hat, mag heilbar ſeyn oder nicht, dieß nur fuͤhl' ich, wenn ich im Augenblicke nicht verzweifeln ſoll, ſo muß ich Aufſchub finden fuͤr mich, fuͤr uns alle.","norm":"Das Übel, meine Liebe, das uns befallen hat, mag heilbar sein oder nicht, dies nur fühle ich, wenn ich im Augenblicke nicht verzweifeln soll, so muss ich Aufschub finden für mich, für uns alle."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1589,"orig":"Indem ich mich aufopfre kann ich fordern.","norm":"Indem ich mich aufopfre kann ich fordern."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1590,"orig":"Ich verlaſſe mein Haus und kehre nur unter guͤnſtigern ruhigern Ausſichten zuruͤck.","norm":"Ich verlasse mein Haus und kehre nur unter günstigeren ruhigeren Aussichten zurück."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1591,"orig":"Du ſollſt es indeſſen beſitzen, aber mit Ottilien.","norm":"Du sollst es indessen besitzen, aber mit Ottilie."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1592,"orig":"Bey dir will ich ſie wiſſen, nicht unter fremden Menſchen.","norm":"Bei dir will ich sie wissen, nicht unter fremden Menschen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1593,"orig":"Sorge fuͤr ſie, behandle ſie wie ſonſt, wie bisher, ja nur immer liebevoller, freundlicher und zarter.","norm":"Sorge für sie, behandle sie wie sonst, wie bisher, ja nur immer liebevoller, freundlicher und zarter."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1594,"orig":"Ich verſpreche kein heimliches Verhaͤltniß zu Ottilien zu ſuchen.","norm":"Ich verspreche kein heimliches Verhältnis zu Ottilie zu suchen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1595,"orig":"Laßt mich lieber eine Zeit lang ganz unwiſſend, wie ihr lebt; ich will mir das Beſte denken.","norm":"Lasst mich lieber eine Zeitlang ganz unwissend, wie ihr lebt; ich will mir das Beste denken."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1596,"orig":"Denkt auch ſo von mir.","norm":"Denkt auch so von mir."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1597,"orig":"Nur, was ich dich bitte, auf das innigſte, auf das lebhafteſte: mache keinen Verſuch Ottilien ſonſt irgendwo unterzugeben, in neue Verhaͤltniſſe zu bringen.","norm":"Nur, was ich dich bitte, auf das innigste, auf das lebhafteste: mache keinen Versuch Ottilie sonst irgendwo unterzugeben, in neue Verhältnisse zu bringen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1598,"orig":"Außer dem Bezirk deines Schloſſes, deines Parks, fremden Menſchen anvertraut, gehoͤrt ſie mir und ich werde mich ihrer bemaͤchtigen.","norm":"Außer dem Bezirk deines Schlosses, deines Parks, fremden Menschen anvertraut, gehört sie mir und ich werde mich ihrer bemächtigen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1599,"orig":"Ehrſt du aber meine Neigung, meine Wuͤnſche, meine Schmerzen; ſchmeichelſt du meinem Wahn, meinen Hoffnungen: ſo will ich auch der Geneſung nicht widerſtreben, wenn ſie ſich mir anbietet.","norm":"Ehrst du aber meine Neigung, meine Wünsche, meine Schmerzen; schmeichelst du meinem Wahn, meinen Hoffnungen: so will ich auch der Genesung nicht widerstreben, wenn sie sich mir anbietet."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1600,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1601,"orig":"Dieſe letzte Wendung floß ihm aus der Feder, nicht aus dem Herzen.","norm":"Diese letzte Wendung floss ihm aus der Feder, nicht aus dem Herzen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1602,"orig":"Ja wie er ſie auf dem Papier ſah, fing er bitterlich zu weinen an.","norm":"Ja wie er sie auf dem Papier sah, fing er bitterlich zu weinen an."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1603,"orig":"Er ſollte auf irgend eine Weiſe dem Gluͤck, ja dem Ungluͤck Ottilien zu lieben, entſagen!","norm":"Er sollte auf irgendeine Weise dem Glück, ja dem Unglück Ottilie zu lieben, entsagen!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1604,"orig":"Jetzt erſt fuͤhlte er was er that.","norm":"Jetzt erst fühlte er was er tat."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1605,"orig":"Er entfernte ſich, ohne zu wiſſen was daraus entſtehen konnte.","norm":"Er entfernte sich, ohne zu wissen was daraus entstehen konnte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1606,"orig":"Er ſollte ſie wenigſtens jetzt nicht wiederſehen, ob er ſie je wiederſaͤhe, welche Sicherheit konnte er ſich daruͤber verſprechen?","norm":"Er sollte sie wenigstens jetzt nicht wiedersehen, ob er sie je wiedersähe, welche Sicherheit konnte er sich darüber versprechen?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1607,"orig":"Aber der Brief war geſchrieben; die Pferde ſtanden vor der Thuͤr; jeden Augenblick mußte er fuͤrchten Ottilien irgendwo zu erblicken und zugleich ſeinen Entſchluß vereitelt zu ſehen.","norm":"Aber der Brief war geschrieben; die Pferde standen vor der Tür; jeden Augenblick musste er fürchten Ottilie irgendwo zu erblicken und zugleich seinen Entschluss vereitelt zu sehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1608,"orig":"Er faßte ſich; er dachte daß es ihm doch moͤglich ſey, jeden Augenblick zuruͤckzukehren und durch die Entfernung gerade ſeinen Wuͤnſchen naͤher zu kommen.","norm":"Er fasste sich; er dachte dass es ihm doch möglich sei, jeden Augenblick zurückzukehren und durch die Entfernung gerade seinen Wünschen näherzukommen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1609,"orig":"Im Gegentheil ſtellte er ſich Ottilien vor, aus dem Hauſe gedraͤngt, wenn er bliebe.","norm":"Im Gegenteil stellte er sich Ottilie vor, aus dem Hause gedrängt, wenn er bliebe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1610,"orig":"Er ſiegelte den Brief, eilte die Treppe hinab und ſchwang ſich aufs Pferd.","norm":"Er siegelte den Brief, eilte die Treppe hinab und schwang sich aufs Pferd."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1611,"orig":"Als er beym Wirthshauſe vorbeyritt, ſah er den Bettler in der Laube ſitzen, den er geſtern Nacht ſo reichlich beſchenkt hatte.","norm":"Als er beim Wirtshause vorbeiritt, sah er den Bettler in der Laube sitzen, den er gestern Nacht so reichlich beschenkt hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1612,"orig":"Dieſer ſaß behaglich an ſeinem Mittagsmahle, ſtand auf und neigte ſich ehrerbietig, ja anbetend vor Eduarden.","norm":"Dieser saß behaglich an seinem Mittagsmahle, stand auf und neigte sich ehrerbietig, ja anbetend vor Eduard."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1613,"orig":"Eben dieſe Geſtalt war ihm geſtern erſchienen, als er Ottilien am Arm fuͤhrte; nun erinnerte ſie ihn ſchmerzlich an die gluͤcklichſte Stunde ſeines Lebens.","norm":"Eben diese Gestalt war ihm gestern erschienen, als er Ottilie am Arm führte; nun erinnerte sie ihn schmerzlich an die glücklichste Stunde seines Lebens."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1614,"orig":"Seine Leiden vermehrten ſich; das Gefuͤhl deſſen was er zuruͤckließ war ihm unertraͤglich; nochmals blickte er nach dem Bettler:","norm":"Seine Leiden vermehrten sich; das Gefühl dessen was er zurückließ war ihm unerträglich; nochmals blickte er nach dem Bettler:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1615,"orig":"O du Beneidenswerther!","norm":"O du Beneidenswerter!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1616,"orig":"rief er aus: du kannſt noch am geſtrigen Almoſen zehren, und ich nicht mehr am geſtrigen Gluͤcke!","norm":"rief er aus: Du kannst noch am gestrigen Almosen zehren, und ich nicht mehr am gestrigen Glücke!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1617,"orig":"Ottilie trat ans Fenſter als ſie Jemanden wegreiten hoͤrte und ſah Eduarden noch im Ruͤcken.","norm":"Ottilie trat ans Fenster als sie Jemanden wegreiten hörte und sah Eduard noch im Rücken."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1618,"orig":"Es kam ihr wunderbar vor, daß er das Haus verließ, ohne ſie geſehen, ohne ihr einen Morgengruß geboten zu haben.","norm":"Es kam ihr wunderbar vor, dass er das Haus verließ, ohne sie gesehen, ohne ihr einen Morgengruß geboten zu haben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1619,"orig":"Sie ward unruhig und immer nachdenklicher, als Charlotte ſie auf einen weiten Spazirgang mit ſich zog und von mancherley Gegenſtaͤnden ſprach, aber des Gemahls, und wie es ſchien, vorſaͤtzlich, nicht erwaͤhnte.","norm":"Sie wurde unruhig und immer nachdenklicher, als Charlotte sie auf einen weiten Spaziergang mit sich zog und von mancherlei Gegenständen sprach, aber des Gemahls, und wie es schien, vorsätzlich, nicht erwähnte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1620,"orig":"Doppelt betroffen war ſie daher, bey ihrer Zuruͤckkunft den Tiſch nur mit zwey Gedecken beſetzt zu finden.","norm":"Doppelt betroffen war sie daher, bei ihrer Zurückkunft den Tisch nur mit zwei Gedecken besetzt zu finden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1621,"orig":"Wir vermiſſen ungern geringſcheinende Gewohnheiten, aber ſchmerzlich empfinden wir erſt ein ſolches Entbehren in bedeutenden Faͤllen.","norm":"Wir vermissen ungern gering scheinende Gewohnheiten, aber schmerzlich empfinden wir erst ein solches Entbehren in bedeutenden Fällen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1622,"orig":"Eduard und der Hauptmann fehlten, Charlotte hatte ſeit langer Zeit zum erſtenmal den Tiſch ſelbſt angeordnet, und es wollte Ottilien ſcheinen als wenn ſie abgeſetzt waͤre.","norm":"Eduard und der Hauptmann fehlten, Charlotte hatte seit langer Zeit zum ersten Mal den Tisch selbst angeordnet, und es wollte Ottilie scheinen als wenn sie abgesetzt wäre."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1623,"orig":"Die beyden Frauen ſaßen gegen einander uͤber;","norm":"Die beiden Frauen saßen gegeneinander über;"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1624,"orig":"Charlotte ſprach ganz unbefangen von der Anſtellung des Hauptmanns und von der wenigen Hoffnung ihn bald wieder zu ſehen.","norm":"Charlotte sprach ganz unbefangen von der Anstellung des Hauptmanns und von der wenigen Hoffnung ihn bald wiederzusehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1625,"orig":"Das einzige troͤſtete Ottilien in ihrer Lage, daß ſie glauben konnte, Eduard ſey, um den Freund noch eine Strecke zu begleiten, ihm nachgeritten.","norm":"Das einzige tröstete Ottilie in ihrer Lage, dass sie glauben konnte, Eduard sei, um den Freund noch eine Strecke zu begleiten, ihm nachgeritten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1626,"orig":"Allein, da ſie von Tiſche aufſtanden, ſahen ſie Eduards Reiſewagen unter dem Fenſter, und als Charlotte einigermaßen unwillig fragte: wer ihn hieher beſtellt habe; ſo antwortete man ihr, es ſey der Kammerdiener, der hier noch einiges aufpacken wolle.","norm":"Allein, da sie von Tische aufstanden, sahen sie Eduards Reisewagen unter dem Fenster, und als Charlotte einigermaßen unwillig fragte: Wer ihn hierher bestellt habe; so antwortete man ihr, es sei der Kammerdiener, der hier noch einiges aufpacken wolle."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1627,"orig":"Ottilie brauchte ihre ganze Faſſung, um ihre Verwunderung und ihren Schmerz zu verbergen.","norm":"Ottilie brauchte ihre ganze Fassung, um ihre Verwunderung und ihren Schmerz zu verbergen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1628,"orig":"Der Kammerdiener trat herein und verlangte noch einiges.","norm":"Der Kammerdiener trat herein und verlangte noch einiges."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1629,"orig":"Es war eine Mundtaſſe des Herrn, ein paar ſilberne Loͤffel und mancherley was Ottilien auf eine weitere Reiſe, auf ein laͤngeres Außenbleiben zu deuten ſchien.","norm":"Es war eine Mundtasse des Herrn, ein paar silberne Löffel und mancherlei was Ottilie auf eine weitere Reise, auf ein längeres Außenbleiben zu deuten schien."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1630,"orig":"Charlotte verwies ihm ſein Begehren ganz trocken: ſie verſtehe nicht was er damit ſagen wolle; denn er habe ja alles was ſich auf den Herrn beziehe, ſelbſt im Beſchluß.","norm":"Charlotte verwies ihm sein Begehren ganz trocken: Sie verstehe nicht was er damit sagen wolle; denn er habe ja alles was sich auf den Herrn beziehe, selbst im Beschluss."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1631,"orig":"Der gewandte Mann, dem es freylich nur darum zu thun war, Ottilien zu ſprechen, und ſie deswegen unter irgend einem Vorwande aus dem Zimmer zu locken, wußte ſich zu entſchuldigen und auf ſeinem Verlangen zu beharren, das ihm Ottilie auch zu gewaͤhren wuͤnſchte; allein Charlotte lehnte es ab, der Kammerdiener mußte ſich entfernen, und der Wagen rollte fort.","norm":"Der gewandte Mann, dem es freilich nur darum zu tun war, Ottilie zu sprechen, und sie deswegen unter irgendeinem Vorwande aus dem Zimmer zu locken, wusste sich zu entschuldigen und auf seinem Verlangen zu beharren, das ihm Ottilie auch zu gewähren wünschte; allein Charlotte lehnte es ab, der Kammerdiener musste sich entfernen, und der Wagen rollte fort."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1632,"orig":"Es war fuͤr Ottilien ein ſchrecklicher Augenblick.","norm":"Es war für Ottilie ein schrecklicher Augenblick."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1633,"orig":"Sie verſtand es nicht, ſie begriff es nicht; aber daß ihr Eduard auf geraume Zeit entriſſen war, konnte ſie fuͤhlen.","norm":"Sie verstand es nicht, sie begriff es nicht; aber dass ihr Eduard auf geraume Zeit entrissen war, konnte sie fühlen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1634,"orig":"Charlotte fuͤhlte den Zuſtand mit und ließ ſie allein.","norm":"Charlotte fühlte den Zustand mit und ließ sie allein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1635,"orig":"Wir wagen nicht ihren Schmerz, ihre Thraͤnen zu ſchildern, ſie litt unendlich.","norm":"Wir wagen nicht ihren Schmerz, ihre Tränen zu schildern, sie litt unendlich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1636,"orig":"Sie bat nur Gott, daß er ihr nur uͤber dieſen Tag weghelfen moͤchte; ſie uͤberſtand den Tag und die Nacht, und als ſie ſich wiedergefunden, glaubte ſie ein anderes Weſen anzutreffen.","norm":"Sie bat nur Gott, dass er ihr nur über diesen Tag weghelfen möchte; sie überstand den Tag und die Nacht, und als sie sich wiedergefunden, glaubte sie ein anderes Wesen anzutreffen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1637,"orig":"Sie hatte ſich nicht gefaßt, ſich nicht ergeben, aber ſie war, nach ſo großem Verluſte, noch da und hatte noch mehr zu befuͤrchten.","norm":"Sie hatte sich nicht gefasst, sich nicht ergeben, aber sie war, nach so großem Verluste, noch da und hatte noch mehr zu befürchten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1638,"orig":"Ihre naͤchſte Sorge, nachdem das Bewußtſeyn wiedergekehrt, war ſogleich: ſie moͤchte nun, nach Entfernung der Maͤnner, gleichfalls entfernt werden.","norm":"Ihre nächste Sorge, nachdem das Bewusstsein wiedergekehrt, war sogleich: Sie möchte nun, nach Entfernung der Männer, gleichfalls entfernt werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1639,"orig":"Sie ahndete nichts von Eduards Drohungen, wodurch ihr der Aufenthalt neben Charlotten geſichert war; doch diente ihr das Betragen Charlottens zu einiger Beruhigung.","norm":"Sie ahnte nichts von Eduards Drohungen, wodurch ihr der Aufenthalt neben Charlotten gesichert war; doch diente ihr das Betragen Charlottes zu einiger Beruhigung."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1640,"orig":"Dieſe ſuchte das gute Kind zu beſchaͤftigen und ließ ſie nur ſelten, nur ungern von ſich; und ob ſie gleich wohl wußte, daß man mit Worten nicht viel gegen eine entſchiedene Leidenſchaft zu wirken vermag, ſo kannte ſie doch die Macht der Beſonnenheit, des Bewußtſeyns, und brachte daher manches zwiſchen ſich und Ottilien zur Sprache.","norm":"Diese suchte das gute Kind zu beschäftigen und ließ sie nur selten, nur ungern von sich; und ob sie gleich wohl wusste, dass man mit Worten nicht viel gegen eine entschiedene Leidenschaft zu wirken vermag, so kannte sie doch die Macht der Besonnenheit, des Bewusstseins, und brachte daher manches zwischen sich und Ottilie zur Sprache."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1641,"orig":"So war es fuͤr dieſe ein großer Troſt, als jene gelegentlich, mit Bedacht und Vorſatz, die weiſe Betrachtung anſtellte:","norm":"So war es für diese ein großer Trost, als jene gelegentlich, mit Bedacht und Vorsatz, die weise Betrachtung anstellte:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1642,"orig":"Wie lebhaft iſt, ſagte ſie, die Dankbarkeit derjenigen denen wir mit Ruhe uͤber leidenſchaftliche Verlegenheiten hinaushelfen.","norm":"Wie lebhaft ist, sagte sie, die Dankbarkeit derjenigen denen wir mit Ruhe über leidenschaftliche Verlegenheiten hinaushelfen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1643,"orig":"Laß uns freudig und munter in das eingreifen, was die Maͤnner unvollendet zuruͤckgelaſſen haben; ſo bereiten wir uns die ſchoͤnſte Ausſicht auf ihre Ruͤckkehr, indem wir das was ihr ſtuͤrmendes ungeduldiges Weſen zerſtoͤren moͤchte, durch unſre Maͤßigung erhalten und foͤrdern.","norm":"Lass uns freudig und munter in das eingreifen, was die Männer unvollendet zurückgelassen haben; so bereiten wir uns die schönste Aussicht auf ihre Rückkehr, indem wir das was ihr stürmendes ungeduldiges Wesen zerstören möchte, durch unsere Mäßigung erhalten und fördern."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1644,"orig":"Da Sie von Maͤßigung ſprechen, liebe Tante, verſetzte Ottilie; ſo kann ich nicht bergen, daß mir dabey die Unmaͤßigkeit der Maͤnner, beſonders was den Wein betrifft, einfaͤllt.","norm":"Da Sie von Mäßigung sprechen, liebe Tante, versetzte Ottilie; so kann ich nicht bergen, dass mir dabei die Unmäßigkeit der Männer, besonders was den Wein betrifft, einfällt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1645,"orig":"Wie oft hat es mich betruͤbt und geaͤngſtigt, wenn ich bemerken mußte, daß reiner Verſtand, Klugheit, Schonung anderer, Anmuth und Liebenswuͤrdigkeit, ſelbſt fuͤr mehrere Stunden, verloren gingen, und oft ſtatt alles des Guten was ein trefflicher Mann hervorzubringen und zu gewaͤhren vermag, Unheil und Verwirrung hereinzubrechen drohte.","norm":"Wie oft hat es mich betrübt und geängstigt, wenn ich bemerken musste, dass reiner Verstand, Klugheit, Schonung anderer, Anmut und Liebenswürdigkeit, selbst für mehrere Stunden, verlorengingen, und oft statt alles des Guten was ein trefflicher Mann hervorzubringen und zu gewähren vermag, Unheil und Verwirrung hereinzubrechen drohte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1646,"orig":"Wie oft moͤgen dadurch gewaltſame Entſchließungen veranlaßt werden.","norm":"Wie oft mögen dadurch gewaltsame Entschließungen veranlasst werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1647,"orig":"Charlotte gab ihr Recht; doch ſetzte ſie das Geſpraͤch nicht fort: denn ſie fuͤhlte nur zu wohl, daß auch hier Ottilie bloß Eduarden wieder im Sinne hatte, der zwar nicht gewoͤhnlich, aber doch oͤfter als es wuͤnſchenswerth war, ſein Vergnuͤgen, ſeine Geſpraͤchigkeit, ſeine Thaͤtigkeit durch einen gelegentlichen Weingenuß zu ſteigern pflegte.","norm":"Charlotte gab ihr Recht; doch setzte sie das Gespräch nicht fort: denn sie fühlte nur zu wohl, dass auch hier Ottilie bloß Eduard wieder im Sinne hatte, der zwar nicht gewöhnlich, aber doch öfter als es wünschenswert war, sein Vergnügen, seine Gesprächigkeit, seine Tätigkeit durch einen gelegentlichen Weingenuss zu steigern pflegte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1648,"orig":"Hatte bey jener Aeußerung Charlottens ſich Ottilie die Maͤnner, beſonders Eduarden, wieder heran denken koͤnnen; ſo war es ihr um deſto auffallender, als Charlotte von einer bevorſtehenden Heirat des Hauptmanns, wie von einer ganz bekannten und gewiſſen Sache ſprach, wodurch denn alles ein andres Anſehn gewann, als ſie nach Eduards fruͤhern Verſicherungen ſich vorſtellen mochte.","norm":"Hatte bei jener Äußerung Charlottes sich Ottilie die Männer, besonders Eduard, wieder herandenken können; so war es ihr um desto auffallender, als Charlotte von einer bevorstehenden Heirat des Hauptmanns, wie von einer ganz bekannten und gewissen Sache sprach, wodurch denn alles ein anderes Ansehen gewann, als sie nach Eduards früheren Versicherungen sich vorstellen mochte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1649,"orig":"Durch alles dieß vermehrte ſich die Aufmerkſamkeit Ottiliens auf jede Aeußerung, jeden Wink, jede Handlung, jeden Schritt Charlottens.","norm":"Durch alles dies vermehrte sich die Aufmerksamkeit Ottilies auf jede Äußerung, jeden Wink, jede Handlung, jeden Schritt Charlottes."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1650,"orig":"Ottilie war klug, ſcharfſinnig, argwoͤhniſch geworden ohne es zu wiſſen.","norm":"Ottilie war klug, scharfsinnig, argwöhnisch geworden ohne es zu wissen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1651,"orig":"Charlotte durchdrang indeſſen das Einzelne ihrer ganzen Umgebung mit ſcharfem Blick und wirkte darin mit ihrer klaren Gewandtheit, wobey ſie Ottilien beſtaͤndig Theil zu nehmen noͤthigte.","norm":"Charlotte durchdrang indessen das Einzelne ihrer ganzen Umgebung mit scharfem Blick und wirkte darin mit ihrer klaren Gewandtheit, wobei sie Ottilie beständig teilzunehmen nötigte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1652,"orig":"Sie zog ihren Haushalt, ohne Baͤnglichkeit, ins Enge; ja, wenn ſie alles genau betrachtete, ſo hielt ſie den leidenſchaftlichen Vorfall fuͤr eine Art von gluͤcklicher Schickung.","norm":"Sie zog ihren Haushalt, ohne Bänglichkeit, ins Enge; ja, wenn sie alles genau betrachtete, so hielt sie den leidenschaftlichen Vorfall für eine Art von glücklicher Schickung."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1653,"orig":"Denn auf dem bisherigen Wege waͤre man leicht ins Graͤnzenloſe gerathen und haͤtte den ſchoͤnen Zuſtand reichlicher Gluͤcksguͤter, ohne ſich zeitig genug zu beſinnen, durch ein vordringliches Leben und Treiben, wo nicht zerſtoͤrt, doch erſchuͤttert.","norm":"Denn auf dem bisherigen Wege wäre man leicht ins Grenzenlose geraten und hätte den schönen Zustand reichlicher Glücksgüter, ohne sich zeitig genug zu besinnen, durch ein vordringliches Leben und Treiben, wo nicht zerstört, doch erschüttert."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1654,"orig":"Was von Parkanlagen im Gange war, ſtoͤrte ſie nicht.","norm":"Was von Parkanlagen im Gange war, störte sie nicht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1655,"orig":"Sie ließ vielmehr dasjenige fortſetzen, was zum Grunde kuͤnftiger Ausbildung liegen mußte; aber dabey hatte es auch ſein Bewenden.","norm":"Sie ließ vielmehr dasjenige fortsetzen, was zum Grunde künftiger Ausbildung liegen musste; aber dabei hatte es auch sein Bewenden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1656,"orig":"Ihr zuruͤckkehrender Gemahl ſollte noch genug erfreuliche Beſchaͤftigung finden.","norm":"Ihr zurückkehrender Gemahl sollte noch genug erfreuliche Beschäftigung finden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1657,"orig":"Bey dieſen Arbeiten und Vorſaͤtzen konnte ſie nicht genug das Verfahren des Architecten loben.","norm":"Bei diesen Arbeiten und Vorsätzen konnte sie nicht genug das Verfahren des Architekten loben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1658,"orig":"Der See lag in kurzer Zeit ausgebreitet vor ihren Augen, und die neu entſtandenen Ufer zierlich und mannigfaltig bepflanzt und beraſet.","norm":"Der See lag in kurzer Zeit ausgebreitet vor ihren Augen, und die neuentstandenen Ufer zierlich und mannigfaltig bepflanzt und berast."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1659,"orig":"An dem neuen Hauſe ward alle rauhe Arbeit vollbracht, was zur Erhaltung noͤthig war, beſorgt, und dann machte ſie einen Abſchluß da wo man mit Vergnuͤgen wieder von vorn anfangen konnte.","norm":"An dem neuen Hause wurde alle raue Arbeit vollbracht, was zur Erhaltung nötig war, besorgt, und dann machte sie einen Abschluss da wo man mit Vergnügen wieder von vorn anfangen konnte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1660,"orig":"Dabey war ſie ruhig und heiter;","norm":"Dabei war sie ruhig und heiter;"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1661,"orig":"Ottilie ſchien es nur: denn in allem beobachtete ſie nichts als Symptome, ob Eduard wohl bald erwartet werde, oder nicht.","norm":"Ottilie schien es nur: denn in allem beobachtete sie nichts als Symptome, ob Eduard wohl bald erwartet werde, oder nicht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1662,"orig":"Nichts intereſſirt ſie an allem als dieſe Betrachtung.","norm":"Nichts interessiert sie an allem als diese Betrachtung."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1663,"orig":"Willkommen war ihr daher eine Anſtalt, zu der man die Bauerknaben verſammelte und die darauf abzielte, den weitlaͤuftig gewordenen Park immer rein zu erhalten.","norm":"Willkommen war ihr daher eine Anstalt, zu der man die Bauerknaben versammelte und die darauf abzielte, den weitläufig gewordenen Park immer rein zu erhalten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1664,"orig":"Eduard hatte ſchon den Gedanken gehegt.","norm":"Eduard hatte schon den Gedanken gehegt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1665,"orig":"Man ließ den Knaben eine Art von heitrer Montirung machen, die ſie in den Abendſtunden anzogen, nachdem ſie ſich durchaus gereinigt und geſaͤubert hatten.","norm":"Man ließ den Knaben eine Art von heiterer Montierung machen, die sie in den Abendstunden anzogen, nachdem sie sich durchaus gereinigt und gesäubert hatten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1666,"orig":"Die Garderobe war im Schloß; dem verſtaͤndigſten, genauſten Knaben vertraute man die Aufſicht an; der Architect leitete das Ganze, und ehe man ſich's verſah, ſo hatten die Knaben alle ein gewiſſes Geſchick.","norm":"Die Garderobe war im Schloss; dem verständigsten, genausten Knaben vertraute man die Aufsicht an; der Architekt leitete das Ganze, und ehe man sich es versah, so hatten die Knaben alle ein gewisses Geschick."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1667,"orig":"Man fand an ihnen eine bequeme Dreſſur und ſie verrichteten ihr Geſchaͤft nicht ohne eine Art von Manoͤver.","norm":"Man fand an ihnen eine bequeme Dressur und sie verrichteten ihr Geschäft nicht ohne eine Art von Manöver."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1668,"orig":"Gewiß, wenn ſie mit ihren Scharreiſen, geſtielten Meſſerklingen, Rechen, kleinen Spaden und Hacken und wedelartigen Beſen einherzogen; wenn andre mit Koͤrben hinterdrein kamen, um Unkraut und Steine bey Seite zu ſchaffen; andre das hohe große eiſerne Walzenrad hinter ſich herzogen: ſo gab es einen huͤbſchen erfreulichen Aufzug, in welchem der Architect eine artige Folge von Stellungen und Thaͤtigkeiten fuͤr den Fries eines Gartenhauſes ſich anmerkte;","norm":"Gewiss, wenn sie mit ihren Scharreisen, gestielten Messerklingen, Rechen, kleinen Spaten und Hacken und wedelartigen Besen einherzogen; wenn andere mit Körben hinterdrein kamen, um Unkraut und Steine beiseitezuschaffen; andere das hohe große eiserne Walzenrad hinter sich herzogen: so gab es einen hübschen erfreulichen Aufzug, in welchem der Architekt eine artige Folge von Stellungen und Tätigkeiten für den Fries eines Gartenhauses sich anmerkte;"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1669,"orig":"Ottilie hingegen ſah darin nur eine Art von Parade welche den ruͤckkehrenden Hausherrn bald begruͤßen ſollte.","norm":"Ottilie hingegen sah darin nur eine Art von Parade welche den rückkehrenden Hausherrn bald begrüßen sollte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1670,"orig":"Dieß gab ihr Muth und Luſt ihn mit etwas Aehnlichem zu empfangen.","norm":"Dies gab ihr Mut und Lust ihn mit etwas Ähnlichem zu empfangen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1671,"orig":"Man hatte zeither die Maͤdchen des Dorfes im Naͤhen, Stricken, Spinnen und andern weiblichen Arbeiten zu ermuntern geſucht.","norm":"Man hatte zeither die Mädchen des Dorfes im Nähen, Stricken, Spinnen und anderen weiblichen Arbeiten zu ermuntern gesucht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1672,"orig":"Auch dieſe Tugenden hatten zugenommen ſeit jenen Anſtalten zu Reinlichkeit und Schoͤnheit des Dorfes.","norm":"Auch diese Tugenden hatten zugenommen seit jenen Anstalten zu Reinlichkeit und Schönheit des Dorfes."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1673,"orig":"Ottilie wirkte ſtets mit ein; aber mehr zufaͤllig, nach Gelegenheit und Neigung.","norm":"Ottilie wirkte stets mit ein; aber mehr zufällig, nach Gelegenheit und Neigung."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1674,"orig":"Nun gedachte ſie es vollſtaͤndiger und folgerechter zu machen.","norm":"Nun gedachte sie es vollständiger und folgerechter zu machen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1675,"orig":"Aber aus einer Anzahl Maͤdchen laͤßt ſich kein Chor bilden, wie aus einer Anzahl Knaben.","norm":"Aber aus einer Anzahl Mädchen lässt sich kein Chor bilden, wie aus einer Anzahl Knaben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1676,"orig":"Sie folgte ihrem guten Sinne, und ohne ſich's ganz deutlich zu machen, ſuchte ſie nichts als einem jeden Maͤdchen Anhaͤnglichkeit an ſein Haus, ſeine Aeltern und ſeine Geſchwiſter einzufloͤßen.","norm":"Sie folgte ihrem guten Sinne, und ohne sich es ganz deutlich zu machen, suchte sie nichts als einem jeden Mädchen Anhänglichkeit an sein Haus, seine Eltern und seine Geschwister einzuflößen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1677,"orig":"Das gelang ihr mit vielen.","norm":"Das gelang ihr mit vielen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1678,"orig":"Nur uͤber ein kleines, lebhaftes Maͤdchen wurde immer geklagt, daß ſie ohne Geſchick ſey, und im Hauſe nun ein fuͤr allemal nichts thun wolle.","norm":"Nur über ein kleines, lebhaftes Mädchen wurde immer geklagt, dass sie ohne Geschick sei, und im Hause nun ein für allemal nichts tun wolle."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1679,"orig":"Ottilie konnte dem Maͤdchen nicht feind ſeyn, denn ihr war es beſonders freundlich.","norm":"Ottilie konnte dem Mädchen nicht Feind sein, denn ihr war es besonders freundlich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1680,"orig":"Zu ihr zog es ſich, mit ihr ging und lief es, wenn ſie es erlaubte.","norm":"Zu ihr zog es sich, mit ihr ging und lief es, wenn sie es erlaubte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1681,"orig":"Da war es thaͤtig, munter und unermuͤdet.","norm":"Da war es tätig, munter und unermüdet."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1682,"orig":"Die Anhaͤnglichkeit an eine ſchoͤne Herrinn ſchien dem Kinde Beduͤrfniß zu ſeyn.","norm":"Die Anhänglichkeit an eine schöne Herrin schien dem Kinde Bedürfnis zu sein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1683,"orig":"Anfaͤnglich duldete Ottilie die Begleitung des Kindes; dann faßte ſie ſelbſt Neigung zu ihm; endlich trennten ſie ſich nicht mehr und Nanny begleitete ihre Herrinn uͤberall hin.","norm":"Anfänglich duldete Ottilie die Begleitung des Kindes; dann fasste sie selbst Neigung zu ihm; endlich trennten sie sich nicht mehr und Nanny begleitete ihre Herrin überallhin."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1684,"orig":"Dieſe nahm oͤfters den Weg nach dem Garten und freute ſich uͤber das ſchoͤne Gedeihen.","norm":"Diese nahm öfters den Weg nach dem Garten und freute sich über das schöne Gedeihen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1685,"orig":"Die Beeren- und Kirſchenzeit ging zu Ende, deren Spaͤtlinge jedoch Nanny ſich beſonders ſchmecken ließ.","norm":"Die Beeren- und Kirschenzeit ging zu Ende, deren Spätlinge jedoch Nanny sich besonders schmecken ließ."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1686,"orig":"Bey dem uͤbrigen Obſte, das fuͤr den Herbſt eine ſo reichliche Aernte verſprach, gedachte der Gaͤrtner beſtaͤndig des Herrn und niemals ohne ihn herbeyzuwuͤnſchen.","norm":"Bei dem übrigen Obste, das für den Herbst eine so reichliche Ernte versprach, gedachte der Gärtner beständig des Herrn und niemals ohne ihn herbeizuwünschen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1687,"orig":"Ottilie hoͤrte dem guten alten Manne ſo gern zu.","norm":"Ottilie hörte dem guten alten Manne so gern zu."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1688,"orig":"Er verſtand ſein Handwerk vollkommen und hoͤrte nicht auf, ihr von Eduard vorzuſprechen.","norm":"Er verstand sein Handwerk vollkommen und hörte nicht auf, ihr von Eduard vorzusprechen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1689,"orig":"Als Ottilie ſich freute, daß die Pfropfreiſer dieſes Fruͤhjahrs alle ſo gar ſchoͤn bekommen, erwiederte der Gaͤrtner bedenklich: ich wuͤnſche nur, daß der gute Herr viel Freude daran erleben moͤge.","norm":"Als Ottilie sich freute, dass die Pfropfreiser dieses Frühjahrs alle so gar schön gekommen, erwiderte der Gärtner bedenklich: Ich wünsche nur, dass der gute Herr viel Freude daran erleben möge."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1690,"orig":"Waͤre er dieſen Herbſt hier, ſo wuͤrde er ſehen, was fuͤr koͤſtliche Sorten noch von ſeinem Herrn Vater her im alten Schloßgarten ſtehen.","norm":"Wäre er diesen Herbst hier, so würde er sehen, was für köstliche Sorten noch von seinem Herrn Vater her im alten Schlossgarten stehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1691,"orig":"Die jetzigen Herren Obſtgaͤrtner ſind nicht ſo zuverlaͤſſig als ſonſt die Carthaͤuſer waren.","norm":"Die jetzigen Herren Obstgärtner sind nicht so zuverlässig als sonst die Kartäuser waren."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1692,"orig":"In den Catalogen findet man wohl lauter honette Namen.","norm":"In den Katalogen findet man wohl lauter honette Namen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1693,"orig":"Man pfropft und erzieht und endlich wenn ſie Fruͤchte tragen, ſo iſt es nicht der Muͤhe werth, daß ſolche Baͤume im Garten ſtehen.","norm":"Man pfropft und erzieht und endlich wenn sie Früchte tragen, so ist es nicht der Mühe wert, dass solche Bäume im Garten stehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1694,"orig":"Am wiederhohlteſten aber fragte der treue Diener, faſt ſo oft er Ottilien ſah, nach der Ruͤckkunft des Herrn, und nach dem Termin derſelben.","norm":"Am wiederholtesten aber fragte der treue Diener, fast so oft er Ottilie sah, nach der Rückkunft des Herrn, und nach dem Termin derselben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1695,"orig":"Und wenn Ottilie ihn nicht angeben konnte, ſo ließ ihr der gute Mann nicht ohne ſtille Betruͤbniß merken, daß er glaube ſie vertraue ihm nicht, und peinlich war ihr das Gefuͤhl der Unwiſſenheit, das ihr auf dieſe Weiſe recht aufgedrungen ward.","norm":"Und wenn Ottilie ihn nicht angeben konnte, so ließ ihr der gute Mann nicht ohne stille Betrübnis merken, dass er glaube sie vertraue ihm nicht, und peinlich war ihr das Gefühl der Unwissenheit, das ihr auf diese Weise recht aufgedrungen wurde."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1696,"orig":"Doch konnte ſie ſich von dieſen Rabatten und Beeten nicht trennen.","norm":"Doch konnte sie sich von diesen Rabatten und Beeten nicht trennen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1697,"orig":"Was ſie zuſammen zum Theil geſaͤt, alles gepflanzt hatten, ſtand nun im voͤlligen Flor; kaum bedurfte es noch einer Pflege, außer daß Nanny immer zum Gießen bereit war.","norm":"Was sie zusammen zum Teil gesät, alles gepflanzt hatten, stand nun im völligen Flor; kaum bedurfte es noch einer Pflege, außer dass Nanny immer zum Gießen bereit war."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1698,"orig":"Mit welchen Empfindungen betrachtete Ottilie die ſpaͤteren Blumen, die ſich erſt anzeigten, deren Glanz und Fuͤlle dereinſt an Eduards Geburtstag, deſſen Feyer ſie ſich manchmal verſprach, prangen, ihre Neigung und Dankbarkeit ausdruͤcken ſollten.","norm":"Mit welchen Empfindungen betrachtete Ottilie die späteren Blumen, die sich erst anzeigten, deren Glanz und Fülle dereinst an Eduards Geburtstag, dessen Feier sie sich manchmal versprach, prangen, ihre Neigung und Dankbarkeit ausdrücken sollten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1699,"orig":"Doch war die Hoffnung dieſes Feſt zu ſehen nicht immer gleich lebendig.","norm":"Doch war die Hoffnung dieses Fest zu sehen nicht immer gleich lebendig."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1700,"orig":"Zweifel und Sorgen umfluͤſterten ſtets die Seele des guten Maͤdchens.","norm":"Zweifel und Sorgen umflüsterten stets die Seele des guten Mädchens."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1701,"orig":"Zu einer eigentlichen offnen Uebereinſtimmung mit Charlotten konnte es auch wohl nicht wieder gebracht werden.","norm":"Zu einer eigentlichen offenen Übereinstimmung mit Charlotten konnte es auch wohl nicht wieder gebracht werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1702,"orig":"Denn freylich war der Zuſtand beyder Frauen ſehr verſchieden.","norm":"Denn freilich war der Zustand beider Frauen sehr verschieden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1703,"orig":"Wenn alles beym Alten blieb, wenn man in das Gleis des geſetzmaͤßigen Lebens zuruͤckkehrte, gewann Charlotte an gegenwaͤrtigem Gluͤck, und eine frohe Ausſicht in die Zukunft oͤffnete ſich ihr;","norm":"Wenn alles beim Alten blieb, wenn man in das Gleis des gesetzmäßigen Lebens zurückkehrte, gewann Charlotte an gegenwärtigem Glück, und eine frohe Aussicht in die Zukunft öffnete sich ihr;"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1704,"orig":"Ottilie hingegen verlor alles, man kann wohl ſagen, alles: denn ſie hatte zuerſt Leben und Freude in Eduard gefunden, und in dem gegenwaͤrtigen Zuſtande fuͤhlte ſie eine unendliche Leere, wovon ſie fruͤher kaum etwas geahndet hatte.","norm":"Ottilie hingegen verlor alles, man kann wohl sagen, alles: denn sie hatte zuerst Leben und Freude in Eduard gefunden, und in dem gegenwärtigen Zustande fühlte sie eine unendliche Leere, wovon sie früher kaum etwas geahnt hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1705,"orig":"Denn ein Herz das ſucht, fuͤhlt wohl daß ihm etwas mangle, ein Herz das verloren hat, fuͤhlt daß es entbehre.","norm":"Denn ein Herz das sucht, fühlt wohl dass ihm etwas mangle, ein Herz das verloren hat, fühlt dass es entbehre."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1706,"orig":"Sehnſucht verwandelt ſich in Unmuth und Ungeduld, und ein weibliches Gemuͤth, zum Erwarten und Abwarten gewoͤhnt, moͤchte nun aus ſeinem Kreiſe herausſchreiten, thaͤtig werden, unternehmen und auch etwas fuͤr ſein Gluͤck thun.","norm":"Sehnsucht verwandelt sich in Unmut und Ungeduld, und ein weibliches Gemüt, zum Erwarten und Abwarten gewöhnt, möchte nun aus seinem Kreise herausschreiten, tätig werden, unternehmen und auch etwas für sein Glück tun."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1707,"orig":"Ottilie hatte Eduarden nicht entſagt.","norm":"Ottilie hatte Eduard nicht entsagt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1708,"orig":"Wie konnte ſie es auch, obgleich Charlotte klug genug, gegen ihre eigne Ueberzeugung, die Sache fuͤr bekannt annahm, und als entſchieden vorausſetzte, daß ein freundſchaftliches ruhiges Verhaͤltniß zwiſchen ihrem Gatten und Ottilien moͤglich ſey.","norm":"Wie konnte sie es auch, obgleich Charlotte klug genug, gegen ihre eigene Überzeugung, die Sache für bekannt annahm, und als entschieden voraussetzte, dass ein freundschaftliches ruhiges Verhältnis zwischen ihrem Gatten und Ottilie möglich sei."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1709,"orig":"Wie oft aber lag dieſe Nachts, wenn ſie ſich eingeſchloſſen, auf den Knieen vor dem eroͤffneten Koffer und betrachtete die Geburtstagsgeſchenke, von denen ſie noch nichts gebraucht, nichts zerſchnitten, nichts gefertigt.","norm":"Wie oft aber lag diese Nachts, wenn sie sich eingeschlossen, auf den Knieen vor dem eröffneten Koffer und betrachtete die Geburtstagsgeschenke, von denen sie noch nichts gebraucht, nichts zerschnitten, nichts gefertigt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1710,"orig":"Wie oft eilte das gute Maͤdchen mit Sonnenaufgang aus dem Hauſe, in dem ſie ſonſt alle ihre Gluͤckſeligkeit gefunden hatte, ins Freye hinaus, in die Gegend, die ſie ſonſt nicht anſprach.","norm":"Wie oft eilte das gute Mädchen mit Sonnenaufgang aus dem Hause, in dem sie sonst alle ihre Glückseligkeit gefunden hatte, ins Freie hinaus, in die Gegend, die sie sonst nicht ansprach."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1711,"orig":"Auch auf dem Boden mochte ſie nicht verweilen.","norm":"Auch auf dem Boden mochte sie nicht verweilen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1712,"orig":"Sie ſprang in den Kahn, und ruderte ſich bis mitten in den See: dann zog ſie eine Reiſebeſchreibung hervor, ließ ſich von den bewegten Wellen ſchaukeln, las, traͤumte ſich in die Fremde und immer fand ſie dort ihren Freund; ſeinem Herzen war ſie noch immer nahe geblieben, er dem ihrigen.","norm":"Sie sprang in den Kahn, und ruderte sich bis mitten in den See: dann zog sie eine Reisebeschreibung hervor, ließ sich von den bewegten Wellen schaukeln, las, träumte sich in die Fremde und immer fand sie dort ihren Freund; seinem Herzen war sie noch immer nahe geblieben, er dem ihrigen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1713,"orig":"Daß jener wunderlich thaͤtige Mann, den wir bereits kennen gelernt, daß Mittler, nachdem er von dem Unheil, das unter dieſen Freunden ausgebrochen, Nachricht erhalten, obgleich kein Theil noch ſeine Huͤlfe angerufen, in dieſem Falle ſeine Freundſchaft, ſeine Geſchicklichkeit zu beweiſen, zu uͤben geneigt war, laͤßt ſich denken.","norm":"Dass jener wunderlich tätige Mann, den wir bereits kennengelernt, dass Mittler, nachdem er von dem Unheil, das unter diesen Freunden ausgebrochen, Nachricht erhalten, obgleich kein Teil noch seine Hilfe angerufen, in diesem Falle seine Freundschaft, seine Geschicklichkeit zu beweisen, zu üben geneigt war, lässt sich denken."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1714,"orig":"Doch ſchien es ihm raͤthlich, erſt eine Weile zu zaudern: denn er wußte nur zu wohl, daß es ſchwerer ſey, gebildeten Menſchen bey ſittlichen Verworrenheiten zu Huͤlfe zu kommen, als ungebildeten.","norm":"Doch schien es ihm rätlich, erst eine Weile zu zaudern: denn er wusste nur zu wohl, dass es schwerer sei, gebildeten Menschen bei sittlichen Verworrenheiten zu Hilfe zu kommen, als ungebildeten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1715,"orig":"Er uͤberließ ſie deshalb eine Zeit lang ſich ſelbſt; allein zuletzt konnte er es nicht mehr aushalten, und eilte Eduarden aufzuſuchen, dem er ſchon auf die Spur gekommen war.","norm":"Er überließ sie deshalb eine Zeitlang sich selbst; allein zuletzt konnte er es nicht mehr aushalten, und eilte Eduard aufzusuchen, dem er schon auf die Spur gekommen war."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1716,"orig":"Sein Weg fuͤhrte ihn zu einem angenehmen Thal, deſſen anmuthig gruͤnen baumreichen Wieſengrund die Waſſerfuͤlle eines immer lebendigen Baches bald durchſchlaͤngelte bald durchrauſchte.","norm":"Sein Weg führte ihn zu einem angenehmen Tal, dessen anmutig grünen baumreichen Wiesengrund die Wasserfülle eines immer lebendigen Baches bald durchschlängelte bald durchrauschte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1717,"orig":"Auf den ſanften Anhoͤhen zogen ſich fruchtbare Felder und wohlbeſtandene Obſtpflanzungen hin.","norm":"Auf den sanften Anhöhen zogen sich fruchtbare Felder und wohlbestandene Obstpflanzungen hin."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1718,"orig":"Die Doͤrfer lagen nicht zu nah an einander, das Ganze hatte einen friedlichen Charakter und die einzelnen Partieen, wenn auch nicht zum Malen, ſchienen doch zum Leben vorzuͤglich geeignet zu ſeyn.","norm":"Die Dörfer lagen nicht zu nah aneinander, das Ganze hatte einen friedlichen Charakter und die einzelnen Partien, wenn auch nicht zum Malen, schienen doch zum Leben vorzüglich geeignet zu sein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1719,"orig":"Ein wohlerhaltenes Vorwerk mit einem reinlichen beſcheidenen Wohnhauſe, von Gaͤrten umgeben, fiel ihm endlich in die Augen.","norm":"Ein wohlerhaltenes Vorwerk mit einem reinlichen bescheidenen Wohnhause, von Gärten umgeben, fiel ihm endlich in die Augen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1720,"orig":"Er vermuthete, hier ſey Eduards gegenwaͤrtiger Aufenthalt, und er irrte nicht.","norm":"Er vermutete, hier sei Eduards gegenwärtiger Aufenthalt, und er irrte nicht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1721,"orig":"Von dieſem einſamen Freunde koͤnnen wir ſoviel ſagen, daß er ſich im Stillen dem Gefuͤhl ſeiner Leidenſchaft ganz uͤberließ und dabey mancherley Plane ſich ausdachte, mancherley Hoffnungen naͤhrte.","norm":"Von diesem einsamen Freunde können wir soviel sagen, dass er sich im Stillen dem Gefühl seiner Leidenschaft ganz überließ und dabei mancherlei Plane sich ausdachte, mancherlei Hoffnungen nährte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1722,"orig":"Er konnte ſich nicht laͤugnen, daß er Ottilien hier zu ſehen wuͤnſche, daß er wuͤnſche ſie hieher zu fuͤhren, zu locken, und was er ſich ſonſt noch Erlaubtes und Unerlaubtes zu denken nicht verwehrte.","norm":"Er konnte sich nicht leugnen, dass er Ottilie hier zu sehen wünsche, dass er wünsche sie hierher zu führen, zu locken, und was er sich sonst noch Erlaubtes und Unerlaubtes zu denken nicht verwehrte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1723,"orig":"Dann ſchwankte ſeine Einbildungskraft in allen Moͤglichkeiten herum.","norm":"Dann schwankte seine Einbildungskraft in allen Möglichkeiten herum."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1724,"orig":"Sollte er ſie hier nicht beſitzen, nicht rechtmaͤßig beſitzen koͤnnen, ſo wollte er ihr den Beſitz des Gutes zueignen.","norm":"Sollte er sie hier nicht besitzen, nicht rechtmäßig besitzen können, so wollte er ihr den Besitz des Gutes zueignen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1725,"orig":"Hier ſollte ſie ſtill fuͤr ſich, unabhaͤngig leben; ſie ſollte gluͤcklich ſeyn, und wenn ihn eine ſelbſtquaͤleriſche Einbildungskraft noch weiter fuͤhrte, vielleicht mit einem Andern gluͤcklich ſeyn.","norm":"Hier sollte sie still für sich, unabhängig leben; sie sollte glücklich sein, und wenn ihn eine selbstquälerische Einbildungskraft noch weiter führte, vielleicht mit einem Anderen glücklich sein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1726,"orig":"So verfloſſen ihm ſeine Tage in einem ewigen Schwanken zwiſchen Hoffnung und Schmerz, zwiſchen Thraͤnen und Heiterkeit, zwiſchen Vorſaͤtzen, Vorbereitungen und Verzweiflung.","norm":"So verflossen ihm seine Tage in einem ewigen Schwanken zwischen Hoffnung und Schmerz, zwischen Tränen und Heiterkeit, zwischen Vorsätzen, Vorbereitungen und Verzweiflung."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1727,"orig":"Der Anblick Mittlers uͤberraſchte ihn nicht.","norm":"Der Anblick Mittlers überraschte ihn nicht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1728,"orig":"Er hatte deſſen Ankunft laͤngſt erwartet, und ſo war er ihm auch halb willkommen.","norm":"Er hatte dessen Ankunft längst erwartet, und so war er ihm auch halb willkommen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1729,"orig":"Glaubte er ihn von Charlotten geſendet, ſo hatte er ſich ſchon auf allerley Entſchuldigungen und Verzoͤgerungen und ſodann auf entſcheidendere Vorſchlaͤge bereitet; hoffte er nun aber von Ottilien wieder etwas zu vernehmen, ſo war ihm Mittler ſo lieb als ein himmliſcher Bote.","norm":"Glaubte er ihn von Charlotten gesendet, so hatte er sich schon auf allerlei Entschuldigungen und Verzögerungen und sodann auf entscheidendere Vorschläge bereitet; hoffte er nun aber von Ottilie wieder etwas zu vernehmen, so war ihm Mittler so lieb als ein himmlischer Bote."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1730,"orig":"Verdrießlich daher und verſtimmt war Eduard als er vernahm, Mittler komme nicht von dorther, ſondern aus eignem Antriebe.","norm":"Verdrießlich daher und verstimmt war Eduard als er vernahm, Mittler komme nicht von dorther, sondern aus eigenem Antriebe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1731,"orig":"Sein Herz verſchloß ſich und das Geſpraͤch wollte ſich anfangs nicht einleiten.","norm":"Sein Herz verschloss sich und das Gespräch wollte sich anfangs nicht einleiten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1732,"orig":"Doch wußte Mittler nur zu gut, daß ein liebevoll beſchaͤftigtes Gemuͤth das dringende Beduͤrfniß hat ſich zu aͤußern, das was in ihm vorgeht, vor einem Freunde auszuſchuͤtten, und ließ ſich daher gefallen, nach einigem Hin- und Wiederreden, dießmal aus ſeiner Rolle herauszugehen, und ſtatt des Vermittlers den Vertrauten zu ſpielen.","norm":"Doch wusste Mittler nur zu gut, dass ein liebevoll beschäftigtes Gemüt das dringende Bedürfnis hat sich zu äußeren, das was in ihm vorgeht, vor einem Freunde auszuschütten, und ließ sich daher gefallen, nach einigem Hin- und Widerreden, diesmal aus seiner Rolle herauszugehen, und statt des Vermittlers den Vertrauten zu spielen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1733,"orig":"Als er hiernach, auf eine freundliche Weiſe, Eduarden wegen ſeines einſamen Lebens tadelte, erwiederte dieſer:","norm":"Als er hiernach, auf eine freundliche Weise, Eduard wegen seines einsamen Lebens tadelte, erwiderte dieser:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1734,"orig":"O ich wuͤßte nicht, wie ich meine Zeit angenehmer zubringen ſollte!","norm":"O ich wüsste nicht, wie ich meine Zeit angenehmer zubringen sollte!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1735,"orig":"Immer bin ich mit ihr beſchaͤftigt, immer in ihrer Naͤhe.","norm":"Immer bin ich mit ihr beschäftigt, immer in ihrer Nähe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1736,"orig":"Ich habe den unſchaͤtzbaren Vortheil mir denken zu koͤnnen, wo ſich Ottilie befindet, wo ſie geht, wo ſie ſteht, wo ſie ausruht.","norm":"Ich habe den unschätzbaren Vorteil mir denken zu können, wo sich Ottilie befindet, wo sie geht, wo sie steht, wo sie ausruht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1737,"orig":"Ich ſehe ſie vor mir thun und handeln wie gewoͤhnlich, ſchaffen und vornehmen, freylich immer das was mir am meiſten ſchmeichelt.","norm":"Ich sehe sie vor mir tun und handeln wie gewöhnlich, schaffen und vornehmen, freilich immer das was mir am meisten schmeichelt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1738,"orig":"Dabey bleibt es aber nicht: denn wie kann ich fern von ihr gluͤcklich ſeyn!","norm":"Dabei bleibt es aber nicht: denn wie kann ich fern von ihr glücklich sein!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1739,"orig":"Nun arbeitet meine Phantaſie durch, was Ottilie thun ſollte ſich mir zu naͤhern.","norm":"Nun arbeitet meine Phantasie durch, was Ottilie tun sollte sich mir zu nähern."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1740,"orig":"Ich ſchreibe ſuͤße zutrauliche Briefe in ihrem Namen an mich; ich antworte ihr und verwahre die Blaͤtter zuſammen.","norm":"Ich schreibe süße zutrauliche Briefe in ihrem Namen an mich; ich antworte ihr und verwahre die Blätter zusammen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1741,"orig":"Ich habe verſprochen keinen Schritt gegen ſie zu thun, und das will ich halten.","norm":"Ich habe versprochen keinen Schritt gegen sie zu tun, und das will ich halten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1742,"orig":"Aber was bindet ſie, daß ſie ſich nicht zu mir wendet?","norm":"Aber was bindet sie, dass sie sich nicht zu mir wendet?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1743,"orig":"Hat etwa Charlotte die Grauſamkeit gehabt, Verſprechen und Schwur von ihr zu fordern, daß ſie mir nicht ſchreiben, keine Nachricht von ſich geben wolle?","norm":"Hat etwa Charlotte die Grausamkeit gehabt, Versprechen und Schwur von ihr zu fordern, dass sie mir nicht schreiben, keine Nachricht von sich geben wolle?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1744,"orig":"Es iſt natuͤrlich, es iſt wahrſcheinlich und doch finde ich es unerhoͤrt, unertraͤglich.","norm":"Es ist natürlich, es ist wahrscheinlich und doch finde ich es unerhört, unerträglich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1745,"orig":"Wenn ſie mich liebt, wie ich glaube, wie ich weiß, warum entſchließt ſie ſich nicht, warum wagt ſie es nicht, zu fliehen und ſich in meine Arme zu werfen?","norm":"Wenn sie mich liebt, wie ich glaube, wie ich weiß, warum entschließt sie sich nicht, warum wagt sie es nicht, zu fliehen und sich in meine Arme zu werfen?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1746,"orig":"Sie ſollte das, denke ich manchmal, ſie koͤnnte das.","norm":"Sie sollte das, denke ich manchmal, sie könnte das."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1747,"orig":"Wenn ſich etwas auf dem Vorſaale regt, ſehe ich gegen die Thuͤre.","norm":"Wenn sich etwas auf dem Vorsaale regt, sehe ich gegen die Türe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1748,"orig":"Sie ſoll hereintreten!","norm":"Sie soll hereintreten!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1749,"orig":"denk' ich, hoff' ich.","norm":"denke ich, hoffe ich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1750,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1751,"orig":"und da das Moͤgliche unmoͤglich iſt, bilde ich mir ein, das Unmoͤgliche muͤſſe moͤglich werden.","norm":"und da das Mögliche unmöglich ist, bilde ich mir ein, das Unmögliche müsse möglich werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1752,"orig":"Nachts wenn ich aufwache, die Lampe einen unſichern Schein durch das Schlafzimmer wirft, da ſollte ihre Geſtalt, ihr Geiſt, eine Ahndung von ihr, voruͤberſchweben, herantreten, mich ergreifen, nur einen Augenblick, daß ich eine Art von Verſicherung haͤtte, ſie denke mein, ſie ſey mein.","norm":"Nachts wenn ich aufwache, die Lampe einen unsicheren Schein durch das Schlafzimmer wirft, da sollte ihre Gestalt, ihr Geist, eine Ahnung von ihr, vorüberschweben, herantreten, mich ergreifen, nur einen Augenblick, dass ich eine Art von Versicherung hätte, sie denke mein, sie sei mein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1753,"orig":"Eine einzige Freude bleibt mir noch.","norm":"Eine einzige Freude bleibt mir noch."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1754,"orig":"Da ich ihr nahe war, traͤumte ich nie von ihr; jetzt aber in der Ferne ſind wir im Traume zuſammen, und ſonderbar genug, ſeit ich andre liebenswuͤrdige Perſonen hier in der Nachbarſchaft kennen gelernt, jetzt erſt erſcheint mir ihr Bild im Traum, als wenn ſie mir ſagen wollte: ſiehe nur hin und her!","norm":"Da ich ihr nahe war, träumte ich nie von ihr; jetzt aber in der Ferne sind wir im Traume zusammen, und sonderbar genug, seit ich andere liebenswürdige Personen hier in der Nachbarschaft kennengelernt, jetzt erst erscheint mir ihr Bild im Traum, als wenn sie mir sagen wollte: Siehe nur hin und her!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1755,"orig":"du findeſt doch nichts ſchoͤneres und lieberes als mich.","norm":"du findest doch nichts Schöneres und Lieberes als mich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1756,"orig":"Und ſo miſcht ſich ihr Bild in jeden meiner Traͤume.","norm":"Und so mischt sich ihr Bild in jeden meiner Träume."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1757,"orig":"Alles was mir mit ihr begegnet, ſchiebt ſich durch- und uͤbereinander.","norm":"Alles was mir mit ihr begegnet, schiebt sich durch- und übereinander."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1758,"orig":"Bald unterſchreiben wir einen Contract; da iſt ihre Hand und die meinige, ihr Name und der meinige, beyde loͤſchen einander aus, beyde verſchlingen ſich.","norm":"Bald unterschreiben wir einen Kontrakt; da ist ihre Hand und die meinige, ihr Name und der meinige, beide löschen einander aus, beide verschlingen sich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1759,"orig":"Auch nicht ohne Schmerz ſind dieſe wonnevollen Gaukeleyen der Phantaſie.","norm":"Auch nicht ohne Schmerz sind diese wonnevollen Gaukeleien der Phantasie."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1760,"orig":"Manchmal thut ſie etwas, das die reine Idee beleidigt, die ich von ihr habe; dann fuͤhl' ich erſt, wie ſehr ich ſie liebe, indem ich uͤber alle Beſchreibung geaͤngſtet bin.","norm":"Manchmal tut sie etwas, das die reine Idee beleidigt, die ich von ihr habe; dann fühle ich erst, wie sehr ich sie liebe, indem ich über alle Beschreibung geängstet bin."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1761,"orig":"Manchmal neckt ſie mich ganz gegen ihre Art und quaͤlt mich; aber ſogleich veraͤndert ſich ihr Bild, ihr ſchoͤnes, rundes himmliſches Geſichtchen verlaͤngert ſich: es iſt eine andre.","norm":"Manchmal neckt sie mich ganz gegen ihre Art und quält mich; aber sogleich verändert sich ihr Bild, ihr schönes, rundes himmlisches Gesichtchen verlängert sich: Es ist eine andere."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1762,"orig":"Aber ich bin doch gequaͤlt, unbefriedigt und zerruͤttet.","norm":"Aber ich bin doch gequält, unbefriedigt und zerrüttet."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1763,"orig":"Laͤcheln Sie nicht, lieber Mittler, oder, laͤcheln Sie auch!","norm":"Lächeln Sie nicht, lieber Mittler, oder, lächeln Sie auch!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1764,"orig":"O ich ſchaͤme mich nicht dieſer Anhaͤnglichkeit, dieſer, wenn Sie wollen, thoͤrigen raſenden Neigung.","norm":"O ich schäme mich nicht dieser Anhänglichkeit, dieser, wenn Sie wollen, törichten rasenden Neigung."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1765,"orig":"Nein, ich habe noch nie geliebt; jetzt erfahre ich erſt, was das heißt.","norm":"Nein, ich habe noch nie geliebt; jetzt erfahre ich erst, was das heißt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1766,"orig":"Bisher war alles in meinem Leben nur Vorſpiel, nur Hinhalten, nur Zeitvertreib, nur Zeitverderb, bis ich ſie kennen lernte, bis ich ſie liebte und ganz und eigentlich liebte.","norm":"Bisher war alles in meinem Leben nur Vorspiel, nur Hinhalten, nur Zeitvertreib, nur Zeitverderb, bis ich sie kennenlernte, bis ich sie liebte und ganz und eigentlich liebte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1767,"orig":"Man hat mir, nicht gerade ins Geſicht, aber doch wohl im Ruͤcken, den Vorwurf gemacht: ich pfuſche, ich ſtuͤmpere nur in den meiſten Dingen.","norm":"Man hat mir, nicht gerade ins Gesicht, aber doch wohl im Rücken, den Vorwurf gemacht: Ich pfusche, ich stümpere nur in den meisten Dingen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1768,"orig":"Es mag ſeyn, aber ich hatte das noch nicht gefunden worin ich mich als Meiſter zeigen kann.","norm":"Es mag sein, aber ich hatte das noch nicht gefunden worin ich mich als Meister zeigen kann."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1769,"orig":"Ich will den ſehen, der mich im Talent des Liebens uͤbertrifft.","norm":"Ich will den sehen, der mich im Talent des Liebens übertrifft."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1770,"orig":"Zwar es iſt ein jammervolles, ein ſchmerzen- ein thraͤnenreiches; aber ich finde es mir ſo natuͤrlich, ſo eigen, daß ich es wohl ſchwerlich je wieder aufgebe.","norm":"Zwar es ist ein jammervolles, ein schmerzen- ein tränenreiches; aber ich finde es mir so natürlich, so eigen, dass ich es wohl schwerlich je wieder aufgebe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1771,"orig":"Durch dieſe lebhaften herzlichen Aeußerungen hatte ſich Eduard wohl erleichtert, aber es war ihm auch auf einmal jeder einzelne Zug ſeines wunderlichen Zuſtandes deutlich vor die Augen getreten, daß er vom ſchmerzlichen Widerſtreit uͤberwaͤltigt in Thraͤnen ausbrach, die um ſo reichlicher floſſen, als ſein Herz durch Mittheilung weich geworden war.","norm":"Durch diese lebhaften herzlichen Äußerungen hatte sich Eduard wohl erleichtert, aber es war ihm auch auf einmal jeder einzelne Zug seines wunderlichen Zustandes deutlich vor die Augen getreten, dass er vom schmerzlichen Widerstreit überwältigt in Tränen ausbrach, die um so reichlicher flossen, als sein Herz durch Mitteilung weich geworden war."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1772,"orig":"Mittler, der ſein raſches Naturell, ſeinen unerbittlichen Verſtand um ſo weniger verlaͤugnen konnte, als er ſich durch dieſen ſchmerzlichen Ausbruch der Leidenſchaft Eduards weit von dem Ziel ſeiner Reife verſchlagen ſah, aͤußerte aufrichtig und derb feine Misbilligung.","norm":"Mittler, der sein rasches Naturell, seinen unerbittlichen Verstand um so weniger verleugnen konnte, als er sich durch diesen schmerzlichen Ausbruch der Leidenschaft Eduards weit von dem Ziel seiner Reise verschlagen sah, äußerte aufrichtig und derb seine Missbilligung."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1773,"orig":"Eduard — hieß es — ſolle ſich ermannen, ſolle bedenken, was er feiner Manneswuͤrde ſchuldig ſey; ſolle nicht vergeſſen, daß dem Menſchen zur hoͤchſten Ehre gereiche im Ungluͤck ſich zu faſſen, den Schmerz mit Gleichmuth und Anſtand zu ertragen, um hoͤchlich geſchaͤtzt, verehrt und als Muſter ausgeſtellt zu werden.","norm":"Eduard — hieß es — solle sich ermannen, solle bedenken, was er seiner Manneswürde schuldig sei; solle nicht vergessen, dass dem Menschen zur höchsten Ehre gereiche im Unglück sich zu fassen, den Schmerz mit Gleichmut und Anstand zu ertragen, um höchlich geschätzt, verehrt und als Muster aufgestellt zu werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1774,"orig":"Aufgeregt, durchdrungen von den peinlichſten Gefuͤhlen, wie Eduard war, mußten ihm dieſe Worte hohl und nichtig vorkommen.","norm":"Aufgeregt, durchdrungen von den peinlichsten Gefühlen, wie Eduard war, mussten ihm diese Worte hohl und nichtig vorkommen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1775,"orig":"Der Gluͤckliche, der Behagliche hat gut Reden, fuhr Eduard auf: aber ſchaͤmen wuͤrde er ſich, wenn er einſaͤhe, wie unertraͤglich er dem Leidenden wird.","norm":"Der Glückliche, der Behagliche hat gut Reden, fuhr Eduard auf: aber schämen würde er sich, wenn er einsähe, wie unerträglich er dem Leidenden wird."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1776,"orig":"Eine unendliche Geduld ſoll es geben, einen unendlichen Schmerz will der ſtarre Behagliche nicht anerkennen.","norm":"Eine unendliche Geduld soll es geben, einen unendlichen Schmerz will der starre Behagliche nicht anerkennen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1777,"orig":"Es giebt Faͤlle, ja es giebt deren!","norm":"Es gibt Fälle, ja es gibt deren!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1778,"orig":"wo jeder Troſt niedertraͤchtig und Verzweiflung Pflicht iſt.","norm":"wo jeder Trost niederträchtig und Verzweiflung Pflicht ist."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1779,"orig":"Verſchmaͤht doch ein edler Grieche, der auch Helden zu ſchildern weiß, keineswegs, die ſeinigen bey ſchmerzlichem Drange weinen zu laſſen.","norm":"Verschmäht doch ein edler Grieche, der auch Helden zu schildern weiß, keineswegs, die seinigen bei schmerzlichem Drange weinen zu lassen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1780,"orig":"Selbſt im Spruͤchwort ſagt er: thraͤnenreiche Maͤnner ſind gut.","norm":"Selbst im Sprichwort sagt er: Tränenreiche Männer sind gut."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1781,"orig":"Verlaſſe mich Jeder, der trocknes Herzens, trockner Augen iſt!","norm":"Verlasse mich Jeder, der trockenes Herzens, trockener Augen ist!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1782,"orig":"Ich verwuͤnſche die Gluͤcklichen, denen der Ungluͤckliche nur zum Spectakel dienen ſoll.","norm":"Ich verwünsche die Glücklichen, denen der Unglückliche nur zum Spektakel dienen soll."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1783,"orig":"Er ſoll ſich in der grauſamſten Lage koͤrperlicher und geiſtiger Bedraͤngniß noch edel gebaͤrden, um ihren Beyfall zu erhalten; und damit ſie ihm beym Verſcheiden noch applaudiren, wie ein Gladiator mit Anſtand vor ihren Augen umkommen.","norm":"Er soll sich in der grausamsten Lage körperlicher und geistiger Bedrängnis noch edel gebärden, um ihren Beifall zu erhalten; und damit sie ihm beim Verscheiden noch applaudieren, wie ein Gladiator mit Anstand vor ihren Augen umkommen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1784,"orig":"Lieber Mittler, ich danke Ihnen fuͤr Ihren Beſuch; aber Sie erzeigten mir eine große Liebe, wenn Sie ſich im Garten, in der Gegend umſaͤhen.","norm":"Lieber Mittler, ich danke Ihnen für Ihren Besuche; aber Sie erzeigten mir eine große Liebe, wenn Sie sich im Garten, in der Gegend umsähen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1785,"orig":"Wir kommen wieder zuſammen.","norm":"Wir kommen wieder zusammen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1786,"orig":"Ich ſuche gefaßter und Ihnen aͤhnlicher zu werden.","norm":"Ich suche gefasster und Ihnen ähnlicher zu werden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1787,"orig":"Mittler mochte lieber einlenken als die Unterhaltung abbrechen, die er ſo leicht nicht wieder anknuͤpfen konnte.","norm":"Mittler mochte lieber einlenken als die Unterhaltung abbrechen, die er so leicht nicht wieder anknüpfen konnte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1788,"orig":"Auch Eduarden war es ganz gemaͤß, das Geſpraͤch weiter fortzuſetzen, das ohnehin zu ſeinem Ziele abzulaufen ſtrebte.","norm":"Auch Eduard war es ganz gemäß, das Gespräch weiter fortzusetzen, das ohnehin zu seinem Ziele abzulaufen strebte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1789,"orig":"Freylich, ſagte Eduard, hilft das Hinund Wiederdenken, das Hin- und Wiederreden zu nichts; doch unter dieſem Reden bin ich mich ſelbſt erſt gewahr worden, habe ich erſt entſchieden gefuͤhlt, wozu ich mich entſchließen ſollte, wozu ich entſchloſſen bin.","norm":"Freilich, sagte Eduard, hilft das Hin- und Widerdenken, das Hin- und Widerreden zu nichts; doch unter diesem Reden bin ich mich selbst erst gewahr worden, habe ich erst entschieden gefühlt, wozu ich mich entschließen sollte, wozu ich entschlossen bin."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1790,"orig":"Ich ſehe mein gegenwaͤrtiges, mein zukuͤnftiges Leben vor mir; nur zwiſchen Elend und Genuß habe ich zu waͤhlen.","norm":"Ich sehe mein gegenwärtiges, mein zukünftiges Leben vor mir; nur zwischen Elend und Genuss habe ich zu wählen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1791,"orig":"Bewirken Sie, beſter Mann, eine Scheidung die ſo nothwendig, die ſchon geſchehen iſt; ſchaffen Sie mir Charlottens Einwilligung.","norm":"Bewirken Sie, bester Mann, eine Scheidung die so notwendig, die schon geschehen ist; schaffen Sie mir Charlottes Einwilligung."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1792,"orig":"Ich will nicht weiter ausfuͤhren, warum ich glaube daß ſie zu erlangen ſeyn wird.","norm":"Ich will nicht weiter ausführen, warum ich glaube dass sie zu erlangen sein wird."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1793,"orig":"Gehen Sie hin, lieber Mann, beruhigen Sie uns alle, machen Sie uns gluͤcklich!","norm":"Gehen Sie hin, lieber Mann, beruhigen Sie uns alle, machen Sie uns glücklich!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1794,"orig":"Mittler ſtockte.","norm":"Mittler stockte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1795,"orig":"Eduard fuhr fort:","norm":"Eduard fuhr fort:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1796,"orig":"Mein Schickſal und Ottiliens iſt nicht zu trennen und wir werden nicht zu Grunde gehen.","norm":"Mein Schicksal und Ottilies ist nicht zu trennen und wir werden nicht zugrunde gehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1797,"orig":"Sehen Sie dieſes Glas!","norm":"Sehen Sie dieses Glas!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1798,"orig":"Unſere Namenszuͤge ſind darein geſchnitten.","norm":"Unsere Namenszüge sind dareingeschnitten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1799,"orig":"Ein froͤhlich Jubelnder warf es in die Luft;","norm":"Ein fröhlich Jubelnder warf es in die Luft;"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1800,"orig":"Niemand ſollte mehr daraus trinken; auf dem felſigen Boden ſollte es zerſchellen, aber es ward aufgefangen.","norm":"Niemand sollte mehr daraus trinken; auf dem felsigen Boden sollte es zerschellen, aber es wurde aufgefangen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1801,"orig":"Um hohen Preis habe ich es wieder eingehandelt und ich trinke nun taͤglich daraus, um mich taͤglich zu uͤberzeugen: daß alle Verhaͤltniſſe unzerſtoͤrlich ſind, die das Schickſal beſchloſſen hat.","norm":"Um hohen Preis habe ich es wieder eingehandelt und ich trinke nun täglich daraus, um mich täglich zu überzeugen: dass alle Verhältnisse unzerstörbar sind, die das Schicksal beschlossen hat."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1802,"orig":"O wehe mir, rief Mittler, was muß ich nicht mit meinen Freunden fuͤr Geduld haben!","norm":"O wehe mir, rief Mittler, was muss ich nicht mit meinen Freunden für Geduld haben!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1803,"orig":"Nun begegnet mir noch gar der Aberglaube, der mir als das ſchaͤdlichſte was bey den Menſchen einkehren kann, verhaßt bleibt.","norm":"Nun begegnet mir noch gar der Aberglaube, der mir als das Schädlichste was bei den Menschen einkehren kann, verhasst bleibt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1804,"orig":"Wir ſpielen mit Vorausſagungen, Ahndungen und Traͤumen und machen dadurch das alltaͤgliche Leben bedeutend.","norm":"Wir spielen mit Voraussagungen, Ahnungen und Träumen und machen dadurch das alltägliche Leben bedeutend."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1805,"orig":"Aber wenn das Leben nun ſelbſt bedeutend wird, wenn alles um uns ſich bewegt und brauſt, dann wird das Gewitter durch jene Geſpenſter nur noch fuͤrchterlicher.","norm":"Aber wenn das Leben nun selbst bedeutend wird, wenn alles um uns sich bewegt und braust, dann wird das Gewitter durch jene Gespenster nur noch fürchterlicher."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1806,"orig":"Laſſen Sie in dieſer Ungewißheit des Lebens, rief Eduard, zwiſchen dieſem Hoffen und Bangen, dem beduͤrftigen Herzen doch nur eine Art von Leitſtern, nach welchem es hinblicke, wenn es auch nicht darnach ſteuern kann.","norm":"Lassen Sie in dieser Ungewissheit des Lebens, rief Eduard, zwischen diesem Hoffen und Bangen, dem bedürftigen Herzen doch nur eine Art von Leitstern, nach welchem es hinblicke, wenn es auch nicht danach steuern kann."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1807,"orig":"Ich ließe mir's wohl gefallen, verſetzte Mittler, wenn dabey nur einige Conſequenz zu hoffen waͤre; aber ich habe immer gefunden, auf die warnenden Symptome achtet kein Menſch, auf die ſchmeichelnden und verſprechenden allein iſt die Aufmerkſamkeit gerichtet und der Glaube fuͤr ſie ganz allein lebendig.","norm":"Ich ließe mir es wohl gefallen, versetzte Mittler, wenn dabei nur einige Konsequenz zu hoffen wäre; aber ich habe immer gefunden, auf die warnenden Symptome achtet kein Mensch, auf die schmeichelnden und versprechenden allein ist die Aufmerksamkeit gerichtet und der Glaube für sie ganz allein lebendig."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1808,"orig":"Da ſich nun Mittler ſogar in die dunklen Regionen gefuͤhrt ſah, in denen er ſich immer unbehaglicher fuͤhlte, je laͤnger er darin verweilte; ſo nahm er den dringenden Wunſch Eduards, der ihn zu Charlotten gehen hieß, etwas williger auf.","norm":"Da sich nun Mittler sogar in die dunklen Regionen geführt sah, in denen er sich immer unbehaglicher fühlte, je länger er darin verweilte; so nahm er den dringenden Wunsch Eduards, der ihn zu Charlotten gehen hieß, etwas williger auf."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1809,"orig":"Denn was wollte er uͤberhaupt Eduarden in dieſem Augenblicke noch entgegenſetzen?","norm":"Denn was wollte er überhaupt Eduard in diesem Augenblicke noch entgegensetzen?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1810,"orig":"Zeit zu gewinnen, zu erforſchen wie es um die Frauen ſtehe, das war es, was ihm ſelbſt nach ſeinen eignen Geſinnungen zu thun uͤbrig blieb.","norm":"Zeit zu gewinnen, zu erforschen wie es um die Frauen stehe, das war es, was ihm selbst nach seinen eigenen Gesinnungen zu tun übrigblieb."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1811,"orig":"Er eilte zu Charlotten, die er wie ſonſt gefaßt und heiter fand.","norm":"Er eilte zu Charlotten, die er wie sonst gefasst und heiter fand."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1812,"orig":"Sie unterrichtete ihn gern von allem was vorgefallen war: denn aus Eduards Reden konnte er nur die Wirkung abnehmen.","norm":"Sie unterrichtete ihn gern von allem was vorgefallen war: denn aus Eduards Reden konnte er nur die Wirkung abnehmen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1813,"orig":"Er trat von ſeiner Seite behutſam heran, konnte es aber nicht uͤber ſich gewinnen, das Wort Scheidung auch nur im Vorbeygehn auszuſprechen.","norm":"Er trat von seiner Seite behutsam heran, konnte es aber nicht über sich gewinnen, das Wort Scheidung auch nur im Vorbeigehen auszusprechen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1814,"orig":"Wie verwundert, erſtaunt und, nach ſeiner Geſinnung, erheitert war er daher, als Charlotte ihm, in Gefolg ſo manches Unerfreulichen, endlich ſagte:","norm":"Wie verwundert, erstaunt und, nach seiner Gesinnung, erheitert war er daher, als Charlotte ihm, in Gefolge so manches Unerfreulichen, endlich sagte:"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1815,"orig":"Ich muß glauben, ich muß hoffen, daß alles ſich wieder geben, daß Eduard ſich wieder naͤhern werde.","norm":"Ich muss glauben, ich muss hoffen, dass alles sich wieder geben, dass Eduard sich wieder nähern werde."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1816,"orig":"Wie kann es auch wohl anders ſeyn, da Sie mich guter Hoffnung finden.","norm":"Wie kann es auch wohl anders sein, da Sie mich guter Hoffnung finden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1817,"orig":"Verſteh' ich Sie recht?","norm":"Verstehe ich Sie recht?"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1818,"orig":"fiel Mittler ein — Vollkommen, verſetzte Charlotte — Tauſendmal geſegnet ſey mir dieſe Nachricht!","norm":"fiel Mittler ein — Vollkommen, versetzte Charlotte — Tausendmal gesegnet sei mir diese Nachricht!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1819,"orig":"rief er, die Haͤnde zuſammenſchlagend.","norm":"rief er, die Hände zusammenschlagend."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1820,"orig":"Ich kenne die Staͤrke dieſes Arguments auf ein maͤnnliches Gemuͤth.","norm":"Ich kenne die Stärke dieses Arguments auf ein männliches Gemüt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1821,"orig":"Wie viele Heiraten ſah ich dadurch beſchleunigt, befeſtigt, wieder hergeſtellt!","norm":"Wie viele Heiraten sah ich dadurch beschleunigt, befestigt, wiederhergestellt!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1822,"orig":"Mehr als tauſend Worte wirkt eine ſolche gute Hoffnung, die fuͤrwahr die beſte Hoffnung iſt die wir haben koͤnnen.","norm":"Mehr als tausend Worte wirkt eine solche gute Hoffnung, die fürwahr die beste Hoffnung ist die wir haben können."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1823,"orig":"Doch, fuhr er fort, was mich betrifft, ſo haͤtte ich alle Urſache verdrießlich zu ſeyn.","norm":"Doch, fuhr er fort, was mich betrifft, so hätte ich alle Ursache verdrießlich zu sein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1824,"orig":"In dieſem Falle, ſehe ich wohl, wird meiner Eigenliebe nicht geſchmeichelt.","norm":"In diesem Falle, sehe ich wohl, wird meiner Eigenliebe nicht geschmeichelt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1825,"orig":"Bey Euch kann meine Thaͤtigkeit keinen Dank verdienen.","norm":"Bei Euch kann meine Tätigkeit keinen Dank verdienen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1826,"orig":"Ich komme mir vor, wie jener Arzt, mein Freund, dem alle Kuren gelangen, die er um Gottes willen an Armen that, der aber ſelten einen Reichen heilen konnte, der es gut bezahlen wollte.","norm":"Ich komme mir vor, wie jener Arzt, mein Freund, dem alle Kuren gelangen, die er um Gottes willen an Armen tat, der aber selten einen Reichen heilen konnte, der es gut bezahlen wollte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1827,"orig":"Gluͤcklicherweiſe hilft ſich hier die Sache von ſelbſt, da meine Bemuͤhungen, mein Zureden fruchtlos geblieben waͤren.","norm":"Glücklicherweise hilft sich hier die Sache von selbst, da meine Bemühungen, mein Zureden fruchtlos geblieben wären."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1828,"orig":"Charlotte verlangte nun von ihm, er ſolle die Nachricht Eduarden bringen, einen Brief von ihr mitnehmen und ſehen, was zu thun, was herzuſtellen ſey.","norm":"Charlotte verlangte nun von ihm, er solle die Nachricht Eduard bringen, einen Brief von ihr mitnehmen und sehen, was zu tun, was herzustellen sei."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1829,"orig":"Er wollte das nicht eingehen.","norm":"Er wollte das nicht eingehen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1830,"orig":"Alles iſt ſchon gethan, rief er aus.","norm":"Alles ist schon getan, rief er aus."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1831,"orig":"Schreiben Sie!","norm":"Schreiben Sie!"} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1832,"orig":"ein jeder Bote iſt ſo gut als ich.","norm":"ein jeder Bote ist so gut als ich."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1833,"orig":"Muß ich doch meine Schritte hinwenden wo ich noͤthiger bin.","norm":"Muss ich doch meine Schritte hinwenden wo ich nötiger bin."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1834,"orig":"Ich komme nur wieder, um Gluͤck zu wuͤnſchen, ich komme zur Taufe.","norm":"Ich komme nur wieder, um Glück zu wünschen, ich komme zur Taufe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1835,"orig":"Charlotte war dießmal, wie ſchon oͤfters, uͤber Mittlern unzufrieden.","norm":"Charlotte war diesmal, wie schon öfters, über Mittleren unzufrieden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1836,"orig":"Sein raſches Weſen brachte manches Gute hervor, aber ſeine Uebereilung war Schuld an manchem Mislingen.","norm":"Sein rasches Wesen brachte manches Gute hervor, aber seine Übereilung war schuld an manchem Misslingen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1837,"orig":"Niemand war abhaͤngiger von augenblicklich vorgefaßten Meynungen als er.","norm":"Niemand war abhängiger von augenblicklich vorgefassten Meinungen als er."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1838,"orig":"Charlottens Bote kam zu Eduarden, der ihn mit halbem Schrecken empfing.","norm":"Charlottes Bote kam zu Eduard, der ihn mit halbem Schrecken empfing."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1839,"orig":"Der Brief konnte eben ſo gut fuͤr Nein als fuͤr Ja entſcheiden.","norm":"Der Brief konnte ebenso gut für Nein als für Ja entscheiden."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1840,"orig":"Er wagte lange nicht ihn aufzubrechen, und wie ſtand er betroffen, als er das Blatt geleſen, verſteinert bey folgender Stelle, womit es ſich endigte.","norm":"Er wagte lange nicht ihn aufzubrechen, und wie stand er betroffen, als er das Blatt gelesen, versteinert bei folgender Stelle, womit es sich endigte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1841,"orig":"„Gedenke jener naͤchtlichen Stunden, in denen du deine Gattinn abenteuerlich als Liebender beſuchteſt, ſie unwiderſtehlich an dich zogſt, ſie als eine Geliebte, als eine Braut in die Arme ſchloſſeſt.","norm":"„Gedenke jener nächtlichen Stunden, in denen du deine Gattin abenteuerlich als Liebender besuchtest, sie unwiderstehlich an dich zogst, sie als eine Geliebte, als eine Braut in die Arme schlossest."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1842,"orig":"Laß uns in dieſer ſeltſamen Zufaͤlligkeit eine Fuͤgung des Himmels verehren, die fuͤr ein neues Band unſerer Verhaͤltniſſe geſorgt hat, in dem Augenblick da das Gluͤck unſres Lebens auseinander zu fallen und zu verſchwinden droht.","norm":"Lass uns in dieser seltsamen Zufälligkeit eine Fügung des Himmels verehren, die für ein neues Band unserer Verhältnisse gesorgt hat, in dem Augenblick da das Glück unseres Lebens auseinanderzufallen und zu verschwinden droht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1843,"orig":"“ Was von dem Augenblick an in der Seele Eduards vorging wuͤrde ſchwer zu ſchildern ſeyn.","norm":"“ Was von dem Augenblick an in der Seele Eduards vorging würde schwer zu schildern sein."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1844,"orig":"In einem ſolchen Gedraͤnge treten zuletzt alte Gewohnheiten, alte Neigungen wieder hervor, um die Zeit zu toͤdten und den Lebensraum auszufuͤllen.","norm":"In einem solchen Gedränge treten zuletzt alte Gewohnheiten, alte Neigungen wieder hervor, um die Zeit zu töten und den Lebensraum auszufüllen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1845,"orig":"Jagd und Krieg ſind eine ſolche fuͤr den Edelmann immer bereite Aushuͤlfe.","norm":"Jagd und Krieg sind eine solche für den Edelmann immer bereite Aushülfe."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1846,"orig":"Eduard ſehnte ſich nach aͤußerer Gefahr, um der innerlichen das Gleichgewicht zu halten.","norm":"Eduard sehnte sich nach äußerer Gefahr, um der innerlichen das Gleichgewicht zu halten."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1847,"orig":"Er ſehnte ſich nach dem Untergang, weil ihm das Daſeyn unertraͤglich zu werden drohte; ja es war ihm ein Troſt zu denken, daß er nicht mehr ſeyn werde und eben dadurch ſeine Geliebten, ſeine Freunde gluͤcklich machen koͤnne.","norm":"Er sehnte sich nach dem Untergang, weil ihm das Dasein unerträglich zu werden drohte; ja es war ihm ein Trost zu denken, dass er nicht mehr sein werde und eben dadurch seine Geliebten, seine Freunde glücklich machen könne."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1848,"orig":"Niemand ſtellte ſeinem Willen ein Hinderniß entgegen, da er ſeinen Entſchluß verheimlichte.","norm":"Niemand stellte seinem Willen ein Hindernis entgegen, da er seinen Entschluss verheimlichte."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1849,"orig":"Mit allen Foͤrmlichkeiten ſetzte er ſein Teſtament auf: es war ihm eine ſuͤße Empfindung, Ottilien das Gut vermachen zu koͤnnen.","norm":"Mit allen Förmlichkeiten setzte er sein Testament auf: Es war ihm eine süße Empfindung, Ottilie das Gut vermachen zu können."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1850,"orig":"Fuͤr Charlotten, fuͤr das Ungeborne, fuͤr den Hauptmann, fuͤr ſeine Dienerſchaft war geſorgt.","norm":"Für Charlotten, für das Ungeborene, für den Hauptmann, für seine Dienerschaft war gesorgt."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1851,"orig":"Der wieder ausgebrochne Krieg beguͤnſtigte ſein Vorhaben.","norm":"Der wieder ausgebrochene Krieg begünstigte sein Vorhaben."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1852,"orig":"Militaͤriſche Halbheiten hatten ihm in ſeiner Jugend viel zu ſchaffen gemacht; er hatte deswegen den Dienſt verlaſſen: nun war es ihm eine herrliche Empfindung, mit einem Feldherrn zu ziehen, von dem er ſich ſagen konnte: unter ſeiner Anfuͤhrung iſt der Tod wahrſcheinlich und der Sieg gewiß.","norm":"Militärische Halbheiten hatten ihm in seiner Jugend viel zu schaffen gemacht; er hatte deswegen den Dienst verlassen: Nun war es ihm eine herrliche Empfindung, mit einem Feldherrn zu ziehen, von dem er sich sagen konnte: unter seiner Anführung ist der Tod wahrscheinlich und der Sieg gewiss."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1853,"orig":"Ottilie, nachdem auch ihr Charlottens Geheimniß bekannt geworden, betroffen wie Eduard, und mehr, ging in ſich zuruͤck.","norm":"Ottilie, nachdem auch ihr Charlottes Geheimnis bekannt geworden, betroffen wie Eduard, und mehr, ging in sich zurück."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1854,"orig":"Sie hatte nichts weiter zu ſagen.","norm":"Sie hatte nichts weiter zu sagen."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1855,"orig":"Hoffen konnte ſie nicht, und wuͤnſchen durfte ſie nicht.","norm":"Hoffen konnte sie nicht, und wünschen durfte sie nicht."} {"basename":"goethe_wahlverw01_1809","par_idx":1856,"orig":"Einen Blick jedoch in ihr Inneres gewaͤhrt uns ihr Tagebuch, aus dem wir einiges mitzutheilen gedenken.","norm":"Einen Blick jedoch in ihr Inneres gewährt uns ihr Tagebuch, aus dem wir einiges mitzuteilen gedenken."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":0,"orig":"Im gemeinen Leben begegnet uns oft was wir in der Epopde als Kunſtgriff des Dichters zu ruͤhmen pflegen, daß naͤmlich wenn die Hauptfiguren ſich entfernen, verbergen, ſich der Unthaͤtigkeit hingeben, gleich ſodann ſchon ein zweyter, dritter, bisher kaum Bemerkter den Platz fuͤllt, und indem er ſeine ganze Thaͤtigkeit aͤußert, uns gleichfalls der Aufmerkſamkeit, der Theilnahme, ja des Lobes und Preiſes wuͤrdig erſcheint.","norm":"Im gemeinen Leben begegnet uns oft was wir in der Epopöe als Kunstgriff des Dichters zu rühmen pflegen, dass nämlich wenn die Hauptfiguren sich entfernen, verbergen, sich der Untätigkeit hingeben, gleich sodann schon ein Zweiter, Dritter, bisher kaum bemerkter den Platz füllt, und indem er seine ganze Tätigkeit äußert, uns gleichfalls der Aufmerksamkeit, der Teilnahme, ja des Lobes und Preises würdig erscheint."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1,"orig":"So zeigte ſich gleich nach der Entfernung des Hauptmanns und Eduards jener Architect taͤglich bedeutender, von welchem die Anordnung und Ausfuͤhrung ſo manches Unternehmens allein abhing, wobey er ſich genau, verſtaͤndig und thaͤtig erwies, und zugleich den Damen auf mancherley Art beyſtand und in ſtillen langwierigen Stunden ſie zu unterhalten wußte.","norm":"So zeigte sich gleich nach der Entfernung des Hauptmanns und Eduards jener Architekt täglich bedeutender, von welchem die Anordnung und Ausführung so manches Unternehmens allein abhing, wobei er sich genau, verständig und tätig erwies, und zugleich den Damen auf mancherlei Art beistand und in stillen langwierigen Stunden sie zu unterhalten wusste."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":2,"orig":"Schon ſein Aeußeres war von der Art, daß es Zutrauen einfloͤßte und Neigung erweckte.","norm":"Schon sein Äußeres war von der Art, dass es Zutrauen einflößte und Neigung erweckte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":3,"orig":"Ein Juͤngling im vollen Sinne des Worts, wohlgebaut, ſchlank, eher ein wenig zu groß, beſcheiden ohne aͤngſtlich, zutraulich ohne zudringend zu ſeyn.","norm":"Ein Jüngling im vollen Sinne des Worts, wohlgebaut, schlank, eher ein wenig zu groß, bescheiden ohne ängstlich, zutraulich ohne zudringend zu sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":4,"orig":"Freudig uͤbernahm er jede Sorge und Bemuͤhung, und weil er mit großer Leichtigkeit rechnete, ſo war ihm bald das ganze Hausweſen kein Geheimniß, und uͤberall hin verbreitete ſich ſein guͤnſtiger Einfluß.","norm":"Freudig übernahm er jede Sorge und Bemühung, und weil er mit großer Leichtigkeit rechnete, so war ihm bald das ganze Hauswesen kein Geheimnis, und überallhin verbreitete sich sein günstiger Einfluss."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":5,"orig":"Die Fremden ließ man ihn gewoͤhnlich empfangen und er wußte einen unerwarteten Beſuch entweder abzulehnen, oder die Frauen wenigſtens dergeſtalt darauf vorzubereiten, daß ihnen keine Unbequemlichkeit daraus entſprang.","norm":"Die Fremden ließ man ihn gewöhnlich empfangen und er wusste einen unerwarteten Besuche entweder abzulehnen, oder die Frauen wenigstens dergestalt darauf vorzubereiten, dass ihnen keine Unbequemlichkeit daraus entsprang."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":6,"orig":"Unter andern gab ihm eines Tags ein junger Rechtsgelehrter viel zu ſchaffen, der von einem benachbarten Edelmann geſendet eine Sache zur Sprache brachte, die zwar von keiner ſonderlichen Bedeutung Charlotten dennoch innig beruͤhrte.","norm":"Unter anderen gab ihm eines Tags ein junger Rechtsgelehrter viel zu schaffen, der von einem benachbarten Edelmann gesendet eine Sache zur Sprache brachte, die zwar von keiner sonderlichen Bedeutung Charlotten dennoch innig berührte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":7,"orig":"Wir muͤſſen dieſes Vorfalls gedenken, weil er verſchiedenen Dingen einen Anſtoß gab, die ſonſt vielleicht lange geruht haͤtten.","norm":"Wir müssen dieses Vorfalls gedenken, weil er verschiedenen Dingen einen Anstoß gab, die sonst vielleicht lange geruht hätten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":8,"orig":"Wir erinnern uns jener Veraͤnderung, welche Charlotte mit dem Kirchhofe vorgenommen hatte.","norm":"Wir erinnern uns jener Veränderung, welche Charlotte mit dem Kirchhofe vorgenommen hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":9,"orig":"Die ſaͤmmtlichen Monumente waren von ihrer Stelle geruͤckt und hatten an der Mauer, an dem Sockel der Kirche Platz gefunden.","norm":"Die sämtlichen Monumente waren von ihrer Stelle gerückt und hatten an der Mauer, an dem Sockel der Kirche Platz gefunden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":10,"orig":"Der uͤbrige Raum war geebnet.","norm":"Der übrige Raum war geebnet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":11,"orig":"Außer einem breiten Wege, der zur Kirche und an derſelben vorbey zu dem jenſeitigen Pfoͤrtchen fuͤhrte, war das uͤbrige alles mit verſchiedenen Arten Klee beſaͤt, der auf das ſchoͤnſte gruͤnte und bluͤhte.","norm":"Außer einem breiten Wege, der zur Kirche und an derselben vorbei zu dem jenseitigen Pförtchen führte, war das übrige alles mit verschiedenen Arten Klee besät, der auf das schönste grünte und blühte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":12,"orig":"Nach einer gewiſſen Ordnung ſollten vom Ende heran die neuen Graͤber beſtellt, doch der Platz jederzeit wieder verglichen und ebenfalls beſaͤt werden.","norm":"Nach einer gewissen Ordnung sollten vom Ende heran die neuen Gräber bestellt, doch der Platz jederzeit wieder verglichen und ebenfalls besät werden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":13,"orig":"Niemand konnte laͤugnen, daß dieſe Anſtalt beym ſonn- und feſttaͤgigen Kirchgang eine heitere und wuͤrdige Anſicht gewaͤhrte.","norm":"Niemand konnte leugnen, dass diese Anstalt beim sonn- und festtägigen Kirchgang eine heitere und würdige Ansicht gewährte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":14,"orig":"Sogar der betagte und an alten Gewohnheiten haftende Geiſtliche, der anfaͤnglich mit der Einrichtung nicht ſonderlich zufrieden geweſen, hatte nunmehr ſeine Freude daran, wenn er unter den alten Linden, gleich Philemon, mit ſeiner Baucis vor der Hinterthuͤre ruhend, ſtatt der holprigen Grabſtaͤtten einen ſchoͤnen, bunten Teppich vor ſich ſah, der noch uͤberdieß ſeinem Haushalt zu Gute kommen ſollte, indem Charlotte die Nutzung dieſes Fleckes der Pfarre zuſichern laſſen.","norm":"Sogar der betagte und an alten Gewohnheiten haftende Geistliche, der anfänglich mit der Einrichtung nicht sonderlich zufrieden gewesen, hatte nunmehr seine Freude daran, wenn er unter den alten Linden, gleich Philemon, mit seiner Baucis vor der Hintertür ruhend, statt der holprigen Grabstätten einen schönen, bunten Teppich vor sich sah, der noch überdies seinem Haushalt zugutekommen sollte, indem Charlotte die Nutzung dieses Fleckes der Pfarre zusichern lassen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":15,"orig":"Allein demungeachtet hatten ſchon manche Gemeindeglieder fruͤher gemißbilligt, daß man die Bezeichnung der Stelle wo ihre Vorfahren ruhten, aufgehoben und das Andenken dadurch gleichſam ausgeloͤſcht: denn die wohlerhaltenen Monumente zeigten zwar an, wer begraben ſey, aber nicht wo er begraben ſey, und auf das Wo komme es eigentlich an, wie Viele behaupteten.","norm":"Allein dem ungeachtet hatten schon manche Gemeindeglieder früher missbilligt, dass man die Bezeichnung der Stelle wo ihre Vorfahren ruhten, aufgehoben und das Andenken dadurch gleichsam ausgelöscht: denn die wohlerhaltenen Monumente zeigten zwar an, wer begraben sei, aber nicht wo er begraben sei, und auf das Wo komme es eigentlich an, wie Viele behaupteten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":16,"orig":"Von eben ſolcher Geſinnung war eine benachbarte Familie, die ſich und den Ihrigen einen Raum auf dieſer allgemeinen Ruheſtaͤtte vor mehreren Jahren ausbedungen und dafuͤr der Kirche eine kleine Stiftung zugewendet hatte.","norm":"Von ebensolcher Gesinnung war eine benachbarte Familie, die sich und den Ihrigen einen Raum auf dieser allgemeinen Ruhestätte vor mehreren Jahren ausbedungen und dafür der Kirche eine kleine Stiftung zugewendet hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":17,"orig":"Nun war der junge Rechtsgelehrte abgeſendet, um die Stiftung zu wiederrufen und anzuzeigen, daß man nicht weiter zahlen werde, weil die Bedingung unter welcher dieſes bisher geſchehen, einſeitig aufgehoben und auf alle Vorſtellungen und Widerreden nicht geachtet worden.","norm":"Nun war der junge Rechtsgelehrte abgesendet, um die Stiftung zu widerrufen und anzuzeigen, dass man nicht weiterzahlen werde, weil die Bedingung unter welcher dieses bisher geschehen, einseitig aufgehoben und auf alle Vorstellungen und Widerreden nicht geachtet worden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":18,"orig":"Charlotte, die Urheberinn dieſer Veraͤnderung, wollte den jungen Mann ſelbſt ſprechen, der zwar lebhaft, aber nicht allzu vorlaut, ſeine und ſeines Principals Gruͤnde darlegte und der Geſellſchaft manches zu denken gab.","norm":"Charlotte, die Urheberin dieser Veränderung, wollte den jungen Mann selbst sprechen, der zwar lebhaft, aber nicht allzu vorlaut, seine und seines Prinzipals Gründe darlegte und der Gesellschaft manches zu denken gab."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":19,"orig":"Sie ſehen, ſprach er, nach einem kurzen Eingang, in welchem er ſeine Zudringlichkeit zu rechtfertigen wußte:","norm":"Sie sehen, sprach er, nach einem kurzen Eingang, in welchem er seine Zudringlichkeit zu rechtfertigen wusste:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":20,"orig":"Sie ſehen daß dem Geringſten wie dem Hoͤchſten daran gelegen iſt, den Ort zu bezeichnen der die Seinigen aufbewahrt.","norm":"Sie sehen dass dem Geringsten wie dem Höchsten daran gelegen ist, den Ort zu bezeichnen der die Seinigen aufbewahrt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":21,"orig":"Dem aͤrmſten Landmann, der ein Kind begraͤbt, iſt es eine Art von Troſt, ein ſchwaches hoͤlzernes Kreuz auf das Grab zu ſtellen, es mit einem Kranze zu zieren, um wenigſtens das Andenken ſo lange zu erhalten als der Schmerz waͤhrt, wenn auch ein ſolches Merkzeichen, wie die Trauer ſelbſt, durch die Zeit aufgehoben wird.","norm":"Dem ärmsten Landmann, der ein Kind begräbt, ist es eine Art von Trost, ein schwaches hölzernes Kreuz auf das Grab zu stellen, es mit einem Kranze zu zieren, um wenigstens das Andenken so lange zu erhalten als der Schmerz währt, wenn auch ein solches Merkzeichen, wie die Trauer selbst, durch die Zeit aufgehoben wird."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":22,"orig":"Wohlhabende verwandeln dieſe Kreuze in eiſerne, befeſtigen und ſchuͤtzen ſie auf mancherley Weiſe, und hier iſt ſchon Dauer fuͤr mehrere Jahre.","norm":"Wohlhabende verwandeln diese Kreuze in eiserne, befestigen und schützen sie auf mancherlei Weise, und hier ist schon Dauer für mehrere Jahre."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":23,"orig":"Doch weil auch dieſe endlich ſinken und unſcheinbar werden; ſo haben Beguͤterte nichts Angelegneres, als einen Stein aufzurichten, der fuͤr mehrere Generationen zu dauern verſpricht und von den Nachkommen erneut und aufgefriſcht werden kann.","norm":"Doch weil auch diese endlich sinken und unscheinbar werden; so haben Begüterte nichts Angelegeneres, als einen Stein aufzurichten, der für mehrere Generationen zu dauern verspricht und von den Nachkommen erneut und aufgefrischt werden kann."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":24,"orig":"Aber dieſer Stein iſt es nicht, der uns anzieht, ſondern das darunter Enthaltene, das daneben der Erde Vertraute.","norm":"Aber dieser Stein ist es nicht, der uns anzieht, sondern das darunter Enthaltene, das daneben der Erde vertraute."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":25,"orig":"Es iſt nicht ſowohl vom Andenken die Rede, als von der Perſon ſelbſt, nicht von der Erinnerung, ſondern von der Gegenwart.","norm":"Es ist nicht sowohl vom Andenken die Rede, als von der Person selbst, nicht von der Erinnerung, sondern von der Gegenwart."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":26,"orig":"Ein geliebtes Abgeſchiedenes umarme ich weit eher und inniger im Grabhuͤgel als im Denkmal: denn dieſes iſt fuͤr ſich eigentlich nur wenig; aber um daſſelbe her ſollen ſich, wie um einen Markſtein, Gatten, Verwandte, Freunde, ſelbſt nach ihrem Hinſcheiden noch verſammeln, und der Lebende ſoll das Recht behalten, Fremde und Miswollende auch von der Seite ſeiner geliebten Ruhenden abzuweiſen und zu entfernen.","norm":"Ein geliebtes abgeschiedenes umarme ich weit eher und inniger im Grabhügel als im Denkmal: denn dieses ist für sich eigentlich nur wenig; aber um dasselbe her sollen sich, wie um einen Markstein, Gatten, Verwandte, Freunde, selbst nach ihrem Hinscheiden noch versammeln, und der Lebende soll das Recht behalten, Fremde und Misswollende auch von der Seite seiner geliebten Ruhenden abzuweisen und zu entfernen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":27,"orig":"Ich halte deswegen dafuͤr, daß mein Principal voͤllig Recht habe, die Stiftung zuruͤckzunehmen; und dieß iſt noch billig genug, denn die Glieder der Familie ſind auf eine Weiſe verletzt, wofuͤr gar kein Erſatz zu denken iſt.","norm":"Ich halte deswegen dafür, dass mein Prinzipal völlig Recht habe, die Stiftung zurückzunehmen; und dies ist noch billig genug, denn die Glieder der Familie sind auf eine Weise verletzt, wofür gar kein Ersatz zu denken ist."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":28,"orig":"Sie ſollen das ſchmerzlich ſuͤße Gefuͤhl entbehren, ihren Geliebten ein Todtenopfer zu bringen, die troͤſtliche Hoffnung dereinſt unmittelbar neben ihnen zu ruhen.","norm":"Sie sollen das schmerzlich süße Gefühl entbehren, ihren Geliebten ein Totenopfer zu bringen, die tröstliche Hoffnung dereinst unmittelbar neben ihnen zu ruhen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":29,"orig":"Die Sache iſt nicht von der Bedeutung, verſetzte Charlotte, daß man ſich deshalb durch einen Rechtshandel beunruhigen ſollte.","norm":"Die Sache ist nicht von der Bedeutung, versetzte Charlotte, dass man sich deshalb durch einen Rechtshandel beunruhigen sollte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":30,"orig":"Meine Anſtalt reut mich ſo wenig, daß ich die Kirche gern, wegen deſſen was ihr entgeht, entſchaͤdigen will.","norm":"Meine Anstalt reut mich so wenig, dass ich die Kirche gern, wegen dessen was ihr entgeht, entschädigen will."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":31,"orig":"Nur muß ich Ihnen aufrichtig geſtehen, Ihre Argumente haben mich nicht uͤberzeugt.","norm":"Nur muss ich Ihnen aufrichtig gestehen, Ihre Argumente haben mich nicht überzeugt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":32,"orig":"Das reine Gefuͤhl einer endlichen allgemeinen Gleichheit, wenigſtens nach dem Tode, ſcheint mir beruhigender als dieſes eigenſinnige ſtarre Fortſetzen unſerer Perſoͤnlichkeiten, Anhaͤnglichkeiten und Lebensverhaͤltniſſe.","norm":"Das reine Gefühl einer endlichen allgemeinen Gleichheit, wenigstens nach dem Tode, scheint mir beruhigender als dieses eigensinnige starre Fortsetzen unserer Persönlichkeiten, Anhänglichkeiten und Lebensverhältnisse."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":33,"orig":"Und was ſagen Sie hierzu?","norm":"Und was sagen Sie hierzu?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":34,"orig":"richtete ſie ihre Frage an den Architecten.","norm":"richtete sie ihre Frage an den Architekten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":35,"orig":"Ich moͤchte, verſetzte dieſer, in einer ſolchen Sache weder ſtreiten, noch den Ausſchlag geben.","norm":"Ich möchte, versetzte dieser, in einer solchen Sache weder streiten, noch den Ausschlag geben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":36,"orig":"Laſſen Sie mich das, was meiner Kunſt, meiner Denkweiſe am naͤchſten liegt, beſcheidentlich aͤußern.","norm":"Lassen Sie mich das, was meiner Kunst, meiner Denkweise am nächsten liegt, bescheidentlich äußeren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":37,"orig":"Seitdem wir nicht mehr ſo gluͤcklich ſind, die Reſte eines geliebten Gegenſtandes eingeurnt an unſere Bruſt zu druͤcken; da wir weder reich noch heiter genug ſind, ſie unverſehrt in großen wohl ausgezierten Sarkophagen zu verwahren; ja da wir nicht einmal in den Kirchen mehr Platz fuͤr uns und fuͤr die Unſrigen finden, ſondern hinaus ins Freye gewieſen ſind: ſo haben wir alle Urſache, die Art und Weiſe die Sie, meine gnaͤdige Frau, eingeleitet haben, zu billigen.","norm":"Seitdem wir nicht mehr so glücklich sind, die Reste eines geliebten Gegenstandes eingeurnt an unsere Brust zu drücken; da wir weder reich noch heiter genug sind, sie unversehrt in großen wohlausgezierten Sarkophagen zu verwahren; ja da wir nicht einmal in den Kirchen mehr Platz für uns und für die Unsrigen finden, sondern hinaus ins Freie gewiesen sind: so haben wir alle Ursache, die Art und Weise die Sie, meine gnädige Frau, eingeleitet haben, zu billigen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":38,"orig":"Wenn die Glieder einer Gemeinde reihenweiſe neben einander liegen, ſo ruhen ſie bey und unter den Ihrigen; und wenn die Erde uns einmal aufnehmen ſoll, ſo finde ich nichts natuͤrlicher und reinlicher, als daß man die zufaͤllig entſtandenen nach und nach zuſammenſinkenden Huͤgel ungeſaͤumt vergleiche, und ſo die Decke, indem alle ſie tragen, einem Jeden leichter gemacht werde.","norm":"Wenn die Glieder einer Gemeinde reihenweise nebeneinander liegen, so ruhen sie bei und unter den Ihrigen; und wenn die Erde uns einmal aufnehmen soll, so finde ich nichts natürlicher und reinlicher, als dass man die zufällig entstandenen nach und nach zusammensinkenden Hügel ungesäumt vergleiche, und so die Decke, indem alle sie tragen, einem Jeden leichter gemacht werde."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":39,"orig":"Und ohne irgend ein Zeichen des Andenkens, ohne irgend etwas das der Erinnerung entgegen kaͤme, ſollte das alles ſo voruͤbergehen?","norm":"Und ohne irgendein Zeichen des Andenkens, ohne irgendetwas das der Erinnerung entgegenkäme, sollte das alles so vorübergehen?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":40,"orig":"verſetzte Ottilie.","norm":"versetzte Ottilie."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":41,"orig":"Keineswegs!","norm":"Keineswegs!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":42,"orig":"fuhr der Architect fort: nicht vom Andenken, nur vom Platze ſoll man ſich losſagen.","norm":"fuhr der Architekt fort: nicht vom Andenken, nur vom Platze soll man sich lossagen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":43,"orig":"Der Baukuͤnſtler, der Bildhauer ſind hoͤchlich intereſſirt, daß der Menſch von ihnen, von ihrer Kunſt, von ihrer Hand eine Dauer ſeines Daſeyns erwarte; und deswegen wuͤnſchte ich gut gedachte, gut ausgefuͤhrte Monumente, nicht einzeln und zufaͤllig ausgeſaͤt, ſondern an einem Orte aufgeſtellt, wo ſie ſich Dauer verſprechen koͤnnen.","norm":"Der Baukünstler, der Bildhauer sind höchlich interessiert, dass der Mensch von ihnen, von ihrer Kunst, von ihrer Hand eine Dauer seines Daseins erwarte; und deswegen wünschte ich gut gedachte, gut ausgeführte Monumente, nicht einzeln und zufällig ausgesät, sondern an einem Orte aufgestellt, wo sie sich Dauer versprechen können."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":44,"orig":"Da ſelbſt die Frommen und Hohen auf das Vorrecht Verzicht thun, in den Kirchen perſoͤnlich zu ruhen, ſo ſtelle man wenigſtens dort, oder in ſchoͤnen Hallen um die Begraͤbnißplaͤtze, Denkzeichen, Denkſchriften auf.","norm":"Da selbst die Frommen und Hohen auf das Vorrecht Verzicht tun, in den Kirchen persönlich zu ruhen, so stelle man wenigstens dort, oder in schönen Hallen um die Begräbnisplätze, Denkzeichen, Denkschriften auf."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":45,"orig":"Es giebt tauſenderley Formen die man ihnen vorſchreiben, tauſenderley Zieraten womit man ſie ausſchmuͤcken kann.","norm":"Es gibt tausenderlei Formen die man ihnen vorschreiben, tausenderlei Zierraten womit man sie ausschmücken kann."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":46,"orig":"Wenn die Kuͤnſtler ſo reich ſind, verſetzte Charlotte, ſo ſagen Sie mir doch: wie kann man ſich niemals aus der Form eines kleinlichen Obeliſken, einer abgeſtutzten Saͤule und eines Aſchenkrugs herausfinden?","norm":"Wenn die Künstler so reich sind, versetzte Charlotte, so sagen Sie mir doch: Wie kann man sich niemals aus der Form eines kleinlichen Obelisken, einer abgestutzten Säule und eines Aschenkrugs herausfinden?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":47,"orig":"Anſtatt der tauſend Erfindungen, deren Sie ſich ruͤhmen, habe ich nur immer tauſend Wiederholungen geſehen.","norm":"Anstatt der tausend Erfindungen, deren Sie sich rühmen, habe ich nur immer tausend Wiederholungen gesehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":48,"orig":"Das iſt wohl bey uns ſo, entgegnete ihr der Architect, aber nicht uͤberall.","norm":"Das ist wohl bei uns so, entgegnete ihr der Architekt, aber nicht überall."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":49,"orig":"Und uͤberhaupt mag es mit der Erfindung und der ſchicklichen Anwendung eine eigne Sache ſeyn.","norm":"Und überhaupt mag es mit der Erfindung und der schicklichen Anwendung eine eigene Sache sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":50,"orig":"Beſonders hat es in dieſem Falle manche Schwierigkeit, einen ernſten Gegenſtand zu erheitern und bey einem unerfreulichen nicht ins Unerfreuliche zu gerathen.","norm":"Besonders hat es in diesem Falle manche Schwierigkeit, einen ernsten Gegenstand zu erheitern und bei einem unerfreulichen nicht ins Unerfreuliche zu geraten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":51,"orig":"Was Entwuͤrfe zu Monumenten aller Art betrifft, deren habe ich viele geſammelt und zeige ſie gelegentlich; doch bleibt immer das ſchoͤnſte Denkmal des Menſchen eigenes Bildniß.","norm":"Was Entwürfe zu Monumenten aller Art betrifft, deren habe ich viele gesammelt und zeige sie gelegentlich; doch bleibt immer das schönste Denkmal des Menschen eigenes Bildnis."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":52,"orig":"Dieſes giebt mehr als irgend etwas anders einen Begriff von dem was er war; es iſt der beſte Text zu vielen oder wenigen Noten: nur muͤßte es aber auch in ſeiner beſten Zeit gemacht ſeyn, welches gewoͤhnlich verſaͤumt wird.","norm":"Dieses gibt mehr als irgendetwas anders einen Begriff von dem was er war; es ist der beste Text zu vielen oder wenigen Noten: nur müsste es aber auch in seiner besten Zeit gemacht sein, welches gewöhnlich versäumt wird."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":53,"orig":"Niemand denkt daran lebende Formen zu erhalten, und wenn es geſchieht, ſo geſchieht es auf unzulaͤngliche Weiſe.","norm":"Niemand denkt daran lebende Formen zu erhalten, und wenn es geschieht, so geschieht es auf unzulängliche Weise."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":54,"orig":"Da wird ein Todter geſchwind noch abgegoſſen und eine ſolche Maske auf einen Block geſetzt, und das heißt man eine Buͤſte.","norm":"Da wird ein Toter geschwind noch abgegossen und eine solche Maske auf einen Block gesetzt, und das heißt man eine Büste."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":55,"orig":"Wie ſelten iſt der Kuͤnſtler im Stande ſie voͤllig wieder zu beleben!","norm":"Wie selten ist der Künstler imstande sie völlig wiederzubeleben!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":56,"orig":"Sie haben, ohne es vielleicht zu wiſſen und zu wollen, verſetzte Charlotte, dieß Geſpraͤch ganz zu meinen Gunſten gelenkt.","norm":"Sie haben, ohne es vielleicht zu wissen und zu wollen, versetzte Charlotte, dies Gespräch ganz zu meinen Gunsten gelenkt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":57,"orig":"Das Bild eines Menſchen iſt doch wohl unabhaͤngig; uͤberall wo es ſteht, ſteht es fuͤr ſich und wir werden von ihm nicht verlangen, daß es die eigentliche Grabſtaͤtte bezeichne.","norm":"Das Bild eines Menschen ist doch wohl unabhängig; überall wo es steht, steht es für sich und wir werden von ihm nicht verlangen, dass es die eigentliche Grabstätte bezeichne."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":58,"orig":"Aber ſoll ich Ihnen eine wunderliche Empfindung bekennen, ſelbſt gegen die Bildniſſe habe ich eine Art von Abneigung: denn ſie ſcheinen mir immer einen ſtillen Vorwurf zu machen; ſie deuten auf etwas Entferntes, Abgeſchiedenes und erinnern mich, wie ſchwer es ſey, die Gegenwart recht zu ehren.","norm":"Aber soll ich Ihnen eine wunderliche Empfindung bekennen, Selbst gegen die Bildnisse habe ich eine Art von Abneigung: denn sie scheinen mir immer einen stillen Vorwurf zu machen; sie deuten auf etwas Entferntes, Abgeschiedenes und erinnern mich, wie schwer es sei, die Gegenwart recht zu ehren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":59,"orig":"Gedenkt man, wie viel Menſchen man geſehen, gekannt, und geſteht ſich, wie wenig wir ihnen, wie wenig ſie uns geweſen, wie wird uns da zu Muthe!","norm":"Gedenkt man, wie viel Menschen man gesehen, gekannt, und gesteht sich, wie wenig wir ihnen, wie wenig sie uns gewesen, wie wird uns da zumute!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":60,"orig":"Wir begegnen dem Geiſtreichen ohne uns mit ihm zu unterhalten, dem Gelehrten ohne von ihm zu lernen, dem Gereiſten ohne uns zu unterrichten, dem Liebevollen ohne ihm etwas Angenehmes zu erzeigen.","norm":"Wir begegnen dem Geistreichen ohne uns mit ihm zu unterhalten, dem Gelehrten ohne von ihm zu lernen, dem Gereisten ohne uns zu unterrichten, dem Liebevollen ohne ihm etwas Angenehmes zu erzeigen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":61,"orig":"Und leider ereignet ſich dieß nicht blos mit den Voruͤbergehenden.","norm":"Und leider ereignet sich dies nicht bloß mit den Vorübergehenden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":62,"orig":"Geſellſchaften und Familien betragen ſich ſo gegen ihre liebſten Glieder, Staͤdte gegen ihre wuͤrdigſten Buͤrger, Voͤlker gegen ihre trefflichſten Fuͤrſten, Nationen gegen ihre vorzuͤglichſten Menſchen.","norm":"Gesellschaften und Familien betragen sich so gegen ihre liebsten Glieder, Städte gegen ihre würdigsten Bürger, Völker gegen ihre trefflichsten Fürsten, Nationen gegen ihre vorzüglichsten Menschen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":63,"orig":"Ich hoͤrte fragen, warum man von den Todten ſo unbewunden Gutes ſage, von den Lebenden immer mit einer gewiſſen Vorſicht.","norm":"Ich hörte fragen, warum man von den Toten so unbewunden Gutes sage, von den Lebenden immer mit einer gewissen Vorsicht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":64,"orig":"Es wurde geantwortet: weil wir von jenen nichts zu befuͤrchten haben, und dieſe uns noch irgendwo in den Weg kommen koͤnnten.","norm":"Es wurde geantwortet: weil wir von jenen nichts zu befürchten haben, und diese uns noch irgendwo in den Weg kommen könnten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":65,"orig":"So unrein iſt die Sorge fuͤr das Andenken der andern; es iſt meiſt nur ein ſelbſtiſcher Scherz, wenn es dagegen ein heiliger Ernſt waͤre, ſeine Verhaͤltniſſe gegen die Ueberbliebenen immer lebendig und thaͤtig zu erhalten.","norm":"So unrein ist die Sorge für das Andenken der anderen; es ist meist nur ein selbstischer Scherz, wenn es dagegen ein heiliger Ernst wäre, seine Verhältnisse gegen die Überbliebenen immer lebendig und tätig zu erhalten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":66,"orig":"Aufgeregt durch den Vorfall und die daran ſich knuͤpfenden Geſpraͤche, begab man ſich des andern Tages nach dem Begraͤbnißplatz, zu deſſen Verzierung und Erheiterung der Architect manchen gluͤcklichen Vorſchlag that.","norm":"Aufgeregt durch den Vorfall und die daran sich knüpfenden Gespräche, begab man sich des anderen Tages nach dem Begräbnisplatz, zu dessen Verzierung und Erheiterung der Architekt manchen glücklichen Vorschlag tat."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":67,"orig":"Allein auch auf die Kirche ſollte ſich ſeine Sorgfalt erſtrecken, auf ein Gebaͤude das gleich anfaͤnglich ſeine Aufmerkſamkeit an ſich gezogen hatte.","norm":"Allein auch auf die Kirche sollte sich seine Sorgfalt erstrecken, auf ein Gebäude das gleich anfänglich seine Aufmerksamkeit an sich gezogen hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":68,"orig":"Dieſe Kirche ſtand ſeit mehreren Jahrhunderten, nach deutſcher Art und Kunſt, in guten Maaßen errichtet und auf eine gluͤckliche Weiſe verziert.","norm":"Diese Kirche stand seit mehreren Jahrhunderten, nach deutscher Art und Kunst, in guten Maßen errichtet und auf eine glückliche Weise verziert."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":69,"orig":"Man konnte wohl nachkommen, daß der Baumeiſter eines benachbarten Kloſters mit Einſicht und Neigung ſich auch an dieſem kleineren Gebaͤude bewaͤhrt, und es wirkte noch immer ernſt und angenehm auf den Betrachter, obgleich die innere neue Einrichtung zum proteſtantiſchen Gottesdienſte ihm etwas von ſeiner Ruhe und Majeſtaͤt genommen hatte.","norm":"Man konnte wohl nachkommen, dass der Baumeister eines benachbarten Klosters mit Einsicht und Neigung sich auch an diesem kleineren Gebäude bewährt, und es wirkte noch immer ernst und angenehm auf den Betrachter, obgleich die innere neue Einrichtung zum protestantischen Gottesdienste ihm etwas von seiner Ruhe und Majestät genommen hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":70,"orig":"Dem Architecten fiel es nicht ſchwer, ſich von Charlotten eine maͤßige Summe zu erbitten, wovon er das Aeußere ſowohl als das Innere im alterthuͤmlichen Sinne herzuſtellen und mit dem davor liegenden Auferſtehungsfelde zur Uebereinſtimmung zu bringen gedachte.","norm":"Dem Architekten fiel es nicht schwer, sich von Charlotten eine mäßige Summe zu erbitten, wovon er das Äußere sowohl als das Innere im altertümlichen Sinne herzustellen und mit dem davorliegenden Auferstehungsfelde zur Übereinstimmung zu bringen gedachte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":71,"orig":"Er hatte ſelbſt viel Handgeſchick, und einige Arbeiter, die noch am Hausbau beſchaͤftigt waren, wollte man gern ſo lange beybehalten bis auch dieſes fromme Werk vollendet waͤre.","norm":"Er hatte selbst viel Handgeschick, und einige Arbeiter, die noch am Hausbau beschäftigt waren, wollte man gern so lange beibehalten bis auch dieses fromme Werk vollendet wäre."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":72,"orig":"Man war nunmehr in dem Falle, das Gebaͤude ſelbſt mit allen Umgebungen und Angebaͤuden zu unterſuchen, und da zeigte ſich zum groͤßten Erſtaunen und Vergnuͤgen des Architecten eine wenig bemerkte kleine Seitencapelle von noch geiſtreichern und leichteren Maaßen, von noch gefaͤlligern und fleißigern Zieraten.","norm":"Man war nunmehr in dem Falle, das Gebäude selbst mit allen Umgebungen und Angebäuden zu untersuchen, und da zeigte sich zum größten Erstaunen und Vergnügen des Architekten eine wenig bemerkte kleine Seitenkapelle von noch geistreicheren und leichteren Maßen, von noch gefälligeren und fleißigeren Zierraten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":73,"orig":"Sie enthielt zugleich manchen geſchnitzten und gemalten Reſt jenes aͤlteren Gottesdienſtes, der mit mancherley Gebild und Geraͤthſchaft die verſchiedenen Feſte zu bezeichnen und jedes auf ſeine eigne Weiſe zu feyern wußte.","norm":"Sie enthielt zugleich manchen geschnitzten und gemalten Rest jenes älteren Gottesdienstes, der mit mancherlei Gebilde und Gerätschaft die verschiedenen Feste zu bezeichnen und jedes auf seine eigene Weise zu feiern wusste."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":74,"orig":"Der Architect konnte nicht unterlaſſen, die Capelle ſogleich in ſeinen Plan mit hereinzuziehen und beſonders dieſen engen Raum als ein Denkmal voriger Zeiten und ihres Geſchmacks wieder herzuſtellen.","norm":"Der Architekt konnte nicht unterlassen, die Kapelle sogleich in seinen Plan mit hereinzuziehen und besonders diesen engen Raum als ein Denkmal voriger Zeiten und ihres Geschmacks wiederherzustellen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":75,"orig":"Er hatte ſich die leeren Flaͤchen nach ſeiner Neigung ſchon verziert gedacht, und freute ſich dabey ſein maleriſches Talent zu uͤben; allein er machte ſeinen Hausgenoſſen fuͤrs Erſte ein Geheimniß davon.","norm":"Er hatte sich die leeren Flächen nach seiner Neigung schon verziert gedacht, und freute sich dabei sein malerisches Talent zu üben; allein er machte seinen Hausgenossen fürs Erste ein Geheimnis davon."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":76,"orig":"Vor allem andern zeigte er verſprochenermaßen den Frauen die verſchiedenen Nachbildungen und Entwuͤrfe von alten Grabmonumenten, Gefaͤßen und andern dahin ſich naͤhernden Dingen, und als man im Geſpraͤch auf die einfacheren Grabhuͤgel der nordiſchen Voͤlker zu reden kam, brachte er ſeine Sammlung von mancherley Waffen und Geraͤthſchaften die darin gefunden worden, zur Anſicht.","norm":"Vor allem anderen zeigte er versprochenermaßen den Frauen die verschiedenen Nachbildungen und Entwürfe von alten Grabmonumenten, Gefäßen und anderen dahin sich nähernden Dingen, und als man im Gespräch auf die einfacheren Grabhügel der nordischen Völker zu reden kam, brachte er seine Sammlung von mancherlei Waffen und Gerätschaften die darin gefunden worden, zur Ansicht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":77,"orig":"Er hatte alles ſehr reinlich und tragbar in Schubladen und Faͤchern auf eingeſchnittenen mit Tuch uͤberzogenen Brettern, ſo daß dieſe alten ernſten Dinge durch ſeine Behandlung etwas Putzhaftes annahmen und man mit Vergnuͤgen darauf, wie auf die Kaͤſtchen eines Modehaͤndlers hinblickte.","norm":"Er hatte alles sehr reinlich und tragbar in Schubladen und Fächern auf eingeschnittenen mit Tuch überzogenen Brettern, so dass diese alten ernsten Dinge durch seine Behandlung etwas Putzhaftes annahmen und man mit Vergnügen darauf, wie auf die Kästchen eines Modehändlers hinblickte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":78,"orig":"Und da er einmal im Vorzeigen war, da die Einſamkeit eine Unterhaltung forderte, ſo pflegte er jeden Abend mit einem Theil ſeiner Schaͤtze hervorzutreten.","norm":"Und da er einmal im Vorzeigen war, da die Einsamkeit eine Unterhaltung forderte, so pflegte er jeden Abend mit einem Teil seiner Schätze hervorzutreten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":79,"orig":"Sie waren meiſtentheils deutſchen Urſprungs:","norm":"Sie waren meistenteils deutschen Ursprungs:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":80,"orig":"Bracteaten, Dickmuͤnzen, Siegel und was ſonſt ſich noch anſchließen mag.","norm":"Brakteaten, Dickmünzen, Siegel und was sonst sich noch anschließen mag."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":81,"orig":"Alle dieſe Dinge richteten die Einbildungskraft gegen die aͤltere Zeit hin, und da er zuletzt mit den Anfaͤngen des Drucks, Holzſchnitten und den aͤlteſten Kupfern ſeine Unterhaltung zierte, und die Kirche taͤglich auch, jenem Sinne gemaͤß, an Farbe und ſonſtiger Auszierung gleichſam der Vergangenheit entgegenwuchs; ſo mußte man ſich beynahe ſelbſt fragen: ob man denn wirklich in der neueren Zeit lebe, ob es nicht ein Traum ſey, daß man nunmehr in ganz andern Sitten, Gewohnheiten, Lebensweiſen und Ueberzeugungen verweile.","norm":"Alle diese Dinge richteten die Einbildungskraft gegen die ältere Zeit hin, und da er zuletzt mit den Anfängen des Drucks, Holzschnitten und den ältesten Kupfern seine Unterhaltung zierte, und die Kirche täglich auch, jenem Sinne gemäß, an Farbe und sonstiger Auszierung gleichsam der Vergangenheit entgegenwuchs; so musste man sich beinahe selbst fragen: ob man denn wirklich in der neueren Zeit lebe, ob es nicht ein Traum sei, dass man nunmehr in ganz anderen Sitten, Gewohnheiten, Lebensweisen und Überzeugungen verweile."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":82,"orig":"Auf ſolche Art vorbereitet that ein groͤßeres Portefeuille, das er zuletzt herbeybrachte, die beſte Wirkung.","norm":"Auf solche Art vorbereitet tat ein größeres Portefeuille, das er zuletzt herbeibrachte, die beste Wirkung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":83,"orig":"Es enthielt zwar meiſt nur umrißne Figuren, die aber, weil ſie auf die Bilder ſelbſt durchgezeichnet waren, ihren alterthuͤmlichen Character vollkommen erhalten hatten, und dieſen, wie einnehmend fanden ihn die Beſchauenden!","norm":"Es enthielt zwar meist nur umrißene Figuren, die aber, weil sie auf die Bilder selbst durchgezeichnet waren, ihren altertümlichen Charakter vollkommen erhalten hatten, und diesen, wie einnehmend fanden ihn die Beschauenden!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":84,"orig":"Aus allen Geſtalten blickte nur das reinſte Daſeyn hervor, alle mußte man, wo nicht fuͤr edel, doch fuͤr gut anſprechen.","norm":"Aus allen Gestalten blickte nur das reinste Dasein hervor, alle musste man, wo nicht für edel, doch für gut ansprechen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":85,"orig":"Heitere Sammlung, willige Anerkennung eines Ehrwuͤrdigen uͤber uns, ſtille Hingebung in Liebe und Erwartung war auf allen Geſichtern, in allen Gebaͤrden ausgedruͤckt.","norm":"Heitere Sammlung, willige Anerkennung eines Ehrwürdigen über uns, stille Hingebung in Liebe und Erwartung war auf allen Gesichtern, in allen Gebärden ausgedrückt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":86,"orig":"Der Greis mit dem kahlen Scheitel, der reichlockige Knabe, der muntere Juͤngling, der ernſte Mann, der verklaͤrte Heilige, der ſchwebende Engel, alle ſchienen ſelig in einem unſchuldigen Genuͤgen, in einem frommen Erwarten.","norm":"Der Greis mit dem kahlen Scheitel, der reichlockige Knabe, der muntere Jüngling, der ernste Mann, der verklärte Heilige, der schwebende Engel, alle schienen selig in einem unschuldigen Genügen, in einem frommen Erwarten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":87,"orig":"Das gemeinſte was geſchah hatte einen Zug von himmliſchem Leben, und eine gottesdienſtliche Handlung ſchien ganz jeder Natur angemeſſen.","norm":"Das Gemeinste was geschah hatte einen Zug von himmlischem Leben, und eine gottesdienstliche Handlung schien ganz jeder Natur angemessen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":88,"orig":"Nach einer ſolchen Region blicken wohl die meiſten wie nach einem verſchwundenen goldenen Zeitalter, nach einem verlorenen Paradieſe hin.","norm":"Nach einer solchen Region blicken wohl die meisten wie nach einem verschwundenen goldenen Zeitalter, nach einem verlorenen Paradiese hin."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":89,"orig":"Nur vielleicht Ottilie war in dem Fall ſich unter ihres Gleichen zu fuͤhlen.","norm":"Nur vielleicht Ottilie war in dem Fall sich unter ihresgleichen zu fühlen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":90,"orig":"Wer haͤtte nun widerſtehen koͤnnen als der Architect ſich erbot, nach dem Anlaß dieſer Urbilder, die Raͤume zwiſchen den Spitzbogen der Capelle auszumalen und dadurch ſein Andenken entſchieden an einem Orte zu ſtiften, wo es ihm ſo gut gegangen war.","norm":"Wer hätte nun widerstehen können als der Architekt sich erbot, nach dem Anlass dieser Urbilder, die Räume zwischen den Spitzbogen der Kapelle auszumalen und dadurch sein Andenken entschieden an einem Orte zu stiften, wo es ihm so gut gegangen war."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":91,"orig":"Er erklaͤrte ſich hieruͤber mit einiger Wehmuth: denn er konnte nach der Lage der Sache wohl einſehen, daß ſein Aufenthalt in ſo vollkommener Geſellſchaft nicht immer dauern koͤnne, ja vielleicht bald abgebrochen werden muͤſſe.","norm":"Er erklärte sich hierüber mit einiger Wehmut: denn er konnte nach der Lage der Sache wohl einsehen, dass sein Aufenthalt in so vollkommener Gesellschaft nicht immer dauern könne, ja vielleicht bald abgebrochen werden müsse."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":92,"orig":"Uebrigens waren dieſe Tage zwar nicht reich an Begebenheiten, doch voller Anlaͤſſe zu ernſthafter Unterhaltung.","norm":"Übrigens waren diese Tage zwar nicht reich an Begebenheiten, doch voller Anlässe zu ernsthafter Unterhaltung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":93,"orig":"Wir nehmen daher Gelegenheit von demjenigen was Ottilie ſich daraus in ihren Heft angemerkt, einiges mitzutheilen, wozu wir keinen ſchicklichern Uebergang finden als durch ein Gleichniß, das ſich uns beym Betrachten ihrer liebenswuͤrdigen Blaͤtter aufdringt.","norm":"Wir nehmen daher Gelegenheit von demjenigen was Ottilie sich daraus in ihren Heft angemerkt, einiges mitzuteilen, wozu wir keinen schicklicheren Übergang finden als durch ein Gleichnis, das sich uns beim Betrachten ihrer liebenswürdigen Blätter aufdringt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":94,"orig":"Wir hoͤren von einer beſondern Einrichtung bey der engliſchen Marine.","norm":"Wir hören von einer besonderen Einrichtung bei der englischen Marine."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":95,"orig":"Saͤmmtliche Tauwerke der koͤniglichen Flotte, vom ſtaͤrkſten bis zum ſchwaͤchſten ſind, dergeſtalt geſponnen, daß ein rother Faden durch das Ganze durchgeht, den man nicht herauswinden kann ohne alles aufzuloͤſen, und woran auch die kleinſten Stuͤcke kenntlich ſind, daß ſie der Krone gehoͤren.","norm":"Sämtliche Tauwerke der königlichen Flotte, vom stärksten bis zum schwächsten sind, dergestalt gesponnen, dass ein roter Faden durch das Ganze durchgeht, den man nicht herauswinden kann ohne alles aufzulösen, und woran auch die kleinsten Stücke kenntlich sind, dass sie der Krone gehören."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":96,"orig":"Eben ſo zieht ſich durch Ottiliens Tagebuch ein Faden der Neigung und Anhaͤnglichkeit, der alles verbindet und das Ganze bezeichnet.","norm":"Ebenso zieht sich durch Ottilies Tagebuch ein Faden der Neigung und Anhänglichkeit, der alles verbindet und das Ganze bezeichnet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":97,"orig":"Dadurch werden dieſe Bemerkungen, Betrachtungen, ausgezogenen Sinnſpruͤche und was ſonſt vorkommen mag, der Schreibenden ganz beſonders eigen und fuͤr ſie von Bedeutung.","norm":"Dadurch werden diese Bemerkungen, Betrachtungen, ausgezogenen Sinnsprüche und was sonst vorkommen mag, der Schreibenden ganz besonders eigen und für sie von Bedeutung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":98,"orig":"Selbſt jede einzelne von uns ausgewaͤhlte und mitgetheilte Stelle giebt davon das entſchiedenſte Zeugniß.","norm":"Selbst jede einzelne von uns ausgewählte und mitgeteilte Stelle gibt davon das entschiedenste Zeugnis."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":99,"orig":"„Neben denen dereinſt zu ruhen die man liebt, iſt die angenehmſte Vorſtellung welche der Menſch haben kann, wenn er einmal uͤber das Leben hinausdenkt.","norm":"„Neben denen dereinst zu ruhen die man liebt, ist die angenehmste Vorstellung welche der Mensch haben kann, wenn er einmal über das Leben hinausdenkt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":100,"orig":"Zu den Seinigen verſammelt werden, iſt ein ſo herzlicher Ausdruck.","norm":"Zu den Seinigen versammelt werden, ist ein so herzlicher Ausdruck."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":101,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":102,"orig":"„Es giebt mancherley Denkmale und Merkzeichen, die uns Entfernte und Abgeſchiedene naͤher bringen.","norm":"„Es gibt mancherlei Denkmale und Merkzeichen, die uns Entfernte und Abgeschiedene näher bringen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":103,"orig":"Keins iſt von der Bedeutung des Bildes.","norm":"Keins ist von der Bedeutung des Bildes."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":104,"orig":"Die Unterhaltung mit einem geliebten Bilde, ſelbſt wenn es unaͤhnlich iſt, hat was Reizendes, wie es manchmal etwas Reizendes hat, ſich mit einem Freunde ſtreiten.","norm":"Die Unterhaltung mit einem geliebten Bilde, selbst wenn es unähnlich ist, hat was Reizendes, wie es manchmal etwas Reizendes hat, sich mit einem Freunde streiten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":105,"orig":"Man fuͤhlt auf eine angenehme Weiſe, daß man zu zweyen iſt und doch nicht auseinander kann.","norm":"Man fühlt auf eine angenehme Weise, dass man zu zweien ist und doch nicht auseinander kann."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":106,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":107,"orig":"„Man unterhaͤlt ſich manchmal mit einem gegenwaͤrtigen Menſchen als mit einem Bilde.","norm":"„Man unterhält sich manchmal mit einem gegenwärtigen Menschen als mit einem Bilde."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":108,"orig":"Er braucht nicht zu ſprechen, uns nicht anzuſehen, ſich nicht mit uns zu beſchaͤftigen: wir ſehen ihn, wir fuͤhlen unſer Verhaͤltniß zu ihm, ja ſogar unſere Verhaͤltniſſe zu ihm koͤnnen wachſen, ohne daß er etwas dazu thut, ohne daß er etwas davon empfindet, daß er ſich eben blos zu uns wie ein Bild verhaͤlt.","norm":"Er braucht nicht zu sprechen, uns nicht anzusehen, sich nicht mit uns zu beschäftigen: Wir sehen ihn, wir fühlen unser Verhältnis zu ihm, ja sogar unsere Verhältnisse zu ihm können wachsen, ohne dass er etwas dazu tut, ohne dass er etwas davon empfindet, dass er sich eben bloß zu uns wie ein Bild verhält."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":109,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":110,"orig":"„Man iſt niemals mit einem Portraͤt zufrieden von Perſonen die man kennt.","norm":"„Man ist niemals mit einem Porträt zufrieden von Personen die man kennt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":111,"orig":"Deswegen habe ich die Portraͤtmaler immer bedauert.","norm":"Deswegen habe ich die Porträtmaler immer bedauert."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":112,"orig":"Man verlangt ſo ſelten von den Leuten das Unmoͤgliche, und gerade von dieſen fordert man's.","norm":"Man verlangt so selten von den Leuten das Unmögliche, und gerade von diesen fordert man es."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":113,"orig":"Sie ſollen einem Jeden ſein Verhaͤltniß zu den Perſonen, ſeine Neigung und Abneigung mit in ihr Bild aufnehmen; ſie ſollen nicht blos darſtellen, wie ſie einen Menſchen faſſen, ſondern wie Jeder ihn faſſen wuͤrde.","norm":"Sie sollen einem Jeden sein Verhältnis zu den Personen, seine Neigung und Abneigung mit in ihr Bild aufnehmen; sie sollen nicht bloß darstellen, wie sie einen Menschen fassen, sondern wie Jeder ihn fassen würde."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":114,"orig":"Es nimmt mich nicht Wunder, wenn ſolche Kuͤnſtler nach und nach verſtockt, gleichguͤltig und eigenſinnig werden.","norm":"Es nimmt mich nicht Wunder, wenn solche Künstler nach und nach verstockt, gleichgültig und eigensinnig werden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":115,"orig":"Daraus moͤchte denn entſtehen was wollte, wenn man nur nicht gerade daruͤber die Abbildungen ſo mancher lieben und theueren Menſchen entbehren muͤßte.","norm":"Daraus möchte denn entstehen was wollte, wenn man nur nicht gerade darüber die Abbildungen so mancher lieben und teuren Menschen entbehren müsste."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":116,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":117,"orig":"„Es iſt wohl wahr, die Sammlung des Architecten von Waffen und alten Geraͤthſchaften, die nebſt dem Koͤrper mit hohen Erdhuͤgeln und Felſenſtuͤcken zugedeckt waren, bezeugt uns, wie unnuͤtz die Vorſorge des Menſchen ſey fuͤr die Erhaltung ſeiner Perſoͤnlichkeit nach dem Tode.","norm":"„Es ist wohl wahr, die Sammlung des Architekten von Waffen und alten Gerätschaften, die nebst dem Körper mit hohen Erdhügeln und Felsenstücken zugedeckt waren, bezeugt uns, wie unnütz die Vorsorge des Menschen sei für die Erhaltung seiner Persönlichkeit nach dem Tode."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":118,"orig":"Und ſo widerſprechend ſind wir!","norm":"Und so widersprechend sind wir!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":119,"orig":"Der Architect geſteht, ſelbſt ſolche Grabhuͤgel der Vorfahren geoͤffnet zu haben und faͤhrt dennoch fort ſich mit Denkmaͤlern fuͤr die Nachkommen zu beſchaͤftigen.","norm":"Der Architekt gesteht, selbst solche Grabhügel der Vorfahren geöffnet zu haben und fährt dennoch fort sich mit Denkmälern für die Nachkommen zu beschäftigen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":120,"orig":"“ Warum ſoll man es aber ſo ſtreng nehmen?","norm":"“ Warum soll man es aber so streng nehmen?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":121,"orig":"Iſt denn alles was wir thun fuͤr die Ewigkeit gethan?","norm":"Ist denn alles was wir tun für die Ewigkeit getan?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":122,"orig":"Ziehen wir uns nicht Morgens an, um uns Abends wieder auszuziehen?","norm":"Ziehen wir uns nicht Morgens an, um uns Abends wieder auszuziehen?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":123,"orig":"Verreiſen wir nicht, um wiederzukehren?","norm":"Verreisen wir nicht, um wiederzukehren?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":124,"orig":"Und warum ſollten wir nicht wuͤnſchen, neben den Unſrigen zu ruhen, und wenn es auch nur fuͤr ein Jahrhundert waͤre.","norm":"Und warum sollten wir nicht wünschen, neben den Unsrigen zu ruhen, und wenn es auch nur für ein Jahrhundert wäre."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":125,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":126,"orig":"„Wenn man die vielen verſunkenen, die durch Kirchgaͤnger abgetretenen Grabſteine, die uͤber ihren Grabmaͤlern ſelbſt zuſammengeſtuͤrzten Kirchen erblickt; ſo kann einem das Leben nach dem Tode doch immer wie ein zweytes Leben vorkommen, in das man nun im Bilde, in der Ueberſchrift eintritt und laͤnger darin verweilt als in dem eigentlichen lebendigen Leben.","norm":"„Wenn man die vielen versunkenen, die durch Kirchgänger abgetretenen Grabsteine, die über ihren Grabmälern selbst zusammengestürzten Kirchen erblickt; so kann einem das Leben nach dem Tode doch immer wie ein zweites Leben vorkommen, in das man nun im Bilde, in der Überschrift eintritt und länger darin verweilt als in dem eigentlichen lebendigen Leben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":127,"orig":"Aber auch dieſes Bild, dieſes zweyte Daſeyn verliſcht fruͤher oder ſpaͤter.","norm":"Aber auch dieses Bild, dieses zweite Dasein verlischt früher oder später."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":128,"orig":"Wie uͤber die Menſchen ſo auch uͤber die Denkmaͤler laͤßt ſich die Zeit ihr Recht nicht nehmen.","norm":"Wie über die Menschen so auch über die Denkmäler lässt sich die Zeit ihr Recht nicht nehmen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":129,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":130,"orig":"Es iſt eine ſo angenehme Empfindung ſich mit etwas zu beſchaͤftigen was man nur halb kann, daß Niemand den Dilettanten ſchelten ſollte, wenn er ſich mit einer Kunſt abgiebt, die er nie lernen wird, noch den Kuͤnſtler tadeln duͤrfte, wenn er uͤber die Graͤnze ſeiner Kunſt hinaus, in einem benachbarten Felde ſich zu ergehen Luſt hat.","norm":"Es ist eine so angenehme Empfindung sich mit etwas zu beschäftigen was man nur halb kann, dass Niemand den Dilettanten schelten sollte, wenn er sich mit einer Kunst abgibt, die er nie lernen wird, noch den Künstler tadeln dürfte, wenn er über die Grenze seiner Kunst hinaus, in einem benachbarten Felde sich zu ergehen Lust hat."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":131,"orig":"Mit ſo billigen Geſinnungen betrachten wir die Anſtalten des Architecten zum Ausmalen der Capelle.","norm":"Mit so billigen Gesinnungen betrachten wir die Anstalten des Architekten zum Ausmalen der Kapelle."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":132,"orig":"Die Farben waren bereitet, die Maaße genommen, die Kartone gezeichnet; allen Anſpruch auf Erfindung hatte er aufgegeben; er hielt ſich an ſeine Umriſſe: nur die ſitzenden und ſchwebenden Figuren geſchickt auszutheilen, den Raum damit geſchmackvoll auszuzieren, war ſeine Sorge.","norm":"Die Farben waren bereitet, die Maße genommen, die Kartone gezeichnet; allen Anspruch auf Erfindung hatte er aufgegeben; er hielt sich an seine Umrisse: nur die sitzenden und schwebenden Figuren geschickt auszuteilen, den Raum damit geschmackvoll auszuzieren, war seine Sorge."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":133,"orig":"Das Geruͤſte ſtand, die Arbeit ging vorwaͤrts, und da ſchon einiges was in die Augen fiel erreicht war, konnte es ihm nicht zuwider ſeyn, daß Charlotte mit Ottilien ihn beſuchte.","norm":"Das Gerüste stand, die Arbeit ging vorwärts, und da schon einiges was in die Augen fiel erreicht war, konnte es ihm nicht zuwider sein, dass Charlotte mit Ottilie ihn besuchte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":134,"orig":"Die lebendigen Engelsgeſichter, die lebhaften Gewaͤnder auf dem blauen Himmelsgrunde erfreuten das Auge, indem ihr ſtilles frommes Weſen das Gemuͤth zur Sammlung berief und eine ſehr zarte Wirkung hervorbrachte.","norm":"Die lebendigen Engelsgesichter, die lebhaften Gewänder auf dem blauen Himmelsgrunde erfreuten das Auge, indem ihr stilles frommes Wesen das Gemüt zur Sammlung berief und eine sehr zarte Wirkung hervorbrachte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":135,"orig":"Die Frauen waren zu ihm aufs Geruͤſt geſtiegen, und Ottilie bemerkte kaum, wie abgemeſſen leicht und bequem das alles zuging, als ſich in ihr das durch fruͤhern Unterricht Empfangene mit einmal zu entwickeln ſchien, ſie nach Farbe und Pinſel griff und auf erhaltene Anweiſung ein faltenreiches Gewand mit ſoviel Reinlichkeit als Geſchicklichkeit anlegte.","norm":"Die Frauen waren zu ihm aufs Gerüst gestiegen, und Ottilie bemerkte kaum, wie abgemessen leicht und bequem das alles zuging, als sich in ihr das durch früheren Unterricht Empfangene mit einmal zu entwickeln schien, sie nach Farbe und Pinsel griff und auf erhaltene Anweisung ein faltenreiches Gewand mit soviel Reinlichkeit als Geschicklichkeit anlegte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":136,"orig":"Charlotte, welche gern ſah wenn Ottilie ſich auf irgend eine Weiſe beſchaͤftigte und zerſtreute, ließ die beyden gewaͤhren und ging, um ihren eigenen Gedanken nachzuhaͤngen, um ihre Betrachtungen und Sorgen, die ſie niemanden mittheilen konnte, fuͤr ſich durchzuarbeiten.","norm":"Charlotte, welche gern sah wenn Ottilie sich auf irgendeine Weise beschäftigte und zerstreute, ließ die beiden gewähren und ging, um ihren eigenen Gedanken nachzuhängen, um ihre Betrachtungen und Sorgen, die sie niemanden mitteilen konnte, für sich durchzuarbeiten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":137,"orig":"Wenn gewoͤhnliche Menſchen, durch gemeine Verlegenheiten des Tags zu einem leidenſchaftlich aͤngſtlichen Betragen aufgeregt, uns ein mitleidiges Laͤcheln abnoͤthigen; ſo betrachten wir dagegen mit Ehrfurcht ein Gemuͤth, in welchem die Saat eines großen Schickſals ausgeſaͤet worden, das die Entwickelung dieſer Empfaͤngniß abwarten muß, und weder das Gute noch das Boͤſe, weder das Gluͤckliche noch das Ungluͤckliche was daraus entſpringen ſoll, beſchleunigen darf und kann.","norm":"Wenn gewöhnliche Menschen, durch gemeine Verlegenheiten des Tags zu einem leidenschaftlich ängstlichen Betragen aufgeregt, uns ein mitleidiges Lächeln abnötigen; so betrachten wir dagegen mit Ehrfurcht ein Gemüt, in welchem die Saat eines großen Schicksals ausgesät worden, das die Entwicklung dieser Empfängnis abwarten muss, und weder das Gute noch das Böse, weder das Glückliche noch das Unglückliche was daraus entspringen soll, beschleunigen darf und kann."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":138,"orig":"Eduard hatte durch Charlottens Boten, den ſie ihm in ſeine Einſamkeit geſendet, freundlich und theilnehmend, aber doch eher gefaßt und ernſt als zutraulich und liebevoll, geantwortet.","norm":"Eduard hatte durch Charlottes Boten, den sie ihm in seine Einsamkeit gesendet, freundlich und teilnehmend, aber doch eher gefasst und ernst als zutraulich und liebevoll, geantwortet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":139,"orig":"Kurz darauf war Eduard verſchwunden, und ſeine Gattinn konnte zu keiner Nachricht von ihm gelangen, bis ſie endlich von ungefaͤhr ſeinen Namen in den Zeitungen fand, wo er unter denen, die ſich bey einer bedeutenden Kriegsgelegenheit hervorgethan hatten, mit Auszeichnung genannt war.","norm":"Kurz darauf war Eduard verschwunden, und seine Gattin konnte zu keiner Nachricht von ihm gelangen, bis sie endlich von ungefähr seinen Namen in den Zeitungen fand, wo er unter denen, die sich bei einer bedeutenden Kriegsgelegenheit hervorgetan hatten, mit Auszeichnung genannt war."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":140,"orig":"Sie wußte nun, welchen Weg er genommen hatte, ſie erfuhr daß er großen Gefahren entronnen war; allein ſie uͤberzeugte ſich zugleich, daß er groͤßere aufſuchen wuͤrde, und ſie konnte ſich daraus nur allzuſehr deuten, daß er in jedem Sinne ſchwerlich vom Aeußerſten wuͤrde zuruͤckzuhalten ſeyn.","norm":"Sie wusste nun, welchen Weg er genommen hatte, sie erfuhr dass er großen Gefahren entronnen war; allein sie überzeugte sich zugleich, dass er größere aufsuchen würde, und sie konnte sich daraus nur allzu sehr deuten, dass er in jedem Sinne schwerlich vom Äußersten würde zurückzuhalten sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":141,"orig":"Sie trug dieſe Sorgen fuͤr ſich allein immer in Gedanken, und mochte ſie hin und wieder legen wie ſie wollte, ſo konnte ſie doch bey keiner Anſicht Beruhigung finden.","norm":"Sie trug diese Sorgen für sich allein immer in Gedanken, und mochte sie hin und wieder legen wie sie wollte, so konnte sie doch bei keiner Ansicht Beruhigung finden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":142,"orig":"Ottilie, von alle dem nichts ahndend, hatte indeſſen zu jener Arbeit die groͤßte Neigung gefaßt, und von Charlotten gar leicht die Erlaubniß erhalten, regelmaͤßig darin fortfahren zu duͤrfen.","norm":"Ottilie, von alledem nichts ahnend, hatte indessen zu jener Arbeit die größte Neigung gefasst, und von Charlotten gar leicht die Erlaubnis erhalten, regelmäßig darin fortfahren zu dürfen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":143,"orig":"Nun ging es raſch weiter und der azurne Himmel war bald mit wuͤrdigen Bewohnern bevoͤlkert.","norm":"Nun ging es rasch weiter und der azurne Himmel war bald mit würdigen Bewohnern bevölkert."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":144,"orig":"Durch eine anhaltende Uebung gewannen Ottilie und der Architect bey den letzten Bildern mehr Freyheit, ſie wurden zuſehends beſſer.","norm":"Durch eine anhaltende Übung gewannen Ottilie und der Architekt bei den letzten Bildern mehr Freiheit, sie wurden zusehends besser."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":145,"orig":"Auch die Geſichter, welche dem Architecten zu malen allein uͤberlaſſen war, zeigten nach und nach eine ganz beſondere Eigenſchaft: ſie fingen ſaͤmmtlich an Ottilien zu gleichen.","norm":"Auch die Gesichter, welche dem Architekten zu malen allein überlassen war, zeigten nach und nach eine ganz besondere Eigenschaft: Sie fingen sämtlich an Ottilie zu gleichen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":146,"orig":"Die Naͤhe des ſchoͤnen Kindes mußte wohl in die Seele des jungen Mannes, der noch keine natuͤrliche oder kuͤnſtleriſche Phyſiognomie vorgefaßt hatte, einen ſo lebhaften Eindruck machen, daß ihm nach und nach, auf dem Wege vom Auge zur Hand, nichts verloren ging, ja daß beyde zuletzt ganz gleichſtimmig arbeiteten.","norm":"Die Nähe des schönen Kindes musste wohl in die Seele des jungen Mannes, der noch keine natürliche oder künstlerische Physiognomie vorgefasst hatte, einen so lebhaften Eindruck machen, dass ihm nach und nach, auf dem Wege vom Auge zur Hand, nichts verlorenging, ja dass beide zuletzt ganz gleichstimmig arbeiteten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":147,"orig":"Genug, eins der letzten Geſichtchen gluͤckte vollkommen, ſo daß es ſchien als wenn Ottilie ſelbſt aus den himmliſchen Raͤumen herunterſaͤhe.","norm":"Genug, eins der letzten Gesichtchen glückte vollkommen, so dass es schien als wenn Ottilie selbst aus den himmlischen Räumen heruntersähe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":148,"orig":"An dem Gewoͤlbe war man fertig; die Waͤnde hatte man ſich vorgenommen einfach zu laſſen und nur mit einer hellern braͤunlichen Farbe zu uͤberziehen; die zarten Saͤulen und kuͤnſtlichen bildhaueriſchen Zieraten ſollten ſich durch eine dunklere auszeichnen.","norm":"An dem Gewölbe war man fertig; die Wände hatte man sich vorgenommen einfach zu lassen und nur mit einer helleren bräunlichen Farbe zu überziehen; die zarten Säulen und künstlichen bildhauerischen Zierraten sollten sich durch eine dunklere auszeichnen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":149,"orig":"Aber wie in ſolchen Dingen immer eins zum andern fuͤhrt, ſo wurden noch Blumen und Fruchtgehaͤnge beſchloſſen, welche Himmel und Erde gleichſam zuſammenknuͤpfen ſollten.","norm":"Aber wie in solchen Dingen immer eins zum anderen führt, so wurden noch Blumen und Fruchtgehänge beschlossen, welche Himmel und Erde gleichsam zusammenknüpfen sollten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":150,"orig":"Hier war nun Ottilie ganz in ihrem Felde.","norm":"Hier war nun Ottilie ganz in ihrem Felde."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":151,"orig":"Die Gaͤrten lieferten die ſchoͤnſten Muſter, und obſchon die Kraͤnze ſehr reich ausgeſtattet wurden; ſo kam man doch fruͤher als man gedacht hatte, damit zu Stande.","norm":"Die Gärten lieferten die schönsten Muster, und obschon die Kränze sehr reich ausgestattet wurden; so kam man doch früher als man gedacht hatte, damit zustande."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":152,"orig":"Noch ſah aber alles wuͤſte und roh aus.","norm":"Noch sah aber alles wüste und roh aus."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":153,"orig":"Die Geruͤſte waren durch einander geſchoben, die Bretter uͤber einander geworfen, der ungleiche Fußboden durch mancherley vergoſſene Farben noch mehr verunſtaltet.","norm":"Die Gerüste waren durcheinander geschoben, die Bretter übereinander geworfen, der ungleiche Fußboden durch mancherlei vergossene Farben noch mehr verunstaltet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":154,"orig":"Der Architect erbat ſich nunmehr, daß die Frauenzimmer ihm acht Tage Zeit laſſen und bis dahin die Capelle nicht betreten moͤchten.","norm":"Der Architekt erbat sich nunmehr, dass die Frauenzimmer ihm acht Tage Zeit lassen und bis dahin die Kapelle nicht betreten möchten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":155,"orig":"Endlich erſuchte er ſie an einem ſchoͤnen Abende, ſich beyderſeits dahin zu verfuͤgen; doch wuͤnſchte er ſie nicht begleiten zu duͤrfen und empfahl ſich ſogleich.","norm":"Endlich ersuchte er sie an einem schönen Abende, sich beiderseits dahin zu verfügen; doch wünschte er sie nicht begleiten zu dürfen und empfahl sich sogleich."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":156,"orig":"Was er uns auch fuͤr eine Ueberraſchung zugedacht haben mag, ſagte Charlotte als er weggegangen war; ſo habe ich doch gegenwaͤrtig keine Luſt hinunter zu gehen.","norm":"Was er uns auch für eine Überraschung zugedacht haben mag, sagte Charlotte als er weggegangen war; so habe ich doch gegenwärtig keine Lust hinunterzugehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":157,"orig":"Du nimmſt es wohl allein uͤber dich und giebſt mir Nachricht.","norm":"Du nimmst es wohl allein über dich und gibst mir Nachricht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":158,"orig":"Gewiß hat er etwas Angenehmes zu Stande gebracht.","norm":"Gewiss hat er etwas Angenehmes zustande gebracht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":159,"orig":"Ich werde es erſt in deiner Beſchreibung und dann gern in der Wirklichkeit genießen.","norm":"Ich werde es erst in deiner Beschreibung und dann gern in der Wirklichkeit genießen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":160,"orig":"Ottilie, die wohl wußte, daß Charlotte ſich in manchen Stuͤcken in Acht nahm, alle Gemuͤthsbewegungen vermied, und beſonders nicht uͤberraſcht ſeyn wollte, begab ſich ſogleich allein auf den Weg und ſah ſich unwillkuͤhrlich nach dem Architecten um, der aber nirgends erſchien und ſich mochte verborgen haben.","norm":"Ottilie, die wohl wusste, dass Charlotte sich in manchen Stücken in Acht nahm, alle Gemütsbewegungen vermied, und besonders nicht überrascht sein wollte, begab sich sogleich allein auf den Weg und sah sich unwillkürlich nach dem Architekten um, der aber nirgends erschien und sich mochte verborgen haben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":161,"orig":"Sie trat in die Kirche, die ſie offen fand.","norm":"Sie trat in die Kirche, die sie offen fand."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":162,"orig":"Dieſe war ſchon fruͤher fertig, gereinigt und eingeweiht.","norm":"Diese war schon früher fertig, gereinigt und eingeweiht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":163,"orig":"Sie trat zur Thuͤre der Capelle, deren ſchwere mit Erz beſchlagene Laſt ſich leicht vor ihr aufthat und ſie in einem bekannten Raume mit einem unerwarteten Anblick uͤberraſchte.","norm":"Sie trat zur Türe der Kapelle, deren schwere mit Erz beschlagene Last sich leicht vor ihr auftat und sie in einem bekannten Raume mit einem unerwarteten Anblick überraschte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":164,"orig":"Durch das einzige hohe Fenſter fiel ein ernſtes buntes Licht herein: denn es war von farbigen Glaͤſern anmuthig zuſammengeſetzt.","norm":"Durch das einzige hohe Fenster fiel ein ernstes buntes Licht herein: denn es war von farbigen Gläsern anmutig zusammengesetzt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":165,"orig":"Das Ganze erhielt dadurch einen fremden Ton und bereitere zu einer eigenen Stimmung.","norm":"Das Ganze erhielt dadurch einen fremden Ton und bereitete zu einer eigenen Stimmung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":166,"orig":"Die Schoͤnheit des Gewoͤlbes und der Waͤnde ward durch die Zierde des Fußbodens erhoͤht, der aus beſonders geformten, nach einem ſchoͤnen Muſter gelegten, durch eine gegoſſene Gipsflaͤche verbundenen Ziegelſteinen beſtand.","norm":"Die Schönheit des Gewölbes und der Wände wurde durch die Zierde des Fußbodens erhöht, der aus besonders geformten, nach einem schönen Muster gelegten, durch eine gegossene Gipsfläche verbundenen Ziegelsteinen bestand."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":167,"orig":"Dieſe ſowohl als die farbigen Scheiben hatte der Architect heimlich bereiten laſſen, und konnte nun in kurzer Zeit alles zuſammenfuͤgen.","norm":"Diese sowohl als die farbigen Scheiben hatte der Architekt heimlich bereiten lassen, und konnte nun in kurzer Zeit alles zusammenfügen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":168,"orig":"Auch fuͤr Ruheplaͤtze war geſorgt.","norm":"Auch für Ruheplätze war gesorgt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":169,"orig":"Es hatten ſich unter jenen kirchlichen Alterthuͤmern einige ſchoͤngeſchnitzte Chorſtuͤhle vorgefunden, die nun gar ſchicklich an den Waͤnden angebracht umherſtanden.","norm":"Es hatten sich unter jenen kirchlichen Altertümern einige schön geschnitzte Chorstühle vorgefunden, die nun gar schicklich an den Wänden angebracht umherstanden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":170,"orig":"Ottilie freute ſich der bekannten ihr als ein unbekanntes Ganze entgegentretenden Theile.","norm":"Ottilie freute sich der bekannten ihr als ein unbekanntes Ganze entgegentretenden Teile."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":171,"orig":"Sie ſtand, ging hin und wieder, ſah und beſah; endlich ſetzte ſie ſich auf einen der Stuͤhle und es ſchien ihr, indem ſie auf und umherblickte, als wenn ſie waͤre und nicht waͤre, als wenn ſie ſich empfaͤnde und nicht empfaͤnde, als wenn dieß alles vor ihr, ſie vor ſich ſelbſt verſchwinden ſollte, und nur als die Sonne das bisher ſehr lebhaft beſchienene Fenſter verließ, erwachte Ottilie vor ſich ſelbſt und eilte nach dem Schloſſe.","norm":"Sie stand, ging hin und wider, sah und besah; endlich setzte sie sich auf einen der Stühle und es schien ihr, indem sie auf und umherblickte, als wenn sie wäre und nicht wäre, als wenn sie sich empfände und nicht empfände, als wenn dies alles vor ihr, sie vor sich selbst verschwinden sollte, und nur als die Sonne das bisher sehr lebhaft beschienene Fenster verließ, erwachte Ottilie vor sich selbst und eilte nach dem Schlosse."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":172,"orig":"Sie verbarg ſich nicht in welche ſonderbare Epoche dieſe Ueberraſchung gefallen ſey.","norm":"Sie verbarg sich nicht in welche sonderbare Epoche diese Überraschung gefallen sei."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":173,"orig":"Es war der Abend vor Eduards Geburtstage.","norm":"Es war der Abend vor Eduards Geburtstage."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":174,"orig":"Dieſen hatte ſie freylich ganz anders zu feyern gehofft: wie ſollte nicht alles zu dieſem Feſte geſchmuͤckt ſeyn?","norm":"Diesen hatte sie freilich ganz anders zu feiern gehofft: Wie sollte nicht alles zu diesem Feste geschmückt sein?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":175,"orig":"Aber nunmehr ſtand der ganze herbſtliche Blumenreichthum ungepfluͤckt.","norm":"Aber nunmehr stand der ganze herbstliche Blumenreichtum ungepflückt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":176,"orig":"Dieſe Sonnenblumen wendeten noch immer ihr Angeſicht gen Himmel; dieſe Aſtern ſahen noch immer ſtill beſcheiden vor ſich hin, und was allenfalls davon zu Kraͤnzen gebunden war, hatte zum Muſter gedient einen Ort auszuſchmuͤcken, der wenn er nicht blos eine Kuͤnſtler-Grille bleiben, wenn er zu irgend etwas genutzt werden ſollte, nur zu einer gemeinſamen Grabſtaͤtte geeignet ſchien.","norm":"Diese Sonnenblumen wendeten noch immer ihr Angesicht gen Himmel; diese Aster sahen noch immer still bescheiden vor sich hin, und was allenfalls davon zu Kränzen gebunden war, hatte zum Muster gedient einen Ort auszuschmücken, der wenn er nicht bloß eine Künstlergrille bleiben, wenn er zu irgendetwas genutzt werden sollte, nur zu einer gemeinsamen Grabstätte geeignet schien."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":177,"orig":"Sie mußte ſich dabey der geraͤuſchvollen Geſchaͤftigkeit erinnern, mit welcher Eduard ihr Geburtsfeſt gefeyert, ſie mußte des neugerichteten Hauſes gedenken, unter deſſen Decke man ſich ſoviel Freundliches verſprach.","norm":"Sie musste sich dabei der geräuschvollen Geschäftigkeit erinnern, mit welcher Eduard ihr Geburtsfest gefeiert, sie musste des neugerichteten Hauses gedenken, unter dessen Decke man sich soviel freundliches versprach."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":178,"orig":"Ja das Feuerwerk rauſchte ihr wieder vor Augen und Ohren, je einſamer ſie war, deſto mehr vor der Einbildungskraft; aber ſie fuͤhlte ſich auch nur um deſto mehr allein.","norm":"Ja das Feuerwerk rauschte ihr wieder vor Augen und Ohren, je einsamer sie war, desto mehr vor der Einbildungskraft; aber sie fühlte sich auch nur um desto mehr allein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":179,"orig":"Sie lehnte ſich nicht mehr auf ſeinen Arm, und hatte keine Hoffnung, an ihm jemals wieder eine Stuͤtze zufinden.","norm":"Sie lehnte sich nicht mehr auf seinen Arm, und hatte keine Hoffnung, an ihm jemals wieder eine Stütze zufinden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":180,"orig":"„Eine Bemerkung des jungen Kuͤnſtlers muß ich aufzeichnen: wie am Handwerker ſo am bildenden Kuͤnſtler kann man auf das deutlichſte gewahr werden, daß der Menſch ſich das am wenigſten zuzueignen vermag was ihm ganz eigens angehoͤrt.","norm":"„Eine Bemerkung des jungen Künstlers muss ich aufzeichnen: Wie am Handwerker so am bildenden Künstler kann man auf das deutlichste gewahr werden, dass der Mensch sich das am wenigsten zuzueignen vermag was ihm ganz eigens angehört."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":181,"orig":"Seine Werke verlaſſen ihn, ſo wie die Voͤgel das Neſt worin ſie ausgebruͤtet worden.","norm":"Seine Werke verlassen ihn, so wie die Vögel das Nest worin sie ausgebrütet worden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":182,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":183,"orig":"„Der Baukuͤnſtler vor allen hat hierin das wunderlichſte Schickſal.","norm":"„Der Baukünstler vor allen hat hierin das wunderlichste Schicksal."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":184,"orig":"Wie oft wendet er ſeinen ganzen Geiſt, ſeine ganze Neigung auf, um Raͤume hervorzubringen, von denen er ſich ſelbſt ausſchließen muß.","norm":"Wie oft wendet er seinen ganzen Geist, seine ganze Neigung auf, um Räume hervorzubringen, von denen er sich selbst ausschließen muss."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":185,"orig":"Die koͤniglichen Saͤle ſind ihm ihre Pracht ſchuldig, deren groͤßte Wirkung er nicht mitgenießt.","norm":"Die königlichen Säle sind ihm ihre Pracht schuldig, deren größte Wirkung er nicht mitgenießt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":186,"orig":"In den Tempeln zieht er eine Graͤnze zwiſchen ſich und dem Allerheiligſten; er darf die Stufen nicht mehr betreten, die er zur Herz erhebenden Feyerlichkeit gruͤndete, ſo wie der Goldſchmid die Monſtranz nur von fern anbetet, deren Schmelz und Edelſteine er zuſammengeordnet hat.","norm":"In den Tempeln zieht er eine Grenze zwischen sich und dem Allerheiligsten; er darf die Stufen nicht mehr betreten, die er zur herzerhebenden Feierlichkeit gründete, so wie der Goldschmied die Monstranz nur von fern anbetet, deren Schmelz und Edelsteine er zusammengeordnet hat."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":187,"orig":"Dem Reichen uͤbergiebt der Baumeiſter mit dem Schluͤſſel des Pallaſtes alle Bequemlichkeit und Behaͤbigkeit, ohne irgend etwas davon mitzugenießen.","norm":"Dem Reichen übergibt der Baumeister mit dem Schlüssel des Palastes alle Bequemlichkeit und Behäbigkeit, ohne irgendetwas davon mitzugenießen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":188,"orig":"Muß ſich nicht allgemach auf dieſe Weiſe die Kunſt von dem Kuͤnſtler entfernen, wenn das Werk, wie ein ausgeſtattetes Kind, nicht mehr auf den Vater zuruͤckwirkt?","norm":"Muss sich nicht allgemach auf diese Weise die Kunst von dem Künstler entfernen, wenn das Werk, wie ein ausgestattetes Kind, nicht mehr auf den Vater zurückwirkt?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":189,"orig":"und wie ſehr mußte die Kunſt ſich ſelbſt befoͤrdern, als ſie faſt allein mit dem Oeffentlichen, mit dem was allen und alſo auch dem Kuͤnſtler gehoͤrte, ſich zu beſchaͤftigen beſtimmt war!“","norm":"und wie sehr musste die Kunst sich selbst befördern, als sie fast allein mit dem Öffentlichen, mit dem was allen und also auch dem Künstler gehörte, sich zu beschäftigen bestimmt war!“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":190,"orig":"„Eine Vorſtellung der alten Voͤlker iſt ernſt und kann furchtbar ſcheinen.","norm":"„Eine Vorstellung der alten Völker ist ernst und kann furchtbar scheinen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":191,"orig":"Sie dachten ſich ihre Vorfahren in großen Hoͤhlen rings umher auf Thronen ſitzend in ſtummer Unterhaltung.","norm":"Sie dachten sich ihre Vorfahren in großen Höhlen ringsumher auf Thronen sitzend in stummer Unterhaltung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":192,"orig":"Dem neuen der hereintrat, wenn er wuͤrdig genug war, ſtanden ſie auf und neigten ihm einen Willkommen.","norm":"Dem Neuen der hereintrat, wenn er würdig genug war, standen sie auf und neigten ihm einen Willkommen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":193,"orig":"Geſtern als ich in der Capelle ſaß und meinem geſchnitzten Stuhle gegenuͤber noch mehrere umhergeſtellt ſah, erſchien mir jener Gedanke gar freundlich und anmuthig.","norm":"Gestern als ich in der Kapelle saß und meinem geschnitzten Stuhle gegenüber noch mehrere umhergestellt sah, erschien mir jener Gedanke gar freundlich und anmutig."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":194,"orig":"Warum kannſt du nicht ſitzen bleiben?","norm":"Warum kannst du nicht sitzenbleiben?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":195,"orig":"dachte ich bey mir ſelbſt, ſtill und in dich gekehrt ſitzen bleiben, lange lange, bis endlich die Freunde kaͤmen, denen du aufſtuͤndeſt und ihren Platz mit freundlichem Neigen anwieſeſt.","norm":"dachte ich bei mir selbst, still und in dich gekehrt sitzenbleiben, lange lange, bis endlich die Freunde kämen, denen du aufstündest und ihren Platz mit freundlichem Neigen anwiesest."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":196,"orig":"Die farbigen Scheiben machen den Tag zur ernſten Daͤmmerung und Jemand muͤßte eine ewige Lampe ſtiften, damit auch die Nacht nicht ganz finſter bliebe.","norm":"Die farbigen Scheiben machen den Tag zur ernsten Dämmerung und jemand müsste eine ewige Lampe stiften, damit auch die Nacht nicht ganz finster bliebe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":197,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":198,"orig":"„Man mag ſich ſtellen wie man will, und man denkt ſich immer ſehend.","norm":"„Man mag sich stellen wie man will, und man denkt sich immer sehend."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":199,"orig":"Ich glaube der Menſch traͤumt nur, damit er nicht aufhoͤre zu ſehen.","norm":"Ich glaube der Mensch träumt nur, damit er nicht aufhöre zu sehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":200,"orig":"Es koͤnnte wohl ſeyn, daß das innere Licht einmal aus uns heraustraͤte, ſo daß wir keines andern mehr beduͤrften.","norm":"Es könnte wohl sein, dass das innere Licht einmal aus uns herausträte, so dass wir keines anderen mehr bedürften."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":201,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":202,"orig":"„Das Jahr klingt ab.","norm":"„Das Jahr klingt ab."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":203,"orig":"Der Wind geht uͤber die Stoppeln und findet nichts mehr zu bewegen; nur die rothen Beeren jener ſchlanken Baͤume ſcheinen uns noch an etwas Munteres erinnern zu wollen, ſo wie uns der Tactſchlag des Dreſchers den Gedanken erweckt, daß in der abgeſichelten Aehre ſoviel Naͤhrendes und Lebendiges verborgen liegt.","norm":"Der Wind geht über die Stoppeln und findet nichts mehr zu bewegen; nur die roten Beeren jener schlanken Bäume scheinen uns noch an etwas Munteres erinnern zu wollen, so wie uns der Taktschlag des Dreschers den Gedanken erweckt, dass in der abgesichelten Ähre soviel Nährendes und Lebendiges verborgen liegt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":204,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":205,"orig":"Wie ſeltſam mußte, nach ſolchen Ereigniſſen, nach dieſem aufgedrungenen Gefuͤhl von Vergaͤnglichkeit und Hinſchwinden, Ottilie durch die Nachricht getroffen werden, die ihr nicht laͤnger verborgen bleiben konnte, daß Eduard ſich dem wechſelnden Kriegsgluͤck uͤberliefert habe.","norm":"Wie seltsam musste, nach solchen Ereignissen, nach diesem aufgedrungenen Gefühl von Vergänglichkeit und Hinschwinden, Ottilie durch die Nachricht getroffen werden, die ihr nicht länger verborgen bleiben konnte, dass Eduard sich dem wechselnden Kriegsglück überliefert habe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":206,"orig":"Es entging ihr leider keine von den Betrachtungen, die ſie dabey zu machen Urſache hatte.","norm":"Es entging ihr leider keine von den Betrachtungen, die sie dabei zu machen Ursache hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":207,"orig":"Gluͤcklicherweiſe kann der Menſch nur einen gewiſſen Grad des Ungluͤcks faſſen; was daruͤber hinausgeht vernichtet ihn oder laͤßt ihn gleichguͤltig.","norm":"Glücklicherweise kann der Mensch nur einen gewissen Grad des Unglücks fassen; was darüber hinausgeht vernichtet ihn oder lässt ihn gleichgültig."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":208,"orig":"Es giebt Lagen, in denen Furcht und Hoffnung Eins werden, ſich einander wechſelſeitig aufheben und in eine dunkle Fuͤhlloſigkeit verlieren.","norm":"Es gibt Lagen, in denen Furcht und Hoffnung Eins werden, sich einander wechselseitig aufheben und in eine dunkle Fühllosigkeit verlieren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":209,"orig":"Wie koͤnnten wir ſonſt die entfernten Geliebteſten in ſtuͤndlicher Gefahr wiſſen und dennoch unſer taͤgliches gewoͤhnliches Leben immer ſo forttreiben.","norm":"Wie könnten wir sonst die entfernten Geliebtesten in stündlicher Gefahr wissen und dennoch unser tägliches gewöhnliches Leben immer so forttreiben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":210,"orig":"Es war daher als wenn ein guter Geiſt fuͤr Ottilien geſorgt haͤtte, indem er auf einmal in dieſe Stille, in der ſie einſam und unbeſchaͤftigt zu verſinken ſchien, ein wildes Heer hereinbrachte, das, indem es ihr von außen genug zu ſchaffen gab und ſie aus ſich ſelbſt fuͤhrte, zugleich in ihr das Gefuͤhl eigener Kraft anregte.","norm":"Es war daher als wenn ein guter Geist für Ottilie gesorgt hätte, indem er auf einmal in diese Stille, in der sie einsam und unbeschäftigt zu versinken schien, ein wildes Heer hereinbrachte, das, indem es ihr von außen genug zu schaffen gab und sie aus sich selbst führte, zugleich in ihr das Gefühl eigener Kraft anregte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":211,"orig":"Charlottens Tochter, Luciane, war kaum aus der Penſion in die große Welt getreten, hatte kaum in dem Hauſe ihrer Tante ſich von zahlreicher Geſellſchaft umgeben geſehen, als ihr Gefallenwollen wirklich Gefallen erregte, und ein junger, ſehr reicher Mann gar bald eine heftige Neigung empfand, ſie zu beſitzen.","norm":"Charlottes Tochter, Luciane, war kaum aus der Pension in die große Welt getreten, hatte kaum in dem Hause ihrer Tante sich von zahlreicher Gesellschaft umgeben gesehen, als ihr Gefallenwollen wirklich Gefallen erregte, und ein junger, sehr reicher Mann gar bald eine heftige Neigung empfand, sie zu besitzen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":212,"orig":"Sein anſehnliches Vermoͤgen gab ihm ein Recht, das Beſte jeder Art ſein eigen zu nennen, und es ſchien ihm nichts weiter abzugehen als eine vollkommene Frau, um die ihn die Welt ſo wie um das uͤbrige zu beneiden haͤtte.","norm":"Sein ansehnliches Vermögen gab ihm ein Recht, das Beste jeder Art sein eigen zu nennen, und es schien ihm nichts weiter abzugehen als eine vollkommene Frau, um die ihn die Welt so wie um das übrige zu beneiden hätte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":213,"orig":"Dieſe Familienangelegenheit war es, welche Charlotten biſher ſehr viel zu thun gab, der ſie ihre ganze Ueberlegung, ihre Correſpondenz widmete, inſofern dieſe nicht darauf gerichtet war, von Eduard naͤhere Nachricht zu erhalten; deswegen auch Ottilie mehr als ſonſt in der letzten Zeit allein blieb.","norm":"Diese Familienangelegenheit war es, welche Charlotten bisher sehr viel zu tun gab, der sie ihre ganze Überlegung, ihre Korrespondenz widmete, insofern diese nicht darauf gerichtet war, von Eduard nähere Nachricht zu erhalten; deswegen auch Ottilie mehr als sonst in der letzten Zeit allein blieb."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":214,"orig":"Dieſe wußte zwar um die Ankunft Lucianens; im Hauſe hatte ſie deshalb die noͤthigſten Vorkehrungen getroffen; allein ſo nahe ſtellte man ſich den Beſuch nicht vor.","norm":"Diese wusste zwar um die Ankunft Lucianes; im Hause hatte sie deshalb die nötigsten Vorkehrungen getroffen; allein so nahe stellte man sich den Besuche nicht vor."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":215,"orig":"Man wollte vorher noch ſchreiben, abreden, naͤher beſtimmen, als der Sturm auf einmal uͤber das Schloß und Ottilien hereinbrach.","norm":"Man wollte vorher noch schreiben, abreden, näher bestimmen, als der Sturm auf einmal über das Schloss und Ottilie hereinbrach."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":216,"orig":"Angefahren kamen nun Kammerjungfern und Bediente, Brancards mit Koffern und Kiſten; man glaubte ſchon eine doppelte und dreyfache Herrſchaft im Hauſe zu haben; aber nun erſchienen erſt die Gaͤſte ſelbſt:","norm":"Angefahren kamen nun Kammerjungfern und Bediente, Brancards mit Koffern und Kisten; man glaubte schon eine doppelte und dreifache Herrschaft im Hause zu haben; aber nun erschienen erst die Gäste selbst:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":217,"orig":"Die Großtante mit Lucianen und einigen Freundinnen, der Braͤutigam gleichfalls nicht unbegleitet.","norm":"Die Großtante mit Luciane und einigen Freundinnen, der Bräutigam gleichfalls nicht unbegleitet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":218,"orig":"Da lag das Vorhaus voll Vachen, Mantelſaͤcke und anderer ledernen Gehaͤuſe.","norm":"Da lag das Vorhaus voll Vachen, Mantelsäcke und anderer ledernen Gehäuse."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":219,"orig":"Mit Muͤhe ſonderte man die vielen Kaͤſtchen und Futterale auseinander.","norm":"Mit Mühe sonderte man die vielen Kästchen und Futterale auseinander."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":220,"orig":"Des Gepaͤckes und Geſchleppes war kein Ende.","norm":"Des Gepäckes und Geschleppes war kein Ende."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":221,"orig":"Dazwiſchen regnete es mit Gewalt, woraus manche Unbequemlichkeit entſtand.","norm":"Dazwischen regnete es mit Gewalt, woraus manche Unbequemlichkeit entstand."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":222,"orig":"Dieſem ungeſtuͤmen Treiben begegnete Ottilie mit gleichmuͤthiger Thaͤtigkeit, ja ihr heiteres Geſchick erſchien im ſchoͤnſten Glanze: denn ſie hatte in kurzer Zeit alles untergebracht und angeordnet.","norm":"Diesem ungestümen Treiben begegnete Ottilie mit gleichmütiger Tätigkeit, ja ihr heiteres Geschick erschien im schönsten Glanze: denn sie hatte in kurzer Zeit alles untergebracht und angeordnet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":223,"orig":"Jedermann war logirt, Jedermann nach ſeiner Art bequem, und glaubte gut bedient zu ſeyn, weil er nicht gehindert war ſich ſelbſt zu bedienen.","norm":"Jedermann war logiert, jedermann nach seiner Art bequem, und glaubte gut bedient zu sein, weil er nicht gehindert war sich selbst zu bedienen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":224,"orig":"Nun haͤtten alle gern, nach einer hoͤchſt beſchwerlichen Reiſe, einige Ruhe genoſſen; der Braͤutigam haͤtte ſich ſeiner Schwiegermutter gern genaͤhert, um ihr ſeine Liebe, ſeinen guten Willen zu betheuern: aber Luciane konnte nicht raſten.","norm":"Nun hätten alle gern, nach einer höchst beschwerlichen Reise, einige Ruhe genossen; der Bräutigam hätte sich seiner Schwiegermutter gern genähert, um ihr seine Liebe, seinen guten Willen zu beteuern: aber Luciane konnte nicht rasten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":225,"orig":"Sie war nun einmal zu dem Gluͤcke gelangt, ein Pferd beſteigen zu duͤrfen.","norm":"Sie war nun einmal zu dem Glücke gelangt, ein Pferd besteigen zu dürfen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":226,"orig":"Der Braͤutigam hatte ſchoͤne Pferde, und ſogleich mußte man aufſitzen.","norm":"Der Bräutigam hatte schöne Pferde, und sogleich musste man aufsitzen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":227,"orig":"Wetter und Wind, Regen und Sturm kamen nicht in Anſchlag; es war als wenn man nur lebte um naß zu werden und ſich wieder zu trocknen.","norm":"Wetter und Wind, Regen und Sturm kamen nicht in Anschlag; es war als wenn man nur lebte um nass zu werden und sich wieder zu trocknen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":228,"orig":"Fiel es ihr ein, zu Fuße auszugehen, ſo fragte ſie nicht, was fuͤr Kleider ſie anhatte und wie ſie beſchuht war; ſie mußte die Anlagen beſichtigen von denen ſie vieles gehoͤrt hatte.","norm":"Fiel es ihr ein, zu Fuße auszugehen, so fragte sie nicht, was für Kleider sie anhatte und wie sie beschuht war; sie musste die Anlagen besichtigen von denen sie vieles gehört hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":229,"orig":"Was nicht zu Pferde geſchehen konnte, wurde zu Fuß durchrannt.","norm":"Was nicht zu Pferde geschehen konnte, wurde zu Fuß durchrannt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":230,"orig":"Bald hatte ſie alles geſehen und abgeurtheilt.","norm":"Bald hatte sie alles gesehen und abgeurteilt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":231,"orig":"Bey der Schnelligkeit ihres Weſens war ihr nicht leicht zu widerſprechen.","norm":"Bei der Schnelligkeit ihres Wesens war ihr nicht leicht zu widersprechen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":232,"orig":"Die Geſellſchaft hatte manches zu leiden, am meiſten aber die Kammermaͤdchen, die mit Waſchen und Buͤgeln, Auftrennen und Annaͤhen, nicht fertig werden konnten.","norm":"Die Gesellschaft hatte manches zu leiden, am meisten aber die Kammermädchen, die mit Waschen und Bügeln, Auftrennen und Annähen, nicht fertig werden konnten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":233,"orig":"Kaum hatte ſie das Haus und die Gegend erſchoͤpft, als ſie ſich verpflichtet fuͤhlte, rings in der Nachbarſchaft Beſuch abzulegen.","norm":"Kaum hatte sie das Haus und die Gegend erschöpft, als sie sich verpflichtet fühlte, rings in der Nachbarschaft Besuche abzulegen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":234,"orig":"Weil man ſehr ſchnell ritt und fuhr, ſo reichte die Nachbarſchaft ziemlich fern umher.","norm":"Weil man sehr schnell ritt und fuhr, so reichte die Nachbarschaft ziemlich fern umher."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":235,"orig":"Das Schloß ward mit Gegenbeſuchen uͤberſchwemmt, und damit man ſich ja nicht verfehlen moͤchte, wurden bald beſtimmte Tage angeſetzt.","norm":"Das Schloss wurde mit Gegenbesuchen überschwemmt, und damit man sich ja nicht verfehlen möchte, wurden bald bestimmte Tage angesetzt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":236,"orig":"Indeſſen Charlotte mit der Tante und dem Geſchaͤftstraͤger des Braͤutigams die innern Verhaͤltniſſe feſtzuſtellen bemuͤht war, und Ottilie mit ihren Untergebenen dafuͤr zu ſorgen wußte, daß es an nichts, bey ſo großem Zudrang, fehlen moͤchte, da denn Jaͤger und Gaͤrtner, Fiſcher und Kraͤmer in Bewegung geſetzt wurden; zeigte ſich Luciane immer wie ein brennender Cometenkern, der einen langen Schweif nach ſich zieht.","norm":"Indessen Charlotte mit der Tante und dem Geschäftsträger des Bräutigams die inneren Verhältnisse festzustellen bemüht war, und Ottilie mit ihren Untergebenen dafür zu Sorgen wusste, dass es an nichts, bei so großem Zudrang, fehlen möchte, da denn Jäger und Gärtner, Fischer und Krämer in Bewegung gesetzt wurden; zeigte sich Luciane immer wie ein brennender Kometenkern, der einen langen Schweife nach sich zieht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":237,"orig":"Die gewoͤhnlichen Beſuchsunterhaltungen duͤnkten ihr bald ganz unſchmackhaft.","norm":"Die gewöhnlichen Besuchsunterhaltungen dünkten ihr bald ganz unschmackhaft."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":238,"orig":"Kaum daß ſie den aͤlteſten Perſonen eine Ruhe am Spieltiſch goͤnnte; wer noch einigermaßen beweglich war — und wer ließ ſich nicht durch ihre reizenden Zudringlichkeiten in Bewegung ſetzen?","norm":"Kaum dass sie den ältesten Personen eine Ruhe am Spieltisch gönnte; wer noch einigermaßen beweglich war — und wer ließ sich nicht durch ihre reizenden Zudringlichkeiten in Bewegung setzen?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":239,"orig":"— mußte herbey, wo nicht zum Tanze, doch zum lebhaften Pfand-Strafund Vexirſpiel.","norm":"— musste herbei, wo nicht zum Tanze, doch zum lebhaften Pfand Vexierspiel."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":240,"orig":"Und obgleich das Alles, ſo wie hernach die Pfaͤnderloͤſung, auf ſie ſelbſt berechnet war, ſo ging doch von der andern Seite Niemand, beſonders kein Mann, er mochte von einer Art ſeyn von welcher er wollte, ganz leer aus; ja es gluͤckte ihr, einige aͤltere Perſonen von Bedeutung ganz fuͤr ſich zu gewinnen, indem ſie ihre eben einfallenden Geburts- und Namenstage ausgeforſcht hatte und beſonders feyerte.","norm":"Und obgleich das alles, so wie hernach die Pfänderlösung, auf sie selbst berechnet war, so ging doch von der anderen Seite niemand, besonders kein Mann, er mochte von einer Art sein von welcher er wollte, ganz leer aus; ja es glückte ihr, einige ältere Personen von Bedeutung ganz für sich zu gewinnen, indem sie ihre eben einfallenden Geburts- und Namenstage ausgeforscht hatte und besonders feierte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":241,"orig":"Dabey kam ihr ein ganz eignes Geſchick zu Statten, ſo daß, indem alle ſich beguͤnſtigt ſahen, jeder ſich fuͤr den am meiſten beguͤnſtigten hielt: eine Schwachheit deren ſich ſogar der Aelteſte in der Geſellſchaft am allermerklichſten ſchuldig machte.","norm":"Dabei kam ihr ein ganz eigenes Geschick zustatten, so dass, indem alle sich begünstigt sahen, jeder sich für den am meisten Begünstigten hielt: Eine Schwachheit deren sich sogar der Älteste in der Gesellschaft am allermerklichsten schuldig machte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":242,"orig":"Schien es bey ihr Plan zu ſeyn, Maͤnner die etwas vorſtellten, Rang, Anſehen, Ruhm oder ſonſt etwas Bedeutendes vor ſich hatten, fuͤr ſich zu gewinnen, Weisheit und Beſonnenheit zu Schanden zu machen, und ihrem wilden wunderlichen Weſen ſelbſt bey der Bedaͤchtlichkeit Gunſt zu erwerben; ſo kam die Jugend doch dabey nicht zu kurz:","norm":"Schien es bei ihr Plan zu sein, Männer die etwas vorstellten, Rang, Ansehen, Ruhm oder sonst etwas Bedeutendes vor sich hatten, für sich zu gewinnen, Weisheit und Besonnenheit zuschanden zu machen, und ihrem wilden wunderlichen Wesen selbst bei der Bedächtigkeit Gunst zu erwerben; so kam die Jugend doch dabei nicht zu kurz:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":243,"orig":"Jeder hatte ſein Theil, ſeinen Tag, ſeine Stunde, in der ſie ihn zu entzuͤcken und zu feſſeln wußte.","norm":"Jeder hatte sein Teil, seinen Tag, seine Stunde, in der sie ihn zu entzücken und zu fesseln wusste."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":244,"orig":"So hatte ſie den Architecten ſchon bald ins Auge gefaßt, der jedoch aus ſeinem ſchwarzen langlockigen Haar ſo unbefangen herausſah, ſo gerad und ruhig in der Entfernung ſtand, auf alle Fragen kurz und verſtaͤndig antwortete, ſich aber auf nichts weiter einzulaſſen geneigt ſchien, daß ſie ſich endlich einmal, halb unwillig halb liſtig, entſchloß ihn zum Helden des Tages zu machen und dadurch auch fuͤr ihren Hof zu gewinnen.","norm":"So hatte sie den Architekten schon bald ins Auge gefasst, der jedoch aus seinem schwarzen langlockigen Haar so unbefangen heraussah, so gerad und ruhig in der Entfernung stand, auf alle Fragen kurz und verständig antwortete, sich aber auf nichts weiter einzulassen geneigt schien, dass sie sich endlich einmal, halb unwillig halb listig, entschloss ihn zum Helden des Tages zu machen und dadurch auch für ihren Hof zu gewinnen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":245,"orig":"Nicht umſonſt hatte ſie ſo vieles Gepaͤcke mitgebracht, ja es war ihr noch manches gefolgt.","norm":"Nicht umsonst hatte sie so vieles Gepäcke mitgebracht, ja es war ihr noch manches gefolgt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":246,"orig":"Sie hatte ſich auf eine unendliche Abwechſelung in Kleidern vorgeſehen.","norm":"Sie hatte sich auf eine unendliche Abwechselung in Kleidern vorgesehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":247,"orig":"Wenn es ihr Vergnuͤgen machte, ſich des Tags drey viermal umzuziehen und mit gewoͤhnlichen, in der Geſellſchaft uͤblichen Kleidern vom Morgen bis in die Nacht zu wechſeln; ſo erſchien ſie dazwiſchen wohl auch einmal im wirklichen Maſkenkleid, als Baͤuerinn und Fiſcherinn, als Fee und Blumenmaͤdchen.","norm":"Wenn es ihr Vergnügen machte, sich des Tags drei viermal umzuziehen und mit gewöhnlichen, in der Gesellschaft üblichen Kleidern vom Morgen bis in die Nacht zu wechseln; so erschien sie dazwischen wohl auch einmal im wirklichen Maskenkleid, als Bäuerin und Fischerin, als Fee und Blumenmädchen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":248,"orig":"Sie verſchmaͤhte nicht, ſich als alte Frau zu verkleiden, um deſto friſcher ihr junges Geſicht aus der Kutte hervorzuzeigen; und wirklich verwirrte ſie dadurch das Gegenwaͤrtige und das Eingebildete dergeſtalt, daß man ſich mit der Saalnixe verwandt und verſchwaͤgert zu ſeyn glaubte.","norm":"Sie verschmähte nicht, sich als alte Frau zu verkleiden, um desto frischer ihr junges Gesicht aus der Kutte hervorzuzeigen; und wirklich verwirrte sie dadurch das Gegenwärtige und das Eingebildete dergestalt, dass man sich mit der Saalnixe verwandt und verschwägert zu sein glaubte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":249,"orig":"Wozu ſie aber dieſe Verkleidungen hauptſaͤchlich benutzte, waren pantomimiſche Stellungen und Taͤnze, in denen ſie verſchiedene Character auszudruͤcken gewandt war.","norm":"Wozu sie aber diese Verkleidungen hauptsächlich benutzte, waren pantomimische Stellungen und Tänze, in denen sie verschiedene Character auszudrücken gewandt war."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":250,"orig":"Ein Cavalier aus ihrem Gefolge hatte ſich eingerichtet, auf dem Fluͤgel ihre Gebaͤrden mit der wenigen noͤthigen Muſik zu begleiten; es bedurfte nur einer kurzen Abrede und ſie waren ſogleich in Einſtimmung.","norm":"Ein Kavalier aus ihrem Gefolge hatte sich eingerichtet, auf dem Flügel ihre Gebärden mit der wenigen nötigen Musik zu begleiten; es bedurfte nur einer kurzen Abrede und sie waren sogleich in Einstimmung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":251,"orig":"Eines Tages, als man ſie bey der Pauſe eines lebhaften Balls, auf ihren eigenen heimlichen Antrieb, gleichſam aus dem Stegereife, zu einer ſolchen Darſtellung aufgefordert hatte; ſchien ſie verlegen und uͤberraſcht und ließ ſich wider ihre Gewohnheit lange bitten.","norm":"Eines Tages, als man sie bei der Pause eines lebhaften Balls, auf ihren eigenen heimlichen Antrieb, gleichsam aus dem Stegereife, zu einer solchen Darstellung aufgefordert hatte; schien sie verlegen und überrascht und ließ sich wider ihre Gewohnheit lange bitten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":252,"orig":"Sie zeigte ſich unentſchloſſen, ließ die Wahl, bat wie ein Improviſator um einen Gegenſtand, bis endlich jener Clavier ſpielende Gehuͤlfe, mit dem es abgeredet ſeyn mochte, ſich an den Fluͤgel ſetzte, einen Trauermarſch zu ſpielen anfing und ſie aufforderte, jene Artemiſia zu geben, welche ſie ſo vortrefflich einſtudirt habe.","norm":"Sie zeigte sich unentschlossen, ließ die Wahl, bat wie ein Improvisator um einen Gegenstand, bis endlich jener Klavier spielende Gehilfe, mit dem es abgeredet sein mochte, sich an den Flügel setzte, einen Trauermarsch zu spielen anfing und sie aufforderte, jene Artemisia zu geben, welche sie so vortrefflich einstudiert habe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":253,"orig":"Sie ließ ſich erbitten, und nach einer kurzen Abweſenheit erſchien ſie, bey den zaͤrtlich traurigen Toͤnen des Todtenmarſches, in Geſtalt der koͤniglichen Wittwe, mit gemeſſenem Schritt, einen Aſchenkrug vor ſich hertragend.","norm":"Sie ließ sich erbitten, und nach einer kurzen Abwesenheit erschien sie, bei den zärtlich traurigen Tönen des Totenmarsches, in Gestalt der königlichen Witwe, mit gemessenem Schritt, einen Aschenkrug vor sich hertragend."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":254,"orig":"Hinter ihr brachte man eine große ſchwarze Tafel und in einer goldenen Reißfeder ein wohl zugeſchnitztes Stuͤck Kreide.","norm":"Hinter ihr brachte man eine große schwarze Tafel und in einer goldenen Reißfeder ein wohlzugeschnitztes Stück Kreide."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":255,"orig":"Einer ihrer Verehrer und Adjutanten, dem ſie etwas ins Ohr ſagte, ging ſogleich den Architecten aufzufordern, zu noͤthigen und gewiſſermaßen herbeyzuſchieben, daß er als Baumeiſter das Grab des Mauſolus zeichnen, und alſo keineswegs einen Statiſten, ſondern einen ernſtlich Mitſpielenden vorſtellen ſollte.","norm":"Einer ihrer Verehrer und Adjutanten, dem sie etwas ins Ohr sagte, ging sogleich den Architekten aufzufordern, zu nötigen und gewissermaßen herbeizuschieben, dass er als Baumeister das Grab des Mausolus zeichnen, und also keineswegs einen Statisten, sondern einen ernstlich Mitspielenden vorstellen sollte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":256,"orig":"Wie verlegen der Architect auch aͤußerlich erſchien — denn er machte in ſeiner ganz ſchwarzen knappen modernen Civilgeſtalt einen wunderlichen Contraſt mit jenen Floͤren, Creppen, Franzen, Schmelzen, Quaſten und Kronen — ſo faßte er ſich doch gleich innerlich, allein um ſo wunderlicher war es anzuſehen.","norm":"Wie verlegen der Architekt auch äußerlich erschien — denn er machte in seiner ganz schwarzen knappen modernen Zivilgestalt einen wunderlichen Kontrast mit jenen Flören, Kreppen, Fransen, Schmelzen, Quasten und Kronen — so fasste er sich doch gleich innerlich, allein um so wunderlicher war es anzusehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":257,"orig":"Mit dem groͤßten Ernſt ſtellte er ſich vor die große Tafel, die von ein paar Pagen gehalten wurde, und zeichnete mit viel Bedacht und Genauigkeit ein Grabmal, das zwar eher einem longobardiſchen als einem cariſchen Koͤnig waͤre gemaͤß geweſen, aber doch in ſo ſchoͤnen Verhaͤltniſſen, ſo ernſt in ſeinen Theilen, ſo geiſtreich in ſeinen Zieraten, daß man es mit Vergnuͤgen entſtehen ſah und als es fertig war bewunderte.","norm":"Mit dem größten Ernst stellte er sich vor die große Tafel, die von ein paar Pagen gehalten wurde, und zeichnete mit viel Bedacht und Genauigkeit ein Grabmal, das zwar eher einem langobardischen als einem karischen König wäre gemäß gewesen, aber doch in so schönen Verhältnissen, so ernst in seinen Teilen, so geistreich in seinen Zierraten, dass man es mit Vergnügen entstehen sah und als es fertig war bewunderte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":258,"orig":"Er hatte ſich in dieſem ganzen Zeitraum faſt nicht gegen die Koͤniginn gewendet, ſondern ſeinem Geſchaͤft alle Aufmerkſamkeit gewidmet.","norm":"Er hatte sich in diesem ganzen Zeitraum fast nicht gegen die Königin gewendet, sondern seinem Geschäft alle Aufmerksamkeit gewidmet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":259,"orig":"Endlich als er ſich vor ihr neigte und andeutete, daß er nun ihre Befehle vollzogen zu haben glaube, hielt ſie ihm noch die Urne hin, und bezeichnete das Verlangen, dieſe oben auf dem Gipfel abgebildet zu ſehen.","norm":"Endlich als er sich vor ihr neigte und andeutete, dass er nun ihre Befehle vollzogen zu haben glaube, hielt sie ihm noch die Urne hin, und bezeichnete das Verlangen, diese oben auf dem Gipfel abgebildet zu sehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":260,"orig":"Er that es, obgleich ungern, weil ſie zu dem Character ſeines uͤbrigen Entwurfs nicht paſſen wollte.","norm":"Er tat es, obgleich ungern, weil sie zu dem Charakter seines übrigen Entwurfs nicht passen wollte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":261,"orig":"Was Lucianen betraf, ſo war ſie endlich von ihrer Ungeduld erloͤſt: denn ihre Abſicht war keineswegs eine gewiſſenhafte Zeichnung von ihm zu haben.","norm":"Was Luciane betraf, so war sie endlich von ihrer Ungeduld erlöst: denn ihre Absicht war keineswegs eine gewissenhafte Zeichnung von ihm zu haben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":262,"orig":"Haͤtte er mit wenigen Strichen nur hinſkizzirt, was etwa einem Monument aͤhnlich geſehen, und ſich die uͤbrige Zeit mit ihr abgegeben; ſo waͤre das wohl dem Endzweck und ihren Wuͤnſchen gemaͤßer geweſen.","norm":"Hätte er mit wenigen Strichen nur hinskizziert, was etwa einem Monument ähnlich gesehen, und sich die übrige Zeit mit ihr abgegeben; so wäre das wohl dem Endzweck und ihren Wünschen gemäßer gewesen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":263,"orig":"Bey ſeinem Benehmen dagegen kam ſie in die groͤßte Verlegenheit: denn ob ſie gleich in ihrem Schmerz, ihren Anordnungen und Andeutungen, ihrem Beyfall uͤber das nach und nach Entſtehende, ziemlich abzuwechſeln ſuchte und ſie ihn einigemal beynahe herumzerrte, um nur mit ihm in eine Art von Verhaͤltniß zu kommen; ſo erwies er ſich doch gar zu ſteif, dergeſtalt daß ſie allzuoft ihre Zuflucht zur Urne nehmen, ſie an ihr Herz druͤcken und zum Himmel ſchauen mußte, ja zuletzt, weil ſich doch dergleichen Situationen immer ſteigern, mehr einer Wittwe von Epheſus als einer Koͤniginn von Carien aͤhnlich ſah.","norm":"Bei seinem Benehmen dagegen kam sie in die größte Verlegenheit: denn ob sie gleich in ihrem Schmerz, ihren Anordnungen und Andeutungen, ihrem Beifall über das nach und nach Entstehende, ziemlich abzuwechseln suchte und sie ihn einige Mal beinahe herumzerrte, um nur mit ihm in eine Art von Verhältnis zu kommen; so erwies er sich doch gar zu steif, dergestalt dass sie allzu oft ihre Zuflucht zur Urne nehmen, sie an ihr Herz drücken und zum Himmel schauen musste, ja zuletzt, weil sich doch dergleichen Situationen immer steigern, mehr einer Witwe von Ephesus als einer Königin von Karien ähnlich sah."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":264,"orig":"Die Vorſtellung zog ſich daher in die Laͤnge, der Clavierſpieler, der ſonſt Geduld genug hatte, wußte nicht mehr in welchen Ton er ausweichen ſollte.","norm":"Die Vorstellung zog sich daher in die Länge, der Klavierspieler, der sonst Geduld genug hatte, wusste nicht mehr in welchen Ton er ausweichen sollte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":265,"orig":"Er dankte Gott als er die Urne auf der Pyramide ſtehn ſah und fiel unwillkuͤhrlich, als die Koͤniginn ihren Dank ausdruͤcken wollte, in ein luſtiges Thema; wodurch die Vorſtellung zwar ihren Character verlor, die Geſellſchaft jedoch voͤllig aufgeheitert wurde, die ſich denn ſogleich theilte, der Dame fuͤr ihren vortrefflichen Ausdruck, und dem Architecten fuͤr ſeine kuͤnſtliche und zierliche Zeichnung eine freudige Bewunderung zu beweiſen.","norm":"Er dankte Gott als er die Urne auf der Pyramide stehen sah und fiel unwillkürlich, als die Königin ihren Dank ausdrücken wollte, in ein lustiges Thema; wodurch die Vorstellung zwar ihren Charakter verlor, die Gesellschaft jedoch völlig aufgeheitert wurde, die sich denn sogleich teilte, der Dame für ihren vortrefflichen Ausdruck, und dem Architekten für seine künstliche und zierliche Zeichnung eine freudige Bewunderung zu beweisen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":266,"orig":"Beſonders der Braͤutigam unterhielt ſich mit dem Architecten.","norm":"Besonders der Bräutigam unterhielt sich mit dem Architekten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":267,"orig":"Es thut mir leid, ſagte jener, daß die Zeichnung ſo vergaͤnglich iſt.","norm":"Es tut mir leid, sagte jener, dass die Zeichnung so vergänglich ist."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":268,"orig":"Sie erlauben wenigſtens, daß ich ſie mir auf mein Zimmer bringen laſſe und mich mit Ihnen daruͤber unterhalte.","norm":"Sie erlauben wenigstens, dass ich sie mir auf mein Zimmer bringen lasse und mich mit Ihnen darüber unterhalte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":269,"orig":"Wenn es Ihnen Vergnuͤgen macht, ſagte der Architect, ſo kann ich Ihnen ſorgfaͤltige Zeichnungen von dergleichen Gebaͤuden und Monumenten vorlegen, wovon dieſes nur ein zufaͤlliger fluͤchtiger Entwurf iſt.","norm":"Wenn es Ihnen Vergnügen macht, sagte der Architekt, so kann ich Ihnen sorgfältige Zeichnungen von dergleichen Gebäuden und Monumenten vorlegen, wovon dieses nur ein zufälliger flüchtiger Entwurf ist."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":270,"orig":"Ottilie ſtand nicht fern und trat zu den beyden.","norm":"Ottilie stand nicht fern und trat zu den beiden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":271,"orig":"Verſaͤumen Sie nicht, ſagte ſie zum Architecten, den Herrn Baron gelegentlich Ihre Sammlung ſehn zu laſſen: er iſt ein Freund der Kunſt und des Alterthums; ich wuͤnſche daß Sie ſich naͤher kennen lernen.","norm":"Versäumen Sie nicht, sagte sie zum Architekten, den Herrn Baron gelegentlich Ihre Sammlung sehen zu lassen: Er ist ein Freund der Kunst und des Altertums; ich wünsche dass Sie sich näher kennenlernen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":272,"orig":"Luciane kam herbeygefahren und fragte:","norm":"Luciane kam herbeigefahren und fragte:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":273,"orig":"Wovon iſt die Rede?","norm":"Wovon ist die Rede?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":274,"orig":"Von einer Sammlung Kunſtwerke, antwortete der Baron, welche dieſer Herr beſitzt und die er uns gelegentlich zeigen will.","norm":"Von einer Sammlung Kunstwerke, antwortete der Baron, welche dieser Herr besitzt und die er uns gelegentlich zeigen will."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":275,"orig":"Er mag ſie mir gleich bringen, rief Luciane.","norm":"Er mag sie mir gleich bringen, rief Luciane."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":276,"orig":"Nicht wahr, Sie bringen ſie gleich?","norm":"Nicht wahr, Sie bringen sie gleich?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":277,"orig":"ſetzte ſie ſchmeichelnd hinzu, indem ſie ihn mit beyden Haͤnden freundlich anfaßte.","norm":"setzte sie schmeichelnd hinzu, indem sie ihn mit beiden Händen freundlich anfasste."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":278,"orig":"Es moͤchte jetzt der Zeitpunkt nicht ſeyn, verſetzte der Architect.","norm":"Es möchte jetzt der Zeitpunkt nicht sein, versetzte der Architekt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":279,"orig":"Was!","norm":"Was!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":280,"orig":"rief Luciane gebieteriſch:","norm":"rief Luciane gebieterisch:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":281,"orig":"Sie wollen dem Befehl Ihrer Koͤniginn nicht gehorchen?","norm":"Sie wollen dem Befehl Ihrer Königin nicht gehorchen?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":282,"orig":"Dann legte ſie ſich auf ein neckiſches Bitten.","norm":"Dann legte sie sich auf ein neckisches Bitten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":283,"orig":"Seyn Sie nicht eigenſinnig, ſagte Ottilie halb leiſe.","norm":"Sein Sie nicht eigensinnig, sagte Ottilie halb leise."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":284,"orig":"Der Architect entfernte ſich mit einer Beugung, ſie war weder bejahend noch verneinend.","norm":"Der Architekt entfernte sich mit einer Beugung, sie war weder bejahend noch verneinend."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":285,"orig":"Kaum war er fort, als Luciane ſich mit einem Windſpiel im Saale herumjagte.","norm":"Kaum war er fort, als Luciane sich mit einem Windspiel im Saale herumjagte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":286,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":287,"orig":"rief ſie aus, indem ſie zufaͤllig an ihre Mutter ſtieß: wie bin ich nicht ungluͤcklich!","norm":"rief sie aus, indem sie zufällig an ihre Mutter stieß: wie bin ich nicht unglücklich!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":288,"orig":"Ich habe meinen Affen nicht mitgenommen; man hat mir es abgerathen, es iſt aber nur die Bequemlichkeit meiner Leute, die mich um dieſes Vergnuͤgen bringt.","norm":"Ich habe meinen Affen nicht mitgenommen; man hat mir es abgeraten, es ist aber nur die Bequemlichkeit meiner Leute, die mich um dieses Vergnügen bringt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":289,"orig":"Ich will ihn aber nachkommen laſſen, es ſoll mir Jemand hin ihn zu holen.","norm":"Ich will ihn aber nachkommen lassen, es soll mir Jemand hin ihn zu holen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":290,"orig":"Wenn ich nur ſein Bildniß ſehen koͤnnte, ſo waͤre ich ſchon vergnuͤgt.","norm":"Wenn ich nur sein Bildnis sehen könnte, so wäre ich schon vergnügt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":291,"orig":"Ich will ihn aber gewiß auch malen laſſen und er ſoll mir nicht von der Seite kommen.","norm":"Ich will ihn aber gewiss auch malen lassen und er soll mir nicht von der Seite kommen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":292,"orig":"Vielleicht kann ich dich troͤſten, verſetzte Charlotte, wenn ich dir aus der Bibliothek einen ganzen Band der wunderlichſten Affenbilder kommen laſſe.","norm":"Vielleicht kann ich dich trösten, versetzte Charlotte, wenn ich dir aus der Bibliothek einen ganzen Band der wunderlichsten Affenbilder kommen lasse."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":293,"orig":"Luciane ſchrie vor Freuden laut auf, und der Folioband wurde gebracht.","norm":"Luciane schrie vor Freuden laut auf, und der Folioband wurde gebracht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":294,"orig":"Der Anblick dieſer menſchenaͤhnlichen und durch den Kuͤnſtler noch mehr vermenſchlichten abſcheulichen Geſchoͤpfe machte Lucianen die groͤßte Freude.","norm":"Der Anblick dieser menschenähnlichen und durch den Künstler noch mehr vermenschlichten abscheulichen Geschöpfe machte Luciane die größte Freude."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":295,"orig":"Ganz gluͤcklich aber fuͤhlte ſie ſich, bey einem jeden dieſer Thiere die Aehnlichkeit mit bekannten Menſchen zu finden.","norm":"Ganz glücklich aber fühlte sie sich, bei einem jeden dieser Tiere die Ähnlichkeit mit bekannten Menschen zu finden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":296,"orig":"Sieht der nicht aus wie der Onkel?","norm":"Sieht der nicht aus wie der Onkel?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":297,"orig":"rief ſie unbarmherzig: der wie der Galanteriehaͤndler M —, der wie der Pfarrer S — und dieſer iſt der Dings — der — leibhaftig.","norm":"rief sie unbarmherzig: der wie der Galanteriehändler M —, der wie der Pfarrer S — und dieser ist der Dings — der — leibhaftig."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":298,"orig":"Im Grunde ſind doch die Affen die eigentlichen Incroyables und es iſt unbegreiflich, wie man ſie aus der beſten Geſellſchaft ausſchließen mag.","norm":"Im Grunde sind doch die Affen die eigentlichen Incroyables und es ist unbegreiflich, wie man sie aus der besten Gesellschaft ausschließen mag."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":299,"orig":"Sie ſagte das in der beſten Geſellſchaft, doch Niemand nahm es ihr uͤbel.","norm":"Sie sagte das in der besten Gesellschaft, doch niemand nahm es ihr übel."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":300,"orig":"Man war ſo gewohnt ihrer Anmuth vieles zu erlauben, daß man zuletzt ihrer Unart alles erlaubte.","norm":"Man war so gewohnt ihrer Anmut vieles zu erlauben, dass man zuletzt ihrer Unart alles erlaubte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":301,"orig":"Ottilie unterhielt ſich indeſſen mit dem Braͤutigam.","norm":"Ottilie unterhielt sich indessen mit dem Bräutigam."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":302,"orig":"Sie hoffte auf die Ruͤckkunft des Architecten, deſſen ernſtere, geſchmackvollere Sammlungen die Geſellſchaft von dieſem Affenweſen befreyen ſollten.","norm":"Sie hoffte auf die Rückkunft des Architekten, dessen ernstere, geschmackvollere Sammlungen die Gesellschaft von diesem Affenwesen befreien sollten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":303,"orig":"In dieſer Erwartung hatte ſie ſich mit dem Baron beſprochen und ihn auf manches aufmerkſam gemacht.","norm":"In dieser Erwartung hatte sie sich mit dem Baron besprochen und ihn auf manches aufmerksam gemacht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":304,"orig":"Allein der Architect blieb aus, und als er endlich wiederkam, verlor er ſich unter der Geſellſchaft, ohne etwas mit zu bringen, und ohne zu thun als ob von etwas die Frage geweſen waͤre.","norm":"Allein der Architekt blieb aus, und als er endlich wiederkam, verlor er sich unter der Gesellschaft, ohne etwas mitzubringen, und ohne zu tun als ob von etwas die Frage gewesen wäre."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":305,"orig":"Ottilie ward einen Augenblick — wie ſoll man's nennen?","norm":"Ottilie wurde einen Augenblick — wie soll man es nennen?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":306,"orig":"— verdrießlich, ungehalten, betroffen; ſie hatte ein gutes Wort an ihn gewendet, ſie goͤnnte dem Braͤutigam eine vergnuͤgte Stunde nach ſeinem Sinne, der bey ſeiner unendlichen Liebe fuͤr Lucianen doch von ihrem Betragen zu leiden ſchien.","norm":"— verdrießlich, ungehalten, betroffen; sie hatte ein gutes Wort an ihn gewendet, sie gönnte dem Bräutigam eine vergnügte Stunde nach seinem Sinne, der bei seiner unendlichen Liebe für Luciane doch von ihrem Betragen zu leiden schien."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":307,"orig":"Die Affen mußten einer Collation Platz machen.","norm":"Die Affen mussten einer Kollation Platz machen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":308,"orig":"Geſellige Spiele, ja ſogar noch Taͤnze, zuletzt ein freudeloſes Herumſitzen und Wiederaufjagen einer ſchon geſunkenen Luſt dauerten dießmal, wie ſonſt auch, weit uͤber Mitternacht.","norm":"Gesellige Spiele, ja sogar noch Tänze, zuletzt ein freudeloses Herumsitzen und Wiederaufjagen einer schon gesunkenen Lust dauerten diesmal, wie sonst auch, weit über Mitternacht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":309,"orig":"Denn ſchon hatte ſich Luciane gewoͤhnt, Morgens nicht aus dem Bette und Abends nicht ins Bette gelangen zu koͤnnen.","norm":"Denn schon hatte sich Luciane gewöhnt, Morgens nicht aus dem Bette und Abends nicht ins Bette gelangen zu können."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":310,"orig":"Um dieſe Zeit finden ſich in Ottiliens Tagebuch Ereigniſſe ſeltner angemerkt, dagegen haͤufiger auf das Leben bezuͤgliche und vom Leben abgezogene Maximen und Sentenzen.","norm":"Um diese Zeit finden sich in Ottilies Tagebuch Ereignisse seltener angemerkt, dagegen häufiger auf das Leben bezügliche und vom Leben abgezogene Maximen und Sentenzen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":311,"orig":"Weil aber die meiſten derſelben wohl nicht durch ihre eigene Reflexion entſtanden ſeyn koͤnnen; ſo iſt es wahrſcheinlich, daß man ihr irgend einen Heft mitgetheilt, aus dem ſie ſich was ihr gemuͤthlich war, ausgeſchrieben.","norm":"Weil aber die meisten derselben wohl nicht durch ihre eigene Reflexion entstanden sein können; so ist es wahrscheinlich, dass man ihr irgendeinen Heft mitgeteilt, aus dem sie sich was ihr gemütlich war, ausgeschrieben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":312,"orig":"Manches eigene von innigerem Bezug wird an dem rothen Faden wohl zu erkennen ſeyn.","norm":"Manches Eigene von innigerem Bezug wird an dem roten Faden wohl zu erkennen sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":313,"orig":"„Wir blicken ſo gern in die Zukunft, weil wir das Ungefaͤhre was ſich in ihr hin und her bewegt, durch ſtille Wuͤnſche ſo gern zu unſern Gunſten heranleiten moͤchten.","norm":"„Wir blicken so gern in die Zukunft, weil wir das Ungefähre was sich in ihr hin und her bewegt, durch stille Wünsche so gern zu unseren Gunsten heranleiten möchten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":314,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":315,"orig":"„Wir befinden uns nicht leicht in großer Geſellſchaft, ohne zu denken: der Zufall, der ſo viele zuſammenbringt, ſolle uns auch unſre Freunde herbeyfuͤhren.","norm":"„Wir befinden uns nicht leicht in großer Gesellschaft, ohne zu denken: der Zufall, der so viele zusammenbringt, solle uns auch unsere Freunde herbeiführen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":316,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":317,"orig":"„Man mag noch ſo eingezogen leben, ſo wird man ehe man ſich's verſieht, ein Schuldner oder ein Glaͤubiger.","norm":"„Man mag noch so eingezogen leben, so wird man ehe man sich es versieht, ein Schuldner oder ein Gläubiger."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":318,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":319,"orig":"„Begegnet uns Jemand der uns Dank ſchuldig iſt, gleich faͤllt es uns ein.","norm":"„Begegnet uns Jemand der uns Dank schuldig ist, gleich fällt es uns ein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":320,"orig":"Wie oft koͤnnen wir Jemand begegnen, dem wir Dank ſchuldig ſind, ohne daran zu denken.","norm":"Wie oft können wir jemand begegnen, dem wir Dank schuldig sind, ohne daran zu denken."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":321,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":322,"orig":"„Sich mitzutheilen iſt Natur;","norm":"„Sich mitzuteilen ist Natur;"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":323,"orig":"Mitgetheiltes aufzunehmen wie es gegeben wird, iſt Bildung.","norm":"Mitgeteiltes aufzunehmen wie es gegeben wird, ist Bildung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":324,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":325,"orig":"„Niemand wuͤrde viel in Geſellſchaften ſprechen, wenn er ſich bewußt waͤre, wie oft er die andern mißverſteht.","norm":"„Niemand würde viel in Gesellschaften sprechen, wenn er sich bewusst wäre, wie oft er die anderen missversteht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":326,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":327,"orig":"„Man veraͤndert fremde Reden beym Wiederhohlen wohl nur darum ſo ſehr, weil man ſie nicht verſtanden hat.","norm":"„Man verändert fremde Reden beim Wiederholen wohl nur darum so sehr, weil man sie nicht verstanden hat."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":328,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":329,"orig":"„Wer vor andern lange allein ſpricht, ohne den Zuhoͤrern zu ſchmeicheln, erregt Widerwillen.","norm":"„Wer vor anderen lange allein spricht, ohne den Zuhörern zu schmeicheln, erregt Widerwillen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":330,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":331,"orig":"„Jedes ausgeſprochene Wort erregt den Gegenſinn.","norm":"„Jedes ausgesprochene Wort erregt den Gegensinn."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":332,"orig":"“ Widerſpruch und Schmeicheley machen beyde ein ſchlechtes Geſpraͤch.","norm":"“ Widerspruch und Schmeichelei machen beide ein schlechtes Gespräch."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":333,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":334,"orig":"„Die angenehmſten Geſellſchaften ſind die, in welchen eine heitere Ehrerbietung der Glieder gegen einander obwaltet.","norm":"„Die angenehmsten Gesellschaften sind die, in welchen eine heitere Ehrerbietung der Glieder gegeneinander obwaltet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":335,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":336,"orig":"„Durch nichts bezeichnen die Menſchen mehr ihren Character als durch das was ſie laͤcherlich finden.","norm":"„Durch nichts bezeichnen die Menschen mehr ihren Charakter als durch das was sie lächerlich finden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":337,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":338,"orig":"„Das Laͤcherliche entſpringt aus einem ſittlichen Contraſt, der, auf eine unſchaͤdliche Weiſe, fuͤr die Sinne in Verbindung gebracht wird.","norm":"„Das Lächerliche entspringt aus einem sittlichen Kontrast, der, auf eine unschädliche Weise, für die Sinne in Verbindung gebracht wird."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":339,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":340,"orig":"„Der ſinnliche Menſch lacht oft wo nichts zu lachen iſt.","norm":"„Der sinnliche Mensch lacht oft wo nichts zu lachen ist."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":341,"orig":"Was ihn auch anregt, ſein inneres Behagen kommt zum Vorſchein.","norm":"Was ihn auch anregt, sein inneres Behagen kommt zum Vorschein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":342,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":343,"orig":"„Der Verſtaͤndige findet faſt alles laͤcherlich, der Vernuͤnftige faſt nichts.","norm":"„Der Verständige findet fast alles lächerlich, der Vernünftige fast nichts."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":344,"orig":"“ Einem bejahrten Manne verdachte man, daß er ſich noch um junge Frauenzimmer bemuͤhte.","norm":"“ Einem bejahrten Manne verdachte man, dass er sich noch um junge Frauenzimmer bemühte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":345,"orig":"Es iſt das einzige Mittel, verſetzte er, ſich zu verjuͤngen und das will doch Jedermann.","norm":"Es ist das einzige Mittel, versetzte er, sich zu verjüngen und das will doch jedermann."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":346,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":347,"orig":"„Man laͤßt ſich ſeine Maͤngel vorhalten, man laͤßt ſich ſtrafen, man leidet manches um ihrer willen mit Geduld; aber ungeduldig wird man, wenn man ſie ablegen ſoll.","norm":"„Man lässt sich seine Mängel vorhalten, man lässt sich strafen, man leidet manches um ihrer Willen mit Geduld; aber ungeduldig wird man, wenn man sie ablegen soll."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":348,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":349,"orig":"„Gewiſſe Maͤngel ſind nothwendig zum Daſeyn des Einzelnen.","norm":"„Gewisse Mängel sind notwendig zum Dasein des Einzelnen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":350,"orig":"Es wuͤrde uns unangenehm ſeyn, wenn alte Freunde gewiſſe Eigenheiten ablegten.","norm":"Es würde uns unangenehm sein, wenn alte Freunde gewisse Eigenheiten ablegten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":351,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":352,"orig":"„Man ſagt: er ſtirbt bald, wenn einer etwas gegen ſeine Art und Weiſe thut.","norm":"„Man sagt: Er stirbt bald, wenn einer etwas gegen seine Art und Weise tut."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":353,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":354,"orig":"„Was fuͤr Maͤngel duͤrfen wir behalten, ja an uns cultiviren?","norm":"„Was für Mängel dürfen wir behalten, ja an uns kultivieren?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":355,"orig":"Solche die den andern eher ſchmeicheln als ſie verletzen.","norm":"Solche die den anderen eher schmeicheln als sie verletzen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":356,"orig":"“ Die Leidenſchaften ſind Maͤngel oder Tugenden, nur geſteigerte.","norm":"“ Die Leidenschaften sind Mängel oder Tugenden, nur gesteigerte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":357,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":358,"orig":"„Unſre Leidenſchaften ſind wahre Phoͤnixe.","norm":"„Unsere Leidenschaften sind wahre Phönixe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":359,"orig":"Wie der alte verbrennt, ſteigt der neue ſogleich wieder aus der Aſche hervor.","norm":"Wie der alte verbrennt, steigt der neue sogleich wieder aus der Asche hervor."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":360,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":361,"orig":"„Große Leidenſchaften ſind Krankheiten ohne Hoffnung.","norm":"„Große Leidenschaften sind Krankheiten ohne Hoffnung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":362,"orig":"Was ſie heilen koͤnnte, macht ſie erſt recht gefaͤhrlich.","norm":"Was sie heilen könnte, macht sie erst recht gefährlich."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":363,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":364,"orig":"„Die Leidenſchaft erhoͤht und mildert ſich durchs Bekennen.","norm":"„Die Leidenschaft erhöht und mildert sich durchs Bekennen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":365,"orig":"In nichts waͤre die Mittelſtraße vielleicht wuͤnſchenswerther als im Vertrauen und Verſchweigen gegen die die wir lieben.","norm":"In nichts wäre die Mittelstraße vielleicht wünschenswerter als im Vertrauen und Verschweigen gegen die die wir lieben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":366,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":367,"orig":"So peitſchte Luciane den Lebensrauſch im geſelligen Strudel immer vor ſich her.","norm":"So peitschte Luciane den Lebensrausch im geselligen Strudel immer vor sich her."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":368,"orig":"Ihr Hofſtaat vermehrte ſich taͤglich, theils weil ihr Treiben ſo manchen anregte und anzog, theils weil ſie ſich andre durch Gefaͤlligkeit und Wohlthun zu verbinden wußte.","norm":"Ihr Hofstaat vermehrte sich täglich, teils weil ihr Treiben so manchen anregte und anzog, teils weil sie sich andere durch Gefälligkeit und Wohltun zu verbinden wusste."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":369,"orig":"Mittheilend war ſie im hoͤchſten Grade: denn da ihr durch die Neigung der Tante und des Braͤutigams ſo viel Schoͤnes und Koͤſtliches auf einmal zugefloſſen war; ſo ſchien ſie nichts eigenes zu beſitzen, und den Werth der Dinge nicht zu kennen, die ſich um ſie gehaͤuft hatten.","norm":"Mitteilend war sie im höchsten Grade: denn da ihr durch die Neigung der Tante und des Bräutigams soviel Schönes und Köstliches auf einmal zugeflossen war; so schien sie nichts Eigenes zu besitzen, und den Wert der Dinge nicht zu kennen, die sich um sie gehäuft hatten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":370,"orig":"So zauderte ſie nicht einen Augenblick einen koſtbaren Shawl abzunehmen und ihn einem Frauenzimmer umzuhaͤngen, das ihr gegen die uͤbrigen zu aͤrmlich gekleidet ſchien, und ſie that das auf eine ſo neckiſche, geſchickte Weiſe, daß Niemand eine ſolche Gabe ablehnen konnte.","norm":"So zauderte sie nicht einen Augenblick einen kostbaren Schal abzunehmen und ihn einem Frauenzimmer umzuhängen, das ihr gegen die übrigen zu ärmlich gekleidet schien, und sie tat das auf eine so neckische, geschickte Weise, dass Niemand eine solche Gabe ablehnen konnte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":371,"orig":"Einer von ihrem Hofſtaat hatte ſtets eine Boͤrſe und den Auftrag, in den Orten wo ſie einkehrten, ſich nach den Aelteſten und Kraͤnkſten zu erkundigen, und ihren Zuſtand wenigſtens fuͤr den Augenblick zu erleichtern.","norm":"Einer von ihrem Hofstaat hatte stets eine Börse und den Auftrag, in den Orten wo sie einkehrten, sich nach den Ältesten und Kränksten zu erkundigen, und ihren Zustand wenigstens für den Augenblick zu erleichtern."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":372,"orig":"Dadurch entſtand ihr in der ganzen Gegend ein Name von Vortrefflichkeit, der ihr doch auch manchmal unbequem ward, weil er allzuviel laͤſtige Nothleidende an ſie heranzog.","norm":"Dadurch entstand ihr in der ganzen Gegend ein Name von Vortrefflichkeit, der ihr doch auch manchmal unbequem wurde, weil er allzu viel lästige Notleidende an sie heranzog."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":373,"orig":"Durch nichts aber vermehrte ſie ſo ſehr ihren Ruf, als durch ein auffallendes gutes beharrliches Benehmen gegen einen ungluͤcklichen jungen Mann, der die Geſellſchaft floh, weil er, uͤbrigens ſchoͤn und wohlgebildet, ſeine rechte Hand, obgleich ruͤhmlich, in der Schlacht verloren hatte.","norm":"Durch nichts aber vermehrte sie so sehr ihren Ruf, als durch ein auffallendes gutes beharrliches Benehmen gegen einen unglücklichen jungen Mann, der die Gesellschaft floh, weil er, übrigens schön und wohlgebildet, seine rechte Hand, obgleich rühmlich, in der Schlacht verloren hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":374,"orig":"Dieſe Verſtuͤmmlung erregte ihm einen ſolchen Mißmuth; es war ihm ſo verdrießlich, daß jede neue Bekanntſchaft ſich auch immer mit ſeinem Unfall bekannt machen ſollte, daß er ſich lieber verſteckte, ſich dem Leſen und andern Studien ergab und ein fuͤr allemal mit der Geſellſchaft nichts wollte zu ſchaffen haben.","norm":"Diese Verstümmlung erregte ihm einen solchen Missmut; es war ihm so verdrießlich, dass jede neue Bekanntschaft sich auch immer mit seinem Unfall bekannt machen sollte, dass er sich lieber versteckte, sich dem Lesen und anderen Studien ergab und ein für allemal mit der Gesellschaft nichts wollte zu schaffen haben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":375,"orig":"Das Daſeyn dieſes jungen Mannes blieb ihr nicht verborgen.","norm":"Das Dasein dieses jungen Mannes blieb ihr nicht verborgen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":376,"orig":"Er mußte herbey, erſt in kleiner Geſellſchaft, dann in groͤßerer, dann in der groͤßten.","norm":"Er musste herbei, erst in kleiner Gesellschaft, dann in größerer, dann in der größten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":377,"orig":"Sie benahm ſich anmuthiger gegen ihn als gegen irgend einen andern, beſonders wußte ſie durch zudringliche Dienſtfertigkeit ihm ſeinen Verluſt werth zu machen, indem ſie geſchaͤftig war ihn zu erſetzen.","norm":"Sie benahm sich anmutiger gegen ihn als gegen irgendeinen anderen, besonders wusste sie durch zudringliche Dienstfertigkeit ihm seinen Verlust wert zu machen, indem sie geschäftig war ihn zu ersetzen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":378,"orig":"Bey Tafel mußte er neben ihr ſeinen Platz nehmen, ſie ſchnitt ihm vor, ſo daß er nur die Gabel gebrauchen durfte.","norm":"Bei Tafel musste er neben ihr seinen Platz nehmen, sie schnitt ihm vor, so dass er nur die Gabel gebrauchen durfte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":379,"orig":"Nahmen Aeltere, Vornehmere ihm ihre Nachbarſchaft weg, ſo erſtreckte ſie ihre Aufmerkſamkeit uͤber die ganze Tafel hin, und die eilenden Bedienten mußten das erſetzen was ihm die Entfernung zu rauben drohte.","norm":"Namen Ältere, vornehmere ihm ihre Nachbarschaft weg, so erstreckte sie ihre Aufmerksamkeit über die ganze Tafel hin, und die eilenden Bedienten mussten das ersetzen was ihm die Entfernung zu rauben drohte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":380,"orig":"Zuletzt munterte ſie ihn auf, mit der linken Hand zu ſchreiben: er mußte alle ſeine Verſuche an ſie richten, und ſo ſtand ſie, entfernt oder nah, immer mit ihm in Verhaͤltniß.","norm":"Zuletzt munterte sie ihn auf, mit der linken Hand zu schreiben: Er musste alle seine Versuche an sie richten, und so stand sie, entfernt oder nah, immer mit ihm in Verhältnis."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":381,"orig":"Der junge Mann wußte nicht wie ihm geworden war, und wirklich fing er von dieſem Augenblick ein neues Leben an.","norm":"Der junge Mann wusste nicht wie ihm geworden war, und wirklich fing er von diesem Augenblick ein neues Leben an."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":382,"orig":"Vielleicht ſollte man denken, ein ſolches Betragen waͤre dem Braͤutigam mißfaͤllig geweſen; allein es fand ſich das Gegentheil.","norm":"Vielleicht sollte man denken, ein solches Betragen wäre dem Bräutigam missfällig gewesen; allein es fand sich das Gegenteil."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":383,"orig":"Er rechnete ihr dieſe Bemuͤhungen zu großem Verdienſt an, und war um ſo mehr daruͤber ganz ruhig, als er ihre faſt uͤbertriebenen Eigenheiten kannte, wodurch ſie alles was im mindeſten verfaͤnglich ſchien, von ſich abzulehnen wußte.","norm":"Er rechnete ihr diese Bemühungen zu großem Verdienst an, und war um so mehr darüber ganz ruhig, als er ihre fast übertriebenen Eigenheiten kannte, wodurch sie alles was im mindesten verfänglich schien, von sich abzulehnen wusste."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":384,"orig":"Sie wollte mit Jedermann nach Belieben umſpringen, Jeder war in Gefahr, von ihr einmal angeſtoßen, gezerrt oder ſonſt geneckt zu werden;","norm":"Sie wollte mit jedermann nach Belieben umspringen, jeder war in Gefahr, von ihr einmal angestoßen, gezerrt oder sonst geneckt zu werden;"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":385,"orig":"Niemand aber durfte ſich gegen ſie ein Gleiches erlauben, Niemand ſie nach Willkuͤhr beruͤhren, Niemand auch nur im entfernteſten Sinne, eine Freyheit die ſie ſich nahm, erwiedern; und ſo hielt ſie die andern in den ſtrengſten Graͤnzen der Sittlichkeit gegen ſich, die ſie gegen andere jeden Augenblick zu uͤbertreten ſchien.","norm":"Niemand aber durfte sich gegen sie ein Gleiches erlauben, niemand sie nach Willkür berühren, niemand auch nur im entferntesten Sinne, eine Freiheit die sie sich nahm, erwidern; und so hielt sie die anderen in den strengsten Grenzen der Sittlichkeit gegen sich, die sie gegen andere jeden Augenblick zu übertreten schien."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":386,"orig":"Ueberhaupt haͤtte man glauben koͤnnen, es ſey bey ihr Maxime geweſen, ſich dem Lobe und dem Tadel, der Neigung und der Abneigung gleichmaͤßig auszuſetzen.","norm":"Überhaupt hätte man glauben können, es sei bei ihr Maxime gewesen, sich dem Lobe und dem Tadel, der Neigung und der Abneigung gleichmäßig auszusetzen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":387,"orig":"Denn wenn ſie die Menſchen auf mancherley Weiſe fuͤr ſich zu gewinnen ſuchte; ſo verdarb ſie es wieder mit ihnen gewoͤhnlich durch eine boͤſe Zunge, die Niemanden ſchonte.","norm":"Denn wenn sie die Menschen auf mancherlei Weise für sich zu gewinnen suchte; so verdarb sie es wieder mit ihnen gewöhnlich durch eine böse Zunge, die Niemanden schonte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":388,"orig":"So wurde kein Beſuch in der Nachbarſchaft abgelegt, nirgends ſie und ihre Geſellſchaft in Schloͤſſern und Wohnungen freundlich aufgenommen, ohne daß ſie bey der Ruͤckkehr auf das ausgelaſſenſte merken ließ, wie ſie alle menſchlichen Verhaͤltniſſe nur von der laͤcherlichen Seite zu nehmen geneigt ſey.","norm":"So wurde kein Besuche in der Nachbarschaft abgelegt, nirgends sie und ihre Gesellschaft in Schlössern und Wohnungen freundlich aufgenommen, ohne dass sie bei der Rückkehr auf das ausgelassenste merken ließ, wie sie alle menschlichen Verhältnisse nur von der lächerlichen Seite zu nehmen geneigt sei."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":389,"orig":"Da waren drey Bruͤder, welche unter lauter Complimenten, wer zuerſt heiraten ſollte, das Alter uͤbereilt hatte; hier eine kleine junge Frau mit einem großen alten Manne; dort umgekehrt ein kleiner munterer Mann und eine unbehuͤlfliche Rieſinn.","norm":"Da waren drei Brüder, welche unter lauter Komplimenten, wer zuerst heiraten sollte, das Alter übereilt hatte; hier eine kleine junge Frau mit einem großen alten Manne; dort umgekehrt ein kleiner munterer Mann und eine unbehilfliche Riesin."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":390,"orig":"In dem einen Hauſe ſtolperte man bey jedem Schritte uͤber ein Kind; das andre wollte ihr bey der groͤßten Geſellſchaft nicht voll erſcheinen, weil keine Kinder gegenwaͤrtig waren.","norm":"In dem einen Hause stolperte man bei jedem Schritte über ein Kind; das andere wollte ihr bei der größten Gesellschaft nicht voll erscheinen, weil keine Kinder gegenwärtig waren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":391,"orig":"Alte Gatten ſollten ſich nur ſchnell begraben laſſen, damit doch wieder einmal Jemand im Hauſe zum Lachen kaͤme, da ihnen keine Notherben gegeben waren.","norm":"Alte Gatten sollten sich nur schnell begraben lassen, damit doch wieder einmal jemand im Hause zum Lachen käme, da ihnen keine Noterben gegeben waren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":392,"orig":"Junge Eheleute ſollten reiſen, weil das Haushalten ſie gar nicht kleide.","norm":"Junge Eheleute sollten reisen, weil das Haushalten sie gar nicht kleide."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":393,"orig":"Und wie mit den Perſonen, ſo machte ſie es auch mit den Sachen, mit den Gebaͤuden, wie mit dem Haus- und Tiſchgeraͤthe.","norm":"Und wie mit den Personen, so machte sie es auch mit den Sachen, mit den Gebäuden, wie mit dem Haus- und Tischgeräte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":394,"orig":"Beſonders alle Wandverzierungen reizten ſie zu luſtigen Bemerkungen.","norm":"Besonders alle Wandverzierungen reizten sie zu lustigen Bemerkungen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":395,"orig":"Von dem aͤlteſten Hautelißteppich bis zu der neuſten Papiertapete, vom ehrwuͤrdigſten Familienbilde bis zum frivolſten neuen Kupferſtich, eins wie das andre mußte leiden, eins wie das andre wurde durch ihre ſpoͤttiſchen Bemerkungen gleichſam aufgezehrt, ſo daß man ſich haͤtte verwundern ſollen, wie fuͤnf Meilen umher irgend etwas nur noch exiſtirte.","norm":"Von dem ältesten Hautelisseteppich bis zu der neusten Papiertapete, vom ehrwürdigsten Familienbilde bis zum frivolsten neuen Kupferstich, eins wie das andere musste leiden, eins wie das andere wurde durch ihre spöttischen Bemerkungen gleichsam aufgezehrt, so dass man sich hätte verwundern sollen, wie fünf Meilen umher irgendetwas nur noch existierte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":396,"orig":"Eigentliche Bosheit war vielleicht nicht in dieſem verneinenden Beſtreben; ein ſelbſtiſcher Muthwille mochte ſie gewoͤhnlich anreizen: aber eine wahrhafte Bitterkeit hatte ſich in ihrem Verhaͤltniß zu Ottilien erzeugt.","norm":"Eigentliche Bosheit war vielleicht nicht in diesem verneinenden Bestreben; ein selbstischer Mutwille mochte sie gewöhnlich anreizen: aber eine wahrhafte Bitterkeit hatte sich in ihrem Verhältnis zu Ottilie erzeugt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":397,"orig":"Auf die ruhige ununterbrochene Thaͤtigkeit des lieben Kindes, die von Jedermann bemerkt und geprieſen wurde, ſah ſie mit Verachtung herab, und als zur Sprache kam, wie ſehr ſich Ottilie der Gaͤrten und der Treibhaͤuſer annehme, ſpottete ſie nicht allein daruͤber, indem ſie, uneingedenk des tiefen Winters in dem man lebte, ſich zu verwundern ſchien, daß man weder Blumen noch Fruͤchte gewahr werde; ſondern ſie ließ auch von nun an ſo viel Gruͤnes, ſo viel Zweige und was nur irgend keimte, herbeyhohlen und zur taͤglichen Zierde der Zimmer und des Tiſches verſchwenden, daß Ottilie und der Gaͤrtner nicht wenig gekraͤnkt waren, ihre Hoffnungen fuͤr das naͤchſte Jahr und vielleicht auf laͤngere Zeit zerſtoͤrt zu ſehen.","norm":"Auf die ruhige ununterbrochene Tätigkeit des lieben Kindes, die von jedermann bemerkt und gepriesen wurde, sah sie mit Verachtung herab, und als zur Sprache kam, wie sehr sich Ottilie der Gärten und der Treibhäuser annehme, spottete sie nicht allein darüber, indem sie, uneingedenk des tiefen Winters in dem man lebte, sich zu verwundern schien, dass man weder Blumen noch Früchte gewahr werde; sondern sie ließ auch von nun an so viel Grünes, so viel Zweige und was nur irgend keimte, herbeiholen und zur täglichen Zierde der Zimmer und des Tisches verschwenden, dass Ottilie und der Gärtner nicht wenig gekränkt waren, ihre Hoffnungen für das nächste Jahr und vielleicht auf längere Zeit zerstört zu sehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":398,"orig":"Eben ſo wenig goͤnnte ſie Ottilien die Ruhe des haͤuslichen Ganges, worin ſie ſich mit Bequemlichkeit fortbewegte.","norm":"Ebensowenig gönnte sie Ottilie die Ruhe des häuslichen Ganges, worin sie sich mit Bequemlichkeit fortbewegte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":399,"orig":"Ottilie ſollte mit auf die Luſt- und Schlittenfahrten; ſie ſollte mit auf die Baͤlle die in der Nachbarſchaft veranſtaltet wurden; ſie ſollte weder Schnee noch Kaͤlte noch gewaltſame Nachtſtuͤrme ſcheuen, da ja ſoviel andre nicht davon ſtuͤrben.","norm":"Ottilie sollte mit auf die Lust- und Schlittenfahrten; sie sollte mit auf die Bälle die in der Nachbarschaft veranstaltet wurden; sie sollte weder Schnee noch Kälte noch gewaltsame Nachtstürme scheuen, da ja soviel andere nicht davon stürben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":400,"orig":"Das zarte Kind litt nicht wenig darunter, aber Luciane gewann nichts dabey: denn obgleich Ottilie ſehr einfach gekleidet ging, ſo war ſie doch, oder ſo ſchien ſie wenigſtens immer den Maͤnnern die ſchoͤnſte.","norm":"Das zarte Kind litt nicht wenig darunter, aber Luciane gewann nichts dabei: denn obgleich Ottilie sehr einfach gekleidet ging, so war sie doch, oder so schien sie wenigstens immer den Männern die Schönste."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":401,"orig":"Ein ſanftes Anziehen verſammelte alle Maͤnner um ſie her, ſie mochte ſich in den großen Raͤumen am erſten oder am letzten Platze befinden, ja der Braͤutigam Lucianens ſelbſt unterhielt ſich oft mit ihr, und zwar um ſo mehr, als er in einer Angelegenheit die ihn beſchaͤftigte, ihren Rath, ihre Mitwirkung verlangte.","norm":"Ein sanftes Anziehen versammelte alle Männer um sie her, sie mochte sich in den großen Räumen am ersten oder am letzten Platze befinden, ja der Bräutigam Lucianes selbst unterhielt sich oft mit ihr, und zwar um so mehr, als er in einer Angelegenheit die ihn beschäftigte, ihren Rat, ihre Mitwirkung verlangte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":402,"orig":"Er hatte den Architecten naͤher kennen lernen, bey Gelegenheit ſeiner Kunſtſammlung viel uͤber das Geſchichtliche mit ihm geſprochen, in andern Faͤllen auch, beſonders bey Betrachtung der Capelle, ſein Talent ſchaͤtzen gelernt.","norm":"Er hatte den Architekten näher kennen lernen, bei Gelegenheit seiner Kunstsammlung viel über das Geschichtliche mit ihm gesprochen, in anderen Fällen auch, besonders bei Betrachtung der Kapelle, sein Talent schätzen gelernt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":403,"orig":"Der Baron war jung, reich; er ſammelte, er wollte bauen; ſeine Liebhaberey war lebhaft, ſeine Kenntniſſe ſchwach; er glaubte in dem Architecten ſeinen Mann zu finden, mit dem er mehr als einen Zweck zugleich erreichen koͤnnte.","norm":"Der Baron war jung, reich; er sammelte, er wollte bauen; seine Liebhaberei war lebhaft, seine Kenntnisse schwach; er glaubte in dem Architekten seinen Mann zu finden, mit dem er mehr als Einen Zweck zugleich erreichen könnte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":404,"orig":"Er hatte ſeiner Braut von dieſer Abſicht geſprochen; ſie lobte ihn darum und war hoͤchlich mit dem Vorſchlag zufrieden, doch vielleicht mehr, um dieſen jungen Mann Ottilien zu entziehen — denn ſie glaubte ſo etwas von Neigung bey ihm zu bemerken — als daß ſie gedacht haͤtte, ſein Talent zu ihren Abſichten zu benutzen.","norm":"Er hatte seiner Braut von dieser Absicht gesprochen; sie lobte ihn darum und war höchlich mit dem Vorschlag zufrieden, doch vielleicht mehr, um diesen jungen Mann Ottilie zu entziehen — denn sie glaubte so etwas von Neigung bei ihm zu bemerken — als dass sie gedacht hätte, sein Talent zu ihren Absichten zu benutzen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":405,"orig":"Denn ob er gleich bey ihren extemporirten Feſten ſich ſehr thaͤtig erwieſen und manche Reſourcen bey dieſer und jener Anſtalt dargeboten, ſo glaubte ſie es doch immer ſelbſt beſſer zu verſtehen; und da ihre Erfindungen gewoͤhnlich gemein waren, ſo reichte, um ſie auszufuͤhren, die Geſchicklichkeit eines gewandten Kammerdieners eben ſo gut hin, als die des vorzuͤglichſten Kuͤnſtlers.","norm":"Denn ob er gleich bei ihren extemporierten Festen sich sehr tätig erwiesen und manche Ressourcen bei dieser und jener Anstalt dargeboten, so glaubte sie es doch immer selbst besser zu verstehen; und da ihre Erfindungen gewöhnlich gemein waren, so reichte, um sie auszuführen, die Geschicklichkeit eines gewandten Kammerdieners ebenso gut hin, als die des vorzüglichsten Künstlers."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":406,"orig":"Weiter als zu einem Altar, worauf geopfert ward, und zu einer Bekraͤnzung, es mochte nun ein gypfernes oder ein lebendes Haupt ſeyn, konnte ihre Einbildungskraft ſich nicht verſteigen, wenn ſie irgend Jemand zum Geburts- und Ehrentage ein feſtliches Compliment zu machen gedachte.","norm":"Weiter als zu einem Altar, worauf geopfert wurde, und zu einer Bekränzung, es mochte nun ein gipsernes oder ein lebendes Haupt sein, konnte ihre Einbildungskraft sich nicht versteigen, wenn sie irgendjemand zum Geburts- und Ehrentage ein festliches Kompliment zu machen gedachte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":407,"orig":"Ottilie konnte dem Braͤutigam, der ſich nach dem Verhaͤltniß des Architecten zum Hauſe erkundigte, die beſte Auskunft geben.","norm":"Ottilie konnte dem Bräutigam, der sich nach dem Verhältnis des Architekten zum Hause erkundigte, die beste Auskunft geben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":408,"orig":"Sie wußte daß Charlotte ſich ſchon fruͤher nach einer Stelle fuͤr ihn umgethan hatte: denn waͤre die Geſellſchaft nicht gekommen, ſo haͤtte ſich der junge Mann gleich nach Vollendung der Capelle entfernt, weil alle Bauten den Winter uͤber ſtillſtehn ſollten und mußten; und es war daher ſehr erwuͤnſcht, wenn der geſchickte Kuͤnſtler durch einen neuen Goͤnner wieder genutzt und befoͤrdert wurde.","norm":"Sie wusste dass Charlotte sich schon früher nach einer Stelle für ihn umgetan hatte: denn wäre die Gesellschaft nicht gekommen, so hätte sich der junge Mann gleich nach Vollendung der Kapelle entfernt, weil alle Bauten den Winter über stillstehen sollten und mussten; und es war daher sehr erwünscht, wenn der geschickte Künstler durch einen neuen Gönner wieder genutzt und befördert wurde."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":409,"orig":"Das perſoͤnliche Verhaͤltniß Ottiliens zum Architecten war ganz rein und unbefangen.","norm":"Das persönliche Verhältnis Ottilies zum Architekten war ganz rein und unbefangen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":410,"orig":"Seine angenehme und thaͤtige Gegenwart hatte ſie, wie die Naͤhe eines aͤltern Bruders, unterhalten und erfreut.","norm":"Seine angenehme und tätige Gegenwart hatte sie, wie die Nähe eines älteren Bruders, unterhalten und erfreut."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":411,"orig":"Ihre Empfindungen fuͤr ihn blieben auf der ruhigen leidenſchaftsloſen Oberflaͤche der Blutsverwandtſchaft: denn in ihrem Herzen war kein Raum mehr; es war von der Liebe zu Eduard ganz gedraͤngt ausgefuͤllt, und nur die Gottheit, die alles durchdringt, konnte dieſes Herz zugleich mit ihm beſitzen.","norm":"Ihre Empfindungen für ihn blieben auf der ruhigen leidenschaftslosen Oberfläche der Blutsverwandtschaft: denn in ihrem Herzen war kein Raum mehr; es war von der Liebe zu Eduard ganz gedrängt ausgefüllt, und nur die Gottheit, die alles durchdringt, konnte dieses Herz zugleich mit ihm besitzen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":412,"orig":"Indeſſen je tiefer der Winter ſich ſenkte, je wilderes Wetter, je unzugaͤnglicher die Wege, deſto anziehender ſchien es, in ſo guter Geſellſchaft die abnehmenden Tage zuzubringen.","norm":"Indessen je tiefer der Winter sich senkte, je wilderes Wetter, je unzugänglicher die Wege, desto anziehender schien es, in so guter Gesellschaft die abnehmenden Tage zuzubringen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":413,"orig":"Nach kurzen Ebben uͤberflutete die Menge von Zeit zu Zeit das Haus.","norm":"Nach kurzen Ebben überflutete die Menge von Zeit zu Zeit das Haus."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":414,"orig":"Offiziere von entfernteren Garniſonen, die gebildeten zu ihrem großen Vortheil, die roheren zur Unbequemlichkeit der Geſellſchaft, zogen ſich herbey; am Civilſtande fehlte es auch nicht, und ganz unerwartet kamen eines Tages der Graf und die Baroneſſe zuſammen angefahren.","norm":"Offiziere von entfernteren Garnisonen, die gebildeten zu ihrem großen Vorteil, die roheren zur Unbequemlichkeit der Gesellschaft, zogen sich herbei; am Zivilstande fehlte es auch nicht, und ganz unerwartet kamen eines Tages der Graf und die Baronesse zusammen angefahren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":415,"orig":"Ihre Gegenwart ſchien erſt einen wahren Hof zu bilden.","norm":"Ihre Gegenwart schien erst einen wahren Hof zu bilden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":416,"orig":"Die Maͤnner von Stand und Sitten umgaben den Grafen, und die Frauen ließen der Baroneſſe Gerechtigkeit widerfahren.","norm":"Die Männer von Stand und Sitten umgaben den Grafen, und die Frauen ließen der Baronesse Gerechtigkeit widerfahren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":417,"orig":"Man verwunderte ſich nicht lange, ſie beyde zuſammen und ſo heiter zu ſehen: denn man vernahm, des Grafen Gemahlinn ſey geſtorben, und eine neue Verbindung werde geſchloſſen ſeyn ſobald es die Schicklichkeit nur erlaube.","norm":"Man verwunderte sich nicht lange, sie beide zusammen und so heiter zu sehen: denn man vernahm, des Grafen Gemahlin sei gestorben, und eine neue Verbindung werde geschlossen sein sobald es die Schicklichkeit nur erlaube."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":418,"orig":"Ottilie erinnerte ſich jenes erſten Beſuchs, jedes Worts was uͤber Eheſtand und Scheidung, uͤber Verbindung und Trennung, uͤber Hoffnung, Erwartung, Entbehren und Entſagen geſprochen ward.","norm":"Ottilie erinnerte sich jenes ersten Besuchs, jedes Worts was über Ehestand und Scheidung, über Verbindung und Trennung, über Hoffnung, Erwartung, Entbehren und Entsagen gesprochen wurde."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":419,"orig":"Beyde Perſonen, damals noch ganz ohne Ausſichten, ſtanden nun vor ihr, dem gehofften Gluͤck ſo nahe, und ein unwillkuͤhrlicher Seufzer drang aus ihrem Herzen.","norm":"Beide Personen, damals noch ganz ohne Aussichten, standen nun vor ihr, dem gehofften Glück so nahe, und ein unwillkürlicher Seufzer drang aus ihrem Herzen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":420,"orig":"Luciane hoͤrte kaum, daß der Graf ein Liebhaber von Muſik ſey, ſo wußte ſie ein Conzert zu veranſtalten; ſie wollte ſich dabey mit Geſang zur Guitarre hoͤren laſſen.","norm":"Luciane hörte kaum, dass der Graf ein Liebhaber von Musik sei, so wusste sie ein Konzert zu veranstalten; sie wollte sich dabei mit Gesang zur Gitarre hören lassen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":421,"orig":"Es geſchah.","norm":"Es geschah."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":422,"orig":"Das Inſtrument ſpielte ſie nicht ungeſchickt, ihre Stimme war angenehm; was aber die Worte betraf, ſo verſtand man ſie ſo wenig als wenn ſonſt eine deutſche Schoͤne zur Guitarre ſingt.","norm":"Das Instrument spielte sie nicht ungeschickt, ihre Stimme war angenehm; was aber die Worte betraf, so verstand man sie so wenig als wenn sonst eine deutsche Schöne zur Gitarre singt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":423,"orig":"Indeß verſicherte Jedermann, ſie habe mit viel Ausdruck geſungen, und ſie konnte mit dem lauten Beyfall zufrieden ſeyn.","norm":"Indes versicherte jedermann, sie habe mit viel Ausdruck gesungen, und sie konnte mit dem lauten Beifall zufrieden sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":424,"orig":"Nur ein wunderliches Ungluͤck begegnete bey dieſer Gelegenheit.","norm":"Nur ein wunderliches Unglück begegnete bei dieser Gelegenheit."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":425,"orig":"In der Geſellſchaft befand ſich ein Dichter, den ſie auch beſonders zu verbinden hoffte, weil ſie einige Lieder von ihm an ſie gerichtet wuͤnſchte, und deshalb dieſen Abend meiſt nur von ſeinen Liedern vortrug.","norm":"In der Gesellschaft befand sich ein Dichter, den sie auch besonders zu verbinden hoffte, weil sie einige Lieder von ihm an sie gerichtet wünschte, und deshalb diesen Abend meist nur von seinen Liedern vortrug."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":426,"orig":"Er war uͤberhaupt, wie alle, hoͤflich gegen ſie, aber ſie hatte mehr erwartet.","norm":"Er war überhaupt, wie alle, höflich gegen sie, aber sie hatte mehr erwartet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":427,"orig":"Sie legte es ihm einigemal nahe, konnte aber weiter nichts von ihm vernehmen, bis ſie endlich aus Ungeduld einen ihrer Hofleute an ihn ſchickte und ſondiren ließ, ob er denn nicht entzuͤckt geweſen ſey, ſeine vortrefflichen Gedichte ſo vortrefflich vortragen zu hoͤren.","norm":"Sie legte es ihm einige Mal nahe, konnte aber weiter nichts von ihm vernehmen, bis sie endlich aus Ungeduld einen ihrer Hofleute an ihn schickte und sondieren ließ, ob er denn nicht entzückt gewesen sei, seine vortrefflichen Gedichte so vortrefflich vortragen zu hören."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":428,"orig":"Meine Gedichte?","norm":"Meine Gedichte?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":429,"orig":"verſetzte dieſer mit Erſtaunen.","norm":"versetzte dieser mit Erstaunen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":430,"orig":"Verzeihen Sie, mein Herr, fuͤgte er hinzu: ich habe nichts als Vocale gehoͤrt und die nicht einmal alle.","norm":"Verzeihen Sie, mein Herr, fügte er hinzu: Ich habe nichts als Vokale gehört und die nicht einmal alle."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":431,"orig":"Unterdeſſen iſt es meine Schuldigkeit mich fuͤr eine ſo liebenswuͤrdige Intention dankbar zu erweiſen.","norm":"Unterdessen ist es meine Schuldigkeit mich für eine so liebenswürdige Intention dankbar zu erweisen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":432,"orig":"Der Hofmann ſchwieg und verſchwieg.","norm":"Der Hofmann schwieg und verschwieg."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":433,"orig":"Der andre ſuchte ſich durch einige wohltoͤnende Complimente aus der Sache zu ziehen.","norm":"Der andere suchte sich durch einige wohltönende Komplimente aus der Sache zu ziehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":434,"orig":"Sie ließ ihre Abſicht nicht undeutlich merken, auch etwas eigens fuͤr ſie gedichtetes zu beſitzen.","norm":"Sie ließ ihre Absicht nicht undeutlich merken, auch etwas eigens für sie Gedichtetes zu besitzen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":435,"orig":"Wenn es nicht allzu unfreundlich geweſen waͤre, ſo haͤtte er ihr das Alphabet uͤberreichen koͤnnen, um ſich daraus ein beliebiges Lobgedicht zu irgend einer vorkommenden Melodie ſelbſt einzubilden.","norm":"Wenn es nicht allzu unfreundlich gewesen wäre, so hätte er ihr das Alphabet überreichen können, um sich daraus ein beliebiges Lobgedicht zu irgendeiner vorkommenden Melodie selbst einzubilden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":436,"orig":"Doch ſollte ſie nicht ohne Kraͤnkung aus dieſer Begebenheit ſcheiden.","norm":"Doch sollte sie nicht ohne Kränkung aus dieser Begebenheit scheiden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":437,"orig":"Kurze Zeit darauf erfuhr ſie: er habe noch ſelbigen Abend einer von Ottiliens Lieblingsmelodieen ein allerliebſtes Gedicht untergelegt, das noch mehr als verbindlich ſey.","norm":"Kurze Zeit darauf erfuhr sie: Er habe noch selbigen Abend einer von Ottilies Lieblingsmelodien ein allerliebstes Gedicht untergelegt, das noch mehr als verbindlich sei."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":438,"orig":"Luciane, wie alle Menſchen ihrer Art, die immer durcheinander miſchen was ihnen vortheilhaft und was ihnen nachtheilig iſt, wollte nun ihr Gluͤck im Recitiren verſuchen.","norm":"Luciane, wie alle Menschen ihrer Art, die immer durcheinander mischen was ihnen vorteilhaft und was ihnen nachteilig ist, wollte nun ihr Glück im Rezitieren versuchen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":439,"orig":"Ihr Gedaͤchtniß war gut, aber wenn man aufrichtig reden ſollte, ihr Vortrag geiſtlos und heftig ohne leidenſchaftlich zu ſeyn.","norm":"Ihr Gedächtnis war gut, aber wenn man aufrichtig reden sollte, ihr Vortrag geistlos und heftig ohne leidenschaftlich zu sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":440,"orig":"Sie recitirte Balladen, Erzaͤhlungen und was ſonſt in Declamatorien vorzukommen pflegt.","norm":"Sie rezitierte Balladen, Erzählungen und was sonst in Deklamatorien vorzukommen pflegt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":441,"orig":"Dabey hatte ſie die ungluͤckliche Gewohnheit angenommen, das was ſie vortrug mit Geſten zu begleiten, wodurch man das was eigentlich epiſch und lyriſch iſt, auf eine unangenehme Weiſe mit dem Dramatiſchen mehr verwirrt als verbindet.","norm":"Dabei hatte sie die unglückliche Gewohnheit angenommen, das was sie vortrug mit Gesten zu begleiten, wodurch man das was eigentlich episch und lyrisch ist, auf eine unangenehme Weise mit dem Dramatischen mehr verwirrt als verbindet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":442,"orig":"Der Graf, ein einſichtsvoller Mann, der gar bald die Geſellſchaft, ihre Neigungen, Leidenſchaften und Unterhaltungen uͤberſah, brachte Lucianen, gluͤcklicher oder ungluͤcklicher Weiſe, auf eine neue Art von Darſtellung, die ihrer Perſoͤnlichkeit ſehr gemaͤß war.","norm":"Der Graf, ein einsichtsvoller Mann, der gar bald die Gesellschaft, ihre Neigungen, Leidenschaften und Unterhaltungen übersah, brachte Luciane, glücklicher oder unglücklicherweise, auf eine neue Art von Darstellung, die ihrer Persönlichkeit sehr gemäß war."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":443,"orig":"Ich finde, ſagte er, hier ſo manche wohlgeſtaltete Perſonen, denen es gewiß nicht fehlt, maleriſche Bewegungen und Stellungen nachzuahmen.","norm":"Ich finde, sagte er, hier so manche wohlgestaltete Personen, denen es gewiss nicht fehlt, malerische Bewegungen und Stellungen nachzuahmen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":444,"orig":"Sollten ſie es noch nicht verſucht haben, wirkliche bekannte Gemaͤlde vorzuſtellen?","norm":"Sollten sie es noch nicht versucht haben, wirkliche bekannte Gemälde vorzustellen?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":445,"orig":"Eine ſolche Nachbildung, wenn ſie auch manche muͤhſame Anordnung erfordert, bringt dagegen auch einen unglaublichen Reiz hervor.","norm":"Eine solche Nachbildung, wenn sie auch manche mühsame Anordnung erfordert, bringt dagegen auch einen unglaublichen Reiz hervor."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":446,"orig":"Schnell ward Luciane gewahr, daß ſie hier ganz in ihrem Fach ſeyn wuͤrde.","norm":"Schnell wurde Luciane gewahr, dass sie hier ganz in ihrem Fach sein würde."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":447,"orig":"Ihr ſchoͤner Wuchs, ihre volle Geſtalt, ihr regelmaͤßiges und doch bedeutendes Geſicht, ihre lichtbraunen Haarflechten, ihr ſchlanker Hals, alles war ſchon wie aufs Gemaͤlde berechnet; und haͤtte ſie nun gar gewußt, daß ſie ſchoͤner ausſah wenn ſie ſtill ſtand als wenn ſie ſich bewegte, indem ihr im letzten Falle manchmal etwas ſtoͤrendes Ungrazioͤſes entſchluͤpfte, ſo haͤtte ſie ſich mit noch mehrerem Eifer dieſer natuͤrlichen Bildnerey ergeben.","norm":"Ihr schöner Wuchs, ihre volle Gestalt, ihr regelmäßiges und doch bedeutendes Gesicht, ihre lichtbraunen Haarflechten, ihr schlanker Hals, alles war schon wie aufs Gemälde berechnet; und hätte sie nun gar gewusst, dass sie schöner aussah wenn sie still stand als wenn sie sich bewegte, indem ihr im letzten Falle manchmal etwas störendes Ungraziöses entschlüpfte, so hätte sie sich mit noch mehrerem Eifer dieser natürlichen Bildnerei ergeben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":448,"orig":"Man ſuchte nun Kupferſtiche nach beruͤhmten Gemaͤlden; man waͤhlte zuerſt den Beliſar nach van Dyk.","norm":"Man suchte nun Kupferstiche nach berühmten Gemälden; man wählte zuerst den Belisar nach van Dyk."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":449,"orig":"Ein großer und wohlgebauter Mann von gewiſſen Jahren ſollte den ſitzenden blinden General, der Architect den vor ihm theilnehmend traurig ſtehenden Krieger nachbilden, dem er wirklich etwas aͤhnlich ſah.","norm":"Ein großer und wohlgebauter Mann von gewissen Jahren sollte den sitzenden blinden General, der Architekt den vor ihm teilnehmend traurig stehenden Krieger nachbilden, dem er wirklich etwas ähnlich sah."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":450,"orig":"Luciane hatte ſich, halb beſcheiden, das junge Weibchen im Hintergrunde gewaͤhlt, das reichliche Almoſen aus einem Beutel in die flache Hand zaͤhlt, indeß eine Alte ſie abzumahnen und ihr vorzuſtellen ſcheint, daß ſie zu viel thue.","norm":"Luciane hatte sich, halb bescheiden, das junge Weibchen im Hintergrunde gewählt, das reichliche Almosen aus einem Beutel in die flache Hand zählt, indes eine Alte sie abzumahnen und ihr vorzustellen scheint, dass sie zu viel tue."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":451,"orig":"Eine andre ihm wirklich Almoſen reichende Frauensperſon war nicht vergeſſen.","norm":"Eine andere ihm wirklich Almosen reichende Frauensperson war nicht vergessen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":452,"orig":"Mit dieſen und andern Bildern beſchaͤftigte man ſich ſehr ernſtlich.","norm":"Mit diesen und anderen Bildern beschäftigte man sich sehr ernstlich."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":453,"orig":"Der Graf gab dem Architecten uͤber die Art der Einrichtung einige Winke, der ſogleich ein Theater dazu aufſtellte und wegen der Beleuchtung die noͤthige Sorge trug.","norm":"Der Graf gab dem Architekten über die Art der Einrichtung einige Winke, der sogleich ein Theater dazu aufstellte und wegen der Beleuchtung die nötige Sorge trug."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":454,"orig":"Man war ſchon tief in die Anſtalten verwickelt, als man erſt bemerkte, daß ein ſolches Unternehmen einen anſehnlichen Aufwand verlangte, und daß auf dem Lande mitten im Winter gar manches Erforderniß abging.","norm":"Man war schon tief in die Anstalten verwickelt, als man erst bemerkte, dass ein solches Unternehmen einen ansehnlichen Aufwand verlangte, und dass auf dem Lande mitten im Winter gar manches Erfordernis abging."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":455,"orig":"Deshalb ließ, damit ja nichts ſtocken moͤge, Luciane beynah ihre ſaͤmmtliche Garderobe zerſchneiden, um die verſchiedenen Coſtuͤme zu liefern, die jene Kuͤnſtler willkuͤhrlich genug angegeben hatten.","norm":"Deshalb ließ, damit ja nichts stocken möge, Luciane beinahe ihre sämtliche Garderobe zerschneiden, um die verschiedenen Kostüme zu liefern, die jene Künstler willkürlich genug angegeben hatten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":456,"orig":"Der Abend kam herbey und die Darſtellung wurde vor einer großen Geſellſchaft und zu allgemeinem Beyfall ausgefuͤhrt.","norm":"Der Abend kam herbei und die Darstellung wurde vor einer großen Gesellschaft und zu allgemeinem Beifall ausgeführt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":457,"orig":"Eine bedeutende Muſik ſpannte die Erwartung.","norm":"Eine bedeutende Musik spannte die Erwartung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":458,"orig":"Jener Beliſar eroͤffnete die Buͤhne.","norm":"Jener Belisar eröffnete die Bühne."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":459,"orig":"Die Geſtalten waren ſo paſſend, die Farben ſo gluͤcklich ausgetheilt, die Beleuchtung ſo kunſtreich, daß man fuͤrwahr in einer andern Welt zu ſeyn glaubte; nur daß die Gegenwart des Wirklichen ſtatt des Scheins eine Art ven aͤngſtlicher Empfindung hervorbrachte.","norm":"Die Gestalten waren so passend, die Farben so glücklich ausgeteilt, die Beleuchtung so kunstreich, dass man fürwahr in einer anderen Welt zu sein glaubte; nur dass die Gegenwart des Wirklichen statt des Scheins eine Art von ängstlicher Empfindung hervorbrachte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":460,"orig":"Der Vorhang fiel, und ward auf Verlangen mehr als einmal wieder aufgezogen.","norm":"Der Vorhang fiel, und wurde auf Verlangen mehr als einmal wieder aufgezogen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":461,"orig":"Ein muſikaliſches Zwiſchenſpiel unterhielt die Geſellſchaft, die man durch ein Bild hoͤherer Art uͤberraſchen wollte.","norm":"Ein musikalisches Zwischenspiel unterhielt die Gesellschaft, die man durch ein Bild höherer Art überraschen wollte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":462,"orig":"Es war die bekannte Vorſtellung von Pouſſin:","norm":"Es war die bekannte Vorstellung von Poussin:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":463,"orig":"Ahasverus und Eſther.","norm":"Ahasverus und Esther."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":464,"orig":"Dießmal hatte ſich Luciane beſſer bedacht.","norm":"Diesmal hatte sich Luciane besser bedacht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":465,"orig":"Sie entwickelte in der ohnmaͤchtig hingeſunkenen Koͤniginn alle ihre Reize, und hatte ſich kluger Weiſe zu den umgebenden unterſtuͤtzenden Maͤdchen lauter huͤbſche wohlgebildete Figuren ausgeſucht, worunter ſich jedoch keine mit ihr auch nur im mindeſten meſſen konnte.","norm":"Sie entwickelte in der ohnmächtig hingesunkenen Königin alle ihre Reize, und hatte sich klugerweise zu den umgebenden unterstützenden Mädchen lauter hübsche wohlgebildete Figuren ausgesucht, worunter sich jedoch keine mit ihr auch nur im mindesten messen konnte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":466,"orig":"Ottilie blieb von dieſem Bilde wie von den uͤbrigen ausgeſchloſſen.","norm":"Ottilie blieb von diesem Bilde wie von den übrigen ausgeschlossen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":467,"orig":"Auf den goldnen Thron hatten ſie, um den Zevs gleichen Koͤnig vorzuſtellen, den ruͤſtigſten und ſchoͤnſten Mann der Geſellſchaft gewaͤhlt, ſo daß dieſes Bild wirklich eine unvergleichliche Vollkommenheit gewann.","norm":"Auf den goldenen Thron hatten sie, um den Zeus-gleichen König vorzustellen, den rüstigsten und schönsten Mann der Gesellschaft gewählt, so dass dieses Bild wirklich eine unvergleichliche Vollkommenheit gewann."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":468,"orig":"Als drittes hatte man die ſogenannte vaͤterliche Ermahnung von Terburg gewaͤhlt, und wer kennt nicht den herrlichen Kupferſtich unſeres Wille von dieſem Gemaͤlde.","norm":"Als Drittes hatte man die sogenannte väterliche Ermahnung von Terburg gewählt, und wer kennt nicht den herrlichen Kupferstich unseres Wille von diesem Gemälde."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":469,"orig":"Einen Fuß uͤber den andern geſchlagen, ſitzt ein edler ritterlicher Vater und ſcheint ſeiner vor ihm ſtehenden Tochter ins Gewiſſen zu reden.","norm":"Einen Fuß über den anderen geschlagen, sitzt ein edler ritterlicher Vater und scheint seiner vor ihm stehenden Tochter ins Gewissen zu reden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":470,"orig":"Dieſe, eine herrliche Geſtalt, im faltenreichen weißen Atlaskleide, wird zwar nur von hinten geſehen, aber ihr ganzes Weſen ſcheint anzudeuten, daß ſie ſich zuſammennimmt.","norm":"Diese, eine herrliche Gestalt, im faltenreichen weißen Atlaskleide, wird zwar nur von hinten gesehen, aber ihr ganzes Wesen scheint anzudeuten, dass sie sich zusammennimmt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":471,"orig":"Daß jedoch die Ermahnung nicht heftig und beſchaͤmend ſey, ſieht man aus der Miene und Gebaͤrde des Vaters; und was die Mutter betrifft, ſo ſcheint dieſe eine kleine Verlegenheit zu verbergen, indem ſie in ein Glas Wein blickt, das ſie eben auszuſchluͤrfen im Begriff iſt.","norm":"Dass jedoch die Ermahnung nicht heftig und beschämend sei, sieht man aus der Miene und Gebärde des Vaters; und was die Mutter betrifft, so scheint diese eine kleine Verlegenheit zu verbergen, indem sie in ein Glas Wein blickt, das sie eben auszuschlürfen im Begriff ist."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":472,"orig":"Bey dieſer Gelegenheit nun ſollte Luciane in ihrem hoͤchſten Glanze erſcheinen.","norm":"Bei dieser Gelegenheit nun sollte Luciane in ihrem höchsten Glanze erscheinen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":473,"orig":"Ihre Zoͤpfe, die Form ihres Kopfes, Hals und Nacken, waren uͤber alle Begriffe ſchoͤn, und die Taille, von der bey den modernen antikiſirenden Bekleidungen der Frauenzimmer wenig ſichtbar wird, hoͤchſt zierlich, ſchlank und leicht zeigte ſich an ihr in dem aͤlteren Coſtuͤm aͤußerſt vortheilhaft; und der Architect hatte geſorgt, die reichen Falten des weißen Atlaſſes mit der kuͤnſtlichſten Natur zu legen, ſo daß ganz ohne Frage dieſe lebendige Nachbildung weit uͤber jenes Originalbildniß hinausreichte und ein allgemeines Entzuͤcken erregte.","norm":"Ihre Zöpfe, die Form ihres Kopfes, Hals und Nacken, waren über alle Begriffe schön, und die Taille, von der bei den modernen antikisierenden Bekleidungen der Frauenzimmer wenig sichtbar wird, höchst zierlich, schlank und leicht zeigte sich an ihr in dem älteren Kostüm äußerst vorteilhaft; und der Architekt hatte gesorgt, die reichen Falten des weißen Atlasses mit der künstlichsten Natur zu legen, so dass ganz ohne Frage diese lebendige Nachbildung weit über jenes Originalbildnis hinausreichte und ein allgemeines Entzücken erregte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":474,"orig":"Man konnte mit dem Wiedererlangen nicht endigen, und der ganz natuͤrliche Wunſch, einem ſo ſchoͤnen Weſen, das man genugſam von der Ruͤckſeite geſehen, auch ins Angeſicht zu ſchauen, nahm dergeſtalt uͤberhand, daß ein luſtiger ungeduldiger Vogel die Worte, die man manchmal an das Ende einer Seite zu ſchreiben pflegt: tournez s'il vous plait laut ausrief und eine allgemeine Beyſtimmung erregte.","norm":"Man konnte mit dem Wiedererlangen nicht endigen, und der ganz natürliche Wunsch, einem so schönen Wesen, das man genugsam von der Rückseite gesehen, auch ins Angesicht zu schauen, nahm dergestalt überhand, dass ein lustiger ungeduldiger Vogel die Worte, die man manchmal an das Ende einer Seite zu schreiben pflegt: tournez s'il vous plaît laut ausrief und eine allgemeine Beistimmung erregte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":475,"orig":"Die Darſtellenden aber kannten ihren Vortheil zu gut, und hatten den Sinn dieſer Kunſtſtuͤcke zu wohl gefaßt, als daß ſie dem allgemeinen Ruf haͤtten nachgeben ſollen.","norm":"Die Darstellenden aber kannten ihren Vorteil zu gut, und hatten den Sinn dieser Kunststücke zu wohl gefasst, als dass sie dem allgemeinen Ruf hätten nachgeben sollen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":476,"orig":"Die beſchaͤmt ſcheinende Tochter blieb ruhig ſtehen, ohne den Zuſchauern den Ausdruck ihres Angeſichts zu goͤnnen; der Vater blieb in ſeiner ermahnenden Stellung ſitzen, und die Mutter brachte Naſe und Augen nicht aus dem durchſichtigen Glaſe, worin ſich, ob ſie gleich zu trinken ſchien, der Wein nicht verminderte.","norm":"Die beschämt scheinende Tochter blieb ruhig stehen, ohne den Zuschauern den Ausdruck ihres Angesichts zu gönnen; der Vater blieb in seiner ermahnenden Stellung sitzen, und die Mutter brachte Nase und Augen nicht aus dem durchsichtigen Glase, worin sich, ob sie gleich zu trinken schien, der Wein nicht verminderte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":477,"orig":"— Was ſollen wir noch viel von kleinen Nachſtuͤcken ſagen, wozu man niederlaͤndiſche Wirthshaus- und Jahrmarktsſcenen gewaͤhlt hatte.","norm":"— Was sollen wir noch viel von kleinen Nachstücken sagen, wozu man niederländische Wirtshaus- und Jahrmarktsszenen gewählt hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":478,"orig":"Der Graf und die Baroneſſe reiſten ab und verſprachen in den erſten gluͤcklichen Wochen ihrer nahen Verbindung wiederzukehren, und Charlotte hoffte nunmehr, nach zwey muͤhſam uͤberſtandenen Monaten, die uͤbrige Geſellſchaft gleichfalls los zu werden.","norm":"Der Graf und die Baronesse reisten ab und versprachen in den ersten glücklichen Wochen ihrer nahen Verbindung wiederzukehren, und Charlotte hoffte nunmehr, nach zwei mühsam überstandenen Monaten, die übrige Gesellschaft gleichfalls loszuwerden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":479,"orig":"Sie war des Gluͤcks ihrer Tochter gewiß, wenn bey dieſer der erſte Braut- und Jugendtaumel ſich wuͤrde gelegt haben: denn der Braͤutigam hielt ſich fuͤr den gluͤcklichſten Menſchen von der Welt.","norm":"Sie war des Glücks ihrer Tochter gewiss, wenn bei dieser der erste Braut- und Jugendtaumel sich würde gelegt haben: denn der Bräutigam hielt sich für den glücklichsten Menschen von der Welt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":480,"orig":"Bey großem Vermoͤgen und gemaͤßigter Sinnesart ſchien er auf eine wunderbare Weiſe von dem Vorzuge geſchmeichelt, ein Frauenzimmer zu beſitzen, das der ganzen Welt gefallen mußte.","norm":"Bei großem Vermögen und gemäßigter Sinnesart schien er auf eine wunderbare Weise von dem Vorzuge geschmeichelt, ein Frauenzimmer zu besitzen, das der ganzen Welt gefallen musste."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":481,"orig":"Er hatte einen ſo ganz eigenen Sinn, alles auf ſie und erſt durch ſie auf ſich zu beziehen, daß es ihm eine unangenehme Empfindung machte, wenn ſich nicht gleich ein Neuankommender mit aller Aufmerkſamkeit auf ſie richtete, und mit ihm, wie es wegen ſeiner guten Eigenſchaften beſonders von aͤlteren Perſonen oft geſchah, eine naͤhere Verbindung ſuchte ohne ſich ſonderlich um ſie zu bekuͤmmern.","norm":"Er hatte einen so ganz eigenen Sinn, alles auf sie und erst durch sie auf sich zu beziehen, dass es ihm eine unangenehme Empfindung machte, wenn sich nicht gleich ein Neuankommender mit aller Aufmerksamkeit auf sie richtete, und mit ihm, wie es wegen seiner guten Eigenschaften besonders von älteren Personen oft geschah, eine nähere Verbindung suchte ohne sich sonderlich um sie zu bekümmern."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":482,"orig":"Wegen des Architecten kam es bald zur Richtigkeit.","norm":"Wegen des Architekten kam es bald zur Richtigkeit."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":483,"orig":"Aufs Neujahr ſollte ihm dieſer folgen und das Carneval mit ihm in der Stadt zubringen, wo Luciane ſich von der Wiederholung der ſo ſchoͤn eingerichteten Gemaͤlde, ſo wie von hundert andern Dingen, die groͤßte Gluͤckſeligkeit verſprach, um ſo mehr als Tante und Braͤutigam jeden Aufwand fuͤr gering zu achten ſchienen, der zu ihrem Vergnuͤgen erfordert wurde.","norm":"Aufs Neujahr sollte ihm dieser folgen und das Karneval mit ihm in der Stadt zubringen, wo Luciane sich von der Wiederholung der so schön eingerichteten Gemälde, sowie von hundert anderen Dingen, die größte Glückseligkeitversprach, um so mehr als Tante und Bräutigam jeden Aufwand für gering zu achten schienen, der zu ihrem Vergnügen erfordert wurde."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":484,"orig":"Nun ſollte man ſcheiden, aber das konnte nicht auf eine gewoͤhnliche Weiſe geſchehen.","norm":"Nun sollte man scheiden, aber das konnte nicht auf eine gewöhnliche Weise geschehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":485,"orig":"Man ſcherzte einmal ziemlich laut, daß Charlottens Wintervorraͤthe nun bald aufgezehrt ſeyen, als der Ehrenmann, der den Beliſar vorgeſtellt hatte, und freylich reich genug war, von Lucianens Vorzuͤgen hingeriſſen, denen er nun ſchon ſo lange huldigte, unbedachtſam ausrief: ſo laſſen Sie es uns auf polniſche Art halten!","norm":"Man scherzte einmal ziemlich laut, dass Charlottes Wintervorräte nun bald aufgezehrt seien, als der Ehrenmann, der den Belisar vorgestellt hatte, und freilich reich genug war, von Lucianes Vorzügen hingerissen, denen er nun schon so lange huldigte, unbedachtsam ausrief: So lassen Sie es uns auf polnische Art halten!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":486,"orig":"Kommen Sie nun und zehren mich auch auf, und ſo gehet es dann weiter in der Runde herum.","norm":"Kommen Sie nun und zehren mich auch auf, und so geht es dann weiter in der Runde herum."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":487,"orig":"Geſagt, gethan:","norm":"Gesagt, getan:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":488,"orig":"Luciane ſchlug ein.","norm":"Luciane schlug ein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":489,"orig":"Den andern Tag war gepackt und der Schwarm warf ſich auf ein anderes Beſitzthum.","norm":"Den anderen Tag war gepackt und der Schwarm warf sich auf ein anderes Besitztum."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":490,"orig":"Dort hatte man auch Raum genug, aber weniger Bequemlichkeit und Einrichtung.","norm":"Dort hatte man auch Raum genug, aber weniger Bequemlichkeit und Einrichtung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":491,"orig":"Daraus entſtand manches Unſchickliche, das erſt Lucianen recht gluͤcklich machte.","norm":"Daraus entstand manches Unschickliche, das erst Luciane recht glücklich machte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":492,"orig":"Das Leben wurde immer wuͤſter und wilder.","norm":"Das Leben wurde immer wüster und wilder."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":493,"orig":"Treibjagen im tiefſten Schnee, und was man ſonſt nur unbequemes auffinden konnte, wurde veranſtaltet.","norm":"Treibjagen im tiefsten Schnee, und was man sonst nur Unbequemes auffinden konnte, wurde veranstaltet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":494,"orig":"Frauen ſo wenig als Maͤnner durften ſich ausſchließen, und ſo zog man, jagend und reitend, ſchlittenfahrend und lermend, von einem Gute zum andern, bis man ſich endlich der Reſidenz naͤherte; da denn die Nachrichten und Erzaͤhlungen, wie man ſich bey Hofe und in der Stadt vergnuͤge, der Einbildungskraft eine andre Wendung gaben, und Lucianen mit ihrer ſaͤmmtlichen Begleitung, indem die Tante ſchon vorausgegangen war, unaufhaltſam in einen andern Lebenskreis hineinzogen.","norm":"Frauen so wenig als Männer durften sich ausschließen, und so zog man, jagend und reitend, schlittenfahrend und lärmend, von einem Gute zum anderen, bis man sich endlich der Residenz näherte; da denn die Nachrichten und Erzählungen, wie man sich bei Hofe und in der Stadt vergnüge, der Einbildungskraft eine andere Wendung gaben, und Luciane mit ihrer sämtlichen Begleitung, indem die Tante schon vorausgegangen war, unaufhaltsam in einen anderen Lebenskreis hineinzogen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":495,"orig":"„Man nimmt in der Welt Jeden wofuͤr er ſich giebt; aber er muß ſich auch fuͤr etwas geben.","norm":"„Man nimmt in der Welt jeden wofür er sich gibt; aber er muss sich auch für etwas geben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":496,"orig":"Man ertraͤgt die Unbequemen lieber als man die Unbedeutenden duldet.","norm":"Man erträgt die Unbequemen lieber als man die Unbedeutenden duldet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":497,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":498,"orig":"„Man kann der Geſellſchaft alles aufdringen, nur nicht was eine Folge hat.","norm":"„Man kann der Gesellschaft alles aufdringen, nur nicht was eine Folge hat."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":499,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":500,"orig":"„Wir lernen die Menſchen nicht kennen, wenn ſie zu uns kommen; wir muͤſſen zu ihnen gehen, um zu erfahren wie es mit ihnen ſteht.","norm":"„Wir lernen die Menschen nicht kennen, wenn sie zu uns kommen; wir müssen zu ihnen gehen, um zu erfahren wie es mit ihnen steht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":501,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":502,"orig":"„Ich finde es beynahe natuͤrlich, daß wir an Beſuchenden mancherley auszuſetzen haben, daß wir ſogleich wenn ſie weg ſind, uͤber ſie nicht zum liebevollſten urtheilen: denn wir haben ſo zu ſagen ein Recht, ſie nach unſerm Maaßſtabe zu meſſen.","norm":"„Ich finde es beinahe natürlich, dass wir an Besuchenden mancherlei auszusetzen haben, dass wir sogleich wenn sie weg sind, über sie nicht zum liebevollsten urteilen: denn wir haben sozusagen ein Recht, sie nach unserem Maßstabe zu messen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":503,"orig":"Selbſt verſtaͤndige und billige Menſchen enthalten ſich in ſolchen Faͤllen kaum einer ſcharfen Cenſur.","norm":"Selbst verständige und billige Menschen enthalten sich in solchen Fällen kaum einer scharfen Zensur."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":504,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":505,"orig":"„Wenn man dagegen bey andern geweſen iſt und hat ſie mit ihren Umgebungen, Gewohnheiten, in ihren nothwendigen unausweichlichen Zuſtaͤnden geſehen, wie ſie um ſich wirken, oder wie ſie ſich fuͤgen; ſo gehoͤrt ſchon Unverſtand und boͤſer Wille dazu, um das laͤcherlich zu finden, was uns in mehr als einem Sinne ehrwuͤrdig ſcheinen muͤßte.","norm":"„Wenn man dagegen bei anderen gewesen ist und hat sie mit ihren Umgebungen, Gewohnheiten, in ihren notwendigen unausweichlichen Zuständen gesehen, wie sie um sich wirken, oder wie sie sich fügen; so gehört schon Unverstand und böser Wille dazu, um das lächerlich zu finden, was uns in mehr als einem Sinne ehrwürdig scheinen müsste."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":506,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":507,"orig":"„Durch das was wir Betragen und gute Sitten nennen, ſoll das erreicht werden, was außerdem nur durch Gewalt, oder auch nicht einmal durch Gewalt zu erreichen iſt.","norm":"„Durch das was wir Betragen und gute Sitten nennen, soll das erreicht werden, was außerdem nur durch Gewalt, oder auch nicht einmal durch Gewalt zu erreichen ist."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":508,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":509,"orig":"„Der Umgang mit Frauen iſt das Element guter Sitten.","norm":"„Der Umgang mit Frauen ist das Element guter Sitten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":510,"orig":"“ Wie kann der Character, die Eigenthuͤmlichkeit des Menſchen, mit der Lebensart beſtehen?","norm":"“ Wie kann der Charakter, die Eigentümlichkeit des Menschen, mit der Lebensart bestehen?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":511,"orig":"„Das Eigenthuͤmliche muͤßte durch die Lebensart erſt recht hervorgehoben werden.","norm":"„Das Eigentümliche müsste durch die Lebensart erst recht hervorgehoben werden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":512,"orig":"Das Bedeutende will Jedermann, nur ſoll es nicht unbequem ſeyn.","norm":"Das Bedeutende will jedermann, nur soll es nicht unbequem sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":513,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":514,"orig":"„Die groͤßten Vortheile im Leben uͤberhaupt wie in der Geſellſchaft hat ein gebildeter Soldat.","norm":"„Die größten Vorteile im Leben überhaupt wie in der Gesellschaft hat ein gebildeter Soldat."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":515,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":516,"orig":"„Rohe Kriegsleute gehen wenigſtens nicht aus ihrem Character, und weil doch meiſt hinter der Staͤrke eine Gutmuͤthigkeit verborgen liegt, ſo iſt im Nothfall auch mit ihnen auszukommen.","norm":"„Rohe Kriegsleute gehen wenigstens nicht aus ihrem Charakter, und weil doch meist hinter der Stärke eine Gutmütigkeit verborgen liegt, so ist im Notfall auch mit ihnen auszukommen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":517,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":518,"orig":"„Niemand iſt laͤſtiger als ein taͤppiſcher Menſch vom Civilſtande.","norm":"„Niemand ist lästiger als ein täppischer Mensch vom Zivilstande."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":519,"orig":"Von ihm koͤnnte man die Feinheit fordern, da er ſich mit nichts Rohem zu beſchaͤftigen hat.","norm":"Von ihm könnte man die Feinheit fordern, da er sich mit nichts Rohem zu beschäftigen hat."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":520,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":521,"orig":"„Wenn wir mit Menſchen leben, die ein zartes Gefuͤhl fuͤr das Schickliche haben, ſo wird es uns Angſt um ihretwillen, wenn etwas Ungeſchicktes begegnet.","norm":"„Wenn wir mit Menschen leben, die ein zartes Gefühl für das Schickliche haben, so wird es uns Angst um ihretwillen, wenn etwas Ungeschicktes begegnet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":522,"orig":"So fuͤhle ich immer fuͤr und mit Charlotten, wenn Jemand mit dem Stuhle ſchaukelt, weil ſie das in den Tod nicht leiden kann.","norm":"So fühle ich immer für und mit Charlotten, wenn Jemand mit dem Stuhle schaukelt, weil sie das in den Tod nicht leiden kann."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":523,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":524,"orig":"„Es kaͤme Niemand mit der Brille auf der Naſe in ein vertrauliches Gemach, wenn er wuͤßte, daß uns Frauen ſogleich die Luſt vergeht ihn anzuſehen und uns mit ihm zu unterhalten.","norm":"„Es käme niemand mit der Brille auf der Nase in ein vertrauliches Gemach, wenn er wüsste, dass uns Frauen sogleich die Lust vergeht ihn anzusehen und uns mit ihm zu unterhalten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":525,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":526,"orig":"„Zutraulichkeit an der Stelle der Ehrfurcht iſt immer laͤcherlich.","norm":"„Zutraulichkeit an der Stelle der Ehrfurcht ist immer lächerlich."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":527,"orig":"Es wuͤrde Niemand den Hut ablegen, nachdem er kaum das Compliment gemacht hat, wenn er wuͤßte, wie comiſch das ausſieht.","norm":"Es würde niemand den Hut ablegen, nachdem er kaum das Kompliment gemacht hat, wenn er wüsste, wie komisch das aussieht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":528,"orig":"“ Es giebt kein aͤußeres Zeichen der Hoͤflichkeit das nicht einen tiefen ſittlichen Grund haͤtte.","norm":"“ Es gibt kein äußeres Zeichen der Höflichkeit das nicht einen tiefen sittlichen Grund hätte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":529,"orig":"Die rechte Erziehung waͤre, welche dieſes Zeichen und den Grund zugleich uͤberlieferte.","norm":"Die rechte Erziehung wäre, welche dieses Zeichen und den Grund zugleich überlieferte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":530,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":531,"orig":"„Das Betragen iſt ein Spiegel, in welchem jeder ſein Bild zeigt.","norm":"„Das Betragen ist ein Spiegel, in welchem jeder sein Bild zeigt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":532,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":533,"orig":"„Es giebt eine Hoͤflichkeit des Herzens; ſie iſt der Liebe verwandt.","norm":"„Es gibt eine Höflichkeit des Herzens; sie ist der Liebe verwandt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":534,"orig":"Aus ihr entſpringt die bequemſte Hoͤflichkeit des aͤußern Betragens.","norm":"Aus ihr entspringt die bequemste Höflichkeit des äußeren Betragens."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":535,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":536,"orig":"„Freywillige Abhaͤngigkeit iſt der ſchoͤnſte Zuſtand und wie waͤre der moͤglich ohne Liebe.","norm":"„Freiwillige Abhängigkeit ist der schönste Zustand und wie wäre der möglich ohne Liebe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":537,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":538,"orig":"„Wir ſind nie entfernter von unſern Wuͤnſchen, als wenn wir uns einbilden das Gewuͤnſchte zu beſitzen.","norm":"„Wir sind nie entfernter von unseren Wünschen, als wenn wir uns einbilden das Gewünschte zu besitzen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":539,"orig":"“ Niemand iſt mehr Sklave als der ſich fuͤr frey haͤlt ohne es zu ſeyn.","norm":"“ Niemand ist mehr Sklave als der sich für frei hält ohne es zu sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":540,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":541,"orig":"„Es darf ſich einer nur fuͤr frey erklaͤren, ſo fuͤhlt er ſich den Augenblick als bedingt.","norm":"„Es darf sich einer nur für frei erklären, so fühlt er sich den Augenblick als bedingt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":542,"orig":"Wagt er es ſich fuͤr bedingt zu erklaͤren, ſo fuͤhlt er ſich frey.","norm":"Wagt er es sich für bedingt zu erklären, so fühlt er sich frei."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":543,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":544,"orig":"„Gegen große Vorzuͤge eines Andern giebt es kein Rettungsmittel als die Liebe.","norm":"„Gegen große Vorzüge eines Anderen gibt es kein Rettungsmittel als die Liebe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":545,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":546,"orig":"„Es iſt was ſchreckliches um einen vorzuͤglichen Mann, auf den ſich die Dummen was zu Gute thun.","norm":"„Es ist was Schreckliches um einen vorzüglichen Mann, auf den sich die Dummen was zugute tun."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":547,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":548,"orig":"„Es giebt, ſagt man, fuͤr den Kammerdiener keinen Helden.","norm":"„Es gibt, sagt man, für den Kammerdiener keinen Helden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":549,"orig":"Das kommt aber blos daher, weil der Held nur vom Helden anerkannt werden kann.","norm":"Das kommt aber bloß daher, weil der Held nur vom Helden anerkannt werden kann."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":550,"orig":"Der Kammerdiener wird aber wahrſcheinlich ſeines Gleichen zu ſchaͤtzen wiſſen.","norm":"Der Kammerdiener wird aber wahrscheinlich seinesgleichen zu schätzen wissen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":551,"orig":"“ Es giebt keinen groͤßern Troſt fuͤr die Mittelmaͤßigkeit als daß das Genie nicht unſterblich ſey.","norm":"“ Es gibt keinen größeren Trost für die Mittelmäßigkeit als dass das Genie nicht unsterblich sei."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":552,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":553,"orig":"„Die groͤßten Menſchen haͤngen immer mit ihrem Jahrhundert durch eine Schwachheit zuſammen.","norm":"„Die größten Menschen hängen immer mit ihrem Jahrhundert durch eine Schwachheit zusammen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":554,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":555,"orig":"„Man haͤlt die Menſchen gewoͤhnlich fuͤr gefaͤhrlicher als ſie ſind.","norm":"„Man hält die Menschen gewöhnlich für gefährlicher als sie sind."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":556,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":557,"orig":"„Thoren und geſcheide Leute ſind gleich unſchaͤdlich.","norm":"„Toren und gescheite Leute sind gleich unschädlich."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":558,"orig":"Nur die Halbnarren und Halbweiſen, das ſind die gefaͤhrlichſten.","norm":"Nur die Halbnarren und Halbweisen, das sind die Gefährlichsten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":559,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":560,"orig":"„Man weicht der Welt nicht ſicherer aus als durch die Kunſt, und man verknuͤpft ſich nicht ſicherer mit ihr als durch die Kunſt.","norm":"„Man weicht der Welt nicht sicherer aus als durch die Kunst, und man verknüpft sich nicht sicherer mit ihr als durch die Kunst."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":561,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":562,"orig":"„Selbſt im Augenblick des hoͤchſten Gluͤcks und der hoͤchſten Noth beduͤrfen wir des Kuͤnſtlers.","norm":"„Selbst im Augenblick des höchsten Glücks und der höchsten Not bedürfen wir des Künstlers."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":563,"orig":"“ Die Kunſt beſchaͤftigt ſich mit dem Schweren und Guten.","norm":"“ Die Kunst beschäftigt sich mit dem Schweren und Guten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":564,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":565,"orig":"„Das Schwierige leicht behandelt zu ſehen giebt uns das Anſchauen des Unmoͤglichen.","norm":"„Das Schwierige leicht behandelt zu sehen gibt uns das Anschauen des Unmöglichen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":566,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":567,"orig":"„Die Schwierigkeiten wachſen je naͤher man dem Ziele kommt.","norm":"„Die Schwierigkeiten wachsen je näher man dem Ziele kommt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":568,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":569,"orig":"„Saͤen iſt nicht ſo beſchwerlich als aͤrnten.","norm":"„Säen ist nicht so beschwerlich als ernten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":570,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":571,"orig":"Die große Unruhe welche Charlotten durch dieſen Beſuch erwuchs, ward ihr dadurch verguͤtet, daß ſie ihre Tochter voͤllig begreifen lernte, worin ihr die Bekanntſchaft mit der Welt ſehr zu Huͤlfe kam.","norm":"Die große Unruhe welche Charlotten durch diesen Besuche erwuchs, wurde ihr dadurch vergütet, dass sie ihre Tochter völlig begreifen lernte, worin ihr die Bekanntschaft mit der Welt sehr zu Hilfe kam."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":572,"orig":"Es war nicht zum erſtenmal, daß ihr ein ſo ſeltſamer Character begegnete, ob er ihr gleich noch niemals auf dieſer Hoͤhe erſchien.","norm":"Es war nicht zum ersten Mal, dass ihr ein so seltsamer Charakter begegnete, ob er ihr gleich noch niemals auf dieser Höhe erschien."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":573,"orig":"Und doch hatte ſie aus der Erfahrung, daß ſolche Perſonen durchs Leben, durch mancherley Ereigniſſe, durch aͤlterliche Verhaͤltniſſe gebildet eine ſehr angenehme und liebenswuͤrdige Reife erlangen koͤnnen', indem die Selbſtigkeit gemildert wird und die ſchwaͤrmende Thaͤtigkeit eine entſchiedene Richtung erhaͤlt.","norm":"Und doch hatte sie aus der Erfahrung, dass solche Personen durchs Leben, durch mancherlei Ereignisse, durch elterliche Verhältnisse gebildet eine sehr angenehme und liebenswürdige Reife erlangen können, indem die Selbstigkeit gemildert wird und die schwärmende Tätigkeit eine entschiedene Richtung erhält."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":574,"orig":"Charlotte ließ als Mutter ſich um deſto eher eine fuͤr andere vielleicht unangenehme Erſcheinung gefallen, als es Aeltern wohl geziemt da zu hoffen, wo Fremde nur zu genießen wuͤnſchen, oder wenigſtens nicht belaͤſtigt ſeyn wollen.","norm":"Charlotte ließ als Mutter sich um desto eher eine für andere vielleicht unangenehme Erscheinung gefallen, als es Eltern wohl geziemt da zu hoffen, wo Fremde nur zu genießen wünschen, oder wenigstens nicht belästigt sein wollen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":575,"orig":"Auf eine eigne und unerwartete Weiſe jedoch ſollte Charlotte nach ihrer Tochter Abreiſe getroffen werden, indem dieſe nicht ſowohl durch das Tadelnswerthe in ihrem Betragen, als durch das was man daran lobenswuͤrdig haͤtte finden koͤnnen, eine uͤble Nachrede hinter ſich gelaſſen hatte.","norm":"Auf eine eigene und unerwartete Weise jedoch sollte Charlotte nach ihrer Tochter Abreise getroffen werden, indem diese nicht sowohl durch das Tadelnswerte in ihrem Betragen, als durch das was man daran lobenswürdig hätte finden können, eine üble Nachrede hinter sich gelassen hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":576,"orig":"Luciane ſchien ſich's zum Geſetz gemacht zu haben, nicht allein mit den Froͤhlichen froͤhlich, ſondern auch mit den Traurigen traurig zu ſeyn, und um den Geiſt des Widerſpruchs recht zu uͤben, manchmal die Froͤhlichen verdrießlich und die Traurigen heiter zu machen.","norm":"Luciane schien sich es zum Gesetz gemacht zu haben, nicht allein mit den Fröhlichen fröhlich, sondern auch mit den Traurigen traurig zu sein, und um den Geist des Widerspruchs recht zu üben, manchmal die Fröhlichen verdrießlich und die Traurigen heiter zu machen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":577,"orig":"In allen Familien wo ſie hinkam, erkundigte ſie ſich nach den Kranken und Schwachen, die nicht in Geſellſchaft erſcheinen konnten.","norm":"In allen Familien wo sie hinkam, erkundigte sie sich nach den Kranken und Schwachen, die nicht in Gesellschaft erscheinen konnten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":578,"orig":"Sie beſuchte ſie auf ihren Zimmern, machte den Arzt und drang einem Jeden aus ihrer Reiſeapotheke, die ſie beſtaͤndig im Wagen mit ſich fuͤhrte, energiſche Mittel auf; da denn eine ſolche Kur, wie ſich vermuthen laͤßt, gelang oder mislang, wie es der Zufall herbeyfuͤhrte.","norm":"Sie besuchte sie auf ihren Zimmern, machte den Arzt und drang einem Jeden aus ihrer Reiseapotheke, die sie beständig im Wagen mit sich führte, energische Mittel auf; da denn eine solche Kur, wie sich vermuten lässt, gelang oder misslang, wie es der Zufall herbeiführte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":579,"orig":"In dieſer Art von Wohlthaͤtigkeit war ſie ganz grauſam und ließ ſich gar nicht einreden, weil ſie feſt uͤberzeugt war, daß ſie vortrefflich handle.","norm":"In dieser Art von Wohltätigkeit war sie ganz grausam und ließ sich gar nicht einreden, weil sie fest überzeugt war, dass sie vortrefflich handle."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":580,"orig":"Allein es mißrieth ihr auch ein Verſuch von der ſittlichen Seite, und dieſer war es, der Charlotten viel zu ſchaffen machte, weil er Folgen hatte, und Jedermann daruͤber ſprach.","norm":"Allein es missriet ihr auch ein Versuch von der sittlichen Seite, und dieser war es, der Charlotten viel zu schaffen machte, weil er Folgen hatte, und jedermann darüber sprach."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":581,"orig":"Erſt nach Lucianens Abreiſe hoͤrte ſie davon;","norm":"Erst nach Lucianes Abreise hörte sie davon;"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":582,"orig":"Ottilie, die gerade jene Partie mitgemacht hatte, mußte ihr umſtaͤndlich davon Rechenſchaft geben.","norm":"Ottilie, die gerade jene Partie mitgemacht hatte, musste ihr umständlich davon Rechenschaft geben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":583,"orig":"Eine der Toͤchter eines angeſehnen Hauſes hatte das Ungluͤck gehabt, an dem Tode eines ihrer juͤngeren Geſchwiſter ſchuld zu ſeyn.","norm":"Eine der Töchter eines angesehenen Hauses hatte das Unglück gehabt, an dem Tode eines ihrer jüngeren Geschwister schuld zu sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":584,"orig":"und ſich daruͤber nicht beruhigen noch wieder finden koͤnnen.","norm":"und sich darüber nicht beruhigen noch wiederfinden können."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":585,"orig":"Sie lebte auf ihrem Zimmer beſchaͤftigt und ſtill, und ertrug ſelbſt den Anblick der Ihrigen nur wenn ſie einzeln kamen: denn ſie argwohnte ſogleich, wenn mehrere beyſammen waren, daß man untereinander uͤber ſie und ihren Zuſtand reflectire.","norm":"Sie lebte auf ihrem Zimmer beschäftigt und still, und ertrug selbst den Anblick der Ihrigen nur wenn sie einzeln kamen: denn sie argwöhnte sogleich, wenn mehrere beisammen waren, dass man untereinander über sie und ihren Zustand reflektiere."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":586,"orig":"Gegen Jedes allein aͤußerte ſie ſich vernuͤnftig und unterhielt ſich ſtundenlang mit ihm.","norm":"Gegen Jedes allein äußerte sie sich vernünftig und unterhielt sich stundenlang mit ihm."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":587,"orig":"Luciane hatte davon gehoͤrt und ſich ſogleich im Stillen vorgenommen, wenn ſie in das Haus kaͤme, gleichſam ein Wunder zu thun und das Frauenzimmer der Geſellſchaft wiederzugeben.","norm":"Luciane hatte davon gehört und sich sogleich im Stillen vorgenommen, wenn sie in das Haus käme, gleichsam ein Wunder zu tun und das Frauenzimmer der Gesellschaft wiederzugeben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":588,"orig":"Sie betrug ſich dabey vorſichtiger als ſonſt, wußte ſich allein bey der Seelenkranken einzufuͤhren, und ſoviel man merken konnte, durch Muſik ihr Vertrauen zu gewinnen.","norm":"Sie betrug sich dabei vorsichtiger als sonst, wusste sich allein bei der Seelenkranken einzuführen, und soviel man merken konnte, durch Musik ihr Vertrauen zu gewinnen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":589,"orig":"Nur zuletzt verſah ſie es: denn eben weil ſie Aufſehn erregen wollte, ſo brachte ſie das ſchoͤne blaſſe Kind, das ſie genug vorbereitet waͤhnte, eines Abends ploͤtzlich in die bunte glaͤnzende Geſellſchaft; und vielleicht waͤre auch das noch gelungen, wenn nicht die Societaͤt ſelbſt, aus Neugierde und Apprehenſion, ſich ungeſchickt benommen, ſich um die Kranke verſammelt, ſie wieder gemieden, ſie durch Fluͤſtern, Koͤpfe zuſammenſtecken irre gemacht und aufgeregt haͤtte.","norm":"Nur zuletzt versah sie es: denn eben weil sie Aufsehen erregen wollte, so brachte sie das schöne blasse Kind, das sie genug vorbereitet wähnte, eines Abends plötzlich in die bunte glänzende Gesellschaft; und vielleicht wäre auch das noch gelungen, wenn nicht die Sozietät selbst, aus Neugierde und Apprehension, sich ungeschickt benommen, sich um die Kranke versammelt, sie wieder gemieden, sie durch Flüstern, Köpfezusammenstecken irregemacht und aufgeregt hätte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":590,"orig":"Die zart Empfindende ertrug das nicht.","norm":"Die zart Empfindende ertrug das nicht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":591,"orig":"Sie entwich unter fuͤrchterlichem Schreyen, das gleichſam ein Entſetzen vor einem eindringenden Ungeheuren auszudruͤcken ſchien.","norm":"Sie entwich unter fürchterlichem Schreien, das gleichsam ein Entsetzen vor einem eindringenden Ungeheuren auszudrücken schien."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":592,"orig":"Erſchreckt fuhr die Geſellſchaft nach allen Seiten auseinander, und Ottilie war unter denen, welche die voͤllig Ohnmaͤchtige wieder auf ihr Zimmer begleiteten.","norm":"Erschreckt fuhr die Gesellschaft nach allen Seiten auseinander, und Ottilie war unter denen, welche die völlig Ohnmächtige wieder auf ihr Zimmer begleiteten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":593,"orig":"Indeſſen hatte Luciane eine ſtarke Strafrede nach ihrer Weiſe an die Geſellſchaft gehalten, ohne im mindeſten daran zu denken, daß ſie allein alle Schuld habe, und ohne ſich durch dieſes und andres Mißlingen von ihrem Thun und Treiben abhalten zu laſſen.","norm":"Indessen hatte Luciane eine starke Strafrede nach ihrer Weise an die Gesellschaft gehalten, ohne im mindesten daran zu denken, dass sie allein alle Schuld habe, und ohne sich durch dieses und anderes Misslingen von ihrem Tun und Treiben abhalten zu lassen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":594,"orig":"Der Zuſtand dek Kranken war ſeit jener Zeit bedenklicher geworden, ja das Uebel hatte ſich ſo geſteigert, daß die Aeltern das arme Kind nicht im Hauſe behalten konnten, ſondern einer oͤffentlichen Anſtalt uͤberantworten mußten.","norm":"Der Zustand der Kranken war seit jener Zeit bedenklicher geworden, ja das Übel hatte sich so gesteigert, dass die Eltern das arme Kind nicht im Hause behalten konnten, sondern einer öffentlichen Anstalt überantworten mussten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":595,"orig":"Charlotten blieb nichts uͤbrig als durch ein beſonder zartes Benehmen gegen jene Familie den von ihrer Tochter verurſachten Schmerz einigermaßen zu lindern.","norm":"Charlotten blieb nichts übrig als durch ein besonders zartes Benehmen gegen jene Familie den von ihrer Tochter verursachten Schmerz einigermaßen zu lindern."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":596,"orig":"Auf Ottilien hatte die Sache einen tiefen Eindruck gemacht; ſie bedauerte das arme Maͤdchen um ſo mehr als ſie uͤberzeugt war, wie ſie auch gegen Charlotten nicht laͤugnete, daß bey einer conſequenten Behandlung die Kranke gewiß herzuſtellen geweſen waͤre.","norm":"Auf Ottilie hatte die Sache einen tiefen Eindruck gemacht; sie bedauerte das arme Mädchen um so mehr als sie überzeugt war, wie sie auch gegen Charlotten nicht leugnete, dass bei einer konsequenten Behandlung die Kranke gewiss herzustellen gewesen wäre."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":597,"orig":"So kam auch, weil man ſich gewoͤhnlich vom vergangenen Unangenehmen mehr als vom Angenehmen unterhaͤlt, ein kleines Mißverſtaͤndniß zur Sprache, das Ottilien an dem Architecten irre gemacht hatte, als er jenen Abend ſeine Sammlung nicht vorzeigen wollte, ob ſie ihn gleich ſo freundlich darum erſuchte.","norm":"So kam auch, weil man sich gewöhnlich vom vergangenen Unangenehmen mehr als vom Angenehmen unterhält, ein kleines Missverständnis zur Sprache, das Ottilie an dem Architekten irregemacht hatte, als er jenen Abend seine Sammlung nicht vorzeigen wollte, ob sie ihn gleich so freundlich darum ersuchte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":598,"orig":"Es war ihr dieſes abſchlaͤgige Betragen immer in der Seele geblieben und ſie wußte ſelbſt nicht warum.","norm":"Es war ihr dieses abschlägige Betragen immer in der Seele geblieben und sie wusste selbst nicht warum."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":599,"orig":"Ihre Empfindungen waren ſehr richtig: denn was ein Maͤdchen wie Ottilie verlangen kann, ſollte ein Juͤngling wie der Architect nicht verſagen.","norm":"Ihre Empfindungen waren sehr richtig: denn was ein Mädchen wie Ottilie verlangen kann, sollte ein Jüngling wie der Architekt nicht versagen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":600,"orig":"Dieſer brachte jedoch auf ihre gelegentlichen leiſen Vorwuͤrfe ziemlich guͤltige Entſchuldigungen zur Sprache.","norm":"Dieser brachte jedoch auf ihre gelegentlichen leisen Vorwürfe ziemlich gültige Entschuldigungen zur Sprache."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":601,"orig":"Wenn Sie wuͤßten, ſagte er, wie roh ſelbſt gebildete Menſchen ſich gegen die ſchaͤtzbarſten Kunſtwerke verhalten, ſie wuͤrden mir verzeihen, wenn ich die meinigen nicht unter die Menge bringen mag.","norm":"Wenn Sie wüssten, sagte er, wie roh selbst gebildete Menschen sich gegen die schätzbarsten Kunstwerke verhalten, sie würden mir verzeihen, wenn ich die meinigen nicht unter die Menge bringen mag."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":602,"orig":"Niemand weiß eine Medaille am Rand anzufaſſen; ſie betaſten das ſchoͤnſte Gepraͤge, den reinſten Grund, laſſen die koͤſtlichſten Stuͤcke zwiſchen dem Daumen und Zeigefinger hin und hergehen, als wenn man Kunſtformen auf dieſe Weiſe pruͤfte.","norm":"Niemand weiß eine Medaille am Rand anzufassen; sie betasten das schönste Gepräge, den reinsten Grund, lassen die köstlichsten Stücke zwischen dem Daumen und Zeigefinger hin und hergehen, als wenn man Kunstformen auf diese Weise prüfte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":603,"orig":"Ohne daran zu denken, daß man ein großes Blatt mit zwey Haͤnden anfaſſen muͤſſe, greifen ſie mit Einer Hand nach einem unſchaͤtzbaren Kupferſtich, einer unerſetzlichen Zeichnung, wie ein anmaßlicher Politiker eine Zeitung faßt und durch das Zerknittern des Papiers ſchon im Voraus ſein Urtheil uͤber die Weltbegebenheiten zu erkennen giebt.","norm":"Ohne daran zu denken, dass man ein großes Blatt mit zwei Händen anfassen müsse, greifen sie mit Einer Hand nach einem unschätzbaren Kupferstich, einer unersetzlichen Zeichnung, wie ein anmaßlicher Politiker eine Zeitung fasst und durch das Zerknittern des Papiers schon im Voraus sein Urteil über die Weltbegebenheiten zu erkennen gibt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":604,"orig":"Niemand denkt daran, daß wenn nur zwanzig Menſchen mit einem Kunſtwerke hintereinander eben ſo verfuͤhren, der Einundzwanzigſte nicht mehr viel daran zu ſehen haͤtte.","norm":"Niemand denkt daran, dass wenn nur zwanzig Menschen mit einem Kunstwerke hintereinander ebenso verführen, der Einundzwanzigste nicht mehr viel daran zu sehen hätte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":605,"orig":"Habe ich Sie nicht auch manchmal, fragte Ottilie, in ſolche Verlegenheit geſetzt?","norm":"Habe ich Sie nicht auch manchmal, fragte Ottilie, in solche Verlegenheit gesetzt?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":606,"orig":"habe ich nicht etwan Ihre Schaͤtze, ohne es zu ahnden, gelegentlich einmal beſchaͤdigt?","norm":"Habe ich nicht etwan Ihre Schätze, ohne es zu ahnen, gelegentlich einmal beschädigt?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":607,"orig":"Niemals, verſetzte der Architect: niemals!","norm":"Niemals, versetzte der Architekt: niemals!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":608,"orig":"Ihnen waͤre es unmoͤglich: das Schickliche iſt mit Ihnen geboren.","norm":"Ihnen wäre es unmöglich: Das Schickliche ist mit Ihnen geboren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":609,"orig":"Auf alle Faͤlle, verſetzte Ottilie, waͤre es nicht uͤbel, wenn man kuͤnftig in das Buͤchlein von guten Sitten, nach den Kapiteln, wie man ſich in Geſellſchaft beym Eſſen und Trinken benehmen ſoll, ein recht umſtaͤndliches einſchoͤbe, wie man ſich in Kunſtſammlungen und Muſeen zu betragen habe.","norm":"Auf alle Fälle, versetzte Ottilie, wäre es nicht übel, wenn man künftig in das Büchlein von guten Sitten, nach den Kapiteln, wie man sich in Gesellschaft beim Essen und Trinken benehmen soll, ein recht umständliches einschöbe, wie man sich in Kunstsammlungen und Museen zu betragen habe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":610,"orig":"Gewiß, verſetzte der Architect, wuͤrden alsdann Cuſtoden und Liebhaber ihre Seltenheiten froͤhlicher mittheilen.","norm":"Gewiss, versetzte der Architekt, würden alsdann Kustoden und Liebhaber ihre Seltenheiten fröhlicher mitteilen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":611,"orig":"Ottilie hatte ihm ſchon lange verziehen, als er ſich aber den Vorwurf ſehr zu Herzen zu nehmen ſchien und immer aufs Neue betheuerte, daß er gewiß gerne mittheile, gern fuͤr Freunde thaͤtig ſey; ſo empfand ſie, daß ſie ſein zartes Gemuͤth verletzt habe, und fuͤhlte ſich als ſeine Schuldnerinn.","norm":"Ottilie hatte ihm schon lange verziehen, als er sich aber den Vorwurf sehr zu Herzen zu nehmen schien und immer aufs Neue beteuerte, dass er gewiss gerne mitteile, gern für Freunde tätig sei; so empfand sie, dass sie sein zartes Gemüt verletzt habe, und fühlte sich als seine Schuldnerin."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":612,"orig":"Nicht wohl konnte ſie ihm daher eine Bitte rund abſchlagen, die er in Gefolg dieſes Geſpraͤchs an ſie that, ob ſie gleich, indem ſie ſchnell ihr Gefuͤhl zu Rathe zog, nicht einſah wie ſie ihm ſeine Wuͤnſche gewaͤhren koͤnne.","norm":"Nicht wohl konnte sie ihm daher eine Bitte rund abschlagen, die er in Gefolge dieses Gesprächs an sie tat, ob sie gleich, indem sie schnell ihr Gefühl zu Rate zog, nicht einsah wie sie ihm seine Wünsche gewähren könne."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":613,"orig":"Die Sache verhielt ſich alſo.","norm":"Die Sache verhielt sich also."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":614,"orig":"Daß Ottilie durch Lucianens Eiferſucht von den Gemaͤldedarſtellungen ausgeſchloſſen worden, war ihm hoͤchſt empfindlich geweſen; daß Charlotte dieſem glaͤnzenden Theil der geſelligen Unterhaltung nur unterbrochen beywohnen koͤnnen, weil ſie ſich nicht wohl befand, hatte er gleichfalls mit Bedauern bemerkt: nun wollte er ſich nicht entfernen, ohne ſeine Dankbarkeit auch dadurch zu beweiſen, daß er zur Ehre der einen und zur Unterhaltung der andern, eine weit ſchoͤnere Darſtellung veranſtaltete als die bisherigen geweſen waren.","norm":"Dass Ottilie durch Lucianes Eifersucht von den Gemäldedarstellungen ausgeschlossen worden, war ihm höchst empfindlich gewesen; dass Charlotte diesem glänzenden Teil der geselligen Unterhaltung nur unterbrochen beiwohnen können, weil sie sich nicht wohl befand, hatte er gleichfalls mit Bedauern bemerkt: Nun wollte er sich nicht entfernen, ohne seine Dankbarkeit auch dadurch zu beweisen, dass er zur Ehre der einen und zur Unterhaltung der anderen, eine weit schönere Darstellung veranstaltete als die bisherigen gewesen waren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":615,"orig":"Vielleicht kam hierzu, ihm ſelbſt unbewußt, ein andrer geheimer Antrieb: es ward ihm ſo ſchwer, dieſes Haus, dieſe Familie zu verlaſſen, ja es ſchien ihm unmoͤglich von Ottiliens Augen zu ſcheiden, von deren ruhig freundlich gewogenen Blicken er die letzte Zeit faſt ganz allein gelebt hatte.","norm":"Vielleicht kam hierzu, ihm selbst unbewusst, ein anderer geheimer Antrieb: Es wurde ihm so schwer, dieses Haus, diese Familie zu verlassen, ja es schien ihm unmöglich von Ottilies Augen zu scheiden, von deren ruhig freundlich gewogenen Blicken er die letzte Zeit fast ganz allein gelebt hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":616,"orig":"Die Weihnachtsfeyertage nahten ſich und es wurde ihm auf einmal klar, daß eigentlich jene Gemaͤldedarſtellungen durch runde Figuren von dem ſogenannten Preſepe ausgegangen, von der frommen Vorſtellung, die man in dieſer heiligen Zeit der goͤttlichen Mutter und dem Kinde widmete, wie ſie in ihrer ſcheinbaren Niedrigkeit erſt von Hirten bald darauf von Koͤnigen verehrt werden.","norm":"Die Weihnachtsfeiertage nahten sich und es wurde ihm auf einmal klar, dass eigentlich jene Gemäldedarstellungen durch runde Figuren von dem sogenannten Praesepe ausgegangen, von der frommen Vorstellung, die man in dieser heiligen Zeit der göttlichen Mutter und dem Kinde widmete, wie sie in ihrer scheinbaren Niedrigkeit erst von Hirten bald darauf von Königen verehrt werden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":617,"orig":"Er hatte ſich die Moͤglichkeit eines ſolchen Bildes vollkommen vergegenwaͤrtigt.","norm":"Er hatte sich die Möglichkeit eines solchen Bildes vollkommen vergegenwärtigt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":618,"orig":"Ein ſchoͤner friſcher Knabe war gefunden; an Hirten und Hirtinnen konnte es auch nicht fehlen; aber ohne Ottilien war die Sache nicht auszufuͤhren.","norm":"Ein schöner frischer Knabe war gefunden; an Hirten und Hirtinnen konnte es auch nicht fehlen; aber ohne Ottilie war die Sache nicht auszuführen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":619,"orig":"Der junge Mann hatte ſie in ſeinem Sinne zur Mutter Gottes erhoben, und wenn ſie es abſchlug, ſo war bey ihm keine Frage, daß das Unternehmen fallen muͤſſe.","norm":"Der junge Mann hatte sie in seinem Sinne zur Mutter Gottes erhoben, und wenn sie es abschlug, so war bei ihm keine Frage, dass das Unternehmen fallen müsse."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":620,"orig":"Ottilie halb verlegen uͤber ſeinen Antrag wies ihn mit ſeiner Bitte an Charlotten.","norm":"Ottilie halb verlegen über seinen Antrag wies ihn mit seiner Bitte an Charlotten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":621,"orig":"Dieſe ertheilte ihm gern die Erlaubniß, und auch durch ſie ward die Scheu Ottiliens, ſich jener heiligen Geſtalt anzumaßen, auf eine freundliche Weiſe uͤberwunden.","norm":"Diese erteilte ihm gern die Erlaubnis, und auch durch sie wurde die Scheu Ottilies, sich jener heiligen Gestalt anzumaßen, auf eine freundliche Weise überwunden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":622,"orig":"Der Architect arbeitete Tag und Nacht, damit am Weihnachtsabend nichts fehlen moͤge.","norm":"Der Architekt arbeitete Tag und Nacht, damit am Weihnachtsabend nichts fehlen möge."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":623,"orig":"Und zwar Tag und Nacht im eigentlichen Sinne.","norm":"Und zwar Tag und Nacht im eigentlichen Sinne."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":624,"orig":"Er hatte ohnehin wenig Beduͤrfniſſe, und Ottiliens Gegenwart ſchien ihm ſtatt alles Labſals zu ſeyn; indem er um ihretwillen arbeitete, war es als wenn er keines Schlafs, indem er ſich um ſie beſchaͤftigte, keiner Speiſe beduͤrfte.","norm":"Er hatte ohnehin wenig Bedürfnisse, und Ottilies Gegenwart schien ihm statt alles Labsals zu sein; indem er um ihretwillen arbeitete, war es als wenn er keines Schlafs, indem er sich um sie beschäftigte, keiner Speise bedürfte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":625,"orig":"Zur feyerlichen Abendſtunde war deshalb alles fertig und bereit.","norm":"Zur feierlichen Abendstunde war deshalb alles fertig und bereit."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":626,"orig":"Es war ihm moͤglich geweſen wohltoͤnende Blasinſtrumente zu verſammeln, welche die Einleitung machten und die gewuͤnſchte Stimmung hervorzubringen wußten.","norm":"Es war ihm möglich gewesen wohltönende Blasinstrumente zu versammeln, welche die Einleitung machten und die gewünschte Stimmung hervorzubringen wussten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":627,"orig":"Als der Vorhang ſich hob, war Charlotte wirklich uͤberraſcht.","norm":"Als der Vorhang sich hob, war Charlotte wirklich überrascht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":628,"orig":"Das Bild das ſich ihr vorſtellte, war ſo oft in der Welt wiederhohlt, daß man kaum einen neuen Eindruck davon erwarten ſollte.","norm":"Das Bild das sich ihr vorstellte, war so oft in der Welt wiederholt, dass man kaum einen neuen Eindruck davon erwarten sollte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":629,"orig":"Aber hier hatte die Wirklichkeit als Bild ihre beſondern Vorzuͤge.","norm":"Aber hier hatte die Wirklichkeit als Bild ihre besonderen Vorzüge."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":630,"orig":"Der ganze Raum war eher naͤchtlich als daͤmmernd, und doch nichts undeutlich im Einzelnen der Umgebung.","norm":"Der ganze Raum war eher nächtlich als dämmernd, und doch nichts undeutlich im Einzelnen der Umgebung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":631,"orig":"Den unuͤbertrefflichen Gedanken, daß alles Licht vom Kinde ausgehe, hatte der Kuͤnſtler durch einen klugen Mechanismus der Beleuchtung auszufuͤhren gewußt, der durch die beſchatteten, nur von Streiflichtern erleuchteten Figuren im Vordergrunde zugedeckt wurde.","norm":"Den unübertrefflichen Gedanken, dass alles Licht vom Kinde ausgehe, hatte der Künstler durch einen klugen Mechanismus der Beleuchtung auszuführen gewusst, der durch die beschatteten, nur von Streiflichtern erleuchteten Figuren im Vordergrunde zugedeckt wurde."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":632,"orig":"Frohe Maͤdchen und Knaben ſtanden umher; die friſchen Geſichter ſcharf von unten beleuchtet.","norm":"Frohe Mädchen und Knaben standen umher; die frischen Gesichter scharf von unten beleuchtet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":633,"orig":"Auch an Engeln fehlte es nicht, deren eigener Schein von dem goͤttlichen verdunkelt, deren aͤtheriſcher Leib vor dem goͤttlich-menſchlichen verdichtet und lichtsbeduͤrftig ſchien.","norm":"Auch an Engeln fehlte es nicht, deren eigener Schein von dem göttlichen verdunkelt, deren ätherischer Leib vor dem göttlich-menschlichen verdichtet und lichtsbedürftig schien."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":634,"orig":"Gluͤcklicherweiſe war das Kind in der anmuthigſten Stellung eingeſchlafen, ſo daß nichts die Betrachtung ſtoͤrte, wenn der Blick auf der ſcheinbaren Mutter verweilte, die mit unendlicher Anmuth einen Schleyer aufgehoben hatte, um den verborgenen Schatz zu offenbaren.","norm":"Glücklicherweise war das Kind in der anmutigsten Stellung eingeschlafen, so dass nichts die Betrachtung störte, wenn der Blick auf der scheinbaren Mutter verweilte, die mit unendlicher Anmut einen Schleier aufgehoben hatte, um den verborgenen Schatz zu offenbaren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":635,"orig":"In dieſem Augenblick ſchien das Bild feſtgehalten und erſtarrt zu ſeyn.","norm":"In diesem Augenblick schien das Bild festgehalten und erstarrt zu sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":636,"orig":"Phyſiſch geblendet, geiſtig uͤberraſcht, ſchien das umgebende Volk ſich eben bewegt zu haben, um die getroffnen Augen wegzuwenden, neugierig erfreut wieder hinzublinzen und mehr Verwunderung und Luſt, als Bewunderung und Verehrung anzuzeigen; obgleich dieſe auch nicht vergeſſen und einigen aͤltern Figuren der Ausdruck derſelben uͤbertragen war.","norm":"Physisch geblendet, geistig überrascht, schien das umgebende Volk sich eben bewegt zu haben, um die getroffenen Augen wegzuwenden, neugierig erfreut wieder hinzublinzen und mehr Verwunderung und Lust, als Bewunderung und Verehrung anzuzeigen; obgleich diese auch nicht vergessen und einigen älteren Figuren der Ausdruck derselben übertragen war."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":637,"orig":"Ottiliens Geſtalt, Gebaͤrde, Miene, Blick uͤbertraf aber alles was je ein Maler dargeſtellt hat.","norm":"Ottilies Gestalt, Gebärde, Miene, Blick übertraf aber alles was je ein Maler dargestellt hat."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":638,"orig":"Der gefuͤhlvolle Kenner, der dieſe Erſcheinung geſehen haͤtte, waͤre in Furcht gerathen, es moͤge ſich nur irgend etwas bewegen, er waͤre in Sorge geſtanden, ob ihm jemals etwas wieder ſo gefallen koͤnne.","norm":"Der gefühlvolle Kenner, der diese Erscheinung gesehen hätte, wäre in Furcht geraten, es möge sich nur irgendetwas bewegen, er wäre in Sorge gestanden, ob ihm jemals etwas wieder so gefallen könne."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":639,"orig":"Ungluͤcklicherweiſe war Niemand da, der dieſe ganze Wirkung aufzufaſſen vermocht haͤtte.","norm":"Unglücklicherweise war niemand da, der diese ganze Wirkung aufzufassen vermocht hätte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":640,"orig":"Der Architect allein, der als langer ſchlanker Hirt von der Seite uͤber die Knieenden hereinſah, hatte, obgleich nicht in dem genauſten Standpunct, noch den groͤßten Genuß.","norm":"Der Architekt allein, der als langer schlanker Hirt von der Seite über die Knieenden hereinsah, hatte, obgleich nicht in dem genauesten Standpunkt, noch den größten Genuss."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":641,"orig":"Und wer beſchreibt auch die Miene der neugeſchaffenen Himmelskoͤniginn?","norm":"Und wer beschreibt auch die Miene der neugeschaffenen Himmelskönigin?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":642,"orig":"Die reinſte Demuth, das liebenswuͤrdigſte Gefuͤhl von Beſcheidenheit bey einer großen unverdient erhaltenen Ehre, einem unbegreiflich unermeßlichen Gluͤck, bildete ſich in ihren Zuͤgen, ſowohl indem ſich ihre eigene Empfindung, als indem ſich die Vorſtellung ausdruͤckte, die ſie ſich von dem machen konnte was ſie ſpielte.","norm":"Die reinste Demut, das liebenswürdigste Gefühl von Bescheidenheit bei einer großen unverdient erhaltenen Ehre, einem unbegreiflich unermesslichen Glück, bildete sich in ihren Zügen, sowohl indem sich ihre eigene Empfindung, als indem sich die Vorstellung ausdrückte, die sie sich von dem machen konnte was sie spielte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":643,"orig":"Charlotten erfreute das ſchoͤne Gebilde, doch wirkte hauptſaͤchlich das Kind auf ſie.","norm":"Charlotten erfreute das schöne Gebilde, doch wirkte hauptsächlich das Kind auf sie."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":644,"orig":"Ihre Augen ſtroͤmten von Thraͤnen und ſie ſtellte ſich auf das lebhafteſte vor, daß ſie ein aͤhnliches liebes Geſchoͤpf bald auf ihrem Schooße zu hoffen habe.","norm":"Ihre Augen strömten von Tränen und sie stellte sich auf das lebhafteste vor, dass sie ein ähnliches liebes Geschöpf bald auf ihrem Schoß zu hoffen habe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":645,"orig":"Man hatte den Vorhang niedergelaſſen, theils um den Vorſtellenden einige Erleichterung zu geben, theils eine Veraͤnderung in dem Dargeſtellten anzubringen.","norm":"Man hatte den Vorhang niedergelassen, teils um den Vorstellenden einige Erleichterung zu geben, teils eine Veränderung in dem Dargestellten anzubringen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":646,"orig":"Der Kuͤnſtler hatte ſich vorgenommen, das erſte Nacht- und Niedrigkeitsbild in ein Tag- und Glorienbild zu verwandeln, und deswegen von allen Seiten eine unmaͤßige Erleuchtung vorbereitet, die in der Zwiſchenzeit angezuͤndet wurde.","norm":"Der Künstler hatte sich vorgenommen, das erste Nacht- und Niedrigkeitsbild in ein Tag- und Glorienbild zu verwandeln, und deswegen von allen Seiten eine unmäßige Erleuchtung vorbereitet, die in der Zwischenzeit angezündet wurde."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":647,"orig":"Ottilien war in ihrer halb theatraliſchen Lage bisher die groͤßte Beruhigung geweſen, daß außer Charlotten und wenigen Hausgenoſſen Niemand dieſer frommen Kunſtmummerey zugeſehen.","norm":"Ottilie war in ihrer halb theatralischen Lage bisher die größte Beruhigung gewesen, dass außer Charlotten und wenigen Hausgenossen niemand dieser frommen Kunstmummerei zugesehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":648,"orig":"Sie wurde daher einigermaßen betroffen, als ſie in der Zwiſchenzeit vernahm, es ſey ein Fremder angekommen, im Saale von Charlotten freundlich begruͤßt.","norm":"Sie wurde daher einigermaßen betroffen, als sie in der Zwischenzeit vernahm, es sei ein Fremder angekommen, im Saale von Charlotten freundlich begrüßt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":649,"orig":"Wer es war, konnte man ihr nicht ſagen.","norm":"Wer es war, konnte man ihr nicht sagen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":650,"orig":"Sie ergab ſich darein, um keine Stoͤrung zu verurſachen.","norm":"Sie ergab sich darein, um keine Störung zu verursachen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":651,"orig":"Lichter und Lampen brannten und eine ganz unendliche Hellung umgab ſie.","norm":"Lichter und Lampen brannten und eine ganz unendliche Hellung umgab sie."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":652,"orig":"Der Vorhang ging auf, fuͤr die Zuſchauenden ein uͤberraſchender Anblick: das ganze Bild war alles Licht, und ſtatt des voͤllig aufgehobenen Schattens blieben nur die Farben uͤbrig, die bey der klugen Auswahl eine liebliche Maͤßigung hervorbrachten.","norm":"Der Vorhang ging auf, für die Zuschauenden ein überraschender Anblick: Das ganze Bild war alles Licht, und statt des völlig aufgehobenen Schattens blieben nur die Farben übrig, die bei der klugen Auswahl eine liebliche Mäßigung hervorbrachten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":653,"orig":"Unter ihren langen Augenwimpern hervorblickend bemerkte Ottilie eine Mannsperſon neben Charlotten ſitzend.","norm":"Unter ihren langen Augenwimpern hervorblickend bemerkte Ottilie eine Mannsperson neben Charlotten sitzend."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":654,"orig":"Sie erkannte ihn nicht, aber ſie glaubte die Stimme des Gehuͤlfen aus der Penſion zu hoͤren.","norm":"Sie erkannte ihn nicht, aber sie glaubte die Stimme des Gehilfen aus der Pension zu hören."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":655,"orig":"Eine wunderbare Empfindung ergriff ſie.","norm":"Eine wunderbare Empfindung ergriff sie."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":656,"orig":"Wie vieles war begegnet, ſeitdem ſie die Stimme dieſes treuen Lehrers nicht vernommen!","norm":"Wie vieles war begegnet, seitdem sie die Stimme dieses treuen Lehrers nicht vernommen!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":657,"orig":"Wie im zackigen Blitz fuhr die Reihe ihrer Freuden und Leiden ſchnell vor ihrer Seele vorbey und regte die Frage auf: darfſt du ihm alles bekennen und geſtehen?","norm":"Wie im zackigen Blitz fuhr die Reihe ihrer Freuden und Leiden schnell vor ihrer Seele vorbei und regte die Frage auf: Darfst du ihm alles bekennen und gestehen?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":658,"orig":"Und wie wenig werth biſt du unter dieſer heiligen Geſtalt vor ihm zu erſcheinen, und wie ſeltſam muß es ihm vorkommen, dich die er nur natuͤrlich geſehen, als Maske zu erblicken?","norm":"Und wie wenig wert bist du unter dieser heiligen Gestalt vor ihm zu erscheinen, und wie seltsam muss es ihm vorkommen, dich die er nur natürlich gesehen, als Maske zu erblicken?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":659,"orig":"Mit einer Schnelligkeit die keines gleichen hat, wirkten Gefuͤhl und Betrachtung in ihr gegeneinander.","norm":"Mit einer Schnelligkeit die keinesgleichen hat, wirkten Gefühl und Betrachtung in ihr gegeneinander."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":660,"orig":"Ihr Herz war befangen, ihre Augen fuͤllten ſich mit Thraͤnen, indem ſie ſich zwang immerfort als ein ſtarres Bild zu erſcheinen; und wie froh war ſie, als der Knabe ſich zu regen anfing, und der Kuͤnſtler ſich genoͤthigt ſah das Zeichen zu geben, daß der Vorhang wieder fallen ſollte.","norm":"Ihr Herz war befangen, ihre Augen füllten sich mit Tränen, indem sie sich zwang immerfort als ein starres Bild zu erscheinen; und wie froh war sie, als der Knabe sich zu regen anfing, und der Künstler sich genötigt sah das Zeichen zu geben, dass der Vorhang wieder fallen sollte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":661,"orig":"Hatte das peinliche Gefuͤhl, einem werthen Freunde nicht entgegeneilen zu koͤnnen, ſich ſchon die letzten Augenblicke zu den uͤbrigen Empfindungen Ottiliens geſellt, ſo war ſie jetzt in noch groͤßerer Verlegenheit.","norm":"Hatte das peinliche Gefühl, einem werten Freunde nicht entgegeneilen zu können, sich schon die letzten Augenblicke zu den übrigen Empfindungen Ottilies gesellt, so war sie jetzt in noch größerer Verlegenheit."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":662,"orig":"Sollte ſie in dieſem fremden Anzug und Schmuck ihm entgegengehn?","norm":"Sollte sie in diesem fremden Anzug und Schmuck ihm entgegengehn?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":663,"orig":"ſollte ſie ſich umkleiden?","norm":"Sollte sie sich umkleiden?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":664,"orig":"Sie waͤhlte nicht, ſie that das letzte und ſuchte ſich in der Zwiſchenzeit zuſammenzunehmen, ſich zu beruhigen, und war nur erſt wieder mit ſich ſelbſt in Einſtimmung als ſie endlich im gewohnten Kleide den Angekommenen begruͤßte.","norm":"Sie wählte nicht, sie tat das letzte und suchte sich in der Zwischenzeit zusammenzunehmen, sich zu beruhigen, und war nur erst wieder mit sich selbst in Einstimmung als sie endlich im gewohnten Kleide den Angekommenen begrüßte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":665,"orig":"Inſofern der Architect ſeinen Goͤnnerinnen das Beſte wuͤnſchte, war es ihm angenehm, da er doch endlich ſcheiden mußte, ſie in der guten Geſellſchaft des ſchaͤtzbaren Gehuͤlfen zu wiſſen; indem er jedoch ihre Gunſt auf ſich ſelbſt bezog, empfand er es einigermaßen ſchmerzhaft, ſich ſobald, und wie es ſeiner Beſcheidenheit duͤnken mochte, ſo gut, ja vollkommen, erſetzt zu ſehen.","norm":"Insofern der Architekt seinen Gönnerinnen das Beste wünschte, war es ihm angenehm, da er doch endlich scheiden musste, sie in der guten Gesellschaft des schätzbaren Gehilfen zu wissen; indem er jedoch ihre Gunst auf sich selbst bezog, empfand er es einigermaßen schmerzhaft, sich sobald, und wie es seiner Bescheidenheit dünken mochte, so gut, ja vollkommen, ersetzt zu sehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":666,"orig":"Er hatte noch immer gezaudert, nun aber draͤngte es ihn hinweg: denn was er ſich nach ſeiner Entfernung mußte gefallen laſſen, das wollte er wenigſtens gegenwaͤrtig nicht erleben.","norm":"Er hatte noch immer gezaudert, nun aber drängte es ihn hinweg: denn was er sich nach seiner Entfernung musste gefallen lassen, das wollte er wenigstens gegenwärtig nicht erleben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":667,"orig":"Zu großer Erheiterung dieſer halb traurigen Gefuͤhle machten ihm die Damen beym Abſchiede noch ein Geſchenk mit einer Weſte, an der er ſie beyde lange Zeit hatte ſtricken ſehen, mit einem ſtillen Neid uͤber den unbekannten Gluͤcklichen dem ſie dereinſt werden koͤnnte.","norm":"Zu großer Erheiterung dieser halb traurigen Gefühle machten ihm die Damen beim Abschiede noch ein Geschenk mit einer Weste, an der er sie beide lange Zeit hatte stricken sehen, mit einem stillen Neid über den unbekannten Glücklichen dem sie dereinst werden könnte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":668,"orig":"Eine ſolche Gabe iſt die angenehmſte die ein liebender, verehrender Mann erhalten mag: denn wenn er dabey des unermuͤdeten Spiels der ſchoͤnen Finger gedenkt, ſo kann er nicht umhin ſich zu ſchmeicheln, das Herz werde bey einer ſo anhaltenden Arbeit doch auch nicht ganz ohne Theilnahme geblieben ſeyn.","norm":"Eine solche Gabe ist die angenehmste die ein liebender, verehrender Mann erhalten mag: denn wenn er dabei des unermüdeten Spiels der schönen Finger gedenkt, so kann er nicht umhin sich zu schmeicheln, das Herz werde bei einer so anhaltenden Arbeit doch auch nicht ganz ohne Teilnahme geblieben sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":669,"orig":"Die Frauen hatten nun einen neuen Mann zu bewirthen, dem ſie wohlwollten und dem es bey ihnen wohl werden ſollte.","norm":"Die Frauen hatten nun einen neuen Mann zu bewirten, dem sie wohlwollten und dem es bei ihnen wohl werden sollte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":670,"orig":"Das weibliche Geſchlecht hegt ein eignes inneres unwandelbares Intereſſe, von dem ſie nichts in der Welt abtruͤnnig macht; im aͤußern geſelligen Verhaͤltniß hingegen laſſen ſie ſich gern und leicht durch den Mann beſtimmen der ſie eben beſchaͤftigt, und ſo durch Abweiſen wie durch Empfaͤnglichkeit, durch Beharren und Nachgiebigkeit fuͤhren ſie eigentlich das Regiment, dem ſich in der geſitteten Welt kein Mann zu entziehen wagt.","norm":"Das weibliche Geschlecht hegt ein eigenes inneres unwandelbares Interesse, von dem sie nichts in der Welt abtrünnig macht; im äußeren geselligen Verhältnis hingegen lassen sie sich gern und leicht durch den Mann bestimmen der sie eben beschäftigt, und so durch Abweisen wie durch Empfänglichkeit, durch Beharren und Nachgiebigkeit führen sie eigentlich das Regiment, dem sich in der gesitteten Welt kein Mann zu entziehen wagt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":671,"orig":"Hatte der Architect, gleichſam nach eigener Luſt und Belieben, ſeine Talente vor den Freundinnen zum Vergnuͤgen und zu den Zwecken derſelben geuͤbt und bewieſen; war Beſchaͤftigung und Unterhaltung in dieſem Sinne und nach ſolchen Abſichten eingerichtet: ſo machte ſich in kurzer Zeit durch die Gegenwart des Gehuͤlfen eine andre Lebensweiſe.","norm":"Hatte der Architekt, gleichsam nach eigener Lust und Belieben, seine Talente vor den Freundinnen zum Vergnügen und zu den Zwecken derselben geübt und bewiesen; war Beschäftigung und Unterhaltung in diesem Sinne und nach solchen Absichten eingerichtet: so machte sich in kurzer Zeit durch die Gegenwart des Gehilfen eine andere Lebensweise."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":672,"orig":"Seine große Gabe war, gut zu ſprechen und menſchliche Verhaͤltniſſe, beſonders in Bezug auf Bildung der Jugend, in der Unterredung zu behandeln.","norm":"Seine große Gabe war, gut zu sprechen und menschliche Verhältnisse, besonders in Bezug auf Bildung der Jugend, in der Unterredung zu behandeln."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":673,"orig":"Und ſo entſtand gegen die bisherige Art zu leben ein ziemlich fuͤhlbarer Gegenſatz, um ſo mehr als der Gehuͤlfe nicht ganz dasjenige billigte, womit man ſich die Zeit uͤber ausſchließlich beſchaͤftigt hatte.","norm":"Und so entstand gegen die bisherige Art zu leben ein ziemlich fühlbarer Gegensatz, um so mehr als der Gehilfe nicht ganz dasjenige billigte, womit man sich die Zeit über ausschließlich beschäftigt hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":674,"orig":"Von dem lebendigen Gemaͤlde das ihn bey ſeiner Ankunft empfing, ſprach er gar nicht.","norm":"Von dem lebendigen Gemälde das ihn bei seiner Ankunft empfing, sprach er gar nicht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":675,"orig":"Als man ihm hingegen Kirche, Capelle und was ſich darauf bezog, mit Zufriedenheit ſehen ließ, konnte er ſeine Meynung, ſeine Geſinnungen daruͤber nicht zuruͤckhalten.","norm":"Als man ihm hingegen Kirche, Kapelle und was sich darauf bezog, mit Zufriedenheit sehen ließ, konnte er seine Meinung, seine Gesinnungen darüber nicht zurückhalten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":676,"orig":"Was mich betrifft, ſagte er, ſo will mir dieſe Annaͤherung, dieſe Vermiſchung des Heiligen zu und mit dem Sinnlichen keineswegs gefallen, nicht gefallen, daß man ſich gewiſſe beſondre Raͤume widmet, weihet und aufſchmuͤckt, um erſt dabey ein Gefuͤhl der Froͤmmigkeit zu hegen und zu unterhalten.","norm":"Was mich betrifft, sagte er, so will mir diese Annäherung, diese Vermischung des Heiligen zu und mit dem Sinnlichen keineswegs gefallen, nicht gefallen, dass man sich gewisse besondere Räume widmet, weihet und aufschmückt, um erst dabei ein Gefühl der Frömmigkeit zu hegen und zu unterhalten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":677,"orig":"Keine Umgebung, ſelbſt die gemeinſte nicht, ſoll in uns das Gefuͤhl des Goͤttlichen ſtoͤren, das uns uͤberall hin begleiten und jede Staͤtte zu einem Tempel einweihen kann.","norm":"Keine Umgebung, selbst die gemeinste nicht, soll in uns das Gefühl des Göttlichen stören, das uns überallhin begleiten und jede Stätte zu einem Tempel einweihen kann."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":678,"orig":"Ich mag gern einen Hausgottesdienſt in dem Saale gehalten ſehen, wo man zu ſpeiſen, ſich geſellig zu verſammeln, mit Spiel und Tanz zu ergetzen pflegt.","norm":"Ich mag gern einen Hausgottesdienst in dem Saale gehalten sehen, wo man zu speisen, sich gesellig zu versammeln, mit Spiel und Tanz zu ergötzen pflegt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":679,"orig":"Das Hoͤchſte, das Vorzuͤglichſte am Menſchen iſt geſtaltlos, und man ſoll ſich huͤthen es anders als in edler That zu geſtalten.","norm":"Das Höchste, das Vorzüglichste am Menschen ist gestaltlos, und man soll sich hüten es anders als in edler Tat zu gestalten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":680,"orig":"Charlotte, die ſeine Geſinnungen ſchon im Ganzen kannte und ſie noch mehr in kurzer Zeit erforſchte, brachte ihn gleich in ſeinem Fache zur Thaͤtigkeit, indem ſie ihre Gartenknaben, welche der Architect vor ſeiner Abreiſe eben gemuſtert hatte, in dem großen Saal aufmarſchiren ließ; da ſie ſich denn in ihren heitern reinlichen Uniformen, mit geſetzlichen Bewegungen und einem natuͤrlichen lebhaften Weſen, ſehr gut ausnahmen.","norm":"Charlotte, die seine Gesinnungen schon im Ganzen kannte und sie noch mehr in kurzer Zeit erforschte, brachte ihn gleich in seinem Fache zur Tätigkeit, indem sie ihre Gartenknaben, welche der Architekt vor seiner Abreise eben gemustert hatte, in dem großen Saal aufmarschieren ließ; da sie sich denn in ihren heiteren reinlichen Uniformen, mit gesetzlichen Bewegungen und einem natürlichen lebhaften Wesen, sehr gut ausnahmen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":681,"orig":"Der Gehuͤlfe pruͤfte ſie nach ſeiner Weiſe, und hatte durch mancherley Fragen und Wendungen gar bald die Gemuͤthsarten und Faͤhigkeiten der Kinder zu Tage gebracht, und ohne daß es ſo ſchien, in Zeit von weniger als einer Stunde, ſie wirklich bedeutend unterrichtet und gefoͤrdert.","norm":"Der Gehilfe prüfte sie nach seiner Weise, und hatte durch mancherlei Fragen und Wendungen gar bald die Gemütsarten und Fähigkeiten der Kinder zutage gebracht, und ohne dass es so schien, in Zeit von weniger als einer Stunde, sie wirklich bedeutend unterrichtet und gefördert."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":682,"orig":"Wie machen Sie das nur?","norm":"Wie machen Sie das nur?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":683,"orig":"ſagte Charlotte, indem die Knaben wegzogen.","norm":"sagte Charlotte, indem die Knaben wegzogen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":684,"orig":"Ich habe ſehr aufmerkſam zugehoͤrt; es ſind nichts als ganz bekannte Dinge vorgekommen, und doch wuͤßte ich nicht, wie ich es anfangen ſollte, ſie in ſo kurzer Zeit, bey ſo vielem Hin- und Wiederreden, in ſolcher Folge zur Sprache zu bringen.","norm":"Ich habe sehr aufmerksam zugehört; es sind nichts als ganz bekannte Dinge vorgekommen, und doch wüsste ich nicht, wie ich es anfangen sollte, sie in so kurzer Zeit, bei so vielem Hin- und Widerreden, in solcher Folge zur Sprache zu bringen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":685,"orig":"Vielleicht ſollte man, verſetzte der Gehuͤlfe, aus den Vortheilen ſeines Handwerks ein Geheimniß machen.","norm":"Vielleicht sollte man, versetzte der Gehilfe, aus den Vorteilen seines Handwerks ein Geheimnis machen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":686,"orig":"Doch kann ich Ihnen die ganz einfache Maxime nicht verbergen, nach der man dieſes und noch viel mehr zu leiſten vermag.","norm":"Doch kann ich Ihnen die ganz einfache Maxime nicht verbergen, nach der man dieses und noch viel mehr zu leisten vermag."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":687,"orig":"Faſſen Sie einen Gegenſtand, eine Materie, einen Begriff, wie man es nennen will; halten Sie ihn recht feſt; machen Sie ſich ihn in allen ſeinen Theilen recht deutlich, und dann wird es Ihnen leicht ſeyn, Geſpraͤchsweiſe, an einer Maſſe Kinder zu erfahren was ſich davon ſchon in ihnen entwickelt hat, was noch anzuregen, zu uͤberliefern iſt.","norm":"Fassen Sie einen Gegenstand, eine Materie, einen Begriff, wie man es nennen will; halten Sie ihn recht fest; machen Sie sich ihn in allen seinen Teilen recht deutlich, und dann wird es Ihnen leicht sein, Gesprächsweise, an einer Masse Kinder zu erfahren was sich davon schon in ihnen entwickelt hat, was noch anzuregen, zu überliefern ist."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":688,"orig":"Die Antworten auf Ihre Fragen moͤgen noch ſo ungehoͤrig ſeyn, moͤgen noch ſo ſehr ins Weite gehen, wenn nur ſodann Ihre Gegenfrage Geiſt und Sinn wieder hereinwaͤrts zieht, wenn Sie ſich nicht von Ihrem Standpunkte verruͤcken laſſen; ſo muͤſſen die Kinder zuletzt denken, begreifen, ſich uͤberzeugen, nur von dem was und wie es der Lehrende will.","norm":"Die Antworten auf Ihre Fragen mögen noch so ungehörig sein, mögen noch so sehr ins Weite gehen, wenn nur sodann Ihre Gegenfrage Geist und Sinn wieder hereinwärts zieht, wenn Sie sich nicht von Ihrem Standpunkte verrücken lassen; so müssen die Kinder zuletzt denken, begreifen, sich überzeugen, nur von dem was und wie es der Lehrende will."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":689,"orig":"Sein groͤßter Fehler iſt der, wenn er ſich von den Lernenden mit in die Weite reißen laͤßt, wenn er ſie nicht auf dem Punkte feſtzuhalten weiß den er eben jetzt behandelt.","norm":"Sein größter Fehler ist der, wenn er sich von den Lernenden mit in die Weite reißen lässt, wenn er sie nicht auf dem Punkte festzuhalten weiß den er eben jetzt behandelt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":690,"orig":"Machen Sie naͤchſtens einen Verſuch und es wird zu Ihrer großen Unterhaltung dienen.","norm":"Machen sie nächstens einen Versuch und es wird zu Ihrer großen Unterhaltung dienen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":691,"orig":"Das iſt artig, ſagte Charlotte: die gute Paͤdagogik iſt alſo gerade das Umgekehrte von der guten Lebensart.","norm":"Das ist artig, sagte Charlotte: Die gute Pädagogik ist also gerade das Umgekehrte von der guten Lebensart."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":692,"orig":"In der Geſellſchaft ſoll man auf nichts verweilen, und bey dem Unterricht waͤre das hoͤchſte Gebot, gegen alle Zerſtreuung zu arbeiten.","norm":"In der Gesellschaft soll man auf nichts verweilen, und bei dem Unterricht wäre das höchste Gebot, gegen alle Zerstreuung zu arbeiten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":693,"orig":"Abwechſelung ohne Zerſtreuung waͤre fuͤr Lehre und Leben der ſchoͤnſte Wahlſpruch, wenn dieſes loͤbliche Gleichgewicht nur ſo leicht zu erhalten waͤre!","norm":"Abwechselung ohne Zerstreuung wäre für Lehre und Leben der schönste Wahlspruch, wenn dieses löbliche Gleichgewicht nur so leicht zu erhalten wäre!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":694,"orig":"ſagte der Gehuͤlfe, und wollte weiter fortfahren als ihn Charlotte aufrief, die Knaben nochmals zu betrachten, deren munterer Zug ſich ſo eben uͤber den Hof bewegte.","norm":"sagte der Gehilfe, und wollte weiter fortfahren als ihn Charlotte aufrief, die Knaben nochmals zu betrachten, deren munterer Zug sich soeben über den Hof bewegte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":695,"orig":"Er bezeigte ſeine Zufriedenheit, daß man die Kinder in Uniform zu gehen anhalte.","norm":"Er bezeigte seine Zufriedenheit, dass man die Kinder in Uniform zu gehen anhalte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":696,"orig":"Maͤnner — ſo ſagte er — ſollten von Jugend auf Uniform tragen, weil ſie ſich gewoͤhnen muͤſſen zuſammen zu handeln, ſich unter ihres Gleichen zu verlieren, in Maſſe zu gehorchen und ins Ganze zu arbeiten.","norm":"Männer — so sagte er — sollten von Jugend auf Uniform tragen, weil sie sich gewöhnen müssen zusammen zu handeln, sich unter ihresgleichen zu verlieren, in Masse zu gehorchen und ins Ganze zu arbeiten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":697,"orig":"Auch befoͤrdert jede Art von Uniform einen militaͤriſchen Sinn, ſo wie ein knapperes ſtrackeres Betragen, und alle Knaben ſind ja ohnehin geborne Soldaten: man ſehe nur ihre Kampf- und Streitſpiele, ihr Erſtuͤrmen und Erklettern.","norm":"Auch befördert jede Art von Uniform einen militärischen Sinn, sowie ein knapperes strackeres Betragen, und alle Knaben sind ja ohnehin geborene Soldaten: Man sehe nur ihre Kampf- und Streitspiele, ihr Erstürmen und Erklettern."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":698,"orig":"So werden Sie mich dagegen nicht tadeln, verſetzte Ottilie, daß ich meine Maͤdchen nicht uͤberein kleide.","norm":"So werden Sie mich dagegen nicht tadeln, versetzte Ottilie, dass ich meine Mädchen nicht überein kleide."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":699,"orig":"Wenn ich ſie Ihnen vorfuͤhre, hoffe ich Sie durch ein buntes Gemiſch zu ergetzen.","norm":"Wenn ich sie Ihnen vorführe, hoffe ich Sie durch ein buntes Gemisch zu ergötzen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":700,"orig":"Ich billige das ſehr, verſetzte jener.","norm":"Ich billige das sehr, versetzte jener."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":701,"orig":"Frauen ſollten durchaus mannigfaltig gekleidet gehen: jede nach eigner Art und Weiſe, damit eine Jede fuͤhlen lernte, was ihr eigentlich gut ſtehe und wohl zieme.","norm":"Frauen sollten durchaus mannigfaltig gekleidet gehen: jede nach eigener Art und Weise, damit eine Jede fühlen lernte, was ihr eigentlich gut stehe und wohl zieme."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":702,"orig":"Eine wichtigere Urſache iſt noch die: weil ſie beſtimmt ſind, ihr ganzes Leben allein zu ſtehen und allein zu handeln.","norm":"Eine wichtigere Ursache ist noch die: weil sie bestimmt sind, ihr ganzes Leben allein zu stehen und allein zu handeln."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":703,"orig":"Das ſcheint mir ſehr paradox, verſetzte Charlotte; ſind wir doch faſt niemals fuͤr uns.","norm":"Das scheint mir sehr paradox, versetzte Charlotte; sind wir doch fast niemals für uns."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":704,"orig":"O ja!","norm":"O ja!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":705,"orig":"verſetzte der Gehuͤlfe, in Abſicht auf andre Frauen ganz gewiß.","norm":"versetzte der Gehilfe, in Absicht auf andere Frauen ganz gewiss."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":706,"orig":"Man betrachte ein Frauenzimmer als Liebende, als Braut, als Frau, Hausfrau und Mutter, immer ſteht ſie iſolirt, immer iſt ſie allein, und will allein ſeyn.","norm":"Man betrachte ein Frauenzimmer als Liebende, als Braut, als Frau, Hausfrau und Mutter, immer steht sie isoliert, immer ist sie allein, und will allein sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":707,"orig":"Ja die Eitle ſelbſt iſt in dem Falle.","norm":"Ja die Eitle selbst ist in dem Falle."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":708,"orig":"Jede Frau ſchließt die andre aus, ihrer Natur nach: denn von Jeder wird alles gefordert, was dem ganzen Geſchlechte zu leiſten obliegt.","norm":"Jede Frau schließt die andere aus, ihrer Natur nach: denn von jeder wird alles gefordert, was dem ganzen Geschlecht zu leisten obliegt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":709,"orig":"Nicht ſo verhaͤlt es ſich mit den Maͤnnern.","norm":"Nicht so verhält es sich mit den Männern."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":710,"orig":"Der Mann verlangt den Mann; er wuͤrde ſich einen zweyten erſchaffen, wenn es keinen gaͤbe: eine Frau koͤnnte eine Ewigkeit leben, ohne daran zu denken, ſich ihres Gleichen hervorzubringen.","norm":"Der Mann verlangt den Mann; er würde sich einen zweiten erschaffen, wenn es keinen gäbe: Eine Frau könnte eine Ewigkeit leben, ohne daran zu denken, sich ihresgleichen hervorzubringen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":711,"orig":"Man darf, ſagte Charlotte, das Wahre nur wunderlich ſagen; ſo ſcheint zuletzt das Wunderliche auch wahr.","norm":"Man darf, sagte Charlotte, das Wahre nur wunderlich sagen; so scheint zuletzt das Wunderliche auch wahr."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":712,"orig":"Wir wollen uns aus Ihren Bemerkungen das Beſte herausnehmen und doch als Frauen mit Frauen zuſammenhalten, und auch gemeinſam wirken, um den Maͤnnern nicht allzu große Vorzuͤge uͤber uns einzuraͤumen.","norm":"Wir wollen uns aus Ihren Bemerkungen das Beste herausnehmen und doch als Frauen mit Frauen zusammenhalten, und auch gemeinsam wirken, um den Männern nicht allzu große Vorzüge über uns einzuräumen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":713,"orig":"Ja Sie werden uns eine kleine Schadenfreude nicht uͤbel nehmen, die wir kuͤnftig um deſto lebhafter empfinden muͤſſen, wenn ſich die Herren untereinander auch nicht ſonderlich vertragen.","norm":"Ja Sie werden uns eine kleine Schadenfreude nicht übelnehmen, die wir künftig um desto lebhafter empfinden müssen, wenn sich die Herren untereinander auch nicht sonderlich vertragen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":714,"orig":"Mit vieler Sorgfalt unterſuchte der verſtaͤndige Mann nunmehr die Art, wie Ottilie ihre kleinen Zoͤglinge behandelte, und bezeigte daruͤber ſeinen entſchiedenen Beyfall.","norm":"Mit vieler Sorgfalt untersuchte der verständige Mann nunmehr die Art, wie Ottilie ihre kleinen Zöglinge behandelte, und bezeigte darüber seinen entschiedenen Beifall."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":715,"orig":"Sehr richtig heben Sie, ſagte er, Ihre Untergebenen nur zur naͤchſten Brauchbarkeit heran.","norm":"Sehr richtig heben Sie, sagte er, Ihre Untergebenen nur zur nächsten Brauchbarkeit heran."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":716,"orig":"Reinlichkeit veranlaßt die Kinder mit Freuden etwas auf ſich ſelbſt zu halten, und alles iſt gewonnen, wenn ſie das was ſie thun, mit Munterkeit und Selbſtgefuͤhl zu leiſten angeregt ſind.","norm":"Reinlichkeit veranlasst die Kinder mit Freuden etwas auf sich selbst zu halten, und alles ist gewonnen, wenn sie das was sie tun, mit Munterkeit und Selbstgefühl zu leisten angeregt sind."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":717,"orig":"Uebrigens fand er zu ſeiner großen Befriedigung nichts auf den Schein und nach außen gethan, ſondern alles nach innen und fuͤr die unerlaͤßlichen Beduͤrfniſſe.","norm":"Übrigens fand er zu seiner großen Befriedigung nichts auf den Schein und nach außen getan, sondern alles nach innen und für die unerlässlichen Bedürfnisse."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":718,"orig":"Mit wie wenig Worten, rief er aus, ließe ſich das ganze Erziehungsgeſchaͤft ausſprechen, wenn Jemand Ohren haͤtte zu hoͤren.","norm":"Mit wie wenig Worten, rief er aus, ließe sich das ganze Erziehungsgeschäft aussprechen, wenn jemand Ohren hätte zu hören."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":719,"orig":"Moͤgen Sie es nicht mit mir verſuchen, ſagte freundlich Ottilie.","norm":"Mögen Sie es nicht mit mir versuchen, sagte freundlich Ottilie."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":720,"orig":"Recht gern, verſetzte Jener, nur muͤſſen Sie mich nicht verrathen.","norm":"Recht gern, versetzte jener, nur müssen Sie mich nicht verraten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":721,"orig":"Man erziehe die Knaben zu Dienern und die Maͤdchen zu Muͤttern, ſo wird es uͤberall wohl ſtehn.","norm":"Man erziehe die Knaben zu Dienern und die Mädchen zu Müttern, so wird es überall wohlstehn."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":722,"orig":"Zu Muͤttern, verſetzte Ottilie, das koͤnnten die Frauen noch hingehen laſſen, da ſie ſich, ohne Muͤtter zu ſeyn, doch immer einrichten muͤſſen, Waͤrterinnen zu werden; aber freylich zu Dienern wuͤrden ſich unſre jungen Maͤnner viel zu gut halten, da man Jedem leicht anſehen kann, daß er ſich zum Gebieten faͤhiger duͤnkt.","norm":"Zu Müttern, versetzte Ottilie, das könnten die Frauen noch hingehen lassen, da sie sich, ohne Mütter zu sein, doch immer einrichten müssen, Wärterinnen zu werden; aber freilich zu Dienern würden sich unsere jungen Männer viel zu gut halten, da man Jedem leicht ansehen kann, dass er sich zum Gebieten fähiger dünkt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":723,"orig":"Deswegen wollen wir es ihnen verſchweigen, ſagte der Gehuͤlfe.","norm":"Deswegen wollen wir es ihnen verschweigen, sagte der Gehilfe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":724,"orig":"Man ſchmeichelt ſich ins Leben hinein, aber das Leben ſchmeichelt uns nicht.","norm":"Man schmeichelt sich ins Leben hinein, aber das Leben schmeichelt uns nicht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":725,"orig":"Wie viel Menſchen moͤgen denn das freywillig zugeſtehen, was ſie am Ende doch muͤſſen?","norm":"Wie viel Menschen mögen denn das freiwillig zugestehen, was sie am Ende doch müssen?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":726,"orig":"Laſſen wir aber dieſe Betrachtungen, die uns hier nicht beruͤhren.","norm":"Lassen wir aber diese Betrachtungen, die uns hier nicht berühren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":727,"orig":"Ich preiſe Sie gluͤcklich, daß Sie bey Ihren Zoͤglingen ein richtiges Verfahren anwenden koͤnnen.","norm":"Ich preise Sie glücklich, dass Sie bei Ihren Zöglingen ein richtiges Verfahren anwenden können."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":728,"orig":"Wenn Ihre kleinſten Maͤdchen ſich mit Puppen herumtragen und einige Laͤppchen fuͤr ſie zuſammenflicken; wenn aͤltere Geſchwiſter alsdann fuͤr die juͤngeren ſorgen, und das Haus ſich in ſich ſelbſt bedient und aufhilft: dann iſt der weitere Schritt ins Leben nicht groß, und ein ſolches Maͤdchen findet bey ihrem Gatten, was ſie bey ihren Aeltern verließ.","norm":"Wenn Ihre kleinsten Mädchen sich mit Puppen herumtragen und einige Läppchen für sie zusammenflicken; wenn ältere Geschwister alsdann für die jüngeren Sorgen, und das Haus sich in sich selbst bedient und aufhilft: dann ist der weitere Schritt ins Leben nicht groß, und ein solches Mädchen findet bei ihrem Gatten, was sie bei ihren Eltern verließ."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":729,"orig":"Aber in den gebildeten Staͤnden iſt die Aufgabe ſehr verwickelt.","norm":"Aber in den gebildeten Ständen ist die Aufgabe sehr verwickelt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":730,"orig":"Wir haben auf hoͤhere, zartere, feinere, beſonders auf geſellſchaftliche Verhaͤltniſſe Ruͤckſicht zu nehmen.","norm":"Wir haben auf höhere, zartere, feinere, besonders auf gesellschaftliche Verhältnisse Rücksicht zu nehmen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":731,"orig":"Wir andern ſollen daher unſre Zoͤglinge nach außen bilden; es iſt nothwendig, es iſt unerlaͤßlich und moͤchte recht gut ſeyn, wenn man dabey nicht das Maaß uͤberſchritte: denn indem man die Kinder fuͤr einen weiteren Kreis zu bilden gedenkt, treibt man ſie leicht ins Graͤnzenloſe, ohne im Auge zu behalten was denn eigentlich die innere Natur fordert.","norm":"Wir anderen sollen daher unsere Zöglinge nach außen bilden; es ist notwendig, es ist unerlässlich und möchte recht gut sein, wenn man dabei nicht das Maß überschritte: denn indem man die Kinder für einen weiteren Kreis zu bilden gedenkt, treibt man sie leicht ins Grenzenlose, ohne im Auge zu behalten was denn eigentlich die innere Natur fordert."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":732,"orig":"Hier liegt die Aufgabe, welche mehr oder weniger von den Erziehern geloͤſt oder verfehlt wird.","norm":"Hier liegt die Aufgabe, welche mehr oder weniger von den Erziehern gelöst oder verfehlt wird."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":733,"orig":"Bey Manchem womit wir unſere Schuͤlerinnen in der Penſion ausſtatten, wird mir bange, weil die Erfahrung mir ſagt, von wie geringem Gebrauch es kuͤnftig ſeyn werde.","norm":"Bei Manchem womit wir unsere Schülerinnen in der Pension ausstatten, wird mir bange, weil die Erfahrung mir sagt, von wie geringem Gebrauch es künftig sein werde."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":734,"orig":"Was wird nicht gleich abgeſtreift, was nicht gleich der Vergeſſenheit uͤberantwortet ſobald ein Frauenzimmer ſich im Stande der Hausfrau, der Mutter befindet!","norm":"Was wird nicht gleich abgestreift, was nicht gleich der Vergessenheit überantwortet sobald ein Frauenzimmer sich im Stande der Hausfrau, der Mutter befindet!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":735,"orig":"Indeſſen kann ich mir den frommen Wunſch nicht verſagen, da ich mich einmal dieſem Geſchaͤft gewidmet habe, daß es mir dereinſt in Geſellſchaft einer treuen Gehuͤlfinn gelingen moͤge, an meinen Zoͤglingen dasjenige rein auszubilden was ſie beduͤrfen, wenn ſie in das Feld eigener Thaͤtigkeit und Selbſtaͤndigkeit hinuͤberſchreiten; daß ich mir ſagen koͤnnte: in dieſem Sinne iſt an ihnen die Erziehung vollendet.","norm":"Indessen kann ich mir den frommen Wunsch nicht versagen, da ich mich einmal diesem Geschäft gewidmet habe, dass es mir dereinst in Gesellschaft einer treuen Gehilfin gelingen möge, an meinen Zöglingen dasjenige rein auszubilden was sie bedürfen, wenn sie in das Feld eigener Tätigkeit und Selbständigkeit hinüberschreiten; dass ich mir sagen könnte: in diesem Sinne ist an ihnen die Erziehung vollendet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":736,"orig":"Freylich ſchließt ſich eine andre immer wieder an, die beynahe mit jedem Jahre unſers Lebens, wo nicht von uns ſelbſt, doch von den Umſtaͤnden veranlaßt wird.","norm":"Freilich schließt sich eine andere immer wieder an, die beinahe mit jedem Jahre unseres Lebens, wo nicht von uns selbst, doch von den Umständen veranlasst wird."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":737,"orig":"Wie wahr fand Ottilie dieſe Bemerkung!","norm":"Wie wahr fand Ottilie diese Bemerkung!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":738,"orig":"Was hatte nicht eine ungeahndete Leidenſchaft im vergangenen Jahr an ihr erzogen!","norm":"Was hatte nicht eine ungeahnte Leidenschaft im vergangenen Jahr an ihr erzogen!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":739,"orig":"was ſah ſie nicht alles fuͤr Pruͤfungen vor ſich ſchweben, wenn ſie nur aufs naͤchſte, aufs naͤchſt kuͤnftige hinblickte!","norm":"Was sah sie nicht alles für Prüfungen vor sich schweben, wenn sie nur aufs Nächste, aufs Nächstkünftige hinblickte!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":740,"orig":"Der junge Mann hatte nicht ohne Vorbedacht, einer Gehuͤlfinn, einer Gattinn erwaͤhnt: denn bey aller ſeiner Beſcheidenheit konnte er nicht unterlaſſen, ſeine Abſichten auf eine entfernte Weiſe anzudeuten; ja er war durch mancherley Umſtaͤnde und Vorfaͤlle aufgeregt worden, bey dieſem Beſuch einige Schritte ſeinem Ziele naͤher zu thun.","norm":"Der junge Mann hatte nicht ohne vorbedacht, einer Gehilfin, einer Gattin erwähnt: denn bei aller seiner Bescheidenheit konnte er nicht unterlassen, seine Absichten auf eine entfernte Weise anzudeuten; ja er war durch mancherlei Umstände und Vorfälle aufgeregt worden, bei diesem Besuche einige Schritte seinem Ziele näher zu tun."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":741,"orig":"Die Vorſteherinn der Penſion war bereits in Jahren, ſie hatte ſich unter ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ſchon lange nach einer Perſon umgeſehen, die eigentlich mit ihr in Geſellſchaft traͤte, und zuletzt dem Gehuͤlfen, dem ſie zu vertrauen hoͤchlich Urſache hatte, den Antrag gethan: er ſolle mit ihr die Lehranſtalt fortfuͤhren, darin als in dem Seinigen mitwirken, und nach ihrem Tode als Erbe und einziger Beſitzer eintreten.","norm":"Die Vorsteherin der Pension war bereits in Jahren, sie hatte sich unter ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen schon lange nach einer Person umgesehen, die eigentlich mit ihr in Gesellschaft träte, und zuletzt dem Gehilfen, dem sie zu vertrauen höchlich Ursache hatte, den Antrag getan: Er solle mit ihr die Lehranstalt fortführen, darin als in dem Seinigen mitwirken, und nach ihrem Tode als Erbe und einziger Besitzer eintreten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":742,"orig":"Die Hauptſache ſchien hiebey, daß er eine einſtimmende Gattinn finden muͤſſe.","norm":"Die Hauptsache schien hierbei, dass er eine einstimmende Gattin finden müsse."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":743,"orig":"Er hatte im Stillen Ottilien vor Augen und im Herzen; allein es regten ſich mancherley Zweifel, die wieder durch guͤnſtige Ereigniſſe einiges Gegengewicht erhielten.","norm":"Er hatte im Stillen Ottilie vor Augen und im Herzen; allein es regten sich mancherlei Zweifel, die wieder durch günstige Ereignisse einiges Gegengewicht erhielten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":744,"orig":"Luciane hatte die Penſion verlaſſen:","norm":"Luciane hatte die Pension verlassen:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":745,"orig":"Ottilie konnte freyer zuruͤckkehren; von dem Verhaͤltniſſe zu Eduard hatte zwar etwas verlautet; allein man nahm die Sache, wie aͤhnliche Vorfaͤlle mehr, gleichguͤltig auf, und ſelbſt dieſes Ereigniß konnte zu Ottiliens Ruͤckkehr beytragen.","norm":"Ottilie konnte freier zurückkehren; von dem Verhältnisse zu Eduard hatte zwar etwas verlautet; allein man nahm die Sache, wie ähnliche Vorfälle mehr, gleichgültig auf, und selbst dieses Ereignis konnte zu Ottilies Rückkehr beitragen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":746,"orig":"Doch waͤre man zu keinem Entſchluß gekommen, kein Schritt waͤre geſchehen, haͤtte nicht ein unvermutheter Beſuch auch hier eine beſondere Anregung gegeben.","norm":"Doch wäre man zu keinem Entschluss gekommen, kein Schritt wäre geschehen, hätte nicht ein unvermuteter Besuche auch hier eine besondere Anregung gegeben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":747,"orig":"Wie denn die Erſcheinung von bedeutenden Menſchen in irgend einem Kreiſe niemals ohne Folgen bleiben kann.","norm":"Wie denn die Erscheinung von bedeutenden Menschen in irgendeinem Kreise niemals ohne Folgen bleiben kann."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":748,"orig":"Der Graf und die Baroneſſe, welche ſo oft in den Fall kamen, uͤber den Werth verſchiedener Penſionen befragt zu werden, weil faſt Jedermann um die Erziehung ſeiner Kinder verlegen iſt, hatten ſich vorgenommen, dieſe beſonders kennen zu lernen, von der ſo viel Gutes geſagt wurde, und konnten nunmehr in ihren neuen Verhaͤltniſſen zuſammen eine ſolche Unterſuchung anſtellen.","norm":"Der Graf und die Baronesse, welche so oft in den Fall kamen, über den Wert verschiedener Pensionen befragt zu werden, weil fast jedermann um die Erziehung seiner Kinder verlegen ist, hatten sich vorgenommen, diese besonders kennenzulernen, von der soviel Gutes gesagt wurde, und konnten nunmehr in ihren neuen Verhältnissen zusammen eine solche Untersuchung anstellen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":749,"orig":"Allein die Baroneſſe beabſichtigte noch etwas anderes.","norm":"Allein die Baronesse beabsichtigte noch etwas anderes."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":750,"orig":"Waͤhrend ihres letzten Aufenthalts bey Charlotten hatte ſie mit dieſer alles umſtaͤndlich durchgeſprochen was ſich auf Eduarden und Ottilien bezog.","norm":"Während ihres letzten Aufenthalts bei Charlotten hatte sie mit dieser alles umständlich durchgesprochen was sich auf Eduard und Ottilie bezog."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":751,"orig":"Sie beſtand aber und abermals darauf:","norm":"Sie bestand aber und abermals darauf:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":752,"orig":"Ottilie muͤſſe entfernt werden.","norm":"Ottilie müsse entfernt werden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":753,"orig":"Sie ſuchte Charlotten hiezu Muth einzuſprechen, welche ſich vor Eduards Drohungen noch immer fuͤrchtete.","norm":"Sie suchte Charlotten hiezu Mut einzusprechen, welche sich vor Eduards Drohungen noch immer fürchtete."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":754,"orig":"Man ſprach uͤber die verſchiedenen Auswege, und bey Gelegenheit der Penſion war auch von der Neigung des Gehuͤlfen die Rede, und die Baroneſſe entſchloß ſich um ſo mehr zu dem gedachten Beſuch.","norm":"Man sprach über die verschiedenen Auswege, und bei Gelegenheit der Pension war auch von der Neigung des Gehilfen die Rede, und die Baronesse entschloss sich um so mehr zu dem gedachten Besuche."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":755,"orig":"Sie kommt an, lernt den Gehuͤlfen kennen, man beobachtet die Anſtalt und ſpricht von Ottilien.","norm":"Sie kommt an, lernt den Gehilfen kennen, man beobachtet die Anstalt und spricht von Ottilie."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":756,"orig":"Der Graf ſelbſt unterhaͤlt ſich gern uͤber ſie, indem er ſie bey dem neulichen Beſuch genauer kennen gelernt.","norm":"Der Graf selbst unterhält sich gern über sie, indem er sie bei dem neulichen Besuche genauer kennengelernt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":757,"orig":"Sie hatte ſich ihm genaͤhert, ja ſie ward von ihm angezogen, weil ſie durch ſein gehaltvolles Geſpraͤch dasjenige zu ſehen und zu kennen glaubte, was ihr bisher ganz unbekannt geblieben war.","norm":"Sie hatte sich ihm genähert, ja sie wurde von ihm angezogen, weil sie durch sein gehaltvolles Gespräch dasjenige zu sehen und zu kennen glaubte, was ihr bisher ganz unbekannt geblieben war."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":758,"orig":"Und wie ſie in dem Umgange mit Eduard die Welt vergaß, ſo ſchien ihr an der Gegenwart des Grafen die Welt erſt recht wuͤnſchenswerth zu ſeyn.","norm":"Und wie sie in dem Umgange mit Eduard die Welt vergaß, so schien ihr an der Gegenwart des Grafen die Welt erst recht wünschenswert zu sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":759,"orig":"Jede Anziehung iſt wechſelſeitig.","norm":"Jede Anziehung ist wechselseitig."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":760,"orig":"Der Graf empfand eine Neigung fuͤr Ottilien, daß er ſie gern als ſeine Tochter betrachtete.","norm":"Der Graf empfand eine Neigung für Ottilie, dass er sie gern als seine Tochter betrachtete."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":761,"orig":"Auch hier war ſie der Baroneſſe zum zweytenmal und mehr als das erſtemal im Wege.","norm":"Auch hier war sie der Baronesse zum zweiten Mal und mehr als das erste Mal im Wege."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":762,"orig":"Wer weiß was dieſe, in Zeiten lebhafterer Leidenſchaft, gegen ſie angeſtiftet haͤtte; jetzt war es ihr genug, ſie durch eine Verheiratung den Ehefrauen unſchaͤdlicher zu machen.","norm":"Wer weiß was diese, in Zeiten lebhafterer Leidenschaft, gegen sie angestiftet hätte; jetzt war es ihr genug, sie durch eine Verheiratung den Ehefrauen unschädlicher zu machen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":763,"orig":"Sie regte daher den Gehuͤlfen auf eine leiſe doch wirkſame Art kluͤglich an, daß er ſich zu einer kleinen Excurſion auf das Schloß einrichten und ſeinen Planen und Wuͤnſchen, von denen er der Dame kein Geheimniß gemacht, ſich ungeſaͤumt naͤhern ſolle.","norm":"Sie regte daher den Gehilfen auf eine leise doch wirksame Art klüglich an, dass er sich zu einer kleinen Exkursion auf das Schloss einrichten und seinen Planen und Wünschen, von denen er der Dame kein Geheimnis gemacht, sich ungesäumt nähern solle."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":764,"orig":"Mit vollkommner Beyſtimmung der Vorſteherinn trat er daher ſeine Reiſe an, und hegte in ſeinem Gemuͤth die beſten Hoffnungen.","norm":"Mit vollkommener Beistimmung der Vorsteherin trat er daher seine Reise an, und hegte in seinem Gemüt die besten Hoffnungen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":765,"orig":"Er weiß, Ottilie iſt ihm nicht unguͤnſtig, und wenn zwiſchen ihnen einiges Mißverhaͤltniß des Standes war, ſo glich ſich dieſes gar leicht durch die Denkart der Zeit aus.","norm":"Er weiß, Ottilie ist ihm nicht ungünstig, und wenn zwischen ihnen einiges Missverhältnis des Standes war, so glich sich dieses gar leicht durch die Denkart der Zeit aus."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":766,"orig":"Auch hatte die Baroneſſe ihm wohl fuͤhlen laſſen, daß Ottilie immer ein armes Maͤdchen bleibe.","norm":"Auch hatte die Baronesse ihm wohl fühlen lassen, dass Ottilie immer ein armes Mädchen bleibe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":767,"orig":"Mit einem reichen Hauſe verwandt zu ſeyn, hieß es, kann Niemanden helfen: denn man wuͤrde ſich, ſelbſt bey dem groͤßten Vermoͤgen, ein Gewiſſen daraus machen, denjenigen eine anſehnliche Summe zu entziehen, die dem naͤheren Grade nach ein vollkommneres Recht auf ein Beſitzthum zu haben ſcheinen.","norm":"Mit einem reichen Hause verwandt zu sein, hieß es, kann niemanden helfen: denn man würde sich, selbst bei dem größten Vermögen, ein Gewissen daraus machen, denjenigen eine ansehnliche Summe zu entziehen, die dem näheren Grade nach ein vollkommneres Recht auf ein Besitztum zu haben scheinen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":768,"orig":"Und gewiß bleibt es wunderbar, daß der Menſch das große Vorrecht, nach ſeinem Tode noch uͤber ſeine Habe zu disponiren, ſehr ſelten zu Gunſten ſeiner Lieblinge gebraucht, und wie es ſcheint, aus Achtung fuͤr das Herkommen, nur diejenigen beguͤnſtigt, die nach ihm ſein Vermoͤgen beſitzen wuͤrden, wenn er auch ſelbſt keinen Willen haͤtte.","norm":"Und gewiss bleibt es wunderbar, dass der Mensch das große Vorrecht, nach seinem Tode noch über seine Habe zu disponieren, sehr selten zugunsten seiner Lieblinge gebraucht, und wie es scheint, aus Achtung für das Herkommen, nur diejenigen begünstigt, die nach ihm sein Vermögen besitzen würden, wenn er auch selbst keinen Willen hätte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":769,"orig":"Sein Gefuͤhl ſetzte ihn auf der Reiſe Ottilien voͤllig gleich.","norm":"Sein Gefühl setzte ihn auf der Reise Ottilie völlig gleich."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":770,"orig":"Eine gute Aufnahme erhoͤhte ſeine Hoffnungen.","norm":"Eine gute Aufnahme erhöhte seine Hoffnungen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":771,"orig":"Zwar fand er gegen ſich Ottilien nicht ganz ſo offen wie ſonſt; aber ſie war auch erwachſener, gebildeter und wenn man will, im Allgemeinen mittheilender als er ſie gekannt hatte.","norm":"Zwar fand er gegen sich Ottilie nicht ganz so offen wie sonst; aber sie war auch erwachsener, gebildeter und wenn man will, im Allgemeinen mitteilender als er sie gekannt hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":772,"orig":"Vertraulich ließ man ihn in manches Einſicht nehmen, was ſich beſonders auf ſein Fach bezog.","norm":"Vertraulich ließ man ihn in manches Einsicht nehmen, was sich besonders auf sein Fach bezog."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":773,"orig":"Doch wenn er ſeinem Zwecke ſich naͤhern wollte; ſo hielt ihn immer eine gewiſſe innere Scheu zuruͤck.","norm":"Doch wenn er seinem Zwecke sich nähern wollte; so hielt ihn immer eine gewisse innere Scheu zurück."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":774,"orig":"Einſt gab ihm jedoch Charlotte hierzu Gelegenheit indem ſie, in Beyſeyn Ottiliens, zu ihm ſagte:","norm":"Einst gab ihm jedoch Charlotte hierzu Gelegenheit indem sie, in Beisein Ottilies, zu ihm sagte:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":775,"orig":"Nun, Sie haben alles was in meinem Kreiſe heranwaͤchſt, ſo ziemlich gepruͤft; wie finden Sie denn Ottilien?","norm":"Nun, Sie haben alles was in meinem Kreise heranwächst, so ziemlich geprüft; wie finden Sie denn Ottilie?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":776,"orig":"Sie duͤrfen es wohl in ihrer Gegenwart ausſprechen.","norm":"Sie dürfen es wohl in ihrer Gegenwart aussprechen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":777,"orig":"Der Gehuͤlfe bezeichnete hierauf, mit ſehr viel Einſicht und ruhigem Ausdruck, wie er Ottilien in Abſicht eines freyeren Betragens, einer bequemeren Mittheilung, eines hoͤhern Blicks in die weltlichen Dinge, der ſich mehr in ihren Handlungen als in ihren Worten bethaͤtige, ſehr zu ihrem Vortheil veraͤndert finde; daß er aber doch glaube, es koͤnne ihr ſehr zum Nutzen gereichen, wenn ſie auf einige Zeit in die Penſion zuruͤckkehre, um das in einer gewiſſen Folge gruͤndlich und fuͤr immer ſich zuzueignen, was die Welt nur ſtuͤckweiſe und eher zur Verwirrung als zur Befriedigung, ja manchmal nur allzuſpaͤt uͤberliefere.","norm":"Der Gehilfe bezeichnete hierauf, mit sehr viel Einsicht und ruhigem Ausdruck, wie er Ottilie in Absicht eines freieren Betragens, einer bequemeren Mitteilung, eines höheren Blicks in die weltlichen Dinge, der sich mehr in ihren Handlungen als in ihren Worten betätige, sehr zu ihrem Vorteil verändert finde; dass er aber doch glaube, es könne ihr sehr zum Nutzen gereichen, wenn sie auf einige Zeit in die Pension zurückkehre, um das in einer gewissen Folge gründlich und für immer sich zuzueignen, was die Welt nur stückweise und eher zur Verwirrung als zur Befriedigung, ja manchmal nur allzuspät überliefere."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":778,"orig":"Er wolle daruͤber nicht weitlaͤuftig ſeyn:","norm":"Er wolle darüber nicht weitläufig sein:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":779,"orig":"Ottilie wiſſe ſelbſt am beſten aus was fuͤr zuſammenhaͤngenden Lehrvortraͤgen ſie damals herausgeriſſen worden Ottilie konnte das nicht laͤugnen; aber ſie konnte nicht geſtehen, was ſie bey dieſen Worten empfand, weil ſie ſich es kaum ſelbſt auszulegen wußte.","norm":"Ottilie wisse selbst am besten aus was für zusammenhängenden Lehrvorträgen sie damals herausgerissen worden Ottilie konnte das nicht leugnen; aber sie konnte nicht gestehen, was sie bei diesen Worten empfand, weil sie sich es kaum selbst auszulegen wusste."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":780,"orig":"Es ſchien ihr in der Welt nichts mehr unzuſammenhaͤngend, wenn ſie an den geliebten Mann dachte, und ſie begriff nicht, wie ohne ihn noch irgend etwas zuſammenhaͤngen koͤnne.","norm":"Es schien ihr in der Welt nichts mehr unzusammenhängend, wenn sie an den geliebten Mann dachte, und sie begriff nicht, wie ohne ihn noch irgendetwas zusammenhängen könne."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":781,"orig":"Charlotte beantwortete den Antrag mit kluger Freundlichkeit.","norm":"Charlotte beantwortete den Antrag mit kluger Freundlichkeit."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":782,"orig":"Sie ſagte, daß ſowohl ſie als Ottilie eine Ruͤckkehr nach der Penſion laͤngſt gewuͤnſcht haͤtten.","norm":"Sie sagte, dass sowohl sie als Ottilie eine Rückkehr nach der Pension längst gewünscht hätten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":783,"orig":"In dieſer Zeit nur ſey ihr die Gegenwart einer ſo lieben Freundinn und Helferinn unentbehrlich geweſen; doch wolle ſie in der Folge nicht hinderlich ſeyn, wenn es Ottiliens Wunſch bliebe, wieder auf ſo lange dorthin zuruͤckzukehren, bis ſie das Angefangene geendet und das Unterbrochene ſich vollſtaͤndig zugeeignet.","norm":"In dieser Zeit nur sei ihr die Gegenwart einer so lieben Freundin und Helferin unentbehrlich gewesen; doch wolle sie in der Folge nicht hinderlich sein, wenn es Ottilies Wunsch bliebe, wieder auf so lange dorthin zurückzukehren, bis sie das Angefangene geendet und das Unterbrochene sich vollständig zugeeignet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":784,"orig":"Der Gehuͤlfe nahm dieſe Anerbietung freudig auf;","norm":"Der Gehilfe nahm diese Anerbietung freudig auf;"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":785,"orig":"Ottilie duͤrfte nichts dagegen ſagen, ob es ihr gleich vor dem Gedanken ſchauderte.","norm":"Ottilie dürfte nichts dagegen sagen, ob es ihr gleich vor dem Gedanken schauderte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":786,"orig":"Charlotte hingegen dachte Zeit zu gewinnen; ſie hoffte Eduard ſollte ſich erſt als gluͤcklicher Vater wieder finden und einfinden, dann, war ſie uͤberzeugt, wuͤrde ſich alles geben und auch fuͤr Ottilien auf eine oder die andere Weiſe geſorgt werden.","norm":"Charlotte hingegen dachte Zeit zu gewinnen; sie hoffte Eduard sollte sich erst als glücklicher Vater wiederfinden und einfinden, dann, war sie überzeugt, würde sich alles geben und auch für Ottilie auf eine oder die andere Weise gesorgt werden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":787,"orig":"Nach einem bedeutenden Geſpraͤch, uͤber welches alle Theilnehmende nachzudenken haben, pflegt ein gewiſſer Stillſtand einzutreten, der einer allgemeinen Verlegenheit aͤhnlich ſieht.","norm":"Nach einem bedeutenden Gespräch, über welches alle Teilnehmende nachzudenken haben, pflegt ein gewisser Stillstand einzutreten, der einer allgemeinen Verlegenheit ähnlich sieht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":788,"orig":"Man ging im Saale auf und ab, der Gehuͤlfe blaͤtterte in einigen Buͤchern und kam endlich an den Folioband, der noch von Lucianens Zeiten her liegen geblieben war.","norm":"Man ging im Saale auf und ab, der Gehilfe blätterte in einigen Büchern und kam endlich an den Folioband, der noch von Lucianes Zeiten her liegengeblieben war."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":789,"orig":"Als er ſah, daß darin nur Affen enthalten waren, ſchlug er ihn gleich wieder zu.","norm":"Als er sah, dass darin nur Affen enthalten waren, schlug er ihn gleich wieder zu."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":790,"orig":"Dieſer Vorfall mag jedoch zu einem Geſpraͤch Anlaß gegeben haben, wovon wir die Spuren in Ottiliens Tagebuch finden.","norm":"Dieser Vorfall mag jedoch zu einem Gespräch Anlass gegeben haben, wovon wir die Spuren in Ottilies Tagebuch finden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":791,"orig":"„Wie man es nur uͤber das Herz bringen kann, die garſtigen Affen ſo ſorgfaͤltig abzubilden.","norm":"„Wie man es nur über das Herz bringen kann, die garstigen Affen so sorgfältig abzubilden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":792,"orig":"Man erniedrigt ſich ſchon, wenn man ſie nur als Thiere betrachtet; man wird aber wirklich boͤsartiger, wenn man dem Reize folgt, bekannte Menſchen unter dieſer Maske aufzuſuchen.","norm":"Man erniedrigt sich schon, wenn man sie nur als Tiere betrachtet; man wird aber wirklich bösartiger, wenn man dem Reize folgt, bekannte Menschen unter dieser Maske aufzusuchen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":793,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":794,"orig":"„Es gehoͤrt durchaus eine gewiſſe Verſchrobenheit dazu, um ſich gern mit Caricaturen und Zerrbildern abzugeben.","norm":"„Es gehört durchaus eine gewisse Verschrobenheit dazu, um sich gern mit Karikaturen und Zerrbildern abzugeben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":795,"orig":"Unſerm guten Gehuͤlfen danke ich's, daß ich nicht mit der Naturgeſchichte gequaͤlt worden bin: ich konnte mich mit den Wuͤrmern und Kaͤfern niemals befreunden.","norm":"Unserem guten Gehilfen danke ich es, dass ich nicht mit der Naturgeschichte gequält worden bin: Ich konnte mich mit den Würmern und Käfern niemals befreunden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":796,"orig":"“ Dießmal geſtand er mir, daß es ihm eben ſo gehe.","norm":"“ Diesmal gestand er mir, dass es ihm ebenso gehe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":797,"orig":"Von der Natur, ſagte er, ſollten wir nichts kennen, als was uns unmittelbar lebendig umgiebt.","norm":"Von der Natur, sagte er, sollten wir nichts kennen, als was uns unmittelbar lebendig umgibt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":798,"orig":"Mit den Baͤumen die um uns bluͤhen, gruͤnen, Frucht tragen, mit jeder Staude an der wir vorbeygehen, mit jedem Grashalm uͤber den wir hinwandeln, haben wir ein wahres Verhaͤltniß, ſie ſind unſre aͤchten Compatrioten.","norm":"Mit den Bäumen die um uns blühen, grünen, Frucht tragen, mit jeder Staude an der wir vorbeigehen, mit jedem Grashalm über den wir hinwandeln, haben wir ein wahres Verhältnis, sie sind unsere echten Kompatrioten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":799,"orig":"Die Voͤgel die auf unſern Zweigen hin und wieder huͤpfen, die in unſerm Laube ſingen, gehoͤren uns an, ſie ſprechen zu uns, von Jugend auf, und wir lernen ihre Sprache verſtehen.","norm":"Die Vögel die auf unseren Zweigen hin und wieder hüpfen, die in unserem Laube singen, gehören uns an, sie sprechen zu uns, von Jugend auf, und wir lernen ihre Sprache verstehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":800,"orig":"Man frage ſich, ob nicht ein jedes fremde, aus ſeiner Umgebung geriſſene Geſchoͤpf einen gewiſſen aͤngſtlichen Eindruck auf uns macht, der nur durch Gewohnheit abgeſtumpft wird.","norm":"Man frage sich, ob nicht ein jedes fremde, aus seiner Umgebung gerissene Geschöpf einen gewissen ängstlichen Eindruck auf uns macht, der nur durch Gewohnheit abgestumpft wird."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":801,"orig":"Es gehoͤrt ſchon ein buntes geraͤuſchvolles Leben dazu, um Affen, Papageyen und Mohren um ſich zu ertragen.","norm":"Es gehört schon ein buntes geräuschvolles Leben dazu, um Affen, Papageien und Mohren um sich zu ertragen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":802,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":803,"orig":"„Manchmal wenn mich ein neugieriges Verlangen nach ſolchen abenteuerlichen Dingen anwandelte, habe ich den Reiſenden beneidet, der ſolche Wunder mit andern Wundern in lebendiger alltaͤglicher Verbindung ſieht.","norm":"„Manchmal wenn mich ein neugieriges Verlangen nach solchen abenteuerlichen Dingen anwandelte, habe ich den Reisenden beneidet, der solche Wunder mit anderen Wundern in lebendiger alltäglicher Verbindung sieht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":804,"orig":"Aber auch er wird ein anderer Menſch.","norm":"Aber auch er wird ein anderer Mensch."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":805,"orig":"Es wandelt niemand ungeſtraft unter Palmen, und die Geſinnungen aͤndern ſich gewiß in einem Lande wo Elephanten und Tiger zu Hauſe ſind.","norm":"Es wandelt niemand ungestraft unter Palmen, und die Gesinnungen ändern sich gewiss in einem Lande wo Elefanten und Tiger zu Hause sind."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":806,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":807,"orig":"„Nur der Naturforſcher iſt verehrungswerth, der uns das Fremdeſte, Seltſamſte, mit ſeiner Localitaͤt, mit aller Nachbarſchaft, jedesmal in dem eigenſten Elemente zu ſchildern und darzuſtellen weiß.","norm":"„Nur der Naturforscher ist verehrungswert, der uns das Fremdeste, Seltsamste, mit seiner Lokalität, mit aller Nachbarschaft, jedes Mal in dem eigensten Elemente zu schildern und darzustellen weiß."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":808,"orig":"Wie gern moͤchte ich nur einmal Humboldten erzaͤhlen hoͤren.","norm":"Wie gern möchte ich nur einmal Humboldt erzählen hören."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":809,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":810,"orig":"„Ein Naturalien-Cabinet kann uns vorkommen wie eine aͤgyptiſche Grabſtaͤtte, wo die verſchiedenen Thier- und Pflanzengoͤtzen balſamirt umherſtehen.","norm":"„Ein Naturalienkabinett kann uns vorkommen wie eine ägyptische Grabstätte, wo die verschiedenen Tier- und Pflanzengötzen balsamiert umherstehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":811,"orig":"Einer Prieſter-Caſte geziemt es wohl, ſich damit in geheimnißvollem Halbdunkel abzugeben; aber in den allgemeinen Unterricht ſollte dergleichen nicht einfließen, um ſo weniger, als etwas Naͤheres und Wuͤrdigeres ſich dadurch leicht verdraͤngt ſieht.","norm":"Einer Priesterkaste geziemt es wohl, sich damit in geheimnisvollem Halbdunkel abzugeben; aber in den allgemeinen Unterricht sollte dergleichen nicht einfließen, um so weniger, als etwas Näheres und Würdigeres sich dadurch leicht verdrängt sieht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":812,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":813,"orig":"„Ein Lehrer, der das Gefuͤhl an einer einzigen guten That, an einem einzigen guten Gedicht erwecken kann, leiſtet mehr als einer der uns ganze Reihen untergeordneter Naturbildungen der Geſtalt und dem Namen nach uͤberliefert: denn das ganze Reſultat davon iſt, was wir ohnedieß wiſſen koͤnnen, daß das Menſchengebild am vorzuͤglichſten und einzigſten das Gleichniß der Gottheit an ſich traͤgt.","norm":"„Ein Lehrer, der das Gefühl an einer einzigen guten Tat, an einem einzigen guten Gedicht erwecken kann, leistet mehr als einer der uns ganze Reihen untergeordneter Naturbildungen der Gestalt und dem Namen nach überliefert: denn das ganze Resultat davon ist, was wir ohnedies wissen können, dass das Menschengebild am vorzüglichsten und einzigsten das Gleichnis der Gottheit an sich trägt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":814,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":815,"orig":"„Dem Einzelnen bleibe die Freyheit ſich mit dem zu beſchaͤftigen, was ihn anzieht, was ihm Freude macht, was ihm nuͤtzlich daͤucht; aber das eigentliche Studium der Menſchheit iſt der Menſch.","norm":"„Dem Einzelnen bleibe die Freiheit sich mit dem zu beschäftigen, was ihn anzieht, was ihm Freude macht, was ihm nützlich deucht; aber das eigentliche Studium der Menschheit ist der Mensch."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":816,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":817,"orig":"Es giebt wenig Menſchen, die ſich mit dem Naͤchſtvergangenen zu beſchaͤftigen wiſſen.","norm":"Es gibt wenig Menschen, die sich mit dem Nächstvergangenen zu beschäftigen wissen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":818,"orig":"Entweder das Gegenwaͤrtige haͤlt uns mit Gewalt an ſich, oder wir verlieren uns in die Vergangenheit und ſuchen das voͤllig Verlorene, wie es nur moͤglich ſeyn will, wieder hervorzurufen und herzuſtellen.","norm":"Entweder das Gegenwärtige hält uns mit Gewalt an sich, oder wir verlieren uns in die Vergangenheit und suchen das völlig Verlorene, wie es nur möglich sein will, wieder hervorzurufen und herzustellen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":819,"orig":"Selbſt in großen und reichen Familien, die ihren Vorfahren vieles ſchuldig ſind, pflegt es ſo zu gehen, daß man des Großvaters mehr als des Vaters gedenkt.","norm":"Selbst in großen und reichen Familien, die ihren Vorfahren vieles schuldig sind, pflegt es so zu gehen, dass man des Großvaters mehr als des Vaters gedenkt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":820,"orig":"Zu ſolchen Betrachtungen ward unſer Gehuͤlfe aufgefordert, als er an einem der ſchoͤnen Tage, an welchen der ſcheidende Winter den Fruͤhling zu luͤgen pflegt, durch den großen alten Schloßgarten gegangen war und die hohen Lindenalleen, die regelmaͤßigen Anlagen, die ſich von Eduards Vater herſchrieben, bewundert hatte.","norm":"Zu solchen Betrachtungen wurde unser Gehilfe aufgefordert, als er an einem der schönen Tage, an welchen der scheidende Winter den Frühling zu lügen pflegt, durch den großen alten Schlossgarten gegangen war und die hohen Lindenalleen, die regelmäßigen Anlagen, die sich von Eduards Vater herschrieben, bewundert hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":821,"orig":"Sie waren vortrefflich gediehen, in dem Sinne desjenigen der ſie pflanzte, und nun, da ſie erſt anerkannt und genoſſen werden ſollten, ſprach Niemand mehr von ihnen; man beſuchte ſie kaum und hatte Liebhaberey und Aufwand gegen eine andere Seite hin ins Freye und Weite gerichtet.","norm":"Sie waren vortrefflich gediehen, in dem Sinne desjenigen der sie pflanzte, und nun, da sie erst anerkannt und genossen werden sollten, sprach niemand mehr von ihnen; man besuchte sie kaum und hatte Liebhaberei und Aufwand gegen eine andere Seite hin ins Freie und Weite gerichtet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":822,"orig":"Er machte bey ſeiner Ruͤckkehr Charlotten die Bemerkung, die ſie nicht unguͤnſtig aufnahm.","norm":"Er machte bei seiner Rückkehr Charlotten die Bemerkung, die sie nicht ungünstig aufnahm."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":823,"orig":"Indem uns das Leben fortzieht, verſetzte ſie, glauben wir aus uns ſelbſt zu handeln, unſre Thaͤtigkeit, unſre Vergnuͤgungen zu waͤhlen; aber freylich, wenn wir es genau anſehen, ſo ſind es nur die Plane, die Neigungen der Zeit, die wir mit auszufuͤhren genoͤthigt ſind.","norm":"Indem uns das Leben fortzieht, versetzte sie, glauben wir aus uns selbst zu handeln, unsere Tätigkeit, unsere Vergnügungen zu wählen; aber freilich, wenn wir es genau ansehen, so sind es nur die Plane, die Neigungen der Zeit, die wir mit auszuführen genötigt sind."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":824,"orig":"Gewiß, ſagte der Gehuͤlfe: und wer widerſteht dem Strome ſeiner Umgebungen.","norm":"Gewiss, sagte der Gehilfe: und wer widersteht dem Strome seiner Umgebungen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":825,"orig":"Die Zeit ruͤckt fort und in ihr Geſinnungen, Meynungen, Vorurtheile und Liebhabereyen.","norm":"Die Zeit rückt fort und in ihr Gesinnungen, Meinungen, Vorurteile und Liebhabereien."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":826,"orig":"Faͤllt die Jugend eines Sohnes gerade in die Zeit der Umwendung, ſo kann man verſichert ſeyn, daß er mit ſeinem Vater nichts gemein haben wird.","norm":"Fällt die Jugend eines Sohnes gerade in die Zeit der Umwendung, so kann man versichert sein, dass er mit seinem Vater nichts gemein haben wird."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":827,"orig":"Wenn dieſer in einer Periode lebte, wo man Luſt hatte ſich manches zuzueignen, dieſes Eigenthum zu ſichern, zu beſchraͤnken, einzuengen und in der Abſonderung von der Welt ſeinen Genuß zu befeſtigen; ſo wird jener ſodann ſich auszudehnen ſuchen, mittheilen, verbreiten und das Verſchloſſene eroͤffnen.","norm":"Wenn dieser in einer Periode lebte, wo man Lust hatte sich manches zuzueignen, dieses Eigentum zu sichern, zu beschränken, einzuengen und in der Absonderung von der Welt seinen Genuss zu befestigen; so wird jener sodann sich auszudehnen suchen, mitteilen, verbreiten und das Verschlossene eröffnen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":828,"orig":"Ganze Zeitraͤume, verſetzte Charlotte, gleichen dieſem Vater und Sohn, den Sie ſchildern.","norm":"Ganze Zeiträume, versetzte Charlotte, gleichen diesem Vater und Sohn, den Sie schildern."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":829,"orig":"Von jenen Zuſtaͤnden, da jede kleine Stadt ihre Mauern und Graͤben haben mußte, da man jeden Edelhof noch in einen Sumpf baute, und die geringſten Schloͤſſer nur durch eine Zugbruͤcke zugaͤnglich waren, davon koͤnnen wir uns kaum einen Begriff machen.","norm":"Von jenen Zuständen, da jede kleine Stadt ihre Mauern und Gräben haben musste, da man jeden Edelhof noch in einen Sumpf baute, und die geringsten Schlösser nur durch eine Zugbrücke zugänglich waren, davon können wir uns kaum einen Begriff machen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":830,"orig":"Sogar groͤßere Staͤdte tragen jetzt ihre Waͤlle ab, die Graͤben ſelbſt fuͤrſtlicher Schloͤſſer werden ausgefuͤllt, die Staͤdte bilden nur große Flecken, und wenn man ſo auf Reiſen das anſieht, ſollte man glauben: der allgemeine Friede ſey befeſtigt und das goldne Zeitalter vor der Thuͤre.","norm":"Sogar größere Städte tragen jetzt ihre Wälle ab, die Gräben selbst fürstlicher Schlösser werden ausgefüllt, die Städte bilden nur große Flecken, und wenn man so auf Reisen das ansieht, sollte man glauben: Der allgemeine Friede sei befestigt und das goldene Zeitalter vor der Türe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":831,"orig":"Niemand glaubt ſich in einem Garten behaglich, der nicht einem freyen Lande aͤhnlich ſieht; an Kunſt, an Zwang ſoll nichts erinnern, wir wollen voͤllig frey und unbedingt Athem ſchoͤpfen.","norm":"Niemand glaubt sich in einem Garten behaglich, der nicht einem freien Lande ähnlich sieht; an Kunst, an Zwang soll nichts erinnern, wir wollen völlig frei und unbedingt Atem schöpfen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":832,"orig":"Haben Sie wohl einen Begriff, mein Freund, daß man aus dieſem in einen andern, in den vorigen Zuſtand zuruͤckkehren koͤnne?","norm":"Haben Sie wohl einen Begriff, mein Freund, dass man aus diesem in einen anderen, in den vorigen Zustand zurückkehren könne?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":833,"orig":"Warum nicht?","norm":"Warum nicht?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":834,"orig":"verſetzte der Gehuͤlfe: jeder Zuſtand hat ſeine Beſchwerlichkeit, der beſchraͤnkte ſowohl als der losgebundene.","norm":"versetzte der Gehilfe: Jeder Zustand hat seine Beschwerlichkeit, der beschränkte sowohl als der losgebundene."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":835,"orig":"Der letztere ſetzt Ueberfluß voraus und fuͤhrt zur Verſchwendung.","norm":"Der letztere setzt Überfluss voraus und führt zur Verschwendung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":836,"orig":"Laſſen Sie uns bey Ihrem Beyſpiel bleiben, das auffallend genug iſt.","norm":"Lassen Sie uns bei Ihrem Beispiel bleiben, das auffallend genug ist."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":837,"orig":"Sobald der Mangel eintritt, ſogleich iſt die Selbſtbeſchraͤnkung wiedergegeben.","norm":"Sobald der Mangel eintritt, sogleich ist die Selbstbeschränkung wiedergegeben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":838,"orig":"Menſchen die ihren Grund und Boden zu nutzen genoͤthigt ſind, fuͤhren ſchon wieder Mauern um ihre Gaͤrten auf, damit ſie ihrer Erzeugniſſe ſicher ſeyen.","norm":"Menschen die ihren Grund und Boden zu nutzen genötigt sind, führen schon wieder Mauern um ihre Gärten auf, damit sie ihrer Erzeugnisse sicher seien."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":839,"orig":"Daraus entſteht nach und nach eine neue Anſicht der Dinge.","norm":"Daraus entsteht nach und nach eine neue Ansicht der Dinge."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":840,"orig":"Das Nuͤtzliche erhaͤlt wieder die Oberhand und ſelbſt der Vielbeſitzende meynt zuletzt auch das alles nutzen zu muͤſſen.","norm":"Das Nützliche erhält wieder die Oberhand und selbst der Vielbesitzende meint zuletzt auch das alles nutzen zu müssen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":841,"orig":"Glauben Sie mir: es iſt moͤglich, daß Ihr Sohn die ſaͤmmtlichen Parkanlagen vernachlaͤſſigt und ſich wieder hinter die ernſten Mauern und unter die hohen Linden ſeines Großvaters zuruͤckzieht.","norm":"Glauben sie mir: es ist möglich, dass Ihr Sohn die sämtlichen Parkanlagen vernachlässigt und sich wieder hinter die ernsten Mauern und unter die hohen Linden seines Großvaters zurückzieht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":842,"orig":"Charlotte war im Stillen erfreut, ſich einen Sohn verkuͤndigt zu hoͤren, und verzieh dem Gehuͤlfen deshalb die etwas unfreundliche Prophezeyung, wie es dereinſt ihrem lieben ſchoͤnen Park ergehen koͤnne.","norm":"Charlotte war im Stillen erfreut, sich einen Sohn verkündigt zu hören, und verzieh dem Gehilfen deshalb die etwas unfreundliche Prophezeiung, wie es dereinst ihrem lieben schönen Park ergehen könne."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":843,"orig":"Sie verſetzte deshalb ganz freundlich:","norm":"Sie versetzte deshalb ganz freundlich:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":844,"orig":"Wir ſind beyde noch nicht alt genug um dergleichen Widerſpruͤche mehrmals erlebt zu haben; allein wenn man ſich in ſeine fruͤhe Jugend zuruͤckdenkt, ſich erinnert woruͤber man von aͤlteren Perſonen klagen gehoͤrt, Laͤnder und Staͤdte mit in die Betrachtung aufnimmt: ſo moͤchte wohl gegen die Bemerkung nichts einzuwenden ſeyn.","norm":"Wir sind beide noch nicht alt genug um dergleichen Widersprüche mehrmals erlebt zu haben; allein wenn man sich in seine frühe Jugend zurückdenkt, sich erinnert worüber man von älteren Personen klagen gehört, Länder und Städte mit in die Betrachtung aufnimmt: so möchte wohl gegen die Bemerkung nichts einzuwenden sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":845,"orig":"Sollte man denn aber einem ſolchen Naturgang nichts entgegenſetzen, ſollte man Vater und Sohn, Aeltern und Kinder nicht in Uebereinſtimmung bringen koͤnnen?","norm":"Sollte man denn aber einem solchen Naturgang nichts entgegensetzen, sollte man Vater und Sohn, Eltern und Kinder nicht in Übereinstimmung bringen können?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":846,"orig":"Sie haben mir freundlich einen Knaben geweiſſagt; muͤßte denn der gerade mit ſeinem Vater im Widerſpruch ſtehen?","norm":"Sie haben mir freundlich einen Knaben geweissagt; müsste denn der gerade mit seinem Vater im Widerspruch stehen?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":847,"orig":"zerſtoͤren was ſeine Aeltern erbaut haben?","norm":"zerstören was seine Eltern erbaut haben?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":848,"orig":"anſtatt es zu vollenden und zu erheben wenn er in demſelben Sinne fortfaͤhrt.","norm":"anstatt es zu vollenden und zu erheben wenn er in demselben Sinne fortfährt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":849,"orig":"Dazu giebt es auch wohl ein vernuͤnftiges Mittel, verſetzte der Gehuͤlfe, das aber von den Menſchen ſelten angewandt wird.","norm":"Dazu gibt es auch wohl ein vernünftiges Mittel, versetzte der Gehilfe, das aber von den Menschen selten angewandt wird."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":850,"orig":"Der Vater erhebe ſeinen Sohn zum Mitbeſitzer, er laſſe ihn mitbauen, pflanzen, und erlaube ihm, wie ſich ſelbſt, eine unſchaͤdliche Willkuͤhr.","norm":"Der Vater erhebe seinen Sohn zum Mitbesitzer, er lasse ihn mitbauen, pflanzen, und erlaube ihm, wie sich selbst, eine unschädliche Willkür."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":851,"orig":"Eine Thaͤtigkeit laͤßt ſich in die andre verweben, keine an die andre anſtuͤckeln.","norm":"Eine Tätigkeit lässt sich in die andere verweben, keine an die andere anstückeln."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":852,"orig":"Ein junger Zweig verbindet ſich mit einem alten Stamme gar leicht und gern, an den kein erwachſener Aſt mehr anzufuͤgen iſt.","norm":"Ein junger Zweig verbindet sich mit einem alten Stamme gar leicht und gern, an den kein erwachsener Ast mehr anzufügen ist."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":853,"orig":"Es freute den Gehuͤlfen, in dem Augenblick da er Abſchied zu nehmen ſich genoͤthigt ſah, Charlotten zufaͤlligerweiſe etwas Angenehmes geſagt und ihre Gunſt aufs neue dadurch befeſtigt zu haben.","norm":"Es freute den Gehilfen, in dem Augenblick da er Abschied zu nehmen sich genötigt sah, Charlotten zufälligerweise etwas Angenehmes gesagt und ihre Gunst aufs neue dadurch befestigt zu haben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":854,"orig":"Schon allzulange war er von Hauſe weg, doch konnte er zur Ruͤckreiſe ſich nicht eher entſchließen, als nach voͤlliger Ueberzeugung, er muͤſſe die herannahende Epoche von Charlottens Niederkunft erſt vorbeygehn laſſen, bevor er wegen Ottiliens irgend eine Entſcheidung hoffen koͤnne.","norm":"Schon allzu lange war er von Hause weg, doch konnte er zur Rückreise sich nicht eher entschließen, als nach völliger Überzeugung, er müsse die herannahende Epoche von Charlottes Niederkunft erst vorbeigehen lassen, bevor er wegen Ottilies irgendeine Entscheidung hoffen könne."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":855,"orig":"Er fuͤgte ſich deshalb in die Umſtaͤnde und kehrte mit dieſen Ausſichten und Hoffnungen wieder zur Vorſteherinn zuruͤck.","norm":"Er fügte sich deshalb in die Umstände und kehrte mit diesen Aussichten und Hoffnungen wieder zur Vorsteherin zurück."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":856,"orig":"Charlottens Niederkunft nahte heran.","norm":"Charlottes Niederkunft nahte heran."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":857,"orig":"Sie hielt ſich mehr in ihren Zimmern.","norm":"Sie hielt sich mehr in ihren Zimmern."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":858,"orig":"Die Frauen, die ſich um ſie verſammelt hatten, waren ihre geſchloſſenere Geſellſchaft.","norm":"Die Frauen, die sich um sie versammelt hatten, waren ihre geschlossenere Gesellschaft."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":859,"orig":"Ottilie beſorgte das Hausweſen indem ſie kaum daran denken durfte was ſie that.","norm":"Ottilie besorgte das Hauswesen indem sie kaum daran denken durfte was sie tat."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":860,"orig":"Sie hatte ſich zwar voͤllig ergeben, ſie wuͤnſchte fuͤr Charlotten, fuͤr das Kind, fuͤr Eduarden, ſich auch noch ferner auf das dienſtlichſte zu bemuͤhen, aber ſie ſah nicht ein, wie es moͤglich werden wollte.","norm":"Sie hatte sich zwar völlig ergeben, sie wünschte für Charlotten, für das Kind, für Eduard, sich auch noch ferner auf das dienstlichste zu bemühen, aber sie sah nicht ein, wie es möglich werden wollte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":861,"orig":"Nichts konnte ſie vor voͤlliger Verworrenheit retten, als daß ſie jeden Tag ihre Pflicht that.","norm":"Nichts konnte sie vor völliger Verworrenheit retten, als dass sie jeden Tag ihre Pflicht tat."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":862,"orig":"Ein Sohn war gluͤcklich zur Welt gekommen, und die Frauen verſicherten ſaͤmmtlich, es ſey der ganze leibhafte Vater.","norm":"Ein Sohn war glücklich zur Welt gekommen, und die Frauen versicherten sämtlich, es sei der ganze leibhafte Vater."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":863,"orig":"Nur Ottilie konnte es im Stillen nicht finden, als ſie der Woͤchnerinn Gluͤck wuͤnſchte und das Kind auf das herzlichſte begruͤßte.","norm":"Nur Ottilie konnte es im Stillen nicht finden, als sie der Wöchnerin Glück wünschte und das Kind auf das herzlichste begrüßte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":864,"orig":"Schon bey den Anſtalten zur Verheiratung ihrer Tochter war Charlotten die Abweſenheit ihres Gemahls hoͤchſt fuͤhlbar geweſen; nun ſollte der Vater auch bey der Geburt des Sohnes nicht gegenwaͤrtig ſeyn; er ſollte den Namen nicht beſtimmen, bey dem man ihn kuͤnftig rufen wuͤrde.","norm":"Schon bei den Anstalten zur Verheiratung ihrer Tochter war Charlotten die Abwesenheit ihres Gemahls höchst fühlbar gewesen; nun sollte der Vater auch bei der Geburt des Sohnes nicht gegenwärtig sein; er sollte den Namen nicht bestimmen, bei dem man ihn künftig rufen würde."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":865,"orig":"Der erſte von allen Freunden die ſich gluͤckwuͤnſchend ſehen ließen, war Mittler, der ſeine Kundſchafter ausgeſtellt hatte um von dieſem Ereigniß ſogleich Nachricht zu erhalten.","norm":"Der erste von allen Freunden die sich glückwünschend sehen ließen, war Mittler, der seine Kundschafter ausgestellt hatte um von diesem Ereignis sogleich Nachricht zu erhalten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":866,"orig":"Er fand ſich ein und zwar ſehr behaglich.","norm":"Er fand sich ein und zwar sehr behaglich."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":867,"orig":"Kaum daß er ſeinen Triumph in Gegenwart Ottiliens verbarg, ſo ſprach er ſich gegen Charlotten laut aus, und war der Mann alle Sorgen zu heben und alle augenblicklichen Hinderniſſe bey Seite zu bringen.","norm":"Kaum dass er seinen Triumph in Gegenwart Ottilies verbarg, so sprach er sich gegen Charlotten laut aus, und war der Mann alle Sorgen zu heben und alle augenblicklichen Hindernisse beiseitezubringen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":868,"orig":"Die Taufe ſollte nicht lange aufgeſchoben werden.","norm":"Die Taufe sollte nicht lange aufgeschoben werden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":869,"orig":"Der alte Geiſtliche, mit einem Fuß ſchon im Grabe, ſollte durch ſeinen Segen das Vergangene mit dem Zukuͤnftigen zuſammenknuͤpfen;","norm":"Der alte Geistliche, mit einem Fuß schon im Grabe, sollte durch seinen Segen das Vergangene mit dem Zukünftigen zusammenknüpfen;"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":870,"orig":"Otto ſollte das Kind heißen: es konnte keinen andern Namen fuͤhren als den Namen des Vaters und des Freundes.","norm":"Otto sollte das Kind heißen: Es konnte keinen anderen Namen führen als den Namen des Vaters und des Freundes."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":871,"orig":"Es bedurfte der entſchiedenen Zudringlichkeit dieſes Mannes, um die hunderterley Bedenklichkeiten, das Widerreden, Zaubern, Stocken, Beſſer- und Anderswiſſen, das Schwanken, Meynen, Um- und Wiedermeynen zu beſeitigen; da gewoͤhnlich bey ſolchen Gelegenheiten aus einer gehobenen Bedenklichkeit immer wieder neue entſtehen, und indem man alle Verhaͤltniſſe ſchonen will, immer der Fall eintritt, einige zu verletzen.","norm":"Es bedurfte der entschiedenen Zudringlichkeit dieses Mannes, um die hunderterlei Bedenklichkeiten, das Widerreden, Zaudern, Stocken, Besser- und Anderswissen, das Schwanken, Meinen, Um- und Wiedermeinen zu beseitigen; da gewöhnlich bei solchen Gelegenheiten aus einer gehobenen Bedenklichkeit immer wieder neue entstehen, und indem man alle Verhältnisse schonen will, immer der Fall eintritt, einige zu verletzen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":872,"orig":"Alle Meldungsſchreiben und Gevatterbriefe uͤbernahm Mittler; ſie ſollten gleich ausgefertigt ſeyn: denn ihm war ſelbſt hoͤchlich daran gelegen, ein Gluͤck das er fuͤr die Familie ſo bedeutend hielt, auch der uͤbrigen mit unter mißwollenden und mißredenden Welt bekannt zu machen.","norm":"Alle Meldungsschreiben und Gevatterbriefe übernahm Mittler; sie sollten gleich ausgefertigt sein: denn ihm war selbst höchlich daran gelegen, ein Glück das er für die Familie so bedeutend hielt, auch der übrigen mitunter misswollenden und missredenden Welt bekanntzumachen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":873,"orig":"Und freylich waren die bisherigen leidenſchaftlichen Vorfaͤlle dem Publikum nicht entgangen, das ohnehin in der Ueberzeugung ſteht, alles was geſchieht, geſchehe nur dazu, damit es etwas zu reden habe.","norm":"Und freilich waren die bisherigen leidenschaftlichen Vorfälle dem Publikum nicht entgangen, das ohnehin in der Überzeugung steht, alles was geschieht, geschehe nur dazu, damit es etwas zu reden habe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":874,"orig":"Die Feyer des Taufactes ſollte wuͤrdig aber beſchraͤnkt und kurz ſeyn.","norm":"Die Feier des Taufaktes sollte würdig aber beschränkt und kurz sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":875,"orig":"Man kam zuſammen, Ottilie und Mittler ſollten das Kind als Taufzeugen halten.","norm":"Man kam zusammen, Ottilie und Mittler sollten das Kind als Taufzeugen halten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":876,"orig":"Der alte Geiſtliche, unterſtuͤtzt vom Kirchdiener, trat mit langſamen Schritten heran.","norm":"Der alte Geistliche, unterstützt vom Kirchdiener, trat mit langsamen Schritten heran."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":877,"orig":"Das Gebet war verrichtet, Ottilien das Kind auf die Arme gelegt, und als ſie mit Neigung auf daſſelbe herunterſah, erſchrak ſie nicht wenig an ſeinen offenen Augen: denn ſie glaubte in ihre eigenen zu ſehen, eine ſolche Uebereinſtimmung haͤtte Jeden uͤberraſchen muͤſſen.","norm":"Das Gebet war verrichtet, Ottilie das Kind auf die Arme gelegt, und als sie mit Neigung auf dasselbe heruntersah, erschrak sie nicht wenig an seinen offenen Augen: denn sie glaubte in ihre eigenen zu sehen, eine solche Übereinstimmung hätte jeden überraschen müssen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":878,"orig":"Mittler, der zunaͤchſt das Kind empfing, ſtutzte gleichfalls, indem er in der Bildung deſſelben eine ſo auffallende Aehnlichkeit, und zwar mit dem Hauptmann erblickte, dergleichen ihm ſonſt noch nie vorgekommen war.","norm":"Mittler, der zunächst das Kind empfing, stutzte gleichfalls, indem er in der Bildung desselben eine so auffallende Ähnlichkeit, und zwar mit dem Hauptmann erblickte, dergleichen ihm sonst noch nie vorgekommen war."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":879,"orig":"Die Schwaͤche des guten alten Geiſtlichen hatte ihn gehindert, die Taufhandlung mit mehrerem als der gewoͤhnlichen Liturgie zu begleiten.","norm":"Die Schwäche des guten alten Geistlichen hatte ihn gehindert, die Taufhandlung mit mehrerem als der gewöhnlichen Liturgie zu begleiten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":880,"orig":"Mittler indeſſen, voll von dem Gegenſtande, gedachte ſeiner fruͤhern Amtsverrichtungen und hatte uͤberhaupt die Art, ſich ſogleich in jedem Falle zu denken, wie er nun reden, wie er ſich aͤußern wuͤrde.","norm":"Mittler indessen, voll von dem Gegenstande, gedachte seiner früheren Amtsverrichtungen und hatte überhaupt die Art, sich sogleich in jedem Falle zu denken, wie er nun reden, wie er sich äußeren würde."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":881,"orig":"Dießmal konnte er ſich um ſo weniger zuruͤckhalten, als es nur eine kleine Geſellſchaft von lauter Freunden war, die ihn umgab.","norm":"Diesmal konnte er sich um so weniger zurückhalten, als es nur eine kleine Gesellschaft von lauter Freunden war, die ihn umgab."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":882,"orig":"Er fing daher an, gegen das Ende des Acts, mit Behaglichkeit ſich an die Stelle des Geiſtlichen zu verſetzen, in einer muntern Rede ſeine Pathenpflichten und Hoffnungen zu aͤußern und um ſo mehr dabey zu verweilen, als er Charlottens Beyfall in ihrer zufriedenen Miene zu erkennen glaubte.","norm":"Er fing daher an, gegen das Ende des Akts, mit Behaglichkeit sich an die Stelle des Geistlichen zu versetzen, in einer munteren Rede seine Patenpflichten und Hoffnungen zu äußeren und um so mehr dabei zu verweilen, als er Charlottes Beifall in ihrer zufriedenen Miene zu erkennen glaubte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":883,"orig":"Daß der gute alte Mann ſich gern geſetzt haͤtte, entging dem ruͤſtigen Redner, der noch viel weniger dachte, daß er ein groͤßeres Uebel hervorzubringen auf dem Wege war: denn nachdem er das Verhaͤltniß eines jeden Anweſenden zum Kinde mit Nachdruck geſchildert und Ottiliens Faſſung dabey ziemlich auf die Probe geſtellt hatte; ſo wandte er ſich zuletzt gegen den Greis mit dieſen Worten:","norm":"Dass der gute alte Mann sich gern gesetzt hätte, entging dem rüstigen Redner, der noch viel weniger dachte, dass er ein größeres Übel hervorzubringen auf dem Wege war: denn nachdem er das Verhältnis eines jeden Anwesenden zum Kinde mit Nachdruck geschildert und Ottilies Fassung dabei ziemlich auf die Probe gestellt hatte; so wandte er sich zuletzt gegen den Greis mit diesen Worten:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":884,"orig":"Und Sie, mein wuͤrdiger Altvater, koͤnnen nunmehr mit Simeon ſprechen:","norm":"Und Sie, mein würdiger Altvater, können nunmehr mit Simeon sprechen:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":885,"orig":"Herr laß deinen Diener in Frieden fahren; denn meine Augen haben den Heiland dieſes Hauſes geſehen.","norm":"Herr lass deinen Diener in Frieden fahren; denn meine Augen haben den Heiland dieses Hauses gesehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":886,"orig":"Nun war er im Zuge recht glaͤnzend zu ſchließen, aber er bemerkte bald, daß der Alte, dem er das Kind hinhielt, ſich zwar erſt gegen daſſelbe zu neigen ſchien, nachher aber ſchnell zuruͤckſank.","norm":"Nun war er im Zuge recht glänzend zu schließen, aber er bemerkte bald, dass der Alte, dem er das Kind hinhielt, sich zwar erst gegen dasselbe zu neigen schien, nachher aber schnell zurücksank."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":887,"orig":"Vom Fall kaum abgehalten ward er in einen Seſſel gebracht und man mußte ihn, ungeachtet aller augenblicklichen Beyhuͤlfe, fuͤr todt anſprechen.","norm":"Vom Fall kaum abgehalten wurde er in einen Sessel gebracht und man musste ihn, ungeachtet aller augenblicklichen Beihilfe, für tot ansprechen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":888,"orig":"So unmittelbar Geburt und Tod, Sarg und Wiege neben einander zu ſehen und zu denken, nicht bloß mit der Einbildungskraft, ſondern mit den Augen dieſe ungeheuern Gegenſaͤtze zuſammenzufaſſen, war fuͤr die Umſtehenden eine ſchwere Aufgabe, je uͤberraſchender ſie vorgelegt wurde.","norm":"So unmittelbar Geburt und Tod, Sarg und Wiege nebeneinander zu sehen und zu denken, nicht bloß mit der Einbildungskraft, sondern mit den Augen diese ungeheuren Gegensätze zusammenzufassen, war für die Umstehenden eine schwere Aufgabe, je überraschender sie vorgelegt wurde."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":889,"orig":"Ottilie allein betrachtete den Eingeſchlummerten, der noch immer ſeine freundliche einnehmende Miene behalten hatte, mit einer Art von Neid.","norm":"Ottilie allein betrachtete den Eingeschlummerten, der noch immer seine freundliche einnehmende Miene behalten hatte, mit einer Art von Neid."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":890,"orig":"Das Leben ihrer Seele war getoͤdtet, warum ſollte der Koͤrper noch erhalten werden?","norm":"Das Leben ihrer Seele war getötet, warum sollte der Körper noch erhalten werden?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":891,"orig":"Fuͤhrten ſie auf dieſe Weiſe gar manchmal die unerfreulichen Begebenheiten des Tags auf die Betrachtung der Vergaͤnglichkeit, des Scheidens, des Verlierens; ſo waren ihr dagegen wunderſame naͤchtliche Erſcheinungen zum Troſt gegeben, die ihr das Daſeyn des Geliebten verſicherten und ihr eigenes befeſtigten und belebten.","norm":"Führten sie auf diese Weise gar manchmal die unerfreulichen Begebenheiten des Tags auf die Betrachtung der Vergänglichkeit, des Scheidens, des Verlierens; so waren ihr dagegen wundersame nächtliche Erscheinungen zum Trost gegeben, die ihr das Dasein des Geliebten versicherten und ihr eigenes befestigten und belebten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":892,"orig":"Wenn ſie ſich Abends zur Ruhe gelegt, und im ſuͤßen Gefuͤhl noch zwiſchen Schlaf und Wachen ſchwebte, ſchien es ihr, als wenn ſie in einen ganz hellen doch mild erleuchteten Raum hineinblickte.","norm":"Wenn sie sich Abends zur Ruhe gelegt, und im süßen Gefühl noch zwischen Schlaf und Wachen schwebte, schien es ihr, als wenn sie in einen ganz hellen doch mild erleuchteten Raum hineinblickte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":893,"orig":"In dieſem ſah ſie Eduarden ganz deutlich und zwar nicht gekleidet wie ſie ihn ſonſt geſehen, ſondern im kriegeriſchen Anzug, jedesmal in einer andern Stellung, die aber vollkommen natuͤrlich war und nichts Phantaſtiſches an ſich hatte: ſtehend, gehend, liegend, reitend.","norm":"In diesem sah sie Eduard ganz deutlich und zwar nicht gekleidet wie sie ihn sonst gesehen, sondern im kriegerischen Anzug, jedes Mal in einer anderen Stellung, die aber vollkommen natürlich war und nichts Phantastisches an sich hatte: stehend, gehend, liegend, reitend."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":894,"orig":"Die Geſtalt bis aufs kleinſte ausgemalt bewegte ſich willig vor ihr, ohne daß ſie das mindeſte dazu that, ohne daß ſie wollte oder die Einbildungskraft anſtrengte.","norm":"Die Gestalt bis aufs kleinste ausgemalt bewegte sich willig vor ihr, ohne dass sie das mindeste dazu tat, ohne dass sie wollte oder die Einbildungskraft anstrengte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":895,"orig":"Manchmal ſah ſie ihn auch umgeben, beſonders von etwas Beweglichem, das dunkler war als der helle Grund; aber ſie unterſchied kaum Schattenbilder, die ihr zuweilen als Menſchen, als Pferde, als Baͤume und Gebirge vorkommen konnten.","norm":"Manchmal sah sie ihn auch umgeben, besonders von etwas Beweglichem, das dunkler war als der helle Grund; aber sie unterschied kaum Schattenbilder, die ihr zuweilen als Menschen, als Pferde, als Bäume und Gebirge vorkommen konnten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":896,"orig":"Gewoͤhnlich ſchlief ſie uͤber der Erſcheinung ein, und wenn ſie nach einer ruhigen Nacht morgens wieder erwachte; ſo war ſie erquickt, getroͤſtet, ſie fuͤhlte ſich uͤberzeugt:","norm":"Gewöhnlich schlief sie über der Erscheinung ein, und wenn sie nach einer ruhigen Nacht morgens wieder erwachte; so war sie erquickt, getröstet, sie fühlte sich überzeugt:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":897,"orig":"Eduard lebe noch, ſie ſtehe mit ihm noch in dem innigſten Verhaͤltniß.","norm":"Eduard lebe noch, sie stehe mit ihm noch in dem innigsten Verhältnis."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":898,"orig":"Der Fruͤhling war gekommen, ſpaͤter aber auch raſcher und freudiger als gewoͤhnlich.","norm":"Der Frühling war gekommen, später aber auch rascher und freudiger als gewöhnlich."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":899,"orig":"Ottilie fand nun im Garten die Frucht ihres Vorſehens: alles keimte, gruͤnte und bluͤhte zur rechten Zeit; manches was hinter wohl angelegten Glashaͤuſern und Beeten vorbereitet worden, trat nun ſogleich der endlich von außen wirkenden Natur entgegen, und alles was zu thun und zu beſorgen war, blieb nicht bloß hoffnungsvolle Muͤhe wie bisher, ſondern ward zum heitern Genuſſe.","norm":"Ottilie fand nun im Garten die Frucht ihres Vorsehens: Alles keimte, grünte und blühte zur rechten Zeit; manches was hinter wohlangelegten Glashäusern und Beeten vorbereitet worden, trat nun sogleich der endlich von außen wirkenden Natur entgegen, und alles was zu tun und zu besorgen war, blieb nicht bloß hoffnungsvolle Mühe wie bisher, sondern wurde zum heiteren Genusse."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":900,"orig":"An dem Gaͤrtner aber hatte ſie zu troͤſten uͤber manche durch Lucianens Wildheit entſtandene Luͤcke unter den Topfgewaͤchſen, uͤber die zerſtoͤrte Symmetrie mancher Baumkrone.","norm":"An dem Gärtner aber hatte sie zu trösten über manche durch Lucianes Wildheit entstandene Lücke unter den Topfgewächsen, über die zerstörte Symmetrie mancher Baumkrone."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":901,"orig":"Sie machte ihm Muth, daß ſich das alles bald wieder herſtellen werde; aber er hatte zu ein tiefes Gefuͤhl, zu einen reinen Begriff von ſeinem Handwerk, als daß dieſe Troſtgruͤnde viel bey ihm haͤtten fruchten ſollen.","norm":"Sie machte ihm Mut, dass sich das alles bald wieder herstellen werde; aber er hatte zu ein tiefes Gefühl, zu einen reinen Begriff von seinem Handwerk, als dass diese Trostgründe viel bei ihm hätten fruchten sollen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":902,"orig":"So wenig der Gaͤrtner ſich durch andere Liebhabereyen und Neigungen zerſtreuen darf, ſo wenig darf der ruhige Gang unterbrochen werden, den die Pflanze zur dauernden oder zur voruͤbergehenden Vollendung nimmt.","norm":"So wenig der Gärtner sich durch andere Liebhabereien und Neigungen zerstreuen darf, so wenig darf der ruhige Gang unterbrochen werden, den die Pflanze zur dauernden oder zur vorübergehenden Vollendung nimmt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":903,"orig":"Die Pflanze gleicht den eigenſinnigen Menſchen, von denen man alles erhalten kann, wenn man ſie nach ihrer Art behandelt.","norm":"Die Pflanze gleicht den eigensinnigen Menschen, von denen man alles erhalten kann, wenn man sie nach ihrer Art behandelt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":904,"orig":"Ein ruhiger Blick, eine ſtille Conſequenz, in jeder Jahrszeit, in jeder Stunde das ganz Gehoͤrige zu thun, wird vielleicht von Niemand mehr als vom Gaͤrtner verlangt.","norm":"Ein ruhiger Blick, eine stille Konsequenz, in jeder Jahrszeit, in jeder Stunde das ganz Gehörige zu tun, wird vielleicht von Niemand mehr als vom Gärtner verlangt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":905,"orig":"Dieſe Eigenſchaften beſaß der gute Mann in einem hohen Grade, deswegen auch Ottilie ſo gern mit ihm wirkte; aber ſein eigentliches Talent konnte er ſchon einige Zeit nicht mehr mit Behaglichkeit ausuͤben.","norm":"Diese Eigenschaften besaß der gute Mann in einem hohen Grade, deswegen auch Ottilie so gern mit ihm wirkte; aber sein eigentliches Talent konnte er schon einige Zeit nicht mehr mit Behaglichkeit ausüben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":906,"orig":"Denn ob er gleich alles was die Baum- und Kuͤchengaͤrtnerey betraf, auch die Erforderniſſe eines aͤlteren Ziergartens, vollkommen zu leiſten verſtand — wie denn uͤberhaupt einem vor dem andern dieſes oder jenes gelingt — ob er ſchon in Behandlung der Orangerie, der Blumenzwiebeln, der Nelken- und Aurikelnſtoͤcke, die Natur ſelbſt haͤtte herausfordern koͤnnen: ſo waren ihm doch die neuen Zierbaͤume und Modeblumen einigermaßen fremd geblieben, und er hatte vor dem unendlichen Felde der Botanik, das ſich nach der Zeit aufthat, und den darin herumſummenden fremden Namen, eine Art von Scheu, die ihn verdrießlich machte.","norm":"Denn ob er gleich alles was die Baum- und Küchengärtnerei betraf, auch die Erfordernisse eines älteren Ziergartens, vollkommen zu leisten verstand — wie denn überhaupt einem vor dem anderen dieses oder jenes gelingt — ob er schon in Behandlung der Orangerie, der Blumenzwiebeln, der Nelken- und Aurikelnstöcke, die Natur selbst hätte herausfordern können: so waren ihm doch die neuen Zierbäume und Modeblumen einigermaßen fremd geblieben, und er hatte vor dem unendlichen Felde der Botanik, das sich nach der Zeit auftat, und den darin herumsummenden fremden Namen, eine Art von Scheu, die ihn verdrießlich machte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":907,"orig":"Was die Herrſchaft voriges Jahr zu verſchreiben angefangen, hielt er um ſo mehr fuͤr unnuͤtzen Aufwand und Verſchwendung, als er gar manche koſtbare Pflanze ausgehen ſah, und mit den Handelsgaͤrtnern die ihn, wie er glaubte, nicht redlich genug bedienten, in keinem ſonderlichen Verhaͤltniſſe ſtand.","norm":"Was die Herrschaft voriges Jahr zu verschreiben angefangen, hielt er um so mehr für unnützen Aufwand und Verschwendung, als er gar manche kostbare Pflanze ausgehen sah, und mit den Handelsgärtnern die ihn, wie er glaubte, nicht redlich genug bedienten, in keinem sonderlichen Verhältnisse stand."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":908,"orig":"Er hatte ſich daruͤber, nach mancherley Verſuchen, eine Art von Plan gemacht, in welchem ihn Ottilie um ſo mehr beſtaͤrkte, als er auf die Wiederkehr Eduards eigentlich gegruͤndet war, deſſen Abweſenheit man in dieſem wie in manchem andern Falle taͤglich nachtheiliger empfinden mußte.","norm":"Er hatte sich darüber, nach mancherlei Versuchen, eine Art von Plan gemacht, in welchem ihn Ottilie um so mehr bestärkte, als er auf die Wiederkehr Eduards eigentlich gegründet war, dessen Abwesenheit man in diesem wie in manchem anderen Falle täglich nachteiliger empfinden musste."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":909,"orig":"Indem nun die Pflanzen immer mehr Wurzel ſchlugen und Zweige trieben, fuͤhlte ſich auch Ottilie immer mehr an dieſe Raͤume gefeſſelt.","norm":"Indem nun die Pflanzen immer mehr Wurzel schlugen und Zweige trieben, fühlte sich auch Ottilie immer mehr an diese Räume gefesselt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":910,"orig":"Gerade vor einem Jahre trat ſie als Fremdling, als ein unbedeutendes Weſen hier ein; wie viel hatte ſie ſich ſeit jener Zeit nicht erworben!","norm":"Gerade vor einem Jahre trat sie als Fremdling, als ein unbedeutendes Wesen hier ein; wie viel hatte sie sich seit jener Zeit nicht erworben!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":911,"orig":"aber leider wie viel hatte ſie nicht auch ſeit jener Zeit wieder verloren!","norm":"aber leider wie viel hatte sie nicht auch seit jener Zeit wieder verloren!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":912,"orig":"Sie war nie ſo reich und nie ſo arm geweſen.","norm":"Sie war nie so reich und nie so arm gewesen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":913,"orig":"Das Gefuͤhl von beydem wechſelte augenblicklich mit einander ab, ja durchkreuzte ſich aufs innigſte, ſo daß ſie ſich nicht anders zu helfen wußte, als daß ſie immer wieder das Naͤchſte mit Antheil, ja mit Leidenſchaft ergriff.","norm":"Das Gefühl von beidem wechselte augenblicklich miteinander ab, ja durchkreuzte sich aufs innigste, so dass sie sich nicht anders zu helfen wusste, als dass sie immer wieder das Nächste mit Anteil, ja mit Leidenschaft ergriff."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":914,"orig":"Daß alles was Eduarden beſonders lieb war, auch ihre Sorgfalt am ſtaͤrkſten an ſich zog, laͤßt ſich denken; ja warum ſollte ſie nicht hoffen, daß er ſelbſt nun bald wiederkommen, daß er die vorſorgliche Dienſtlichkeit, die ſie dem Abweſenden geleiſtet, dankbar gegenwaͤrtig bemerken werde.","norm":"Dass alles was Eduard besonders lieb war, auch ihre Sorgfalt am stärksten an sich zog, lässt sich denken; ja warum sollte sie nicht hoffen, dass er selbst nun bald wiederkommen, dass er die vorsorgliche Dienstlichkeit, die sie dem Abwesenden geleistet, dankbar gegenwärtig bemerken werde."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":915,"orig":"Aber noch auf eine viel andre Weiſe war ſie veranlaßt fuͤr ihn zu wirken.","norm":"Aber noch auf eine viel andere Weise war sie veranlasst für ihn zu wirken."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":916,"orig":"Sie hatte vorzuͤglich die Sorge fuͤr das Kind uͤbernommen, deſſen unmittelbare Pflegerinn ſie um ſo mehr werden konnte, als man es keiner Amme zu uͤbergeben, ſondern mit Milch und Waſſer aufzuziehen ſich entſchieden hatte.","norm":"Sie hatte vorzüglich die Sorge für das Kind übernommen, dessen unmittelbare Pflegerin sie um so mehr werden konnte, als man es keiner Amme zu übergeben, sondern mit Milch und Wasser aufzuziehen sich entschieden hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":917,"orig":"Es ſollte in jener ſchoͤnen Zeit der freyen Luft genießen; und ſo trug ſie es am liebſten ſelbſt heraus, trug das ſchlafende unbewußte zwiſchen Blumen und Bluͤthen her, die dereinſt ſeiner Kindheit ſo freundlich entgegen lachen ſollten, zwiſchen jungen Straͤuchen und Pflanzen, die mit ihm in die Hoͤhe zu wachſen durch ihre Jugend beſtimmt ſchienen.","norm":"Es sollte in jener schönen Zeit der freien Luft genießen; und so trug sie es am liebsten selbst heraus, trug das schlafende unbewusste zwischen Blumen und Blüten her, die dereinst seiner Kindheit so freundlich entgegenlachen sollten, zwischen jungen Sträuchern und Pflanzen, die mit ihm in die Höhe zu wachsen durch ihre Jugend bestimmt schienen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":918,"orig":"Wenn ſie um ſich her ſah, ſo verbarg ſie ſich nicht, zu welchem großen reichen Zuſtande das Kind geboren ſey: denn faſt alles wohin das Auge blickte, ſollte dereinſt ihm gehoͤren.","norm":"Wenn sie um sich hersah, so verbarg sie sich nicht, zu welchem großen reichen Zustande das Kind geboren sei: denn fast alles wohin das Auge blickte, sollte dereinst ihm gehören."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":919,"orig":"Wie wuͤnſchenswerth war es zu dieſem allen, daß es vor den Augen des Vaters, der Mutter, aufwuͤchſe und eine erneute frohe Verbindung beſtaͤtigte.","norm":"Wie wünschenswert war es zu diesem allen, dass es vor den Augen des Vaters, der Mutter, aufwüchse und eine erneute frohe Verbindung bestätigte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":920,"orig":"Ottilie fuͤhlte dieß alles ſo rein, daß ſie ſich's als entſchieden wirklich dachte und ſich ſelbſt dabey gar nicht empfand.","norm":"Ottilie fühlte dies alles so rein, dass sie sich es als entschieden wirklich dachte und sich selbst dabei gar nicht empfand."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":921,"orig":"Unter dieſem klaren Himmel, bey dieſem hellen Sonnenſchein, ward es ihr auf einmal klar, daß ihre Liebe, um ſich zu vollenden, voͤllig uneigennuͤtzig werden muͤſſe; ja in manchen Augenblicken glaubte ſie dieſe Hoͤhe ſchon erreicht zu haben.","norm":"Unter diesem klaren Himmel, bei diesem hellen Sonnenschein, wurde es ihr auf einmal klar, dass ihre Liebe, um sich zu vollenden, völlig uneigennützig werden müsse; ja in manchen Augenblicken glaubte sie diese Höhe schon erreicht zu haben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":922,"orig":"Sie wuͤnſchte nur das Wohl ihres Freundes, ſie glaubte ſich faͤhig ihm zu entſagen, ſogar ihn niemals wieder zu ſehen, wenn ſie ihn nur gluͤcklich wiſſe.","norm":"Sie wünschte nur das Wohl ihres Freundes, sie glaubte sich fähig ihm zu entsagen, sogar ihn niemals wiederzusehen, wenn sie ihn nur glücklich wisse."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":923,"orig":"Aber ganz entſchieden war ſie fuͤr ſich, niemals einem andern anzugehoͤren.","norm":"Aber ganz entschieden war sie für sich, niemals einem anderen anzugehören."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":924,"orig":"Daß der Herbſt eben ſo herrlich wuͤrde wie der Fruͤhling, dafuͤr war geſorgt.","norm":"Dass der Herbst ebenso herrlich würde wie der Frühling, dafür war gesorgt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":925,"orig":"Alle ſogenannte Sommergewaͤchſe, alles was im Herbſt mit Bluͤhen nicht enden kann und ſich der Kaͤlte noch keck entgegen entwickelt, Aſtern beſonders, waren in der groͤßten Mannigfaltigkeit geſaͤt und ſollten nun uͤberallhin verpflanzt, einen Sternhimmel uͤber die Erde bilden.","norm":"Alle sogenannte Sommergewächse, alles was im Herbst mit Blühen nicht enden kann und sich der Kälte noch keck entgegenentwickelt, Aster besonders, waren in der größten Mannigfaltigkeit gesät und sollten nun überallhin verpflanzt, einen Sternhimmel über die Erde bilden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":926,"orig":"„Einen guten Gedanken den wir geleſen, etwas Auffallendes das wir gehoͤrt, tragen wir wohl in unſer Tagebuch.","norm":"„Einen guten Gedanken den wir gelesen, etwas Auffallendes das wir gehört, tragen wir wohl in unser Tagebuch."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":927,"orig":"Naͤhmen wir uns aber zugleich die Muͤhe, aus den Briefen unſerer Freunde eigenthuͤmliche Bemerkungen, originelle Anſichten, fluͤchtige geiſtreiche Worte auszuzeichnen, ſo wuͤrden wir ſehr reich werden.","norm":"Nähmen wir uns aber zugleich die Mühe, aus den Briefen unserer Freunde eigentümliche Bemerkungen, originelle Ansichten, flüchtige geistreiche Worte auszuzeichnen, so würden wir sehr reich werden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":928,"orig":"Briefe hebt man auf, um ſie nie wieder zu leſen; man zerſtoͤrt ſie zuletzt einmal aus Discretion, und ſo verſchwindet der ſchoͤnſte unmittelbarſte Lebenshauch unwiederbringlich fuͤr uns und andre.","norm":"Briefe hebt man auf, um sie nie wieder zu lesen; man zerstört sie zuletzt einmal aus Diskretion, und so verschwindet der schönste unmittelbarste Lebenshauch unwiederbringlich für uns und andere."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":929,"orig":"Ich nehme mir vor, dieſes Verſaͤumniß wieder gut zu machen.","norm":"Ich nehme mir vor, dieses Versäumnis wiedergutzumachen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":930,"orig":"“ So wiederhohlt ſich denn abermals das Jahresmaͤhrchen von vorn.","norm":"“ So wiederholt sich denn abermals das Jahresmärchen von vorn."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":931,"orig":"Wir ſind nun wieder, Gott ſey Dank!","norm":"Wir sind nun wieder, Gott sei Dank!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":932,"orig":"an ſeinem artigſten Kapitel.","norm":"an seinem artigsten Kapitel."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":933,"orig":"Veilchen und Mayblumen ſind wie Ueberſchriften oder Vignetten dazu.","norm":"Veilchen und Maiblumen sind wie Überschriften oder Vignetten dazu."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":934,"orig":"Es macht uns immer einen angenehmen Eindruck, wenn wir ſie in dem Buche des Lebens wieder aufſchlagen.","norm":"Es macht uns immer einen angenehmen Eindruck, wenn wir sie in dem Buche des Lebens wieder aufschlagen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":935,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":936,"orig":"„Wir ſchelten die Armen, beſonders die Unmuͤndigen, wenn ſie ſich an den Straßen herumlegen und betteln.","norm":"„Wir schelten die Armen, besonders die Unmündigen, wenn sie sich an den Straßen herumlegen und betteln."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":937,"orig":"Bemerken wir nicht, daß ſie gleich thaͤtig ſind, ſobald es was zu thun giebt?","norm":"Bemerken wir nicht, dass sie gleich tätig sind, sobald es was zu tun gibt?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":938,"orig":"Kaum entfaltet die Natur ihre freundlichen Schaͤtze, ſo ſind die Kinder dahinterher um ein Gewerbe zu eroͤffnen; keines bettelt mehr; jedes reicht dir einen Strauß; es hat ihn gepfluͤckt ehe du vom Schlaf erwachteſt, und das Bittende ſieht dich ſo freundlich an wie die Gabe.","norm":"Kaum entfaltet die Natur ihre freundlichen Schätze, so sind die Kinder da hinterher um ein Gewerbe zu eröffnen; keines bettelt mehr; jedes reicht dir einen Strauß; es hat ihn gepflückt ehe du vom Schlaf erwachtest, und das Bittende sieht dich so freundlich an wie die Gabe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":939,"orig":"Niemand ſieht erbaͤrmlich aus, der ſich einiges Recht fuͤhlt, fordern zu duͤrfen.","norm":"Niemand sieht erbärmlich aus, der sich einiges Recht fühlt, fordern zu dürfen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":940,"orig":"“ Warum nur das Jahr manchmal ſo kurz, manchmal ſo lang iſt, warum es ſo kurz ſcheint und ſo lang in der Erinnrung!","norm":"“ Warum nur das Jahr manchmal so kurz, manchmal so lang ist, warum es so kurz scheint und so lang in der Erinnerung!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":941,"orig":"Mir iſt es mit dem vergangenen ſo, und nirgends auffallender als im Garten, wie vergaͤngliches und dauerndes in einander greift.","norm":"Mir ist es mit dem vergangenen so, und nirgends auffallender als im Garten, wie Vergängliches und Dauerndes ineinandergreift."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":942,"orig":"Und doch iſt nichts ſo fluͤchtig das nicht eine Spur, das nicht ſeines Gleichen zuruͤcklaſſe.","norm":"Und doch ist nichts so flüchtig das nicht eine Spur, das nicht seinesgleichen zurücklasse."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":943,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":944,"orig":"„Man laͤßt ſich den Winter auch gefallen.","norm":"„Man lässt sich den Winter auch gefallen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":945,"orig":"Man glaubt ſich freyer auszubreiten, wenn die Baͤume ſo geiſterhaft, ſo durchſichtig vor uns ſtehen.","norm":"Man glaubt sich freier auszubreiten, wenn die Bäume so geisterhaft, so durchsichtig vor uns stehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":946,"orig":"Sie ſind nichts, aber ſie decken auch nichts zu.","norm":"Sie sind nichts, aber sie decken auch nichts zu."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":947,"orig":"Wie aber einmal Knospen und Bluͤten kommen, dann wird man ungeduldig bis das volle Laub hervortritt, bis die Landſchaft ſich verkoͤrpert und der Baum ſich als eine Geſtalt uns entgegen draͤngt.","norm":"Wie aber einmal Knospen und Blüten kommen, dann wird man ungeduldig bis das volle Laub hervortritt, bis die Landschaft sich verkörpert und der Baum sich als eine Gestalt uns entgegendrängt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":948,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":949,"orig":"„Alles Vollkommene in ſeiner Art muß uͤber ſeine Art hinausgehen, es muß etwas anderes unvergleichbares werden.","norm":"„Alles Vollkommene in seiner Art muss über seine Art hinausgehen, es muss etwas anderes Unvergleichbares werden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":950,"orig":"In manchen Toͤnen iſt die Nachtigall noch Vogel; dann ſteigt ſie uͤber ihre Claſſe hinuͤber und ſcheint jedem Gefiederten andeuten zu wollen, was eigentlich ſingen heiße.","norm":"In manchen Tönen ist die Nachtigall noch Vogel; dann steigt sie über ihre Klasse hinüber und scheint jedem Gefiederten andeuten zu wollen, was eigentlich singen heiße."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":951,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":952,"orig":"„Ein Leben ohne Liebe, ohne die Naͤhe des Geliebten, iſt nur eine Comédie à tiroir, ein ſchlechtes Schubladenſtuͤck.","norm":"„Ein Leben ohne Liebe, ohne die Nähe des Geliebten, ist nur eine Comédie à tiroir, ein schlechtes Schubladenstück."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":953,"orig":"Man ſchiebt eine nach der anderen heraus und wieder hinein und eilt zur folgenden.","norm":"Man schiebt eine nach der anderen heraus und wieder hinein und eilt zur Folgenden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":954,"orig":"Alles was auch gutes und bedeutendes vorkommt, haͤngt nur kuͤmmerlich zuſammen.","norm":"Alles was auch Gutes und Bedeutendes vorkommt, hängt nur kümmerlich zusammen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":955,"orig":"Man muß uͤberall von vorn anfangen und moͤchte uͤberall enden.","norm":"Man muss überall von vorn anfangen und möchte überall enden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":956,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":957,"orig":"Charlotte von ihrer Seite befindet ſich munter und wohl.","norm":"Charlotte von ihrer Seite befindet sich munter und wohl."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":958,"orig":"Sie freut ſich an dem tuͤchtigen Knaben, deſſen viel verſprechende Geſtalt ihr Auge und Gemuͤth ſtuͤndlich beſchaͤftigt.","norm":"Sie freut sich an dem tüchtigen Knaben, dessen vielversprechende Gestalt ihr Auge und Gemüt stündlich beschäftigt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":959,"orig":"Sie erhaͤlt durch ihn einen neuen Bezug auf die Welt und auf den Beſitz.","norm":"Sie erhält durch ihn einen neuen Bezug auf die Welt und auf den Besitz."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":960,"orig":"Ihre alte Thaͤtigkeit regt ſich wieder; ſie erblickt, wo ſie auch hinſieht, im vergangenen Jahre vieles gethan und empfindet Freude am Gethanen.","norm":"Ihre alte Tätigkeit regt sich wieder; sie erblickt, wo sie auch hinsieht, im vergangenen Jahre vieles getan und empfindet Freude am Getanen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":961,"orig":"Von einem eigenen Gefuͤhl belebt ſteigt ſie zur Mooshuͤtte mit Ottilien und dem Kinde, und indem ſie dieſes auf den kleinen Tiſch, als auf einen haͤuslichen Altar niederlegt, und noch zwey Plaͤtze leer ſieht, gedenkt ſie der vorigen Zeiten und eine neue Hoffnung fuͤr ſie und Ottilien dringt hervor.","norm":"Von einem eigenen Gefühl belebt steigt sie zur Mooshütte mit Ottilie und dem Kinde, und indem sie dieses auf den kleinen Tisch, als auf einen häuslichen Altar niederlegt, und noch zwei Plätze leer sieht, gedenkt sie der vorigen Zeiten und eine neue Hoffnung für sie und Ottilie dringt hervor."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":962,"orig":"Junge Frauenzimmer ſehen ſich beſcheiden vielleicht nach dieſem oder jenem Juͤngling um, mit ſtiller Pruͤfung, ob ſie ihn wohl zum Gatten wuͤnſchten; wer aber fuͤr eine Tochter oder einen weiblichen Zoͤgling zu ſorgen hat, ſchaut in einem weitern Kreis umher.","norm":"Junge Frauenzimmer sehen sich bescheiden vielleicht nach diesem oder jenem Jüngling um, mit stiller Prüfung, ob sie ihn wohl zum Gatten wünschten; wer aber für eine Tochter oder einen weiblichen Zögling zu Sorgen hat, schaut in einem weitern Kreis umher."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":963,"orig":"So ging es auch in dieſem Augenblick Charlotten, der eine Verbindung des Hauptmanns mit Ottilien nicht unmoͤglich ſchien, wie ſie doch auch ſchon ehemals in dieſer Huͤtte neben einander geſeſſen hatten.","norm":"So ging es auch in diesem Augenblick Charlotten, der eine Verbindung des Hauptmanns mit Ottilie nicht unmöglich schien, wie sie doch auch schon ehemals in dieser Hütte nebeneinander gesessen hatten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":964,"orig":"Ihr war nicht unbekannt geblieben, daß jene Ausſicht auf eine vortheilhafte Heirat wieder verſchwunden ſey.","norm":"Ihr war nicht unbekannt geblieben, dass jene Aussicht auf eine vorteilhafte Heirat wieder verschwunden sei."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":965,"orig":"Charlotte ſtieg weiter und Ottilie trug das Kind.","norm":"Charlotte stieg weiter und Ottilie trug das Kind."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":966,"orig":"Jene uͤberließ ſich mancherley Betrachtungen.","norm":"Jene überließ sich mancherlei Betrachtungen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":967,"orig":"Auch auf dem feſten Lande giebt es wohl Schiffbruch; ſich davon auf das ſchnellſte zu erhohlen und herzuſtellen, iſt ſchoͤn und preiswuͤrdig.","norm":"Auch auf dem festen Lande gibt es wohl Schiffbruch; sich davon auf das schnellste zu erholen und herzustellen, ist schön und preiswürdig."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":968,"orig":"Iſt doch das Leben nur auf Gewinn und Verluſt berechnet.","norm":"Ist doch das Leben nur auf Gewinn und Verlust berechnet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":969,"orig":"Wer macht nicht irgend eine Anlage und wird darin geſtoͤrt!","norm":"Wer macht nicht irgendeine Anlage und wird darin gestört!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":970,"orig":"Wie oft ſchlaͤgt man einen Weg ein und wird davon abgeleitet!","norm":"Wie oft schlägt man einen Weg ein und wird davon abgeleitet!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":971,"orig":"Wie oft werden wir von einem ſcharf ins Auge gefaßten Ziel abgelenkt, um ein hoͤheres zu erreichen!","norm":"Wie oft werden wir von einem scharf ins Auge gefassten Ziel abgelenkt, um ein höheres zu erreichen!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":972,"orig":"Der Reiſende bricht unterwegs zu ſeinem hoͤchſten Verdruß ein Rad und gelangt durch dieſen unangenehmen Zufall zu den erfreulichſten Bekanntſchaften und Verbindungen, die auf ſein ganzes Leben Einfluß haben.","norm":"Der Reisende bricht unterwegs zu seinem höchsten Verdruss ein Rad und gelangt durch diesen unangenehmen Zufall zu den erfreulichsten Bekanntschaften und Verbindungen, die auf sein ganzes Leben Einfluss haben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":973,"orig":"Das Schickſal gewaͤhrt uns unſre Wuͤnſche, aber auf ſeine Weiſe, um uns etwas uͤber unſere Wuͤnſche geben zu koͤnnen.","norm":"Das Schicksal gewährt uns unsere Wünsche, aber auf seine Weise, um uns etwas über unsere Wünsche geben zu können."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":974,"orig":"Dieſe und aͤhnliche Betrachtungen waren es, unter denen Charlotte zum neuen Gebaͤude auf der Hoͤhe gelangte, wo ſie vollkommen beſtaͤtigt wurden.","norm":"Diese und ähnliche Betrachtungen waren es, unter denen Charlotte zum neuen Gebäude auf der Höhe gelangte, wo sie vollkommen bestätigt wurden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":975,"orig":"Denn die Umgebung war viel ſchoͤner als man ſich's hatte denken koͤnnen.","norm":"Denn die Umgebung war viel schöner als man sich es hatte denken können."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":976,"orig":"Alles ſtoͤrende Kleinliche war rings umher entfernt; alles Gute der Landſchaft, was die Natur, was die Zeit daran gethan hatte, trat reinlich hervor und fiel ins Auge, und ſchon gruͤnten die jungen Pflanzungen, die beſtimmt waren, einige Luͤcken auszufuͤllen und die abgeſonderten Theile angenehm zu verbinden.","norm":"Alles störende Kleinliche war ringsumher entfernt; alles Gute der Landschaft, was die Natur, was die Zeit daran getan hatte, trat reinlich hervor und fiel ins Auge, und schon grünten die jungen Pflanzungen, die bestimmt waren, einige Lücken auszufüllen und die abgesonderten Teile angenehm zu verbinden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":977,"orig":"Das Haus ſelbſt war nahezu bewohnbar; die Ausſicht, beſonders aus den obern Zimmern, hoͤchſt mannigfaltig.","norm":"Das Haus selbst war nahezu bewohnbar; die Aussicht, besonders aus den oberen Zimmern, höchst mannigfaltig."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":978,"orig":"Je laͤnger man ſich umſah, deſto mehr Schoͤnes entdeckte man.","norm":"Je länger man sich umsah, desto mehr Schönes entdeckte man."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":979,"orig":"Was mußten nicht hier die verſchiedenen Tagszeiten, was Mond und Sonne fuͤr Wirkungen hervorbringen!","norm":"Was mussten nicht hier die verschiedenen Tagszeiten, was Mond und Sonne für Wirkungen hervorbringen!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":980,"orig":"Hier zu verweilen war hoͤchſt wuͤnſchenswerth, und wie ſchnell ward die Luſt zu bauen und zu ſchaffen in Charlotten wieder erweckt, da ſie alle grobe Arbeit gethan fand.","norm":"Hier zu verweilen war höchst wünschenswert, und wie schnell wurde die Lust zu bauen und zu schaffen in Charlotten wieder erweckt, da sie alle grobe Arbeit getan fand."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":981,"orig":"Ein Tiſcher, ein Tapezirer, ein Maler, der mit Patronen und leichter Vergoldung ſich zu helfen wußte, nur dieſer bedurfte man, und in kurzer Zeit war das Gebaͤude im Stande.","norm":"Ein Tischer, ein Tapezierer, ein Maler, der mit Patronen und leichter Vergoldung sich zu helfen wusste, nur dieser bedurfte man, und in kurzer Zeit war das Gebäude im Stande."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":982,"orig":"Keller und Kuͤche wurden ſchnell eingerichtet: denn in der Entfernung vom Schloſſe mußte man alle Beduͤrfniſſe um ſich verſammeln.","norm":"Keller und Küche wurden schnell eingerichtet: denn in der Entfernung vom Schlosse musste man alle Bedürfnisse um sich versammeln."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":983,"orig":"So wohnten die Frauenzimmer mit dem Kinde nun oben, und von dieſem Aufenthalt, als von einem neuen Mittelpunkt, eroͤffneten ſich ihnen unerwartete Spaziergaͤnge.","norm":"So wohnten die Frauenzimmer mit dem Kinde nun oben, und von diesem Aufenthalt, als von einem neuen Mittelpunkt, eröffneten sich ihnen unerwartete Spaziergänge."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":984,"orig":"Sie genoſſen vergnuͤglich in einer hoͤheren Region der freyen friſchen Luft bey dem ſchoͤnſten Wetter.","norm":"Sie genossen vergnüglich in einer höheren Region der freien frischen Luft bei dem schönsten Wetter."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":985,"orig":"Ottiliens liebſter Weg, theils allein, theils mit dem Kinde, ging herunter nach den Platanen auf einem bequemen Fußſteig, der ſodann zu dem Puncte leitete, wo einer der Kaͤhne angebunden war, mit denen man uͤberzufahren pflegte.","norm":"Ottilies liebster Weg, teils allein, teils mit dem Kinde, ging herunter nach den Platanen auf einem bequemen Fußsteig, der sodann zu dem Punkte leitete, wo einer der Kähne angebunden war, mit denen man überzufahren pflegte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":986,"orig":"Sie erfreute ſich manchmal einer Waſſerfahrt; allein ohne das Kind, weil Charlotte deshalb einige Beſorgniß zeigte.","norm":"Sie erfreute sich manchmal einer Wasserfahrt; allein ohne das Kind, weil Charlotte deshalb einige Besorgnis zeigte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":987,"orig":"Doch verfehlte ſie nicht, taͤglich den Gaͤrtner im Schloßgarten zu beſuchen und an ſeiner Sorgfalt fuͤr die vielen Pflanzenzoͤglinge, die nun alle der freyen Luft genoſſen, freundlich Theil zu nehmen.","norm":"Doch verfehlte sie nicht, täglich den Gärtner im Schlossgarten zu besuchen und an seiner Sorgfalt für die vielen Pflanzenzöglinge, die nun alle der freien Luft genossen, freundlich teilzunehmen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":988,"orig":"In dieſer ſchoͤnen Zeit kam Charlotten der Beſuch eines Englaͤnders ſehr gelegen, der Eduarden auf Reiſen kennen gelernt, einigemal getroffen hatte und nunmehr neugierig war, die ſchoͤnen Anlagen zu ſehen, von denen er ſo viel Gutes erzaͤhlen hoͤrte.","norm":"In dieser schönen Zeit kam Charlotten der Besuche eines Engländers sehr gelegen, der Eduard auf Reisen kennengelernt, einige Mal getroffen hatte und nunmehr neugierig war, die schönen Anlagen zu sehen, von denen er soviel Gutes erzählen hörte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":989,"orig":"Er brachte ein Empfehlungsſchreiben vom Grafen mit und ſtellte zugleich einen ſtillen aber ſehr gefaͤlligen Mann als ſeinen Begleiter vor.","norm":"Er brachte ein Empfehlungsschreiben vom Grafen mit und stellte zugleich einen stillen aber sehr gefälligen Mann als seinen Begleiter vor."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":990,"orig":"Indem er nun bald mit Charlotten und Ottilien, bald mit Gaͤrtnern und Jaͤgern, oͤfters mit ſeinem Begleiter, und manchmal allein die Gegend durchſtrich; ſo konnte man ſeinen Bemerkungen wohl anſehen, daß er ein Liebhaber und Kenner ſolcher Anlagen war, der wohl auch manche dergleichen ſelbſt ausgefuͤhrt hatte.","norm":"Indem er nun bald mit Charlotten und Ottilie, bald mit Gärtnern und Jägern, öfters mit seinem Begleiter, und manchmal allein die Gegend durchstrich; so konnte man seinen Bemerkungen wohl ansehen, dass er ein Liebhaber und Kenner solcher Anlagen war, der wohl auch manche dergleichen selbst ausgeführt hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":991,"orig":"Obgleich in Jahren nahm er auf eine heitere Weiſe an allem Theil, was dem Leben zur Zierde gereichen und es bedeutend machen kann.","norm":"Obgleich in Jahren nahm er auf eine heitere Weise an allem Teil, was dem Leben zur Zierde gereichen und es bedeutend machen kann."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":992,"orig":"In ſeiner Gegenwart genoſſen die Frauenzimmer erſt vollkommen ihrer Umgebung.","norm":"In seiner Gegenwart genossen die Frauenzimmer erst vollkommen ihrer Umgebung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":993,"orig":"Sein geuͤbtes Auge empfing jeden Effect ganz friſch, und er hatte um ſomehr Freude an dem Entſtandenen, als er die Gegend vorher nicht gekannt, und was man daran gethan, von dem was die Natur geliefert, kaum zu unterſcheiden wußte.","norm":"Sein geübtes Auge empfing jeden Effekt ganz frisch, und er hatte um so mehr Freude an dem Entstandenen, als er die Gegend vorher nicht gekannt, und was man daran getan, von dem was die Natur geliefert, kaum zu unterscheiden wusste."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":994,"orig":"Man kann wohl ſagen, daß durch ſeine Bemerkungen der Park wuchs und ſich bereicherte.","norm":"Man kann wohl sagen, dass durch seine Bemerkungen der Park wuchs und sich bereicherte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":995,"orig":"Schon zum voraus erkannte er, was die neuen heranſtrebenden Pflanzungen verſprachen.","norm":"Schon zum voraus erkannte er, was die neuen heranstrebenden Pflanzungen versprachen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":996,"orig":"Keine Stelle blieb ihm unbemerkt, wo noch irgend eine Schoͤnheit hervorzuheben oder anzubringen war.","norm":"Keine Stelle blieb ihm unbemerkt, wo noch irgendeine Schönheit hervorzuheben oder anzubringen war."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":997,"orig":"Hier deutete er auf eine Quelle, welche gereinigt, die Zierde einer ganzen Buſchpartie zu werden verſprach; hier auf eine Hoͤhle, die auſgeraͤumt und erweitert, einen erwuͤnſchten Ruheplatz geben konnte, indeſſen man nur wenige Baͤume zu faͤllen brauchte, um von ihr aus herrliche Felſenmaſſen aufgethuͤrmt zu erblicken.","norm":"Hier deutete er auf eine Quelle, welche gereinigt, die Zierde einer ganzen Buschpartie zu werden versprach; hier auf eine Höhle, die ausgeräumt und erweitert, einen erwünschten Ruheplatz geben konnte, indessen man nur wenige Bäume zu fällen brauchte, um von ihr aus herrliche Felsenmassen aufgetürmt zu erblicken."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":998,"orig":"Er wuͤnſchte den Bewohnern Gluͤck, daß ihnen ſo manches nachzuarbeiten uͤbrig blieb, und erſuchte ſie, damit nicht zu eilen, ſondern fuͤr folgende Jahre ſich das Vergnuͤgen des Schaffens und Einrichtens vorzubehalten.","norm":"Er wünschte den Bewohnern Glück, dass ihnen so manches nachzuarbeiten übrigblieb, und ersuchte sie, damit nicht zu eilen, sondern für folgende Jahre sich das Vergnügen des Schaffens und Einrichtens vorzubehalten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":999,"orig":"Uebrigens war er außer den geſelligen Stunden keineswegs laͤſtig: denn er beſchaͤftigte ſich die groͤßte Zeit des Tags, die maleriſchen Ausſichten des Parks in einer tragbaren dunklen Kammer aufzufangen und zu zeichnen, um dadurch ſich und andern von ſeinen Reiſen eine ſchoͤne Frucht zu gewinnen.","norm":"Übrigens war er außer den geselligen Stunden keineswegs lästig: denn er beschäftigte sich die größte Zeit des Tags, die malerischen Aussichten des Parks in einer tragbaren dunklen Kammer aufzufangen und zu zeichnen, um dadurch sich und anderen von seinen Reisen eine schöne Frucht zu gewinnen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1000,"orig":"Er hatte dieſes, ſchon ſeit mehreren Jahren, in allen bedeutenden Gegenden gethan und ſich dadurch die angenehmſte und intereſſanteſte Sammlung verſchafft.","norm":"Er hatte dieses, schon seit mehreren Jahren, in allen bedeutenden Gegenden getan und sich dadurch die angenehmste und interessanteste Sammlung verschafft."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1001,"orig":"Ein großes Portefeuille das er mit ſich fuͤhrte, zeigte er den Damen vor und unterhielt ſie, theils durch das Bild, theils durch die Auslegung.","norm":"Ein großes Portefeuille das er mit sich führte, zeigte er den Damen vor und unterhielt sie, teils durch das Bild, teils durch die Auslegung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1002,"orig":"Sie freuten ſich, hier in ihrer Einſamkeit die Welt ſo bequem zu durchreiſen, Ufer und Haͤfen, Berge, Seen und Fluͤſſe, Staͤdte, Caſtelle und manches andre Local, das in der Geſchichte einen Namen hat, vor ſich vorbeyziehen zu ſehen.","norm":"Sie freuten sich, hier in ihrer Einsamkeit die Welt so bequem zu durchreisen, Ufer und Häfen, Berge, Seen und Flüsse, Städte, Kastelle und manches andere Lokal, das in der Geschichte einen Namen hat, vor sich vorbeiziehen zu sehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1003,"orig":"Jede von beyden Frauen hatte ein beſonderes Intereſſe;","norm":"Jede von beiden Frauen hatte ein besonderes Interesse;"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1004,"orig":"Charlotte das allgemeinere, gerade an dem, wo ſich etwas hiſtoriſch merkwuͤrdiges fand, waͤhrend Ottilie ſich vorzuͤglich bey den Gegenden aufhielt, wovon Eduard viel zu erzaͤhlen pflegte, wo er gern verweilt, wohin er oͤfters zuruͤckgekehrt: denn jeder Menſch hat in der Naͤhe und in der Ferne gewiſſe oͤrtliche Einzelnheiten die ihn anziehen, die ihm, ſeinem Character nach, um des erſten Eindrucks, gewiſſer Umſtaͤnde, der Gewohnheit willen, beſonders lieb und aufregend ſind.","norm":"Charlotte das allgemeinere, gerade an dem, wo sich etwas historisch Merkwürdiges fand, während Ottilie sich vorzüglich bei den Gegenden aufhielt, wovon Eduard viel zu erzählen pflegte, wo er gern verweilt, wohin er öfters zurückgekehrt: denn jeder Mensch hat in der Nähe und in der Ferne gewisse örtliche Einzelheiten die ihn anziehen, die ihm, seinem Charakter nach, um des ersten Eindrucks, gewisser Umstände, der Gewohnheit Willen, besonders lieb und aufregend sind."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1005,"orig":"Sie fragte daher den Lord, wo es ihm denn am beſten gefalle, und wo er nun ſeine Wohnung aufſchlagen wuͤrde, wenn er zu waͤhlen haͤtte.","norm":"Sie fragte daher den Lord, wo es ihm denn am besten gefalle, und wo er nun seine Wohnung aufschlagen würde, wenn er zu wählen hätte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1006,"orig":"Da wußte er denn mehr als Eine ſchoͤne Gegend vorzuzeigen, und was ihm dort widerfahren, um ſie ihm lieb und werth zu machen, in ſeinem eigens accentuirten Franzoͤſiſch gar behaglich mitzutheilen.","norm":"Da wusste er denn mehr als Eine schöne Gegend vorzuzeigen, und was ihm dort widerfahren, um sie ihm lieb und wert zu machen, in seinem eigens akzentuierten Französisch gar behaglich mitzuteilen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1007,"orig":"Auf die Frage hingegen, wo er ſich denn jetzt gewoͤhnlich aufhalte, wohin er am liebſten zuruͤckkehre, ließ er ſich ganz unbewunden, doch den Frauen unerwartet, alſo vernehmen.","norm":"Auf die Frage hingegen, wo er sich denn jetzt gewöhnlich aufhalte, wohin er am liebsten zurückkehre, ließ er sich ganz unbewunden, doch den Frauen unerwartet, also vernehmen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1008,"orig":"Ich habe mir nun angewoͤhnt uͤberall zu Hauſe zu ſeyn und finde zuletzt nichts bequemer, als daß andre fuͤr mich bauen, pflanzen und ſich haͤuslich bemuͤhen.","norm":"Ich habe mir nun angewöhnt überall zu Hause zu sein und finde zuletzt nichts bequemer, als dass andere für mich bauen, pflanzen und sich häuslich bemühen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1009,"orig":"Nach meinen eigenen Beſitzungen ſehne ich mich nicht zuruͤck, theils aus politiſchen Urſachen, vorzuͤglich aber weil mein Sohn, fuͤr den ich alles eigentlich gethan und eingerichtet, dem ich es zu uͤbergeben, mit dem ich es noch zu genießen hoffte, an allem keinen Theil nimmt, ſondern nach Indien gegangen iſt, um ſein Leben dort, wie mancher andere, hoͤher zu nutzen, oder gar zu vergeuden.","norm":"Nach meinen eigenen Besitzungen sehne ich mich nicht zurück, teils aus politischen Ursachen, vorzüglich aber weil mein Sohn, für den ich alles eigentlich getan und eingerichtet, dem ich es zu übergeben, mit dem ich es noch zu genießen hoffte, an allem keinen Teil nimmt, sondern nach Indien gegangen ist, um sein Leben dort, wie mancher andere, höher zu nutzen, oder gar zu vergeuden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1010,"orig":"Gewiß wir machen viel zu viel vorarbeitenden Aufwand aufs Leben.","norm":"Gewiss wir machen viel zu viel vorarbeitenden Aufwand aufs Leben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1011,"orig":"Anſtatt daß wir gleich anfingen uns in einem maͤßigen Zuſtand behaglich zu finden, ſo gehen wir immer mehr ins Breite, um es uns immer unbequemer zu machen.","norm":"Anstatt dass wir gleich anfingen uns in einem mäßigen Zustand behaglich zu finden, so gehen wir immer mehr ins Breite, um es uns immer unbequemer zu machen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1012,"orig":"Wer genießt jetzt meine Gebaͤude, meinen Park, meine Gaͤrten?","norm":"Wer genießt jetzt meine Gebäude, meinen Park, meine Gärten?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1013,"orig":"Nicht ich, nicht einmal die Meinigen; fremde Gaͤſte, Neugierige, unruhige Reiſende.","norm":"Nicht ich, nicht einmal die Meinigen; fremde Gäste, Neugierige, unruhige Reisende."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1014,"orig":"Selbſt bey vielen Mitteln ſind wir immer nur halb und halb zu Hauſe, beſonders auf dem Lande, wo uns manches Gewohnte der Stadt fehlt.","norm":"Selbst bei vielen Mitteln sind wir immer nur halb und halb zu Hause, besonders auf dem Lande, wo uns manches Gewohnte der Stadt fehlt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1015,"orig":"Das Buch das wir am eifrigſten wuͤnſchten, iſt nicht zur Hand, und gerade was wir am meiſten beduͤrften, iſt vergeſſen.","norm":"Das Buch das wir am eifrigsten wünschten, ist nicht zur Hand, und gerade was wir am meisten bedürften, ist vergessen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1016,"orig":"Wir richten uns immer haͤuslich ein, um wieder auszuziehen, und wenn wir es nicht mit Willen und Willkuͤhr thun; ſo wirken Verhaͤltniſſe, Leidenſchaften, Zufaͤlle, Nothwendigkeit und was nicht alles.","norm":"Wir richten uns immer häuslich ein, um wieder auszuziehen, und wenn wir es nicht mit Willen und Willkür tun; so wirken Verhältnisse, Leidenschaften, Zufälle, Notwendigkeit und was nicht alles."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1017,"orig":"Der Lord ahndete nicht, wie tief durch ſeine Betrachtungen die Freundinnen getroffen wurden.","norm":"Der Lord ahnte nicht, wie tief durch seine Betrachtungen die Freundinnen getroffen wurden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1018,"orig":"Und wie oft kommt nicht Jeder in dieſe Gefahr, der eine allgemeine Betrachtung ſelbſt in einer Geſellſchaft deren Verhaͤltniſſe ihm ſonſt bekannt ſind, ausſpricht.","norm":"Und wie oft kommt nicht jeder in diese Gefahr, der eine allgemeine Betrachtung selbst in einer Gesellschaft deren Verhältnisse ihm sonst bekannt sind, ausspricht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1019,"orig":"Charlotten war eine ſolche zufaͤllige Verletzung auch durch Wohlwollende und Gutmeynende nichts Neues; und die Welt lag ohnehin ſo deutlich vor ihren Augen, daß ſie keinen beſondern Schmerz empfand, wenn gleich Jemand ſie unbedachtſam und unvorſichtig noͤthigte, ihren Blick da oder dorthin auf eine unerfreuliche Stelle zu richten.","norm":"Charlotten war eine solche zufällige Verletzung auch durch Wohlwollende und Gutmeinende nichts Neues; und die Welt lag ohnehin so deutlich vor ihren Augen, dass sie keinen besonderen Schmerz empfand, wenngleich Jemand sie unbedachtsam und unvorsichtig nötigte, ihren Blick da oder dorthin auf eine unerfreuliche Stelle zu richten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1020,"orig":"Ottilie hingegen, die in halbbewußter Jugend mehr ahndete als ſah, und ihren Blick wegwenden durfte ja mußte von dem was ſie nicht ſehen mochte und ſollte, Ottilie ward durch dieſe traulichen Reden in den ſchrecklichſten Zuſtand verſetzt: denn es zerriß mit Gewalt vor ihr der anmuthige Schleyer, und es ſchien ihr, als wenn alles was bisher fuͤr Haus und Hof, fuͤr Garten, Park und die ganze Umgebung geſchehen war, ganz eigentlich umſonſt ſey, weil der dem es alles gehoͤrte, es nicht genoͤſſe, weil auch der, wie der gegenwaͤrtige Gaſt, zum Herumſchweifen in der Welt und zwar zu dem gefaͤhrlichſten, durch die Liebſten und Naͤchſten gedraͤngt worden.","norm":"Ottilie hingegen, die in halb bewusster Jugend mehr ahnte als sah, und ihren Blick wegwenden durfte ja musste von dem was sie nicht sehen mochte und sollte, Ottilie wurde durch diese traulichen Reden in den schrecklichsten Zustand versetzt: denn es zerriss mit Gewalt vor ihr der anmutige Schleier, und es schien ihr, als wenn alles was bisher für Haus und Hof, für Garten, Park und die ganze Umgebung geschehen war, ganz eigentlich umsonst sei, weil der dem es alles gehörte, es nicht genösse, weil auch der, wie der gegenwärtige Gast, zum Herumschweifen in der Welt und zwar zu dem gefährlichsten, durch die Liebsten und Nächsten gedrängt worden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1021,"orig":"Sie hatte ſich an Hoͤren und Schweigen gewoͤhnt, aber ſie ſaß dießmal in der peinlichſten Lage, die durch des Fremden weiteres Geſpraͤch eher vermehrt als vermindert wurde, das er mit heiterer Eigenheit und Bedaͤchtlichkeit fortſetzte.","norm":"Sie hatte sich an Hören und Schweigen gewöhnt, aber sie saß diesmal in der peinlichsten Lage, die durch des Fremden weiteres Gespräch eher vermehrt als vermindert wurde, das er mit heiterer Eigenheit und Bedächtigkeit fortsetzte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1022,"orig":"Nun glaub' ich, ſagte er, auf dem rechten Wege zu ſeyn, da ich mich immerfort als einen Reiſenden betrachte, der vielem entſagt, um vieles zu genießen.","norm":"Nun glaube ich, sagte er, auf dem rechten Wege zu sein, da ich mich immerfort als einen Reisenden betrachte, der vielem entsagt, um vieles zu genießen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1023,"orig":"Ich bin an den Wechſel gewoͤhnt, ja er wird mir Beduͤrfniß, wie man in der Oper immer wieder auf eine neue Decoration wartet, gerade weil ſchon ſo viele da geweſen.","norm":"Ich bin an den Wechsel gewöhnt, ja er wird mir Bedürfnis, wie man in der Oper immer wieder auf eine neue Dekoration wartet, gerade weil schon so viele dagewesen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1024,"orig":"Was ich mir von dem beſten und dem ſchlechteſten Wirthshauſe verſprechen darf, iſt mir bekannt: es mag ſo gut oder ſchlimm ſeyn als es will, nirgends find' ich das Gewohnte, und am Ende laͤuft es auf Eins hinaus, ganz von einer nothwendigen Gewohnheit, oder ganz von der willkuͤhrlichſten Zufaͤlligkeit abzuhangen.","norm":"Was ich mir von dem besten und dem schlechtesten Wirtshause versprechen darf, ist mir bekannt: Es mag so gut oder schlimm sein als es will, nirgends finde ich das Gewohnte, und am Ende läuft es auf Eins hinaus, ganz von einer notwendigen Gewohnheit, oder ganz von der willkürlichsten Zufälligkeit abzuhangen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1025,"orig":"Wenigſtens habe ich jetzt nicht den Verdruß, daß etwas verlegt oder verloren iſt, daß mir ein taͤgliches Wohnzimmer unbrauchbar wird, weil ich es muß repariren laſſen, daß man mir eine liebe Taſſe zerbricht und es mir eine ganze Zeit aus keiner andern ſchmecken will.","norm":"Wenigstens habe ich jetzt nicht den Verdruss, dass etwas verlegt oder verloren ist, dass mir ein tägliches Wohnzimmer unbrauchbar wird, weil ich es muss reparieren lassen, dass man mir eine liebe Tasse zerbricht und es mir eine ganze Zeit aus keiner anderen schmecken will."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1026,"orig":"Alles deſſen bin ich uͤberhoben, und wenn mir das Haus uͤber dem Kopf zu brennen anfaͤngt, ſo packen meine Leute gelaſſen ein und auf, und wir fahren zu Hofraum und Stadt hinaus.","norm":"Alles dessen bin ich überhoben, und wenn mir das Haus über dem Kopf zu brennen anfängt, so packen meine Leute gelassen ein und auf, und wir fahren zu Hofraum und Stadt hinaus."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1027,"orig":"Und bey allen dieſen Vortheilen, wenn ich es genau berechne, habe ich am Ende des Jahrs nicht mehr ausgegeben, als es mich zu Hauſe gekoſtet haͤtte.","norm":"Und bei allen diesen Vorteilen, wenn ich es genau berechne, habe ich am Ende des Jahrs nicht mehr ausgegeben, als es mich zu Hause gekostet hätte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1028,"orig":"Bey dieſer Schilderung ſah Ottilie nur Eduarden vor ſich, wie er nun auch, mit Entbehren und Beſchwerde, auf ungebahnten Straßen hinziehe, mit Gefahr und Noth zu Felde liege, und bey ſo viel Unbeſtand und Wagniß ſich gewoͤhne heimatlos und freundlos zu ſeyn, alles wegzuwerfen nur um nicht verlieren zu koͤnnen.","norm":"Bei dieser Schilderung sah Ottilie nur Eduard vor sich, wie er nun auch, mit Entbehren und Beschwerde, auf ungebahnten Straßen hinziehe, mit Gefahr und Not zu Felde liege, und bei soviel Unbestand und Wagnis sich gewöhne heimatlos und freundlos zu sein, alles wegzuwerfen nur um nicht verlieren zu können."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1029,"orig":"Gluͤcklicherweiſe trennte ſich die Geſellſchaft fuͤr einige Zeit.","norm":"Glücklicherweise trennte sich die Gesellschaft für einige Zeit."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1030,"orig":"Ottilie fand Raum ſich in der Einſamkeit auszuweinen.","norm":"Ottilie fand Raum sich in der Einsamkeit auszuweinen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1031,"orig":"Gewaltſamer hatte ſie kein dumpfer Schmerz ergriffen, als dieſe Klarheit, die ſie ſich noch klarer zu machen ſtrebte, wie man es zu thun pflegt, daß man ſich ſelbſt peinigt, wenn man einmal auf dem Wege iſt gepeinigt zu werden.","norm":"Gewaltsamer hatte sie kein dumpfer Schmerz ergriffen, als diese Klarheit, die sie sich noch klarer zu machen strebte, wie man es zu tun pflegt, dass man sich selbst peinigt, wenn man einmal auf dem Wege ist gepeinigt zu werden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1032,"orig":"Der Zuſtand Eduards kam ihr ſo kuͤmmerlich, ſo jaͤmmerlich vor, daß ſie ſich entſchloß, es koſte was es wolle, zu ſeiner Wiedervereinigung mit Charlotten alles beyzutragen, ihren Schmerz und ihre Liebe an irgend einem ſtillen Orte zu verbergen und durch irgend eine Art von Thaͤtigkeit zu betriegen.","norm":"Der Zustand Eduards kam ihr so kümmerlich, so jämmerlich vor, dass sie sich entschloss, es koste was es wolle, zu seiner Wiedervereinigung mit Charlotten alles beizutragen, ihren Schmerz und ihre Liebe an irgendeinem stillen Orte zu verbergen und durch irgendeine Art von Tätigkeit zu betrügen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1033,"orig":"Indeſſen hatte der Begleiter des Lords, ein verſtaͤndiger, ruhiger Mann und guter Beobachter, den Mißgriff in der Unterhaltung bemerkt und die Aehnlichkeit der Zuſtaͤnde ſeinem Freunde offenbart.","norm":"Indessen hatte der Begleiter des Lords, ein verständiger, ruhiger Mann und guter Beobachter, den Missgriff in der Unterhaltung bemerkt und die Ähnlichkeit der Zustände seinem Freunde offenbart."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1034,"orig":"Dieſer wußte nichts von den Verhaͤltniſſen der Familie; allein jener, den eigentlich auf der Reiſe nichts mehr intereſſirte als die ſonderbaren Ereigniſſe, welche durch natuͤrliche und kuͤnſtliche Verhaͤltniſſe, durch den Conflict des Geſetzlichen und des Ungebaͤndigten, des Verſtandes und der Vernunft, der Leidenſchaft und des Vorurtheils hervorgebracht werden, jener hatte ſich ſchon fruͤher, und mehr noch im Hauſe ſelbſt, mit allem bekannt gemacht was vorgegangen war und noch vorging.","norm":"Dieser wusste nichts von den Verhältnissen der Familie; allein jener, den eigentlich auf der Reise nichts mehr interessierte als die sonderbaren Ereignisse, welche durch natürliche und künstliche Verhältnisse, durch den Konflikt des Gesetzlichen und des Ungebändigten, des Verstandes und der Vernunft, der Leidenschaft und des Vorurteils hervorgebracht werden, jener hatte sich schon früher, und mehr noch im Hause selbst, mit allem bekannt gemacht was vorgegangen war und noch vorging."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1035,"orig":"Dem Lord that es leid, ohne daß er daruͤber verlegen geweſen waͤre.","norm":"Dem Lord tat es leid, ohne dass er darüber verlegen gewesen wäre."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1036,"orig":"Man muͤßte ganz in Geſellſchaft ſchweigen, wenn man nicht manchmal in den Fall kommen ſollte: denn nicht allein bedeutende Bemerkungen, ſondern die trivialſten Aeußerungen koͤnnen auf eine ſo mißklingende Weiſe mit dem Intereſſe der Gegenwaͤrtigen zuſammentreffen.","norm":"Man müsste ganz in Gesellschaft schweigen, wenn man nicht manchmal in den Fall kommen sollte: denn nicht allein bedeutende Bemerkungen, sondern die trivialsten Äußerungen können auf eine so missklingende Weise mit dem Interesse der Gegenwärtigen zusammentreffen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1037,"orig":"Wir wollen es heute Abend wieder gut machen, ſagte der Lord, und uns aller allgemeinen Geſpraͤche enthalten.","norm":"Wir wollen es heute Abend wiedergutmachen, sagte der Lord, und uns aller allgemeinen Gespräche enthalten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1038,"orig":"Geben Sie der Geſellſchaft etwas von den vielen angenehmen und bedeutenden Anecdoten und Geſchichten zu hoͤren, womit Sie Ihr Portefeuille und ihr Gedaͤchtni auf unſerer Reiſe bereichert haben.","norm":"Geben Sie der Gesellschaft etwas von den vielen angenehmen und bedeutenden Anekdoten und Geschichten zu hören, womit Sie Ihr Portefeuille und Ihr Gedächtnis auf unserer Reise bereichert haben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1039,"orig":"Allein auch mit dem beſten Vorſatze gelang es den Fremden nicht, die Freunde dießmal mit einer unverfaͤnglichen Unterhaltung zu erfreuen.","norm":"Allein auch mit dem besten Vorsatze gelang es den Fremden nicht, die Freunde diesmal mit einer unverfänglichen Unterhaltung zu erfreuen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1040,"orig":"Denn nachdem der Begleiter durch manche ſonderbare, bedeutende, heitere, ruͤhrende, furchtbare Geſchichten die Aufmerkſamkeit erregt und die Theilnahme aufs hoͤchſte geſpannt hatte; ſo dachte er mit einer zwar ſonderbaren, aber ſanfteren Begebenheit zu ſchließen, und ahndete nicht, wie nahe dieſe ſeinen Zuhoͤrern verwandt war.","norm":"Denn nachdem der Begleiter durch manche sonderbare, bedeutende, heitere, rührende, furchtbare Geschichten die Aufmerksamkeit erregt und die Teilnahme aufs höchste gespannt hatte; so dachte er mit einer zwar sonderbaren, aber sanfteren Begebenheit zu schließen, und ahnte nicht, wie nahe diese seinen Zuhörern verwandt war."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1041,"orig":"Zwey Nachbarskinder von bedeutenden Haͤuſern, Knabe und Maͤdchen, in verhaͤltnißmaͤßigem Alter, um dereinſt Gatten zu werden, ließ man in dieſer angenehmen Ausſicht mit einander aufwachſen, und die beyderſeitigen Aeltern freuten ſich einer kuͤnftigen Verbindung.","norm":"Zwei Nachbarskinder von bedeutenden Häusern, Knabe und Mädchen, in verhältnismäßigem Alter, um dereinst Gatten zu werden, ließ man in dieser angenehmen Aussicht miteinander aufwachsen, und die beiderseitigen Eltern freuten sich einer künftigen Verbindung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1042,"orig":"Doch man bemerkte gar bald, daß die Abſicht zu mislingen ſchien, indem ſich zwiſchen den beyden trefflichen Naturen ein ſonderbarer Widerwille hervorthat.","norm":"Doch man bemerkte gar bald, dass die Absicht zu misslingen schien, indem sich zwischen den beiden trefflichen Naturen ein sonderbarer Widerwille hervortat."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1043,"orig":"Vielleicht waren ſie einander zu aͤhnlich.","norm":"Vielleicht waren sie einander zu ähnlich."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1044,"orig":"Beyde in ſich ſelbſt gewendet, deutlich in ihrem Wollen, feſt in ihren Vorſaͤtzen; jedes einzeln geliebt und geehrt von ſeinen Geſpielen; immer Widerſacher wenn ſie zuſammen waren, immer aufbauend fuͤr ſich allein, immer wechſelsweiſe zerſtoͤrend wo ſie ſich begegneten; nicht wetteifernd nach Einem Ziel, aber immer kaͤmpfend um Einen Zweck; gutartig durchaus und liebenswuͤrdig, und nur haſſend, ja boͤsartig, indem ſie ſich auf einander bezogen.","norm":"Beide in sich selbst gewendet, deutlich in ihrem Wollen, fest in ihren Vorsätzen; jedes einzeln geliebt und geehrt von seinen Gespielen; immer Widersacher wenn sie zusammen waren, immer aufbauend für sich allein, immer wechselweise zerstörend wo sie sich begegneten; nicht wetteifernd nach einem Ziel, aber immer kämpfend um Einen Zweck; gutartig durchaus und liebenswürdig, und nur hassend, ja bösartig, indem sie sich aufeinander bezogen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1045,"orig":"Dieſes wunderliche Verhaͤltniß zeigte ſich ſchon bey kindiſchen Spielen, es zeigte ſich bey zunehmenden Jahren.","norm":"Dieses wunderliche Verhältnis zeigte sich schon bei kindischen Spielen, es zeigte sich bei zunehmenden Jahren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1046,"orig":"Und wie die Knaben Krieg zu ſpielen, ſich in Parteyen zu ſondern, einander Schlachten zu liefern pflegen, ſo ſtellte ſich das trotzig muthige Maͤdchen einſt an die Spitze des einen Heers, und focht gegen das andre mit ſolcher Gewalt und Erbitterung, daß dieſes ſchimpflich waͤre in die Flucht geſchlagen worden, wenn ihr einzelner Widerſacher ſich nicht ſehr brav gehalten und ſeine Gegnerinn doch noch zuletzt entwaffnet und gefangen genommen haͤtte.","norm":"Und wie die Knaben Krieg zu spielen, sich in Parteien zu sondern, einander Schlachten zu liefern pflegen, so stellte sich das trotzig mutige Mädchen einst an die Spitze des einen Heers, und focht gegen das andere mit solcher Gewalt und Erbitterung, dass dieses schimpflich wäre in die Flucht geschlagen worden, wenn ihr einzelner Widersacher sich nicht sehr brav gehalten und seine Gegnerin doch noch zuletzt entwaffnet und gefangengenommen hätte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1047,"orig":"Aber auch da noch wehrte ſie ſich ſo gewaltſam, daß er, um ſeine Augen zu erhalten, und die Feindinn doch nicht zu beſchaͤdigen, ſein ſeidenes Halstuch abreißen und ihr die Haͤnde damit auf den Ruͤcken binden mußte.","norm":"Aber auch da noch wehrte sie sich so gewaltsam, dass er, um seine Augen zu erhalten, und die Feindin doch nicht zu beschädigen, sein seidenes Halstuch abreißen und ihr die Hände damit auf den Rücken binden musste."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1048,"orig":"Dieß verzieh ſie ihm nie, ja ſie machte ſo heimliche Anſtalten und Verſuche ihn zu beſchaͤdigen, daß die Aeltern, die auf dieſe ſeltſamen Leidenſchaften ſchon laͤngſt Acht gehabt, ſich mit einander verſtaͤndigten und beſchloſſen, die beyden feindlichen Weſen zu trennen und jene lieblichen Hoffnungen aufzugeben.","norm":"Dies verzieh sie ihm nie, ja sie machte so heimliche Anstalten und Versuche ihn zu beschädigen, dass die Eltern, die auf diese seltsamen Leidenschaften schon längst achtgehabt, sich miteinander verständigten und beschlossen, die beiden feindlichen Wesen zu trennen und jene lieblichen Hoffnungen aufzugeben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1049,"orig":"Der Knabe that ſich in ſeinen neuen Verhaͤltniſſen bald hervor.","norm":"Der Knabe tat sich in seinen neuen Verhältnissen bald hervor."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1050,"orig":"Jede Art von Unterricht ſchlug bey ihm an.","norm":"Jede Art von Unterricht schlug bei ihm an."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1051,"orig":"Goͤnner und eigene Neigung beſtimmten ihn zum Soldatenſtande.","norm":"Gönner und eigene Neigung bestimmten ihn zum Soldatenstande."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1052,"orig":"Ueberall wo er ſich fand, war er geliebt und geehrt.","norm":"Überall wo er sich fand, war er geliebt und geehrt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1053,"orig":"Seine tuͤchtige Natur ſchien nur zum Wohlſeyn, zum Behagen anderer zu wirken, und er war in ſich, ohne deutliches Bewußtſeyn, recht gluͤcklich, den einzigen Widerſacher verloren zu haben, den die Natur ihm zugedacht hatte.","norm":"Seine tüchtige Natur schien nur zum Wohlsein, zum Behagen anderer zu wirken, und er war in sich, ohne deutliches Bewusstsein, recht glücklich, den einzigen Widersacher verloren zu haben, den die Natur ihm zugedacht hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1054,"orig":"Das Maͤdchen dagegen trat auf einmal in einen veraͤnderten Zuſtand.","norm":"Das Mädchen dagegen trat auf einmal in einen veränderten Zustand."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1055,"orig":"Ihre Jahre, eine zunehmende Bildung, und mehr noch ein gewiſſes inneres Gefuͤhl zogen ſie von den heftigen Spielen hinweg, die ſie bisher in Geſellſchaft der Knaben auszuuͤben pflegte.","norm":"Ihre Jahre, eine zunehmende Bildung, und mehr noch ein gewisses inneres Gefühl zogen sie von den heftigen Spielen hinweg, die sie bisher in Gesellschaft der Knaben auszuüben pflegte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1056,"orig":"Im Ganzen ſchien ihr etwas zu fehlen, nichts war um ſie herum, das werth geweſen waͤre, ihren Haß zu erregen.","norm":"Im Ganzen schien ihr etwas zu fehlen, nichts war um sie herum, das wert gewesen wäre, ihren Hass zu erregen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1057,"orig":"Liebenswuͤrdig hatte ſie noch Niemanden gefunden.","norm":"Liebenswürdig hatte sie noch Niemanden gefunden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1058,"orig":"Ein junger Mann, aͤlter als ihr ehemaliger nachbarlicher Widerſacher, von Stand, Vermoͤgen und Bedeutung, beliebt in der Geſellſchaft, geſucht von Frauen, wendete ihr ſeine ganze Neigung zu.","norm":"Ein junger Mann, älter als ihr ehemaliger nachbarlicher Widersacher, von Stand, Vermögen und Bedeutung, beliebt in der Gesellschaft, gesucht von Frauen, wendete ihr seine ganze Neigung zu."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1059,"orig":"Es war das erſtemal, daß ſich ein Freund, ein Liebhaber, ein Diener um ſie bemuͤhte.","norm":"Es war das erste Mal, dass sich ein Freund, ein Liebhaber, ein Diener um sie bemühte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1060,"orig":"Der Vorzug den er ihr vor vielen gab, die aͤlter, gebildeter, glaͤnzender und anſpruchsreicher waren als ſie, that ihr gar zu wohl.","norm":"Der Vorzug den er ihr vor vielen gab, die älter, gebildeter, glänzender und anspruchsreicher waren als sie, tat ihr gar zu wohl."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1061,"orig":"Seine fortgeſetzte Aufmerkſamkeit, ohne daß er zudringlich geweſen waͤre, ſein treuer Beyſtand bey verſchiedenen unangenehmen Zufaͤllen, ſein gegen ihre Aeltern zwar ausgeſprochnes, doch ruhiges und nur hoffnungsvolles Werben, da ſie freylich noch ſehr jung war: das alles nahm ſie fuͤr ihn ein, wozu die Gewohnheit, die aͤußern nun von der Welt als bekannt angenommenen Verhaͤltniſſe, das ihrige beytrugen.","norm":"Seine fortgesetzte Aufmerksamkeit, ohne dass er zudringlich gewesen wäre, sein treuer Beistand bei verschiedenen unangenehmen Zufällen, sein gegen ihre Eltern zwar ausgesprochenes, doch ruhiges und nur hoffnungsvolles Werben, da sie freilich noch sehr jung war: Das alles nahm sie für ihn ein, wozu die Gewohnheit, die äußeren nun von der Welt als bekannt angenommenen Verhältnisse, das Ihrige beitrugen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1062,"orig":"Sie war ſo oft Braut genannt worden, daß ſie ſich endlich ſelbſt dafuͤr hielt, und weder ſie noch irgend Jemand dachte daran, daß noch eine Pruͤfung noͤthig ſey, als ſie den Ring mit demjenigen wechſelte, der ſo lange Zeit fuͤr ihren Braͤutigam galt.","norm":"Sie war so oft Braut genannt worden, dass sie sich endlich selbst dafür hielt, und weder sie noch irgendjemand dachte daran, dass noch eine Prüfung nötig sei, als sie den Ring mit demjenigen wechselte, der so lange Zeit für ihren Bräutigam galt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1063,"orig":"Der ruhige Gang den die ganze Sache genommen hatte, war auch durch das Verloͤbniß nicht beſchleunigt worden.","norm":"Der ruhige Gang den die ganze Sache genommen hatte, war auch durch das Verlöbnis nicht beschleunigt worden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1064,"orig":"Man ließ eben von beyden Seiten alles ſo fortgewaͤhren; man freute ſich des Zuſammenlebens und wollte die gute Jahreszeit durchaus noch als einen Fruͤhling des kuͤnftigen ernſteren Lebens genießen.","norm":"Man ließ eben von beiden Seiten alles so fortgewähren; man freute sich des Zusammenlebens und wollte die gute Jahreszeit durchaus noch als einen Frühling des künftigen ernsteren Lebens genießen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1065,"orig":"Indeſſen hatte der entfernte ſich zum ſchoͤnſten ausgebildet, eine verdiente Stufe ſeiner Lebensbeſtimmung erſtiegen, und kam mit Urlaub die Seinigen zu beſuchen.","norm":"Indessen hatte der Entfernte sich zum schönsten ausgebildet, eine verdiente Stufe seiner Lebensbestimmung erstiegen, und kam mit Urlaub die Seinigen zu besuchen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1066,"orig":"Auf eine ganz natuͤrliche aber doch ſonderbare Weiſe ſtand er ſeiner ſchoͤnen Nachbarinn abermals entgegen.","norm":"Auf eine ganz natürliche aber doch sonderbare Weise stand er seiner schönen Nachbarin abermals entgegen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1067,"orig":"Sie hatte in der letzten Zeit nur freundliche, braͤutliche Familienempfindungen bey ſich genaͤhrt, ſie war mit allem was ſie umgab in Uebereinſtimmung; ſie glaubte gluͤcklich zu ſeyn und war es auch auf gewiſſe Weiſe.","norm":"Sie hatte in der letzten Zeit nur freundliche, bräutliche Familienempfindungen bei sich genährt, sie war mit allem was sie umgab in Übereinstimmung; sie glaubte glücklich zu sein und war es auch auf gewisse Weise."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1068,"orig":"Aber nun ſtand ihr zum erſtenmal ſeit langer Zeit wieder etwas entgegen: es war nicht haſſenswerth, ſie war des Haſſes unfaͤhig geworden; ja der kindiſche Haß, der eigentlich nur ein dunkles Anerkennen des inneren Werthes geweſen, aͤußerte ſich nun in frohem Erſtaunen, erfreulichem Betrachten, gefaͤlligem Eingeſtehen, halb willigem halb unwilligem und doch nothwendigem Annahen, und das alles war wechſelſeitig.","norm":"Aber nun stand ihr zum ersten Mal seit langer Zeit wieder etwas entgegen: Es war nicht hassenswert, sie war des Hasses unfähig geworden; ja der kindische Hass, der eigentlich nur ein dunkles Anerkennen des inneren Wertes gewesen, äußerte sich nun in frohem Erstaunen, erfreulichem Betrachten, gefälligem Eingestehen, halb willigem halb unwilligem und doch notwendigem Annähern, und das alles war wechselseitig."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1069,"orig":"Eine lange Entfernung gab zu laͤngeren Unterhaltungen Anlaß.","norm":"Eine lange Entfernung gab zu längeren Unterhaltungen Anlass."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1070,"orig":"Selbſt jene kindiſche Unvernunft diente den Aufgeklaͤrteren zu ſcherzhafter Erinnerung, und es war als wenn man ſich jenen neckiſchen Haß wenigſtens durch eine freundſchaftliche aufmerkſame Behandlung verguͤten muͤſſe, als wenn jenes gewaltſame Verkennen nunmehr nicht ohne ein ausgeſprochnes Anerkennen bleiben duͤrfe.","norm":"Selbst jene kindische Unvernunft diente den Aufgeklärteren zu scherzhafter Erinnerung, und es war als wenn man sich jenen neckischen Hass wenigstens durch eine freundschaftliche aufmerksame Behandlung vergüten müsse, als wenn jenes gewaltsame Verkennen nunmehr nicht ohne ein ausgesprochenes Anerkennen bleiben dürfe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1071,"orig":"Von ſeiner Seite blieb alles in einem verſtaͤndigen, wuͤnſchenswerthen Maaß.","norm":"Von seiner Seite blieb alles in einem verständigen, wünschenswerten Maß."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1072,"orig":"Sein Stand, ſeine Verhaͤltniſſe, ſein Streben, ſein Ehrgeiz beſchaͤftigten ihn ſo reichlich, daß er die Freundlichkeit der ſchoͤnen Braut als eine dankenswerthe Zugabe mit Behaglichkeit aufnahm, ohne ſie deshalb in irgend einem Bezug auf ſich zu betrachten, oder ſie ihrem Braͤutigam zu mißgoͤnnen, mit dem er uͤbrigens in den beſten Verhaͤltniſſen ſtand.","norm":"Sein Stand, seine Verhältnisse, sein Streben, sein Ehrgeiz beschäftigten ihn so reichlich, dass er die Freundlichkeit der schönen Braut als eine dankenswerte Zugabe mit Behaglichkeit aufnahm, ohne sie deshalb in irgendeinem Bezug auf sich zu betrachten, oder sie ihrem Bräutigam zu missgönnen, mit dem er übrigens in den besten Verhältnissen stand."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1073,"orig":"Bey ihr hingegen ſah es ganz anders aus.","norm":"Bei ihr hingegen sah es ganz anders aus."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1074,"orig":"Sie ſchien ſich wie aus einem Traum erwacht.","norm":"Sie schien sich wie aus einem Traum erwacht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1075,"orig":"Der Kampf gegen ihren jungen Nachbar war die erſte Leidenſchaft geweſen, und dieſer heftige Kampf war doch nur, unter der Form des Widerſtrebens, eine heftige gleichſam angeborene Neigung.","norm":"Der Kampf gegen ihren jungen Nachbar war die erste Leidenschaft gewesen, und dieser heftige Kampf war doch nur, unter der Form des Widerstrebens, eine heftige gleichsam angeborene Neigung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1076,"orig":"Auch kam es ihr in der Erinnerung nicht anders vor, als daß ſie ihn immer geliebt habe.","norm":"Auch kam es ihr in der Erinnerung nicht anders vor, als dass sie ihn immer geliebt habe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1077,"orig":"Sie laͤchelte uͤber jenes feindliche Suchen mit den Waffen in der Hand; ſie wollte ſich des angenehmſten Gefuͤhls erinnern, als er ſie entwaffnete; ſie bildete ſich ein die groͤßte Seligkeit empfunden zu haben, da er ſie band, und alles was ſie zu ſeinem Schaden und Verdruß unternommen hatte, kam ihr nur als unſchuldiges Mittel vor, ſeine Aufmerkſamkeit auf ſich zu ziehen.","norm":"Sie lächelte über jenes feindliche Suchen mit den Waffen in der Hand; sie wollte sich des angenehmsten Gefühls erinnern, als er sie entwaffnete; sie bildete sich ein die größte Seligkeit empfunden zu haben, da er sie band, und alles was sie zu seinem Schaden und Verdruss unternommen hatte, kam ihr nur als unschuldiges Mittel vor, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1078,"orig":"Sie verwuͤnſchte jene Trennung, ſie bejammerte den Schlaf in den ſie verfallen, ſie verfluchte die ſchleppende, traͤumeriſche Gewohnheit, durch die ihr ein ſo unbedeutender Braͤutigam hatte werden koͤnnen, ſie war verwandelt, doppelt verwandelt, vorwaͤrts und ruͤckwaͤrts wie man es nehmen will.","norm":"Sie verwünschte jene Trennung, sie bejammerte den Schlaf in den sie verfallen, sie verfluchte die schleppende, träumerische Gewohnheit, durch die ihr ein so unbedeutender Bräutigam hatte werden können, sie war verwandelt, doppelt verwandelt, vorwärts und rückwärts wie man es nehmen will."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1079,"orig":"Haͤtte Jemand ihre Empfindungen, die ſie ganz geheim hielt, entwickeln und mit ihr theilen koͤnnen, ſo wuͤrde er ſie nicht geſcholten haben: denn freylich konnte der Braͤutigam die Vergleichung mit dem Nachbar nicht aushalten, ſobald man ſie neben einander ſah.","norm":"Hätte jemand ihre Empfindungen, die sie ganz geheimhielt, entwickeln und mit ihr Teilen können, so würde er sie nicht gescholten haben: denn freilich konnte der Bräutigam die Vergleichung mit dem Nachbar nicht aushalten, sobald man sie nebeneinander sah."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1080,"orig":"Wenn man dem einen ein gewiſſes Zutrauen nicht verſagen konnte, ſo erregte der andere das vollſte Vertrauen; wenn man den einen gern zur Geſellſchaft mochte, ſo wuͤnſchte man ſich den andern zum Gefaͤhrten; und dachte man gar an hoͤhere Theilnahme, an außerordentliche Faͤlle: ſo haͤtte man wohl an dem einen gezweifelt, wenn einem der andere vollkommene Gewißheit gab.","norm":"Wenn man dem einen ein gewisses Zutrauen nicht versagen konnte, so erregte der andere das vollste Vertrauen; wenn man den einen gern zur Gesellschaft mochte, so wünschte man sich den anderen zum Gefährten; und dachte man gar an höhere Teilnahme, an außerordentliche Fälle: so hätte man wohl an dem einen gezweifelt, wenn einem der andere vollkommene Gewissheit gab."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1081,"orig":"Fuͤr ſolche Verhaͤltniſſe iſt den Weibern ein beſonderer Tact angeboren und ſie haben Urſache ſo wie Gelegenheit ihn auszubilden.","norm":"Für solche Verhältnisse ist den Weibern ein besonderer Takt angeboren und sie haben Ursache sowie Gelegenheit ihn auszubilden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1082,"orig":"Jemehr die ſchoͤne Braut ſolche Geſinnungen bey ſich ganz heimlich naͤhrte, je weniger nur irgend Jemand dasjenige auszuſprechen im Fall war, was zu Gunſten des Braͤutigams gelten konnte, was Verhaͤltniſſe, was Pflicht anzurathen und zu gebieten, ja was eine unabaͤnderliche Nothwendigkeit unwiederruflich zu fordern ſchien; deſto mehr beguͤnſtigte das ſchoͤne Herz ſeine Einſeitigkeit, und indem ſie von der einen Seite durch Welt und Familie, Braͤutigam und eigne Zuſage unaufloͤslich gebunden war, von der andern der emporſtrebende Juͤngling gar kein Geheimniß von ſeinen Geſinnungen, Planen und Ausſichten machte, ſich nur als ein treuer und nicht einmal zaͤrtlicher Bruder gegen ſie bewies, und nun gar von ſeiner unmittelbaren Abreiſe die Rede war; ſo ſchien es als ob ihr fruͤher kindiſcher Geiſt mit allen ſeinen Tuͤcken und Gewaltſamkeiten wieder erwachte, und ſich nun auf einer hoͤheren Lebensſtufe mit Unwillen ruͤſtete, bedeutender und verderblicher zu wirken.","norm":"Je mehr die schöne Braut solche Gesinnungen bei sich ganz heimlich nährte, je weniger nur irgendjemand dasjenige auszusprechen im Fall war, was zugunsten des Bräutigams gelten konnte, was Verhältnisse, was Pflicht anzuraten und zu gebieten, ja was eine unabänderliche Notwendigkeit unwiderruflich zu fordern schien; desto mehr begünstigte das schöne Herz seine Einseitigkeit, und indem sie von der einen Seite durch Welt und Familie, Bräutigam und eigene Zusage unauflöslich gebunden war, von der anderen der emporstrebende Jüngling gar kein Geheimnis von seinen Gesinnungen, Planen und Aussichten machte, sich nur als ein treuer und nicht einmal zärtlicher Bruder gegen sie bewies, und nun gar von seiner unmittelbaren Abreise die Rede war; so schien es als ob ihr früher kindischer Geist mit allen seinen Tücken und Gewaltsamkeiten wiedererwachte, und sich nun auf einer höheren Lebensstufe mit Unwillen rüstete, bedeutender und verderblicher zu wirken."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1083,"orig":"Sie beſchloß zu ſterben, um den ehmals Gehaßten und nun ſo heftig Geliebten fuͤr ſeine Untheilnahme zu ſtrafen und ſich, indem ſie ihn nicht beſitzen ſollte, wenigſtens mit ſeiner Einbildungskraft, ſeiner Reue auf ewig zu vermaͤhlen.","norm":"Sie beschloss zu sterben, um den ehemals Gehassten und nun so heftig Geliebten für seine Unteilnahme zu strafen und sich, indem sie ihn nicht besitzen sollte, wenigstens mit seiner Einbildungskraft, seiner Reue auf ewig zu vermählen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1084,"orig":"Er ſollte ihr todtes Bild nicht loswerden, er ſollte nicht aufhoͤren ſich Vorwuͤrfe zu machen, daß er ihre Geſinnungen nicht erkannt, nicht erforſcht, nicht geſchaͤtzt habe.","norm":"Er sollte ihr totes Bild nicht loswerden, er sollte nicht aufhören sich Vorwürfe zu machen, dass er ihre Gesinnungen nicht erkannt, nicht erforscht, nicht geschätzt habe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1085,"orig":"Dieſer ſeltſame Wahnſinn begleitete ſie uͤberall hin.","norm":"Dieser seltsame Wahnsinn begleitete sie überallhin."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1086,"orig":"Sie verbarg ihn unter allerley Formen, und ob ſie den Menſchen gleich wunderlich vorkam; ſo war Niemand aufmerkſam oder klug genug, die innere wahre Urſache zu entdecken.","norm":"Sie verbarg ihn unter allerlei Formen, und ob sie den Menschen gleich wunderlich vorkam; so war niemand aufmerksam oder klug genug, die innere wahre Ursache zu entdecken."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1087,"orig":"Indeſſen hatten ſich Freunde, Verwandte, Bekannte in Anordnungen von mancherley Feſten erſchoͤpft.","norm":"Indessen hatten sich Freunde, Verwandte, Bekannte in Anordnungen von mancherlei Festen erschöpft."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1088,"orig":"Kaum verging ein Tag, daß nicht irgend etwas neues und unerwartetes angeſtellt worden waͤre.","norm":"Kaum verging ein Tag, dass nicht irgendetwas Neues und Unerwartetes angestellt worden wäre."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1089,"orig":"Kaum war ein ſchoͤner Platz der Landſchaft, den man nicht ausgeſchmuͤckt und zum Empfang vieler frohen Gaͤſte bereitet haͤtte.","norm":"Kaum war ein schöner Platz der Landschaft, den man nicht ausgeschmückt und zum Empfang vieler frohen Gäste bereitet hätte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1090,"orig":"Auch wollte unſer junger Ankoͤmmling noch vor ſeiner Abreiſe das Seinige thun, und lud das junge Paar mit einem engeren Familienkreiſe zu einer Waſſerluſtfahrt.","norm":"Auch wollte unser junger Ankömmling noch vor seiner Abreise das Seinige tun, und lud das junge Paar mit einem engeren Familienkreise zu einer Wasserlustfahrt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1091,"orig":"Man beſtieg ein großes ſchoͤnes wohlausgeſchmuͤcktes Schiff, eine der Jachten die einen kleinen Saal und einige Zimmer anbieten und auf das Waſſer die Bequemlichkeit des Landes uͤberzutragen ſuchen.","norm":"Man bestieg ein großes schönes wohlausgeschmücktes Schiff, eine der Jachten die einen kleinen Saal und einige Zimmer anbieten und auf das Wasser die Bequemlichkeit des Landes überzutragen suchen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1092,"orig":"Man fuhr auf dem großen Strome mit Muſik dahin, die Geſellſchaft hatte ſich bey heißer Tageszeit in den untern Raͤumen verſammelt, um ſich an Geiſtes- und Gluͤcksſpielen zu ergetzen.","norm":"Man fuhr auf dem großen Strome mit Musik dahin, die Gesellschaft hatte sich bei heißer Tageszeit in den unteren Räumen versammelt, um sich an Geistes- und Glücksspielen zu ergötzen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1093,"orig":"Der junge Wirth, der niemals unthaͤtig bleiben konnte, hatte ſich ans Steuer geſetzt, den alten Schiffsmeiſter abzuloͤſen, der an ſeiner Seite eingeſchlafen war; und eben brauchte der Wachende alle ſeine Vorſicht, da er ſich einer Stelle nahte, wo zwey Inſeln das Flußbette verengten und indem ſie ihre flachen Kiesufer, bald an der einen bald an der andern Seite hereinſtreckten, ein gefaͤhrliches Fahrwaſſer zubereiteten.","norm":"Der junge Wirt, der niemals untätig bleiben konnte, hatte sich ans Steuer gesetzt, den alten Schiffsmeister abzulösen, der an seiner Seite eingeschlafen war; und eben brauchte der Wachende alle seine Vorsicht, da er sich einer Stelle nahte, wo zwei Inseln das Flussbette verengten und indem sie ihre flachen Kiesufer, bald an der einen bald an der anderen Seite hereinstreckten, ein gefährliches Fahrwasser zubereiteten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1094,"orig":"Faſt war der ſorgſame und ſcharfblickende Steurer in Verſuchung den Meiſter zu wecken, aber er getraute ſich's zu und fuhr gegen die Enge.","norm":"Fast war der sorgsame und scharfblickende Steurer in Versuchung den Meister zu wecken, aber er getraute sich es zu und fuhr gegen die Enge."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1095,"orig":"In dem Augenblick erſchien auf dem Verdeck ſeine ſchoͤne Feindinn mit einem Blumenkranz in den Haaren.","norm":"In dem Augenblick erschien auf dem Verdeck seine schöne Feindin mit einem Blumenkranz in den Haaren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1096,"orig":"Sie nahm ihn ab und warf ihn auf den Steuernden.","norm":"Sie nahm ihn ab und warf ihn auf den Steuernden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1097,"orig":"Nimm dieß zum Andenken!","norm":"Nimm dies zum Andenken!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1098,"orig":"rief ſie aus.","norm":"rief sie aus."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1099,"orig":"Stoͤre mich nicht!","norm":"Störe mich nicht!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1100,"orig":"rief er ihr entgegen, indem er den Kranz auffing: ich bedarf aller meiner Kraͤfte und meiner Aufmerkſamkeit.","norm":"rief er ihr entgegen, indem er den Kranz auffing: Ich bedarf aller meiner Kräfte und meiner Aufmerksamkeit."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1101,"orig":"Ich ſtoͤre dich nicht weiter, rief ſie: du ſiehſt mich nicht wieder!","norm":"Ich störe dich nicht weiter, rief sie: Du siehst mich nicht wieder!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1102,"orig":"Sie ſprach's und eilte nach dem Vordertheil des Schiffs, von da ſie ins Waſſer ſprang.","norm":"Sie sprach es und eilte nach dem Vorderteil des Schiffs, von da sie ins Wasser sprang."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1103,"orig":"Einige Stimmen riefen: rettet!","norm":"Einige Stimmen riefen: Rettet!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1104,"orig":"rettet!","norm":"rettet!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1105,"orig":"ſie ertrinkt.","norm":"sie ertrinkt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1106,"orig":"Er war in der entſetzlichſten Verlegenheit.","norm":"Er war in der entsetzlichsten Verlegenheit."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1107,"orig":"Ueber dem Lerm erwacht der alte Schiffsmeiſter, will das Ruder ergreifen, der juͤngere es ihm uͤbergeben; aber es iſt keine Zeit die Herrſchaft zu wechſeln: das Schiff ſtrandet, und in eben dem Augenblick, die laͤſtigſten Kleidungsſtuͤcke wegwerfend, ſtuͤrzte er ſich ins Waſſer, und ſchwamm der ſchoͤnen Feindinn nach.","norm":"Über dem Lärm erwacht der alte Schiffsmeister, will das Ruder ergreifen, der jüngere es ihm übergeben; aber es ist keine Zeit die Herrschaft zu wechseln: Das Schiff strandet, und in eben dem Augenblick, die lästigsten Kleidungsstücke wegwerfend, stürzte er sich ins Wasser, und schwamm der schönen Feindin nach."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1108,"orig":"Das Waſſer iſt ein freundliches Element fuͤr den der damit bekannt iſt und es zu behandeln weiß.","norm":"Das Wasser ist ein freundliches Element für den der damit bekannt ist und es zu behandeln weiß."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1109,"orig":"Es trug ihn, und der geſchickte Schwimmer beherrſchte es.","norm":"Es trug ihn, und der geschickte Schwimmer beherrschte es."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1110,"orig":"Bald hatte er die vor ihm fortgeriſſene Schoͤne erreicht; er faßte ſie, wußte ſie zu heben und zu tragen; beyde wurden vom Strom gewaltſam fortgeriſſen bis ſie die Inſeln, die Werder, weit hinter ſich hatten und der Fluß wieder breit und gemaͤchlich zu fließen anfing.","norm":"Bald hatte er die vor ihm fortgerissene Schöne erreicht; er fasste sie, wusste sie zu heben und zu tragen; beide wurden vom Strom gewaltsam fortgerissen bis sie die Inseln, die Werder, weit hinter sich hatten und der Fluss wieder breit und gemächlich zu fließen anfing."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1111,"orig":"Nun erſt ermannte, nun erholte er ſich aus der erſten zudringenden Noth, in der er ohne Beſinnung nur mechaniſch gehandelt; er blickte mit emporſtrebendem Haupt umher und ruderte nach Vermoͤgen einer flachen buſchigten Stelle zu, die ſich angenehm und gelegen in den Fluß verlief.","norm":"Nun erst ermannte, nun erholte er sich aus der ersten zudringenden Not, in der er ohne Besinnung nur mechanisch gehandelt; er blickte mit emporstrebendem Haupt umher und ruderte nach Vermögen einer flachen buschigen Stelle zu, die sich angenehm und gelegen in den Fluss verlief."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1112,"orig":"Dort brachte er ſeine ſchoͤne Beute aufs Trockne; aber kein Lebenshauch war in ihr zu ſpuͤren.","norm":"Dort brachte er seine schöne Beute aufs Trockne; aber kein Lebenshauch war in ihr zu spüren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1113,"orig":"Er war in Verzweiflung, als ihm ein betretener Pfad der durchs Gebuͤſch lief, in die Augen leuchtete.","norm":"Er war in Verzweiflung, als ihm ein betretener Pfad der durchs Gebüsch lief, in die Augen leuchtete."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1114,"orig":"Er belud ſich aufs neue mit der theuren Laſt, er erblickte bald eine einſame Wohnung und erreichte ſie.","norm":"Er belud sich aufs neue mit der teuren Last, er erblickte bald eine einsame Wohnung und erreichte sie."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1115,"orig":"Dort fand er gute Leute, ein junges Ehepaar.","norm":"Dort fand er gute Leute, ein junges Ehepaar."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1116,"orig":"Das Ungluͤck, die Noth ſprach ſich geſchwind aus.","norm":"Das Unglück, die Not sprach sich geschwind aus."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1117,"orig":"Was er nach einiger Beſinnung forderte, ward geleiſtet.","norm":"Was er nach einiger Besinnung forderte, wurde geleistet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1118,"orig":"Ein lichtes Feuer brannte; wollne Decken wurden uͤber ein Lager gebreitet;","norm":"Ein lichtes Feuer brannte; wollene Decken wurden über ein Lager gebreitet;"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1119,"orig":"Pelze, Felle und was Erwaͤrmendes vorraͤthig war, ſchnell herbeygetragen.","norm":"Pelze, Felle und was Erwärmendes vorrätig war, schnell herbeigetragen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1120,"orig":"Hier uͤberwand die Begierde zu retten jede andre Betrachtung.","norm":"Hier überwand die Begierde zu retten jede andere Betrachtung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1121,"orig":"Nichts ward verſaͤumt, den ſchoͤnen halbſtarren nackten Koͤrper wieder ins Leben zu rufen.","norm":"Nichts wurde versäumt, den schönen halbstarren nackten Körper wieder ins Leben zu rufen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1122,"orig":"Es gelang.","norm":"Es gelang."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1123,"orig":"Sie ſchlug die Augen auf, ſie erblickte den Freund, umſchlang ſeinen Hals mit ihren himmliſchen Armen.","norm":"Sie schlug die Augen auf, sie erblickte den Freund, umschlang seinen Hals mit ihren himmlischen Armen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1124,"orig":"So blieb ſie lange; ein Thraͤnenſtrom ſtuͤrzte aus ihren Augen und vollendete ihre Geneſung.","norm":"So blieb sie lange; ein Tränenstrom stürzte aus ihren Augen und vollendete ihre Genesung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1125,"orig":"Willſt du mich verlaſſen, rief ſie aus: da ich dich ſo wiederfinde?","norm":"Willst du mich verlassen, rief sie aus: da ich dich so wiederfinde?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1126,"orig":"Niemals, rief er, niemals!","norm":"Niemals, rief er, niemals!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1127,"orig":"und wußte nicht was er ſagte noch was er that.","norm":"und wusste nicht was er sagte noch was er tat."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1128,"orig":"Nur ſchone dich, rief er hinzu: ſchone dich!","norm":"Nur schone dich, rief er hinzu: schone dich!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1129,"orig":"denke an dich um deinet- und meinetwillen.","norm":"denke an dich um deinet- und meinetwillen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1130,"orig":"Sie dachte nun an ſich und bemerkte jetzt erſt den Zuſtand in dem ſie war.","norm":"Sie dachte nun an sich und bemerkte jetzt erst den Zustand in dem sie war."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1131,"orig":"Sie konnte ſich vor ihrem Liebling, ihrem Retter nicht ſchaͤmen; aber ſie entließ ihn gern, damit er fuͤr ſich ſorgen moͤge: denn noch war was ihn umgab, naß und triefend.","norm":"Sie konnte sich vor ihrem Liebling, ihrem Retter nicht schämen; aber sie entließ ihn gern, damit er für sich Sorgen möge: denn noch war was ihn umgab, nass und triefend."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1132,"orig":"Die jungen Eheleute beredeten ſich: er bot dem Juͤngling, und ſie der Schoͤnen das Hochzeitkleid an, das noch vollſtaͤndig da hing, um ein Paar von Kopf zu Fuß und von innen heraus zu bekleiden.","norm":"Die jungen Eheleute beredeten sich: Er bot dem Jüngling, und sie der Schönen das Hochzeitskleid an, das noch vollständig dahing, um ein Paar von Kopf zu Fuß und von innen heraus zu bekleiden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1133,"orig":"In kurzer Zeit waren die beiden Abenteurer nicht nur angezogen ſondern geputzt.","norm":"In kurzer Zeit waren die beiden Abenteurer nicht nur angezogen sondern geputzt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1134,"orig":"Sie ſahen allerliebſt aus, ſtaunten einander an, als ſie zuſammentraten, und fielen ſich mit unmaͤßiger Leidenſchaft, und doch halb laͤchelnd uͤber die Vermummung, gewaltſam in die Arme.","norm":"Sie sahen allerliebst aus, staunten einander an, als sie zusammentraten, und fielen sich mit unmäßiger Leidenschaft, und doch halb lächelnd über die Vermummung, gewaltsam in die Arme."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1135,"orig":"Die Kraft der Jugend und die Regſamkeit der Liebe ſtellten ſie in wenigen Augenblicken voͤllig wieder her, und es fehlte nur die Muſik um ſie zum Tanz aufzufordern.","norm":"Die Kraft der Jugend und die Regsamkeit der Liebe stellten sie in wenigen Augenblicken völlig wieder her, und es fehlte nur die Musik um sie zum Tanz aufzufordern."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1136,"orig":"Sich vom Waſſer zur Erde, vom Tode zum Leben, aus dem Familienkreiſe in eine Wildniß, aus der Verzweiflung zum Entzuͤcken, aus der Gleichguͤltigkeit zur Neigung, zur Leidenſchaft gefunden zu haben, alles in einem Augenblick — der Kopf waͤre nicht hinreichend das zu faſſen, er wuͤrde zerſpringen oder ſich verwirren.","norm":"Sich vom Wasser zur Erde, vom Tode zum Leben, aus dem Familienkreise in eine Wildnis, aus der Verzweiflung zum Entzücken, aus der Gleichgültigkeit zur Neigung, zur Leidenschaft gefunden zu haben, alles in einem Augenblick — der Kopf wäre nicht hinreichend das zu fassen, er würde zerspringen oder sich verwirren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1137,"orig":"Hiebey muß das Herz das beſte thun, wenn eine ſolche Ueberraſchung ertragen werden ſoll.","norm":"Hierbei muss das Herz das Beste tun, wenn eine solche Überraschung ertragen werden soll."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1138,"orig":"Ganz verloren eins ins andre, konnten ſie erſt nach einiger Zeit an die Angſt, an die Sorgen der Zuruͤckgelaſſenen denken, und faſt konnten ſie ſelbſt nicht ohne Angſt, ohne Sorge daran denken, wie ſie jenen wieder begegnen wollten.","norm":"Ganz verloren eins ins andere, konnten sie erst nach einiger Zeit an die Angst, an die Sorgen der Zurückgelassenen denken, und fast konnten sie selbst nicht ohne Angst, ohne Sorge daran denken, wie sie jenen wiederbegegnen wollten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1139,"orig":"Sollen wir fliehen?","norm":"Sollen wir fliehen?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1140,"orig":"ſollen wir uns verbergen?","norm":"sollen wir uns verbergen?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1141,"orig":"ſagte der Juͤngling.","norm":"sagte der Jüngling."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1142,"orig":"Wir wollen zuſammen bleiben, ſagte ſie, indem ſie an ſeinem Hals hing.","norm":"Wir wollen zusammenbleiben, sagte sie, indem sie an seinem Hals hing."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1143,"orig":"Der Landmann, der von ihnen die Geſchichte des geſtrandeten Schiffs vernommen hatte, eilte ohne weiter zu fragen nach dem Ufer.","norm":"Der Landmann, der von ihnen die Geschichte des gestrandeten Schiffs vernommen hatte, eilte ohne weiter zu fragen nach dem Ufer."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1144,"orig":"Das Fahrzeug kam gluͤcklich einhergeſchwommen; es war mit vieler Muͤhe losgebracht worden.","norm":"Das Fahrzeug kam glücklich einhergeschwommen; es war mit vieler Mühe losgebracht worden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1145,"orig":"Man fuhr aufs Ungewiſſe fort, in Hoffnung die Verlornen wieder zu finden.","norm":"Man fuhr aufs Ungewisse fort, in Hoffnung die Verlorenen wiederzufinden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1146,"orig":"Als daher der Landmann mit Rufen und Winken die Schiffenden aufmerkſam machte, an eine Stelle lief, wo ein vortheilhafter Landungsplatz ſich zeigte, und mit Winken und Rufen nicht aufhoͤrte, wandte ſich das Schiff nach dem Ufer, und welch ein Schauſpiel ward es, da ſie landeten!","norm":"Als daher der Landmann mit Rufen und Winken die Schiffenden aufmerksam machte, an eine Stelle lief, wo ein vorteilhafter Landungsplatz sich zeigte, und mit Winken und Rufen nicht aufhörte, wandte sich das Schiff nach dem Ufer, und welch ein Schauspiel wurde es, da sie landeten!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1147,"orig":"Die Aeltern der beyden Verlobten draͤngten ſich zuerſt ans Ufer; den liebenden Braͤutigam hatte faſt die Beſinnung verlaſſen.","norm":"Die Eltern der beiden Verlobten drängten sich zuerst ans Ufer; den liebenden Bräutigam hatte fast die Besinnung verlassen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1148,"orig":"Kaum hatten ſie vernommen, daß die lieben Kinder gerettet ſeyen, ſo traten dieſe in ihrer ſonderbaren Verkleidung aus dem Buſch hervor.","norm":"Kaum hatten sie vernommen, dass die lieben Kinder gerettet seien, so traten diese in ihrer sonderbaren Verkleidung aus dem Busch hervor."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1149,"orig":"Man erkannte ſie nicht eher, als bis ſie ganz herangetreten waren.","norm":"Man erkannte sie nicht eher, als bis sie ganz herangetreten waren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1150,"orig":"Wen ſeh' ich?","norm":"Wen sehe ich?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1151,"orig":"riefen die Muͤtter: was ſeh' ich?","norm":"riefen die Mütter: Was sehe ich?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1152,"orig":"riefen die Vaͤter.","norm":"riefen die Väter."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1153,"orig":"Die Geretteten warfen ſich vor ihnen nieder.","norm":"Die Geretteten warfen sich vor ihnen nieder."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1154,"orig":"Eure Kinder!","norm":"Eure Kinder!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1155,"orig":"riefen ſie aus: ein Paar.","norm":"riefen sie aus: ein Paar."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1156,"orig":"Verzeiht!","norm":"Verzeiht!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1157,"orig":"rief das Maͤdchen.","norm":"rief das Mädchen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1158,"orig":"Gebt uns Euren Segen!","norm":"Gebt uns Euren Segen!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1159,"orig":"rief der Juͤngling.","norm":"rief der Jüngling."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1160,"orig":"Gebt uns Euren Segen!","norm":"Gebt uns Euren Segen!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1161,"orig":"riefen beyde, da alle Welt ſtaunend verſtummte.","norm":"riefen beide, da alle Welt staunend verstummte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1162,"orig":"Euren Segen!","norm":"Euren Segen!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1163,"orig":"ertoͤnte es zum drittenmal, und wer haͤtte den verſagen koͤnnen.","norm":"ertönte es zum dritten Male, und wer hätte den versagen können."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1164,"orig":"Der Erzaͤhlende machte eine Pauſe, oder hatte vielmehr ſchon geendigt als er bemerken mußte, daß Charlotte hoͤchſt bewegt ſey; ja ſie ſtand auf und verließ mit einer ſtummen Entſchuldigung das Zimmer: denn die Geſchichte war ihr bekannt.","norm":"Der Erzählende machte eine Pause, oder hatte vielmehr schon geendigt als er bemerken musste, dass Charlotte höchst bewegt sei; ja sie stand auf und verließ mit einer stummen Entschuldigung das Zimmer: denn die Geschichte war ihr bekannt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1165,"orig":"Dieſe Begebenheit hatte ſich mit dem Hauptmann und einer Nachbarinn wirklich zugetragen, zwar nicht ganz wie ſie der Englaͤnder erzaͤhlte, doch war ſie in den Hauptzuͤgen nicht entſtellt, nur im Einzelnen mehr ausgebildet und ausgeſchmuͤckt, wie es dergleichen Geſchichten zu gehen pflegt, wenn ſie erſt durch den Mund der Menge und ſodann durch die Phantaſie eines geiſt- und geſchmackreichen Erzaͤhlers durchgehen.","norm":"Diese Begebenheit hatte sich mit dem Hauptmann und einer Nachbarin wirklich zugetragen, zwar nicht ganz wie sie der Engländer erzählte, doch war sie in den Hauptzügen nicht entstellt, nur im Einzelnen mehr ausgebildet und ausgeschmückt, wie es dergleichen Geschichten zu gehen pflegt, wenn sie erst durch den Mund der Menge und sodann durch die Phantasie eines geist- und geschmackreichen Erzählers durchgehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1166,"orig":"Es bleibt zuletzt meiſt alles und nichts wie es war.","norm":"Es bleibt zuletzt meist alles und nichts wie es war."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1167,"orig":"Ottilie folgte Charlotten, wie es die beyden Fremden ſelbſt verlangten, und nun kam der Lord an die Reihe zu bemerken, daß vielleicht abermals ein Fehler begangen, etwas dem Hauſe Bekanntes oder gar Verwandtes erzaͤhlt worden.","norm":"Ottilie folgte Charlotten, wie es die beiden Fremden selbst verlangten, und nun kam der Lord an die Reihe zu bemerken, dass vielleicht abermals ein Fehler begangen, etwas dem Hause Bekanntes oder gar verwandtes erzählt worden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1168,"orig":"Wir muͤſſen uns huͤthen, fuhr er fort, daß wir nicht noch mehr Uebles ſtiften.","norm":"Wir müssen uns hüten, fuhr er fort, dass wir nicht noch mehr Übles stiften."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1169,"orig":"Fuͤr das viele Gute und Angenehme, das wir hier genoſſen, ſcheinen wir den Bewohnerinnen wenig Gluͤck zu bringen; wir wollen uns auf eine ſchickliche Weiſe zu empfehlen ſuchen.","norm":"Für das viele Gute und Angenehme, das wir hier genossen, scheinen wir den Bewohnerinnen wenig Glück zu bringen; wir wollen uns auf eine schickliche Weise zu empfehlen suchen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1170,"orig":"Ich muß geſtehen, verſetzte der Begleiter, daß mich hier noch etwas anderes feſthaͤlt, ohne deſſen Aufklaͤrung und naͤhere Kenntniß ich dieſes Haus nicht gern verlaſſen moͤchte.","norm":"Ich muss gestehen, versetzte der Begleiter, dass mich hier noch etwas anderes festhält, ohne dessen Aufklärung und nähere Kenntnis ich dieses Haus nicht gern verlassen möchte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1171,"orig":"Sie waren geſtern, Mylord, als wir mit der tragbaren dunklen Kammer durch den Park zogen, viel zu beſchaͤftigt, ſich einen wahrhaft maleriſchen Standpunkt auszuwaͤhlen, als daß ſie haͤtten bemerken ſollen was nebenher vorging.","norm":"Sie waren gestern, Mylord, als wir mit der tragbaren dunklen Kammer durch den Park zogen, viel zu beschäftigt, sich einen wahrhaft malerischen Standpunkt auszuwählen, als dass sie hätten bemerken sollen was nebenher vorging."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1172,"orig":"Sie lenkten vom Hauptwege ab, um zu einem wenig beſuchten Platze am See zu gelangen, der Ihnen ein reizendes Gegenuͤber anbot.","norm":"Sie lenkten vom Hauptwege ab, um zu einem wenig besuchten Platze am See zu gelangen, der Ihnen ein reizendes Gegenüber anbot."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1173,"orig":"Ottilie die uns begleitete, ſtand an zu folgen, und bat, ſich auf dem Kahne dorthin begeben zu duͤrfen.","norm":"Ottilie die uns begleitete, stand an zu folgen, und bat, sich auf dem Kahne dorthin begeben zu dürfen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1174,"orig":"Ich ſetzte mich mit ihr ein und hatte meine Freude an der Gewandtheit der ſchoͤnen Schifferinn.","norm":"Ich setzte mich mit ihr ein und hatte meine Freude an der Gewandtheit der schönen Schifferin."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1175,"orig":"Ich verſicherte ihr, daß ich ſeit der Schweiz, wo auch die reizendſten Maͤdchen die Stelle des Fuhrmanns vertreten, nicht ſo angenehm ſey uͤber die Wellen geſchaukelt worden; konnte mich aber nicht enthalten ſie zu fragen, warum ſie eigentlich abgelehnt jenen Seitenweg zu machen: denn wirklich war in ihrem Ausweichen eine Art von aͤngſtlicher Verlegenheit.","norm":"Ich versicherte ihr, dass ich seit der Schweiz, wo auch die reizendsten Mädchen die Stelle des Fuhrmanns vertreten, nicht so angenehm sei über die Wellen geschaukelt worden; konnte mich aber nicht enthalten sie zu fragen, warum sie eigentlich abgelehnt jenen Seitenweg zu machen: denn wirklich war in ihrem Ausweichen eine Art von ängstlicher Verlegenheit."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1176,"orig":"Wenn Sie mich nicht auslachen wollen, verſetzte ſie freundlich; ſo kann ich Ihnen daruͤber wohl einige Auskunft geben, obgleich ſelbſt fuͤr mich dabey ein Geheimniß obwaltet.","norm":"Wenn Sie mich nicht auslachen wollen, versetzte sie freundlich; so kann ich Ihnen darüber wohl einige Auskunft geben, obgleich selbst für mich dabei ein Geheimnis obwaltet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1177,"orig":"Ich habe jenen Nebenweg niemals betreten, ohne daß mich ein ganz eigener Schauder uͤberfallen haͤtte, den ich ſonſt nirgends empfinde und den ich mir nicht zu erklaͤren weiß.","norm":"Ich habe jenen Nebenweg niemals betreten, ohne dass mich ein ganz eigener Schauer überfallen hätte, den ich sonst nirgends empfinde und den ich mir nicht zu erklären weiß."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1178,"orig":"Ich vermeide daher lieber, mich einer ſolchen Empfindung auszuſetzen, um ſomehr als ſich gleich darauf ein Kopfweh an der linken Seite einſtellt, woran ich ſonſt auch manchmal leide.","norm":"Ich vermeide daher lieber, mich einer solchen Empfindung auszusetzen, um so mehr als sich gleich darauf ein Kopfweh an der linken Seite einstellt, woran ich sonst auch manchmal leide."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1179,"orig":"Wir landeten, Ottilie unterhielt ſich mit Ihnen, und ich unterſuchte indeß die Stelle, die ſie mir aus der Ferne deutlich angegeben hatte.","norm":"Wir landeten, Ottilie unterhielt sich mit Ihnen, und ich untersuchte indes die Stelle, die sie mir aus der Ferne deutlich angegeben hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1180,"orig":"Aber wie groß war meine Verwunderung, als ich eine ſehr deutliche Spur von Steinkohlen entdeckte, die mich uͤberzeugt, man wuͤrde bey einigem Nachgraben vielleicht ein ergiebiges Lager in der Tiefe finden.","norm":"Aber wie groß war meine Verwunderung, als ich eine sehr deutliche Spur von Steinkohlen entdeckte, die mich überzeugt, man würde bei einigem Nachgraben vielleicht ein ergiebiges Lager in der Tiefe finden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1181,"orig":"Verzeihen Sie, Mylord: ich ſehe Sie laͤcheln und weiß recht gut, daß Sie mir meine leidenſchaftliche Aufmerkſamkeit auf dieſe Dinge, an die Sie keinen Glauben haben, nur als weiſer Mann und als Freund nachſehen; aber es iſt mir unmoͤglich von hier zu ſcheiden, ohne das ſchoͤne Kind auch die Pendelſchwingungen verſuchen zu laſſen.","norm":"Verzeihen Sie, Mylord: ich sehe Sie lächeln und weiß recht gut, dass Sie mir meine leidenschaftliche Aufmerksamkeit auf diese Dinge, an die Sie keinen Glauben haben, nur als weiser Mann und als Freund nachsehen; aber es ist mir unmöglich von hier zu scheiden, ohne das schöne Kind auch die Pendelschwingungen versuchen zu lassen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1182,"orig":"Es konnte niemals fehlen, wenn die Sache zur Sprache kam, daß der Lord nicht ſeine Gruͤnde dagegen abermals wiederholte, welche der Begleiter beſcheiden und geduldig aufnahm, aber doch zuletzt bey ſeiner Meinung, bey ſeinen Wuͤnſchen verharrte.","norm":"Es konnte niemals fehlen, wenn die Sache zur Sprache kam, dass der Lord nicht seine Gründe dagegen abermals wiederholte, welche der Begleiter bescheiden und geduldig aufnahm, aber doch zuletzt bei seiner Meinung, bei seinen Wünschen verharrte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1183,"orig":"Auch er gab wiederhohlt zu erkennen, daß man deswegen, weil ſolche Verſuche nicht Jedermann gelaͤngen, die Sache nicht aufgeben, ja vielmehr nur deſto ernſthafter und gruͤndlicher unterſuchen muͤßte; da ſich gewiß noch manche Bezuͤge und Verwandtſchaften unorganiſcher Weſen untereinander, organiſcher gegen ſie und abermals untereinander, offenbaren wuͤrden, die uns gegenwaͤrtig verborgen ſeyen.","norm":"Auch er gab wiederholt zu erkennen, dass man deswegen, weil solche Versuche nicht jedermann gelängen, die Sache nicht aufgeben, ja vielmehr nur desto ernsthafter und gründlicher untersuchen müsste; da sich gewiss noch manche Bezüge und Verwandtschaften unorganischer Wesen untereinander, organischer gegen sie und abermals untereinander, offenbaren würden, die uns gegenwärtig verborgen seien."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1184,"orig":"Er hatte ſeinen Apparat von goldnen Ringen, Markaſiten und andern metalliſchen Subſtanzen, den er in einem ſchoͤnen Kaͤſtchen immer bey ſich fuͤhrte, ſchon ausgebreitet und ließ nun Metalle, an Faͤden ſchwebend, uͤber liegende Metalle zum Verſuche nieder.","norm":"Er hatte seinen Apparat von goldenen Ringen, Markasiten und anderen metallischen Substanzen, den er in einem schönen Kästchen immer bei sich führte, schon ausgebreitet und ließ nun Metalle, an Fäden schwebend, über liegende Metalle zum Versuche nieder."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1185,"orig":"Ich goͤnne Ihnen die Schadenfreude, Mylord, ſagte er dabey, die ich auf Ihrem Geſichte leſe, daß ſich bey mir und fuͤr mich nichts bewegen will.","norm":"Ich gönne Ihnen die Schadenfreude, Mylord, sagte er dabei, die ich auf Ihrem Gesichte lese, dass sich bei mir und für mich nichts bewegen will."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1186,"orig":"Meine Operation iſt aber auch nur ein Vorwand.","norm":"Meine Operation ist aber auch nur ein Vorwand."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1187,"orig":"Wenn die Damen zuruͤckkehren, ſollen ſie neugierig werden was wir wunderliches hier beginnen.","norm":"Wenn die Damen zurückkehren, sollen sie neugierig werden was wir wunderliches hier beginnen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1188,"orig":"Die Frauenzimmer kamen zuruͤck.","norm":"Die Frauenzimmer kamen zurück."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1189,"orig":"Charlotte verſtand ſogleich was vorging.","norm":"Charlotte verstand sogleich was vorging."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1190,"orig":"Ich habe manches von dieſen Dingen gehoͤrt, ſagte ſie, aber niemals eine Wirkung geſehen.","norm":"Ich habe manches von diesen Dingen gehört, sagte sie, aber niemals eine Wirkung gesehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1191,"orig":"Da Sie alles ſo huͤbſch bereit haben, laſſen Sie mich verſuchen, ob es mir nicht auch anſchlaͤgt.","norm":"Da Sie alles so hübsch bereit haben, lassen Sie mich versuchen, ob es mir nicht auch anschlägt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1192,"orig":"Sie nahm den Faden in die Hand; und da es ihr Ernſt war, hielt ſie ihn ſtaͤt und ohne Gemuͤthsbewegung; allein auch nicht das mindeſte Schwanken war zu bemerken.","norm":"Sie nahm den Faden in die Hand; und da es ihr Ernst war, hielt sie ihn stet und ohne Gemütsbewegung; allein auch nicht das mindeste Schwanken war zu bemerken."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1193,"orig":"Darauf ward Ottilie veranlaßt.","norm":"Darauf wurde Ottilie veranlasst."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1194,"orig":"Sie hielt den Pendel noch ruhiger, unbefangner, unbewußter uͤber die unterliegenden Metalle.","norm":"Sie hielt den Pendel noch ruhiger, unbefangener, unbewusster über die unterliegenden Metalle."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1195,"orig":"Aber in dem Augenblicke ward das ſchwebende wie in einem entſchiedenen Wirbel fortgeriſſen und drehte ſich, je nachdem man die Unterlage wechſelte, bald nach der einen, bald nach der andern Seite, jetzt in Kreiſen, jetzt in Ellipſen, oder nahm ſeinen Schwung in graden Linien, wie es der Begleiter nur erwarten konnte, ja uͤber alle ſeine Erwartung.","norm":"Aber in dem Augenblicke wurde das Schwebende wie in einem entschiedenen Wirbel fortgerissen und drehte sich, je nachdem man die Unterlage wechselte, bald nach der einen, bald nach der anderen Seite, jetzt in Kreisen, jetzt in Ellipsen, oder nahm seinen Schwung in geraden Linien, wie es der Begleiter nur erwarten konnte, ja über alle seine Erwartung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1196,"orig":"Der Lord ſelbſt ſtutzte eingermaßen, aber der andere konnte vor Luſt und Begierde gar nicht enden und bat immer um Wiederholung und Vermannigfaltigung der Verſuche.","norm":"Der Lord selbst stutzte einigermaßen, aber der andere konnte vor Lust und Begierde gar nicht enden und bat immer um Wiederholung und Vermannigfaltigung der Versuche."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1197,"orig":"Ottilie war gefaͤllig genug ſich in ſein Verlangen zu finden, bis ſie ihn zuletzt freundlich erſuchte, er moͤge ſie entlaſſen, weil ihr Kopfweh ſich wieder einſtelle.","norm":"Ottilie war gefällig genug sich in sein Verlangen zu finden, bis sie ihn zuletzt freundlich ersuchte, er möge sie entlassen, weil ihr Kopfweh sich wieder einstelle."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1198,"orig":"Er daruͤber verwundert, ja entzuͤckt, verſicherte ihr mit Enthuſiasmus, daß er ſie von dieſem Uebel voͤllig heilen wolle, wenn ſie ſich ſeiner Kurart anvertraue.","norm":"Er darüber verwundert, ja entzückt, versicherte ihr mit Enthusiasmus, dass er sie von diesem Übel völlig heilen wolle, wenn sie sich seiner Kurart anvertraue."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1199,"orig":"Man war einen Augenblick ungewiß;","norm":"Man war einen Augenblick ungewiss;"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1200,"orig":"Charlotte aber die geſchwind begriff wovon die Rede ſey, lehnte den wohlgeſinnten Antrag ab, weil ſie nicht gemeynt war, in ihrer Umgebung etwas zuzulaſſen, wovor ſie immerfort eine ſtarke Apprehenſion gefuͤhlt hatte.","norm":"Charlotte aber die geschwind begriff wovon die Rede sei, lehnte den wohlgesinnten Antrag ab, weil sie nicht gemeint war, in ihrer Umgebung etwas zuzulassen, wovor sie immerfort eine starke Apprehension gefühlt hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1201,"orig":"Die Fremden hatten ſich entfernt, und ungeachtet man von ihnen auf eine ſonderbare Weiſe beruͤhrt worden war, doch den Wunſch zuruͤckgelaſſen, daß man ſie irgendwo wieder antreffen moͤchte.","norm":"Die Fremden hatten sich entfernt, und ungeachtet man von ihnen auf eine sonderbare Weise berührt worden war, doch den Wunsch zurückgelassen, dass man sie irgendwo wieder antreffen möchte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1202,"orig":"Charlotte benutzte nunmehr die ſchoͤnen Tage, um in der Nachbarſchaft ihre Gegenbeſuche zu enden, womit ſie kaum fertig werden konnte, indem ſich die ganze Landſchaft umher, einige wahrhaft theilnehmend, andre blos der Gewohnheit wegen, bisher fleißig um ſie bekuͤmmert hatten.","norm":"Charlotte benutzte nunmehr die schönen Tage, um in der Nachbarschaft ihre Gegenbesuche zu enden, womit sie kaum fertig werden konnte, indem sich die ganze Landschaft umher, einige wahrhaft teilnehmend, andere bloß der Gewohnheit wegen, bisher fleißig um sie bekümmert hatten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1203,"orig":"Zu Hauſe belebte ſie der Anblick des Kindes; es war gewiß jeder Liebe, jeder Sorgfalt werth.","norm":"Zu Hause belebte sie der Anblick des Kindes; es war gewiss jeder Liebe, jeder Sorgfalt wert."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1204,"orig":"Man ſah in ihm ein wunderbares, ja ein Wunderkind, hoͤchſt erfreulich dem Anblick, an Groͤße, Ebenmaaß, Staͤrke und Geſundheit, und was noch mehr in Verwunderung ſetzte, war jene doppelte Aehnlichkeit die ſich immer mehr entwickelte.","norm":"Man sah in ihm ein wunderbares, ja ein Wunderkind, höchst erfreulich dem Anblick, an Größe, Ebenmaß, Stärke und Gesundheit, und was noch mehr in Verwunderung setzte, war jene doppelte Ähnlichkeit die sich immer mehr entwickelte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1205,"orig":"Den Geſichtszuͤgen und der ganzen Form nach glich das Kind immer mehr dem Hauptmann, die Augen ließen ſich immer weniger von Ottiliens Augen unterſcheiden.","norm":"Den Gesichtszügen und der ganzen Form nach glich das Kind immer mehr dem Hauptmann, die Augen ließen sich immer weniger von Ottilies Augen unterscheiden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1206,"orig":"Durch dieſe ſonderbare Verwandtſchaft und vielleicht noch mehr durch das ſchoͤne Gefuͤhl der Frauen geleitet, welche das Kind eines geliebten Mannes auch von einer Andern mit zaͤrtlicher Neigung umfangen, ward Ottilie dem heranwachſenden Geſchoͤpf ſo viel als eine Mutter, oder vielmehr eine andre Art von Mutter.","norm":"Durch diese sonderbare Verwandtschaft und vielleicht noch mehr durch das schöne Gefühl der Frauen geleitet, welche das Kind eines geliebten Mannes auch von einer Anderen mit zärtlicher Neigung umfangen, wurde Ottilie dem heranwachsenden Geschöpf soviel als eine Mutter, oder vielmehr eine andere Art von Mutter."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1207,"orig":"Entfernte ſich Charlotte, ſo blieb Ottilie mit dem Kinde und der Waͤrterinn allein.","norm":"Entfernte sich Charlotte, so blieb Ottilie mit dem Kinde und der Wärterin allein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1208,"orig":"Nanny hatte ſich ſeit einiger Zeit, eiferſuͤchtig auf den Knaben, dem ihre Herrinn alle Neigung zuzuwenden ſchien, trotzig von ihr entfernt und war zu ihren Aeltern zuruͤckgekehrt.","norm":"Nanny hatte sich seit einiger Zeit, eifersüchtig auf den Knaben, dem ihre Herrin alle Neigung zuzuwenden schien, trotzig von ihr entfernt und war zu ihren Eltern zurückgekehrt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1209,"orig":"Ottilie fuhr fort, das Kind in die freye Luft zu tragen, und gewoͤhnte ſich an immer weitere Spazirgaͤnge.","norm":"Ottilie fuhr fort, das Kind in die freie Luft zu tragen, und gewöhnte sich an immer weitere Spaziergänge."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1210,"orig":"Sie hatte das Milchflaͤſchchen bey ſich, um dem Kinde, wenn es noͤthig, ſeine Nahrung zu reichen.","norm":"Sie hatte das Milchfläschchen bei sich, um dem Kinde, wenn es nötig, seine Nahrung zu reichen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1211,"orig":"Selten unterließ ſie dabey ein Buch mitzunehmen, und ſo bildete ſie, das Kind auf dem Arm, leſend und wandelnd, eine gar anmuthige Penſeroſa.","norm":"Selten unterließ sie dabei ein Buch mitzunehmen, und so bildete sie, das Kind auf dem Arm, lesend und wandelnd, eine gar anmutige Penserosa."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1212,"orig":"Der Hauptzweck des Feldzugs war erreicht, und Eduard mit Ehrenzeichen geſchmuͤckt, ruͤhmlich entlaſſen.","norm":"Der Hauptzweck des Feldzugs war erreicht, und Eduard mit Ehrenzeichen geschmückt, rühmlich entlassen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1213,"orig":"Er begab ſich ſogleich wieder auf jenes kleine Gut, wo er genaue Nachrichten von den Seinigen fand, die er, ohne daß ſie es bemerkten und wußten, ſcharf hatte beobachten laſſen.","norm":"Er begab sich sogleich wieder auf jenes kleine Gut, wo er genaue Nachrichten von den Seinigen fand, die er, ohne dass sie es bemerkten und wussten, scharf hatte beobachten lassen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1214,"orig":"Sein ſtiller Aufenthalt blickte ihm aufs freundlichſte entgegen: denn man hatte indeſſen nach ſeiner Anordnung manches eingerichtet, gebeſſert und gefoͤrdert, ſo daß die Anlagen und Umgebungen, was ihnen an Weite und Breite fehlte, durch das Innere und zunaͤchſt Genießbare erſetzten.","norm":"Sein stiller Aufenthalt blickte ihm aufs freundlichste entgegen: denn man hatte indessen nach seiner Anordnung manches eingerichtet, gebessert und gefördert, so dass die Anlagen und Umgebungen, was ihnen an Weite und Breite fehlte, durch das Innere und zunächst Genießbare ersetzten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1215,"orig":"Eduard, durch einen raſcheren Lebensgang an entſchiedenere Schritte gewoͤhnt, nahm ſich nunmehr vor dasjenige auszufuͤhren, was er lange genug zu uͤberdenken Zeit gehabt hatte.","norm":"Eduard, durch einen rascheren Lebensgang an entschiedenere Schritte gewöhnt, nahm sich nunmehr vor dasjenige auszuführen, was er lange genug zu überdenken Zeit gehabt hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1216,"orig":"Vor allen Dingen berief er den Major.","norm":"Vor allen Dingen berief er den Major."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1217,"orig":"Die Freude des Wiederſehens war groß.","norm":"Die Freude des Wiedersehens war groß."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1218,"orig":"Jugendfreundſchaften, wie Blutsverwandtſchaften, haben den bedeutenden Vortheil, daß ihnen Irrungen und Mißverſtaͤndniſſe, von welcher Art ſie auch ſeyen, niemals von Grund aus ſchaden, und die alten Verhaͤltniſſe ſich nach einiger Zeit wieder herſtellen.","norm":"Jugendfreundschaften, wie Blutsverwandtschaften, haben den bedeutenden Vorteil, dass ihnen Irrungen und Missverständnisse, von welcher Art sie auch seien, niemals von Grund aus schaden, und die alten Verhältnisse sich nach einiger Zeit wiederherstellen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1219,"orig":"Zum frohen Empfang erkundigte ſich Eduard nach dem Zuſtande des Freundes, und vernahm, wie vollkommen nach ſeinen Wuͤnſchen ihn das Gluͤck beguͤnſtigt habe.","norm":"Zum frohen Empfang erkundigte sich Eduard nach dem Zustande des Freundes, und vernahm, wie vollkommen nach seinen Wünschen ihn das Glück begünstigt habe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1220,"orig":"Halb ſcherzend vertraulich fragte Eduard ſodann, ob nicht auch eine ſchoͤne Verbindung im Werke ſey.","norm":"Halb scherzend vertraulich fragte Eduard sodann, ob nicht auch eine schöne Verbindung im Werke sei."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1221,"orig":"Der Freund verneinte es, mit bedeutendem Ernſt.","norm":"Der Freund verneinte es, mit bedeutendem Ernst."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1222,"orig":"Ich kann und darf nicht hinterhaltig ſeyn, fuhr Eduard fort: ich muß dir meine Geſinnungen und Vorſaͤtze ſogleich entdecken.","norm":"Ich kann und darf nicht hinterhältig sein, fuhr Eduard fort: Ich muss dir meine Gesinnungen und Vorsätze sogleich entdecken."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1223,"orig":"Du kennſt meine Leidenſchaft fuͤr Ottilien und haſt laͤngſt begriffen, daß ſie es iſt, die mich in dieſen Feldzug geſtuͤrzt hat.","norm":"Du kennst meine Leidenschaft für Ottilie und hast längst begriffen, dass sie es ist, die mich in diesen Feldzug gestürzt hat."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1224,"orig":"Ich laͤugne nicht, daß ich gewuͤnſcht hatte, ein Leben los zu werden, das mir ohne ſie nichts weiter nuͤtze war; allein zugleich muß ich dir geſtehen, daß ich es nicht uͤber mich gewinnen konnte, vollkommen zu verzweifeln.","norm":"Ich leugne nicht, dass ich gewünscht hatte, ein Leben loszuwerden, das mir ohne sie nichts weiter nütze war; allein zugleich muss ich dir gestehen, dass ich es nicht über mich gewinnen konnte, vollkommen zu verzweifeln."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1225,"orig":"Das Gluͤck mit ihr war ſo ſchoͤn, ſo wuͤnſchenswerth, daß es mir unmoͤglich blieb, voͤllig Verzicht darauf zu thun.","norm":"Das Glück mit ihr war so schön, so wünschenswert, dass es mir unmöglich blieb, völlig Verzicht darauf zu tun."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1226,"orig":"So manche troͤſtliche Ahndung, ſo manches heitere Zeichen hatte mich in dem Glauben, in dem Wahn beſtaͤrkt, Ottilie koͤnne die meine werden.","norm":"So manche tröstliche Ahnung, so manches heitere Zeichen hatte mich in dem Glauben, in dem Wahn bestärkt, Ottilie könne die Meine werden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1227,"orig":"Ein Glas mit unſerm Namenszug bezeichnet, bey der Grundſteinlegung in die Luͤfte geworfen, ging nicht zu Truͤmmern; es ward aufgefangen und iſt wieder in meinen Haͤnden.","norm":"Ein Glas mit unserem Namenszug bezeichnet, bei der Grundsteinlegung in die Lüfte geworfen, ging nicht zu Trümmern; es wurde aufgefangen und ist wieder in meinen Händen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1228,"orig":"So will ich mich denn ſelbſt, rief ich mir zu, als ich an dieſem einſamen Orte ſo viel zweifelhafte Stunden verlebt hatte: mich ſelbſt will ich an die Stelle des Glaſes zum Zeichen machen, ob unſre Verbindung moͤglich ſey oder nicht.","norm":"So will ich mich denn selbst, rief ich mir zu, als ich an diesem einsamen Orte soviel zweifelhafte Stunden verlebt hatte: Mich selbst will ich an die Stelle des Glases zum Zeichen machen, ob unsere Verbindung möglich sei oder nicht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1229,"orig":"Ich gehe hin und ſuche den Tod, nicht als ein Raſender, ſondern als einer der zu leben hofft.","norm":"Ich gehe hin und suche den Tod, nicht als ein Rasender, sondern als einer der zu leben hofft."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1230,"orig":"Ottilie ſoll der Preis ſeyn, um den ich kaͤmpfe; ſie ſoll es ſeyn, die ich hinter jeder feindlichen Schlachtordnung, in jeder Verſchanzung, in jeder belagerten Feſtung zu gewinnen, zu erobern hoffe.","norm":"Ottilie soll der Preis sein, um den ich Kämpfe; sie soll es sein, die ich hinter jeder feindlichen Schlachtordnung, in jeder Verschanzung, in jeder belagerten Festung zu gewinnen, zu erobern hoffe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1231,"orig":"Ich will Wunder thun, mit dem Wunſche verſchont zu bleiben, im Sinne Ottilien zu gewinnen, nicht ſie zu verlieren.","norm":"Ich will Wunder tun, mit dem Wunsche verschont zu bleiben, im Sinne Ottilie zu gewinnen, nicht sie zu verlieren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1232,"orig":"Dieſe Gefuͤhle haben mich geleitet, ſie haben mir durch alle Gefahren beygeſtanden; aber nun finde ich mich auch wie einen der zu ſeinem Ziele gelangt iſt, der alle Hinderniſſe uͤberwunden hat, dem nun nichts mehr im Wege ſteht.","norm":"Diese Gefühle haben mich geleitet, sie haben mir durch alle Gefahren beigestanden; aber nun finde ich mich auch wie einen der zu seinem Ziele gelangt ist, der alle Hindernisse überwunden hat, dem nun nichts mehr im Wege steht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1233,"orig":"Ottilie iſt mein, und was noch zwiſchen dieſem Gedanken und der Ausfuͤhrung liegt, kann ich nur fuͤr nichts bedeutend anſehen.","norm":"Ottilie ist mein, und was noch zwischen diesem Gedanken und der Ausführung liegt, kann ich nur für nichts bedeutend ansehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1234,"orig":"Du loͤſcheſt, verſetzte der Major, mit wenig Zuͤgen alles aus, was man dir entgegenſetzen koͤnnte und ſollte; und doch muß es wiederhohlt werden.","norm":"Du löschest, versetzte der Major, mit wenig Zügen alles aus, was man dir entgegensetzen könnte und sollte; und doch muss es wiederholt werden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1235,"orig":"Das Verhaͤltniß zu deiner Frau in ſeinem ganzen Werthe dir zuruͤckzurufen, uͤberlaſſe ich dir ſelbſt; aber du biſt es ihr, du biſt es dir ſchuldig, dich hieruͤber nicht zu verdunkeln.","norm":"Das Verhältnis zu deiner Frau in seinem ganzen Werte dir zurückzurufen, überlasse ich dir selbst; aber du bist es ihr, du bist es dir schuldig, dich hierüber nicht zu verdunkeln."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1236,"orig":"Wie kann ich aber nur gedenken, daß Euch ein Sohn gegeben iſt, ohne zugleich auszuſprechen, daß ihr einander auf immer angehoͤrt, daß ihr um dieſes Weſens willen ſchuldig ſeyd, vereint zu leben, damit ihr vereint fuͤr ſeine Erziehung und fuͤr ſein kuͤnftiges Wohl ſorgen moͤget.","norm":"Wie kann ich aber nur gedenken, dass Euch ein Sohn gegeben ist, ohne zugleich auszusprechen, dass ihr einander auf immer angehört, dass ihr um dieses Wesens Willen schuldig seid, vereint zu leben, damit ihr vereint für seine Erziehung und für sein künftiges Wohl Sorgen möget."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1237,"orig":"Es iſt bloß ein Duͤnkel der Aeltern, verſetzte Eduard, wenn ſie ſich einbilden, daß ihr Daſeyn fuͤr die Kinder ſo noͤthig ſey.","norm":"Es ist bloß ein Dünkel der Eltern, versetzte Eduard, wenn sie sich einbilden, dass ihr Dasein für die Kinder so nötig sei."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1238,"orig":"Alles was lebt findet Nahrung und Beyhuͤlfe, und wenn der Sohn, nach dem fruͤhen Tode des Vaters, keine ſo bequeme, ſo beguͤnſtigte Jugend hat; ſo gewinnt er vielleicht eben deswegen an ſchnellerer Bildung fuͤr die Welt, durch zeitiges Anerkennen, daß er ſich in andere ſchicken muß; was wir denn doch fruͤher oder ſpaͤter alle lernen muͤſſen.","norm":"Alles was lebt findet Nahrung und Beihilfe, und wenn der Sohn, nach dem frühen Tode des Vaters, keine so bequeme, so begünstigte Jugend hat; so gewinnt er vielleicht eben deswegen an schnellerer Bildung für die Welt, durch zeitiges Anerkennen, dass er sich in andere schicken muss; was wir denn doch früher oder später alle lernen müssen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1239,"orig":"Und hievon iſt ja die Rede gar nicht: wir ſind reich genug, um mehrere Kinder zu verſorgen, und es iſt keineswegs Pflicht noch Wohlthat, auf Ein Haupt ſo viele Guͤter zu haͤufen.","norm":"Und hiervon ist ja die Rede gar nicht: Wir sind reich genug, um mehrere Kinder zu versorgen, und es ist keineswegs Pflicht noch Wohltat, auf ein Haupt so viele Güter zu häufen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1240,"orig":"Als der Major mit einigen Zuͤgen Charlottens Werth und Eduards lange beſtandenes Verhaͤltniß zu ihr anzudeuten gedachte, fiel ihm Eduard haſtig in die Rede:","norm":"Als der Major mit einigen Zügen Charlottes Wert und Eduards lange bestandenes Verhältnis zu ihr anzudeuten gedachte, fiel ihm Eduard hastig in die Rede:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1241,"orig":"Wir haben eine Thorheit begangen, die ich nur allzuwohl einſehe.","norm":"Wir haben eine Torheit begangen, die ich nur allzu wohl einsehe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1242,"orig":"Wer in einem gewiſſen Alter fruͤhere Jugendwuͤnſche und Hoffnungen realiſiren will, betriegt ſich immer: denn jedes Jahrzehend des Menſchen hat ſein eigenes Gluͤck, ſeine eigenen Hoffnungen und Ausſichten.","norm":"Wer in einem gewissen Alter frühere Jugendwünsche und Hoffnungen realisieren will, betrügt sich immer: denn jedes Jahrzehnt des Menschen hat sein eigenes Glück, seine eigenen Hoffnungen und Aussichten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1243,"orig":"Wehe dem Menſchen der vorwaͤrts oder ruͤckwaͤrts zu greifen, durch Umſtaͤnde oder durch Wahn veranlaßt wird!","norm":"Wehe dem Menschen der vorwärts oder rückwärts zu greifen, durch Umstände oder durch Wahn veranlasst wird!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1244,"orig":"Wir haben eine Thorheit begangen; ſoll ſie es denn fuͤrs ganze Leben ſeyn?","norm":"Wir haben eine Torheit begangen; soll sie es denn fürs ganze Leben sein?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1245,"orig":"Sollen wir uns, aus irgend einer Art von Bedenklichkeit, dasjenige verſagen, was uns die Sitten der Zeit nicht abſprechen?","norm":"Sollen wir uns, aus irgendeiner Art von Bedenklichkeit, dasjenige versagen, was uns die Sitten der Zeit nicht absprechen?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1246,"orig":"In wie vielen Dingen nimmt der Menſch ſeinen Vorſatz, ſeine That zuruͤck, und hier gerade ſollte es nicht geſchehen, wo vom Ganzen und nicht vom Einzelnen, wo nicht von dieſer oder jener Bedingung des Lebens, wo vom ganzen Complex des Lebens die Rede iſt!","norm":"In wie vielen Dingen nimmt der Mensch seinen Vorsatz, seine Tat zurück, und hier gerade sollte es nicht geschehen, wo vom Ganzen und nicht vom Einzelnen, wo nicht von dieser oder jener Bedingung des Lebens, wo vom ganzen Komplex des Lebens die Rede ist!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1247,"orig":"Der Major verfehlte nicht auf eine eben ſo geſchickte als nachdruͤckliche Weiſe Eduarden die verſchiedenen Bezuͤge zu ſeiner Gemahlinn, zu den Familien, zu der Welt, zu ſeinen Beſitzungen vorzuſtellen; aber es gelang ihm nicht, irgend eine Theilnahme zu erregen.","norm":"Der Major verfehlte nicht auf eine ebenso geschickte als nachdrückliche Weise Eduard die verschiedenen Bezüge zu seiner Gemahlin, zu den Familien, zu der Welt, zu seinen Besitzungen vorzustellen; aber es gelang ihm nicht, irgendeine Teilnahme zu erregen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1248,"orig":"Alles dieſes, mein Freund, erwiederte Eduard, iſt mir vor der Seele vorbeygegangen, mitten im Gewuͤhl der Schlacht, wenn die Erde vom anhaltenden Donner bebte, wenn die Kugeln ſauſten und pfiffen, rechts und links die Gefaͤhrten niederfielen, mein Pferd getroffen, mein Hut durchloͤchert ward; es hat mir vorgeſchwebt beym ſtillen naͤchtlichen Feuer unter dem geſtirnten Gewoͤlbe des Himmels.","norm":"Alles dieses, mein Freund, erwiderte Eduard, ist mir vor der Seele vorbeigegangen, mitten im Gewühl der Schlacht, wenn die Erde vom anhaltenden Donner bebte, wenn die Kugeln sausten und pfiffen, rechts und links die Gefährten niederfielen, mein Pferd getroffen, mein Hut durchlöchert wurde; es hat mir vorgeschwebt beim stillen nächtlichen Feuer unter dem gestirnten Gewölbe des Himmels."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1249,"orig":"Dann traten mir alle meine Verbindungen vor die Seele; ich habe ſie durchgedacht, durchgefuͤhlt; ich habe mir zugeeignet, ich habe mich abgefunden, zu wiederholten Malen, und nun fuͤr immer.","norm":"Dann traten mir alle meine Verbindungen vor die Seele; ich habe sie durchgedacht, durchgefühlt; ich habe mir zugeeignet, ich habe mich abgefunden, zu wiederholten Malen, und nun für immer."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1250,"orig":"In ſolchen Augenblicken, wie kann ich dir's verſchweigen, warſt auch du mir gegenwaͤrtig, auch du gehoͤrteſt in meinen Kreis; und gehoͤren wir denn nicht ſchon ſo lange zueinander?","norm":"In solchen Augenblicken, wie kann ich dir es verschweigen, warst auch du mir gegenwärtig, auch du gehörtest in meinen Kreis; und gehören wir denn nicht schon so lange zueinander?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1251,"orig":"Wenn ich dir etwas ſchuldig geworden, ſo komme ich jetzt in den Fall dir es mit Zinſen abzutragen; wenn du mir je etwas ſchuldig geworden, ſo ſiehſt du dich nun im Stande, mir es zu vergelten.","norm":"Wenn ich dir etwas schuldig geworden, so komme ich jetzt in den Fall dir es mit Zinsen abzutragen; wenn du mir je etwas schuldig geworden, so siehst du dich nun imstande, mir es zu vergelten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1252,"orig":"Ich weiß du liebſt Charlotten, und ſie verdient es; ich weiß du biſt ihr nicht gleichguͤltig, und warum ſollte ſie deinen Werth nicht erkennen!","norm":"Ich weiß du liebst Charlotten, und sie verdient es; ich weiß du bist ihr nicht gleichgültig, und warum sollte sie deinen Wert nicht erkennen!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1253,"orig":"Nimm ſie von meiner Hand!","norm":"Nimm sie von meiner Hand!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1254,"orig":"fuͤhre mir Ottilien zu!","norm":"führe mir Ottilie zu!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1255,"orig":"und wir ſind die gluͤcklichſten Menſchen auf der Erde.","norm":"und wir sind die glücklichsten Menschen auf der Erde."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1256,"orig":"Eben weil du mich mit ſo hohen Gaben beſtechen willſt, verſetzte der Major, muß ich deſto vorſichtiger, deſto ſtrenger ſeyn.","norm":"Eben weil du mich mit so hohen Gaben bestechen willst, versetzte der Major, muss ich desto vorsichtiger, desto strenger sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1257,"orig":"Anſtatt daß dieſer Vorſchlag, den ich ſtill verehre, die Sache erleichtern moͤchte, erſchwert er ſie vielmehr.","norm":"Anstatt dass dieser Vorschlag, den ich still verehre, die Sache erleichtern möchte, erschwert er sie vielmehr."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1258,"orig":"Es iſt, wie von dir, nun auch von mir die Rede, und ſo wie von dem Schickſal, ſo auch von dem guten Namen, von der Ehre zweyer Maͤnner, die bis jetzt unbeſcholten, durch dieſe wunderliche Handlung, wenn wir ſie auch nicht anders nennen wollen, in Gefahr kommen, vor der Welt in einem hoͤchſt ſeltſamen Lichte zu erſcheinen.","norm":"Es ist, wie von dir, nun auch von mir die Rede, und so wie von dem Schicksal, so auch von dem guten Namen, von der Ehre zweier Männer, die bis jetzt unbescholten, durch diese wunderliche Handlung, wenn wir sie auch nicht anders nennen wollen, in Gefahr kommen, vor der Welt in einem höchst seltsamen Lichte zu erscheinen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1259,"orig":"Eben daß wir unbeſcholten ſind, verſetzte Eduard, giebt uns das Recht uns auch einmal ſchelten zu laſſen.","norm":"Eben dass wir unbescholten sind, versetzte Eduard, gibt uns das Recht uns auch einmal schelten zu lassen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1260,"orig":"Wer ſich ſein ganzes Leben als einen zuverlaͤſſigen Mann bewieſen, der macht eine Handlung zuverlaͤſſig, die bey andern zweydeutig erſcheinen wuͤrde.","norm":"Wer sich sein ganzes Leben als einen zuverlässigen Mann bewiesen, der macht eine Handlung zuverlässig, die bei anderen zweideutig erscheinen würde."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1261,"orig":"Was mich betrifft, ich fuͤhle mich durch die letzten Pruͤfungen die ich mir auferlegt, durch die ſchwierigen gefahrvollen Thaten die ich fuͤr andere gethan, berechtigt auch etwas fuͤr mich zu thun.","norm":"Was mich betrifft, ich fühle mich durch die letzten Prüfungen die ich mir auferlegt, durch die schwierigen gefahrvollen Taten die ich für andere getan, berechtigt auch etwas für mich zu tun."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1262,"orig":"Was dich und Charlotten betrifft, ſo ſey es der Zukunft anheim gegeben; mich aber wirſt du, wird Niemand von meinem Vorſatze zuruͤckhalten.","norm":"Was dich und Charlotten betrifft, so sei es der Zukunft anheimgegeben; mich aber wirst du, wird niemand von meinem Vorsatze zurückhalten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1263,"orig":"Will man mir die Hand bieten, ſo bin ich auch wieder zu allem erboͤtig; will man mich mir ſelbſt uͤberlaſſen, oder mir wohl gar entgegen ſeyn: ſo muß ein Extrem entſtehen, es werde auch wie es wolle.","norm":"Will man mir die Hand bieten, so bin ich auch wieder zu allem erbötig; will man mich mir selbst überlassen, oder mir wohl gar entgegen sein: so muss ein Extrem entstehen, es werde auch wie es wolle."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1264,"orig":"Der Major hielt es fuͤr ſeine Pflicht, dem Vorſatz Eduards ſo lange als moͤglich Widerſtand zu leiſten, und er bediente ſich nun gegen ſeinen Freund einer klugen Wendung, indem er nachzugeben ſchien und nur die Form, den Geſchaͤftsgang zur Sprache brachte, durch welchen man dieſe Trennung, dieſe Verbindungen erreichen ſollte.","norm":"Der Major hielt es für seine Pflicht, dem Vorsatz Eduards so lange als möglich Widerstand zu leisten, und er bediente sich nun gegen seinen Freund einer klugen Wendung, indem er nachzugeben schien und nur die Form, den Geschäftsgang zur Sprache brachte, durch welchen man diese Trennung, diese Verbindungen erreichen sollte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1265,"orig":"Da trat denn ſo manches Unerfreuliche, Beſchwerliche, Unſchickliche hervor, daß ſich Eduard in die ſchlimmſte Laune verſetzt fuͤhlte.","norm":"Da trat denn so manches Unerfreuliche, Beschwerliche, unschickliche hervor, dass sich Eduard in die schlimmste Laune versetzt fühlte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1266,"orig":"Ich ſehe wohl, rief dieſer endlich, nicht allein von Feinden, ſondern auch von Freunden muß was man wuͤnſcht, erſtuͤrmt werden.","norm":"Ich sehe wohl, rief dieser endlich, nicht allein von Feinden, sondern auch von Freunden muss was man wünscht, erstürmt werden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1267,"orig":"Das was ich will, was mir unentbehrlich iſt, halte ich feſt im Auge; ich werde es ergreifen und gewiß bald und behende.","norm":"Das was ich will, was mir unentbehrlich ist, halte ich fest im Auge; ich werde es ergreifen und gewiss bald und behände."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1268,"orig":"Dergleichen Verhaͤltniſſe, weiß ich wohl, heben ſich nicht auf und bilden ſich nicht, ohne daß manches falle was ſteht, ohne daß manches weiche was zu beharren Luſt hat.","norm":"Dergleichen Verhältnisse, weiß ich wohl, heben sich nicht auf und bilden sich nicht, ohne dass manches falle was steht, ohne dass manches weiche was zu beharren Lust hat."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1269,"orig":"Durch Ueberlegung wird ſo etwas nicht geendet; vor dem Verſtande ſind alle Rechte gleich, und auf die ſteigende Wagſchale laͤßt ſich immer wieder ein Gegengewicht legen.","norm":"Durch Überlegung wird so etwas nicht geendet; vor dem Verstande sind alle Rechte gleich, und auf die steigende Waagschale lässt sich immer wieder ein Gegengewicht legen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1270,"orig":"Entſchließe dich alſo, mein Freund, fuͤr mich, fuͤr dich zu handeln, fuͤr mich, fuͤr dich dieſe Zuſtaͤnde zu entwirren, aufzuloͤſen, zu verknuͤpfen.","norm":"Entschließe dich also, mein Freund, für mich, für dich zu handeln, für mich, für dich diese Zustände zu entwirren, aufzulösen, zu verknüpfen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1271,"orig":"Laß dich durch keine Betrachtungen abhalten; wir haben die Welt ohnehin ſchon von uns reden machen, ſie wird noch einmal von uns reden, uns ſodann, wie alles uͤbrige was aufhoͤrt neu zu ſeyn, vergeſſen und uns gewaͤhren laſſen wie wir koͤnnen, ohne weitern Theil an uns zu nehmen.","norm":"Lass dich durch keine Betrachtungen abhalten; wir haben die Welt ohnehin schon von uns reden machen, sie wird noch einmal von uns reden, uns sodann, wie alles übrige was aufhört neu zu sein, vergessen und uns gewähren lassen wie wir können, ohne weitern Teil an uns zu nehmen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1272,"orig":"Der Major hatte keinen andern Ausweg und mußte endlich zugeben, daß Eduard ein fuͤr allemal die Sache als etwas Bekanntes und Vorausgeſetztes behandelte, daß er wie alles anzuſtellen ſey, im Einzelnen durchſprach und ſich uͤber die Zukunft auf das heiterſte, ſogar in Scherzen erging.","norm":"Der Major hatte keinen anderen Ausweg und musste endlich zugeben, dass Eduard ein für allemal die Sache als etwas Bekanntes und Vorausgesetztes behandelte, dass er wie alles anzustellen sei, im Einzelnen durchsprach und sich über die Zukunft auf das heiterste, sogar in Scherzen erging."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1273,"orig":"Dann wieder ernſthaft und nachdenklich fuhr er fort:","norm":"Dann wieder ernsthaft und nachdenklich fuhr er fort:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1274,"orig":"Wollten wir uns der Hoffnung, der Erwartung uͤberlaſſen, daß alles ſich von ſelbſt wieder finden, daß der Zufall uns leiten und beguͤnſtigen ſolle; ſo waͤre dieß ein ſtraͤflicher Selbſtbetrug.","norm":"Wollten wir uns der Hoffnung, der Erwartung überlassen, dass alles sich von selbst wieder finden, dass der Zufall uns leiten und begünstigen solle; so wäre dies ein sträflicher Selbstbetrug."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1275,"orig":"Auf dieſe Weiſe koͤnnen wir uns unmoͤglich retten, unſre allſeitige Ruhe nicht wiederherſtellen; und wie ſollte ich mich troͤſten koͤnnen, da ich unſchuldig die Schuld an allem bin!","norm":"Auf diese Weise können wir uns unmöglich retten, unsere allseitige Ruhe nicht wiederherstellen; und wie sollte ich mich trösten können, da ich unschuldig die Schuld an allem bin!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1276,"orig":"Durch meine Zudringlichkeit habe ich Charlotten vermocht, dich ins Haus zu nehmen, und auch Ottilie iſt nur in Gefolg von dieſer Veraͤnderung bey uns eingetreten.","norm":"Durch meine Zudringlichkeit habe ich Charlotten vermocht, dich ins Haus zu nehmen, und auch Ottilie ist nur in Gefolge von dieser Veränderung bei uns eingetreten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1277,"orig":"Wir ſind nicht mehr Herr uͤber das was daraus entſprungen iſt, aber wir ſind Herr, es unſchaͤdlich zu machen, die Verhaͤltniſſe zu unſerm Gluͤcke zu leiten.","norm":"Wir sind nicht mehr Herr über das was daraus entsprungen ist, aber wir sind Herr, es unschädlich zu machen, die Verhältnisse zu unserem Glücke zu leiten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1278,"orig":"Magſt du die Augen von den ſchoͤnen und freundlichen Ausſichten abwenden, die ich uns eroͤffne, magſt du mir, magſt du uns allen ein trauriges Entſagen gebieten, inſofern du dir's moͤglich denkſt, inſofern es moͤglich waͤre: iſt denn nicht auch alsdann, wenn wir uns vornehmen in die alten Zuſtaͤnde zuruͤckzukehren, manches Unſchickliche, Unbequeme, Verdrießliche zu uͤbertragen, ohne daß irgend etwas Gutes, etwas Heiteres daraus entſpraͤnge?","norm":"Magst du die Augen von den schönen und freundlichen Aussichten abwenden, die ich uns eröffne, magst du mir, magst du uns allen ein trauriges Entsagen gebieten, insofern du dir es möglich denkst, insofern es möglich wäre: ist denn nicht auch alsdann, wenn wir uns vornehmen in die alten Zustände zurückzukehren, manches Unschickliche, Unbequeme, Verdrießliche zu übertragen, ohne dass irgendetwas Gutes, etwas Heiteres daraus entspränge?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1279,"orig":"Wuͤrde der gluͤckliche Zuſtand in dem du dich befindeſt, dir wohl Freude machen, wenn du gehindert waͤrſt, mich zu beſuchen, mit mir zu leben?","norm":"Würde der glückliche Zustand in dem du dich befindest, dir wohl Freude machen, wenn du gehindert wärst, mich zu besuchen, mit mir zu leben?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1280,"orig":"Und nach dem was vorgegangen iſt, wuͤrde es doch immer peinlich ſeyn.","norm":"Und nach dem was vorgegangen ist, würde es doch immer peinlich sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1281,"orig":"Charlotte und ich wuͤrden mit allem unſerm Vermoͤgen uns nur in einer traurigen Lage befinden.","norm":"Charlotte und ich würden mit allem unserem Vermögen uns nur in einer traurigen Lage befinden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1282,"orig":"Und wenn du mit andern Weltmenſchen glauben magſt, daß Jahre, daß Entfernung ſolche Empfindungen abſtumpfen, ſo tief eingegrabene Zuͤge ausloͤſchen; ſo iſt ja eben von dieſen Jahren die Rede, die man nicht in Schmerz und Entbehren ſondern in Freude und Behagen zubringen will.","norm":"Und wenn du mit anderen Weltmenschen glauben magst, dass Jahre, dass Entfernung solche Empfindungen abstumpfen, so tief eingegrabene Züge auslöschen; so ist ja eben von diesen Jahren die Rede, die man nicht in Schmerz und Entbehren sondern in Freude und Behagen zubringen will."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1283,"orig":"Und nun zuletzt noch das Wichtigſte auszuſprechen: wenn wir auch, unſerm aͤußern und innern Zuſtande nach, das allenfalls abwarten koͤnnten, was ſoll aus Ottilien werden, die unſer Haus verlaſſen, in der Geſellſchaft unſerer Vorſorge entbehren und ſich in der verruchten kalten Welt jaͤmmerlich herumdruͤcken muͤßte!","norm":"Und nun zuletzt noch das Wichtigste auszusprechen: wenn wir auch, unserem äußeren und inneren Zustande nach, das allenfalls abwarten könnten, was soll aus Ottilie werden, die unser Haus verlassen, in der Gesellschaft unserer Vorsorge entbehren und sich in der verruchten kalten Welt jämmerlich herumdrücken müsste!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1284,"orig":"Male mir einen Zuſtand worin Ottilie, ohne mich, ohne uns, gluͤcklich ſeyn koͤnnte, dann ſollſt du ein Argument ausgeſprochen haben, das ſtaͤrker iſt als jedes andre, das ich, wenn ich's auch nicht zugeben, mich ihm nicht ergeben kann, dennoch recht gern aufs neue in Betrachtung und Ueberlegung ziehen will.","norm":"Male mir einen Zustand worin Ottilie, ohne mich, ohne uns, glücklich sein könnte, dann sollst du ein Argument ausgesprochen haben, das stärker ist als jedes andere, das ich, wenn ich es auch nicht zugeben, mich ihm nicht ergeben kann, dennoch recht gern aufs neue in Betrachtung und Überlegung ziehen will."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1285,"orig":"Dieſe Aufgabe war ſo leicht nicht zu loͤſen, wenigſtens fiel dem Freunde hierauf keine hinlaͤngliche Antwort ein, und es blieb ihm nichts uͤbrig, als wiederhohlt einzuſchaͤrfen, wie wichtig, wie bedenklich und in manchem Sinne gefaͤhrlich das ganze Unternehmen ſey, und daß man wenigſtens wie es anzugreifen waͤre, auf das ernſtlichſte zu bedenken habe.","norm":"Diese Aufgabe war so leicht nicht zu lösen, wenigstens fiel dem Freunde hierauf keine hinlängliche Antwort ein, und es blieb ihm nichts übrig, als wiederholt einzuschärfen, wie wichtig, wie bedenklich und in manchem Sinne gefährlich das ganze Unternehmen sei, und dass man wenigstens wie es anzugreifen wäre, auf das ernstlichste zu Bedenken habe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1286,"orig":"Eduard ließ ſich's gefallen, doch nur unter der Bedingung, daß ihn der Freund nicht eher verlaſſen wolle, als bis ſie uͤber die Sache voͤllig einig geworden, und die erſten Schritte gethan ſeyen.","norm":"Eduard ließ sich es gefallen, doch nur unter der Bedingung, dass ihn der Freund nicht eher verlassen wolle, als bis sie über die Sache völlig einig geworden, und die ersten Schritte getan seien."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1287,"orig":"Voͤllig fremde und gegen einander gleichguͤltige Menſchen, wenn ſie eine Zeit lang zuſammen leben, kehren ihr Inneres wechſelſeitig heraus, und es muß eine gewiſſe Vertraulichkeit entſtehen.","norm":"Völlig fremde und gegeneinander gleichgültige Menschen, wenn sie eine Zeitlang zusammenleben, kehren ihr Inneres wechselseitig heraus, und es muss eine gewisse Vertraulichkeit entstehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1288,"orig":"Um ſo mehr laͤßt ſich erwarten, daß unſern beyden Freunden, indem ſie wieder neben einander wohnten, taͤglich und ſtuͤndlich zuſammen umgingen, gegenſeitig nichts verborgen blieb.","norm":"Um so mehr lässt sich erwarten, dass unseren beiden Freunden, indem sie wieder nebeneinander wohnten, täglich und stündlich zusammen umgingen, gegenseitig nichts verborgen blieb."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1289,"orig":"Sie wiederhohlten das Andenken ihrer fruͤheren Zuſtaͤnde, und der Major verhehlte nicht, daß Charlotte Eduarden, als er von Reiſen zuruͤckgekommen, Ottilien zugedacht, daß ſie ihm das ſchoͤne Kind in der Folge zu vermaͤhlen gemeynt habe.","norm":"Sie wiederholten das Andenken ihrer früheren Zustände, und der Major verhehlte nicht, dass Charlotte Eduard, als er von Reisen zurückgekommen, Ottilie zugedacht, dass sie ihm das schöne Kind in der Folge zu vermählen gemeint habe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1290,"orig":"Eduard bis zur Verwirrung entzuͤckt uͤber dieſe Entdeckung, ſprach ohne Ruͤckhalt von der gegenſeitigen Neigung Charlottens und des Majors, die er, weil es ihm gerade bequem und guͤnſtig war, mit lebhaften Farben ausmalte.","norm":"Eduard bis zur Verwirrung entzückt über diese Entdeckung, sprach ohne Rückhalt von der gegenseitigen Neigung Charlottes und des Majors, die er, weil es ihm gerade bequem und günstig war, mit lebhaften Farben ausmalte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1291,"orig":"Ganz laͤugnen konnte der Major nicht und nicht ganz eingeſtehen; aber Eduard befeſtigte, beſtimmte ſich nur mehr.","norm":"Ganz leugnen konnte der Major nicht und nicht ganz eingestehen; aber Eduard befestigte, bestimmte sich nur mehr."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1292,"orig":"Er dachte ſich alles nicht als moͤglich, ſondern als ſchon geſchehen.","norm":"Er dachte sich alles nicht als möglich, sondern als schon geschehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1293,"orig":"Alle Theile brauchten nur in das zu willigen was ſie wuͤnſchten; eine Scheidung war gewiß zu erlangen; eine baldige Verbindung ſollte folgen, und Eduard wollte mit Ottilien reiſen.","norm":"Alle Teile brauchten nur in das zu willigen was sie wünschten; eine Scheidung war gewiss zu erlangen; eine baldige Verbindung sollte folgen, und Eduard wollte mit Ottilie reisen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1294,"orig":"Unter allem was die Einbildungskraft ſich Angenehmes ausmalt, iſt vielleicht nichts Reizenderes, als wenn Liebende, wenn junge Gatten, ihr neues friſches Verhaͤltniß in einer neuen friſchen Welt zu genießen, und einen dauernden Bund an ſo viel wechſelnden Zuſtaͤnden zu pruͤfen und zu beſtaͤtigen hoffen.","norm":"Unter allem was die Einbildungskraft sich Angenehmes ausmalt, ist vielleicht nichts Reizenderes, als wenn Liebende, wenn junge Gatten, ihr neues frisches Verhältnis in einer neuen frischen Welt zu genießen, und einen dauernden Bund an soviel wechselnden Zuständen zu prüfen und zu bestätigen hoffen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1295,"orig":"Der Major und Charlotte ſollten unterdeſſen unbeſchraͤnkte Vollmacht haben, alles was ſich auf Beſitz, Vermoͤgen und die irdiſchen wuͤnſchenswerthen Einrichtungen bezieht, dergeſtalt zu ordnen und nach Recht und Billigkeit einzuleiten, daß alle Theile zufrieden ſeyn koͤnnten.","norm":"Der Major und Charlotte sollten unterdessen unbeschränkte Vollmacht haben, alles was sich auf Besitz, Vermögen und die irdischen wünschenswerten Einrichtungen bezieht, dergestalt zu ordnen und nach Recht und Billigkeit einzuleiten, dass alle Teile zufrieden sein könnten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1296,"orig":"Worauf jedoch Eduard am allermeiſten zu fußen, wovon er ſich den groͤßten Vortheil zu verſprechen ſchien, war dieß:","norm":"Worauf jedoch Eduard am allermeisten zu fußen, wovon er sich den größten Vorteil zu versprechen schien, war dies:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1297,"orig":"Da das Kind bey der Mutter bleiben ſollte, ſo wuͤrde der Major den Knaben erziehen, ihn nach ſeinen Einſichten leiten, ſeine Faͤhigkeiten entwickeln koͤnnen.","norm":"Da das Kind bei der Mutter bleiben sollte, so würde der Major den Knaben erziehen, ihn nach seinen Einsichten leiten, seine Fähigkeiten entwickeln können."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1298,"orig":"Nicht umſonſt hatte man ihm dann in der Taufe ihren beyderſeitigen Namen Otto gegeben.","norm":"Nicht umsonst hatte man ihm dann in der Taufe ihren beiderseitigen Namen Otto gegeben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1299,"orig":"Das alles war bey Eduarden ſo fertig geworden, daß er keinen Tag laͤnger anſtehen mochte, der Ausfuͤhrung naͤher zu treten.","norm":"Das alles war bei Eduard so fertig geworden, dass er keinen Tag länger anstehen mochte, der Ausführung näherzutreten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1300,"orig":"Sie gelangten auf ihrem Wege nach dem Gute zu einer kleinen Stadt, in der Eduard ein Haus beſaß, wo er verweilen und die Ruͤckkunft des Majors abwarten wollte.","norm":"Sie gelangten auf ihrem Wege nach dem Gute zu einer kleinen Stadt, in der Eduard ein Haus besaß, wo er verweilen und die Rückkunft des Majors abwarten wollte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1301,"orig":"Doch konnte er ſich nicht uͤberwinden, daſelbſt ſogleich abzuſteigen, und begleitete den Freund noch durch den Ort.","norm":"Doch konnte er sich nicht überwinden, daselbst sogleich abzusteigen, und begleitete den Freund noch durch den Ort."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1302,"orig":"Sie waren beyde zu Pferde, und in bedeutendem Geſpraͤch verwickelt ritten ſie zuſammen weiter.","norm":"Sie waren beide zu Pferde, und in bedeutendem Gespräch verwickelt ritten sie zusammen weiter."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1303,"orig":"Auf einmal erblickten ſie in der Ferne das neue Haus auf der Hoͤhe, deſſen rothe Ziegeln ſie zum erſtenmal blinken ſahn.","norm":"Auf einmal erblickten sie in der Ferne das neue Haus auf der Höhe, dessen rote Ziegeln sie zum ersten Mal blinken sahen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1304,"orig":"Eduarden ergreift eine unwiderſtehliche Sehnſucht; es ſoll noch dieſen Abend alles abgethan ſeyn.","norm":"Eduard ergreift eine unwiderstehliche Sehnsucht; es soll noch diesen Abend alles abgetan sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1305,"orig":"In einem ganz nahen Dorfe will er ſich verborgen halten; der Major ſoll die Sache Charlotten dringend vorſtellen, ihre Vorſicht uͤberraſchen und durch den unerwarteten Antrag ſie zu freyer Eroͤffnung ihrer Geſinnung noͤthigen.","norm":"In einem ganz nahen Dorfe will er sich verborgen halten; der Major soll die Sache Charlotten dringend vorstellen, ihre Vorsicht überraschen und durch den unerwarteten Antrag sie zu freier Eröffnung ihrer Gesinnung nötigen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1306,"orig":"Denn Eduard, der ſeine Wuͤnſche auf ſie uͤbergetragen hatte, glaubte nicht anders als daß er ihren entſchiedenen Wuͤnſchen entgegen komme, und hoffte eine ſo ſchnelle Einwilligung von ihr, weil er keinen andern Willen haben konnte.","norm":"Denn Eduard, der seine Wünsche auf sie übergetragen hatte, glaubte nicht anders als dass er ihren entschiedenen Wünschen entgegenkomme, und hoffte eine so schnelle Einwilligung von ihr, weil er keinen anderen Willen haben konnte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1307,"orig":"Er ſah den gluͤcklichen Ausgang freudig vor Augen, und damit dieſer dem Lauernden ſchnell verkuͤndigt wuͤrde, ſollten einige Kanonenſchlaͤge losgebrannt werden, und waͤre es Nacht geworden, einige Racketen ſteigen.","norm":"Er sah den glücklichen Ausgang freudig vor Augen, und damit dieser dem Lauernden schnell verkündigt würde, sollten einige Kanonenschläge losgebrannt werden, und wäre es Nacht geworden, einige Raketen steigen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1308,"orig":"Der Major ritt nach dem Schloſſe zu.","norm":"Der Major ritt nach dem Schlosse zu."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1309,"orig":"Er fand Charlotten nicht, ſondern erfuhr vielmehr, daß ſie gegenwaͤrtig oben auf dem neuen Gebaͤude wohne, jetzt aber einen Beſuch in der Nachbarſchaft ablege, von welchem ſie heute wahrſcheinlich nicht ſobald nach Hauſe komme.","norm":"Er fand Charlotten nicht, sondern erfuhr vielmehr, dass sie gegenwärtig oben auf dem neuen Gebäude wohne, jetzt aber einen Besuche in der Nachbarschaft ablege, von welchem sie heute wahrscheinlich nicht sobald nach Hause komme."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1310,"orig":"Er ging in das Wirthshaus zuruͤck, wohin er ſein Pferd geſtellt hatte.","norm":"Er ging in das Wirtshaus zurück, wohin er sein Pferd gestellt hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1311,"orig":"Eduard indeſſen von unuͤberwindlicher Ungeduld getrieben, ſchlich aus ſeinem Hinterhalte durch einſame Pfade, nur Jaͤgern und Fiſchern bekannt, nach ſeinem Park, und fand ſich gegen Abend im Gebuͤſch in der Nachbarſchaft des Sees, deſſen Spiegel er zum erſtenmal vollkommen und rein erblickte.","norm":"Eduard indessen von unüberwindlicher Ungeduld getrieben, schlich aus seinem Hinterhalte durch einsame Pfade, nur Jägern und Fischern bekannt, nach seinem Park, und fand sich gegen Abend im Gebüsch in der Nachbarschaft des Sees, dessen Spiegel er zum ersten Mal vollkommen und rein erblickte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1312,"orig":"Ottilie hatte dieſen Nachmittag einen Spazirgang an den See gemacht.","norm":"Ottilie hatte diesen Nachmittag einen Spaziergang an den See gemacht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1313,"orig":"Sie trug das Kind und las im Gehen nach ihrer Gewohnheit.","norm":"Sie trug das Kind und las im Gehen nach ihrer Gewohnheit."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1314,"orig":"So gelangte ſie zu den Eichen bey der Ueberfahrt.","norm":"So gelangte sie zu den Eichen bei der Überfahrt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1315,"orig":"Der Knabe war eingeſchlafen; ſie ſetzte ſich, legte ihn neben ſich nieder und fuhr fort zu leſen.","norm":"Der Knabe war eingeschlafen; sie setzte sich, legte ihn neben sich nieder und fuhr fort zu lesen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1316,"orig":"Das Buch war eins von denen die ein zartes Gemuͤth an ſich ziehen und nicht wieder los laſſen.","norm":"Das Buch war eins von denen die ein zartes Gemüt an sich ziehen und nicht wieder loslassen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1317,"orig":"Sie vergaß Zeit und Stunde, und dachte nicht, daß ſie zu Lande noch einen weiten Ruͤckweg nach dem neuen Gebaͤude habe; aber ſie ſaß verſenkt in ihr Buch, in ſich ſelbſt, ſo liebenswuͤrdig anzuſehen, daß die Baͤume, die Straͤuche rings umher haͤtten belebt, mit Augen begabt ſeyn ſollen, um ſie zu bewundern und ſich an ihr zu erfreuen.","norm":"Sie vergaß Zeit und Stunde, und dachte nicht, dass sie zu Lande noch einen weiten Rückweg nach dem neuen Gebäude habe; aber sie saß versenkt in ihr Buch, in sich selbst, so liebenswürdig anzusehen, dass die Bäume, die Sträucher ringsumher hätten belebt, mit Augen begabt sein sollen, um sie zu bewundern und sich an ihr zu erfreuen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1318,"orig":"Und eben fiel ein roͤthliches Streiflicht der ſinkenden Sonne hinter ihr her und vergoldete Wange und Schulter.","norm":"Und eben fiel ein rötliches Streiflicht der sinkenden Sonne hinter ihr her und vergoldete Wange und Schulter."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1319,"orig":"Eduard, dem es bisher gelungen war, unbemerkt ſo weit vorzudringen, der ſeinen Park leer, die Gegend einſam fand, wagte ſich immer weiter.","norm":"Eduard, dem es bisher gelungen war, unbemerkt so weit vorzudringen, der seinen Park leer, die Gegend einsam fand, wagte sich immer weiter."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1320,"orig":"Endlich bricht er durch das Gebuͤſch bey den Eichen; er ſieht Ottilien, ſie ihn; er fliegt auf ſie zu und liegt zu ihren Fuͤßen.","norm":"Endlich bricht er durch das Gebüsch bei den Eichen; er sieht Ottilie, sie ihn; er fliegt auf sie zu und liegt zu ihren Füßen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1321,"orig":"Nach einer langen ſtummen Pauſe, in der ſich beyde zu faſſen ſuchen, erklaͤrt er ihr mit wenig Worten, warum und wie er hieher gekommen.","norm":"Nach einer langen stummen Pause, in der sich beide zu fassen suchen, erklärt er ihr mit wenig Worten, warum und wie er hierhergekommen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1322,"orig":"Er habe den Major an Charlotten abgeſendet, ihr gemeinſames Schickſal werde vielleicht in dieſem Augenblick entſchieden.","norm":"Er habe den Major an Charlotten abgesendet, ihr gemeinsames Schicksal werde vielleicht in diesem Augenblick entschieden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1323,"orig":"Nie habe er an ihrer Liebe gezweifelt, ſie gewiß auch nie an der ſeinigen.","norm":"Nie habe er an ihrer Liebe gezweifelt, sie gewiss auch nie an der seinigen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1324,"orig":"Er bitte ſie um ihre Einwilligung.","norm":"Er bitte sie um ihre Einwilligung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1325,"orig":"Sie zauderte, er beſchwur ſie; er wollte ſeine alten Rechte geltend machen und ſie in ſeine Arme ſchließen; ſie deutete auf das Kind hin.","norm":"Sie zauderte, er beschwor sie; er wollte seine alten Rechte geltend machen und sie in seine Arme schließen; sie deutete auf das Kind hin."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1326,"orig":"Eduard erblickt es und ſtaunt.","norm":"Eduard erblickt es und staunt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1327,"orig":"Großer Gott!","norm":"Großer Gott!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1328,"orig":"ruft er aus: wenn ich Urſache haͤtte an meiner Frau, an meinem Freunde zu zweifeln, ſo wuͤrde dieſe Geſtalt fuͤrchterlich gegen ſie zeugen.","norm":"ruft er aus: wenn ich Ursache hätte an meiner Frau, an meinem Freunde zu zweifeln, so würde diese Gestalt fürchterlich gegen sie zeugen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1329,"orig":"Iſt dieß nicht die Bildung des Majors?","norm":"Ist dies nicht die Bildung des Majors?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1330,"orig":"Solch ein Gleichen habe ich nie geſehen.","norm":"Solch ein Gleichen habe ich nie gesehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1331,"orig":"Nicht doch!","norm":"Nicht doch!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1332,"orig":"verſetzte Ottilie: alle Welt ſagt, es gleiche mir.","norm":"versetzte Ottilie: Alle Welt sagt, es gleiche mir."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1333,"orig":"Waͤr' es moͤglich, verſetzte Eduard?","norm":"Wäre es möglich, versetzte Eduard?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1334,"orig":"und in dem Augenblick ſchlug das Kind die Augen auf, zwey große, ſchwarze, durchdringende Augen, tief und freundlich.","norm":"und in dem Augenblick schlug das Kind die Augen auf, zwei große, schwarze, durchdringende Augen, tief und freundlich."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1335,"orig":"Der Knabe ſah die Welt ſchon ſo verſtaͤndig an; er ſchien die beyden zu kennen, die vor ihm ſtanden.","norm":"Der Knabe sah die Welt schon so verständig an; er schien die beiden zu kennen, die vor ihm standen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1336,"orig":"Eduard warf ſich bey dem Kinde nieder, er kniete zweymal vor Ottilien.","norm":"Eduard warf sich bei dem Kinde nieder, er kniete zweimal vor Ottilie."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1337,"orig":"Du biſts!","norm":"Du bist es!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1338,"orig":"rief er aus: deine Augen ſind's.","norm":"rief er aus: Deine Augen sind es."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1339,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1340,"orig":"aber laß mich nur in die deinigen ſchaun.","norm":"aber lass mich nur in die deinigen schauen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1341,"orig":"Laß mich einen Schleyer werfen uͤber jene unſelige Stunde, die dieſem Weſen das Daſeyn gab.","norm":"Lass mich einen Schleier werfen über jene unselige Stunde, die diesem Wesen das Dasein gab."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1342,"orig":"Soll ich deine reine Seele mit dem ungluͤcklichen Gedanken erſchrecken, daß Mann und Frau entfremdet ſich einander ans Herz druͤcken und einen geſetzlichen Bund durch lebhafte Wuͤnſche entheiligen koͤnnen!","norm":"Soll ich deine reine Seele mit dem unglücklichen Gedanken erschrecken, dass Mann und Frau entfremdet sich einander ans Herz drücken und einen gesetzlichen Bund durch lebhafte Wünsche entheiligen können!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1343,"orig":"Oder ja, da wir einmal ſo weit ſind, da mein Verhaͤltniß zu Charlotten getrennt werden muß, da du die meinige ſeyn wirſt, warum ſoll ich es nicht ſagen!","norm":"Oder ja, da wir einmal so weit sind, da mein Verhältnis zu Charlotten getrennt werden muss, da du die Meinige sein wirst, warum soll ich es nicht sagen!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1344,"orig":"Warum ſoll ich das harte Wort nicht ausſprechen: dieß Kind iſt aus einem doppelten Ehbruch erzeugt!","norm":"Warum soll ich das harte Wort nicht aussprechen: Dies Kind ist aus einem doppelten Ehebruch erzeugt!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1345,"orig":"es trennt mich von meiner Gattinn und meine Gattinn von mir, wie es uns haͤtte verbinden ſollen.","norm":"es trennt mich von meiner Gattin und meine Gattin von mir, wie es uns hätte verbinden sollen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1346,"orig":"Mag es denn gegen mich zeugen, moͤgen dieſe herrlichen Augen den deinigen ſagen, daß ich in den Armen einer andern dir gehoͤrte; moͤgeſt du fuͤhlen, Ottilie, recht fuͤhlen, daß ich jenen Fehler, jenes Verbrechen nur in deinen Armen abbuͤßen kann!","norm":"Mag es denn gegen mich zeugen, mögen diese herrlichen Augen den deinigen sagen, dass ich in den Armen einer anderen dir gehörte; mögest du fühlen, Ottilie, recht fühlen, dass ich jenen Fehler, jenes Verbrechen nur in deinen Armen abbüßen kann!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1347,"orig":"Horch!","norm":"Horch!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1348,"orig":"rief er aus, indem er aufſprang und einen Schuß zu hoͤren glaubte, als das Zeichen das der Major geben ſollte.","norm":"rief er aus, indem er aufsprang und einen Schuss zu hören glaubte, als das Zeichen das der Major geben sollte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1349,"orig":"Es war ein Jaͤger, der im benachbarten Gebirg geſchoſſen hatte.","norm":"Es war ein Jäger, der im benachbarten Gebirge geschossen hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1350,"orig":"Es erfolgte nichts weiter;","norm":"Es erfolgte nichts weiter;"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1351,"orig":"Eduard war ungeduldig.","norm":"Eduard war ungeduldig."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1352,"orig":"Nun erſt ſah Ottilie, daß die Sonne ſich hinter die Berge geſenkt hatte.","norm":"Nun erst sah Ottilie, dass die Sonne sich hinter die Berge gesenkt hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1353,"orig":"Noch zuletzt blinkte ſie von den Fenſtern des obern Gebaͤudes zuruͤck.","norm":"Noch zuletzt blinkte sie von den Fenstern des oberen Gebäudes zurück."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1354,"orig":"Entferne dich, Eduard!","norm":"Entferne dich, Eduard!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1355,"orig":"rief Ottilie.","norm":"rief Ottilie."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1356,"orig":"So lange haben wir entbehrt, ſo lange geduldet.","norm":"So lange haben wir entbehrt, so lange geduldet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1357,"orig":"Bedenke was wir beyde Charlotten ſchuldig ſind.","norm":"Bedenke was wir beide Charlotten schuldig sind."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1358,"orig":"Sie muß unſer Schickſal entſcheiden, laß uns ihr nicht vorgreifen.","norm":"Sie muss unser Schicksal entscheiden, lass uns ihr nicht vorgreifen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1359,"orig":"Ich bin die Deine, wenn ſie es vergoͤnnt; wo nicht, ſo muß ich dir entſagen.","norm":"Ich bin die Deine, wenn sie es vergönnt; wo nicht, so muss ich dir entsagen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1360,"orig":"Da du die Entſcheidung ſo nah glaubſt, ſo laß uns erwarten.","norm":"Da du die Entscheidung so nah glaubst, so lass uns erwarten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1361,"orig":"Geh in das Dorf zuruͤck, wo der Major dich vermuthet.","norm":"Gehe in das Dorf zurück, wo der Major dich vermutet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1362,"orig":"Wie manches kann vorkommen, das eine Erklaͤrung fordert.","norm":"Wie manches kann vorkommen, das eine Erklärung fordert."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1363,"orig":"Iſt es wahrſcheinlich, daß ein roher Kanonenſchlag dir den Erfolg ſeiner Unterhandlungen verkuͤnde?","norm":"Ist es wahrscheinlich, dass ein roher Kanonenschlag dir den Erfolg seiner Unterhandlungen verkünde?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1364,"orig":"Vielleicht ſucht er dich auf in dieſem Augenblick.","norm":"Vielleicht sucht er dich auf in diesem Augenblick."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1365,"orig":"Er hat Charlotten nicht getroffen, das weiß ich: er kann ihr entgegen gegangen ſeyn, denn man wußte wo ſie hin war.","norm":"Er hat Charlotten nicht getroffen, das weiß ich: Er kann ihr entgegengegangen sein, denn man wusste wo sie hin war."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1366,"orig":"Wie vielerley Faͤlle ſind moͤglich!","norm":"Wie vielerlei Fälle sind möglich!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1367,"orig":"Laß mich!","norm":"Lass mich!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1368,"orig":"Jetzt muß ſie kommen.","norm":"Jetzt muss sie kommen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1369,"orig":"Sie erwartet mich mit dem Kinde dort oben.","norm":"Sie erwartet mich mit dem Kinde dort oben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1370,"orig":"Ottilie ſprach in Haſt.","norm":"Ottilie sprach in Hast."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1371,"orig":"Sie rief ſich alle Moͤglichkeiten zuſammen.","norm":"Sie rief sich alle Möglichkeiten zusammen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1372,"orig":"Sie war gluͤcklich in Eduards Naͤhe und fuͤhlte, daß ſie ihn jetzt entfernen muͤſſe.","norm":"Sie war glücklich in Eduards Nähe und fühlte, dass sie ihn jetzt entfernen müsse."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1373,"orig":"Ich bitte, ich beſchwoͤre dich, Geliebter!","norm":"Ich bitte, ich beschwöre dich, Geliebter!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1374,"orig":"rief ſie aus:","norm":"rief sie aus:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1375,"orig":"Kehre zuruͤck und erwarte den Major!","norm":"Kehre zurück und erwarte den Major!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1376,"orig":"Ich gehorche deinen Befehlen, rief Eduard, indem er ſie erſt leidenſchaftlich anblickte und ſie dann feſt in ſeine Arme ſchloß.","norm":"Ich gehorche deinen Befehlen, rief Eduard, indem er sie erst leidenschaftlich anblickte und sie dann fest in seine Arme schloss."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1377,"orig":"Sie umſchlang ihn mit den ihrigen und druͤckte ihn auf das zaͤrtlichſte an ihre Bruſt.","norm":"Sie umschlang ihn mit den ihrigen und drückte ihn auf das Zärtlichste an ihre Brust."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1378,"orig":"Die Hoffnung fuhr wie ein Stern, der vom Himmel faͤllt, uͤber ihre Haͤupter weg.","norm":"Die Hoffnung fuhr wie ein Stern, der vom Himmel fällt, über ihre Häupter weg."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1379,"orig":"Sie waͤhnten, ſie glaubten einander anzugehoͤren; ſie wechſelten zum erſtenmal entſchiedene, freye Kuͤſſe und trennten ſich gewaltſam und ſchmerzlich.","norm":"Sie wähnten, sie glaubten einander anzugehören; sie wechselten zum ersten Mal entschiedene, freie Küsse und trennten sich gewaltsam und schmerzlich."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1380,"orig":"Die Sonne war untergegangen und es daͤmmerte ſchon und duftete feucht um den See.","norm":"Die Sonne war untergegangen und es dämmerte schon und duftete feucht um den See."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1381,"orig":"Ottilie ſtand verwirrt und bewegt; ſie ſah nach dem Berghauſe hinuͤber und glaubte Charlottens weißes Kleid auf dem Altan zu ſehen.","norm":"Ottilie stand verwirrt und bewegt; sie sah nach dem Berghause hinüber und glaubte Charlottes weißes Kleid auf dem Altan zu sehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1382,"orig":"Der Umweg war groß am See hin; ſie kannte Charlottens ungeduldiges Harren nach dem Kinde.","norm":"Der Umweg war groß am See hin; sie kannte Charlottes ungeduldiges Harren nach dem Kinde."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1383,"orig":"Die Platanen ſieht ſie gegen ſich uͤber, nur ein Waſſerraum trennt ſie von dem Pfade, der ſogleich zu dem Gebaͤude hinauffuͤhrt.","norm":"Die Platanen sieht sie gegen sich über, nur ein Wasserraum trennt sie von dem Pfade, der sogleich zu dem Gebäude hinaufführt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1384,"orig":"Mit Gedanken iſt ſie ſchon druͤben, wie mit den Augen.","norm":"Mit Gedanken ist sie schon drüben, wie mit den Augen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1385,"orig":"Die Bedenklichkeit, mit dem Kinde ſich aufs Waſſer zu wagen, verſchwindet in dieſem Drange.","norm":"Die Bedenklichkeit, mit dem Kinde sich aufs Wasser zu wagen, verschwindet in diesem Drange."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1386,"orig":"Sie eilt nach dem Kahn, ſie fuͤhlt nicht daß ihr Herz pocht, daß ihre Fuͤße ſchwanken, daß ihr die Sinne zu vergehen drohn.","norm":"Sie eilt nach dem Kahn, sie fühlt nicht dass ihr Herz pocht, dass ihre Füße schwanken, dass ihr die Sinne zu vergehen drohen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1387,"orig":"Sie ſpringt in den Kahn, ergreift das Ruder und ſtoͤßt ab.","norm":"Sie springt in den Kahn, ergreift das Ruder und stößt ab."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1388,"orig":"Sie muß Gewalt brauchen, ſie wiederhohlt den Stoß, der Kahn ſchwankt und gleitet eine Strecke Seewaͤrts.","norm":"Sie muss Gewalt brauchen, sie wiederholt den Stoß, der Kahn schwankt und gleitet eine Strecke Seewärts."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1389,"orig":"Auf dem linken Arme das Kind, in der linken Hand das Buch, in der rechten das Ruder, ſchwankt auch ſie und faͤllt in den Kahn.","norm":"Auf dem linken Arme das Kind, in der linken Hand das Buch, in der rechten das Ruder, schwankt auch sie und fällt in den Kahn."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1390,"orig":"Das Ruder entfaͤhrt ihr, nach der einen Seite, und wie ſie ſich erhalten will, Kind und Buch, nach der andern, alles ins Waſſer.","norm":"Das Ruder entfährt ihr, nach der einen Seite, und wie sie sich erhalten will, Kind und Buch, nach der anderen, alles ins Wasser."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1391,"orig":"Sie ergreift noch des Kindes Gewand; aber ihre unbequeme Lage hindert ſie ſelbſt am Aufſtehen.","norm":"Sie ergreift noch des Kindes Gewand; aber ihre unbequeme Lage hindert sie selbst am Aufstehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1392,"orig":"Die freye rechte Hand iſt nicht hinreichend ſich umzuwenden, ſich aufzurichten; endlich gelingt's, ſie zieht das Kind aus dem Waſſer, aber ſeine Augen ſind geſchloſſen, es hat aufgehoͤrt zu athmen.","norm":"Die freie rechte Hand ist nicht hinreichend sich umzuwenden, sich aufzurichten; endlich gelingt es, sie zieht das Kind aus dem Wasser, aber seine Augen sind geschlossen, es hat aufgehört zu atmen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1393,"orig":"In dem Augenblicke kehrt ihre ganze Beſonnenheit zuruͤck, aber um deſto groͤßer iſt ihr Schmerz.","norm":"In dem Augenblicke kehrt ihre ganze Besonnenheit zurück, aber um desto größer ist ihr Schmerz."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1394,"orig":"Der Kahn treibt faſt in der Mitte des Sees, das Ruder ſchwimmt fern, ſie erblickt Niemanden am Ufer und auch was haͤtte es ihr geholfen, Jemanden zu ſehen!","norm":"Der Kahn treibt fast in der Mitte des Sees, das Ruder schwimmt fern, sie erblickt Niemanden am Ufer und auch was hätte es ihr geholfen, Jemanden zu sehen!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1395,"orig":"Von allem abgeſondert ſchwebt ſie auf dem treuloſen unzugaͤnglichen Elemente.","norm":"Von allem abgesondert schwebt sie auf dem treulosen unzugänglichen Elemente."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1396,"orig":"Sie ſucht Huͤlfe bey ſich ſelbſt.","norm":"Sie sucht Hilfe bei sich selbst."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1397,"orig":"So oft hatte ſie von Rettung der Ertrunkenen gehoͤrt.","norm":"So oft hatte sie von Rettung der Ertrunkenen gehört."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1398,"orig":"Noch am Abend ihres Geburtstags hatte ſie es erlebt.","norm":"Noch am Abend ihres Geburtstags hatte sie es erlebt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1399,"orig":"Sie entkleidet das Kind, und trocknet's mit ihrem Muſſelingewand.","norm":"Sie entkleidet das Kind, und trocknet es mit ihrem Musselingewand."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1400,"orig":"Sie reißt ihren Buſen auf und zeigt ihn zum erſtenmal dem freyen Himmel; zum erſtenmal druͤckt ſie ein Lebendiges an ihre reine nackte Bruſt, ach!","norm":"Sie reißt ihren Busen auf und zeigt ihn zum ersten Mal dem freien Himmel; zum ersten Mal drückt sie ein Lebendiges an ihre reine nackte Brust, ach!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1401,"orig":"und kein Lebendiges.","norm":"und kein Lebendiges."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1402,"orig":"Die kalten Glieder des ungluͤcklichen Geſchoͤpfs verkaͤlten ihren Buſen bis ins innerſte Herz.","norm":"Die kalten Glieder des unglücklichen Geschöpfs erkalten ihren Busen bis ins innerste Herz."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1403,"orig":"Unendliche Thraͤnen entquellen ihren Augen und ertheilen der Oberflaͤche des Erſtarrten einen Schein von Waͤrm' und Leben.","norm":"Unendliche Tränen entquellen ihren Augen und erteilen der Oberfläche des Erstarrten einen Schein von Wärme und Leben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1404,"orig":"Sie laͤßt nicht nach, ſie uͤberhuͤllt es mit ihrem Shawl, und durch Streicheln, Andruͤcken, Anhauchen, Kuͤſſen, Thraͤnen glaubt ſie jene Huͤlfsmittel zu erſetzen, die ihr in dieſer Abgeſchnittenheit verſagt ſind.","norm":"Sie lässt nicht nach, sie überhüllt es mit ihrem Schal, und durch Streicheln, Andrücken, Anhauchen, Küssen, Tränen glaubt sie jene Hilfsmittel zu ersetzen, die ihr in dieser Abgeschnittenheit versagt sind."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1405,"orig":"Alles vergebens!","norm":"Alles vergebens!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1406,"orig":"Ohne Bewegung liegt das Kind in ihren Armen, ohne Bewegung ſteht der Kahn auf der Waſſerflaͤche; aber auch hier laͤßt ihr ſchoͤnes Gemuͤth ſie nicht huͤlflos.","norm":"Ohne Bewegung liegt das Kind in ihren Armen, ohne Bewegung steht der Kahn auf der Wasserfläche; aber auch hier lässt ihr schönes Gemüt sie nicht hilflos."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1407,"orig":"Sie wendet ſich nach oben.","norm":"Sie wendet sich nach oben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1408,"orig":"Knieend ſinkt ſie in dem Kahne nieder und hebt das erſtarrte Kind mit beyden Armen uͤber ihre unſchuldige Bruſt, die an Weiße und leider auch an Kaͤlte dem Marmor gleicht.","norm":"Kniend sinkt sie in dem Kahne nieder und hebt das erstarrte Kind mit beiden Armen über ihre unschuldige Brust, die an Weiße und leider auch an Kälte dem Marmor gleicht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1409,"orig":"Mit feuchtem Blick ſieht ſie empor und ruft Huͤlfe von daher, wo ein zartes Herz die groͤßte Fuͤlle zu finden hofft, wenn es uͤberall mangelt.","norm":"Mit feuchtem Blick sieht sie empor und ruft Hilfe von daher, wo ein zartes Herz die größte Fülle zu finden hofft, wenn es überall mangelt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1410,"orig":"Auch wendet ſie ſich nicht vergebens zu den Sternen, die ſchon einzeln hervorzublinken anfangen.","norm":"Auch wendet sie sich nicht vergebens zu den Sternen, die schon einzeln hervorzublinken anfangen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1411,"orig":"Ein ſanfter Wind erhebt ſich und treibt den Kahn nach den Platanen.","norm":"Ein sanfter Wind erhebt sich und treibt den Kahn nach den Platanen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1412,"orig":"Sie eilt nach dem neuen Gebaͤude, ſie ruft den Chirurgus hervor, ſie uͤbergiebt ihm das Kind.","norm":"Sie eilt nach dem neuen Gebäude, sie ruft den Chirurg hervor, sie übergibt ihm das Kind."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1413,"orig":"Der auf alles gefaßte Mann behandelt den zarten Leichnam ſtufenweiſe nach gewohnter Art. Ottilie ſteht ihm in allem bey; ſie ſchafft, ſie bringt, ſie ſorgt, zwar wie in einer andern Welt wandelnd: denn das hoͤchſte Ungluͤck wie das hoͤchſte Gluͤck veraͤndert die Anſicht aller Gegenſtaͤnde; und nur, als nach allen durchgegangenen Verſuchen der wackere Mann den Kopf ſchuͤttelt, auf ihre hoffnungsvollen Fragen erſt ſchweigend, dann mit einem leiſen Nein antwortet, verlaͤßt ſie das Schlafzimmer Charlottens, worin dieß alles geſchehen, und kaum hat ſie das Wohnzimmer betreten, ſo faͤllt ſie, ohne den Sopha erreichen zu koͤnnen, erſchoͤpft aufs Angeſicht uͤber den Teppich hin.","norm":"Der auf alles gefasste Mann behandelt den zarten Leichnam stufenweise nach gewohnter Art. Ottilie steht ihm in allem bei; sie schafft, sie bringt, sie sorgt, zwar wie in einer anderen Welt wandelnd: denn das höchste Unglück wie das höchste Glück verändert die Ansicht aller Gegenstände; und nur, als nach allen durchgegangenen Versuchen der wackere Mann den Kopf schüttelt, auf ihre hoffnungsvollen Fragen erst schweigend, dann mit einem leisen Nein antwortet, verlässt sie das Schlafzimmer Charlottes, worin dies alles geschehen, und kaum hat sie das Wohnzimmer betreten, so fällt sie, ohne den Sofa erreichen zu können, erschöpft aufs Angesicht über den Teppich hin."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1414,"orig":"Eben hoͤrt man Charlotten vorfahren.","norm":"Eben hört man Charlotten vorfahren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1415,"orig":"Der Chirurg bittet die Umſtehenden dringend zuruͤck zu bleiben, er will ihr entgegen, ſie vorbereiten; aber ſchon betritt ſie ihr Zimmer.","norm":"Der Chirurg bittet die Umstehenden dringend zurückzubleiben, er will ihr entgegen, sie vorbereiten; aber schon betritt sie ihr Zimmer."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1416,"orig":"Sie findet Ottilien an der Erde, und ein Maͤdchen des Hauſes ſtuͤrzt ihr mit Geſchrey und Weinen entgegen.","norm":"Sie findet Ottilie an der Erde, und ein Mädchen des Hauses stürzt ihr mit Geschrei und Weinen entgegen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1417,"orig":"Der Chirurg tritt herein und ſie erfaͤhrt alles auf einmal.","norm":"Der Chirurg tritt herein und sie erfährt alles auf einmal."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1418,"orig":"Wie ſollte ſie aber jede Hoffnung mit einmal aufgeben!","norm":"Wie sollte sie aber jede Hoffnung mit einmal aufgeben!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1419,"orig":"Der erfahrne, kunſtreiche, kluge Mann bittet ſie nur das Kind nicht zu ſehen; er entfernt ſich, ſie mit neuen Anſtalten zu taͤuſchen.","norm":"Der erfahrene, kunstreiche, kluge Mann bittet sie nur das Kind nicht zu sehen; er entfernt sich, sie mit neuen Anstalten zu täuschen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1420,"orig":"Sie hat ſich auf ihren Sopha geſetzt, Ottilie liegt noch an der Erde, aber an der Freundinn Kniee herangehoben, uͤber die ihr ſchoͤnes Haupt hingeſenkt iſt.","norm":"Sie hat sich auf ihren Sofa gesetzt, Ottilie liegt noch an der Erde, aber an der Freundin Kniee herangehoben, über die ihr schönes Haupt hingesenkt ist."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1421,"orig":"Der aͤrztliche Freund geht ab und zu; er ſcheint ſich um das Kind zu bemuͤhen, er bemuͤht ſich um die Frauen.","norm":"Der ärztliche Freund geht ab und zu; er scheint sich um das Kind zu bemühen, er bemüht sich um die Frauen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1422,"orig":"So kommt die Mitternacht herbey, die Todtenſtille wird immer tiefer.","norm":"So kommt die Mitternacht herbei, die Totenstille wird immer tiefer."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1423,"orig":"Charlotte verbirgt ſich's nicht mehr, daß das Kind nie wieder ins Leben zuruͤckkehre; ſie verlangt es zu ſehen.","norm":"Charlotte verbirgt sich es nicht mehr, dass das Kind nie wieder ins Leben zurückkehre; sie verlangt es zu sehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1424,"orig":"Man hat es in warme wollne Tuͤcher reinlich eingehuͤllt, in einen Korb gelegt, den man neben ſie auf den Sopha ſetzt; nur das Geſichtchen iſt frey; ruhig und ſchoͤn liegt es da.","norm":"Man hat es in warme wollene Tücher reinlich eingehüllt, in einen Korb gelegt, den man neben sie auf den Sofa setzt; nur das Gesichtchen ist frei; ruhig und schön liegt es da."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1425,"orig":"Von dem Unfall war das Dorf bald erregt worden und die Kunde ſogleich bis nach dem Gaſthof erſchollen.","norm":"Von dem Unfall war das Dorf bald erregt worden und die Kunde sogleich bis nach dem Gasthof erschollen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1426,"orig":"Der Major hatte ſich die bekannten Wege hinaufbegeben; er ging um das Haus herum, und indem er einen Bedienten anhielt, der in dem Angebaͤude etwas zu hohlen lief, verſchaffte er ſich naͤhere Nachricht und ließ den Chirurgen herausrufen.","norm":"Der Major hatte sich die bekannten Wege hinaufbegeben; er ging um das Haus herum, und indem er einen Bedienten anhielt, der in dem Angebäude etwas zu holen lief, verschaffte er sich nähere Nachricht und ließ den Chirurgen herausrufen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1427,"orig":"Dieſer kam, erſtaunt uͤber die Erſcheinung ſeines alten Goͤnners, berichtete ihm die gegenwaͤrtige Lage und uͤbernahm es, Charlotten auf ſeinen Anblick vorzubereiten.","norm":"Dieser kam, erstaunt über die Erscheinung seines alten Gönners, berichtete ihm die gegenwärtige Lage und übernahm es, Charlotten auf seinen Anblick vorzubereiten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1428,"orig":"Er ging hinein, fing ein ableitendes Geſpraͤch an und fuͤhrte die Einbildungskraft von einem Gegenſtand auf den andern, bis er endlich den Freund Charlotten vergegenwaͤrtigte, deſſen gewiſſe Theilnahme, deſſen Naͤhe dem Geiſte, der Geſinnung nach, die er denn bald in eine wirkliche uͤbergehen ließ.","norm":"Er ging hinein, fing ein ableitendes Gespräch an und führte die Einbildungskraft von einem Gegenstand auf den anderen, bis er endlich den Freund Charlotten vergegenwärtigte, dessen gewisse Teilnahme, dessen Nähe dem Geiste, der Gesinnung nach, die er denn bald in eine wirkliche übergehen ließ."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1429,"orig":"Genug ſie erfuhr, der Freund ſtehe vor der Thuͤr, er wiſſe alles und wuͤnſche eingelaſſen zu werden.","norm":"Genug sie erfuhr, der Freund stehe vor der Tür, er wisse alles und wünsche eingelassen zu werden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1430,"orig":"Der Major trat herein; ihn begruͤßte Charlotte mit einem ſchmerzlichen Laͤcheln.","norm":"Der Major trat herein; ihn begrüßte Charlotte mit einem schmerzlichen Lächeln."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1431,"orig":"Er ſtand vor ihr.","norm":"Er stand vor ihr."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1432,"orig":"Sie hub die gruͤnſeidne Decke auf, die den Leichnam verbarg, und bey dem dunklen Schein einer Kerze erblickte er, nicht ohne geheimes Grauſen, ſein erſtarrtes Ebenbild.","norm":"Sie hob die grünseidene Decke auf, die den Leichnam verbarg, und bei dem dunklen Schein einer Kerze erblickte er, nicht ohne geheimes Grausen, sein erstarrtes Ebenbild."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1433,"orig":"Charlotte deutete auf einen Stuhl, und ſo ſaßen ſie gegen einander uͤber, ſchweigend, die Nacht hindurch.","norm":"Charlotte deutete auf einen Stuhl, und so saßen sie gegeneinander über, schweigend, die Nacht hindurch."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1434,"orig":"Ottilie lag noch ruhig auf den Knieen Charlottens; ſie athmete ſanft, ſie ſchlief, oder ſie ſchien zu ſchlafen.","norm":"Ottilie lag noch ruhig auf den Knieen Charlottes; sie atmete sanft, sie schlief, oder sie schien zu schlafen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1435,"orig":"Der Morgen daͤmmerte, das Licht verloſch, beyde Freunde ſchienen aus einem dumpfen Traum zu erwachen.","norm":"Der Morgen dämmerte, das Licht verlosch, beide Freunde schienen aus einem dumpfen Traum zu erwachen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1436,"orig":"Charlotte blickte den Major an und ſagte gefaßt: erklaͤren Sie mir, mein Freund, durch welche Schickung kommen Sie hieher, um Theil an dieſer Trauerſcene zu nehmen?","norm":"Charlotte blickte den Major an und sagte gefasst: Erklären Sie mir, mein Freund, durch welche Schickung kommen Sie hierher, um Teil an dieser Trauerszene zu nehmen?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1437,"orig":"Es iſt hier, antwortete der Major ganz leiſe wie ſie gefragt hatte, — als wenn ſie Ottilien nicht aufwecken wollten — es iſt hier nicht Zeit und Ort, zuruͤckzuhalten, Einleitungen zu machen und ſachte heran zu treten.","norm":"Es ist hier, antwortete der Major ganz leise wie sie gefragt hatte, — als wenn sie Ottilie nicht aufwecken wollten — es ist hier nicht Zeit und Ort, zurückzuhalten, Einleitungen zu machen und sachte heranzutreten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1438,"orig":"Der Fall, in dem ich Sie finde, iſt ſo ungeheuer, daß das Bedeutende ſelbſt weshalb ich komme, dagegen ſeinen Werth verliert.","norm":"Der Fall, in dem ich Sie finde, ist so ungeheuer, dass das Bedeutende selbst weshalb ich komme, dagegen seinen Wert verliert."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1439,"orig":"Er geſtand ihr darauf, ganz ruhig und einfach, den Zweck ſeiner Sendung, in ſo fern Eduard ihn abgeſchickt hatte; den Zweck ſeines Kommens, in ſo fern ſein freyer Wille, ſein eigenes Intereſſe dabey war.","norm":"Er gestand ihr darauf, ganz ruhig und einfach, den Zweck seiner Sendung, insofern Eduard ihn abgeschickt hatte; den Zweck seines Kommens, insofern sein freier Wille, sein eigenes Interesse dabei war."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1440,"orig":"Er trug beydes ſehr zart, doch aufrichtig vor;","norm":"Er trug beides sehr zart, doch aufrichtig vor;"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1441,"orig":"Charlotte hoͤrte gelaſſen zu, und ſchien weder daruͤber zu ſtaunen, noch unwillig zu ſeyn.","norm":"Charlotte hörte gelassen zu, und schien weder darüber zu staunen, noch unwillig zu sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1442,"orig":"Als der Major geendigt hatte, antwortete Charlotte mit ganz leiſer Stimme, ſo daß er genoͤthigt war ſeinen Stuhl heranzuruͤckeu:","norm":"Als der Major geendigt hatte, antwortete Charlotte mit ganz leiser Stimme, so dass er genötigt war seinen Stuhl heranzurücken:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1443,"orig":"In einem Falle wie dieſer iſt, habe ich mich noch nie befunden; aber in aͤhnlichen habe ich mir immer geſagt: wie wird es morgen ſeyn?","norm":"In einem Falle wie dieser ist, habe ich mich noch nie befunden; aber in ähnlichen habe ich mir immer gesagt: Wie wird es morgen sein?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1444,"orig":"Ich fuͤhle recht wohl, daß das Loos von mehreren jetzt in meinen Haͤnden liegt; und was ich zu thun habe iſt bey mir außer Zweifel und bald ausgeſprochen.","norm":"Ich fühle recht wohl, dass das Los von mehreren jetzt in meinen Händen liegt; und was ich zu tun habe ist bei mir außer Zweifel und bald ausgesprochen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1445,"orig":"Ich willige in die Scheidung.","norm":"Ich willige in die Scheidung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1446,"orig":"Ich haͤtte mich fruͤher dazu entſchließen ſollen; durch mein Zaudern, mein Widerſtreben habe ich das Kind getoͤdtet.","norm":"Ich hätte mich früher dazu entschließen sollen; durch mein Zaudern, mein Widerstreben habe ich das Kind getötet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1447,"orig":"Es ſind gewiſſe Dinge, die ſich das Schickſal hartnaͤckig vornimmt.","norm":"Es sind gewisse Dinge, die sich das Schicksal hartnäckig vornimmt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1448,"orig":"Vergebens, daß Vernunft und Tugend, Pflicht und alles Heilige ſich ihm in den Weg ſtellen; es ſoll etwas geſchehen was ihm recht iſt, was uns nicht recht ſcheint; und ſo greift es zuletzt durch, wir moͤgen uns gebaͤrden wie wir wollen.","norm":"Vergebens, dass Vernunft und Tugend, Pflicht und alles Heilige sich ihm in den Weg stellen; es soll etwas geschehen was ihm recht ist, was uns nicht recht scheint; und so greift es zuletzt durch, wir mögen uns gebärden wie wir wollen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1449,"orig":"Doch was ſag' ich!","norm":"Doch was sage ich!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1450,"orig":"Eigentlich will das Schickſal meinen eigenen Wunſch, meinen eigenen Vorſatz, gegen die ich unbedachtſam gehandelt, wieder in den Weg bringen.","norm":"Eigentlich will das Schicksal meinen eigenen Wunsch, meinen eigenen Vorsatz, gegen die ich unbedachtsam gehandelt, wieder in den Weg bringen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1451,"orig":"Habe ich nicht ſelbſt ſchon Ottilien und Eduarden mir als das ſchicklichſte Paar zuſammengedacht?","norm":"Habe ich nicht selbst schon Ottilie und Eduard mir als das schicklichste Paar zusammengedacht?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1452,"orig":"Habe ich nicht ſelbſt beyde einander zu naͤhern geſucht?","norm":"Habe ich nicht selbst beide einander zu nähern gesucht?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1453,"orig":"Waren Sie nicht ſelbſt, mein Freund, Mitwiſſer dieſes Plans?","norm":"Waren Sie nicht selbst, mein Freund, Mitwisser dieses Plans?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1454,"orig":"Und warum konnt' ich den Eigenſinn eines Mannes nicht von wahrer Liebe unterſcheiden?","norm":"Und warum konnte ich den Eigensinn eines Mannes nicht von wahrer Liebe unterscheiden?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1455,"orig":"Warum nahm ich ſeine Hand an?","norm":"Warum nahm ich seine Hand an?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1456,"orig":"da ich als Freundinn ihn und eine andre Gattinn gluͤcklich gemacht haͤtte.","norm":"da ich als Freundin ihn und eine andere Gattin glücklich gemacht hätte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1457,"orig":"Und betrachten Sie nur dieſe ungluͤckliche Schlummernde!","norm":"Und betrachten Sie nur diese unglückliche Schlummernde!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1458,"orig":"Ich zittere vor dem Augenblicke, wenn ſie aus ihrem halben Todtenſchlafe zum Bewußtſeyn erwacht.","norm":"Ich zittere vor dem Augenblicke, wenn sie aus ihrem halben Totenschlafe zum Bewusstsein erwacht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1459,"orig":"Wie ſoll ſie leben, wie ſoll ſie ſich troͤſten, wenn ſie nicht hoffen kann, durch ihre Liebe Eduarden das zu erſetzen, was ſie ihm als Werkzeug des wunderbarſten Zufalls geraubt hat.","norm":"Wie soll sie leben, wie soll sie sich trösten, wenn sie nicht hoffen kann, durch ihre Liebe Eduard das zu ersetzen, was sie ihm als Werkzeug des wunderbarsten Zufalls geraubt hat."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1460,"orig":"Und ſie kann ihm alles wiedergeben nach der Neigung, nach der Leidenſchaft mit der ſie ihn liebt.","norm":"Und sie kann ihm alles wiedergeben nach der Neigung, nach der Leidenschaft mit der sie ihn liebt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1461,"orig":"Vermag die Liebe alles zu dulden, ſo vermag ſie noch vielmehr alles zu erſetzen.","norm":"Vermag die Liebe alles zu dulden, so vermag sie noch viel mehr alles zu ersetzen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1462,"orig":"An mich darf in dieſem Augenblick nicht gedacht werden.","norm":"An mich darf in diesem Augenblick nicht gedacht werden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1463,"orig":"Entfernen Sie ſich in der Stille, lieber Major.","norm":"Entfernen Sie sich in der Stille, lieber Major."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1464,"orig":"Sagen Sie Eduarden, daß ich in die Scheidung willige, daß ich ihm, Ihnen, Mittlern die ganze Sache einzuleiten uͤberlaſſe; daß ich um meine kuͤnftige Lage unbekuͤmmert bin und es in jedem Sinne ſeyn kann.","norm":"Sagen Sie Eduard, dass ich in die Scheidung willige, dass ich ihm, Ihnen, mittleren die ganze Sache einzuleiten überlasse; dass ich um meine künftige Lage unbekümmert bin und es in jedem Sinne sein kann."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1465,"orig":"Ich will jedes Papier unterſchreiben, das man mir bringt; aber man verlange nur nicht von mir, daß ich mitwirke, daß ich bedenke, daß ich berathe.","norm":"Ich will jedes Papier unterschreiben, das man mir bringt; aber man verlange nur nicht von mir, dass ich mitwirke, dass ich bedenke, dass ich berate."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1466,"orig":"Der Major ſtand auf.","norm":"Der Major stand auf."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1467,"orig":"Sie reichte ihm ihre Hand uͤber Ottilien weg.","norm":"Sie reichte ihm ihre Hand über Ottilie weg."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1468,"orig":"Er druͤckte ſeine Lippen auf dieſe liebe Hand.","norm":"Er drückte seine Lippen auf diese liebe Hand."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1469,"orig":"Und fuͤr mich, was darf ich hoffen?","norm":"Und für mich, was darf ich hoffen?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1470,"orig":"lispelte er leiſe.","norm":"lispelte er leise."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1471,"orig":"Laſſen Sie mich Ihnen die Antwort ſchuldig bleiben, verſetzte Charlotte.","norm":"Lassen Sie mich Ihnen die Antwort schuldig bleiben, versetzte Charlotte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1472,"orig":"Wir haben nicht verſchuldet ungluͤcklich zu werden; aber auch nicht verdient zuſammen gluͤcklich zu ſeyn.","norm":"Wir haben nicht verschuldet unglücklich zu werden; aber auch nicht verdient zusammen glücklich zu sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1473,"orig":"Der Major entfernte ſich, Charlotten tief im Herzen beklagend, ohne jedoch das arme abgeſchiedene Kind bedauern zu koͤnnen.","norm":"Der Major entfernte sich, Charlotten tief im Herzen beklagend, ohne jedoch das arme abgeschiedene Kind bedauern zu können."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1474,"orig":"Ein ſolches Opfer ſchien ihm noͤthig zu ihrem allſeitigen Gluͤck.","norm":"Ein solches Opfer schien ihm nötig zu ihrem allseitigen Glück."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1475,"orig":"Er dachte ſich Ottilien mit einem eignen Kind auf dem Arm, als den vollkommenſten Erſatz fuͤr das, was ſie Eduarden geraubt; er dachte ſich einen Sohn auf dem Schooße, der mit mehrerem Recht ſein Ebenbild truͤge, als der abgeſchiedene.","norm":"Er dachte sich Ottilie mit einem eigenen Kind auf dem Arm, als den vollkommensten Ersatz für das, was sie Eduard geraubt; er dachte sich einen Sohn auf dem Schoß, der mit mehrerem Recht sein Ebenbild trüge, als der abgeschiedene."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1476,"orig":"So ſchmeichelnde Hoffnungen und Bilder gingen ihm durch die Seele, als er auf dem Ruͤckwege nach dem Gaſthofe Eduarden fand, der die ganze Nacht im Freyen den Major erwartet hatte, da ihm kein Feuerzeichen, kein Donnerlaut ein gluͤckliches Gelingen verkuͤnden wollte.","norm":"So schmeichelnde Hoffnungen und Bilder gingen ihm durch die Seele, als er auf dem Rückwege nach dem Gasthofe Eduard fand, der die ganze Nacht im Freien den Major erwartet hatte, da ihm kein Feuerzeichen, kein Donnerlaut ein glückliches Gelingen verkünden wollte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1477,"orig":"Er wußte bereits von dem Ungluͤck und auch er, anſtatt das arme Geſchoͤpf zu bedauern, ſah dieſen Fall, ohne ſich's ganz geſtehen zu wollen, als eine Fuͤgung an, wodurch jedes Hinderniß an ſeinem Gluͤck auf einmal beſeitigt waͤre.","norm":"Er wusste bereits von dem Unglück und auch er, anstatt das arme Geschöpf zu bedauern, sah diesen Fall, ohne sich es ganz gestehen zu wollen, als eine Fügung an, wodurch jedes Hindernis an seinem Glück auf einmal beseitigt wäre."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1478,"orig":"Gar leicht ließ er ſich daher durch den Major bewegen, der ihm ſchnell den Entſchluß ſeiner Gattinn verkuͤndigte, wieder nach jenem Dorfe, und ſodann nach der kleinen Stadt zuruͤckzukehren, wo ſie das Naͤchſte uͤberlegen und einleiten wollten.","norm":"Gar leicht ließ er sich daher durch den Major bewegen, der ihm schnell den Entschluss seiner Gattin verkündigte, wieder nach jenem Dorfe, und sodann nach der kleinen Stadt zurückzukehren, wo sie das Nächste überlegen und einleiten wollten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1479,"orig":"Charlotte ſaß, nachdem der Major ſie verlaſſen hatte, nur wenige Minuten in ihre Betrachtungen verſenkt: denn ſogleich richtete Ottilie ſich auf, ihre Freundinn mit großen Augen anblickend.","norm":"Charlotte saß, nachdem der Major sie verlassen hatte, nur wenige Minuten in ihre Betrachtungen versenkt: denn sogleich richtete Ottilie sich auf, ihre Freundin mit großen Augen anblickend."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1480,"orig":"Erſt erhob ſie ſich von dem Schooße, dann von der Erde und ſtand vor Charlotten.","norm":"Erst erhob sie sich von dem Schoß, dann von der Erde und stand vor Charlotten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1481,"orig":"Zum zweytenmal — ſo begann das herrliche Kind mit einem unuͤberwindlichen anmuthigen Ernſt — zum zweytenmal widerfaͤhrt mir daſſelbige.","norm":"Zum zweiten Mal — so begann das herrliche Kind mit einem unüberwindlichen anmutigen Ernst — zum zweiten Mal widerfährt mir dasselbige."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1482,"orig":"Du ſagteſt mir einſt: es begegne den Menſchen in ihrem Leben oft Aehnliches auf aͤhnliche Weiſe, und immer in bedeutenden Augenblicken.","norm":"Du sagtest mir einst: Es begegne den Menschen in ihrem Leben oft Ähnliches auf ähnliche Weise, und immer in bedeutenden Augenblicken."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1483,"orig":"Ich finde nun die Bemerkung wahr, und bin gedrungen dir ein Bekenntniß zu machen.","norm":"Ich finde nun die Bemerkung wahr, und bin gedrungen dir ein Bekenntnis zu machen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1484,"orig":"Kurz nach meiner Mutter Tode, als ein kleines Kind, hatte ich meinen Schemmel an dich geruͤckt; du ſaßeſt auf dem Sopha wie jetzt; mein Haupt lag auf deinen Knieen, ich ſchlief nicht, ich wachte nicht; ich ſchlummerte.","norm":"Kurz nach meiner Mutter Tode, als ein kleines Kind, hatte ich meinen Schemel an dich gerückt; du saßest auf dem Sofa wie jetzt; mein Haupt lag auf deinen Knieen, ich schlief nicht, ich wachte nicht; ich schlummerte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1485,"orig":"Ich vernahm alles was um mich vorging, beſonders alle Reden, ſehr deutlich; und doch konnte ich mich nicht regen, mich nicht aͤußern, und wenn ich auch gewollt haͤtte, nicht andeuten, daß ich meiner ſelbſt mich bewußt fuͤhlte.","norm":"Ich vernahm alles was um mich vorging, besonders alle Reden, sehr deutlich; und doch konnte ich mich nicht regen, mich nicht äußeren, und wenn ich auch gewollt hätte, nicht andeuten, dass ich meiner selbst mich bewusst fühlte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1486,"orig":"Damals ſprachſt du mit einer Freundinn uͤber mich; du bedauerteſt mein Schickſal, als eine arme Waiſe in der Welt geblieben zu ſeyn; du ſchilderteſt meine abhaͤngige Lage und wie mißlich es um mich ſtehen koͤnne, wenn nicht ein beſondrer Gluͤcksſtern uͤber mich walte.","norm":"Damals sprachst du mit einer Freundin über mich; du bedauertest mein Schicksal, als eine arme Waise in der Welt geblieben zu sein; du schildertest meine abhängige Lage und wie misslich es um mich stehen könne, wenn nicht ein besonderer Glücksstern über mich walte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1487,"orig":"Ich faßte alles wohl und genau, vielleicht zu ſtreng, was du fuͤr mich zu wuͤnſchen, was du von mir zu fordern ſchienſt.","norm":"Ich fasste alles wohl und genau, vielleicht zu streng, was du für mich zu wünschen, was du von mir zu fordern schienst."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1488,"orig":"Ich machte mir nach meinen beſchraͤnkten Einſichten hieruͤber Geſetze; nach dieſen habe ich lange gelebt, nach ihnen war mein Thun und Laſſen eingerichtet, zu der Zeit da du mich liebteſt, fuͤr mich ſorgteſt, da du mich in dein Haus aufnahmeſt, und auch noch eine Zeit hernach.","norm":"Ich machte mir nach meinen beschränkten Einsichten hierüber Gesetze; nach diesen habe ich lange gelebt, nach ihnen war mein Tun und Lassen eingerichtet, zu der Zeit da du mich liebtest, für mich sorgtest, da du mich in dein Haus aufnahmst, und auch noch eine Zeit hernach."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1489,"orig":"Aber ich bin aus meiner Bahn geſchritten, ich habe meine Geſetze gebrochen, ich habe ſogar das Gefuͤhl derſelben verloren, und nach einem ſchrecklichen Ereigniß klaͤrſt du mich wieder uͤber meinen Zuſtand auf, der jammervoller iſt als der erſte.","norm":"Aber ich bin aus meiner Bahn geschritten, ich habe meine Gesetze gebrochen, ich habe sogar das Gefühl derselben verloren, und nach einem schrecklichen Ereignis klärst du mich wieder über meinen Zustand auf, der jammervoller ist als der erste."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1490,"orig":"Auf deinem Schooße ruhend, halb erſtarrt, wie aus einer fremden Welt vernehm' ich abermals deine leiſe Stimme uͤber meinem Ohr; ich vernehme, wie es mit mir ſelbſt ausſieht; ich ſchaudere uͤber mich ſelbſt: aber wie damals habe ich auch diesmal in meinem halben Todtenſchlaf mir meine neue Bahn vorgezeichnet.","norm":"Auf deinem Schoß ruhend, halb erstarrt, wie aus einer fremden Welt vernehme ich abermals deine leise Stimme über meinem Ohr; ich vernehme, wie es mit mir selbst aussieht; ich schaudere über mich selbst: aber wie damals habe ich auch diesmal in meinem halben Totenschlaf mir meine neue Bahn vorgezeichnet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1491,"orig":"Ich bin entſchloſſen, wie ich's war, und wozu ich entſchloſſen bin, mußt du gleich erfahren.","norm":"Ich bin entschlossen, wie ich es war, und wozu ich entschlossen bin, musst du gleich erfahren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1492,"orig":"Eduardens werd' ich nie!","norm":"Eduards werde ich nie!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1493,"orig":"Auf eine ſchreckliche Weiſe hat Gott mir die Augen geoͤffnet, in welchem Verbrechen ich befangen bin.","norm":"Auf eine schreckliche Weise hat Gott mir die Augen geöffnet, in welchem Verbrechen ich befangen bin."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1494,"orig":"Ich will es buͤßen; und Niemand gedenke mich von meinem Vorſatz abzubringen!","norm":"Ich will es büßen; und niemand gedenke mich von meinem Vorsatz abzubringen!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1495,"orig":"Darnach, Liebe, Beſte, nimm deine Maaßregeln.","norm":"Danach, Liebe, Beste, nimm deine Maßregeln."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1496,"orig":"Laß den Major zuruͤckkommen; ſchreibe ihm, daß keine Schritte geſchehen.","norm":"Lass den Major zurückkommen; schreibe ihm, dass keine Schritte geschehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1497,"orig":"Wie aͤngſtlich war mir, daß ich mich nicht ruͤhren und regen konnte, als er ging.","norm":"Wie ängstlich war mir, dass ich mich nicht rühren und regen konnte, als er ging."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1498,"orig":"Ich wollte auſfahren, aufſchreyen: du ſollteſt ihn nicht mit ſo frevelhaften Hoffnungen entlaſſen.","norm":"Ich wollte auffahren, aufschreien: Du solltest ihn nicht mit so frevelhaften Hoffnungen entlassen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1499,"orig":"Charlotte ſah Ottiliens Zuſtand, ſie empfand ihn; aber ſie hoffte durch Zeit und Vorſtellungen etwas uͤber ſie zu gewinnen.","norm":"Charlotte sah Ottilies Zustand, sie empfand ihn; aber sie hoffte durch Zeit und Vorstellungen etwas über sie zu gewinnen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1500,"orig":"Doch als ſie einige Worte ausſprach, die auf eine Zukunft, auf eine Milderung des Schmerzes, auf Hoffnung deuteten:","norm":"Doch als sie einige Worte aussprach, die auf eine Zukunft, auf eine Milderung des Schmerzes, auf Hoffnung deuteten:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1501,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1502,"orig":"rief Ottilie mit Erhebung: ſucht mich nicht zu bewegen, nicht zu hintergehen!","norm":"rief Ottilie mit Erhebung: sucht mich nicht zu bewegen, nicht zu hintergehen!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1503,"orig":"In dem Augenblick, in dem ich erfahre: du habeſt in die Scheidung gewilligt, buͤße ich in demſelbigen See meine Vergehen, meine Verbrechen.","norm":"In dem Augenblick, in dem ich erfahre: Du habest in die Scheidung gewilligt, büße ich in demselbigen See meine Vergehen, meine Verbrechen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1504,"orig":"Wenn ſich in einem gluͤcklichen friedlichen Zuſammenleben Verwandte, Freunde, Hausgenoſſen, mehr als noͤthig und billig iſt, von dem unterhalten was geſchieht oder geſchehen ſoll; wenn ſie ſich einander ihre Vorſaͤtze, Unternehmungen, Beſchaͤftigungen wiederhohlt mittheilen, und ohne gerade wechſelſeitigen Rath anzunehmen, doch immer das ganze Leben gleichſam rathſchlagend behandeln: ſo findet man dagegen, in wichtigen Momenten, eben da wo es ſcheinen ſollte, der Menſch beduͤrfe fremden Beyſtandes, fremder Beſtaͤtigung am allermeiſten, daß ſich die einzelnen auf ſich ſelbſt zuruͤckziehen, jedes fuͤr ſich zu handeln, jedes auf ſeine Weiſe zu wirken ſtrebt, und indem man ſich einander die einzelnen Mittel verbirgt, nur erſt der Ausgang, die Zwecke, das Erreichte wieder zum Gemeingut werden.","norm":"Wenn sich in einem glücklichen friedlichen Zusammenleben Verwandte, Freunde, Hausgenossen, mehr als nötig und billig ist, von dem unterhalten was geschieht oder geschehen soll; wenn sie sich einander ihre Vorsätze, Unternehmungen, Beschäftigungen wiederholt mitteilen, und ohne gerade wechselseitigen Rat anzunehmen, doch immer das ganze Leben gleichsam ratschlagend behandeln: so findet man dagegen, in wichtigen Momenten, eben da wo es scheinen sollte, der Mensch bedürfe fremden Beistandes, fremder Bestätigung am allermeisten, dass sich die einzelnen auf sich selbst zurückziehen, jedes für sich zu handeln, jedes auf seine Weise zu wirken strebt, und indem man sich einander die einzelnen Mittel verbirgt, nur erst der Ausgang, die Zwecke, das Erreichte wieder zum Gemeingut werden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1505,"orig":"Nach ſoviel wundervollen und ungluͤcklichen Ereigniſſen war denn auch ein gewiſſer ſtiller Ernſt uͤber die Freundinnen gekommen, der ſich in einer liebenswuͤrdigen Schonung aͤußerte.","norm":"Nach soviel wundervollen und unglücklichen Ereignissen war denn auch ein gewisser stiller Ernst über die Freundinnen gekommen, der sich in einer liebenswürdigen Schonung äußerte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1506,"orig":"Ganz in der Stille hatte Charlotte das Kind nach der Kapelle geſendet.","norm":"Ganz in der Stille hatte Charlotte das Kind nach der Kapelle gesendet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1507,"orig":"Es ruhte dort als das erſte Opfer eines ahndungsvollen Verhaͤngniſſes.","norm":"Es ruhte dort als das erste Opfer eines ahnungsvollen Verhängnisses."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1508,"orig":"Charlotte kehrte ſich, ſo viel es ihr moͤglich war, gegen das Leben zuruͤck, und hier fand ſie Ottilien zuerſt, die ihres Beyſtandes bedurfte.","norm":"Charlotte kehrte sich, soviel es ihr möglich war, gegen das Leben zurück, und hier fand sie Ottilie zuerst, die ihres Beistandes bedurfte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1509,"orig":"Sie beſchaͤftigte ſich vorzuͤglich mit ihr, ohne es jedoch merken zu laſſen.","norm":"Sie beschäftigte sich vorzüglich mit ihr, ohne es jedoch merken zu lassen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1510,"orig":"Sie wußte wie ſehr das himmliſche Kind Eduarden liebte; ſie hatte nach und nach die Scene die dem Ungluͤck vorher gegangen war, herausgeforſcht, und jeden Umſtand, theils von Ottilien ſelbſt, theils durch Briefe des Majors erfahren.","norm":"Sie wusste wie sehr das himmlische Kind Eduard liebte; sie hatte nach und nach die Szene die dem Unglück vorhergegangen war, herausgeforscht, und jeden Umstand, teils von Ottilie selbst, teils durch Briefe des Majors erfahren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1511,"orig":"Ottilie von ihrer Seite erleichterte Charlotten ſehr das augenblickliche Leben.","norm":"Ottilie von ihrer Seite erleichterte Charlotten sehr das augenblickliche Leben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1512,"orig":"Sie war offen, ja geſpraͤchig, aber niemals war von dem Gegenwaͤrtigen oder kurz Vergangenen die Rede.","norm":"Sie war offen, ja gesprächig, aber niemals war von dem Gegenwärtigen oder kurz vergangenen die Rede."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1513,"orig":"Sie hatte ſtets aufgemerkt, ſtets beobachtet, ſie wußte viel; das kam jetzt alles zum Vorſchein.","norm":"Sie hatte stets aufgemerkt, stets beobachtet, sie wusste viel; das kam jetzt alles zum Vorschein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1514,"orig":"Sie unterhielt, ſie zerſtreute Charlotten, die noch immer die ſtille Hoffnung naͤhrte, ein ihr ſo werthes Paar verbunden zu ſehen.","norm":"Sie unterhielt, sie zerstreute Charlotten, die noch immer die stille Hoffnung nährte, ein ihr so wertes Paar verbunden zu sehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1515,"orig":"Allein bey Ottilien hing es anders zuſammen.","norm":"Allein bei Ottilie hing es anders zusammen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1516,"orig":"Sie hatte das Geheimniß ihres Lebensganges der Freundinn entdeckt; ſie war von ihrer fruͤhen Einſchraͤnkung, von ihrer Dienſtbarkeit entbunden.","norm":"Sie hatte das Geheimnis ihres Lebensganges der Freundin entdeckt; sie war von ihrer frühen Einschränkung, von ihrer Dienstbarkeit entbunden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1517,"orig":"Durch ihre Reue, durch ihren Entſchluß fuͤhlte ſie ſich auch befreyt von der Laſt jenes Vergehens, jenes Mißgeſchicks.","norm":"Durch ihre Reue, durch ihren Entschluss fühlte sie sich auch befreit von der Last jenes Vergehens, jenes Missgeschicks."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1518,"orig":"Sie bedurfte keiner Gewalt mehr uͤber ſich ſelbſt; ſie hatte ſich in der Tiefe ihres Herzens nur unter der Bedingung des voͤlligen Entſagens verziehen, und dieſe Bedingung war fuͤr alle Zukunft unerlaͤßlich.","norm":"Sie bedurfte keiner Gewalt mehr über sich selbst; sie hatte sich in der Tiefe ihres Herzens nur unter der Bedingung des völligen Entsagens verziehen, und diese Bedingung war für alle Zukunft unerlässlich."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1519,"orig":"So verfloß einige Zeit, und Charlotte fuͤhlte, wie ſehr Haus und Park, Seen, Felſenund Baumgruppen, nur traurige Empfindungen taͤglich in ihnen beyden erneuerten.","norm":"So verfloss einige Zeit, und Charlotte fühlte, wie sehr Haus und Park, Seen, Felsenund Baumgruppen, nur traurige Empfindungen täglich in ihnen beiden erneuerten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1520,"orig":"Daß man den Ort veraͤndern muͤſſe, war allzu deutlich; wie es geſchehen ſolle, nicht ſo leicht zu entſcheiden.","norm":"Dass man den Ort verändern müsse, war allzu deutlich; wie es geschehen solle, nicht so leicht zu entscheiden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1521,"orig":"Sollten die beyden Frauen zuſammenbleiben?","norm":"Sollten die beiden Frauen zusammenbleiben?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1522,"orig":"Eduards fruͤherer Wille ſchien es zu gebieten, ſeine Erklaͤrung, ſeine Drohung es noͤthig zu machen: allein wie war es zu verkennen, daß beyde Frauen, mit allem guten Willen, mit aller Vernunft, mit aller Anſtrengung, ſich in einer peinlichen Lage neben einander befanden.","norm":"Eduards früherer Wille schien es zu gebieten, seine Erklärung, seine Drohung es nötig zu machen: allein wie war es zu verkennen, dass beide Frauen, mit allem guten Willen, mit aller Vernunft, mit aller Anstrengung, sich in einer peinlichen Lage nebeneinander befanden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1523,"orig":"Ihre Unterhaltungen waren vermeidend.","norm":"Ihre Unterhaltungen waren vermeidend."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1524,"orig":"Manchmal mochte man gern etwas nur halb verſtehen, oͤfters wurde aber doch ein Ausdruck, wo nicht durch den Verſtand wenigſtens durch die Empfindung, mißdeutet.","norm":"Manchmal mochte man gern etwas nur halb verstehen, öfters wurde aber doch ein Ausdruck, wo nicht durch den Verstand wenigstens durch die Empfindung, missdeutet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1525,"orig":"Man fuͤrchtete ſich zu verletzen, und gerade die Furcht war am erſten verletzbar und verletzte am erſten.","norm":"Man fürchtete sich zu verletzen, und gerade die Furcht war am ersten verletzbar und verletzte am ersten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1526,"orig":"Wollte man den Ort veraͤndern und ſich zugleich, wenigſtens auf einige Zeit, von einander trennen; ſo trat die alte Frage wieder hervor: wo ſich Ottilie hinbegeben ſolle?","norm":"Wollte man den Ort verändern und sich zugleich, wenigstens auf einige Zeit, voneinander trennen; so trat die alte Frage wieder hervor: wo sich Ottilie hinbegeben solle?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1527,"orig":"Jenes große reiche Haus hatte vergebliche Verſuche gemacht, einer hoffnungsvollen Erbtochter unterhaltende und wetteifernde Geſpielinnen zu verſchaffen.","norm":"Jenes große reiche Haus hatte vergebliche Versuche gemacht, einer hoffnungsvollen Erbtochter unterhaltende und wetteifernde Gespielinnen zu verschaffen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1528,"orig":"Schon bey der letzten Anweſenheit der Baroneſſe, und neuerlich durch Briefe, war Charlotte aufgefordert worden, Ottilien dorthin zu ſenden; jetzt brachte ſie es abermals zur Sprache.","norm":"Schon bei der letzten Anwesenheit der Baronesse, und neuerlich durch Briefe, war Charlotte aufgefordert worden, Ottilie dorthin zu senden; jetzt brachte sie es abermals zur Sprache."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1529,"orig":"Ottilie verweigerte aber ausdruͤcklich dahin zu gehen, wo ſie dasjenige finden wuͤrde, was man große Welt zu nennen pflegt.","norm":"Ottilie verweigerte aber ausdrücklich dahinzugehen, wo sie dasjenige finden würde, was man große Welt zu nennen pflegt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1530,"orig":"Laſſen Sie mich, liebe Tante, ſagte ſie, damit ich nicht eingeſchraͤnkt und eigenſinnig erſcheine, dasjenige ausſprechen was zu verſchweigen, zu verbergen in einem andern Falle Pflicht waͤre.","norm":"Lassen Sie mich, liebe Tante, sagte sie, damit ich nicht eingeschränkt und eigensinnig erscheine, dasjenige aussprechen was zu verschweigen, zu verbergen in einem anderen Falle Pflicht wäre."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1531,"orig":"Ein ſeltſam ungluͤcklicher Menſch, und wenn er auch ſchuldlos waͤre, iſt auf eine fuͤrchterliche Weiſe gezeichnet.","norm":"Ein seltsam unglücklicher Mensch, und wenn er auch schuldlos wäre, ist auf eine fürchterliche Weise gezeichnet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1532,"orig":"Seine Gegenwart erregt in allen die ihn ſehen, die ihn gewahr werden, ein Art von Entſetzen.","norm":"Seine Gegenwart erregt in allen die ihn sehen, die ihn gewahr werden, ein Art von Entsetzen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1533,"orig":"Jeder will das Ungeheure ihm anſehen was ihm auferlegt ward; jeder iſt neugierig und aͤngſtlich zugleich.","norm":"Jeder will das Ungeheure ihm ansehen was ihm auferlegt wurde; jeder ist neugierig und ängstlich zugleich."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1534,"orig":"So bleibt ein Haus, eine Stadt, worin eine ungeheure That geſchehen, jedem furchtbar der ſie betritt.","norm":"So bleibt ein Haus, eine Stadt, worin eine ungeheure Tat geschehen, jedem furchtbar der sie betritt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1535,"orig":"Dort leuchtet das Licht des Tages nicht ſo hell, und die Sterne ſcheinen ihren Glanz zu verlieren.","norm":"Dort leuchtet das Licht des Tages nicht so hell, und die Sterne scheinen ihren Glanz zu verlieren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1536,"orig":"Wie groß, und doch vielleicht zu entſchuldigen, iſt gegen ſolche Ungluͤckliche die Indiscretion der Menſchen, ihre alberne Zudringlichkeit und ungeſchickte Gutmuͤthigkeit.","norm":"Wie groß, und doch vielleicht zu entschuldigen, ist gegen solche Unglückliche die Indiskretion der Menschen, ihre alberne Zudringlichkeit und ungeschickte Gutmütigkeit."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1537,"orig":"Verzeihen Sie mir, daß ich ſo rede; aber ich habe unglaublich mit jenem armen Maͤdchen gelitten, als es Luciane aus den verborgenen Zimmern des Hauſes hervorzog, ſich freundlich mit ihm beſchaͤftigte, es in der beſten Abſicht zu Spiel und Tanz noͤthigen wollte.","norm":"Verzeihen Sie mir, dass ich so rede; aber ich habe unglaublich mit jenem armen Mädchen gelitten, als es Luciane aus den verborgenen Zimmern des Hauses hervorzog, sich freundlich mit ihm beschäftigte, es in der besten Absicht zu Spiel und Tanz nötigen wollte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1538,"orig":"Als das arme Kind bange uud immer baͤnger zuletzt floh und in Ohnmacht ſank, ich es in meine Arme faßte, die Geſellſchaft erſchreckt aufgeregt und jeder erſt recht neugierig auf die Ungluͤckſelige ward: da dachte ich nicht, daß mir ein gleiches Schickſal bevorſtehe; aber mein Mitgefuͤhl, ſo wahr und lebhaft; iſt noch lebendig.","norm":"Als das arme Kind bange und immer banger zuletzt floh und in Ohnmacht sank, ich es in meine Arme fasste, die Gesellschaft erschreckt aufgeregt und jeder erst recht neugierig auf die Unglückselige wurde: da dachte ich nicht, dass mir ein gleiches Schicksal bevorstehe; aber mein Mitgefühl, so wahr und lebhaft; ist noch lebendig."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1539,"orig":"Jetzt kann ich mein Mitleiden gegen mich ſelbſt wenden und mich huͤthen, daß ich nicht zu aͤhnlichen Auftritten Anlaß gebe.","norm":"Jetzt kann ich mein Mitleiden gegen mich selbst wenden und mich hüten, dass ich nicht zu ähnlichen Auftritten Anlass gebe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1540,"orig":"Du wirſt aber, liebes Kind, verſetzte Charlotte, dem Anblick der Menſchen dich nirgends entziehen koͤnnen.","norm":"Du wirst aber, liebes Kind, versetzte Charlotte, dem Anblick der Menschen dich nirgends entziehen können."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1541,"orig":"Kloͤſter haben wir nicht, in denen ſonſt eine Freyſtatt fuͤr ſolche Gefuͤhle zu finden war.","norm":"Klöster haben wir nicht, in denen sonst eine Freistatt für solche Gefühle zu finden war."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1542,"orig":"Die Einſamkeit macht nicht die Freyſtatt, liebe Tante, verſetzte Ottilie.","norm":"Die Einsamkeit macht nicht die Freistatt, liebe Tante, versetzte Ottilie."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1543,"orig":"Die ſchaͤtzenswertheſte Freyſtatt iſt da zu ſuchen, wo wir thaͤtig ſeyn koͤnnen.","norm":"Die schätzenswerteste Freistatt ist da zu suchen, wo wir tätig sein können."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1544,"orig":"Alle Buͤßungen, alle Entbehrungen ſind keineswegs geeignet uns einem ahndungsvollen Geſchick zu entziehen, wenn es uns zu verfolgen entſchieden iſt.","norm":"Alle Büßungen, alle Entbehrungen sind keineswegs geeignet uns einem ahnungsvollen Geschick zu entziehen, wenn es uns zu verfolgen entschieden ist."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1545,"orig":"Nur, wenn ich im muͤßigen Zuſtande der Welt zur Schau dienen ſoll, dann iſt ſie mir widerwaͤrtig und aͤngſtigt mich.","norm":"Nur, wenn ich im müßigen Zustande der Welt zur Schau dienen soll, dann ist sie mir widerwärtig und ängstigt mich."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1546,"orig":"Findet man mich aber freudig bey der Arbeit, unermuͤdet in meiner Pflicht, dann kann ich die Blicke eines Jeden aushalten, weil ich die goͤttlichen nicht zu ſcheuen brauche.","norm":"Findet man mich aber freudig bei der Arbeit, unermüdet in meiner Pflicht, dann kann ich die Blicke eines Jeden aushalten, weil ich die göttlichen nicht zu scheuen brauche."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1547,"orig":"Ich muͤßte mich ſehr irren, verſetzte Charlotte, wenn deine Neigung dich nicht zur Penſion zuruͤckzoͤge.","norm":"Ich müsste mich sehr irren, versetzte Charlotte, wenn deine Neigung dich nicht zur Pension zurückzöge."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1548,"orig":"Ja, verſetzte Ottilie, ich laͤugne es nicht: ich denke es mir als eine gluͤckliche Beſtimmung, andre auf dem gewoͤhnlichen Wege zu erziehen, wenn wir auf dem ſonderbarſten erzogen worden.","norm":"Ja, versetzte Ottilie, ich leugne es nicht: Ich denke es mir als eine glückliche Bestimmung, andere auf dem gewöhnlichen Wege zu erziehen, wenn wir auf dem sonderbarsten erzogen worden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1549,"orig":"Und ſehen wir nicht in der Geſchichte, daß Menſchen, die wegen großer ſittlicher Unfaͤlle ſich in die Wuͤſten zuruͤckzogen, dort keineswegs, wie ſie hofften, verborgen und gedeckt waren.","norm":"Und sehen wir nicht in der Geschichte, dass Menschen, die wegen großer sittlicher Unfälle sich in die Wüsten zurückzogen, dort keineswegs, wie sie hofften, verborgen und gedeckt waren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1550,"orig":"Sie wurden zuruͤckgerufen in die Welt, um die Verirrten auf den rechten Weg zu fuͤhren; und wer konnte es beſſer als die in den Irrgaͤngen des Lebens ſchon Eingeweihten!","norm":"Sie wurden zurückgerufen in die Welt, um die Verirrten auf den rechten Weg zu führen; und wer konnte es besser als die in den Irrgängen des Lebens schon Eingeweihten!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1551,"orig":"Sie wurden berufen den Ungluͤcklichen beyzuſtehen, und wer vermochte das eher als ſie, denen kein irdiſches Unheil mehr begegnen konnte!","norm":"Sie wurden berufen den Unglücklichen beizustehen, und wer vermochte das eher als sie, denen kein irdisches Unheil mehr begegnen konnte!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1552,"orig":"Du waͤhlſt eine ſonderbare Beſtimmung, verſetzte Charlotte.","norm":"Du wählst eine sonderbare Bestimmung, versetzte Charlotte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1553,"orig":"Ich will dir nicht widerſtreben: es mag ſeyn, wenn auch nur, wie ich hoffe, auf kurze Zeit.","norm":"Ich will dir nicht widerstreben: Es mag sein, wenn auch nur, wie ich hoffe, auf kurze Zeit."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1554,"orig":"Wie ſehr danke ich Ihnen, ſagte Ottilie, daß Sie mir dieſen Verſuch, dieſe Erfahrung goͤnnen wollen.","norm":"Wie sehr danke ich Ihnen, sagte Ottilie, dass Sie mir diesen Versuch, diese Erfahrung gönnen wollen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1555,"orig":"Schmeichle ich mir nicht zu ſehr, ſo ſoll es mir gluͤcken.","norm":"Schmeichle ich mir nicht zu sehr, so soll es mir glücken."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1556,"orig":"An jenem Orte will ich mich erinnern, wie manche Pruͤfungen ich ausgeſtanden, und wie klein, wie nichtig ſie waren gegen die, die ich nachher erfahren mußte.","norm":"An jenem Orte will ich mich erinnern, wie manche Prüfungen ich ausgestanden, und wie klein, wie nichtig sie waren gegen die, die ich nachher erfahren musste."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1557,"orig":"Wie heiter werde ich die Verlegenheiten der jungen Aufſchoͤßlinge betrachten, bey ihren kindlichen Schmerzen laͤcheln und ſie mit leiſer Hand aus allen kleinen Verirrungen herausfuͤhren.","norm":"Wie heiter werde ich die Verlegenheiten der jungen Aufschößlinge betrachten, bei ihren kindlichen Schmerzen lächeln und sie mit leiser Hand aus allen kleinen Verirrungen herausführen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1558,"orig":"Der Gluͤckliche iſt nicht geeignet Gluͤcklichen vorzuſtehen: es liegt in der menſchlichen Natur, immer mehr von ſich und von andern zu fordern je mehr man empfangen hat.","norm":"Der Glückliche ist nicht geeignet Glücklichen vorzustehen: Es liegt in der menschlichen Natur, immer mehr von sich und von anderen zu fordern je mehr man empfangen hat."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1559,"orig":"Nur der Ungluͤckliche der ſich erhohlt, weiß fuͤr ſich und andre das Gefuͤhl zu naͤhren, daß auch ein maͤßiges Gute mit Entzuͤcken genoſſen werden ſoll.","norm":"Nur der Unglückliche der sich erholt, weiß für sich und andere das Gefühl zu nähren, dass auch ein mäßiges Gute mit Entzücken genossen werden soll."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1560,"orig":"Laß mich gegen deinen Vorſatz, ſagte Charlotte zuletzt nach einigem Bedenken, noch einen Einwurf anfuͤhren, der mir der wichtigſte ſcheint.","norm":"Lass mich gegen deinen Vorsatz, sagte Charlotte zuletzt nach einigem Bedenken, noch einen Einwurf anführen, der mir der wichtigste scheint."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1561,"orig":"Es iſt nicht von dir, es iſt von einem Dritten die Rede.","norm":"Es ist nicht von dir, es ist von einem Dritten die Rede."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1562,"orig":"Die Geſinnungen des guten vernuͤnftigen frommen Gehuͤlfen ſind dir bekannt; auf dem Wege den du gehſt, wirſt du ihm jeden Tag werther und unentbehrlicher ſeyn.","norm":"Die Gesinnungen des guten vernünftigen frommen Gehilfen sind dir bekannt; auf dem Wege den du gehst, wirst du ihm jeden Tag werter und unentbehrlicher sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1563,"orig":"Da er ſchon jetzt, ſeinem Gefuͤhl nach, nicht gern ohne dich leben mag, ſo wird er auch kuͤnftig, wenn er einmal deine Mitwirkung gewohnt iſt, ohne dich ſein Geſchaͤft nicht mehr verwalten koͤnnen.","norm":"Da er schon jetzt, seinem Gefühl nach, nicht gern ohne dich leben mag, so wird er auch künftig, wenn er einmal deine Mitwirkung gewohnt ist, ohne dich sein Geschäft nicht mehr verwalten können."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1564,"orig":"Du wirſt ihm anfangs darin beyſtehen, um es ihm hernach zu verleiden.","norm":"Du wirst ihm anfangs darin beistehen, um es ihm hernach zu verleiden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1565,"orig":"Das Geſchick iſt nicht ſanft mit mir verfahren, verſetzte Ottilie; und wer mich liebt hat vielleicht nicht viel beſſeres zu erwarten.","norm":"Das Geschick ist nicht sanft mit mir verfahren, versetzte Ottilie; und wer mich liebt hat vielleicht nicht viel Besseres zu erwarten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1566,"orig":"So gut und verſtaͤndig als der Freund iſt, eben ſo, hoffe ich, wird ſich in ihm auch die Empfindung eines reinen Verhaͤltniſſes zu mir entwickeln; er wird in mir eine geweihte Perſon erblicken, die nur dadurch ein ungeheures Uebel fuͤr ſich und andre vielleicht aufzuwiegen vermag, wenn ſie ſich dem Heiligen widmet, das uns unſichtbar umgebend allein gegen die ungeheuren zudringenden Maͤchte beſchirmen kann.","norm":"So gut und verständig als der Freund ist, ebenso, hoffe ich, wird sich in ihm auch die Empfindung eines reinen Verhältnisses zu mir entwickeln; er wird in mir eine geweihte Person erblicken, die nur dadurch ein ungeheures Übel für sich und andere vielleicht aufzuwiegen vermag, wenn sie sich dem Heiligen widmet, das uns unsichtbar umgebend allein gegen die ungeheuren zudringenden Mächte beschirmen kann."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1567,"orig":"Charlotte nahm alles was das liebe Kind ſo herzlich geaͤußert, zur ſtillen Ueberlegung.","norm":"Charlotte nahm alles was das liebe Kind so herzlich geäußert, zur stillen Überlegung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1568,"orig":"Sie hatte verſchiedentlich, obgleich auf das leiſeſte, angeforſcht, ob nicht eine Annaͤherung Ottiliens zu Eduard denkbar ſey; aber auch nur die leiſeſte Erwaͤhnung, die mindeſte Hoffnung, der kleinſte Verdacht ſchien Ottilien aufs tiefſte zu ruͤhren; ja ſie ſprach ſich einſt, da ſie es nicht umgehen konnte, hieruͤber ganz deutlich aus.","norm":"Sie hatte verschiedentlich, obgleich auf das leiseste, angeforscht, ob nicht eine Annäherung Ottilies zu Eduard denkbar sei; aber auch nur die leiseste Erwähnung, die mindeste Hoffnung, der kleinste Verdacht schien Ottilie aufs tiefste zu rühren; ja sie sprach sich einst, da sie es nicht umgehen konnte, hierüber ganz deutlich aus."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1569,"orig":"Wenn dein Entſchluß, entgegnete ihr Charlotte, Eduarden zu entſagen, ſo feſt und unveraͤnderlich iſt, ſo huͤthe dich nur vor der Gefahr des Wiederſehens.","norm":"Wenn dein Entschluss, entgegnete ihr Charlotte, Eduard zu entsagen, so fest und unveränderlich ist, so hüte dich nur vor der Gefahr des Wiedersehens."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1570,"orig":"In der Entfernung von dem geliebten Gegenſtande ſcheinen wir, je lebhafter unſere Neigung iſt, deſto mehr Herr von uns ſelbſt zu werden, indem wir die ganze Gewalt der Leidenſchaft, wie ſie ſich nach außen erſtreckte, nach innen wenden; aber wie bald, wie geſchwind ſind wir aus dieſem Irrthum geriſſen, wenn dasjenige was wir entbehren zu koͤnnen glaubten, auf einmal wieder als unentbehrlich vor unſern Augen ſteht.","norm":"In der Entfernung von dem geliebten Gegenstande scheinen wir, je lebhafter unsere Neigung ist, desto mehr Herr von uns selbst zu werden, indem wir die ganze Gewalt der Leidenschaft, wie sie sich nach außen erstreckte, nach innen wenden; aber wie bald, wie geschwind sind wir aus diesem Irrtum gerissen, wenn dasjenige was wir entbehren zu können glaubten, auf einmal wieder als unentbehrlich vor unseren Augen steht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1571,"orig":"Thue jetzt was du deinen Zuſtaͤnden am gemaͤßeſten haͤltſt; pruͤfe dich, ja veraͤndre lieber deinen gegenwaͤrtigen Entſchluß: aber aus dir ſelbſt, aus freyem, wollenden Herzen.","norm":"Tue jetzt was du deinen Zuständen am gemäßesten hältst; prüfe dich, ja verändre lieber deinen gegenwärtigen Entschluss: aber aus dir selbst, aus freiem, wollenden Herzen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1572,"orig":"Laß dich nicht zufaͤllig, nicht durch Ueberraſchung, in die vorigen Verhaͤltniſſe wieder hineinziehen: dann giebt es erſt einen Zwieſpalt im Gemuͤth der unertraͤglich iſt.","norm":"Lass dich nicht zufällig, nicht durch Überraschung, in die vorigen Verhältnisse wieder hineinziehen: dann gibt es erst einen Zwiespalt im Gemüt der unerträglich ist."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1573,"orig":"Wie geſagt, ehe du dieſen Schritt thuſt, ehe du dich von mir entfernſt und ein neues Leben anfaͤngſt, das dich wer weiß auf welche Wege leitet; ſo bedenke noch einmal, ob du denn wirklich fuͤr alle Zukunft Eduarden entſagen kannſt.","norm":"Wie gesagt, ehe du diesen Schritt tust, ehe du dich von mir entfernst und ein neues Leben anfängst, das dich wer weiß auf welche Wege leitet; so bedenke noch einmal, ob du denn wirklich für alle Zukunft Eduard entsagen kannst."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1574,"orig":"Haſt du dich aber hierzu beſtimmt; ſo ſchließen wir einen Bund, daß du dich mit ihm nicht einlaſſen willſt, ſelbſt nicht in eine Unterredung, wenn er dich aufſuchen, wenn er ſich zu dir draͤngen ſollte.","norm":"Hast du dich aber hierzu bestimmt; so schließen wir einen Bund, dass du dich mit ihm nicht einlassen willst, selbst nicht in eine Unterredung, wenn er dich aufsuchen, wenn er sich zu dir drängen sollte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1575,"orig":"Ottilie beſann ſich nicht einen Augenblick, ſie gab Charlotten das Wort, das ſie ſich ſchon ſelbſt gegeben hatte.","norm":"Ottilie besann sich nicht einen Augenblick, sie gab Charlotten das Wort, das sie sich schon selbst gegeben hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1576,"orig":"Nun aber ſchwebte Charlotten immer noch jene Drohung Eduards vor der Seele, daß er Ottilien nur ſo lange entſagen koͤnne, als ſie ſich von Charlotten nicht trennte.","norm":"Nun aber schwebte Charlotten immer noch jene Drohung Eduards vor der Seele, dass er Ottilie nur so lange entsagen könne, als sie sich von Charlotten nicht trennte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1577,"orig":"Es hatten ſich zwar ſeit der Zeit die Umſtaͤnde ſo veraͤndert, es war ſo mancherley vorgefallen, daß jenes vom Augenblick ihm abgedrungene Wort gegen die folgenden Ereigniſſe fuͤr aufgehoben zu achten war; dennoch wollte ſie auch im entfernteſten Sinne weder etwas wagen, noch etwas vornehmen das ihn verletzen koͤnnte, und ſo ſollte Mittler in dieſem Falle Eduards Geſinnungen erforſchen.","norm":"Es hatten sich zwar seit der Zeit die Umstände so verändert, es war so mancherlei vorgefallen, dass jenes vom Augenblick ihm abgedrungene Wort gegen die folgenden Ereignisse für aufgehoben zu achten war; dennoch wollte sie auch im entferntesten Sinne weder etwas wagen, noch etwas vornehmen das ihn verletzen könnte, und so sollte Mittler in diesem Falle Eduards Gesinnungen erforschen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1578,"orig":"Mittler hatte ſeit dem Tode des Kindes Charlotten oͤfters, obgleich nur auf Augenblicke, beſucht.","norm":"Mittler hatte seit dem Tode des Kindes Charlotten öfters, obgleich nur auf Augenblicke, besucht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1579,"orig":"Dieſer Unfall, der ihm die Wiedervereinigung beyder Gatten hoͤchſt unwahrſcheinlich machte, wirkte gewaltſam auf ihn; aber immer nach ſeiner Sinnesweiſe hoffend und ſtrebend, freute er ſich nun im Stillen uͤber den Entſchluß Ottiliens.","norm":"Dieser Unfall, der ihm die Wiedervereinigung beider Gatten höchst unwahrscheinlich machte, wirkte gewaltsam auf ihn; aber immer nach seiner Sinnesweise hoffend und strebend, freute er sich nun im Stillen über den Entschluss Ottilies."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1580,"orig":"Er vertraute der lindernden voruͤberziehenden Zeit, dachte noch immer die beyden Gatten zuſammenzuhalten und ſah dieſe leidenſchaftlichen Bewegungen nur als Pruͤfungen ehelicher Liebe und Treue an.","norm":"Er vertraute der lindernden vorüberziehenden Zeit, dachte noch immer die beiden Gatten zusammenzuhalten und sah diese leidenschaftlichen Bewegungen nur als Prüfungen ehelicher Liebe und Treue an."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1581,"orig":"Charlotte hatte gleich anfangs den Major von Ottiliens erſter Erklaͤrung ſchriftlich unterrichtet, ihn auf das inſtaͤndigſte gebeten, Eduarden dahin zu vermoͤgen, daß keine weiteren Schritte geſchaͤhen, daß man ſich ruhig verhalte, daß man abwarte, ob das Gemuͤth des ſchoͤnen Kindes ſich wieder herſtelle.","norm":"Charlotte hatte gleich anfangs den Major von Ottilies erster Erklärung schriftlich unterrichtet, ihn auf das inständigste gebeten, Eduard dahin zu vermögen, dass keine weiteren Schritte geschähen, dass man sich ruhig verhalte, dass man abwarte, ob das Gemüt des schönen Kindes sich wieder herstelle."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1582,"orig":"Auch von den ſpaͤtern Ereigniſſen und Geſinnungen hatte ſie das Noͤthige mitgetheilt, und nun war freylich Mittlern die ſchwierige Aufgabe uͤbertragen, auf eine Veraͤnderung des Zuſtandes Eduarden vorzubereiten.","norm":"Auch von den späteren Ereignissen und Gesinnungen hatte sie das Nötige mitgeteilt, und nun war freilich mittleren die schwierige Aufgabe übertragen, auf eine Veränderung des Zustandes Eduard vorzubereiten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1583,"orig":"Mittler aber, wohlwiſſend, daß man das Geſchehene ſich eher gefallen laͤßt, als daß man in ein noch zu Geſchehendes einwilligt, uͤberredete Charlotten: es ſey das beſte, Ottilien gleich nach der Penſion zu ſchicken.","norm":"Mittler aber, wohl wissend, dass man das Geschehene sich eher gefallen lässt, als dass man in ein noch zu geschehendes einwilligt, überredete Charlotten: Es sei das beste, Ottilie gleich nach der Pension zu schicken."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1584,"orig":"Deshalb wurden, ſobald er weg war, Anſtalten zur Reiſe gemacht.","norm":"Deshalb wurden, sobald er weg war, Anstalten zur Reise gemacht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1585,"orig":"Ottilie packte zuſammen, aber Charlotte ſah wohl, daß ſie weder das ſchoͤne Koͤfferchen, noch irgend etwas daraus mitzunehmen ſich anſchickte.","norm":"Ottilie packte zusammen, aber Charlotte sah wohl, dass sie weder das schöne Köfferchen, noch irgendetwas daraus mitzunehmen sich anschickte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1586,"orig":"Die Freundinn ſchwieg und ließ das ſchweigende Kind gewaͤhren.","norm":"Die Freundin schwieg und ließ das schweigende Kind gewähren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1587,"orig":"Der Tag der Abreiſe kam herbey;","norm":"Der Tag der Abreise kam herbei;"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1588,"orig":"Charlottens Wagen ſollte Ottilien den erſten Tag bis in ein bekanntes Nachtquartier, den zweyten bis in die Penſion bringen;","norm":"Charlottes Wagen sollte Ottilie den ersten Tag bis in ein bekanntes Nachtquartier, den zweiten bis in die Pension bringen;"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1589,"orig":"Nanny ſollte ſie begleiten und ihre Dienerinn bleiben.","norm":"Nanny sollte sie begleiten und ihre Dienerin bleiben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1590,"orig":"Das leidenſchaftliche Maͤdchen hatte ſich gleich nach dem Tode des Kindes wieder an Ottilien zuruͤckgefunden und hing nun an ihr wie ſonſt durch Natur und Neigung; ja ſie ſchien, durch unterhaltende Redſeligkeit, das bisher Verſaͤumte wieder nachbringen und ſich ihrer geliebten Herrinn voͤllig widmen zu wollen.","norm":"Das leidenschaftliche Mädchen hatte sich gleich nach dem Tode des Kindes wieder an Ottilie zurückgefunden und hing nun an ihr wie sonst durch Natur und Neigung; ja sie schien, durch unterhaltende Redseligkeit, das bisher Versäumte wieder nachbringen und sich ihrer geliebten Herrin völlig widmen zu wollen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1591,"orig":"Ganz außer ſich war ſie nun uͤber das Gluͤck mitzureiſen, fremde Gegenden zu ſehen, da ſie noch niemals außer ihrem Geburtsort geweſen, und rannte vom Schloſſe ins Dorf, zu ihren Aeltern, Verwandten, um ihr Gluͤck zu verkuͤndigen und Abſchied zu nehmen.","norm":"Ganz außer sich war sie nun über das Glück mitzureisen, fremde Gegenden zu sehen, da sie noch niemals außer ihrem Geburtsort gewesen, und rannte vom Schlosse ins Dorf, zu ihren Eltern, Verwandten, um ihr Glück zu verkündigen und Abschied zu nehmen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1592,"orig":"Ungluͤcklicherweiſe traf ſie dabey in die Zimmer der Maſerkranken und empfand ſogleich die Folgen der Anſteckung.","norm":"Unglücklicherweise traf sie dabei in die Zimmer der Maserkranken und empfand sogleich die Folgen der Ansteckung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1593,"orig":"Man wollte die Reiſe nicht aufſchieben;","norm":"Man wollte die Reise nicht aufschieben;"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1594,"orig":"Ottilie drang ſelbſt darauf: ſie hatte den Weg ſchon gemacht, ſie kannte die Wirthsleute bey denen ſie einkehren ſollte, der Kutſcher vom Schloſſe fuͤhrte ſie; es war nichts zu beſorgen.","norm":"Ottilie drang selbst darauf: Sie hatte den Weg schon gemacht, sie kannte die Wirtsleute bei denen sie einkehren sollte, der Kutscher vom Schlosse führte sie; es war nichts zu besorgen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1595,"orig":"Charlotte widerſetzte ſich nicht; auch ſie eilte ſchon in Gedanken aus dieſen Umgebungen weg, nur wollte ſie noch die Zimmer die Ottilie im Schloß bewohnt hatte, wieder fuͤr Eduarden einrichten, gerade ſo wie ſie vor der Ankunft des Hauptmanns geweſen.","norm":"Charlotte widersetzte sich nicht; auch sie eilte schon in Gedanken aus diesen Umgebungen weg, nur wollte sie noch die Zimmer die Ottilie im Schloss bewohnt hatte, wieder für Eduard einrichten, gerade so wie sie vor der Ankunft des Hauptmanns gewesen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1596,"orig":"Die Hoffnung ein altes Gluͤck wiederherzuſtellen flammt immer einmal wieder in dem Menſchen auf, und Charlotte war zu ſolchen Hoffnungen abermals berechtigt, ja genoͤthigt.","norm":"Die Hoffnung ein altes Glück wiederherzustellen flammt immer einmal wieder in dem Menschen auf, und Charlotte war zu solchen Hoffnungen abermals berechtigt, ja genötigt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1597,"orig":"Als Mittler gekommen war, ſich mit Eduarden uͤber die Sache zu unterhalten, fand er ihn allein, den Kopf in die rechte Hand gelehnt, den Arm auf den Tiſch geſtemmt.","norm":"Als Mittler gekommen war, sich mit Eduard über die Sache zu unterhalten, fand er ihn allein, den Kopf in die rechte Hand gelehnt, den Arm auf den Tisch gestemmt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1598,"orig":"Er ſchien ſehr zu leiden.","norm":"Er schien sehr zu leiden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1599,"orig":"Plagt Ihr Kopfweh Sie wieder?","norm":"Plagt Ihr Kopfweh Sie wieder?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1600,"orig":"fragte Mittler.","norm":"fragte Mittler."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1601,"orig":"Es plagt mich, verſetzte jener; und doch kann ich es nicht haſſen: denn es erinnert mich an Ottilien.","norm":"Es plagt mich, versetzte jener; und doch kann ich es nicht hassen: denn es erinnert mich an Ottilie."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1602,"orig":"Vielleicht leidet auch ſie jetzt, denk' ich, auf ihren linken Arm geſtuͤtzt, und leidet wohl mehr als ich.","norm":"Vielleicht leidet auch sie jetzt, denke ich, auf ihren linken Arm gestützt, und leidet wohl mehr als ich."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1603,"orig":"Und warum ſoll ich es nicht tragen, wie ſie?","norm":"Und warum soll ich es nicht tragen, wie sie?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1604,"orig":"Dieſe Schmerzen ſind mir heilſam, ſind mir, ich kann beynah ſagen, wuͤnſchenswerth: denn nur maͤchtiger, deutlicher, lebhafter ſchwebt mir das Bild ihrer Geduld, von allen ihren uͤbrigen Vorzuͤgen begleitet, vor der Seele; nur im Leiden empfinden wir recht vollkommen alle die großen Eigenſchaften, die noͤthig ſind um es zu ertragen.","norm":"Diese Schmerzen sind mir heilsam, sind mir, ich kann beinahe sagen, wünschenswert: denn nur mächtiger, deutlicher, lebhafter schwebt mir das Bild ihrer Geduld, von allen ihren übrigen Vorzügen begleitet, vor der Seele; nur im Leiden empfinden wir recht vollkommen alle die großen Eigenschaften, die nötig sind um es zu ertragen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1605,"orig":"Als Mittler den Freund in dieſem Grade reſignirt fand, hielt er mit ſeinem Anbringen nicht zuruͤck, das er jedoch ſtufenweiſe, wie der Gedanke bey den Frauen entſprungen, wie er nach und nach zum Vorſatz gereift war, hiſtoriſch vortrug.","norm":"Als Mittler den Freund in diesem Grade resigniert fand, hielt er mit seinem Anbringen nicht zurück, das er jedoch stufenweise, wie der Gedanke bei den Frauen entsprungen, wie er nach und nach zum Vorsatz gereift war, historisch vortrug."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1606,"orig":"Eduard aͤußerte ſich kaum dagegen.","norm":"Eduard äußerte sich kaum dagegen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1607,"orig":"Aus dem wenigen was er ſagte, ſchien hervorzugehen, daß er jenen alles uͤberlaſſe; ſein gegenwaͤrtiger Schmerz ſchien ihn gegen alles gleichguͤltig gemacht zu haben.","norm":"Aus dem wenigen was er sagte, schien hervorzugehen, dass er jenen alles überlasse; sein gegenwärtiger Schmerz schien ihn gegen alles gleichgültig gemacht zu haben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1608,"orig":"Kaum aber war er allein, ſo ſtand er auf und ging in dem Zimmer hin und wieder.","norm":"Kaum aber war er allein, so stand er auf und ging in dem Zimmer hin und wider."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1609,"orig":"Er fuͤhlte ſeinen Schmerz nicht mehr, er war ganz außer ſich beſchaͤftigt.","norm":"Er fühlte seinen Schmerz nicht mehr, er war ganz außer sich beschäftigt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1610,"orig":"Schon unter Mittlers Erzaͤhlung hatte die Einbildungskraft des Liebenden ſich lebhaft ergangen.","norm":"Schon unter Mittlers Erzählung hatte die Einbildungskraft des Liebenden sich lebhaft ergangen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1611,"orig":"Er ſah Ottilien, allein oder ſo gut als allein, auf wohlbekanntem Wege, in einem gewohnten Wirthshauſe, deſſen Zimmer er ſo oft betreten; er dachte, er uͤberlegte, oder vielmehr, er dachte, er uͤberlegte nicht; er wuͤnſchte, er wollte nur.","norm":"Er sah Ottilie, allein oder so gut als allein, auf wohlbekanntem Wege, in einem gewohnten Wirtshause, dessen Zimmer er so oft betreten; er dachte, er überlegte, oder vielmehr, er dachte, er überlegte nicht; er wünschte, er wollte nur."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1612,"orig":"Er mußte ſie ſehn, ſie ſprechen.","norm":"Er musste sie sehen, sie sprechen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1613,"orig":"Wozu, warum, was daraus entſtehen ſollte?","norm":"Wozu, warum, was daraus entstehen sollte?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1614,"orig":"davon konnte die Rede nicht ſeyn.","norm":"davon konnte die Rede nicht sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1615,"orig":"Er widerſtand nicht, er mußte.","norm":"Er widerstand nicht, er musste."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1616,"orig":"Der Kammerdiener ward ins Vertrauen gezogen, und erforſchte ſogleich Tag und Stunde, wann Ottilie reiſen wuͤrde.","norm":"Der Kammerdiener wurde ins Vertrauen gezogen, und erforschte sogleich Tag und Stunde, wann Ottilie reisen würde."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1617,"orig":"Der Morgen brach an;","norm":"Der Morgen brach an;"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1618,"orig":"Eduard ſaͤumte nicht, unbegleitet ſich zu Pferde dahin zu begeben, wo Ottilie uͤbernachten ſollte.","norm":"Eduard säumte nicht, unbegleitet sich zu Pferde dahin zu begeben, wo Ottilie übernachten sollte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1619,"orig":"Er kam nur allzuzeitig dort an: die uͤberraſchte Wirthinn empfing ihn mit Freuden: ſie war ihm ein großes Familiengluͤck ſchuldig geworden.","norm":"Er kam nur allzuzeitig dort an: Die überraschte Wirtin empfing ihn mit Freuden: Sie war ihm ein großes Familienglück schuldig geworden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1620,"orig":"Er hatte ihrem Sohn, der als Soldat ſich ſehr brav gehalten, ein Ehrenzeichen verſchafft.","norm":"Er hatte ihrem Sohn, der als Soldat sich sehr brav gehalten, ein Ehrenzeichen verschafft."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1621,"orig":"indem er deſſen That, wobey er allein gegenwaͤrtig geweſen, heraushob, mit Eifer bis vor den Feldherrn brachte und die Hinderniſſe einiger Mißwollenden uͤberwand.","norm":"indem er dessen Tat, wobei er allein gegenwärtig gewesen, heraushob, mit Eifer bis vor den Feldherrn brachte und die Hindernisse einiger Misswollenden überwand."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1622,"orig":"Sie wußte nicht, was ſie ihm alles zu Liebe thun ſollte.","norm":"Sie wusste nicht, was sie ihm alles zuliebe tun sollte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1623,"orig":"Sie raͤumte ſchnell in ihrer Putzſtube, die freylich auch zugleich Garderobe und Vorrathskammer war, moͤglichſt zuſammen; allein er kuͤndigte ihr die Ankunft eines Frauenzimmers an, die hier hereinziehen ſollte, und ließ fuͤr ſich eine Kammer hinten auf dem Gange nothduͤrftig einrichten.","norm":"Sie räumte schnell in ihrer Putzstube, die freilich auch zugleich Garderobe und Vorratskammer war, möglichst zusammen; allein er kündigte ihr die Ankunft eines Frauenzimmers an, die hier hereinziehen sollte, und ließ für sich eine Kammer hinten auf dem Gange notdürftig einrichten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1624,"orig":"Der Wirthinn erſchien die Sache geheimnißvoll, und es war ihr angenehm, ihren Goͤnner, der ſich dabey ſehr intereſſirt und thaͤtig zeigte, etwas gefaͤlliges zu erweiſen.","norm":"Der Wirtin erschien die Sache geheimnisvoll, und es war ihr angenehm, ihren Gönner, der sich dabei sehr interessiert und tätig zeigte, etwas Gefälliges zu erweisen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1625,"orig":"Und er, mit welcher Empfindung brachte er die lange lange Zeit bis zum Abend hin!","norm":"Und er, mit welcher Empfindung brachte er die lange lange Zeit bis zum Abend hin!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1626,"orig":"Er betrachtete das Zimmer rings umher, in dem er ſie ſehen ſollte; es ſchien ihm in ſeiner ganzen haͤuslichen Seltſamkeit ein himmliſcher Aufenthalt.","norm":"Er betrachtete das Zimmer ringsumher, in dem er sie sehen sollte; es schien ihm in seiner ganzen häuslichen Seltsamkeit ein himmlischer Aufenthalt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1627,"orig":"Was dachte er ſich nicht alles aus, ob er Ottilien uͤberraſchen, ob er ſie vorbereiten ſollte!","norm":"Was dachte er sich nicht alles aus, ob er Ottilie überraschen, ob er sie vorbereiten sollte!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1628,"orig":"Endlich gewann die letztere Meynung Oberhand; er ſetzte ſich hin und ſchrieb.","norm":"Endlich gewann die letztere Meinung Oberhand; er setzte sich hin und schrieb."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1629,"orig":"Dieß Blatt ſollte ſie empfangen.","norm":"Dies Blatt sollte sie empfangen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1630,"orig":"Indem du dieſen Brief lieſeſt, Geliebteſte, bin ich in deiner Naͤhe.","norm":"Indem du diesen Brief liest, Geliebteste, bin ich in deiner Nähe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1631,"orig":"Du mußt nicht erſchrecken, dich nicht entſetzen; du haſt von mir nichts zu befuͤrchten.","norm":"Du musst nicht erschrecken, dich nicht entsetzen; du hast von mir nichts zu befürchten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1632,"orig":"Ich werde mich nicht zu dir draͤngen.","norm":"Ich werde mich nicht zu dir drängen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1633,"orig":"Du ſiehſt mich nicht eher als du es erlaubſt.","norm":"Du siehst mich nicht eher als du es erlaubst."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1634,"orig":"Bedenke vorher deine Lage, die meinige.","norm":"Bedenke vorher deine Lage, die meinige."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1635,"orig":"Wie ſehr danke ich dir, daß du keinen entſcheidenden Schritt zu thun vorhaſt; aber bedeutend genug iſt er: thu ihn nicht!","norm":"Wie sehr danke ich dir, dass du keinen entscheidenden Schritt zu tun vorhast; aber bedeutend genug ist er: tu ihn nicht!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1636,"orig":"Hier, auf einer Art von Scheideweg, uͤberlege nochmals: kannſt du mein ſeyn, willſt du mein ſeyn?","norm":"Hier, auf einer Art von Scheideweg, überlege nochmals: Kannst du mein sein, willst du mein sein?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1637,"orig":"O du erzeigſt uns allen eine große Wohlthat und mir eine uͤberſchwaͤngliche.","norm":"O du erzeigst uns allen eine große Wohltat und mir eine überschwängliche."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1638,"orig":"Laß mich dich wiederſehen, dich mit Freuden wiederſehen.","norm":"Lass mich dich wiedersehen, dich mit Freuden wiedersehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1639,"orig":"Laß mich die ſchoͤne Frage muͤndlich thun, und beantworte ſie mir mit deinem ſchoͤnen Selbſt.","norm":"Lass mich die schöne Frage mündlich tun, und beantworte sie mir mit deinem schönen Selbst."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1640,"orig":"An meine Bruſt, Ottilie!","norm":"An meine Brust, Ottilie!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1641,"orig":"hieher, wo du manchmal geruht haſt und wo du immer hingehoͤrſt!","norm":"hierher, wo du manchmal geruht hast und wo du immer hingehörst!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1642,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1643,"orig":"Indem er ſchrieb, ergriff ihn das Gefuͤhl, ſein Hoͤchſterſehntes nahe ſich, es werde nun gleich gegenwaͤrtig ſeyn.","norm":"Indem er schrieb, ergriff ihn das Gefühl, sein Höchstersehntes nahe sich, es werde nun gleich gegenwärtig sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1644,"orig":"Zu dieſer Thuͤre wird ſie hereintreten, dieſen Brief wird ſie leſen, wirklich wird ſie wie ſonſt vor mir daſtehen, deren Erſcheinung ich mir ſo oft herbeyſehnte.","norm":"Zu dieser Türe wird sie hereintreten, diesen Brief wird sie lesen, wirklich wird sie wie sonst vor mir dastehen, deren Erscheinung ich mir so oft herbeisehnte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1645,"orig":"Wird ſie noch dieſelbe ſeyn?","norm":"Wird sie noch dieselbe sein?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1646,"orig":"Hat ſich ihre Geſtalt, haben ſich ihre Geſinnungen veraͤndert?","norm":"Hat sich ihre Gestalt, haben sich ihre Gesinnungen verändert?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1647,"orig":"Er hielt die Feder noch in der Hand, er wollte ſchreiben wie er dachte; aber der Wagen rollte in den Hof.","norm":"Er hielt die Feder noch in der Hand, er wollte schreiben wie er dachte; aber der Wagen rollte in den Hof."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1648,"orig":"Mit fluͤchtiger Feder ſetzte er noch hinzu:","norm":"Mit flüchtiger Feder setzte er noch hinzu:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1649,"orig":"Ich hoͤre dich kommen.","norm":"Ich höre dich kommen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1650,"orig":"Auf einen Augenblick leb wohl!","norm":"Auf einen Augenblick lebe wohl!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1651,"orig":"Er faltete den Brief, uͤberſchrieb ihn; zum Siegeln war es zu ſpaͤt.","norm":"Er faltete den Brief, überschrieb ihn; zum Siegeln war es zu spät."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1652,"orig":"Er ſprang in die Kammer, durch die er nachher auf den Gang zu gelangen wußte, und Augenblicks fiel ihm ein, daß er die Uhr mit dem Petſchaft noch auf dem Tiſch gelaſſen.","norm":"Er sprang in die Kammer, durch die er nachher auf den Gang zu gelangen wusste, und Augenblicks fiel ihm ein, dass er die Uhr mit dem Petschaft noch auf dem Tisch gelassen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1653,"orig":"Sie ſollte dieſe nicht zuerſt ſehen; er ſprang zuruͤck und hohlte ſie gluͤcklich weg.","norm":"Sie sollte diese nicht zuerst sehen; er sprang zurück und holte sie glücklich weg."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1654,"orig":"Vom Vorſaal her vernahm er ſchon die Wirthinn, die auf das Zimmer losging, um es dem Gaſt anzuweiſen.","norm":"Vom Vorsaal her vernahm er schon die Wirtin, die auf das Zimmer losging, um es dem Gast anzuweisen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1655,"orig":"Er eilte gegen die Kammerthuͤr, aber ſie war zugefahren.","norm":"Er eilte gegen die Kammertür, aber sie war zugefahren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1656,"orig":"Den Schluͤſſel hatte er beym Hineinſpringen herunter geworfen, der lag inwendig; das Schloß war zugeſchnappt und er ſtund gebannt.","norm":"Den Schlüssel hatte er beim Hineinspringen heruntergeworfen, der lag inwendig; das Schloss war zugeschnappt und er stand gebannt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1657,"orig":"Heftig draͤngte er an der Thuͤre; ſie gab nicht nach.","norm":"Heftig drängte er an der Türe; sie gab nicht nach."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1658,"orig":"O wie haͤtte er gewuͤnſcht als ein Geiſt durch die Spalten zu ſchluͤpfen!","norm":"O wie hätte er gewünscht als ein Geist durch die Spalten zu schlüpfen!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1659,"orig":"Vergebens!","norm":"Vergebens!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1660,"orig":"Er verbarg ſein Geſicht an den Thuͤrpfoſten.","norm":"Er verbarg sein Gesicht an den Türpfosten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1661,"orig":"Ottilie trat herein, die Wirthinn, als ſie ihn erblickte, zuruͤck.","norm":"Ottilie trat herein, die Wirtin, als sie ihn erblickte, zurück."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1662,"orig":"Auch Ottilien konnte er nicht einen Augenblick verborgen bleiben.","norm":"Auch Ottilie konnte er nicht einen Augenblick verborgen bleiben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1663,"orig":"Er wendete ſich gegen ſie, und ſo ſtanden die Liebenden abermals auf die ſeltſamſte Weiſe gegen einander.","norm":"Er wendete sich gegen sie, und so standen die Liebenden abermals auf die seltsamste Weise gegeneinander."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1664,"orig":"Sie ſah ihn ruhig und ernſthaft an, ohne vor oder zuruͤckzugehen, und als er eine Bewegung machte, ſich ihr zu naͤhern, trat ſie einige Schritte zuruͤck bis an den Tiſch.","norm":"Sie sah ihn ruhig und ernsthaft an, ohne vor oder zurückzugehen, und als er eine Bewegung machte, sich ihr zu nähern, trat sie einige Schritte zurück bis an den Tisch."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1665,"orig":"Auch er trat wieder zuruͤck.","norm":"Auch er trat wieder zurück."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1666,"orig":"Ottilie, rief er aus, laß mich das furchtbare Schweigen brechen!","norm":"Ottilie, rief er aus, lass mich das furchtbare Schweigen brechen!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1667,"orig":"Sind wir nur Schatten, die einander gegenuͤber ſtehen?","norm":"Sind wir nur Schatten, die einander gegenüberstehen?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1668,"orig":"Aber vor allen Dingen hoͤre!","norm":"Aber vor allen Dingen höre!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1669,"orig":"es iſt Zufall, daß du mich gleich jetzt hier findeſt.","norm":"es ist Zufall, dass du mich gleich jetzt hier findest."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1670,"orig":"Neben dir liegt ein Brief, der dich vorbereiten ſollte.","norm":"Neben dir liegt ein Brief, der dich vorbereiten sollte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1671,"orig":"Lies, ich bitte dich, lies ihn!","norm":"Lies, ich bitte dich, lies ihn!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1672,"orig":"und dann beſchließe was du kannſt.","norm":"und dann beschließe was du kannst."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1673,"orig":"Sie blickte herab auf den Brief und nach einigem Beſinnen nahm ſie ihn auf, erbrach und las ihn.","norm":"Sie blickte herab auf den Brief und nach einigem Besinnen nahm sie ihn auf, erbrach und las ihn."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1674,"orig":"Ohne die Miene zu veraͤndern, hatte ſie ihn geleſen und ſo legte ſie ihn leiſe weg; dann druͤckte ſie die flachen, in die Hoͤhe gehobenen Haͤnde zuſammen, fuͤhrte ſie gegen die Bruſt, indem ſie ſich nur wenig vorwaͤrts neigte, und ſah den dringend Fordernden mit einem ſolchen Blick an, daß er von allem abzuſtehen genoͤthigt war, was er verlangen oder wuͤnſchen mochte.","norm":"Ohne die Miene zu verändern, hatte sie ihn gelesen und so legte sie ihn leise weg; dann drückte sie die flachen, in die Höhe gehobenen Hände zusammen, führte sie gegen die Brust, indem sie sich nur wenig vorwärts neigte, und sah den dringend Fordernden mit einem solchen Blick an, dass er von allem abzustehen genötigt war, was er verlangen oder wünschen mochte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1675,"orig":"Dieſe Bewegung zerriß ihm das Herz.","norm":"Diese Bewegung zerriss ihm das Herz."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1676,"orig":"Er konnte den Anblick, er konnte die Stellung Ottiliens nicht ertragen.","norm":"Er konnte den Anblick, er konnte die Stellung Ottilies nicht ertragen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1677,"orig":"Es ſah voͤllig aus, als wuͤrde ſie in die Kniee ſinken, wenn er beharrte.","norm":"Es sah völlig aus, als würde sie in die Kniee sinken, wenn er beharrte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1678,"orig":"Er eilte verzweiflend zur Thuͤr hinaus und ſchickte die Wirthinn zu der Einſamen.","norm":"Er eilte verzweifelnd zur Tür hinaus und schickte die Wirtin zu der Einsamen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1679,"orig":"Er ging auf dem Vorſaal auf und ab.","norm":"Er ging auf dem Vorsaal auf und ab."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1680,"orig":"Es war Nacht geworden, im Zimmer blieb es ſtille.","norm":"Es war Nacht geworden, im Zimmer blieb es stille."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1681,"orig":"Endlich trat die Wirthinn heraus, und zog den Schluͤſſel ab.","norm":"Endlich trat die Wirtin heraus, und zog den Schlüssel ab."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1682,"orig":"Die gute Frau war geruͤhrt, war verlegen, ſie wußte nicht was ſie thun ſollte.","norm":"Die gute Frau war gerührt, war verlegen, sie wusste nicht was sie tun sollte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1683,"orig":"Zuletzt im Weggehen bot ſie den Schluͤſſel Eduarden an, der ihn ablehnte.","norm":"Zuletzt im Weggehen bot sie den Schlüssel Eduard an, der ihn ablehnte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1684,"orig":"Sie ließ das Licht ſtehen und entfernte ſich.","norm":"Sie ließ das Licht stehen und entfernte sich."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1685,"orig":"Eduard im tiefſten Kummer warf ſich auf Ottiliens Schwelle, die er mit ſeinen Thraͤnen benetzte.","norm":"Eduard im tiefsten Kummer warf sich auf Ottilies Schwelle, die er mit seinen Tränen benetzte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1686,"orig":"Jammervoller brachten kaum jemals in ſolcher Naͤhe Liebende eine Nacht zu.","norm":"Jammervoller brachten kaum jemals in solcher Nähe Liebende eine Nacht zu."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1687,"orig":"Der Tag brach an; der Kutſcher trieb, die Wirthinn ſchloß auf und trat in das Zimmer.","norm":"Der Tag brach an; der Kutscher trieb, die Wirtin schloss auf und trat in das Zimmer."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1688,"orig":"Sie fand Ottilien angekleidet eingeſchlafen, ſie ging zuruͤck und winkte Eduarden mit einem theilnehmenden Laͤcheln.","norm":"Sie fand Ottilie angekleidet eingeschlafen, sie ging zurück und winkte Eduard mit einem teilnehmenden Lächeln."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1689,"orig":"Beyde traten vor die Schlafende; aber auch dieſen Anblick vermochte Eduard nicht auszuhalten.","norm":"Beide traten vor die Schlafende; aber auch diesen Anblick vermochte Eduard nicht auszuhalten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1690,"orig":"Die Wirthinn wagte nicht das ruhende Kind zu wecken, ſie ſetzte ſich gegenuͤber.","norm":"Die Wirtin wagte nicht das ruhende Kind zu wecken, sie setzte sich gegenüber."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1691,"orig":"Endlich ſchlug Ottilie die ſchoͤnen Augen auf und richtete ſich auf ihre Fuͤße.","norm":"Endlich schlug Ottilie die schönen Augen auf und richtete sich auf ihre Füße."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1692,"orig":"Sie lehnt das Fruͤhſtuͤck ab, und nun tritt Eduard vor ſie.","norm":"Sie lehnt das Frühstück ab, und nun tritt Eduard vor sie."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1693,"orig":"Er bittet ſie inſtaͤndig, nur ein Wort zu reden, ihren Willen zu erklaͤren: er wolle allen ihren Willen, ſchwoͤrt er; aber ſie ſchweigt.","norm":"Er bittet sie inständig, nur ein Wort zu reden, ihren Willen zu erklären: Er wolle allen ihren Willen, schwört er; aber sie schweigt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1694,"orig":"Nochmals fragt er ſie liebevoll und dringend, ob ſie ihm angehoͤren wolle?","norm":"Nochmals fragt er sie liebevoll und dringend, ob sie ihm angehören wolle?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1695,"orig":"Wie lieblich bewegt ſie, mit niedergeſchlagnen Augen, ihr Haupt zu einem ſanften Nein.","norm":"Wie lieblich bewegt sie, mit niedergeschlagenen Augen, ihr Haupt zu einem sanften Nein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1696,"orig":"Er fragt, ob ſie nach der Penſion wolle?","norm":"Er fragt, ob sie nach der Pension wolle?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1697,"orig":"Gleichguͤltig verneint ſie das.","norm":"Gleichgültig verneint sie das."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1698,"orig":"Aber als er fragt, ob er ſie zu Charlotten zuruͤckfuͤhren duͤrfe?","norm":"Aber als er fragt, ob er sie zu Charlotten zurückführen dürfe?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1699,"orig":"bejaht ſie's mit einem getroſten Neigen des Hauptes.","norm":"bejaht sie es mit einem getrosten Neigen des Hauptes."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1700,"orig":"Er eilt ans Fenſter dem Kutſcher Befehle zu geben; aber hinter ihm weg, iſt ſie wie der Blitz zur Stube hinaus, die Treppe hinab in dem Wagen.","norm":"Er eilt ans Fenster dem Kutscher Befehle zu geben; aber hinter ihm weg, ist sie wie der Blitz zur Stube hinaus, die Treppe hinab in dem Wagen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1701,"orig":"Der Kutſcher nimmt den Weg nach dem Schloſſe zuruͤck;","norm":"Der Kutscher nimmt den Weg nach dem Schlosse zurück;"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1702,"orig":"Eduard folgt zu Pferde in einiger Entfernung.","norm":"Eduard folgt zu Pferde in einiger Entfernung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1703,"orig":"Wie hoͤchſt uͤberraſcht war Charlotte als ſie Ottilien vorfahren und Eduarden zu Pferde ſogleich in den Schloßhof hereinſprengen ſah.","norm":"Wie höchst überrascht war Charlotte als sie Ottilie vorfahren und Eduard zu Pferde sogleich in den Schlosshof hereinsprengen sah."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1704,"orig":"Sie eilte bis zur Thuͤrſchwelle:","norm":"Sie eilte bis zur Türschwelle:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1705,"orig":"Ottilie ſteigt aus und naͤhert ſich mit Eduarden.","norm":"Ottilie steigt aus und nähert sich mit Eduard."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1706,"orig":"Mit Eifer und Gewalt faßt ſie die Haͤnde beyder Ehegatten, druͤckt ſie zuſammen und eilt auf ihr Zimmer.","norm":"Mit Eifer und Gewalt fasst sie die Hände beider Ehegatten, drückt sie zusammen und eilt auf ihr Zimmer."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1707,"orig":"Eduard wirft ſich Charlotten um den Hals und zerfließt in Thraͤnen; er kann ſich nicht erklaͤren, bittet Geduld mit ihm zu haben, Ottilien beyzuſtehen, ihr zu helfen.","norm":"Eduard wirft sich Charlotten um den Hals und zerfließt in Tränen; er kann sich nicht erklären, bittet Geduld mit ihm zu haben, Ottilie beizustehen, ihr zu helfen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1708,"orig":"Charlotte eilt auf Ottiliens Zimmer und ihr ſchaudert da ſie hineintritt: es war ſchon ganz ausgeraͤumt, nur die leeren Waͤnde ſtanden da.","norm":"Charlotte eilt auf Ottilies Zimmer und ihr schaudert da sie hineintritt: Es war schon ganz ausgeräumt, nur die leeren Wände standen da."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1709,"orig":"Es erſchien ſo weitlauftig als unerfreulich.","norm":"Es erschien so weitläufig als unerfreulich."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1710,"orig":"Man hatte alles weggetragen, nur das Koͤfferchen, unſchluͤſſig wo man es hinſtellen ſollte, in der Mitte des Zimmers ſtehen gelaſſen.","norm":"Man hatte alles weggetragen, nur das Köfferchen, unschlüssig wo man es hinstellen sollte, in der Mitte des Zimmers stehengelassen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1711,"orig":"Ottilie lag auf dem Boden, Arm und Haupt uͤber den Koffer geſtreckt, Charlotte bemuͤht ſich um ſie, fragt was vorgegangen, und erhaͤlt keine Antwort.","norm":"Ottilie lag auf dem Boden, Arm und Haupt über den Koffer gestreckt, Charlotte bemüht sich um sie, fragt was vorgegangen, und erhält keine Antwort."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1712,"orig":"Sie laͤßt ihr Maͤdchen, das mit Erquickungen kommt, bey Ottilien und eilt zu Eduarden.","norm":"Sie lässt ihr Mädchen, das mit Erquickungen kommt, bei Ottilie und eilt zu Eduard."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1713,"orig":"Sie findet ihn im Saal; auch er belehrt ſie nicht.","norm":"Sie findet ihn im Saal; auch er belehrt sie nicht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1714,"orig":"Er wirft ſich vor ihr nieder, er badet ihre Haͤnde in Thraͤnen, er flieht auf ſein Zimmer, und als ſie ihm nachfolgen will, begegnet ihr der Kammerdiener, der ſie aufklaͤrt ſoweit er vermag.","norm":"Er wirft sich vor ihr nieder, er badet ihre Hände in Tränen, er flieht auf sein Zimmer, und als sie ihm nachfolgen will, begegnet ihr der Kammerdiener, der sie aufklärt so weit er vermag."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1715,"orig":"Das Uebrige denkt ſie ſich zuſammen, und dann ſogleich mit Entſchloſſenheit an das was der Augenblick fordert.","norm":"Das Übrige denkt sie sich zusammen, und dann sogleich mit Entschlossenheit an das was der Augenblick fordert."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1716,"orig":"Ottiliens Zimmer iſt aufs baldigſte wieder eingerichtet.","norm":"Ottilies Zimmer ist aufs baldigste wieder eingerichtet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1717,"orig":"Eduard hat die ſeinigen angetroffen, bis auf das letzte Papier, wie er ſie verlaſſen.","norm":"Eduard hat die seinigen angetroffen, bis auf das letzte Papier, wie er sie verlassen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1718,"orig":"Die Dreye ſcheinen ſich wieder gegeneinander zu finden; aber Ottilie faͤhrt fort zu ſchweigen, und Eduard vermag nichts als ſeine Gattinn um Geduld zu bitten, die ihm ſelbſt zu fehlen ſcheint.","norm":"Die Drei scheinen sich wieder gegeneinander zu finden; aber Ottilie fährt fort zu schweigen, und Eduard vermag nichts als seine Gattin um Geduld zu bitten, die ihm selbst zu fehlen scheint."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1719,"orig":"Charlotte ſendet Boten an Mittlern und an den Major.","norm":"Charlotte sendet Boten an Mittleren und an den Major."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1720,"orig":"Jener war nicht anzutreffen; dieſer kommt.","norm":"Jener war nicht anzutreffen; dieser kommt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1721,"orig":"Gegen ihn ſchuͤttet Eduard ſein Herz aus, ihm geſteht er jeden kleinſten Umſtand, und ſo erfaͤhrt Charlotte was begegnet, was die Lage ſo ſonderbar veraͤndert, was die Gemuͤther aufgeregt.","norm":"Gegen ihn schüttet Eduard sein Herz aus, ihm gesteht er jeden kleinsten Umstand, und so erfährt Charlotte was begegnet, was die Lage so sonderbar verändert, was die Gemüter aufgeregt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1722,"orig":"Sie ſpricht aufs liebevollſte mit ihrem Gemahl.","norm":"Sie spricht aufs liebevollste mit ihrem Gemahl."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1723,"orig":"Sie weiß keine andere Bitte zu thun als nur, daß man das Kind gegenwaͤrtig nicht beſtuͤrmen moͤge.","norm":"Sie weiß keine andere Bitte zu tun als nur, dass man das Kind gegenwärtig nicht bestürmen möge."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1724,"orig":"Eduard fuͤhlt den Werth, die Liebe, die Vernunft ſeiner Gattinn; aber ſeine Neigung beherrſcht ihn ausſchließlich.","norm":"Eduard fühlt den Wert, die Liebe, die Vernunft seiner Gattin; aber seine Neigung beherrscht ihn ausschließlich."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1725,"orig":"Charlotte macht ihm Hoffnung, verſpricht ihm in die Scheidung zu willigen.","norm":"Charlotte macht ihm Hoffnung, verspricht ihm in die Scheidung zu willigen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1726,"orig":"Er traut nicht; er iſt ſo krank, daß ihn Hoffnung und Glaube abwechſelnd verlaſſen; er dringt in Charlotten, ſie ſoll dem Major ihre Hand zuſagen; eine Art von wahnſinnigem Unmuth hat ihn ergriffen.","norm":"Er traut nicht; er ist so krank, dass ihn Hoffnung und Glaube abwechselnd verlassen; er dringt in Charlotten, sie soll dem Major ihre Hand zusagen; eine Art von wahnsinnigem Unmut hat ihn ergriffen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1727,"orig":"Charlotte, ihn zu beſaͤnftigen, ihn zu erhalten, thut was er fordert.","norm":"Charlotte, ihn zu besänftigen, ihn zu erhalten, tut was er fordert."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1728,"orig":"Sie ſagt dem Major ihre Hand zu, auf den Fall, daß Ottilie ſich mit Eduarden verbinden wolle, jedoch unter ausdruͤcklicher Bedingung, daß die beyden Maͤnner fuͤr den Augenblick zuſammen eine Reiſe machen.","norm":"Sie sagt dem Major ihre Hand zu, auf den Fall, dass Ottilie sich mit Eduard verbinden wolle, jedoch unter ausdrücklicher Bedingung, dass die beiden Männer für den Augenblick zusammen eine Reise machen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1729,"orig":"Der Major hat fuͤr ſeinen Hof ein auswaͤrtiges Geſchaͤft, und Eduard verſpricht ihn zu begleiten.","norm":"Der Major hat für seinen Hof ein auswärtiges Geschäft, und Eduard verspricht ihn zu begleiten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1730,"orig":"Man macht Anſtalten und man beruhigt ſich einigermaßen, indem wenigſtens etwas geſchieht.","norm":"Man macht Anstalten und man beruhigt sich einigermaßen, indem wenigstens etwas geschieht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1731,"orig":"Unterdeſſen kann man bemerken, daß Ottilie kaum Speiſe noch Trank zu ſich nimmt, indem ſie immerfort bey ihrem Schweigen verharrt.","norm":"Unterdessen kann man bemerken, dass Ottilie kaum Speise noch Trank zu sich nimmt, indem sie immerfort bei ihrem Schweigen verharrt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1732,"orig":"Man redet ihr zu, ſie wird aͤngſtlich; man unterlaͤßt es.","norm":"Man redet ihr zu, sie wird ängstlich; man unterlässt es."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1733,"orig":"Denn haben wir nicht meiſtentheils die Schwaͤche, daß wir Jemanden auch zu ſeinem Beſten nicht gern quaͤlen moͤgen.","norm":"Denn haben wir nicht meistenteils die Schwäche, dass wir jemanden auch zu seinem Besten nicht gern quälen mögen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1734,"orig":"Charlotte ſann alle Mittel durch, endlich gerieth ſie auf den Gedanken, jenen Gehuͤlfen aus der Penſion kommen zu laſſen, der uͤber Ottilien viel vermochte, der wegen ihres unvermutheten Außenbleibens ſich ſehr freundlich geaͤußert, aber keine Antwort erhalten hatte.","norm":"Charlotte sann alle Mittel durch, endlich geriet sie auf den Gedanken, jenen Gehilfen aus der Pension kommen zu lassen, der über Ottilie viel vermochte, der wegen ihres unvermuteten Außenbleibens sich sehr freundlich geäußert, aber keine Antwort erhalten hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1735,"orig":"Man ſpricht, um Ottilien nicht zu uͤberraſchen, von dieſem Vorſatz in ihrer Gegenwart.","norm":"Man spricht, um Ottilie nicht zu überraschen, von diesem Vorsatz in ihrer Gegenwart."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1736,"orig":"Sie ſcheint nicht einzuſtimmen; ſie bedenkt ſich; endlich ſcheint ein Entſchluß in ihr zu reifen, ſie eilt nach ihrem Zimmer und ſendet noch vor Abend an die Verſammelten folgendes Schreiben.","norm":"Sie scheint nicht einzustimmen; sie bedenkt sich; endlich scheint ein Entschluss in ihr zu reifen, sie eilt nach ihrem Zimmer und sendet noch vor Abend an die Versammelten folgendes Schreiben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1737,"orig":"Warum ſoll ich ausdruͤcklich ſagen, meine Geliebten, was ſich von ſelbſt verſteht.","norm":"Warum soll ich ausdrücklich sagen, meine Geliebten, was sich von selbst versteht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1738,"orig":"Ich bin aus meiner Bahn geſchritten und ich ſoll nicht wieder hinein.","norm":"Ich bin aus meiner Bahn geschritten und ich soll nicht wieder hinein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1739,"orig":"Ein feindſeliger Daͤmon, der Macht uͤber mich gewonnen, ſcheint mich von außen zu hindern, haͤtte ich mich auch mit mir ſelbſt wieder zur Einigkeit gefunden.","norm":"Ein feindseliger Dämon, der Macht über mich gewonnen, scheint mich von außen zu hindern, hätte ich mich auch mit mir selbst wieder zur Einigkeit gefunden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1740,"orig":"Ganz rein war mein Vorſatz, Eduarden zu entſagen, mich von ihm zu entfernen.","norm":"Ganz rein war mein Vorsatz, Eduard zu entsagen, mich von ihm zu entfernen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1741,"orig":"Ihm hofft' ich nicht wieder zu begegnen.","norm":"Ihm hoffte ich nicht wiederzubegegnen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1742,"orig":"Es iſt anders geworden; er ſtand ſelbſt gegen ſeinen eigenen Willen vor mir.","norm":"Es ist anders geworden; er stand selbst gegen seinen eigenen Willen vor mir."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1743,"orig":"Mein Verſprechen mich mit ihm in keine Unterredung einzulaſſen, habe ich vielleicht zu buchſtaͤblich genommen und gedeutet.","norm":"Mein Versprechen mich mit ihm in keine Unterredung einzulassen, habe ich vielleicht zu buchstäblich genommen und gedeutet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1744,"orig":"Nach Gefuͤhl und Gewiſſen des Augenblicks ſchwieg ich, verſtummt' ich vor dem Freunde, und nun habe ich nichts mehr zu ſagen.","norm":"Nach Gefühl und Gewissen des Augenblicks schwieg ich, verstummte ich vor dem Freunde, und nun habe ich nichts mehr zu sagen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1745,"orig":"Ein ſtrenges Ordensgeluͤbde, welches den der es mit Ueberlegung eingeht, vielleicht unbequem aͤngſtiget, habe ich zufaͤllig, vom Gefuͤhl gedrungen, uͤber mich genommen.","norm":"Ein strenges Ordensgelübde, welches den der es mit Überlegung eingeht, vielleicht unbequem ängstiget, habe ich zufällig, vom Gefühl gedrungen, über mich genommen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1746,"orig":"Laßt mich darin beharren, ſo lange mir das Herz gebietet.","norm":"Lasst mich darin beharren, solange mir das Herz gebietet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1747,"orig":"Beruft keine Mittelsperſon!","norm":"Beruft keine Mittelsperson!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1748,"orig":"Dringt nicht in mich, daß ich reden, daß ich mehr Speiſe und Trank genießen ſoll, als ich hoͤchſtens bedarf.","norm":"Dringt nicht in mich, dass ich reden, dass ich mehr Speise und Trank genießen soll, als ich höchstens bedarf."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1749,"orig":"Helft mir durch Nachſicht und Geduld uͤber dieſe Zeit hinweg.","norm":"Helft mir durch Nachsicht und Geduld über diese Zeit hinweg."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1750,"orig":"Ich bin jung, die Jugend ſtellt ſich unverſehens wieder her.","norm":"Ich bin jung, die Jugend stellt sich unversehens wieder her."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1751,"orig":"Duldet mich in eurer Gegenwart, erfreut mich durch eure Liebe, belehrt mich durch eure Unterhaltung; aber mein Innres uͤberlaßt mir ſelbſt.","norm":"Duldet mich in eurer Gegenwart, erfreut mich durch eure Liebe, belehrt mich durch eure Unterhaltung; aber mein Inneres überlasst mir selbst."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1752,"orig":"Die laͤngſt vorbereitete Abreiſe der Maͤnner unterblieb, weil jenes auswaͤrtige Geſchaͤft des Majors ſich verzoͤgerte: wie erwuͤnſcht fuͤr Eduard!","norm":"Die längst vorbereitete Abreise der Männer unterblieb, weil jenes auswärtige Geschäft des Majors sich verzögerte: wie erwünscht für Eduard!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1753,"orig":"Nun durch Ottiliens Blatt aufs neue angeregt, durch ihre troſtvollen hoffnunggebenden Worte wieder ermuthigt und zu ſtandhaftem Ausharren berechtigt, erklaͤrte er auf einmal: er werde ſich nicht entfernen.","norm":"Nun durch Ottilies Blatt aufs neue angeregt, durch ihre trostvollen hoffnunggebenden Worte wieder ermutigt und zu standhaftem Ausharren berechtigt, erklärte er auf einmal: Er werde sich nicht entfernen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1754,"orig":"Wie thoͤricht!","norm":"Wie töricht!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1755,"orig":"rief er aus, das Unentbehrlichſte, Nothwendigſte vorſaͤtzlich, voreilig wegzuwerfen, das, wenn uns auch der Verluſt bedroht, vielleicht noch zu erhalten waͤre.","norm":"rief er aus, das Unentbehrlichste, notwendigste vorsätzlich, voreilig wegzuwerfen, das, wenn uns auch der Verlust bedroht, vielleicht noch zu erhalten wäre."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1756,"orig":"Und was ſoll es heißen?","norm":"Und was soll es heißen?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1757,"orig":"Doch nur, daß der Menſch ja ſcheine wollen, waͤhlen zu koͤnnen.","norm":"Doch nur, dass der Mensch ja scheine wollen, wählen zu können."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1758,"orig":"So habe ich oft, beherrſcht von ſolchem albernen Duͤnkel, Stunden ja Tage zu fruͤh, mich von Freunden losgeriſſen, um nur nicht von dem letzten unausweichlichen Termin entſchieden gezwungen zu werden.","norm":"So habe ich oft, beherrscht von solchem albernen Dünkel, Stunden ja Tage zu früh, mich von Freunden losgerissen, um nur nicht von dem letzten unausweichlichen Termin entschieden gezwungen zu werden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1759,"orig":"Dießmal aber will ich bleiben.","norm":"Diesmal aber will ich bleiben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1760,"orig":"Warum ſoll ich mich entfernen?","norm":"Warum soll ich mich entfernen?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1761,"orig":"Iſt ſie nicht ſchon von mir entfernt?","norm":"Ist sie nicht schon von mir entfernt?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1762,"orig":"Es faͤllt mir nicht ein, ihre Hand zu faſſen, ſie an mein Herz zu druͤcken; ſogar darf ich es nicht denken, es ſchaudert mir.","norm":"Es fällt mir nicht ein, ihre Hand zu fassen, sie an mein Herz zu drücken; sogar darf ich es nicht denken, es schaudert mir."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1763,"orig":"Sie hat ſich nicht von mir weg, ſie hat ſich uͤber mich weggehoben.","norm":"Sie hat sich nicht von mir weg, sie hat sich über mich weggehoben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1764,"orig":"Und ſo blieb er, wie er wollte, wie er mußte.","norm":"Und so blieb er, wie er wollte, wie er musste."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1765,"orig":"Aber auch dem Behagen glich nichts, wenn er ſich mit ihr zuſammenfand.","norm":"Aber auch dem Behagen glich nichts, wenn er sich mit ihr zusammenfand."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1766,"orig":"Und ſo war auch ihr dieſelbe Empfindung geblieben; auch ſie konnte ſich dieſer ſeligen Nothwendigkeit nicht entziehen.","norm":"Und so war auch ihr dieselbe Empfindung geblieben; auch sie konnte sich dieser seligen Notwendigkeit nicht entziehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1767,"orig":"Nach wie vor uͤbten ſie eine unbeſchreibliche, faſt magiſche Anziehungskraft gegen einander aus.","norm":"Nach wie vor übten sie eine unbeschreibliche, fast magische Anziehungskraft gegeneinander aus."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1768,"orig":"Sie wohnten unter Einem Dache; aber ſelbſt ohne gerade an einander zu denken, mit andern Dingen beſchaͤftigt, von der Geſellſchaft hin und her gezogen, naͤherten ſie ſich einander.","norm":"Sie wohnten unter einem Dache; aber selbst ohne gerade aneinander zu denken, mit anderen Dingen beschäftigt, von der Gesellschaft hin und her gezogen, näherten sie sich einander."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1769,"orig":"Fanden ſie ſich in Einem Saale, ſo dauerte es nicht lange und ſie ſtanden, ſie ſaßen neben einander.","norm":"Fanden sie sich in einem Saale, so dauerte es nicht lange und sie standen, sie saßen nebeneinander."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1770,"orig":"Nur die naͤchſte Naͤhe konnte ſie beruhigen, aber auch voͤllig beruhigen, und dieſe Naͤhe war genug; nicht eines Blickes, nicht eines Wortes, keiner Gebaͤrde, keiner Beruͤhrung bedurfte es, nur des reinen Zuſammenſeyns.","norm":"Nur die nächste Nähe konnte sie beruhigen, aber auch völlig beruhigen, und diese Nähe war genug; nicht eines Blickes, nicht eines Wortes, keiner Gebärde, keiner Berührung bedurfte es, nur des reinen Zusammenseins."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1771,"orig":"Dann waren es nicht zwey Menſchen, es war nur Ein Menſch im bewußtloſen vollkommnen Behagen, mit ſich ſelbſt zufrieden und mit der Welt.","norm":"Dann waren es nicht zwei Menschen, es war nur ein Mensch im bewusstlosen vollkommenen Behagen, mit sich selbst zufrieden und mit der Welt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1772,"orig":"Ja, haͤtte man eins von beyden am letzten Ende der Wohnung feſtgehalten, das andere haͤtte ſich nach und nach von ſelbſt, ohne Vorſatz, zu ihm hinbewegt.","norm":"Ja, hätte man eins von beiden am letzten Ende der Wohnung festgehalten, das andere hätte sich nach und nach von selbst, ohne Vorsatz, zu ihm hinbewegt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1773,"orig":"Das Leben war ihnen ein Raͤthſel, deſſen Aufloͤſung ſie nur mit einander fanden.","norm":"Das Leben war ihnen ein Rätsel, dessen Auflösung sie nur miteinander fanden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1774,"orig":"Ottilie war durchaus heiter und gelaſſen, ſo daß man ſich uͤber ſie voͤllig beruhigen konnte.","norm":"Ottilie war durchaus heiter und gelassen, so dass man sich über sie völlig beruhigen konnte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1775,"orig":"Sie entfernte ſich wenig aus der Geſellſchaft, nur hatte ſie es erlangt, allein zu ſpeiſen.","norm":"Sie entfernte sich wenig aus der Gesellschaft, nur hatte sie es erlangt, allein zu speisen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1776,"orig":"Niemand als Nanny bediente ſie.","norm":"Niemand als Nanny bediente sie."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1777,"orig":"Was einem jeden Menſchen gewoͤhnlich begegnet, wiederhohlt ſich mehr als man glaubt, weil ſeine Natur hiezu die naͤchſte Beſtimmung giebt.","norm":"Was einem jeden Menschen gewöhnlich begegnet, wiederholt sich mehr als man glaubt, weil seine Natur hiezu die nächste Bestimmung gibt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1778,"orig":"Character, Individualitaͤt, Neigung, Richtung, Oertlichkeit, Umgebungen und Gewohnheiten bilden zuſammen ein Ganzes, in welchem jeder Menſch, wie in einem Elemente, in einer Atmosphaͤre, ſchwimmt, worin es ihm allein bequem und behaglich iſt.","norm":"Charakter, Individualität, Neigung, Richtung, Örtlichkeit, Umgebungen und Gewohnheiten bilden zusammen ein Ganzes, in welchem jeder Mensch, wie in einem Elemente, in einer Atmosphäre, schwimmt, worin es ihm allein bequem und behaglich ist."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1779,"orig":"Und ſo finden wir die Menſchen, uͤber deren Veraͤnderlichkeit ſo viele Klage gefuͤhrt wird, nach vielen Jahren zu unſerm Erſtaunen unveraͤndert, und nach aͤußern und innern unendlichen Anregungen unveraͤnderlich.","norm":"Und so finden wir die Menschen, über deren Veränderlichkeit so viele Klage geführt wird, nach vielen Jahren zu unserem Erstaunen unverändert, und nach äußeren und inneren unendlichen Anregungen unveränderlich."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1780,"orig":"So bewegte ſich auch in dem taͤglichen Zuſammenleben unſerer Freunde faſt alles wieder in dem alten Gleiſe.","norm":"So bewegte sich auch in dem täglichen Zusammenleben unserer Freunde fast alles wieder in dem alten Gleise."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1781,"orig":"Noch immer aͤußerte Ottilie ſtillſchweigend durch manche Gefaͤlligkeit ihr zuvorkommendes Weſen; und ſo jedes nach ſeiner Art. Auf dieſe Weiſe zeigte ſich der haͤuſliche Zirkel als ein Scheinbild des vorigen Lebens, und der Wahn, als ob noch alles beym alten ſey, war verzeihlich.","norm":"Noch immer äußerte Ottilie stillschweigend durch manche Gefälligkeit ihr zuvorkommendes Wesen; und so jedes nach seiner Art. Auf diese Weise zeigte sich der häusliche Zirkel als ein Scheinbild des vorigen Lebens, und der Wahn, als ob noch alles beim alten sei, war verzeihlich."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1782,"orig":"Die herbſtlichen Tage, an Laͤnge jenen Fruͤhlingstagen gleich, riefen die Geſellſchaft um eben die Stunde aus dem Freyen ins Haus zuruͤck.","norm":"Die herbstlichen Tage, an Länge jenen Frühlingstagen gleich, riefen die Gesellschaft um eben die Stunde aus dem Freien ins Haus zurück."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1783,"orig":"Der Schmuck an Fruͤchten und Blumen, der dieſer Zeit eigen iſt, ließ glauben als wenn es der Herbſt jenes erſten Fruͤhlings waͤre; die Zwiſchenzeit war ins Vergeſſen gefallen.","norm":"Der Schmuck an Früchten und Blumen, der dieser Zeit eigen ist, ließ glauben als wenn es der Herbst jenes ersten Frühlings wäre; die Zwischenzeit war ins Vergessen gefallen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1784,"orig":"Denn nun bluͤhten die Blumen, dergleichen man in jenen erſten Tagen auch geſaͤt hatte; nun reiften Fruͤchte an den Baͤumen, die man damals bluͤhen geſehen.","norm":"Denn nun blühten die Blumen, dergleichen man in jenen ersten Tagen auch gesät hatte; nun reiften Früchte an den Bäumen, die man damals blühen gesehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1785,"orig":"Der Major ging ab und zu; auch Mittler ließ ſich oͤfter ſehen.","norm":"Der Major ging ab und zu; auch Mittler ließ sich öfter sehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1786,"orig":"Die Abendſitzungen waren meiſtens regelmaͤßig.","norm":"Die Abendsitzungen waren meistens regelmäßig."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1787,"orig":"Eduard las gewoͤhnlich; lebhafter, gefuͤhlvoller, beſſer, ja ſogar heiterer, wenn man will, als jemals.","norm":"Eduard las gewöhnlich; lebhafter, gefühlvoller, besser, ja sogar heiterer, wenn man will, als jemals."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1788,"orig":"Es war als wenn er, ſo gut durch Froͤhlichkeit als durch Gefuͤhl, Ottiliens Erſtarren wieder beleben, ihr Schweigen wieder aufloͤſen wollte.","norm":"Es war als wenn er, so gut durch Fröhlichkeit als durch Gefühl, Ottilies Erstarren wieder beleben, ihr Schweigen wieder auflösen wollte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1789,"orig":"Er ſetzte ſich wie vormals, daß ſie ihm ins Buch ſehen konnte, ja er ward unruhig, zerſtreut, wenn ſie nicht hineinſah, wenn er nicht gewiß war, daß ſie ſeinen Worten mit ihren Augen folgte.","norm":"Er setzte sich wie vormals, dass sie ihm ins Buch sehen konnte, ja er wurde unruhig, zerstreut, wenn sie nicht hineinsah, wenn er nicht gewiss war, dass sie seinen Worten mit ihren Augen folgte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1790,"orig":"Jedes unerfreuliche unbequeme Gefuͤhl der mittleren Zeit war ausgeloͤſcht.","norm":"Jedes unerfreuliche unbequeme Gefühl der mittleren Zeit war ausgelöscht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1791,"orig":"Keines trug mehr dem andern etwas nach; jede Art von Bitterkeit war verſchwunden.","norm":"Keines trug mehr dem anderen etwas nach; jede Art von Bitterkeit war verschwunden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1792,"orig":"Der Major begleitete mit der Violine das Clavierſpiel Charlottens, ſo wie Eduards Floͤte mit Ottiliens Behandlung des Saiteninſtruments wieder wie vormals zuſammentraf.","norm":"Der Major begleitete mit der Violine das Klavierspiel Charlottes, so wie Eduards Flöte mit Ottilies Behandlung des Saiteninstruments wieder wie vormals zusammentraf."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1793,"orig":"So ruͤckte man dem Geburtstage Eduards naͤher, deſſen Feyer man vor einem Jahre nicht erreicht hatte.","norm":"So rückte man dem Geburtstage Eduards näher, dessen Feier man vor einem Jahre nicht erreicht hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1794,"orig":"Er ſollte ohne Feſtlichkeit in ſtillem freundlichen Behagen dießmal gefeyert werden.","norm":"Er sollte ohne Festlichkeit in stillem freundlichen Behagen diesmal gefeiert werden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1795,"orig":"So war man, halb ſtillſchweigend halb ausdruͤcklich, mit einander uͤbereingekommen.","norm":"So war man, halb stillschweigend halb ausdrücklich, miteinander übereingekommen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1796,"orig":"Doch je naͤher dieſe Epoche heranruͤckte, vermehrte ſich das Feyerliche in Ottiliens Weſen, das man bisher mehr empfunden als bemerkt hatte.","norm":"Doch je näher diese Epoche heranrückte, vermehrte sich das Feierliche in Ottilies Wesen, das man bisher mehr empfunden als bemerkt hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1797,"orig":"Sie ſchien im Garten oft die Blumen zu muſtern; ſie hatte dem Gaͤrtner angedeutet, die Sommergewaͤchſe aller Art zu ſchonen, und ſich beſonders bey den Aſtern aufgehalten, die gerade dieſes Jahr in unmaͤßiger Menge bluͤhten.","norm":"Sie schien im Garten oft die Blumen zu mustern; sie hatte dem Gärtner angedeutet, die Sommergewächse aller Art zu schonen, und sich besonders bei den Aster aufgehalten, die gerade dieses Jahr in unmäßiger Menge blühten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1798,"orig":"Das Bedeutendſte jedoch was die Freunde mit ſtiller Aufmerkſamkeit beobachteten, war, daß Ottilie den Coffer zum erſtenmal ausgepackt und daraus verſchiedenes gewaͤhlt und abgeſchnitten hatte, was zu einem einzigen aber ganzen und vollen Anzug hinreichte.","norm":"Das Bedeutendste jedoch was die Freunde mit stiller Aufmerksamkeit beobachteten, war, dass Ottilie den Koffer zum ersten Mal ausgepackt und daraus verschiedenes gewählt und abgeschnitten hatte, was zu einem einzigen aber ganzen und vollen Anzug hinreichte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1799,"orig":"Als ſie das Uebrige mit Beyhuͤlfe Nannys wieder einpacken wollte, konnte ſie kaum damit zu Stande kommen; der Raum war uͤbervoll, obgleich ſchon ein Theil herausgenommen war.","norm":"Als sie das Übrige mit Beihilfe Nannys wieder einpacken wollte, konnte sie kaum damit zustande kommen; der Raum war übervoll, obgleich schon ein Teil herausgenommen war."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1800,"orig":"Das junge habgierige Maͤdchen konnte ſich nicht ſatt ſehen, beſonders da ſie auch fuͤr alle kleineren Stuͤcke des Anzugs geſorgt fand.","norm":"Das junge habgierige Mädchen konnte sich nicht satt sehen, besonders da sie auch für alle kleineren Stücke des Anzugs gesorgt fand."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1801,"orig":"Schuhe, Struͤmpfe, Strumpfbaͤnder mit Deviſen, Handſchuhe und ſo manches andere war noch uͤbrig.","norm":"Schuhe, Strümpfe, Strumpfbänder mit Devisen, Handschuhe und so manches Andere war noch übrig."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1802,"orig":"Sie bat Ottilien, ihr nur etwas davon zu ſchenken.","norm":"Sie bat Ottilie, ihr nur etwas davon zu schenken."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1803,"orig":"Dieſe verweigerte es; zog aber ſogleich die Schublade einer Commode heraus und ließ das Kind waͤhlen, das haſtig und ungeſchickt zugriff und mit der Beute gleich davon lief, um den uͤbrigen Hausgenoſſen ihr Gluͤck zu verkuͤnden und vorzuzeigen.","norm":"Diese verweigerte es; zog aber sogleich die Schublade einer Commode heraus und ließ das Kind wählen, das hastig und ungeschickt zugriff und mit der Beute gleich davonlief, um den übrigen Hausgenossen ihr Glück zu verkünden und vorzuzeigen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1804,"orig":"Zuletzt gelang es Ottilien alles ſorgfaͤltig wieder einzuſchichten; ſie oͤffnete hierauf ein verborgenes Fach das im Deckel angebracht war.","norm":"Zuletzt gelang es Ottilie alles sorgfältig wieder einzuschichten; sie öffnete hierauf ein verborgenes Fach das im Deckel angebracht war."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1805,"orig":"Dort hatte ſie kleine Zettelchen und Briefe Eduards, mancherley aufgetrocknete Blumenerinnerungen fruͤherer Spazirgaͤnge, eine Locke ihres Geliebten, und was ſonſt noch verborgen.","norm":"Dort hatte sie kleine Zettelchen und Briefe Eduards, mancherlei aufgetrocknete Blumenerinnerungen früherer Spaziergänge, eine Locke ihres Geliebten, und was sonst noch verborgen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1806,"orig":"Noch eins fuͤgte ſie hinzu — es war das Portraͤt ihres Vaters — und verſchloß das Ganze, worauf ſie den zarten Schluͤſſel an dem goldnen Kettchen wieder um den Hals an ihre Bruſt hing.","norm":"Noch eins fügte sie hinzu — es war das Porträt ihres Vaters — und verschloss das Ganze, worauf sie den zarten Schlüssel an dem goldenen Kettchen wieder um den Hals an ihre Brust hing."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1807,"orig":"Mancherley Hoffnungen waren indeß in dem Herzen der Freunde rege geworden.","norm":"Mancherlei Hoffnungen waren indes in dem Herzen der Freunde rege geworden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1808,"orig":"Charlotte war uͤberzeugt, Ottilie werde auf jenen Tag wieder zu ſprechen anfangen: denn ſie hatte bisher eine heimliche Geſchaͤftigkeit bewieſen, eine Art von heiterer Selbſtzufriedenheit, ein Laͤcheln wie es demjenigen auf dem Geſichte ſchwebt, der Geliebten etwas Gutes und Erfreuliches verbirgt.","norm":"Charlotte war überzeugt, Ottilie werde auf jenen Tag wieder zu sprechen anfangen: denn sie hatte bisher eine heimliche Geschäftigkeit bewiesen, eine Art von heiterer Selbstzufriedenheit, ein Lächeln wie es demjenigen auf dem Gesichte schwebt, der Geliebten etwas Gutes und Erfreuliches verbirgt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1809,"orig":"Niemand wußte, daß Ottilie gar manche Stunde in großer Schwachheit hinbrachte, aus der ſie ſich nur fuͤr die Zeiten, wo ſie erſchien, durch Geiſteskraft emporhielt.","norm":"Niemand wusste, dass Ottilie gar manche Stunde in großer Schwachheit hinbrachte, aus der sie sich nur für die Zeiten, wo sie erschien, durch Geisteskraft emporhielt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1810,"orig":"Mittler hatte ſich dieſe Zeit oͤfter ſehen laſſen und war laͤnger geblieben als ſonſt gewoͤhnlich.","norm":"Mittler hatte sich diese Zeit öfter sehen lassen und war länger geblieben als sonst gewöhnlich."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1811,"orig":"Der hartnaͤckige Mann wußte nur zu wohl, daß es einen gewiſſen Moment giebt wo allein das Eiſen zu ſchmieden iſt.","norm":"Der hartnäckige Mann wusste nur zu wohl, dass es einen gewissen Moment gibt wo allein das Eisen zu schmieden ist."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1812,"orig":"Ottiliens Schweigen ſo wie ihre Weigerung legte er zu ſeinen Gunſten aus.","norm":"Ottilies Schweigen sowie ihre Weigerung legte er zu seinen Gunsten aus."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1813,"orig":"Es war bisher kein Schritt zu Scheidung der Gatten geſchehen; er hoffte das Schickſal des guten Maͤdchens auf irgend eine andere guͤnſtige Weiſe zu beſtimmen; er horchte, er gab nach, er gab zu verſtehen und fuͤhrte ſich nach ſeiner Weiſe klug genug auf.","norm":"Es war bisher kein Schritt zu Scheidung der Gatten geschehen; er hoffte das Schicksal des guten Mädchens auf irgendeine andere günstige Weise zu bestimmen; er horchte, er gab nach, er gab zu verstehen und führte sich nach seiner Weise klug genug auf."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1814,"orig":"Allein uͤberwaͤltigt war er ſtets ſobald er Anlaß fand, ſein Raͤſonnement uͤber Materien zu aͤußern, denen er eine große Wichtigkeit beylegte.","norm":"Allein überwältigt war er stets sobald er Anlass fand, sein Räsonnement über Materien zu äußeren, denen er eine große Wichtigkeit beilegte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1815,"orig":"Er lebte viel in ſich, und wenn er mit andern war, ſo verhielt er ſich gewoͤhnlich nur handelnd gegen ſie.","norm":"Er lebte viel in sich, und wenn er mit anderen war, so verhielt er sich gewöhnlich nur handelnd gegen sie."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1816,"orig":"Brach nun einmal unter Freunden ſeine Rede los, wie wir ſchon oͤfter geſehen haben; ſo rollte ſie ohne Ruͤckſicht fort, verletzte oder heilte, nutzte oder ſchadete, wie es ſich gerade fuͤgen mochte.","norm":"Brach nun einmal unter Freunden seine Rede los, wie wir schon öfter gesehen haben; so rollte sie ohne Rücksicht fort, verletzte oder heilte, nutzte oder schadete, wie es sich gerade fügen mochte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1817,"orig":"Den Abend vor Eduards Geburtstage ſaßen Charlotte und der Major, Eduarden der ausgeritten war, erwartend beyſammen;","norm":"Den Abend vor Eduards Geburtstage saßen Charlotte und der Major, Eduard der ausgeritten war, erwartend beisammen;"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1818,"orig":"Mittler ging im Zimmer auf und ab;","norm":"Mittler ging im Zimmer auf und ab;"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1819,"orig":"Ottilie war auf dem ihrigen geblieben, den morgenden Schmuck auseinander legend und ihrem Maͤdchen manches andeutend, welche ſie vollkommen verſtand und die ſtummen Anordnungen geſchickt befolgte.","norm":"Ottilie war auf dem ihrigen geblieben, den morgenden Schmuck auseinanderlegend und ihrem Mädchen manches andeutend, welche sie vollkommen verstand und die stummen Anordnungen geschickt befolgte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1820,"orig":"Mittler war gerade auf eine ſeiner Lieblingsmaterien gekommen.","norm":"Mittler war gerade auf eine seiner Lieblingsmaterien gekommen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1821,"orig":"Er pflegte gern zu behaupten, daß ſowohl bey der Erziehung der Kinder als bey der Leitung der Voͤlker, nichts ungeſchickter und barbariſcher ſey als Verbote, als verbietende Geſetze und Anordnungen.","norm":"Er pflegte gern zu behaupten, dass sowohl bei der Erziehung der Kinder als bei der Leitung der Völker, nichts ungeschickter und barbarischer sei als Verbote, als verbietende Gesetze und Anordnungen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1822,"orig":"Der Menſch iſt von Hauſe aus thaͤtig, ſagte er, und wenn man ihm zu gebieten verſteht, ſo faͤhrt er gleich dahinter her, handelt und richtet aus.","norm":"Der Mensch ist von Hause aus tätig, sagte er, und wenn man ihm zu gebieten versteht, so fährt er gleich dahinter her, handelt und richtet aus."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1823,"orig":"Ich fuͤr meine Perſon mag lieber in meinem Kreiſe Fehler und Gebrechen ſo lange dulden, bis ich die entgegengeſetzte Tugend gebieten kann, als daß ich den Fehler los wuͤrde und nichts Rechtes an ſeiner Stelle ſaͤhe.","norm":"Ich für meine Person mag lieber in meinem Kreise Fehler und Gebrechen so lange dulden, bis ich die entgegengesetzte Tugend gebieten kann, als dass ich den Fehler loswürde und nichts Rechtes an seiner Stelle sähe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1824,"orig":"Der Menſch thut recht gern das Gute, das Zweckmaͤßige, wenn er nur dazu kommen kann; er thut es, damit er was zu thun hat, und ſinnt daruͤber nicht weiter nach, als uͤber alberne Streiche, die er aus Muͤßiggang und langer Weile vornimmt.","norm":"Der Mensch tut recht gern das Gute, das Zweckmäßige, wenn er nur dazu kommen kann; er tut es, damit er was zu tun hat, und sinnt darüber nicht weiter nach, als über alberne Streiche, die er aus Müßiggang und langer Weile vornimmt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1825,"orig":"Wie verdrießlich iſt mir's oft, mit anzuhoͤren, wie man die Zehngebote in der Kinderlehre wiederhohlen laͤßt.","norm":"Wie verdrießlich ist mir es oft, mit anzuhören, wie man die Zehn Gebote in der Kinderlehre wiederholen lässt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1826,"orig":"Das vierte iſt noch ein ganz huͤbſches vernuͤnftiges gebietendes Gebot:","norm":"Das vierte ist noch ein ganz hübsches vernünftiges gebietendes Gebot:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1827,"orig":"Du ſollſt Vater und Mutter ehren.","norm":"Du sollst Vater und Mutter ehren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1828,"orig":"Wenn ſich das die Kinder recht in den Sinn ſchreiben, ſo haben ſie den ganzen Tag daran auszuuͤben.","norm":"Wenn sich das die Kinder recht in den Sinn schreiben, so haben sie den ganzen Tag daran auszuüben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1829,"orig":"Nun aber das fuͤnfte, was ſoll man dazu ſagen?","norm":"Nun aber das Fünfte, was soll man dazu sagen?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1830,"orig":"Du ſollſt nicht toͤdten.","norm":"Du sollst nicht töten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1831,"orig":"Als wenn irgend ein Menſch im mindeſten Luſt haͤtte den andern todt zu ſchlagen!","norm":"Als wenn irgendein Mensch im mindesten Lust hätte den anderen totzuschlagen!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1832,"orig":"Man haßt einen, man erzuͤrnt ſich, man uͤbereilt ſich und in Gefolg von dem und manchem andern kann es wohl kommen, daß man gelegentlich einen todt ſchlaͤgt.","norm":"Man hasst einen, man erzürnt sich, man übereilt sich und in Gefolge von dem und manchem anderen kann es wohl kommen, dass man gelegentlich einen totschlägt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1833,"orig":"Aber iſt es nicht eine barbariſche Anſtalt, den Kindern Mord und Todtſchlag zu verbieten?","norm":"Aber ist es nicht eine barbarische Anstalt, den Kindern Mord und Totschlag zu verbieten?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1834,"orig":"Wenn es hieße: ſorge fuͤr des Andern Leben, entferne was ihm ſchaͤdlich ſeyn kann, rette ihn mit deiner eigenen Gefahr; wenn du ihn beſchaͤdigſt, denke daß du dich ſelbſt beſchaͤdigſt: das ſind Gebote wie ſie unter gebildeten vernuͤnftigen Voͤlkern Statt haben, und die man bey der Catechismuslehre nur kuͤmmerlich in dem Wasiſtdas nachſchleppt.","norm":"Wenn es hieße: Sorge für des anderen Leben, entferne was ihm schädlich sein kann, rette ihn mit deiner eigenen Gefahr; wenn du ihn beschädigst, denke dass du dich selbst beschädigst: Das sind Gebote wie sie unter gebildeten vernünftigen Völkern statt haben, und die man bei der Katechismuslehre nur kümmerlich in dem Wasistdas nachschleppt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1835,"orig":"Und nun gar das ſechſte, das finde ich ganz abſcheulich!","norm":"Und nun gar das Sechste, das finde ich ganz abscheulich!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1836,"orig":"Was?","norm":"Was?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1837,"orig":"die Neugierde vorahndender Kinder auf gefaͤhrliche Myſterien reizen, ihre Einbildungskraft zu wunderlichen Bildern und Vorſtellungen aufregen, die gerade das was man entfernen will, mit Gewalt heranbringen!","norm":"Die Neugierde vorahnender Kinder auf gefährliche Mysterien reizen, ihre Einbildungskraft zu wunderlichen Bildern und Vorstellungen aufregen, die gerade das was man entfernen will, mit Gewalt heranbringen!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1838,"orig":"Weit beſſer waͤre es, daß dergleichen von einem heimlichen Gericht willkuͤhrlich beſtraft wuͤrde, als daß man vor Kirch' und Gemeinde davon plappern laͤßt.","norm":"Weit besser wäre es, dass dergleichen von einem heimlichen Gericht willkürlich bestraft würde, als dass man vor Kirche und Gemeinde davon plappern lässt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1839,"orig":"In dem Augenblick trat Ottilie herein — Du ſollſt nicht ehebrechen, fuhr Mittler fort:","norm":"In dem Augenblick trat Ottilie herein — Du sollst nicht ehebrechen, fuhr Mittler fort:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1840,"orig":"Wie grob, wie unanſtaͤndig!","norm":"Wie grob, wie unanständig!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1841,"orig":"Klaͤnge es nicht ganz anders wenn es hieße:","norm":"Klänge es nicht ganz anders wenn es hieße:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1842,"orig":"Du ſollſt Ehrfurcht haben vor der ehelichen Verbindung; wo du Gatten ſiehſt die ſich lieben, ſollſt du dich daruͤber freuen und Theil daran nehmen wie an dem Gluͤck eines heitern Tages.","norm":"Du sollst Ehrfurcht haben vor der ehelichen Verbindung; wo du Gatten siehst die sich lieben, sollst du dich darüber freuen und Teil daran nehmen wie an dem Glück eines heiteren Tages."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1843,"orig":"Sollte ſich irgend in ihrem Verhaͤltniß etwas truͤben, ſo ſollſt du ſuchen es aufzuklaͤren; du ſollſt ſuchen ſie zu beguͤtigen, ſie zu beſaͤnftigen, ihnen ihre wechſelſeitigen Vortheile deutlich zu machen, und mit ſchoͤner Uneigennuͤtzigkeit das Wohl der andern foͤrdern, indem du ihnen fuͤhlbar machſt was fuͤr ein Gluͤck aus jeder Pflicht und beſonders aus dieſer entſpringt, welche Mann und Weib unaufloͤslich verbindet.","norm":"Sollte sich irgend in ihrem Verhältnis etwas trüben, so sollst du suchen es aufzuklären; du sollst suchen sie zu begütigen, sie zu besänftigen, ihnen ihre wechselseitigen Vorteile deutlich zu machen, und mit schöner Uneigennützigkeit das Wohl der anderen fördern, indem du ihnen fühlbar machst was für ein Glück aus jeder Pflicht und besonders aus dieser entspringt, welche Mann und Weib unauflöslich verbindet."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1844,"orig":"Charlotte ſaß wie auf Kohlen, und der Zuſtand war ihr um ſo aͤngſtlicher als ſie uͤberzeugt war, daß Mittler nicht wußte was und wo er's ſagte, und ehe ſie ihn noch unterbrechen konnte, ſah ſie ſchon Ottilien, deren Geſtalt ſich verwandelt hatte, aus dem Zimmer gehen.","norm":"Charlotte saß wie auf Kohlen, und der Zustand war ihr um so ängstlicher als sie überzeugt war, dass Mittler nicht wusste was und wo er es sagte, und ehe sie ihn noch unterbrechen konnte, sah sie schon Ottilie, deren Gestalt sich verwandelt hatte, aus dem Zimmer gehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1845,"orig":"Sie erlaſſen uns wohl das ſiebente Gebot, ſagte Charlotte mit erzwungenem Laͤcheln.","norm":"Sie erlassen uns wohl das siebente Gebot, sagte Charlotte mit erzwungenem Lächeln."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1846,"orig":"Alle die uͤbrigen, verſetzte Mittler, wenn ich nur das rette, worauf die andern beruhen.","norm":"Alle die übrigen, versetzte Mittler, wenn ich nur das rette, worauf die anderen beruhen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1847,"orig":"Mit entſetzlichem Schrey hereinſtuͤrzend rief Nanny:","norm":"Mit entsetzlichem Schrei hereinstürzend rief Nanny:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1848,"orig":"Sie ſtirbt!","norm":"Sie stirbt!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1849,"orig":"Die Fraͤulein ſtirbt!","norm":"Die Fräulein stirbt!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1850,"orig":"Kommen Sie!","norm":"Kommen Sie!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1851,"orig":"kommen Sie!","norm":"Kommen Sie!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1852,"orig":"Als Ottilie nach ihrem Zimmer ſchwankend zuruͤckgekommen war, lag der morgende Schmuck auf mehreren Stuͤhlen voͤllig ausgebreitet, und das Maͤdchen, das betrachtend und bewundernd daran hin und herging, rief jubelnd aus:","norm":"Als Ottilie nach ihrem Zimmer schwankend zurückgekommen war, lag der morgende Schmuck auf mehreren Stühlen völlig ausgebreitet, und das Mädchen, das betrachtend und bewundernd daran hin und herging, rief jubelnd aus:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1853,"orig":"Sehen Sie nur, liebſte Fraͤulein, das iſt ein Brautſchmuck ganz Ihrer werth!","norm":"Sehen Sie nur, liebste Fräulein, das ist ein Brautschmuck ganz Ihrer wert!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1854,"orig":"Ottilie vernahm dieſe Worte und ſank auf den Sopha.","norm":"Ottilie vernahm diese Worte und sank auf den Sofa."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1855,"orig":"Nanny ſieht ihre Herrinn erblaſſen, erſtarren; ſie laͤuft zu Charlotten; man kommt.","norm":"Nanny sieht ihre Herrin erblassen, erstarren; sie läuft zu Charlotten; man kommt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1856,"orig":"Der aͤrztliche Hausfreund eilt herbey; es ſcheint ihm nur eine Erſchoͤpfung.","norm":"Der ärztliche Hausfreund eilt herbei; es scheint ihm nur eine Erschöpfung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1857,"orig":"Er laͤßt etwas Kraftbruͤhe bringen;","norm":"Er lässt etwas Kraftbrühe bringen;"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1858,"orig":"Ottilie weiſt ſie mit Abſcheu weg, ja ſie faͤllt faſt in Zuckungen als man die Taſſe dem Munde naͤhert.","norm":"Ottilie weist sie mit Abscheu weg, ja sie fällt fast in Zuckungen als man die Tasse dem Munde nähert."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1859,"orig":"Er fragt mit Ernſt und Haſt, wie es ihm der Umſtand eingab: was Ottilie heute genoſſen habe?","norm":"Er fragt mit Ernst und Hast, wie es ihm der Umstand eingab: Was Ottilie heute genossen habe?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1860,"orig":"Das Maͤdchen ſtockt; er wiederhohlt ſeine Frage, das Maͤdchen bekennt, Ottilie habe nichts genoſſen.","norm":"Das Mädchen stockt; er wiederholt seine Frage, das Mädchen bekennt, Ottilie habe nichts genossen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1861,"orig":"Nanny erſcheint ihm aͤngſtlicher als billig.","norm":"Nanny erscheint ihm ängstlicher als billig."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1862,"orig":"Er reißt ſie in ein Nebenzimmer, Charlotte folgt, das Maͤdchen wirft ſich auf die Kniee, ſie geſteht, daß Ottilie ſchon lange ſo gut wie nichts genieße.","norm":"Er reißt sie in ein Nebenzimmer, Charlotte folgt, das Mädchen wirft sich auf die Kniee, sie gesteht, dass Ottilie schon lange so gut wie nichts genieße."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1863,"orig":"Auf Andringen Ottiliens habe ſie die Speiſen an ihrer Statt genoſſen; verſchwiegen habe ſie es wegen bittender und drohender Gebaͤrden ihrer Gebieterinn, und auch, ſetzte ſie unſchuldig hinzu: weil es ihr gar ſo gut geſchmeckt.","norm":"Auf Andringen Ottilies habe sie die Speisen an ihrer statt genossen; verschwiegen habe sie es wegen bittender und drohender Gebärden ihrer Gebieterin, und auch, setzte sie unschuldig hinzu: weil es ihr gar so gut geschmeckt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1864,"orig":"Der Major und Mittler kamen heran, ſie fanden Charlotten thaͤtig in Geſellſchaft des Arztes.","norm":"Der Major und Mittler kamen heran, sie fanden Charlotten tätig in Gesellschaft des Arztes."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1865,"orig":"Das bleiche himmliſche Kind ſaß, ſich ſelbſt bewußt wie es ſchien, in der Ecke des Sophas.","norm":"Das bleiche himmlische Kind saß, sich selbst bewusst wie es schien, in der Ecke des Sofas."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1866,"orig":"Man bittet ſie ſich niederzulegen; ſie verweigert's, winkt aber daß man das Koͤfferchen herbeybringe.","norm":"Man bittet sie sich niederzulegen; sie verweigert es, winkt aber dass man das Köfferchen herbeibringe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1867,"orig":"Sie ſetzt ihre Fuͤße darauf und findet ſich in einer halb liegenden bequemen Stellung.","norm":"Sie setzt ihre Füße darauf und findet sich in einer halb liegenden bequemen Stellung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1868,"orig":"Sie ſcheint Abſchied nehmen zu wollen, ihre Gebaͤrden druͤcken den Umſtehenden die zarteſte Anhaͤnglichkeit aus, Liebe, Dankbarkeit, Abbitte und das herzlichſte Lebewohl.","norm":"Sie scheint Abschied nehmen zu wollen, ihre Gebärden drücken den Umstehenden die zarteste Anhänglichkeit aus, Liebe, Dankbarkeit, Abbitte und das herzlichste Lebewohl."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1869,"orig":"Eduard der vom Pferde ſteigt, vernimmt den Zuſtand, er ſtuͤrzt in das Zimmer, er wirft ſich an ihre Seite nieder, faßt ihre Hand und uͤberſchwemmt ſie mit ſtummen Thraͤnen.","norm":"Eduard der vom Pferde steigt, vernimmt den Zustand, er stürzt in das Zimmer, er wirft sich an ihre Seite nieder, fasst ihre Hand und überschwemmt sie mit stummen Tränen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1870,"orig":"So bleibt er lange.","norm":"So bleibt er lange."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1871,"orig":"Endlich ruft er aus:","norm":"Endlich ruft er aus:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1872,"orig":"Soll ich deine Stimme nicht wiederhoͤren?","norm":"Soll ich deine Stimme nicht wiederhören?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1873,"orig":"wirſt du nicht mit einem Wort fuͤr mich ins Leben zuruͤckkehren?","norm":"Wirst du nicht mit einem Wort für mich ins Leben zurückkehren?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1874,"orig":"Gut, gut!","norm":"Gut, gut!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1875,"orig":"ich folge dir hinuͤber: da werden wir mit andern Sprachen reden!","norm":"ich folge dir hinüber: da werden wir mit anderen Sprachen reden!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1876,"orig":"Sie druͤckt ihm kraͤftig die Hand, ſie blickt ihn lebevoll und liebevoll an, und nach einem tiefen Athemzug, nach einer himmliſchen, ſtummen Bewegung der Lippen:","norm":"Sie drückt ihm kräftig die Hand, sie blickt ihn lebevoll und liebevoll an, und nach einem tiefen Atemzug, nach einer himmlischen, stummen Bewegung der Lippen:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1877,"orig":"Verſprich mir zu leben!","norm":"Versprich mir zu leben!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1878,"orig":"ruft ſie aus, mit holder zaͤrtlicher Anſtrengung, doch gleich ſinkt ſie zuruͤck.","norm":"ruft sie aus, mit holder zärtlicher Anstrengung, doch gleich sinkt sie zurück."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1879,"orig":"Ich verſprech' es!","norm":"Ich verspreche es!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1880,"orig":"rief er ihr entgegen, doch er rief es ihr nur nach; ſie war ſchon abgeſchieden.","norm":"rief er ihr entgegen, doch er rief es ihr nur nach; sie war schon abgeschieden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1881,"orig":"Nach einer thraͤnenvollen Nacht fiel die Sorge, die geliebten Reſte zu beſtatten, Charlotten anheim.","norm":"Nach einer tränenvollen Nacht fiel die Sorge, die geliebten Reste zu bestatten, Charlotten anheim."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1882,"orig":"Der Major und Mittler ſtanden ihr bey.","norm":"Der Major und Mittler standen ihr bei."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1883,"orig":"Eduards Zuſtand war zu bejammern.","norm":"Eduards Zustand war zu bejammern."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1884,"orig":"Wie er ſich aus ſeiner Verzweiflung nur hervorheben und einigermaßen beſinnen konnte, beſtand er darauf:","norm":"Wie er sich aus seiner Verzweiflung nur hervorheben und einigermaßen besinnen konnte, bestand er darauf:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1885,"orig":"Ottilie ſollte nicht aus dem Schloſſe gebracht, ſie ſollte gewartet, gepflegt, als eine Lebende behandelt werden; denn ſie ſey nicht todt, ſie koͤnne nicht todt ſeyn.","norm":"Ottilie sollte nicht aus dem Schlosse gebracht, sie sollte gewartet, gepflegt, als eine Lebende behandelt werden; denn sie sei nicht tot, sie könne nicht tot sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1886,"orig":"Man that ihm ſeinen Willen, inſofern man wenigſtens das unterließ was er verboten hatte.","norm":"Man tat ihm seinen Willen, insofern man wenigstens das unterließ was er verboten hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1887,"orig":"Er verlangte ſie nicht zu ſehen.","norm":"Er verlangte sie nicht zu sehen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1888,"orig":"Noch ein anderer Schreck ergriff, noch eine andre Sorge beſchaͤftigte die Freunde.","norm":"Noch ein anderer Schreck ergriff, noch eine andere Sorge beschäftigte die Freunde."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1889,"orig":"Nanny von dem Arzt heftig geſcholten, durch Drohungen zum Bekenntniß genoͤthigt, und nach dem Bekenntniß mit Vorwuͤrfen uͤberhaͤuft, war entflohen.","norm":"Nanny von dem Arzt heftig gescholten, durch Drohungen zum Bekenntnis genötigt, und nach dem Bekenntnis mit Vorwürfen überhäuft, war entflohen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1890,"orig":"Nach langem Suchen fand man ſie wieder; ſie ſchien außer ſich zu ſeyn.","norm":"Nach langem Suchen fand man sie wieder; sie schien außer sich zu sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1891,"orig":"Ihre Aeltern nahmen ſie zu ſich.","norm":"Ihre Eltern nahmen sie zu sich."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1892,"orig":"Die beſte Begegnung ſchien nicht anzuſchlagen, man mußte ſie einſperren, weil ſie wieder zu entfliehen drohte.","norm":"Die beste Begegnung schien nicht anzuschlagen, man musste sie einsperren, weil sie wieder zu entfliehen drohte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1893,"orig":"Stufenweiſe gelang es, Eduarden der heftigſten Verzweiflung zu entreißen, aber nur zu ſeinem Ungluͤck: denn es ward ihm deutlich, es ward ihm gewiß, daß er das Gluͤck ſeines Lebens fuͤr immer verloren habe.","norm":"Stufenweise gelang es, Eduard der heftigsten Verzweiflung zu entreißen, aber nur zu seinem Unglück: denn es wurde ihm deutlich, es wurde ihm gewiss, dass er das Glück seines Lebens für immer verloren habe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1894,"orig":"Man wagte es ihm vorzuſtellen, daß Ottilie in jener Capelle beygeſetzt, noch immer unter den Lebendigen bleiben und einer freundlichen ſtillen Wohnung nicht entbehren wuͤrde.","norm":"Man wagte es ihm vorzustellen, dass Ottilie in jener Kapelle beigesetzt, noch immer unter den Lebendigen bleiben und einer freundlichen stillen Wohnung nicht entbehren würde."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1895,"orig":"Es fiel ſchwer ſeine Einwilligung zu erhalten, und nur unter der Bedingung, daß ſie im offenen Sarge hinausgetragen, und in dem Gewoͤlbe allenfalls nur mit einem Glasdeckel zugedeckt und eine immerbrennende Lampe geſtiftet werden ſollte, ließ er ſichs zuletzt gefallen und ſchien ſich in alles ergeben zu haben.","norm":"Es fiel schwer seine Einwilligung zu erhalten, und nur unter der Bedingung, dass sie im offenen Sarge hinausgetragen, und in dem Gewölbe allenfalls nur mit einem Glasdeckel zugedeckt und eine immerbrennende Lampe gestiftet werden sollte, ließ er sich es zuletzt gefallen und schien sich in alles ergeben zu haben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1896,"orig":"Man kleidete den holden Koͤrper in jenen","norm":"Man kleidete den holden Körper in jenen"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1897,"orig":"Schmuck den ſie ſich ſelbſt vorbereitet hatte; man ſetzte ihr einen Kranz von Aſterblumen auf das Haupt, die wie traurige Geſtirne ahndungsvoll glaͤnzten.","norm":"Schmuck den sie sich selbst vorbereitet hatte; man setzte ihr einen Kranz von Asterblumen auf das Haupt, die wie traurige Gestirne ahnungsvoll glänzten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1898,"orig":"Die Baare, die Kirche, die Capelle zu ſchmuͤcken, wurden alle Gaͤrten ihres Schmucks beraubt.","norm":"Die Bahre, die Kirche, die Kapelle zu schmücken, wurden alle Gärten ihres Schmucks beraubt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1899,"orig":"Sie lagen veroͤdet als wenn bereits der Winter alle Freude aus den Beeten weggetilgt haͤtte.","norm":"Sie lagen verödet als wenn bereits der Winter alle Freude aus den Beeten weggetilgt hätte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1900,"orig":"Beym fruͤhſten Morgen wurde ſie im offnen Sarge aus dem Schloß getragen und die aufgehende Sonne roͤthete nochmals das himmliſche Geſicht.","norm":"Beim frühsten Morgen wurde sie im offenen Sarge aus dem Schloss getragen und die aufgehende Sonne rötete nochmals das himmlische Gesicht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1901,"orig":"Die Begleitenden draͤngten ſich um die Traͤger, Niemand wollte vorausgehn, Niemand folgen, Jedermann ſie umgeben, Jedermann noch zum letztenmale ihre Gegenwart genießen.","norm":"Die Begleitenden drängten sich um die Träger, niemand wollte vorausgehn, niemand folgen, jedermann sie umgeben, jedermann noch zum letzten Mal ihre Gegenwart genießen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1902,"orig":"Knaben, Maͤnner und Frauen, keins blieb ungeruͤhrt.","norm":"Knaben, Männer und Frauen, keins blieb ungerührt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1903,"orig":"Untroͤſtlich waren die Maͤdchen, die ihren Verluſt am unmittelbarſten empfanden.","norm":"Untröstlich waren die Mädchen, die ihren Verlust am unmittelbarsten empfanden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1904,"orig":"Nanny fehlte.","norm":"Nanny fehlte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1905,"orig":"Man hatte ſie zuruͤckgehalten oder vielmehr man hatte ihr den Tag und die Stunde des Begraͤbniſſes verheimlicht.","norm":"Man hatte sie zurückgehalten oder vielmehr man hatte ihr den Tag und die Stunde des Begräbnisses verheimlicht."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1906,"orig":"Man bewachte ſie bey ihren Aeltern in einer Kammer, die nach dem Garten ging.","norm":"Man bewachte sie bei ihren Eltern in einer Kammer, die nach dem Garten ging."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1907,"orig":"Als ſie aber die Glocken laͤuten hoͤrte, ward ſie nur allzubald inne was vorging, und da ihre Waͤchterinn, aus Neugierde den Zug zu ſehen, ſie verließ, entkam ſie zum Fenſter hinaus auf einen Gang und von da, weil ſie alle Thuͤren verſchloſſen fand, auf den Oberboden.","norm":"Als sie aber die Glocken läuten hörte, wurde sie nur allzu bald inne was vorging, und da ihre Wächterin, aus Neugierde den Zug zu sehen, sie verließ, entkam sie zum Fenster hinaus auf einen Gang und von da, weil sie alle Türen verschlossen fand, auf den Oberboden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1908,"orig":"Eben ſchwankte der Zug den reinlichen mit Blaͤttern beſtreuten Weg durchs Dorf hin.","norm":"Eben schwankte der Zug den reinlichen mit Blättern bestreuten Weg durchs Dorf hin."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1909,"orig":"Nanny ſah ihre Gebieterinn deutlich unter ſich, deutlicher, vollſtaͤndiger, ſchoͤner als alle die dem Zuge folgten.","norm":"Nanny sah ihre Gebieterin deutlich unter sich, deutlicher, vollständiger, schöner als alle die dem Zuge folgten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1910,"orig":"Ueberirdiſch, wie auf Wolken oder Wogen getragen, ſchien ſie ihrer Dienerinn zu winken, und dieſe verworren ſchwankend taumelnd ſtuͤrzte hinab.","norm":"Überirdisch, wie auf Wolken oder Wogen getragen, schien sie ihrer Dienerin zu winken, und diese verworren schwankend taumelnd stürzte hinab."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1911,"orig":"Auseinander fuhr die Menge mit einem entſetzlichen Schrey nach allen Seiten.","norm":"Auseinander fuhr die Menge mit einem entsetzlichen Schrei nach allen Seiten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1912,"orig":"Vom Draͤngen und Getuͤmmel waren die Traͤger genoͤthigt die Baare niederzuſetzen.","norm":"Vom Drängen und Getümmel waren die Träger genötigt die Bahre niederzusetzen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1913,"orig":"Das Kind lag ganz nahe daran; es ſchien an allen Gliedern zerſchmettert.","norm":"Das Kind lag ganz nahe daran; es schien an allen Gliedern zerschmettert."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1914,"orig":"Man hob es auf; und zufaͤllig oder aus beſonderer Fuͤgung lehnte man es uͤber die Leiche, ja es ſchien ſelbſt noch mit dem letzten Lebensreſt ſeine geliebte Herrinn erreichen zu wollen.","norm":"Man hob es auf; und zufällig oder aus besonderer Fügung lehnte man es über die Leiche, ja es schien selbst noch mit dem letzten Lebensrest seine geliebte Herrin erreichen zu wollen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1915,"orig":"Kaum aber hatten ihre ſchlotternden Glieder Ottiliens Gewand, ihre kraftloſen Finger Ottiliens gefaltete Haͤnde beruͤhrt, als das Maͤdchen aufſprang, Arme und Augen zuerſt gen Himmel erhob, dann auf die Kniee vor dem Sarge niederſtuͤrzte und andaͤchtig entzuͤckt zu der Herrinn hinauf ſtaunte.","norm":"Kaum aber hatten ihre schlotternden Glieder Ottilies Gewand, ihre kraftlosen Finger Ottilies gefaltete Hände berührt, als das Mädchen aufsprang, Arme und Augen zuerst gen Himmel erhob, dann auf die Kniee vor dem Sarge niederstürzte und andächtig entzückt zu der Herrin hinaufstaunte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1916,"orig":"Endlich ſprang ſie wie begeiſtert auf und rief mit heiliger Freude:","norm":"Endlich sprang sie wie begeistert auf und rief mit heiliger Freude:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1917,"orig":"Ja, ſie hat mir vergeben!","norm":"Ja, sie hat mir vergeben!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1918,"orig":"Was mir kein Menſch, was ich mir ſelbſt nicht vergeben konnte, vergiebt mir Gott durch ihren Blick, ihre Gebaͤrde, ihren Mund.","norm":"Was mir kein Mensch, was ich mir selbst nicht vergeben konnte, vergibt mir Gott durch ihren Blick, ihre Gebärde, ihren Mund."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1919,"orig":"Nun ruht ſie wieder ſo ſtill und ſanft; aber Ihr habt geſehen wie ſie ſich aufrichtete und mit entfalteten Haͤnden mich ſegnete, wie ſie mich freundlich anblickte!","norm":"Nun ruht sie wieder so still und sanft; aber Ihr habt gesehen wie sie sich aufrichtete und mit entfalteten Händen mich segnete, wie sie mich freundlich anblickte!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1920,"orig":"Ihr habt es alle gehoͤrt, Ihr ſeyd Zeugen daß ſie zu mir ſagte:","norm":"Ihr habt es alle gehört, Ihr seid Zeugen dass sie zu mir sagte:"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1921,"orig":"Dir iſt vergeben!","norm":"Dir ist vergeben!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1922,"orig":"— Ich bin nun keine Moͤrderinn mehr unter Euch; ſie hat mir verziehen, Gott hat mir verziehen, und Niemand kann mir mehr etwas anhaben.","norm":"— Ich bin nun keine Mörderin mehr unter Euch; sie hat mir verziehen, Gott hat mir verziehen, und niemand kann mir mehr etwas anhaben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1923,"orig":"Umhergedraͤngt ſtand die Menge; ſie waren erſtaunt, ſie horchten und ſahen hin und wieder, und kaum wußte Jemand was er beginnen ſollte.","norm":"Umhergedrängt stand die Menge; sie waren erstaunt, sie horchten und sahen hin und wieder, und kaum wusste jemand was er beginnen sollte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1924,"orig":"Tragt ſie nun zur Ruhe!","norm":"Tragt sie nun zur Ruhe!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1925,"orig":"ſagte das Maͤdchen: ſie hat das Ihrige gethan und gelitten, und kann nicht mehr unter uns wohnen.","norm":"sagte das Mädchen: Sie hat das Ihrige getan und gelitten, und kann nicht mehr unter uns wohnen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1926,"orig":"Die Baare bewegte ſich weiter, Nanny folgte zuerſt und man gelangte zur Kirche, zur Capelle.","norm":"Die Bahre bewegte sich weiter, Nanny folgte zuerst und man gelangte zur Kirche, zur Kapelle."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1927,"orig":"So ſtand nun der Sarg Ottiliens, zu ihren Haͤupten der Sarg des Kindes, zu ihren Fuͤßen das Koͤfferchen, in ein ſtarkes eichenes Behaͤltniß eingeſchloſſen.","norm":"So stand nun der Sarg Ottilies, zu ihren Häupten der Sarg des Kindes, zu ihren Füßen das Köfferchen, in ein starkes eichenes Behältnis eingeschlossen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1928,"orig":"Man hatte fuͤr eine Waͤchterinn geſorgt, welche in der erſten Zeit des Leichnams wahrnehmen ſollte, der unter ſeiner Glasdecke gar liebenswuͤrdig dalag.","norm":"Man hatte für eine Wächterin gesorgt, welche in der ersten Zeit des Leichnams wahrnehmen sollte, der unter seiner Glasdecke gar liebenswürdig dalag."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1929,"orig":"Aber Nanny wollte ſich dieſes Amt nicht nehmen laſſen; ſie wollte allein, ohne Geſellinn bleiben und der zum erſtenmal angezuͤndeten Lampe fleißig warten.","norm":"Aber Nanny wollte sich dieses Amt nicht nehmen lassen; sie wollte allein, ohne Gesellin bleiben und der zum ersten Mal angezündeten Lampe fleißig warten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1930,"orig":"Sie verlangte dieß ſo eifrig und hartnaͤckig, daß man ihr nachgab, um ein groͤßeres Gemuͤthsuͤbel das ſich befuͤrchten ließ, zu verhuͤthen.","norm":"Sie verlangte dies so eifrig und hartnäckig, dass man ihr nachgab, um ein größeres Gemütsübel das sich befürchten ließ, zu verhüten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1931,"orig":"Aber ſie blieb nicht lange allein: denn gleich mit ſinkender Nacht, als das ſchwebende Licht ſein volles Recht ausuͤbend einen helleren Schein verbreitete, oͤffnete ſich die Thuͤre und es trat der Architect in die Capelle, deren fromm verzierte Waͤnde, bey ſo mildem Schimmer, alterthuͤmlicher und ahndungsvoller, als er je haͤtte glauben koͤnnen, ihm entgegen drangen.","norm":"Aber sie blieb nicht lange allein: denn gleich mit sinkender Nacht, als das schwebende Licht sein volles Recht ausübend einen helleren Schein verbreitete, öffnete sich die Türe und es trat der Architekt in die Kapelle, deren fromm verzierte Wände, bei so mildem Schimmer, altertümlicher und ahnungsvoller, als er je hätte glauben können, ihm entgegendrangen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1932,"orig":"Nanny ſaß an der einen Seite des Sarges.","norm":"Nanny saß an der einen Seite des Sarges."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1933,"orig":"Sie erkannte ihn gleich; aber ſchweigend deutete ſie auf die verblichene Herrinn.","norm":"Sie erkannte ihn gleich; aber schweigend deutete sie auf die verblichene Herrin."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1934,"orig":"Und ſo ſtand er auf der andern Seite, in jugendlicher Kraft und Anmuth, auf ſich ſelbſt zuruͤckgewieſen, ſtarr, in ſich gekehrt, mit niedergeſenkten Armen, gefalteten, mitleidig gerungenen Haͤnden, Haupt und Blick nach der Entſeelten hingeneigt.","norm":"Und so stand er auf der anderen Seite, in jugendlicher Kraft und Anmut, auf sich selbst zurückgewiesen, starr, in sich gekehrt, mit niedergesenkten Armen, gefalteten, mitleidig gerungenen Händen, Haupt und Blick nach der Entseelten hingeneigt."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1935,"orig":"Schon einmal hatte er ſo vor Beliſar geſtanden.","norm":"Schon einmal hatte er so vor Belisar gestanden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1936,"orig":"Unwillkuͤhrlich gerieth er jetzt in die gleiche Stellung; und wie natuͤrlich war ſie auch dießmal!","norm":"Unwillkürlich geriet er jetzt in die gleiche Stellung; und wie natürlich war sie auch diesmal!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1937,"orig":"Auch hier war etwas unſchaͤtzbar Wuͤrdiges von ſeiner Hoͤhe herabgeſtuͤrzt; und wenn dort Tapferkeit, Klugheit, Macht, Rang und Vermoͤgen in einem Manne als unwiederbringlich verloren bedauert wurden; wenn Eigenſchaften, die der Nation, dem Fuͤrſten, in entſcheidenden Momenten unentbehrlich ſind, nicht geſchaͤtzt, vielmehr verworfen und ausgeſtoßen worden: ſo waren hier ſo viel andere ſtille Tugenden, von der Natur erſt kurz aus ihren gehaltreichen Tiefen hervorgerufen, durch ihre gleichguͤltige Hand ſchnell wieder ausgetilgt: ſeltene, ſchoͤne, liebenswuͤrdige Tugenden, deren friedliche Einwirkung die beduͤrftige Welt zu jeder Zeit mit wonnevollem Genuͤgen umfaͤngt und mit ſehnſuͤchtiger Trauer vermißt.","norm":"Auch hier war etwas unschätzbar Würdiges von seiner Höhe herabgestürzt; und wenn dort Tapferkeit, Klugheit, Macht, Rang und Vermögen in einem Manne als unwiederbringlich verloren bedauert wurden; wenn Eigenschaften, die der Nation, dem Fürsten, in entscheidenden Momenten unentbehrlich sind, nicht geschätzt, vielmehr verworfen und ausgestoßen worden: so waren hier soviel andere stille Tugenden, von der Natur erst kurz aus ihren gehaltreichen Tiefen hervorgerufen, durch ihre gleichgültige Hand schnell wieder ausgetilgt: seltene, schöne, liebenswürdige Tugenden, deren friedliche Einwirkung die bedürftige Welt zu jeder Zeit mit wonnevollem Genügen umfängt und mit sehnsüchtiger Trauer vermisst."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1938,"orig":"Der Juͤngling ſchwieg, auch das Maͤdchen eine Zeit lang; als ſie ihm aber die Thraͤnen haͤufig aus dem Auge quellen ſah, als er ſich im Schmerz ganz aufzuloͤſen ſchien, ſprach ſie mit ſo viel Wahrheit und Kraft, mit ſo viel Wohlwollen und Sicherheit, ihm zu, daß er uͤber den Fluß ihrer Rede erſtaunt, ſich zu faſſen vermochte, und ſeine ſchoͤne Freundinn ihm in einer hoͤhern Region lebend und wirkend vorſchwebte.","norm":"Der Jüngling schwieg, auch das Mädchen eine Zeitlang; als sie ihm aber die Tränen häufig aus dem Auge quellen sah, als er sich im Schmerz ganz aufzulösen schien, sprach sie mit so viel Wahrheit und Kraft, mit so viel Wohlwollen und Sicherheit, ihm zu, dass er über den Fluss ihrer Rede erstaunt, sich zu fassen vermochte, und seine schöne Freundin ihm in einer höheren Region lebend und wirkend vorschwebte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1939,"orig":"Seine Thraͤnen trockneten, ſeine Schmerzen linderten ſich; knieend nahm er von Ottilien, mit einem herzlichen Haͤndedruck von Nanny Abſchied, und noch in der Nacht ritt er vom Orte weg ohne Jemand weiter geſehen zu haben.","norm":"Seine Tränen trockneten, seine Schmerzen linderten sich; kniend nahm er von Ottilie, mit einem herzlichen Händedruck von Nanny Abschied, und noch in der Nacht ritt er vom Orte weg ohne Jemand weiter gesehen zu haben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1940,"orig":"Der Wundarzt war die Nacht uͤber, ohne des Maͤdchens Wiſſen, in der Kirche geblieben, und fand als er ſie des Morgens beſuchte, ſie heiter und getroſten Muthes.","norm":"Der Wundarzt war die Nacht über, ohne des Mädchens Wissen, in der Kirche geblieben, und fand als er sie des Morgens besuchte, sie heiter und getrosten Mutes."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1941,"orig":"Er war auf mancherley Verirrungen gefaßt; er dachte ſchon, ſie werde ihm von naͤchtlichen Unterredungen mit Ottilien und von andern ſolchen Erſcheinungen ſprechen: aber ſie war natuͤrlich, ruhig und ſich voͤllig ſelbſtbewußt.","norm":"Er war auf mancherlei Verirrungen gefasst; er dachte schon, sie werde ihm von nächtlichen Unterredungen mit Ottilie und von anderen solchen Erscheinungen sprechen: aber sie war natürlich, ruhig und sich völlig selbstbewusst."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1942,"orig":"Sie erinnerte ſich vollkommen aller fruͤheren Zeiten, aller Zuſtaͤnde mit großer Genauigkeit, und nichts in ihren Reden ſchritt aus dem gewoͤhnlichen Gange des Wahren und Wirklichen heraus, als nur die Begebenheit beym Leichenbegaͤngniß, die ſie mit Freudigkeit oft wiederhohlte: wie Ottilie ſich aufgerichtet, ſie geſegnet, ihr verziehen, und ſie dadurch fuͤr immer beruhigt habe.","norm":"Sie erinnerte sich vollkommen aller früheren Zeiten, aller Zustände mit großer Genauigkeit, und nichts in ihren Reden schritt aus dem gewöhnlichen Gange des Wahren und Wirklichen heraus, als nur die Begebenheit beim Leichenbegängnis, die sie mit Freudigkeit oft wiederholte: wie Ottilie sich aufgerichtet, sie gesegnet, ihr verziehen, und sie dadurch für immer beruhigt habe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1943,"orig":"Der fortdauernd ſchoͤne, mehr ſchlaf- als todaͤhnliche Zuſtand Ottiliens zog mehrere Menſchen herbey.","norm":"Der fortdauernd schöne, mehr Schlaf- als todähnliche Zustand Ottilies zog mehrere Menschen herbei."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1944,"orig":"Die Bewohner und Anwohner wollten ſie noch ſehen, und Jeder mochte gern aus Nanny's Munde das Unglaubliche hoͤren; manche um daruͤber zu ſpotten, die meiſten um daran zu zweifeln, und wenige um ſich glaubend dagegen zu verhalten.","norm":"Die Bewohner und Anwohner wollten sie noch sehen, und jeder mochte gern aus Nannys Munde das Unglaubliche hören; manche um darüber zu spotten, die meisten um daran zu zweifeln, und wenige um sich glaubend dagegen zu verhalten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1945,"orig":"Jedes Beduͤrfniß deſſen wirkliche Befriedigung verſagt iſt, noͤthigt zum Glauben.","norm":"Jedes Bedürfnis dessen wirkliche Befriedigung versagt ist, nötigt zum Glauben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1946,"orig":"Die vor den Augen aller Welt zerſchmetterte Nanny war durch Beruͤhrung des frommen Koͤrpers wieder geſund geworden: warum ſollte nicht auch ein aͤhnliches Gluͤck hier andern bereitet ſeyn?","norm":"Die vor den Augen aller Welt zerschmetterte Nanny war durch Berührung des frommen Körpers wieder gesund geworden: warum sollte nicht auch ein ähnliches Glück hier anderen bereitet sein?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1947,"orig":"Zaͤrtliche Muͤtter brachten zuerſt heimlich ihre Kinder, die von irgend einem Uebel behaftet waren, und ſie glaubten eine ploͤtzliche Beſſerung zu ſpuͤren.","norm":"Zärtliche Mütter brachten zuerst heimlich ihre Kinder, die von irgendeinem Übel behaftet waren, und sie glaubten eine plötzliche Besserung zu spüren."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1948,"orig":"Das Zutrauen vermehrte ſich, und zuletzt war Niemand ſo alt und ſo ſchwach, der ſich nicht an dieſer Stelle eine Erquickung und Erleichterung geſucht haͤtte.","norm":"Das Zutrauen vermehrte sich, und zuletzt war niemand so alt und so schwach, der sich nicht an dieser Stelle eine Erquickung und Erleichterung gesucht hätte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1949,"orig":"Der Zudrang wuchs und man ſah ſich genoͤthigt die Capelle, ja außer den Stunden des Gottesdienſtes, die Kirche zu verſchließen.","norm":"Der Zudrang wuchs und man sah sich genötigt die Kapelle, ja außer den Stunden des Gottesdienstes, die Kirche zu verschließen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1950,"orig":"Eduard wagte ſich nicht wieder zu der Abgeſchiedenen.","norm":"Eduard wagte sich nicht wieder zu der Abgeschiedenen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1951,"orig":"Er lebte nur vor ſich hin, er ſchien keine Thraͤne mehr zu haben, keines Schmerzes weiter faͤhig zu ſeyn.","norm":"Er lebte nur vor sich hin, er schien keine Träne mehr zu haben, keines Schmerzes weiter fähig zu sein."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1952,"orig":"Seine Theilnahme an der Unterhaltung, ſein Genuß von Speiſ' und Trank vermindert ſich mit jedem Tage.","norm":"Seine Teilnahme an der Unterhaltung, sein Genuss von Speise und Trank vermindert sich mit jedem Tage."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1953,"orig":"Nur noch einige Erquickung ſcheint er aus dem Glaſe zu ſchluͤrfen, das ihm freylich kein wahrhafter Prophet geweſen.","norm":"Nur noch einige Erquickung scheint er aus dem Glase zu schlürfen, das ihm freilich kein wahrhafter Prophet gewesen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1954,"orig":"Er betrachtet noch immer gern die verſchlungenen Namenszuͤge und ſein ernſtheiterer Blick dabey ſcheint anzudeuten, daß er auch jetzt noch auf eine Vereinigung hoffe.","norm":"Er betrachtet noch immer gern die verschlungenen Namenszüge und sein ernst-heiterer Blick dabei scheint anzudeuten, dass er auch jetzt noch auf eine Vereinigung hoffe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1955,"orig":"Und wie den Gluͤcklichen jeder Nebenumſtand zu beguͤnſtigen, jedes Ungefaͤhr mit emporzuheben ſcheint; ſo moͤgen ſich auch gern die kleinſten Vorfaͤlle zur Kraͤnkung, zum Verderben des Ungluͤcklichen vereinigen.","norm":"Und wie den Glücklichen jeder Nebenumstand zu begünstigen, jedes Ungefähr mit emporzuheben scheint; so mögen sich auch gern die kleinsten Vorfälle zur Kränkung, zum Verderben des Unglücklichen vereinigen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1956,"orig":"Denn eines Tages, als Eduard, das geliebte Glas zum Munde brachte, entfernte er es mit Entſetzen wieder: es war daſſelbe und nicht daſſelbe; er vermißt ein kleines Kennzeichen.","norm":"Denn eines Tages, als Eduard, das geliebte Glas zum Munde brachte, entfernte er es mit Entsetzen wieder: Es war dasselbe und nicht dasselbe; er vermisst ein kleines Kennzeichen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1957,"orig":"Man dringt in den Kammerdiener und dieſer muß geſtehen: das aͤchte Glas ſey unlaͤngſt zerbrochen, und ein gleiches, auch aus Eduards Jugendzeit, untergeſchoben worden.","norm":"Man dringt in den Kammerdiener und dieser muss gestehen: Das echte Glas sei unlängst zerbrochen, und ein gleiches, auch aus Eduards Jugendzeit, untergeschoben worden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1958,"orig":"Eduard kann nicht zuͤrnen, ſein Schickſal iſt ausgeſprochen durch die That: wie ſoll ihn das Gleichniß ruͤhren?","norm":"Eduard kann nicht zürnen, sein Schicksal ist ausgesprochen durch die Tat: wie soll ihn das Gleichnis rühren?"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1959,"orig":"Aber doch druͤckt es ihn tief.","norm":"Aber doch drückt es ihn tief."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1960,"orig":"Der Trank ſcheint ihm von nun an zu widerſtehen; er ſcheint ſich mit Vorſatz der Speiſe, des Geſpraͤchs zu enthalten.","norm":"Der Trank scheint ihm von nun an zu widerstehen; er scheint sich mit Vorsatz der Speise, des Gesprächs zu enthalten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1961,"orig":"Aber von Zeit zu Zeit uͤberfaͤllt ihn eine Unruhe.","norm":"Aber von Zeit zu Zeit überfällt ihn eine Unruhe."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1962,"orig":"Er verlangt wieder etwas zu genießen, er faͤngt wieder an zu ſprechen.","norm":"Er verlangt wieder etwas zu genießen, er fängt wieder an zu sprechen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1963,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1964,"orig":"ſagte er einmal zum Major, der ihm wenig von der Seite kam: was bin ich ungluͤcklich, daß mein ganzes Beſtreben nur immer eine Nachahmung, ein falſches Bemuͤhen bleibt!","norm":"sagte er einmal zum Major, der ihm wenig von der Seite kam: Was bin ich unglücklich, dass mein ganzes Bestreben nur immer eine Nachahmung, ein falsches Bemühen bleibt!"} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1965,"orig":"Was ihr Seligkeit geweſen, wird mir Pein; und doch, um dieſer Seligkeit willen, bin ich genoͤthigt dieſe Pein zu uͤbernehmen.","norm":"Was ihr Seligkeit gewesen, wird mir Pein; und doch, um dieser Seligkeit Willen, bin ich genötigt diese Pein zu übernehmen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1966,"orig":"Ich muß ihr nach, auf dieſem Wege nach; aber meine Natur haͤlt mich zuruͤck und mein Verſprechen.","norm":"Ich muss ihr nach, auf diesem Wege nach; aber meine Natur hält mich zurück und mein Versprechen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1967,"orig":"Es iſt eine ſchreckliche Aufgabe, das Unnachahmliche nachzuahmen.","norm":"Es ist eine schreckliche Aufgabe, das Unnachahmliche nachzuahmen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1968,"orig":"Ich fuͤhle wohl, Beſter, es gehoͤrt Genie zu allem, auch zum Maͤrtyrerthum.","norm":"Ich fühle wohl, bester, es gehört Genie zu allem, auch zum Märtyrertum."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1969,"orig":"Was ſollen wir, bey dieſem hoffnungsloſen Zuſtande, der ehegattlichen, freundſchaftlichen, aͤrztlichen Bemuͤhungen gedenken, in welchen ſich Eduards Angehoͤrige eine Zeit lang hin und herwogten.","norm":"Was sollen wir, bei diesem hoffnungslosen Zustande, der ehegattlichen, freundschaftlichen, ärztlichen Bemühungen gedenken, in welchen sich Eduards Angehörige eine Zeitlang hin und herwogten."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1970,"orig":"Endlich fand man ihn todt.","norm":"Endlich fand man ihn tot."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1971,"orig":"Mittler machte zuerſt dieſe traurige Entdeckung.","norm":"Mittler machte zuerst diese traurige Entdeckung."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1972,"orig":"Er berief den Arzt und beobachtete, nach ſeiner gewoͤhnlichen Faſſung, genau die Umſtaͤnde in denen man den Verblichenen angetroffen hatte.","norm":"Er berief den Arzt und beobachtete, nach seiner gewöhnlichen Fassung, genau die Umstände in denen man den Verblichenen angetroffen hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1973,"orig":"Charlotte ſtuͤrzte herbey: ein Verdacht des Selbſtmordes regte ſich in ihr; ſie wollte ſich, ſie wollte die andern einer unverzeihlichen Unvorſichtigkeit anklagen.","norm":"Charlotte stürzte herbei: Ein Verdacht des Selbstmordes regte sich in ihr; sie wollte sich, sie wollte die anderen einer unverzeihlichen Unvorsichtigkeit anklagen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1974,"orig":"Doch der Arzt aus natuͤrlichen, und Mittler aus ſittlichen Gruͤnden, wußten ſie bald vom Gegentheil zu uͤberzeugen.","norm":"Doch der Arzt aus natürlichen, und Mittler aus sittlichen Gründen, wussten sie bald vom Gegenteil zu überzeugen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1975,"orig":"Ganz deutlich war Eduard von ſeinem Ende uͤberraſcht worden.","norm":"Ganz deutlich war Eduard von seinem Ende überrascht worden."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1976,"orig":"Er hatte, was er bisher ſorgfaͤltig zu verbergen pflegte, das ihm von Ottilien uͤbrig gebliebene, in einem ſtillen Augenblick, vor ſich aus einem Kaͤſtchen, aus einer Brieftaſche ausgebreitet: eine Locke, Blumen in gluͤcklicher Stunde gepfluͤckt, alle Blaͤttchen die ſie ihm geſchrieben, von jenem erſten an das ihm ſeine Gattinn ſo zufaͤllig ahndungsreich uͤbergeben hatte.","norm":"Er hatte, was er bisher sorgfältig zu verbergen pflegte, das ihm von Ottilie übriggebliebene, in einem stillen Augenblick, vor sich aus einem Kästchen, aus einer Brieftasche ausgebreitet: eine Locke, Blumen in glücklicher Stunde gepflückt, alle Blättchen die sie ihm geschrieben, von jenem ersten an das ihm seine Gattin so zufällig ahnungsreich übergeben hatte."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1977,"orig":"Das alles konnte er nicht einer ungefaͤhren Entdeckung mit Willen preißgeben.","norm":"Das alles konnte er nicht einer ungefähren Entdeckung mit Willen preisgeben."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1978,"orig":"Und ſo lag denn auch dieſes vor kurzem zu unendlicher Bewegung aufgeregte Herz in unſtoͤrbarer Ruhe; und wie er in Gedanken an die Heilige eingeſchlafen war, ſo konnte man wohl ihn ſelig nennen.","norm":"Und so lag denn auch dieses vor kurzem zu unendlicher Bewegung aufgeregte Herz in unstörbarer Ruhe; und wie er in Gedanken an die Heilige eingeschlafen war, so konnte man wohl ihn selig nennen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1979,"orig":"Charlotte gab ihm ſeinen Platz neben Ottilien und verordnete, daß Niemand weiter in dieſem Gewoͤlbe beygeſetzt werde.","norm":"Charlotte gab ihm seinen Platz neben Ottilie und verordnete, dass Niemand weiter in diesem Gewölbe beigesetzt werde."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1980,"orig":"Unter dieſer Bedingung machte ſie fuͤr Kirche und Schule, fuͤr den Geiſtlichen und den Schullehrer anſehnliche Stiftungen.","norm":"Unter dieser Bedingung machte sie für Kirche und Schule, für den Geistlichen und den Schullehrer ansehnliche Stiftungen."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1981,"orig":"So ruhen die Liebenden neben einander.","norm":"So ruhen die Liebenden nebeneinander."} {"basename":"goethe_wahlverw02_1809","par_idx":1982,"orig":"Friede ſchwebt uͤber ihrer Staͤtte, heitere verwandte Engelsbilder ſchauen vom Gewoͤlbe auf ſie herab, und welch ein freundlicher Augenblick wird es ſeyn, wenn ſie dereinſt wieder zusammenerwachen.","norm":"Friede schwebt über ihrer Stätte, heitere verwandte Engelsbilder schauen vom Gewölbe auf sie herab, und welch ein freundlicher Augenblick wird es sein, wenn sie dereinst wieder zusammen erwachen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":0,"orig":"Bancbanus!","norm":"Bancbanus!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1,"orig":"Ho, Bancbanus!","norm":"Ho, Bancbanus!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2,"orig":"Der Sporn da drückt!","norm":"Der Sporn da drückt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":3,"orig":"Ach Herr!","norm":"Ach Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":4,"orig":"Bei toll und unklug!","norm":"Bei toll und unklug!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":5,"orig":"Du ziehſt ja feſter an!","norm":"Du ziehst ja fester an!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":6,"orig":"Laß nach!","norm":"Lass nach!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":7,"orig":"laß nach!","norm":"lass nach!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":8,"orig":"Man weiß kaum, was man thut.","norm":"Man weiß kaum, was man tut."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":9,"orig":"So ſchlimmer denn!","norm":"So schlimmer denn!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":10,"orig":"Der Lärm —","norm":"Der Lärm —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":11,"orig":"Was nur?","norm":"Was nur?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":12,"orig":"Dort unten auf der Straße —","norm":"Dort unten auf der Straße —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":13,"orig":"Was kümmert dich die Straße?","norm":"Was kümmert dich die Straße?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":14,"orig":"Sieh du hier!","norm":"Sieh du hier!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":15,"orig":"Ein Jeder treibe, was ihm ſelber obliegt;","norm":"Ein Jeder treibe, was ihm selber obliegt;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":16,"orig":"Die Andern mögen nur ein Gleiches thun.","norm":"Die Anderen mögen nur ein Gleiches tun."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":17,"orig":"»Alter Mann Der jungen Frau, Iſt er klug, Nimmt’s nicht genau.","norm":"»Alter Mann der jungen Frau, ist er klug, nimmt es nicht genau."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":18,"orig":"«","norm":"«"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":19,"orig":"Bancbanus!","norm":"Bancbanus!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":20,"orig":"Ho, Bancbanus!","norm":"Ho, Bancbanus!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":21,"orig":"Daß Gift und Peſt!","norm":"Dass Gift und Pest!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":22,"orig":"Den Säbel nun!","norm":"Den Säbel nun!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":23,"orig":"Ach Herr!","norm":"Ach Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":24,"orig":"Ihr wolltet —?","norm":"Ihr wolltet —?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":25,"orig":"Was?","norm":"Was?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":26,"orig":"Den Säbel aus der Scheide — Das Thor geöffnet — wir da hinter Euch — Hineingeſprengt in’s höhnende Gelichter, Und — Hui!","norm":"Den Säbel aus der Scheide — das Tor geöffnet — wir da hinter Euch — hineingesprengt ins höhnende Gelichter, und — Hui!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":27,"orig":"— wo waren ſie?","norm":"— wo waren sie?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":28,"orig":"Biſt du ſo krieg’riſch?","norm":"Bist du so kriegerisch?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":29,"orig":"Ich will dir einen Platz im Heere ſuchen.","norm":"Ich will dir einen Platz im Heere suchen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":30,"orig":"Hier wohnt der Frieden.","norm":"Hier wohnt der Frieden."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":31,"orig":"Ich bin nur ſein Miethsmann, Sein Lehensmann, ſein Gaſt.","norm":"Ich bin nur sein Mietsmann, Sein Lehensmann, sein Gast."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":32,"orig":"Verhüte Gott, daß er mich lärmend finde, Und Mieth’ und Wohnung mir auf Umzeit künde!","norm":"Verhüte Gott, dass er mich lärmend finde, und Miete und Wohnung mir auf Umzeit künde!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":33,"orig":"Die Narrentheidung laß’, und gib den Säbel.","norm":"Die Narrenteidung lass, und gib den Säbel."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":34,"orig":"Der Ungar trägt im Frieden auch den Stahl, Zückt er ihn gleich nicht ohne herbe Wahl;","norm":"Der Ungar trägt im Frieden auch den Stahl, Zückt er ihn gleich nicht ohne herbe Wahl;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":35,"orig":"Wie denn der Ehemann den Reifen, den er trägt, Auch in der Fremde nicht vom Finger legt.","norm":"Wie denn der Ehemann den Reifen, den er trägt, auch in der Fremde nicht vom Finger legt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":36,"orig":"Der Säbel an der Hüfte ſoll nur kunden, Daß Ungar und Gefahr, wie Mann und Frau verbunden.","norm":"Der Säbel an der Hüfte soll nur kunden, dass Ungar und Gefahr, wie Mann und Frau verbunden."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":37,"orig":"Nu, nu, laß’ nur und geh!","norm":"Nu, nu, lass nur und gehe!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":38,"orig":"Ach Herr!","norm":"Ach Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":39,"orig":"Mein Herr!","norm":"Mein Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":40,"orig":"Sie werfen Sand und Steine nach dem Fenſter.","norm":"Sie werfen Sand und Steine nach dem Fenster."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":41,"orig":"So mach’ es auf; die Scheiben koſten Geld;","norm":"So mache es auf; die Scheiben kosten Geld;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":42,"orig":"Sind ſie geöffnet, ſchaden keine Würfe.","norm":"Sind sie geöffnet, schaden keine Würfe."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":43,"orig":"— Den Kalpak reiche du, ich muß auf’s Schloß.","norm":"— Den Kalpak reiche du, ich muss aufs Schloss."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":44,"orig":"Der König will mit Tages Anbruch fort.","norm":"Der König will mit Tagesanbruch fort."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":45,"orig":"— Was iſt die Glocke?","norm":"— Was ist die Glocke?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":46,"orig":"Vier Uhr.","norm":"Vier Uhr."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":47,"orig":"Hohe Zeit!","norm":"Hohe Zeit!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":48,"orig":"Sieh du nach meiner Frau.","norm":"Sieh du nach meiner Frau."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":49,"orig":"Dort ſtehen ſie.","norm":"Dort stehen sie."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":50,"orig":"Laß ſtehn, laß ſtehn!","norm":"Lass stehen, lass stehen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":51,"orig":"Der Prinz in Mitten d’rin!","norm":"Der Prinz inmitten drin!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":52,"orig":"Was Prinz?","norm":"Was Prinz?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":53,"orig":"Ich hab’s geſehn!","norm":"Ich habe es gesehen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":54,"orig":"Geſehen?","norm":"Gesehen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":55,"orig":"— Schuft!","norm":"— Schuft!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":56,"orig":"Hätt’ ich’s geſehn mit dieſen meinen Augen, Weit eher glaubt’ ich, daß ich wachend träume, Als Uebles von dem Schwager meines Herrn.","norm":"Hätte ich es gesehen mit diesen meinen Augen, weit eher glaubte ich, dass ich wachend träume, als übles von dem Schwager meines Herrn."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":57,"orig":"Geh’ fort!","norm":"Gehe fort!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":58,"orig":"— Muß ich hier toben wie ein Fant?","norm":"— Muss ich hier toben wie ein Fant?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":59,"orig":"Scheltwort’ ausſtoßen, und — bei toll und unklug!","norm":"Scheltworte ausstoßen, und — bei toll und unklug!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":60,"orig":"— Ein Rath des König’s!","norm":"— Ein Rat des Königs!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":61,"orig":"— Nu, ein feiner Rath!","norm":"— Nu, ein feiner Rat!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":62,"orig":"— Ei wollt’ ich doch, du wär’ſt auf Farkahegy, Zwölf Steine über dir!","norm":"— Ei wollte ich doch, du wärest auf Farkahegy, Zwölf Steine über dir!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":63,"orig":"— Ei, dies und das!","norm":"— Ei, dies und das!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":64,"orig":"— Geh’ ſag’ ich, geh’!","norm":"— Gehe sage ich, gehe!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":65,"orig":"Ich will nicht weiter ſprechen.","norm":"Ich will nicht weitersprechen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":66,"orig":"Was bring’ſt nur du?","norm":"Was bringst nur du?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":67,"orig":"Den Frühtrunk, gnäd’ger Herr!","norm":"Den Frühtrunk, gnädiger Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":68,"orig":"Setz’ immer hin.","norm":"Setze immer hin."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":69,"orig":"— Iſt meine Frau ſchon wach?","norm":"— Ist meine Frau schon wach?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":70,"orig":"Ja wohl!","norm":"Ja wohl!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":71,"orig":"Ja wohl?","norm":"Ja wohl?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":72,"orig":"— Warum denn kommt ſie nicht?","norm":"— Warum denn kommt sie nicht?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":73,"orig":"Ja wohl iſt zweimal »Ja!« — Wenn zweimal wach denn, So ſollte ſie doch mind’ſtens einmal kommen.","norm":"Ja wohl ist zweimal »Ja!« — Wenn zweimal wach denn, so sollte sie doch mindestens einmal kommen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":74,"orig":"»Ja wohl!« — Gott ſegne mir die Redensarten!","norm":"»Ja wohl!« — Gott segne mir die Redensarten!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":75,"orig":"Ein andermal ſprich:","norm":"Ein andermal sprich:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":76,"orig":"Ja!","norm":"Ja!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":77,"orig":"— Nun alſo denn, Warum nur kommt ſie nicht?","norm":"— Nun also denn, warum nur kommt sie nicht?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":78,"orig":"Ich ſollte fragen, Ob Ihr erlaubt —?","norm":"Ich sollte fragen, ob Ihr erlaubt —?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":79,"orig":"Ich gebe mich gefangen!","norm":"Ich gebe mich gefangen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":80,"orig":"Die Thorheit, merk’ ich, ſteck’t, wie Fieber, an.","norm":"Die Torheit, merke ich, steckt, wie Fieber, an."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":81,"orig":"Ob ich erlaube, frägt ſie?","norm":"Ob ich erlaube, fragt sie?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":82,"orig":"— Guter Gott!","norm":"— Guter Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":83,"orig":"Soll ich erlauben?","norm":"Soll ich erlauben?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":84,"orig":"und hab’ nie verwehr’t!","norm":"und habe nie verwehrt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":85,"orig":"Ei, Erny, grüß’ dich Gott!","norm":"Ei, Erny, grüße dich Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":86,"orig":"Was ficht dich an?","norm":"Was ficht dich an?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":87,"orig":"Läß’ſt du durch Kämm’rer mich um Einlaß bitten?","norm":"Lässt du durch Kämmerer mich um Einlass bitten?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":88,"orig":"Ich bin ein Feind von Neuerungen, Kind!","norm":"Ich bin ein Feind von Neuerungen, Kind!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":89,"orig":"Mach’ mir nichts Neues, bitt’ ich dich gar ſehr.","norm":"Mache mir nichts Neues, bitte ich dich gar sehr."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":90,"orig":"So zürn’t Ihr nicht?","norm":"So zürnt Ihr nicht?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":91,"orig":"Warum denn?","norm":"Warum denn?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":92,"orig":"— Ja, dort unten —?","norm":"— Ja, dort unten —?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":93,"orig":"Die Straße, Kind, iſt Jedermann’s Gemeingut.","norm":"Die Straße, Kind, ist jedermanns Gemeingut."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":94,"orig":"Wir haben ſie nicht herbeſtell’t, wir können, Genau genommen, ihnen’s auch nicht wehren.","norm":"Wir haben sie nicht herbestellt, wir können, genau genommen, ihnen es auch nicht wehren."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":95,"orig":"Ob’s gleich nicht artig iſt, ſo früh am Tage Die Schläfer ſchon zu ſtören durch Geſang.","norm":"Ob es gleich nicht artig ist, so früh am Tage die Schläfer schon zu stören durch Gesang."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":96,"orig":"Doch wiß’t Ihr denn auch, wer —?","norm":"Doch wisst Ihr denn auch, wer —?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":97,"orig":"Ich mag’s nicht wiſſen.","norm":"Ich mag es nicht wissen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":98,"orig":"Gertrude ſagt — der Prinz —","norm":"Gertrude sagt — der Prinz —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":99,"orig":"Nun, ſey’s darum!","norm":"Nun, sei es darum!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":100,"orig":"Der gute Herr hat Muße — laß’ ihn ſchwärmen!","norm":"Der gute Herr hat Muße — lass ihn schwärmen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":101,"orig":"»Schön’ Erny, lieb und gut, Verſchläf’ſt dein junges Blut;","norm":"»Schöne Erny, lieb und gut, verschläfst dein junges Blut;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":102,"orig":"Vermähleſt ohne Scheu Dem Winter deinen Mai.","norm":"Vermählest ohne Scheu dem Winter deinen Mai."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":103,"orig":"«","norm":"«"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":104,"orig":"Bancbanus!","norm":"Bancbanus!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":105,"orig":"Ho, Bancbanus!","norm":"Ho, Bancbanus!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":106,"orig":"Der Mittlere ſing’t falſch, und hält nicht Takt.","norm":"Der Mittlere singt falsch, und hält nicht Takt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":107,"orig":"Daß Gott!","norm":"Dass Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":108,"orig":"Ein ſchlechtes Lied verdirbt die reinſte Kehle!","norm":"Ein schlechtes Lied verdirbt die reinste Kehle!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":109,"orig":"Ha, Scham und Schmach!","norm":"Ha, Scham und Schmach!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":110,"orig":"Für wen?","norm":"Für wen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":111,"orig":"— Mein liebes Kind!","norm":"— Mein liebes Kind!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":112,"orig":"Nur eine Schmach weiß ich auf dieſer Erde, Und die heiß’t:","norm":"Nur eine Schmach weiß ich auf dieser Erde, und die heißt:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":113,"orig":"Unrecht thun.","norm":"Unrecht tun."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":114,"orig":"Allein, die Worte — Des argen Liedes Worte, die ſie ſangen.","norm":"Allein, die Worte — des argen Liedes Worte, die sie sangen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":115,"orig":"Ich achtete nicht d’rauf, und rathe dir ein Gleiches.","norm":"Ich achtete nicht drauf, und rate dir ein Gleiches."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":116,"orig":"Der Vorzug iſt’s der Worte vor den Thaten, Sie ſchäd’gen nur, wenn man ſich ihnen leih’t.","norm":"Der Vorzug ist es der Worte vor den Taten, Sie schädigen nur, wenn man sich ihnen leiht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":117,"orig":"— Nun laß’ von And’rem uns, von Nöth’germ ſprechen.","norm":"— Nun lass von Anderem uns, von Nötigerem sprechen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":118,"orig":"Der König zieh’t nach Haliſch mit dem Heer, Des Reiches alte Rechte zu bewahren;","norm":"Der König zieht nach Halisch mit dem Heer, des Reiches alte Rechte zu bewahren;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":119,"orig":"Mit Tages Anbruch will er heute fort.","norm":"Mit Tagesanbruch will er heute fort."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":120,"orig":"Ich bin beſchieden, ſammt den andern Räthen, Zu hören noch ſein königlich Gebot.","norm":"Ich bin beschieden, samt den anderen Räten, zu hören noch sein königlich Gebot."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":121,"orig":"Ich geh’ auf’s Schloß.","norm":"Ich gehe aufs Schloss."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":122,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":123,"orig":"Jetzt?","norm":"Jetzt?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":124,"orig":"Warum denn nicht?","norm":"Warum denn nicht?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":125,"orig":"Jetzt, da das Haus von jenen tollen Haufen Umlagert ſteh’t?","norm":"Jetzt, da das Haus von jenen tollen Haufen umlagert steht?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":126,"orig":"Mein Kind, gib dich zufrieden!","norm":"Mein Kind, gib dich zufrieden!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":127,"orig":"Die lauten Kläffer ſcheu’ ich nicht zumeiſt.","norm":"Die lauten Kläffer scheue ich nicht zumeist."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":128,"orig":"Ich geh’ in meines König’s Dienſt und Auftrag.","norm":"Ich gehe in meines Königs Dienst und Auftrag."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":129,"orig":"Und dann — hätt’ ich dies Haupt an ſechzig Jahre Aufrecht getragen unter Sturm und Sonne, Damit ein junger Fant ſich muthig fühlte, Zu mehr, als d’rauß ’ zu lärmen vor der Thür?","norm":"Und dann — hätte ich dies Haupt an sechzig Jahre aufrecht getragen unter Sturm und Sonne, damit ein junger Fant sich mutig fühlte, zu mehr, als draußen ’ zu lärmen vor der Tür?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":130,"orig":"Sey ruhig, Kind, mein Wächter geh’t mit mir!","norm":"Sei ruhig, Kind, mein Wächter geht mit mir!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":131,"orig":"— Ich alſo will nach Hofe.","norm":"— Ich also will nach Hofe."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":132,"orig":"Du indeß, Wenn’s anders dir gefäll’t, zieh’ dich zurück In’s Innere des Hauſes.","norm":"Du indes, wenn es anders dir gefällt, zieh dich zurück Ins Innere des Hauses."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":133,"orig":"Hör’ſt du wohl?","norm":"Hörst du wohl?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":134,"orig":"Verliſcht das Licht hier, und ermangelt Antwort, So wird der Polt’rer ſeines Polterns ſatt, Und geh’t zuletzt von ſelbſt.","norm":"Verlischt das Licht hier, und ermangelt Antwort, so wird der Polterer seines Polterns satt, und geht zuletzt von selbst."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":135,"orig":"Willſt du, mein Kind?","norm":"Willst du, mein Kind?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":136,"orig":"Wie gern!","norm":"Wie gern!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":137,"orig":"Nun denn, leb’ wohl!","norm":"Nun denn, lebe wohl!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":138,"orig":"Noch einen Kuß.","norm":"Noch einen Kuss."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":139,"orig":"Doch nein!","norm":"Doch nein!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":140,"orig":"So aufgeregt, das hieße rauben.","norm":"So aufgeregt, das hieße rauben."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":141,"orig":"Komm’ ich zurück, ſo gibſt du ihn wohl ſelbſt.","norm":"Komme ich zurück, so gibst du ihn wohl selbst."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":142,"orig":"Mein Gatte!","norm":"Mein Gatte!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":143,"orig":"Bancbanus!","norm":"Bancbanus!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":144,"orig":"Ho, Bancbanus!","norm":"Ho, Bancbanus!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":145,"orig":"Lärmet, lärm’t nur zu!","norm":"Lärmet, lärmt nur zu!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":146,"orig":"Wenn’s ruhig hier,","norm":"Wenn es ruhig hier,"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":147,"orig":"iſt hier auch Alles Ruh’!","norm":"ist hier auch alles Ruhe!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":148,"orig":"Er geh’t.","norm":"Er geht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":149,"orig":"— Nun ſind ſie ſtill.","norm":"— Nun sind sie still."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":150,"orig":"— Horch!","norm":"— Horch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":151,"orig":"— Es war nichts.","norm":"— Es war nichts."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":152,"orig":"Beliebt’s Euch, gnäd’ge Frau?","norm":"Beliebt es Euch, gnädige Frau?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":153,"orig":"Ja ſo!","norm":"Ja so!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":154,"orig":"— Ich komme.","norm":"— Ich komme."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":155,"orig":"Sonſt war der Prinz doch artig, ſcheu vielmehr.","norm":"Sonst war der Prinz doch artig, scheu vielmehr."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":156,"orig":"Was ſah er wohl an mir, das ihm zu ſolchen Tolldreiſtem, frevlem Treiben gab den Muth?","norm":"Was sah er wohl an mir, das ihm zu solchem Tolldreistem, frevlem Treiben gab den Mut?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":157,"orig":"— Komm’, komm’!","norm":"— Komme, komme!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":158,"orig":"Wir wollen noch ein Stündchen ſchlafen.","norm":"Wir wollen noch ein Stündchen schlafen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":159,"orig":"Das Licht verſchwindet oben in der Kammer.","norm":"Das Licht verschwindet oben in der Kammer."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":160,"orig":"Beachtet man ſo wenig unſer Thun?","norm":"Beachtet man so wenig unser Tun?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":161,"orig":"Schlag’ Einer an das Thor, und jubelt laut!","norm":"Schlag Einer an das Tor, und jubelt laut!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":162,"orig":"Ich will ihn reizen, will!","norm":"Ich will ihn reizen, will!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":163,"orig":"und gält’s das Aergſte!","norm":"und gälte es das Ärgste!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":164,"orig":"Der Riegel klirr’t — man dreh’t den Schlüſſel, Herr!","norm":"Der Riegel klirrt — man dreht den Schlüssel, Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":165,"orig":"Der Feind thut einen Ausfall, wie es ſchein’t.","norm":"Der Feind tut einen Ausfall, wie es scheint."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":166,"orig":"Zieh’t Euch zurück, und harret, was geſchieh’t.","norm":"Zieht Euch zurück, und harret, was geschieht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":167,"orig":"— Nun gut!","norm":"— Nun gut!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":168,"orig":"Es iſt Bancbanus ſelbſt.","norm":"Es ist Bancbanus selbst."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":169,"orig":"Er geh’t nach Hofe.","norm":"Er geht nach Hofe."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":170,"orig":"Geb’t ihm noch einen Aerger auf den Weg.","norm":"Gebt ihm noch einen Ärger auf den Weg."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":171,"orig":"Der Dachs fährt aus dem Bau.","norm":"Der Dachs fährt aus dem Bau."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":172,"orig":"Windhunde vor!","norm":"Windhunde vor!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":173,"orig":"Melamp!","norm":"Melamp!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":174,"orig":"Garzaun!","norm":"Garzaun!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":175,"orig":"Im Finſtern ſtehen ſie.","norm":"Im Finstern stehen sie."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":176,"orig":"Was kümmert’s dich?","norm":"Was kümmert es dich?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":177,"orig":"Geh’ mit dem Licht voran, und leuchte.","norm":"Gehe mit dem Licht voran, und leuchte."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":178,"orig":"— Fort!","norm":"— Fort!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":179,"orig":"Er iſt nicht aufzubringen, nicht zu ärgern!","norm":"Er ist nicht aufzubringen, nicht zu ärgern!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":180,"orig":"Was ich beginn’, er ſpottet meiner Wuth.","norm":"Was ich beginne, er spottet meiner Wut."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":181,"orig":"Ich will ihm nach, ich will ihn ſtehen heißen, Ihm lachen in ſein glotzend Angeſicht.","norm":"Ich will ihm nach, ich will ihn stehen heißen, ihm lachen in sein glotzend Angesicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":182,"orig":"Ihr werdet ſeh’n, die hochgekniff’nen Brauen, Sie ſenken ſich um keines Haares Breite;","norm":"Ihr werdet sehen, die hochgekniffenen Brauen, Sie senken sich um keines Haares Breite;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":183,"orig":"Die Falten alle ſeiner Lederhaut, Sie bleiben, wie ſie Zeit und Stumpfhelt bogen.","norm":"Die Falten alle seiner Lederhaut, Sie bleiben, wie sie Zeit und Stumpfheit bogen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":184,"orig":"Ich zupf’ ihn an dem Bart, er merk’t es nicht;","norm":"Ich zupfe ihn an dem Bart, er merkt es nicht;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":185,"orig":"Ich raſ’ und tob’ — er aber frägt:","norm":"Ich rase und tobe — er aber fragt:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":186,"orig":"Was nun?","norm":"Was nun?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":187,"orig":"Setz’t mich nach Frankreich, bringt nach Wälſchland mich;","norm":"Setzt mich nach Frankreich, bringt nach Welschland mich;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":188,"orig":"Der Mann, der Bruder, der mein Liebchen hütet, Er miſche Gift, er ſende Mörder aus;","norm":"Der Mann, der Bruder, der mein Liebchen hütet, er mische Gift, er sende Mörder aus;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":189,"orig":"Den Todesdolch in der durchſtoß’nen Bruſt, Will ſterbend ich ihm ſagen: wohlgethan!","norm":"Den Todesdolch in der durchstoßenen Brust, will sterbend ich ihm sagen: wohlgetan!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":190,"orig":"Doch dieſer Gleichmuth foltert, martert mich.","norm":"Doch dieser Gleichmut foltert, martert mich."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":191,"orig":"— Bringt Licht!","norm":"— Bringt Licht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":192,"orig":"Ich will mein Toben ſehn!","norm":"Ich will mein Toben sehen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":193,"orig":"Allein, Bedenk’t, erlauchter Herr!","norm":"Allein, Bedenkt, erlauchter Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":194,"orig":"Bedenken?","norm":"Bedenken?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":195,"orig":"Was?","norm":"Was?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":196,"orig":"Die Nachbarſchaft.","norm":"Die Nachbarschaft."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":197,"orig":"Ich lache dieſer Tröpfe!","norm":"Ich lache dieser Tröpfe!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":198,"orig":"Iſt meine Schweſter Königin im Land’, Daß ich viel fragen ſoll nach Brauch und Sitte?","norm":"Ist meine Schwester Königin im Land, dass ich viel fragen soll nach Brauche und Sitte?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":199,"orig":"Ich wollt’ ihn ärgern; ſeht, das war der Punkt.","norm":"Ich wollte ihn ärgern; seht, das war der Punkt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":200,"orig":"Ihn, der die Jagd mir hemm’t, die Luſt verdirbt.","norm":"Ihn, der die Jagd mir hemmt, die Lust verdirbt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":201,"orig":"Was kümmert mich ſein Weib mit ihrem blonden Haar?","norm":"Was kümmert mich sein Weib mit ihrem blonden Haar?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":202,"orig":"Nicht einmal blond, aus Gelb und Fahl gemiſch’t;","norm":"Nicht einmal blond, aus Gelb und Fahl gemischt;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":203,"orig":"Mit ihrem Antlitz, weiß und weiß, und weiß, Kaum auf den Wangen röthlich überſtrahl’t.","norm":"Mit ihrem Antlitz, weiß und weiß, und weiß, kaum auf den Wangen rötlich überstrahlt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":204,"orig":"— Schön iſt ſie wohl!","norm":"— Schön ist sie wohl!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":205,"orig":"— Wenn dieſes blaue Auge, So ernſt und ſchroff, und doch ſo feurig auch, Wenn’s je — Ich ſage dir, ich hab’s geſeh’n, Wie ſie, im vollen Kreis des ganzen Hofes, Die theilnahmloſen Augen — blau und groß — Nach mir hinrichtete, minutenlang, In ſtarrer, wohlgefälliger Betrachtung.","norm":"— Wenn dieses blaue Auge, so ernst und schroff, und doch so feurig auch, wenn es je — Ich sage dir, ich habe es gesehen, wie sie, im vollen Kreis des ganzen Hofes, die teilnahmslosen Augen — blau und groß — nach mir richtete, minutenlang, in starrer, wohlgefälliger Betrachtung."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":206,"orig":"Von mir ertapp’t, von meinem Blick begegnet, Zog ſie den ihren nicht verſtohlen ab, Nein, noch verweilend, wie ein kühner Feind, Der nicht den Rücken kehr’t, und langſam weich’t, Ertrug ſie die Begegnung, und erſt ſpät, Willkührlich, nicht gezwungen, kehrte ſie Von mir den froſt’gen Strahl.","norm":"Von mir ertappt, von meinem Blick begegnet, zog sie den ihren nicht verstohlen ab, Nein, noch verweilend, wie ein kühner Feind, der nicht den Rücken kehrt, und langsam weicht, ertrug sie die Begegnung, und erst spät, willkürlich, nicht gezwungen, kehrte sie Von mir den frostigen Strahl."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":207,"orig":"— Es war nicht Liebe, Ich geb’ es zu; doch Wohlgefallen war’s.","norm":"— Es war nicht Liebe, Ich gebe es zu; doch Wohlgefallen war es."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":208,"orig":"Allein, was kümmert’s mich?","norm":"Allein, was kümmert es mich?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":209,"orig":"Was frag’ ich viel Nach ihr und ihrem Blick!","norm":"Was frag ich viel Nach ihr und ihrem Blick!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":210,"orig":"— Noch and’re Weiber, Und ſchön’re Weiber gibt’s, und minder ſpröde.","norm":"— Noch andere Weiber, und schönere Weiber gibt es, und minder spröde."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":211,"orig":"Mich reiz’t es nicht, zu ſchmelzen dieſen Schnee, Zu Eis gedämm’t in ihres Mannes Gletſchern.","norm":"Mich reizt es nicht, zu schmelzen diesen Schnee, zu Eis gedämmt in ihres Mannes Gletschern."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":212,"orig":"Den Mann zu ärgern gilt’s, der meiner Werbung Durch ſeine Sicherheit zu ſpotten ſchein’t.","norm":"Den Mann zu ärgern gilt es, der meiner Werbung durch seine Sicherheit zu spotten scheint."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":213,"orig":"Was ſonſt ſich gibt, als Zuthat nehm’ ich’s hin.","norm":"Was sonst sich gibt, als Zutat nehme ich es hin."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":214,"orig":"Reich’t mir die Zither!","norm":"Reicht mir die Zither!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":215,"orig":"Noch den letzten Sturm.","norm":"Noch den letzten Sturm."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":216,"orig":"Wo weil’t der Herzog, Otto von Meran?","norm":"Wo weilt der Herzog, Otto von Meran?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":217,"orig":"Iſt er zugegen?","norm":"Ist er zugegen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":218,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":219,"orig":"Man ſagte doch —","norm":"Man sagte doch —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":220,"orig":"Verzeih’t, ich kannt’ Euch nicht, die Schatten trügen.","norm":"Verzeiht, ich kannte Euch nicht, die Schatten trügen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":221,"orig":"Ich muß doch ſelber wiſſen, wo ich bin!","norm":"Ich muss doch selber wissen, wo ich bin!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":222,"orig":"Der Herzog iſt nicht hier; er will nicht hier ſeyn.","norm":"Der Herzog ist nicht hier; er will nicht hier sein."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":223,"orig":"Doch ſendet mich die Kön’gin, Eure Schweſter.","norm":"Doch sendet mich die Königin, Eure Schwester."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":224,"orig":"O, Schweſterliebe, läſtig ſchon als Liebe!","norm":"O, Schwesterliebe, lästig schon als Liebe!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":225,"orig":"Was will ſie denn, die Schweſter, ſtets beſorg’t?","norm":"Was will sie denn, die Schwester, stets besorgt?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":226,"orig":"Sie läßt Euch bitten, eilig heim zu kehren.","norm":"Sie lässt Euch bitten, eilig heimzukehren."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":227,"orig":"Der König will zur Stunde fort.","norm":"Der König will zur Stunde fort."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":228,"orig":"Sie hoff’t Ihn noch ein Weilchen aufzuhalten, und Das Aeußerſte, das Letzte zu verſuchen, Um ihren Wunſch, ſich Euch, ſo lang’ er fern, Beizugeſellen in des Reich’s Geſchäften, Beim Abſchied zu erlangen.","norm":"Sie hofft ihn noch ein Weilchen aufzuhalten, und das äußerste, das Letzte zu versuchen, um ihren Wunsch, sich Euch, solange er fern, Beizugesellen in des Reichs Geschäften, beim Abschied zu erlangen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":229,"orig":"Zwar, ſie zweifelt;","norm":"Zwar, sie zweifelt;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":230,"orig":"Doch ſoll’t Ihr heim, damit, wenn’s doch gelänge, Ihr Euch befliſſen zeig’t, durch kluge Worte Befeſtiget den Eindruck, den ſie hoff’t.","norm":"Doch sollt Ihr heim, damit, wenn es doch gelänge, Ihr Euch beflissen zeigt, durch kluge Worte Befestiget den Eindruck, den sie hofft."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":231,"orig":"Nun denn, es ſey!","norm":"Nun denn, es sei!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":232,"orig":"— Es iſt ihr Lieblingswunſch:","norm":"— Es ist ihr Lieblingswunsch:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":233,"orig":"Sie füg’t ſich gerne ſonſt auch meinen Wünſchen!","norm":"Sie fügt sich gerne sonst auch meinen Wünschen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":234,"orig":"Obgleich mich ſelbſt erborgte Herrſchaft, Getheilte Herrſchaft nimmermehr erfreu’t.","norm":"Obgleich mich selbst erborgte Herrschaft, geteilte Herrschaft nimmermehr erfreut."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":235,"orig":"— Kommt, die Belagerung iſt aufgehoben!","norm":"— Kommt, die Belagerung ist aufgehoben!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":236,"orig":"Der Feind erhole ſich, und träum’ indeſſen Von ſeinem, — der zuletzt wohl unſer Sieg.","norm":"Der Feind erhole sich, und Traum indessen von seinem, — der zuletzt wohl unser Sieg."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":237,"orig":"Ich bitt’ Euch, weil’t noch länger, mein Gemahl!","norm":"Ich bitte Euch, weilt noch länger, mein Gemahl!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":238,"orig":"Geliebtes Weib!","norm":"Geliebtes Weib!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":239,"orig":"Du weißt, es drängt die Pflicht.","norm":"Du weißt, es drängt die Pflicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":240,"orig":"Doch dräng’t auch Liebe Jeden, der ſie fühl’t.","norm":"Doch drängt auch Liebe jeden, der sie fühlt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":241,"orig":"Schon eine Stunde gab dir der Gemahl, Der König darf dir keine zweite geben.","norm":"Schon eine Stunde gab dir der Gemahl, der König darf dir keine zweite geben."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":242,"orig":"Der Tag bricht an, das Heer erwartet mich.","norm":"Der Tag bricht an, das Heer erwartet mich."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":243,"orig":"Ruf’t meine Räthe, ruf’t den ganzen Hof, Daß ſie vernehmen ihres König’s Willen.","norm":"Ruft meine Räte, ruft den ganzen Hof, dass sie vernehmen ihres Königs Willen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":244,"orig":"Halt noch!","norm":"Halt noch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":245,"orig":"— Verzeih’t!","norm":"— Verzeiht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":246,"orig":"Es iſt die Gattin nicht, Es iſt das Reich, das noch zwei Worte fordert.","norm":"Es ist die Gattin nicht, es ist das Reich, das noch zwei Worte fordert."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":247,"orig":"Verweil’t im Vorgemach’, bis man Euch ruf’t.","norm":"Verweilt im Vorgemache, bis man Euch ruft."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":248,"orig":"Ich weiß, Ihr ruf’t den Hofhalt und die Räthe, Um für die Zeit, da Ihr vom Lande fern, Zu ordnen die Regierung, das Geſchäft.","norm":"Ich weiß, Ihr ruft den Hofhalt und die Räte, um für die Zeit, da Ihr vom Lande fern, zu ordnen die Regierung, das Geschäft."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":249,"orig":"Den erſten Platz im Staate nun, ich weiß es, Weil Eure Lieb’ ich kenn’, und Ihr’s verſprach’t, Beſtimmt Ihr mir, der Mutter Eurer Kinder, Der treu’ſten Hüterin von ihrem Erbe.","norm":"Den ersten Platz im Staate nun, ich weiß es, weil Eure Liebe ich kenne, und Ihr es verspracht, bestimmt Ihr mir, der Mutter Eurer Kinder, der treuesten Hüterin von ihrem Erbe."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":250,"orig":"In ſo weit dank’ ich Euch, und bin zufrieden;","norm":"Insoweit dank ich Euch, und bin zufrieden;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":251,"orig":"Doch iſt noch Ein’s, das mich mit Sorg’ erfüll’t.","norm":"Doch ist noch Eins, das mich mit Sorge erfüllt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":252,"orig":"Und was, Gertrude?","norm":"Und was, Gertrude?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":253,"orig":"Sprich!","norm":"Sprich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":254,"orig":"Ihr hab’t erklär’t — Ob nun mit Recht, mit Unrecht, ſtell’ ich hin — Daß Manches ſich ergibt im Kreiſ’ des Herrſchers, Das raſch perſönliches, ſelbſteig’nes Walten, Zuthun und Faſſen fordert und beding’t, Und eines Männerarm’s bedarf.","norm":"Ihr habt erklärt — ob nun mit Recht, mit Unrecht, stelle ich hin — dass manches sich ergibt im Kreise des Herrschers, das rasch persönliches, selbsteigenes Walten, Zutun und Fassen fordert und bedingt, und eines Männerarms bedarf."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":255,"orig":"So iſt’s.","norm":"So ist es."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":256,"orig":"Den Mann nun, der vollziehe, was beſchloſſen, Erübrig’t noch zu nennen, zu beſtimmen.","norm":"Den Mann nun, der vollziehe, was beschlossen, erübrigt noch zu nennen, zu bestimmen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":257,"orig":"Auch dafür iſt geſorg’t","norm":"Auch dafür ist gesorgt"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":258,"orig":"O ſtille!","norm":"O stille!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":259,"orig":"ſtill!","norm":"still!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":260,"orig":"Sprech’t keinen Namen aus, der, ausgeſprochen, Zu Schlüſſen ſtämpelt prüfende Gedanken, Und Euch zu halten nöthig’t das Geſagte;","norm":"Sprecht keinen Namen aus, der, ausgesprochen, zu Schlüssen stempelt prüfende Gedanken, und Euch zu halten nötigt das Gesagte;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":261,"orig":"Nicht weil es gut, nein, weil Ihr es geſagt.","norm":"Nicht weil es gut, nein, weil Ihr es gesagt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":262,"orig":"— Wenn Ihr mich liebt, wenn ich Euch jemals werth, So geb’t den Herzog, meinen Bruder, mir Als Mitgenoß’ des fürſtlichen Geſchäft’s.","norm":"— Wenn Ihr mich liebt, wenn ich Euch jemals wert, so gebt den Herzog, meinen Bruder, mir Als Mitgenoße des fürstlichen Geschäfts."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":263,"orig":"— Ich ſeh’ es, Eure Stirne runzelt ſich.","norm":"— Ich sehe es, Eure Stirn runzelt sich."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":264,"orig":"Ihr lieb’t ihn nicht!","norm":"Ihr liebt ihn nicht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":265,"orig":"— Schon oft hab’ ich’s bemerk’t, Mit Schmerz, mit tiefem Kummer es bemerk’t, Ihr lieb’t ihn nicht!","norm":"— Schon oft habe ich es bemerkt, mit Schmerz, mit tiefem Kummer es bemerkt, Ihr liebt ihn nicht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":266,"orig":"Ich liebe, was ich achte.","norm":"Ich liebe, was ich achte."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":267,"orig":"So achtet Ihr ihn nicht?","norm":"So achtet Ihr ihn nicht?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":268,"orig":"Wer darf das ſagen?","norm":"Wer darf das sagen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":269,"orig":"— O glaub’t nicht, was der Neid von ihm berichtet, Die Scheelſucht, die nur lob’t, was klein, wie ſie.","norm":"— O glaubt nicht, was der Neid von ihm berichtet, die Scheelsucht, die nur lobt, was klein, wie sie."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":270,"orig":"Der Schweſter glaub’t, die ich ihn kenn’ und liebe;","norm":"Der Schwester glaubt, die ich ihn kenne und liebe;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":271,"orig":"Die ich ihn liebe, ja!","norm":"Die ich ihn liebe, ja!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":272,"orig":"denn wahrlich, Herr, Die Liebe nur erkennt und iſt gerecht.","norm":"denn wahrlich, Herr, die Liebe nur erkennt und ist gerecht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":273,"orig":"Ihr geb’t ihm Fehler.","norm":"Ihr gebt ihm Fehler."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":274,"orig":"doch ſchau’t um Euch!","norm":"doch schaut um Euch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":275,"orig":"Wo leb’t der Mann hier Landes, ihm vergleichbar?","norm":"Wo lebt der Mann hier Landes, ihm vergleichbar?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":276,"orig":"Sprech’ ich zuerſt von ſeines Aeußern Gaben?","norm":"Spreche ich zuerst von seines Äußeren Gaben?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":277,"orig":"Wie ſie ſo herrlich ſind, unübertroffen, Und alle dienſtbar ſeinem kühnen Geiſt’.","norm":"Wie sie so herrlich sind, unübertroffen, und alle dienstbar seinem kühnen Geiste."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":278,"orig":"Sein blitzend’ Aug’, es blitz’t auch auf die Feinde;","norm":"Sein blitzend Auge, es blitzt auch auf die Feinde;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":279,"orig":"Der friſche Mund macht Ueberredung ſüß;","norm":"Der frische Mund macht Überredung süß;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":280,"orig":"Die Heldenbruſt, der Glieder kräft’ger Bau, Verkündet ihn als Herrn und als Gebieter.","norm":"Die Heldenbrust, der Glieder kräftiger Bau, verkündet ihn als Herrn und als Gebieter."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":281,"orig":"Glaub’t Ihr, ein Meuter wagte zu beſteh’n, Mit dem Gefühl der Schuld in ſeiner Bruſt, Vor eines Solchen Blick?","norm":"Glaubt Ihr, ein Meuter wagte zu bestehen, mit dem Gefühl der Schuld in seiner Brust, vor eines solchen Blick?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":282,"orig":"— Fürwahr, fürwahr!","norm":"— Fürwahr, fürwahr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":283,"orig":"Des Geiſtes hohe Gaben acht’ ich alle, Doch erſt, wenn ſo des Aeußern Trefflichkeiten, Herolden gleich, vor ihnen her trometen, Dann zieh’n ſie ein als Könige der Welt.","norm":"Des Geistes hohe Gaben acht ich alle, doch erst, wenn so des Äußeren Trefflichkeiten, Herolden gleich, vor ihnen her trommeten, dann ziehen sie ein als Könige der Welt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":284,"orig":"Du biſt begeiſtert.","norm":"Du bist begeistert."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":285,"orig":"Ja, ich bin’s, und Weh’ mir, Wenn ich’s nicht wäre, wo es Würd’ges gilt.","norm":"Ja, ich bin es, und Weh mir, wenn ich es nicht wäre, wo es Würdiges gilt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":286,"orig":"Sag’t ſelbſt, iſt nicht mein Bruder tapfer, klug, Entſchloſſen und verſchwiegen, liſtig, kühn, Kein Zaud’rer?","norm":"Sagt selbst, ist nicht mein Bruder tapfer, klug, entschlossen und verschwiegen, listig, kühn, kein Zauderer?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":287,"orig":"Ja.","norm":"Ja."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":288,"orig":"Was fehl’t ihm alſo?","norm":"Was fehlt ihm also?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":289,"orig":"Sitte.","norm":"Sitte."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":290,"orig":"Nun, er iſt jung!","norm":"Nun, er ist jung!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":291,"orig":"Viel geh’t der Jugend hin, Und Viel erreicht ſie ſelbſt durch ihre Fehler.","norm":"Viel geht der Jugend hin, und viel erreicht sie selbst durch ihre Fehler."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":292,"orig":"Er iſt geſchäftlos.","norm":"Er ist geschäftlos."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":293,"orig":"Geb’t ihm ein Geſchäft!","norm":"Gebt ihm ein Geschäft!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":294,"orig":"Und dann — was thut er auch?","norm":"Und dann — was tut er auch?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":295,"orig":"— Er ſchwärm’t, er lieb’t.","norm":"— Er schwärmt, er liebt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":296,"orig":"In Frankreich achtet man den Jüngling wenig, Der nicht bei Weibern gilt, im Zwiſt der Minne Den Geiſt vorübend ſchärf’t für ernſtern Zwiſt.","norm":"In Frankreich achtet man den Jüngling wenig, der nicht bei Weibern gilt, im Zwist der Minne den Geist vorübend schärft für ernsteren Zwist."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":297,"orig":"So üb’ er ſich in Frankreich, wo man’s duldet, Und abgeklär’t, ſey er willkommen mir.","norm":"So üb er sich in Frankreich, wo man es duldet, und abgeklärt, sei er willkommen mir."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":298,"orig":"Von andern Völkern borg’t das Schlimme nicht, Wer weiß, ob Euch erreichbar iſt ihr Gutes?","norm":"Von anderen Völkern borgt das Schlimme nicht, wer weiß, ob Euch erreichbar ist ihr Gutes?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":299,"orig":"Der Franke mag durch manche hohe Gaben Den Leichtſinn adeln, dem er gern ſich gibt;","norm":"Der Franke mag durch manche hohe Gaben den Leichtsinn adeln, dem er gern sich gibt;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":300,"orig":"Mein Land bewohn’t ein einfach ſtilles Volk, Zu jeder Art des Guten raſch und tüchtig, Doch Sitte hält ihr unverrückbar Maß Streng zwiſchen Allzuwenig, und zu Viel, Und bann’t den ſpröden, überſcharfen Sinn.","norm":"Mein Land bewohnt ein einfach stilles Volk, zu jeder Art des Guten rasch und tüchtig, doch Sitte hält ihr unverrückbar Maß Streng zwischen Allzu wenig, und zu viel, und bannt den spröden, überscharfen Sinn."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":301,"orig":"So iſt, ſo muß es ſeyn, ſo ſoll es bleiben!","norm":"So ist, so muss es sein, so soll es bleiben!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":302,"orig":"Hör’t nur noch Ein’s.","norm":"Hört nur noch Eins."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":303,"orig":"— Ihr nanntet oft mich ſtolz, Ein kühnes Weib, vergleichbar einem Mann’.","norm":"— Ihr nanntet oft mich stolz, ein kühnes Weib, vergleichbar einem Mann. ."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":304,"orig":"Ich war’s — ich bin’s — und doch — ſeh’t mich hier knie’n.","norm":"Ich war es — ich bin es — und doch — seht mich hier knien."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":305,"orig":"Geb’t meinen Bruder mir als Reichsgehülfen!","norm":"Gebt meinen Bruder mir als Reichsgehilfen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":306,"orig":"Gönn’t ihm den Namen nur!","norm":"Gönnt ihm den Namen nur!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":307,"orig":"Ich will ihn hüten.","norm":"Ich will ihn hüten."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":308,"orig":"Er ſoll nichts thun, um was ich nicht gewußt.","norm":"Er soll nichts tun, um was ich nicht gewusst."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":309,"orig":"Wie einem Vogel man die Flügel ſchneidet, Nun hüpf’t er frei, und dünk’t ſich frei, und iſt’s nicht;","norm":"Wie einem Vogel man die Flügel schneidet, nun hüpft er frei, und dünkt sich frei, und ist es nicht;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":310,"orig":"So will ich halten ihn, mit Liebe füttern, Und er ſoll Dank mir zwitſchern, und gedeih’n.","norm":"So will ich halten ihn, mit Liebe füttern, und er soll Dank mir zwitschern, und gedeihen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":311,"orig":"Gönn’t ihm den Namen nur, daß er ſich fühle, Zufrieden ſey, zum erſtenmal zufrieden.","norm":"Gönnt ihm den Namen nur, dass er sich fühle, zufrieden sei, zum ersten Mal zufrieden."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":312,"orig":"Ihr ſeh’t mich ſchwach.","norm":"Ihr seht mich schwach."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":313,"orig":"Ich ſchäme mich, und doch Kann ich nur wiederholen:","norm":"Ich schäme mich, und doch kann ich nur wiederholen:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":314,"orig":"Thut’s, o thut’s!","norm":"Tut es, o tut es!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":315,"orig":"Macht mich der Bruder eiferſüchtig nicht?","norm":"Macht mich der Bruder eifersüchtig nicht?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":316,"orig":"Nicht ſo!","norm":"Nicht so!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":317,"orig":"Ich liebe dich, weiß Gott, wie innig!","norm":"Ich liebe dich, weiß Gott, wie innig!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":318,"orig":"Doch war die Zeit, da ich dich noch nicht kannte;","norm":"Doch war die Zeit, da ich dich noch nicht kannte;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":319,"orig":"Erſt nach durchlebter Jugend fand ich dich, Und ſeitdem wandelt auch mein Geiſt mit dir.","norm":"Erst nach durchlebter Jugend fand ich dich, und seitdem wandelt auch mein Geist mit dir."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":320,"orig":"Doch er — an ſeiner Wiege ſtand ich ſchon, Er war die Puppe, die ich tändelnd ſchmückte;","norm":"Doch er — an seiner Wiege stand ich schon, er war die Puppe, die ich tändelnd schmückte;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":321,"orig":"Mein Vaterland, der Eltern ſtilles Haus, Mein erſt’ Gefühl, die Kindheit leb’t in ihm.","norm":"Mein Vaterland, der Eltern stilles Haus, Mein erst Gefühl, die Kindheit lebt in ihm."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":322,"orig":"Ich grollte ſtets, daß ich ein Mädchen war, Ein Knabe wünſcht’ ich mir zu ſeyn, wie Otto.","norm":"Ich grollte stets, dass ich ein Mädchen war, ein Knabe wünscht ich mir zu sein, wie Otto."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":323,"orig":"Er wuchs heran.","norm":"Er wuchs heran."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":324,"orig":"— In ihm war ich ein Jüngling, In ihm ging ich zur Jagd, beſtieg das Roß;","norm":"— In ihm war ich ein Jüngling, in ihm ging ich zur Jagd, bestieg das Ross;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":325,"orig":"In ihm lockt’ ich des Burgwart’s blöde Töchter.","norm":"In ihm lockte ich des Burgwarts blöde Töchter."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":326,"orig":"— Ihr wiſſ’t, wie ich die Zucht als Weib gehalten;","norm":"— Ihr wisst, wie ich die Zucht als Weib gehalten;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":327,"orig":"Doch that mir’s wohl, in ſeinem kecken Thun Traumweis’ zu überfliegen jene Schranken, In die ein enger Kreis die Weiber bann’t.","norm":"Doch tat mir es wohl, in seinem kecken Tun traumweise zu überfliegen jene Schranken, in die ein enger Kreis die Weiber bannt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":328,"orig":"Er iſt mein Ich, er iſt der Mann Gertrude, Ich bitt’ Euch, trenn’t mich nicht von meinem Selbſt!","norm":"Er ist mein Ich, er ist der Mann Gertrude, Ich bitte Euch, trennt mich nicht von meinem Selbst!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":329,"orig":"Soll er mein Helfer ſeyn, wir wollen leben, Wie drei Geſchwiſter:","norm":"Soll er mein Helfer sein, wir wollen leben, wie drei Geschwister:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":330,"orig":"Euer Volk das dritte.","norm":"Euer Volk das dritte."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":331,"orig":"Soll er?","norm":"Soll er?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":332,"orig":"Was mach’ſt du, Weib, aus mir?","norm":"Was machst du, Weib, aus mir?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":333,"orig":"Soll er?","norm":"Soll er?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":334,"orig":"Nun wohl, ich will ihn ſprechen.","norm":"Nun wohl, ich will ihn sprechen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":335,"orig":"Dank, o Dank!","norm":"Dank, o Dank!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":336,"orig":"Du dank’ſt zu früh!","norm":"Du dankst zu früh!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":337,"orig":"Nur einen Theil der Macht, Das Heer vielleicht, ſoll er indeß verwalten, Und unter Aufſicht.","norm":"Nur einen Teil der Macht, das Heer vielleicht, soll er indes verwalten, und unter Aufsicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":338,"orig":"Unter mir, das Ganze.","norm":"Unter mir, das Ganze."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":339,"orig":"Hollah!","norm":"Holla!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":340,"orig":"Ruf’t meinen Schwager, Herzog Otto.","norm":"Ruft meinen Schwager, Herzog Otto."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":341,"orig":"— — Ihr zögert?","norm":"— — Ihr zögert?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":342,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":343,"orig":"Herr —","norm":"Herr —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":344,"orig":"Mein Bruder iſt nicht wohl.","norm":"Mein Bruder ist nicht wohl."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":345,"orig":"Bei deinem Kopf!","norm":"Bei deinem Kopf!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":346,"orig":"Wo iſt der Herzog Otto!","norm":"Wo ist der Herzog Otto!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":347,"orig":"Herr!","norm":"Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":348,"orig":"nicht daheim.","norm":"nicht daheim."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":349,"orig":"Seit wann?","norm":"Seit wann?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":350,"orig":"Die ganze Nacht.","norm":"Die ganze Nacht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":351,"orig":"Ihr ſeh’t, der Reich’sverweſer hat Geſchäfte, Wir wollen ſie nicht läſtig noch vermehren.","norm":"Ihr seht, der Reichsverweser hat Geschäfte, wir wollen sie nicht lästig noch vermehren."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":352,"orig":"Herein, wer noch im Vorſaal!","norm":"Herein, wer noch im Vorsaal!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":353,"orig":"Herr’n und Räthe!","norm":"Herrn und Räte!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":354,"orig":"Laßt uns beſorgen, was noch weiter oblieg’t.","norm":"Lasst uns besorgen, was noch weiter obliegt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":355,"orig":"Erlauchte Frau —","norm":"Erlauchte Frau —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":356,"orig":"Daß du verdammt wär’ſt!","norm":"Dass du verdammt wärst!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":357,"orig":"Edle Herr’n!","norm":"Edle Herrn!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":358,"orig":"Die Pflicht ruft mich aus Eurer Mitte fort.","norm":"Die Pflicht ruft mich aus Eurer Mitte fort."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":359,"orig":"Galizien, das Ungarns altes Anrecht, Durch Erb’ und Unterwerfung uns zu Dienſt, Man ſucht durch Trug und ſchlaugelegte Ränke Es abzuzieh’n von der beſchwornen Pflicht.","norm":"Galizien, das Ungarns altes Anrecht, durch Erbe und Unterwerfung uns zu Dienst, man sucht durch Trug und schlaugelegte Ränke Es abzuziehen von der beschworenen Pflicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":360,"orig":"Mein Heer erwartet mich, daß wir verſuchen, Was die Gewalt vermag im Dienſt’ des Recht’s.","norm":"Mein Heer erwartet mich, dass wir versuchen, was die Gewalt vermag im Dienste des Rechts."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":361,"orig":"Ich ſcheide.","norm":"Ich scheide."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":362,"orig":"Lebet wohl!","norm":"Lebt wohl!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":363,"orig":"Damit indeß —","norm":"Damit indes —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":364,"orig":"Wie!","norm":"Wie!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":365,"orig":"Keine Frauen hier?","norm":"Keine Frauen hier?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":366,"orig":"Nur Bärte, Bärte?","norm":"Nur Bärte, Bärte?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":367,"orig":"— Ah, Schweſter!","norm":"— Ah, Schwester!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":368,"orig":"Sieh, Unſel’ger!","norm":"Sieh, Unseliger!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":369,"orig":"Dort der König!","norm":"Dort der König!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":370,"orig":"Nun ſchön!","norm":"Nun schön!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":371,"orig":"Ich dacht’, Ihr wär’t ſchon abgereiſ’t.","norm":"Ich dachte, Ihr wärt schon abgereist."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":372,"orig":"Beliebt’s Euch, tretet dorthin, Herr!","norm":"Beliebt es Euch, tretet dorthin, Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":373,"orig":"Wir haben Noch ein’ge Kleinigkeiten abzuthun.","norm":"Wir haben noch einige Kleinigkeiten abzutun."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":374,"orig":"— Nicht hier!","norm":"— Nicht hier!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":375,"orig":"Ich bitt’ Euch, dort!","norm":"Ich bitte Euch, dort!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":376,"orig":"— Wir werden eilen.","norm":"— Wir werden eilen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":377,"orig":"Nun denn, ſo lang’ ich fort, vom Lande fern, Wird meine Frau hier, Eure Königin, Vertreten meine Statt.","norm":"Nun denn, solange ich fort, vom Lande fern, wird meine Frau hier, Eure Königin, Vertreten meine Statt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":378,"orig":"— Ihr geb’t die Ehren, Sonſt mir gezoll’t.","norm":"— Ihr gebt die Ehren, sonst mir gezollt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":379,"orig":"Sie theil’t Belohnung, leih’t im Lehenhof’;","norm":"Sie teilt Belohnung, leiht im Lehenhof;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":380,"orig":"Was Gnade gibt, empfäng’t man nur durch ſie.","norm":"Was Gnade gibt, empfängt man nur durch sie."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":381,"orig":"In Sachen blos des Recht’s, und was noch ſonſt Des kühler’n Blick’s bedarf, und dies Papier benenn’t, Stell’ ich an ihre Seite zum Genoſſen, Der auch im Rathe ſitz’t, und ohne den Nichts von dem Uebrigen auch wird verhandelt;","norm":"In Sachen bloß des Rechts, und was noch sonst Des kühleren Blicks bedarf, und dies Papier benennt, Stell ich an ihre Seite zum Genossen, der auch im Rate sitzt, und ohne den Nichts von dem Übrigen auch wird verhandelt;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":382,"orig":"Der ſtets den Vortrag führ’t, und mir berichtet, Wo ſich in Wichtiger’m die Meinung theil’t —","norm":"Der stets den Vortrag führt, und mir berichtet, wo sich in Wichtigem die Meinung teilt —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":383,"orig":"Unglücklicher!","norm":"Unglücklicher!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":384,"orig":"warum kamſt du ſo ſpät?","norm":"warum kamst du so spät?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":385,"orig":"In alle dem zum Reich’sgehülfen nenn’ ich — Tritt vor, Bancbanus!","norm":"In alledem zum Reichsgehilfen nenne ich — Tritt vor, Bancbanus!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":386,"orig":"— Hier!","norm":"— Hier!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":387,"orig":"— Ernenn’ ich dich!","norm":"— Ernenne ich dich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":388,"orig":"Sey du ihr Aug’ und Ohr, ſey Hand und Arm, Sie wird der Geiſt ſeyn, der durch dich gebietet.","norm":"Sei du ihr Auge und Ohr, sei Hand und Arm, sie wird der Geist sein, der durch dich gebietet."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":389,"orig":"Stets war’ſt du treuer Diener deines Herrn, Du wirſt’s auch hierin ſeyn.","norm":"Stets warst du treuer Diener deines Herrn, Du wirst es auch hierin sein."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":390,"orig":"Ach, Herr, bedenk’t —","norm":"Ach, Herr, bedenkt —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":391,"orig":"Es iſt bedacht!","norm":"Es ist bedacht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":392,"orig":"Ich bin ein ſchwacher Mann.","norm":"Ich bin ein schwacher Mann."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":393,"orig":"So minder wohl verlock’t dich die Gewalt.","norm":"So minder wohl verlockt dich die Gewalt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":394,"orig":"Bin alt.","norm":"Bin alt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":395,"orig":"Iſt Herrſchen denn ein Knabenſpielwerk?","norm":"Ist Herrschen denn ein Knabenspielwerk?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":396,"orig":"Ich hab’s geſag’t, und reif erwogen auch, Dein Weigern zeig’t mir, daß ich recht gewähl’t.","norm":"Ich habe es gesagt, und reif erwogen auch, Dein Weigern zeigt mir, dass ich recht gewählt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":397,"orig":"Wo iſt mein Sohn?","norm":"Wo ist mein Sohn?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":398,"orig":"Bring’t meinen Sohn zum Abſchied!","norm":"Bringt meinen Sohn zum Abschied!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":399,"orig":"— Hier, dies Papier bezeichnet deinen Kreis;","norm":"— Hier, dies Papier bezeichnet deinen Kreis;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":400,"orig":"Wie vorwärts nicht, ſo rückwärts nicht gefuß’t!","norm":"Wie vorwärts nicht, so rückwärts nicht gefußt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":401,"orig":"Denn, was du darfſt, iſt dem gleich, was du mußt.","norm":"Denn, was du darfst, ist dem gleich, was du musst."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":402,"orig":"Kannſt du den Herzog hier im Heere brauchen, So thu’s; wenn nicht, ich ſtell’ es dir anheim.","norm":"Kannst du den Herzog hier im Heere brauchen, so tus; wenn nicht, ich stelle es dir anheim."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":403,"orig":"Geh’ hin, und küß’ die Hand der Königin;","norm":"Gehe hin, und küss die Hand der Königin;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":404,"orig":"Sey ihr zu Dienſt, und bitt’ um ihre Gnade.","norm":"Sei ihr zu Dienst, und bitte um ihre Gnade."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":405,"orig":"— Wo iſt mein Sohn?","norm":"— Wo ist mein Sohn?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":406,"orig":"Erlauchte Frau, erlaub’t —","norm":"Erlauchte Frau, erlaubt —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":407,"orig":"Tolldreiſt und Thor!","norm":"Tolldreist und Tor!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":408,"orig":"Was iſt?","norm":"Was ist?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":409,"orig":"— Gertrude — wie?","norm":"— Gertrude — wie?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":410,"orig":"Verweigerſt du die Hand dem Manne, dem — Gott und Gericht!","norm":"Verweigerst du die Hand dem Manne, dem — Gott und Gericht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":411,"orig":"Iſt das der volle Dank?","norm":"Ist das der volle Dank?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":412,"orig":"Beginn’t der Unfried’, eh’ ich noch geſchieden?","norm":"Beginnt der Unfriede, ehe ich noch geschieden?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":413,"orig":"— Gib deine Schrift!","norm":"— Gib deine Schrift!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":414,"orig":"— Bancbanus, gib die Vollmacht!","norm":"— Bancbanus, gib die Vollmacht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":415,"orig":"Vor Weiter’m will ich wohl mein Land bewahren!","norm":"Vor Weiterem will ich wohl mein Land bewahren!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":416,"orig":"Die Königinnen ſaßen ſonſt am Kunkel, So lang’ ihr Mann im Feld.","norm":"Die Königinnen saßen sonst am Kunkel, Solange ihr Mann im Feld."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":417,"orig":"— Bancbanus, gib!","norm":"— Bancbanus, gib!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":418,"orig":"Ich will Euch Grenzen ſetzen, daß Ihr’s wahrnehm’t, Und wär’t Ihr blind vor Hochmuth und vor Grimm!","norm":"Ich will Euch Grenzen setzen, dass Ihr es wahrnehmt, und wärt Ihr blind vor Hochmut und vor Grimm!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":419,"orig":"Hier, meine Hand!","norm":"Hier, meine Hand!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":420,"orig":"Ich werd’ Euch gnädig ſeyn, Wenn Ihr’s verdien’t.","norm":"Ich werde Euch gnädig sein, wenn Ihr es verdient."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":421,"orig":"Geh’ hin, Bancban, geh’ hin!","norm":"Gehe hin, Bancban, gehe hin!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":422,"orig":"Was?","norm":"Was?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":423,"orig":"Seh’ ich recht?","norm":"Sehe ich recht?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":424,"orig":"— Wohl eine Thräne gar?","norm":"— Wohl eine Träne gar?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":425,"orig":"Ich ſagt’ Euch’s, Herr!","norm":"Ich sagt Euch es, Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":426,"orig":"Ich tauge nicht dafür.","norm":"Ich tauge nicht dafür."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":427,"orig":"Du taug’ſt, mein Freund, nur du.","norm":"Du taugst, mein Freund, nur du."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":428,"orig":"Küſſ’ ihre Hand!","norm":"Küsse ihre Hand!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":429,"orig":"Ob heftig zwar, iſt ſie gerecht und klug.","norm":"Ob heftig zwar, ist sie gerecht und klug."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":430,"orig":"Und nun, leb’t wohl!","norm":"Und nun, lebt wohl!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":431,"orig":"Gertrude, theures Weib!","norm":"Gertrude, teures Weib!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":432,"orig":"Bela, mein Sohn!","norm":"Bela, mein Sohn!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":433,"orig":"Mein gutes, liebes Kind!","norm":"Mein gutes, liebes Kind!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":434,"orig":"Leb’t wohl, Ihr Alle, alle meine Freunde!","norm":"Lebt wohl, Ihr alle, alle meine Freunde!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":435,"orig":"Vor Ander’n aber wend’ ich mich zu dir, Dem ich mein Haus vertraue, Weib und Kind.","norm":"Vor Anderen aber wend ich mich zu dir, dem ich mein Haus vertraue, Weib und Kind."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":436,"orig":"Als ich dich wählte, dacht’ ich Ruhe mir, In Feld und Stadt, in Schloß und Hütten Ruhe.","norm":"Als ich dich wählte, dachte ich ruhe mir, in Feld und Stadt, in Schloss und Hütten Ruhe."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":437,"orig":"Die fordr’ ich nun von dir.","norm":"Die fordere ich nun von dir."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":438,"orig":"Kehr’ ich zurück, Und finde ſie geſtör’t, die fromme Ruhe; — Nicht ſtrafen werd’ ich dich, nur dich vermeiden, Und ſtirbſt du, ſetzen auf dein ruhmlos Grab:","norm":"Kehre ich zurück, und finde sie gestört, die fromme Ruhe; — nicht strafen werde ich dich, nur dich vermeiden, und stirbst du, setzen auf dein ruhmlos Grab:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":439,"orig":"Er war ein Greis, und konnte ſich nicht zügeln, Er war ein Ungar, und vergaß der Treu, Er war ein Mann, und hat nicht Wort gehalten.","norm":"Er war ein Greis, und konnte sich nicht zügeln, er war ein Ungar, und vergaß der Treu, er war ein Mann, und hat nicht Wort gehalten."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":440,"orig":"— Doch wird’s nicht kommen ſo, ich weiß, ich weiß.","norm":"— Doch wird es nicht kommen so, ich weiß, ich weiß."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":441,"orig":"Leb’t Alle wohl, und Gott ſey über Euch!","norm":"Lebt alle wohl, und Gott sei über Euch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":442,"orig":"Heil auf den Weg!","norm":"Heil auf den Weg!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":443,"orig":"Glück zu!","norm":"Glück zu!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":444,"orig":"Kehr’t ſiegreich wieder!","norm":"Kehrt siegreich wieder!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":445,"orig":"Obgleich die Kinder zweiter Ehe nun Dagegen Einſpruch thun, ſo ſagt ein Blatt, Vollzogen vom Teſtator eigenhändig, Ein rechtsbeſtändig, kräftig Codicill — Wo ſteck’t es nur?","norm":"Obgleich die Kinder zweiter Ehe nun dagegen Einspruch tun, so sagt ein Blatt, vollzogen vom Testator eigenhändig, ein rechtsbeständig, kräftig Kodizill — wo steckt es nur?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":446,"orig":"Ihr, Schwager?","norm":"Ihr, Schwager?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":447,"orig":"Seyd ſo freundlich, Und haltet mir die Schriften, daß ich ſuche.","norm":"Seid so freundlich, und haltet mir die Schriften, dass ich suche."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":448,"orig":"Noch nicht geendig’t?","norm":"Noch nicht geendigt?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":449,"orig":"Eben.","norm":"Eben."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":450,"orig":"Gut für heute!","norm":"Gut für heute!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":451,"orig":"Die Sitzung, edle Herr’n, iſt aufgehoben!","norm":"Die Sitzung, edle Herrn, ist aufgehoben!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":452,"orig":"Mein Schreiber hat’s verſchoben.","norm":"Mein Schreiber hat es verschoben."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":453,"orig":"Daß dich doch!","norm":"Dass dich doch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":454,"orig":"Wie er mich lang’weilt nur, der alte Thor!","norm":"Wie er mich langweilt nur, der alte Tor!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":455,"orig":"Glück auf, Ihr Herr’n!","norm":"Glück auf, Ihr Herrn!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":456,"orig":"Wir ſehen uns demnächſt.","norm":"Wir sehen uns demnächst."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":457,"orig":"Ich merke feſtlich Treiben hier im Schloß.","norm":"Ich merke festlich Treiben hier im Schloss."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":458,"orig":"Was ſchaff’t man?","norm":"Was schafft man?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":459,"orig":"Seh’t, da hab’ ich’s doch gefunden!","norm":"Seht, da habe ich es doch gefunden!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":460,"orig":"Kraft dieſes Dokument’s — Wo ſind die Räthe?","norm":"Kraft dieses Dokuments — wo sind die Räte?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":461,"orig":"Sie gingen, ſo geduldig nicht als ich, Im Schloßhof wohl nach Eurer Schrift zu ſuchen.","norm":"Sie gingen, so geduldig nicht als ich, im Schlosshof wohl nach Eurer Schrift zu suchen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":462,"orig":"Hier iſt die Schrift!","norm":"Hier ist die Schrift!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":463,"orig":"— Nu, nu, im nächſten Rath Erwäg’t man —","norm":"— Nu, nu, im nächsten Rat Erwägt man —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":464,"orig":"Sprach ich denn nicht ſchon: »Gewähr’t?«","norm":"Sprach ich denn nicht schon: »Gewährt?«"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":465,"orig":"Gewähr’t?","norm":"Gewährt?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":466,"orig":"Lag dieſe Schrift nicht vor, So war nichts zu gewähren.","norm":"Lag diese Schrift nicht vor, so war nichts zu gewähren."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":467,"orig":"Liege du!","norm":"Liege du!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":468,"orig":"Zu ſeiner Zeit kommt noch das Wort an dich!","norm":"Zu seiner Zeit kommt noch das Wort an dich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":469,"orig":"Was alſo ſind die Feſtlichkeiten, die —","norm":"Was also sind die Festlichkeiten, die —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":470,"orig":"Kommſt du mit mir, ſo ſollſt du ſelber ſeh’n.","norm":"Kommst du mit mir, so sollst du selber sehen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":471,"orig":"Vorerſt nur Eines noch —","norm":"Vorerst nur eines noch —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":472,"orig":"Das nenn’ ich läſtig!","norm":"Das nenne ich lästig!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":473,"orig":"Der Fall iſt läſtig, ja, und dringend auch.","norm":"Der Fall ist lästig, ja, und dringend auch."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":474,"orig":"Landfahrer haben, höchſt verdächtig Volk, Bei Bihar ſich gezeigt.","norm":"Landfahrer haben, höchst verdächtig Volk, bei Bihar sich gezeigt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":475,"orig":"Es wird nun nöthig, Zweihundert —","norm":"Es wird nun nötig, Zweihundert —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":476,"orig":"Säcke!","norm":"Säcke!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":477,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":478,"orig":"— Es wird nun nöthig, Zweihundert —","norm":"— Es wird nun nötig, Zweihundert —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":479,"orig":"Säcke!","norm":"Säcke!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":480,"orig":"Reiter, gnäd’ger Herr, Dahin zu ſenden.","norm":"Reiter, gnädiger Herr, dahin zu senden."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":481,"orig":"Wenn Eu’r Gnaden Bruder, Der Herzog, nun nach Thätigkeit verlang’t, So könnte man der Reiter Führung ihm —","norm":"Wenn Euer Gnaden Bruder, der Herzog, nun nach Tätigkeit verlangt, so könnte man der Reiter Führung ihm —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":482,"orig":"Sehr gnädig, in der That!","norm":"Sehr gnädig, in der Tat!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":483,"orig":"Das iſt zu viel!","norm":"Das ist zu viel!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":484,"orig":"Ihr ſchmeichelt, wie das Thierchen in der Fabel.","norm":"Ihr schmeichelt, wie das Tierchen in der Fabel."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":485,"orig":"Mein Bruder ſoll zweihundert Reiter führen?","norm":"Mein Bruder soll zweihundert Reiter führen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":486,"orig":"Schick’t Euren Schwager — Euren — was weiß ich?!","norm":"Schickt Euren Schwager — Euren — was weiß ich?!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":487,"orig":"Wie Ihr befehl’t.","norm":"Wie Ihr befehlt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":488,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":489,"orig":"Und ſchweig’t für jetzt; ich bitte.","norm":"Und schweigt für jetzt; ich bitte."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":490,"orig":"— Wem alſo gelten jene Feſtlichkeiten, Die man bereitet, ſeh’ ich, rings im Schloß?","norm":"— Wem also gelten jene Festlichkeiten, Die man bereitet, sehe ich, rings im Schloss?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":491,"orig":"Ich wollte früher ſchon dir Alles melden, Doch dieſe Herr’n —","norm":"Ich wollte früher schon dir alles melden, doch diese Herrn —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":492,"orig":"Beliebt’s Euch, Platz zu nehmen?","norm":"Beliebt es Euch, Platz zu nehmen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":493,"orig":"Wie, oder dünk’t Euch ein Spatziergang beſſer In freier Luft?","norm":"Wie, oder dünkt Euch ein Spaziergang besser in freier Luft?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":494,"orig":"Wir haben ſchönes Wetter.","norm":"Wir haben schönes Wetter."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":495,"orig":"Ich bleibe noch; ich bin noch nicht zu Ende.","norm":"Ich bleibe noch; ich bin noch nicht zu Ende."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":496,"orig":"Wie alſo?","norm":"Wie also?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":497,"orig":"Sprich!","norm":"Sprich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":498,"orig":"Du weißt, wir feiern heute Das Wiegenfeſt des Kleinen, deines Sohn’s.","norm":"Du weißt, wir feiern heute das Wiegenfest des Kleinen, deines Sohns."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":499,"orig":"Die Herren ſind, die Frau’n bei ihm verſammelt, Und binden ihn mit kleinen Gaben an.","norm":"Die Herren sind, die Frauen bei ihm versammelt, und binden ihn mit kleinen Gaben an."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":500,"orig":"Da hab’ ich denn gewag’t, in deinen Zimmern Dem Feſte zu bereiten noch ein Feſt.","norm":"Da habe ich denn gewagt, in deinen Zimmern dem Feste zu bereiten noch ein Fest."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":501,"orig":"Die Meinung war, dich erſt zu überraſchen, Doch lieb’ſt du, weiß ich, Ueberraſchung nicht.","norm":"Die Meinung war, dich erst zu überraschen, doch liebst du, weiß ich, Überraschung nicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":502,"orig":"D’rum ſieh, ach, und verzeih’!","norm":"Darum sieh, ach, und verzeih!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":503,"orig":"Du guter Bruder!","norm":"Du guter Bruder!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":504,"orig":"Nun hier noch.","norm":"Nun hier noch."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":505,"orig":"Mutter!","norm":"Mutter!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":506,"orig":"Mutter!","norm":"Mutter!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":507,"orig":"O, mein Kind!","norm":"O, mein Kind!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":508,"orig":"Was ſoll ich ſagen?","norm":"Was soll ich sagen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":509,"orig":"Und ſo reich beſchenkt!","norm":"Und so reich beschenkt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":510,"orig":"— Habt Dank, Ihr Herr’n, Ihr edlen Frauen, Dank, Für Alles, was Ihr unſerm Sohne gönnt.","norm":"— Habt Dank, Ihr Herrn, Ihr edlen Frauen, Dank, für alles, was Ihr unserem Sohne gönnt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":511,"orig":"Wir ſtünden tiefer noch in Eurer Schuld, Wenn unſer Bruder, Herzog Otto hier, Nicht der Vergeltung Pflicht auf ſich genommen.","norm":"Wir stünden tiefer noch in Eurer Schuld, wenn unser Bruder, Herzog Otto hier, nicht der Vergeltung Pflicht auf sich genommen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":512,"orig":"Nehm’t Theil denn an dem Feſte, an den Freuden, Die er für uns, die er für Euch erſann.","norm":"Nehmt teil denn an dem Feste, an den Freuden, die er für uns, die er für Euch ersann."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":513,"orig":"Es iſt zwar noch am Tag; allein wir wollen Mit Luſt den freud’gen Abend führen ein.","norm":"Es ist zwar noch am Tag; allein wir wollen mit Lust den freudigen Abend führen ein."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":514,"orig":"— Graf Iwan, Dank!","norm":"— Graf Iwan, Dank!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":515,"orig":"— Ei, Gräfin Erny, gönn’t Ihr Uns auch einmal die ſchöne Gegenwart?","norm":"— Ei, Gräfin Erny, gönnt Ihr Uns auch einmal die schöne Gegenwart?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":516,"orig":"Wir rauben ſtündlich Euren Gatten Euch, Und nicht zu ſeiner Freude, fürcht’ ich faſt.","norm":"Wir rauben stündlich Euren Gatten Euch, und nicht zu seiner Freude, fürchte ich fast."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":517,"orig":"Er findet uns zu ſchülerhaft, zu leicht.","norm":"Er findet uns zu schülerhaft, zu leicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":518,"orig":"Du arger Schalk!","norm":"Du arger Schalk!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":519,"orig":"Das Feſt galt alſo mir?","norm":"Das Fest galt also mir?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":520,"orig":"Ich denk’, du gabſt dir’s ſelbſt und deinen Wünſchen.","norm":"Ich denke, du gabst dir es selbst und deinen Wünschen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":521,"orig":"Ihr zürn’t doch nicht?","norm":"Ihr zürnt doch nicht?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":522,"orig":"Was Scherz iſt, tadl’ ich nicht.","norm":"Was Scherz ist, tadle ich nicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":523,"orig":"— Nun auf!","norm":"— Nun auf!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":524,"orig":"Ein Jedes wähle den Gefährten, Dem es bei Tanz und Tiſch die Rechte gönnt.","norm":"Ein Jedes wähle den Gefährten, dem es bei Tanz und Tisch die Rechte gönnt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":525,"orig":"— Nicht ſo!","norm":"— Nicht so!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":526,"orig":"— Nein, das Verbund’ne laſſ’t uns trennen!","norm":"— Nein, das Verbundene lasst uns trennen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":527,"orig":"Des Gatten, des Geliebten Recht erliſch’t Beim frohen Feſt, das Fremdes ſoll verbinden.","norm":"Des Gatten, des Geliebten Recht erlischt beim frohen Fest, das Fremdes soll verbinden."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":528,"orig":"Ich ſelbſt, da es der Königin nicht ziemt, Im Scherz auch einen Mann als Freund zu grüßen,","norm":"Ich selbst, da es der Königin nicht ziemt, im Scherz auch einen Mann als Freund zu grüßen,"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":529,"orig":"Erwähle, Gräfin, Euch mir zum Gefährten, Wenn nicht vielmehr zum Manne mich für Euch.","norm":"Erwähle, Gräfin, Euch mir zum Gefährten, wenn nicht vielmehr zum Manne mich für Euch."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":530,"orig":"Geb’t mir die Hand — die rechte!","norm":"Gebt mir die Hand — die Rechte!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":531,"orig":"Glaub’t, ich lieb’ Euch!","norm":"Glaubt, ich liebe Euch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":532,"orig":"Mein ſchönes Kind, ich lieb’ Euch, weiß es Gott!","norm":"Mein schönes Kind, ich liebe Euch, weiß es Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":533,"orig":"Wir tanzen nicht, wir wandeln durch die Gäſte, Und wenn der Hausfrau rings beſorgte Pflicht Mich von Euch ruf’t, ſo ſoll mein theurer Bruder Vertreten meine Statt.","norm":"Wir tanzen nicht, wir wandeln durch die Gäste, und wenn der Hausfrau rings besorgte Pflicht mich von Euch ruft, so soll mein teurer Bruder Vertreten meine Statt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":534,"orig":"Dann tanz’t Ihr wohl Ein Schrittchen, oder zwei.","norm":"Dann tanzt Ihr wohl Ein Schrittchen, oder zwei."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":535,"orig":"— Seyd Ihr’s zufrieden?","norm":"— Seid Ihr es zufrieden?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":536,"orig":"Mein frommes Kind, ich lieb’ Euch wahrlich ſehr!","norm":"Mein frommes Kind, ich liebe Euch wahrlich sehr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":537,"orig":"Nun fort!","norm":"Nun fort!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":538,"orig":"Was aber machen wir mit Euch?","norm":"Was aber machen wir mit Euch?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":539,"orig":"Wer ſind die Leute da?","norm":"Wer sind die Leute da?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":540,"orig":"Eu’r hoher Gatte Empfing um dieſe Stunde die Suppliken, Bittſchriften aller Art.","norm":"Euer hoher Gatte empfing um diese Stunde die Suppliken, Bittschriften aller Art."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":541,"orig":"Thut’s denn ſtatt mir!","norm":"Tut es denn statt mir!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":542,"orig":"Ihr lieb’t die Feſte nicht.","norm":"Ihr liebt die Feste nicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":543,"orig":"Weiß Gott, ich fürchte, Ihr tadelt mir den Tanz, das Mahl, die Gäſte.","norm":"Weiß Gott, ich fürchte, Ihr tadelt mir den Tanz, das Mahl, die Gäste."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":544,"orig":"Bleib’t hier, und hör’t, was Jene dort begehren.","norm":"Bleibt hier, und hört, was Jene dort begehren."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":545,"orig":"Hier iſt ein Tiſch, Papier und Feder hier.","norm":"Hier ist ein Tisch, Papier und Feder hier."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":546,"orig":"Für eines Jeden Unterhaltung ſorg’ ich.","norm":"Für eines jeden Unterhaltung sorge ich."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":547,"orig":"Eu’r Weibchen ſoll indeß’ Euch nicht vermiſſen;","norm":"Euer Weibchen soll indes Euch nicht vermissen;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":548,"orig":"So viel trau’t mir nur zu!","norm":"So viel traut mir nur zu!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":549,"orig":"— Beliebt’s, Ihr Herr’n?","norm":"— Beliebt es, Ihr Herrn?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":550,"orig":"Rück’t mir den Tiſch ein wenig ſeitwärts.","norm":"Rückt mir den Tisch ein wenig seitwärts."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":551,"orig":"— So!","norm":"— So!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":552,"orig":"Du läſſ’ſt die Leute vor.","norm":"Du lässt die Leute vor."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":553,"orig":"Du übernimmſt Die Schriften, die ſie reichen, leg’ſt ſie hieher.","norm":"Du übernimmst die Schriften, die sie reichen, legst sie hierher."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":554,"orig":"— Die Feder iſt wohl ſtumpf?","norm":"— Die Feder ist wohl stumpf?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":555,"orig":"Nu, nu, ſie geht.","norm":"Nu, nu, sie geht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":556,"orig":"Nur Ordnung ſag’ ich Euch.","norm":"Nur Ordnung sage ich Euch."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":557,"orig":"Was alſo willſt du?","norm":"Was also willst du?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":558,"orig":"Jan Farkas.","norm":"Jan Farkas."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":559,"orig":"— Ei, mit deiner alten Bitte!","norm":"— Ei, mit deiner alten Bitte!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":560,"orig":"Hat dich der König nicht ſchon abgewieſen?","norm":"Hat dich der König nicht schon abgewiesen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":561,"orig":"Nun glaub’ſt du wohl, weil er vom Lande fern?","norm":"Nun glaubst du wohl, weil er vom Lande fern?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":562,"orig":"Der König iſt noch da.","norm":"Der König ist noch da."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":563,"orig":"Hier, ſiehſt du, ſteht er;","norm":"Hier, siehst du, steht er;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":564,"orig":"Und drinnen —","norm":"Und drinnen —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":565,"orig":"Nu, weiß Gott!","norm":"Nu, weiß Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":566,"orig":"d’rin hüpft und tanzt er.","norm":"drin hüpft und tanzt er."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":567,"orig":"Nichts da!","norm":"Nichts da!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":568,"orig":"Geh fort!","norm":"Gehe fort!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":569,"orig":"Laß Beſſer’n deine Stelle.","norm":"Lass Besseren deine Stelle."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":570,"orig":"Die Erbſchaftsſache?","norm":"Die Erbschaftssache?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":571,"orig":"Nu, wir wollen ſeh’n!","norm":"Nu, wir wollen sehen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":572,"orig":"Im heut’gen Rath kam’s noch nicht zur Entſcheidung;","norm":"Im heutigen Rat kam es noch nicht zur Entscheidung;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":573,"orig":"Im nächſten wird’s geſchehn.","norm":"Im nächsten wird es geschehen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":574,"orig":"Glück auf, mein Freund!","norm":"Glück auf, mein Freund!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":575,"orig":"Entſchäd’gung?","norm":"Entschädigung?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":576,"orig":"Weil der Prinz auf letzter Jagd Die Saat verwüſtet.","norm":"Weil der Prinz auf letzter Jagd die Saat verwüstet."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":577,"orig":"— Er?","norm":"— Er?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":578,"orig":"— Der Prinz allein?","norm":"— Der Prinz allein?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":579,"orig":"Die ganze Saat?","norm":"Die ganze Saat?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":580,"orig":"Wohl nur des Prinzen Jäger?","norm":"Wohl nur des Prinzen Jäger?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":581,"orig":"Weßhalb denn ſchreibſt du: »Er?« Wo bleibt die Achtung, Verwünſchtes Volk!","norm":"Weshalb denn schreibst du: »Er?« Wo bleibt die Achtung, verwünschtes Volk!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":582,"orig":"für Eurer Fürſtin Bruder?","norm":"für Eurer Fürstin Bruder?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":583,"orig":"— Man wird den Schaden ſchätzen und vergüten.","norm":"— Man wird den Schaden schätzen und vergüten."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":584,"orig":"Ich bin ermüdet; bringt mir einen Stuhl.","norm":"Ich bin ermüdet; bringt mir einen Stuhl."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":585,"orig":"Ihr müßt zum Feſt; die Königin nimmt’s übel.","norm":"Ihr müsst zum Fest; die Königin nimmt es übel."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":586,"orig":"Sey’s auch, daß Ihr nicht wohl, ſo tanz’t denn nicht;","norm":"Sei es auch, dass Ihr nicht wohl, so tanzt denn nicht;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":587,"orig":"Doch kommen müßt Ihr.","norm":"Doch kommen müsst Ihr."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":588,"orig":"Es geht glänzend her.","norm":"Es geht glänzend her."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":589,"orig":"Was iſt denn hier?","norm":"Was ist denn hier?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":590,"orig":"Gehört das mit zum Feſt?","norm":"Gehört das mit zum Fest?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":591,"orig":"Was knie’t ihr?","norm":"Was kniet ihr?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":592,"orig":"auf!","norm":"auf!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":593,"orig":"der König duldet’s nicht;","norm":"der König duldet es nicht;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":594,"orig":"Und ich ſoll knieen ſeh’n von meines Gleichen?","norm":"Und ich soll knien sehen von meinesgleichen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":595,"orig":"Ich bin ein Unterthan, wie And’re.","norm":"Ich bin ein Untertan, wie Andere."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":596,"orig":"Auf!","norm":"Auf!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":597,"orig":"Nu, das iſt luſtig!","norm":"Nu, das ist lustig!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":598,"orig":"— Laßt uns denn hinein!","norm":"— Lasst uns denn hinein!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":599,"orig":"Seyd Ihr der Pförtner, Herr, des heut’gen Feſt’s?","norm":"Seid Ihr der Pförtner, Herr, des heutigen Fests?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":600,"orig":"Was zahl’t man Eintritt?","norm":"Was zahlt man Eintritt?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":601,"orig":"Klugheit nicht;","norm":"Klugheit nicht;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":602,"orig":"Ihr blieb’t ſonſt haußen wohl!","norm":"Ihr bliebt sonst haußen wohl!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":603,"orig":"Verwünſchtes Volk!","norm":"Verwünschtes Volk!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":604,"orig":"Ich ſehe wohl, warum ihr erſt geknie’t.","norm":"Ich sehe wohl, warum ihr erst gekniet."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":605,"orig":"— Die Bitt’ iſt unſtatthaft.","norm":"— Die Bitte ist unstatthaft."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":606,"orig":"Seht doch!","norm":"Seht doch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":607,"orig":"Zeh’n Goldſtück Für jede Lieferung!","norm":"Zehn Goldstück für jede Lieferung!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":608,"orig":"— Nicht acht!","norm":"— Nicht acht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":609,"orig":"Nicht fünf!","norm":"Nicht fünf!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":610,"orig":"He, Waſſer und Citronen!","norm":"He, Wasser und Zitronen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":611,"orig":"Hier!","norm":"Hier!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":612,"orig":"Nu, nu!","norm":"Nu, nu!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":613,"orig":"Ein wenig ſacht’!","norm":"Ein wenig sachte!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":614,"orig":"Hier ſitzt er!","norm":"Hier sitzt er!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":615,"orig":"Blitz!","norm":"Blitz!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":616,"orig":"Derweile Setzt Herzog Otto ſeinem Weibchen zu.","norm":"Derweil setzt Herzog Otto seinem Weibchen zu."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":617,"orig":"Laſſ’ ihn uns ſchrauben!","norm":"Lasse ihn uns schrauben!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":618,"orig":"Befehl’t Ihr Ein wenig Waſſer zu höchſt nöth’ger Kühlung?","norm":"Befehlt Ihr Ein wenig Wasser zu höchst nötiger Kühlung?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":619,"orig":"Ja, ja, mein Sohn, gib her!","norm":"Ja, ja, mein Sohn, gib her!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":620,"orig":"Was ſoll denn das?","norm":"Was soll denn das?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":621,"orig":"Es iſt zu viel!","norm":"Es ist zu viel!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":622,"orig":"Bancbanus, du noch hier?","norm":"Bancbanus, du noch hier?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":623,"orig":"Wo anders ſonſt?","norm":"Woanders sonst?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":624,"orig":"Fühlſt du denn nicht?","norm":"Fühlst du denn nicht?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":625,"orig":"— O, ſag’ ihm’s, Sag’ ihm’s, ich bitte dich, mich würg’t der Zorn.","norm":"— O, sage ihm es, Sage ihm es, ich bitte dich, mich würgt der Zorn."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":626,"orig":"Fühl’t Ihr denn nicht, daß Ihr der Spott des Hofes?","norm":"Fühlt Ihr denn nicht, dass Ihr der Spott des Hofes?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":627,"orig":"Der Spott?","norm":"Der Spott?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":628,"orig":"Warum?","norm":"Warum?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":629,"orig":"Daß draußen vor der Thür —","norm":"Dass draußen vor der Tür —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":630,"orig":"Ich übe, was mein Amt.","norm":"Ich übe, was mein Amt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":631,"orig":"— Ei ſpottet nur!","norm":"— Ei spottet nur!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":632,"orig":"Die Ford’rung iſt zu hoch, mein guter Freund.","norm":"Die Forderung ist zu hoch, mein guter Freund."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":633,"orig":"Acht Thaler ſind genug.","norm":"Acht Taler sind genug."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":634,"orig":"Das, Schreiber, ſchreibe!","norm":"Das, Schreiber, schreibe!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":635,"orig":"Bancban, auf Tod und Leben, höre mich!","norm":"Bancban, auf Tod und Leben, höre mich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":636,"orig":"Heiß dieſe Leute geh’n.","norm":"Heiß diese Leute gehen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":637,"orig":"Du ſcherzeſt wohl?","norm":"Du scherzest wohl?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":638,"orig":"Nun denn, auf die Gefahr, daß ſie uns alle hören!","norm":"Nun denn, auf die Gefahr, dass sie uns alle hören!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":639,"orig":"Indeß du hier den Pförtner ſpielſt des Feſtes — So nannten ſie dich d’rin und lachten!","norm":"Indes du hier den Pförtner spielst des Festes — so nannten sie dich drin und lachten!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":640,"orig":"— lachten!","norm":"— lachten!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":641,"orig":"— Umſchwärmt der Prinz dein Weib.","norm":"— Umschwärmt der Prinz dein Weib."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":642,"orig":"Ich kann’s nicht ändern;","norm":"Ich kann es nicht ändern;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":643,"orig":"Kann ihn nicht ändern, wollt’ ich’s noch ſo gern.","norm":"Kann ihn nicht ändern, wollte ich es noch so gern."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":644,"orig":"Er tanzt mit ihr.","norm":"Er tanzt mit ihr."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":645,"orig":"Zum Tanz ward ſie geladen.","norm":"Zum Tanz wurde sie geladen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":646,"orig":"Drückt’ ihr die Hand.","norm":"Drückte ihr die Hand."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":647,"orig":"Er krieg’t den Druck nicht wieder, Dafür bin ich dir gut.","norm":"Er kriegt den Druck nicht wieder, dafür bin ich dir gut."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":648,"orig":"Biſt du ſo zahm?","norm":"Bist du so zahm?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":649,"orig":"Hab’ Mitleid mindeſtens mit deinem Weibe.","norm":"Habe Mitleid mindestens mit deinem Weibe."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":650,"orig":"Sie fühl’t die Schmach, der Scheelſucht Spötterblicke;","norm":"Sie fühlt die Schmach, der Scheelsucht Spötterblicke;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":651,"orig":"Kaum hält des Hofes Brauch ſie noch beim Feſt.","norm":"Kaum hält des Hofes Brauche sie noch beim Fest."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":652,"orig":"Das ſagſt du ſelbſt, und willſt, ich ſoll ſie hüten?","norm":"Das sagst du selbst, und willst, ich soll sie hüten?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":653,"orig":"Tanz’ zu!","norm":"Tanze zu!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":654,"orig":"Du wahr’ſt dein ſelbſt.","norm":"Du wahrst dein Selbst."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":655,"orig":"Nun denn, ſo dulde, was du dulden willſt!","norm":"Nun denn, so dulde, was du dulden willst!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":656,"orig":"Ich kehre heim.","norm":"Ich kehre heim."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":657,"orig":"Und ich zum Tanz zurück.","norm":"Und ich zum Tanz zurück."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":658,"orig":"Und wag’t er’s, ſeiner Frechheit Raum zu geben, Durch leiſeſte Berührung nur der Hand, So ſtraf’ ich auf der That ſein ruchlos Werben, Und Blut ſoll ihres Tanzes Eſtrich färben!","norm":"Und wagt er das, seiner Frechheit Raum zu geben, durch leiseste Berührung nur der Hand, so strafe ich auf der Tat sein ruchlos Werben, und Blut soll ihres Tanzes Estrich färben!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":659,"orig":"Iſt Gräfin Erny hier?","norm":"Ist Gräfin Erny hier?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":660,"orig":"Seht ſelbſt, und ſeht Euch vor!","norm":"Seht selbst, und seht Euch vor!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":661,"orig":"Unhöflich Thier!","norm":"Unhöflich Tier!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":662,"orig":"— Wo aber iſt ſie hin?","norm":"— Wo aber ist sie hin?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":663,"orig":"— Ihr Gatte hier?","norm":"— Ihr Gatte hier?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":664,"orig":"— Mit Ein’s war ſie verſchwunden.","norm":"— Mit Eins war sie verschwunden."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":665,"orig":"Sagt ich dir nicht, du ſoll’ſt auf jeden Schritt —?","norm":"Sagt ich dir nicht, du sollst auf jeden Schritt —?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":666,"orig":"Komm’, und vollführe, was ich ſonſt gebot.","norm":"Komme, und vollführe, was ich sonst gebot."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":667,"orig":"Bancban, iſt Eure Gattin ſchon nach Hauſe?","norm":"Bancban, ist Eure Gattin schon nach Hause?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":668,"orig":"Ich weiß es nicht.","norm":"Ich weiß es nicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":669,"orig":"Nu, nu, es ſoll ſich weiſen!","norm":"Nu, nu, es soll sich weisen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":670,"orig":"Hier iſt es allzulaut.","norm":"Hier ist es allzulaut."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":671,"orig":"Kommt, folget mir!","norm":"Kommt, folget mir!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":672,"orig":"Im Vorſaal draußen, auf den innern Gängen, Macht leichter das und ruhiger ſich ab.","norm":"Im Vorsaal draußen, auf den inneren Gängen, Macht leichter das und ruhiger sich ab."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":673,"orig":"Die Königin verzeih’t wohl ſolchen Wechſel.","norm":"Die Königin verzeiht wohl solchen Wechsel."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":674,"orig":"Hier endlich, hier!","norm":"Hier endlich, hier!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":675,"orig":"Nun, Gott ſey tauſend Dank!","norm":"Nun, Gott sei tausend Dank!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":676,"orig":"Je, Kind, was kommt dir an?","norm":"Je, Kind, was kommt dir an?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":677,"orig":"Vom Tanz erhitzt!","norm":"Vom Tanz erhitzt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":678,"orig":"Du gingſt wohl durch den Schloßhof?","norm":"Du gingst wohl durch den Schlosshof?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":679,"orig":"Herr und Gott!","norm":"Herr und Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":680,"orig":"Es kann dein Tod ſeyn, ſchneidend weh’t die Luft.","norm":"Es kann dein Tod sein, schneidend weht die Luft."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":681,"orig":"Du böſes Kind, was machſt du mir für Sorge!","norm":"Du böses Kind, was machst du mir für Sorge!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":682,"orig":"Nun iſt es gut!","norm":"Nun ist es gut!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":683,"orig":"Weil nur bei dir!","norm":"Weil nur bei dir!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":684,"orig":"O, gut!","norm":"O, gut!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":685,"orig":"Zu luftig iſt es hier.","norm":"Zu luftig ist es hier."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":686,"orig":"Zurück zum Tanz!","norm":"Zurück zum Tanz!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":687,"orig":"Ein Reihen oder zwei, erwärmt dich wieder.","norm":"Ein Reihen oder zwei, erwärmt dich wieder."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":688,"orig":"Zum Tanz?","norm":"Zum Tanz?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":689,"orig":"Ich weiche nicht von deiner Seite!","norm":"Ich weiche nicht von deiner Seite!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":690,"orig":"So drück’ ich mich in deine Nähe, ſo.","norm":"So drücke ich mich in deine Nähe, so."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":691,"orig":"Trotz ſey geboten, wer von hier mich trennt.","norm":"Trotz sei geboten, wer von hier mich trennt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":692,"orig":"Und dennoch muß es ſeyn.","norm":"Und dennoch muss es sein."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":693,"orig":"Sieh hier, Geſchäfte.","norm":"Sieh hier, Geschäfte."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":694,"orig":"Ich geh’ mit dir, ich falte dir die Blätter, Ich ſtreue Sand, wie ich wohl oft gethan;","norm":"Ich gehe mit dir, ich falte dir die Blätter, Ich streue Sand, wie ich wohl oft getan;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":695,"orig":"Doch nicht in jenen Saal mehr.","norm":"Doch nicht in jenen Saal mehr."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":696,"orig":"Nein, fürwahr!","norm":"Nein, fürwahr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":697,"orig":"Was war denn?","norm":"Was war denn?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":698,"orig":"Nichts.","norm":"Nichts."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":699,"orig":"Doch geh’ ich nicht von dir.","norm":"Doch gehe ich nicht von dir."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":700,"orig":"Bancbanus Weib ſteh’t gut in ſeiner Nähe, Des Reichsverweſers Frau gehört zum Feſt.","norm":"Bancbanus Weib steht gut in seiner Nähe, des Reichsverwesers Frau gehört zum Fest."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":701,"orig":"Gib ſie zurück denn dieſes Amtes Bürde, Sey Ernys Gatte blos, mit ihr beglück’t.","norm":"Gib sie zurück denn dieses Amtes Bürde, Sei Ernys Gatte bloß, mit ihr beglückt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":702,"orig":"Was fällt dir ein?","norm":"Was fällt dir ein?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":703,"orig":"Weil du nicht gern beim Feſt’, Soll ich von Hof’, Unfrieden herrſchen laſſen, Verwirrung rings im Land?","norm":"Weil du nicht gern beim Feste, Soll ich von Hofe, Unfrieden herrschen lassen, Verwirrung rings im Land?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":704,"orig":"Ich hab’s verſprochen, Dem König angelobt bei ſeinem Scheiden, Den Frieden zu bewahren hier, die Ruh’, Und werd’ es halten, trifft was immer zu.","norm":"Ich habe es versprochen, dem König angelobt bei seinem Scheiden, den Frieden zu bewahren hier, die Ruhe, und werde es halten, trifft was immer zu."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":705,"orig":"Dem Dienſte folg’ ich, folg’ dem Feſte du!","norm":"Dem Dienste folge ich, folge dem Feste du!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":706,"orig":"Was iſt?","norm":"Was ist?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":707,"orig":"— Horch!","norm":"— Horch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":708,"orig":"— Schwerterklang!?","norm":"— Schwerterklang!?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":709,"orig":"Mein Freund, was gibt’s?","norm":"Mein Freund, was gibt es?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":710,"orig":"Herr, Eures Bruders Diener und des Prinzen!","norm":"Herr, Eures Bruders Diener und des Prinzen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":711,"orig":"Sie ſtreiten, ſie ſind handgemein; man ſicht.","norm":"Sie streiten, sie sind handgemein; man ficht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":712,"orig":"Die Diener meines Bruders?","norm":"Die Diener meines Bruders?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":713,"orig":"Wer gab Anlaß?","norm":"Wer gab Anlass?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":714,"orig":"Des Prinzen Leute reizten ſie durch Spott.","norm":"Des Prinzen Leute reizten sie durch Spott."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":715,"orig":"Gleich viel?","norm":"Gleichviel?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":716,"orig":"Wo iſt mein Schwert?","norm":"Wo ist mein Schwert?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":717,"orig":"Ich will mit Euch!","norm":"Ich will mit Euch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":718,"orig":"Ihr wagt Euch ſonſt.","norm":"Ihr wagt Euch sonst."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":719,"orig":"Biſt du nicht klug?","norm":"Bist du nicht klug?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":720,"orig":"Bleib’ hier!","norm":"Bleib hier!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":721,"orig":"Die Königin verlangt nach Euer Gnaden!","norm":"Die Königin verlangt nach Euer Gnaden!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":722,"orig":"Hörſt du?","norm":"Hörst du?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":723,"orig":"Geh’ hin.","norm":"Gehe hin."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":724,"orig":"Ich ſchlicht’ indeß die Fehde.","norm":"Ich schlichte indes die Fehde."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":725,"orig":"Ihr harret an der Treppe, bis die Ruh’, Neu hergeſtellt, uns Muße gibt zur Rede.","norm":"Ihr harret an der Treppe, bis die Ruhe, neu hergestellt, uns Muße gibt zur Rede."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":726,"orig":"Er geht.","norm":"Er geht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":727,"orig":"— Wo iſt der Kämm’rer, der mich rief Zur Königin?","norm":"— Wo ist der Kämmerer, der mich rief zur Königin?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":728,"orig":"— Gleich viel, ich will nur hin!","norm":"— Gleichviel, Ich will nur hin!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":729,"orig":"— Was kann der Prinz auch thun?","norm":"— Was kann der Prinz auch tun?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":730,"orig":"Ich war wohl thöricht!","norm":"Ich war wohl töricht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":731,"orig":"Zurück zum Feſt und ihm in’s Aug geblickt!","norm":"Zurück zum Fest und ihm ins Auge geblickt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":732,"orig":"Du aber Gott, du gib mir Muth und Kraft, Der Unbill zu begegnen mit Verachtung!","norm":"Du aber Gott, du gib mir Mut und Kraft, der Unbill zu begegnen mit Verachtung!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":733,"orig":"Gib, daß kein Wort, kein Wink, kein Laut Beſtät’ge was er meint und was er hofft!","norm":"Gib, dass kein Wort, kein Wink, kein Laut Bestätige was er meint und was er hofft!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":734,"orig":"— Doch erſt das Haar geordnet und die Kleider, Verrathen möchten ſie mein kindiſch Zagen, Deß wär’ er froh, allein da harre du!","norm":"— Doch erst das Haar geordnet und die Kleider, Verraten möchten sie mein kindisch Zagen, dessen wäre er froh, allein da harre du!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":735,"orig":"Sie glauben, weil ich ſelten ſprech’ und wenig, Ich könne mich nicht wahren, nicht vertheid’gen.","norm":"Sie glauben, weil ich selten spreche und wenig, Ich könne mich nicht wahren, nicht verteidigen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":736,"orig":"Mein Vater ſprach wohl oft:","norm":"Mein Vater sprach wohl oft:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":737,"orig":"Sie hat’s im Nacken!","norm":"Sie hat es im Nacken!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":738,"orig":"Ich hab’ es auch!","norm":"Ich habe es auch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":739,"orig":"Ihr ſollt noch wahrlich ſeh’n!","norm":"Ihr sollt noch wahrlich sehen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":740,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":741,"orig":"Nun iſt es gut.","norm":"Nun ist es gut."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":742,"orig":"Der Schuh ſitzt fein genug!","norm":"Der Schuh sitzt fein genug!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":743,"orig":"Nun iſt es gut.","norm":"Nun ist es gut."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":744,"orig":"Nun will ich nur hinein.","norm":"Nun will ich nur hinein."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":745,"orig":"Verſtärkt Ihr noch die Macht ſo vieler Reize?","norm":"Verstärkt Ihr noch die Macht so vieler Reize?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":746,"orig":"O, ſchmückt Euch nicht, wir ſind ſchon wund genug.","norm":"O, schmückt Euch nicht, wir sind schon wund genug."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":747,"orig":"O Gott; er ſelbſt!","norm":"O Gott; er selbst!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":748,"orig":"Ich bin’s, und hochbeglückt, Daß die Gelegenheit, ſo oft geſucht, Und nie gefunden, günſtig dar ſich beut.","norm":"Ich bin es, und hoch beglückt, dass die Gelegenheit, so oft gesucht, und nie gefunden, günstig dar sich beute."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":749,"orig":"So glaubt Ihr?","norm":"So glaubt Ihr?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":750,"orig":"— Laßt mich!","norm":"— Lasst mich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":751,"orig":"Ich will fort!","norm":"Ich will fort!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":752,"orig":"O bleib’t!","norm":"O bleibt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":753,"orig":"Der Königin Befehl —","norm":"Der Königin Befehl —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":754,"orig":"Er iſt erdichtet, Von mir erdichtet; ſo wie jener Streit, Der Euren Gatten in dem Schloßhof hält, Auf mein Geheiß ſich, auf mein Wort entſpann.","norm":"Er ist erdichtet, von mir erdichtet; so wie jener Streit, der Euren Gatten in dem Schlosshof hält, auf mein Geheiß sich, auf mein Wort entspann."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":755,"orig":"Ich wollt’ Euch ſprechen, und ich thu’s, beim Himmel!","norm":"Ich wollte Euch sprechen, und ich tue es, beim Himmel!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":756,"orig":"Es komme, was da will.","norm":"Es komme, was da will."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":757,"orig":"Der Ort iſt günſtig, Das Feſt hat aus der Nähe ſich gezogen, In fernen Zimmern dampf’t das frohe Mahl;","norm":"Der Ort ist günstig, das Fest hat aus der Nähe sich gezogen, in fernen Zimmern dampft das frohe Mahl;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":758,"orig":"Wir ſind allein, und doch — die Thüren offen;","norm":"Wir sind allein, und doch — die Türen offen;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":759,"orig":"Der kleinſte Ruf führt Zofen her und Diener.","norm":"Der kleinste Ruf führt Zofen her und Diener."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":760,"orig":"Ihr ſeyd ſo ſicher gegen jede Kühnheit, Als nur am eig’nen Herd.","norm":"Ihr seid so sicher gegen jede Kühnheit, als nur am eigenen Herd."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":761,"orig":"Und dennoch fort!","norm":"Und dennoch fort!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":762,"orig":"Auch das.","norm":"Auch das."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":763,"orig":"Hier iſt mein Arm.","norm":"Hier ist mein Arm."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":764,"orig":"Komm’t mit zum Feſt!","norm":"Kommt mit zum Fest!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":765,"orig":"Doch glaubt Ihr, mir dadurch Euch zu entziehn, So irr’t Ihr, Gräfin, ſehr.","norm":"Doch glaubt Ihr, mir dadurch Euch zu entziehen, so irrt Ihr, Gräfin, sehr."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":766,"orig":"Ihr kenn’t mich nicht.","norm":"Ihr kennt mich nicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":767,"orig":"Doch wer mich kennt, der weiß: in Hofes Mitte, Am off’nen Markt heiß’ ich Euch Rede ſteh’n;","norm":"Doch wer mich kennt, der weiß: in Hofes Mitte, am offenen Markt heiße ich Euch Rede stehen;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":768,"orig":"Und leg’ Euch vor dieſelben Fragen, die — Nichts mehr, als dies, — ich hier Euch ſtellen wollte.","norm":"Und lege Euch vor dieselben Fragen, die — nichts mehr, als dies, — ich hier Euch stellen wollte."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":769,"orig":"Doch iſt’s Euch nicht genehm; — gut, wir verſchieben’s.","norm":"Doch ist es Euch nicht genehm; — gut, wir verschieben es."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":770,"orig":"O Uebermaß des ſträflichſten Erkühnens!","norm":"O Übermaß des sträflichsten Erkühnens!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":771,"orig":"Ihr ſeyd ’ was eitel, merk’ ich, gute Gräfin.","norm":"Ihr seid ’ was eitel, merke ich, gute Gräfin."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":772,"orig":"Ihr glaubt mich wohl verliebt?","norm":"Ihr glaubt mich wohl verliebt?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":773,"orig":"Mag ſeyn!","norm":"Mag sein!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":774,"orig":"— Vielleicht!","norm":"— Vielleicht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":775,"orig":"Vielleicht auch nicht!","norm":"Vielleicht auch nicht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":776,"orig":"Ich bin nicht ſo erregbar.","norm":"Ich bin nicht so erregbar."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":777,"orig":"Ein Menſchenkenner bin ich, Menſchenforſcher, Zumal auf Frau’n geh’t meine Wißbegier.","norm":"Ein Menschenkenner bin ich, Menschenforscher, zumal auf Frauen geht meine Wissbegier."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":778,"orig":"Die tauſend Formen zu erſpäh’n, die Krümmen, In denen ſich das Eins und Eine birgt;","norm":"Die tausend Formen zu erspähen, die Krümmen, in denen sich das Eins und eine birgt;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":779,"orig":"Das Eine:","norm":"Das Eine:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":780,"orig":"Heuchelei.","norm":"Heuchelei."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":781,"orig":"Pfui, feige Schwäche!","norm":"Pfui, feige Schwäche!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":782,"orig":"Bin ich nicht gut, ſo wollt ich’s auch nicht ſcheinen.","norm":"Bin ich nicht gut, so wollte ich es auch nicht scheinen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":783,"orig":"Ihr aber ſcheinet Tauben, fromme Tauben, Und ſeyd’s in Einem nur: in ew’ger Gluth.","norm":"Ihr aber scheinet Tauben, fromme Tauben, und seid es in Einem nur: in ewiger Glut."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":784,"orig":"Das anzuhören ziemt mir nicht.","norm":"Das anzuhören ziemt mir nicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":785,"orig":"O ja!","norm":"O ja!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":786,"orig":"Die Eine läßt ſich trauen einem Greiſe, Mit grauem Bart und Haar, ein ſchlott’rig Scheuſal;","norm":"Die Eine lässt sich trauen einem Greise, mit grauem Bart und Haar, ein schlottrig Scheusal;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":787,"orig":"Voll Launen, abgeſchmackt, zum Tollhaus reif, — Doch ehr’t und lieb’t ſie ihn.","norm":"Voll Launen, abgeschmackt, zum Tollhaus reif, — doch ehrt und liebt sie ihn."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":788,"orig":"Sie ehr’t und lieb’t ihn!","norm":"Sie ehrt und liebt ihn!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":789,"orig":"Wenn je und dann ſie ſchielt nach hübſchen Jungen, Minutenlang mit ihrem Blick verweil’t — Je, Neugier!","norm":"Wenn je und dann sie schielt nach hübschen Jungen, minutenlang mit ihrem Blick verweilt — Je, Neugier!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":790,"orig":"Ei, zum Seh’n ward uns das Auge!","norm":"Ei, zum Sehen wurde uns das Auge!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":791,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":792,"orig":"oder auch ſchon Menſchenforſcherin?","norm":"Oder auch schon Menschenforscherin?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":793,"orig":"Auflauernd der Entwick’lung des Geſchlecht’s, Und vom Gefühl gewendet zum Erkennen?","norm":"Auflauernd der Entwicklung des Geschlechts, und vom Gefühl gewendet zum Erkennen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":794,"orig":"Ich weiß, Ihr wollt beleid’gen und erniedern;","norm":"Ich weiß, Ihr wollt beleidigen und erniedern;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":795,"orig":"Was ſonſt Ihr meint, weiß und verſteh’ ich nicht.","norm":"Was sonst Ihr meint, weiß und verstehe ich nicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":796,"orig":"Ihr blicktet nie nach Andern; ei, ich weiß!","norm":"Ihr blicktet nie nach Anderen; ei, ich weiß!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":797,"orig":"Ihr war’t auch Jene nicht — wie, oder doch?","norm":"Ihr wart auch jene nicht — wie, oder doch?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":798,"orig":"— Die, als man ihr beim Tanz die Hand —","norm":"— Die, als man ihr beim Tanz die Hand —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":799,"orig":"Ihr lüg’t!","norm":"Ihr lügt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":800,"orig":"Vertheidig’t nicht, bevor man noch beſchuldig’t!","norm":"Verteidigt nicht, bevor man noch beschuldigt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":801,"orig":"— Die, als man ihr beim Tanz die Hand gedrückt, Den Druck zurücke gab.","norm":"— Die, als man ihr beim Tanz die Hand gedrückt, den Druck zurückegab."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":802,"orig":"— Ich fühl’t es, ja!","norm":"— Ich fühlte es, ja!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":803,"orig":"So mögen dieſe Finger denn verdorren, Und Feuer ſie beſtrafen, lohe Gluth, Wenn abſichtlos ſie und dem Willen fremd, Euch Ander’s kündeten, als Haß und Abſcheu.","norm":"So mögen diese Finger denn verdorren, und Feuer sie bestrafen, lohe Glut, wenn absichtslos sie und dem Willen fremd, Euch anderes kündeten, als Hass und Abscheu."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":804,"orig":"Als Haß und Abſcheu.","norm":"Als Hass und Abscheu."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":805,"orig":"— Gut!","norm":"— Gut!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":806,"orig":"So geb’t zurück denn Die Haare, die Ihr ſtahl’t von meinen Haaren!","norm":"So gebt zurück denn die Haare, die Ihr stahlt von meinen Haaren!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":807,"orig":"Ich war nicht lang’ an dieſen Hof gekommen, Da ſandt’ ich zum Geſchenk ſie meiner Schweſter, In Kleinod ſie zu faſſen und Geſchmeid’.","norm":"Ich war nicht lang an diesen Hof gekommen, da sandte ich zum Geschenk sie meiner Schwester, in Kleinod sie zu fassen und Geschmeide."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":808,"orig":"Ihr aber glaubtet Euch allein und ſtahl’t Vom Putztiſch Euch ein Pröbchen.","norm":"Ihr aber glaubtet Euch allein und stahlt vom Putztisch Euch ein Pröbchen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":809,"orig":"— War’s nicht ſo?","norm":"— War es nicht so?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":810,"orig":"O Gott!","norm":"O Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":811,"orig":"Mein Gott!","norm":"Mein Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":812,"orig":"Das alſo wirkte!","norm":"Das also wirkte!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":813,"orig":"O, Heuchelei, du abſcheuwürd’ges Laſter!","norm":"O, Heuchelei, du abscheuwürdiges Laster!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":814,"orig":"Und doch in Euch ſo ſchön, wie all’ das Eure.","norm":"Und doch in Euch so schön, wie all das Eure."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":815,"orig":"Laſſ’t mich Euch danken für die ſchöne Sünde.","norm":"Lasst mich Euch danken für die schöne Sünde."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":816,"orig":"O, alle Tugend gleicht ihr nicht an Reiz!","norm":"O, alle Tugend gleicht ihr nicht an Reiz!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":817,"orig":"Mein Prinz!","norm":"Mein Prinz!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":818,"orig":"— O glaub’t!","norm":"— O glaubt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":819,"orig":"— Doch ſteht vom Boden auf!","norm":"— Doch steht vom Boden auf!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":820,"orig":"Daß jene Locke, kaum in meiner Hand — Steh’t auf, ich bitt’ Euch!","norm":"Dass jene Locke, kaum in meiner Hand — steht auf, ich bitte Euch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":821,"orig":"— daß ich ſie verbrannt;","norm":"— dass ich sie verbrannt;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":822,"orig":"Daß ich — o Gott!","norm":"Dass ich — o Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":823,"orig":"mein Gott!","norm":"mein Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":824,"orig":"— Steh’t auf!","norm":"— Steht auf!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":825,"orig":"— Man kommt!","norm":"— Man kommt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":826,"orig":"— Soll ich mit Thränen Euch im Auge bitten?","norm":"— Soll ich mit Tränen Euch im Auge bitten?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":827,"orig":"Ich will nicht, ſag’ ich Euch, ich duld’ es nicht!","norm":"Ich will nicht, sage ich Euch, Ich dulde es nicht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":828,"orig":"Ich ſoll Euch hören, und Ihr ſelbſt verweigert’s?","norm":"Ich soll Euch hören, und Ihr selbst verweigert es?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":829,"orig":"Ich will Euch hören, nur ſteh’t auf vom Boden!","norm":"Ich will Euch hören, nur steht auf vom Boden!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":830,"orig":"Es ſey!","norm":"Es sei!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":831,"orig":"Doch auf Bedingung.","norm":"Doch auf Bedingung."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":832,"orig":"— Seh’t, Ihr ſchuldet Mir die Geſchichte jener Locke; ich Hab’ eine Frage noch an Euch zu ſtellen.","norm":"— Seht, Ihr schuldet mir die Geschichte jener Locke; ich habe eine Frage noch an Euch zu stellen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":833,"orig":"Gönn’t zu geheimer Unterredung mir Ein Viertelſtündchen, wo, und wann Ihr woll’t.","norm":"Gönnt zu geheimer Unterredung mir Ein Viertelstündchen, wo, und wann Ihr wollt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":834,"orig":"Geheimes ich und Ihr?","norm":"Geheimes ich und Ihr?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":835,"orig":"Geheim um Euretwillen!","norm":"Geheim um Euretwillen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":836,"orig":"Bring’t Zof’ und Diener mit, mir gilt das gleich!","norm":"Bringt Zofe und Diener mit, mir gilt das gleich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":837,"orig":"Verwahr’t Euch, wie Ihr woll’t.","norm":"Verwahrt Euch, wie Ihr wollt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":838,"orig":"Nur laſſ’t mich fragen.","norm":"Nur lasst mich fragen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":839,"orig":"Mir iſt’s um meine Zweifel nur zu thun.","norm":"Mir ist es um meine Zweifel nur zu tun."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":840,"orig":"— Seh’t Ihr denn üb’rall Liebe, eitles Volk?","norm":"— Seht Ihr denn überall Liebe, eitles Volk?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":841,"orig":"Doch ſprechen muß ich Euch, muß Antwort haben!","norm":"Doch sprechen muss ich Euch, muss Antwort haben!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":842,"orig":"Und woll’t Ihr anders nicht, ſo ſey es hier.","norm":"Und wollt Ihr anders nicht, so sei es hier."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":843,"orig":"Noch einmal knieend, bitt’ ich Euch darum.","norm":"Noch einmal kniend, bitte ich Euch darum."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":844,"orig":"Halt’ ein!","norm":"Halte ein!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":845,"orig":"Ich will!","norm":"Ich will!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":846,"orig":"Ihr gönn’t mir ein Geſpräch — Und wo?","norm":"Ihr gönnt mir ein Gespräch — und wo?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":847,"orig":"und wann?","norm":"und wann?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":848,"orig":"O, nirgends, ach, und nie!","norm":"O, nirgends, ach, und nie!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":849,"orig":"Ich ſeh’, es macht Euch Müh’, davon zu ſprechen.","norm":"Ich sehe, es macht Euch Mühe, davon zu sprechen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":850,"orig":"Hier iſt Papier und Feder; ich will geh’n.","norm":"Hier ist Papier und Feder; ich will gehen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":851,"orig":"Zwei Zeilen, die Ihr ſchreibt, mit Zeit und Ort, Genügen mir.","norm":"Zwei Zeilen, die Ihr schreibt, mit Zeit und Ort, Genügen mir."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":852,"orig":"— Wenn heim die Gäſte kehren, Nah’ im Getümmel ich mich Euch des Aufbruch’s, Und leſe, was Ihr ſchriebt; mein Heil, mein Glück!","norm":"— Wenn heim die Gäste kehren, Nah im Getümmel ich mich Euch des Aufbruchs, und lese, was Ihr schriebt; mein Heil, mein Glück!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":853,"orig":"Bis dahin, lebet wohl!","norm":"Bis dahin, lebt wohl!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":854,"orig":"— O, meine Wünſche!","norm":"— O, meine Wünsche!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":855,"orig":"Weh mir!","norm":"Weh mir!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":856,"orig":"Was iſt geſcheh’n?","norm":"Was ist geschehen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":857,"orig":"— Gerechter Gott!","norm":"— Gerechter Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":858,"orig":"Wenn in den erſten Tagen, da er kam, Er fromm mir ſchien und gut — O pfui, pfui, pfui!","norm":"Wenn in den ersten Tagen, da er kam, er fromm mir schien und gut — O pfui, pfui, pfui!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":859,"orig":"Erbärmliches Gefühl, du bleib’ſt mir fremd.","norm":"Erbärmliches Gefühl, du bleibst mir fremd."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":860,"orig":"Und ſagen will ich’s ihm!","norm":"Und sagen will ich es ihm!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":861,"orig":"— Doch hier, und jetzt — Dem Raſenden, in Mitte ſeines Hof’s?","norm":"— Doch hier, und jetzt — dem rasenden, in Mitte seines Hofs?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":862,"orig":"— Und ſprech’ ich nicht, ſo kehrt er tobend wieder, Kniet, droh’t, beſchimpft.","norm":"— Und spreche ich nicht, so kehrt er tobend wieder, kniet, droht, beschimpft."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":863,"orig":"— Ich will ihm ſchreiben — ja!","norm":"— Ich will ihm schreiben — ja!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":864,"orig":"Er hat’s begehr’t, und ich, ich will es thun.","norm":"Er hat es begehrt, und ich, ich will es tun."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":865,"orig":"Will ſchreiben ihm, ihn ſprechen ohne Zeugen, Und hören ſoll er ein verzweifelnd Herz.","norm":"Will schreiben ihm, ihn sprechen ohne Zeugen, und hören soll er ein verzweifelnd Herz."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":866,"orig":"Und doch — Es iſt nicht gut, es iſt nicht recht.","norm":"Und doch — es ist nicht gut, es ist nicht recht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":867,"orig":"— Woher ſonſt dieſes Zittern, dieſe Angſt?","norm":"— Woher sonst dieses Zittern, diese Angst?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":868,"orig":"Iſt Niemand hier?","norm":"Ist niemand hier?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":869,"orig":"Mir kommt ein Schwindel an.","norm":"Mir kommt ein Schwindel an."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":870,"orig":"Horch!","norm":"Horch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":871,"orig":"— Stimmen — Menſchen — Wo verberg’ ich mich?","norm":"— Stimmen — Menschen — wo verberge ich mich?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":872,"orig":"Der Streit iſt abgethan, ſo ſchnell geſchlichtet, Als er begann.","norm":"Der Streit ist abgetan, so schnell geschlichtet, als er begann."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":873,"orig":"Faſt ſchein’t mir’s angeleg’t, Abſichtlich angeleg’t, die Ruh’ zu ſtören.","norm":"Fast scheint mir es angelegt, absichtlich angelegt, die Ruhe zu stören."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":874,"orig":"Doch wer iſt dort?","norm":"Doch wer ist dort?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":875,"orig":"— Ha, Erny, du?","norm":"— Ha, Erny, du?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":876,"orig":"und bleich, Und zitternd?","norm":"und bleich, und zitternd?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":877,"orig":"— Kind, was war?","norm":"— Kind, was war?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":878,"orig":"— was iſt geſcheh’n?","norm":"— Was ist geschehen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":879,"orig":"Flieh’ſt du vor mir?","norm":"Fliehst du vor mir?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":880,"orig":"— Ha, du biſt krank.","norm":"— Ha, du bist krank."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":881,"orig":"— Nur Hülfe!","norm":"— Nur Hilfe!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":882,"orig":"Iſt Niemand hier?","norm":"Ist niemand hier?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":883,"orig":"O, ſtill!","norm":"O, still!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":884,"orig":"Ich bin nicht krank.","norm":"Ich bin nicht krank."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":885,"orig":"Nicht krank?","norm":"Nicht krank?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":886,"orig":"Und Todesbläſſe deckt die Wangen, Aufzuckend fiebert eiſig jedes Glied.","norm":"Und Todesblässe deckt die Wangen, aufzuckend fiebert eisig jedes Glied."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":887,"orig":"— Laſſ’ uns nach Hauſe, komm’!","norm":"— Lasse uns nach Hause, komme!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":888,"orig":"Ich kann’s nicht tragen!","norm":"Ich kann es nicht tragen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":889,"orig":"Glühend brennt das Blatt, Das frevle Blatt auf meinem ſchuld’gen Buſen.","norm":"Glühend brennt das Blatt, das frevle Blatt auf meinem schuldigen Busen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":890,"orig":"Nur fort, nur fort!","norm":"Nur fort, nur fort!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":891,"orig":"Vernicht’, zerreiß’, vertilg’ es!","norm":"Vernichte, zerreiße, vertilge es!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":892,"orig":"Und Niemand ahne, Niemand, was es birgt.","norm":"Und niemand ahne, niemand, was es birgt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":893,"orig":"Was birgt es denn?","norm":"Was birgt es denn?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":894,"orig":"— Sieh, es iſt leer!","norm":"— Sieh, es ist leer!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":895,"orig":"Ha, leer?","norm":"Ha, leer?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":896,"orig":"Der Hölle Züge ſind d’rauf eingegraben.","norm":"Der Hölle Züge sind drauf eingegraben."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":897,"orig":"Mag ſeyn!","norm":"Mag sein!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":898,"orig":"Doch lesbar nur für Gott, und für die Bruſt, Die es gedacht, obgleich ſie’s nicht geſchrieben.","norm":"Doch lesbar nur für Gott, und für die Brust, die es gedacht, obgleich sie es nicht geschrieben."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":899,"orig":"— Hier iſt dein Blatt, nimm es zurück.","norm":"— Hier ist dein Blatt, nimm es zurück."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":900,"orig":"Ich nicht!","norm":"Ich nicht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":901,"orig":"Bancban!","norm":"Bancban!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":902,"orig":"Auf dieſem Blatt wollt’ ich dem Prinzen ſchreiben.","norm":"Auf diesem Blatt wollte ich dem Prinzen schreiben."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":903,"orig":"Verhüt’ es Gott!","norm":"Verhüte es Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":904,"orig":"Und kamſt du nicht, ich that’s.","norm":"Und kamst du nicht, ich tat es."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":905,"orig":"Die Königin mag wohl in Sorgen ſeyn Ob jenes Streit’s.","norm":"Die Königin mag wohl in Sorgen sein Ob jenes Streits."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":906,"orig":"Den Ausgang meld’ ich ihr.","norm":"Den Ausgang melde ich ihr."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":907,"orig":"Und läſſeſt du mich ſo allein?","norm":"Und lässt du mich so allein?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":908,"orig":"Bancbanus, Willſt du dein Weib nicht ſtrafen und nicht hüten?","norm":"Bancbanus, willst du dein Weib nicht strafen und nicht hüten?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":909,"orig":"Beſtrafen?","norm":"Bestrafen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":910,"orig":"Hüten?","norm":"Hüten?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":911,"orig":"Ei, ſag’ du nur ſelbſt:","norm":"Ei, sage du nur selbst:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":912,"orig":"Wie fang’ ich’s an?","norm":"Wie fange ich es an?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":913,"orig":"— Führ’ ich dich tobend heim, Verſperre dich in’s innerſte Gemach, Mit Schloß und Riegel, unter Thor und Gitter?","norm":"— Führe ich dich tobend heim, Versperre dich ins innerste Gemach, mit Schloss und Riegel, unter Tor und Gitter?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":914,"orig":"Verſchreib’ ich Stumme mir aus Mohrenland?","norm":"Verschreibe ich stumme mir aus Mohrenland?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":915,"orig":"Verſchnitt’ne, die mein Weib allſehend hüten?","norm":"Verschnittene, die mein Weib allsehend hüten?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":916,"orig":"Und Nachts, die Dieb’slaterne in der Hand, Schleich’ ich mich hin, und forſche, ob’s noch ſchließt?","norm":"Und Nachts, die Diebeslaterne in der Hand, Schleiche ich mich hin, und forsche, ob es noch schließt?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":917,"orig":"Die Ehre einer Frau iſt eine eh’rne Mauer, Wer ſie durchgräbt, der ſpaltet Quadern auch.","norm":"Die Ehre einer Frau ist eine eherne Mauer, wer sie durchgräbt, der spaltet Quadern auch."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":918,"orig":"O hart, zu hart, Bancban, mein Gatte!","norm":"O hart, zu hart, Bancban, mein Gatte!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":919,"orig":"Ich bin wohl alt genug, und du biſt jung, Ich lebensmüd’ und ernſt, du heiter blühend.","norm":"Ich bin wohl alt genug, und du bist jung, Ich lebensmüde und ernst, du heiter blühend."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":920,"orig":"Was gibt ein Recht mir, alſo dich zu quälen?","norm":"Was gibt ein Recht mir, also dich zu quälen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":921,"orig":"Weil du’s verſprachſt?","norm":"Weil du es versprachst?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":922,"orig":"Ei, was verſpricht der Menſch!","norm":"Ei, was verspricht der Mensch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":923,"orig":"— Weil’s ſo die Sitte will?","norm":"— Weil es so die Sitte will?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":924,"orig":"— Wer frägt nach Sitte?","norm":"— Wer fragt nach Sitte?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":925,"orig":"Wenn nicht in deiner Bruſt ein ſtill’ Behagen, Das Flüſtern einer Stimme leb’t, die ſpricht:","norm":"Wenn nicht in deiner Brust ein still Behagen, das Flüstern einer Stimme lebt, die spricht:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":926,"orig":"Der Mann iſt gut, auf Rechtthun ſteht ſein Sinn, Er liebt, wie Keiner mich, und wie zu Keinem, Fühl’ ich zu ihm Vertrau’n; — wenn’s ſo nicht ſpricht, Dann Gott mit dir, und mit uns Allen, Erny!","norm":"Der Mann ist gut, auf Rechttun steht sein Sinn, er liebt, wie Keiner mich, und wie zu Keinem, Fühle ich zu ihm Vertrauen; — wenn es so nicht spricht, dann Gott mit dir, und mit uns allen, Erny!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":927,"orig":"Dann ſchreib’ dem Prinzen nur!","norm":"Dann schreibe dem Prinzen nur!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":928,"orig":"Mann!","norm":"Mann!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":929,"orig":"Gatte!","norm":"Gatte!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":930,"orig":"Ich weiß wohl, was ſie ſagen:","norm":"Ich weiß wohl, was sie sagen:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":931,"orig":"Seht den Alten, Er freit’ ein junges Weib!","norm":"Seht den Alten, er freite ein junges Weib!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":932,"orig":"— Er täuſcht, man zwingt ſie.","norm":"— Er täuscht, man zwingt sie."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":933,"orig":"Sag’, Erny, ſelbſt: ward’ſt du getäuſcht?","norm":"Sage, Erny, selbst: Warst du getäuscht?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":934,"orig":"gezwungen?","norm":"gezwungen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":935,"orig":"Von wem?","norm":"Von wem?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":936,"orig":"und wann?","norm":"und wann?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":937,"orig":"Als Nemaret, dein Vater, Im Tod zuſammenfügte unſ’re Hände, Der blüh’nden Tochter und des Jugendfreundes, Dem Schutz dich anvertrauend eines Gatten, Wer zögerte, dein raſches Wort zu nehmen?","norm":"Als Nemaret, dein Vater, im Tod zusammenfügte unsere Hände, der blühenden Tochter und des Jugendfreundes, dem Schutz dich anvertrauend eines Gatten, wer zögerte, dein rasches Wort zu nehmen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":938,"orig":"Wer ſchob die Heirath auf?","norm":"Wer schob die Heirat auf?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":939,"orig":"Wer bat, beſchwor dich, Dein Alter zu bedenken, und das ſeine?","norm":"Wer bat, beschwor dich, Dein Alter zu bedenken, und das seine?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":940,"orig":"— Allein, du wollteſt, und er fügte ſich, Weiß Gott, wie gern!","norm":"— Allein, du wolltest, und er fügte sich, Weiß Gott, wie gern!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":941,"orig":"— Wenn’s nun dich reu’t —.","norm":"— Wenn es nun dich reut —."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":942,"orig":"Bancban!","norm":"Bancban!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":943,"orig":"So lag der Prinz vor mir auf ſeinen Knie’n, So werf’ ich mich vor dich hin, ach, und ſchwöre —","norm":"So lag der Prinz vor mir auf seinen Knien, so werfe ich mich vor dich hin, ach, und schwöre —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":944,"orig":"Was fällt dir ein?","norm":"Was fällt dir ein?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":945,"orig":"Du knie’n vor mir, und ſchwören?","norm":"Du knien vor mir, und schwören?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":946,"orig":"Dein Wort ſey »Ja!« und »Nein!« — Weißt du dich ſchuldlos, Tritt hin vor mich und ſag’:","norm":"Dein Wort sei »Ja!« und »Nein!« — Weißt du dich schuldlos, Tritt hin vor mich und sage:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":947,"orig":"Ich bin’s!","norm":"Ich bin es!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":948,"orig":"Hör’ſt du?","norm":"Hörst du?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":949,"orig":"Ich bin’s, bin ſchuldlos!","norm":"Ich bin es, bin schuldlos!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":950,"orig":"— Und ſieh mir in’s Auge!","norm":"— Und sieh mir ins Auge!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":951,"orig":"— Nichts da!","norm":"— Nichts da!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":952,"orig":"Den Blick nicht auf den Boden!","norm":"Den Blick nicht auf den Boden!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":953,"orig":"Hier, Auf mich dein Aug’!","norm":"Hier, auf mich dein Auge!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":954,"orig":"— Ja ſo, es ſchwimmt in Thränen?!","norm":"— Ja so, es schwimmt in Tränen?!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":955,"orig":"— Mißhandeln, Kind!","norm":"— Misshandeln, Kind!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":956,"orig":"mißhandeln wollt’ ich nicht!","norm":"misshandeln wollte ich nicht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":957,"orig":"Senk’ nur die Stirne, leg’ ſie an dieß Herz, Und was du weiſt, das flüſt’re leiſ’ ihm zu.","norm":"Senk nur die Stirn, lege sie an dies Herz, und was du weißt, das flüstere leis ihm zu."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":958,"orig":"Es wird dich hören, wie es dir verzeih’t.","norm":"Es wird dich hören, wie es dir verzeiht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":959,"orig":"Verzeih’n?","norm":"Verzeihen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":960,"orig":"O, bitt’res Wort!","norm":"O, bitteres Wort!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":961,"orig":"Nu, Kind, wer weiß — Vielleicht dich bitten ſelbſt, daß du verzeih’ſt, Was Thörichtes ich ſprach.","norm":"Nu, Kind, wer weiß — vielleicht dich bitten selbst, dass du verzeihst, was törichtes ich sprach."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":962,"orig":"— Es iſt mein Fehler, Mein alter Fehler: ſtets der Mund voran!","norm":"— Es ist mein Fehler, Mein alter Fehler: stets der Mund voran!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":963,"orig":"Bancban!","norm":"Bancban!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":964,"orig":"Vor Allem wiſſe:","norm":"Vor allem wisse:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":965,"orig":"Kein Gedanke Von Unrecht kam in meinen armen Sinn, Nur daß — o Gott!","norm":"Kein Gedanke von Unrecht kam in meinen armen Sinn, nur dass — o Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":966,"orig":"Mein Gott!","norm":"Mein Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":967,"orig":"Schäm’ſt du dich, Kind?","norm":"Schämst du dich, Kind?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":968,"orig":"Das iſt dir nütz’!","norm":"Das ist dir nütze!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":969,"orig":"Schäm’ dich an meiner Bruſt!","norm":"Schäm dich an meiner Brust!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":970,"orig":"So recht, den Kopf im Winkel eingeduckt, Die Augen zu; recht wie der Vogel Strauß.","norm":"So recht, den Kopf im Winkel eingeduckt, die Augen zu; recht wie der Vogel Strauß."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":971,"orig":"Und ſo laß ſprechen uns.","norm":"Und so lass sprechen uns."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":972,"orig":"— Du guter Gott!","norm":"— Du guter Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":973,"orig":"Ich möchte ſingen, jubeln, jauchzen, ſchrei’n, Daß ſie mir blieb, daß ich ſie nicht verlor.","norm":"Ich möchte singen, jubeln, jauchzen, schreien, dass sie mir blieb, dass ich sie nicht verlor."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":974,"orig":"Nun alſo denn: — der Prinz war hier?","norm":"Nun also denn: — der Prinz war hier?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":975,"orig":"Ach ja!","norm":"Ach ja!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":976,"orig":"War ungeſtüm?","norm":"War ungestüm?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":977,"orig":"O, wenn du wüßteſt —!","norm":"O, wenn du wüsstest —!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":978,"orig":"Zurück, in dein Verſteck!","norm":"Zurück, in dein Versteck!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":979,"orig":"— Ihm zu entgeh’n, Verſprachſt du ihm ein Briefchen, oder ſo — Ich könnte ſagen:","norm":"— Ihm zu entgehen, versprachst du ihm ein Briefchen, oder so — Ich könnte sagen:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":980,"orig":"Sey’s!","norm":"Sei es!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":981,"orig":"Warum denn nicht?","norm":"Warum denn nicht?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":982,"orig":"Was ſchadet nur ein Brief?","norm":"Was schadet nur ein Brief?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":983,"orig":"— Doch thu’ ich’s nicht:","norm":"— Doch tue ich es nicht:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":984,"orig":"Die Künſte ſind’s des hölliſchen Verſuchers.","norm":"Die Künste sind es des höllischen Versuchers."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":985,"orig":"Wer einen Fuß geſetzt, zieh’t nach den zweiten, Und alles Böſen Mutter iſt Geheimniß.","norm":"Wer einen Fuß gesetzt, ziehet nach den zweiten, und alles Bösen Mutter ist Geheimnis."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":986,"orig":"D’rum ſchreibe nicht!","norm":"Darum schreibe nicht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":987,"orig":"Gewiß!","norm":"Gewiss!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":988,"orig":"Und weich’ ihm aus.","norm":"Und weich ihm aus."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":989,"orig":"Ausweichen ihm?","norm":"Ausweichen ihm?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":990,"orig":"Ihm ſteh’n, ihn ſeh’n, vernichten!","norm":"Ihm stehen, ihn sehen, vernichten!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":991,"orig":"Kind, Allzuviel geht gleich mit Allzuwenig.","norm":"Kind, Allzuviel geht gleich mit Allzu wenig."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":992,"orig":"Laſſ’ ihn uns reizen nicht.","norm":"Lasse ihn uns reizen nicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":993,"orig":"Er iſt wie Flamme, Und ſeine Schweſter häng’t, wie ſehr!","norm":"Er ist wie Flamme, und seine Schwester hänget, wie sehr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":994,"orig":"an ihm.","norm":"an ihm."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":995,"orig":"Nicht ich, es ſoll mein Weib nicht Unfried ſtiften!","norm":"Nicht ich, es soll mein Weib nicht Unfriede stiften!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":996,"orig":"— Ertrag’, und überſieh ihn.","norm":"— Ertrage, und übersieh ihn."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":997,"orig":"Kurze Friſt, So ſend’ ich dich hinaus auf ein’s der Schlöſſer, Dann biſt du ſeiner quitt. Bis dahin, klug!","norm":"Kurze Frist, so sende ich dich hinaus auf eins der Schlösser, dann bist du seiner quitt. Bis dahin, klug!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":998,"orig":"— Man kommt!","norm":"— Man kommt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":999,"orig":"Laſſ’ Niemand ahnen, was geſchah.","norm":"Lasse Niemand ahnen, was geschah."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1000,"orig":"Unbill, die man erträgt, war gar nicht da.","norm":"Unbill, die man erträgt, war gar nicht da."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1001,"orig":"Hier alſo meine ſchöne Tänzerin?","norm":"Hier also meine schöne Tänzerin?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1002,"orig":"Sehr früh verließt Ihr mich.","norm":"Sehr früh verließt Ihr mich."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1003,"orig":"Sie iſt nicht wohl;","norm":"Sie ist nicht wohl;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1004,"orig":"Mit Eurem Urlaub führ’ ich ſie nach Hauſe.","norm":"Mit Eurem Urlaub führe ich sie nach Hause."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1005,"orig":"Nach Hauſe geht nun Alles, edler Rath;","norm":"Nach Hause geht nun alles, edler Rat;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1006,"orig":"Auch Eure Frau ſonach.","norm":"Auch Eure Frau sonach."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1007,"orig":"— Glück auf, Ihr Herr’n!","norm":"— Glück auf, Ihr Herrn!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1008,"orig":"Wir danken Euch, und hoffen’s zu vergelten.","norm":"Wir danken Euch, und hoffen es zu vergelten."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1009,"orig":"Nun Gräfin, meinen Brief!","norm":"Nun Gräfin, meinen Brief!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1010,"orig":"Geh’t, ich veracht’ Euch!","norm":"Gehet, ich verachte Euch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1011,"orig":"Verachten, mich?","norm":"Verachten, mich?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1012,"orig":"— Auf Tod und Leben!","norm":"— Auf Tod und Leben!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1013,"orig":"Halt!","norm":"Halt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1014,"orig":"Warum verachtet Ihr mich?","norm":"Warum verachtet Ihr mich?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1015,"orig":"Ihr!","norm":"Ihr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1016,"orig":"Warum?","norm":"Warum?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1017,"orig":"Unſinniger!","norm":"Unsinniger!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1018,"orig":"— Folgt, Gräfin, Eurem Gatten!","norm":"— Folgt, Gräfin, Eurem Gatten!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1019,"orig":"Nicht laſſ’ ich ſie!","norm":"Nicht lasse ich sie!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1020,"orig":"Du wirſt, denn ich befehl’ es.","norm":"Du wirst, denn ich befehle es."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1021,"orig":"— Glück auf den Weg, Ihr Herr’n.","norm":"— Glück auf den Weg, Ihr Herrn."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1022,"orig":"Nur zu!","norm":"Nur zu!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1023,"orig":"Leb’t wohl!","norm":"Lebt wohl!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1024,"orig":"Unſinniger!","norm":"Unsinniger!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1025,"orig":"Wie weit geh’t deine Tollheit?","norm":"Wie weit gehet deine Tollheit?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1026,"orig":"Und bin ich toll, ſo wahr’t Euch vor dem Tollen!","norm":"Und bin ich toll, so wahret Euch vor dem Tollen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1027,"orig":"Du haſt’s geſagt, und ſo berühr’ mich nicht!","norm":"Du hast du das gesagt, und so berühre mich nicht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1028,"orig":"Hin auf den Boden werf’ ich meinen Leib,","norm":"Hin auf den Boden werfe ich meinen Leib,"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1029,"orig":"Und mit den Händen greif’ ich in den Grund.","norm":"Und mit den Händen greife ich in den Grund."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1030,"orig":"Nicht hören und nicht reden!","norm":"Nicht hören und nicht reden!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1031,"orig":"Raſe, ſtirb!","norm":"Rase, stirb!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1032,"orig":"Wo iſt der Arzt?","norm":"Wo ist der Arzt?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1033,"orig":"Hier bin ich, gnäd’ge Frau!","norm":"Hier bin ich, gnädige Frau!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1034,"orig":"Mein Bruder gilt für krank, und Ihr beſtärigt’s.","norm":"Mein Bruder gilt für krank, und Ihr bestätigt es."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1035,"orig":"Kommt Ihr von dort?","norm":"Kommt Ihr von dort?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1036,"orig":"— Wie alſo ſteht’s mit ihm?","norm":"— Wie also steht es mit ihm?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1037,"orig":"Nicht gut, muß ich bekennen; doch zugleich, Daß noch die Form, der eigentliche Sitz Des Uebelſeyns ſich nicht beſtimmen läßt.","norm":"Nicht gut, muss ich bekennen; doch zugleich, dass noch die Form, der eigentliche Sitz des Übelseins sich nicht bestimmen lässt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1038,"orig":"Ein feines Pröbchen Eurer Kunſt!","norm":"Ein feines Pröbchen Eurer Kunst!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1039,"orig":"Verzeih’t!","norm":"Verzeihet!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1040,"orig":"Es läßt gar leicht ſich Grund und Urſach nennen, Die Frag’ iſt nur, ob’s auch zum Falle paßt?","norm":"Es lässt gar leicht sich Grund und Ursache nennen, die Frag ist nur, ob es auch zum Falle passt?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1041,"orig":"Wir Aerzte ſind Nachtreter der Natur, Und unſ’re Herrin geht auf dunklen Pfaden.","norm":"Wir Ärzte sind Nachtreter der Natur, und unsere Herrin geht auf dunkeln Pfaden."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1042,"orig":"Ei gut!","norm":"Ei gut!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1043,"orig":"Ei ſchön!","norm":"Ei schön!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1044,"orig":"Man ſagt ja, Eure Schweſter Sie geh’ auf’s Land?","norm":"Man sagt ja, Eure Schwester Sie gehe aufs Land?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1045,"orig":"— In dieſer Jahreszeit?","norm":"— In dieser Jahreszeit?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1046,"orig":"Ohn’ Urlaub und Begehr?","norm":"Ohne Urlaub und Begehre?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1047,"orig":"Scheint’s doch, ſie lernt Von ihrem Gatten Hofesbrauch und Sitte.","norm":"Scheint es doch, sie lernt von ihrem Gatten Hofbrauch und Sitte."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1048,"orig":"Verzeiht, ſie harrt im Vorgemache draußen, Ob Ihr erlaubt —","norm":"Verzeiht, sie harrt im Vorgemache draußen, ob Ihr erlaubt —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1049,"orig":"Warum ward’s nicht gemeldet?","norm":"Warum ward es nicht gemeldet?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1050,"orig":"Laßt ſie herein!","norm":"Lasst sie herein!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1051,"orig":"Nun, weiſer Oedipus, Fahr’ fort, und löſ’ uns deine eig’nen Räthſel.","norm":"Nun, weiser Ödipus, Fahr fort, und lös uns deine eigenen Rätsel."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1052,"orig":"Des Herzog’s Zuſtand läßt ſich Fieber nennen.","norm":"Des Herzogs Zustand lässt sich Fieber nennen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1053,"orig":"Er liegt, und ſtarrt, und ſchweigt.","norm":"Er liegt, und starrt, und schweigt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1054,"orig":"Die Pulſe fliegen, Die Stirne heiß, die Eßluſt fort.","norm":"Die Pulse fliegen, die Stirn heiß, die Esslust fort."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1055,"orig":"Wie ſo?","norm":"Wieso?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1056,"orig":"Er ſchlug die Diener, die ihm Nahrung brachten, Weiſ’t ab ſo Speiſ’ als Trank.","norm":"Er schlug die Diener, die ihm Nahrung brachten, weist ab so Speis als Trank."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1057,"orig":"Seit wann?","norm":"Seit wann?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1058,"orig":"Wer weiß?","norm":"Wer weiß?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1059,"orig":"Und wenn man nicht —","norm":"Und wenn man nicht —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1060,"orig":"Ei, ſieh’ da, ſchöne Gräfin!","norm":"Ei, sieh da, schöne Gräfin!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1061,"orig":"Ihr reiſ’t auf’s Land, dem Wonnemond entgegen?","norm":"Ihr reist aufs Land, dem Wonnemond entgegen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1062,"orig":"Ihr werdet ſein noch etwas warten müſſen, Wir ſind im März.","norm":"Ihr werdet sein noch etwas warten müssen, wir sind im März."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1063,"orig":"Was treibt zu ſo viel Eile?","norm":"Was treibt zu so viel Eile?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1064,"orig":"Geſchäfte, gnäd’ge Frau!","norm":"Geschäfte, gnädige Frau!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1065,"orig":"Ei, ich begreife!","norm":"Ei, ich begreife!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1066,"orig":"Die erſte Graſung gibt die beſte Milch.","norm":"Die erste Grasung gibt die beste Milch."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1067,"orig":"Da helf’t Ihr denn wohl ſelbſt mit eig’nen Händen?","norm":"Da helfet Ihr denn wohl selbst mit eigenen Händen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1068,"orig":"Doch ernſthaft nun!","norm":"Doch ernsthaft nun!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1069,"orig":"Ich hoffe doch, der Vorfall Von neulich Abends, er hat keinen Antheil An dieſer Reiſe?","norm":"Ich hoffe doch, der Vorfall von neulich Abends, er hat keinen Anteil an dieser Reise?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1070,"orig":"— Hat er, Gräfin?","norm":"— Hat er, Gräfin?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1071,"orig":"Sprecht!","norm":"Sprecht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1072,"orig":"Nehmt das nicht höher, als die Meinung war.","norm":"Nehmt das nicht höher, als die Meinung war."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1073,"orig":"Mein Bruder liebt zu ſcherzen.","norm":"Mein Bruder liebt zu scherzen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1074,"orig":"Scherzen, gnäd’ge Frau?","norm":"Scherzen, gnädige Frau?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1075,"orig":"So glaub’t Ihr denn?","norm":"So glaubet Ihr denn?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1076,"orig":"— Wie, oder Gräfin, doch?","norm":"— Wie, oder Gräfin, doch?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1077,"orig":"Wär’s etwa Ernſt geworden?","norm":"Wäre es etwa Ernst geworden?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1078,"orig":"Ernſt bei Euch?","norm":"Ernst bei Euch?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1079,"orig":"— Was ſagt dies arme Herz?","norm":"— Was sagt dies arme Herz?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1080,"orig":"Wohl arm!","norm":"Wohl arm!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1081,"orig":"Es ſchweigt!","norm":"Es schweigt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1082,"orig":"Und völlig ruhig denn?","norm":"Und völlig ruhig denn?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1083,"orig":"Vollkommen ruhig.","norm":"Vollkommen ruhig."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1084,"orig":"So reiſ’t mit Gott, und grüß’t mir Laub und Gras!","norm":"So reiset mit Gott, und grüßet mir Laub und Gras!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1085,"orig":"Einfältig Volk!","norm":"Einfältig Volk!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1086,"orig":"Nur ſtumpf, nicht tugendhaft.","norm":"Nur stumpf, nicht tugendhaft."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1087,"orig":"Harr’t draußen, ob noch etwas zu befehlen.","norm":"Harret draußen, ob noch etwas zu befehlen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1088,"orig":"Eu’r Kranker, Herr, iſt toll, und gegen, Tollheit Gibt es ein einzig Mittel nur:","norm":"Euer Kranker, Herr, ist toll, und gegen, Tollheit gibt es ein einzig Mittel nur:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1089,"orig":"Vernunft.","norm":"Vernunft."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1090,"orig":"Er mag ſich ſelber heilen.","norm":"Er mag sich selber heilen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1091,"orig":"Sag’t ihm das!","norm":"Sagt ihm das!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1092,"orig":"Wie auch, daß er nicht hoffe, mich zu ſeh’n, Bis er zu mir kommt, ſelbſt, als ein Geneſ’ner.","norm":"Wie auch, dass er nicht hoffe, mich zu sehen, bis er zu mir kommt, selbst, als ein Genesener."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1093,"orig":"Doch wollet mich auch für entſchuldigt halten, Wenn endlich doch Gefahr —","norm":"Doch wollet mich auch für entschuldigt halten, wenn endlich doch Gefahr —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1094,"orig":"Gefahr!","norm":"Gefahr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1095,"orig":"Gefahr!","norm":"Gefahr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1096,"orig":"Es iſt nicht noth, daß gar ſo Viele leben;","norm":"Es ist nicht not, dass gar so Viele leben;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1097,"orig":"Die Erde trägt unnütze Laſt genug.","norm":"Die Erde trägt unnütze Last genug."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1098,"orig":"Wer ſich Nothwendigem nicht fügen kann, Mag ſterben, wär’s mein Bruder, wär’ ich’s ſelbſt.","norm":"Wer sich Notwendigem nicht fügen kann, Mag sterben, wäre es mein Bruder, wäre ich es selbst."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1099,"orig":"Ich gehe denn.","norm":"Ich gehe denn."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1100,"orig":"Bleib’t noch!","norm":"Bleibt noch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1101,"orig":"Iſt ſonſt noch Jemand Im Vorſaal, der mein’ harr’t?","norm":"Ist sonst noch jemand im Vorsaal, der Meine harrt?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1102,"orig":"Bei Eurem Kopf!","norm":"Bei Eurem Kopf!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1103,"orig":"So glaub’t Ihr wirklich denn, daß Grund zur Sorge?","norm":"So glaubet Ihr wirklich denn, dass Grund zur Sorge?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1104,"orig":"Geſteh’ ich’s Euch, ich dacht’, ein leeres Wahnbild, Ein ungeſtillter Wunſch, ein Hirngeſpinnſt Sey dieſes Uebels Grund.","norm":"Gestehe ich es Euch, ich dachte, ein leeres Wahnbild, ein ungestillter Wunsch, ein Hirngespinst Sei dieses Übels Grund."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1105,"orig":"Vielleicht!","norm":"Vielleicht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1106,"orig":"wohl möglich!","norm":"Wohl möglich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1107,"orig":"Streitſücht’ge Nachbarsherr’n ſind Geiſt und Körper, Die Grenzen wechſeln und verwirren ſie;","norm":"Streitsüchtige Nachbarsherrn sind Geist und Körper, die Grenzen wechseln und verwirren sie;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1108,"orig":"Man weiß oft nicht, auf weſſen Grund man ſteht.","norm":"Man weiß oft nicht, auf wessen Grund man steht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1109,"orig":"Doch, was es ſey, die Wirkung bleibt dieſelbe.","norm":"Doch, was es sei, die Wirkung bleibt dieselbe."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1110,"orig":"Zumal, wenn er die Nahrung von ſich weiſ’t:","norm":"Zumal, wenn er die Nahrung von sich weist:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1111,"orig":"Ein ganz Geſund ſtirbt, entbehrt er dieſe.","norm":"Ein ganz Gesund stirbt, entbehrt er diese."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1112,"orig":"O Herr!","norm":"O Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1113,"orig":"mein Herr!","norm":"mein Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1114,"orig":"Wer ruft?","norm":"Wer ruft?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1115,"orig":"Der Prinz —","norm":"Der Prinz —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1116,"orig":"Was iſt?","norm":"Was ist?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1117,"orig":"Der Prinz — Ihr war’t kaum fort, da kam der Wärter Mit Arzenei’n, die wies der Prinz zurück;","norm":"Der Prinz — Ihr wart kaum fort, da kam der Wärter mit Arzneien, die wies der Prinz zurück;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1118,"orig":"Gebot jedoch dem Mann, die Ader ihm Am dargereichten Arm zu öffnen.","norm":"Gebot jedoch dem Mann, die Ader ihm Am dargereichten Arm zu öffnen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1119,"orig":"Jener Verweigert’s.","norm":"Jener Verweigert es."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1120,"orig":"Da ergreift der Herr den Dolch, Und ſchleudert ihn.","norm":"Da ergreift der Herr den Dolch, und schleudert ihn."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1121,"orig":"Am Haupte hart vorbei Flog hin das Meſſer, daumtief in die Wand.","norm":"Am Haupte hart vorbei flog hin das Messer, daumentief in die Wand."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1122,"orig":"Es iſt genug!","norm":"Es ist genug!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1123,"orig":"Das Raſen hab’ ein Ende!","norm":"Das Rasen habe ein Ende!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1124,"orig":"Zu Eurem Kranken kommt!","norm":"Zu Eurem Kranken kommt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1125,"orig":"Aus meinen Zimmern Führt ein geheimer Gang uns nach den ſeinen.","norm":"Aus meinen Zimmern führt ein geheimer Gang uns nach den seinen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1126,"orig":"Ob Wahrheit, oder Wahn, ob Kraft, ob Ohnmacht, Es ſey im Klaren, und es ſey geheilt.","norm":"Ob Wahrheit, oder Wahn, ob Kraft, ob Ohnmacht, es sei im Klaren, und es sei geheilt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1127,"orig":"Was von Geſchäften hier, ſoll meiner harren.","norm":"Was von Geschäften hier, soll meiner harren."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1128,"orig":"Auch Gräfin Erny, heiß’t herein ſie treten, Und mich erwarten.","norm":"Auch Gräfin Erny, heißet herein sie treten, und mich erwarten."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1129,"orig":"Bald kehr’ ich zurück.","norm":"Bald kehre ich zurück."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1130,"orig":"Ich zieh’ den Vorhang auf.","norm":"Ich zieh den Vorhang auf."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1131,"orig":"Der Arzt will Licht.","norm":"Der Arzt will Licht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1132,"orig":"Der Prinz will Dunkelheit.","norm":"Der Prinz will Dunkelheit."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1133,"orig":"Allein, der Arzt —","norm":"Allein, der Arzt —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1134,"orig":"Du meinſt, es heile doch der Arzt die Beulen, Die Ungehorſam bei dem Prinzen einträgt.","norm":"Du meinst, es heile doch der Arzt die Beulen, die Ungehorsam bei dem Prinzen einträgt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1135,"orig":"Ich thu’s!","norm":"Ich tue es!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1136,"orig":"Horch!","norm":"Horch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1137,"orig":"Pocht man nicht?","norm":"Pocht man nicht?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1138,"orig":"Geh’ hin, und öffne!","norm":"Gehe hin, und öffne!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1139,"orig":"Warum ſieht man nicht nach?","norm":"Warum sieht man nicht nach?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1140,"orig":"Die Thüre läßt Von Innen kaum, ſelbſt mit Gewalt, ſich öffnen.","norm":"Die Türe lässt von innen kaum, selbst mit Gewalt, sich öffnen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1141,"orig":"Wo iſt mein Bruder?","norm":"Wo ist mein Bruder?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1142,"orig":"Zieh’t den Vorhang auf!","norm":"Zieht den Vorhang auf!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1143,"orig":"Der Prinz verbot —","norm":"Der Prinz verbot —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1144,"orig":"Ich aber will’s.","norm":"Ich aber will es."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1145,"orig":"Gehorche!","norm":"Gehorche!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1146,"orig":"Mein Bruder!","norm":"Mein Bruder!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1147,"orig":"— Ha, und wie entſtellt und bleich!","norm":"— Ha, und wie entstellt und bleich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1148,"orig":"Wenn’s dennoch wäre!","norm":"Wenn es dennoch wäre!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1149,"orig":"wenn — Verhüt’ es Gott!","norm":"wenn — Verhüte es Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1150,"orig":"— Geh’t hin, und fühl’t den Puls.","norm":"— Geht hin, und fühlt den Puls."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1151,"orig":"Erlauchter Herr!","norm":"Erlauchter Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1152,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1153,"orig":"Was muß ich ſeh’n, mein Bruder?","norm":"Was muss ich sehen, mein Bruder?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1154,"orig":"Weigerſt du Der Hülfe dich, der heilbefliſſ’nen Sorge?","norm":"Weigerst du der Hilfe dich, der heilbeflissenen Sorge?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1155,"orig":"Nun glaub’ ich erſt, was kurz vor man berichtet.","norm":"Nun glaube ich erst, was kurz vor man berichtet."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1156,"orig":"Der Dolch in jener Wand bekundet deutlich, Wie du dich nimmſt, wie ſehr du dein vergißt.","norm":"Der Dolch in jener Wand bekundet deutlich, wie du dich nimmst, wie sehr du dein vergisst."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1157,"orig":"Du warf’ſt ihn nach dem kundig wackern Mann;","norm":"Du warfst ihn nach dem kundig wackeren Mann;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1158,"orig":"Er ſollte haften dort zur Straf’ und Warnung:","norm":"Er sollte haften dort zur Strafe und Warnung:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1159,"orig":"Doch ſchon’ ich dein, und finde ſelbſt bedenklich Solch Werkzeug in des Raſenden Bereich.","norm":"Doch schone ich dein, und finde selbst bedenklich solch Werkzeug in des rasenden Bereich."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1160,"orig":"Mach’t los den Dolch, ich nehm’ ihn ſelbſt zu mir.","norm":"Macht los den Dolch, ich nehme ihn selbst zu mir."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1161,"orig":"Erſt dem Geneſ’nen geb’ ich ſeine Waffen.","norm":"Erst dem Genesenen gebe ich seine Waffen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1162,"orig":"Er ſchweigt, kehrt nicht einmal den Blick nach mir?","norm":"Er schweigt, kehrt nicht einmal den Blick nach mir?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1163,"orig":"— Nun Krankheit, oder Starrſinn, fort mit beiden!","norm":"— Nun Krankheit, oder Starrsinn, fort mit beiden!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1164,"orig":"Wie geht’s Euch, Herzog?","norm":"Wie geht es Euch, Herzog?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1165,"orig":"Gut!","norm":"Gut!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1166,"orig":"So ſteh’t denn auf!","norm":"So steht denn auf!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1167,"orig":"— Woll’t Ihr nicht eſſen?","norm":"— Wollt Ihr nicht essen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1168,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1169,"orig":"Warum nicht?","norm":"Warum nicht?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1170,"orig":"Ich habe ſchon gegeſſen.","norm":"Ich habe schon gegessen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1171,"orig":"Ha!","norm":"Ha!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1172,"orig":"Ihr lüg’t!","norm":"Ihr lügt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1173,"orig":"Nun denn, ich mag, ich kann, ich will nicht.","norm":"Nun denn, ich mag, ich kann, ich will nicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1174,"orig":"Nicht eſſen und nicht athmen, leben nicht.","norm":"Nicht essen und nicht atmen, leben nicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1175,"orig":"Unſinniger, ſein ſelbſt vergeſſ’ner Thor!","norm":"Unsinniger, Sein selbst vergessener Tor!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1176,"orig":"— Geh’t Ihr hinaus!","norm":"— Geht Ihr hinaus!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1177,"orig":"Ich werde nach Euch rufen.","norm":"Ich werde nach Euch rufen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1178,"orig":"Kannſt alſo du der Gottheit Abglanz ſchänden?","norm":"Kannst also du der Gottheit Abglanz schänden?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1179,"orig":"Nicht Krankheit iſt’s, ich weiß, ich kenne dich!","norm":"Nicht Krankheit ist es, ich weiß, ich kenne dich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1180,"orig":"Der Leidenſchaft und ihrer Raſerei Wirfſt du die Gaben vor des gottgegeb’nen Geiſtes.","norm":"Der Leidenschaft und ihrer Raserei wirfst du die Gaben vor des gottgegebenen Geistes."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1181,"orig":"Sie glüh’t als Fieber durch dein kochend Blut, Und wirft die Blaſen, die ſie Krankheit nennen.","norm":"Sie glüht als Fieber durch dein kochend Blut, und wirft die Blasen, die sie Krankheit nennen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1182,"orig":"Der Leidenſchaft!","norm":"Der Leidenschaft!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1183,"orig":"Und wär’ es Liebe noch, Wenn auch verkehrt’, verbrecheriſche Liebe!","norm":"Und wäre es Liebe noch, wenn auch verkehrte, verbrecherische Liebe!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1184,"orig":"— War doch in alter und in neuer Zeit Entſchuld’gung ſie für manches Schlimm’ und Schiefe — Doch iſt es Liebe nicht, iſt Tobſucht nur, Des ungezähmten Geiſtes trotzig Walten, Der Eigenſinn, der will, weil er gewoll’t.","norm":"— War doch in alter und in neuer Zeit Entschuldigung sie für manches Schlimme und Schiefe — doch ist es Liebe nicht, ist Tobsucht nur, des ungezähmten Geistes trotzig Walten, der Eigensinn, der will, weil er gewollt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1185,"orig":"Ich aber denk’ es nimmermehr zu dulden, Am mind’ſten, wo ich Frau und Königin.","norm":"Ich aber denke es nimmermehr zu dulden, am mindesten, wo ich Frau und Königin."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1186,"orig":"— Mir kommt die Luſt an, Wunder zu verſuchen!","norm":"— Mir kommt die Lust an, Wunder zu versuchen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1187,"orig":"— Steh’ auf, und ſey geſund, ſprech’ ich zu dir.","norm":"— Stehe auf, und sei gesund, spreche ich zu dir."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1188,"orig":"Steh’ auf, und zwar zur Stelle!","norm":"Stehe auf, und zwar zur Stelle!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1189,"orig":"Jetzt!","norm":"Jetzt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1190,"orig":"Ich will’s!","norm":"Ich will es!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1191,"orig":"O, Jammerbild der ſelbſtgeſchaff’nen Schwäche!","norm":"O, Jammerbild der selbstgeschaffenen Schwäche!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1192,"orig":"Wie ſchäm' ich mich, daß du von meinem Blut!","norm":"Wie schäme ich mich, dass du von meinem Blut!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1193,"orig":"— Wo geh’ſt du hin?","norm":"— Wo gehst du hin?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1194,"orig":"— Was willſt du?","norm":"— Was willst du?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1195,"orig":"Wußt’ ich’s doch!","norm":"Wusste ich es doch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1196,"orig":"— Ei, ja!","norm":"— Ei, ja!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1197,"orig":"Wo willſt du hin?","norm":"Wo willst du hin?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1198,"orig":"Bleib’, Otto, bleib’!","norm":"Bleib, Otto, bleibe!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1199,"orig":"Du willſt doch nicht in’s Freie?","norm":"Du willst doch nicht ins Freie?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1200,"orig":"— Otto, ſprich!","norm":"— Otto, sprich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1201,"orig":"Ich will!","norm":"Ich will!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1202,"orig":"Die Luft iſt rauh, der Abend kühl, Du ſelber biſt erhitz’t.","norm":"Die Luft ist rau, der Abend kühl, Du selber bist erhitzt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1203,"orig":"O Gott, wie heiß!","norm":"O Gott, wie heiß!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1204,"orig":"Ach, biſt du krank, wahrhaftig krank!","norm":"Ach, bist du krank, wahrhaftig krank!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1205,"orig":"Mein Bruder!","norm":"Mein Bruder!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1206,"orig":"— O bleib’ doch, bleib’!","norm":"— O bleibe doch, bleibe!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1207,"orig":"Was willſt, was kannſt du wollen?","norm":"Was willst, was kannst du wollen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1208,"orig":"So ruf’ denn ſelbſt, und laß’ die Pferde holen.","norm":"So Ruf denn selbst, und lass die Pferde holen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1209,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1210,"orig":"Meine Pferde, meine Diener auch!","norm":"Meine Pferde, meine Diener auch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1211,"orig":"Wo willſt du hin?","norm":"Wo willst du hin?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1212,"orig":"Will heim, zu meinem Vater, Zu meinen Brüdern, meinen Schweſtern allen, Die mein begehren, mir mit Liebe folgen;","norm":"Will heim, zu meinem Vater, zu meinen Brüdern, meinen Schwestern allen, die Mein begehren, mir mit Liebe folgen;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1213,"orig":"Zurück in meiner Heimath Alpenthal.","norm":"Zurück in meiner Heimat Alpental."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1214,"orig":"Was ſoll ich hier?","norm":"Was soll ich hier?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1215,"orig":"Wo Jedermann mich haſſ’t, Wo jedes Wort rückprall’t vom ſtumpfen Hörer;","norm":"Wo jedermann mich hasst, wo jedes Wort zurückprallt vom stumpfen Hörer;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1216,"orig":"Wo meine Schweſter ſelbſt das Beiſpiel gibt, Mich zu erniedern.","norm":"Wo meine Schwester selbst das Beispiel gibt, Mich zu erniedern."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1217,"orig":"Ich?","norm":"Ich?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1218,"orig":"Ja du!","norm":"Ja du!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1219,"orig":"Nur du!","norm":"Nur du!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1220,"orig":"Wer bin ich hier, und was an deinem Hof’?","norm":"Wer bin ich hier, und was an deinem Hofe?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1221,"orig":"Beſchimpf’t nicht Jedermann mich ungeſcheu’t?","norm":"Beschimpft nicht jedermann mich ungescheut?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1222,"orig":"Trat’ſt du dazwiſchen nicht am ſelben Abend, Wo ich die Thörin, die mir Hohn geſprochen, Antrat zu Widerruf und zu Erklärung?","norm":"Tratst du dazwischen nicht am selben Abend, wo ich die Törin, die mir Hohn gesprochen, Antrat zu Widerruf und zu Erklärung?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1223,"orig":"Trat’ſt du dazwiſchen nicht, als ſie es ausſprach, Es ausſprach, daß ſie mich verachte!","norm":"Tratst du dazwischen nicht, als sie es aussprach, es aussprach, dass sie mich verachte!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1224,"orig":"— Teufel!","norm":"— Teufel!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1225,"orig":"Verachtung?!","norm":"Verachtung?!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1226,"orig":"— Grimm und Tod!","norm":"— Grimm und Tod!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1227,"orig":"— Verachten?","norm":"— Verachten?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1228,"orig":"— Mich?!","norm":"— Mich?!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1229,"orig":"Zu Hülfe!","norm":"Zu Hilfe!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1230,"orig":"Aerzte!","norm":"Ärzte!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1231,"orig":"Diener!","norm":"Diener!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1232,"orig":"Hört denn Niemand?","norm":"Hört denn niemand?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1233,"orig":"Laſſ’!","norm":"Lasse!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1234,"orig":"Ich bin ſtark, wie der nemäiſche Leu, Der Grimm ſtähl’t meine Sehnen ſtatt Geſundheit.","norm":"Ich bin stark, wie der nemäische Leu, der Grimm stählt meine Sehnen statt Gesundheit."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1235,"orig":"Ja, ich will fort.","norm":"Ja, ich will fort."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1236,"orig":"Du aber, danke Gott!","norm":"Du aber, danke Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1237,"orig":"Denn blieb’ ich hier, in Mitte meiner Schar Durchzög’ ich dies dein Land, bis ich ſie fände, Die Thörin fände, die mir Schmach gethan.","norm":"Denn bliebe ich hier, in Mitte meiner Schar durchzöge ich dies dein Land, bis ich sie fände, die Törin fände, die mir Schmach getan."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1238,"orig":"Aus ihres Hauſes Flammen riß’ ich ſie, Aus ihrer Wächter Mitte, vom Gebet, Und ſtellte ſie vor mich hin.","norm":"Aus ihres Hauses Flammen riss ich sie, aus ihrer Wächter Mitte, vom Gebet, und stellte sie vor mich hin."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1239,"orig":"Da, nun ſprich!","norm":"Da, nun sprich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1240,"orig":"Wenn du es wag’ſt: warum du mich verachteſt?","norm":"Wenn du es wagst: warum du mich verachtest?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1241,"orig":"Mein Bruder, höre!","norm":"Mein Bruder, höre!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1242,"orig":"— O, wie ſchäm’ ich mich!","norm":"— O, wie schäme ich mich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1243,"orig":"Du haſt wohl Frau’n von höh’rer Art gekannt, Ich ſelber darf mich zählen unter ſolche.","norm":"Du hast wohl Frauen von höherer Art gekannt, Ich selber darf mich zählen unter solche."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1244,"orig":"Haſt Geiſt gekannt, und Witz, des Umgang’s Reize.","norm":"Hast Geist gekannt, und Witz, des Umgangs Reize."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1245,"orig":"Wie kann nun Leidenſchaft für dieſes Weſen, Kaum ſchön, von ſchwachem Geiſt, und dürft’gen Gaben, Halb thöricht und halb ſtumpf, dich nach ſich zieh’n?","norm":"Wie kann nun Leidenschaft für dieses Wesen, kaum schön, von schwachem Geist, und dürftigen Gaben, halb töricht und halb stumpf, dich nach sich ziehen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1246,"orig":"Und unerhört; denn, ſieh, ich weiß, mein Bruder!","norm":"Und unerhört; denn, sieh, ich weiß, mein Bruder!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1247,"orig":"Sie denk’t dein nicht.","norm":"Sie denkt dein nicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1248,"orig":"Wer ſpricht davon?","norm":"Wer spricht davon?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1249,"orig":"— Und doch!","norm":"— Und doch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1250,"orig":"Weil ſie nicht will, und weil ſie’s nicht verdien’t, Will ich ſie lieben, will mit jedem Reiz Erfinderiſch ſie ſchmücken, mir zur Qual.","norm":"Weil sie nicht will, und weil sie es nicht verdient, will ich sie lieben, will mit jedem Reiz erfinderisch sie schmücken, mir zur Qual."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1251,"orig":"Will wiſſen, ich, warum ſie mich verſchmäh’t?","norm":"Will wissen, ich, warum sie mich verschmäht?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1252,"orig":"Den Zauber kennen, den der ekle Thor Ausüb’t, ihr Gatte, über ſie; die Kräuter, Die Sprüche, die ihm ihre Liebe bannen.","norm":"Den Zauber kennen, den der ekle Tor ausübt, ihr Gatte, über sie; die Kräuter, die Sprüche, die ihm ihre Liebe bannen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1253,"orig":"Dann komme, was da mag!","norm":"Dann komme, was da mag!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1254,"orig":"Wer frägt nach ihr?","norm":"Wer fragt nach ihr?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1255,"orig":"Laſſ’, ich will fort!","norm":"Lasse, ich will fort!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1256,"orig":"Mein Bruder, höre!","norm":"Mein Bruder, höre!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1257,"orig":"Geh’ nicht von mir, du meines Lebens Glück!","norm":"Gehe nicht von mir, du meines Lebens Glück!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1258,"orig":"Laſſ’ mich allein nicht hier in dieſer Wüſte, Wo du der Einz’ge biſt, der Einz’ge, der da leb’t!","norm":"Lasse mich allein nicht hier in dieser Wüste, wo du der Einzige bist, der Einzige, der da lebt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1259,"orig":"Mein Ich, mein Selbſt, mir theurer, als mein Selbſt!","norm":"Mein Ich, mein Selbst, mir teurer, als mein Selbst!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1260,"orig":"Begehre, was du willſt, nur bleib’ bei mir!","norm":"Begehre, was du willst, nur bleibe bei mir!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1261,"orig":"Ich kann nicht bleiben, ſo beſchimpf’t, entehr’t!","norm":"Ich kann nicht bleiben, so beschimpft, entehrt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1262,"orig":"Man ſoll genug dir thun.","norm":"Man soll genug dir tun."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1263,"orig":"Verweis, Erklärung.","norm":"Verweis, Erklärung."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1264,"orig":"Ich banne ſie vom Hof’!","norm":"Ich banne sie vom Hofe!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1265,"orig":"Was fällt dir ein?","norm":"Was fällt dir ein?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1266,"orig":"Glaub’ſt du, mein Zürnen brauche fremder Hülfe?","norm":"Glaubst du, mein Zürnen brauche fremder Hilfe?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1267,"orig":"— Doch Ein’s!","norm":"— Doch Eins!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1268,"orig":"Sprechen?","norm":"Sprechen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1269,"orig":"Ja!","norm":"Ja!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1270,"orig":"Die Gräfin, ſie.","norm":"Die Gräfin, sie."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1271,"orig":"In deinem Zimmer.","norm":"In deinem Zimmer."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1272,"orig":"Hier!","norm":"Hier!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1273,"orig":"Euch zu erheben, woll’t Ihr mich erniedern?","norm":"Euch zu erheben, wollt Ihr mich erniedern?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1274,"orig":"Vermittlerin ich zwiſchen Euch und ihr?","norm":"Vermittlerin ich zwischen Euch und ihr?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1275,"orig":"Ich ſagte dir:","norm":"Ich sagte dir:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1276,"orig":"Von Lieb’ iſt nicht die Rede.","norm":"Von Liebe ist nicht die Rede."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1277,"orig":"Ob ich ſie liebe, das ein ander Mal!","norm":"Ob ich sie liebe, das ein andermal!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1278,"orig":"Doch ſprechen muß ich ſie, und weigerſt du’s, So woll’ auch nicht, was ſonſt unmöglich iſt.","norm":"Doch sprechen muss ich sie, und weigerst du es, so wolle auch nicht, was sonst unmöglich ist."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1279,"orig":"Mein Otto!","norm":"Mein Otto!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1280,"orig":"Und du kannſt es; wie ſo leicht!","norm":"Und du kannst es; wie so leicht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1281,"orig":"Du ruf’ſt ſie her, und hinter jener Thür’ —","norm":"Du rufst sie her, und hinter jener Türe —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1282,"orig":"Biſt du ein Zeuge deſſen, was geſchieht;","norm":"Bist du ein Zeuge dessen, was geschieht;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1283,"orig":"Nur Zeuge, Hörer nicht.","norm":"Nur Zeuge, Hörer nicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1284,"orig":"Drei Schritte fern Harr’ſt du, bereit zu ſchneller Unterbrechung, Sobald der Zweiſprach Wendung dir mißfällt, Sobald ein heftig Wort, ein Laut, ein Ruf, Dir anzuzeigen ſchein’t, daß Trennung noth.","norm":"Drei Schritte fern harrst du, bereit zu schneller Unterbrechung, sobald der Zweisprach Wendung dir missfällt, sobald ein heftig Wort, ein Laut, ein Ruf, Dir anzuzeigen scheint, dass Trennung not."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1285,"orig":"Du willſt?","norm":"Du willst?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1286,"orig":"Vorerſt nur noch —","norm":"Vorerst nur noch —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1287,"orig":"Nicht ich, die Königin verlangt nach dir.","norm":"Nicht ich, die Königin verlangt nach dir."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1288,"orig":"Ruft Gräfin Erny her in dieſes Zimmer!","norm":"Ruft Gräfin Erny her in dieses Zimmer!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1289,"orig":"Noch Ein’s!","norm":"Noch Eins!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1290,"orig":"Was iſt?","norm":"Was ist?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1291,"orig":"Ein Auftrag meinen Leuten, Daß wir nicht reiſen, daß wir bleiben noch.","norm":"Ein Auftrag meinen Leuten, dass wir nicht reisen, dass wir bleiben noch."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1292,"orig":"Nun aber hör’!","norm":"Nun aber höre!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1293,"orig":"Ich weiß, was ich verletze, Wie ſehr zu tadeln, daß ich mich gefüg’t.","norm":"Ich weiß, was ich verletze, wie sehr zu tadeln, dass ich mich gefügt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1294,"orig":"Verdammlich iſt die Liebe, meine Liebe, Die du mißbrauch’ſt, und doch ſo theuer mir.","norm":"Verdammlich ist die Liebe, meine Liebe, die du missbrauchst, und doch so teuer mir."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1295,"orig":"Nun aber zeige, daß du ihrer werth, Erſpare einen Theil mir der Beſchämung, Indem du ſo dich nimmſt, wie ich gehoff’t, Als ich mich fügte deinen raſchen Wünſchen.","norm":"Nun aber zeige, dass du ihrer wert, Erspare einen Teil mir der Beschämung, indem du so dich nimmst, wie ich gehofft, als ich mich fügte deinen raschen Wünschen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1296,"orig":"Gib mir dein Wort!","norm":"Gib mir dein Wort!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1297,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1298,"orig":"Man kommt!","norm":"Man kommt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1299,"orig":"O Gott!","norm":"O Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1300,"orig":"— Auf dir ruh’t nun mein Daſeyn.","norm":"— Auf dir ruht nun mein Dasein."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1301,"orig":"Fahre mild!","norm":"Fahre mild!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1302,"orig":"Auch ich will nur hinein in mein Verſteck.","norm":"Auch ich will nur hinein in mein Versteck."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1303,"orig":"Der Feind erkenn’ erſt ſpäter die Gefahr.","norm":"Der Feind erkenne erst später die Gefahr."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1304,"orig":"Es ward geſagt, die Königin ſey hier.","norm":"Es wurde gesagt, die Königin sei hier."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1305,"orig":"Wo iſt ſie denn?","norm":"Wo ist sie denn?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1306,"orig":"das Zimmer iſt ja leer.","norm":"Das Zimmer ist ja leer."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1307,"orig":"Kein and’rer Ausgang auch, als wo ich kam.","norm":"Kein anderer Ausgang auch, als wo ich kam."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1308,"orig":"Horch!","norm":"Horch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1309,"orig":"— Hinter jenem Vorhang tönt ein Rauſchen.","norm":"— Hinter jenem Vorhang tönt ein Rauschen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1310,"orig":"Vielleicht, daß dort —","norm":"Vielleicht, dass dort —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1311,"orig":"Auch hier kein lebend Weſen!","norm":"Auch hier kein lebend Wesen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1312,"orig":"Wer wohn’t nur hier?","norm":"Wer wohnt nur hier?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1313,"orig":"Die Wände reich verzier’t — Ein Schlafgemach — vielleicht wohl gar — o Gott!","norm":"Die Wände reich verziert — ein Schlafgemach — vielleicht wohl gar — o Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1314,"orig":"Erſchreck’t nicht, ſchöne Frau!","norm":"Erschreckt nicht, schöne Frau!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1315,"orig":"Erſchrack ich denn?","norm":"Erschrak ich denn?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1316,"orig":"Ich hin erſtaun’t, empör’t, doch nicht erſchrocken.","norm":"Ich hin erstaunt, empört, doch nicht erschrocken."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1317,"orig":"Zur Königin berief man mich hieher.","norm":"Zur Königin berief man mich hierher."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1318,"orig":"Es iſt ihr Wunſch, daß Ihr ſie hier erwartet.","norm":"Es ist ihr Wunsch, dass Ihr sie hier erwartet."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1319,"orig":"Da gilt kein Wunſch und ſelber kein Befehl.","norm":"Da gilt kein Wunsch und selber kein Befehl."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1320,"orig":"So hört denn mich, mein Bitten, meinen Schmerz.","norm":"So hört denn mich, mein Bitten, meinen Schmerz."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1321,"orig":"Ich weiß, ich hab’ Euch ſchwer und tief beleidig’t.","norm":"Ich weiß, ich habe Euch schwer und tief beleidigt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1322,"orig":"Vor Allem laſſ’t Verzeihung mir erfleh’n.","norm":"Vor allem lasst Verzeihung mir erflehen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1323,"orig":"Wer Alles ſich erlaub’t, und ſelbſt verzeih’t, Braucht der Verzeihung And’rer und Erlaubniß?","norm":"Wer alles sich erlaubt, und selbst verzeiht, Braucht der Verzeihung Anderer und Erlaubnis?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1324,"orig":"Der ſüßen Nähe Reiz berückte mich.","norm":"Der süßen Nähe Reiz berückte mich."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1325,"orig":"Der Locken Gold, der Wangen Roſenlicht, Die Stirn’ aus Elfenbein, der Augen blaue Himmel, Die ganze, lichthell glänzende Geſtalt — Allein, was ſprach ich, und was wollt’ ich ſprechen?","norm":"Der Locken Gold, der Wangen Rosenlicht, die Stirn aus Elfenbein, der Augen blaue Himmel, die ganze, lichthell glänzende Gestalt — allein, was sprach ich, und was wollte ich sprechen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1326,"orig":"Ich bin verwirrt, ich bitt’ Euch, ſeh’t mir nach!","norm":"Ich bin verwirrt, ich bitte Euch, seht mir nach!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1327,"orig":"Als kleines Mädchen nannten ſie mich eitel.","norm":"Als kleines Mädchen nannten sie mich eitel."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1328,"orig":"Ich bin’s nicht mehr.","norm":"Ich bin es nicht mehr."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1329,"orig":"So viel der Himmelsgaben;","norm":"So viel der Himmelsgaben;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1330,"orig":"Dazu noch der Gedanke, daß — Ich weiß nun, Wie ſehr ich irrte, damals aber glaubt’ ich’s — Daß Euer Auge mit Zufriedenheit, Mit Wohlgefallen auf mir hafte.","norm":"Dazu noch der Gedanke, dass — Ich weiß nun, wie sehr ich irrte, damals aber glaubte ich es — dass Euer Auge mit Zufriedenheit, mit Wohlgefallen auf mir hafte."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1331,"orig":"Jener Unſel’ge Druck der Hand, den ich beim Tanze Zu fühlen glaubte — Haare, meine Haare, Die Ihr ſo gütig waret zu bemerken, Zu Euch zu nehmen.","norm":"Jener unselige Druck der Hand, den ich beim Tanze zu fühlen glaubte — Haare, meine Haare, die Ihr so gütig wart zu bemerken, zu Euch zu nehmen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1332,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1333,"orig":"Auf dieß Eine hört, Was ich zur Deutung —","norm":"Auf dies Eine hört, was ich zur Deutung —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1334,"orig":"O nicht doch, o ſchweigt!","norm":"O nicht doch, o schweigt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1335,"orig":"Laß’t uns nicht mehr von dieſen Träumen ſprechen!","norm":"Lasst uns nicht mehr von diesen Träumen sprechen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1336,"orig":"Ich weiß zu gut, wie ſehr ich mich getäuſch’t.","norm":"Ich weiß zu gut, wie sehr ich mich getäuscht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1337,"orig":"Dies Alles nun, und über alles And’re, Daß Euer Gatte — Gräfin, Ihr verzeih’t!","norm":"Dies alles nun, und über alles Andere, dass Euer Gatte — Gräfin, Ihr verzeiht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1338,"orig":"Bancbanus iſt, ich weiß, ein Ehrenmann, Wohlredenheit ſtrömt über ſeine Lippen, Iſt geiſtreich, witzig, ſchnellgewandt im Rath.","norm":"Bancbanus ist, ich weiß, ein Ehrenmann, Wohlredenheit strömt über seine Lippen, ist geistreich, witzig, schnellgewandt im Rat."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1339,"orig":"Sein Bart iſt grau, allein in Ehren grau;","norm":"Sein Bart ist grau, allein in Ehren grau;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1340,"orig":"Sein Säbel ſchlägt die Ferſen, wie ein and’rer.","norm":"Sein Säbel schlägt die Fersen, wie ein anderer."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1341,"orig":"Ein Ehrenmann, fürwahr!","norm":"Ein Ehrenmann, fürwahr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1342,"orig":"Doch etwas — unſchön, Beinahe möcht’ ich’s lieber gräßlich nennen.","norm":"Doch etwas — unschön, beinahe möchte ich es lieber grässlich nennen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1343,"orig":"Allein, ich ſeh’, Ihr ſeyd nicht meiner Meinung!","norm":"Allein, ich sehe, Ihr seid nicht meiner Meinung!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1344,"orig":"Wohlan, ich geb’ es zu.","norm":"Wohlan, ich gebe es zu."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1345,"orig":"Der erſte Eindruck Thut wohl das Schlimmſte, und der Mann gewinnt, Zumal in einiger Entfernung.","norm":"Der erste Eindruck tut wohl das Schlimmste, und der Mann gewinnt, zumal in einiger Entfernung."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1346,"orig":"Aber Wenn auch nicht grau, und wenn nicht widrig auch, Was wär er gegen dieſen holden Umfang Von Allem, was der Himmel reizend ſchuf?","norm":"Aber wenn auch nicht grau, und wenn nicht widrig auch, was wäre er gegen diesen holden Umfang von allem, was der Himmel reizend schuf?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1347,"orig":"Als ich mit ihm zum erſten Mal Euch ſah, Da rief’s in mir:","norm":"Als ich mit ihm zum ersten Mal Euch sah, da rief es in mir:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1348,"orig":"Verkehrt iſt die Natur!","norm":"Verkehrt ist die Natur!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1349,"orig":"Entſprieſt dem Eis die Königin der Blumen?","norm":"Entsprießt dem Eis die Königin der Blumen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1350,"orig":"Gezwungen iſt ſie, oder iſt betrogen;","norm":"Gezwungen ist sie, oder ist betrogen;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1351,"orig":"Des Ritters Pflicht, Gefang’ne zu befrei’n.","norm":"Des Ritters Pflicht, Gefangene zu befreien."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1352,"orig":"Spar’t Eure Ritterpflicht auf größ’re Noth. Mit freier Wahl erkor ich meinen Gatten.","norm":"Spart Eure Ritterpflicht auf größere Not mit freier Wahl erkor ich meinen Gatten."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1353,"orig":"Und wenn nicht jung und wenn nicht blühend auch, Weit höher acht’ ich ihn, als —","norm":"Und wenn nicht jung und wenn nicht blühend auch, weit höher acht ich ihn, als —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1354,"orig":"Sprech’t nicht weiter Antwortet mehr nicht, als man Euch gefrag’t!","norm":"Sprecht nicht weiter antwortet mehr nicht, als man Euch gefragt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1355,"orig":"Beleidigen iſt leicht, doch ſchwer verſöhnen.","norm":"Beleidigen ist leicht, doch schwer versöhnen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1356,"orig":"Wir ſind zu Ende, ſcheint’s, und ich kann geh’n.","norm":"Wir sind zu Ende, scheint es, und ich kann gehen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1357,"orig":"Noch nicht.","norm":"Noch nicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1358,"orig":"Das Letzte fehlt, iſt noch zu ſagen.","norm":"Das Letzte fehlt, ist noch zu sagen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1359,"orig":"Dies Land, wo meine Schweſter lebt und herrſcht, Wo Alles mich umringt mit Luſt und Freuden, Durch die Ereigniſſe der letzten Zeit Iſt’s mir zum Gräu’l geworden, und zur Hölle.","norm":"Dies Land, wo meine Schwester lebt und herrscht, wo alles mich umringt mit Lust und Freuden, durch die Ereignisse der letzten Zeit ist es mir zum Gräuel geworden, und zur Hölle."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1360,"orig":"Nach Teutſchland kehr’ ich heim — Ich ſeh’, es freu’t Euch!","norm":"Nach Deutschland kehre ich heim — Ich sehe, es freut Euch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1361,"orig":"Nun, um ſo lieber reiſ’ ich, macht’s Euch Freude.","norm":"Nun, um so lieber reise ich, macht es Euch Freude."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1362,"orig":"Beim Scheiden nun gönnt mir als letzten Troſt — Ihr könnt es leicht, denn bin ich fern, wie kann ich Je Vortheil zieh’n aus Eurer Huld und Meinung — Gönnt mir den Troſt, daß Ihr Euch mein erinnert.","norm":"Beim Scheiden nun gönnt mir als letzten Trost — Ihr könnt es leicht, denn bin ich fern, wie kann ich je Vorteil ziehen aus Eurer Huld und Meinung — gönnt mir den Trost, dass Ihr Euch mein erinnert."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1363,"orig":"Erinnern Eurer?","norm":"Erinnern Eurer?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1364,"orig":"nie!","norm":"Nie!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1365,"orig":"Daß ich Euch völlig Gleichgültig nicht.","norm":"Dass ich Euch völlig gleichgültig nicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1366,"orig":"Gleichgültig ganz und völlig.","norm":"Gleichgültig ganz und völlig."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1367,"orig":"Ihr lüg’t!","norm":"Ihr lügt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1368,"orig":"— Ihr täuſch’t Euch, fürcht’ ich — O, ich weiß, Was Euch ſo ſtrenge macht, ſo herb und kalt.","norm":"— Ihr täuscht Euch, fürchte ich — O, ich weiß, was Euch so strenge macht, so herb und kalt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1369,"orig":"Ihr haltet mich für ſchlimm.","norm":"Ihr haltet mich für schlimm."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1370,"orig":"Ich bin’s!","norm":"Ich bin es!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1371,"orig":"ich war’s!","norm":"ich war es!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1372,"orig":"Geboren auf der unglückſel’gen Höhe, Wo man nicht Menſchen kennt, nur Schmeichler, Sclaven;","norm":"Geboren auf der unglückseligen Höhe, Wo man nicht Menschen kennt, nur Schmeichler, Sklaven;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1373,"orig":"Emporgetragen von des Haufens Gunſt, Aus Hand in Hand, ein Spielball fremder Neigung;","norm":"Emporgetragen von des Haufens Gunst, aus Hand in Hand, ein Spielball fremder Neigung;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1374,"orig":"Begabt mit Manchem, was ſonſt Frauen lock’t, Stürzt’ ich mich in des Lebens bunt’ Gewühl.","norm":"Begabt mit Manchem, was sonst Frauen lockt, stürzte ich mich in des Lebens bunte Gewühl."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1375,"orig":"War ich nicht gut; ich konnte ſchlimmer ſeyn!","norm":"War ich nicht gut; ich konnte schlimmer sein!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1376,"orig":"Gab böſes Beiſpiel ich, wer gab mir gutes?","norm":"Gab böses Beispiel ich, wer gab mir gutes?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1377,"orig":"O, wäret damals Ihr in Himmelsklarheit Hinabgeſtiegen in die Schauerhöhle, Wo ich, mit Molch und Natter ſpielend, lag;","norm":"O, wäret damals Ihr in Himmelsklarheit hinabgestiegen in die Schauerhöhle, wo ich, mit Molch und Natter spielend, lag;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1378,"orig":"Ich hätt’s erkannt an Eurem reinen Licht, Wär’ Euch gefolgt, wär’ glücklich nun und ſelig.","norm":"Ich hätte es erkannt an Eurem reinen Licht, wäre Euch gefolgt, wäre glücklich nun und selig."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1379,"orig":"Setz’t Ihr’s voraus, weil’s nun unmöglich iſt?","norm":"Setzt Ihr es voraus, weil es nun unmöglich ist?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1380,"orig":"O, nicht unmöglich!","norm":"O, nicht unmöglich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1381,"orig":"Jetzt noch möglich, jetzt noch!","norm":"Jetzt noch möglich, jetzt noch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1382,"orig":"Wenn Ihr nur woll’t, wenn Ihr Euch nicht entzieh’t.","norm":"Wenn Ihr nur wollt, wenn Ihr Euch nicht entzieht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1383,"orig":"Ich ford’re ja nicht Liebe, Liebe nicht!","norm":"Ich fordere ja nicht Liebe, Liebe nicht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1384,"orig":"Gönn’t mir nur Antheil, Neigung, Euer Aug’ nur, Daß ich es fragen darf mit meinen Augen:","norm":"Gönnt mir nur Anteil, Neigung, Euer Auge nur, dass ich es fragen darf mit meinen Augen:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1385,"orig":"War’s alſo recht?","norm":"War es also recht?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1386,"orig":"wenn ich nicht ſchlimm gethan.","norm":"wenn ich nicht schlimm getan."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1387,"orig":"— Ihr willig’t ein?","norm":"— Ihr willigt ein?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1388,"orig":"Ihr ſtoßt’ mich nicht zurück?","norm":"Ihr stoßt mich nicht zurück?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1389,"orig":"Hab’t Ihr vergeſſen, daß Ihr reiſen wolltet?","norm":"Habt Ihr vergessen, dass Ihr Reisen wolltet?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1390,"orig":"Der Meiſter hat den Schüler gern um ſich, Ich aber wünſch’ Euch fern.","norm":"Der Meister hat den Schüler gern um sich, Ich aber wünsche Euch fern."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1391,"orig":"Verkenn’t Ihr denn Der Tugend ſchönſtes, weltbeglückend Vorrecht, Wo ſie geblüh’t, auch Samen auszuſtreu’n?","norm":"Verkennt Ihr denn der Tugend schönstes, weltbeglückend Vorrecht, wo sie geblüht, auch Samen auszustreuen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1392,"orig":"Genügt es denn der Sonne, daß ſie Licht, Geht ſie nicht auf, uns Alle zu erleuchten?","norm":"Genügt es denn der Sonne, dass sie Licht, geht sie nicht auf, uns alle zu erleuchten?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1393,"orig":"Wenn Ihr dereinſt am großen Tage ſteh’t, Umgeben von den Engeln Eurer Thaten, Woll’t Ihr dann nicht den Blick zurückeſenden, Und ſagen: dieſer Mann iſt auch mein Werk?","norm":"Wenn Ihr dereinst am großen Tage steht, Umgeben von den Engeln Eurer Taten, wollt Ihr dann nicht den Blick zurücksenden, und sagen: Dieser Mann ist auch mein Werk?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1394,"orig":"Es hör’t ſich gut, doch handelt Ihr nicht ſo.","norm":"Es hört sich gut, doch handelt Ihr nicht so."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1395,"orig":"Wer dürft’ Euch trauen, wenn er wollte ſelbſt?","norm":"Wer dürfte Euch trauen, wenn er wollte selbst?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1396,"orig":"Ihr dürf’t!","norm":"Ihr dürft!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1397,"orig":"Ihr ſoll’t!","norm":"Ihr sollt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1398,"orig":"— O, dieſer Augenblick Iſt fruchtbar an Entwürfen und an Thaten!","norm":"— O, dieser Augenblick ist fruchtbar an Entwürfen und an Taten!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1399,"orig":"Geſteh’ ich’s Euch!","norm":"Gestehe ich es Euch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1400,"orig":"Als man Euch herbeſchied, War finſter meine Bruſt, und Gräßliches, Das Aeußerſte bewegte ſich in mir.","norm":"Als man Euch herbeschied, war finster meine Brust, und grässliches, das Äußerste bewegte sich in mir."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1401,"orig":"Doch Euer Anblick bannte jene Schatten.","norm":"Doch Euer Anblick bannte jene Schatten."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1402,"orig":"Lern’t mich erſt kennen, achten wohl zuletzt.","norm":"Lernt mich erst kennen, achten wohl zuletzt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1403,"orig":"Des Leuchtthurm’s Flamme ſeyd dem irren Schiffer, Er ſieht das Ufer nicht, von Nacht umfangen;","norm":"Des Leuchtturms Flamme seid dem irren Schiffer, er sieht das Ufer nicht, von Nacht umfangen;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1404,"orig":"Doch ſteuert er getroſt dem Schimmer zu, Er weiß, dort, wo das Licht, iſt Land und Rettung.","norm":"Doch steuert er getrost dem Schimmer zu, er weiß, dort, wo das Licht, ist Land und Rettung."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1405,"orig":"— Ihr woll’t?","norm":"— Ihr wollt?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1406,"orig":"Ihr thut’s?","norm":"Ihr tut es?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1407,"orig":"— Geb’t mir die Hand darauf!","norm":"— Gebt mir die Hand darauf!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1408,"orig":"Die Hand, um die ich bitte — Eure Hand!","norm":"Die Hand, um die ich bitte — Eure Hand!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1409,"orig":"Ha, was war das?","norm":"Ha, was war das?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1410,"orig":"Enthüll’ſt du ſelber dich?","norm":"Enthüllst du selber dich?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1411,"orig":"— Tilg’ erſt den Schimmer dort aus deinem Auge, Der, lauernd, ſich gelung’ner Plane freu’t.","norm":"— Tilg erst den Schimmer dort aus deinem Auge, Der, lauernd, sich gelungener Plane freut."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1412,"orig":"Wirbſt du nach Tugend und gehör’ſt der Sünde?","norm":"Wirbst du nach Tugend und gehörst der Sünde?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1413,"orig":"Der Sünde nicht!","norm":"Der Sünde nicht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1414,"orig":"— Noch nicht!","norm":"— Noch nicht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1415,"orig":"Noch iſt es Zeit!","norm":"Noch ist es Zeit!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1416,"orig":"Gib mir ein mildes Wort, und rette dich, Errette dich und mich!","norm":"Gib mir ein mildes Wort, und rette dich, Errette dich und mich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1417,"orig":"Ich, Milde dir?","norm":"Ich, milde dir?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1418,"orig":"— Ich haſſe, ich verabſcheu’, ich ver —","norm":"— Ich hasse, ich verabscheue, ich ver- —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1419,"orig":"— achte!","norm":"— achte!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1420,"orig":"Verachtung, war’s nicht ſo?","norm":"Verachtung, war es nicht so?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1421,"orig":"— Merk’t Euch das Wort!","norm":"— Merkt Euch das Wort!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1422,"orig":"Ihr ſprach’t es einmal ſchon, an jenem Abend;","norm":"Ihr spracht es einmal schon, an jenem Abend;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1423,"orig":"Merk’t Euch das Wort!","norm":"Merkt Euch das Wort!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1424,"orig":"Ihr ſteh’t dafür mir Rede!","norm":"Ihr steht dafür mir Rede!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1425,"orig":"— Fahr’ aus, du guter Geiſt, der mich beſchlich, Als ich ſie bat, der faſt mich übermann’t, Räum’ deinen Platz dem Finſterſten der Hölle!","norm":"— Fahr aus, du guter Geist, der mich beschlich, als ich sie bat, der fast mich übermannt, Räume deinen Platz dem Finstersten der Hölle!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1426,"orig":"— Schwachſinnig Weib mit der erlog’nen Tugend, Die heilig möchte heißen, weil ſie kalt!","norm":"— Schwachsinnig Weib mit der erlogenen Tugend, die heilig möchte heißen, weil sie kalt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1427,"orig":"Du liebſt mich nicht?","norm":"Du liebst mich nicht?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1428,"orig":"— Was frag’ ich um dein Lieben?","norm":"— Was frag ich um dein Lieben?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1429,"orig":"Du haſſeſt mich?","norm":"Du hassest mich?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1430,"orig":"Was kümmert mich dein Haß?","norm":"Was kümmert mich dein Hass?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1431,"orig":"Doch weißt du, Thörin, was Verachtung heißt?","norm":"Doch weißt du, Törin, was Verachtung heißt?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1432,"orig":"Verachteſt du mich, Weib?","norm":"Verachtest du mich, Weib?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1433,"orig":"Das bitt’ mir ab, Auf dieſen deinen Knieen bitt’ es ab, Sonſt fürchte meinen Zorn.","norm":"Das bitte mir ab, auf diesen deinen Knieen bitte es ab, sonst fürchte meinen Zorn."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1434,"orig":"O Gott!","norm":"O Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1435,"orig":"Mein Gott!","norm":"Mein Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1436,"orig":"Wer rettet mich?","norm":"Wer rettet mich?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1437,"orig":"Du ſelbſt, wenn du dich füg’ſt.","norm":"Du selbst, wenn du dich fügst."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1438,"orig":"Allein, wenn nicht, dann Unglückſel’ge!","norm":"Allein, wenn nicht, dann unglückselige!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1439,"orig":"wiſſe:","norm":"wisse:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1440,"orig":"Verſchwinden ſollſt du vom Geſicht der Erde, Daß ſich die Leute fragen:","norm":"Verschwinden sollst du vom Gesicht der Erde, dass sich die Leute fragen:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1441,"orig":"Iſt ſie todt?","norm":"Ist sie tot?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1442,"orig":"Indeſſ’ du leb’ſt in dunklen Schauerklüften, Umgeben von des Ortes Einſamkeiten, Wo nur Erinnerung und du.","norm":"Indes du lebst in dunklen Schauerklüften, Umgeben von des Ortes Einsamkeiten, wo nur Erinnerung und du."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1443,"orig":"Dort ſoll’ſt du jammern, ſoll’ſt die Hände ringen, Wie einen Feſttag zählen jeden Tag, Wo mich mein Fuß in deine Zelle trägt.","norm":"Dort sollst du jammern, sollst die Hände ringen, wie einen Festtag zählen jeden Tag, wo mich mein Fuß in deine Zelle trägt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1444,"orig":"Umſonſt dein Fleh’n, umſonſt ſelbſt deine Liebe.","norm":"Umsonst dein Flehen, umsonst selbst deine Liebe."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1445,"orig":"Wenn du mir Liebe bötheſt ſelbſt —","norm":"Wenn du mir Liebe bötest selbst —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1446,"orig":"Ich dir?","norm":"Ich dir?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1447,"orig":"Ha, mein Gefühl, ich hab’ es dir genannt.","norm":"Ha, mein Gefühl, ich habe es dir genannt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1448,"orig":"Du haſt.","norm":"Du hast."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1449,"orig":"Es ſey!","norm":"Es sei!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1450,"orig":"O Gott!","norm":"O Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1451,"orig":"Was wird?","norm":"Was wird?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1452,"orig":"Er ſinn’t Gefährliches.","norm":"Er sinnt Gefährliches."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1453,"orig":"Entflieh’n!","norm":"Entfliehen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1454,"orig":"Die Thür’ verſchloſſen.","norm":"Die Tür verschlossen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1455,"orig":"— Gott!","norm":"— Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1456,"orig":"Wer ſchloß die Thür?","norm":"Wer schloss die Tür?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1457,"orig":"Wer rettet mich?","norm":"Wer rettet mich?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1458,"orig":"Sie kommen!","norm":"Sie kommen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1459,"orig":"— Großer Gott!","norm":"— Großer Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1460,"orig":"Ergreif’t dies Weib!","norm":"Ergreift dies Weib!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1461,"orig":"Bring’t ſie nach Forchenſtein, Auf den geheimen Pfaden, die ihr kenn’t.","norm":"Bringt sie nach Forchenstein, auf den geheimen Pfaden, die ihr kennt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1462,"orig":"Mein Prinz!","norm":"Mein Prinz!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1463,"orig":"Es iſt zu ſpät!","norm":"Es ist zu spät!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1464,"orig":"Ha, Schweſter!","norm":"Ha, Schwester!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1465,"orig":"du?","norm":"du?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1466,"orig":"Es iſt zu ſpät, ſag’ ich nun auch zu dir.","norm":"Es ist zu spät, sage ich nun auch zu dir."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1467,"orig":"Die Würfel liegen, und kein Schritt zurück.","norm":"Die Würfel liegen, und kein Schritt zurück."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1468,"orig":"— Ergreif’t ſie, ſag’ ich euch!","norm":"— Ergreift sie, sage ich euch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1469,"orig":"Ich aber:","norm":"Ich aber:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1470,"orig":"Weich’t!","norm":"Weicht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1471,"orig":"Du hülfreich Werkzeug, dich hat Gott geſendet!","norm":"Du hilfreich Werkzeug, dich hat Gott gesendet!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1472,"orig":"Glaub’ſt du dich meiner Herr und jauchzeſt d’rob?","norm":"Glaubst du dich meiner Herr und jauchzest drob?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1473,"orig":"Wer mich berührt, den trifft dies ſcharfe Eiſen.","norm":"Wer mich berührt, den trifft dies scharfe Eisen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1474,"orig":"Ein zürnend Weib und eine Ungarin, Wer wagt’s und nah’t?","norm":"Ein zürnend Weib und eine Ungarin, wer wagt es und naht?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1475,"orig":"Ha, Feige, zittert ihr, Und hab’t doch Harniſch’ an!?","norm":"Ha, Feige, zittert ihr, und habt doch Harnisch an!?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1476,"orig":"Erbarmen!","norm":"Erbarmen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1477,"orig":"— Ha!","norm":"— Ha!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1478,"orig":"Sie nah’n, ſie faſſen mich!","norm":"Sie nahen, sie fassen mich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1479,"orig":"Hier iſt kein Harniſch.","norm":"Hier ist kein Harnisch."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1480,"orig":"O weh’!","norm":"O weh!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1481,"orig":"— Es ſchmerzt!","norm":"— Es schmerzt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1482,"orig":"— Muß ich ſo früh ſchon ſterben?","norm":"— Muss ich so früh schon sterben?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1483,"orig":"— Mein Blut!","norm":"— Mein Blut!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1484,"orig":"— Es ſchmerzt!","norm":"— Es schmerzt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1485,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1486,"orig":"Macht’ auf!","norm":"Macht auf!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1487,"orig":"— Bei Eurem Leben, öffnet!","norm":"— Bei Eurem Leben, öffnet!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1488,"orig":"Was ging hier vor?","norm":"Was ging hier vor?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1489,"orig":"Um aller Heil’gen willen!","norm":"Um aller Heiligen Willen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1490,"orig":"Verruchter!","norm":"Verruchter!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1491,"orig":"Das mein Lohn und dein Verſprechen?","norm":"Das mein Lohn und dein Versprechen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1492,"orig":"Such’t Hülfe!","norm":"Sucht Hilfe!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1493,"orig":"Mein Gott!","norm":"Mein Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1494,"orig":"Was iſt nun das?","norm":"Was ist nun das?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1495,"orig":"Sie ging hinein!","norm":"Sie ging hinein!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1496,"orig":"Wir haben ſie geſeh’n!","norm":"Wir haben sie gesehen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1497,"orig":"Spreng’t auf die Thüre, öffnen ſie nicht willig.","norm":"Sprengt auf die Türe, öffnen sie nicht willig."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1498,"orig":"Unſeliger!","norm":"Unseliger!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1499,"orig":"ſtell’ dich an meine Seite!","norm":"stelle dich an meine Seite!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1500,"orig":"Die Raſenden ergreifen, tödten dich!","norm":"Die Rasenden ergreifen, töten dich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1501,"orig":"Bancbanus, ſieh!","norm":"Bancbanus, sieh!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1502,"orig":"Dort lieg’t dein Weib ermordet!","norm":"Dort liegt dein Weib ermordet!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1503,"orig":"O Erny!","norm":"O Erny!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1504,"orig":"O mein Kind, mein gutes, frommes Kind!","norm":"O mein Kind, mein gutes, frommes Kind!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1505,"orig":"Iſt keine Hülfe?","norm":"Ist keine Hilfe?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1506,"orig":"Sendet Diener aus!","norm":"Sendet Diener aus!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1507,"orig":"Umſonſt!","norm":"Umsonst!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1508,"orig":"Getroffen iſt der Sitz des Lebens.","norm":"Getroffen ist der Sitz des Lebens."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1509,"orig":"Kein Arzt, kein Gott gibt wieder ſie zurück.","norm":"Kein Arzt, kein Gott gibt wieder sie zurück."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1510,"orig":"Nichts mehr für ſie zu thun, als ſie zu rächen!","norm":"Nichts mehr für sie zu tun, als sie zu rächen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1511,"orig":"Dort iſt der Mörder!","norm":"Dort ist der Mörder!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1512,"orig":"Dieſer hats gethan.","norm":"Dieser hat es getan."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1513,"orig":"Heraus, mein Schwert, und freu’ dich auf ein Feſt!","norm":"Heraus, mein Schwert, und freue dich auf ein Fest!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1514,"orig":"Du grimmer Wolf, was that dir dies mein Lamm?","norm":"Du grimmer Wolf, was tat dir dies mein Lamm?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1515,"orig":"Auf ihn!","norm":"Auf ihn!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1516,"orig":"Hau’t ihn in Stücke!","norm":"Haut ihn in Stücke!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1517,"orig":"Stoß’t ihn nieder!","norm":"Stoßt ihn nieder!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1518,"orig":"Zurück!","norm":"Zurück!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1519,"orig":"Wer klag’t hier an?","norm":"Wer klagt hier an?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1520,"orig":"und wer beweiſt?","norm":"und wer beweist?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1521,"orig":"Liegt nicht das Opfer todt in ſeinem Blut?","norm":"Liegt nicht das Opfer tot in seinem Blut?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1522,"orig":"Steh’t nicht der Henker dort?","norm":"Steht nicht der Henker dort?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1523,"orig":"Wer anders konnt’ es?","norm":"Wer anders konnte es?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1524,"orig":"Wer anders?","norm":"Wer anders?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1525,"orig":"Ich!","norm":"Ich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1526,"orig":"— Ich ſelber hab’s gethan.","norm":"— Ich selber habe es getan."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1527,"orig":"Sie hatte höchlich ſich an mir vergangen, Und alſo ſtraft ich ſie.","norm":"Sie hatte höchlich sich an mir vergangen, und also straft ich sie."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1528,"orig":"Wenn mein Gemahl Zurücke kehrt, ſteh’ ich dem König Rede.","norm":"Wenn mein Gemahl Zurückekehrt, stehe ich dem König Rede."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1529,"orig":"Bis dahin —","norm":"Bis dahin —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1530,"orig":"Komm!","norm":"Komme!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1531,"orig":"— Und Ihr kenn’t Eure Pflicht!","norm":"— Und Ihr kennt Eure Pflicht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1532,"orig":"Bancbanus nicht zu Hauſe?","norm":"Bancbanus nicht zu Hause?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1533,"orig":"— Aber ſeht, Dort nahen ſie, ſie kommen vom Begräbniß.","norm":"— Aber seht, dort nahen sie, sie kommen vom Begräbnis."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1534,"orig":"Was fällt ihm ein?","norm":"Was fällt ihm ein?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1535,"orig":"Begräbt er ſeine Frau?","norm":"Begräbt er seine Frau?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1536,"orig":"— Ein Bahrrecht ſoll uns werden, blut’ges Bahrrecht!","norm":"— Ein Bahrrecht soll uns werden, blutiges Bahrrecht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1537,"orig":"Er wird ſchon alt und kindiſch; höchſte Noth, Daß And’re denken, handein d’rum für ihn.","norm":"Er wird schon alt und kindisch; höchste Not, dass Andere denken, handeln darum für ihn."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1538,"orig":"Sey ruhig, Bruder!","norm":"Sei ruhig, Bruder!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1539,"orig":"Dir ſoll Rache ſeyn!","norm":"Dir soll Rache sein!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1540,"orig":"Du aber kehre zu den Unſern.","norm":"Du aber kehre zu den Unseren."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1541,"orig":"— Sag’, Sie ſollen jeden Ausgang ſtreng’ bewachen, Der aus dem Schloß in’s Freie führt.","norm":"— Sage, Sie sollen jeden Ausgang streng bewachen, der aus dem Schloss ins Freie führt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1542,"orig":"Man will Den Mörder unſerm Grimm entzieh’n, ihn heimlich Nach Teutſchland ſenden; doch das ſoll, das darf nicht!","norm":"Man will den Mörder unserem Grimm entziehen, ihn heimlich Nach Deutschland senden; doch das soll, das darf nicht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1543,"orig":"Ich will dich zerren, blut’ger Wolf!","norm":"Ich will dich zerren, blutiger Wolf!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1544,"orig":"Geh’ nur!","norm":"Gehe nur!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1545,"orig":"Und komm’ ich ſelbſt, und haben wir nicht Antwort, So ſtürmen wir das Schloß!","norm":"Und komme ich selbst, und haben wir nicht Antwort, so stürmen wir das Schloss!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1546,"orig":"Er kommt.","norm":"Er kommt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1547,"orig":"Und ſieh, wie bleich!","norm":"Und sieh, wie bleich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1548,"orig":"Bancbanus!","norm":"Bancbanus!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1549,"orig":"Halt!","norm":"Halt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1550,"orig":"Wer ruft?","norm":"Wer ruft?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1551,"orig":"Ah, du, mein Bruder?","norm":"Ah, du, mein Bruder?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1552,"orig":"Wir haben dein entbehrt bei dem Geleit’.","norm":"Wir haben dein entbehrt bei dem Geleite."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1553,"orig":"Ich ſandte zu dir, doch, du warſt nicht heim.","norm":"Ich sandte zu dir, doch, du warst nicht heim."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1554,"orig":"Nicht heim?","norm":"Nicht heim?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1555,"orig":"Nicht heim?","norm":"Nicht heim?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1556,"orig":"Wo war ich denn derweile?","norm":"Wo war ich denn derweil?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1557,"orig":"Euch Andern Dank für dieſen letzten Dienſt, Den Ihr erwieſen mir und meinem Weib!","norm":"Euch anderen Dank für diesen letzten Dienst, den Ihr erwiesen mir und meinem Weib!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1558,"orig":"Zur ſichern Ruh’ſtatt brachten wir ſie hin, Wo Gott ſie hat, und hat ſie — ach!","norm":"Zur sichern Ruhestatt brachten wir sie hin, wo Gott sie hat, und hat sie — ach!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1559,"orig":"ſo lieb, Daß er ſie nimmer läßt.","norm":"so lieb, dass er sie nimmer lässt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1560,"orig":"O, nimmer!","norm":"O, nimmer!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1561,"orig":"nie!","norm":"Nie!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1562,"orig":"Nun denn: dein Will’ geſcheh’!","norm":"Nun denn: dein Wille geschehe!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1563,"orig":"— Kehrt nun nach Haus, Und haltet ruhig Euch und ſtill.","norm":"— Kehrt nun nach Haus, und haltet ruhig Euch und still."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1564,"orig":"Denkt d’rum nicht ſchlimmer Von mir und von den Meinen.","norm":"Denkt darum nicht schlimmer von mir und von den Meinen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1565,"orig":"Wenn mein Weib ſich Auch eines Fehltritt’s, wie es heißt, vermaß, Für den man ſie ſo hart, ach, gar ſo hart beſtraf’t;","norm":"Wenn mein Weib sich Auch eines Fehltritts, wie es heißt, vermass, für den man sie so hart, ach, gar so hart bestraft;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1566,"orig":"Geſchah’s gewiß aus Uebereilung nur, Denn ſie war ruſchlich — o, mein Weib!","norm":"Geschah es gewiss aus Übereilung nur, denn sie war ruschlich — o, mein Weib!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1567,"orig":"mein Weib!","norm":"mein Weib!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1568,"orig":"mein Weib!","norm":"mein Weib!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1569,"orig":"— Was ſie verſeh’n, und wie ſie ſich vergangen, Ob man zu ſtreng, zu hart an ihr gethan, Es wird ſich weiſen, kehrt der König wieder.","norm":"— Was sie verstehen, und wie sie sich vergangen, Ob man zu streng, zu hart an ihr getan, es wird sich weisen, kehrt der König wieder."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1570,"orig":"Und das ſoll bald, gemeldet ward’s ihm ſchon.","norm":"Und das soll bald, gemeldet ward es ihm schon."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1571,"orig":"Der nun wird ſitzen mit dem Schwert des Recht’s, Wer rein, wer ſchuldig, wird ſein Wort entſcheiden.","norm":"Der nun wird sitzen mit dem Schwert des Rechts, wer rein, wer schuldig, wird sein Wort entscheiden."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1572,"orig":"Bis dahin haltet Euch als ruh’ge Bürger, Und meines Dank’s verſichert, lebet wohl!","norm":"Bis dahin haltet Euch als ruhige Bürger, und meines Danks versichert, lebt wohl!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1573,"orig":"Halt noch!","norm":"Halt noch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1574,"orig":"Und du!","norm":"Und du!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1575,"orig":"Seyd Ihr ſo zahm, ſo feig’, Daß Ihr mit Thränen ehr’t nur ihren Tod?","norm":"Seid Ihr so zahm, so feige, dass Ihr mit Tränen ehrt nur ihren Tod?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1576,"orig":"Sie hätte eines Fehltritt’s ſich vermeſſen?","norm":"Sie hätte eines Fehltritts sich vermessen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1577,"orig":"— Getödtet hat man ſie, hat ſie ermordet, Weil ſie ſich nicht gefüg’t verbot’ner Luſt.","norm":"— Getötet hat man sie, hat sie ermordet, weil sie sich nicht gefügt verbotener Lust."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1578,"orig":"Biſt du der Richter hier in dieſem Land?","norm":"Bist du der Richter hier in diesem Land?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1579,"orig":"Der Alleswiſſende du ob den Sternen, Daß du ſo kühn dein Urtheil gibſt für Recht?","norm":"Der Alleswissende du ob den Sternen, dass du so kühn dein Urteil gibst für Recht?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1580,"orig":"Ein Ungar bin ich, rufend um Gericht.","norm":"Ein Ungar bin ich, rufend um Gericht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1581,"orig":"Es ſoll dir werden, kehrt der Richter heim.","norm":"Es soll dir werden, kehrt der Richter heim."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1582,"orig":"Dann iſt der Schuld’ge fern.","norm":"Dann ist der Schuldige fern."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1583,"orig":"Sie retten ihn.","norm":"Sie retten ihn."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1584,"orig":"Das ſoll man nicht.","norm":"Das soll man nicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1585,"orig":"Sie wollen’s, und ſie thun’s!","norm":"Sie wollen es, und sie tun es!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1586,"orig":"So ſehr denn lechzeſt du nach ſeinem Blut?","norm":"So sehr denn lechzest du nach seinem Blut?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1587,"orig":"Ich, ja!","norm":"Ich, ja!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1588,"orig":"Auch ich, gäb’s wieder mir mein Weib.","norm":"Auch ich, gäbe es wieder mir mein Weib."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1589,"orig":"So tret’ ich denn als ihr Verwandter auf, Und ford’re Bahrrecht, Blutrach’, und zur Stund’.","norm":"So trete ich denn als ihr Verwandter auf, und fordere Bahrrecht, Blutrache, und zur Stunde."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1590,"orig":"Ich bin der Nächſte, dem man ſie geraubt, Dem man ſein Heil, dem man ſein Glück getödtet, Mein Kind, mein Weib, mein Alles auf der Welt.","norm":"Ich bin der Nächste, dem man sie geraubt, dem man sein Heil, dem man sein Glück getötet, Mein Kind, mein Weib, mein alles auf der Welt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1591,"orig":"Wenn nun nicht ich, wer iſt ſo kühn und redet?","norm":"Wenn nun nicht ich, wer ist so kühn und redet?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1592,"orig":"Hier ſteh’t noch Einer, ſieh, ihr Bruder hier, Allein, er ſchweigt, und ſtarret auf den Grund.","norm":"Hier steht noch Einer, sieh, ihr Bruder hier, allein, er schweigt, und starret auf den Grund."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1593,"orig":"Komm, Peter, komm!","norm":"Komme, Peter, komme!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1594,"orig":"Wir wollen in mein Haus!","norm":"Wir wollen in mein Haus!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1595,"orig":"Es iſt um Zwielicht ſchon; wir ſetzen uns Dort, wo ſie ſaß und ſprach, und ſagen uns Wie lieb ſie war und gut.","norm":"Es ist um Zwielicht schon; wir setzen uns Dort, wo sie saß und sprach, und sagen uns Wie lieb sie war und gut."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1596,"orig":"Komm, Peter, komm!","norm":"Komme, Peter, komme!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1597,"orig":"Und weinen uns recht ſatt.","norm":"Und weinen uns recht satt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1598,"orig":"Nicht von der Stelle!","norm":"Nicht von der Stelle!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1599,"orig":"So wiſſe denn: die Burg iſt ſchon umringt.","norm":"So wisse denn: Die Burg ist schon umringt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1600,"orig":"Auslieferung des Mörders fordern wir;","norm":"Auslieferung des Mörders fordern wir;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1601,"orig":"Nicht, ihn zu tödten, nur zu ſich’rer Haft.","norm":"Nicht, ihn zu töten, nur zu sicherer Haft."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1602,"orig":"Wird nicht Gewährung uns zu dieſer Stunde, So ſtürmen wir das Schloß.","norm":"Wird nicht Gewährung uns zu dieser Stunde, so stürmen wir das Schloss."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1603,"orig":"Biſt du ein Mann, So nimm dein Schwert, und geh’ an unſ’rer Spitze.","norm":"Bist du ein Mann, so nimm dein Schwert, und gehe an unserer Spitze."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1604,"orig":"Aufrührer, ich mit Euch?","norm":"Aufrührer, ich mit Euch?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1605,"orig":"Ich bin der Mann des Friedens, Der Hüter ich der Ruh’.","norm":"Ich bin der Mann des Friedens, der Hüter ich der Ruhe."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1606,"orig":"Mich hat mein König Geordnet, ſeinen Frieden hier zu wahren.","norm":"Mich hat mein König geordnet, seinen Frieden hier zu wahren."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1607,"orig":"Ich in den Bürgerkrieg mit Euch?","norm":"Ich in den Bürgerkrieg mit Euch?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1608,"orig":"Fluch Bürgerkrieg!","norm":"Fluch Bürgerkrieg!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1609,"orig":"Fluch dir vor allen Flüchen!","norm":"Fluch dir vor allen Flüchen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1610,"orig":"Aufrührer, ſieh, und ſo verhaft’ ich dich, Im Namen meines Königs, deines Herrn.","norm":"Aufrührer, sieh, und so verhafte ich dich, im Namen meines Königs, deines Herrn."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1611,"orig":"Schwachſinniger!","norm":"Schwachsinniger!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1612,"orig":"Bewahr’ſt du And’rer Rechte, Und kannſt die eig’nen nicht bewahren dir?","norm":"Bewahrst du anderer Rechte, und kannst die eigenen nicht bewahren dir?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1613,"orig":"So bleib’ denn, bleib’!","norm":"So bleibe denn, bleibe!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1614,"orig":"Das Ziel ſey der Verachtung, Ein Spott für Jeden, dem die Ehre lieb.","norm":"Das Ziel sei der Verachtung, ein Spott für Jeden, dem die Ehre lieb."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1615,"orig":"Kein Tapf’rer ſetze ſich an deinen Tiſch Der Bettler weiſe dir zurück die Gabe, Unheilig ſey die Stätte deines Grab’s.","norm":"Kein Tapferer setze sich an deinen Tisch der Bettler weise dir zurück die Gabe, unheilig sei die Stätte deines Grabs."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1616,"orig":"Bewein’ dein Weib!","norm":"Beweine dein Weib!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1617,"orig":"ich aber will ſie rächen.","norm":"ich aber will sie rächen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1618,"orig":"Ihr in der Trauer friedlichem Gepränge, Nehm’t Schild und Schwert, zeigt männlich Euer Leid!","norm":"Ihr in der Trauer friedlichem Gepränge, nehmt Schild und Schwert, zeigt männlich Euer Leid!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1619,"orig":"Verwandte!","norm":"Verwandte!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1620,"orig":"Freunde!","norm":"Freunde!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1621,"orig":"Haltet!","norm":"Haltet!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1622,"orig":"Hört mich erſt!","norm":"Hört mich erst!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1623,"orig":"Wer denk’t, wie ich, der trete her zu mir.","norm":"Wer denkt, wie ich, der trete her zu mir."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1624,"orig":"Bin ich allein für meines Königs Sache?","norm":"Bin ich allein für meines Königs Sache?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1625,"orig":"Unglückliche!","norm":"Unglückliche!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1626,"orig":"vernehmt —","norm":"vernehmt —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1627,"orig":"Schlagt Schild und Schwert zuſammen, Hör’t nicht, was er in ſeinem Wahnwitz ſpricht.","norm":"Schlagt Schild und Schwert zusammen, hört nicht, was er in seinem Wahnwitz spricht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1628,"orig":"Ihr wollt, nicht hören?","norm":"Ihr wollt, nicht hören?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1629,"orig":"Krieg denn wollt Ihr?","norm":"Krieg denn wollt Ihr?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1630,"orig":"Hab’t ihn!","norm":"Habt ihn!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1631,"orig":"Doch gegen Euch mit meinem letzten Odem.","norm":"Doch gegen Euch mit meinem letzten Odem."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1632,"orig":"Geb’t mir mein Schwert!","norm":"Gebt mir mein Schwert!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1633,"orig":"mein Schwert!","norm":"mein Schwert!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1634,"orig":"— mein Schwert!","norm":"— mein Schwert!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1635,"orig":"Laß’t ihn, und überlaß’t ihn ſeiner Schwäche!","norm":"Lasst ihn, und überlasst ihn seiner Schwäche!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1636,"orig":"Folg’t mir!","norm":"Folgt mir!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1637,"orig":"Kommt mit auf’s Schloß!","norm":"Kommt mit aufs Schloss!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1638,"orig":"Der Rache ſey ihr Recht, dem Recht ſey Rache!","norm":"Der Rache sei ihr Recht, dem Recht sei Rache!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1639,"orig":"Wo ſind ſie hin?","norm":"Wo sind sie hin?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1640,"orig":"— Bringt mich in’s Haus zurück!","norm":"— Bringt mich ins Haus zurück!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1641,"orig":"Hol’ einen Mantel du!","norm":"Hole einen Mantel du!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1642,"orig":"— Du kannſt ja rudern?","norm":"— Du kannst ja rudern?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1643,"orig":"— Auch eine Blendlaterne bringe mir!","norm":"— Auch eine Blendlaterne bringe mir!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1644,"orig":"Es wird ſchon dunkel.","norm":"Es wird schon dunkel."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1645,"orig":"Führt mich in mein Haus!","norm":"Führt mich in mein Haus!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1646,"orig":"Um Gotteswillen!","norm":"Um Gottes willen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1647,"orig":"Bruder, was beginn’ſt du?","norm":"Bruder, was beginnst du?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1648,"orig":"Ah, Schweſter!","norm":"Ah, Schwester!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1649,"orig":"ſo biſt du’s?","norm":"so bist du es?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1650,"orig":"Ich dachte, ſie wär’s, Die blaſſe Gräfin, ſie.","norm":"Ich dachte, sie wäre es, die blasse Gräfin, sie."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1651,"orig":"— Nun, ſo iſt’s gut.","norm":"— Nun, so ist es gut."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1652,"orig":"Ich bitt’ dich, bleib’!","norm":"Ich bitte dich, bleibe!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1653,"orig":"Warum?","norm":"Warum?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1654,"orig":"Ich bitte dich!","norm":"Ich bitte dich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1655,"orig":"Wart’ noch!","norm":"Wart noch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1656,"orig":"Auch dieſer Troſt noch ſollte fehlen!","norm":"Auch dieser Trost noch sollte fehlen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1657,"orig":"Hier ſtell’ dich an die Thür, und ſieh’ſt du?","norm":"Hier stelle dich an die Tür, und siehst du?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1658,"orig":"ſo Halt’ deinen Spieß.","norm":"so Halte deinen Spieß."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1659,"orig":"Wer irgend nun herein tritt, Und weiß das Merkwort nicht, den ſtöß’ſt du nieder.","norm":"Wer irgend nun hereintritt, und weiß das Merkwort nicht, den stößt du nieder."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1660,"orig":"Triff zwei Mal, oder drei Mal, bis er todt.","norm":"Triff zweimal, oder dreimal, bis er tot."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1661,"orig":"Ich ſelber halte dieß mein gutes Schwert, Ich hab’s geſchliffen —","norm":"Ich selber halte dies mein gutes Schwert, Ich habe es geschliffen —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1662,"orig":"Fühl’!","norm":"Fühle!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1663,"orig":"Hui!","norm":"Hui!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1664,"orig":"Scharf, wie Gift!","norm":"Scharf, wie Gift!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1665,"orig":"Das in der Hand, den Rücken ſo geſichert —","norm":"Das in der Hand, den Rücken so gesichert —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1666,"orig":"Der Tiſch iſt für den erſten Anfall gut.","norm":"Der Tisch ist für den ersten Anfall gut."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1667,"orig":"— So will ich ſitzen, und will wachſam ſeyn.","norm":"— So will ich sitzen, und will wachsam sein."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1668,"orig":"Vergiß’ſt du denn?","norm":"Vergisst du denn?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1669,"orig":"Nach Teutſchland kehr ich heim.","norm":"Nach Deutschland kehre ich heim."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1670,"orig":"Sorgt Ihr für Euch!","norm":"Sorgt Ihr für Euch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1671,"orig":"Was kümmert’s mich?","norm":"Was kümmert es mich?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1672,"orig":"Nach Teutſchland?","norm":"Nach Deutschland?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1673,"orig":"Und jeder Ausgang iſt verwehr’t, bewacht.","norm":"Und jeder Ausgang ist verwehrt, bewacht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1674,"orig":"Ich will mir Schienen fert’gen laſſen, dreifach Eiſen, Und Panzerhoſen von geprobtem Stahl.","norm":"Ich will mir Schienen fertigen lassen, dreifach Eisen, und Panzerhosen von geprobtem Stahl."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1675,"orig":"Der Stiefel ſchützt nicht g’nug.","norm":"Der Stiefel schützt nicht genug."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1676,"orig":"Es ſchmerz’t wohl gar!","norm":"Es schmerzt wohl gar!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1677,"orig":"Mann!","norm":"Mann!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1678,"orig":"wenn du es noch biſt — ’ zum mind’ſten Menſch denn!","norm":"wenn du es noch bist — ’ zum mindesten Mensch denn!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1679,"orig":"Wahnſinnig mach’ mich nicht mit ſolchen Reden!","norm":"Wahnsinnig mache mich nicht mit solchen Reden!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1680,"orig":"Weißt du auch, wo du biſt?","norm":"Weißt du auch, wo du bist?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1681,"orig":"Was dich umgibt?","norm":"Was dich umgibt?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1682,"orig":"Von Pöbelhaufen ſind wir rings umlagert;","norm":"Von Pöbelhaufen sind wir rings umlagert;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1683,"orig":"Nach dir begehren ſie, dich heiſcht ihr Grimm.","norm":"Nach dir begehren sie, dich heischt ihr Grimm."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1684,"orig":"Das Schloß iſt ſchlecht verwahr’t, der Unſer’n wenig.","norm":"Das Schloss ist schlecht verwahrt, der Unseren wenig."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1685,"orig":"Geh’ du hinab, ſtell’ dich an ihre Spitze, Wend’ ab, was droh’t.","norm":"Gehe du hinab, stelle dich an ihre Spitze, Wende ab, was droht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1686,"orig":"Daß ſie mich fangen?","norm":"Dass sie mich fangen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1687,"orig":"tödten?","norm":"töten?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1688,"orig":"Pfui über allen Tod!","norm":"Pfui über allen Tod!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1689,"orig":"Durch Schwert, durch Feuer, Durch Gift, durch Strick, durch Beil. Pfui allem Tod!","norm":"Durch Schwert, durch Feuer, durch Gift, durch Strick, durch Beil. Pfui allem Tod!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1690,"orig":"Ei, ich will leben, ich!","norm":"Ei, ich will leben, ich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1691,"orig":"So lebe denn, Bis uns das Unheil alleſammt verſchlingt!","norm":"So lebe denn, bis uns das Unheil allesamt verschlingt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1692,"orig":"Wo iſt dein Sohn?","norm":"Wo ist dein Sohn?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1693,"orig":"das iſt ein wack’rer Schütz, Mit ſeiner kleinen Armbruſt.","norm":"Das ist ein wackerer Schütz, mit seiner kleinen Armbrust."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1694,"orig":"— Ruf’ ihn her!","norm":"— Ruf ihn her!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1695,"orig":"Er war zu Nacht bei meines Bettes Häupten, Dort hielt er Wacht, und wenn die Gräfin kam, Da ſpannt’ er ſeinen Bogen, wie Cupido, Und ſchoß nach ihr den Pfeil.","norm":"Er war zu Nacht bei meines Bettes Häupten, dort hielt er Wacht, und wenn die Gräfin kam, da spannte er seinen Bogen, wie Cupido, und schoss nach ihr den Pfeil."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1696,"orig":"Sie duckte ſich, Jetzt hier, jetzt dort ſo war ſie nicht mehr da.","norm":"Sie duckte sich, jetzt hier, jetzt dort so war sie nicht mehr da."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1697,"orig":"— Wo iſt dein Sohn?","norm":"— Wo ist dein Sohn?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1698,"orig":"Mich dräng’t es, ihn zu ſeh’n.","norm":"Mich drängt es, ihn zu sehen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1699,"orig":"Euch ſendet Gott vom Himmel!","norm":"Euch sendet Gott vom Himmel!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1700,"orig":"Nun, mein Freund, Habt Ihr die Meuter angeredet?","norm":"Nun, mein Freund, habt Ihr die Meuter angeredet?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1701,"orig":"Geben Sie beſſer’m Rath, ſie ihrer Pflicht Gehör?","norm":"Geben Sie besserem Rat, sie ihrer Pflicht Gehör?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1702,"orig":"So bleiben ſie bei ihrer alten Ford’rung?","norm":"So bleiben sie bei ihrer alten Forderung?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1703,"orig":"Sie haben Einen hergeſandt als Boten, Um Euer Gnaden ihr Begehr’ zu künden.","norm":"Sie haben Einen hergesandt als Boten, um Euer Gnaden ihr Begehre zu künden."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1704,"orig":"Er harr’t im Vorgemach.","norm":"Er harrt im Vorgemach."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1705,"orig":"Doch bleibt’s wohl fruchtlos, Denn ſie beſteh’n —","norm":"Doch bleibt es wohl fruchtlos, denn sie bestehen —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1706,"orig":"Laß’t ihn doch immer ein!","norm":"Lasst ihn doch immer ein!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1707,"orig":"Ein lebend Wort gilt hundert todte Zeilen, Und Hunderte von Gründen ſammt Erweis.","norm":"Ein lebend Wort gilt hundert tote Zeilen, und Hunderte von Gründen samt Erweis."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1708,"orig":"Nun, Bruder, aber geh’ auf dein Gemach, Sie ſollen dich nicht ſeh’n!","norm":"Nun, Bruder, aber gehe auf dein Gemach, Sie sollen dich nicht sehen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1709,"orig":"Was fällt dir ein?","norm":"Was fällt dir ein?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1710,"orig":"Ich muß hier Wache halten!","norm":"Ich muss hier Wache halten!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1711,"orig":"Wache!","norm":"Wache!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1712,"orig":"Wache!","norm":"Wache!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1713,"orig":"Nun, Graf, als Kämm’rer üb’t Ihr Euer Amt, Allein, nicht öffnend, Ihr verſchließ’t die Thüren.","norm":"Nun, Graf, als Kämmerer übt Ihr Euer Amt, Allein, nicht öffnend, Ihr verschließt die Türen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1714,"orig":"Der Grund, warum wir Euch in Waffen nah’n —","norm":"Der Grund, warum wir Euch in Waffen nahen —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1715,"orig":"Ich weiß den Grund — Vielmehr nur: ich errath’ ihn.","norm":"Ich weiß den Grund — vielmehr nur: Ich errate ihn."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1716,"orig":"Denn wiſſen, hieße doch zugleich erklären, Daß er erkennbar aus Vernunft und Recht.","norm":"Denn wissen, hieße doch zugleich erklären, dass er erkennbar aus Vernunft und Recht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1717,"orig":"Ein ungeheu’rer Frevel iſt geſcheh’n.","norm":"Ein ungeheurer Frevel ist geschehen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1718,"orig":"Ein Unglück, ſprech’c vielmehr!","norm":"Ein Unglück, sprecht vielmehr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1719,"orig":"Der Thäter hier.","norm":"Der Täter hier."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1720,"orig":"Wer ſagt’s Euch?","norm":"Wer sagt es Euch?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1721,"orig":"Es iſt klar!","norm":"Es ist klar!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1722,"orig":"Er ſey beſtraft!","norm":"Er sei bestraft!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1723,"orig":"Auslieferung des Schuld’gen wird begehr’t.","norm":"Auslieferung des Schuldigen wird begehrt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1724,"orig":"Ausliefern ihn?","norm":"Ausliefern ihn?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1725,"orig":"Daß Ihr in ſeinem Blut —","norm":"Dass Ihr in seinem Blut —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1726,"orig":"Nicht ihn zu tödten, nur in ſich’re Haft.","norm":"Nicht ihn zu töten, nur in sichre Haft."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1727,"orig":"Der iſt nicht klug!","norm":"Der ist nicht klug!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1728,"orig":"Nach Deutſchland geh’ ich.","norm":"Nach Deutschland gehe ich."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1729,"orig":"Hört Ihr?","norm":"Hört Ihr?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1730,"orig":"Wir werden uns verſtänd’gen, ſeh’ ich wohl.","norm":"Wir werden uns verständigen, sehe ich wohl."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1731,"orig":"Seyd Ihr zufrieden, wenn ich Euch gelobe, Ihn ſelbſt zu halten hier, ihn nicht zu laſſen, Bis Euer Herr zurückkehrt und der meine?","norm":"Seid Ihr zufrieden, wenn ich Euch gelobe, ihn selbst zu halten hier, ihn nicht zu lassen, bis Euer Herr zurückkehrt und der meine?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1732,"orig":"Verzeih’t, wir trau’n Euch nicht!","norm":"Verzeiht, wir trauen Euch nicht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1733,"orig":"wagt Ihr’s?","norm":"wagt Ihr es?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1734,"orig":"— Und wenn zurück ich das Begehren weiſe?","norm":"— Und wenn zurück ich das Begehren weise?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1735,"orig":"So ſtürmen wir — ſo ſtürmen ſie das Schloß.","norm":"So stürmen wir — so stürmen sie das Schloss."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1736,"orig":"Ich ſeh’ in Euren Augen, Graf, ein Etwas, Das eine mild’re Meinung mir verbürgt.","norm":"Ich sehe in Euren Augen, Graf, ein Etwas, das eine mildere Meinung mir verbürgt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1737,"orig":"Hier iſt von meiner Meinung nicht die Rede, Von meinem Auftrag nur.","norm":"Hier ist von meiner Meinung nicht die Rede, von meinem Auftrag nur."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1738,"orig":"Nun denn, ſo wiß’t:","norm":"Nun denn, so wisst:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1739,"orig":"Eh’ ich den Bruder ſeinen Mördern lief’re, Begrab’ ich mich in dieſes Schloſſes Trümmern, Mich, Eures Königs Weib, mit mir ſein Kind, Den Erben ſeines Thron’s — Wagt Ihr’s und ſtürm’t?","norm":"Ehe ich den Bruder seinen Mördern liefere, Begrabe ich mich in dieses Schlosses Trümmern, Mich, Eures Königs Weib, mit mir sein Kind, den Erben seines Throns — wagt Ihr es und stürmt?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1740,"orig":"— Der König wird ſo theure Pfänder rächen.","norm":"— Der König wird so teure Pfänder rächen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1741,"orig":"Mit Recht.","norm":"Mit Recht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1742,"orig":"Doch nicht an uns, da Ihr ſie tödtet.","norm":"Doch nicht an uns, da Ihr sie tötet."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1743,"orig":"Iſt dieß Eu’r letztes Wort?","norm":"Ist dies Euer letztes Wort?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1744,"orig":"Das meine, ja;","norm":"Das meine, ja;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1745,"orig":"Doch nicht auch Euer letztes, hoff’ ich.","norm":"Doch nicht auch Euer letztes, hoffe ich."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1746,"orig":"Geht!","norm":"Geht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1747,"orig":"Sagt ihm: wenn man — Begehrt zwei Stunden Aufſchub, Bis dahin überlegt man —","norm":"Sagt ihm: wenn man — begehrt zwei Stunden Aufschub, bis dahin überlegt man —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1748,"orig":"Nun?","norm":"Nun?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1749,"orig":"Er will nicht.","norm":"Er will nicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1750,"orig":"Seys denn!","norm":"Sei es denn!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1751,"orig":"Geh’t in den Schloßhof.","norm":"Geht in den Schlosshof."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1752,"orig":"Rüſtet Euch.","norm":"Rüstet Euch."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1753,"orig":"Heißt Alle wachſam ſeyn.","norm":"Heißt alle wachsam sein."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1754,"orig":"Verſprecht Belohnung!","norm":"Versprecht Belohnung!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1755,"orig":"Vor Allen braucht die Leute meines Bruders.","norm":"Vor allen braucht die Leute meines Bruders."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1756,"orig":"Wenn’s angeht, kommt er ſelbſt.","norm":"Wenn es angeht, kommt er selbst."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1757,"orig":"Nun, Bruder, auf!","norm":"Nun, Bruder, auf!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1758,"orig":"Schläfſt du?","norm":"Schläfst du?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1759,"orig":"Und wär’ dein Schlummer Seligkeit, Ich kann dir’s nicht erſparen.","norm":"Und wäre dein Schlummer Seligkeit, Ich kann dir es nicht ersparen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1760,"orig":"Auf!","norm":"Auf!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1761,"orig":"Die Waffen in die Hand!","norm":"Die Waffen in die Hand!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1762,"orig":"Wer faß’t mich an?","norm":"Wer fasst mich an?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1763,"orig":"Sie fangen, tödten mich!","norm":"Sie fangen, töten mich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1764,"orig":"Ha!","norm":"Ha!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1765,"orig":"Ketten, Bande, Stricke!","norm":"Ketten, Bande, Stricke!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1766,"orig":"— Wer da?","norm":"— Wer da?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1767,"orig":"— Ha, Schweſter, du?","norm":"— Ha, Schwester, du?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1768,"orig":"— Und doch, und doch — Dort reg’t ſich’s — dort, im Winkel — Meine Schweſter!","norm":"— Und doch, und doch — dort regt sich es — dort, im Winkel — Meine Schwester!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1769,"orig":"Bringt Lichter!","norm":"Bringt Lichter!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1770,"orig":"— Dort im Winkel!","norm":"— Dort im Winkel!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1771,"orig":"— Gott!","norm":"— Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1772,"orig":"nur Licht!","norm":"nur Licht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1773,"orig":"Licht, ſag’ ich:","norm":"Licht, sage ich:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1774,"orig":"Licht!","norm":"Licht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1775,"orig":"Licht!","norm":"Licht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1776,"orig":"Licht!","norm":"Licht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1777,"orig":"Nur Faſſung, Bruder!","norm":"Nur Fassung, Bruder!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1778,"orig":"Bleib’ dort, dort an der Thüre mit dem Licht!","norm":"Bleib dort, dort an der Türe mit dem Licht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1779,"orig":"Sieh, es iſt nichts.","norm":"Sieh, es ist nichts."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1780,"orig":"O, Schweſter!","norm":"O, Schwester!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1781,"orig":"Meine Schweſter!","norm":"Meine Schwester!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1782,"orig":"Nicht wahr, die Gräfin war ein böſes Weib?","norm":"Nicht wahr, die Gräfin war ein böses Weib?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1783,"orig":"Vielleicht!","norm":"Vielleicht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1784,"orig":"Sie hat’s verdient!","norm":"Sie hat es verdient!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1785,"orig":"Wohl möglich!","norm":"Wohl möglich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1786,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1787,"orig":"Und ich hab’s nicht gethan, ſie that es ſelbſt?","norm":"Und ich habe es nicht getan, sie tat es selbst?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1788,"orig":"Sey ruhig!","norm":"Sei ruhig!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1789,"orig":"Was geſcheh’n, iſt nicht zu ändern!","norm":"Was geschehen, ist nicht zu ändern!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1790,"orig":"D’rum ſammle dich, und laß’ uns weiter ſeh’n.","norm":"Darum sammle dich, und lass uns weitersehen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1791,"orig":"Mein Inn’res iſt betrübt, bis in den Tod!","norm":"Mein Inneres ist betrübt, bis in den Tod!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1792,"orig":"Schick’ fort nach deinem Sohn!","norm":"Schick fort nach deinem Sohn!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1793,"orig":"Das Kind iſt gut.","norm":"Das Kind ist gut."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1794,"orig":"Es hat mich dieſe Nacht bewacht, er ſoll’s Auch jetzt.","norm":"Es hat mich diese Nacht bewacht, er soll es Auch jetzt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1795,"orig":"Geh’, bitt’ dich, deinen Sohn!","norm":"Gehe, bitte dich, deinen Sohn!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1796,"orig":"Bring’ ihm das Kind!","norm":"Bringe ihm das Kind!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1797,"orig":"Du aber ſetz’ dich dort auf jenen Stuhl, Sey erſt du ſelbſt, das And’re findet ſich.","norm":"Du aber setze dich dort auf jenen Stuhl, Sei erst du selbst, das Andere findet sich."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1798,"orig":"Ha, was iſt das?","norm":"Ha, was ist das?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1799,"orig":"Ach, gnäd’ge Frau!","norm":"Ach, gnädige Frau!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1800,"orig":"Sie bringen Sturmblöcke, Mauerbrecher an das Schloß.","norm":"Sie bringen Sturmböcke, Mauerbrecher an das Schloss."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1801,"orig":"Kein Aufſchub denn?","norm":"Kein Aufschub denn?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1802,"orig":"Ich ſah’s beim Schein des Mondes, Sie ſteh’n in Haufen.","norm":"Ich sah es beim Schein des Mondes, Sie stehen in Haufen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1803,"orig":"Hörtet Ihr den Schlag?","norm":"Hörtet Ihr den Schlag?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1804,"orig":"Schon wieder!","norm":"Schon wieder!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1805,"orig":"Gott und Herr, in deinen Schutz —","norm":"Gott und Herr, in deinen Schutz —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1806,"orig":"Die Mauern ſind zu ſchwach, ſie halten nicht.","norm":"Die Mauern sind zu schwach, sie halten nicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1807,"orig":"Ein Dutzend Stöße, und ſie ſtürzen nieder.","norm":"Ein Dutzend Stöße, und sie stürzen nieder."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1808,"orig":"Erbarm’ dich unſer, Herr!","norm":"Erbarme dich unser, Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1809,"orig":"Am Thore rechts, Da ſteht ein Erker, vor in’s Freie ſpringend.","norm":"Am Tore rechts, da steht ein Erker, vor ins Freie springend."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1810,"orig":"Wenn den mit Schützen man beſetzt und Schleud’rern, So faſſen ſie des Feindes Seite, drängen Und treiben ihn zurück.","norm":"Wenn den mit Schützen man besetzt und Schleuderern, so fassen sie des Feindes Seite, drängen und treiben ihn zurück."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1811,"orig":"Wenn du’s erkenn’ſt, Hinab, und ordn’ es ſo.","norm":"Wenn du es erkennst, hinab, und ordne es so."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1812,"orig":"Was fällt dir ein?","norm":"Was fällt dir ein?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1813,"orig":"Ich geh’ nicht hin, ich bleibe hier bei Euch!","norm":"Ich gehe nicht hin, Ich bleibe hier bei Euch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1814,"orig":"Hab’t Ihr zu Eſſen nicht?","norm":"Habt Ihr zu essen nicht?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1815,"orig":"Mich hungert.","norm":"Mich hungert."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1816,"orig":"Von aller Welt verlaſſen, und auch dieß noch!","norm":"Von aller Welt verlassen, und auch dies noch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1817,"orig":"In ihm vernichtet, der mein Alles war!","norm":"In ihm vernichtet, der mein alles war!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1818,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1819,"orig":"Knie’ nieder, Knabe!","norm":"Knie nieder, Knabe!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1820,"orig":"falte deine Hände!","norm":"Falte deine Hände!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1821,"orig":"Du auch!","norm":"Du auch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1822,"orig":"— Ich hinter Euch, mit meinem Schwert, Will ſteh’n und wachen, ob Euch Gott erhör’t.","norm":"— Ich hinter Euch, mit meinem Schwert, will stehen und wachen, ob Euch Gott erhört."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1823,"orig":"Horch!","norm":"Horch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1824,"orig":"Was dort für Geräuſch?","norm":"Was dort für Geräusch?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1825,"orig":"Es kam von ſeitwärts, Aus jenem Zimmer!","norm":"Es kam von seitwärts, aus jenem Zimmer!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1826,"orig":"Iſt Verrath im Werk?","norm":"Ist Verrat im Werk?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1827,"orig":"Sie überfallen uns.","norm":"Sie überfallen uns."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1828,"orig":"Wer da?","norm":"Wer da?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1829,"orig":"— Man ſchweigt.","norm":"— Man schweigt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1830,"orig":"Knie’t nieder Ihr, dieß iſt der letzte Tag!","norm":"Kniet nieder Ihr, dies ist der letzte Tag!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1831,"orig":"Gib mir dein Schwert!","norm":"Gib mir dein Schwert!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1832,"orig":"Ich will nur ſelber ſeh’n.","norm":"Ich will nur selber sehen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1833,"orig":"Wer dort?","norm":"Wer dort?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1834,"orig":"Freund oder Feind?","norm":"Freund oder Feind?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1835,"orig":"Nicht Feind, nicht Freund!","norm":"Nicht Feind, nicht Freund!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1836,"orig":"Ich bin’s!","norm":"Ich bin es!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1837,"orig":"Bancban!","norm":"Bancban!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1838,"orig":"Stell’ dich vor mich hin, Knabe!","norm":"Stell dich vor mich hin, Knabe!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1839,"orig":"Sie wollen mir zu Leib’.","norm":"Sie wollen mir zuleibe."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1840,"orig":"Heißt dieſe geh’n!","norm":"Heißt diese gehen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1841,"orig":"Führt Ihr Verbot’nes nicht im Sinn?","norm":"Führt Ihr verbotenes nicht im Sinn?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1842,"orig":"Ei ja!","norm":"Ei ja!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1843,"orig":"Marg’rethe, geh’!","norm":"Margarethe, gehe!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1844,"orig":"Wie nun?","norm":"Wie nun?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1845,"orig":"Mir iſt gelungen, Zu täuſchen Eurer Feinde Wachſamkeit, Auf kleinem Kahn den Graben zu durchſetzen, Der dort das Schloß umgibt.","norm":"Mir ist gelungen, zu täuschen Eurer Feinde Wachsamkeit, auf kleinem Kahn den Graben zu durchsetzen, der dort das Schloss umgibt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1846,"orig":"Woll’t Ihr mir folgen?","norm":"Wollt Ihr mir folgen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1847,"orig":"In’s Freie bring’ ich Euch auf gleichem Weg’.","norm":"Ins Freie bringe ich Euch auf gleichem Wege."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1848,"orig":"Bancbanus!","norm":"Bancbanus!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1849,"orig":"Sprecht Ihr Wahrheit?","norm":"Sprecht Ihr Wahrheit?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1850,"orig":"Zweifelt Ihr?","norm":"Zweifelt Ihr?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1851,"orig":"Nach Allem, was geſcheh’n?","norm":"Nach allem, was geschehen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1852,"orig":"— Mann!","norm":"— Mann!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1853,"orig":"Ihr vergäß’t —","norm":"Ihr vergäßet —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1854,"orig":"Nicht, daß mein Herr Euch meinem Schutz vertrau’t.","norm":"Nicht, dass mein Herr Euch meinem Schutz vertraut."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1855,"orig":"Rehmt Euer Kind, und folgt!","norm":"Nehmt Euer Kind, und folgt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1856,"orig":"Mein Kind!","norm":"Mein Kind!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1857,"orig":"— und dieſer?","norm":"— und dieser?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1858,"orig":"Dank’t Gott, daß, als ich kam, ich ſeiner nicht gedacht.","norm":"Dankt Gott, dass, als ich kam, ich seiner nicht gedacht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1859,"orig":"— Nehmt Euer Kind, und folg’t!","norm":"— Nehmt Euer Kind, und folgt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1860,"orig":"Bancbanus, höre!","norm":"Bancbanus, höre!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1861,"orig":"Du retteſt alle Drei uns, oder Keines.","norm":"Du rettest alle Drei uns, oder keines."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1862,"orig":"Mit ihm den Tod, mit ihm auch nur befrei’t.","norm":"Mit ihm den Tod, mit ihm auch nur befreit."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1863,"orig":"Ich will nicht ſeh’n, wer Euren Schritten folgt.","norm":"Ich will nicht sehen, wer Euren Schritten folgt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1864,"orig":"Doch hüt’ er ſich, wenn draußen wir im Freien.","norm":"Doch hüte er sich, wenn draußen wir im Freien."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1865,"orig":"Komm, Bruder!","norm":"Komme, Bruder!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1866,"orig":"komm!","norm":"komme!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1867,"orig":"Und du!","norm":"Und du!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1868,"orig":"— und hier mein Schwert!","norm":"— und hier mein Schwert!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1869,"orig":"Um Gotteswillen, gnäd’ge Frau!","norm":"Um Gottes willen, gnädige Frau!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1870,"orig":"O Rettung!","norm":"O Rettung!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1871,"orig":"Das Thor iſt offen, Feinde überall!","norm":"Das Tor ist offen, Feinde überall!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1872,"orig":"Wo ſind ſie?","norm":"Wo sind sie?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1873,"orig":"Gott!","norm":"Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1874,"orig":"Wo flieh’ ich, Aermſte!","norm":"Wo fliehe ich, Ärmste!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1875,"orig":"hin?","norm":"hin?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1876,"orig":"Hier iſt die Thür.","norm":"Hier ist die Tür."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1877,"orig":"Sie führt durch einen Gang Nach außen, bis zum Graben hin der Burg.","norm":"Sie führt durch einen Gang nach außen, bis zum Graben hin der Burg."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1878,"orig":"Dort harrt ſein Nachen —","norm":"Dort harrt sein Nachen —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1879,"orig":"Ich will rudern, ſchau!","norm":"Ich will rudern, schau!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1880,"orig":"Ein Fährmann lenkt den Kahn, der alſo klein, Daß er nur Zwei auf ein Mal bergen kann:","norm":"Ein Fährmann lenkt den Kahn, der also klein, dass er nur Zwei auf einmal bergen kann:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1881,"orig":"Den Fährmann ſelbſt, und Eines je von Euch.","norm":"Den Fährmann selbst, und eines je von Euch."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1882,"orig":"Gefällt’s Euch, geht zuerſt.","norm":"Gefällt es Euch, geht zuerst."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1883,"orig":"Zurückgekehrt, Nimmt Euer Kind der leichtgefügte Nachen;","norm":"Zurückgekehrt, nimmt Euer Kind der leichtgefügte Nachen;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1884,"orig":"Und läßt der Feind uns Zeit zur dritten Fahrt, So mag ſich retten, wem’s noch ferner nöthig.","norm":"Und lässt der Feind uns Zeit zur dritten Fahrt, so mag sich retten, wem es noch ferner nötig."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1885,"orig":"Nicht ſo, Bancban!","norm":"Nicht so, Bancban!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1886,"orig":"Soll ich dein Schiff beſteigen, So rett’ es dieſen erſt.","norm":"Soll ich dein Schiff besteigen, so rette es diesen erst."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1887,"orig":"Ja, mich zuerſt!","norm":"Ja, mich zuerst!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1888,"orig":"Nicht eh’ noch Euer Kind?","norm":"Nicht ehe noch Euer Kind?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1889,"orig":"Dies Kind beſchützt Schuldloſigkeit mit lilienblankem Schwert;","norm":"Dies Kind beschützt Schuldlosigkeit mit lilienblankem Schwert;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1890,"orig":"Doch dieſen ſuchen ſie, und er iſt ſchuldig.","norm":"Doch diesen suchen sie, und er ist schuldig."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1891,"orig":"D’rum rett’ erſt ihn, zum zweiten dieſes Kind, Die dritte Fahrt der Schweſter und der Mutter.","norm":"Darum rette erst ihn, zum zweiten dieses Kind, die dritte Fahrt der Schwester und der Mutter."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1892,"orig":"Nimm, Otto, meinen Sohn!","norm":"Nimm, Otto, meinen Sohn!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1893,"orig":"Folgt dieſem Mann!","norm":"Folgt diesem Mann!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1894,"orig":"Ich ſelber bleibe hier.","norm":"Ich selber bleibe hier."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1895,"orig":"Die dumpfe Luft, Der enge Raum benimmt, hemmt mir den Athem.","norm":"Die dumpfe Luft, der enge Raum benimmt, hemmt mir den Atem."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1896,"orig":"— Wenn mich die Reihe trifft zur nächt’gen Fahrt, So geb’t ein Zeichen mir — Leb’ wohl, mein Sohn!","norm":"— Wenn mich die Reihe trifft zur nächtigen Fahrt, so gebt ein Zeichen mir — Lebe wohl, mein Sohn!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1897,"orig":"Mein Bruder, lebe wohl!","norm":"Mein Bruder, lebe wohl!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1898,"orig":"Nun fort, nur ſchnell!","norm":"Nun fort, nur schnell!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1899,"orig":"Ich hörte Stimmen, und ſie kommen, fürcht’ ich.","norm":"Ich hörte Stimmen, und sie kommen, fürchte ich."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1900,"orig":"Das Schloß iſt über, wenn nicht Alles täuſcht.","norm":"Das Schloss ist über, wenn nicht alles täuscht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1901,"orig":"Nur ſo viel Friſt, o Gott!","norm":"Nur so viel Frist, o Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1902,"orig":"bis ſie gerettet, Die Lieben Beide!","norm":"bis sie gerettet, die Lieben Beide!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1903,"orig":"Komme dann, was will!","norm":"Komme dann, was will!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1904,"orig":"Ich hörte recht.","norm":"Ich hörte recht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1905,"orig":"Die Stimmen nahen.","norm":"Die Stimmen nahen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1906,"orig":"Helle, Wie Fackelſchein, wächſt gleitend durch die Gänge.","norm":"Helle, wie Fackelschein, wächst gleitend durch die Gänge."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1907,"orig":"Der Fußtritt nah’t.","norm":"Der Fußtritt naht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1908,"orig":"— Stell’ ich den Meutern mich Als Königin entgegen und als Frau?","norm":"— Stell ich den Meutern mich als Königin entgegen und als Frau?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1909,"orig":"Sie ſpotten mein, und thun ihr blut’ges Werk.","norm":"Sie spotten mein, und tun ihr blutiges Werk."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1910,"orig":"Ergreif’ ich dieſes Schwert, den Mantel hier,","norm":"Ergreife ich dieses Schwert, den Mantel hier,"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1911,"orig":"Und kämpf’ als Mann um meine ſüße Beute?","norm":"Und kämpf als Mann um meine süße Beute?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1912,"orig":"Zu ſchwach!","norm":"Zu schwach!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1913,"orig":"— O Gott!","norm":"— O Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1914,"orig":"Kein Einzelner genügt!","norm":"Kein Einzelner genügt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1915,"orig":"D’rum dort hinein!","norm":"Darum dort hinein!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1916,"orig":"Zu warnen, anzutreiben, Beſchleun’gen ihre Flucht — O Gott!","norm":"Zu warnen, anzutreiben, Beschleunigen ihre Flucht — O Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1917,"orig":"Man kommt!","norm":"Man kommt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1918,"orig":"Der Herzog war’s.","norm":"Der Herzog war es."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1919,"orig":"Dort liegt ſein Schwert und Mantel.","norm":"Dort liegt sein Schwert und Mantel."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1920,"orig":"Wirf deinen Dolch!","norm":"Wirf deinen Dolch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1921,"orig":"Gerechter Gott!","norm":"Gerechter Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1922,"orig":"— Mein Bruder!","norm":"— Mein Bruder!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1923,"orig":"Das war des Herzog’s Stimme nicht.","norm":"Das war des Herzogs Stimme nicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1924,"orig":"Nur nach!","norm":"Nur nach!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1925,"orig":"Es ſoll ſich zeigen bald, wer es geweſen!","norm":"Es soll sich zeigen bald, wer es gewesen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1926,"orig":"Dring’t in den Gang, und folg’t der Flücht’gen Spur!","norm":"Dringt in den Gang, und folgt der flüchtigen Spur!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1927,"orig":"Sie können nicht entrinnen; auch von Außen, Vom Graben her, iſt bald der Gang beſetzt.","norm":"Sie können nicht entrinnen; auch von Außen, vom Graben her, ist bald der Gang besetzt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1928,"orig":"Mein reiſig Volk verlegt den Ausgang dort.","norm":"Mein reisig Volk verlegt den Ausgang dort."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1929,"orig":"Was iſt?","norm":"Was ist?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1930,"orig":"Sie ſtirbt.","norm":"Sie stirbt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1931,"orig":"— Es iſt die Königin!","norm":"— Es ist die Königin!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1932,"orig":"Willſt du mein’ ſpotten?","norm":"Willst du meine spotten?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1933,"orig":"Seh’t!","norm":"Seht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1934,"orig":"Bringt Hülfe, ſchnell!","norm":"Bringt Hilfe, Schnell!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1935,"orig":"O, all’ ihr Engel, die ihr Böſes abwehr’t, Steht bei!","norm":"O, all ihr Engel, die ihr Böses abwehrt, steht bei!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1936,"orig":"Ich hab’ die Königin erſchlagen.","norm":"Ich habe die Königin erschlagen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1937,"orig":"Haſt du’s gewollt?","norm":"Hast du es gewollt?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1938,"orig":"Und dann — weil’s doch geſcheh’n, Weil uns der Teufel gaukelnd hier genarrt, Um deſto heißer nach dem Doppelmörder!","norm":"Und dann — weil es doch geschehen, weil uns der Teufel gaukelnd hier genarrt, um desto heißer nach dem Doppelmörder!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1939,"orig":"Ihm nach, der ſie auch tödtete, auch ſie!","norm":"Ihm nach, der sie auch tötete, auch sie!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1940,"orig":"Laſſ’ jetzt die Klage, Bruder!","norm":"Lasse jetzt die Klage, Bruder!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1941,"orig":"räch’ dich erſt!","norm":"Räche dich erst!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1942,"orig":"Hier iſt ſein Weg.","norm":"Hier ist sein Weg."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1943,"orig":"Ich ſchlacht’ ihn allen Beiden.","norm":"Ich schlachte ihn allen Beiden."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1944,"orig":"Schütz’t Euren Herrn!","norm":"Schützt Euren Herrn!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1945,"orig":"Fallt an die frechen Meuter!","norm":"Fallt an die frechen Meuter!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1946,"orig":"Du Herrenknecht!","norm":"Du Herrenknecht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1947,"orig":"Nachtreter ſeiner Laſter!","norm":"Nachtreter seiner Laster!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1948,"orig":"Geh’ dieſes Mal voran, zeig’ ihm den Weg!","norm":"Gehe dieses Mal voran, zeige ihm den Weg!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1949,"orig":"Drängt weg ſie von der Pforte, ab vom Gang!","norm":"Drängt weg sie von der Pforte, ab vom Gang!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1950,"orig":"Raſch, Peter!","norm":"Rasch, Peter!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1951,"orig":"Zieh’ dein Schwert, mach’ reine Bahn!","norm":"Zieh dein Schwert, mache reine Bahn!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1952,"orig":"Dich ſucht’ ich, dich!","norm":"Dich suchte ich, dich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1953,"orig":"Hier bin ich.","norm":"Hier bin ich."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1954,"orig":"Stirb!","norm":"Stirb!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1955,"orig":"Erſt du!","norm":"Erst du!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1956,"orig":"Steck’t ein die Schwerter!","norm":"Steckt ein die Schwerter!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1957,"orig":"Nutzlos Euer Streit!","norm":"Nutzlos Euer Streit!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1958,"orig":"Der Herzog iſt entkommen; war am Ufer, Bevor die Unſern noch den Platz erreicht.","norm":"Der Herzog ist entkommen; war am Ufer, bevor die Unseren noch den Platz erreicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1959,"orig":"Nun dringen Krieger herwärts durch die Wölbung;","norm":"Nun dringen Krieger herwärts durch die Wölbung;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1960,"orig":"Allein, zu ſpät, der Herzog iſt entwiſcht.","norm":"Allein, zu spät, der Herzog ist entwischt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1961,"orig":"Iſt er entwiſcht?","norm":"Ist er entwischt?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1962,"orig":"Nu du entkommſt mir nicht.","norm":"Nu du entkommst mir nicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1963,"orig":"Zur Hölle, ja!","norm":"Zur Hölle, ja!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1964,"orig":"Weh’ mir!","norm":"Weh mir!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1965,"orig":"Der Ausgang iſt beſetzt, und kein Entrinnen.","norm":"Der Ausgang ist besetzt, und kein Entrinnen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1966,"orig":"Man kämpft, man ſicht.","norm":"Man kämpft, man ficht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1967,"orig":"Wo berg’ ich meinen Schatz?","norm":"Wo berge ich meinen Schatz?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1968,"orig":"Ei ja!","norm":"Ei ja!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1969,"orig":"duck’ dich, mein Herrlein!","norm":"duck dich, mein Herrlein!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1970,"orig":"duck’ dich, Kind!","norm":"duck dich, Kind!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1971,"orig":"Der Mantel da hat Raum für Unſer Beide.","norm":"Der Mantel da hat Raum für Unser beide."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1972,"orig":"Und rühr’ dich nicht, und halt’ den Athem an.","norm":"Und rühr dich nicht, und halte den Atem an."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1973,"orig":"Verfolgſt du mich auf jedem meiner Schritte?","norm":"Verfolgst du mich auf jedem meiner Schritte?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1974,"orig":"Stieß ich nicht ein und zwei Mal dich zurück?","norm":"Stieß ich nicht ein und zweimal dich zurück?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1975,"orig":"Wie kamſt du in das Laub?","norm":"Wie kamst du in das Laub?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1976,"orig":"in meinen Weinberg?","norm":"in meinen Weinberg?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1977,"orig":"Wo triebſt du dich herum in dieſen Tagen?","norm":"Wo triebst du dich herum in diesen Tagen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1978,"orig":"Ich dachte längſt, ſie hätten dich gefunden, Geſchlachtet, abgethan, wie du’s verdienſt.","norm":"Ich dachte längst, sie hätten dich gefunden, geschlachtet, abgetan, wie du es verdienst."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1979,"orig":"— Rühr’ mich nicht an, ſonſt brauch’ ich meinen Stock!","norm":"— Rühr mich nicht an, sonst brauche ich meinen Stock!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1980,"orig":"Du Wolf, du Hund, du blut’ger Mörder du!","norm":"Du Wolf, du Hund, du blutiger Mörder du!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1981,"orig":"Was wein’ſt du Herrlein?","norm":"Was weinst du Herrlein?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1982,"orig":"— Ja, dein Füßlein blutet!","norm":"— Ja, dein Füßlein blutet!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1983,"orig":"— Setz’ dich dorthin, und ruh’ ein wenig aus.","norm":"— Setze dich dorthin, und Ruhe ein wenig aus."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1984,"orig":"Nur kurze Friſt, ſo heißt es weiter geh’n;","norm":"Nur kurze Frist, so heißt es weitergehen;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1985,"orig":"Die böſen Menſchen ſind uns auf der Ferſe.","norm":"Die bösen Menschen sind uns auf der Ferse."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1986,"orig":"Was aber nun beginnen?","norm":"Was aber nun beginnen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1987,"orig":"— Großer Gott!","norm":"— Großer Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1988,"orig":"Berühr’ſt du mir das Kind?","norm":"Berührst du mir das Kind?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1989,"orig":"— Ja ſo — Nu, Herzog, Nehmt hier das Tuch, und trocknet ihm den Fuß.","norm":"— Ja so — Nu, Herzog, nehmt hier das Tuch, und trocknet ihm den Fuß."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1990,"orig":"Und wo’s geriz’t, da drückt mir fein gelinde.","norm":"Und wo es geritzt, da drückt mir fein gelinde."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1991,"orig":"— Du blut’ger Mörder, wär’ ich alt und ſchwach nicht, Du ſollteſt mir den Knaben nicht berühren!","norm":"— Du blutiger Mörder, wäre ich alt und schwach nicht, Du solltest mir den Knaben nicht berühren!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1992,"orig":"Und dennoch, Mann des Unheils, ſchickt dich Gott!","norm":"Und dennoch, Mann des Unheils, schickt dich Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1993,"orig":"Laß’t, Herzog, jetzt, und hört mich ſorglich an.","norm":"Lasst, Herzog, jetzt, und hört mich sorglich an."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1994,"orig":"Es gilt, das Kind den Meutern zu entzieh’n, Die nach ihm ſuchen.","norm":"Es gilt, das Kind den Meutern zu entziehen, die nach ihm suchen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1995,"orig":"Ich nun ſelbſt vermag’s nicht, Denn mühſam nur ſchleppt ſich der alte Fuß.","norm":"Ich nun selbst vermag es nicht, denn mühsam nur schleppt sich der alte Fuß."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1996,"orig":"Auch ruft die Pflicht mich nach der Stadt zurück;","norm":"Auch ruft die Pflicht mich nach der Stadt zurück;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1997,"orig":"Dort will ich noch zum letztenmal verſuchen, Was Treue kann im Streit mit blinder Wuth.","norm":"Dort will ich noch zum letzten Mal versuchen, was Treue kann im Streit mit blinder Wut."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1998,"orig":"Nimm du das Kind, und flieh!","norm":"Nimm du das Kind, und fliehe!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":1999,"orig":"Wenn ſie dich fangen, So biſt du todt.","norm":"Wenn sie dich fangen, so bist du tot."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2000,"orig":"Dir zwar geſchäh’ dein Recht, Doch meines Herren Söhnlein muß ich hüten.","norm":"Dir zwar geschähe dein Recht, doch meines Herren Söhnlein muss ich hüten."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2001,"orig":"Sorg’ alſo, daß du jenen Wald erreich’ſt, Der quer ſich hinzieh’t zu den weitſten Fernen.","norm":"Sorge also, dass du jenen Wald erreichst, der quer sich hinzieht zu den weitesten Fernen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2002,"orig":"Dort harr’, im Dickicht lauernd, meiner Botſchaft, Und wenn ſie dir nicht wird in dreien Tagen, So halte mich für todt, und rette dich;","norm":"Dort harre, im Dickicht lauernd, meiner Botschaft, und wenn sie dir nicht wird in drei Tagen, so halte mich für tot, und rette dich;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2003,"orig":"Vielmehr, den Knaben rette, blut’ger Mörder!","norm":"Vielmehr, den Knaben rette, blutiger Mörder!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2004,"orig":"Sonſt klag’ ich dich vor jenem Richter an, Wo ſchwarz du ohnehin biſt, ſchwarz, wie Kohle.","norm":"Sonst klage ich dich vor jenem Richter an, wo schwarz du ohnehin bist, schwarz, wie Kohle."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2005,"orig":"Bleib noch, du Mann des Blut’s!","norm":"Bleib noch, du Mann des Bluts!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2006,"orig":"Hört dieß noch, Herzog!","norm":"Hört dies noch, Herzog!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2007,"orig":"Renn’t nicht in einem Lauf bis hin zum Walde;","norm":"Rennt nicht in einem Lauf bis hin zum Walde;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2008,"orig":"Der Raum iſt groß, und leicht gewahrt man Euch.","norm":"Der Raum ist groß, und leicht gewahrt man Euch."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2009,"orig":"Sieh’ an den Rebenhügeln hier und dort Die Haufen Reiſig, nah bei wilde Roſen, Dort duck’ dich unter, bette dich in Dornen, Mach’ deinen Leib zum Pfühl für dieſes Kind.","norm":"Sieh an den Rebenhügeln hier und dort die Haufen Reisig, nahbei wilde Rosen, dort duck dich unter, bette dich in Dornen, Mache deinen Leib zum Pfühl für dieses Kind."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2010,"orig":"Erſt, wenn du rings gelauſcht, ob Alles ruhig, Dann komm’ hervor, und flieh’ von Buſch zu Buſch, Bis Euch der Wald umfängt.","norm":"Erst, wenn du rings gelauscht, ob alles ruhig, dann komme hervor, und fliehe von Busch zu Busch, bis Euch der Wald umfängt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2011,"orig":"Verſteh’ſt du, Mörder?","norm":"Verstehst du, Mörder?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2012,"orig":"— Nun, Herzog, nehm’t das Kind, und ſeh’t Euch vor.","norm":"— Nun, Herzog, nehmt das Kind, und seht Euch vor."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2013,"orig":"Ich dacht’ Euch mir ſchon viele Meilen weit!","norm":"Ich dachte Euch mir schon viele Meilen weit!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2014,"orig":"Dank’t immer Gott, der Euch vergönnt ein Tröpflein Von Gut zu thun in Euer Meer von Böſem.","norm":"Dankt immer Gott, der Euch vergönnt ein Tröpflein von Gut zu tun in Euer Meer von Bösem."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2015,"orig":"Der Knabe trägt in ſeinen Taſchen Brod, Das rühr’t nicht an!","norm":"Der Knabe trägt in seinen Taschen Brot, das rührt nicht an!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2016,"orig":"Das ſoll für ihn.","norm":"Das soll für ihn."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2017,"orig":"Ihr ſelber Such’t Beeren Euch, und fehlen die, ſo hungert, Es iſt Euch nütz, wenn Ihr den Leib kaſtei’t.","norm":"Ihr selber Sucht Beeren Euch, und fehlen die, so hungert, es ist Euch nütz, wenn Ihr den Leib kasteit."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2018,"orig":"Dort, Herzog, dort!","norm":"Dort, Herzog, dort!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2019,"orig":"Und ſeyd Ihr auf der Höhe, So lauf’t, was Ihr vermög’t.","norm":"Und seid Ihr auf der Höhe, so lauft, was Ihr vermögt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2020,"orig":"— Man kommt!","norm":"— Man kommt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2021,"orig":"— Mach’t fort!","norm":"— Macht fort!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2022,"orig":"Wer da?","norm":"Wer da?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2023,"orig":"Halt!","norm":"Halt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2024,"orig":"Du, ſchieß’ nicht!","norm":"Du, schieße nicht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2025,"orig":"Dein Bischen Leben Wär’ viel zu arm als Preis für ſolchen Schuß!","norm":"Dein Bisschen Leben wäre viel zu arm als Preis für solchen Schuss!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2026,"orig":"Wer biſt du?","norm":"Wer bist du?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2027,"orig":"und wer hat dich hergeſtellt?","norm":"und wer hat dich hergestellt?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2028,"orig":"Die Vorwacht halt’ ich, und — geb’t Euch gefangen!","norm":"Die Vorwacht halte ich, und — gebt Euch gefangen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2029,"orig":"Gefangen, ich?","norm":"Gefangen, ich?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2030,"orig":"Gib du dich ſelbſt gefangen!","norm":"Gib du dich selbst gefangen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2031,"orig":"— Du Schelm!","norm":"— Du Schelm!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2032,"orig":"Die Vorwacht hältſt du?","norm":"Die Vorwacht hältst du?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2033,"orig":"Und für wen?","norm":"Und für wen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2034,"orig":"Für jene Meuter, Friedensſtörer?","norm":"Für jene Meuter, Friedensstörer?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2035,"orig":"— Räuber, Mein guter Schurke, ſtellen Kundſchaft aus, Nicht Vorwacht, ſo wie ehrlich wack’re Krieger.","norm":"— Räuber, Mein guter Schurke, stellen Kundschaft aus, nicht Vorwacht, so wie ehrlich wackere Krieger."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2036,"orig":"Vorwacht!","norm":"Vorwacht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2037,"orig":"— Wie heiß’t denn Euer Loſungswort?","norm":"— Wie heißt denn Euer Losungswort?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2038,"orig":"— Wirſt du nicht reden?","norm":"— Wirst du nicht reden?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2039,"orig":"— Schurke!","norm":"— Schurke!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2040,"orig":"Kenn’ſt du mich?","norm":"Kennst du mich?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2041,"orig":"Ich bin Bancban, der Diener deines Herrn.","norm":"Ich bin Bancban, der Diener deines Herrn."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2042,"orig":"Wie heißt die Loſung?","norm":"Wie heißt die Losung?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2043,"orig":"— Kehrt mein König heim, So laß’ ich dich in hundert Stücke ſchneiden.","norm":"— Kehrt mein König heim, so lass ich dich in hundert Stücke schneiden."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2044,"orig":"Wie heißt das Loſungswort?","norm":"Wie heißt das Losungswort?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2045,"orig":"Ungarn, und Ruhm!","norm":"Ungarn, und Ruhm!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2046,"orig":"Ungarn und Ruhm.","norm":"Ungarn und Ruhm."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2047,"orig":"Ein altes, wack’res Paar!","norm":"Ein altes, wackeres Paar!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2048,"orig":"Ihr trenntet ſie, doch nicht auf lange, hoff’ ich.","norm":"Ihr trenntet sie, doch nicht auf lange, hoffe ich."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2049,"orig":"— Geh’ wieder nur auf deinen Platz und ſchweig!","norm":"— Gehe wieder nur auf deinen Platz und schweige!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2050,"orig":"Vielleicht, daß dieſe Stunde dir noch frommt.","norm":"Vielleicht, dass diese Stunde dir noch frommt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2051,"orig":"Wer da?","norm":"Wer da?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2052,"orig":"Ei frag’ den Henker du!","norm":"Ei frag den Henker du!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2053,"orig":"Wer da?","norm":"Wer da?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2054,"orig":"Ungarn und Ruhm.","norm":"Ungarn und Ruhm."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2055,"orig":"Wenn’s nur denn ſeyn doch muß!","norm":"Wenn es nur denn sein doch muss!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2056,"orig":"Bancbanus!","norm":"Bancbanus!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2057,"orig":"— Herr!","norm":"— Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2058,"orig":"Ich weiß nicht, darf ich Euch Einlaſſen nach der Stadt?","norm":"Ich weiß nicht, darf ich Euch Einlassen nach der Stadt?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2059,"orig":"Indeß Ihr zweifelt, Geh’ ich nur meines Weg’s.","norm":"Indes Ihr zweifelt, Gehe ich nur meines Wegs."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2060,"orig":"Bancban!","norm":"Bancban!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2061,"orig":"Noch Einer?","norm":"Noch Einer?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2062,"orig":"Das iſt wohl gar eines Verräthers Stimme?","norm":"Das ist wohl gar eines Verräters Stimme?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2063,"orig":"Lauf, Peter, lauf!","norm":"Lauf, Peter, Lauf!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2064,"orig":"Du kommſt wohl noch an’s Ziel.","norm":"Du kommst wohl noch ans Ziel."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2065,"orig":"Pfui, über alle Schelmen!","norm":"Pfui, über alle Schelmen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2066,"orig":"Soll ich, Herr!","norm":"Soll ich, Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2067,"orig":"Zurück ihn halten?","norm":"Zurück ihn halten?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2068,"orig":"Laß’ ihn!","norm":"Lass ihn!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2069,"orig":"— Daß er Recht hat!","norm":"— Dass er Recht hat!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2070,"orig":"Daß ich mir’s ſelbſt in meinem Innern ſage!","norm":"Dass ich mir es selbst in meinem Inneren sage!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2071,"orig":"Ein Schurk’ und ein Verräther!","norm":"Ein Schurke und ein Verräter!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2072,"orig":"Großer Gott!","norm":"Großer Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2073,"orig":"Ein Mörder noch dazu.","norm":"Ein Mörder noch dazu."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2074,"orig":"— O, meine Hände!","norm":"— O, meine Hände!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2075,"orig":"Allein, der Herzog — laßt ihn uns verfolgen!","norm":"Allein, der Herzog — lasst ihn uns verfolgen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2076,"orig":"Des König’s Sohn iſt uns ein theures Pfand, Als Geißel wichtig, kehrt der Vater wieder.","norm":"Des Königs Sohn ist uns ein teures Pfand, als Geisel wichtig, kehrt der Vater wieder."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2077,"orig":"Thut, was Ihr woll’t, nur laß’t mich!","norm":"Tut, was Ihr wollt, nur lasst mich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2078,"orig":"Seht, dort d’rüben, Dort läuft ein Mann, er trägt, ſo ſcheint’s, ein Kind.","norm":"Seht, dort drüben, dort läuft ein Mann, er trägt, so scheint es, ein Kind."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2079,"orig":"Der Herzog iſt’s.","norm":"Der Herzog ist es."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2080,"orig":"Man folgt ihm.","norm":"Man folgt ihm."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2081,"orig":"— Jetzt und jetzt!","norm":"— Jetzt und jetzt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2082,"orig":"Sie haben ihn!","norm":"Sie haben ihn!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2083,"orig":"Noch nicht!","norm":"Noch nicht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2084,"orig":"— Eil’t ihr hinauf, Verrenn’t ihm hier den Weg!","norm":"— Eilt ihr hinauf, verrennt ihm hier den Weg!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2085,"orig":"— Nun aber — halt!","norm":"— Nun aber — halt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2086,"orig":"— Er ſpringt — er ſprang vom Felſen — Walt’ es Gott!","norm":"— Er springt — er sprang vom Felsen — Walte es Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2087,"orig":"Schnell hin und ſeh’t und ſorg’t.","norm":"Schnell hin und seht und sorgt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2088,"orig":"Mein beſtes Habe Dem, der mir ſagt, ſie blieben unverletz’t.","norm":"Mein bestes Habe dem, der mir sagt, sie blieben unverletzt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2089,"orig":"Haſt du geſeh’n?","norm":"Hast du gesehen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2090,"orig":"Du auch?","norm":"Du auch?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2091,"orig":"Der Herzog ſtürzte.","norm":"Der Herzog stürzte."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2092,"orig":"Laſſ’ ſtürzen!","norm":"Lasse stürzen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2093,"orig":"Anderes gibt’s nun zu ſchauen.","norm":"Anderes gibt es nun zu schauen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2094,"orig":"Der König kommt.","norm":"Der König kommt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2095,"orig":"Der König?","norm":"Der König?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2096,"orig":"Sammt dem Heer!","norm":"Samt dem Heer!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2097,"orig":"Ich ſah im Thal ſchon ihre Speere blitzen.","norm":"Ich sah im Tal schon ihre Speere blitzen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2098,"orig":"Bancbanus iſt bei ihm.","norm":"Bancbanus ist bei ihm."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2099,"orig":"Bancban?","norm":"Bancban?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2100,"orig":"So heißt’s.","norm":"So heißt es."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2101,"orig":"Er ging nur eben nach der Stadt.","norm":"Er ging nur eben nach der Stadt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2102,"orig":"Und du, Du ließeſt ihn?","norm":"Und du, Du ließest ihn?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2103,"orig":"Warum?","norm":"Warum?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2104,"orig":"Daß uns ſein Wort Die furchtſamen, die wankenden Gemüther Abwendet völlig, da der König nah’?","norm":"Dass uns sein Wort die furchtsamen, die wankenden Gemüter abwendet völlig, da der König nah?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2105,"orig":"Eil’t Ihr zur Stadt, und treff’t Ihr meinen Bruder, Bring’t ihn zurück, mit Güte, mit Gewalt.","norm":"Eilt Ihr zur Stadt, und trefft Ihr meinen Bruder, bringt ihn zurück, mit Güte, mit Gewalt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2106,"orig":"Der König alſo naht!","norm":"Der König also naht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2107,"orig":"Wir ſind verloren!","norm":"Wir sind verloren!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2108,"orig":"Biſt du verloren?","norm":"Bist du verloren?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2109,"orig":"Ich, ich bin’s noch nicht.","norm":"Ich, ich bin es noch nicht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2110,"orig":"Noch bleibt uns dieſe Stadt, im Lande Mancher, Den gleiche Schuld auf gleichen Bahnen hält.","norm":"Noch bleibt uns diese Stadt, im Lande mancher, den gleiche Schuld auf gleichen Bahnen hält."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2111,"orig":"Der König mag Verzeihung erſt gewähren, Dann öffnen wir die Pforten, eher nicht, Und Krieg mag wüthen, Krieg —","norm":"Der König mag Verzeihung erst gewähren, dann öffnen wir die Pforten, eher nicht, und Krieg mag wüten, Krieg —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2112,"orig":"Horch!","norm":"Horch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2113,"orig":"Seine Boten, Des Königs Boten.","norm":"Seine Boten, des Königs Boten."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2114,"orig":"Bruder, Faſſung nun!","norm":"Bruder, Fassung nun!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2115,"orig":"Unglückliche!","norm":"Unglückliche!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2116,"orig":"Verblendete!","norm":"Verblendete!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2117,"orig":"Verlockte!","norm":"Verlockte!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2118,"orig":"Zu jenen nicht, zu mir mit Euren Worten!","norm":"Zu jenen nicht, zu mir mit Euren Worten!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2119,"orig":"Sie folgen, wie zum Streit’, mir zum Vergleich!","norm":"Sie folgen, wie zum Streite, mir zum Vergleich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2120,"orig":"Doch ſeh’ ich Reue hier, bei dir nur Trotz.","norm":"Doch sehe ich Reue hier, bei dir nur Trotz."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2121,"orig":"Ich liebe, daß man vor der That erwäge, Nachher ertrage, was die Folge beut.","norm":"Ich liebe, dass man vor der Tat erwäge, nachher ertrage, was die Folge beute."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2122,"orig":"Wen reu’t, was er gethan, fehlt zwei Mal:","norm":"Wen reut, was er getan, fehlt zweimal:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2123,"orig":"Weil er’s gethan, und dann, weil’s ihn gereu’t.","norm":"Weil er das getan, und dann, weil es ihn gereut."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2124,"orig":"Doch will ich wohl mich auf Bedingung geben, Ein neuer Umſtand ändert den Verhalt.","norm":"Doch will ich wohl mich auf Bedingung geben, ein neuer Umstand ändert den Verhalt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2125,"orig":"Ich zog das Schwert, weil man mir Recht verweigert, Spricht uns der König Recht, ſo ſteck’ ich’s ein.","norm":"Ich zog das Schwert, weil man mir Recht verweigert, spricht uns der König Recht, so Stecke ich es ein."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2126,"orig":"Für’s Erſte alſo:","norm":"Fürs Erste also:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2127,"orig":"Strafe jener That, Die blutig lebt in jedes Mann’s Gedenken.","norm":"Strafe jener Tat, die blutig lebt in jedes Manns Gedenken."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2128,"orig":"Hab’t Ihr mit Blute Blut nicht aufgewogen?","norm":"Habt Ihr mit Blute Blut nicht aufgewogen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2129,"orig":"Und dann — heißt Euer König der Gerechte, Und haſt du doch gezittert um dein Recht?","norm":"Und dann — heißt Euer König der Gerechte, und hast du doch gezittert um dein Recht?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2130,"orig":"Demnächſt Verzeihung, unbedingt und völlig, Für Jeden, der das Schwert in unſ’rer Sache zog.","norm":"Demnächst Verzeihung, unbedingt und völlig, für jeden, der das Schwert in unserer Sache zog."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2131,"orig":"Der König aber fordert Unterwerfung, So unbedingt und völlig, als das Wort.","norm":"Der König aber fordert Unterwerfung, so unbedingt und völlig, als das Wort."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2132,"orig":"Wem zu verzeih’n, wird ſeine Huld entſcheiden.","norm":"Wem zu verzeihen, wird seine Huld entscheiden."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2133,"orig":"So wiſſe denn:","norm":"So wisse denn:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2134,"orig":"Eh’ feig wir uns ergeben, Und anders, denn auf billigen Vergleich, Eh’ ſoll mein Haupt, wie dieſer ſchlechte Filz,","norm":"Ehe feig wir uns ergeben, und anders, denn auf billigen Vergleich, Ehe soll mein Haupt, wie dieser schlechte Filz,"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2135,"orig":"Hinkollern auf den Boden, ſo geſtoßen, Eh’ ſoll mein Schwert,","norm":"Hinkollern auf den Boden, so gestoßen, Ehe soll mein Schwert,"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2136,"orig":"Von meinem Blute naß, Zur Scheide haben dies mein Eingeweide, Einſtürzen jene Stadt mit ihren Zinnen, Vom Brande ſchwarz, von Hunger menſchenleer Auf unſer Haupt, und auf der Unſern Häupter;","norm":"Von meinem Blute nass, zur Scheide haben dies mein Eingeweide, Einstürzen jene Stadt mit ihren Zinnen, vom Brande schwarz, von Hunger menschenleer auf unser Haupt, und auf der unseren Häupter;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2137,"orig":"Eh’ ſoll —","norm":"Ehe soll —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2138,"orig":"Ach Herr!","norm":"Ach Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2139,"orig":"mein Herr!","norm":"mein Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2140,"orig":"Wer ſtört mich?","norm":"Wer stört mich?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2141,"orig":"Willſt du ſterben?","norm":"Willst du sterben?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2142,"orig":"Ach, Wichtiges —","norm":"Ach, Wichtiges —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2143,"orig":"Was iſt nun wichtig ſonſt?","norm":"Was ist nun wichtig sonst?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2144,"orig":"Im Innern Eurer Stadt —","norm":"Im Inneren Eurer Stadt —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2145,"orig":"Sprich leiſe!","norm":"Sprich leise!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2146,"orig":"Brütet Gährung.","norm":"Brütet Gärung."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2147,"orig":"Des König’s Ankunft, furchtſame Gerüchte —","norm":"Des Königs Ankunft, furchtsame Gerüchte —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2148,"orig":"Wo iſt Bancban?","norm":"Wo ist Bancban?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2149,"orig":"Die Euren haben ihn.","norm":"Die Euren haben ihn."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2150,"orig":"Sie fingen ihn am Markt.","norm":"Sie fingen ihn am Markt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2151,"orig":"Allein das Volk, Zu dem er rief, wogt tobend um ihn her, Und wehr’t Ihr nicht, ſie machen ihn noch frei.","norm":"Allein das Volk, zu dem er rief, wogt tobend um ihn her, und wehrt Ihr nicht, sie machen ihn noch frei."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2152,"orig":"Er, oder ich!","norm":"Er, oder ich!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2153,"orig":"Es gilt das Aeußerſte.","norm":"Es gilt das Äußerste."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2154,"orig":"Geh’ du mit dieſem.","norm":"Gehe du mit diesem."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2155,"orig":"Laß’ von ihm dir ſagen.","norm":"Lass von ihm dir sagen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2156,"orig":"Bald folg’ ich ſelbſt.","norm":"Bald folge ich selbst."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2157,"orig":"Und eh’ Bancban du los gibſt, Hab’ ihn das Grab, dich, mich, uns Alle!","norm":"Und ehe Bancban du losgibst, Habe ihn das Grab, dich, mich, uns alle!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2158,"orig":"Man meldet mir — und doch, wozu der Lüge?","norm":"Man meldet mir — und doch, wozu der Lüge?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2159,"orig":"Was auch geſcheh’n und was der Pöbel mein’t, Der Entſchluß bleibt der größern, beſſern Menge, Und der heißt Krieg, heißt Widerſtand, wenn Ihr Verzeihung nicht gewährt, vollgilt’ge Gnade.","norm":"Was auch geschehen und was der Pöbel meint, der Entschluss bleibt der größeren, besseren Menge, und der heißt Krieg, heißt Widerstand, wenn Ihr Verzeihung nicht gewährt, vollgültige Gnade."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2160,"orig":"Dir Gnade mit dem Schwert!","norm":"Dir Gnade mit dem Schwert!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2161,"orig":"Nun denn, ſo habt’s!","norm":"Nun denn, so habt es!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2162,"orig":"Zieht Euch zurück, und Keiner trete vor, Und Keiner ſpreche hier mit dieſem Mann.","norm":"Zieht Euch zurück, und keiner trete vor, und keiner spreche hier mit diesem Mann."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2163,"orig":"Zurück!","norm":"Zurück!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2164,"orig":"Wer vorgeht, fühlt mein ſcharfes Eiſen.","norm":"Wer vorgeht, fühlt mein scharfes Eisen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2165,"orig":"Ich will die Nachhut halten, und mein Säbel","norm":"Ich will die Nachhut halten, und mein Säbel"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2166,"orig":"Soll dir den Abſtand zeigen, der ſich ziemt Für einen Boten, der du biſt, der Schande.","norm":"Soll dir den Abstand zeigen, der sich ziemt für einen Boten, der du bist, der Schande."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2167,"orig":"Nur fort, mit raſchem Schritt.","norm":"Nur fort, mit raschem Schritt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2168,"orig":"— Du bleib zurück.","norm":"— Du bleibe zurück."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2169,"orig":"O, ſchmerzenvoller Anblick!","norm":"O, schmerzenvoller Anblick!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2170,"orig":"Meine Kinder, Sie flieh’n vor mir, ſie flieh’n vor ihrem Vater.","norm":"Meine Kinder, Sie fliehen vor mir, sie fliehen vor ihrem Vater."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2171,"orig":"Halt ein!","norm":"Halt ein!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2172,"orig":"Zu viel!","norm":"Zu viel!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2173,"orig":"Schon’t Eurer Brüder Blut!","norm":"Schont Eurer Brüder Blut!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2174,"orig":"Bis Alles erſt verſucht, das Letzte fruchtlos.","norm":"Bis alles erst versucht, das Letzte fruchtlos."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2175,"orig":"Bin ich in meinem Land?","norm":"Bin ich in meinem Land?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2176,"orig":"Iſt dies mein Volk?","norm":"Ist dies mein Volk?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2177,"orig":"Wenn ſonſt ich heim aus fernen Kriegen kam, Wie drängte ſich der Schwarm in meinen Weg, Mit Jubelruf, mit Dank- mit Freudenthränen;","norm":"Wenn sonst ich heim aus fernen Kriegen kam, wie drängte sich der Schwarm in meinen Weg, mit Jubelruf, mit Dank- mit Freudentränen;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2178,"orig":"Und weſſen Aug’ des König’s Auge traf, Der war ein Glücklicher, der Neid der Andern.","norm":"Und wessen Auge des Königs Auge traf, der war ein Glücklicher, der Neid der Anderen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2179,"orig":"Nun ſchließen ſie das Thor, und von den Zinnen Blink’t Speer an Speer mir ſeinen trotz’gen Gruß.","norm":"Nun schließen sie das Tor, und von den Zinnen blinkt Speer an Speer mir seinen trotzigen Gruß."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2180,"orig":"Hier war der Ort, da kam ſie mir entgegen, Mit ihrem Sohn, mein Weib, mein theures Weib!","norm":"Hier war der Ort, da kam sie mir entgegen, mit ihrem Sohn, mein Weib, mein teures Weib!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2181,"orig":"Nun iſt ſie todt, und ungewiſſes Bangen Wird mir als Antwort, frag’ ich um den Sohn.","norm":"Nun ist sie tot, und ungewisses Bangen wird mir als Antwort, frag ich um den Sohn."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2182,"orig":"— Bancban!","norm":"— Bancban!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2183,"orig":"Bancban!","norm":"Bancban!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2184,"orig":"Wie haſt du mich getäuſcht Um mein Vertrau’n, das ich auf dich gewendet!","norm":"Wie hast du mich getäuscht Um mein Vertrauen, das ich auf dich gewendet!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2185,"orig":"Und haben ſie das Aergſte dir gethan;","norm":"Und haben sie das Ärgste dir getan;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2186,"orig":"Ich dachte dich, den Mann, zu ſteh’n dem Aergſten!","norm":"Ich dachte dich, den Mann, zu stehen dem Ärgsten!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2187,"orig":"Wer kommt?","norm":"Wer kommt?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2188,"orig":"Was iſt?","norm":"Was ist?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2189,"orig":"— Haſt den Rebellen du Mein Wort verkündet?","norm":"— Hast den Rebellen du Mein Wort verkündet?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2190,"orig":"Ja, o Herr!","norm":"Ja, o Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2191,"orig":"Wie nun?","norm":"Wie nun?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2192,"orig":"Sie weigern ſich.","norm":"Sie weigern sich."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2193,"orig":"Verzeihung fordern ſie.","norm":"Verzeihung fordern sie."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2194,"orig":"Verzeihung?","norm":"Verzeihung?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2195,"orig":"Mit den Waffen in der Hand?","norm":"Mit den Waffen in der Hand?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2196,"orig":"Wer ſie nicht ablegt iſt ein Mann des Todes.","norm":"Wer sie nicht ablegt ist ein Mann des Todes."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2197,"orig":"Ergebung fordr’ ich, voll und unbedingt.","norm":"Ergebung fordere ich, voll und unbedingt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2198,"orig":"Dann ſoll, wie Gottes Stimme in dem Garten, Die Gnade wandeln durch gebückte Reih’n, Nur zögernd ſtrafen, und, wie gern, verzeih’n.","norm":"Dann soll, wie Gottes Stimme in dem Garten, die Gnade wandeln durch gebückte Reihen, nur zögernd strafen, und, wie gern, verzeihen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2199,"orig":"Sie wollen nicht?","norm":"Sie wollen nicht?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2200,"orig":"Nun denn, ſo laß’t ſie müſſen!","norm":"Nun denn, so lasst sie müssen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2201,"orig":"Stell’t die Balliſten auf, das Sturmzeug ordnet!","norm":"Stellt die Ballisten auf, das Sturmzeug ordnet!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2202,"orig":"Mit wiederholtem Stoß bedrängt die Stadt, Bis ihre Steine ächzen, Thürme nicken, Und die Erweichung allgemach und endlich Sich fortpflanzt bis in ein Empörerherz.","norm":"Mit wiederholtem Stoß bedrängt die Stadt, bis ihre Steine ächzen, Türme nicken, und die Erweichung allgemach und endlich sich fortpflanzt bis in ein Empörerherz."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2203,"orig":"Wenn Morgen hoch die Sonn’ im Mittag ſteh’t, Will ausruh’n ich im Innern jener Mauern.","norm":"Wenn Morgen hoch die Sonne im Mittag steht, will ausruhen ich im Inneren jener Mauern."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2204,"orig":"— Was habt Ihr ſonſt erforſcht?","norm":"— Was habt Ihr sonst erforscht?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2205,"orig":"Es war nicht möglich Mehr zu erkunden, denn man ſtand nicht Rede.","norm":"Es war nicht möglich Mehr zu erkunden, denn man stand nicht Rede."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2206,"orig":"Doch heißt es: daß im Innern ihrer Stadt Entzweiung herrſche.","norm":"Doch heißt es: dass im Inneren ihrer Stadt Entzweiung herrsche."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2207,"orig":"Auch, den Mauern nah’ Vernahm ich Lärm von Stimmen, welche ſtritten, Ja, ſelbſt Geklirr von Waffen.","norm":"Auch, den Mauern nah vernahm ich Lärm von Stimmen, welche stritten, Ja, selbst Geklirr von Waffen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2208,"orig":"Und Bancbanus, Wo weilet er?","norm":"Und Bancbanus, wo weilet er?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2209,"orig":"Verſchieden geh’t die Rede.","norm":"Verschieden geht die Rede."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2210,"orig":"Die Einen nennen ihn gefangen, todt;","norm":"Die Einen nennen ihn gefangen, tot;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2211,"orig":"Die Andern laſſen ihn, als Haupt des Aufruhr’s, Sich ſtellen ſelbſt an der Empörer Spitze, Und glaublich ſchein’t es faſt, wenn man bedenk’t —","norm":"Die Anderen lassen ihn, als Haupt des Aufruhrs, sich stellen selbst an der Empörer Spitze, und glaublich scheint es fast, wenn man bedenkt —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2212,"orig":"Ich aber ſage:","norm":"Ich aber sage:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2213,"orig":"Bancbanus ein Verräther?","norm":"Bancbanus ein Verräter?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2214,"orig":"Schlimm genug, Wenn er nicht wehrte, wo die Andern thaten.","norm":"Schlimm genug, wenn er nicht wehrte, wo die Anderen taten."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2215,"orig":"Doch er Verräther?","norm":"Doch er Verräter?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2216,"orig":"Nun, dann bin ich’s auch, Dann ſind wir’s Alle.","norm":"Nun, dann bin ich es auch, dann sind wir es alle."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2217,"orig":"Nein, Bancbanus nicht!","norm":"Nein, Bancbanus nicht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2218,"orig":"Befehlt Ihr ſonſt —?","norm":"Befehlt Ihr sonst —?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2219,"orig":"Bereitet Euch zum Angriff!","norm":"Bereitet Euch zum Angriff!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2220,"orig":"Iſt ſonſt noch Jemand?","norm":"Ist sonst noch jemand?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2221,"orig":"— Wer ſind dieſe hier?","norm":"— Wer sind diese hier?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2222,"orig":"Zwei Ritter vom Gefolge Herzog Otto’s, Eu’r Gnaden Schwager, ſuchend ihren Herrn.","norm":"Zwei Ritter vom Gefolge Herzog Ottos, Euer Gnaden Schwager, suchend ihren Herrn."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2223,"orig":"O, heißt ſie geh’n, die fert’gen Schuldgenoſſen Von ſeiner laſterhaften Jugend.","norm":"O, heißt sie gehen, die fertigen Schuldgenossen von seiner lasterhaften Jugend."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2224,"orig":"Fort!","norm":"Fort!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2225,"orig":"Wie gräbt Erinnerung mit blut’gen Zügen, Und zeigt, was ich verſeh’n, wie ich gefehlt.","norm":"Wie gräbt Erinnerung mit blutigen Zügen, und zeigt, was ich versehen, wie ich gefehlt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2226,"orig":"Unſittlichkeit!","norm":"Unsittlichkeit!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2227,"orig":"Du allgefräſſ’ger Krebs, Du Wurm an alles Wohlſeyns tiefſten Wurzeln, Du Raupe an des Staates Lebensmark!","norm":"Du allgefräßiger Krebs, Du Wurm an alles Wohlseins tiefsten Wurzeln, Du Raupe an des Staates Lebensmark!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2228,"orig":"Warum ließ ich beim Scheiden dich zurück?","norm":"Warum ließ ich beim Scheiden dich zurück?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2229,"orig":"Warum zertrat ich nicht, verwies dich?","norm":"Warum zertrat ich nicht, verwies dich?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2230,"orig":"Wie ſchlecht verwahrtes Feuer gingſt du auf, Und fraßeſt all mein Haus, mein Heil, mein Glück!","norm":"Wie schlecht verwahrtes Feuer gingst du auf, und fraßest all mein Haus, mein Heil, mein Glück!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2231,"orig":"Ich will nicht ſtrafen, heißt ſie kehren heim, Nie mehr dies Land entweih’n mit ihrem Fuß.","norm":"Ich will nicht strafen, heißt sie kehren heim, nie mehr dies Land entweihen mit ihrem Fuß."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2232,"orig":"Ach, Herr!","norm":"Ach, Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2233,"orig":"mein Herr!","norm":"mein Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2234,"orig":"Der Feind thut einen Ausfall.","norm":"Der Feind tut einen Ausfall."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2235,"orig":"Biſt du nicht klug?","norm":"Bist du nicht klug?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2236,"orig":"Ich ſeh’ das Thor geöffnet, Und Mann an Mann, mit Lanzen, Fackeln, Herr!","norm":"Ich sehe das Tor geöffnet, und Mann an Mann, mit Lanzen, Fackeln, Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2237,"orig":"Es gilt dem Sturmgeräth’.","norm":"Es gilt dem Sturmgerät."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2238,"orig":"Seh’t Ihr nicht vor, So ſtecken ſie’s in Brand.","norm":"Seht Ihr nicht vor, so stecken sie es in Brand."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2239,"orig":"Nun denn, es ſey!","norm":"Nun denn, es sei!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2240,"orig":"Führt ſie ihr Unſinn ſelber in’s Verderben.","norm":"Führt sie ihr Unsinn selber ins Verderben."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2241,"orig":"Noch immer fort.","norm":"Noch immer fort."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2242,"orig":"— Ein endlos dichter Haufen.","norm":"— Ein endlos dichter Haufen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2243,"orig":"Die Vorderſten verbirgt der Hohlweg ſchon;","norm":"Die Vordersten verbirgt der Hohlweg schon;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2244,"orig":"Doch ſtets erneu’t, ſtrömt’s aus den offnen Pforten.","norm":"Doch stets erneut, strömt es aus den offenen Pforten."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2245,"orig":"Bleibt Ihr zurück!","norm":"Bleibt Ihr zurück!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2246,"orig":"Mir widert’s, die Verworrnen Dahin zu ſchlachten, ihrer Thorheit Opfer.","norm":"Mir widert es, die Verworrenen Dahinzuschlachten, ihrer Torheit Opfer."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2247,"orig":"Ich will mich ihnen ſtellen, ich, ihr König;","norm":"Ich will mich ihnen stellen, ich, ihr König;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2248,"orig":"Und wer es wagt, der mag mein Gegner ſeyn!","norm":"Und wer es wagt, der mag mein Gegner sein!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2249,"orig":"Bleibt Ihr zurück, ich will’s.","norm":"Bleibt Ihr zurück, Ich will es."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2250,"orig":"Doch ha!","norm":"Doch ha!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2251,"orig":"ſteht ihnen Die Hölle bei mit ihren dunklen Geiſtern?","norm":"Steht ihnen die Hölle bei mit ihren dunkeln Geistern?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2252,"orig":"Das ſind die Weiber meiner hingeſchied’nen Frau.","norm":"Das sind die Weiber meiner hingeschiedenen Frau."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2253,"orig":"Ihr Thoren, ſtachelt Ihr noch auf die Rache?","norm":"Ihr Toren, stachelt Ihr noch auf die Rache?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2254,"orig":"Noch mehr der Trauer?","norm":"Noch mehr der Trauer?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2255,"orig":"— Wer ſind dieſe da?","norm":"— Wer sind diese da?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2256,"orig":"Bancbanus Farben trägt man ihnen vor.","norm":"Bancbanus Farben trägt man ihnen vor."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2257,"orig":"Auch ſeine Frau ward — Sie iſt auch geſtorben.","norm":"Auch seine Frau wurde — sie ist auch gestorben."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2258,"orig":"Ich weiß!","norm":"Ich weiß!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2259,"orig":"Ich weiß!","norm":"Ich weiß!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2260,"orig":"— O himmliſcher Vergelter!","norm":"— O himmlischer Vergelter!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2261,"orig":"Kann ich nicht zürnen?","norm":"Kann ich nicht zürnen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2262,"orig":"und bin ſo verletzt!","norm":"und bin so verletzt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2263,"orig":"Knie’ nieder, Simon!","norm":"Knie nieder, Simon!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2264,"orig":"— Simon, beug’ dein Knie!","norm":"— Simon, beuge dein Knie!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2265,"orig":"Es iſt dein Herr, du kannſt es ohne Schande.","norm":"Es ist dein Herr, du kannst es ohne Schande."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2266,"orig":"Mein königlicher Herr, und mein Gebieter!","norm":"Mein königlicher Herr, und mein Gebieter!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2267,"orig":"Wir nahen dir, die Bürger einer Stadt, Die ihrer Pflicht vergaß zu dieſen Stunden;","norm":"Wir nahen dir, die Bürger einer Stadt, die ihrer Pflicht vergaß zu diesen Stunden;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2268,"orig":"Doch ſchnell zur Reu’, und raſch zurückgekehrt, Die Pforten öffnet, in den Staub ſich beugt, Zu deiner Gnad’ und Ungnad’ ſich ergebend.","norm":"Doch schnell zur Reue, und rasch zurückgekehrt, die Pforten öffnet, in den Staub sich beugt, zu deiner Gnade und Ungnade sich ergebend."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2269,"orig":"Ausliefert auch die Häupter der Empörung, Hier, Grafen Simon, der mein Bruder war — Nein, iſt, noch immer iſt, mein theurer Bruder, Und Grafen Peter, meiner armen Erny — Den Bruder meines früh verblich’nen Weib’s.","norm":"Aus liefert auch die Häupter der Empörung, Hier, Grafen Simon, der mein Bruder war — Nein, ist, noch immer ist, mein teurer Bruder, und Grafen Peter, meiner armen Erny — den Bruder meines früh verblichenen Weibs."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2270,"orig":"Dich bittend auch —","norm":"Dich bittend auch —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2271,"orig":"Wir haben viel gelitten, Seit du nicht bei uns warſt, mein Herr und König!","norm":"Wir haben viel gelitten, seit du nicht bei uns warst, mein Herr und König!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2272,"orig":"Dahingegangen ſind der Lieben Viele;","norm":"Dahingegangen sind der Lieben Viele;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2273,"orig":"Und eh’ ich weiter rede, ſo erlaub’, Daß ich, das Aug’ gedrückt an deine Knie, In Thränen derer denke, die geweſen.","norm":"Und ehe ich weiterrede, so erlaube, dass ich, das Auge gedrückt an deine Knie, in Tränen derer denke, die gewesen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2274,"orig":"Bancban!","norm":"Bancban!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2275,"orig":"Bancban!","norm":"Bancban!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2276,"orig":"Du ungetreuer Knecht!","norm":"Du ungetreuer Knecht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2277,"orig":"Wie haſt du deines Herren Haus verwaltet?","norm":"Wie hast du deines Herren Haus verwaltet?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2278,"orig":"Herr!","norm":"Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2279,"orig":"gut und ſchlimm, wie’s eben möglich war.","norm":"gut und schlimm, wie es eben möglich war."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2280,"orig":"Ich gab mein Land dir ruhig und im Frieden.","norm":"Ich gab mein Land dir ruhig und im Frieden."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2281,"orig":"Nu, Herr!","norm":"Nu, Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2282,"orig":"beruhigt geb’ ich’s Euch zurück.","norm":"Beruhigt gebe ich es Euch zurück."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2283,"orig":"Wo iſt mein Weib?","norm":"Wo ist mein Weib?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2284,"orig":"Daß Gott!","norm":"Dass Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2285,"orig":"die kehrte heim.","norm":"die kehrte heim."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2286,"orig":"Sie wollte ſeh’n, wie’s meinem Weib erging!","norm":"Sie wollte sehen, wie es meinem Weib erging!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2287,"orig":"So ſtehen wir als Witwer Beide denn!","norm":"So stehen wir als Witwer beide denn!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2288,"orig":"— Doch noch ein Punkt furchtbarer Aehnlichkeit!","norm":"— Doch noch ein Punkt furchtbarer Ähnlichkeit!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2289,"orig":"— Du hatteſt nie ein Kind.","norm":"— Du hattest nie ein Kind."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2290,"orig":"Wo iſt das meine?","norm":"Wo ist das meine?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2291,"orig":"Bancban, wo iſt mein Sohn?","norm":"Bancban, wo ist mein Sohn?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2292,"orig":"Ich glaube, Herr Das Knäblein iſt gerettet.","norm":"Ich glaube, Herr Das Knäblein ist gerettet."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2293,"orig":"Ha, du glaubſt?","norm":"Ha, du glaubst?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2294,"orig":"du glaubſt?","norm":"du glaubst?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2295,"orig":"Bancban, ich glaub’, du biſt ein Ehrenmann, Ich glaube, daß du treu an deinem König hältſt, Iſt’s darum wahr?","norm":"Bancban, ich glaube, du bist ein Ehrenmann, Ich glaube, dass du treu an deinem König hältst, ist es darum wahr?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2296,"orig":"Ich gab ihn, Herr, dem Mann, Der ihn nächſt Gott am treueſten beſchützt, Dem er das letzte Band an dieſes Leben, Schutz vor Verzweiflung iſt und Selbſtverwerfung.","norm":"Ich gab ihn, Herr, dem Mann, der ihn nächst Gott am treuesten beschützt, dem er das letzte Band an dieses Leben, Schutz vor Verzweiflung ist und Selbstverwerfung."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2297,"orig":"Es hat ihn Euer Schwager von Meran, Der Mörder meines Weib’s und Eures Weibes.","norm":"Es hat ihn Euer Schwager von Meran, der Mörder meines Weibs und Eures Weibes."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2298,"orig":"Schon ſandt’ ich Boten, und ſie finden ihn An jenen Hügeln dort am Saum des Waldes.","norm":"Schon sandte ich Boten, und sie finden ihn An jenen Hügeln dort am Saum des Waldes."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2299,"orig":"Sey ſicher, daß dein theures Knäblein lebt.","norm":"Sei sicher, dass dein teures Knäblein lebt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2300,"orig":"Doch bis ſie wiederkehren, im Gefühl Noch des Verluſt’s, die Vaterangſt im Herzen, Wend’ ich dein Aug’ nach jenen Beiden hin.","norm":"Doch bis sie wiederkehren, im Gefühl noch des Verlusts, die Vaterangst im Herzen, Wende ich dein Auge nach jenen Beiden hin."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2301,"orig":"Sie haben auch das Theuerſte verloren;","norm":"Sie haben auch das Teuerste verloren;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2302,"orig":"Mit ähnlichem Gefühl in ihrer Bruſt Umſtanden ſie die Leiche ihrer Schweſter.","norm":"Mit ähnlichem Gefühl in ihrer Brust umstanden sie die Leiche ihrer Schwester."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2303,"orig":"Den ungeſtraften Trotz des Mörders ſah’n ſie, Da wich der gute Geiſt von ihnen, und — Sie thaten, was nicht recht.","norm":"Den ungestraften Trotz des Mörders sahen sie, da wich der gute Geist von ihnen, und — Sie taten, was nicht recht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2304,"orig":"Sey mild, o Herr!","norm":"Sei mild, o Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2305,"orig":"Den Mördern meines Weib’s?","norm":"Den Mördern meines Weibs?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2306,"orig":"Sie waren’s nicht;","norm":"Sie waren es nicht;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2307,"orig":"Der Zufall that’s, des höchſten Gottes Bote.","norm":"Der Zufall tat es, des höchsten Gottes Bote."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2308,"orig":"Aufrührer!","norm":"Aufrührer!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2309,"orig":"Nun, ſieh hin, o Herr!","norm":"Nun, sieh hin, o Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2310,"orig":"ſie knie’n.","norm":"sie knien."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2311,"orig":"Und jetzt, da noch der blut’ge Zweifel ſchweb’t!","norm":"Und jetzt, da noch der blutige Zweifel schwebt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2312,"orig":"Ob nicht mein Weib nur, ob mir auch den Sohn Ihr Frevel ſtahl —","norm":"Ob nicht mein Weib nur, ob mir auch den Sohn Ihr Frevel stahl —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2313,"orig":"Ach, jetzt, und eben jetzt!","norm":"Ach, jetzt, und eben jetzt!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2314,"orig":"Sey ganz wie Gott, o König!","norm":"Sei ganz wie Gott, o König!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2315,"orig":"Straf’ den Willen, Und nicht die That, den launiſchen Erfolg.","norm":"Strafe den Willen, und nicht die Tat, den launischen Erfolg."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2316,"orig":"Nur kurze Friſt, ſo haſt du deinen Sohn, Schon ſind geſendet Jene, die ihn ſuchen.","norm":"Nur kurze Frist, so hast du deinen Sohn, schon sind gesendet jene, die ihn suchen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2317,"orig":"O, raube nicht der Huld den ſchönſten Schmuck!","norm":"O, raube nicht der Huld den schönsten Schmuck!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2318,"orig":"Jetzt, mit der Vaterangſt in deinem Herzen, Sey mild und gütig, daß auch Gott dir’s ſey.","norm":"Jetzt, mit der Vaterangst in deinem Herzen, Sei mild und gütig, dass auch Gott dir es sei."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2319,"orig":"Laſſ’ in Verbannung ſie ihr Leben enden;","norm":"Lasse in Verbannung sie ihr Leben enden;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2320,"orig":"Befleck’ dich nicht mit Blut!","norm":"Befleck dich nicht mit Blut!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2321,"orig":"Du forderſt viel; doch ſey’s!","norm":"Du forderst viel; doch sei es!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2322,"orig":"Und auf zu Gnaden nehm’ ich Eure Stadt.","norm":"Und auf zu Gnaden nehme ich Eure Stadt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2323,"orig":"Doch nun —","norm":"Doch nun —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2324,"orig":"Hör’ſt du der Engel Chor!","norm":"Hörst du der Engel Chor!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2325,"orig":"Beglückter Vater!","norm":"Beglückter Vater!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2326,"orig":"Sie bringen jubelnd dir den Sohn zurück.","norm":"Sie bringen jubelnd dir den Sohn zurück."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2327,"orig":"Nie bring’t ein Engel mir mein Weib.","norm":"Nie bringt ein Engel mir mein Weib."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2328,"orig":"Beglückter Vater, ſteh’ſt du deinen Sohn?","norm":"Beglückter Vater, siehst du deinen Sohn?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2329,"orig":"Bancban, ſie rauben mir dein Kind!","norm":"Bancban, sie rauben mir dein Kind!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2330,"orig":"Mein Sohn!","norm":"Mein Sohn!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2331,"orig":"Mein wieder mir geborner, theurer Sohn!","norm":"Mein wieder mir geborener, teurer Sohn!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2332,"orig":"Nu, herz’t Euch ſatt, und ich muß trocken ſteh’n.","norm":"Nu, herzt Euch satt, und ich muss trocken stehen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2333,"orig":"Kann nicht einmal den Mund an ſeinen legen.","norm":"Kann nicht einmal den Mund an seinen legen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2334,"orig":"Hier, Euer Fürſt!","norm":"Hier, Euer Fürst!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2335,"orig":"Hier Euer künft’ger König!","norm":"Hier Euer künftiger König!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2336,"orig":"Verzeihung Jedem, was er auch gefehl’t;","norm":"Verzeihung jedem, was er auch gefehlt;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2337,"orig":"Des Frevels Häuptern ſelbſt, doch fern vom Lande.","norm":"Des Frevels Häuptern selbst, doch fern vom Lande."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2338,"orig":"Säh’ uns mein Weib aus weit entleg’nen Fernen, Sie winkte:","norm":"Sähe uns mein Weib aus weit entlegenen Fernen, Sie winkte:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2339,"orig":"Ja!","norm":"Ja!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2340,"orig":"nachtönend:","norm":"nachtönend:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2341,"orig":"Ich verzeih’!","norm":"Ich verzeih!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2342,"orig":"Hier iſt noch Einer, der gar bitter harrt.","norm":"Hier ist noch Einer, der gar bitter harrt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2343,"orig":"Steh’t, Herzog, auf!","norm":"Steht, Herzog, auf!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2344,"orig":"Steh’t auf vom Boden!","norm":"Steht auf vom Boden!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2345,"orig":"Ihr hab’t ein kleines Gutes hier gethan, Zu ſchwach, um zu vergelten ſo viel Böſes.","norm":"Ihr habt ein kleines Gutes hier getan, zu schwach, um zu vergelten so viel Böses."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2346,"orig":"Doch ſtreck’ ich nicht die Hand als Richter aus, Wo Sünde ſelber ſtraft, brauch’ts da noch Strafe?","norm":"Doch strecke ich nicht die Hand als Richter aus, wo Sünde selber straft, braucht es da noch Strafe?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2347,"orig":"Für meinen Theil entlaſſ’ ich Euch der Schuld.","norm":"Für meinen Teil entlasse ich Euch der Schuld."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2348,"orig":"Doch hier iſt Einer, dem Ihr mehr gethan.","norm":"Doch hier ist Einer, dem Ihr mehr getan."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2349,"orig":"Geh’t hin, und frag’t ihn, was ihn mag verſöhnen?","norm":"Geht hin, und fragt ihn, was ihn mag versöhnen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2350,"orig":"Du guter Mörder, gib mir deine Hand!","norm":"Du guter Mörder, gib mir deine Hand!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2351,"orig":"Und doch — war ſie es nicht, die meiner Erny — Fort, Mörder fort!","norm":"Und doch — war sie es nicht, die meiner Erny — Fort, Mörder fort!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2352,"orig":"und laß mich dich nicht ſchau’n!","norm":"und lass mich dich nicht schauen!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2353,"orig":"Er wendet ſich von Euch.","norm":"Er wendet sich von Euch."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2354,"orig":"Laßt ab!","norm":"Lasst ab!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2355,"orig":"Und doch!","norm":"Und doch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2356,"orig":"Noch Eins!","norm":"Noch Eins!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2357,"orig":"Mein König, und mein hoher Herr!","norm":"Mein König, und mein hoher Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2358,"orig":"Verzeih’t, Wenn Euch ein Mann, der ſelbſt dem Recht verfallen, Und kaum begnadigt, angeht um ſein Recht;","norm":"Verzeiht, wenn Euch ein Mann, der selbst dem Recht verfallen, und kaum begnadigt, angeht um sein Recht;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2359,"orig":"Doch iſt’s der Lohn für dieſes Mannes Treue, Und unſers Hauſes Ehre fordert’s laut.","norm":"Doch ist es der Lohn für dieses Mannes Treue, und unseres Hauses Ehre fordert es laut."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2360,"orig":"Befehlt, daß Euer Schwager von Meran, Vor Euch, des Landes Herrn und höchſtem Richter, Mir Rede ſteh’, antwortend, wenn befrag’t.","norm":"Befehlt, dass Euer Schwager von Meran, vor Euch, des Landes Herrn und höchstem Richter, mir Rede stehe, antwortend, wenn befragt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2361,"orig":"Ihr hör’t, was man begehrt.","norm":"Ihr hört, was man begehrt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2362,"orig":"Geb’t Antwort denn!","norm":"Gebt Antwort denn!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2363,"orig":"Ihr aber lauſcht, und zeugt vor allem Land’!","norm":"Ihr aber lauscht, und zeugt vor allem Land!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2364,"orig":"Hat dieſes Mannes Schweſter, ſeine Frau, Euch Anlaß je gegeben, Grund und Urſach’, Sie zu verfolgen mit verbot’ner Werbung?","norm":"Hat dieses Mannes Schwester, seine Frau, Euch Anlass je gegeben, Grund und Ursache, Sie zu verfolgen mit verbotener Werbung?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2365,"orig":"Sie that es nie.","norm":"Sie tat es nie."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2366,"orig":"Hat ſie ſich ſonſt vergangen An Euch und Eurer Schweſter, ſonſt, und wie?","norm":"Hat sie sich sonst vergangen An Euch und Eurer Schwester, sonst, und wie?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2367,"orig":"So, daß ihr Tod die Strafe des Vergehens?","norm":"So, dass ihr Tod die Strafe des Vergehens?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2368,"orig":"Niemals.","norm":"Niemals."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2369,"orig":"O, hör’t Ihr’s?","norm":"O, hört Ihr es?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2370,"orig":"Niemals!","norm":"Niemals!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2371,"orig":"Nie!","norm":"Nie!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2372,"orig":"Ihr Inn’res weiß, ſo weiß, als ihre Hand.","norm":"Ihr Inneres weiß, so weiß, als ihre Hand."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2373,"orig":"Und wer vollbrachte jene That des Blut’s!","norm":"Und wer vollbrachte jene Tat des Bluts!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2374,"orig":"War’t Ihr’s?","norm":"Wart Ihr es?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2375,"orig":"Sie that es ſelbſt.","norm":"Sie tat es selbst."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2376,"orig":"Dir zu entgeh’n?","norm":"Dir zu entgehen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2377,"orig":"So war’s!","norm":"So war es!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2378,"orig":"Mein Kind!","norm":"Mein Kind!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2379,"orig":"Mein Kind!","norm":"Mein Kind!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2380,"orig":"Laß’t mich ich will nach Hauſe!","norm":"Lasst mich ich will nach Hause!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2381,"orig":"Bancbanus, bleib’!","norm":"Bancbanus, bleibe!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2382,"orig":"— Euch, Herzog, halt’ ich nicht!","norm":"— Euch, Herzog, halte ich nicht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2383,"orig":"Kehrt heim, und merk’t, wie man in dieſem Land’, Das Ihr verachtet einſt, Beleid’gung rächt.","norm":"Kehrt heim, und merkt, wie man in diesem Land, das Ihr verachtet einst, Beleidigung rächt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2384,"orig":"Glimmt noch ein Funke einer beſſern Glut In Eurer Bruſt, ſo fach’t ihn ſorglich an, Und tilgt durch Reue, mildert Eure Schuld.","norm":"Glimmt noch ein Funke einer besseren Glut in Eurer Brust, so facht ihn sorglich an, und tilgt durch Reue, mildert Eure Schuld."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2385,"orig":"Zieh’t hin, mit Gott!","norm":"Zieht hin, mit Gott!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2386,"orig":"Kein Fluch ſey über Euch!","norm":"Kein Fluch sei über Euch!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2387,"orig":"Man geb’ ihm das Geleit bis an die Grenze, Und ſorge, daß kein Unfall ihn verletzt.","norm":"Man gebe ihm das Geleit bis an die Grenze, und sorge, dass kein Unfall ihn verletzt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2388,"orig":"Wie aber ſoll ich dir die Treue lohnen, Zum Theile nur vergelten, was du that’ſt, Was du erlitt’ſt im Dienſte deines Herrn?","norm":"Wie aber soll ich dir die Treue lohnen, zum Teile nur vergelten, was du tatest, was du erlittst im Dienste deines Herrn?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2389,"orig":"Der Erſte ſey nach mir in meinem Reich’, Dein Wort dem Worte deines König’s gleich, Und ſo ernenn’ ich dich —","norm":"Der Erste sei nach mir in meinem Reiche, Dein Wort dem Worte deines Königs gleich, und so ernenne ich dich —"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2390,"orig":"Halt’ ein, o Herr!","norm":"Halte ein, o Herr!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2391,"orig":"Ich bin ein alter Mann, dem Tode reif;","norm":"Ich bin ein alter Mann, dem Tode reif;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2392,"orig":"Laſſ’ ruhig ſein mich harren!","norm":"Lasse ruhig sein mich harren!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2393,"orig":"— Mich belohnen?","norm":"— Mich belohnen?"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2394,"orig":"Darf ich doch frei den Kummer wieder tragen, Die Trauer um mein Weib.","norm":"Darf ich doch frei den Kummer wieder tragen, die Trauer um mein Weib."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2395,"orig":"Darf Jeden anſeh’n, Die Antwort leſen, ach!","norm":"Darf jeden ansehen, die Antwort lesen, ach!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2396,"orig":"in Jedes Auge:","norm":"in jedes Auge:"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2397,"orig":"Unſchuldig war ſie und gerecht.","norm":"Unschuldig war sie und gerecht."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2398,"orig":"Ei, Lohn’s genug!","norm":"Ei, Lohns genug!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2399,"orig":"Der Glanz, womit du deinen Diener ſchmückteſt, Er hat als unheilvoll ſich mir bewährt.","norm":"Der Glanz, womit du deinen Diener schmücktest, er hat als unheilvoll sich mir bewährt."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2400,"orig":"Gebeut nicht, daß auf’s Neu’ ich Gott verſuche!","norm":"Gebietet nicht, dass aufs Neue ich Gott versuche!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2401,"orig":"Mein Arm wird ſchwach, dies Haupt neigt ſich zur Ruh’.","norm":"Mein Arm wird schwach, dies Haupt neigt sich zur Ruhe."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2402,"orig":"Und ſo entkleid’ ich denn, mit deinem Urlaub, Mich all’ der Würden, Aemter und Gewalt, Die deine Huld an deinen Knecht verſchwendet;","norm":"Und so entkleide ich denn, mit deinem Urlaub, mich all der Würden, Ämter und Gewalt, die deine Huld an deinen Knecht verschwendet;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2403,"orig":"Dich bittend, daß du gnädig mir vergönnſt, Auf meiner Väter Schloß, bei meinem Weib, Bei meines Weibes Leiche ſtill zu harren, Bis zwei der Leichen liegen in der Gruft.","norm":"Dich bittend, dass du gnädig mir vergönnst, auf meiner Väter Schloss, bei meinem Weib, bei meines Weibes Leiche still zu harren, bis zwei der Leichen liegen in der Gruft."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2404,"orig":"Wenn deſſ’ dir Botſchaft wird, und eine Thräne, Wie jetzt, o Herr, in deinem Auge ſchimmert, Dann hat dein Diener fruchtlos nicht gelebt, Braucht and’re Grabſchrift nicht, noch güld’ne Zeichen.","norm":"Wenn dessen dir Botschaft wird, und eine Träne, wie jetzt, o Herr, in deinem Auge schimmert, dann hat dein Diener fruchtlos nicht gelebt, braucht andere Grabschrift nicht, noch güldene Zeichen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2405,"orig":"Und wenn du ja in deinem hohen Sinn, Belohnung jetzt ſchon räthlich glaubſt und gut, Ach, ſo erlaub’, daß jenes edle Kind, Für deſſen Heil ich auch mein Schärflein bot, Daß ich ſein Händlein drück’ an meinen Mund, Mich überzeugend, daß es lebt und athmet.","norm":"Und wenn du ja in deinem hohen Sinn, Belohnung jetzt schon rätlich glaubst und gut, ach, so erlaube, dass jenes edle Kind, für dessen Heil ich auch mein Schärflein bot, dass ich sein Händlein drücke an meinen Mund, mich überzeugend, dass es lebt und atmet."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2406,"orig":"Glück auf!","norm":"Glück auf!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2407,"orig":"Glück auf!","norm":"Glück auf!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2408,"orig":"Du hohes Fürſtenkind, Beſtimmt, dereinſt zu herrſchen hier im Lande!","norm":"Du hohes Fürstenkind, Bestimmt, dereinst zu herrschen hier im Lande!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2409,"orig":"Ein alter Mann, der lang’ dann nicht mehr iſt, Wenn du als Fürſt gebeut’ſt in dieſem Lande, Er heißt Willkommen dich, und ruft dir zu;","norm":"Ein alter Mann, der lang dann nicht mehr ist, wenn du als Fürst gebietest in diesem Lande, er heißt Willkommen dich, und ruft dir zu;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2410,"orig":"Sey mild, du Fürſtenkind, und ſey gerecht!","norm":"Sei mild, du Fürstenkind, und sei gerecht!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2411,"orig":"Auf dem Gerechten ruh’t des Herrn Segen.","norm":"Auf dem Gerechten ruht des Herrn Segen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2412,"orig":"Bezähm’ dich ſelbſt, nur wer ſich ſelbſt bezähmt, Mag des Geſetzes ſcharfe Zügel lenken.","norm":"Bezähme dich selbst, nur wer sich selbst bezähmt, Mag des Gesetzes scharfe Zügel lenken."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2413,"orig":"Laß dir den Menſchen Menſch ſeyn, und den Diener Acht’ als ein Spargut für die Zeit der Noth. Gedenk’ als Mann der Zeit, da du ein Kind, Und hülflos lagſt in eines Mörders Armen.","norm":"Lass dir den Menschen Mensch sein, und den Diener Achte als ein Spargut für die Zeit der Not Gedenke als Mann der Zeit, da du ein Kind, und hilflos lagst in eines Mörders Armen."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2414,"orig":"Wie da der Aufruhr an die Pforten pochte, Und jeder Rath, und jede Hülfe fern;","norm":"Wie da der Aufruhr an die Pforten pochte, und jeder Rat, und jede Hilfe fern;"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2415,"orig":"Da that ein alter Mann, was er vermochte.","norm":"Da tat ein alter Mann, was er vermochte."} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2416,"orig":"J nu!","norm":"Ja nu!"} {"basename":"grillparzer_diener_1830","par_idx":2417,"orig":"Ein treuer Diener ſeines Herrn!","norm":"Ein treuer Diener seines Herrn!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":0,"orig":"Genug iſt nicht genug!","norm":"Genug ist nicht genug!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1,"orig":"Geprieſen werde Der Herbſt!","norm":"Gepriesen werde der Herbst!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2,"orig":"Kein Aſt, der ſeiner Frucht entbehrte!","norm":"Kein Ast, der seiner Frucht entbehrte!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":3,"orig":"Tief beugt ſich mancher allzureich beſchwerte, Der Apfel fällt mit dumpfem Laut zur Erde.","norm":"Tief beugt sich mancher allzu reich beschwerte, der Apfel fällt mit dumpfem Laut zur Erde."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":4,"orig":"Genug iſt nicht genug!","norm":"Genug ist nicht genug!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":5,"orig":"Es lacht im Laube!","norm":"Es lacht im Laube!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":6,"orig":"Genug iſt nicht genug!","norm":"Genug ist nicht genug!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":7,"orig":"Mit vollen Zügen Schlürft Dichtergeiſt am Borne des Genußes, Das Herz, auch es bedarf des Ueberflußes, Genug kann nie und nimmermehr genügen!","norm":"Mit vollen Zügen schlürft Dichtergeist am Borne des Genusses, das Herz, auch es bedarf des Überflusses, genug kann nie und nimmermehr genügen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":8,"orig":"Auf das Feuer mit dem goldnen Strahle Heftet ſich in tiefer Mitternacht Schlummerlos das Auge der Veſtale, Die der Göttin ewig Licht bewacht.","norm":"Auf das Feuer mit dem goldenen Strahle heftet sich in tiefer Mitternacht Schlummerlos das Auge der Vestale, die der Göttin ewig Licht bewacht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":9,"orig":"Wenn ſie ſchlummerte, wenn ſie entſchliefe, Wenn erſtürbe die verſäumte Glut, Eingeſargt in Gruft und Grabestiefe Würde ſie, wo Staub und Moder ruht!","norm":"Wenn sie schlummerte, wenn sie entschliefe, wenn erstürbe die versäumte Glut, eingesargt in Gruft und Grabestiefe Würde sie, wo Staub und Moder ruht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":10,"orig":"Eine Flamme zittert mir im Buſen, Lodert warm zu jeder Zeit und Friſt, Die entzündet durch den Hauch der Muſen Ihnen ein beſtändig Opfer iſt Und ich hüte ſie mit heil'ger Scheue, Daß ſie brenne rein und ungekränkt;","norm":"Eine Flamme zittert mir im Busen, lodert warm zu jeder Zeit und Frist, die entzündet durch den Hauch der Musen Ihnen ein beständig Opfer ist und ich hüte sie mit heiliger Scheue, dass sie brenne rein und ungekränkt;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":11,"orig":"Denn ich weiß, es wird der ungetreue Wächter lebend in die Gruft verſenkt.","norm":"Denn ich weiß, es wird der ungetreue Wächter lebend in die Gruft versenkt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":12,"orig":"Ein ärmlich düſter brennend Fackelpaar, das Sturm Und Regen jeden Augenblick zu löſchen droht.","norm":"Ein ärmlich düster brennend Fackelpaar, das Sturm und Regen jeden Augenblick zu löschen droht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":13,"orig":"Ein flatternd Bahrtuch.","norm":"Ein flatternd Bahrtuch."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":14,"orig":"Ein gemeiner Tannenſarg Mit keinem Kranz, dem kargſten nicht, und kein Geleit!","norm":"Ein gemeiner Tannensarg mit keinem Kranz, dem kärgsten nicht, und kein Geleit!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":15,"orig":"Als brächte eilig einen Frevel man zu Grab.","norm":"Als brächte eilig einen Frevel man zu Grab."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":16,"orig":"Die Träger haſteten.","norm":"Die Träger hasteten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":17,"orig":"Ein Unbekannter nur, Von eines weiten Mantels kühnem Schwung umweht, Schritt dieſer Bahre nach.","norm":"Ein Unbekannter nur, von eines weiten Mantels kühnem Schwung umweht, Schritt dieser Bahre nach."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":18,"orig":"Der Menſchheit Genius war's.","norm":"Der Menschheit Genius war es."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":19,"orig":"In der Nacht, die die Bäume mit Blüten deckt, Ward ich von ſüßen Geſpenſtern erſchreckt, Ein Reigen ſchwang im Garten ſich, Den ich mit leiſem Fuß beſchlich;","norm":"In der Nacht, die die Bäume mit Blüten deckt, wurde ich von süßen Gespenstern erschreckt, ein Reigen schwang im Garten sich, den ich mit leisem Fuß beschlich;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":20,"orig":"Wie zarter Elfen Chor im Ring Ein weißer, lebendiger Schimmer ging.","norm":"Wie zarter Elfen Chor im Ring ein weißer, lebendiger Schimmer ging."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":21,"orig":"Die Schemen hab' ich keck befragt:","norm":"Die Schemen habe ich keck befragt:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":22,"orig":"Wer ſeid ihr, luſtige Weſen?","norm":"Wer seid ihr, luftige Wesen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":23,"orig":"Sagt!","norm":"Sagt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":24,"orig":"„Ich bin ein Wölkchen, geſpiegelt im See.","norm":"„Ich bin ein Wölkchen, gespiegelt im See."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":25,"orig":"“ Ich bin eine Reihe von Stapſen im Schnee.","norm":"“ Ich bin eine Reihe von Stapfen im Schnee."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":26,"orig":"“ Ich bin ein Seufzer gen Himmel empor!“ Ich bin ein Geheimnis, geflüſtert ins Ohr.","norm":"“ Ich bin ein Seufzer gen Himmel empor!“ Ich bin ein Geheimnis, geflüstert ins Ohr."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":27,"orig":"“ Ich bin ein frommes, geſtorbenes Kind.","norm":"“ Ich bin ein frommes, gestorbenes Kind."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":28,"orig":"“ Ich bin ein üppiges Blumengewind —“ Und die du wählſt, und der's beſchied Die Gunſt der Stunde, die wird ein Lied.","norm":"“ Ich bin ein üppiges Blumengewind —“ Und die du wählst, und der es beschied die Gunst der Stunde, die wird ein Lied."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":29,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":30,"orig":"Schwarzſchattende Kaſtanie, Mein windgeregtes Sommerzelt, Du ſenkſt zur Flut dein weit Geäſt, Dein Laub, es durſtet und es trinkt, Schwarzſchattende Kaſtanie!","norm":"Schwarzschattende Kastanie, Mein windgeregtes Sommerzelt, Du senkst zur Flut dein weit Geäst, Dein Laub, es durstet und es trinkt, Schwarzschattende Kastanie!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":31,"orig":"Im Porte badet junge Brut Mit Hader oder Luſtgeſchrei, Und Kinder ſchwimmen leuchtend weiß Im Gitter deines Blätterwerks, Schwarzſchattende Kaſtanie!","norm":"Im Porte badet junge Brut mit Hader oder Lustgeschrei, und Kinder schwimmen leuchtend weiß im Gitter deines Blätterwerks, Schwarzschattende Kastanie!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":32,"orig":"Und dämmern See und Ufer ein Und rauſcht vorbei das Abendboot, So zuckt aus rother Schiffslatern Ein Blitz und wandert auf dem Schwung Der Flut, gebrochnen Lettern gleich, Bis unter deinem Laub erliſcht Die räthſelhafte Flammenſchrift, Schwarzſchattende Kaſtanie!","norm":"Und dämmern See und Ufer ein Und rauscht vorbei das Abendboot, so zuckt aus roter Schiffslaterne ein Blitz und wandert auf dem Schwung der Flut, gebrochenen Lettern gleich, bis unter deinem Laub erlischt die rätselhafte Flammenschrift, Schwarzschattende Kastanie!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":33,"orig":"Melde mir die Nachtgeräuſche, Muſe, Die ans Ohr des Schlummerloſen fluthen!","norm":"Melde mir die Nachtgeräusche, Muse, die ans Ohr des Schlummerlosen fluten!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":34,"orig":"Erſt das traute Wachtgebell der Hunde, Dann der abgezählte Schlag der Stunde, Dann ein Fiſcher-Zwiegeſpräch am Ufer, Dann?","norm":"Erst das traute Wachtgebell der Hunde, dann der abgezählte Schlag der Stunde, dann ein Fischer-Zwiegespräch am Ufer, Dann?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":35,"orig":"Nichts weiter als der ungewiſſe Geiſterlaut der ungebrochnen Stille, Wie das Athmen eines jungen Buſens, Wie das Murmeln eines tiefen Brunnens, Wie das Schlagen eines dumpfen Ruders, Dann des Schlummers leiſe leiſe Tritte.","norm":"Nichts weiter als der ungewisse Geisterlaut der ungebrochenen Stille, wie das Atmen eines jungen Busens, wie das Murmeln eines tiefen Brunnens, wie das Schlagen eines dumpfen Ruders, dann des Schlummers leise leise Tritte."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":36,"orig":"Das Boot ſtößt ab von den Leuchten des Geſtads.","norm":"Das Boot stößt ab von den Leuchten des Gestades."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":37,"orig":"Durch föhnige Wellen dreht ſich der Schwung des Rads.","norm":"Durch föhnige Wellen dreht sich der Schwung des Rads."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":38,"orig":"Schwarz qualmt des Rohres Rauch ...","norm":"Schwarz qualmt des Rohres Rauch ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":39,"orig":"Heut hab' ich ſchlecht, Das heißt mit lauter jungem Volk gezecht — Du, der geſtürzt iſt mit zerſchoſſener Stirn, Und du, verſchwunden auf einer Gletſcherfirn, Und du, verlodert wie ſchwüler Blitzesſchein, Meine todten Freunde, ſaget, gedenkt ihr mein?","norm":"Heute habe ich schlecht, das heißt mit lauter jungem Volk gezecht — Du, der gestürzt ist mit zerschossener Stirn, und du, verschwunden auf einer Gletscherfirn, und du, verlodert wie schwüler Blitzesschein, Meine toten Freunde, sagt, gedenkt ihr mein?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":40,"orig":"Wogen ziſchen um Boot und Räderſchlag, Dazwiſchen jubelt ein dumpfes Zechgelag, In den Fluthen braust ein ſturmgedämpfter Chor, Becher läuten aus tiefer Nacht empor.","norm":"Wogen zischen um Boot und Räderschlag, dazwischen jubelt ein dumpfes Zechgelage, in den Fluten braust ein sturmgedämpfter Chor, Becher läuten aus tiefer Nacht empor."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":41,"orig":"Blüthen ſchweben über deinem Grabe.","norm":"Blüten schweben über deinem Grabe."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":42,"orig":"Schnell umarmte dich der Tod, o Knabe, Den wir Alle liebten, die dich kannten, Deſſen Augen wie zwei Sonnen brannten, Deſſen Blicke Seelen unterjochten, Deſſen Pulſe ſtark und feurig pochten, Deſſen Worte ſchon die Herzen Ienkten, Den wir weinend geſtern hier verſenkten.","norm":"Schnell umarmte dich der Tod, o Knabe, den wir alle liebten, die dich kannten, dessen Augen wie zwei Sonnen brannten, dessen Blicke Seelen unterjochten, dessen Pulse stark und feurig pochten, dessen Worte schon die Herzen lenkten, den wir weinend gestern hier versenkten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":43,"orig":"Maiennacht.","norm":"Mainacht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":44,"orig":"Der Sterne mildes Schweigen ...","norm":"Der Sterne mildes Schweigen ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":45,"orig":"Dort!","norm":"Dort!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":46,"orig":"ich ſeh' es aus der Erde ſteigen!","norm":"ich sehe es aus der Erde steigen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":47,"orig":"Unterm Raſen quillt hervor es leiſe, Flatterflammen drehen ſich im Kreiſe, Ungelebtes Leben zuckt und lodert Aus der Körperkraft, die hier vermodert, Abgemähter Jugend letztes Walten, Letzte Glut verraucht in Wunſchgeſtalten, Eine blaſſe Jagd:","norm":"Unterm Rasen quillt hervor es leise, Flatterflammen drehen sich im Kreise, ungelebtes Leben zuckt und lodert aus der Körperkraft, die hier vermodert, abgemähter Jugend letztes Walten, letzte Glut verraucht in Wunschgestalten, eine blasse Jagd:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":48,"orig":"Voran ein Zecher, In der Fauſt den überfüllten Becher!","norm":"Voran ein Zecher, in der Faust den überfüllten Becher!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":49,"orig":"Weh'nde Locken will der Buhle faſſen, Die entflatternd nicht ſich haſchen laſſen, Luſtgeſtachelt raſt er hinter jenen, Ein verhülltes Mädchen folgt in Thränen.","norm":"Wehende Locken will der Buhle fassen, die entflatternd nicht sich haschen lassen, Lustgestachelt rast er hinter jenen, ein verhülltes Mädchen folgt in Tränen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":50,"orig":"Durch die Brandung mit verſtürmten Haaren Seh' ich einen kühnen Schiffer fahren.","norm":"Durch die Brandung mit verstürmten Haaren sehe ich einen kühnen Schiffer fahren."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":51,"orig":"Einen jungen Krieger ſeh' ich toben, Helmbedeckt, das lichte Schwert erhoben.","norm":"Einen jungen Krieger sehe ich toben, Helmbedeckt, das lichte Schwert erhoben."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":52,"orig":"Einer ſtürzt ſich auf die Rednerbühne, Weites Volksgetos beherrſcht der Kühne.","norm":"Einer stürzt sich auf die Rednerbühne, weites Volksgetose beherrscht der Kühne."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":53,"orig":"Ein Gedräng, ein Kämpfen, Ringen, Streben!","norm":"Ein Gedränge, ein Kämpfen, Ringen, Streben!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":54,"orig":"Arme ſtrecken ſich und Kränze ſchweben — Kränze wenn du lebteſt, dir beſchieden, Nicht erreichte!","norm":"Arme strecken sich und Kränze schweben — Kränze wenn du lebtest, dir beschieden, nicht erreichte!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":55,"orig":"Knabe, ſchlaf' in Frieden!","norm":"Knabe, schlafe in Frieden!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":56,"orig":"In der Capuletti Vigna graben Gärtner, finden einen Marmorknaben, Meiſter Simon holen ſie herbei, Der entſcheide, welcher Gott es ſei.","norm":"In der Capuletti Vigna graben Gärtner, finden einen Marmorknaben, Meister Simon holen sie herbei, der entscheide, welcher Gott es sei."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":57,"orig":"Wie den Fund man dem Gelehrten zeigte, Der die graue Wimper forſchend neigte, Kniet' ein Kind daneben:","norm":"Wie den Fund man dem Gelehrten zeigte, der die graue Wimper forschend neigte, kniete ein Kind daneben:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":58,"orig":"Julia, Die den Marmorknaben finden ſah.","norm":"Julia, die den Marmorknaben finden sah."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":59,"orig":"„Welches iſt dein ſüßer Name, Knabe?","norm":"„Welches ist dein süßer Name, Knabe?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":60,"orig":"Steig' ans Tageslicht aus deinem Grabe!","norm":"Steige ans Tageslicht aus deinem Grabe!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":61,"orig":"Eine Fackel trägſt du?","norm":"Eine Fackel trägst du?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":62,"orig":"Biſt beſchwingt?","norm":"Bist beschwingt?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":63,"orig":"Amor biſt du, der die Herzen zwingt?“ Meiſter Simon, ſtreng das Bild betrachtend, Eines Kindes Worte nicht beachtend, Spricht: „Er löſcht die Fackel.","norm":"Amor bist du, der die Herzen zwingt?“ Meister Simon, streng das Bild betrachtend, eines Kindes Worte nicht beachtend, spricht: „Er löscht die Fackel."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":64,"orig":"Sie verloht.","norm":"Sie verloht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":65,"orig":"Dieſer ſchöne Jüngling iſt der Tod.","norm":"Dieser schöne Jüngling ist der Tod."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":66,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":67,"orig":"Die Mutter mahnt mich Abends: „Trag Sorg zur Ampel, Kind!","norm":"Die Mutter mahnt mich Abends: „Trage Sorg zur Ampel, Kind!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":68,"orig":"Jüngſt träumte mir von Feuer — Auch weht ein wilder Wind.","norm":"Jüngst träumte mir von Feuer — auch weht ein wilder Wind."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":69,"orig":"“ Das Flämmchen auf der Ampel, Ich löſch' es mit Bedacht, Das Licht in meinem Herzen Brennt durch die ganze Nacht.","norm":"“ Das Flämmchen auf der Ampel, Ich lösch es mit Bedacht, das Licht in meinem Herzen brennt durch die ganze Nacht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":70,"orig":"Die Mutter ruft mich Morgens: „Kind, hebe dich!","norm":"Die Mutter ruft mich Morgens: „Kind, hebe dich!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":71,"orig":"' s iſt Tag!“ Sie pocht an meiner Thüre Dreimal mit ſtarkem Schlag Und meint, ſie habe grauſam Mich aus dem Schlaf geſchreckt — Das Licht in meinem Herzen Hat längſt mich aufgeweckt.","norm":"' s ist Tag!“ Sie pocht an meiner Türe Dreimal mit starkem Schlag und meint, sie habe grausam mich aus dem Schlaf geschreckt — das Licht in meinem Herzen hat längst mich aufgeweckt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":72,"orig":"Aus der Eltern Macht und Haus Tritt die zücht'ge Braut heraus An des Lebens Scheide — Geh und lieb' und leide!","norm":"Aus der Eltern Macht und Haus Tritt die züchtige Braut heraus an des Lebens Scheide — Gehe und liebe und leide!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":73,"orig":"Freigeſprochen, unterjocht, Wie der junge Buſen pocht Im Gewand von Seide — Geh und lieb' und leide!","norm":"Freigesprochen, unterjocht, wie der junge Busen pocht im Gewand von Seide — Gehe und liebe und leide!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":74,"orig":"Frommer Augen helle Luſt Ueberſtrahlt an voller Bruſt Blitzendes Geſchmeide — Geh und lieb' und leide!","norm":"Frommer Augen helle Lust überstrahlt an voller Brust blitzendes Geschmeide — Gehe und liebe und leide!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":75,"orig":"Merke dir's, du blondes Haar:","norm":"Merke dir es, du blondes Haar:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":76,"orig":"Schmerz und Luſt Geſchwiſterpaar, Unzertrennlich beide — Geh und lieb' und leide!","norm":"Schmerz und Lust Geschwisterpaar, Unzertrennlich beide — Gehe und liebe und leide!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":77,"orig":"Wo ſah ich, Mädchen, deine Züge, Die droh'nden Augen, lieblich, wild, Noch rein von Eitelkeit und Lüge?","norm":"Wo sah ich, Mädchen, deine Züge, die drohenden Augen, lieblich, wild, noch rein von Eitelkeit und Lüge?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":78,"orig":"Auf Buonarotti's großem Bild:","norm":"Auf Buonarottis großem Bild:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":79,"orig":"Der Schöpfer ſenkt ſich ſachten Fluges Zum Menſchen, welcher ſchlummernd liegt, Im Schoße ſeines Mantelbuges Ruht himmliſches Geſind geſchmiegt:","norm":"Der Schöpfer senkt sich sachten Fluges zum Menschen, welcher schlummernd liegt, im Schoß seines Mantelbuges ruht himmlisches Gesinde geschmiegt:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":80,"orig":"Voran ein Weſen nicht zu nennen, Von Gottes Mantel keuſch umwallt, Des Weibes Züge, zu erkennen In einer ſchlanken Traumgeſtalt.","norm":"Voran ein Wesen nicht zu nennen, von Gottes Mantel keusch umwallt, des Weibes Züge, zu erkennen in einer schlanken Traumgestalt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":81,"orig":"Sie lauſcht, das Haupt hervorgewendet, Mit Augen ſchaut ſie tief erſchreckt, Wie Adam Er den Funken ſpendet Und ſeine Rechte mahnend reckt.","norm":"Sie lauscht, das Haupt hervorgewendet, mit Augen schaut sie tief erschreckt, wie Adam Er den Funken spendet und seine Rechte mahnend reckt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":82,"orig":"Sie ſieht den Schlumm'rer ſich erheben, Der das bewußte Sein empfängt, Auch ſie ſehnt dunkel ſich zu leben, An Gottes Schulter ſtill gedrängt — So harrſt du vor des Lebens Schranke, Noch ungefeſſelt vom Geſchick, Ein unentweihter Gottgedanke, Und öffneſt ſtaunend deinen Blick.","norm":"Sie sieht den Schlummerer sich erheben, der das bewusste Sein empfängt, auch sie sehnt dunkel sich zu leben, an Gottes Schulter still gedrängt — so harrst du vor des Lebens Schranke, noch ungefesselt vom Geschick, ein unentweihter Gottgedanke, und öffnest staunend deinen Blick."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":83,"orig":"Mondnacht und Flut.","norm":"Mondnacht und Flut."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":84,"orig":"Sie hangt am Kiel, Umklammert mit den Armen ihn, Sie treibt ein grauſam lüſtern Spiel, Den Nachen in den Grund zu ziehn.","norm":"Sie hangt am Kiel, umklammert mit den Armen ihn, Sie treibt ein grausam lüstern Spiel, den Nachen in den Grund zu ziehen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":85,"orig":"Der Ferge ſtöhnt: „In Seegeſträuch Reißt nieder uns der blanke Leib!","norm":"Der Ferge stöhnt: „In Seegesträuch reißt nieder uns der blanke Leib!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":86,"orig":"Raſch, Herr!","norm":"Rasch, Herr!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":87,"orig":"Von Sünde reinigt Euch, Begehrt Ihr heim zu Kind und Weib!“ Der Ritter hält den Schwertesgriff Sich als das heil'ge Zeichen vor — Aus dunkeln Haaren lauſcht am Schiff Ein ſchmerzlich bleiches Haupt empor.","norm":"Von Sünde reinigt Euch, begehrt Ihr heim zu Kind und Weib!“ Der Ritter hält den Schwertesgriff sich als das heilige Zeichen vor — aus dunkeln Haaren lauscht am Schiff ein schmerzlich bleiches Haupt empor."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":88,"orig":"„Herr Chriſt!","norm":"„Herr Christ!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":89,"orig":"Ich beichte Ritterthat, Streit, Flammenſchein und ſtrömend Blut, Doch nichts von Frevel noch Verrat, Denn Treu und Glauben hielt ich gut.","norm":"Ich beichte Rittertat, Streit, Flammenschein und strömend Blut, doch nichts von Frevel noch Verrat, denn Treu und Glauben hielt ich gut."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":90,"orig":"“ Er küßt das Kreuz.","norm":"“ Er küsst das Kreuz."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":91,"orig":"Gell ſchreit die Fee!","norm":"Gell schreit die Fee!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":92,"orig":"Auflangen ſieht er eine Hand Am Steuer, blendend weiß wie Schnee, Und ſtarrt darauf, von Graun gebannt.","norm":"Hinauflangen sieht er eine Hand am Steuer, blendend weiß wie Schnee, und starrt darauf, von Graun gebannt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":93,"orig":"Herr Chriſt!","norm":"Herr Christ!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":94,"orig":"Ich beichte Miſſethat!","norm":"Ich beichte Missetat!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":95,"orig":"Ich brach den Glauben und die Treu, Ich übt' an einem Lieb Verrat.","norm":"Ich brach den Glauben und die Treu, Ich übte an einem Liebe Verrat."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":96,"orig":"Es ſtarb.","norm":"Es starb."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":97,"orig":"Ich thue Leid und Reu!“ Sie löſt die Arme.","norm":"Ich tue Leid und Reu!“ Sie löst die Arme."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":98,"orig":"Sie verſinkt.","norm":"Sie versinkt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":99,"orig":"Das Ruder ſchlägt.","norm":"Das Ruder schlägt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":100,"orig":"Der Nachen fliegt.","norm":"Der Nachen fliegt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":101,"orig":"Vom Strand das Licht des Erkers winkt, Wo Weib und Kind ihm ſchlummernd liegt.","norm":"Vom Strand das Licht des Erkers winkt, wo Weib und Kind ihm schlummernd liegt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":102,"orig":"O Liebe, wie ſchnell verrinneſt du, Du flüchtige, ſchöne Stunde, Mit einer Wunde beginneſt du Und endeſt mit einer Wunde.","norm":"O Liebe, wie schnell verrinnest du, Du flüchtige, schöne Stunde, mit einer Wunde beginnest du und endest mit einer Wunde."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":103,"orig":"Ein Jüngling irrt in Waldesraum, Umſpielt von goldnen Schimmern, Und ſpäht nach einem ſchönen Baum, Sich draus ein Boot zu zimmern.","norm":"Ein Jüngling irrt in Waldesraum, umspielt von goldenen Schimmern, und späht nach einem schönen Baum, sich draus ein Boot zu zimmern."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":104,"orig":"Jungeiche mit dem ſtolzen Wuchs, Du biſt mir gleich die rechte, Dich zeichn' ich mit dem Beile flugs, Dann ruf ich meine Knechte.","norm":"Jungeiche mit dem stolzen Wuchs, Du bist mir gleich die rechte, Dich zeichne ich mit dem Beile flugs, dann Ruf ich meine Knechte."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":105,"orig":"Er führt den Streich.","norm":"Er führt den Streich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":106,"orig":"Ein ſchmerzlich Ach Macht jählings ihn erbleichen.","norm":"Ein schmerzlich ach Macht jählings ihn erbleichen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":107,"orig":"„Ich ſterbe!“ ſtöhnt's im Stamme ſchwach, Die jüngſte dieſer Eichen!“ Ein Tröpfchen Blutes oder zwei Sieht er am Beile hangen Und ſchleudert's weg mit einem Schrei, Als hätt' er Mord begangen.","norm":"„Ich sterbe!“ stöhnt es im Stamme schwach, die jüngste dieser Eichen!“ Ein Tröpfchen Blutes oder zwei Sieht er am Beile hangen und schleudert es weg mit einem Schrei, als hätte er Mord begangen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":108,"orig":"Schnell flüſtert's aus dem Baume jetzt: „Der Mord iſt nicht vollendet!","norm":"Schnell flüstert es aus dem Baume jetzt: „Der Mord ist nicht vollendet!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":109,"orig":"Ich bin nur leicht am Arm verletzt.","norm":"Ich bin nur leicht am Arm verletzt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":110,"orig":"Ich hatt' mich umgewendet.","norm":"Ich hatte mich umgewendet."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":111,"orig":"“ „Komm, Göttin“, fleht er, „Waldeskind, Daß ich Vergebung finde!“ Die Schultern ſchmiegend ſchlüpft geſchwind Die Dryas aus der Rinde.","norm":"“ „Komme, Göttin“, fleht er, „Waldeskind, dass ich Vergebung finde!“ Die Schultern schmiegend schlüpft geschwind die Dryas aus der Rinde."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":112,"orig":"Ein Dämmer lag auf Stirn und Haar, Ein Brüten und ein Weben, Von grünem Blätterſchatten war Der ſchlanke Wuchs umgeben.","norm":"Ein Dämmer lag auf Stirn und Haar, ein Brüten und ein Weben, von grünem Blätterschatten war der schlanke Wuchs umgeben."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":113,"orig":"Er fing den Arm zu küſſen an, Die Stelle mit dem Hiebe, Und, der er viel zu Leid gethan, Die that ihm viel zu Liebe.","norm":"Er fing den Arm zu küssen an, die Stelle mit dem Hiebe, Und, der er viel zuleid getan, die tat ihm viel zuliebe."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":114,"orig":"„In meinem Baum — iſt lauter Traum“...","norm":"„In meinem Baum — ist lauter Traum“..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":115,"orig":"Sie ſchlüpft zurück behende Und lispelt in den Waldesraum: „Ich weiß, wen ich dir ſende!“ Der Botin Biene Dienſt iſt ſchwer, Sie muß ſich redlich plagen, Honig und Wermuth hin und her, Waldaus, waldein zu tragen.","norm":"Sie schlüpft zurück behände und lispelt in den Waldesraum: „Ich weiß, wen ich dir sende!“ Der Botin Biene Dienst ist schwer, Sie muss sich redlich plagen, Honig und Wermut hin und her, Waldaus, waldein zu tragen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":116,"orig":"Einmal kam Bienchen wild gebrummt.","norm":"Einmal kam Bienchen wild gebrummt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":117,"orig":"Dryas, mich kann's entrüſten!“ Es ſetzt ſich an den Stamm und ſummt: „Ich ſah's wie ſie ſich küßten!","norm":"Dryas, mich kann es entrüsten!“ Es setzt sich an den Stamm und summt: „Ich sah es wie sie sich küssten!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":118,"orig":"Sie iſt ein blühend Nachbarkind, Muß ihn beſtändig necken — Dich läßt er nun bei Wetter und Wind In deinem Baume ſtecken!“ Ein ſchmerzlich Ach, als wände ſich Ein ſchlanker Leib und ſtürbe!","norm":"Sie ist ein blühend Nachbarkind, muss ihn beständig necken — Dich lässt er nun bei Wetter und Wind in deinem Baume stecken!“ Ein schmerzlich Ach, als Wände sich Ein schlanker Leib und stürbe!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":119,"orig":"Das Laub vergilbt, die Krone blich, Die Rinde bröckelt mürbe.","norm":"Das Laub vergilbt, die Krone blich, die Rinde bröckelt mürbe."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":120,"orig":"Sehnſucht iſt Qual!","norm":"Sehnsucht ist Qual!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":121,"orig":"Der Herrin wag ich's nicht zu ſagen, Ich will's den dunkeln Eichen klagen Im grünen Thal:","norm":"Der Herrin wage ich es nicht zu sagen, Ich will es den dunkeln Eichen klagen im grünen Tal:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":122,"orig":"Sehnſucht iſt Qual.","norm":"Sehnsucht ist Qual."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":123,"orig":"Mein Leib vergeht Wie ſchmelzend Eis in bleichen Farben, Sie ſieht mich durſten, lechzen, darben, Bleibt unerfleht — Mein Leib vergeht.","norm":"Mein Leib vergeht wie schmelzend Eis in bleichen Farben, Sie sieht mich dursten, lechzen, darben, bleibt unerfleht — Mein Leib vergeht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":124,"orig":"Doch mag es ſein, Daß ſie an ihrer Macht ſich weide!","norm":"Doch mag es sein, dass sie an ihrer Macht sich weide!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":125,"orig":"Ergetzt ſie grauſam ſich an meinem Leide;","norm":"Ergötzt sie grausam sich an meinem Leide;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":126,"orig":"So denkt ſie mein — Drum mag es ſein.","norm":"So denkt sie mein — darum mag es sein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":127,"orig":"Sehnſucht iſt Qual!","norm":"Sehnsucht ist Qual!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":128,"orig":"Dem Kühnſten macht die FoIter bange, Ein Grab, darin ich nichts verlange, Gieb mir, o Thal!","norm":"Dem Kühnsten macht die Folter bange, ein Grab, darin ich nichts verlange, Gib mir, o Tal!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":129,"orig":"Sehnſucht iſt Qual.","norm":"Sehnsucht ist Qual."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":130,"orig":"Liebe Kinder, wiſſt ihr, wo Fingerhut zu Hauſe?","norm":"Liebe Kinder, wisst ihr, wo Fingerhut zu Hause?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":131,"orig":"Tief im Thal von Acherloo Hat er Herd und Klauſe;","norm":"Tief im Tal von Acherloo hat er Herd und Klause;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":132,"orig":"Aber ſchon in jungen Tagen Muß er einen Höcker tragen, Geht er, wunderlicher nie Wallte man auf Erden!","norm":"Aber schon in jungen Tagen muss er einen Höcker tragen, geht er, wunderlicher nie Wallte man auf Erden!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":133,"orig":"Sitzt er, ſtaunen Kinn und Knie, Daß ſie Nachbarn werden.","norm":"Sitzt er, staunen Kinn und Knie, dass sie Nachbarn werden."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":134,"orig":"Körbe flicht aus Binſen er, Früh und ſpät ſich regend, Trägt ſie zum Verkauf umher In der ganzen Gegend, Und er gäbe ſich zufrieden, Wär' er nicht im Volk gemieden;","norm":"Körbe flicht aus Binsen er, früh und spät sich regend, trägt sie zum Verkaufe umher in der ganzen Gegend, und er gäbe sich zufrieden, wäre er nicht im Volk gemieden;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":135,"orig":"Denn man ziſchelt mancherlei:","norm":"Denn man zischelt mancherlei:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":136,"orig":"Daß ein Hexenmeiſter, Daß er kräuterkundig ſei Und im Bund der Geiſter.","norm":"Dass ein Hexenmeister, dass er kräuterkundig sei und im Bund der Geister."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":137,"orig":"Solches iſt die Wahrheit nicht, Iſt ein leeres Meinen, Doch das Volk im Dämmerlicht Schaudert vor dem Kleinen.","norm":"Solches ist die Wahrheit nicht, ist ein leeres Meinen, doch das Volk im Dämmerlicht schaudert vor dem Kleinen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":138,"orig":"So die Jungen wie die Alten Weichen aus dem Ungeſtalten — Doch vorüber wohlgemut Auf des Schuſters Räppchen Trabt er.","norm":"So die Jungen wie die Alten Weichen aus dem Ungestalten — doch vorüber wohlgemut auf des Schusters Räppchen trabt er."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":139,"orig":"Blauer Fingerhut Nickt von ſeinem Käppchen.","norm":"Blauer Fingerhut nickt von seinem Käppchen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":140,"orig":"Einmal geht er heim bei Nacht Nach des Tages Laſten, Hat den halben Weg gemacht, Darf ein bischen raſten, Setzt ſich und den Korb daneben, Schimmernd hebt der Mond ſich eben:","norm":"Einmal geht er heim bei Nacht nach des Tages Lasten, hat den halben Weg gemacht, darf ein bisschen rasten, setzt sich und den Korb daneben, schimmernd hebt der Mond sich eben:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":141,"orig":"Fingerhut iſt gar nicht bang, Ihm iſt gar nicht ſchaurig, Nur daß noch der Weg ſo lang, Macht den Kleinen traurig.","norm":"Fingerhut ist gar nicht bang, ihm ist gar nicht schaurig, nur dass noch der Weg so lang, Macht den Kleinen traurig."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":142,"orig":"Etwas hört er klingen fein — Nicht mit rechten Dingen, Mitten aus dem grünen Rain Ein melodiſch Singen: „Silberfähre, gleiteſt leiſe“ — Schon verſtummt die kurze Weiſe.","norm":"Etwas hört er klingen fein — nicht mit rechten Dingen, Mitten aus dem grünen Rain ein melodisch Singen: „Silberfähre, gleitest leise“ — schon verstummt die kurze Weise."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":143,"orig":"Fingerhütchen ſpähet ſcharf Und kann nichts entdecken, Aber was er hören darf, Iſt nicht zum Erſchrecken.","norm":"Fingerhütchen spähet scharf und kann nichts entdecken, Aber was er hören darf, ist nicht zum Erschrecken."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":144,"orig":"Wieder hebt das Liedchen an Unter Buſch und Hecken, Doch es bleibt der Reimgeſpan Stets im Hügel ſtecken.","norm":"Wieder hebt das Liedchen an unter Busch und Hecken, doch es bleibt der Reimgespann stets im Hügel stecken."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":145,"orig":"„Silberfähre, gleiteſt leiſe“ — Wiederum verſtummt die Weiſe.","norm":"„Silberfähre, gleitest leise“ — wiederum verstummt die Weise."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":146,"orig":"Lieblich iſt, doch einerlei Der Geſang der Elfen, Fingerhütchen fällt es bei, Ihnen einzuhelfen.","norm":"Lieblich ist, doch einerlei der Gesang der Elfen, Fingerhütchen fällt es bei, Ihnen einzuhelfen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":147,"orig":"Fingerhütchen lauert ſtill Auf der Töne Leiter, Wie das Liedchen enden will Führt er leicht es weiter: „Silberfähre, gleiteſt leiſe“ — „Ohne Ruder, ohne Gleiſe.","norm":"Fingerhütchen lauert still auf der Töne Leiter, wie das Liedchen enden will führt er leicht es weiter: „Silberfähre, gleitest leise“ — „Ohne Ruder, ohne Gleise."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":148,"orig":"“ Aus dem Hügel ruft's empor: „Das iſt dir gelungen!“ Unterm Boden kommt hervor Kleines Volk geſprungen.","norm":"“ Aus dem Hügel ruft es empor: „Das ist dir gelungen!“ Unterm Boden kommt hervor kleines Volk gesprungen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":149,"orig":"„Fingerhütchen, Fingerhut,“ Lärmt die tolle Runde, „Faß dir einen friſchen Mut!","norm":"„Fingerhütchen, Fingerhut,“ Lärmt die tolle Runde, „Faße dir einen frischen Mut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":150,"orig":"Günſtig iſt die Stunde!","norm":"Günstig ist die Stunde!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":151,"orig":"Silberfähre, gleiteſt leiſe Ohne Ruder, ohne Gleiſe!“ Dieſes haſt du brav gemacht, Lernet es, ihr Sänger!","norm":"Silberfähre, gleitest leise ohne Ruder, ohne Gleise!“ Dieses hast du brav gemacht, lernt es, ihr Sänger!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":152,"orig":"Wie du es zu Stand gebracht, Hübſcher iſt's und länger!","norm":"Wie du es zustand gebracht, Hübscher ist es und länger!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":153,"orig":"Zeig dich einmal, ſchöner Mann!","norm":"Zeige dich einmal, schöner Mann!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":154,"orig":"Laß dich einmal ſehen!","norm":"Lass dich einmal sehen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":155,"orig":"Vorn zuerſt und hinten dann!","norm":"Vorn zuerst und hinten dann!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":156,"orig":"Laß dich einmal drehen!","norm":"Lass dich einmal drehen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":157,"orig":"Weh!","norm":"Weh!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":158,"orig":"Was müſſen wir erblicken!","norm":"Was müssen wir erblicken!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":159,"orig":"Fingerhütchen, welch ein Rücken!","norm":"Fingerhütchen, welch ein Rücken!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":160,"orig":"Auf der Schulter, liebe Zeit, Trägſt du grauſe Bürde!","norm":"Auf der Schulter, liebe Zeit, trägst du grause Bürde!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":161,"orig":"Ohne hübſche Leiblichkeit Was iſt Geiſteswürde?","norm":"Ohne hübsche Leiblichkeit was ist Geisteswürde?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":162,"orig":"Eine ganze Stirne voll Glücklicher Gedanken, Unter einem Höcker ſoll Länger nicht ſie ſchwanken!","norm":"Eine ganze Stirn voll glücklicher Gedanken, unter einem Höcker soll länger nicht sie schwanken!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":163,"orig":"Strecket euch, verkrümmte Glieder!","norm":"Strecket euch, verkrümmte Glieder!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":164,"orig":"Garſt'ger Buckel, purzle nieder!","norm":"Garstiger Buckel, purzle nieder!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":165,"orig":"Fingerhut, nun biſt du grad, Deines Fehls geneſen!","norm":"Fingerhut, nun bist du gerade, Deines Fehls genesen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":166,"orig":"Heil zum ſchlanken Rückengrat!","norm":"Heil zum schlanken Rückengrat!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":167,"orig":"Heil zum neuen Weſen!“ Plötzlich ſteckt der Elfenchor Wieder tief im Raine, Aus dem Hügelrund empor Tönt's im Mondenſcheine: „Silberfähre, gleiteſt leiſe Ohne Ruder, ohne Gleiſe.","norm":"Heil zum neuen Wesen!“ Plötzlich steckt der Elfenchor wieder tief im Raine, aus dem Hügelrund empor tönt es im Mondenschein: „Silberfähre, gleitest leise ohne Ruder, ohne Gleise."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":168,"orig":"“ Fingerhütchen wird es ſatt, Wäre gern daheime, Er entſchlummert laß und matt An dem eignen Reime.","norm":"“ Fingerhütchen wird es satt, wäre gern daheim, er entschlummert lass und matt an dem eigenen Reime."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":169,"orig":"Schlummert eine ganze Nacht Auf derſelben Stelle, Wie er endlich auferwacht, Scheint die Sonne helle:","norm":"Schlummert eine ganze Nacht auf derselben Stelle, wie er endlich erwacht, scheint die Sonne helle:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":170,"orig":"Kühe weiden, Schafe graſen Auf des Elfenhügels Raſen.","norm":"Kühe weiden, Schafe grasen auf des Elfenhügels Rasen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":171,"orig":"Fingerhut iſt bald bekannt, Läßt die Blicke ſchweifen, Sachte dreht er dann die Hand, Hinter ſich zu greifen.","norm":"Fingerhut ist bald bekannt, lässt die Blicke schweifen, Sachte dreht er dann die Hand, hinter sich zu greifen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":172,"orig":"Iſt ihm Heil im Traum geſchehn?","norm":"Ist ihm Heil im Traum geschehen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":173,"orig":"Iſt das Heil die Wahrheit?","norm":"Ist das Heil die Wahrheit?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":174,"orig":"Wird das Elfenwort beſtehn Vor des Tages Klarheit?","norm":"Wird das Elfenwort bestehen vor des Tages Klarheit?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":175,"orig":"Und er taſtet, taſtet, taſtet:","norm":"Und er tastet, tastet, tastet:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":176,"orig":"Unbebürdet!","norm":"Unbebürdet!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":177,"orig":"Unbelaſtet!","norm":"Unbelastet!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":178,"orig":"„Jetzt bin ich ein grader Mann!“ Jauchzt er ohne Ende, Wie ein Hirſchlein jagt er dann Ueber Feld behende.","norm":"„Jetzt bin ich ein gerader Mann!“ Jauchzt er ohne Ende, wie ein Hirschlein jagt er dann über Feld behände."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":179,"orig":"Fingerhut ſteht plötzlich ſtill, Taſtet leicht und leiſe, Ob er wieder wachſen will?","norm":"Fingerhut steht plötzlich still, tastet leicht und leise, ob er wieder wachsen will?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":180,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":181,"orig":"in keiner Weiſe!","norm":"in keiner Weise!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":182,"orig":"Selig preiſt er Nacht und Stunde, Da er ſang im Geiſterbunde — Fingerhütchen wandelt ſchlank, Gleich als hätt' er Flügel, Seit er ſchlummernd niederſank Nachts am Elfenhügel.","norm":"Selig preist er Nacht und Stunde, da er sang im Geisterbunde — Fingerhütchen wandelt schlank, gleich als hätte er Flügel, seit er schlummernd niedersank Nachts am Elfenhügel."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":183,"orig":"Fremdling, unter dieſem Schutte Wölbt ſich eine weite Halle, Blüht des Inka goldner Garten, Prangt der Seſſel meines Ahns!","norm":"Fremdling, unter diesem Schutte wölbt sich eine weite Halle, Blüht des Inka goldener Garten, Prangt der Sessel meines Ahns!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":184,"orig":"Alles Laub und alle Früchte Und die Vögel auf den Aeſten Und die Fiſchlein in den Teichen Sind vom aIlerfeinſten Gold.","norm":"Alles Laub und alle Früchte und die Vögel auf den Ästen und die Fischlein in den Teichen sind vom allerfeinsten Gold."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":185,"orig":"“ — „Knabe, du biſt zart und dürftig, Deine greiſen Eltern darben — Warum gräbſt du nicht die nahen Schätze, die dein Erbe ſind?“ „Solches, Fremdling, wäre ſündlich!","norm":"“ — „Knabe, du bist zart und dürftig, Deine greisen Eltern darben — warum gräbst du nicht die nahen Schätze, die dein Erbe sind?“ „Solches, Fremdling, wäre sündlich!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":186,"orig":"Nein, ich laſſe mir genügen An dem kleinen Waizenfelde, Das mir oben übrig blieb.","norm":"Nein, ich lasse mir genügen an dem kleinen Weizenfelde, das mir oben übrigblieb."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":187,"orig":"Im Geheimniß meines Herzens, Mit den Augen meines Geiſtes Schwelg' ich in den lichten Wundern, In dem unermeſſnen Hort:","norm":"Im Geheimnis meines Herzens, mit den Augen meines Geistes Schwelg ich in den lichten Wundern, in dem unermessenen Hort:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":188,"orig":"O des Glanzes!","norm":"O des Glanzes!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":189,"orig":"O der Fülle!","norm":"O der Fülle!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":190,"orig":"Siehſt du dort die Büſchel Maiſes Mit den ſchön geformten Kolben?","norm":"Siehst du dort die Büschel Maises mit den schöngeformten Kolben?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":191,"orig":"Siehſt du dort den goldnen Thron?“","norm":"Siehst du dort den goldenen Thron?“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":192,"orig":"Es herrſcht' ein König irgendwo In Dazien oder Thrazien, Den ſuchten einſt die Muſen heim, Die Muſen mit den Grazien.","norm":"Es herrschte ein König irgendwo in Dazien oder Thrakien, den suchten einst die Musen heim, die Musen mit den Grazien."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":193,"orig":"Statt milden Nectars Rebenblut Geruhten ſie zu nippen, Die Seele des Barbaren hing An ihren ſel'gen Lippen.","norm":"Statt milden Nektars Rebenblut geruhten sie zu nippen, die Seele des Barbaren hing an ihren seligen Lippen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":194,"orig":"Erſt ſang ein jedes Himmelskind Im Tone, der ihm eigen, Dann ſchritt der ganze Chor im Tact Und trat den blüh'nden Reigen.","norm":"Erst sang ein jedes Himmelskind im Tone, der ihm eigen, dann schritt der ganze Chor im Takt und trat den blühenden Reigen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":195,"orig":"Der König klatſchte: „Morgen will Ich wieder euch beſtaunen.","norm":"Der König klatschte: „Morgen will Ich wieder euch bestaunen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":196,"orig":"“ Die Muſen ſchüttelten das Haupt: „Das hangt an unſern Launen.","norm":"“ Die Musen schüttelten das Haupt: „Das hangt an unseren Launen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":197,"orig":"“ An euern Launen?","norm":"“ An euren Launen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":198,"orig":"...“ Der Deſpot Begann zu ſchmähn und läſtern.","norm":"...“ Der Despot Begann zu schmähen und lästern."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":199,"orig":"„Ihr Knechte,“ ſchrie er, „Feſſeln her!“ Und feſſelte die Schweſtern.","norm":"„Ihr Knechte,“ schrie er, „Fesseln her!“ Und fesselte die Schwestern."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":200,"orig":"Der König wacht', um Mitternacht Vernahm er leiſes Schreiten, Geflüſter: „Seid ihr alle da?“ Und Schüttern zarter Saiten.","norm":"Der König wachte, um Mitternacht vernahm er leises Schreiten, Geflüster: „Seid ihr alle da?“ Und Schüttern zarter Saiten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":201,"orig":"Er fuhr empor.","norm":"Er fuhr empor."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":202,"orig":"„Den hellen Chor Ergreift, getreue Wächter!“ Die Schergen griffen in die Luft Und ſilbern klang Gelächter.","norm":"„Den hellen Chor ergreift, getreue Wächter!“ Die Schergen griffen in die Luft und silbern klang Gelächter."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":203,"orig":"Am Morgen war der Kerker leer, Der Reigen über die Grenze — Drin hingen ſtatt der Ketten ſchwer Zerrißne Blumenkränze.","norm":"Am Morgen war der Kerker leer, der Reigen über die Grenze — drin hingen statt der Ketten schwer zerrissene Blumenkränze."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":204,"orig":"Mit edeln Purpurröthen Und hellem Amſelſchlag, Mit Roſen und mit Flöten Stolziert der junge Tag.","norm":"Mit edlen Purpurröten und hellem Amselschlag, mit Rosen und mit Flöten stolziert der junge Tag."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":205,"orig":"Der Wanderſchritt des Lebens Iſt noch ein leichter Tanz, Ich gehe wie im Reigen Mit einem friſchen Kranz.","norm":"Der Wanderschritt des Lebens ist noch ein leichter Tanz, Ich gehe wie im Reigen mit einem frischen Kranz."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":206,"orig":"Ihr thaubenetzten Kränze Der neuen Morgenkraft, Geworfen aus den Lüften Und ſpielend aufgerafft — Wohl manchen ließ ich welken Noch vor der Mittagsglut;","norm":"Ihr taubenetzten Kränze der neuen Morgenkraft, geworfen aus den Lüften und spielend aufgerafft — Wohl manchen ließ ich welken Noch vor der Mittagsglut;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":207,"orig":"Zerriſſen hab' ich manchen Aus reinem Uebermut!","norm":"Zerrissen habe ich manchen Aus reinem Übermut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":208,"orig":"Mit edeln Purpurröthen Und hellem Amſelſchlag, Mit Roſen und mit Flöten Stolziert der junge Tag — Hinweg, du dunkle Klage, Aus all dem Licht und Glanz!","norm":"Mit edlen Purpurröten und hellem Amselschlag, mit Rosen und mit Flöten stolziert der junge Tag — Hinweg, du dunkle Klage, aus all dem Licht und Glanz!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":209,"orig":"Den Schmerz verlorner Tage Bedeckt ein friſcher Kranz.","norm":"Den Schmerz verlorener Tage bedeckt ein frischer Kranz."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":210,"orig":"Eppich, mein alter Hausgeſell, Du biſt von jungen Blättern hell, Dein Wintergrün, ſo ſtill und ſtreng, Verträgt ſich's mit dem Lenzgedräng?","norm":"Eppich, mein alter Hausgesell, Du bist von jungen Blättern hell, Dein Wintergrün, so still und streng, verträgt sich es mit dem Lenzgedränge?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":211,"orig":"— „Warum denn nicht?","norm":"— „Warum denn nicht?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":212,"orig":"Wie meines hat Dein Leben alt und junges Blatt, Eins ſtreng und dunkel, eines licht Von Lenz und Luſt!","norm":"Wie meines hat Dein Leben Alt und Junges Blatt, Eins streng und dunkel, eines licht von Lenz und Lust!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":213,"orig":"Warum denn nicht?“","norm":"Warum denn nicht?“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":214,"orig":"Es hat den Garten ſich zum Freund gemacht, Dann welkten es und er im Herbſte ſacht, Die Sonne ging und es und er entſchlief, Gehüllt in eine Decke weiß und tief.","norm":"Es hat den Garten sich zum Freund gemacht, dann welkten es und er im Herbste sacht, die Sonne ging und es und er entschlief, gehüllt in eine Decke weiß und tief."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":215,"orig":"Jetzt iſt der Garten unverſehns erwacht, Die Kleine ſchlummert feſt in ihrer Nacht.","norm":"Jetzt ist der Garten unversehens erwacht, die Kleine schlummert fest in ihrer Nacht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":216,"orig":"Wo ſteckſt du?","norm":"Wo steckst du?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":217,"orig":"ſummt es dort und ſummt es hier.","norm":"summt es dort und summt es hier."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":218,"orig":"Der ganze Garten frägt nach ihr, nach ihr.","norm":"Der ganze Garten fragt nach ihr, nach ihr."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":219,"orig":"Die blaue Winde klettert ſchlank empor Und blickt ins Haus:","norm":"Die blaue Winde klettert schlank empor und blickt ins Haus:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":220,"orig":"Komm hinterm Schrank hervor!","norm":"Komme hinterm Schrank hervor!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":221,"orig":"Wo birgſt du dich?","norm":"Wo birgst du dich?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":222,"orig":"Du thuſt dir's ſelbſt zu leid!","norm":"Du tust dir es selbst zuleid!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":223,"orig":"Was haſt du für ein neues Sommerkleid?","norm":"Was hast du für ein neues Sommerkleid?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":224,"orig":"Ich lag an einem Raine Mit meinem dürren Stab.","norm":"Ich lag an einem Raine mit meinem dürren Stab."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":225,"orig":"Was lauf' ich?","norm":"Was laufe ich?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":226,"orig":"Meine Beine Erlaufen nur das Grab ...","norm":"Meine Beine Erlaufen nur das Grab ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":227,"orig":"Ein Wandrer zog derenden, War noch ein Knabe faſt, Der hielt als Stab in Händen Den blüthenreichſten Aſt.","norm":"Ein Wanderer zog derenden, war noch ein Knabe fast, der hielt als Stab in Händen den blütenreichsten Ast."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":228,"orig":"„Grüß Gott dich, ſchöner Wandrer!","norm":"„Grüße Gott dich, schöner Wanderer!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":229,"orig":"Biſt du es, Knabe Lenz?“ Er rief: „Ich bin kein Andrer Und komme von Florenz!“ Das mußte mich erwecken.","norm":"Bist du es, Knabe Lenz?“ Er rief: „Ich bin kein Anderer Und komme von Florenz!“ Das musste mich erwecken."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":230,"orig":"„Kind Lenz, ich wandre mit!“ Wir hoben unſre Stecken In einem Schritt und Tritt.","norm":"„Kind Lenz, ich wandre mit!“ Wir hoben unsere Stecken in einem Schritt und Tritt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":231,"orig":"Die beiden Stäbe hoben Kind Lenz und ich zugleich;","norm":"Die beiden Stäbe hoben Kind Lenz und ich zugleich;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":232,"orig":"Auch meiner ward von oben Bis unten blüthenreich.","norm":"Auch meiner wurde von oben Bis unten blütenreich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":233,"orig":"Nieder trägt der warme Föhn Der Lawine fern Getön, Hinter jenen hohen Föhren Kann den dumpfen Schlag ich hören.","norm":"Nieder trägt der warme Föhn der Lawine fern Getön, hinter jenen hohen Föhren kann den dumpfen Schlag ich hören."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":234,"orig":"In des Lenzes blauen Schein Aus der Scholle dunkelm Schrein Drängt und drückt das neue Leben, Lüftet Kleid und Decken eben — Von derſelben Kraft und Luſt Wächſt das Herz mir in der Bruſt, Heute kann es noch ſich dehnen Mit den Liedern, mit den Thränen!","norm":"In des Lenzes blauen Schein aus der Scholle dunklem Schrein drängt und drückt das neue Leben, lüftet Kleid und Decken eben — von derselben Kraft und Lust wächst das Herz mir in der Brust, heute kann es noch sich dehnen mit den Liedern, mit den Tränen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":235,"orig":"Aber blauen wird ein Tag, Da ſich's nicht mehr dehnen mag — Dann kommt mich der Lenz zu tödten Mit den Veilchen, mit den Flöten.","norm":"Aber blauen wird ein Tag, da sich es nicht mehr dehnen mag — dann kommt mich der Lenz zu töten mit den Veilchen, mit den Flöten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":236,"orig":"Frühling mit der Vöglein Laut Allerenden, allerorten!","norm":"Frühling mit der Vöglein Laut Allerenden, allerorten!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":237,"orig":"Frühling, der die Welt umblaut, Deine blüh'nden Siegespforten Haſt du niedrig aufgebaut!","norm":"Frühling, der die Welt umblaut, Deine blühenden Siegespforten Hast du niedrig aufgebaut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":238,"orig":"Ueber alle Pfade her Schießen blüthenſchwere Zweige Ungebändigt, kreuz und quer, Daß dir jedes Haupt ſich neige, Und die Demuth iſt nicht ſchwer.","norm":"Über alle Pfade her Schießen blütenschwere Zweige ungebändigt, kreuz und quer, dass dir jedes Haupt sich neige, und die Demut ist nicht schwer."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":239,"orig":"Englein ſingen aus dem blauen Tag, Mägdlein ſingen hinterm Blüthenhag, Jubelnd mit dem ganzen Lenzgeſind Singt mir in vernarbter Bruſt — ein Kind.","norm":"Englein singen aus dem blauen Tag, Mägdlein singen hinterm Blütenhag, jubelnd mit dem ganzen Lenzgesinde singt mir in vernarbter Brust — ein Kind."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":240,"orig":"Sie haben mit dem Beile dich zerſchnitten, Die Frevler — haſt du viel dabei gelitten?","norm":"Sie haben mit dem Beile dich zerschnitten, die Frevler — hast du viel dabei gelitten?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":241,"orig":"Ich ſelber habe ſorglich dich verbunden Und traue:","norm":"Ich selber habe sorglich dich verbunden Und traue:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":242,"orig":"Junger Baum, du wirſt geſunden!","norm":"Junger Baum, du wirst gesunden!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":243,"orig":"Auch ich erlitt zu ſchier derſelben Stunde Von ſchärferm Meſſer eine tiefre Wunde.","norm":"Auch ich erlitt zu schier derselben Stunde von schärferem Messer eine tiefere Wunde."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":244,"orig":"Zu unterſuchen komm' ich täglich deine Und unerträglich brennen fühl' ich meine.","norm":"Zu untersuchen komme ich täglich deine Und unerträglich brennen fühle ich meine."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":245,"orig":"Du ſaugeſt gierig ein die Kraft der Erde, Mir iſt, als ob auch ich durchrieſelt werde!","norm":"Du saugest gierig ein die Kraft der Erde, mir ist, als ob auch ich durchrieselt werde!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":246,"orig":"Der friſche Saft quillt aus zerſchnittner Rinde Heilſam.","norm":"Der frische Saft quillt aus zerschnittener Rinde heilsam."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":247,"orig":"Mir iſt, als ob auch ich's empfinde!","norm":"Mir ist, als ob auch ich es empfinde!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":248,"orig":"Indem ich deine ſich erfriſchen fühle, Iſt mir, als ob ſich meine Wunde kühle!","norm":"Indem ich deine sich erfrischen fühle, ist mir, als ob sich meine Wunde kühle!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":249,"orig":"Natur beginnt zu wirken und zu weben, Ich traue:","norm":"Natur beginnt zu wirken und zu weben, Ich traue:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":250,"orig":"Beiden geht es nicht ans Leben!","norm":"Beiden geht es nicht ans Leben!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":251,"orig":"Wie viele, ſo verwundet, welkten, ſtarben!","norm":"Wie viele, so verwundet, welkten, starben!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":252,"orig":"Wir beide prahlen noch mit unſern Narben!","norm":"Wir beide prahlen noch mit unseren Narben!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":253,"orig":"Zu Walde flücht' ich, ein gehetztes Wild, Indeß der Abendhimmel purpurn quillt.","norm":"Zu Walde flüchte ich, ein gehetztes Wild, indessen der Abendhimmel purpurn quillt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":254,"orig":"Zu mir rinnt herein Ein ſtilles Bluten über Moos und Stein.","norm":"Zu Mir rinnt herein ein stilles Bluten über Moos und Stein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":255,"orig":"Du wareſt mir ein täglich Wanderziel, Viellieber Wald, in dumpfen Jugendtagen, Ich hatte dir geträumten Glücks ſo viel Anzuvertraun, ſo wahren Schmerz zu klagen.","norm":"Du warst mir ein täglich Wanderziel, Viellieber Wald, in dumpfen Jugendtagen, Ich hatte dir geträumten Glücks soviel Anzuvertraun, so wahren Schmerz zu klagen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":256,"orig":"Und wieder ſuch' ich dich, du dunkler Hort, Und deines Wipfelmeers gewaltig Rauſchen — Jetzt rede du!","norm":"Und wieder such ich dich, du dunkler Hort, und deines Wipfelmeers gewaltig Rauschen — jetzt rede du!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":257,"orig":"Ich laſſe dir das Wort!","norm":"Ich lasse dir das Wort!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":258,"orig":"Verſtummt iſt Klag' und Jubel.","norm":"Verstummt ist Klage und Jubel."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":259,"orig":"Ich will lauſchen.","norm":"Ich will lauschen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":260,"orig":"Schlummernd jüngſt in Waldesraum Hatt' ich einen hübſchen Traum:","norm":"Schlummernd jüngst in Waldesraum hatte ich einen hübschen Traum:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":261,"orig":"Etwas regt ſich in der Hecke, Etwas klimpert im Verſtecke.","norm":"Etwas regt sich in der Hecke, etwas klimpert im Verstecke."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":262,"orig":"Das Geſträuch mit leiſer Hand Theilt' ich, bis das Neſt ich fand:","norm":"Das Gesträuch mit leiser Hand teilte ich, bis das Nest ich fand:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":263,"orig":"Kinder, rings im Graſe ſitzend, Mit den hellen Augen blitzend!","norm":"Kinder, rings im Grase sitzend, mit den hellen Augen blitzend!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":264,"orig":"Rutſchend auf dem nackten Knie, Stimmten eine Laute ſie — „Sagt, was lagert ihr im Runde?","norm":"Rutschend auf dem nackten Knie, stimmten eine Laute sie — „Sagt, was lagert ihr im Runde?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":265,"orig":"Sprecht, was ſchaffet ihr im Bunde?“ Auf das zarte Werk erpicht, Hörten ſie die Frage nicht.","norm":"Sprecht, was schaffet ihr im Bunde?“ Auf das zarte Werk erpicht, hörten sie die Frage nicht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":266,"orig":"„Seht, wie iſt ſie zugerichtet!","norm":"„Seht, wie ist sie zugerichtet!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":267,"orig":"Wundgeriſſen!","norm":"Wundgerissen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":268,"orig":"Faſt vernichtet!“ Emſig ward geklopft, geſpäht, An den Saiten flink gedreht, Ließen eine tiefer klingen, Ließen eine hohe ſpringen, — Endlich klang die Laute rein Und die Kinder ſpielten fein, Bis ich aus dem Traum erwachte Und mir ſeinen Sinn bedachte:","norm":"Fast vernichtet!“ Emsig wurde geklopft, gespäht, an den Saiten flink gedreht, ließen eine tiefer klingen, ließen eine hohe springen, — endlich klang die Laute rein Und die Kinder spielten fein, bis ich aus dem Traum erwachte und mir seinen Sinn bedachte:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":269,"orig":"Dumpf entſchlummert, jetzo hell, Ganz ein anderer Geſell!","norm":"Dumpf entschlummert, jetzt hell, ganz ein anderer Gesell!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":270,"orig":"Was die Kinder ohne Fehle Stimmten, es war meine Seele!","norm":"Was die Kinder ohne Fehle stimmten, es war meine Seele!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":271,"orig":"Ich liebe, Nymphe, deine keuſche Flut, Die kühl im allertiefſten Walde ruht.","norm":"Ich liebe, Nymphe, deine keusche Flut, die kühl im allertiefsten Walde ruht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":272,"orig":"Du ſpiegelſt weder Stadt noch Firneſchnee, Den Himmel ſchimmerſt du, mein kleiner See!","norm":"Du spiegelst weder Stadt noch Firneschnee, den Himmel schimmerst du, mein kleiner See!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":273,"orig":"Dein Antlitz ſagt mir Alles, raſch erregt, Was dir das kindliche Gemüth bewegt, Und leicht erhellt, verdunkelt ohne Grund, Macht es mir alle deine Launen kund.","norm":"Dein Antlitz sagt mir alles, rasch erregt, was dir das kindliche Gemüt bewegt, und leicht erhellt, verdunkelt ohne Grund, Macht es mir alle deine Launen kund."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":274,"orig":"Der Kahn, verborgen tief im Schilfe dort, Gefeſſelt iſt er durch ein Zauberwort.","norm":"Der Kahn, verborgen tief im Schilfe dort, gefesselt ist er durch ein Zauberwort."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":275,"orig":"Nie hat gelöſt ihn eine trunkne Schaar, Nie hat ſich eine Dirn im Flatterhaar, Von rohen Buhlen durch den Wald gehetzt, Vor deinen Spiegel keuchend hingeſetzt.","norm":"Nie hat gelöst ihn eine trunkene Schar, nie hat sich eine Dirn im Flatterhaar, von rohen Buhlen durch den Wald gehetzt, vor deinen Spiegel keuchend hingesetzt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":276,"orig":"Nie hat ein unſtet zuckend Fackelrot Dir über deine kühle Stirn geloht!","norm":"Nie hat ein unstet zuckend Fackelrot Dir über deine kühle Stirn geloht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":277,"orig":"Horch!","norm":"Horch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":278,"orig":"Stimmen durch den Wald!","norm":"Stimmen durch den Wald!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":279,"orig":"Ein Luſtgeſchrei!","norm":"Ein Lustgeschrei!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":280,"orig":"Gekreiſch!","norm":"Gekreisch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":281,"orig":"Gewieher!","norm":"Gewieher!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":282,"orig":"Freches Volk, vorbei!","norm":"Freches Volk, vorbei!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":283,"orig":"Den Gaſſenhauer, liederlich gejohlt — Schäme dich, Echo!","norm":"Den Gassenhauer, liederlich gejohlt — Schäme dich, Echo!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":284,"orig":"— haſt du wiederholt!","norm":"— hast du wiederholt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":285,"orig":"Verhülle, Nymphe, deiner Augen Schein, Verbirg dich tiefer in den Wald hinein!","norm":"Verhülle, Nymphe, deiner Augen Schein, Verbirg dich tiefer in den Wald hinein!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":286,"orig":"Und zürnend gegen den Tumult gewandt: „Hinweg!“ gebot ich mit erhobner Hand.","norm":"Und zürnend gegen den Tumult gewandt: „Hinweg!“ gebot ich mit erhobener Hand."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":287,"orig":"Nicht näher!“ Und im Walde ward es Ruh.","norm":"Nicht näher!“ Und im Walde wurde es Ruhe."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":288,"orig":"Der Jubel zog ſich einer Schenke zu.","norm":"Der Jubel zog sich einer Schenke zu."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":289,"orig":"Du bliebſt in deinem blauen Kleide rein, In deinem grünen Waldesdämmerſchein — Indeſſen hat die Sonne ſich geneigt, Wie ſüß in jedem Blatt die Stille ſchweigt!","norm":"Du bliebst in deinem blauen Kleide rein, in deinem grünen Waldesdämmerschein — indessen hat die Sonne sich geneigt, wie süß in jedem Blatt die Stille schweigt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":290,"orig":"In Tannenduft und unter Himmelsruh, Bewacht von meinem Blick, entſchlummerſt du!","norm":"In Tannenduft und unter Himmelsruhe, bewacht von meinem Blick, entschlummerst du!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":291,"orig":"Trüb verglomm der ſchwüle Sommertag, Dumpf und traurig tönt mein Ruderſchlag — Sterne, Sterne — Abend iſt es ja — Sterne, warum ſeid ihr noch nicht da?","norm":"Trüb verglomm der schwüle Sommertag, dumpf und traurig tönt mein Ruderschlag — Sterne, Sterne — Abend ist es ja — Sterne, warum seid ihr noch nicht da?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":292,"orig":"Bleich das Leben!","norm":"Bleich das Leben!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":293,"orig":"Bleich der Felſenhang!","norm":"Bleich der Felsenhang!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":294,"orig":"Schilf, was flüſterſt du ſo frech und bang?","norm":"Schilf, was flüsterst du so frech und bang?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":295,"orig":"Fern der Himmel und die Tiefe nah — Sterne, warum ſeid ihr noch nicht da?","norm":"Fern der Himmel und die Tiefe nah — Sterne, warum seid ihr noch nicht da?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":296,"orig":"Eine liebe, liebe Stimme ruft Mich beſtändig aus der Waſſergruft — Weg, Geſpenſt, das oft ich winken ſah!","norm":"Eine liebe, liebe Stimme ruft mich beständig aus der Wassergruft — Weg, Gespenst, das oft ich winken sah!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":297,"orig":"Sterne, Sterne, ſeid ihr nicht mehr da?","norm":"Sterne, Sterne, seid ihr nicht mehr da?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":298,"orig":"Endlich, endlich durch das Dunkel bricht — Es war Zeit!","norm":"Endlich, endlich durch das Dunkel bricht — es war Zeit!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":299,"orig":"— ein ſchwaches Flimmerlicht — Denn ich wußte nicht wie mir geſchah.","norm":"— ein schwaches Flimmerlicht — denn ich wusste nicht wie mir geschah."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":300,"orig":"Sterne, Sterne, bleibt mir immer nah!","norm":"Sterne, Sterne, bleibt mir immer nah!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":301,"orig":"Die Rechte ſtreckt' ich ſchmerzlich oft In Harmesnächten Und fühlt' gedrückt ſie unverhofft Von einer Rechten — Was Gott iſt, wird in Ewigkeit Kein Menſch ergründen, Doch will er treu ſich allezeit Mit uns verbünden.","norm":"Die Rechte streckte ich schmerzlich oft In Harmesnächten und fühlte gedrückt sie unverhofft Von einer Rechten — was Gott ist, wird in Ewigkeit kein Mensch ergründen, doch will er treu sich allezeit mit uns verbünden."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":302,"orig":"Meine eingelegten Ruder triefen, Tropfen fallen langſam in die Tiefen.","norm":"Meine eingelegten Ruder triefen, Tropfen fallen langsam in die Tiefen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":303,"orig":"Nichts das mich verdroß!","norm":"Nichts das mich verdross!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":304,"orig":"Nichts das mich freute!","norm":"Nichts das mich freute!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":305,"orig":"Niederrinnt ein ſchmerzenloſes Heute!","norm":"Niederrinnt ein schmerzenloses heute!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":306,"orig":"Unter mir — ach, aus dem Licht verſchwunden — Träumen ſchon die ſchönern meiner Stunden.","norm":"Unter mir — ach, aus dem Licht verschwunden — Träumen schon die schöneren meiner Stunden."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":307,"orig":"Aus der blauen Tiefe ruft das Geſtern:","norm":"Aus der blauen Tiefe ruft das Gestern:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":308,"orig":"Sind im Licht noch manche meiner Schweſtern?","norm":"Sind im Licht noch manche meiner Schwestern?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":309,"orig":"Wie heilt ſich ein verlaſſen Herz, Der dunkeln Schwermuth Beute?","norm":"Wie heilt sich ein verlassen Herz, der dunkeln Schwermut Beute?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":310,"orig":"Mit Becher-Rundgeläute?","norm":"Mit Becher-Rundgeläute?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":311,"orig":"Mit bitterm Spott?","norm":"Mit bitterem Spott?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":312,"orig":"Mit frevlem Scherz?","norm":"Mit frevlem Scherz?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":313,"orig":"Nein.","norm":"Nein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":314,"orig":"Mit ein bischen Freude!","norm":"Mit ein bisschen Freude!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":315,"orig":"Wie flicht ſich ein zerriſſner Kranz, Den jach der Sturm zerſtreute?","norm":"Wie flicht sich ein zerrissener Kranz, den jach der Sturm zerstreute?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":316,"orig":"Wie knüpft ſich der erneute?","norm":"Wie knüpft sich der erneute?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":317,"orig":"Mit welchem Endchen bunten Bands?","norm":"Mit welchem Endchen bunten Bands?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":318,"orig":"Mit nur ein bischen Freude!","norm":"Mit nur ein bisschen Freude!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":319,"orig":"Wie ſühnt ſich die verjährte Schuld, Die bitterlich bereute?","norm":"Wie sühnt sich die verjährte Schuld, die bitterlich bereute?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":320,"orig":"Mit einem ſtrengen Heute?","norm":"Mit einem strengen Heute?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":321,"orig":"Mit Büßerhaft und Ungeduld?","norm":"Mit Büßerhast und Ungeduld?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":322,"orig":"Nein.","norm":"Nein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":323,"orig":"Mit ein bischen Freude!","norm":"Mit ein bisschen Freude!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":324,"orig":"Aus der Schiffsbank mach' ich meinen Pfühl, Endlich wird die heiße Stirne kühl!","norm":"Aus der Schiffsbank mache ich meinen Pfühl, endlich wird die heiße Stirn kühl!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":325,"orig":"O wie ſüß erkaltet mir das Herz!","norm":"O wie süß erkaltet mir das Herz!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":326,"orig":"O wie weich verſtummen Luſt und Schmerz!","norm":"O wie weich verstummen Lust und Schmerz!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":327,"orig":"Ueber mir des Rohres ſchwarzer Rauch Wiegt und biegt ſich in des Windes Hauch.","norm":"Über mir des Rohres schwarzer Rauch wiegt und biegt sich in des Windes Hauch."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":328,"orig":"Hüben hier und wieder drüben dort Hält das Boot an manchem kleinen Port:","norm":"Hüben hier und wieder drüben dort hält das Boot an manchem kleinen Port:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":329,"orig":"Bei der Schiffslaterne kargem Schein Steigt ein Schatten aus und niemand ein.","norm":"Bei der Schiffslaterne kargem Schein steigt ein Schatten aus und niemand ein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":330,"orig":"Nur der Steurer noch, der wacht und ſteht!","norm":"Nur der Steurer noch, der wacht und steht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":331,"orig":"Nur der Wind, der mir im Haare weht!","norm":"Nur der Wind, der mir im Haare weht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":332,"orig":"Schmerz und Luſt erleiden ſanften Tod Einen Schlumm'rer trägt das dunkle Boot.","norm":"Schmerz und Lust erleiden sanften Tod Einen Schlummerer trägt das dunkle Boot."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":333,"orig":"In reiner Nacht die Sichel geht Und macht ein leis Getön, Im reifen Korne wogt und weht Und rauſcht und wühlt der Föhn.","norm":"In reiner Nacht die Sichel geht und macht ein leis Getön, im reifen Korne wogt und weht und rauscht und wühlt der Föhn."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":334,"orig":"Sie wandert voller Melodie Hochüber durch das Land, Früh morgen ſchwingt die Schnitt'rin ſie Mit ſonnenbrauner Hand.","norm":"Sie wandert voller Melodie Hochüber durch das Land, früh morgen schwingt die Schnitterin sie Mit sonnenbrauner Hand."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":335,"orig":"Ein jäher Blitz.","norm":"Ein jäher Blitz."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":336,"orig":"Der Erntewagen ſchwankt.","norm":"Der Erntewagen schwankt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":337,"orig":"Aus ſeinen Garben fahren Dirnen auf Und ſpringen ſchreiend in die Nacht hinab.","norm":"Aus seinen Garben fahren Dirnen auf Und springen schreiend in die Nacht hinab."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":338,"orig":"Ein Blitz.","norm":"Ein Blitz."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":339,"orig":"Auf einer goldnen Garbe thront Noch unvertrieben eine frevle Maid, Der das gelöſte Haar den Nacken peitſcht.","norm":"Auf einer goldenen Garbe thront noch unvertrieben eine frevle Maid, der das gelöste Haar den Nacken peitscht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":340,"orig":"Sie hebt das volle Glas mit nacktem Arm, Als brächte ſie's der Gluth die ſie umflammt, Und leert's auf einen Zug.","norm":"Sie hebt das volle Glas mit nacktem Arm, als brächte sie es der Glut die sie umflammt, und leert es auf einen Zug."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":341,"orig":"Ins Dunkel wirft Sie's weit und gleitet ihrem Becher nach.","norm":"Ins Dunkel wirft Sie es weit und gleitet ihrem Becher nach."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":342,"orig":"Ein Blitz.","norm":"Ein Blitz."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":343,"orig":"Zwei ſchwarze Roſſe bäumen ſich.","norm":"Zwei schwarze Rosse bäumen sich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":344,"orig":"Die Peitſche knallt.","norm":"Die Peitsche knallt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":345,"orig":"Sie ziehen an.","norm":"Sie ziehen an."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":346,"orig":"Vorbei.","norm":"Vorbei."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":347,"orig":"Wir ſchnitten die Saaten, wir Buben und Dirnen, Mit nackenden Armen und triefenden Stirnen, Von ſteigenden dunkeln Gewittern bedroht — Gerettet das Korn!","norm":"Wir schnitten die Saaten, wir Buben und Dirnen, mit nackenden Armen und triefenden Stirnen, von steigenden dunkeln Gewittern bedroht — gerettet das Korn!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":348,"orig":"Und nicht Einer der darbe!","norm":"Und nicht Einer der darbe!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":349,"orig":"Von Aehre zu Garbe Iſt Raum für den Tod — Wie ſchwellen die Lippen des Lebens ſo rot!","norm":"Von Ähre zu Garbe ist Raum für den Tod — wie schwellen die Lippen des Lebens so rot!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":350,"orig":"Hoch thronet ihr Schönen auf güldenen Sitzen In ſtrotzenden Garben umflimmert von Blitzen — Nicht Eine die darbe!","norm":"Hoch thronet ihr Schönen auf güldenen Sitzen in strotzenden Garben umflimmert von Blitzen — nicht eine die darbe!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":351,"orig":"Wir bringen das Brot!","norm":"Wir bringen das Brot!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":352,"orig":"Zum Reigen!","norm":"Zum Reigen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":353,"orig":"Zum Tanze!","norm":"Zum Tanze!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":354,"orig":"Zur toſenden Runde!","norm":"Zur tosenden Runde!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":355,"orig":"Bei der Abendſonne Wandern Wann ein Dorf den Strahl verlor, Klagt ſein Dunkeln es den andern Mit vertrauten Tönen vor: „Viele Schläge, viele Schläge Thut an einem Tag das Herz, Wenig Schläge, wenig Schläge Thut im Dämmerlicht das Erz!“ Noch ein Glöcklein hat geſchwiegen Auf der Höhe bis zuletzt.","norm":"Bei der Abendsonne Wandern wann ein Dorf den Strahl verlor, klagt sein Dunkeln es den anderen Mit vertrauten Tönen vor: „Viele Schläge, viele Schläge tut an einem Tag das Herz, wenig Schläge, wenig Schläge tut im Dämmerlicht das Erz!“ Noch ein Glöcklein hat geschwiegen auf der Höhe bis zuletzt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":356,"orig":"Nun beginnt es ſich zu wiegen, Horch, mein Kilchberg läutet jetzt!","norm":"Nun beginnt es sich zu wiegen, Horch, mein Kilchberg läutet jetzt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":357,"orig":"Brütend liegt ein heißes Schweigen Ueber Thal und Bergesjoch, Evoë und Winzerreigen Schlummern in der Traube noch.","norm":"Brütend liegt ein heißes Schweigen über Tal und Bergesjoch, Evoē und Winzerreigen Schlummern in der Traube noch."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":358,"orig":"Purpurne Veltlinertraube, Kochend in der Sonne Schein, Heute möcht' ich unterm Laube Deine vollſte Beere ſein!","norm":"Purpurne Veltlinertraube, kochend in der Sonne Schein, heute möchte ich unterm Laube Deine vollste Beere sein!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":359,"orig":"Mein unbändiges Geblüte, Strotzend von der Scholle Kraft, Trunken von des Himmels Güte, Sprengte ſchier der Hülſe Haft!","norm":"Mein unbändiges Geblüt, strotzend von der Scholle Kraft, Trunken von des Himmels Güte, sprengte schier der Hülse Haft!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":360,"orig":"Aus der Laube niederhangend, Gluthdurchwogt und üppig rund, Schwebt' ich dunkelpurpurprangend Ueber einem rothen Mund!","norm":"Aus der Laube niederhangend, Glutdurchwogt und üppig rund, schwebte ich dunkelpurpurprangend über einem roten Mund!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":361,"orig":"Heut athm' ich mit den Sommerlüften Die allerfeinſten Würzen ein, Ich kenne dieſes ſeltne Düften:","norm":"Heute atme ich mit den Sommerlüften die allerfeinsten Würzen ein, Ich kenne dieses seltene Düften:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":362,"orig":"Heut blüht der echte Kloſterwein.","norm":"Heute blüht der echte Klosterwein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":363,"orig":"Hier zog im Land die erſten Trauben Zum erſten Liebesmahl der Abt, Der mit dem theuern Chriſtenglauben Uns öde Heiden einſt begabt.","norm":"Hier zog im Land die ersten Trauben zum ersten Liebesmahl der Abt, der mit dem teuren Christenglauben uns öde Heiden einst begabt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":364,"orig":"Das Kloſter, längſt iſt's ſchon verſchwunden, Zerſtäubt mit Altar, Gruft und Chor, Doch ſteigt in dieſen Mittagsſtunden — So heißt's — der erſte Abt empor.","norm":"Das Kloster, längst ist es schon verschwunden, zerstäubt mit Altar, Gruft und Chor, doch steigt in diesen Mittagsstunden — so heißt es — der erste Abt empor."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":365,"orig":"Nicht will er zu der Leſe kommen, Wo wild die Kelter überſchäumt, Nein, wie ſich ziemt für einen Frommen, Wann myſtiſch ſüß die Blüthe träumt.","norm":"Nicht will er zu der Lese kommen, wo wild die Kelter überschäumt, Nein, wie sich ziemt für einen Frommen, wann mystisch süß die Blüte träumt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":366,"orig":"Was dort?","norm":"Was dort?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":367,"orig":"Wer öffnet ſtill das Gatter?","norm":"Wer öffnet still das Gatter?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":368,"orig":"Berauſcht die ſtarke Würze mich?","norm":"Berauscht die starke Würze mich?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":369,"orig":"Ein wallend blankes Rockgeflatter Bewegt ſich ſacht und feierlich!","norm":"Ein wallend blankes Rockgeflatter bewegt sich sacht und feierlich!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":370,"orig":"Es iſt der Abt.","norm":"Es ist der Abt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":371,"orig":"Ich ſehe bücken Das edelgreiſe Haupt ihn dort, Die frechen Nachbarskinder drücken Sich ſchleunig durch die Hecke fort.","norm":"Ich sehe bücken das edelgreise Haupt ihn dort, die frechen Nachbarskinder drücken sich schleunig durch die Hecke fort."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":372,"orig":"Er prüft genau die zarte Blüte, Die jungen Schoße licht und grün, Sein Angeſicht iſt voller Güte Und voll von herzlichem Bemühn.","norm":"Er prüft genau die zarte Blüte, die jungen Schoß licht und grün, Sein Angesicht ist voller Güte und voll von herzlichem Bemühen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":373,"orig":"Hochwürden blickt ſo hell und heiter, Dies Jahr geräth der Wein wie nie!","norm":"Hochwürden blickt so hell und heiter, dies Jahr gerät der Wein wie nie!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":374,"orig":"Er wandelt zu den Stufen weiter Und geiſterleicht erſteigt er ſie.","norm":"Er wandelt zu den Stufen weiter und geisterleicht ersteigt er sie."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":375,"orig":"Schon auf des Weinbergs Höhe ſchreitet Er bei dem kleinen Winzerhaus.","norm":"Schon auf des Weinbergs Höhe schreitet er bei dem kleinen Winzerhaus."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":376,"orig":"Er ſetzt ſich auf die Bank.","norm":"Er setzt sich auf die Bank."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":377,"orig":"Er breitet Die Geiſterhände mächtig aus.","norm":"Er breitet die Geisterhände mächtig aus."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":378,"orig":"Er ſegnet ſeine Kloſterreben, Sein eigen vielgeliebtes Kind, Uns Ketzer ſegnet er daneben, Die ſeines Weinbergs Erben ſind.","norm":"Er segnet seine Klosterreben, Sein eigen vielgeliebtes Kind, uns Ketzer segnet er daneben, die seines Weinbergs Erben sind."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":379,"orig":"Bemeßt den Schritt!","norm":"Bemesst den Schritt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":380,"orig":"Bemeßt den Schwung!","norm":"Bemesst den Schwung!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":381,"orig":"Die Erde bleibt noch lange jung!","norm":"Die Erde bleibt noch lange jung!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":382,"orig":"Dort fällt ein Korn das ſtirbt und ruht.","norm":"Dort fällt ein Korn das stirbt und ruht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":383,"orig":"Die Ruh iſt ſüß.","norm":"Die Ruhe ist süß."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":384,"orig":"Es hat es gut.","norm":"Es hat es gut."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":385,"orig":"Hier eins das durch die Scholle bricht.","norm":"Hier eins das durch die Scholle bricht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":386,"orig":"Es hat es gut.","norm":"Es hat es gut."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":387,"orig":"Süß iſt das Licht.","norm":"Süß ist das Licht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":388,"orig":"Und keines fällt aus dieſer Welt Und jedes fällt wie's Gott gefällt.","norm":"Und keines fällt aus dieser Welt und jedes fällt wie es Gott gefällt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":389,"orig":"In den ächzenden Gewinden Hat die Kelter ſich gedreht, Unter meinen alten Linden Liegt das Laub hoch aufgeweht.","norm":"In den ächzenden Gewinden hat die Kelter sich gedreht, unter meinen alten Linden liegt das Laub hoch aufgeweht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":390,"orig":"Dieſer Erde Werke raſten, Schon beginnt die Winterruh — Sonne, noch mit unverblaßten, Warmen Strahlen wanderſt du!","norm":"Dieser Erde Werke rasten, schon beginnt die Winterruhe — Sonne, noch mit unverblassten, warmen Strahlen wanderst du!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":391,"orig":"Ehe ſich das Jahr entlaubte, Gingen, traun, ſie müßig nie, Nun an deinem lichten Haupte Flammen unbeſchäftigt ſie.","norm":"Ehe sich das Jahr entlaubte, gingen, traun, sie müßig nie, nun an deinem lichten Haupte Flammen unbeschäftigt sie."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":392,"orig":"Erſt ein Ackerknecht und Schnitter, 00Noch ein Traubenkoch zuletzt, Biſt du jetzt der freie Ritter, Der ſich auf der Fahrt ergetzt.","norm":"Erst ein Ackerknecht und Schnitter, 00Noch ein Traubenkoch zuletzt, bist du jetzt der freie Ritter, der sich auf der Fahrt ergötzt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":393,"orig":"Und die Schüler, zu den Bänken Kehrend, grüßen jubelvoll Hingelagert vor den Schenken Dich als Muſengott Apoll.","norm":"Und die Schüler, zu den Bänken kehrend, grüßen jubelvoll Hingelagert vor den Schenken Dich als Musengott Apoll."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":394,"orig":"Schreitend meinen Höhenpfad, Seh' ich ſtatt lebend'ger Fluth Unter mir des Eiſes Flur, Drauf der Wettlauf Tauſender Unermüdlich ſich ergötzt.","norm":"Schreitend meinen Höhenpfad, sehe ich statt lebendiger Flut unter mir des Eises Flur, drauf der Wettlauf Tausender Unermüdlich sich ergötzt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":395,"orig":"Horch!","norm":"Horch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":396,"orig":"Ein dunkel Geiſterlied, Wie des Bienenkorbs Geſums:","norm":"Ein dunkel Geisterlied, wie des Bienenkorbs Gesumms:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":397,"orig":"Dröhnend ſonder Unterbruch Durch die reine Winterluft Des geſtählten Schuhes Ton — Meiner Jugend einz'ge Luſt Läutet dumpf zu mir empor.","norm":"Dröhnend sonder Unterbruch durch die reine Winterluft des gestählten Schuhes Ton — meiner Jugend einzige Lust läutet dumpf zu mir empor."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":398,"orig":"Hör', Ohm!","norm":"Höre, Ohm!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":399,"orig":"In deiner Trödelkammer hangt Ein Schlittſchuhpaar, danach mein Herz verlangt!","norm":"In deiner Trödelkammer hangt ein Schlittschuhpaar, danach mein Herz verlangt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":400,"orig":"Von London haſt du einſt es heimgebracht, Zwar iſt es nicht nach neu'ſter Art gemacht, Doch damaszirt, verteufelt elegant!","norm":"Von London hast du einst es heimgebracht, zwar ist es nicht nach neuester Art gemacht, doch damasziert, verteufelt elegant!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":401,"orig":"Dir roſtet ungebraucht es an der Wand, Du gibſt es mir!“ Hier, Junge, haſt du Geld, Kauf dir ein ſchmuckes Paar, wie dir's gefällt!","norm":"Dir rostet ungebraucht es an der Wand, Du gibst es mir!“ Hier, Junge, hast du Geld, Kauf dir ein schmuckes Paar, wie dir es gefällt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":402,"orig":"„Ach was!","norm":"„Ach was!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":403,"orig":"Die damaszirten will ich, deine:","norm":"Die damaszierten will ich, deine:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":404,"orig":"Du läufſt ja nimmer auf dem Eis, ich meine?“ Der liebe Quälgeiſt läßt mir keine Ruh, Er zieht mich der verſcholl'nen Stube zu;","norm":"Du läufst ja nimmer auf dem Eis, ich meine?“ Der liebe Quälgeist lässt mir keine Ruhe, er zieht mich der verschollenen Stube zu;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":405,"orig":"Da lehnen Masken, Klingen, kreuz und quer An Bayle's ſtaubbedecktem Dictionär, Und ſeine Beute ſchon erblickt der Knabe In dunkelm Winkel hinter einer Truhe: „Da ſind ſie!“ Ich betrachte meine Habe, Die Jugendſchwingen, die geſtählten Schuhe!","norm":"Da lehnen Masken, Klingen, kreuz und quer an Bayles staubbedecktem Diktionär, und seine Beute schon erblickt der Knabe in dunklem Winkel hinter einer Truhe: „Da sind sie!“ Ich betrachte meine Habe, die Jugendschwingen, die gestählten Schuhe!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":406,"orig":"Mir um die Schläfen zieht ein leiſer Traum ...","norm":"Mir um die Schläfen zieht ein leiser Traum ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":407,"orig":"„Du gibſt ſie mir!“...","norm":"„Du gibst sie mir!“..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":408,"orig":"In ihrem blonden Haar, Dem aufgewehten, wie ſie lieblich war, Der Wangen edel Blaß geröthet kaum!","norm":"In ihrem blonden Haar, dem aufgewehten, wie sie lieblich war, der Wangen edel Blass gerötet kaum!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":409,"orig":"...","norm":"..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":410,"orig":"In Nebel eingeſchleiert lag die Stadt, Der See, ein Boden ſpiegelhell und glatt, Drauf in die Wette flogen, Gleis an Gleis, Die Läufer;","norm":"In Nebel eingeschleiert lag die Stadt, der See, ein Boden spiegelhell und glatt, drauf in die Wette flogen, Gleis an Gleis, die Läufer;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":411,"orig":"Wimpel flaggten auf dem Eis ...","norm":"Wimpel flaggten auf dem Eis ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":412,"orig":"Sie ſchwebte ſtill, zuerſt umkreiſt von vielen Geflügelten wettlaufenden Geſpielen — Dort ſtürmte wild die purpurne Bacchantin, Hier maß den Lauf die peinliche Pedantin — Sie aber wiegte ſich mit ſchlanker Kraft Und leichten Leibes, luftig, elfenhaft, Sie glitt dahin, das Eis berührend kaum, Bis ſich die Bahn in einem weiten Raum Verlor und dann in ſchmal're Bahnen theilte.","norm":"Sie schwebte still, zuerst umkreist von vielen Geflügelten wettlaufenden Gespielen — dort stürmte wild die purpurne Bacchantin, hier maß den Lauf die peinliche Pedantin — Sie aber wiegte sich mit schlanker Kraft und leichten Leibes, luftig, elfenhaft, Sie Glitt dahin, das Eis berührend kaum, bis sich die Bahn in einem weiten Raum verlor und dann in schmalere Bahnen teilte."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":413,"orig":"Da lockt es ihren Fuß in Einſamkeiten, In blaue Dämmerung hinauszugleiten, Ins Märchenreich; ſie zagte nicht und eilte Und ſah, daß ich an ihrer Seite fuhr, Nahm meine Hand und eilte raſcher nur.","norm":"Da lockt es ihren Fuß in Einsamkeiten, in blaue Dämmerung hinauszugleiten, ins Märchenreich; sie zagte nicht und eilte und sah, dass ich an ihrer Seite fuhr, nahm meine Hand und eilte rascher nur."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":414,"orig":"Bald hinter uns verſcholl der Menge Schall, Die Winterſonne ſank, ein Feuerball, Doch nicht zu hemmen war das leichte Schweben, Der ſel'ge Reigen, die beſchwingte Flucht Und warme Kreiſe zog das raſche Leben Auf harterſtarrter, geiſterhafter Bucht.","norm":"Bald hinter uns verschollte der Menge Schall, die Wintersonne sank, ein Feuerball, doch nicht zu hemmen war das leichte Schweben, der selige Reigen, die beschwingte Flucht und warme Kreise zog das rasche Leben auf harterstarrter, geisterhafter Bucht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":415,"orig":"An uns vorüber ſchoß ein Fackellauf, Ein glüh Phantom, den grauen See hinauf ...","norm":"An uns vorüber schoss ein Fackellauf, ein glühend Phantom, den grauen See hinauf ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":416,"orig":"In ſtiller Luft ein ungewiſſes Klingen, Wie Glockenlaut, des Eiſes ſurrend Singen ...","norm":"In stiller Luft ein ungewisses Klingen, wie Glockenlaut, des Eises surrend Singen ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":417,"orig":"Ein dumpf Getos, das aus der Tiefe droht — Sie lauſcht, erſchrickt, ihr graut, das iſt der Tod!","norm":"Ein dumpf Getose, das aus der Tiefe droht — Sie lauscht, erschrickt, ihr graut, das ist der Tod!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":418,"orig":"Jäh wendet ſie den Lauf, ſie ſtrebt zurück, Ein ſcheuer Vogel, durch das Abenddunkel, Schon wieder naht das wirre Lichtgefunkel, Der Lärm, ſie löſt die Hand ....","norm":"Jäh wendet sie den Lauf, sie strebt zurück, ein scheuer Vogel, durch das Abenddunkel, schon wieder naht das wirre Lichtgefunkel, der Lärm, sie löst die Hand ...."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":419,"orig":"o Märchenglück!","norm":"o Märchenglück!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":420,"orig":"Sie wendet ſich nicht um und ſucht die Stadt, Dem Kinde gleich, das ſich verlaufen hat — „Ei, Ohm, du träumſt?","norm":"Sie wendet sich nicht um und sucht die Stadt, dem Kinde gleich, das sich verlaufen hat — „Ei, Ohm, du träumst?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":421,"orig":"Nicht wahr, du gibſt ſie mir, Bevor das Eis geſchmolzen?","norm":"Nicht wahr, du gibst sie mir, bevor das Eis geschmolzen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":422,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":423,"orig":"Mich führte durch den Tannenwald Ein ſtiller Pfad, ein tief verſchneiter, Da, ohne daß ein Huf gehallt, Erblickt' ich plötzlich einen Reiter.","norm":"Mich führte durch den Tannenwald ein stiller Pfad, ein tief verschneiter, da, ohne dass ein Huf gehallt, erblickte ich plötzlich einen Reiter."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":424,"orig":"Nicht zugewandt, nicht abgewandt, Kam er, den Mantel umgeſchlagen, Mir däuchte, daß ich ihn gekannt In alten, längſt verſchollnen Tagen.","norm":"Nicht zugewandt, nicht abgewandt, kam er, den Mantel umgeschlagen, mir dünkte, dass ich ihn gekannt In alten, längst verschollenen Tagen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":425,"orig":"Der jungen Augen wilde Kraft, Des Mundes Trotz und herbes Schweigen, Ein Zug von Traum und Leidenſchaft Berührte mich ſo tief und eigen.","norm":"Der jungen Augen wilde Kraft, des Mundes Trotz und herbes Schweigen, ein Zug von Traum und Leidenschaft Berührte mich so tief und eigen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":426,"orig":"Sein Röſſlein zog auf weißer Bahn Vorbei mit ungehörten Hufen.","norm":"Sein Rösslein zog auf weißer Bahn vorbei mit ungehörten Hufen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":427,"orig":"Mich faßt's mit Luſt und Grauen an Ihm Gruß und Namen nachzurufen.","norm":"Mich fasst es mit Lust und Grauen an ihm Gruß und Namen nachzurufen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":428,"orig":"Doch keinen Namen hab' ich dann Als meinen eigenen gefunden, Da Roß und Reiter ſchon im Tann Und hinterm Schneegeflock verſchwunden.","norm":"Doch keinen Namen habe ich dann Als meinen eigenen gefunden, da Ross und Reiter schon im Tann und hinterm Schneegeflocke verschwunden."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":429,"orig":"In den Lüften ſchwellendes Gedröhne, Leicht wie Halme beugt der Wind die Töne.","norm":"In den Lüften schwellendes Gedröhne, leicht wie Halme beugt der Wind die Töne."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":430,"orig":"Leis verhallen die zum erſten riefen, Neu Geläute hebt ſich aus den Tiefen.","norm":"Leise verhallen die zum ersten riefen, neu Geläute hebt sich aus den Tiefen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":431,"orig":"Große Heere, nicht ein einzler Rufer!","norm":"Große Heere, nicht ein einzelner Rufer!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":432,"orig":"Wohllaut fluthet ohne Strand und Ufer.","norm":"Wohllaut flutet ohne Strand und Ufer."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":433,"orig":"Das Heut iſt einem jungen Weibe gleich.","norm":"Das heute ist einem jungen Weibe gleich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":434,"orig":"Schlag Mitternacht wird ihm die Wange bleich.","norm":"Schlag Mitternacht wird ihm die Wange bleich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":435,"orig":"Es ſchaudert.","norm":"Es schaudert."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":436,"orig":"Einen vollen Becher faßt Es gierig noch und ſchlürft in toller Haſt.","norm":"Einen vollen Becher fasst es gierig noch und schlürft in toller Hast."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":437,"orig":"Der üpp'ge Mund, indem er lechzt und trinkt, Entfärbt ſich und verwelkt.","norm":"Der üppige Mund, indem er lechzt und trinkt, entfärbt sich und verwelkt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":438,"orig":"Der Becher ſinkt.","norm":"Der Becher sinkt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":439,"orig":"Langſam zieht es den Kranz ſich aus dem Haar.","norm":"Langsam zieht es den Kranz sich aus dem Haar."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":440,"orig":"Das Haar ergraut, das eben braun noch war.","norm":"Das Haar ergraut, das eben braun noch war."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":441,"orig":"Tiefrunzelt ſich das ſchöne ſchuld'ge Haupt.","norm":"Tiefrunzelt sich das schöne schuldige Haupt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":442,"orig":"Zuſammenbricht das Knie, der Kraft beraubt.","norm":"Zusammenbricht das Knie, der Kraft beraubt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":443,"orig":"Die Horen kleiden dicht in Schleier ein Und führen weg ein greiſes Mütterlein.","norm":"Die Horen kleiden dicht in Schleier ein Und führen weg ein greises Mütterlein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":444,"orig":"Geſtern fand ich, räumend eines langvergeſſnen Schrankes Fächer, Den vom Vater mir vererbten, meinen erſten Reiſebecher.","norm":"Gestern fand ich, räumend eines lang vergessenen Schrankes Fächer, den vom Vater mir vererbten, meinen ersten Reisebecher."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":445,"orig":"Währenddeß ich leiſe ſingend reinigt' ihn vom Staub der Jahre, War's als höbe mir ein Bergwind aus der Stirn die grauen Haare, War's als dufteten die Matten, drein ich ſchlummernd lag verſunken, War's als rauſchten alle Quelle, draus ich wandernd einſt getrunken.","norm":"Währenddessen ich leise singend reinigte ihn vom Staub der Jahre, war es als höbe mir ein Bergwind aus der Stirn die grauen Haare, war es als dufteten die Matten, drein ich schlummernd lag versunken, war es als rauschten alle Quelle, draus ich wandernd einst getrunken."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":446,"orig":"Ein blendendes Spitzchen blickt über den Wald, Das ruft mich, das zieht mich, das thut mir Gewalt: „Was ſchaffſt du noch unten im Menſchengewühl?","norm":"Ein blendendes Spitzchen blickt über den Wald, das ruft mich, das zieht mich, das tut mir Gewalt: „Was schaffst du noch unten im Menschengewühl?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":447,"orig":"Hier oben iſt's einſam!","norm":"Hier oben ist es einsam!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":448,"orig":"Hier oben iſt's kühl!","norm":"Hier oben ist es kühl!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":449,"orig":"Der See mir zu Füßen hat heut ſich enteiſt, Er kräuſelt ſich, fluthet, er wandert, er reiſt, Die Moosbank des Felſens iſt dir ſchon bereit, Von ihr iſt's zum ewigen Schnee nicht mehr weit!“ Das Spitzchen, es ruft mich, ſobald ich erwacht, Am Mittag, am Abend, im Traum noch der Nacht.","norm":"Der See mir zu Füßen hat heute sich enteist, er kräuselt sich, flutet, er wandert, er reist, die Moosbank des Felsens ist dir schon bereit, von ihr ist es zum ewigen Schnee nicht mehr weit!“ Das Spitzchen, es ruft mich, sobald ich erwacht, am Mittag, am Abend, im Traum noch der Nacht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":450,"orig":"So komm ich denn morgen!","norm":"So komme ich denn morgen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":451,"orig":"Nun laß mich in Ruh!","norm":"Nun lass mich in Ruhe!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":452,"orig":"Erſt ſchließ' ich die Bücher, die Schreine noch zu.","norm":"Erst schließe ich die Bücher, die Schreine noch zu."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":453,"orig":"Leis wandelt in Lüften ein Heerdegeläut: „Laß offen die Truhen!","norm":"Leis wandelt in Lüften ein Herdegeläut: „Lass offen die Truhen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":454,"orig":"Komm lieber noch heut.","norm":"Komme lieber noch heute."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":455,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":456,"orig":"Wie pocht' das Herz mir in der Bruſt, Trotz meiner jungen Wanderluſt, Da, heimgewendet, ich erſchaut' Die Schneegebirge, ſüß umblaut, Das große ſtille Leuchten!","norm":"Wie pochte das Herz mir in der Brust, Trotz meiner jungen Wanderlust, Da, heimgewendet, ich erschaute die Schneegebirge, süß umblaut, das große stille Leuchten!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":457,"orig":"Ich athmet' eilig, wie auf Raub, Der Märkte Dunſt, der Städte Staub.","norm":"Ich atmete eilig, wie auf Raub, der Märkte Dunst, der Städte Staub."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":458,"orig":"Ich ſah den Kampf.","norm":"Ich sah den Kampf."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":459,"orig":"Was ſageſt du, Mein reines Firnelicht, dazu, Du großes ſtilles Leuchten?","norm":"Was sagest du, Mein reines Firnelicht, dazu, Du großes stilles Leuchten?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":460,"orig":"Nie prahlt' ich mit der Heimath noch Und liebe ſie von Herzen doch, In meinem Weſen und Gedicht Allüberall iſt Firnelicht, Das große ſtille Leuchten.","norm":"Nie prahlte ich mit der Heimat noch und liebe sie von Herzen doch, in meinem Wesen und Gedicht Allüberall ist Firnelicht, das große stille Leuchten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":461,"orig":"Was kann ich für die Heimath thun, Bevor ich geh' im Grabe ruhn?","norm":"Was kann ich für die Heimat tun, bevor ich gehe im Grabe ruhen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":462,"orig":"Was geb ich, das dem Tod entflieht?","norm":"Was gebe ich, das dem Tod entflieht?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":463,"orig":"Vielleicht ein Wort, vielleicht ein Lied, Ein kleines ſtilles Leuchten!","norm":"Vielleicht ein Wort, vielleicht ein Lied, ein kleines stilles Leuchten!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":464,"orig":"In meiner Firne feierlichem Kreis Lagr' ich an ſchmalem Felſengrate hier, Aus einem grün erſtarrten Meer von Eis Erhebt die Silberzacke ſich vor mir.","norm":"In meiner Firne feierlichem Kreis Lagere ich an schmalem Felsengrate hier, aus einem grünerstarrten Meer von Eis erhebt die Silberzacke sich vor mir."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":465,"orig":"Der Schnee, der am Geklüfte hing zerſtreut, In hundert Rinnen rieſelt er davon Und aus der ſchwarzen Feuchte ſchimmert heut Der Goldanelle zarte Glocke ſchon.","norm":"Der Schnee, der am Geklüfte hing zerstreut, in hundert Rinnen rieselt er davon Und aus der schwarzen Feuchte schimmert heute der Soldanelle zarte Glocke schon."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":466,"orig":"Bald nahe toſt, bald fern, der Waſſerfall, Er ſtäubt und ſtürzt, nun rechts, nun links verweht, Ein tiefes Schweigen und ein ſteter Schall, Ein Wind, ein Strom, ein Athem, ein Gebet!","norm":"Bald nahe tost, bald fern, der Wasserfall, er stäubt und stürzt, nun rechts, nun links verweht, ein tiefes Schweigen und ein steter Schall, ein Wind, ein Strom, ein Atem, ein Gebet!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":467,"orig":"Nur neben mir des Murmelthieres Pfiff, Nur über mir des Geiers heiſ'rer Schrei, Ich bin allein auf meinem Felſenriff Und ich empfinde daß Gott bei mir ſei.","norm":"Nur neben mir des Murmeltieres Pfiff, nur über mir des Geiers heiserer Schrei, Ich bin allein auf meinem Felsenriff und ich empfinde dass Gott bei mir sei."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":468,"orig":"An dem Bauerhaus vorüber Schritt ich eilig, weil mir grauſte, Weil im dumpfen Hof ein trüber, Brütender Cretine hauſte.","norm":"An dem Bauerhaus vorüber Schritt ich eilig, weil mir grauste, weil im dumpfen Hof ein trüber, brütender Kretine hauste."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":469,"orig":"Schaudernd warf ich einen halben Blick in ſeinen feuchten Kerker — Eben war die Zeit der Schwalben, Wo ſie baun an Dach und Erker.","norm":"Schaudernd warf ich einen halben Blick in seinen feuchten Kerker — Eben war die Zeit der Schwalben, wo sie bauen an Dach und Erker."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":470,"orig":"Den Enterbten ſah ich kauern, Ueber ſeiner Lagerſtätte Blitzten Schwalben um die Mauern, Neſter bauend in die Wette.","norm":"Den Enterbten sah ich kauern, über seiner Lagerstätte blitzten Schwalben um die Mauern, Nester bauend in die Wette."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":471,"orig":"Der erloſchne Blick erfreute Sich, in einem kleinen blauen Raum das Werk der Schwalben heute, Dieſes kluge Werk zu ſchauen.","norm":"Der erloschene Blick erfreute sich, in einem kleinen blauen Raum das Werk der Schwalben heute, dieses kluge Werk zu schauen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":472,"orig":"Blitzend kreiſte das Geſchwirre An dem engen Horizonte, Und das Lachen klang, das irre, Drin ſich doch der Himmel ſonnte.","norm":"Blitzend kreiste das Geschwirre an dem engen Horizonte, und das Lachen klang, das irre, drin sich doch der Himmel sonnte."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":473,"orig":"Wo die Tannen finſt're Schatten werfen Ueber Hänge goldbeſonnt, Unverwundet von der Firne Schärfen Blaut der reine Horizont, Wo das Spiel den raſtlos weh'nden Winden Kein Gebälk und keine Mauer wehrt, Wo, wie einer dunkeln Sorge Schwinden, Jede Wolke ſich verzehrt, Wo das braune Rind wie Juno ſchauend Weidet und mit heller Glocke tönt, Wo das Zicklein lüſtern wiederkauend Den bemooſten Felſen krönt, Schlürf' ich kühle Luft und wilde Würzen, Mit den ſel'gen Göttern koſt ich da — Die mich nicht aus ihrem Himmel ſtürzen — Nectar und Ambroſia!","norm":"Wo die Tannen finstere Schatten werfen über Hänge goldbesonnt, unverwundet von der Firne Schärfen Blaut der reine Horizont, wo das Spiel den rastlos wehenden Winden kein Gebälk und keine Mauer wehrt, wo, wie einer dunkeln Sorge Schwinden, jede Wolke sich verzehrt, wo das braune Rind wie Juno schauend weidet und mit heller Glocke tönt, wo das Zicklein lüstern wiederkauend den bemoosten Felsen krönt, Schlürf ich kühle Luft und wilde Würzen, mit den seligen Göttern kost ich da — die mich nicht aus ihrem Himmel stürzen — Nektar und Ambrosia!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":474,"orig":"Ich lag im Gras auf einer Alp, In ſel'ge Bläuen ſtarrt' ich auf — Mir war als ob auf meiner Bruſt Mich etwas ſacht betaſtete.","norm":"Ich lag im Gras auf einer Alp, in selige Bläuen starrte ich auf — mir war als ob auf meiner Brust mich etwas sacht betastete."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":475,"orig":"Ich blickte ſchräg.","norm":"Ich blickte schräg."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":476,"orig":"Ein Falter ſaß Auf meinem grauen Wanderkleid.","norm":"Ein Falter saß auf meinem grauen Wanderkleid."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":477,"orig":"Das wüßt' ich gern, Ich blinzle mein Gewand entlang — Blank war's, betupft mit Tropfen Bluts.","norm":"Das wüsste ich gern, Ich blinzle mein Gewand entlang — blank war es, betupft mit Tropfen Bluts."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":478,"orig":"Er ſteht an ihrem Pfühl in herber Qual, Den jungen Buſen muß er keuchen ſehn — Er iſt ein Arzt.","norm":"Er steht an ihrem Pfühl in herber Qual, den jungen Busen muss er keuchen sehen — er ist ein Arzt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":479,"orig":"Er weiß, ſein traut Gemahl Erblaßt, ſobald die Morgenſchauer wehn.","norm":"Er weiß, sein traut Gemahl erblasst, sobald die Morgenschauer wehn."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":480,"orig":"Sie hat geſchlummmert.","norm":"Sie hat geschlummert."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":481,"orig":"„Lieber, du bei mir?","norm":"„Lieber, du bei mir?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":482,"orig":"Mir träumte, daß ich auf der Alpe war, Wie ſchön mir träumte, das erzähl ich dir — Du ſchickſt mich wieder hin das nächſte Jahr!","norm":"Mir träumte, dass ich auf der Albe war, wie schön mir träumte, das erzähle ich dir — Du schickst mich wieder hin das nächste Jahr!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":483,"orig":"Dort vor dem Dorf — du weißt den mooſ'gen Stein — Saß ich, umhallt von lauter Heerdgetön, An mir vorüber zogen mit Schalmein Die Heerden nieder von den Sommerhöhn.","norm":"Dort vor dem Dorf — du weißt den moosigen Stein — saß ich, umhallt von lauter Herdegetön, an mir vorüberzogen mit Schalmeien die Herden nieder von den Sommerhöhen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":484,"orig":"Die Heerden kehren alle heut nach Haus — Das iſt die letzte wohl?","norm":"Die Herden kehren alle heute nach Haus — das ist die letzte wohl?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":485,"orig":"Nein, eine noch!","norm":"Nein, eine noch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":486,"orig":"Noch ein Geläut klingt an und eins klingt aus!","norm":"Noch ein Geläut klingt an und eins klingt aus!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":487,"orig":"Das endet nicht!","norm":"Das endet nicht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":488,"orig":"Da kam das letzte doch!","norm":"Da kam das letzte doch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":489,"orig":"Mich überfluthet' fliehend Abendroth, Die Matten dunkelten ſo grün und rein, Die Firne brannten ſtill — und lagen todt, Darüber glomm ein leiſer Sternenſchein — Da horch!","norm":"Mich überflutete fliehend Abendrot, die Matten dunkelten so grün und rein, die Firne brannten still — und lagen tot, darüber glomm ein leiser Sternenschein — da horch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":490,"orig":"ein Glöcklein noch aus finſt'rer Schlucht, Verirrt, verſpätet, wandert's ohne Ruh, Ein armes Glöcklein, das die Heerde ſucht — Auf wacht' ich dann und bei mir wareſt du!","norm":"ein Glöcklein noch aus finsterer Schlucht, Verirrt, verspätet, wandert es ohne Ruhe, ein armes Glöcklein, das die Herde sucht — auf wachte ich dann und bei mir warst du!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":491,"orig":"Mann, ſchick mich wieder auf die lieben Höhn — Sie haben, ſagſt du, mich geſund gemacht ...","norm":"Mann, schick mich wieder auf die lieben Höhn — Sie haben, sagst du, mich gesund gemacht ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":492,"orig":"Dort war es ſchön!","norm":"Dort war es schön!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":493,"orig":"Dort war es wunderſchön!","norm":"Dort war es wunderschön!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":494,"orig":"Das Glöcklein!","norm":"Das Glöcklein!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":495,"orig":"Wieder!","norm":"Wieder!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":496,"orig":"Hörſt du's?","norm":"Hörst du es?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":497,"orig":"Gute Nacht ...“","norm":"Gute Nacht ...“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":498,"orig":"Denkſt, Freund, des wilden Knabenſpiels du noch, Das wir getrieben einſt am Bergesjoch, Wann unſer freud'ge Wandertag verglomm Und höher ſtets und immer höher klomm?","norm":"Denkst, Freund, des wilden Knabenspiels du noch, das wir getrieben einst am Bergesjoch, wann unser freudige Wandertag verglomm und höher stets und immer höher klomm?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":499,"orig":"Wir ſprangen jubelnd über Stock und Stein Bergan und wieder in das Licht hinein Und noch einmal und noch einmal, Bis uns entſchlüpft' der letzte Sonnenſtrahl.","norm":"Wir sprangen jubelnd über Stock und Stein Bergan und wieder in das Licht hinein und noch einmal und noch einmal, bis uns entschlüpfte der letzte Sonnenstrahl."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":500,"orig":"Das Spiel das wir im Alpenthale dort Getrieben, Freund, wir ſpielen's heut noch fort.","norm":"Das Spiel das wir im Alpentale dort Getrieben, Freund, wir spielen es heute noch fort."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":501,"orig":"Wann neben uns das ſüße Licht erbleicht, Wir ſteigen, bis von neuem wir's erreicht.","norm":"Wann neben uns das süße Licht erbleicht, wir steigen, bis von neuem wir es erreicht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":502,"orig":"Wir ſpringen muthig über Stock und Stein Und mitten wieder in den Tag hinein Und noch einmal und noch einmal, Bis uns entſchlüpft der letzte Lebensſtrahl.","norm":"Wir springen mutig über Stock und Stein und mitten wieder in den Tag hinein und noch einmal und noch einmal, bis uns entschlüpft der letzte Lebensstrahl."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":503,"orig":"Ich bin einmal in einem Thal gegangen, Das fern der Welt, dem Himmel nahe war, Durch das Gelände ſeiner Wieſen klangen Die Senſen rings der zweiten Mahd im Jahr.","norm":"Ich bin einmal in einem Tal gegangen, das fern der Welt, dem Himmel nahe war, durch das Gelände seiner Wiesen klangen die Sensen rings der zweiten Mahd im Jahr."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":504,"orig":"Ich ſchritt durch eines Dörfchens ſtille Gaſſen.","norm":"Ich schritt durch eines Dörfchens stille Gassen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":505,"orig":"Kein Laut. Vor einer Hütte ſaß allein Ein alter Mann, von ſeiner Kraft verlaſſen, Und ſchaute feiernd auf den Firneſchein.","norm":"Kein Laut. Vor einer Hütte saß allein ein alter Mann, von seiner Kraft verlassen, und schaute feiernd auf den Firneschein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":506,"orig":"Zuweilen, in die Hand gelegt die Stirne, Seh' ich den Himmel jenes Thales blaun, Den Müden ſeh' ich wieder auf die Firne, Die nahen, ſelig klaren Firne ſchaun.","norm":"Zuweilen, in die Hand gelegt die Stirn, sehe ich den Himmel jenes Tales blauen, den Müden sehe ich wieder auf die Firne, die nahen, selig klaren Firne schauen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":507,"orig":"S'iſt nur ein Traum.","norm":"S'ist nur ein Traum."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":508,"orig":"Wohl iſt der Greis geſchieden Aus dieſer Sonne Licht, von Jahren ſchwer;","norm":"Wohl ist der Greis geschieden aus dieser Sonne Licht, von Jahren schwer;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":509,"orig":"Er ſchlummert wohl in ſeines Grabes Frieden Und ſeine Bank ſteht vor der Hütte leer.","norm":"Er schlummert wohl in seines Grabes Frieden und seine Bank steht vor der Hütte leer."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":510,"orig":"Noch pulſt mein Leben feurig.","norm":"Noch pulst mein Leben feurig."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":511,"orig":"Wie den Andern kommt mir ein Tag, da mich die Kraft verrät;","norm":"Wie den Anderen Kommt mir ein Tag, da mich die Kraft verrät;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":512,"orig":"Dann will ich langſam in die Berge wandern Und ſuchen wo die Bank des Alten ſteht.","norm":"Dann will ich langsam in die Berge wandern und suchen wo die Bank des Alten steht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":513,"orig":"Dein Bogen, grauer Zeit entſtammt, Steht manch Jahrhundert außer Amt;","norm":"Dein Bogen, grauer Zeit entstammt, steht manch Jahrhundert außer Amt;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":514,"orig":"Ein neuer Bau ragt über dir:","norm":"Ein neuer Bau ragt über dir:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":515,"orig":"Dort fahren ſie!","norm":"Dort fahren sie!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":516,"orig":"Du feierſt hier.","norm":"Du feierst hier."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":517,"orig":"Die Straße, die getragen du, Deckt Wuchs und rothe Blüthe zu!","norm":"Die Straße, die getragen du, deckt Wuchs und rote Blüte zu!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":518,"orig":"Ein Nebel netzt und tränkt dein Moos, Er ſteigt aus dumpfem Reußgetos:","norm":"Ein Nebel netzt und tränkt dein Moos, er steigt aus dumpfem Reußgetose:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":519,"orig":"Mit einem luftgewobnen Kleid Umſchleiert dich Vergangenheit Und ſtatt des Lebens geht der Traum Auf deines Pfades engem Raum.","norm":"Mit einem luftgewobenen Kleid Umschleiert dich Vergangenheit und statt des Lebens geht der Traum auf deines Pfades engem Raum."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":520,"orig":"Das Carmen, das der Schüler ſang, Träumt noch im Felſenwiederklang, Gewieher und Drommetenhall Träumt und verdröhnt im Wogenſchwall.","norm":"Das Carmen, das der Schüler sang, träumt noch im Felsenwiderklang, Gewieher und Trompetenhall träumt und verdröhnt im Wogenschwall."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":521,"orig":"Der Kaiſer ritt auf deinem Steg, Du warſt nach Rom der arge Weg, Und Parricida, frevelblaß, Ward hier vom Staub der Welle naß!","norm":"Der Kaiser ritt auf deinem Steg, Du warst nach Rom der arge Weg, und Parricida, frevelblass, wurde hier vom Staub der Welle nass!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":522,"orig":"Du brachteſt nordwärts manchen Brief, Drin römiſche Verleumdung ſchlief — Gemengt mit Söldnern beuteſchwer Schlich Peſt und ſchwarzer Tod daher!","norm":"Du brachtest nordwärts manchen Brief, drin römische Verleumdung schlief — gemengt mit Söldnern beuteschwer Schlich Pest und schwarzer Tod daher!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":523,"orig":"Vorbei!","norm":"Vorbei!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":524,"orig":"Vorüber ohne Spur!","norm":"Vorüber ohne Spur!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":525,"orig":"Du fieleſt heim an die Natur, Die dich umwildert, dich umgrünt, Vom Tritt des Menſchen dich entſühnt!","norm":"Du fielest heim an die Natur, die dich umwildert, dich umgrünt, vom Tritt des Menschen dich entsühnt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":526,"orig":"Hoch am Septimer, dem Kaiſerpaſſe, (Denn die Kaiſer pflegten nach Italien Ueber dieſes Bergesjoch zu reiten) Hielt ich unter ſteilen Sonnenſtrahlen Mittagsraſt.","norm":"Hoch am Septimer, dem Kaiserpasse, (Denn die Kaiser pflegten nach Italien über dieses Bergesjoch zu reiten) hielt ich unter steilen Sonnenstrahlen Mittagsrast."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":527,"orig":"Mir gegenüber wand ſich Um den Felſen noch ein Stück des alten Saumwegs ſchwebend über jähem Abgrund.","norm":"Mir gegenüber wand sich Um den Felsen noch ein Stück des alten Saumwegs schwebend über jähem Abgrund."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":528,"orig":"Mittag iſt des Berges Geiſterſtunde.","norm":"Mittag ist des Berges Geisterstunde."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":529,"orig":"In die Sonne blinzelt' ich.","norm":"In die Sonne blinzelte ich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":530,"orig":"Ein Hornruf!","norm":"Ein Hornruf!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":531,"orig":"Banner flattern.","norm":"Banner flattern."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":532,"orig":"Schwert und Bügel klirren.","norm":"Schwert und Bügel klirren."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":533,"orig":"Frau'n und Ritter gleiten aus den Sätteln.","norm":"Frauen und Ritter gleiten aus den Sätteln."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":534,"orig":"Sorglich leiten Säumer ſcheue Roſſe.","norm":"Sorglich leiten Säumer scheue Rosse."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":535,"orig":"Die geſtrenge Kaiſ'rin ſeh' ich ſchreiten, Ein verſteinert Weib mit harten Zügen.","norm":"Die gestrenge Kaiserin sehe ich schreiten, ein versteinert Weib mit harten Zügen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":536,"orig":"Hinter ihr die Fräulein.","norm":"Hinter ihr die Fräulein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":537,"orig":"Einer Zarten Schwindelt plötzlich.","norm":"Einer Zarten Schwindelt plötzlich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":538,"orig":"Ihre Kniee wanken.","norm":"Ihre Kniee wanken."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":539,"orig":"Sich entfärbend lehnt ſie an die Bergwand ...","norm":"Sich entfärbend lehnt sie an die Bergwand ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":540,"orig":"Raſch ein Held — er trägt das Kaiſerkrönlein Um die Kappe — fängt in ſeinen mächt'gen Armen auf das wanke Kind und trägt es An die Bruſt gedrückt.","norm":"Rasch ein Held — er trägt das Kaiserkrönlein um die Kappe — fängt in seinen mächtigen Armen auf das wanke Kind und trägt es An die Brust gedrückt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":541,"orig":"Das Mädchen ſchwebte Sicher überm Abgrund und er raubt' ihr Einen flücht'gen Kuß.","norm":"Das Mädchen schwebte Sicher überm Abgrund und er raubte ihr Einen flüchtigen Kuss."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":542,"orig":"Da ſchwand das Blendwerk.","norm":"Da schwand das Blendwerk."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":543,"orig":"Weiter pilgernd räthſelt' ich ein Weilchen:","norm":"Weiter pilgernd rätselte ich ein Weilchen:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":544,"orig":"War es einer der Ottonen oder War's ein Heinrich oder war's ein Friedrich, Der die wehrlos Schwebende geküßt hat?","norm":"War es einer der Ottonen oder war es ein Heinrich oder war es ein Friedrich, der die wehrlos Schwebende geküsst hat?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":545,"orig":"Ich bin den Rhein hinaufgezogen Durch manches ſchatt'ge Felſenthor, Entlang die blauen, friſchen Wogen Zu ſeinem hohen Quell empor.","norm":"Ich bin den Rhein hinaufgezogen durch manches schattige Felsentor, entlang die blauen, frischen Wogen zu seinem hohen Quell empor."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":546,"orig":"Dem hellſten Borne, weit und offen, Darin ein Ruder weinumlaubt Sich ſpiegle, wie ein heiter Hoffen, Entſpring' er leicht, hatt' ich geglaubt.","norm":"Dem hellsten Borne, weit und offen, darin ein Ruder wein-umlaubt sich spiegle, wie ein heiter Hoffen, Entspringe er leicht, hatte ich geglaubt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":547,"orig":"Ich klomm empor auf ſchroffen Stiegen, Verwognen Pfaden, öd und wild, Und ſah mir ihn zu Füßen liegen Als einen erzgegoßnen Schild.","norm":"Ich klomm empor auf schroffen Stiegen, Verwogenen Pfaden, öd und wild, und sah mir ihn zu Füßen liegen als einen erzgegoßenen Schild."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":548,"orig":"Fernab von Heerdgeläut und Matten Lag er in eine Schlucht verſenkt, Bedeckt von ſchweren Rieſenſchatten, Aus Eis und ew'gem Schnee getränkt — Hier jauchzt kein Senn, hier ſchallt kein Reigen.","norm":"Fernab von Herdgeläut und Matten lag er in eine Schlucht versenkt, bedeckt von schweren Riesenschatten, aus Eis und ewigem Schnee getränkt — hier jauchzt kein Senn, hier schallt kein Reigen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":549,"orig":"Ein Schlag!","norm":"Ein Schlag!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":550,"orig":"Und aus den Tiefen Und aus den Wänden brach es los:","norm":"Und aus den Tiefen Und aus den Wänden brach es los:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":551,"orig":"Heerwagen rollten!","norm":"Heerwagen rollten!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":552,"orig":"Stimmen riefen Befehle durch ein Schlachtgetos!","norm":"Stimmen riefen Befehle durch ein Schlachtgetose!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":553,"orig":"Gigantiſch, wildzeriſſen ſteigt die Felswand.","norm":"Gigantisch, wild zerrissen steigt die Felswand."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":554,"orig":"Das Auge ſchrickt zurück.","norm":"Das Auge schrickt zurück."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":555,"orig":"Dann irrt es unſtät Daran herum.","norm":"Dann irrt es unstet Daran herum."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":556,"orig":"Bang ſucht es wo es hafte.","norm":"Bang sucht es wo es hafte."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":557,"orig":"Dort!","norm":"Dort!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":558,"orig":"Ueber einem Abgrund ſchwebt ein Brücklein Wie Spinnweb.","norm":"Über einem Abgrund schwebt ein Brücklein wie Spinnweb."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":559,"orig":"Höher um die ſcharfe Kante Sind Stapfen eingehaun, ein Bruchſtück Weges!","norm":"Höher um die scharfe Kante sind Stapfen eingehauen, ein Bruchstück Weges!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":560,"orig":"Faſt oben ragt ein Thor mit blauer Füllung:","norm":"Fast oben ragt ein Tor mit blauer Füllung:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":561,"orig":"Dort klimmt der Weg empor zu Licht und Höhe!","norm":"Dort klimmt der Weg empor zu Licht und Höhe!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":562,"orig":"Nun blickt ſie gaſtlich, Geeinigt im Zuſammenhang des Pfades!","norm":"Nun blickt sie gastlich, geeinigt im Zusammenhang des Pfades!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":563,"orig":"Hoch an der Windung des Paſſes bewohn' ich ein niedriges Berghaus — Heut iſt vorüber die Poſt, heut bin ich oben allein.","norm":"Hoch an der Windung des Passes bewohn ich ein niedriges Berghaus — heute ist vorüber die Post, heute bin ich oben allein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":564,"orig":"Lehnend am Fenſter belauſch' ich die Stille des dämmernden Abends, Rings kein Laut!","norm":"Lehnend am Fenster belausch ich die Stille des dämmernden Abends, Rings kein Laut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":565,"orig":"Nur der Specht hämmert im harzigen Tann.","norm":"Nur der Specht hämmert im harzigen Tann."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":566,"orig":"Leicht aus dem Wald in den Wald hüpft über die Matte das Eichhorn, Spielend auf offenem Plan; denn es iſt Herr im Bezirk.","norm":"Leicht aus dem Wald in den Wald hüpft über die Matte das Eichhorn, spielend auf offenem Plan; denn es ist Herr im Bezirk."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":567,"orig":"Jammer!","norm":"Jammer!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":568,"orig":"Was hör' ich?","norm":"Was höre ich?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":569,"orig":"Ein ſchrilles Geſurre: „Gemordet iſt Garfield!“ „Bismarck zürnt im Gezelt!“ „Väterlich ſegnet der Papſt!“ Schwirrt in der Luft ein Gerücht?","norm":"Ein schrilles Gesurre: „Gemordet ist Garfield!“ „Bismarck zürnt im Gezelt!“ „Väterlich segnet der Papst!“ Schwirrt in der Luft ein Gerücht?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":570,"orig":"Was gewahr' ich?","norm":"Was gewahre ich?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":571,"orig":"Ein ſchwärzliches Glöcklein!","norm":"Ein schwärzliches Glöcklein!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":572,"orig":"Unter dem Fenſtergeſims bebt der electriſche Draht, Der, wie die Schläge des Pulſes beſeelend den Körper der Menſchheit, Durch das entlegenſte Thal trägt die Geberde der Zeit.","norm":"Unter dem Fenstergesims bebt der elektrische Draht, Der, wie die Schläge des Pulses beseelend den Körper der Menschheit, durch das entlegenste Tal trägt die Gebärde der Zeit."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":573,"orig":"Als ich jüngſt vom Pfad verirrt war, Wo kein Jäger und kein Hirt war, Führt' ein Licht aus dunkelm Tann Mich an eines Hüttleins Schwelle, Drin bei matter Ampelhelle Eine greiſe Parze ſpann.","norm":"Als ich jüngst vom Pfad verirrt war, wo kein Jäger und kein Hirt war, führte ein Licht aus dunklem Tann mich an eines Hüttleins Schwelle, drin bei matter Ampelhelle eine greise Parze spann."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":574,"orig":"Draußen ſchlug der Wind die Schwingen, Und die Bergesſtröme ſingen Hört' ich ihren dunkeln Sang ...","norm":"Draußen schlug der Wind die Schwingen, und die Bergesströme singen hörte ich ihren dunkeln sang ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":575,"orig":"Und ich ſah den Faden ſchweben, Und der Faden ſchien ein Leben — Meines?","norm":"Und ich sah den Faden schweben, und der Faden schien ein Leben — meines?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":576,"orig":"dacht' ich zauberbang.","norm":"dachte ich zauberbang."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":577,"orig":"Wage, Menſch, die höchſten Flüge, Deiner Parze ſtarre Züge Sehen längſt das nahe Ziel!","norm":"Wage, Mensch, die höchsten Flüge, Deiner Parze starre Züge Sehen längst das nahe Ziel!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":578,"orig":"Tummle dich, ein kühner Ringer:","norm":"Tummle dich, ein kühner Ringer:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":579,"orig":"Ihre hagern, harten Finger Enden bald das edle Spiel ...","norm":"Ihre hagern, harten Finger Enden bald das edle Spiel ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":580,"orig":"Eine Thräne ſeh' ich ſchimmern?","norm":"Eine Träne sehe ich schimmern?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":581,"orig":"Irgend einen alten Jammer In der Alpenhütte Kammer Spinnt ein Weib im Ampelglanz.","norm":"irgendeinen alten Jammer in der Alpenhüttekammer spinnt ein Weib im Ampelglanz."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":582,"orig":"Vater Lucas ſprach beim Frühſtück: „Heute, Herr, iſt hier ein Hengert!“ Und ich fragte: „Was iſt Hengert?“ Mich belehrte Vater Lucas: „Hengert, Herr, bedeutet Reigen, Ball und Sprung und Fußgezappel In der Sprache der Griſonen Und Ihr möchtet böſe ſchlummern, Sucht Ihr heut nicht ſtill're Ruhſtatt!“ „Vater Lucas, keine Sorge!","norm":"Vater Lucas sprach beim Frühstück: „Heute, Herr, ist hier ein Hengert!“ Und ich fragte: „Was ist Hengert?“ Mich belehrte Vater Lucas: „Hengert, Herr, bedeutet Reigen, Ball und Sprung und Fußgezappel in der Sprache der Grisonen und Ihr möchtet böse schlummern, Sucht Ihr heute nicht stillere Ruhstatt!“ „Vater Lucas, keine Sorge!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":583,"orig":"Hab' ich erſt mich müd' gewandert, Schlief' ich auch in einem Meerſturm!“ Freudig nahm ich meinen Bergſtock, Stieg hinan die ſaft'gen Weiden, Wo ſich tummeln braune Fohlen, Durch bewegliches Gerölle Klomm ich auf zum ſel'gen Gipfel, Den mit leichtem Kuß berühren Heimatloſe Wanderwolken.","norm":"Habe ich erst mich müde gewandert, schliefe ich auch in einem Meersturm!“ Freudig nahm ich meinen Bergstock, Stieg hinan die saftigen Weiden, wo sich tummeln braune Fohlen, durch bewegliches Gerölle klomm ich auf zum seligen Gipfel, den mit leichtem Kuss berühren heimatlose Wanderwolken."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":584,"orig":"Müde kehrt' ich heim ins Berghaus Um die Zeit der erſten Lichter.","norm":"Müde kehrte ich heim ins Berghaus um die Zeit der ersten Lichter."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":585,"orig":"Vor der Pforte ſtand ein Häuflein, In der Mitte Muſikanten, Rechts die Burſche, links die Mädchen, Doch kein Scherzwort flog herüber Und hinüber flog kein Trutzwort.","norm":"Vor der Pforte stand ein Häuflein, in der Mitte Musikanten, Rechts die Bursche, links die Mädchen, doch kein Scherzwort flog herüber und hinüberflog kein Trutzwort."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":586,"orig":"Läſſig mit gekreuzten Armen Standen ſie geſchieden, feindlich Sich mit dunkeln Blicken meſſend.","norm":"Lässig mit gekreuzten Armen standen sie geschieden, feindlich sich mit dunkeln Blicken messend."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":587,"orig":"Und ich ſtieg in meine Kammer, Legte mich getroſt zur Ruhe.","norm":"Und ich stieg in meine Kammer, legte mich getrost zur Ruhe."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":588,"orig":"Bald erklang Muſik piano, Allgemach begann der Hengert, Sachte ſchritt er, ſchläfrig ſchleift' er, Wie Geſchlurfe von Pantoffeln.","norm":"Bald erklang Musik piano, Allgemach begann der Hengert, Sachte schritt er, schläfrig schleifte er, wie Geschlurfe von Pantoffeln."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":589,"orig":"Heimlich ſpottet' ich der trägen Füße, der bequemen Herzen Im Gebirge der Griſonen Und verſank in ſüßen Schlummer ....","norm":"Heimlich spottete ich der trägen Füße, der bequemen Herzen im Gebirge der Grisonen und versank in süßen Schlummer ...."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":590,"orig":"Horch!","norm":"Horch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":591,"orig":"Ein Ton, ein feurig greller, Schlägt empor wie eine Flamme!","norm":"Ein Ton, ein feurig greller, schlägt empor wie eine Flamme!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":592,"orig":"Jach erhitzen ſich die Bleche Und die Geige ſtreicht ein Dämon!","norm":"Jach erhitzen sich die Bleche und die Geige streicht ein Dämon!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":593,"orig":"Mir zur Rechten, mir zur Linken, Mir zu Häupten, mir zu Füßen, Ungezügelt, ungebändigt, Erderſchütternd ſtampft der Reigen, Immer lauter, wilder, toller Tobt und rast und dröhnt und tritt er, Daß erbeben alle Balken, Toſend ſauſten durch die Lüfte Berghaus, Hengert, Folterkammer, Wie voreinſt die hochgelobte Caſa ſanta durch die Lüfte Fuhr von Iſtrien nach Loretto, Doch von Engeln ſie getragen, Ich von hölliſchen Gewalten An den Sabbat auf dem Blocksberg ..","norm":"Mir zur Rechten, mir zur Linken, Mir zu Häupten, mir zu Füßen, Ungezügelt, ungebändigt, Erderschütternd stampft der Reigen, immer lauter, wilder, toller tobt und rast und dröhnt und tritt er, dass erbeben alle Balken, tosend sausten durch die Lüfte Berghaus, Hengert, Folterkammer, wie voreinst die hochgelobte Casa santa durch die Lüfte fuhr von Istrien nach Loretto, doch von Engeln sie getragen, Ich von höllischen Gewalten an den Sabbat auf dem Blocksberg .."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":594,"orig":"Alſo ging es bis zum Morgen, Da die heil'ge Frühe löſchte Stern an Stern am ew'gen Leuchter Ueber ſchwarzen Tannenbergen.","norm":"Also ging es bis zum Morgen, da die heilige Frühe löschte Stern an Stern am ewigen Leuchter über schwarzen Tannenbergen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":595,"orig":"Lechzend öffnet' ich das Fenſter, Einzuſchlürfen Morgenlüfte, Abzukühlen die zertanzte Fieberſchwüle Stirn im Winde ....","norm":"Lechzend öffnete ich das Fenster, Einzuschlürfen Morgenlüfte, abzukühlen die zertanzte Fieberschwüle Stirn im Winde ...."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":596,"orig":"Wagen rollten in die Ferne, Trugen fort die letzten Gäſte.","norm":"Wagen rollten in die Ferne, trugen fort die letzten Gäste."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":597,"orig":"Unterm Vordach ein Geflüſter — Ein aus tiefſter Bruſt geſeufztes, Ein aus tiefſter Bruſt erwiedert Leidenſchaftliches Addio ....","norm":"Unterm Vordach ein Geflüster — ein aus tiefster Brust geseufztes, ein aus tiefster Brust erwidert Leidenschaftliches Addio ...."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":598,"orig":"Wo ſtürzend aus rätiſchen Klüften der Rhein Um ſilberne Hüften ſich gürtet den Wein, Ziehn paukende Masken mit Cymbelgeläut: „Du Traube von Trimmis, dich wimmeln wir heut!“ Sie treten den Reigen, ſie ſtampfen den Chor, Da dunkelt's und lodern die Fackeln empor:","norm":"Wo stürzend aus rätischen Klüften der Rhein um silberne Hüften sich gürtet den Wein, Ziehn paukende Masken mit Zimbelgeläut: „Du Traube von Trimmis, dich wimmeln wir heute!“ Sie treten den Reigen, sie stampfen den Chor, da dunkelt es und lodern die Fackeln empor:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":599,"orig":"Ein Kranz in den Lüften!","norm":"Ein Kranz in den Lüften!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":600,"orig":"Ein wirbelndes Paar!","norm":"Ein wirbelndes Paar!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":601,"orig":"Ein brennender Nacken!","norm":"Ein brennender Nacken!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":602,"orig":"Ein purpurnes Haar!","norm":"Ein purpurnes Haar!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":603,"orig":"Die Fackeln verlöſchen.","norm":"Die Fackeln verlöschen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":604,"orig":"Es hebt ſich der Glanz Des ſchimmernden Monds und vergeiſtert den Tanz — Ein adliger Jüngling von fremder Geſtalt Bemeiſtert den Reigen mit Herrſchergewalt.","norm":"Es hebt sich der Glanz des schimmernden Monds und vergeistert den Tanz — ein adliger Jüngling von fremder Gestalt Bemeistert den Reigen mit Herrschergewalt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":605,"orig":"Er ſchwebt in der Mitte bekränzt und allein Mit leuchtenden Füßen in himmliſchem Schein, Die Schulter umflattert getigertes Fell, Er trägt einen Scepter, der kühne Geſell.","norm":"Er schwebt in der Mitte bekränzt und allein mit leuchtenden Füßen in himmlischem Schein, die Schulter umflattert getigertes Fell, er trägt einen Szepter, der kühne Gesell."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":606,"orig":"Er neigt ihn vor Irma, der träumenden Maid: „In nachtdunkle Haare taugt blitzend Geſchmeid!“ Er greift in den Himmel mit mächtiger Hand, Er raubt aus den Sternen ein flimmerndes Band: Schön Irma ſchwebt hin mit dem Krönlein von Licht, Als feſſelte fürder die Erde ſie nicht, Er ſchwingt ihr zu Häupten den Thyrſus umrankt Mit üppigem Laube, von Trauben umſchwankt ...","norm":"Er neigt ihn vor Irma, der träumenden Maid: „In nachtdunkle Haare taugt blitzend Geschmeide!“ Er greift in den Himmel mit mächtiger Hand, er raubt aus den Sternen ein flimmerndes Band: Schön Irma schwebt hin mit dem Krönlein von Licht, als fesselte fürder die Erde sie nicht, er schwingt ihr zu Häupten den Thyrsus umrankt mit üppigem Laube, von Trauben umschwankt ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":607,"orig":"Zwölf Schläge verkünden die Mitte der Nacht.","norm":"Zwölf Schläge verkünden die Mitte der Nacht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":608,"orig":"Der Reigen ermüdet.","norm":"Der Reigen ermüdet."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":609,"orig":"Das Feſt iſt vollbracht!","norm":"Das Fest ist vollbracht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":610,"orig":"„Herunter die Masken!","norm":"„Herunter die Masken!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":611,"orig":"So will es der Brauch!","norm":"So will es der Brauche!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":612,"orig":"Du Führer des Reigens, entlarve dich auch!","norm":"Du Führer des Reigens, entlarve dich auch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":613,"orig":"Wir ſind unſer zwanzig, und voll iſt die Zahl!","norm":"Wir sind unser zwanzig, und voll ist die Zahl!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":614,"orig":"Wer biſt du, der frech in die Gilde ſich ſtahl?","norm":"Wer bist du, der frech in die Gilde sich stahl?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":615,"orig":"Ein Gaukler?","norm":"Ein Gaukler?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":616,"orig":"Ein Zaub'rer?","norm":"Ein Zauberer?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":617,"orig":"Sprich wie du dich nennſt!","norm":"Sprich wie du dich nennst!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":618,"orig":"Sonſt fürcht' unſre Meſſer, biſt du kein Geſpenſt!“ Ein Mönchlein, ein zechend entſchlafnes, wird reg: „Wer biſt du?","norm":"Sonst fürchte unsere Messer, bist du kein Gespenst!“ Ein Mönchlein, ein zechend entschlafenes, wird reg: „Wer bist du?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":619,"orig":"Der Satan?","norm":"Der Satan?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":620,"orig":"Dir weiſ' ich den Weg!“ Er zeichnet ein Kreuz.","norm":"Dir weise ich den Weg!“ Er zeichnet ein Kreuz."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":621,"orig":"„Nun entmumme dich nur!","norm":"„Nun entmumme dich nur!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":622,"orig":"Ich bin der gelehrte Pancrazi von Cur!“ Der Jüngling entlarvt ein von Eppich umlaubt, Ein hohes, ein mildes, ein gnädiges Haupt: „Zu Füßen dem Herrſcher, vermeſſen Geſind!","norm":"Ich bin der gelehrte Pancrazi von Chur!“ Der Jüngling entlarvt ein von Eppich umlaubt, ein hohes, ein mildes, ein gnädiges Haupt: „Zu Füßen dem Herrscher, vermessen Gesinde!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":623,"orig":"Ich bin Dionyſus, des Donnerers Kind!“ Er lächelt dem Mönch in das feiſte Geſicht: „Silenos, Silenos, verleugne mich nicht!","norm":"Ich bin Dionysos, des Donnerers Kind!“ Er lächelt dem Mönch in das feiste Gesicht: „Silenos, Silenos, verleugne mich nicht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":624,"orig":"Mich hat ſeine Gnaden, der Biſchof, gebannt Und iſt doch mein treu'ſter Bekenner im Land.","norm":"Mich hat Seine Gnaden, der Bischof, gebannt und ist doch mein treuester Bekenner im Land."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":625,"orig":"Weinfröhliche Räter, etruriſch Geſchlecht, Ihr habt ſchon am Reno gehörig gezecht, Doch hüben am Rhein in germaniſcher Mark Bezecht ihr euch doppelt und dreimal ſo ſtark.","norm":"Weinfröhliche Räter, etruskisch Geschlecht, Ihr habt schon am Reno gehörig gezecht, doch hüben am Rhein in germanischer Mark Bezecht ihr euch doppelt und dreimal so stark."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":626,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":627,"orig":"Berggeiſt, ich höre deine Ströme rauſchen — Gieb mir Gehör!","norm":"Berggeist, ich höre deine Ströme rauschen — Gib mir Gehör!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":628,"orig":"Wir wollen Rede tauſchen!","norm":"Wir wollen Rede tauschen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":629,"orig":"Du von der Firne mondenhellen Hängen, Ich aus der Krankenkammer ſchwülen Engen!","norm":"Du von der Firn mondhellen Hängen, Ich aus der Krankenkammer schwülen Engen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":630,"orig":"Denn wiſſe, Geiſt, ich liege hier gefangen Und laſſe den geknickten Flügel hangen.","norm":"Denn wisse, Geist, ich liege hier gefangen und lasse den geknickten Flügel hangen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":631,"orig":"Ich ächz' und ſtöhne, den gelähmten, wunden, Gebrochnen Arm dicht an den Leib gebunden.","norm":"Ich ächze und stöhne, den gelähmten, wunden, gebrochenen Arm dicht an den Leib gebunden."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":632,"orig":"Zwei kurzer Wandertage ſüßes Träumen — Und dich verdroß ein Gaſt in deinen Räumen.","norm":"Zwei kurzer Wandertage süßes Träumen — und dich verdross ein Gast in deinen Räumen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":633,"orig":"Vom Tiſche ſtießeſt du den freud'gen Zecher, Entriſſeſt mir den eisgewürzten Becher Und rollteſt mich hohnlachend durch die Klüfte Hinunter in des Fieberlagers Grüfte.","norm":"Vom Tische stießest du den freudigen Zecher, entrissest mir den eisgewürzten Becher und rolltest mich hohnlachend durch die Klüfte hinunter in des Fieberlagers Grüfte."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":634,"orig":"Verräther, ſchmählich haſt du mich betrogen!","norm":"Verräter, schmählich hast du mich betrogen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":635,"orig":"Haſt du mich leiſe rufend nicht gezogen?","norm":"Hast du mich leise rufend nicht gezogen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":636,"orig":"Warſt du mir lange Jahre nicht gewogen?","norm":"Warst du mir lange Jahre nicht gewogen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":637,"orig":"Und wann in deinem Reich ich mich verirrte, Schritt nicht, wie Zufall, mir voran ein Hirte Und ließ in ſeine ſichern Stapfen treten Bergab mich — ungerufen, ungebeten?","norm":"Und wann in deinem Reich ich mich verirrte, Schritt nicht, wie Zufall, mir voran ein Hirte und ließ in seine sichern Stapfen treten Bergab mich — ungerufen, ungebeten?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":638,"orig":"Du biſt mir gram geworden?","norm":"Du bist mir gram geworden?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":639,"orig":"Laß dich fragen!","norm":"Lass dich fragen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":640,"orig":"Muß ich der führerloſen Fahrt entſagen?","norm":"Muss ich der führerlosen Fahrt entsagen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":641,"orig":"Des hohen Irreganges mich entwöhnen?“ Mir gab Beſcheid der Geiſt mit tiefen Tönen Im Flutenſturz und in der Laue Dröhnen, Es klang wie Droh'n und wieder klang's wie Höhnen: „Ein junger Wand'rer kam zu mir gefahren Mit haſt'gen Schritten und mit weh'nden Haaren.","norm":"Des hohen Irreganges mich entwöhnen?“ Mir gab Bescheid der Geist mit tiefen Tönen im Flutensturz und in der laue Dröhnen, es klang wie Drohen und wieder klang es wie Höhnen: „Ein junger Wanderer kam zu mir gefahren Mit hastigen Schritten und mit wehenden Haaren."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":642,"orig":"Ein bleiches Bild, ſo iſt er ohne Bangen Auf meinen ſchmalen Gräten umgegangen, Und über Klüften, ſchwindelnd abgrundtiefen, Aus welchen jubelnd ihn die Wogen riefen, Iſt er gewandelt auf geſtürzten Föhren Und ſchien in meine Wildniß zu gehören, Ein dumpfer Ton in meinen dumpfen Chören — Du warſt's!","norm":"Ein bleiches Bild, so ist er ohne Bangen auf meinen schmalen Gräten umgegangen, und über Klüften, schwindelnd abgrundtiefen, aus welchen jubelnd ihn die Wogen riefen, ist er gewandelt auf gestürzten Föhren und schien in meine Wildnis zu gehören, ein dumpfer Ton in meinen dumpfen Chören — Du warst es!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":643,"orig":"Und gingſt an eines Abgrunds Saume, Unkundig der Gefahr, in wachem Traume, Doch mir gefiel der Kühne und der Blinde, Und Sorge trug ich dir als einem Kinde — Jetzt, lieber Herr, biſt leidlich du vernünftig, Haſt Weib und Hof, biſt in der Gilde zünftig, Verlaß dich nicht auf meine Flügel künftig!“","norm":"Und gingst an eines Abgrunds Saume, Unkundig der Gefahr, in wachem Traume, doch mir gefiel der Kühne und der Blinde, und Sorge trug ich dir als einem Kinde — jetzt, lieber Herr, bist leidlich du vernünftig, Hast Weib und Hof, bist in der Gilde zünftig, Verlass dich nicht auf meine Flügel künftig!“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":644,"orig":"Wo weiß die Landquart durch die Tannen ſchäumt, Irrt' unbekümmert ich um Weg und Zeit, Da ſtand ein grauer Thurm — wie hingeträumt In ungebrochne Waldeseinſamkeit.","norm":"Wo weiß die Landquart durch die Tannen schäumt, irrte unbekümmert ich um Weg und Zeit, da stand ein grauer Turm — wie hingeträumt in ungebrochene Waldeseinsamkeit."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":645,"orig":"Ich ſah mich um und frug: „Wie heißt das Schloß?“ Ein bucklig Mütterlein, das Kräuter brach;","norm":"Ich sah mich um und fragte: „Wie heißt das Schloss?“ Ein bucklig Mütterlein, das Kräuter brach;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":646,"orig":"Da grollte ſie, die jedes Wort verdroß: „Fragmirnichtnach.","norm":"Da grollte sie, die jedes Wort verdross: „Fragmirnichtnach."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":647,"orig":"“ Ich ſchritt hinan; im Hof ein Brünnlein ſcholl, Durch den verwachsnen Thorweg drang ich ein, Ein dünnes kühles Rieſeln überquoll Auf einer Gruft den ſchwarz bemooſten Stein.","norm":"“ Ich schritt hinan; im Hof ein Brünnlein scholl, durch den verwachsenen Torweg drang ich ein, ein dünnes kühles Rieseln überquoll auf einer Gruft den schwarzbemoosten Stein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":648,"orig":"Ich beugte mich nach des Verſchollnen Spur, Entziffernd, was des Steines Inſchrift ſprach, Nicht Zahl, nicht Namen — ein Begehren nur:","norm":"Ich beugte mich nach des verschollenen Spur, Entziffernd, was des Steines Inschrift sprach, nicht Zahl, nicht Namen — ein Begehren nur:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":649,"orig":"Frag mir nicht nach!","norm":"Frag mir nicht nach!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":650,"orig":"Am Horizonte glomm des Abends Feuer;","norm":"Am Horizonte glomm des Abends Feuer;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":651,"orig":"Ich ſtieg, indeß die Purpurglut verblich, Zum Römerthurm empor und lehnte mich Randüber auf das dunkelnde Gemäuer — Und ſah, wie ſich am Hange ſcheu und ſcheuer Die Beerenleſerin vorüberſchlich.","norm":"Ich stieg, indes die Purpurglut verblich, zum Römerturm empor und lehnte mich Randüber auf das dunkelnde Gemäuer — und sah, wie sich am Hange scheu und scheuer die Beerenleserin vorüberschlich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":652,"orig":"Das arme Weibchen drückt' und duckte ſich, Und ſchlug ein Kreuz: ihr war es nicht geheuer.","norm":"Das arme Weibchen drückte und duckte sich, und schlug ein Kreuz: Ihr war es nicht geheuer."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":653,"orig":".","norm":"."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":654,"orig":".","norm":"."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":655,"orig":".","norm":"."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":656,"orig":"Mich flog ein Lächeln an.","norm":"Mich flog ein Lächeln an."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":657,"orig":"Im Eppich neben Der Brüſtung flüſtert's: „Freund, in deinem Leben Iſt auch ein Ort, wo die Geſpenſter ſchweben!","norm":"Im Eppich neben der Brüstung flüstert es: „Freund, in deinem Leben ist auch ein Ort, wo die Gespenster schweben!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":658,"orig":"Führt dich Erinn'rung dem zerſtörten Ort Vorbei, du huſcheſt noch geſchwinder fort, Als das von Graun gepackte Weibchen dort.","norm":"Führt dich Erinnerung dem zerstörten Ort vorbei, du huschest noch geschwinder fort, als das von Grauen gepackte Weibchen dort."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":659,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":660,"orig":"Jüngſt verlockt' es mich im Abendglimmen, Zum Lombardenthurm emporzuklimmen, Dem verſchollnen Herrſcher hier im Gaue, Der die Ferne noch beherrſcht, die blaue.","norm":"Jüngst verlockte es mich im Abendglimmen, zum Lombardenturm emporzuklimmen, dem verschollenen Herrscher hier im Gaue, der die Ferne noch beherrscht, die blaue."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":661,"orig":"In den Trümmern bin ich lang geblieben:","norm":"In den Trümmern bin ich lang geblieben:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":662,"orig":"Einer dichtet ANNO MD: „Gott hab' ich in der Natur bewundert!“ Gaudeamus!“ gräbt ein flotter Zecher Um den keck entworfnen Rieſenbecher.","norm":"Einer dichtet Anno MD: „Gott habe ich in der Natur bewundert!“ Gaudeamus!“ gräbt ein flotter Zecher um den keck entworfenen Riesenbecher."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":663,"orig":"Dort ein Herz von einem Pfeil durchſchnitten: „Hedewig“ ſteht auf des Bolzes Mitten;","norm":"Dort ein Herz von einem Pfeil durchschnitten: „Hedwig“ steht auf des Bolzes Mitten;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":664,"orig":"Dicht daneben ſetzt ein Zeitgenoſſe Gut lateiniſch eine derbe Poſſe — Dann zur Raſt in des Caſtelles Schatten Legten ſich die Schüler auf die Matten, Schlürften eines Humpens rothe Wellen Und mir iſt: ich trink' mit den Geſellen.","norm":"Dicht daneben setzt ein Zeitgenosse Gut lateinisch eine derbe Posse — dann zur Rast in des Kastelles Schatten legten sich die Schüler auf die Matten, Schlürften eines Humpens rote Wellen und mir ist: Ich trinke mit den Gesellen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":665,"orig":"Trüb brennt der Schenke Kerzenlicht, Der Wirthin junges Angeſicht, Ermüdet, ſchlummertrunken, Nickt auf die Bruſt geſunken, Denn ſchon iſt Mitternacht vorbei.","norm":"Trüb brennt der Schenke Kerzenlicht, der Wirtin junges Angesicht, Ermüdet, schlummertrunken, nickt auf die Brust gesunken, denn schon ist Mitternacht vorbei."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":666,"orig":"Am Schiefertiſche ſpielen Zwei, Die weißen Würfel ſchallen, Schlecht iſt der Wurf gefallen — Ein junges wildes Augenpaar Droht aus verworrnem Lockenhaar: „Das war mein letztes Silberſtück!","norm":"Am Schiefertische spielen Zwei, die weißen Würfel schallen, schlecht ist der Wurf gefallen — ein junges wildes Augenpaar droht aus verworrenem Lockenhaar: „Das war mein letztes Silberstück!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":667,"orig":"Doch wenden muß ſich jetzt das Glück!","norm":"Doch wenden muss sich jetzt das Glück!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":668,"orig":"Du, Alter, mußt mir borgen!","norm":"Du, Alter, musst mir borgen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":669,"orig":"Wir ſpielen bis zum Morgen!“ Mit grünen Katzenaugen blitzt Der Alte, der im Dunkel ſitzt: „Laß dich zu Bette legen, Die Mutter ſpricht den Segen!“ Des Jungen Fauſt zerdrückt das Glas Mit einem Fluch — „Kind, weißt du was?","norm":"Wir spielen bis zum Morgen!“ Mit grünen Katzenaugen blitzt der Alte, der im Dunkel sitzt: „Lass dich zu Bette legen, die Mutter spricht den Segen!“ Des Jungen Faust zerdrückt das Glas mit einem Fluch — „Kind, weißt du was?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":670,"orig":"Ein Schlößlein ſteht auf grünem Plan“ So fängt ein altes Märchen an.","norm":"Ein Schlösslein steht auf grünem Plan“ So fängt ein altes Märchen an."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":671,"orig":"Ich meine das im Walde, Hier oben an der Halde.","norm":"Ich meine das im Walde, hier oben an der Halde."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":672,"orig":"Verſchloſſen ſind die Fenſter, Drin hauſen nur Geſpenſter Für den der an Geſpenſter glaubt — Sobald das Jahr den Wald entlaubt, Macht ſich der Herr von hinnen Von dieſen luft'gen Zinnen — Schwelgt in der Stadt im Marmorſaal Und ſpielt bei luſt'gem Kerzenſtrahl.","norm":"Verschlossen sind die Fenster, drin hausen nur Gespenster für den der an Gespenster glaubt — sobald das Jahr den Wald entlaubt, Macht sich der Herr von hinnen von diesen luftigen Zinnen — schwelgt in der Stadt im Marmorsaal und spielt bei lustigem Kerzenstrahl."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":673,"orig":"Kling, kling!","norm":"Kling, kling!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":674,"orig":"Ich hör' es klingen, Wie goldne Füchſe ſpringen ...","norm":"Ich höre es klingen, wie goldene Füchse springen ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":675,"orig":"Dein Vater — ward mir recht geſagt?","norm":"Dein Vater — wurde mir recht gesagt?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":676,"orig":"— War Pächter und iſt ausgejagt ...","norm":"— War Pächter und ist ausgejagt ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":677,"orig":"Da weißt du droben ein und aus, Du kennſt den Hund, du kennſt das Haus — Ich borgte mir mein Spielgeld friſch Von dieſes reichen Mannes Tiſch!","norm":"Da weißt du droben ein und aus, Du kennst den Hund, du kennst das Haus — Ich borgte mir mein Spielgeld frisch von dieses reichen Mannes Tisch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":678,"orig":"Nimm was da liegt, nimm was da ſteht:","norm":"Nimm was da liegt, nimm was da steht:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":679,"orig":"Ein Prunkgeſchirr, ein Goldgerät, Mir darfſt du's gleich verhandeln, Ich kann's in Münze wandeln.","norm":"Ein Prunkgeschirr, ein Goldgerät, mir darfst du es gleich verhandeln, Ich kann es in Münze wandeln."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":680,"orig":"Von ſelber öffnet ſich der Schrein, Du müßteſt nicht ein Schloſſer ſein ...“ Der Burſche lauſcht mit dumpfem Hirn Dem hölliſchen Gemunkel, Ein Schatten ſteht auf ſeiner Stirn, Ein Schatten tief und dunkel:","norm":"Von selber öffnet sich der Schrein, Du müsstest nicht ein Schlosser sein ...“ Der Bursche lauscht mit dumpfem Hirn dem höllischen Gemunkel, ein Schatten steht auf seiner Stirn, ein Schatten tief und dunkel:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":681,"orig":"Und wieder leis und lüſtern Beginnt das grimme Flüſtern: „Kurt, ſieh den Lauf der Welt dir an!","norm":"Und wieder leis und lüstern beginnt das grimme Flüstern: „Kurt, sieh den Lauf der Welt dir an!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":682,"orig":"Was wohl gelingt, iſt wohl gethan!","norm":"Was wohl gelingt, ist wohl getan!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":683,"orig":"Betrachte dir die Thaten Der großen Diplomaten, Die klugen Herrn verſtehn den Pfiff, Ein leiſer Schritt, ein ſich'rer Griff!","norm":"Betrachte dir die Taten der großen Diplomaten, die klugen Herrn verstehen den Pfiff, ein leiser Schritt, ein sicherer Griff!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":684,"orig":"Dann ſpielt man hübſch Verſtecken Und läßt ſich nicht entdecken — Du blickſt ſo wild als wollt'ſt du mich Erſtechen, Kurt, beſinne dich!","norm":"Dann spielt man hübsch Verstecken und lässt sich nicht entdecken — Du blickst so wild als wolltest du mich Erstechen, Kurt, besinne dich!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":685,"orig":"Wo ſuchſt du deine Schlüſſel, Kurt?","norm":"Wo suchst du deine Schlüssel, Kurt?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":686,"orig":"Du trägſt den ganzen Bund am Gurt!","norm":"Du trägst den ganzen Bund am Gurt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":687,"orig":"...“ Er ſtürzt hinaus, empört, bethört, Die Wirthin, die ihn ſchreiten hört, Lallt halb im Traum, ſie weiß nicht wie: „Wie geht's der Mutter?","norm":"...“ Er stürzt hinaus, empört, betört, die Wirtin, die ihn schreiten hört, lallt halb im Traum, sie weiß nicht wie: „Wie geht es der Mutter?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":688,"orig":"Grüße ſie!“ Er taumelt in die Nacht hinaus, Um ſeine Stirn fliegt ein Gebraus Betrunkener Gedanken Und ſeine Schritte wanken.","norm":"Grüße sie!“ Er taumelt in die Nacht hinaus, um seine Stirn fliegt ein Gebraus betrunkener Gedanken und seine Schritte wanken."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":689,"orig":"Er ſtürmt empor die Strecke Zum Schloß auf Schneees Decke, Das Gitter überſteigt er leis Und kniſternd bricht das Tannenreis, Er ſchleicht und nach der Leiter langt Er, die am Dach der Scheune hangt, Er ſteht am Herrenhauſe ſchon, Er klettert über den Balkon, Sein Herz, er hört es pochen Und hat die Thür erbrochen.","norm":"Er stürmt empor die Strecke zum Schloss auf Schnees Decke, das Gitter übersteigt er leis und knisternd bricht das Tannenreis, er schleicht und nach der Leiter langt er, die am Dach der Scheune hangt, er steht am Herrenhause schon, er klettert über den Balkon, Sein Herz, er hört es pochen und hat die Tür erbrochen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":690,"orig":"Raſch iſt ein Wachslicht angebrannt, Laut kracht es in der Täfelwand, Ihm ſteigt das Haar, hin ſtarrt er wild Und ſieht ein farbenlieblich Bild, Von lichtem Reif umgeben, Sich aus dem Düſter heben:","norm":"Rasch ist ein Wachslicht angebrannt, Laut kracht es in der Täfelwand, ihm steigt das Haar, hin starrt er wild Und sieht ein farbenlieblich Bild, von lichtem Reif umgeben, sich aus dem Düster heben:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":691,"orig":"Den Schlummer eines Knaben ſieht Er, neben dem die Mutter kniet, Die blauen Augen ſtrahlen licht Von einer guten Zuverſicht, Nicht kann den Blick er wenden Von dieſen fleh'nden Händen ...","norm":"Den Schlummer eines Knaben sieht er, neben dem die Mutter kniet, die blauen Augen strahlen licht von einer guten Zuversicht, nicht kann den Blick er wenden von diesen flehenden Händen ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":692,"orig":"Da muß mit Thränenbächen Die harte Rinde brechen — Dumpf klirrend fällt der Schlüſſelbund.","norm":"Da muss mit Tränenbächen die harte Rinde brechen — dumpf klirrend fällt der Schlüsselbund."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":693,"orig":"Die Mutter dankt mit frohem Mund.","norm":"Die Mutter dankt mit frohem Mund."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":694,"orig":"Er flüchtet über den Balkon, Die Leiter trägt er ſchnell davon, Als wandelt' er auf Gluten — Und wendet ſich zum Guten.","norm":"Er flüchtet über den Balkon, die Leiter trägt er schnell davon, als wandelte er auf Gluten — und wendet sich zum Guten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":695,"orig":"Fern von dem fürſtlichen keuſchen Gemahl Jubelt ein blühender Jüngling im Saal: „Hebet die Becher und ruft daß es ſchallt:","norm":"Fern von dem fürstlichen keuschen Gemahl jubelt ein blühender Jüngling im Saal: „Hebet die Becher und ruft dass es schallt:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":696,"orig":"Freiheit, ſie lebe!","norm":"Freiheit, sie lebe!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":697,"orig":"Die Freiheit im Wald!“ All die Genoſſen der weidlichen Luſt Bringen das Hoch aus erglühender Bruſt: „Lebe die Jugend und Bacchus' Gewalt!","norm":"Die Freiheit im Wald!“ All die Genossen der weidlichen Lust Bringen das Hoch aus erglühender Brust: „Lebe die Jugend und Bacchus' Gewalt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":698,"orig":"Freiheit, ſie lebe!","norm":"Freiheit, sie lebe!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":699,"orig":"Die Freiheit im Wald!“ Schmetternde Hörner!","norm":"Die Freiheit im Wald!“ Schmetternde Hörner!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":700,"orig":"Dann flüſtern ſie ſacht, Scherzen und locken die Elfen der Nacht Aus ihren Waldesverſtecken hervor — Aengſtliche Schläge beſtürmen das Thor.","norm":"Dann flüstern sie sacht, Scherzen und locken die Elfen der Nacht aus ihren Waldesverstecken hervor — ängstliche Schläge bestürmen das Tor."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":701,"orig":"„Setz dich ans Feuer, du herziges Kind!“ Lärmt im erleuchteten Hof das Geſind.","norm":"„Setze dich ans Feuer, du herziges Kind!“ Lärmt im erleuchteten Hof das Gesinde."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":702,"orig":"„Fürſtlich bewirthen mit Kuchen dich wir!","norm":"„Fürstlich bewirten mit Kuchen dich wir!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":703,"orig":"Drinnen was ſuchſt du?","norm":"Drinnen was suchst du?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":704,"orig":"Beſcheide dich hier!“ Raſch in den Saal, in den fürſtlichen, tritt Eine Geſcheuchte mit haſtigem Schritt, Ueber den Buſen, vom Laufe bewegt, Kreuzweis die flehenden Arme gelegt — Blätter am Röcklein, herbſtröthlich und falb!","norm":"Bescheide dich hier!“ Rasch in den Saal, in den fürstlichen, tritt eine Gescheuchte mit hastigem Schritt, über den Busen, vom Laufe bewegt, Kreuzweise die flehenden Arme gelegt — Blätter am Röcklein, herbströtlich und falb!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":705,"orig":"Krausdunkle Haare, noch flattern ſie halb, Süßbraune Augen und ſchmerzlich dabei, Blutende Füße — nicht die einer Fei!","norm":"Krausdunkle Haare, noch flattern sie halb, Süßbraune Augen und schmerzlich dabei, blutende Füße — nicht die einer Fei!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":706,"orig":"Sage, wer biſt du, krauslockiges Haupt, Schimmernd von purpurnen Blättern umlaubt?“ — „Rehe, die Rehe, ſo heiß' ich im Land Von meinem braunen Gelock und Gewand“ — „Mein iſt die Rehe!","norm":"Sage, wer bist du, krauslockiges Haupt, schimmernd von purpurnen Blättern umlaubt?“ — „Rehe, die Rehe, so heiße ich im Land von meinem braunen Gelock und Gewand“ — „Mein ist die Rehe!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":707,"orig":"Des Herrn iſt die Jagd!“ Jubelt der Jüngling, es ſträubt ſich die Magd ...","norm":"Des Herrn ist die Jagd!“ Jubelt der Jüngling, es sträubt sich die Magd ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":708,"orig":"Halali!","norm":"Halali!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":709,"orig":"hetzt es und tobt es und hallt.","norm":"hetzt es und tobt es und hallt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":710,"orig":"Ringend entwindet ſie ſich der Gewalt.","norm":"Ringend entwindet sie sich der Gewalt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":711,"orig":"Lodernde Augen, wie Blitze der Nacht — Doch ſie beſinnt ſich.","norm":"Lodernde Augen, wie Blitze der Nacht — doch sie besinnt sich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":712,"orig":"Dann redet ſie ſacht: „Rehe, die Rehe, ſo heiß' ich im Land, Wilpert, der Schütz, iſt der Vater genannt — Auf eine Jagd, die dem Herrn nur gebührt, Hat ihn ein ätzendes Rudel verführt.","norm":"Dann redet sie sacht: „Rehe, die Rehe, so heiße ich im Land, Wilpert, der Schütz, ist der Vater genannt — auf eine Jagd, die dem Herrn nur gebührt, hat ihn ein ätzendes Rudel verführt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":713,"orig":"Siehe, da kniet er, da zielt er und knallt — Heut hat der Vater gefrevelt im Wald!","norm":"Siehe, da kniet er, da zielt er und knallt — heute hat der Vater gefrevelt im Wald!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":714,"orig":"Doch deine Förſter ergriffen ihn, weh, Ihn und das ſündlich erbeutete Reh.","norm":"Doch deine Förster ergriffen ihn, weh, ihn und das sündlich erbeutete Reh."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":715,"orig":"Ich, von der Angſt und dem Jammer gejagt, Lief in den Wald, eine hilfloſe Magd.","norm":"Ich, von der Angst und dem Jammer gejagt, lief in den Wald, eine hilflose Magd."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":716,"orig":"Da ſchier das Herz mir im Buſen zerſprang, Sah ich die Kerzen und hörte den Klang — Glaubte die gütige Herzogin hier Und nun erzittr' ich und ſteh' ich vor dir.","norm":"Da schier das Herz mir im Busen zersprang, sah ich die Kerzen und hörte den Klang — glaubte die gütige Herzogin hier und nun erzittere ich und stehe ich vor dir."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":717,"orig":"Gieb mir den Vater und gieb mir ihn bald, Daß ich getröſtet verlaſſe den Wald.","norm":"Gib mir den Vater und gib mir ihn bald, dass ich getröstet verlasse den Wald."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":718,"orig":"Gnade!“ Der Herzog geſteht ſich verwirrt, Daß man ſich leichtlich im Walde verirrt.","norm":"Gnade!“ Der Herzog gesteht sich verwirrt, Dass man sich leichtlich im Walde verirrt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":719,"orig":"Und er bekennt, vom Gewiſſen gerührt, Daß eine Rehe vom Wege verführt.","norm":"Und er bekennt, vom Gewissen gerührt, dass eine Rehe vom Wege verführt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":720,"orig":"Murmelnd verlangt er ein Blatt, einen Stift, Schreibt eine Zeile mit ſchwankender Schrift: „Wilpert, dem Schützen, gewähr' ich Pardon!“ Und ſie bedankt ſich und fort iſt ſie ſchon.","norm":"Murmelnd verlangt er ein Blatt, einen Stift, schreibt eine Zeile mit schwankender Schrift: „Wilpert, dem Schützen, gewähre ich Pardon!“ Und sie bedankt sich und fort ist sie schon."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":721,"orig":"Er tritt ans Fenſter und öffnet es ſacht:","norm":"Er tritt ans Fenster und öffnet es sacht:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":722,"orig":"Leuchtende Sterne der ruhigen Nacht!","norm":"Leuchtende Sterne der ruhigen Nacht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":723,"orig":"Dort eine flüchtige dunkle Geſtalt Und eine Rehe verſchwindet im Wald.","norm":"Dort eine flüchtige dunkle Gestalt und eine Rehe verschwindet im Wald."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":724,"orig":"Gebrochen iſt der alte Twing, Ringsum ergrünt ſein Mauerring, Der Eppich ſchwankt im Fenſter, Verſunken in der Erde Schooß Tief unter das beſonnte Moos Sind Ritter und Geſpenſter.","norm":"Gebrochen ist der alte Twing, ringsum ergrünt sein Mauerring, der Eppich schwankt im Fenster, Versunken in der Erde Schoß Tief unter das besonnte Moos sind Ritter und Gespenster."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":725,"orig":"Wo durch das tiefgewölbte Thor Die zorn'ge Fehde ſchritt hervor Und ließ die Hörner ſchmettern, Da hat ſich, duftig eingeengt, Ein Zicklein ans Geſträuch gehängt Und naſcht von jungen Blättern.","norm":"Wo durch das tiefgewölbte Tor die zornige Fehde schritt hervor und ließ die Hörner schmettern, da hat sich, duftig eingeengt, ein Zicklein ans Gesträuch gehängt und nascht von jungen Blättern."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":726,"orig":"Wo wild verträumt Frau Minne ſtund, Zerrann auf blauem Himmelsgrund Der kecke Bau des Erkers.","norm":"Wo wildverträumt Frau Minne stand, zerrann auf blauem Himmelsgrund der kecke Bau des Erkers."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":727,"orig":"Wo tief der ſtumme Haß gegrollt, Liegt weich, ins hohe Gras gerollt, Ein feuchter Stein des Kerkers.","norm":"Wo tief der stumme Hass gegrollt, liegt weich, ins hohe Gras gerollt, ein feuchter Stein des Kerkers."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":728,"orig":"Und wo den Teich vom Hügelhang Herab die trotz'ge Feſte zwang Ein finſter Bild zu ſpiegeln, Da rudert, von der Flut benetzt, Der Burg zerſtörtes Wappen jetzt:","norm":"Und wo den Teich vom Hügelhang herab die trotzige Feste zwang ein finster Bild zu spiegeln, da rudert, von der Flut benetzt, der Burg zerstörtes Wappen jetzt:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":729,"orig":"Ein Schwan mit Silberflügeln.","norm":"Ein Schwan mit Silberflügeln."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":730,"orig":"„Tag, ſchein' herein und, Leben, flieh hinaus!“","norm":"„Tag, Schein herein und, Leben, fliehe hinaus!“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":731,"orig":"Shakespeare.","norm":"Shakespeare."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":732,"orig":"Tag, ſchein' herein!","norm":"Tag, Schein herein!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":733,"orig":"Die Kammer ſteht dir offen!","norm":"Die Kammer steht dir offen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":734,"orig":"Holdſel'ger Lenzesmorgen, ſchein' herein!","norm":"Holdseliger Lenzesmorgen, Schein herein!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":735,"orig":"Schon glitzert, von der Sonne Strahl getroffen, Das Tintenfaß, der eichne Bücherſchrein.","norm":"Schon glitzert, von der Sonne Strahl getroffen, das Tintenfass, der eichene Bücherschrein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":736,"orig":"Vogt Winter muß dem Lenze Rechnung geben, Dem ſchönen Erben über Hof und Haus — Auch mir zu gut geſchrieben iſt ein Leben — Tag, ſchein' herein und, Leben, flieh hinaus!","norm":"Vogt Winter muss dem Lenze Rechnung geben, dem schönen Erben über Hof und Haus — auch mir zugut geschrieben ist ein Leben — Tag, Schein herein und, Leben, fliehe hinaus!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":737,"orig":"Ich war von einem ſchweren Bann gebunden.","norm":"Ich war von einem schweren Bann gebunden."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":738,"orig":"Ich lebte nicht.","norm":"Ich lebte nicht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":739,"orig":"Ich lag im Traum erſtarrt.","norm":"Ich lag im Traum erstarrt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":740,"orig":"Von vielen tauſend unverbrauchten Stunden Schwillt ungeſtüm mir nun die Gegenwart.","norm":"Von vielen tausend unverbrauchten Stunden schwillt ungestüm mir nun die Gegenwart."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":741,"orig":"Aus dunkelm Grunde grüne Saat zu wecken Bedarf es Sonnenſtrahles nur und Thaus, Ich fühle wie ſich tauſend Keime ſtrecken.","norm":"Aus dunklem Grunde grüne Saat zu wecken Bedarf es Sonnenstrahles nur und Taus, Ich fühle wie sich tausend Keime strecken."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":742,"orig":"Tag, ſchein' herein und, Leben, flieh hinaus!","norm":"Tag, Schein herein und, Leben, fliehe hinaus!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":743,"orig":"Ein Segel zieht auf wunderkühlen Pfaden, In Flutendunkel ſpiegelt ſich der Tag.","norm":"Ein Segel zieht auf wunderkühlen Pfaden, in Flutendunkel spiegelt sich der Tag."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":744,"orig":"Was hat die Barke dort für mich geladen?","norm":"Was hat die Barke dort für mich geladen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":745,"orig":"Vielleicht iſt's etwas das mich freuen mag!","norm":"Vielleicht ist es etwas das mich freuen mag!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":746,"orig":"Entgegen ihr!","norm":"Entgegen ihr!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":747,"orig":"Was wird die Barke bringen Durch blauer Wellen freudiges Gebraus?","norm":"Was wird die Barke bringen durch blauer Wellen freudiges Gebraus?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":748,"orig":"Entgegen ihr!","norm":"Entgegen ihr!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":749,"orig":"Mit weitgeſtreckten Schwingen!","norm":"Mit weitgestreckten Schwingen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":750,"orig":"Tag, ſchein' herein und, Leben, flieh hinaus!","norm":"Tag, Schein herein und, Leben, fliehe hinaus!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":751,"orig":"Als der Bernina Felſenthor Durchdonnerte der Wagen Und wir im Süden ſahn empor Die Muſchelberge ragen, Blies ſchmetternd auf dem Rößlein vorn Der in der Lederhoſe.","norm":"Als der Bernina Felsentor Durchdonnerte der Wagen und wir im Süden sahen empor die Muschelberge ragen, blies schmetternd auf dem Rösslein vorn der in der Lederhose."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":752,"orig":"„Wen grüßeſt du mit deinem Horn?“ Die Roſe, Herr, die Roſe!“ Mit flachem Dach ein Säulenhaus, Das erſte welſche Bildniß, Schaut Röſe weinumwunden aus Verworr'ner Gartenwildniß — Es iſt, als ob des Baches Flut Melod'ſcher ſchon ertoſe, Hell brennt in Abendſonnenglut Die Roſe, ja, die Roſe.","norm":"„Wen grüßest du mit deinem Horn?“ Die Rose, Herr, die Rose!“ Mit flachem Dach ein Säulenhaus, das erste welsche Bildnis, schaut Röse weinumwunden aus verworrener Gartenwildnis — es ist, als ob des Baches Flut Melodischer schon ertose, Hell brennt in Abendsonnenglut die Rose, ja, die Rose."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":753,"orig":"Nun, Herz, beginnt die Wonnezeit Auf Wegen und auf Stegen, Mir ſtrömt ein Hauch von Ueppigkeit Und ew'gem Lenz entgegen — Mir gaukelt um die helle Stirn Ein Falter mit Gekoſe — Den Wein bringt eine junge Dirn, Die Roſe, ja, die Roſe.","norm":"Nun, Herz, beginnt die Wonnezeit auf Wegen und auf Stegen, mir strömt ein Hauch von Üppigkeit und ewigem Lenz entgegen — mir gaukelt um die helle Stirn ein Falter mit Gekose — den Wein bringt eine junge Dirn, die Rose, ja, die Rose."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":754,"orig":"Noch einmal darf in ſüdlich Land Ich Nordgeborner wallen, Vertauſchen meine Felſenwand Mit weißen Marmorhallen.","norm":"Noch einmal darf in südlich Land Ich Nordgeborener wallen, Vertauschen meine Felsenwand mit weißen Marmorhallen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":755,"orig":"Gegrüßt, Italien, Licht und Luſt!","norm":"Gegrüßt, Italien, Licht und Lust!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":756,"orig":"Ich preiſe meine Looſe!","norm":"Ich preise meine Lose!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":757,"orig":"Du biſt an unſrer Erde Bruſt Die Roſe, ja die Roſe!","norm":"Du bist an unserer Erde Brust die Rose, ja die Rose!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":758,"orig":"Hier am Sarazenenthurme, Der die Straße hielt geſchloſſen, Iſt in manchem wilden Sturme Deutſch und welſches Blut gefloſſen.","norm":"Hier am Sarazenenturme, der die Straße hielt geschlossen, ist in manchem wilden Sturme Deutsch und welsches Blut geflossen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":759,"orig":"Nun ſich in des Thales Räumen Länger nicht die Völker morden, Ringen noch mit ihren Bäumen Hier der Süden und der Norden.","norm":"Nun sich in des Tales Räumen Länger nicht die Völker morden, Ringen noch mit ihren Bäumen hier der Süden und der Norden."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":760,"orig":"Arvbaum iſt der deutſchen Bande Bannerherr, der düſter kühne, Ueppig Volk der Sonnenlande, Rebe führt's, die ſonnig grüne.","norm":"Arvbaum ist der deutschen Bande Bannerherr, der düsterkühne, üppig Volk der Sonnenlande, Rebe führt's, die sonniggrüne."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":761,"orig":"Ohne Schild- und Schwertgeklirre, Ohne der Drommete Schmettern Kämpfen in der Felſenirre Hier die Nadeln mit den Blättern.","norm":"Ohne Schild- und Schwertgeklirre, ohne der Trompete Schmettern Kämpfen in der Felsenirre hier die Nadeln mit den Blättern."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":762,"orig":"Ein leuchtend blauer Tag.","norm":"Ein leuchtend blauer Tag."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":763,"orig":"Ein wogend Aehrenfeld, Daraus ein wetterſchwarzer Mauerbogen ſteigt.","norm":"Ein wogend Ährenfeld, daraus ein wetterschwarzer Mauerbogen steigt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":764,"orig":"In ſeinem kurzen Schatten ſchläft das Schnittervolk.","norm":"In seinem kurzen Schatten schläft das Schnittervolk."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":765,"orig":"Allein emporgerichtet ſitzt die ſchönſte Maid, Des Landes Kind, doch welchen Lands?","norm":"Allein emporgerichtet sitzt die schönste Maid, des Landes Kind, doch welchen Lands?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":766,"orig":"Italiens!","norm":"Italiens!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":767,"orig":"Ein ſtrenggeſchnittnes, muſenhaftes Angeſicht, Am halbzerſtörten Sims des Bogens hangt der Blick, Als müht' er zu enträthſeln dort die Inſchrift ſich.","norm":"Ein strenggeschnittnes, musenhaftes Angesicht, am halbzerstörten Sims des Bogens hangt der Blick, als mühte er zu enträtseln dort die Inschrift sich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":768,"orig":"(Wenn nicht des Auges Dunkel von dem Liebſten träumt.","norm":"(Wenn nicht des Auges Dunkel von dem Liebsten träumt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":769,"orig":") Sie hebt die erſte ſich, erweckt die Schnitterſchaar, Ergreift die blanke Sichel, die im Schatten lag, Und ſchreitet herrlich durch das golden wogende Korn, Umblaut vom Himmel als ein göttliches Gebild.","norm":") Sie hebt die erste sich, erweckt die Schnitterschar, ergreift die blanke Sichel, die im Schatten lag, und schreitet herrlich durch das goldenwogende Korn, Umblaut vom Himmel als ein göttliches Gebilde."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":770,"orig":"S'iſt Klio, die das Alterthum enträthſelnde, Vergilbten Pergaments und der Archive müd, Gelockt vom Rauſchen einer überreifen Saat, Wird ſie zur ſtarken Schnitterin.","norm":"S'ist Klio, die das Altertum enträtselnde, vergilbten Pergaments und der Archive müde, gelockt vom Rauschen einer überreifen Saat, wird sie zur starken Schnitterin."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":771,"orig":"Die Sichel klingt.","norm":"Die Sichel klingt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":772,"orig":"Eine glückgefüllte Gondel gleitet auf dem Canal grande, An Giorgione lehnt die Blonde mit dem rothen Sammtgewande.","norm":"Eine glückgefüllte Gondel gleitet auf dem Kanal grande, an Giorgione lehnt die Blonde mit dem roten Samtgewande."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":773,"orig":"„Giorgio, deiner Laute Saiten hör' ich leiſe, leiſe klingen“ — Julia Vendramin, Erlauchte, was befiehlſt du mir zu ſingen?“ Nichts von ſchönen Augen, Giorgio!","norm":"„Giorgio, deiner Laute Saiten höre ich leise, leise klingen“ — Julia Vendramin, Erlauchte, was befiehlst du mir zu singen?“ Nichts von schönen Augen, Giorgio!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":774,"orig":"Solches Thema ſollſt du laſſen!","norm":"Solches Thema sollst du lassen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":775,"orig":"Singe, wie dem Meer entſtiegen dieſe wunderbaren Gaſſen!","norm":"Singe, wie dem Meer entstiegen diese wunderbaren Gassen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":776,"orig":"Feſſle kränzend keine Locken, die ſich ringeln los und ledig!","norm":"Fessle kränzend keine Locken, die sich ringeln los und ledig!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":777,"orig":"Giorgio, ſinge mir von meinem unvergleichlichen Venedig!“ „Meine ſüße Muſe will es!","norm":"Giorgio, singe mir von meinem unvergleichlichen Venedig!“ „Meine süße Muse will es!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":778,"orig":"Es geſchieht!“ Er präludierte.","norm":"Es geschieht!“ Er präludierte."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":779,"orig":"Weiland, eh' des heil'gen Marcus Flagge dieſes Meer regierte, Drüben dort, wo duftverſchleiert Iſtriens ſchöne Berge blauen, Sank vor ungezählten Jahren eine Dämm'rung voller Grauen.","norm":"Weiland, ehe des heiligen Markus Flagge dieses Meer regierte, drüben dort, wo duftverschleiert Istriens schöne Berge blauen, sank vor ungezählten Jahren eine Dämmerung voller Grauen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":780,"orig":"Durch das Dunkel huſchen Larven, angſtgeſchreckte Hunde winſeln, Schreie gellen, Stimmen warnen: „Löſt die Böte!","norm":"Durch das Dunkel huschen Larven, angstgeschreckte Hunde winseln, Schreie gellen, Stimmen warnen: „Löst die Böte!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":781,"orig":"Nach den Inſeln!“ In den Lüften haucht ein Odem, wie es in den Gräbern modert — Schaurig tagen Meer und Himmel!","norm":"Nach den Inseln!“ In den Lüften haucht ein Odem, wie es in den Gräbern modert — schaurig tagen Meer und Himmel!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":782,"orig":"Aquileja brennt und lodert!","norm":"Aquileia brennt und lodert!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":783,"orig":"Von der Stätte, wo die ſtillen, ungezähmten Flammen wogen, Kommt ein dumpfes Menſchenbrauſen nach dem freien Strand gezogen:","norm":"Von der Stätte, wo die stillen, ungezähmten Flammen wogen, kommt ein dumpfes Menschenbrausen nach dem freien Strand gezogen:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":784,"orig":"Attila, die Gottesgeißel, jagt auf blutbeſprengten Pfaden Krieger mit zerbrochnen Schwertern, Fraun mit Schätzen ſchwer beladen.","norm":"Attila, die Gottesgeißel, jagt auf blutbesprengten Pfaden Krieger mit zerbrochenen Schwertern, Frauen mit Schätzen schwer beladen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":785,"orig":"Wie zum Hades Schatten wandern, ziehn zum Meere die Geſcheuchten, Das die purpurroth gefärbten Wolken weit hinaus beleuchten, Wittwen, Waiſen ſchreiten jammernd, ſchweigend ſtürzen wunde Männer, Mitten im Gewühle bäumen Wagen ſich und ſcheue Renner.","norm":"Wie zum Hades Schatten wandern, ziehen zum Meere die Gescheuchten, das die purpurrot gefärbten Wolken weit hinaus beleuchten, Witwen, Waisen schreiten jammernd, schweigend stürzen wunde Männer, Mitten im Gewühle bäumen Wagen sich und scheue Renner."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":786,"orig":"Kniee wanken, Füße gleiten, Käſtchen brechen, draus die hellen Goldnen Reife rollend ſpringen und die weißen Perlen quellen.","norm":"Kniee wanken, Füße gleiten, Kästchen brechen, draus die hellen goldenen Reife rollend springen und die weißen Perlen quellen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":787,"orig":"Nackte Küſtenkinder ſtarren gierig auf das rings zerſtreute Gold, und doch betaſtet's keines, — Etzel's iſt die ganze Beute!","norm":"Nackte Küstenkinder starren gierig auf das rings zerstreute Gold, und doch betastet es keines, — Etzels ist die ganze Beute!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":788,"orig":"Schiffer rüſten dunkle Nachen, drüber Wogen ſchäumend ſchlagen, Durch die weiße Brandung werden bleiche Fraun an Bord getragen — Mit der Rechten an die phryg'ſche Mütze langt der Meerplebejer, Beut zum Sprung ins Boot die Linke dem behelmten Aquilejer.","norm":"Schiffer rüsten dunkle Nachen, drüber Wogen schäumend schlagen, durch die weiße Brandung werden bleiche Frauen an Bord getragen — mit der Rechten an die phrygische Mütze langt der Meerplebejer, Beute zum Sprung ins Boot die Linke dem behelmten Aquileier."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":789,"orig":"Schon entflieht ein Schiff mit weh'nden Segeln, flatternden Gewanden, Drin ſich weitgetrennte Looſe ſonder Wahl zuſammenfanden, Unbekannte Hände drücken ſich in angſtbeklommnem Traume, Aquileja's Ueberbleibſel ſchmiegen ſich in engem Raume.","norm":"Schon entflieht ein Schiff mit wehenden Segeln, flatternden Gewanden, drin sich weitgetrennte Lose sonder Wahl zusammenfanden, unbekannte Hände drücken sich in angstbeklommenem Traume, Aquileias Überbleibsel schmiegen sich in engem Raume."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":790,"orig":"Letzte Scheideblicke wendend, ſehn ſie noch den Himmel bluten, Aber tiefer ſtets und ferner brennen die geſunknen Gluten.","norm":"Letzte Scheideblicke wendend, sehen sie noch den Himmel bluten, Aber tiefer stets und ferner brennen die gesunkenen Gluten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":791,"orig":"Still verglimmt der Heimat müde Todesfackel.","norm":"Still verglimmt der Heimat müde Todesfackel."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":792,"orig":"Auf die Ruder Beugt ſich Unglück neben Unglück, Bruder ſeufzend neben Bruder.","norm":"Auf die Ruder beugt sich Unglück neben Unglück, Bruder seufzend neben Bruder."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":793,"orig":"Eine Fürſtin küſſt ein Knäblein, ein dem Edelblute fremdes, Eine Sclavin wärmt ein fürſtlich Kind im Schooß des Wollenhemdes — Unter ihnen Eine Tiefe, über ihnen Eine Wolke — Liebe thaut vom Himmel, Liebe wächſt in dieſem neuen Volke.","norm":"Eine Fürstin küsst ein Knäblein, ein dem Edelblute fremdes, eine Sklavin wärmt ein fürstlich Kind im Schoß des Wollenhemdes — unter ihnen eine Tiefe, über ihnen eine Wolke — Liebe taut vom Himmel, Liebe wächst in diesem neuen Volke."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":794,"orig":"Ueber eines Mantels Flattern, ſturmverwehten greiſen Haaren Will das Schweben einer Glorie einen Heil'gen offenbaren, Dieſes iſt der heil'ge Marcus, rüſtig rudernd wie ein Andrer — Nach den nahenden Lagunen lenkt die Fahrt der ſel'ge Wandrer.","norm":"Über eines Mantels Flattern, sturmverwehten greisen Haaren will das Schweben einer Glorie einen Heiligen offenbaren, dieses ist der heilige Markus, rüstig rudernd wie ein Anderer — nach den nahenden Lagunen lenkt die Fahrt der selige Wanderer."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":795,"orig":"Neben ihm der Jugendſchlanke ſchlägt die Wellen, daß ſie ſchallen, Wirren Locken ſind die Kränze ſchwelgeriſcher Luſt entfallen.","norm":"Neben ihm der Jugendschlanke schlägt die Wellen, dass sie schallen, Wirren Locken sind die Kränze schwelgerischer Lust entfallen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":796,"orig":"Der Bacchant wird zum Aeneas.","norm":"Der Bacchant wird zum Aeneas."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":797,"orig":"Niederbrannte Troja's Feuer.","norm":"Niederbrannte Trojas Feuer."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":798,"orig":"Mit den rudernden Genoſſen ſucht er edles Abenteuer.","norm":"Mit den rudernden Genossen sucht er edles Abenteuer."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":799,"orig":"Mälig lichtet ſich der Oſten.","norm":"Mählich lichtet sich der Osten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":800,"orig":"In der erſten Helle ſchauen Kecke Männer tief ins Antlitz morgenſtiller ſchöner Frauen — Lieblich Haupt, das blonde Flechten wie mit lichtem Ring umwinden, Bald an einem tapfern Herzen wirſt du deine Heimat finden!","norm":"In der ersten Helle schauen kecke Männer tief ins Antlitz morgenstiller schöner Frauen — lieblich Haupt, das blonde Flechten wie mit lichtem Ring umwinden, bald an einem tapfern Herzen wirst du deine Heimat finden!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":801,"orig":"Scharfgezeichnet neigt ſich eines Helden narb'ge Stirne denkend, In das göttliche Geheimniß ew'gen Werdens ſich verſenkend; Rings in Stücke ſprang zerſchmettert Roma's roſt'ge Rieſenkette, Neue Weltgeſchicke gönnen junger Freiheit eine Stätte ....","norm":"Scharfgezeichnet neigt sich eines Helden narbige Stirn denkend, in das göttliche Geheimnis ewigen Werden es sich versenkend; Rings in Stücke sprang zerschmettert Romas rostige Riesenkette, neue Weltgeschicke gönnen junger Freiheit eine Stätte ...."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":802,"orig":"Wie geworfen aus dem Himmel heiter ſpielend von Auroren, Schwimmt ein lichter Kranz von Inſeln in die blaue Flut verloren — Jubelnd grüßen den beſchwingten, den beſeelten Ruderſchlägen Fiſcher bis zum Gurt umbrandet, netzezieh'nde, ſchon entgegen.","norm":"Wie geworfen aus dem Himmel heiter spielend von Auroren, schwimmt ein lichter Kranz von Inseln in die blaue Flut verloren — jubelnd grüßen den beschwingten, den beseelten Ruderschlägen Fischer bis zum Gurt umbrandet, netzeziehende, schon entgegen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":803,"orig":"„Fleh'nde kommen wir, Veneter!","norm":"„Flehende kommen wir, Veneter!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":804,"orig":"Drüben flammt ein weit Verderben!","norm":"Drüben flammt ein weit Verderben!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":805,"orig":"Unſre Seelen ſind entronnen einem ungeheuern Sterben!“ „Freuet euch!","norm":"Unsere Seelen sind entronnen einem ungeheuren Sterben!“ „Freuet euch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":806,"orig":"Ihr lebt und athmet!","norm":"Ihr lebt und atmet!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":807,"orig":"Hier iſt euch Aſyl gegeben!","norm":"Hier ist euch Asyl gegeben!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":808,"orig":"Friede ſei mit euren Todten!","norm":"Friede sei mit euren Toten!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":809,"orig":"Freude denen, die da leben!","norm":"Freude denen, die da leben!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":810,"orig":"...“ Schwert und Ruder tragend wallen ernſte Genien vor den Böten;","norm":"...“ Schwert und Ruder tragend wallen ernste Genien vor den Böten;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":811,"orig":"Auch ein Schwarm von Liebesgöttern flügelt durch die jungen Röten — Ueber das Geſtein der Inſeln geht ein Hauch von Luſt und Wonne, Ahnungsvollem Meer entſteigend, prangt Venedigs erſte Sonne.","norm":"Auch ein Schwarm von Liebesgöttern flügelt durch die jungen Röten — über das Gestein der Inseln geht ein Hauch von Lust und Wonne, ahnungsvollem Meer entsteigend, prangt Venedigs erste Sonne."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":812,"orig":"Blonde Julia, Deiner Heimath Urſprung hab' ich dir verkündet, Liebe hat die Stadt Venedig, Liebe hat die Welt gegründet — Deiner Augen ſtrahlend blauer Himmel würde bleichen ohne Liebesfeuer und verſtummen, wie die Laute des Giorgione.","norm":"Blonde Julia, Deiner Heimat Ursprung habe ich dir verkündet, Liebe hat die Stadt Venedig, Liebe hat die Welt gegründet — Deiner Augen strahlend blauer Himmel würde bleichen ohne Liebesfeuer und verstummen, wie die Laute des Giorgione."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":813,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":814,"orig":"Venedig, einen Winter lebt' ich dort — Paläſte, Brücken, der Lagune Duft!","norm":"Venedig, einen Winter lebte ich dort — Paläste, Brücken, der Lagune Duft!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":815,"orig":"Doch hier im harten Licht der Gegenwart Verdämmert mälig mir die Märchenwelt.","norm":"Doch hier im harten Licht der Gegenwart Verdämmert mählich mir die Märchenwelt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":816,"orig":"Vielleicht vergaß ich einen Tizian.","norm":"Vielleicht vergaß ich einen Tizian."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":817,"orig":"Ein Frevel!","norm":"Ein Frevel!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":818,"orig":"Jenen doch vergaß ich nicht, Wo über einem Sturm von Armen ſich Die Jungfrau feurig in die Himmel hebt, So wenig als den andern Tizian — Doch kein gemalter war's — die Wirklichkeit:","norm":"Jenen doch vergaß ich nicht, wo über einem Sturm von Armen sich die Jungfrau feurig in die Himmel hebt, so wenig als den anderen Tizian — doch kein gemalter war es — die Wirklichkeit:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":819,"orig":"Am Quai, dem nächt'gen, der Slavonen war's.","norm":"Am Quai, dem nächtigen, der Slavonen war es."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":820,"orig":"Im Dunkel ſtand ich.","norm":"Im Dunkel stand ich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":821,"orig":"Fenſter ſchimmerten.","norm":"Fenster schimmerten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":822,"orig":"Zwei dürft'ge Frauen kamen hergerannt.","norm":"Zwei dürftige Frauen kamen hergerannt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":823,"orig":"Hart an die Scheibe preßt' das junge Weib Die bleiche Stirn.","norm":"Hart an die Scheibe presste das junge Weib die bleiche Stirn."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":824,"orig":"Was drinnen ſie erblickt, Das ſie erſtarren machte, weiß ich nicht.","norm":"Was drinnen sie erblickt, das sie erstarren machte, weiß ich nicht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":825,"orig":"(Vielleicht den Herzgeliebten, welcher ſie An eines andern Weibes Bruſt verrieth.","norm":"(Vielleicht den Herzgeliebten, welcher sie An eines anderen Weibes Brust verriet."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":826,"orig":") Ich aber ſah den feinſten Mädchenkopf Vom Tod entfärbt!","norm":") Ich aber sah den feinsten Mädchenkopf vom Tod entfärbt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":827,"orig":"Ein Antlitz voller Tod!","norm":"Ein Antlitz voller Tod!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":828,"orig":"Die Mutter führte weg die Schwankende ...","norm":"Die Mutter führte weg die Schwankende ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":829,"orig":"Die beiden Tiziane blieben mir Stets gegenwärtig; löſchen ſie, ſo liſcht Die Göttin vor dem armen Menſchenkind.","norm":"Die beiden Tiziane blieben mir Stets gegenwärtig; löschen sie, so lischt die Göttin vor dem armen Menschenkind."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":830,"orig":"(Nach einem venezianiſchen Bilde.","norm":"(Nach einem venezianischen Bilde."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":831,"orig":")","norm":")"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":832,"orig":"Die brave Marthe that, was ſie vermocht', Sie rupfte, ſpickte, briet und ſott und kocht', Sie ſchob dem Herrn die braunſten Kuchen zu, Und: „Dieſen“, ſagt' ſie, „Herr, verſuche Du!“ Maria nahte, die den ſchlanken Krug, Gefüllt mit einer ſeltnen Narde, trug.","norm":"Die brave Marthe tat, was sie vermochte, Sie rupfte, spickte, briet und sott und kochte, Sie schob dem Herrn die braunsten Kuchen zu, und: „Diesen“, sagte sie, „Herr, versuche Du!“ Maria nahte, die den schlanken Krug, gefüllt mit einer seltenen Narde, trug."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":833,"orig":"Sie neigt' das Knie, den Krug.","norm":"Sie neigte das Knie, den Krug."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":834,"orig":"Die Narde floß.","norm":"Die Narde floss."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":835,"orig":"Sie neigt' das Herz, das ſtrömend ſich ergoß.","norm":"Sie neigte das Herz, das strömend sich ergoss."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":836,"orig":"In der beſeelten Hand Mariens ruht' Der edle Fuß.","norm":"In der beseelten Hand Maries ruhte der edle Fuß."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":837,"orig":"Drauf quoll der Narde Flut.","norm":"Drauf quoll der Narde Flut."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":838,"orig":"Ihn abzutrocknen löſte ſie des Haars Geſchlungenen Knoten.","norm":"Ihn abzutrocknen löste sie des Haars geschlungenen Knoten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":839,"orig":"Blond und ſeiden war's.","norm":"Blond und seiden war es."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":840,"orig":"Ein ſpitz Geflüſter regte ſich am Tiſch, Wie der getretnen Viper ſcharf Geziſch: „Das duftet!","norm":"Ein spitz Geflüster regte sich am Tisch, wie der getretenen Viper scharf Gezisch: „Das duftet!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":841,"orig":"Tauſend oder mehr Denar Verduften mit!","norm":"Tausend oder mehr Denar Verduften mit!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":842,"orig":"Ich wollt' wir hätten's baar!","norm":"Ich wollte wir hätten es bar!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":843,"orig":"Bei Levi legten wir's auf Zins geſchwind Und draus erzögen wir ein Waiſenkind —“ „Still,“ ſagt' der Göttliche, „laß unentweiht, Judas!","norm":"Bei Levi legten wir es auf Zins geschwind und draus erzögen wir ein Waisenkind —“ „Still,“ sagte der Göttliche, „lass unentweiht, Judas!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":844,"orig":"Wer liebt, verſchwendet allezeit.","norm":"Wer liebt, verschwendet allezeit."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":845,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":846,"orig":"Der Meiſter malt ein kleines zartes Bild, Zurückgelehnt, beſchaut er's liebevoll.","norm":"Der Meister malt ein kleines zartes Bild, Zurückgelehnt, beschaut er es liebevoll."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":847,"orig":"Es pocht.","norm":"Es pocht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":848,"orig":"„Herein.","norm":"„Herein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":849,"orig":"“ Ein vlämiſcher Junker iſt's Mit einer drallen, aufgedonnerten Dirn, Der vor Geſundheit faſt die Wange birſt.","norm":"“ Ein flämischer Junker ist es mit einer drallen, aufgedonnerten Dirn, der vor Gesundheit fast die Wange birst."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":850,"orig":"Sie rauſcht von Seide, flimmert von Geſchmeid.","norm":"Sie rauscht von Seide, flimmert von Geschmeide."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":851,"orig":"„Wir haben's eilig, lieber Meiſter.","norm":"„Wir haben es eilig, lieber Meister."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":852,"orig":"Wißt, Ein wackrer Schelm ſtiehlt mir das Töchterlein.","norm":"Wisst, ein wackerer Schelm stiehlt mir das Töchterlein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":853,"orig":"Morgen iſt Hochzeit.","norm":"Morgen ist Hochzeit."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":854,"orig":"Malet mir mein Kind!“ „Zur Stunde, Herr!","norm":"Malet mir mein Kind!“ „Zur Stunde, Herr!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":855,"orig":"Nur noch den Pinſelſtrich!“ Sie treten luſtig vor die Staffelei:","norm":"Nur noch den Pinselstrich!“ Sie treten lustig vor die Staffelei:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":856,"orig":"Auf einem blanken Kiſſen ſchlummernd liegt Ein feiner Mädchenkopf.","norm":"Auf einem blanken Kissen schlummernd liegt ein feiner Mädchenkopf."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":857,"orig":"Der Meiſter ſetzt Des Blumenkranzes tiefſte Knospe noch Auf die verblichne Stirn mit leichter Hand.","norm":"Der Meister setzt des Blumenkranzes tiefste Knospe noch auf die verblichene Stirn mit leichter Hand."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":858,"orig":"— „Nach der Natur?“ — „Nach der Natur.","norm":"— „Nach der Natur?“ — „Nach der Natur."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":859,"orig":"Mein Kind.","norm":"Mein Kind."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":860,"orig":"Geſtern beerdigt.","norm":"Gestern beerdigt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":861,"orig":"Herr, ich bin zu Dienſt.","norm":"Herr, ich bin zu Dienst."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":862,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":863,"orig":"(Nach einer alten Skizze.","norm":"(Nach einer alten Skizze."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":864,"orig":")","norm":")"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":865,"orig":"Als der Herr mit mächt'ger Schwinge Durch die neue Schöpfung fuhr, Folgten in gedrängtem Ringe Geiſter ſeiner Flammenſpur.","norm":"Als der Herr mit mächtiger Schwinge durch die neue Schöpfung fuhr, folgten in gedrängtem Ringe Geister seiner Flammenspur."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":866,"orig":"Seine ſchönſten Engel wallten Ihm zu Häupten ſelig leis, Rieſenhafte Nachtgeſtalten Schloſſen unterhalb den Kreis.","norm":"Seine schönsten Engel wallten ihm zu Häupten selig leis, Riesenhafte Nachtgestalten schlossen unterhalb den Kreis."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":867,"orig":"„Eh' ich euern Reigen löſe,“ Sprach der Allgewalt'ge nun, Schwöret, Gute, ſchwöret, Böſe, Meinen Willen nur zu thun!“ Freudig jubelten die Lichten: „Dir zu dienen, ſind wir da!“ Die zerſtören, die vernichten, Die Dämonen knirſchten: „Ja.","norm":"„Ehe ich euren Reigen löse,“ Sprach der Allgewaltige nun, Schwöret, Gute, schwöret, Böse, Meinen Willen nur zu tun!“ Freudig jubelten die Lichten: „Dir zu dienen, sind wir da!“ Die zerstören, die vernichten, die Dämonen knirschten: „Ja."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":868,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":869,"orig":"Ich ſehe ſie auf Sacchi's ſüßem Bilde Beſchreiten ihrer todten Brüder Grüfte, Gegürtet mit dem Knotenſtrick die Hüfte, In weißen Kleidern, feſtlich, göttlich milde — Manch einer ſchleppte ſich mit Schwert und Schilde, Gepanzert ſauſt' zu Roß er durch die Lüfte, Bevor er ſuchte die verlornen Klüfte Und weltentſagend trat in dieſe Gilde.","norm":"Ich sehe sie auf Sacchis süßem Bilde Beschreiten ihrer toten Brüder Grüfte, Gegürtet mit dem Knotenstrick die Hüfte, in weißen Kleidern, festlich, göttlich milde — Manch einer schleppte sich mit Schwert und Schilde, gepanzert sauste zu Ross er durch die Lüfte, bevor er suchte die verlorenen Klüfte und weltentsagend trat in diese Gilde."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":870,"orig":"Sie alle wollen hier in öder Wildniß Vergeſſen ein verführeriſches Bildniß, Sie alle wollen hier ein Stündlein büßen, Um mit den Reinen rein ſich zu begrüßen, Sie alle wollen hier ein Stündlein beten, Bevor ſie vor den ſtrengen Richter treten.","norm":"Sie alle wollen hier in öder Wildnis Vergessen ein verführerisches Bildnis, Sie alle wollen hier ein Stündlein büßen, um mit den Reinen rein sich zu begrüßen, Sie alle wollen hier ein Stündlein beten, bevor sie vor den strengen Richter treten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":871,"orig":"Aufſteigt der Strahl und fallend gießt Er voll der Marmorſchaale Rund, Die, ſich verſchleiernd, überfließt In einer zweiten Schaale Grund;","norm":"Aufsteigt der Strahl und fallend gießt er voll der Marmorschale Rund, Die, sich verschleiernd, überfließt in einer zweiten Schale Grund;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":872,"orig":"Die zweite giebt, ſie wird zu reich, Der dritten wallend ihre Flut, Und jede nimmt und giebt zugleich Und ſtrömt und ruht.","norm":"Die zweite gibt, sie wird zu reich, der dritten wallend ihre Flut, und jede nimmt und gibt zugleich und strömt und ruht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":873,"orig":"Am Brunnen überfluthet im Dämmerlicht Der volle Krug und die Mägde merken's nicht, Denn Nina plaudert: „Freundinnen, wiſſt ihr wohl, Daß Eine ſitzt im Geſtein am Capitol?","norm":"Am Brunnen überflutet im Dämmerlicht der volle Krug und die Mägde merken es nicht, denn Nina plaudert: „Freundinnen, wisst ihr wohl, dass Eine sitzt im Gestein am Kapitol?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":874,"orig":"Mein Schatz, der Beppo, hat ſie unlängſt geſehn Vor ihrem runden Silberſpiegel ſtehn, Die ſich zu Haupt das güldene Krönlein hub — Mein Schatz, der Beppo, da er nach Münzen grub.","norm":"Mein Schatz, der Beppo, hat sie unlängst gesehen vor ihrem runden Silberspiegel stehen, die sich zu Haupt das güldene Krönlein hob — Mein Schatz, der Beppo, da er nach Münzen grub."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":875,"orig":"Er ſchlüpfte durch einen ſchmalen Felſengang, Er tappte ſich einen finſtern Pfad entlang — Sie glomm in Höllenlicht!","norm":"Er schlüpfte durch einen schmalen Felsengang, er tappte sich einen finstern Pfad entlang — Sie glomm in Höllenlicht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":876,"orig":"Er rief: „Wie ſchön!“ Die Treppe brach mit donnerndem Getön.","norm":"Er rief: „Wie schön!“ Die Treppe brach mit donnerndem Getön."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":877,"orig":"Sie war des römiſchen Caſtellanes Kind Und ſie verrieth die Burg und das Burggeſind!","norm":"Sie war des römischen Kastellans Kind und sie verriet die Burg und das Burggesinde!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":878,"orig":"Mit Fingerdeut bedang ſich die ſchlaue Maid Des Feindes Helmgekrön und Schildgeſchmeid!","norm":"Mit Fingerdeut bedang sich die schlaue Maid des Feindes Helmgekröne und Schildgeschmeide!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":879,"orig":"Die Krönlein all und die Stein' und die goldnen Ring' Beäugelt' ſie, die in Feindes Lager ging!","norm":"Die Krönlein all und die Steine und die goldenen Ringe Beäugelte sie, die in Feindes Lager ging!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":880,"orig":"Sie öffnet' ihm ein Thor mit ſünd'gem Mut Und ſah des Vaters Haupt, es ſchwamm in Blut.","norm":"Sie öffnete ihm ein Tor mit sündigem Mut und sah des Vaters Haupt, es schwamm in Blut."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":881,"orig":"Doch da am Feinde ſie die Löhnung ſucht', Ward ſie mit Hohn erdrückt und mit Schildeswucht, Sie ſtürzte, von ihrem eigenen Hort entſeelt, Erſtickt vom Lohne den ſie ſelbſt gewählt.","norm":"Doch da am Feinde sie die Löhnung suchte, wurde sie mit Hohn erdrückt und mit Schildeswucht, Sie stürzte, von ihrem eigenen Hort entseelt, erstickt vom Lohne den sie selbst gewählt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":882,"orig":"Dann grub die Zeit ſie tief und tiefer ein, Sie ſank hinunter, hinab ins Felsgeſtein, Hinab, hinunter viel hundert Klafter tief Mit ihrem gleißenden Hort, darin ſie ſchlief.","norm":"Dann grub die Zeit sie tief und tiefer ein, Sie sank hinunter, hinab ins Felsgestein, Hinab, hinunter viel hundert Klafter tief mit ihrem gleißenden Hort, darin sie schlief."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":883,"orig":"Da ſitzt die arme Seele nun in Pein Und putzt, die eitle, ſich mutterſeelallein — Tarpeja, gieb heraus der Kettlein drei!","norm":"Da sitzt die arme Seele nun in Pein und putzt, die eitle, sich mutterseelenallein — Tarpeja, gib heraus der Kettlein drei!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":884,"orig":"Wir tragen's den Knaben zu Luſt in Lüften frei!","norm":"Wir tragen es den Knaben zu Lust in Lüften frei!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":885,"orig":"Tarpeja, gleite durch den Felſenſpalt Drei Kettlein und drei goldene Ringlein bald!","norm":"Tarpeja, gleite durch den Felsenspalt Drei Kettlein und drei goldene Ringlein bald!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":886,"orig":"Tarpeja lieb!","norm":"Tarpeja lieb!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":887,"orig":"Wir ſind zufrieden, giebſt Du nur, was du verächtlich bei Seite ſchiebſt.","norm":"Wir sind zufrieden, gibst Du nur, was du verächtlich beiseite schiebst."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":888,"orig":"Der Beppo ſagt: weil du begingſt Verrat, Biſt du verdammt für deine Miſſethat!","norm":"Der Beppo sagt: Weil du begingst Verrat, bist du verdammt für deine Missetat!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":889,"orig":"Behüt' mich Gott!","norm":"Behüte mich Gott!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":890,"orig":"In Ewigkeit verdammt!","norm":"In Ewigkeit verdammt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":891,"orig":"Weil dir nach rothem Gold das Herz geflammt.","norm":"Weil dir nach rotem Gold das Herz geflammt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":892,"orig":"Man hört es oft — ſo ſagt er — wie du lachſt Wann du dich ſchön vor deinem Spiegel machſt!","norm":"Man hört es oft — so sagt er — wie du lachst wann du dich schön vor deinem Spiegel machst!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":893,"orig":"Man hört es oft — ſo ſagt er — wie du weinſt, Weil nicht du kommſt in den ſchönen Himmel einſt!","norm":"Man hört es oft — so sagt er — wie du weinst, weil nicht du kommst in den schönen Himmel einst!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":894,"orig":"Tarpeja lieb, entſage der böſen Luſt!","norm":"Tarpeja lieb, entsage der bösen Lust!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":895,"orig":"Tarpeja, gieb die Kettlein um Hals und Bruſt!","norm":"Tarpeja, gib die Kettlein um Hals und Brust!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":896,"orig":"Wir beten, Arge, für dich den Roſenkranz, Du ſteigſt empor, empor in den Himmelsglanz!“","norm":"Wir beten, Arge, für dich den Rosenkranz, Du steigst empor, empor in den Himmelsglanz!“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":897,"orig":"Wo von alter Schönheit Trümmern Marmorhell die Säle ſchimmern, Windet blaß und lieblich eine Pſyche ſich im Marmelſteine.","norm":"Wo von alter Schönheit Trümmern Marmorhell die Säle schimmern, windet blass und lieblich eine Psyche sich im Marmorsteine."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":898,"orig":"Unſichtbarem Geißelhiebe Beugt ſie ſich in Qual und Liebe, Auf den zarten Knieen liegend, Enge ſich zuſammenſchmiegend.","norm":"Unsichtbarem Geißelhiebe beugt sie sich in Qual und Liebe, auf den zarten Knieen liegend, Enge sich zusammenschmiegend."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":899,"orig":"Flehend halb und halb geduldig Trägt ſie Schmach und weiß ſich ſchuldig, Ihre Schmerzensblicke fragen:","norm":"Flehend halb und halb geduldig trägt sie Schmach und weiß sich schuldig, Ihre Schmerzensblicke fragen:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":900,"orig":"Liebſt du mich?","norm":"Liebst du mich?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":901,"orig":"und kannſt mich ſchlagen?","norm":"und kannst mich schlagen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":902,"orig":"Soll dich der Olymp begrüßen, Arme Pſyche, mußt du büßen!","norm":"Soll dich der Olymp begrüßen, Arme Psyche, musst du büßen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":903,"orig":"Eros, der dich ſucht und peinigt, Will dich ſelig und gereinigt.","norm":"Eros, der dich sucht und peinigt, will dich selig und gereinigt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":904,"orig":"Im Vatican vor dem vergilbten Marmorſarg, Dem ringsum bildgeſchmückten, träumt' ich heute lang, Betrachtend ſeines feinen Zierats üpp'gen Kranz:","norm":"Im Vatikan vor dem vergilbten Marmorsarg, dem ringsum bildgeschmückten, träumte ich heute lang, betrachtend seines feinen Zierrats üppigen Kranz:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":905,"orig":"Thetis entführt den Sohn, den Rufer in der Schlacht, Den Renner, dem die Knie' erſchlafften, welchem ſchwer Die Lider ſanken — von Delphinen rings umtanzt — Im Muſchelwagen durch des Meers erregte Fluth.","norm":"Thetis entführt den Sohn, den Rufer in der Schlacht, den Renner, dem die Knie erschlafften, welchem schwer die Lider sanken — von Delphinen rings umtanzt — im Muschelwagen durch des Meers erregte Flut."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":906,"orig":"Tritonen, bis zum Schuppengurt umbrandete, Bärt'ge Geſellen, ſchilfbekränztes, ſtumpfes Volk, Geberden ſich als Pferdelenker.","norm":"Tritonen, bis zum Schuppengurt umbrandete, bärtige Gesellen, schilfbekränztes, stumpfes Volk, Gebärden sich als Pferdelenker."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":907,"orig":"Es bedarf Der muth'gen Roſſe Paar, das, Haupt an kühnem Haupt, Die weite Fluth durchrudert mit dem Schlag des Hufs, Des Zügels nicht!","norm":"Es bedarf der mutigen Rosse Paar, das, Haupt an kühnem Haupt, die weite Flut durchrudert mit dem Schlag des Hufs, des Zügels nicht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":908,"orig":"In des Peliden Waffen hat Sich ſchäkernd ein leichtſinniges Geſind getheilt:","norm":"In des Peliden Waffen hat sich schäkernd ein leichtsinniges Gesinde geteilt:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":909,"orig":"Die Nereiden.","norm":"Die Nereiden."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":910,"orig":"Eine hebt das Schwert und zieht's Und lacht und haut und ſticht und wundet Licht und Luft.","norm":"Eine hebt das Schwert und zieht es Und lacht und haut und sticht und wundet Licht und Luft."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":911,"orig":"Ein ſchlankes Mädchen zielt mit rückgebognem Arm, In ſchwach geballter Fauſt den unbeſiegten Speer, Der auf und nieder, wie der Wage Balken, ſchwankt.","norm":"Ein schlankes Mädchen zielt mit rückgebogenem Arm, in schwachgeballter Faust den unbesiegten Speer, der auf und nieder, wie der Waage Balken, schwankt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":912,"orig":"Die dritte ſchiebt der blanken Schulter feinen Bug Dem Erzſchild unter, ganz als zöge ſie zu Feld, Dann deckt damit den ſanften Buſen gaukelnd ſie, Als ſchirmt' das Eiſen eines Kriegers tapf're Bruſt.","norm":"Die dritte schiebt der blanken Schulter feinen Bug dem Erzschild unter, ganz als zöge sie zu Feld, dann deckt damit den sanften Busen gaukelnd sie, als schirmte das Eisen eines Kriegers tapfere Brust."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":913,"orig":"Die vierte — Held, du zürnteſt, ſchlummerteſt du nicht!","norm":"Die vierte — Held, du zürntest, schlummertest du nicht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":914,"orig":"— Setzt jubelnd ſich den Helm, den wildumflatterten, Auf das gedankenloſe Haupt und nickt damit.","norm":"— Setzt jubelnd sich den Helm, den wildumflatterten, auf das gedankenlose Haupt und nickt damit."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":915,"orig":"Scherzt, Kinder!","norm":"Scherzt, Kinder!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":916,"orig":"Nur mit dir ein Wort, Vollendeter!","norm":"Nur mit dir ein Wort, Vollendeter!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":917,"orig":"(Denn mit der Mutter, die dein ſchlummerſchweres Haupt Im Schooß gebettet hält, der dir das Leben gab, Der ſchmerzverſunknen Mutter, plaudert es ſich nicht.","norm":"(Denn mit der Mutter, die dein schlummerschweres Haupt im Schoß gebettet hält, der dir das Leben gab, der schmerzversunkenen Mutter, plaudert es sich nicht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":918,"orig":") Pelide, ſprich!","norm":") Pelide, sprich!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":919,"orig":"Was iſt der Tod?","norm":"Was ist der Tod?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":920,"orig":"Wohin die Fahrt?","norm":"Wohin die Fahrt?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":921,"orig":"Wozu die Waffen?","norm":"Wozu die Waffen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":922,"orig":"Zu erneutem Lauf und Kampf?","norm":"Zu erneutem Lauf und Kampf?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":923,"orig":"Zu deines Grabes Schmuck und düſtern Ehren nur?","norm":"Zu deines Grabes Schmuck und düstern Ehren nur?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":924,"orig":"Was blitzt auf deinem Schwerte?","norm":"Was blitzt auf deinem Schwerte?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":925,"orig":"Deine letzte That, Verglimmend, wie der Abend eines heißen Schlachtentags?","norm":"Deine letzte Tat, Verglimmend, wie der Abend eines heißen Schlachtentags?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":926,"orig":"Die Morgenſonnen eines neuen Kampfgefilds?","norm":"Die Morgensonnen eines neuen Kampfgefildes?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":927,"orig":"Bedarfſt du deines Schwertes noch, du Schlummernder?","norm":"Bedarfst du deines Schwertes noch, du Schlummernder?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":928,"orig":"Wohin der Lauf?","norm":"Wohin der Lauf?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":929,"orig":"Zum Hades?","norm":"Zum Hades?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":930,"orig":"Nein, es lügt Homer.","norm":"Nein, es lügt Homer."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":931,"orig":"Den Odem neiden einem kleinen Ackerknecht Sieht nicht dir ähnlich, Heros!","norm":"Den Odem neiden einem kleinen Ackerknecht sieht nicht dir ähnlich, Heros!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":932,"orig":"Eher fährſt Du einer Geiſterinſel bleichem Frieden zu Und trägſt den Myrtenkranz, beſeligt und geſtillt, Mit den Geweihten!","norm":"Eher fährst Du einer Geisterinsel bleichem Frieden zu Und trägst den Myrtenkranz, beseligt und gestillt, mit den Geweihten!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":933,"orig":"Doch auch ſolches ziemt dir nicht!","norm":"Doch auch solches ziemt dir nicht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":934,"orig":"Was einzig dir geziemt, iſt Kampf und Kampfespreis — Pelide!","norm":"Was einzig dir geziemt, ist Kampf und Kampfespreis — Pelide!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":935,"orig":"ein Erwachen ſchwebt vor deinem Boot Und ſchimmert unter deinem mächt'gen Augenlid!","norm":"ein Erwachen schwebt vor deinem Boot und schimmert unter deinem mächtigen Augenlid!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":936,"orig":"Du lebſt, Achill?","norm":"Du lebst, Achill?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":937,"orig":"Gieb Antwort!","norm":"Gib Antwort!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":938,"orig":"Wohin wanderſt du?","norm":"Wohin wanderst du?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":939,"orig":"Er ſchweigt!","norm":"Er schweigt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":940,"orig":"Er ſchweigt.","norm":"Er schweigt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":941,"orig":"Der Wagen rollt.","norm":"Der Wagen rollt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":942,"orig":"Ein Triton bläſt Sein Muſchelhorn, daß leis und dumpf der Marmor ſchallt.","norm":"Ein Triton bläst Sein Muschelhorn, dass leis und dumpf der Marmor schallt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":943,"orig":"Jüngſt trug ein Traum auf dunkler Schwinge mich Nach Rom der ew'gen Stadt.","norm":"Jüngst trug ein Traum auf dunkler Schwinge mich Nach Rom der Ewigen Stadt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":944,"orig":"Den Vatican Betrat ich.","norm":"Den Vatikan betrat ich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":945,"orig":"Ich betrat den Muſenſaal Verwundert, denn er war ein andrer heut, Als ich geſchaut mit jungen Augen ihn, Da Pio Nono höchſter Prieſter war.","norm":"Ich betrat den Musensaal verwundert, denn er war ein anderer heute, als ich geschaut mit jungen Augen ihn, da Pio Nono höchster Priester war."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":946,"orig":"Verſchwunden aus dem edeln Octogon, Dem kuppelhellen, war der Muſaget, Apollo, der die Cither zierlich ſchlug, Voranzugehn dem Chor tanzmeiſterlich.","norm":"Verschwunden aus dem edlen Oktogon, dem kuppelhellen, war der Musaget, Apollo, der die Zither zierlich schlug, Voranzugehn dem Chor tanzmeisterlich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":947,"orig":"Die Neune ſaßen oder ſtanden nicht Umher vertheilt in ſchönen Stellungen — In wilder Gruppe ſchritten eilig ſie, Wie Schnitterinnen, die auf blachem Feld Ein leuchtendes Gewitter überraſcht:","norm":"Die Neun saßen oder standen nicht Umher verteilt in schönen Stellungen — in wilder Gruppe schritten eilig sie, wie Schnitterinnen, die auf blachem Feld ein leuchtendes Gewitter überrascht:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":948,"orig":"Voran die blutige Melpomene, Die an den Söhnen rächt der Vater Schuld.","norm":"Voran die blutige Melpomene, die an den Söhnen rächt der Väter Schuld."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":949,"orig":"Sie trägt das Schwert und auch den Kranz von Wein.","norm":"Sie trägt das Schwert und auch den Kranz von Wein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":950,"orig":"„Ein Reich“, ſo jubelt ſie, „zerſtör' ich jetzt!","norm":"„Ein Reich“, so jubelt sie, „zerstöre ich jetzt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":951,"orig":"...“ So jauchzt die blutige Melpomene — Wer ſchreitet, ſchlicht gewandet, neben ihr?","norm":"...“ So jauchzt die blutige Melpomene — wer schreitet, schlicht gewandet, neben ihr?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":952,"orig":"Kalliope, die keuſch und kindlich blickt, Die den erblindeten Homer geführt, Die tapfre Helden liebt und Schildgetos Und Roſſgeſtampf und dann abſeits der Schlacht In jugendzartem Buſen Looſe wägt — Mit beiden Armen in die Ferne grüßt Sie jetzt: „Behelmte!","norm":"Kalliope, die keusch und kindlich blickt, die den erblindeten Homer geführt, die tapfere Helden liebt und Schildgetose und Rossgestampf und dann abseits der Schlacht in jugendzartem Busen Lose wägt — mit beiden Armen in die Ferne grüßt Sie jetzt: „Behelmte!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":953,"orig":"Die Völker richteſt und beherrſcheſt du, Gerechte Herrin, beilgewalt'ge Frau!“ Weithallend redet jetzt ein mächtig Paar, Terpſichore und Polyhymnia: „Der Tag iſt fern und er erfüllt ſich doch:","norm":"Die Völker richtest und beherrschst du, gerechte Herrin, beilgewaltige Frau!“ Weithallend redet jetzt ein mächtig Paar, Terpsichore und Polyhymnia: „Der Tag ist fern und er erfüllt sich doch:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":954,"orig":"Die Völker ſchreiten einen Reigen einſt, Sich an den Händen haltend, frei geſellt, Vieltauſendſtimmig dröhnt der Chorgeſang!“ — „Dann weicht das Leid!","norm":"Die Völker schreiten einen Reigen einst, sich an den Händen haltend, freigesellt, Vieltausendstimmig dröhnt der Chorgesang!“ — „Dann weicht das Leid!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":955,"orig":"Nicht alles, aber doch Das meiſte Leid!“ Euterpe flötet es, Das liebliche Geſchöpf, die Schmeichlerin!","norm":"Nicht alles, aber doch das meiste Leid!“ Euterpe flötet es, das liebliche Geschöpf, die Schmeichlerin!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":956,"orig":"— „Dann füllt“, Erato lacht's mit blüh'ndem Mund, Die ſchöne Schelmin, die das Liebeslied, Das Zechlied für allein unſterblich hält, „Dann füllt ein Jeder ſeine Schaale ſich Mit duft'gem Wein und ſchlürft und Keiner darbt“ — „Thörinnen!“ gellt ein ſcharfgeſchnittner Mund, Verſpotte ſie, mein Ariſtophanes!","norm":"— „Dann füllt“, Erato lacht es mit blühendem Mund, die schöne Schelmin, die das Liebeslied, das Zechlied für allein unsterblich hält, „Dann füllt ein Jeder seine Schale sich Mit duftigem Wein und schlürft und keiner darbt“ — „Törinnen!“ gellt ein scharfgeschnittener Mund, Verspotte sie, mein Aristophanes!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":957,"orig":"...","norm":"..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":958,"orig":"Doch eure Kampfgeſellin bin ich auch!","norm":"Doch eure Kampfgesellin bin ich auch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":959,"orig":"Im Angeſicht den hippokrat'ſchen Zug Zeig' ich der ſelbſtgefäll'gen Gegenwart Mit meinem Spiegel, der getreu verzerrt, Die Prahlerei der Zeit zerreißt mein Hohn In trunkner Luſt, wie die Bacchante jach Ein Zicklein oder Reh in Stücke reißt.","norm":"Im Angesicht den hippokratischen Zug Zeige ich der selbstgefälligen Gegenwart mit meinem Spiegel, der getreu verzerrt, die Prahlerei der Zeit zerreißt mein Hohn in trunkener Lust, wie die Bacchante jach ein Zicklein oder Reh in Stücke reißt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":960,"orig":"Mordluſt'ger bin ich noch und tragiſcher Als du, mein Schweſterchen Melpomene, Denn du erhelleſt unter Zähren dich, Doch mein Gelächter, Thränen ſchluchzen drin!“ Thalia rief's und unterm Epheukranz Verlarvte mit der Satyrmaske ſie Die wehmuthvoll ergriffnen Züge ſich Und hob mit nerv'gem Arm das Tympanum.","norm":"Mordlustiger bin ich noch und tragischer als du, mein Schwesterchen Melpomene, denn du erhellest unter Zähren dich, doch mein Gelächter, Tränen schluchzen drin!“ Thalia rief es und unterm Efeukranz Verlarvte mit der Satyrmaske sie Die wehmutsvoll ergriffenen Züge sich Und hob mit nervigem Arm das Tympanum."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":961,"orig":"Die letzte wandelt noch Urania, Die Gläubige mit dem gehobnen Blick (Die andern heißen ſie die Schwärmerin), Doch trennt ſie ſich von den Geſchwiſtern nicht.","norm":"Die letzte wandelt noch Urania, die Gläubige mit dem gehobenen Blick (Die anderen heißen sie die Schwärmerin), doch trennt sie sich von den Geschwistern nicht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":962,"orig":"Sie ſieht den Sturm der Erdendinge ruhn In friedevollen Händen immerdar — Aufflattert das Gewand!","norm":"Sie sieht den Sturm der Erdendinge ruhen in friedevollen Händen immerdar — aufflattert das Gewand!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":963,"orig":"Die Locken wehn!","norm":"Die Locken wehn!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":964,"orig":"Die Kuppel bricht!","norm":"Die Kuppel bricht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":965,"orig":"In leuchtend tiefem Blau Entfeſſelt ſchwebt der Muſenchor einher.","norm":"In leuchtend tiefem Blau entfesselt schwebt der Musenchor einher."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":966,"orig":"Sie kommen mit dröhnenden Schritten entlang Den von Raphael's Fresken verherrlichten Gang In der puffigen alten geſchichtlichen Tracht, Als riefe das Horn ſie zur Murtener Schlacht: „Herr Heiliger Vater, der Gläubigen Hort, So kann es nicht gehn und ſo geht es nicht fort!","norm":"Sie kommen mit dröhnenden Schritten entlang den von Raffaels Fresken verherrlichten Gang in der puffigen alten geschichtlichen Tracht, als riefe das Horn sie zur Murtener Schlacht: „Herr Heiliger Vater, der Gläubigen Hort, so kann es nicht gehen und so geht es nicht fort!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":967,"orig":"Du ſparſt an den Kohlen, Du knickerſt am Licht — An Deinen Helvetiern knauſre Du nicht!","norm":"Du sparst an den Kohlen, Du knickerst am Licht — an Deinen Helvetiern knausre Du nicht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":968,"orig":"Wann den Himmel ein Heiliger Vater gewann, Ergiebt es elf Thaler für jeglichen Mann!","norm":"Wann den Himmel ein Heiliger Vater gewann, ergibt es elf Taler für jeglichen Mann!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":969,"orig":"So galt's und ſo gilt's von Geſchlecht zu Geſchlecht, Wir pochen auf unſer hiſtoriſches Recht!","norm":"So galt es und so gilt es von Geschlecht zu Geschlecht, wir pochen auf unser historisches Recht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":970,"orig":"Herr Heiliger Vater, Du weißt wer wir ſind!","norm":"Herr Heiliger Vater, Du weißt wer wir sind!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":971,"orig":"Beſcheidene Leute von Ahne zu Kind!","norm":"Bescheidene Leute von Ahne zu Kind!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":972,"orig":"Doch werden wir an den Moneten gekürzt, Wir kommen wie brüllende Löwen geſtürzt!","norm":"Doch werden wir an den Moneten gekürzt, wir kommen wie brüllende Löwen gestürzt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":973,"orig":"Herr Heiliger Vater, die Thaler heraus!","norm":"Herr Heiliger Vater, die Taler heraus!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":974,"orig":"Sonſt räumen wir Kiſten und Kaſten im Haus — Potz Donner und Hagel und hölliſcher Pfuhl!","norm":"Sonst räumen wir Kisten und Kasten im Haus — Potz Donner und Hagel und höllischer Pfuhl!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":975,"orig":"Wir verſteigern Dir den apoſtoliſchen Stuhl!“ Der Heilige Vater bekreuzt ſich entſetzt Und zaudert und langt in die Taſche zuletzt — Da werden die Löwen zu Lämmern im Nu: „Herr Heiliger Vater, jetzt ſegne uns Du!“","norm":"Wir versteigern Dir den apostolischen Stuhl!“ Der Heilige Vater bekreuzt sich entsetzt Und zaudert und langt in die Tasche zuletzt — da werden die Löwen zu Lämmern im Nu: „Herr Heiliger Vater, jetzt segne uns Du!“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":976,"orig":"Oelbaumſilber, Myrte, Lorbeer, Pinie, Bald im Schnee der Heimath denk' ich euer — Sanfte Buchten, blaue Meereslinie, Auf dem Abend dunkelnd Burggemäuer!","norm":"Ölbaumsilber, Myrte, Lorbeer, Pinie, bald im Schnee der Heimat denke ich euer — sanfte Buchten, blaue Meereslinie, auf dem Abend dunkelnd Burggemäuer!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":977,"orig":"Aus der Schlucht erſtrahlend Hirtenfeuer!","norm":"Aus der Schlucht erstrahlend Hirtenfeuer!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":978,"orig":"Lebet, Corſen, wohl, mir lieb geworden!","norm":"Lebt, Korsen, wohl, mir lieb geworden!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":979,"orig":"Vor den Kirchen lüpft ihr leicht die Hüte!","norm":"Vor den Kirchen lüpft ihr leicht die Hüte!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":980,"orig":"Gerne knallt ihr und ein bischen Morden Steckt ſeit alter Zeit euch im Geblüte — Daß die heil'ge Jungfrau euch behüte!","norm":"Gerne knallt ihr und ein bisschen Morden steckt seit alter Zeit euch im Geblüt — dass die heilige Jungfrau euch behüte!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":981,"orig":"Klimmend am Geſtein des Inſellandes Lebet wohl, ihr hitz'gen, kleinen Pferde!","norm":"Klimmend am Gestein des Insellandes lebt wohl, ihr hitzigen, kleinen Pferde!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":982,"orig":"Wallend um die Krümmungen des Strandes, Lebet, Schafe, wohl!","norm":"Wallend um die Krümmungen des Strandes, Lebt, Schafe, wohl!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":983,"orig":"Gedrängte Heerde Mit den weichſten Vließen auf der Erde!","norm":"Gedrängte Herde mit den weichsten Vliesen auf der Erde!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":984,"orig":"Lebet wohl, ihr grellen Hirtenflöten, Um die Gunſt der jungen Corſin werbend!","norm":"Lebt wohl, ihr grellen Hirtenflöten, um die Gunst der jungen Corsin werbend!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":985,"orig":"Lebet wohl, ihr warmen Abendröten, In den weiten Himmeln ſelig ſterbend, Erſt die Wolken, dann die Fluten färbend!","norm":"Lebt wohl, ihr warmen Abendröten, in den weiten Himmeln selig sterbend, erst die Wolken, dann die Fluten färbend!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":986,"orig":"Märchen, aus dem Tageſlicht verſchollen, An Ajaccio's nächt'ger Hafenſtiege Lebe wohl im dumpfen Wogenrollen!","norm":"Märchen, aus dem Tageslicht verschollen, an Ajaccios nächtiger Hafenstiege Lebe wohl im dumpfen Wogenrollen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":987,"orig":"Ehernes Gedröhn der hundert Siege Um des todten Welterob'rers Wiege!","norm":"Ehernes Gedröhn der hundert Siege um des toten Welteroberers Wiege!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":988,"orig":"Schwer entſagt das Aug der offnen Ferne, Schwer das Ohr dem Meereswellenſchlage — Unter kält're Sonnen, blaſſ're Sterne Folget mir, ihr Inſelwandertage, Und umklingt mich dort, wie eine Sage ...","norm":"Schwer entsagt das Auge der offenen Ferne, schwer das Ohr dem Meereswellenschlage — Unter kältere Sonnen, blassere Sterne Folget mir, ihr Inselwandertage, und umklingt mich dort, wie eine Sage ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":989,"orig":"Er nickt mit ſeinem großen Haupt Am Feuer eines fremden Herds:","norm":"Er nickt mit seinem großen Haupt am Feuer eines fremden Herds:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":990,"orig":"Im Traum erblickt er einen Geiſt, Der ſeines Purpurs Spange löſt.","norm":"Im Traum erblickt er einen Geist, der seines Purpurs Spange löst."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":991,"orig":"Der Dämon ſchreit mit wilder Gier: „Mich lüſtet nach dem rothen Kleid!","norm":"Der Dämon schreit mit wilder Gier: „Mich lüstet nach dem roten Kleid!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":992,"orig":"In ungezählter Menſchen Blut Getaucht, verfärbt der Purpur nicht!“ Die Beiden rangen Leib an Leib.","norm":"In ungezählter Menschen Blut getaucht, verfärbt der Purpur nicht!“ Die Beiden rangen Leib an Leib."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":993,"orig":"„Gieb her!“ „Gieb her!“ Der Dämon fleucht Mit ſpitzen Flügeln durch die Nacht Und ſchleift den Purpur hinter ſich.","norm":"„Gib her!“ „Gib her!“ Der Dämon fleucht mit spitzen Flügeln durch die Nacht und schleift den Purpur hinter sich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":994,"orig":"Und wo der Purpur flatternd fliegt, Sprühn Funken, lodern Flammen auf!","norm":"Und wo der Purpur flatternd fliegt, Sprühen Funken, lodern Flammen auf!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":995,"orig":"Der Corſe fährt aus ſeinem Traum Und ſtarrt in Moskau's weiten Brand.","norm":"Der Corse fährt aus seinem Traum und starrt in Moskaus weiten Brand."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":996,"orig":"Als das Mütterlein erkrankt, Zog es ächzend aus die Schuh, Iſt dem Bettlein zugewankt, Bettet' ſich zur ew'gen Ruh, Seine Haare, weiß wie Flachs, Seine Füße, gelb wie Wachs — Statt wie Mütterlein zu thun, Sterb' ich ſtracks in meinen Schuhn!","norm":"Als das Mütterlein erkrankt, zog es ächzend aus die Schuhe, ist dem Bettlein zugewankt, bettete sich zur ewigen Ruhe, Seine Haare, weiß wie Flachs, Seine Füße, gelb wie Wachs — statt wie Mütterlein zu tun, sterbe ich stracks in meinen Schuhen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":997,"orig":"Heute war ich in der Stadt Mit dem letzten Silberling, Schaute, was der Krämer hat, Kramte weder Kreuz noch Ring, Kaufte Mehl von Weizenkorn Und ein volles Pulverhorn — Zu dem Liebſten lauf' ich nun, Sterbe ſtracks in meinen Schuhn!","norm":"Heute war ich in der Stadt mit dem letzten Silberling, Schaute, was der Krämer hat, kramte weder Kreuz noch Ring, kaufte Mehl von Weizenkorn und ein volles Pulverhorn — zu dem Liebsten laufe ich nun, sterbe stracks in meinen Schuhen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":998,"orig":"Ritten juſt die Blauen aus, Tranken beim Battiſta Wein, Luden ſcharf am Zollerhaus, Sprengten ins Gebirg hinein.","norm":"Ritten just die Blauen aus, tranken beim Battista Wein, Luden scharf am Zollerhaus, sprengten ins Gebirge hinein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":999,"orig":"Psss ...","norm":"Psss ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1000,"orig":"Die erſte Kugel pfeift — Nächtens bei dem Liebſten ruhn Werd' ich ſtracks in meinen Schuhn!","norm":"Die erste Kugel pfeift — Nächtens bei dem Liebsten ruhen Werde ich stracks in meinen Schuhen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1001,"orig":"Wolken, meine Kinder, wandern gehen Wollt ihr?","norm":"Wolken, meine Kinder, wandern gehen Wollt ihr?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1002,"orig":"Fahret wohl!","norm":"Fahret wohl!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1003,"orig":"Auf Wiederſehen!","norm":"Auf Wiedersehen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1004,"orig":"Eure wandelluſtigen Geſtalten Kann ich nicht in Mutterbanden halten.","norm":"Eure wandellustigen Gestalten kann ich nicht in Mutterbanden halten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1005,"orig":"Von der Erde ſeid ihr angezogen:","norm":"Von der Erde seid ihr angezogen:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1006,"orig":"Dort der Stern iſt eines Leuchtthurms Feuer!","norm":"Dort der Stern ist eines Leuchtturms Feuer!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1007,"orig":"Suchet Abenteuer!","norm":"Sucht Abenteuer!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1008,"orig":"Segelt, kühne Schiffer, in den Lüften!","norm":"Segelt, kühne Schiffer, in den Lüften!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1009,"orig":"Liefert Schlachten!","norm":"Liefert Schlachten!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1010,"orig":"Traget glüh'nden Kampfes Purpurtrachten!","norm":"Traget glühenden Kampfes Purpurtrachten!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1011,"orig":"Rauſcht im Regen!","norm":"Rauscht im Regen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1012,"orig":"Murmelt in den Quellen!","norm":"Murmelt in den Quellen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1013,"orig":"Füllt die Brunnen!","norm":"Füllt die Brunnen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1014,"orig":"Rieſelt in die Wellen!","norm":"Rieselt in die Wellen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1015,"orig":"Brauſt in Strömen durch die Lande nieder — Kommet, meine Kinder, kommet wieder!","norm":"Braust in Strömen durch die Lande nieder — kommet, meine Kinder, kommet wieder!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1016,"orig":"Bollwerk und Mauer trutzen Dem Wellenwurf ſchon ein Jahrtauſend ja, Wir ſingen, elf Capuzen, Ein kräftig ſchallend Deo gloria!","norm":"Bollwerk und Mauer trutzen dem Wellenwurf schon ein Jahrtausend ja, wir singen, elf Kapuzen, ein kräftig schallend Deo Gloria!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1017,"orig":"Die Kutten, ſtark gewoben, Umhingen uns in braunen Lappen lang, Sie ſind gemach verſtoben, Die Stäubchen irrten durch den Kloſtergang.","norm":"Die Kutten, stark gewoben, Umhingen uns in braunen Lappen lang, Sie sind gemach verstoben, die Stäubchen irrten durch den Klostergang."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1018,"orig":"Die Orgel im Empore Spielt unſer zwölftes todtes Brüderlein, Hier rieſelt uns im Chore Der morſche Kalk ſanft ins Geripp herein.","norm":"Die Orgel im Empore spielt unser zwölftes totes Brüderlein, hier rieselt uns im Chore der morsche Kalk sanft ins Gerippe herein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1019,"orig":"Es glitt vor tauſend Jahren Dem Strand ein Sarazenenſegel nah, Sobald's vorbeigefahren, Anſtimmten wir ein kräftig Gloria.","norm":"Es glitt vor tausend Jahren dem Strand ein Sarazenensegel nah, sobald es vorbeigefahren, anstimmten wir ein kräftig Gloria."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1020,"orig":"Ergötzt von unſerm Singen, Nahm der Pirat zu uns zurück den Lauf, Zwölf Köpfe ließ er ſpringen, Das Blut ſchoß wie aus Brunnenröhren auf.","norm":"Ergötzt von unserem Singen, Nahm der Pirat zu uns zurück den Lauf, Zwölf Köpfe ließ er springen, das Blut schoss wie aus Brunnenröhren auf."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1021,"orig":"Wir ſingen ohne Kehlen, Wir ſitzen fröhlich ohne Schädel da, Wir ſingen mit den Seelen Ein kräftig ſchallend Deo gloria!","norm":"Wir singen ohne Kehlen, wir sitzen fröhlich ohne Schädel da, wir singen mit den Seelen ein kräftig schallend Deo Gloria!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1022,"orig":"Der Morgenſtrahl, der ſchiefe, Durchs rechte Fenſter äugelt er herein, Vergoldend in der Tiefe Ein luſtiglich pſallierend Todtenbein.","norm":"Der Morgenstrahl, der schiefe, durchs rechte Fenster äugelt er herein, vergoldend in der Tiefe ein lustig psallierend Totenbein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1023,"orig":"Der Abendſtrahl, der ſchräge, Durchs linke Fenſter blinzelt er herein, Und zählt, ob allerwege Wir richtig unſer elf Geſpenſter ſei'n.","norm":"Der Abendstrahl, der schräge, durchs linke Fenster blinzelt er herein, und zählt, ob allerwege wir richtig unser elf Gespenster seien."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1024,"orig":"Oft übertäubt das Dröhnen Des Meers die Noten unſrer Litanei, Aus unſern Orgeltönen Erhebt ſich oft ein ſchriller Möwenſchrei — Bollwerk und Mauer trutzen Dem Wellenwurf noch tauſend Jahre ja, Wir ſingen, elf Capuzen, Ein kräftig ſchallend Deo gloria!","norm":"Oft übertäubt das Dröhnen des Meers die Noten unserer Litanei, aus unseren Orgeltönen erhebt sich oft ein schriller Möwenschrei — Bollwerk und Mauer trutzen dem Wellenwurf noch tausend Jahre ja, wir singen, elf Kapuzen, ein kräftig schallend Deo Gloria!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1025,"orig":"Ein halbes Jährchen hab' ich nun geſchwommen Und noch behagt mir dieſes kühle Gleiten, Der Arme läſſig Auseinanderbreiten — Die Faſtenſpeiſe mag der Seele frommen!","norm":"Ein halbes Jährchen habe ich nun geschwommen Und noch behagt mir dieses kühle Gleiten, der Arme lässig Auseinanderbreiten — die Fastenspeise mag der Seele frommen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1026,"orig":"Halb ſchlummernd lieg' ich ſtundenlang, umglommen Von Wetterleuchten, bis auf allen Seiten Sich Wogen thürmen.","norm":"Halb schlummernd liege ich stundenlang, umglommen von Wetterleuchten, bis auf allen Seiten sich Wogen türmen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1027,"orig":"Männlich gilt's zu ſtreiten.","norm":"Männlich gilt es zu streiten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1028,"orig":"Ich freue mich.","norm":"Ich freue mich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1029,"orig":"Stets bin ich durchgekommen.","norm":"Stets bin ich durchgekommen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1030,"orig":"Was machte mich zum Fiſch?","norm":"Was machte mich zum Fisch?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1031,"orig":"Ein Mißverſtändniß Mit meinem Weib.","norm":"Ein Missverständnis mit meinem Weib."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1032,"orig":"Vermehrte Menſchenkenntniß.","norm":"Vermehrte Menschenkenntnis."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1033,"orig":"Mein Wanderdrang und meine Farbenluſt.","norm":"Mein Wanderdrang und meine Farbenlust."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1034,"orig":"Die Furcht verlernt' ich über Todestiefen, Faſt bis zum Frieren kühlt' ich mir die Bruſt — Ich bleib' ein Fiſch und meine Haare triefen!","norm":"Die Furcht verlernte ich über Todestiefen, fast bis zum Frieren kühlte ich mir die Brust — Ich bleibe ein Fisch und meine Haare triefen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1035,"orig":"Sonne:","norm":"Sonne:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1036,"orig":"Meine Strahlen ſind geknickte Speere, Ich verſank in blut'ger Heldenehre — Abendröthe:","norm":"Meine Strahlen sind geknickte Speere, Ich versank in blutiger Heldenehre — Abendröte:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1037,"orig":"Wie der Ruhm, will ich mit lichten Händen In das nahe Dunkel Grüße ſpenden.","norm":"Wie der Ruhm, will ich mit lichten Händen in das nahe Dunkel Grüße spenden."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1038,"orig":"Sonne:","norm":"Sonne:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1039,"orig":"Folge deiner Sonne!","norm":"Folge deiner Sonne!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1040,"orig":"Längs dem Strande Schleppe nicht die dämmernden Gewande!","norm":"Längs dem Strande Schleppe nicht die dämmernden Gewande!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1041,"orig":"Abendröthe:","norm":"Abendröte:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1042,"orig":"Darf ich nicht ans Sterben mich gewöhnen Mit den milden abgeſtuften Tönen?","norm":"Darf ich nicht ans Sterben mich gewöhnen mit den milden abgestuften Tönen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1043,"orig":"Sonne:","norm":"Sonne:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1044,"orig":"Eile dich!","norm":"Eile dich!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1045,"orig":"Bevor den jungen Helden Eines neuen Tages Fackeln melden!","norm":"Bevor den jungen Helden eines neuen Tages Fackeln melden!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1046,"orig":"Abendröthe:","norm":"Abendröte:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1047,"orig":"Ich bin dein, dir folg' ich unaufhaltſam!","norm":"Ich bin dein, dir folge ich unaufhaltsam!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1048,"orig":"Ich bin dein, doch zieh mich nicht gewaltſam ...","norm":"Ich bin dein, doch zieh mich nicht gewaltsam ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1049,"orig":"Möwen ſah um einen Felſen kreiſen Ich in unermüdlich gleichen Gleiſen, Auf geſpannter Schwinge ſchweben bleibend, Eine ſchimmernd weiße Bahn beſchreibend, Und zugleich in grünem Meeresſpiegel Sah ich um die ſelben Felſenſpitzen Eine helle Jagd geſtreckter Flügel Unermüdlich durch die Tiefe blitzen.","norm":"Möwen sah um einen Felsen kreisen Ich in unermüdlich gleichen Gleisen, auf gespannter Schwinge schweben bleibend, eine schimmernd weiße Bahn beschreibend, und zugleich in grünem Meeresspiegel sah ich um dieselben Felsenspitzen Eine helle Jagd gestreckter Flügel unermüdlich durch die Tiefe blitzen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1050,"orig":"Und der Spiegel hatte ſolche Klarheit, Daß ſich anders nicht die Flügel hoben Tief im Meer, als hoch in Lüften oben, Daß ſich völlig glichen Trug und Wahrheit.","norm":"Und der Spiegel hatte solche Klarheit, dass sich anders nicht die Flügel hoben Tief im Meer, als hoch in Lüften oben, dass sich völlig glichen Trug und Wahrheit."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1051,"orig":"Allgemach beſchlich es mich wie Grauen, Schein und Weſen ſo verwandt zu ſchauen, Und ich fragte mich, am Strand verharrend, Ins geſpenſtiſche Geflatter ſtarrend:","norm":"Allgemach beschlich es mich wie Grauen, Schein und Wesen so verwandt zu schauen, und ich fragte mich, am Strand verharrend, ins gespenstische Geflatter starrend:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1052,"orig":"Und du ſelber?","norm":"Und du selber?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1053,"orig":"Biſt du ächt beflügelt?","norm":"Bist du echt beflügelt?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1054,"orig":"Oder nur gemalt und abgeſpiegelt?","norm":"Oder nur gemalt und abgespiegelt?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1055,"orig":"Gaukelſt du im Kreis mit Fabeldingen?","norm":"Gaukelst du im Kreis mit Fabeldingen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1056,"orig":"Oder haſt du Blut in deinen Schwingen?","norm":"Oder hast du Blut in deinen Schwingen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1057,"orig":"In dieſen Liedern ſuche du Nach keinem ernſten Ziel!","norm":"In diesen Liedern suche du nach keinem ernsten Ziel!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1058,"orig":"Ein wenig Schmerz, ein wenig Luſt Und Alles war ein Spiel.","norm":"Ein wenig Schmerz, ein wenig Lust und alles war ein Spiel."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1059,"orig":"Beſonders forſche nicht danach, Welch Antlitz mir gefiel, Wohl leuchten Augen viele drin, Doch Alles war ein Spiel.","norm":"Besonders forsche nicht danach, Welch Antlitz mir gefiel, Wohl leuchten Augen viele drin, doch alles war ein Spiel."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1060,"orig":"Und ob verſtohlen auf ein Blatt Auch eine Thräne fiel, Getrocknet iſt die Thräne längſt Und Alles war ein Spiel.","norm":"Und ob verstohlen auf ein Blatt auch eine Träne fiel, getrocknet ist die Träne längst und alles war ein Spiel."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1061,"orig":"Zwei Segel erhellend Die tiefblaue Bucht!","norm":"Zwei Segel erhellend die tiefblaue Bucht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1062,"orig":"Zwei Segel ſich ſchwellend Zu ruhiger Flucht!","norm":"Zwei Segel sich schwellend Zu ruhiger Flucht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1063,"orig":"Wie eins in den Winden Sich wölbt und bewegt, Wird auch das Empfinden Des andern erregt.","norm":"Wie eins in den Winden sich wölbt und bewegt, wird auch das Empfinden des anderen erregt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1064,"orig":"Begehrt eins zu haſten, Das andre geht ſchnell, Verlangt eins zu raſten, Ruht auch ſein Geſell.","norm":"Begehrt eins zu hasten, das andere geht schnell, verlangt eins zu rasten, ruht auch sein Gesell."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1065,"orig":"Ueber ſchwarzem Tannenhange Schimmerſt mir zum Abendgange, Eine Liebe fühl' ich neigen Sich in deinem Niederſteigen, Unbemerkt biſt du gekommen, Aus der blaſſen Luft entglommen — So mit ungehörten Tritten Durch die Dämm'rung hergeglitten Kam die Mutter, die mir legte Auf die Schulter die bewegte Hand, daß ich ihr nicht verhehle, Was ich leide, was mich quäle, Und warum ich ohne Klage Mich verzehre, mich zernage.","norm":"Über schwarzem Tannenhange schimmerst mir zum Abendgange, eine Liebe fühle ich neigen sich in deinem Niedersteigen, unbemerkt bist du gekommen, aus der blassen Luft entglommen — so mit ungehörten Tritten durch die Dämmerung hergeglitten kam die Mutter, die mir legte auf die Schulter die bewegte Hand, dass ich ihr nicht verhehle, was ich leide, was mich quäle, und warum ich ohne Klage mich verzehre, mich zernage."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1066,"orig":"Und ich ſchwieg und unter Zähren Ließ ſie meinen Trotz gewähren.","norm":"Und ich schwieg und unter Zähren ließ sie meinen Trotz gewähren."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1067,"orig":"Hat ſie Wohnung jetzt, die Milde, Dort in deinem Lichtgefilde?","norm":"Hat sie Wohnung jetzt, die Milde, dort in deinem Lichtgefilde?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1068,"orig":"Deiner Strahlen ſaug' ich jeden, Durch das Dunkel hör' ich reden, (Und mir iſt als ob die kühle Hand ich auf der Schulter fühle) Reden nicht von Seligkeiten, Nur Erinn'rung alter Zeiten — Jetzt verſteht ſie ohne Kunde Wer ich bin im Herzensgrunde, Dies und jenes muß ſie ſchelten, Andres läßt ſie heiter gelten, Und ſie meint, wie ſich's entſchieden, Gebe ſie ſich auch zufrieden ...","norm":"Deiner Strahlen saug ich jeden, durch das Dunkel höre ich reden, (Und mir ist als ob die kühle Hand ich auf der Schulter fühle) Reden nicht von Seligkeiten, nur Erinnerung alter Zeiten — jetzt versteht sie ohne Kunde wer ich bin im Herzensgrunde, dies und jenes muss sie schelten, anderes lässt sie heiter gelten, und sie meint, wie sich es entschieden, gebe sie sich auch zufrieden ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1069,"orig":"Abendſtern, du eilſt geſchwinde!","norm":"Abendstern, du eilst geschwinde!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1070,"orig":"Laß ſie plaudern mit dem Kinde!","norm":"Lass sie plaudern mit dem Kinde!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1071,"orig":"Freundlich zitternd gehſt du nieder ...","norm":"Freundlich zitternd gehst du nieder ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1072,"orig":"Mutter, Mutter, komme wieder!","norm":"Mutter, Mutter, komme wieder!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1073,"orig":"Mich denkt es eines alten Traums.","norm":"Mich denkt es eines alten Traums."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1074,"orig":"Es war in meiner dumpfen Zeit, Da junge Wildheit in mir gohr.","norm":"Es war in meiner dumpfen Zeit, da junge Wildheit in mir gor."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1075,"orig":"Bekümmert war die Mutter oft.","norm":"Bekümmert war die Mutter oft."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1076,"orig":"Da kam einmal ein ſchlimmer Brief.","norm":"Da kam einmal ein schlimmer Brief."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1077,"orig":"(Was er enthielt errieth ich nie.","norm":"(Was er enthielt erriet ich nie."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1078,"orig":") Die Mutter fuhr ſich mit der Hand Zum Herzen, faſt als ſtürb' es ihr.","norm":") Die Mutter fuhr sich mit der Hand zum Herzen, fast als stürbe es ihr."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1079,"orig":"Die Nacht darauf hatt' ich den Traum:","norm":"Die Nacht darauf hatte ich den Traum:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1080,"orig":"Die Mutter ſah verſtohlen ich Nach unſerm Tannenwinkel gehn, Den Spaten in der zarten Hand, Sie grub ein Grab und legt' ein Herz Hinunter ſacht.","norm":"Die Mutter sah verstohlen ich nach unserem Tannenwinkel gehen, den Spaten in der zarten Hand, Sie grub ein Grab und legte ein Herz hinunter sacht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1081,"orig":"Sie ebnete Die Erde dann und ſchlich davon.","norm":"Sie ebnete die Erde dann und schlich davon."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1082,"orig":"(An meine Schweſter.","norm":"(An meine Schwester."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1083,"orig":")","norm":")"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1084,"orig":"Du ſcherzeſt, daß ein Datum ich vergaß, Und meinſt, ich dürfte bei dem Stundenmaß Mit einem Federſtriche mich verweilen.","norm":"Du scherzest, dass ein Datum ich vergaß, und meinst, ich dürfte bei dem Stundenmaß mit einem Federstriche mich verweilen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1085,"orig":"Du ſchreibſt: „Datire künftig deine Zeilen!“ Doch war das Zählen meine Sache nie, Nach dem Wievielten ſuch' ich ſtets vergebens, Auch dieſe Zeilen, wie datir' ich ſie?","norm":"Du schreibst: „Datiere künftig deine Zeilen!“ Doch war das Zählen meine Sache nie, nach dem Wievielten such ich stets vergebens, auch diese Zeilen, wie datiere ich sie?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1086,"orig":"„Aus allen Augenblicken meines Lebens!“ Kurz iſt und eilig eines Menſchen Tag, Er drängt, er pulſt, er flutet, Schlag um Schlag, Wie eines Herzens ungeſtümes Klopfen ...","norm":"„Aus allen Augenblicken meines Lebens!“ Kurz ist und eilig eines Menschen Tag, er drängt, er pulst, er flutet, Schlag um Schlag, wie eines Herzens ungestümes Klopfen ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1087,"orig":"Wer teilt die Jagd des Bluts und ſeiner Tropfen?","norm":"Wer teilt die Jagd des Bluts und seiner Tropfen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1088,"orig":"Es iſt ein Sturm, der nie zur Rüſte geht, Die Wechſelglut des Nehmens und des Gebens, Und meine Haare flattern windverweht In allen Augenblicken meines Lebens.","norm":"Es ist ein Sturm, der nie zur Rüste geht, die Wechselglut des Nehmens und des Gebens, und meine Haare flattern windverweht in allen Augenblicken meines Lebens."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1089,"orig":"Zu ruhn iſt mir verſagt, es treibt mich fort, Die Stunde rennt — doch hab' ich einen Hort, Den keine mir entführt, in deiner Treue;","norm":"Zu ruhen ist mir versagt, es treibt mich fort, die Stunde rennt — doch habe ich einen Hort, den keine mir entführt, in deiner Treue;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1090,"orig":"Sie iſt die alte wie die ewig neue, Sie iſt die Raſt in dieſer Flucht und Flut, Ein fromm Geleite leiſen Flügelſchwebens, Sie iſt der Segen, der beſtändig ruht Auf allen Augenblicken meines Lebens.","norm":"Sie ist die alte wie die ewig neue, sie ist die Rast in dieser Flucht und Flut, ein fromm Geleite leisen Flügelschwebens, sie ist der Segen, der beständig ruht auf allen Augenblicken meines Lebens."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1091,"orig":"Ich hemme die beſchwingten Roſſe nicht, Ich freue mich, mit jedem neuen Licht Das Feld geſtreckten Laufes zu durchmeſſen — Ein fernes, dunkles Geſtern zu vergeſſen — Ich fliege — hinter mir verſinkt die Zeit — Im Morgenſonnenſtrahl verjüngten Strebens!","norm":"Ich hemme die beschwingten Rosse nicht, Ich freue mich, mit jedem neuen Licht das Feld gestreckten Laufes zu durchmessen — ein fernes, dunkles gestern zu vergessen — Ich fliege — hinter mir versinkt die Zeit — im Morgensonnenstrahl verjüngten Strebens!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1092,"orig":"...","norm":"..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1093,"orig":"Vorbei!","norm":"Vorbei!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1094,"orig":"...","norm":"..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1095,"orig":"Nur du allein weißt noch Beſcheid Von allen Augenblicken meines Lebens.","norm":"Nur du allein weißt noch Bescheid von allen Augenblicken meines Lebens."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1096,"orig":"An des Jahres Wende ſprach ich:","norm":"An des Jahres Wende sprach ich:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1097,"orig":"Muſe, Keiner Mutter Hand beſcheert mich!","norm":"Muse, keiner Mutter Hand beschert mich!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1098,"orig":"Gieb mir Du mein Angebinde, Muſe!","norm":"Gib mir Du mein Angebinde, Muse!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1099,"orig":"fleht' ich.","norm":"flehte ich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1100,"orig":"In die Kammer lauſchend von dem Lager, Sah ich bald der Schweſtern eine ſchreiten.","norm":"In die Kammer lauschend von dem Lager, sah ich bald der Schwestern eine schreiten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1101,"orig":"Auf mein Tiſchchen ſetzt' ſie einer Ampel Zarte Form mit ſchlankgeſchweiften Henkeln, Aber die mir keineswegs antik ſchien.","norm":"Auf mein Tischchen setzte sie einer Ampel zarte Form mit schlankgeschweiften Henkeln, Aber die mir keineswegs antik schien."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1102,"orig":"Ich erſchrack.","norm":"Ich erschrak."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1103,"orig":"Was meinſt Du, Muſe?","norm":"Was meinst Du, Muse?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1104,"orig":"Räthſt Du Nächtlich auszufeilen meine Verſe?","norm":"Rätst Du Nächtlich auszufeilen meine Verse?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1105,"orig":"Schon entſchwebend wandte ſie das Antlitz Halb.","norm":"Schon entschwebend wandte sie das Antlitz halb."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1106,"orig":"Ich ſah des Muſenhauptes edeln Umriß mit den ſpottend feinen Lippen ...","norm":"Ich sah des Musenhauptes edlen Umriss mit den spottend feinen Lippen ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1107,"orig":"Als ich dann in neuem Jahr erwachte, Keine Ampel!","norm":"Als ich dann in neuem Jahr erwachte, keine Ampel!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1108,"orig":"Doch ich fand ſie wieder — Und erkannte gleich ſie an der zarten Form und an den ſchlankgeſchweiften Henkeln — In des Liebchens Hand, das mir die Treppe Nächtlich hellt mit ſtillen Ampelſtrahlen.","norm":"Doch ich fand sie wieder — und erkannte gleich sie an der zarten Form und an den schlankgeschweiften Henkeln — in des Liebchens Hand, das mir die Treppe nächtlich hellt mit stillen Ampelstrahlen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1109,"orig":"Scheidend auf die letzte Stufe ſetzt' ſie Das Geſchenk der Muſe ſacht und küßt' mich.","norm":"Scheidend auf die letzte Stufe setzte sie das Geschenk der Muse sacht und küsste mich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1110,"orig":"Heut ward mir bis zum jungen Tag Der Schlummer abgebrochen, Im Herzen ging es Schlag auf Schlag Mit Hämmern und mit Pochen, Als trieb' ſich eine Bubenſchaar Wild um in beiden Kammern, Gewährt hat, bis es Morgen war, Das Klopfen und das Hammern.","norm":"Heute wurde mir bis zum jungen Tag der Schlummer abgebrochen, im Herzen ging es Schlag auf Schlag mit Hämmern und mit Pochen, als triebe sich eine Bubenschar Wild um in beiden Kammern, gewährt hat, bis es Morgen war, das Klopfen und das Hammern."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1111,"orig":"Nun weiſt es ſich bei Tagesſchein Was drin geſchafft die Rangen:","norm":"Nun weist es sich bei Tagesschein was drin geschafft die Rangen:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1112,"orig":"Sie haben mir im Herzensſchrein Dein Bildniß aufgehangen!","norm":"Sie haben mir im Herzensschrein Dein Bildnis aufgehangen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1113,"orig":"Mit dem Tode ſchloß ich Kameradſchaft.","norm":"Mit dem Tode schloss ich Kameradschaft."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1114,"orig":"Ueber einem vollen Humpen ſaßen Oft wir nächtens und philoſophirten.","norm":"Über einem vollen Humpen saßen oft wir nächtens und philosophierten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1115,"orig":"Auch zuſammen gingen wir ſpaziren, Lauſchten mit elegiſchen Gefühlen Nach dem Pilgerruf der Abendglocke.","norm":"Auch zusammen gingen wir spazieren, lauschten mit elegischen Gefühlen nach dem Pilgerruf der Abendglocke."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1116,"orig":"Aber männlich auch an meiner Seite Stand der Kamerad und ſecundirte, Oder wann ich im Gebirg verirrt war, Hangend über ſchwindelnd tiefem Abgrund, Sprach er:","norm":"Aber männlich auch an meiner Seite Stand der Kamerad und sekundierte, Oder wann ich im Gebirge verirrt war, Hangend über schwindelnd tiefem Abgrund, sprach er:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1117,"orig":"Blick mir in das Auge ruhig Und ich that es und ich war gerettet — Lange ſtanden wir auf gutem Fuße, Bis mich volles Leben überſtrömte Glühend warm mit unbekannter Fülle, Und mir ſchauderte vor meinem Freunde ...","norm":"Blick mir in das Auge ruhig und ich tat es und ich war gerettet — Lange standen wir auf gutem Fuße, bis mich volles Leben überströmte glühend warm mit unbekannter Fülle, und mir schauderte vor meinem Freunde ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1118,"orig":"Als das Liebchen heute mir am Hals hing, Ueber ſeine Schulter weg erblickt' ich Meines Kameraden leichten Umriß Auf dem Abendhimmel und er grollte: „Bin ich dir verleidet?","norm":"Als das Liebchen heute mir am Hals hing, über seine Schulter weg erblickte ich meines Kameraden leichten Umriss auf dem Abendhimmel und er grollte: „Bin ich dir verleidet?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1119,"orig":"Deine feigen Lippen meiden meinen ſchlichten Namen?","norm":"Deine feigen Lippen meiden meinen schlichten Namen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1120,"orig":"Iſt das hübſch von einem Kameraden?“ In demſelben Augenblick umarmte Liebchen mich und rief: „So möcht' ich ſterben!","norm":"Ist das hübsch von einem Kameraden?“ In demselben Augenblick umarmte Liebchen mich und rief: „So möchte ich sterben!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1121,"orig":"Komme, Tod, und raub' mich, Tod, im Kuſſe!“ Und der Tod, von ſchwellend jungen Lippen Heiß und leidenſchaftlich angerufen, Hörte ſeinen Namen mit Vergnügen.","norm":"Komme, Tod, und raube mich, Tod, im Kusse!“ Und der Tod, von schwellend jungen Lippen Heiß und leidenschaftlich angerufen, hörte seinen Namen mit Vergnügen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1122,"orig":"Ueber ſein geheimnißvolles Antlitz Glitt ein Leuchten und er ſchied in Minne.","norm":"Über sein geheimnisvolles Antlitz glitt ein Leuchten und er schied in Minne."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1123,"orig":"Liebchen fand ich ſpielend.","norm":"Liebchen fand ich spielend."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1124,"orig":"Einen Kaſten Hatte ſie entdeckt voll längſt vergeßnen Staub'gen Kinderſpielzeugs:","norm":"Einen Kasten hatte sie entdeckt voll längstvergessenen staubigen Kinderspielzeugs:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1125,"orig":"Mauern, Thore, Rathhaus, Häuſer, Häuſerchen und Kirche ...","norm":"Mauern, Tore, Rathaus, Häuser, Häuschen und Kirche ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1126,"orig":"Sie erbaut' das Städtchen mit gelenken Händen, ſtellt' den Kirchthurm in die Mitte.","norm":"Sie erbaute das Städtchen mit gelenken Händen, stellte den Kirchturm in die Mitte."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1127,"orig":"Doch ein Häuſchen hatt' ſie vorbehalten, Vorbehalten ſieben grüne Pappeln Für ein allerliebſtes kleines Landgut.","norm":"Doch ein Häuschen hatte sie vorbehalten, Vorbehalten sieben grüne Pappeln für ein allerliebstes kleines Landgut."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1128,"orig":"Nicht zu nah!","norm":"Nicht zu nah!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1129,"orig":"Im Städtchen klatſcht man ſündlich.","norm":"Im Städtchen klatscht man sündlich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1130,"orig":"Nicht zu ferne!","norm":"Nicht zu ferne!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1131,"orig":"Man bedarf der Menſchen.","norm":"Man bedarf der Menschen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1132,"orig":"„Eben ſind wir eingezogen!“ jubelt' Sie und klatſcht' in ihre kleinen Hände.","norm":"„Eben sind wir eingezogen!“ jubelte Sie und klatschte in ihre kleinen Hände."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1133,"orig":"In der Wonne des erworbnen Heimes Riß ich Liebchen an mich ſo gewaltſam, Daß den Arm ſie ſtreckte wie ertrinkend ...","norm":"In der Wonne des erworbenen Heimes Riss ich Liebchen an mich so gewaltsam, dass den Arm sie streckte wie ertrinkend ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1134,"orig":"Was erwiſchte ſie mit ſchnellen Fingern, Eng an meine Bruſt gepreßt?","norm":"Was erwischte sie mit schnellen Fingern, Eng an meine Brust gepresst?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1135,"orig":"Die Kirche, Ja, die Kirche mit dem rothen Dach war's Und ſie ſtellt' ſie dicht vor unſer Landhaus.","norm":"Die Kirche, Ja, die Kirche mit dem roten Dach war es und sie stellte sie dicht vor unser Landhaus."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1136,"orig":"Heil Dir, Königin der Nacht, Die Dein Mägdlein umgebracht!","norm":"Heil Dir, Königin der Nacht, die Dein Mägdlein umgebracht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1137,"orig":"Shakeſpeare.","norm":"Shakespeare."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1138,"orig":"Heute deiner zu gedenken, Deren Grab die Nacht bethaut, Nahen wir mit Weihgeſchenken Und gedämpftem Klagelaut!","norm":"Heute deiner zu gedenken, deren Grab die Nacht betaut, Nahen wir mit Weihgeschenken und gedämpftem Klagelaut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1139,"orig":"Warum war dir's nicht gegeben, Muthig deinen Tag zu leben?","norm":"Warum war dir es nicht gegeben, mutig deinen Tag zu leben?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1140,"orig":"Heil Dir, Königin der Nacht, Die Dein Mägdlein umgebracht!","norm":"Heil Dir, Königin der Nacht, die Dein Mägdlein umgebracht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1141,"orig":"Braune, ſchwermuthvolle Augen, Oeffnet euch ein letztes Mal!","norm":"Braune, schwermutvolle Augen, öffnet euch ein letztes Mal!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1142,"orig":"Laßt aus euren Tiefen ſaugen Mich noch einen ſüßen Strahl!","norm":"Lasst aus euren Tiefen saugen mich noch einen süßen Strahl!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1143,"orig":"O wie hatt' ich euch ſo gerne, Traute, träumeriſche Sterne!","norm":"O wie hatte ich euch so gerne, Traute, träumerische Sterne!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1144,"orig":"Heil Dir, Königin der Nacht, Die Dein Mägdlein umgebracht!","norm":"Heil Dir, Königin der Nacht, die Dein Mägdlein umgebracht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1145,"orig":"Wie das Schüttern zarter Saiten, Schlichen ſich in jedes Herz Deine ſtillen Lieblichkeiten, Deiner Züge leiſer Schmerz!","norm":"Wie das Schüttern zarter Saiten, Schlichen sich in jedes Herz Deine stillen Lieblichkeiten, Deiner Züge leiser Schmerz!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1146,"orig":"Feuchte Waldesſchatten lagen Ueber dir in Lenzestagen — Heil Dir, Königin der Nacht, Die Dein Mägdlein umgebracht!","norm":"Feuchte Waldesschatten lagen über dir in Lenzestagen — Heil Dir, Königin der Nacht, die Dein Mägdlein umgebracht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1147,"orig":"Wie ein Reh dem Wald entronnen, Das ein üppig Thal entdeckt, Nahteſt ſchüchtern du den Bronnen, Flohſt, vom eignen Bild geſchreckt!","norm":"Wie ein Reh dem Wald entronnen, das ein üppig Tal entdeckt, Nahtest schüchtern du den Bronnen, Flohst, vom eigenen Bild erschreckt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1148,"orig":"Aengſtlich, wo ſich Wege theilen, Seh' ich zweifeln dich und weilen — Heil Dir, Königin der Nacht, Die Dein Mägdlein umgebracht!","norm":"Ängstlich, wo sich Wege teilen, sehe ich zweifeln dich und weilen — Heil Dir, Königin der Nacht, die Dein Mägdlein umgebracht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1149,"orig":"Zeigte jung ein arger Spiegel Dir den Wurm in jeder Frucht?","norm":"Zeigte jung ein arger Spiegel Dir den Wurm in jeder Frucht?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1150,"orig":"Schwebte nahen Todes Flügel Ueber dir mit Eiferſucht?","norm":"Schwebte nahen Todes Flügel über dir mit Eifersucht?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1151,"orig":"Nie hat dich ein Arm umſchloſſen, Liebe haſt du nie genoſſen — Heil Dir, Königin der Nacht, Die Dein Mägdlein umgebracht!","norm":"Nie hat dich ein Arm umschlossen, Liebe hast du nie genossen — Heil Dir, Königin der Nacht, die Dein Mägdlein umgebracht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1152,"orig":"Willig ſtiegeſt du die Stufen Nieder in dein frühes Grab, Wandteſt dich, von uns gerufen, Lächelnd um — und ſtiegſt hinab!","norm":"Willig stiegest du die Stufen nieder in dein frühes Grab, Wandtest dich, von uns gerufen, lächelnd um — und stiegst hinab!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1153,"orig":"Mit gelaſſener Geberde Schiedeſt du vom Grün der Erde — Heil Dir, Königin der Nacht, Die Dein Mägdlein umgebracht!","norm":"Mit gelassener Gebärde Schiedst du vom Grün der Erde — Heil Dir, Königin der Nacht, die Dein Mägdlein umgebracht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1154,"orig":"Zur Zeit der Leſe war's im Winzerhaus Des Herdes goldne Flamme praſſelte, Die Fenſterſcheiben überhauchten ſich Und draußen ſcholl das Evoë geiſterhaft Aus Nebeldämmer.","norm":"Zur Zeit der Lese war es im Winzerhaus des Herdes goldene Flamme prasselte, die Fensterscheiben überhauchten sich Und draußen scholl das Evoē geisterhaft aus Nebeldämmer."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1155,"orig":"Becher klangen.","norm":"Becher klangen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1156,"orig":"Jung Und Alt empfand die bacchiſche Gewalt.","norm":"Jung und Alt empfand die bacchische Gewalt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1157,"orig":"Mit einem zarten Schimmer röteten Selbſt ihr die Wangen ſich, die unſer Gaſt Und dieſer Erde Gaſt nicht lange war, Ein ſtilles, ſcheues, ungezähmtes Kind.","norm":"Mit einem zarten Schimmer röteten Selbst ihr die Wangen sich, die unser Gast und dieser Erde Gast nicht lange war, ein stilles, scheues, ungezähmtes Kind."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1158,"orig":"Zum Reigen rief Lyaeus.","norm":"Zum Reigen rief Lyaeus."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1159,"orig":"Jene ſchlich Sich weg.","norm":"Jene schlich sich weg."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1160,"orig":"Ins Freie blickte ſie hinaus Durchs Fenſter.","norm":"Ins Freie blickte sie hinaus durchs Fenster."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1161,"orig":"Dann beſchrieb ſie träumeriſch, Die ganz ſich unbeachtet Wähnende, Die Scheibe mit dem Finger.","norm":"Dann beschrieb sie träumerisch, die ganz sich unbeachtet Wähnende, die Scheibe mit dem Finger."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1162,"orig":"Weh!","norm":"Weh!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1163,"orig":"umſtellt, Belauert wurde ſie von einem Schwarm Und überfallen.","norm":"umstellt, belauert wurde sie von einem Schwarm und überfallen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1164,"orig":"Raſch in Trümmer ſchlug, Das Antlitz glutbedeckt, die Scheibe ſie, Sich ſelbſt verwundend.","norm":"Rasch in Trümmer schlug, das Antlitz glutbedeckt, die Scheibe sie, sich selbst verwundend."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1165,"orig":"Dieſes Tüchlein hier, Das als Reliquie mir im Schreine liegt, Fing, über die verletzte Hand gelegt, Das Quellen eines Tropfen Blutes auf, Der warm ihr eben erſt im Herzen rann.","norm":"Dieses Tüchlein hier, das als Reliquie mir im Schreine liegt, fing, über die verletzte Hand gelegt, das Quellen eines Tropfen Blutes auf, der warm ihr eben erst im Herzen rann."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1166,"orig":"Jung ſchwand ſie hin, und kein Lebend'ger weiß, Was dort geſchrieben auf der Scheibe ſtand — Als dieſer bleiche Tropfen Bluts vielleicht.","norm":"Jung schwand sie hin, und kein Lebendiger weiß, was dort geschrieben auf der Scheibe stand — als dieser bleiche Tropfen Bluts vielleicht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1167,"orig":"In jungen Jahren war's.","norm":"In jungen Jahren war es."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1168,"orig":"Ich brachte dich Zurück ins Nachbarhaus, wo du zu Gaſt, Durch das Gehölz.","norm":"Ich brachte dich Zurück ins Nachbarhaus, wo du zu Gast, durch das Gehölz."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1169,"orig":"Der Nebel rieſelte, Du zogſt des Reiſekleids Capuze vor Und blickteſt traulich mit verhüllter Stirn.","norm":"Der Nebel rieselte, Du zogst des Reisekleids Kapuze vor Und blicktest traulich mit verhüllter Stirn."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1170,"orig":"Naß ward der Pfad.","norm":"Nass wurde der Pfad."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1171,"orig":"Die Sohlen prägten ſich Dem feuchten Waldesboden deutlich ein, Die wandernden.","norm":"Die Sohlen prägten sich Dem feuchten Waldesboden deutlich ein, die wandernden."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1172,"orig":"Du ſchritteſt auf dem Bord, Von deiner Reiſe ſprechend.","norm":"Du schrittest auf dem Bord, von deiner Reise sprechend."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1173,"orig":"Eine noch, Die läng're, folge drauf, ſo ſagteſt du.","norm":"Eine noch, die längre, folge drauf, so sagtest du."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1174,"orig":"Dann ſcherzten wir, der nahen Trennung klug Das Angeſicht verhüllend, und du ſchiedſt, Dort wo der Firſt ſich über Ulmen hebt.","norm":"Dann scherzten wir, der nahen Trennung klug das Angesicht verhüllend, und du schiedst, dort wo der First sich über Ulmen hebt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1175,"orig":"Ich ging denſelben Pfad gemach zurück, Leis ſchwelgend noch in deiner Lieblichkeit, In deiner wilden Scheu, und wohlgemuth Vertrauend auf ein baldig Wiederſehn.","norm":"Ich ging denselben Pfad gemach zurück, Leis schwelgend noch in deiner Lieblichkeit, in deiner wilden Scheu, und wohlgemut vertrauend auf ein baldig Wiedersehn."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1176,"orig":"Vergnüglich ſchlendernd, ſah ich auf dem Rain Den Umriß deiner Sohlen deutlich noch Dem feuchten Waldesboden eingeprägt, Die kleinſte Spur von dir, die flüchtigſte, Und doch dein Weſen: wandernd, reiſehaft, Schlank, rein, walddunkel, aber o wie ſüß!","norm":"Vergnüglich schlendernd, sah ich auf dem Rain den Umriss deiner Sohlen deutlich noch dem feuchten Waldesboden eingeprägt, die kleinste Spur von dir, die flüchtigste, und doch dein Wesen: wandernd, reisehaft, schlank, rein, walddunkel, aber o wie süß!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1177,"orig":"Die Stapfen ſchritten jetzt entgegen dem Zurück dieſelbe Strecke Wandernden:","norm":"Die Stapfen schritten jetzt entgegen dem Zurück dieselbe Strecke wandernden:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1178,"orig":"Aus deinen Stapfen hobſt du dich empor Vor meinem innern Auge.","norm":"Aus deinen Stapfen hobst du dich empor vor meinem inneren Auge."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1179,"orig":"Deinen Wuchs Erblickt' ich mit des Buſens zartem Bug.","norm":"Deinen Wuchs erblickte ich mit des Busens zartem Bug."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1180,"orig":"Vorüber gingſt du, eine Traumgeſtalt.","norm":"Vorüber gingst du, eine Traumgestalt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1181,"orig":"Die Stapfen wurden jetzt undeutlicher, Vom Regen halb gelöſcht, der ſtärker fiel.","norm":"Die Stapfen wurden jetzt undeutlicher, vom Regen halb gelöscht, der stärker fiel."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1182,"orig":"Da überſchlich mich eine Traurigkeit:","norm":"Da überschlich mich eine Traurigkeit:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1183,"orig":"Faſt unter meinem Blick verwiſchten ſich Die Spuren deines letzten Gangs mit mir.","norm":"Fast unter meinem Blick verwischten sich die Spuren deines letzten Gangs mit mir."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1184,"orig":"Im Garten ſchritt ich durch die Lenzesnacht.","norm":"Im Garten schritt ich durch die Lenzesnacht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1185,"orig":"Des Jahres erſte Blitze loderten.","norm":"Des Jahres erste Blitze loderten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1186,"orig":"Die jungen Blüten glommen feuerroth Und blichen wieder dann.","norm":"Die jungen Blüten glommen feuerrot und blichen wieder dann."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1187,"orig":"Ein ſchönes Spiel, Davor ich ſtille hielt.","norm":"Ein schönes Spiel, davor ich stillehielt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1188,"orig":"Da ſah ich dich!","norm":"Da sah ich dich!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1189,"orig":"Mit einem Blütenzweige ſpielteſt du, Die jung gebliebne Todte!","norm":"Mit einem Blütenzweige spieltest du, die junggebliebene Tote!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1190,"orig":"Durch die Haſt Und Flucht der Zeit zurück erkannt' ich dich, Die juſt des Himmels Feuer überglomm.","norm":"Durch die Hast und Flucht der Zeit zurück erkannt ich dich, die just des Himmels Feuer überglomm."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1191,"orig":"Erglühend ſtandeſt du, wie dazumal, Da dich das erſte Liebeswort erſchreckt, Du Ungebändigte, du Flüchtende!","norm":"Erglühend standest du, wie dazumal, da dich das erste Liebeswort erschreckt, Du ungebändigte, du Flüchtende!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1192,"orig":"Dann mit den Blüten wieder blicheſt du.","norm":"Dann mit den Blüten wieder blichest du."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1193,"orig":"Jüngſt im Traume ſah ich auf den Fluten Einen Nachen ohne Ruder ziehn, Strom und Himmel ſtand in matten Gluten Wie bei Tages Nahen oder Fliehn.","norm":"Jüngst im Traume sah ich auf den Fluten Einen Nachen ohne Ruder ziehen, Strom und Himmel stand in matten Gluten wie bei Tages Nahen oder Fliehen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1194,"orig":"Saßen Knaben drin mit Lotoskränzen, Mädchen beugten über Bord ſich ſchlank, Kreiſend durch die Reihe ſah ich glänzen Eine Schale, draus ein Jedes trank.","norm":"Saßen Knaben drin mit Lotoskränzen, Mädchen beugten über Bord sich schlank, kreisend durch die Reihe sah ich glänzen eine Schale, draus ein Jedes trank."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1195,"orig":"Jetzt erſcholl ein Lied voll ſüßer Wehmuth, Das die Schaar der Kranzgenoſſen ſang — Ich erkannte deines Nackens Demuth, Deine Stimme, die den Chor durchdrang.","norm":"Jetzt erscholl ein Lied voll süßer Wehmut, das die Schar der Kranzgenossen sang — Ich erkannte deines Nackens Demut, Deine Stimme, die den Chor durchdrang."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1196,"orig":"In die Welle taucht' ich.","norm":"In die Welle tauchte ich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1197,"orig":"Bis zum Marke Schaudert' ich, wie ſeltſam kühl ſie war.","norm":"Bis zum Marke schauderte ich, wie seltsam kühl sie war."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1198,"orig":"Ich erreicht' die leiſe zieh'nde Barke, Drängte mich in die geweihte Schaar.","norm":"Ich erreichte die leise ziehende Barke, drängte mich in die geweihte Schar."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1199,"orig":"Und die Reihe war an dir, zu trinken Und die volle Schale hobeſt du, Sprachſt zu mir mit trautem Augenwinken: „Herz, ich trinke dir Vergeſſen zu.","norm":"Und die Reihe war an dir, zu trinken und die volle Schale hobst du, Sprachst zu mir mit trautem Augenwinken: „Herz, ich trinke dir Vergessen zu."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1200,"orig":"“ Dir entriß in trotz'gem Liebesdrange Ich die Schale, warf ſie in die Flut, Sie verſank und ſiehe, deine Wange Färbte ſich mit einem Schein von Blut.","norm":"“ Dir entriss in trotzigem Liebesdrange Ich die Schale, warf sie in die Flut, Sie versank und siehe, deine Wange färbte sich mit einem Schein von Blut."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1201,"orig":"Flehend küßt' ich dich in wildem Harme, Die den bleichen Mund mir willig bot, Da zerrannſt du lächelnd mir im Arme Und ich wußt' es wieder — du biſt todt.","norm":"Flehend küsste ich dich in wildem Harme, die den bleichen Mund mir willig bot, da zerrannst du lächelnd mir im Arme und ich wusste es wieder — du bist tot."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1202,"orig":"Wie fühl' ich heute deine Macht, Als ob ſich deine Wimper ſchatte Vor mir auf dieſem ampelhellen Blatte Um Mitternacht!","norm":"Wie fühle ich heute deine Macht, als ob sich deine Wimper schatte vor mir auf diesem ampelhellen Blatte um Mitternacht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1203,"orig":"Dein Auge ſieht Begierig mein entſtehend Lied.","norm":"Dein Auge sieht Begierig mein entstehend Lied."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1204,"orig":"Dein Weſen neigt ſich meinem zu, Du biſt's!","norm":"Dein Wesen neigt sich meinem zu, Du bist es!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1205,"orig":"Doch deine Lippen ſchweigen, Und lieſeſt du ein Wort, das zart und eigen, Biſt's wieder du, Dein Herzensblut, Indeß dein Staub im Grabe ruht.","norm":"Doch deine Lippen schweigen, und liest du ein Wort, das zart und eigen, bist es wieder du, Dein Herzensblut, indes dein Staub im Grabe ruht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1206,"orig":"Mir iſt, wann mich dein Athem ſtreift, Der ich erſtarkt an Kampf und Wunden, Als ſeiſt in deinen ſtillen Grabeſtunden Auch du gereift An Liebeskraft, An Willen und an Leidenſchaft.","norm":"Mir ist, wann mich dein Atem streift, der ich erstarkt an Kampf und Wunden, als seist in deinen stillen Grabesstunden auch du gereift an Liebeskraft, an Willen und an Leidenschaft."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1207,"orig":"Die Marmorurne ſetzten dir Die Deinen — um dich zu vergeſſen, Sie erbten, bauten, freiten unterdeſſen, Du lebſt in mir!","norm":"Die Marmorurne setzten dir Die Deinen — um dich zu vergessen, Sie erbten, bauten, freiten unterdessen, Du lebst in mir!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1208,"orig":"Wozu beweint?","norm":"Wozu beweint?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1209,"orig":"Du lebſt und fühlſt mit mir vereint!","norm":"Du lebst und fühlst mit mir vereint!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1210,"orig":"Lang vorüber ging ich den Gehegen, Drin der Giebel deines Heimes ragt, Dieſer Pforte, dieſen Schattenwegen!","norm":"Lang vorüber ging ich den Gehegen, drin der Giebel deines Heimes ragt, dieser Pforte, diesen Schattenwegen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1211,"orig":"Wer da wohne, hab' ich nicht gefragt.","norm":"Wer da wohne, habe ich nicht gefragt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1212,"orig":"Wer da wohne Hinter einer dunkeln Lindenkrone, Hat das Herz mir nicht vorausgeſagt.","norm":"Wer da wohne hinter einer dunkeln Lindenkrone, hat das Herz mir nicht vorausgesagt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1213,"orig":"Pfade liefen durch die feuchte Wieſe, Kleine Sohlen ſah ich hier und dort Eingezeichnet auf dem weichen Kieſe, Aber meines Weges zog ich fort.","norm":"Pfade liefen durch die feuchte Wiese, kleine Sohlen sah ich hier und dort eingezeichnet auf dem weichen Kiese, Aber meines Weges zog ich fort."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1214,"orig":"Ich begehrte Zu verfolgen nicht die flücht'ge Fährte, Zu betreten nicht den ſtummen Ort.","norm":"Ich begehrte zu verfolgen nicht die flüchtige Fährte, zu betreten nicht den stummen Ort."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1215,"orig":"Auch ein Rauſchen hört' ich aus der Linde, Die der Hauch der Abendlüfte bog; „Komme, Wandrer“, rief es, „komm und finde!“ Während raſcher ich des Weges zog.","norm":"Auch ein Rauschen hörte ich aus der Linde, die der Hauch der Abendlüfte bog; „Komme, Wanderer“, rief es, „komme und finde!“ Während rascher ich des Weges zog."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1216,"orig":"Ich vertraute Dem Verſprechen nicht der Geiſterlaute, Deren Wehn mir oft das Herz betrog.","norm":"Ich vertraute dem Versprechen nicht der Geisterlaute, deren Wehn mir oft das Herz betrog."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1217,"orig":"Und den Stern der Liebe ſah ich eilen Dort zum dunkelſcharfen Bergesrand, Auf dem ſchlanken Giebel blitzend weilen, Wie ein zitternd Feuer, eh' er ſchwand.","norm":"Und den Stern der Liebe sah ich eilen dort zum dunkelscharfen Bergesrand, auf dem schlanken Giebel blitzend weilen, wie ein zitternd Feuer, ehe er schwand."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1218,"orig":"Im Entweichen Gab der Freund am Himmel mir ein Zeichen, Wann er über meinem Glücke ſtand.","norm":"Im Entweichen Gab der Freund am Himmel mir ein Zeichen, wann er über meinem Glücke stand."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1219,"orig":"Längſt verſunken glaubt' ich's in der Ferne, Das ſo nahe mir verborgen lag!","norm":"Längst versunken glaubte ich es in der Ferne, das so nahe mir verborgen lag!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1220,"orig":"Wer verſteht den ſtillen Wink der Sterne Vor dem rechten, dem beſtimmten Tag?","norm":"Wer versteht den stillen Wink der Sterne vor dem rechten, dem bestimmten Tag?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1221,"orig":"Vor der Stunde, Die ihn zieht zu dem erſehnten Bunde, Den nicht Tod noch Leben trennen mag?","norm":"Vor der Stunde, die ihn zieht zu dem ersehnten Bunde, den nicht Tod noch Leben trennen mag?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1222,"orig":"Lang vorüber ging ich deiner Liebe Durch den Staub des Lebens unbewußt, Daß zur Wonne mir die Klage bliebe Und ein leiſer Schmerz in ſel'ger Bruſt — Schmerz und Klage Ueber ohne dich verdarbte Tage, Die mit deinem Kuß du ſtillen mußt.","norm":"Lang vorüber ging ich deiner Liebe Durch den Staub des Lebens unbewusst, dass zur Wonne mir die Klage bliebe und ein leiser Schmerz in seliger Brust — Schmerz und Klage über ohne dich verdarbte Tage, die mit deinem Kuss du stillen musst."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1223,"orig":"Hat ſich die Kelter gedreht?","norm":"Hat sich die Kelter gedreht?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1224,"orig":"Tanzt dort mit dem Laub eine Flocke?","norm":"Tanzt dort mit dem Laub eine Flocke?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1225,"orig":"Zuckte der Blitz im Auguſt?","norm":"Zuckte der Blitz im August?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1226,"orig":"Blühten die Kirſchen im Mai?","norm":"Blühten die Kirschen im Mai?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1227,"orig":"Blüthen und Aehren und Trauben erblickt' ich in ſchwellendem Kranz nur Um das geliebteſte Haupt und ich erblicke ſie noch.","norm":"Blüten und Ähren und Trauben erblickte ich in schwellendem Kranz nur um das geliebteste Haupt und ich erblicke sie noch."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1228,"orig":"Reife Goldorangen fallen ſahn wir heute, Myrte blühte, Eidechs glitt entlang der Mauer, die von Sonne glühte.","norm":"Reife Goldorangen fallen sahen wir heute, Myrte blühte, Eidechse glitt entlang der Mauer, die von Sonne glühte."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1229,"orig":"Uns zu Häupten neben einem morſchen Laube flog ein Falter — Keine herbe Grenze ſcheidet Jugend hier und Alter.","norm":"Uns zu Häupten neben einem morschen Laube flog ein Falter — keine herbe Grenze scheidet Jugend hier und Alter."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1230,"orig":"Eh' das welke Blatt verweht iſt, wird die Knospe neu geboren — Eine liebliche Verwirrung, ſchwebt der Zug der Horen.","norm":"Ehe das welke Blatt verweht ist, wird die Knospe neu geboren — eine liebliche Verwirrung, schwebt der Zug der Horen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1231,"orig":"Sprich, was träumen deine Blicke?","norm":"Sprich, was träumen deine Blicke?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1232,"orig":"Fehlt ein Winter dir, ein bleicher?","norm":"Fehlt ein Winter dir, ein bleicher?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1233,"orig":"Theures Weib, du biſt um einen lichten Frühling reicher!","norm":"Teures Weib, du bist um einen lichten Frühling reicher!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1234,"orig":"Liebſt du doch die langen Sonnen und die Kraft und Gluth der Farben!","norm":"Liebst du doch die langen Sonnen und die Kraft und Glut der Farben!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1235,"orig":"Und du ſehnſt dich nach der Heimath, wo ſie längſt erſtarben?","norm":"Und du sehnst dich nach der Heimat, wo sie längst erstarben?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1236,"orig":"Horch!","norm":"Horch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1237,"orig":"Durch paradieſeswarme Lüfte tönen Weihnachtsglocken!","norm":"Durch paradieswarme Lüfte tönen Weihnachtsglocken!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1238,"orig":"Sprich, was träumen deine Blicke?","norm":"Sprich, was träumen deine Blicke?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1239,"orig":"Von den weißen Flocken?","norm":"Von den weißen Flocken?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1240,"orig":"Schneewittchen haſt im Scherz du dich genannt, Da plaudernd einſt zuſammen wir geſeſſen, Der Augen tiefes Blau, die Elfenhand, Des Nackens Blondgekraus, wer kann's vergeſſen?","norm":"Schneewittchen hast im Scherz du dich genannt, da plaudernd einst zusammen wir gesessen, der Augen tiefes Blau, die Elfenhand, des Nackens Blondgekrause, wer kann es vergessen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1241,"orig":"Noch jüngſt — ich ſchritt ein hohes Thal entlang, Es war gekrönt mit ſieben Silberſpitzen, Die von dem himmelnahen Felſenhang Herunter auf die grünen Pfade blitzen — „Schneewittchen!“ rief ich laut und unbewußt, Schneewittchen!","norm":"Noch jüngst — ich schritt ein hohes Tal entlang, es war gekrönt mit sieben Silberspitzen, die von dem himmelnahen Felsenhang herunter auf die grünen Pfade blitzen — „Schneewittchen!“ rief ich laut und unbewusst, Schneewittchen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1242,"orig":"hinter deinen ſieben Bergen Führſt droben pünktlich du mit kühler Bruſt Den kleinen Haushalt deinen ſieben Zwergen?“ Ein ſpottend Echo nur antwortet' mir, Die Felsſtirn rümpfte lachend ihre Falten Und doch, und doch, mir war's, ich hätt' von dir, Schneewittchen!","norm":"hinter deinen sieben Bergen führst droben pünktlich du mit kühler Brust den kleinen Haushalt deinen sieben Zwergen?“ Ein spottend Echo nur antwortete mir, die Felsstirn rümpfte lachend ihre Falten und doch, und doch, mir war es, ich hätte von dir, Schneewittchen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1243,"orig":"einen lieben Gruß erhalten.","norm":"einen lieben Gruß erhalten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1244,"orig":"Ließeſt unter uns dich nieder, Liebe, liebenswerthe Frau, Aber heute ziehſt du wieder, Wie die Sterne ziehn im Blau.","norm":"Ließest unter uns dich nieder, Liebe, liebenswerte Frau, Aber heute ziehst du wieder, wie die Sterne ziehen im Blau."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1245,"orig":"Siehſt den Abendſtern du blinken Dort vor ſeinem Untergang?","norm":"Siehst den Abendstern du blinken dort vor seinem Untergang?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1246,"orig":"Einen Augenblick im Sinken Ruht er auf dem Bergeshang.","norm":"Einen Augenblick im Sinken ruht er auf dem Bergeshang."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1247,"orig":"In der flüchtigen Minute, In dem eilenden Moment Iſt's als ob er gaſtlich ruhte, Wie ein Hirtenfeuer brennt.","norm":"In der flüchtigen Minute, in dem eilenden Moment ist es als ob er gastlich ruhte, wie ein Hirtenfeuer brennt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1248,"orig":"Aber nur die kleinſte Weile Bringt er auf der Erde zu, Sieh — er zittert ja vor Eile Und verſchwindet, Frau, wie du.","norm":"Aber nur die kleinste Weile bringt er auf der Erde zu, Sieh — er zittert ja vor Eile und verschwindet, Frau, wie du."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1249,"orig":"Geh nicht, die Gott für mich erſchuf!","norm":"Gehe nicht, die Gott für mich erschuf!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1250,"orig":"Laß ſcharren deiner Roſſe Huf Den Reiſeruf!","norm":"Lass scharren deiner Rosse Huf den Reiseruf!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1251,"orig":"Du willſt von meinem Herde fliehn?","norm":"Du willst von meinem Herde fliehen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1252,"orig":"Und weißt ja nicht, wohin, wohin Dich deine Roſſe ziehn!","norm":"Und weißt ja nicht, wohin, wohin Dich deine Rosse ziehen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1253,"orig":"Die Stunde rinnt!","norm":"Die Stunde rinnt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1254,"orig":"Das Leben jagt!","norm":"Das Leben jagt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1255,"orig":"Wir haben uns noch nichts geſagt — Bleib bis es tagt!","norm":"Wir haben uns noch nichts gesagt — Bleib bis es tagt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1256,"orig":"Du darfſt aus meinen Armen fliehn?","norm":"Du darfst aus meinen Armen fliehen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1257,"orig":"Und weißt ja nicht, wohin, wohin Dich deine Roſſe ziehn ...","norm":"Und weißt ja nicht, wohin, wohin Dich deine Rosse ziehen ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1258,"orig":"Du lebſt meerüber In blauer Ferne Und du beſuchſt mich Beim erſten Sterne.","norm":"Du lebst meerüber in blauer Ferne und du besuchst mich Beim ersten Sterne."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1259,"orig":"Ich mach' im Felde Die Dämmerrunde, Umkreiſt, umbollen Von meinem Hunde.","norm":"Ich mache im Felde die Dämmerrunde, Umkreist, umbellt von meinem Hunde."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1260,"orig":"Es rauſcht im Dickicht, Es webt im Düſter, Auf meine Wange Haucht warm Geflüſter.","norm":"Es rauscht im Dickicht, es webt im Düster, auf meine Wange haucht warm Geflüster."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1261,"orig":"Das Weggeleite Wird trauter, trauter, Du ſchmiegſt dich näher, Du plauderſt lauter.","norm":"Das Weggeleite wird trauter, trauter, Du schmiegst dich näher, Du plauderst lauter."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1262,"orig":"Da giebt's zu ſchelten, Da giebt's zu fragen, Und hell zu lachen Und leis zu klagen.","norm":"Da gibt es zu schelten, da gibt es zu fragen, und hell zu lachen und leis zu klagen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1263,"orig":"Was wedelt Barry So glückverloren?","norm":"Was wedelt Barry so glückverloren?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1264,"orig":"Du krauſt dem Liebling Die weichen Ohren ...","norm":"Du kraust dem Liebling die weichen Ohren ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1265,"orig":"Im Schatten wir, Das Dorf im Sonnenkuß, (Faſt wie das Jüngerpaar, Das ging nach Emmaus, Dazwiſchen leiſe Redend ſchritt Der Meiſter, dem ſie folgten Und der den Tod erlitt.","norm":"Im Schatten wir, das Dorf im Sonnenkuss, (Fast wie das Jüngerpaar, das ging nach Emmaus, dazwischen leise redend schritt der Meister, dem sie folgten und der den Tod erlitt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1266,"orig":") So ſchreitet zwiſchen uns Im Dämmerlicht Unſre todte Liebe, Die leiſe ſpricht.","norm":") So schreitet zwischen uns im Dämmerlicht unsere tote Liebe, die leise spricht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1267,"orig":"Sie weiß für das Geheimniß Ein heimlich Wort, Sie kennt der Seelen Allertiefſten Hort.","norm":"Sie weiß für das Geheimnis ein heimlich Wort, Sie kennt der Seelen Allertiefsten Hort."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1268,"orig":"Sie deutet und erläutert Uns jedes Ding, Sie ſagt:","norm":"Sie deutet und erläutert uns jedes Ding, Sie sagt:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1269,"orig":"So iſt's gekommen, Daß ich am Holze hing.","norm":"So ist es gekommen, dass ich am Holze hing."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1270,"orig":"Ihr habet mich verleugnet Und ſchlimm verhöhnt, Ich ſaß im Purpur, Blutig, dorngekrönt, Ich habe Tod erlitten, Den Tod bezwang ich bald, Und geh' in eurer Mitten Als geiſtige Geſtalt — Die Weggeſellin Blieb unerkannt, Doch hat uns wie den Jüngern Das Herz gebrannt.","norm":"Ihr habet mich verleugnet Und schlimm verhöhnt, Ich saß im Purpur, Blutig, dorngekrönt, Ich habe Tod erlitten, den Tod bezwang ich bald, und gehe in eurer Mitten als geistige Gestalt — die Weggesellin blieb unerkannt, doch hat uns wie den Jüngeren das Herz gebrannt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1271,"orig":"In der ſchattendunkeln Laube gab Silen, der weiſe, Stunde, Der ihm weich ans Knie geſchmiegte Bacchus hing an ſeinem Munde, Lieblich lauſchend.","norm":"In der schattendunklen Laube gab Silen, der weise, Stunde, der ihm weich ans Knie geschmiegte Bacchus hing an seinem Munde, lieblich lauschend."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1272,"orig":"Unter ſeinem krauſen Barte lachte freundlich der Ergraute, Da er in das milde Feuer junger Götteraugen ſchaute, Dann begann er: „Kind, betrachte dieſes Antlitz, die gedankenſchweren Lider!","norm":"Unter seinem krausen Barte lachte freundlich der Ergraute, da er in das milde Feuer junger Götteraugen schaute, dann begann er: „Kind, betrachte dieses Antlitz, die gedankenschweren Lider!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1273,"orig":"Kind, in jedem greiſen Zecher ehre du die Züge wieder Deines Lehrers.","norm":"Kind, in jedem greisen Zecher ehre du die Züge wieder Deines Lehrers."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1274,"orig":"Oft, wo die Veliten wankten, jene prahleriſchen Knaben, Sind es die Triarier, Liebling, die das Feld behauptet haben Unerſchüttert!","norm":"Oft, wo die Veliten wankten, jene prahlerischen Knaben, sind es die Triarier, Liebling, die das Feld behauptet haben unerschüttert!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1275,"orig":"Wenn auf Chios mit dem Mädchen theilt den Becher der Ephebe, Laß ſie nippen, laß ſie koſen — mit der vollſten Schale ſchwebe Du vorüber.","norm":"Wenn auf Chios mit dem Mädchen teilt den Becher der Ephebe, Lass sie nippen, lass sie kosen — mit der vollsten Schale schwebe Du vorüber."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1276,"orig":"Lenke deine götterleichten Schritte zu Homer dem alten, Netze ſeine heil'gen Lippen, glätte ſeiner Stirne Falten, Wunderthäter!","norm":"Lenke deine götterleichten Schritte zu Homer dem alten, Netze seine heiligen Lippen, glätte seiner Stirn Falten, Wundertäter!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1277,"orig":"Lös ihm jeder Erdenſchwere Feſſel mit der Hand, der milden, Fülle du des Blinden Auge mit unſterblichen Gebilden, Ewig ſchönen!“","norm":"Löse ihm jeder Erdenschwere Fessel mit der Hand, der milden, Fülle du des Blinden Auge mit unsterblichen Gebilden, Ewigschönen!“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1278,"orig":"Sie ſchreitet in bacchiſch bevölkertem Raum Mit wehenden Haaren ein glühender Traum, Von Faunen umhüpft, Um die Hüfte den Gürtel der Natter geknüpft.","norm":"Sie schreitet in bacchisch bevölkertem Raum mit wehenden Haaren ein glühender Traum, von Faunen umhüpft, um die Hüfte den Gürtel der Natter geknüpft."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1279,"orig":"Melodiſch gewiegt und von Eppich umlaubt, Ein flüſterndes rücklings geworfenes Haupt — „Ich opfre mich Dir. Verzehre, Lyaeus, was menſchlich in mir!“ „Agave!“ ruft's und der bacchiſche Schwarm Zerſtiebt und der Vater ergreift ſie am Arm.","norm":"Melodisch gewiegt und von Eppich umlaubt, ein flüsterndes rücklings geworfenes Haupt — „Ich opfre mich Dir. Verzehre, Lyaeus, was menschlich in mir!“ „Agave!“ ruft es und der bacchische Schwarm zerstiebt und der Vater ergreift sie am Arm."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1280,"orig":"„Weg, trunken Geſind!","norm":"„Weg, trunken Gesinde!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1281,"orig":"Erwach und erröthe, verlorenes Kind!","norm":"Erwache und erröte, verlorenes Kind!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1282,"orig":"Du dienſt einem Gaukler!“ Im Schutz des Gewands Verhüllt er den Buſen, entreißt ihr den Kranz — Wild hebt ſie den Stab.","norm":"Du dienst einem Gaukler!“ Im Schutz des Gewands verhüllt er den Busen, entreißt ihr den Kranz — Wild hebt sie den Stab."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1283,"orig":"Sie ſchlug!","norm":"Sie schlug!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1284,"orig":"Aufſtöhnt der das Leben ihr gab.","norm":"Aufstöhnt der das Leben ihr gab."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1285,"orig":"„Ich glaube den Gott!","norm":"„Ich glaube den Gott!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1286,"orig":"Ich empfinde die Macht!","norm":"Ich empfinde die Macht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1287,"orig":"Ich ſtrafe den Frevler der Götter verlacht!","norm":"Ich strafe den Frevler der Götter verlacht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1288,"orig":"Wer biſt du, Geſicht?","norm":"Wer bist du, Gesicht?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1289,"orig":"Ich bin die Bacchantin!","norm":"Ich bin die Bacchantin!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1290,"orig":"Ich kenne dich nicht!“ Er betrachtet ſein Kind.","norm":"Ich kenne dich nicht!“ Er betrachtet sein Kind."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1291,"orig":"Er erſtaunt.","norm":"Er erstaunt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1292,"orig":"Er erblaßt.","norm":"Er erblasst."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1293,"orig":"Er entſpringt, von entſetzlichem Grauen erfaßt.","norm":"Er entspringt, von entsetzlichem Grauen erfasst."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1294,"orig":"Er flieht im Gefild, Ein rennender Läufer, ein haſtendes Wild.","norm":"Er flieht im Gefilde, ein rennender Läufer, ein hastendes Wild."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1295,"orig":"Herbei, alle Schweſtern!","norm":"Herbei, alle Schwestern!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1296,"orig":"Mänaden, herbei!“ Erhebt ſie den Weidruf, das helle Geſchrei: „Zur Jagd!","norm":"Mänaden, herbei!“ Erhebt sie den Weidruf, das helle Geschrei: „Zur Jagd!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1297,"orig":"Zur Jagd!“ — „Wir folgen dir, blonde, begeiſterte Magd!“ Sie jagen den König, Agave vorauf, Er ſpringt in den Strom und erneuert den Lauf Am andern Geſtad, Sie ſtürzt ſich mit jubelnden Sprüngen ins Bad.","norm":"Zur Jagd!“ — „Wir folgen dir, blonde, begeisterte Magd!“ Sie jagen den König, Agave vorauf, er springt in den Strom und erneuert den Lauf am anderen Gestade, Sie stürzt sich mit jubelnden Sprüngen ins Bad."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1298,"orig":"Aufſpritzen die Waſſer.","norm":"Auf spritzen die Wasser."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1299,"orig":"Sie hetzen den Raub — Was dämmert empor?","norm":"Sie hetzen den Raub — was dämmert empor?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1300,"orig":"Biſt du die träumende Bacche?","norm":"Bist du die träumende Bacche?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1301,"orig":"Der Sterblichen lieblichſte biſt du!","norm":"Der Sterblichen lieblichste bist du!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1302,"orig":"Still in den Winkeln des Munds lächelt ein grauſamer Zug.","norm":"Still in den Winkeln des Munds lächelt ein grausamer Zug."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1303,"orig":"Ein kurzes Schwert gezückt in nerv'ger Rechten, Belauert Perſeus bang in ſeinem Schild Der ſchlummernden Meduſe Spiegelbild, Das ſüße Haupt mit müden Schlangenflechten.","norm":"Ein kurzes Schwert gezückt in nerviger Rechten, belauert Perseus bang in seinem Schild der schlummernden Meduse Spiegelbild, das süße Haupt mit müden Schlangenflechten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1304,"orig":"Zur Hälfte zeigt der Spiegel längs der Erde Des jungen Wuchſes athmende Geberde — „Raub' ich das arge Haupt mit raſchem Hiebe, Verderblich der Verderberin genaht?","norm":"Zur Hälfte zeigt der Spiegel längs der Erde des jungen Wuchses atmende Gebärde — „Raub ich das arge Haupt mit raschem Hiebe, Verderblich der Verderberin genaht?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1305,"orig":"Wenn nur die blonde Wimper ſchlummernd bliebe!","norm":"Wenn nur die blonde Wimper schlummernd bliebe!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1306,"orig":"Der Blick verſteint!","norm":"Der Blick versteint!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1307,"orig":"Gefährlich iſt die That.","norm":"Gefährlich ist die Tat."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1308,"orig":"Die Mörderin!","norm":"Die Mörderin!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1309,"orig":"Sie ſchließt vielleicht aus Liſt Die wachen Augen!","norm":"Sie schließt vielleicht aus List die wachen Augen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1310,"orig":"Sie die grauſam iſt!","norm":"Sie die grausam ist!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1311,"orig":"Durch weiße Lider ſchimmert blaues Licht Und — ziſchte dort der Kopf der Natter nicht?","norm":"Durch weiße Lider schimmert blaues Licht und — zischte dort der Kopf der Natter nicht?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1312,"orig":"Meduſen träumt daß einen Kranz ſie winde, Der Menſchen ſchöner Liebling der ſie war, Bevor die Stirn der Göttin Angebinde Verſchattet ihr mit wirrem Schlangenhaar.","norm":"Medusen träumt dass einen Kranz sie winde, der Menschen schöner Liebling der sie war, bevor die Stirn der Göttin Angebinde verschattet ihr mit wirrem Schlangenhaar."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1313,"orig":"Mit den Geſpielen glaubt ſie noch zu wandern Und ſpendet ihnen lockenſchüttelnd Grüße, In blüh'ndem Reigen regt ſie mit den Andern Die freudehellen, die beſchwingten Füße, Ihr Antlitz hat vergeſſen, daß es tödte, Es glaubt, es glaubt an die barmherz'ge Lüge Des Traums.","norm":"Mit den Gespielen glaubt sie noch zu wandern und spendet ihnen lockenschüttelnd Grüße, in blühendem Reigen regt sie mit den Anderen Die freudehellen, die beschwingten Füße, Ihr Antlitz hat vergessen, dass es töte, es glaubt, es glaubt an die barmherzige Lüge des Traums."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1314,"orig":"Es lauſcht dem Hauch der Hirtenflöte, Der weich melodiſch zieht durch ſeine Züge.","norm":"Es lauscht dem Hauch der Hirtenflöte, der weichmelodisch zieht durch seine Züge."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1315,"orig":"Es lächelt ſtill, von ſchwerem Bann befreit, In unverlorner erſter Lieblichkeit.","norm":"Es lächelt still, von schwerem Bann befreit, in unverlorener erster Lieblichkeit."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1316,"orig":"Der Mörder tritt an ihre Seite dicht Und dunkler träumt Meduſens Angeſicht.","norm":"Der Mörder tritt an ihre Seite dicht und dunkler träumt Medusas Angesicht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1317,"orig":"Ihr iſt, ſie habe Haß empfunden ſchon, Vor ſich geſchaudert, dumpf und bang gelitten, Die Menſchen habe ſcheu ſie erſt geflohn, Dann ihnen nachgeſtellt mit Meuchlerſchritten — Sie ſinnt was Unheilbares ſie gequält, Daß ſie dem eignen Leben feind geworden Und andres Leben ſich ergötzt zu morden — Sie ſinnt umſonſt.","norm":"Ihr ist, sie habe Hass empfunden schon, vor sich geschaudert, dumpf und bang gelitten, die Menschen habe scheu sie erst geflohen, dann ihnen nachgestellt mit Meuchlerschritten — Sie sinnt was Unheilbares sie gequält, dass sie dem eigenen Leben Feind geworden und anderes Leben sich ergötzt zu morden — Sie sinnt umsonst."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1318,"orig":"Ihr hält's der Traum verhehlt.","norm":"Ihr hält es der Traum verhehlt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1319,"orig":"Die grauſe Larve, die ſie lang geſchreckt, Iſt wie mit einem Purpurtuch bedeckt.","norm":"Die grause Larve, die sie lang geschreckt, ist wie mit einem Purpurtuch bedeckt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1320,"orig":"Das Graun iſt aufgelöſt in Seligkeit, Begonnen hat der Seele Feierzeit.","norm":"Das Graun ist aufgelöst in Seligkeit, begonnen hat der Seele Feierzeit."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1321,"orig":"Der Dämmer herrſcht.","norm":"Der Dämmer herrscht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1322,"orig":"Das harte Licht verblich.","norm":"Das harte Licht verblich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1323,"orig":"Als eine der Erlöſten fühlt ſie ſich.","norm":"Als eine der Erlösten fühlt sie sich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1324,"orig":"Sie fürchtet keines Schreckens Wiederkehr, Sie weiß, die Qualen kommen nimmermehr, Nein, nimmermehr, und nun iſt Alles gut!","norm":"Sie fürchtet keines Schreckens Wiederkehr, Sie weiß, die Qualen kommen nimmermehr, Nein, nimmermehr, und nun ist alles gut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1325,"orig":"Sie liegt, den Hals gebogen, auf dem Raſen, Sie hört die Hirtenflöte wieder blaſen Und lauſcht.","norm":"Sie liegt, den Hals gebogen, auf dem Rasen, Sie hört die Hirtenflöte wieder blasen und lauscht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1326,"orig":"Sie zuckt.","norm":"Sie zuckt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1327,"orig":"Sie windet ſich.","norm":"Sie windet sich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1328,"orig":"Sie ruht.","norm":"Sie ruht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1329,"orig":"Ein Schiff befuhr das Meer.","norm":"Ein Schiff befuhr das Meer."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1330,"orig":"Aufrauſchend quoll Die Fluth am Kiel.","norm":"Aufrauschend quoll die Flut am Kiel."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1331,"orig":"Er ſuchte Pylos' Strand.","norm":"Er suchte Pylos' Strand."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1332,"orig":"Das Steuer führt' ein Jüngling kummervoll, Dem früh des Vaters Rath und Hilfe ſchwand.","norm":"Das Steuer führte ein Jüngling kummervoll, dem früh des Vaters Rat und Hilfe schwand."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1333,"orig":"Der Glückbedürft'ge hieß Telemachos Und ſchaute nach des Segels nächt'gem Flug, Dicht neben ihm der hohe Fahrtgenoß, Athene war's, die Mentors Züge trug.","norm":"Der Glücksbedürftige hieß Telemachos und schaute nach des Segels nächtigem Flug, dicht neben ihm der hohe Fahrtgenosse, Athene war es, die Mentors Züge trug."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1334,"orig":"Unendlich brach hervor der Sterne Heer, Die lichten Waller wußten ihre Bahn ...","norm":"Unendlich brach hervor der Sterne Heer, die lichten Waller wussten ihre Bahn ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1335,"orig":"Da ſprach die Tochter Zeus' auf dunkelm Meer: „Jetzt, Jüngling, ruf' mit mir die Götter an!“ Die Hände, wie der Staubgeborne fleht, Erhob ſie ausgebreitet in die Nacht — Und ſie erhörte ſelber das Gebet, Von ihr für den Verlaſſnen dargebracht.","norm":"Da sprach die Tochter Zeus' auf dunklem Meer: „Jetzt, Jüngling, rufe mit mir die Götter an!“ Die Hände, wie der Staubgeborene fleht, erhob sie ausgebreitet in die Nacht — und sie erhörte selber das Gebet, von ihr für den Verlassenen dargebracht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1336,"orig":"Morgengraun.","norm":"Morgengraun."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1337,"orig":"Die Karavane windet ſich dem Nil zur Seite, Eine Rede dröhnt und murmelt über dunkler Stromesbreite.","norm":"Die Karawane windet sich dem Nil zur Seite, eine Rede dröhnt und murmelt über dunkler Stromesbreite."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1338,"orig":"Längs dem Ufer nippen durſtig ſilbergrau geperlte Tauben, Trinken Ibiſſe mit blankem Flügelpaar und ſchwarzen Hauben.","norm":"Längs dem Ufer nippen durstig silbergraugeperlte Tauben, Trinken Ibisse mit blankem Flügelpaar und schwarzen Hauben."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1339,"orig":"Nil, der ſegenreiche Vater, ſorgt für alle ſeine Kinder, Speiſt und tränkt aus ſeiner Fülle keines mehr und keines minder — Neben einem braunen Reiter ein gebundner Knabe wandelt, Joſeph iſt's, den ſeine Brüder in die Sklaverei verhandelt.","norm":"Nil, der segenreiche Vater, sorgt für alle seine Kinder, speist und tränkt aus seiner Fülle keines mehr und keines minder — neben einem braunen Reiter ein gebundener Knabe wandelt, Joseph ist es, den seine Brüder in die Sklaverei verhandelt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1340,"orig":"Taub' und Ibis flattern nur um wenig Flügelſchläge weiter.","norm":"Taube und Ibis flattern nur um wenig Flügelschläge weiter."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1341,"orig":"Joſeph lauſcht des Stromes Worten.","norm":"Joseph lauscht des Stromes Worten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1342,"orig":"Ruhig ſitzt der ſtumme Reiter.","norm":"Ruhig sitzt der stumme Reiter."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1343,"orig":"„Knabe, deine Blicke trauern!","norm":"„Knabe, deine Blicke trauern!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1344,"orig":"Jüngling, deine Füße bluten!","norm":"Jüngling, deine Füße bluten!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1345,"orig":"Dich verkauften deine Brüder ...","norm":"Dich verkauften deine Brüder ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1346,"orig":"Sei willkomm an meinen Fluten!","norm":"Sei willkommen an meinen Fluten!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1347,"orig":"Joſeph, fremder Knabe Joſeph, du gefeſſelter, du müder, Biſt du einſt der Herr der Ernten, ſpeiſe deine ſchlimmen Brüder!","norm":"Joseph, fremder Knabe Joseph, du gefesselter, du müder, bist du einst der Herr der Ernten, speise deine schlimmen Brüder!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1348,"orig":"Knabe Joſeph!“ rauſcht es dumpfer.","norm":"Knabe Joseph!“ rauscht es dumpfer."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1349,"orig":"Das erſtaunte Kind in Banden Tröſtet ſich des güt'gen Grußes, bleibt er auch ihm unverſtanden.","norm":"Das erstaunte Kind in Banden tröstet sich des gütigen Grußes, bleibt er auch ihm unverstanden."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1350,"orig":"Auf des Niles weiten Waſſern iſt des Stromgotts Wort verſchollen, Nur ein Antlitz ſchwimmt und ſchimmert, deſſen Haare lockig rollen ...","norm":"Auf des Niles weiten Wassern ist des Stromgotts Wort verschollen, nur ein Antlitz schwimmt und schimmert, dessen Haare lockig rollen ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1351,"orig":"Jetzt beleben ſich die Pfade.","norm":"Jetzt beleben sich die Pfade."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1352,"orig":"Schiffe blähen ihre Flügel.","norm":"Schiffe blähen ihre Flügel."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1353,"orig":"Kleebeladene Kamele wandern, ſacht bewegte Hügel.","norm":"Kleebeladene Kamele wandern, sachtbewegte Hügel."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1354,"orig":"Frauen kommen mit dem ſchlanken Kruge, die gemeſſen ſchreiten In verhülltem ſtillem Zuge, wie die Jahre, wie die Zeiten ...","norm":"Frauen kommen mit dem schlanken Kruge, die gemessen schreiten in verhülltem stillem Zuge, wie die Jahre, wie die Zeiten ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1355,"orig":"Aus der ahnungsvollen Ferne ragen Spitzen, hell beſonnte, Steigen wie beſchneite Gipfel weiß am reinen Horizonte — Joſeph ſchaut empor zum Reiter: „Mit dir meiner Väter Frieden!","norm":"Aus der ahnungsvollen Ferne ragen Spitzen, hell besonnte, Steigen wie beschneite Gipfel weiß am reinen Horizonte — Joseph schaut empor zum Reiter: „Mit dir meiner Väter Frieden!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1356,"orig":"Herr, wie nennſt du dort die Berge?“ „Kind, du ſchauſt die Pyramiden!“","norm":"Herr, wie nennst du dort die Berge?“ „Kind, du schaust die Pyramiden!“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1357,"orig":"Zwei Greiſe ruhten unter einer Pinie, Stab neben Stab, an einer Quelle klarer Flut, Wo wandernd ſie begegnet ſich von ungefähr.","norm":"Zwei Greise ruhten unter einer Pinie, Stab neben Stab, an einer Quelle klarer Flut, wo wandernd sie begegnet sich von ungefähr."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1358,"orig":"Sie führten Zwiegeſpräch und ſie behagten ſich.","norm":"Sie führten Zwiegespräch und sie behagten sich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1359,"orig":"— „Man nennt mich Eukrates, und wer, mein Freund, biſt du?“ — „Mich nannten Aridaeus lange Jahre ſie, Seit langen Jahren bin ich nun Theſpeſius.","norm":"— „Man nennt mich Eukrates, und wer, mein Freund, bist du?“ — „Mich nannten Aridaeus lange Jahre sie, seit langen Jahren bin ich nun Thespesius."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1360,"orig":"“ — „Zwei Namen trugſt du?“ — „Beide Namen, Eukrates.","norm":"“ — „Zwei Namen trugst du?“ — „Beide Namen, Eukrates."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1361,"orig":"Hör' an!","norm":"Höre an!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1362,"orig":"Ein Jüngling, peitſcht' ich raſend das Geſpann.","norm":"Ein Jüngling, peitschte ich rasend das Gespann."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1363,"orig":"Die Roſſe flogen.","norm":"Die Rosse flogen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1364,"orig":"Becher, Buhlen, Würfelſpiel, Wuth, Zorn, vergoſſen Blut — verklagend Blut!","norm":"Becher, Buhlen, Würfelspiel, Wut, Zorn, vergossen Blut — verklagend Blut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1365,"orig":"Dem ich entfloh, die Eumeniden hinter mir — Sie folgten meiner raſchen Füße ſchnellſtem Lauf, Ich warf mich in den Fluß, ſie ſprangen jauchzend nach Und hoben ſchwimmend ihrer Fackeln düſtre Glut.","norm":"Dem ich entfloh, die Eumeniden hinter mir — Sie folgten meiner raschen Füße schnellstem Lauf, Ich warf mich in den Fluss, sie sprangen jauchzend nach Und hoben schwimmend ihrer Fackeln düstre Glut."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1366,"orig":"Ich klomm bergan — verirrt ſtürzt' ich von einer Wand — Die Sinne ſchwanden mir.","norm":"Ich klomm bergan — verirrt stürzte ich von einer Wand — die Sinne schwanden mir."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1367,"orig":"Dann lebt' ich wieder — war's Im Traum?","norm":"Dann lebte ich wieder — war es im Traum?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1368,"orig":"— und ſchritt auf einem weichen Wieſengrün, Wo Sel'ge — ſolche ſchienen ſie — luſtwandelten In ſtill bewegten Schaaren.","norm":"— und schritt auf einem weichen Wiesengrün, wo selige — solche schienen sie — lustwandelten in still bewegten Scharen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1369,"orig":"Kränze trugen ſie.","norm":"Kränze trugen sie."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1370,"orig":"Den Einen kannt' ich wohl und ward von ihm erkannt:","norm":"Den Einen kannte ich wohl und wurde von ihm erkannt:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1371,"orig":"Mein Blutsverwandter, welcher jüngſt geſchwunden war Aus dieſer Erde Staub nach einem reinen Lauf.","norm":"Mein Blutsverwandter, welcher jüngst geschwunden war aus dieser Erde Staub nach einem reinen Lauf."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1372,"orig":"Der ſprach mich an: „Ich grüße dich, Theſpeſius!“ Wozu der neue Name, wunderſamer Ohm?","norm":"Der sprach mich an: „Ich grüße dich, Thespesius!“ Wozu der neue Name, wundersamer Ohm?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1373,"orig":"Wie nennſt du mich?","norm":"Wie nennst du mich?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1374,"orig":"Dein Aridaeus bin ich ja!“ Die Locken ſchüttelt' leis er, die ambroſiſchen: „Und abermals, ich grüße dich, Theſpeſiuſ!“ — Jetzt wacht' ich wirklich auf.","norm":"Dein Aridaeus bin ich ja!“ Die Locken schüttelte leis er, die ambrosischen: „Und abermals, Ich grüße dich, Thespesius!“ — Jetzt wachte ich wirklich auf."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1375,"orig":"Am Hange lag Ich blutbedeckt, von gier'gen Raben ſchon umſchwärmt — Was mehr?","norm":"Am Hange lag Ich blutbefleckt, von gierigen Raben schon umschwärmt — was mehr?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1376,"orig":"Ich ward ein Andrer.","norm":"Ich wurde ein Anderer."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1377,"orig":"Nicht mit kleinem Kampf!","norm":"Nicht mit kleinem Kampf!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1378,"orig":"Der Kampf iſt groß!","norm":"Der Kampf ist groß!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1379,"orig":"Mein neuer Name ſtärkte mich, Der makelloſe, der ſo rein und göttlich klang!","norm":"Mein neuer Name stärkte mich, der makellose, der so rein und göttlich klang!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1380,"orig":"Hab' gute Fahrt!“ — „Fahr' wohl auch du, Theſpeſius!“","norm":"Habe gute Fahrt!“ — „Fahr wohl auch du, Thespesius!“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1381,"orig":"Weiße Marmorſtufen ſteigen Durch der Gärten laub'ge Nacht, Schlanke Palmenfächer neigen In des Himmels blaue Pracht.","norm":"Weiße Marmorstufen steigen durch der Gärten laubige Nacht, schlanke Palmenfächer neigen in des Himmels blaue Pracht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1382,"orig":"Ueber Tempeln, Hainen, Grüften Zecht in abendweichen Lüften Alexander's Lieblingsſchaar;","norm":"Über Tempeln, Hainen, Grüften zecht in abendweichen Lüften Alexanders Lieblingsschar;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1383,"orig":"Daß der Erde Herr ſich labe, Bietet ihm ein ſchöner Knabe Wein in goldner Schaale dar.","norm":"Dass der Erde Herr sich labe, bietet ihm ein schöner Knabe Wein in goldener Schale dar."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1384,"orig":"Kleitos neben Philipp's Sohne Furcht die Stirne kummervoll, Der benarbte Macedone Schlürft im Weine Zorn und Groll:","norm":"Kleitos neben Philipps Sohne Furcht die Stirn kummervoll, der benarbte Mazedonier schlürft im Weine Zorn und Groll:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1385,"orig":"Er gedenkt der Heergenoſſen, Die die erſte Phalanx ſchloſſen In den Bergen kühl und fern — Seinen dunkeln Muth zu kränken Lüſtet es den jungen Schenken Lagernd an dem Knie des Herrn.","norm":"Er gedenkt der Heergenossen, die die erste Phalanx schlossen in den Bergen kühl und fern — seinen dunkeln Mut zu kränken Lüstet es den jungen Schenken lagernd an dem Knie des Herrn."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1386,"orig":"Die erhabne Stirn und Braue Träumt den Zug ins Inderland, Lauſchend lieſt den Traum das ſchlaue Kind, den Blick emporgewandt: „Bacchus biſt du, der belaubte, Mit dem ſchwärmeriſchen Haupte, Der ins Land der Sonne zieht!","norm":"Die erhabene Stirn und Braue träumt den Zug ins Inderland, lauschend liest den Traum das schlaue Kind, den Blick emporgewandt: „Bacchus bist du, der belaubte, mit dem schwärmerischen Haupte, der ins Land der Sonne zieht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1387,"orig":"Ohne Heer kannſt du bezwingen, Nur den Thyrſus darfſt du ſchwingen, Winke nur und Indien kniet!“ Finſter grollt der tapfre Streiter: „Durch der Wüſte heißen Sand?","norm":"Ohne Heer kannst du bezwingen, nur den Thyrsus darfst du schwingen, Winke nur und Indien kniet!“ Finster grollt der tapfere Streiter: „Durch der Wüste heißen Sand?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1388,"orig":"Immer ferner, immer weiter?","norm":"Immer ferner, immer weiter?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1389,"orig":"Nach des Indus Fabelſtrand?","norm":"Nach des Indus Fabelstrand?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1390,"orig":"Zum Schein und Spott?","norm":"Zum Schein und Spott?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1391,"orig":"Lebende kannſt du belohnen, Deine todten Macedonen, Wecke ſie, biſt du ein Gott!“ — „Welchen dampfenden Altares Freuſt du auf der Erde dich?","norm":"Lebende kannst du belohnen, Deine toten Mazedonen, Wecke sie, bist du ein Gott!“ — „Welchen dampfenden Altares freust du auf der Erde dich?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1392,"orig":"Biſt du die Gewalt des Ares, Helmumflattert, fürchterlich?","norm":"Bist du die Gewalt des Ares, Helmumflattert, fürchterlich?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1393,"orig":"Herr, bevor den niedern Thalen Du dich nahteſt ohne Strahlen, Welches war dein himmliſch Amt?","norm":"Herr, bevor den niederen Tälern Du Dich nahtest ohne Strahlen, welches war dein himmlisch Amt?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1394,"orig":"Biſt du Zeus?","norm":"Bist du Zeus?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1395,"orig":"Biſt du ein Andrer?","norm":"Bist du ein Anderer?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1396,"orig":"Biſt du Helios, der Wandrer, Deſſen Stirne ſonnig flammt?“ — Traulich neigt der graue Fechter Sich zum Ohr des Gottes hin, Mit unſeligem Gelächter Rührt er an der Schulter ihn: „Gaſt des Himmels, merklich ſinken Haupt und Schulter dir zur Linken, Laſtet dir der Erde Raub?","norm":"Bist du Helios, der Wanderer, dessen Stirn sonnig flammt?“ — Traulich neigt der graue Fechter sich zum Ohr des Gottes hin, mit unseligem Gelächter rührt er an der Schulter ihn: „Gast des Himmels, merklich sinken Haupt und Schulter dir zur Linken, lastet dir der Erde Raub?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1397,"orig":"Macht der Knabe dich zum Gotte, Dein Gebrechen ſchreit mit Spotte:","norm":"Macht der Knabe dich zum Gotte, Dein Gebrechen schreit mit Spotte:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1398,"orig":"Eines Gottes Rachewut!","norm":"Eines Gottes Rachewut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1399,"orig":"Gebreitete flehende Arme!","norm":"Gebreitete flehende Arme!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1400,"orig":"Murmeln und ſchallender Ruf!","norm":"Murmeln und schallender Ruf!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1401,"orig":"Knieende Mädchen und Fraun!","norm":"Kniende Mädchen und Frauen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1402,"orig":"„Götter, beflügelt den Boten!","norm":"„Götter, beflügelt den Boten!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1403,"orig":"Entſcheidung!","norm":"Entscheidung!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1404,"orig":"Lieber als Bangniß!","norm":"Lieber als Bangnis!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1405,"orig":"Seit ſich die Sonne erhob, ringen die Stadt und Tarquin.","norm":"Seit sich die Sonne erhob, ringen die Stadt und Tarquin."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1406,"orig":"Siehe, die Sonne verſinkt!","norm":"Siehe, die Sonne versinkt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1407,"orig":"Mitkämpfer, Caſtor und Pollux!","norm":"Mitkämpfer, Castor und Pollux!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1408,"orig":"Denkt der verlaſſenen Fraun!","norm":"Denkt der verlassenen Frauen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1409,"orig":"Sendet den Boten geſchwind!“ Horch!","norm":"Sendet den Boten geschwind!“ Horch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1410,"orig":"Achthufig Geklirr bergan!","norm":"Achthufig Geklirr bergan!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1411,"orig":"Zwei reiſige Reiter!","norm":"Zwei riesige Reiter!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1412,"orig":"Schon am heiligen Quell ſpülen die Waffen ſie rein.","norm":"Schon am heiligen Quell spülen die Waffen sie rein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1413,"orig":"Dann, zwei gewaltige Jünglinge, ſtehn auf der ragenden Burg ſie, Gegen die ſchauernden Fraun hat ſich der eine gekehrt: „Freude, knoſpendes Mädchen!","norm":"Dann, zwei gewaltige Jünglinge, stehen auf der ragenden Burg sie, gegen die schauernden Frauen hat sich der eine gekehrt: „Freude, knospendes Mädchen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1414,"orig":"Entſchloſſene Römerin, Freude!","norm":"Entschlossene Römerin, Freude!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1415,"orig":"Herrlicher Sieg iſt erkämpft!","norm":"Herrlicher Sieg ist erkämpft!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1416,"orig":"Geht ihr entgegen dem Heer?“ Einer ſpricht's und der Andere lauſcht, zu dem Bruder gewendet.","norm":"Geht ihr entgegen dem Heer?“ Einer spricht es und der Andere lauscht, zu dem Bruder gewendet."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1417,"orig":"Jetzt in das bleichende Licht ſpringen die Roſſe empor.","norm":"Jetzt in das bleichende Licht springen die Rosse empor."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1418,"orig":"Einer der Jünglinge ſchwindet im Abend, es ſchwindet der andre, Denn wie ein liebendes Paar laſſen die Brüder ſich nicht.","norm":"Einer der Jünglinge schwindet im Abend, es schwindet der andere, denn wie ein liebendes Paar lassen die Brüder sich nicht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1419,"orig":"Ueber der römiſchen Feſte gewaltigem dunkelndem Umriß Hebt ſich in dämmernder Nacht ſeliges Doppelgeſtirn.","norm":"Über der römischen Feste gewaltigem dunkelndem Umriss hebt sich in dämmernder Nacht seliges Doppelgestirn."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1420,"orig":"In der Wiege ſchlummert ein ſchönes Römerkind, Die Parze ſitzt daneben und ſpinnt und ſpinnt.","norm":"In der Wiege schlummert ein schönes Römerkind, die Parze sitzt daneben und spinnt und spinnt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1421,"orig":"Sonſt ſchweigt ſie ſtreng.","norm":"Sonst schweigt sie streng."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1422,"orig":"Iſt die lauſchende Mutter fort, So ſingt die Parze murmelnd ein dunkles Wort:","norm":"Ist die lauschende Mutter fort, so singt die Parze murmelnd ein dunkles Wort:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1423,"orig":"Jetzt liegſt du, Kindlein, noch in der Traumesruh.","norm":"Jetzt liegst du, Kindlein, noch in der Traumruhe."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1424,"orig":"Bald, kleine Claudia, ſpinneſt am Rocken du — Du wachſeſt raſch und entwächſt den Kleidlein bald!","norm":"Bald, kleine Claudia, spinnest am Rocken du — Du wachsest rasch und entwächst den Kleidlein bald!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1425,"orig":"Du wachſeſt ſchlank!","norm":"Du wachsest schlank!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1426,"orig":"Du wirſt eine Wohlgeſtalt!","norm":"Du wirst eine Wohlgestalt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1427,"orig":"Die Fackel lodert und wirft einen grellen Schein, Sie kleiden dich mit dem Hochzeitsſchleier ein!","norm":"Die Fackel lodert und wirft einen grellen Schein, Sie kleiden dich mit dem Hochzeitsschleier ein!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1428,"orig":"Die Knaben hüpfen empor am Feſtgelag Und ſcherzen ausgelaſſen zum ernſten Tag.","norm":"Die Knaben hüpfen empor am Festgelage und scherzen ausgelassen zum ernsten Tag."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1429,"orig":"Eine Herrin wandelt in ihrem eignen Raum, Und ihre Mägd' und die Sklaven athmen kaum.","norm":"Eine Herrin wandelt in ihrem eigenen Raum, und ihre Mägde und die Sklaven atmen kaum."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1430,"orig":"Ihr ziemt daß all die Hände geflügelt ſind.","norm":"Ihr ziemt dass all die Hände geflügelt sind."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1431,"orig":"Ihr ziemt daß all die Lippen gezügelt ſind.","norm":"Ihr ziemt dass all die Lippen gezügelt sind."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1432,"orig":"Die blühenden Horen ſchwingen im Reigen ſich:","norm":"Die blühenden Horen schwingen im Reigen sich:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1433,"orig":"Dir ward ein Knabe, Julier, freue dich!","norm":"Dir wurde ein Knabe, Julier, freue dich!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1434,"orig":"Doch wann die Freude ſchwebt und die Flöte ſchallt, Dann — ſagt die Parze — kommt der Jammer bald.","norm":"Doch wann die Freude schwebt und die Flöte schallt, dann — sagt die Parze — kommt der Jammer bald."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1435,"orig":"Der Tiber flutet und überſchwemmt den Strand, Das bleiche Fieber ſteigt empor ans Land, Der Rufer ruft's und kündet's von Haus zu Haus: „Vernehmt!","norm":"Der Tiber flutet und überschwemmt den Strand, das bleiche Fieber steigt empor ans Land, der Rufer ruft es und kündet es von Haus zu Haus: „Vernehmt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1436,"orig":"Den Julier tragen ſie heut hinaus!“ Jetzt, kleine Claudia, trägſt du unträglich Leid!","norm":"Den Julier tragen sie heute hinaus!“ Jetzt, kleine Claudia, trägst du unträglich Leid!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1437,"orig":"In ſtrenge Falten legſt du dein Wittwenkleid — Dein Römerknabe ſpringt dir behend vom Schooß Und grüßt dich helmumflattert herab vom Roß ...","norm":"In strenge Falten legst du dein Witwenkleid — Dein Römerknabe springt dir behände vom Schoß und grüßt dich helmumflattert herab vom Ross ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1438,"orig":"Die Tuben rufen Schlacht und ſie rufen Sieg ...","norm":"Die Tuben rufen Schlacht und sie rufen Sieg ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1439,"orig":"Da naht's.","norm":"Da naht es."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1440,"orig":"Da kommt's, was empor die Stufen ſtieg:","norm":"Da kommt es, was empor die Stufen stieg:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1441,"orig":"Vier Männer und die Bahre, Claudia, ſind's Mit der bekränzten Leiche deines Kinds!","norm":"Vier Männer und die Bahre, Claudia, sind es mit der bekränzten Leiche deines Kinds!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1442,"orig":"Jetzt, kleine Claudia, biſt du zu Tode wund“ — Das Kindlein lächelt.","norm":"Jetzt, kleine Claudia, bist du zu Tode wund“ — das Kindlein lächelt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1443,"orig":"Es klirrt ein Schlüſſelbund.","norm":"Es klirrt ein Schlüsselbund."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1444,"orig":"Die Mutter tritt beſorgt in die Kammer ein Und die Parze bleicht im goldenen Morgenſchein.","norm":"Die Mutter tritt besorgt in die Kammer ein Und die Parze bleicht im goldenen Morgenschein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1445,"orig":"Greif' aus, du mein junges, mein feuriges Thier!","norm":"Greife aus, du mein junges, mein feuriges Tier!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1446,"orig":"Noch einmal verwachs' ich centauriſch mit dir!","norm":"Noch einmal verwachse ich zentaurisch mit dir!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1447,"orig":"Umſchmettert mich, Tuben!","norm":"Umschmettert mich, Tuben!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1448,"orig":"Erhebet den Ton!","norm":"Erhebet den Ton!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1449,"orig":"Den Latiner beſiegte des Manlius Sohn!","norm":"Den Latiner besiegte des Manlius Sohn!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1450,"orig":"Voran die Trophä'n!","norm":"Voran die Trophäen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1451,"orig":"Der latiniſche Speer!","norm":"Der latinische Speer!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1452,"orig":"Der eroberte Helm!","norm":"Der eroberte Helm!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1453,"orig":"Die erbeutete Wehr!","norm":"Die erbeutete Wehr!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1454,"orig":"Duell iſt bei Strafe des Beiles verpönt ...","norm":"Duell ist bei Strafe des Beiles verpönt ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1455,"orig":"Doch er liegt der die römiſche Wölfin gehöhnt!","norm":"Doch er liegt der die römische Wölfin gehöhnt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1456,"orig":"Lictoren, erfüllet des Vaters Gebot!","norm":"Liktoren, erfüllet des Vaters Gebot!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1457,"orig":"Ich beſitze den Kranz und verdiene den Tod — Bevor es ſich rollend im Sande beſtaubt, Erheb' ich in ewigem Jubel das Haupt!“","norm":"Ich besitze den Kranz und verdiene den Tod — bevor es sich rollend im Sande bestaubt, Erheb ich in ewigem Jubel das Haupt!“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1458,"orig":"Die Einen liegen todt mit ihren Wunden, Die Andern treiben wir daher gebunden — Den Römeraar der Zwillingslegion, Der eingegarnten Wölfin ſcharfen Biſſen Im Männerkampf, im Roßgeſtampf entriſſen, Schwingt Divico, der Berge Sohn!“ Weit blaut die Seeflut.","norm":"Die Einen liegen tot mit ihren Wunden, die Anderen treiben wir daher gebunden — den Römeraar der Zwillingslegion, der eingegarnten Wölfin scharfen Bissen im Männerkampf, im Roßgestampf entrissen, schwingt Divico, der Berge Sohn!“ Weit blaut die Seeflut."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1459,"orig":"Scheltend jagen Treiber Am Ufer einen Haufen Menſchenleiber, Die nackte Schmach umjauchzt Triumphgeſang, Ein Jüngling kreiſt auf einem falben Pferde Um die zu Zwei'n gepaarte Römerheerde Die Krümmen des Geſtads entlang.","norm":"Scheltend jagen Treiber am Ufer einen Haufen Menschenleiber, die nackte Schmach umjauchzt Triumphgesang, ein Jüngling kreist auf einem falben Pferde um die zu Zwei gepaarte Römerherde die Krümmen des Gestades entlang."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1460,"orig":"Er knickt den Aar mit einem ſtolzen Schreie, Er ſchickt den Ruf zur nahen Firnenreihe — Die Grät' und Wände blicken groß und bleich — „Hebt, Ahnen, euch vom Silberſitz, zu ſchauen Die Pforte, die wir für den Räuber bauen, Der ſich verſtieg in euer Reich!","norm":"Er knickt den Aar mit einem stolzen Schreie, er schickt den Ruf zur nahen Firnenreihe — die Gräte und Wände blicken groß und bleich — „Hebt, Ahnen, euch vom Silbersitz, zu schauen die Pforte, die wir für den Räuber bauen, der sich verstieg in euer Reich!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1461,"orig":"Wir bauen nicht mit Mörtel noch mit Steinen, Zwei Speere pflanzt!","norm":"Wir bauen nicht mit Mörtel noch mit Steinen, Zwei Speere pflanzt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1462,"orig":"Querüber bindet einen!","norm":"Querüber bindet einen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1463,"orig":"Zwei Römerköpfe drauf!","norm":"Zwei Römerköpfe drauf!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1464,"orig":"Es iſt gethan!“ — Das Joch umſtehn verwogne Kriegsgeſellen Mit Auerhörnern und mit Bärenfellen Und ſchauen ſich das Bauwerk an!","norm":"Es ist getan!“ — Das Joch umstehn verwogene Kriegsgesellen mit Auerhörnern und mit Bärenfellen und schauen sich das Bauwerk an!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1465,"orig":"Die Hörner dröhnen.","norm":"Die Hörner dröhnen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1466,"orig":"Zu der blut'gen Pforte Strömt her das Volk aus jedem Thal und Orte, Groß wundert ſich am Joch die Kinderſchaar, Ein Mädelreigen ſpringt in heller Freude Um das von Schande triefende Gebäude, Den blüh'nden Veilchenkranz im Haar.","norm":"Zu der blutigen Pforte strömt her das Volk aus jedem Tal und Orte, groß wundert sich am Joch die Kinderschar, ein Mädelreigen springt in heller Freude um das von Schande triefende Gebäude, den blühenden Veilchenkranz im Haar."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1467,"orig":"Der Manlierſtirn verzogne Brauen grollen, Des Claudierkopfs erhitzte Augen rollen — Der Hirtenknabe geißelt wie ein Rind Den Brutusenkel.","norm":"Der Manlierstirn verzogene Brauen grollen, des Claudierkopfs erhitzte Augen rollen — der Hirtenknabe geißelt wie ein Rind den Brutusenkel."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1468,"orig":"Sich durchs Joch zu bücken, Krümmt jetzt das erſte Römerpaar den Rücken Und gellend lacht das Alpenkind.","norm":"Sich durchs Joch zu bücken, krümmt jetzt das erste Römerpaar den Rücken und gellendes lacht das Alpenkind."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1469,"orig":"Mit ſtarren Zügen blickt, als ob er ſpotte, Ein Felſenblock, der eigen iſt dem Gotte, Drauf hoch des Landes Prieſterinnen ſtehn:","norm":"Mit starren Zügen blickt, als ob er spotte, ein Felsenblock, der eigen ist dem Gotte, drauf hoch des Landes Priesterinnen stehen:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1470,"orig":"Ein hell Geſchöpf in ſonnenlichten Flechten Und eine Drude mit geballter Rechten Und rabenſchwarzer Haare Wehn.","norm":"Ein hell Geschöpf in sonnenlichten Flechten und eine Drude mit geballter Rechten und rabenschwarzer Haare Wehn."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1471,"orig":"Die Dunkle höhnt: „Geht, Römer!","norm":"Die Dunkle höhnt: „Geht, Römer!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1472,"orig":"Schneidet Stecken!","norm":"Schneidet Stecken!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1473,"orig":"Wir rüſten euch zur Fahrt mit Bettelſäcken!","norm":"Wir rüsten euch zur Fahrt mit Bettelsäcken!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1474,"orig":"Euch peitſch' ein wildes Wetter durch die Schlucht!","norm":"Euch peitsch ein wildes Wetter durch die Schlucht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1475,"orig":"Verflucht der Steg, darüber ihr gekommen, Und wen ihr euch zum Führer habt genommen, Er ſei am ganzen Leib verflucht!“ Die Lichte fleht: „Du blitzeſt in den Lüften, Umſchwebſt die Spitzen, niſteſt in den Klüften!","norm":"Verflucht der Steg, darüber ihr gekommen, und wen ihr euch zum Führer habt genommen, er sei am ganzen Leib verflucht!“ Die Lichte fleht: „Du blitzest in den Lüften, Umschwebst die Spitzen, nistest in den Klüften!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1476,"orig":"Behüte, Geiſt der Firn', uns lange noch!“ Die Zweie ſingen ſtarke Zauberlieder — Ein Geier hangt im Blau und ſtößt danieder Und ſetzt ſich ſchreiend auf das Joch.","norm":"Behüte, Geist der Firne, uns lange noch!“ Die Zweie singen starke Zauberlieder — ein Geier hangt im Blau und stößt danieder und setzt sich schreiend auf das Joch."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1477,"orig":"Durch den dreigetheilten Bogen, Des Triumphes prangend Thor, Durch die lauten Menſchenwogen Dort zum Capitol empor Lenkt den Tanz der weißen Pferde Cäſar's läſſige Geberde.","norm":"Durch den dreigeteilten Bogen, des Triumphes prangend Tor, durch die lauten Menschenwogen dort zum Kapitol empor lenkt den Tanz der weißen Pferde Cäsars lässige Gebärde."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1478,"orig":"Hinter des Triumphes Wagen Duldend oder grollend gehn Ueberwundne.","norm":"Hinter des Triumphes Wagen duldend oder grollend gehen Überwundene."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1479,"orig":"Ketten tragen Cäſar's lebende Trophä'n.","norm":"Ketten tragen Cäsars lebende Trophäen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1480,"orig":"„Dieſer!“ höhnt es im Gedränge, Dieſer Trotz'ge!“ ziſcht die Menge.","norm":"„Dieser!“ höhnt es im Gedränge, dieser trotzige!“ zischt die Menge."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1481,"orig":"Unberührt vom Hohn der Stunde, Starren, traumgefüllten Blicks, Geht, ein Singen auf dem Munde, Ruhig Vexcingetorix — Fremde Weiſe, fremde Worte, Mit dem Geiſt an fremdem Orte: „Cäſar, blendend weiße Roſſe Hat Hiſpanien dir gebracht!","norm":"Unberührt vom Hohn der Stunde, Starren, traumgefüllten Blicks, Geht, ein Singen auf dem Munde, ruhig Vercingetorix — Fremde Weise, fremde Worte, mit dem Geist an fremdem Orte: „Cäsar, blendend weiße Rosse hat Hispanien dir gebracht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1482,"orig":"Ellid, edler Ahnen Sproſſe, Dunkel iſt er wie die Nacht — Deine Schimmel, deine viere, Tauſcht' ich nicht mit meinem Thiere ...","norm":"Ellid, edler Ahnen Sprosse, Dunkel ist er wie die Nacht — Deine Schimmel, deine viere, tauschte ich nicht mit meinem Tiere ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1483,"orig":"Ellid heißt der wackre Jager Stark von Wuchs und feſt im Bug, Welcher mich ins Römerlager Mit gewalt'gen Sprüngen trug ...","norm":"Ellid heißt der wackere Jager Stark von Wuchs und fest im Bug, welcher mich ins Römerlager mit gewaltigen Sprüngen trug ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1484,"orig":"Der zum Opfer ich gegeben Mich für meines Volkes Leben!","norm":"Der zum Opfer ich gegeben Mich für meines Volkes Leben!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1485,"orig":"Dreimal flog ich um im Kreiſe, In der Fauſt des Schwertes Blitz, Noch im Lauf, nach Gallier Weiſe, Sprang ich ab vor Cäſar's Sitz ...","norm":"Dreimal flog ich um im Kreise, in der Faust des Schwertes Blitz, noch im Lauf, nach Gallier Weise, sprang ich ab vor Cäsars Sitz ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1486,"orig":"Ellid ſchickt' ich zu den Todten Mir voran als meinen Boten!","norm":"Ellid schickte ich zu den Toten Mir voran als meinen Boten!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1487,"orig":"Wie er mir ins Antlitz ſchnaubte, Stieß ich, Blick verſenkt in Blick, Hinter ſeinem mächt'gen Haupte Stracks das Schwert ihm durchs Genick ...","norm":"Wie er mir ins Antlitz schnaubte, stieß ich, Blick versenkt in Blick, hinter seinem mächtigen Haupte Stracks das Schwert ihm durchs Genick ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1488,"orig":"Daß mir eines Roſſes Ehre Mangle nicht im Geiſterheere.","norm":"Dass mir eines Rosses Ehre Mangle nicht im Geisterheere."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1489,"orig":"Ellid ſprengt ſeit langen Jahren Mitten in der bleichen Jagd, Wann daheim die Todten fahren Durch die Wälder, bis es tagt ...","norm":"Ellid sprengt seit langen Jahren Mitten in der bleichen Jagd, wann daheim die Toten fahren durch die Wälder, bis es tagt ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1490,"orig":"Sehn ſie meinen led'gen Renner, Wundern ſich die ſtillen Männer ...","norm":"Sehen sie meinen ledigen Renner, Wundern sich die stillen Männer ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1491,"orig":"Lange Jahre lag gebunden Ich in feuchter Kerkergruft — Kettenſchwere, dumpfe Stunden — Endlich wieder Tag und Luft — Ellid, ſchwarzer Ellid, ſpute Dich!","norm":"Lange Jahre lag gebunden Ich in feuchter Kerkergruft — Kettenschwere, dumpfe Stunden — Endlich wieder Tag und Luft — Ellid, schwarzer Ellid, spute Dich!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1492,"orig":"Du witterſt, wo ich blute!","norm":"Du witterst, wo ich blute!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1493,"orig":"Heute endlich!","norm":"Heute endlich!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1494,"orig":"Endlich heute!","norm":"Endlich heute!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1495,"orig":"Wann der Kahle ſchwelgt am Mahl, Würgt er ſeine Siegesbeute Mit dem letzten müden Strahl ...","norm":"Wann der Kahle schwelgt am Mahl, würgt er seine Siegesbeute mit dem letzten müden Strahl ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1496,"orig":"Wann die Sonne niedergleitet, Wird mir Block und Beil bereitet.","norm":"Wann die Sonne niedergleitet, wird mir Block und Beil bereitet."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1497,"orig":"Henker, nimm das Beil zu Händen!","norm":"Henker, nimm das Beil zu Händen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1498,"orig":"Nicht das Beil?","norm":"Nicht das Beil?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1499,"orig":"...","norm":"..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1500,"orig":"So nimm den Strang!","norm":"So nimm den Strang!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1501,"orig":"Droßle mich!","norm":"Drossle mich!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1502,"orig":"Nur enden, enden!","norm":"Nur enden, enden!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1503,"orig":"Letzte Schmach!","norm":"Letzte Schmach!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1504,"orig":"Sie währt nicht lang ...","norm":"Sie währt nicht lang ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1505,"orig":"Ellid's kurzes Hufgeſtampfe Hör' ich nahn im Todeskampfe!","norm":"Ellids kurzes Hufgestampfe Höre ich nahen im Todeskampfe!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1506,"orig":"Sterbend pack' ich Ellid's Haare, Ein Befreiter ſpring' ich auf, Fahre, ſchwarzer Ellid, fahre!","norm":"Sterbend packe ich Ellids Haare, ein Befreiter spring ich auf, Fahre, schwarzer Ellid, fahre!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1507,"orig":"Nach der Heimat nimm den Lauf!","norm":"Nach der Heimat nimm den Lauf!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1508,"orig":"Wogen toſen!","norm":"Wogen tosen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1509,"orig":"Rhodan's Stimme!","norm":"Rhodans Stimme!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1510,"orig":"In den Strom, mein Thier, und ſchwimme!“ Cäſar's Schimmel blähn die Nüſtern.","norm":"In den Strom, mein Tier, und schwimme!“ Cäsars Schimmel blähen die Nüstern."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1511,"orig":"„Ave Triumphator!“ ſchallt.","norm":"„Ave Triumphator!“ schallt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1512,"orig":"Des Gebundnen Lippen flüſtern: „In der Heimath bin ich bald!","norm":"Des gebundenen Lippen flüstern: „In der Heimat bin ich bald!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1513,"orig":"Ellid mit geſtrecktem Jagen Wird mich nach der Heimath tragen!“","norm":"Ellid mit gestrecktem Jagen wird mich nach der Heimat tragen!“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1514,"orig":"Der Gallier letzte Burg und Stadt erlag Nach einem letzten durchgekämpften Tag Und Julius Cäſar tritt in ihren Hain, In ihren ſtillen Göttertempel ein.","norm":"Der Gallier letzte Burg und Stadt erlag nach einem letzten durchgekämpften Tag und Julius Cäsar tritt in ihren Hain, in ihren stillen Göttertempel ein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1515,"orig":"Die Weihgeſchenke ſieht gehäuft er dort, Von Gold und Silber manchen lichten Hort Und edeln Raub.","norm":"Die Weihgeschenke sieht gehäuft er dort, von Gold und Silber manchen lichten Hort und edlen Raub."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1516,"orig":"Doch über Hort und Schatz Hangt ein erbeutet Schwert am Ehrenplatz.","norm":"Doch über Hort und Schatz Hangt ein erbeutet Schwert am Ehrenplatz."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1517,"orig":"Es iſt die Römerklinge kurz und ſchlicht — Des Juliers ſcharfer Blick verläßt ſie nicht, Er haftet auf der Waffe wie gebannt, Sie däucht dem Sieger wunderlich bekannt!","norm":"Es ist die Römerklinge kurz und schlicht — des Juliers scharfer Blick verlässt sie nicht, er haftet auf der Waffe wie gebannt, Sie dünkt dem Sieger wunderlich bekannt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1518,"orig":"Mit einem Lächeln deutet er empor: „Ein armer Fechter der ſein Schwert verlor!“ Da ruft ein junger Gallier aufgebracht: „Du ſelbſt verloreſt's im Gedräng der Schlacht!“ Mit zorn'ger Fauſt ergreift's ein Legionar — „Nein, tapfrer Strabo, laß es dem Altar!","norm":"Mit einem Lächeln deutet er empor: „Ein armer Fechter der sein Schwert verlor!“ Da ruft ein junger Gallier aufgebracht: „Du selbst verlorst es im Gedränge der Schlacht!“ Mit zorniger Faust ergreift es ein Legionar — „Nein, tapferer Strabo, lass es dem Altar!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1519,"orig":"Verloren ging's in ſteilem Siegeslauf Und heißem Ringen.","norm":"Verloren ging es in steilem Siegeslauf und heißem Ringen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1520,"orig":"Götter hoben's auf.","norm":"Götter hoben es auf."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1521,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1522,"orig":"Waldnacht.","norm":"Waldnacht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1523,"orig":"Urmächt'ge Eichen, unter die Des Blitzes greller Strahl geleuchtet nie!","norm":"Urmächtige Eichen, unter die des Blitzes greller Strahl geleuchtet nie!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1524,"orig":"Dämmernde Wölbung, Aſt in Aſt verwebt, Von keines Vogels Luſtgeſchrei belebt!","norm":"Dämmernde Wölbung, Ast in Ast verwebt, von keines Vogels Lustgeschrei belebt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1525,"orig":"Ein brütend Schweigen, nie vom Sturm geſtört, Ein heilig Dunkel, das dem Gott gehört, Darin, umblinkt von Schädel und Gebein, Sich ungewiß erhebt ein Opferſtein ...","norm":"Ein brütend Schweigen, nie vom Sturm gestört, ein heilig Dunkel, das dem Gott gehört, darin, umblinkt von Schädel und Gebein, sich ungewiss erhebt ein Opferstein ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1526,"orig":"Es rauſcht.","norm":"Es rauscht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1527,"orig":"Es raſchelt.","norm":"Es raschelt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1528,"orig":"Schritte durch den Wald!","norm":"Schritte durch den Wald!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1529,"orig":"Das kurze römiſche Commando ſchallt.","norm":"Das kurze römische Kommando schallt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1530,"orig":"Geleucht von Helmen!","norm":"Geleuchte von Helmen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1531,"orig":"Eine reiſ'ge Schaar!","norm":"Eine reisige Schaar!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1532,"orig":"Vorauf ein Gallier und ein Legionar: „Die Stämme können dienen.","norm":"Vorauf ein Gallier und ein Legionar: „Die Stämme können dienen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1533,"orig":"Beil in Schwung!","norm":"Beil in Schwung!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1534,"orig":"Cäſar braucht Widder zur Belagerung!“ Erbleichend ſpricht der Gallier ein Gebet, Den Römer auch ergreift die Majeſtät Des Orts, doch hebt gehorchend er die Axt — Der Gallier flüſtert: „Weißt du was du wagſt?","norm":"Cäsar braucht Widder zur Belagerung!“ Erbleichend spricht der Gallier ein Gebet, den Römer auch ergreift die Majestät des Orts, doch hebt gehorchend er die Axt — der Gallier flüstert: „Weißt du was du wagst?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1535,"orig":"Die Stämme — dieſe Rieſen — ſind gefeit, Hier wohnt ein mächt'ger Gott ſeit alter Zeit, In deſſen Nähe nur der Prieſter tritt, Ein todtenblaſſes Opfer ſchleppt er mit.","norm":"Die Stämme — diese Riesen — sind gefeit, hier wohnt ein mächtiger Gott seit alter Zeit, in dessen Nähe nur der Priester tritt, ein totenblasses Opfer schleppt er mit."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1536,"orig":"Verſehrteſt nur ein Blatt du freventlich, Stracks kehrte ſich die Waffe wider dich!“...","norm":"Versehrtest nur ein Blatt du freventlich, Stracks kehrte sich die Waffe wider dich!“..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1537,"orig":"Die heil'gen Eichen drohen Baum an Baum, Die Römer lauſchen bang und athmen kaum, Schwer, ſchwerer wird der Hand des Beiles Wucht Und ihr entſinkt's.","norm":"Die heiligen Eichen drohen Baum an Baum, die Römer lauschen bang und atmen kaum, schwer, schwerer wird der Hand des Beiles Wucht und ihr entsinkt es."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1538,"orig":"Sie ſtürzen auf die Flucht.","norm":"Sie stürzen auf die Flucht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1539,"orig":"„Steht!“ Und ſie ſtehn.","norm":"„Steht!“ Und sie stehen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1540,"orig":"Denn es iſt Cäſar's Ruf, Der ſie durch ſtrenge Zucht zu Männern ſchuf!","norm":"Denn es ist Cäsars Ruf, der sie durch strenge Zucht zu Männern schuf!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1541,"orig":"Er iſt bei ſeiner Schaar.","norm":"Er ist bei seiner Schar."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1542,"orig":"Er deutet hin Auf eine Eiche.","norm":"Er deutet hin auf eine Eiche."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1543,"orig":"Sie umſchlingen ihn, Sie decken ihn wie im Gedräng der Schlacht, Sie flehn.","norm":"Sie umschlingen ihn, Sie decken ihn wie im Gedränge der Schlacht, Sie flehen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1544,"orig":"Er ringt.","norm":"Er ringt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1545,"orig":"Er hat ſich losgemacht, Er ſchreitet vor.","norm":"Er hat sich losgemacht, er schreitet vor."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1546,"orig":"Sie folgen.","norm":"Sie folgen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1547,"orig":"Er ergreift Ein Beil, hebt's, führt den Schlag, der ſauſt und pfeift ...","norm":"Er ergreift ein Beil, hebt es, führt den Schlag, der saust und pfeift ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1548,"orig":"Sank er verwundet von dem frevlen Beil?","norm":"Sank er verwundet von dem freveln Beil?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1549,"orig":"Er lächelt: „Schauet, Kinder, ich bin heil!“ Erſtaunen!","norm":"Er lächelt: „Schauet, Kinder, ich bin heil!“ Erstaunen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1550,"orig":"Jubel!","norm":"Jubel!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1551,"orig":"Hohngelächter!","norm":"Hohngelächter!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1552,"orig":"Spott!","norm":"Spott!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1553,"orig":"Soldatenwitz: „Verendet hat der Gott!“ Die Rinde fliegt!","norm":"Soldatenwitz: „Verendet hat der Gott!“ Die Rinde fliegt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1554,"orig":"Des Stammes Stärke kracht!","norm":"Des Stammes Stärke kracht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1555,"orig":"Von Laub zu dunklerm Laube flieht die Nacht.","norm":"Von Laub zu dunklerem Laube flieht die Nacht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1556,"orig":"Die Beile thun ihr Werk.","norm":"Die Beile tun ihr Werk."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1557,"orig":"Die Wölbung bricht — Auf Rieſentrümmer fällt das weiße Licht.","norm":"Die Wölbung bricht — auf Riesentrümmer fällt das weiße Licht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1558,"orig":"Auf der Appierſtraße zieht ein Heer Schnellen Schrittes, weit umwölkt von Staub.","norm":"Auf der Appierstraße zieht ein Heer Schnellen Schrittes, weit umwölkt von Staub."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1559,"orig":"Weiß am Horizont das Häuſermeer — „Rom iſt morgen euer!“ zeigt Sever.","norm":"Weiß am Horizont das Häusermeer — „Rom ist morgen euer!“ zeigt Sever."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1560,"orig":"Flieget, Adler!","norm":"Flieget, Adler!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1561,"orig":"Stoßt auf euren Raub!“ Morgen?","norm":"Stoßt auf euren Raub!“ Morgen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1562,"orig":"Rom ſorgt ſich um morgen nicht.","norm":"Rom sorgt sich um morgen nicht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1563,"orig":"„Die Gladiatoren ſpielen heut!“ Weiber ſchmücken ſich.","norm":"„Die Gladiatoren spielen heute!“ Weiber schmücken sich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1564,"orig":"Oreſtes ficht!","norm":"Orestes ficht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1565,"orig":"Manch unheimlich brennend Augenlicht Blitzt im Spiegel den die Sklavin beut.","norm":"Manch unheimlich brennend Augenlicht blitzt im Spiegel den die Sklavin beute."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1566,"orig":"Sänften haſten zum Theater ſchon, Von Gewitterwolken überjagt, Schwüle Blicke, die wie Fackeln lohn, Finſt'rer Brauen ungeduldig Drohn — Giebt's ein Morgen?","norm":"Sänften hasten zum Theater schon, von Gewitterwolken überjagt, Schwüle Blicke, die wie Fackeln Lohn, finsterer Brauen ungeduldig Drohen — gibt es ein Morgen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1567,"orig":"Spiel iſt angeſagt!","norm":"Spiel ist angesagt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1568,"orig":"Ueber Dach und Zinne ragt empor Himmelhoch ein rieſenſtarker Bau, Der ein Volk empfängt durch manches Thor.","norm":"Über Dach und Zinne ragt empor Himmelhoch ein riesenstarker Bau, der ein Volk empfängt durch manches Tor."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1569,"orig":"Hinter ſeinem Mauerkranz hervor Steigt es ſchwarz und ſchwärzer auf im Blau.","norm":"Hinter seinem Mauerkranz hervor steigt es schwarz und schwärzer auf im Blau."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1570,"orig":"Drinnen drängen ſie ſich Sitz an Sitz, Jede Stufe ſtrotzt und wogt und ſchwillt.","norm":"Drinnen drängen sie sich Sitz an Sitz, jede Stufe strotzt und wogt und schwillt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1571,"orig":"Auf der Bühne züngeln hell und ſpitz Kurze Schwerter.","norm":"Auf der Bühne züngeln hell und spitz kurze Schwerter."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1572,"orig":"Schimmernd flirrt ein Blitz Und ein erſter Sprudel Blutes quillt.","norm":"Schimmernd flirrt ein Blitz und ein erster Sprudel Blutes quillt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1573,"orig":"Starren Blickes, blaß vor Leidenſchaft, Lauert vorgeneigt die Römerin Auf die Sterbewunde — Eine gafft Lüſtern.","norm":"Starren Blickes, blass vor Leidenschaft, lauert vorgeneigt die Römerin auf die Sterbewunde — eine gafft Lüstern."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1574,"orig":"Eine ſinnt dämonenhaft.","norm":"Eine sinnt dämonenhaft."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1575,"orig":"Eine lauſcht mit hartem Mörderſinn.","norm":"Eine lauscht mit hartem Mördersinn."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1576,"orig":"An der raſch gedrehten Klingen Spiel Haften Seelen gierig, ohne Zahl — Traf der Stoß?","norm":"An der rasch gedrehten Klingen Spiel Haften Seelen gierig, ohne Zahl — Traf der Stoß?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1577,"orig":"Er ſaß.","norm":"Er saß."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1578,"orig":"Ein Fechter fiel, Wälzt ſich um im Sand und iſt am Ziel Nach der kurz empfundnen Sterbequal.","norm":"Ein Fechter fiel, wälzt sich um im Sand und ist am Ziel nach der kurz empfundenen Sterbequal."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1579,"orig":"Mark und Herz erſchütternd gellt ein Schrei!","norm":"Mark und Herz erschütternd gellt ein Schrei!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1580,"orig":"Dort auf dem Balkon ein Weib im Traum!","norm":"Dort auf dem Balkon ein Weib im Traum!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1581,"orig":"Um die Schultern wehn die Haare frei Und als ob ſie die Sibylle ſei, Ruft ſie ehern durch den vollen Raum: „Wehe morgen!","norm":"Um die Schultern wehn die Haare frei und als ob sie die Sibylle sei, ruft sie ehern durch den vollen Raum: „Wehe morgen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1582,"orig":"Fechter, du biſt todt!","norm":"Fechter, du bist tot!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1583,"orig":"Gute Fahrt!","norm":"Gute Fahrt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1584,"orig":"Dir thun ſie nichts zu leid!","norm":"Dir tun sie nichts zuleid!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1585,"orig":"Morgen wehe!","norm":"Morgen wehe!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1586,"orig":"Horch!","norm":"Horch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1587,"orig":"Die Tuba droht!","norm":"Die Tuba droht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1588,"orig":"Eine weite Flamme weht und loht!","norm":"Eine weite Flamme weht und loht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1589,"orig":"Wehe!","norm":"Wehe!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1590,"orig":"Sie zerreißen mir das Kleid!“ In das Morgen blickt ſie voller Graun, Schaudernd wie vor Blutes tiefem Strom, Denn ihr Auge kann das Künft'ge ſchaun — Es iſt keine von den ird'ſchen Fraun!","norm":"Sie zerreißen mir das Kleid!“ In das Morgen blickt sie voller Graun, schaudernd wie vor Blutes tiefem Strom, denn ihr Auge kann das Künftige schauen — es ist keine von den irdischen Frauen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1591,"orig":"Es iſt Rom!","norm":"Es ist Rom!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1592,"orig":"Es iſt die Göttin Rom!","norm":"Es ist die Göttin Rom!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1593,"orig":"Vor dem Volk auf hoher Stufe ragt Rom die Herrin in verſteintem Schmerz, Rom, vor welcher einſt die Welt gezagt, Jetzt die wunde, die geſchlagne Magd!","norm":"Vor dem Volk auf hoher Stufe ragt Rom die Herrin in versteintem Schmerz, Rom, vor welcher einst die Welt gezagt, jetzt die wunde, die geschlagene Magd!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1594,"orig":"Leid und Mitleid füllen jedes Herz.","norm":"Leid und Mitleid füllen jedes Herz."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1595,"orig":"Durch die Menge geht ein Flüſtern leis, Eine Rede ſchwirrt und irrt und rauſcht, Flutet höher, höher ſtufenweis, Brauſt wie Meeresbrandung, füllt den Kreis, Jeder ſpricht ſie mit und Jeder lauſcht: „Schande!","norm":"Durch die Menge geht ein Flüstern leis, eine Rede schwirrt und irrt und rauscht, flutet höher, höher stufenweise, braust wie Meeresbrandung, füllt den Kreis, jeder spricht sie mit und jeder lauscht: „Schande!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1596,"orig":"Brandmal!","norm":"Brandmal!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1597,"orig":"Striemen!","norm":"Striemen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1598,"orig":"Sklavenjoch!","norm":"Sklavenjoch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1599,"orig":"Wehe!","norm":"Wehe!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1600,"orig":"Sie zerreißen Dir das Kleid!","norm":"Sie zerreißen Dir das Kleid!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1601,"orig":"Ach wie lange noch, wie lange noch?","norm":"Ach wie lange noch, wie lange noch?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1602,"orig":"Stürbeſt, Göttin Roma, ſtürbſt Du doch!","norm":"Stürbest, Göttin Roma, stürbst Du doch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1603,"orig":"Aber Du biſt voll Unſterblichkeit!“","norm":"Aber Du bist voll Unsterblichkeit!“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1604,"orig":"Der Kaiſer ſpricht zu Ritter Hug: „Du haſt für mich dein Schwert verſpellt, Des Eiſens iſt bei mir genug, Geh, wähl' dir eins, das dir gefällt!“ Hug ſchreitet durch den Waffenſaal, Wo ſtets der graue Schaffner ſitzt.","norm":"Der Kaiser spricht zu Ritter Hug: „Du hast für mich dein Schwert verzaubert, des Eisens ist bei mir genug, Gehe, wähle dir eins, das dir gefällt!“ Hug schreitet durch den Waffensaal, wo stets der graue Schaffner sitzt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1605,"orig":"„Der Kaiſer giebt mir freie Wahl Aus Allem was da hangt und blitzt!“ Er prüft und wägt.","norm":"„Der Kaiser gibt mir freie Wahl aus allem was da hangt und blitzt!“ Er prüft und wägt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1606,"orig":"Von ihrem Ort Langt er die Schwerter mannigfalt — „Sprich, weſſen iſt das große dort, Gewaltig, heidniſch, ungeſtalt?“ „Des Würgers Etzel!“ flüſtert ſcheu Der Graue, der es hält in Hut.","norm":"Von ihrem Ort langt er die Schwerter mannigfalt — „Sprich, wessen ist das große dort, gewaltig, heidnisch, ungestalt?“ „Des Würgers Etzel!“ flüstert scheu der Graue, der es hält in Hut."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1607,"orig":"„Des Hunnenkönigs!","norm":"„Des Hunnenkönigs!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1608,"orig":"Meiner Treu, So lechzt und dürſtet es nach Blut!“ „Laß ruhn.","norm":"Meiner Treu, so lechzt und dürstet es nach Blut!“ „Lass ruhen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1609,"orig":"Es hat genug gewürgt!","norm":"Es hat genug gewürgt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1610,"orig":"Die todte Wuth erwecke nicht!“ „Gieb her!","norm":"Die tote Wut erwecke nicht!“ „Gib her!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1611,"orig":"Dem iſt der Sieg verbürgt, Der mit dem Schwert des Hunnen ficht!“ Und wieder ſprengt er in den Kampf.","norm":"Dem ist der Sieg verbürgt, der mit dem Schwert des Hunnen ficht!“ Und wieder sprengt er in den Kampf."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1612,"orig":"„Du haſt dich lange nicht geletzt, Schwert Etzel's, an des Blutes Dampf!","norm":"„Du hast dich lange nicht geletzt, Schwert Etzels, an des Blutes Dampf!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1613,"orig":"Drum freue dich und trinke jetzt!“ Er ſchwingt es weit, er mäht und mäht Und Etzel's Schwert, es ſchwelgt und trinkt, Bis müd die Sonne niedergeht Und hinter rothe Wolken ſinkt.","norm":"Darum freue dich und trinke jetzt!“ Er schwingt es weit, er mäht und mäht und Etzels Schwert, es schwelgt und trinkt, bis müde die Sonne niedergeht und hinter rote Wolken sinkt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1614,"orig":"Als längſt er ſchon im Mondlicht brauſt, Wird ihm der Arm vom Schlagen matt.","norm":"Als längst er schon im Mondlicht braust, wird ihm der Arm vom Schlagen matt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1615,"orig":"Er frägt das Schwert in ſeiner Fauſt: „Schwert Etzel's, biſt noch nicht du ſatt?","norm":"Er fragt das Schwert in seiner Faust: „Schwert Etzels, bist noch nicht du satt?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1616,"orig":"Laß ab!","norm":"Lass ab!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1617,"orig":"Heut iſt genug gethan!“ Doch weh, es weiß von keiner Raſt, Es hebt ein neues Morden an Und trifft und frißt was es erfaßt.","norm":"Heute ist genug getan!“ Doch weh, es weiß von keiner Rast, es hebt ein neues Morden an Und trifft und frisst was es erfasst."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1618,"orig":"„Laß ab!“ Es zuckt in grauſer Luſt, Der Ritter ſtürzt mit ſeinem Pferd Und jubelnd ſticht ihn durch die Bruſt Des Hunnen unerſättlich Schwert.","norm":"„Lass ab!“ Es zuckt in grauser Lust, der Ritter stürzt mit seinem Pferd und jubelnd sticht ihn durch die Brust des Hunnen unersättlich Schwert."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1619,"orig":"Im Saale jubelt Hochzeit — Die Arme vor dem Buſen Kreuzt Fredegund in Demut, Des Königs liſt'ge Buhlin: „Ich bin die Magd und leuchte Dem Bräutchen auf die Kammer!“ Die Alabaſterampel Mit römiſchen Sculpturen, Die ſchwebend einſt geſchimmert In ſtillem Grabesdunkel, Trägt Fredegund in Demut Und hellt die Hochzeitskammer, Sie ſetzt die Ampel nieder Und geht und lächelt tückiſch.","norm":"Im Saale jubelt Hochzeit — die Arme vor dem Busen kreuzt Fredegund in Demut, des Königs listige Buhlin: „Ich bin die Magd und leuchte dem Bräutchen auf die Kammer!“ Die Alabasterampel mit römischen Skulpturen, die schwebend einst geschimmert in stillem Grabesdunkel, trägt Fredegund in Demut und hellt die Hochzeitskammer, Sie setzt die Ampel nieder und geht und lächelt tückisch."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1620,"orig":"Die zarte Galaſwinte Blickt in die weh'nde Flamme, Die Flamme loht und flackert, Die Ampel ſpringt in Scherben, Die Fürſtin weint im Dunkel: „Die mich gebracht aus Spanien, Dein Kind dem Frankenkönig, Jetzt drehſt du auf dem Roſſe Im Schein der Wanderfackel Noch einmal dich und breiteſt Nach mir die Arme, Mutter!“","norm":"Die zarte Galaswinte blickt in die wehende Flamme, die Flamme loht und flackert, die Ampel springt in Scherben, die Fürstin weint im Dunkel: „Die mich gebracht aus Spanien, Dein Kind dem Frankenkönig, jetzt drehst du auf dem Rosse im Schein der Wanderfackel noch einmal dich und breitest nach mir die Arme, Mutter!“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1621,"orig":"Prinz Bertarit bewirthet Verona's Bettlerſchaft Mit Weizenbrot und Kuchen und edlem Traubenſaft.","norm":"Prinz Bertarit bewirtet Veronas Bettlerschaft mit Weizenbrot und Kuchen und edlem Traubensaft."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1622,"orig":"Gebeten iſt ein Jeder, der ſich mit Lumpen deckt, Der, heiſchend auf den Brücken der Etſch, die Rechte reckt.","norm":"Gebeten ist ein Jeder, der sich mit Lumpen deckt, der, heischend auf den Brücken der Etsch, die Rechte reckt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1623,"orig":"Auf edlen Marmorſeſſeln im Saale thronen ſie, Durch Riſſ' und Löcher gucken Ellbogen, Zeh' und Knie.","norm":"Auf edlen Marmorsesseln im Saale thronen sie, durch Risse und Löcher gucken Ellbogen, Zeh und Knie."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1624,"orig":"Nicht nach Geburt und Würden, ſie ſitzen grell gemiſcht, Jetzt werden noch die Haſen und Hühner aufgetiſcht.","norm":"Nicht nach Geburt und Würden, sie sitzen grell gemischt, jetzt werden noch die Hasen und Hühner aufgetischt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1625,"orig":"Der taſtet nach dem Becher.","norm":"Der tastet nach dem Becher."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1626,"orig":"Er durſtet und iſt blind.","norm":"Er durstet und ist blind."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1627,"orig":"Den Krüppel ohne Arme bedient ein frommes Kind.","norm":"Den Krüppel ohne Arme bedient ein frommes Kind."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1628,"orig":"Ein reizend ſtumpfes Näschen geckt unter ſtrupp'gem Schopf, Mit wildem Moſesbarte prahlt ein Charakterkopf.","norm":"Ein reizend stumpfes Näschen geckt unter struppigem Schopf, mit wildem Mosesbarte prahlt ein Charakterkopf."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1629,"orig":"Die Herzen ſind geſättigt.","norm":"Die Herzen sind gesättigt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1630,"orig":"Beginne, Muſica!","norm":"Beginne, Musik!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1631,"orig":"Ein Dudelſack, ein Hackbrett und Geig' und Harf' iſt da — Der Prinz, noch ſchier ein Knabe, wie Gottes Engel ſchön, Erhebt den vollen Becher und ſingt durch das Getön: „Mit friſch gepflückten Roſen bekrön' ich mir das Haupt, Des Reiches eh'rne Krone hat mir der Ohm geraubt.","norm":"Ein Dudelsack, ein Hackbrett und Geig und Harfe ist da — der Prinz, noch schier ein Knabe, wie Gottes Engel schön, erhebt den vollen Becher und singt durch das Getön: „Mit frisch gepflückten Rosen bekröne ich mir das Haupt, des Reiches eherne Krone hat mir der Ohm geraubt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1632,"orig":"Er ließ mir Tag und Sonne!","norm":"Er ließ mir Tag und Sonne!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1633,"orig":"Mein übrig Gut iſt klein!","norm":"Mein übrig Gut ist klein!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1634,"orig":"So will ich mit den Armen als Armer fröhlich ſein!“ Ein Bettler ſtürzt ins Zimmer.","norm":"So will ich mit den Armen als Armer fröhlich sein!“ Ein Bettler stürzt ins Zimmer."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1635,"orig":"„Grumell, wo kommſt du her?“ Der Schreckensbleiche ſtammelt: „Ich lauſcht' von ungefähr, Gebettet an der Hofburg — Dein Ohm ſchickt Mörder aus, Nimm meinen braunen Mantel!“ Erzſchritt umdröhnt das Haus.","norm":"„Grumell, wo kommst du her?“ Der Schreckensbleiche stammelt: „Ich lauschte von ungefähr, gebettet an der Hofburg — Dein Ohm schickt Mörder aus, Nimm meinen braunen Mantel!“ Erzschritt umdröhnt das Haus."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1636,"orig":"Drück in die Stirn den Hut dir!","norm":"Drücke in die Stirn den Hut dir!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1637,"orig":"Er ſchattet tief!","norm":"Er schattet tief!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1638,"orig":"Geſchwind!","norm":"Geschwind!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1639,"orig":"Da haſt du meinen Stecken!","norm":"Da hast du meinen Stecken!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1640,"orig":"Entſpring, geliebtes Kind!“ Die Mörder nahen klirrend.","norm":"Entspring, geliebtes Kind!“ Die Mörder nahen klirrend."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1641,"orig":"Ein Bettler ſchleicht davon.","norm":"Ein Bettler schleicht davon."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1642,"orig":"— „Wer biſt du?","norm":"— „Wer bist du?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1643,"orig":"Zeig das Antlitz!“ Gehobne Dolche drohn.","norm":"Zeige das Antlitz!“ Gehobene Dolche drohen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1644,"orig":"— „Laß ihn!","norm":"— „Lass ihn!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1645,"orig":"Es iſt Grumello!","norm":"Es ist Grumell!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1646,"orig":"Ich kenn' das Loch im Hut!","norm":"Ich kenne das Loch im Hut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1647,"orig":"Ich kenn' den Riß im Aermel!","norm":"Ich kenne den Riss im Ärmel!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1648,"orig":"Wir opfern edler Blut!“ Sie ſpähen durch die Hallen und ſuchen Bertarit, Der unter dunkelm Mantel dem dunkeln Tod entflieht.","norm":"Wir opfern edler Blut!“ Sie spähen durch die Hallen und suchen Bertarit, der unter dunklem Mantel dem dunkeln Tod entflieht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1649,"orig":"Er fuhr in fremde Länder und ward darob zum Mann.","norm":"Er fuhr in fremde Länder und wurde darob zum Mann."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1650,"orig":"Er kehrte heim gepanzert.","norm":"Er kehrte heim gepanzert."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1651,"orig":"Den Ohm erſchlug er dann.","norm":"Den Ohm erschlug er dann."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1652,"orig":"Verona nahm er ſtürmend in rothem Feuerſchein.","norm":"Verona nahm er stürmend in rotem Feuerschein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1653,"orig":"Am Abend lud der König Verona's Bettler ein.","norm":"Am Abend lud der König Veronas Bettler ein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1654,"orig":"Harun ſprach zu ſeinen Kindern Aſſur, Aſſad, Scheherban: „Söhne, werdet ihr vollenden, was ich kühnen Muths begann?","norm":"Harun sprach zu seinen Kindern Assur, Assad, Scheherban: „Söhne, werdet ihr vollenden, was ich kühnen Muts begann?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1655,"orig":"Seit ich Bagdads Thron beſtiegen, bin von Feinden ich umgeben!","norm":"Seit ich Bagdads Thron bestiegen, bin von Feinden ich umgeben!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1656,"orig":"Wie befeſtigt ihr die Herrſchaft?","norm":"Wie befestigt ihr die Herrschaft?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1657,"orig":"Wie vertheidigt ihr mein Leben?“ Aſſur ruft, der feurig ſchlanke: „Schleunig werb' ich Dir ein Heer!","norm":"Wie verteidigt ihr mein Leben?“ Assur ruft, der feurig schlanke: „Schleunig werbe ich Dir ein Heer!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1658,"orig":"Zimmre Maſten, webe Segel!","norm":"Zimmre Masten, webe Segel!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1659,"orig":"Ich bevölkre Dir das Meer!","norm":"Ich bevölkre Dir das Meer!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1660,"orig":"Roſſe ſchul' ich.","norm":"Rosse schule ich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1661,"orig":"Säbel ſchmied' ich.","norm":"Säbel schmiede ich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1662,"orig":"Ich erbaue Dir Caſtelle.","norm":"Ich erbaue Dir Kastelle."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1663,"orig":"Dir gehören Stadt und Wüſte!","norm":"Dir gehören Stadt und Wüste!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1664,"orig":"Dir gehorchen Strand und Welle!“ Aſſad mit der ſchlauen Miene ſinnt und äußert ſich bedächtig: „Sicher ſchaff' ich Deinen Schlummer, Sorgen machen übernächtig.","norm":"Dir gehorchen Strand und Welle!“ Assad mit der schlauen Miene sinnt und äußert sich bedächtig: „Sicher schaffe ich Deinen Schlummer, Sorgen machen übernächtig."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1665,"orig":"Traue Deinem Aſſad!","norm":"Traue Deinem Assad!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1666,"orig":"Jeden Athemzug belauſch' ich, jedes heimliche Geflüſter.","norm":"Jeden Atemzug belausche ich, jedes heimliche Geflüster."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1667,"orig":"Wirthe, Kuppler und Barbiere, jedem ſetz' ich einen Sold, Daß ein jeder mir berichte, wer Dich liebt und wer Dir grollt.","norm":"Wirte, Kuppler und Barbiere, jedem setze ich einen Sold, dass ein jeder mir berichte, wer Dich liebt und wer Dir grollt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1668,"orig":"“ Harun lächelt.","norm":"“ Harun lächelt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1669,"orig":"Zu dem jüngſten, ſeinem Liebling, ſagt er: „Ruhſt du?","norm":"Zu dem Jüngsten, seinem Liebling, sagt er: „Ruhst du?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1670,"orig":"Wie beſchämſt du deine Brüder?","norm":"Wie beschämst du deine Brüder?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1671,"orig":"Zarter Scheherban, was thuſt du?“ „Vater“, redet jetzt der Jüngſte keuſch erröthend, „es iſt gut, Daß ein Tropfen rinne nieder warm ins Volk aus Deinem Blut!","norm":"Zarter Scheherban, was tust du?“ „Vater“, redet jetzt der Jüngste keusch errötend, „es ist gut, dass ein Tropfen rinne nieder warm ins Volk aus Deinem Blut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1672,"orig":"Ueber ungezählte Looſe biſt allmächtig Du auf Erden, Das iſt Raub an Deinen Brüdern — und Du wirſt gerichtet werden!","norm":"Über ungezählte Lose bist allmächtig Du auf Erden, das ist Raub an Deinen Brüdern — und Du wirst gerichtet werden!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1673,"orig":"Dein erhaben Loos zu ſühnen, das ſich thürmt den Blitzen zu, Laß mich in des Lebens dunkle Tiefe niedertauchen Du!","norm":"Dein erhaben Los zu sühnen, das sich türmt den Blitzen zu, Lass mich in des Lebens dunkle Tiefe niedertauchen Du!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1674,"orig":"Such mich nicht!","norm":"Such mich nicht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1675,"orig":"Ich ging verloren!","norm":"Ich ging verloren!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1676,"orig":"Sende weder Kleid noch Spende!","norm":"Sende weder Kleid noch Spende!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1677,"orig":"Wie der Aermſte will ich leben von der Arbeit meiner Hände!","norm":"Wie der Ärmste will ich leben von der Arbeit meiner Hände!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1678,"orig":"Mit dem Hammer, mit der Kelle laß mich, Herr, ein Maurer ſein!","norm":"Mit dem Hammer, mit der Kelle lass mich, Herr, ein Maurer sein!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1679,"orig":"Selber maur' ich mich in Deines Glückes Grund und Boden ein!","norm":"Selber maure ich mich in Deines Glückes Grund und Boden ein!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1680,"orig":"Jedem Hauſe wird ein Zauber, daß es unzerſtörlich dauert, Etwas Liebes, etwas Theures in den Grundſtein eingemauert!","norm":"Jedem Hause wird ein Zauber, dass es unzerstörlich dauert, etwas Liebes, etwas Teures in den Grundstein eingemauert!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1681,"orig":"Höreſt Du die Straße rauſchen unter Deinem Marmorſchloß?","norm":"Hörest Du die Straße rauschen unter Deinem Marmorschloss?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1682,"orig":"Wenn Dich die Enterbten haſſen, Einer, Vater, liebt Dich kindlich!“","norm":"Wenn Dich die Enterbten hassen, Einer, Vater, liebt Dich kindlich!“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1683,"orig":"Ein Bergesrücken ſtill beſonnt, Allum der duft'ge Horizont — Hier ſaß der Chriſt und rings im Kreis Die Galiläer ſtufenweis Gelagert auf den ſteilen Triften — Der Meiſter lobt' der Lilie Kleid, Hieß göttlich Werk das Friedeſtiften Und rühmte die Barmherzigkeit.","norm":"Ein Bergesrücken stillbesonnt, Allum der duftige Horizont — hier saß der Christ und rings im Kreis die Galiläer stufenweise gelagert auf den steilen Triften — der Meister lobte der Lilie Kleid, hieß göttlich Werk das Friedenstiften und rühmte die Barmherzigkeit."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1684,"orig":"Er ließ die Segensſchwingen breiten All ſeines Reiches Seligkeiten.","norm":"Er ließ die Segensschwingen breiten All seines Reiches Seligkeiten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1685,"orig":"Dann iſt er ſacht hinabgegangen ...","norm":"Dann ist er sacht hinabgegangen ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1686,"orig":"Und hat am Kreuzesſtamm gehangen.","norm":"Und hat am Kreuzesstamm gehangen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1687,"orig":"Am Berg der Seligkeiten irrten Der Hirtin Stapfen und des Hirten, Wie Wolken ſtill, wie Stürme brauſend, Zog dran vorüber ein Jahrtauſend, Die Lilie blieb des Lobes froh, Sie kleide ſich wie Salomo, Die Luft, drin nie das Erz erſcholl, Iſt noch von Friedeworten voll.","norm":"Am Berg der Seligkeiten irrten der Hirtin Stapfen und des Hirten, wie Wolken still, wie Stürme brausend, zog dran vorüber ein Jahrtausend, die Lilie blieb des Lobes froh, Sie kleide sich wie Salomo, die Luft, drin nie das Erz erscholl, ist noch von Friedensworten voll."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1688,"orig":"Drommetenſtoß!","norm":"Trompetenstoß!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1689,"orig":"Jach klimmt empor Ein Heer, das Schlacht und Raum verlor.","norm":"Jach klimmt empor ein Heer, das Schlacht und Raum verlor."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1690,"orig":"Kreuzritter ſind's, von Saladin Verſprengt, die wild zur Höhe fliehn, Heiß unter ihren Schritten her Entflammt den dürren Raſen er, In ſchwarzen Wolken wallt der Qualm.","norm":"Kreuzritter sind es, von Saladin versprengt, die wild zur Höhe fliehen, Heiß unter ihren Schritten her entflammt den dürren Rasen er, in schwarzen Wolken wallt der Qualm."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1691,"orig":"Schlachtroſſe ſchnauben auf der Alm. Scharf pfeifen Sarazenenpfeile Durch das Gedräng der Flucht und Eile.","norm":"Schlachtrosse schnauben auf der Alm. Scharf pfeifen Sarazenenpfeile durch das Gedränge der Flucht und Eile."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1692,"orig":"Fort!","norm":"Fort!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1693,"orig":"Ein verfärbter Purpur weht, Ein junger König wankt entkräftet, Doch dieſes Reiches Majeſtät Iſt König Chriſt, ans Kreuz geheftet.","norm":"Ein verfärbter Purpur weht, ein junger König wankt entkräftet, doch dieses Reiches Majestät ist König Christ, ans Kreuz geheftet."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1694,"orig":"Drum tragen ſie das Kreuz voran, Der Welterbarmer ſchwebte dran, Das bittre Kreuz, davon herab Er ſeines Mordes Schuld vergab.","norm":"Darum tragen sie das Kreuz voran, der Welterbarmer schwebte dran, das bittere Kreuz, davon herab er seines Mordes Schuld vergab."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1695,"orig":"Sie wuſchen's dann mit rothen Bächen, Um des Erbarmers Tod zu rächen ...","norm":"Sie wuschen es dann mit roten Bächen, um des Erbarmers Tod zu rächen ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1696,"orig":"Das Wüthen, Morden, Bluten, Streiten Erſteigt den Berg der Seligkeiten.","norm":"Das Wüten, Morden, Bluten, Streiten ersteigt den Berg der Seligkeiten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1697,"orig":"Erklommen iſt der Gipfel jetzt Und hinter ihm erbrauſt das Meer, Der Kurdenſchleuder ausgeſetzt, Steht auf dem Kulm das Chriſtenheer.","norm":"Erklommen ist der Gipfel jetzt und hinter ihm erbraust das Meer, der Kurdenschleuder ausgesetzt, steht auf dem Kulm das Christenheer."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1698,"orig":"Drommetenſtoß!","norm":"Trompetenstoß!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1699,"orig":"„Der Heiland lebt!","norm":"„Der Heiland lebt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1700,"orig":"Chriſtus regiert!“ Der Berg erbebt.","norm":"Christus regiert!“ Der Berg erbebt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1701,"orig":"„Hilf, König, der gekreuzigt wurde!“ Zielt auf das Kreuz!“ befiehlt der Kurde.","norm":"„Hilf, König, der gekreuzigt wurde!“ Zielt auf das Kreuz!“ befiehlt der Kurde."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1702,"orig":"Wie blöde Falter um die Flamme, So flattern ſie am Kreuzesſtamme!“ Es ſauſt.","norm":"Wie blöde Falter um die Flamme, so flattern sie am Kreuzesstamme!“ Es saust."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1703,"orig":"Steilnieder zu der Bucht Stürzt Roß und Reiter in die Schlucht.","norm":"Steilnieder zu der Bucht stürzt Ross und Reiter in die Schlucht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1704,"orig":"Das Kreuz, mit Glut und brünſt'ger Haſt Umfängt's ein Mönch und hält's umfaßt: „Hörſt, König, Du der Heiden Spott?","norm":"Das Kreuz, mit Glut und brünstiger Hast umfängt es ein Mönch und hält es umfasst: „Hörst, König, Du der Heiden Spott?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1705,"orig":"Vernichte ſie, verhöhnter Gott!","norm":"Vernichte sie, verhöhnter Gott!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1706,"orig":"In heller Rüſtung komm gefahren Mit Deines Vaters Engelſchaaren!","norm":"In heller Rüstung komme gefahren mit Deines Vaters Engelscharen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1707,"orig":"Lebſt Du, regierſt Du, Chriſte, nicht?“ Kein Engelſchwert erblitzt im Licht.","norm":"Lebst Du, regierst Du, Christ, nicht?“ Kein Engelschwert erblitzt im Licht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1708,"orig":"Die Luft verfinſtert Pfeilgeſaus — „Komm!“ ſchreit der Mönch und athmet aus.","norm":"Die Luft verfinstert Pfeilgesause — „Komme!“ schreit der Mönch und atmet aus."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1709,"orig":"Des Himmels innig tiefer Schein Umfaßt ein menſchenleer Geſtein.","norm":"Des Himmels innigtiefer Schein umfasst ein menschenleer Gestein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1710,"orig":"Vom Schwert erkämpft, vom Schwert zerſtört, Dies Reich hat nicht dem Chriſt gehört.","norm":"Vom Schwert erkämpft, vom Schwert zerstört, dies Reich hat nicht dem Christ gehört."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1711,"orig":"Am Strande des gelobten Lands In glühem Stich des Sonnenbrands Kämpft Ludowig der Fromme;","norm":"Am Strande des gelobten Lands in glühem Stich des Sonnenbrands kämpft Ludowig der Fromme;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1712,"orig":"Er trägt in ſich des Todes Keim, Ihm ahnt es, daß er nimmer heim Ins ſchöne Frankreich komme.","norm":"Er trägt in sich des Todes Keim, ihm ahnt es, dass er nimmer heim ins schöne Frankreich komme."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1713,"orig":"Scheu lauſcht in Zeltes Dämmerſchein Ein junger Edelknecht herein Und hinter ihm die andern: „Herr König, es ſind Gaukler da, Drei Brüder aus Armenia, Die nach dem Grabe wandern.","norm":"Scheu lauscht in Zeltes Dämmerschein ein junger Edelknecht herein und hinter ihm die anderen: „Herr König, es sind Gaukler da, Drei Brüder aus Armenia, die nach dem Grabe wandern."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1714,"orig":"Es heißt, ſie ſpielen wunderſchön!","norm":"Es heißt, sie spielen wunderschön!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1715,"orig":"Erlaubt ein friſches Horngetön Uns allen anzuhören!“ Der König ſeufzt: „Betrug der Welt!","norm":"Erlaubt ein frisches Horngetön uns allen anzuhören!“ Der König seufzt: „Betrug der Welt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1716,"orig":"Bringt mir die Gaukler in das Zelt, Daß ſie euch nicht bethören!“ Jetzt heben an den Mund die Drei Das Horn und ſpielen frank und frei, Als ging' es aus zum Jagen.","norm":"Bringt mir die Gaukler in das Zelt, dass sie euch nicht betören!“ Jetzt heben an den Mund die Drei das Horn und spielen frank und frei, als ging es aus zum Jagen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1717,"orig":"Dann wie ein Quell im Walde quillt, So rieſelt ſanft und wächſt und ſchwillt Ein Jubeln und ein Klagen.","norm":"Dann wie ein Quell im Walde quillt, so rieselt sanft und wächst und schwillt ein Jubeln und ein Klagen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1718,"orig":"Gemach vertönt der Hörner Schall, Laut ruft Renaud von Reineval: „Du Herzenstroſt der Minne!","norm":"Gemach vertönt der Hörner Schall, Laut ruft Renaud von Reineval: „Du Herzenstrost der Minne!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1719,"orig":"Lucinden, die ſich um mich kränkt, In Treuen ihres Pilgers denkt, Sah ich auf ſtiller Zinne!“ „Ich ſchaute“, fällt jung Walter ein, In meinem Teich den Wiederſchein Von Eichen kühl und düſter, Ich ſah mein Boot, der Ruder bar, Das halb ans Land gezogen war, Umneigt von Schilfgeflüſter!“ Ein Jeder hat im Horneslaut Sein Herz belauſcht, ſein Lieb geſchaut, Sein Minnen und ſein Sehnen.","norm":"Lucinde, die sich um mich kränkt, in treuen ihres Pilgers denkt, sah ich auf stiller Zinne!“ „Ich schaute“, fällt Jung Walter ein, in meinem Teich den Wiederschein von Eichen kühl und düster, Ich sah mein Boot, der Ruder bar, das halb ans Land gezogen war, Umneigt von Schilfgeflüster!“ Ein Jeder hat im Horneslaut Sein Herz belauscht, sein Liebe geschaut, Sein Minnen und sein Sehnen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1720,"orig":"— „Herr König, ſagt, was ſinnet Ihr?","norm":"— „Herr König, sagt, was sinnet Ihr?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1721,"orig":"Was ſehnet Ihr?","norm":"Was sehnet Ihr?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1722,"orig":"Was minnet Ihr?","norm":"Was minnet Ihr?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1723,"orig":"Was rinnen Euch die Thränen?“ Herr Ludwig flüſtert: „Sel'ger Traum!","norm":"Was rinnen Euch die Tränen?“ Herr Ludwig flüstert: „Seliger Traum!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1724,"orig":"Mich hoben durch den Himmelsraum Angeliſche Geſtalten.","norm":"Mich hoben durch den Himmelsraum Angelische Gestalten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1725,"orig":"„Getreuer Knecht, willkomm!“ erſcholl Ein Ruf — ich konnte wonnevoll Die Thränen nicht verhalten.","norm":"„Getreuer Knecht, willkommen!“ erscholl ein Ruf — ich konnte wonnevoll die Tränen nicht verhalten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1726,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1727,"orig":"Jüngſt am Libanon in einem Kloſter, Drin ich eine kurze Reiſeraſt hielt, Langſam durch die kühlen Hallen wandelnd, Blieb ich ſtehn vor einem alten Bilde, Wohlbewahrt in eigener Capelle.","norm":"Jüngst am Libanon in einem Kloster, drin ich eine kurze Reiserast hielt, langsam durch die kühlen Hallen wandelnd, blieb ich stehen vor einem alten Bilde, Wohlbewahrt in eigener Kapelle."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1728,"orig":"Es berührte mich mit leiſem Zauber Trotz der byzantiniſchen Geſtalten, Denn darüber lag ein Glanz der Liebe:","norm":"Es berührte mich mit leisem Zauber Trotz der byzantinischen Gestalten, denn darüber lag ein Glanz der Liebe:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1729,"orig":"Durch das Thor des Paradieſes ſchritten Eine Sarazenin und ein Pilger, Hand in Hand verſenkt und Blick in Blick auch.","norm":"Durch das Tor des Paradieses schritten eine Sarazenin und ein Pilger, Hand in Hand versenkt und Blick in Blick auch."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1730,"orig":"„Was bedeutet dieſes ſüße Märchen?“ Frug ich Anaklet, den Kloſterbruder, Der mich ſchleichend überall begleitet.","norm":"„Was bedeutet dieses süße Märchen?“ Fragte ich Anaklet, den Klosterbruder, der mich schleichend überall begleitet."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1731,"orig":"Mit geſenkten Augen gab er Antwort: „Guter Herr, kein ſüßes Märchen iſt es, Sondern eine tröſtliche Legende, Auf ein altes Pergament verzeichnet Zur Erbauung aller gläub'gen Chriſten.","norm":"Mit gesenkten Augen gab er Antwort: „Guter Herr, kein süßes Märchen ist es, sondern eine tröstliche Legende, auf ein altes Pergament verzeichnet zur Erbauung aller gläubigen Christen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1732,"orig":"Dieſer Pilger iſt ein heilger Märtrer, Eine Märtrin iſt die Sarazenin, Er verſchied, geſteinigt und gepeinigt, Sie verblich, umarmend eine Schwelle!“ Märchenluſtig bin ich wie Scheherban, Wie die plaudernde Scheherezade!","norm":"Dieser Pilger ist ein heiliger Märtyrer, eine Märtyrerin ist die Sarazenin, er verschied, gesteinigt und gepeinigt, Sie verblich, umarmend eine Schwelle!“ Märchenlustig bin ich wie Scheherban, wie die plaudernde Scheherezade!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1733,"orig":"Und ich bat den Mönch: „Erzähle, Vater, Deinem Sohn die tröſtliche Legende.","norm":"Und ich bat den Mönch: „Erzähle, Vater, Deinem Sohn die tröstliche Legende."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1734,"orig":"“ Bruder Anaklet willfahrte ſprechend: „Einſt, vor ungezählten vielen Jahren — Alſo ſteht's im Pergament verzeichnet, Das ich gründlich lernte ſchon als Knabe — Zogen Pilger nach dem Grab vorüber Ohne Raſt und ohne Trunk und Speiſe Scheuen Fußes an der Stadt Damaskus, Denn verhaßt iſt Chriſtus in Damaskus!","norm":"“ Bruder Anaklet willfahrte sprechend: „Einst, vor ungezählten vielen Jahren — also steht es im Pergament verzeichnet, das ich gründlich lernte schon als Knabe — zogen Pilger nach dem Grab vorüber ohne Rast und ohne Trunk und Speise Scheuen Fußes an der Stadt Damaskus, denn verhasst ist Christus in Damaskus!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1735,"orig":"Vor der Stadt Damaskus rauſcht ein Brunnen, Wo ein Löwenkopf aus ſeines Maules Tief herabgezognen Winkeln ſprudelt Ein begehrtes köſtlich kühles Waſſer.","norm":"Vor der Stadt Damaskus rauscht ein Brunnen, wo ein Löwenkopf aus seines Maules Tiefherabgezognen Winkeln sprudelt ein begehrtes köstlich kühles Wasser."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1736,"orig":"Dort am Brunnen ſtand die Sarazenin.","norm":"Dort am Brunnen stand die Sarazenin."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1737,"orig":"Schleierlos, die jungen warmen Augen Fünfzehnjährig oder ſechszehnjährig, Stand am Brunnen eine Sarazenin, Die den ſchlanken Krug gelaſſen füllte.","norm":"Schleierlos, die jungen warmen Augen Fünfzehnjährig oder sechzehnjährig, Stand am Brunnen eine Sarazenin, die den schlanken Krug gelassen füllte."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1738,"orig":"Alle Pilger zogen ihr vorüber Mit geſenktem Haupte niederblickend, Denn die Moslimweiber treiben Künſte.","norm":"Alle Pilger zogen ihr vorüber mit gesenktem Haupte niederblickend, denn die Moslimweiber treiben Künste."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1739,"orig":"(Aber überwunden hat ſie Chriſtus!","norm":"(Aber überwunden hat sie Christus!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1740,"orig":") Nur ein zarter Jüngling, faſt ein Knabe Noch, entwich der Pilgerreihe durſtig, Nahte ſich der jungen Sarazenin Flehend, forderte von ihr zu trinken.","norm":") Nur ein zarter Jüngling, fast ein Knabe noch, entwich der Pilgerreihe durstig, nahte sich der jungen Sarazenin flehend, forderte von ihr zu trinken."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1741,"orig":"Langſam ſenkte ſie den Krug.","norm":"Langsam senkte sie den Krug."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1742,"orig":"Er ſchlürfte.","norm":"Er schlürfte."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1743,"orig":"Langſam hob den Krug zu Haupt ſie wieder, Heimwärts wandelnd.","norm":"Langsam hob den Krug zu Haupt sie wieder, Heimwärts wandelnd."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1744,"orig":"Vor des Thores Wölbung Wandte ſie das Haupt mitſammt dem Kruge, Schritte fühlend hinter ihren Sohlen: „Pilger, hüte dich vor dieſem Thore!","norm":"Vor des Tores Wölbung wandte sie das Haupt mitsamt dem Kruge, Schritte fühlend hinter ihren Sohlen: „Pilger, hüte dich vor diesem Tore!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1745,"orig":"Denn es würde dir zum Thor des Todes!","norm":"Denn es würde dir zum Tor des Todes!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1746,"orig":"Meine dunkeln Augen ſind verderblich Und verhaßt iſt Chriſtus in Damaskus!“ Und ſie wandelt durch des Thores Wölbung, Und ſie wandelt durch die dunkeln Gaſſen, Schritte fühlend hinter ihren Sohlen.","norm":"Meine dunkeln Augen sind verderblich und verhasst ist Christus in Damaskus!“ Und sie wandelt durch des Tores Wölbung, und sie wandelt durch die dunkeln Gassen, Schritte fühlend hinter ihren Sohlen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1747,"orig":"Ihre Thüre öffnet ſie und ſchließt ſie Und empor zum innern Söller ſteigend Sieht ſie mit den Sinnen ihres Geiſtes Einen Pilger liegen auf der Schwelle, Auf der Schwelle vor des Hauſes Pforte.","norm":"Ihre Türe öffnet sie und schließt sie Und empor zum inneren Söller steigend sieht sie mit den Sinnen ihres Geistes Einen Pilger liegen auf der Schwelle, auf der Schwelle vor des Hauses Pforte."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1748,"orig":"In der erſten Morgenhelle ſtand ſie Vor dem Pilger, heftig ihn zu ſchelten: „Pilger, hebe dich von dieſer Schwelle, Die zur Schwelle würde dir des Todes!","norm":"In der ersten Morgenhelle stand sie vor dem Pilger, heftig ihn zu schelten: „Pilger, hebe dich von dieser Schwelle, die zur Schwelle würde dir des Todes!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1749,"orig":"Will nicht ſchuldig ſein an deinem Tode!","norm":"Will nicht schuldig sein an deinem Tode!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1750,"orig":"Meine dunkeln Augen ſind verderblich!","norm":"Meine dunkeln Augen sind verderblich!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1751,"orig":"Alle ſchlügen heute dich mit Stäben, Alle würfen heute dich mit Steinen, Und du lägeſt todt in deinem Blute!","norm":"Alle schlügen heute dich mit Stäben, alle würfen heute dich mit Steinen, und du lägest tot in deinem Blute!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1752,"orig":"Denn verhaßt iſt Chriſtus in Damaskus!","norm":"Denn verhasst ist Christus in Damaskus!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1753,"orig":"Weiche, Pilger!","norm":"Weiche, Pilger!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1754,"orig":"Heb' dich, läſt'ger Bettler!","norm":"Hebe dich, lästiger Bettler!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1755,"orig":"Fremdling!","norm":"Fremdling!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1756,"orig":"Abergläub'ſcher!","norm":"Abergläubischer!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1757,"orig":"Götzendiener!","norm":"Götzendiener!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1758,"orig":"Dieſen Lippen einen Kuß!","norm":"Diesen Lippen einen Kuss!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1759,"orig":"Entweiche!“ Doch er weigerte ſich mit dem Haupte, Zornig wich von ihm die Sarazenin.","norm":"Entweiche!“ Doch er weigerte sich mit dem Haupte, zornig wich von ihm die Sarazenin."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1760,"orig":"In der letzten Abendhelle ſtand ſie Vor dem Pilger, dem das Blut aus vielen Wunden ſtrömte, heftig ihn zu ſchelten: „Weiche, Pilger!","norm":"In der letzten Abendhelle stand sie vor dem Pilger, dem das Blut aus vielen Wunden strömte, heftig ihn zu schelten: „Weiche, Pilger!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1761,"orig":"Heb' dich, läſt'ger Bettler!","norm":"Hebe dich, lästiger Bettler!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1762,"orig":"Fremdling!","norm":"Fremdling!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1763,"orig":"Abergläub'ſcher!","norm":"Abergläubischer!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1764,"orig":"Götzendiener!","norm":"Götzendiener!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1765,"orig":"Meine dunkeln Augen ſind verderblich Und verhaßt iſt Chriſtus in Damaskus!","norm":"Meine dunkeln Augen sind verderblich und verhasst ist Christus in Damaskus!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1766,"orig":"Will nicht ſchuldig ſein an deinem Tode!","norm":"Will nicht schuldig sein an deinem Tode!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1767,"orig":"Waſchen will ich deine rothen Striemen, Küſſen will ich deine blut'gen Wunden, Läugneſt du den bleichen Mann am Holze!“ Doch er weigerte ſich mit dem Haupte, Weinend wich von ihm die Sarazenin Und empor zum innern Söller ſteigend Hört ſie mit den Sinnen ihres Geiſtes Leiſe ſtöhnen einen Todeswunden Auf der Schwelle vor des Hauſes Pforte.","norm":"Waschen will ich deine roten Striemen, Küssen will ich deine blutigen Wunden, leugnest du den bleichen Mann am Holze!“ Doch er weigerte sich mit dem Haupte, weinend wich von ihm die Sarazenin und empor zum inneren Söller steigend hört sie mit den Sinnen ihres Geistes Leise stöhnen einen Todeswunden Auf der Schwelle vor des Hauses Pforte."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1768,"orig":"Ferne blieb der Schlummer ihren Lidern, Endlich kam der Schlummer und ein Traum kam.","norm":"Ferne blieb der Schlummer ihren Lidern, endlich kam der Schlummer und ein Traum kam."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1769,"orig":"Rings empor an eines Gipfels Abhang Klommen mit erbaulichen Geſängen Pilger auf zum Thor des Paradieſes.","norm":"Rings empor an eines Gipfels Abhang klommen mit erbaulichen Gesängen Pilger auf zum Tor des Paradieses."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1770,"orig":"Einer klomm voran, ein heil'ger Märtrer, Den die andern grüßten ehrerbietig.","norm":"Einer klomm voran, ein heiliger Märtyrer, den die anderen grüßten ehrerbietig."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1771,"orig":"In des Thores Wölbung ſtand der Heiland: „Tritt herein!","norm":"In des Tores Wölbung stand der Heiland: „Tritt herein!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1772,"orig":"Du haſt für mich geblutet!“ Doch der Pilger weigerte ſich ſtandhaft: „Heiland, laß mich liegen auf der Schwelle, Bis ſie kommt die ſtündlich ich erwarte!","norm":"Du hast für mich geblutet!“ Doch der Pilger weigerte sich standhaft: „Heiland, lass mich liegen auf der Schwelle, bis sie kommt die stündlich ich erwarte!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1773,"orig":"Hand in Hand verſenkt und Blick in Blick auch, Tritt ſie, mir geſellt, in Deine Freude, Keine Sarazenin, eine Chriſtin.","norm":"Hand in Hand versenkt und Blick in Blick auch, Tritt sie, mir gesellt, in Deine Freude, keine Sarazenin, eine Christin."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1774,"orig":"Solches träumend, ſtürzten ihr die Thränen So gewaltig, daß ſie drob erwachte.","norm":"Solches träumend, stürzten ihr die Tränen so gewaltig, dass sie drob erwachte."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1775,"orig":"Jählings ſpringt ſie auf von ihrem Lager, Fliegt hinab des Hauſes hundert Stufen:","norm":"Jählings springt sie auf von ihrem Lager, fliegt hinab des Hauses hundert Stufen:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1776,"orig":"Leer und blutbegoſſen lag die Schwelle In des ungebornen Tages Frühlicht.","norm":"Leer und blutbegossen lag die Schwelle in des ungeborenen Tages Frühlicht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1777,"orig":"Auf die harte Schwelle kniet ſie nieder, Badet ſie mit unerſchöpften Thränen, Drängt den warmen Buſen ihr entgegen, Preßt ſie feſt, als klopft' ein Herz im Steine, Keines klopft, doch ihres zum Zerſpringen.","norm":"Auf die harte Schwelle kniet sie nieder, badet sie mit unerschöpften Tränen, drängt den warmen Busen ihr entgegen, presst sie fest, als klopfte ein Herz im Steine, keines klopft, doch ihres zum Zerspringen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1778,"orig":"Als die Füße derer wiederkehrten, Die den Todten vor das Thor getragen, Eilten ſie der Schwelle ſcheu vorüber, Auf der Schwelle ſahn ſie eine Todte, Auf der Schwelle lag die Sarazenin.","norm":"Als die Füße derer wiederkehrten, die den Toten vor das Tor getragen, eilten sie der Schwelle scheu vorüber, auf der Schwelle sahen sie eine Tote, auf der Schwelle lag die Sarazenin."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1779,"orig":"Keine Sarazenin, eine Chriſtin!“ Endet' Bruder Anaklet erbaulich.","norm":"Keine Sarazenin, eine Christin!“ Endete Bruder Anaklet erbaulich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1780,"orig":"Mir träumt', ich komm' ans Himmelsthor Und finde dich, die Süße!","norm":"Mir träumte, ich komme ans Himmelstor und finde dich, die Süße!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1781,"orig":"Du ſaßeſt bei dem Quell davor Und wuſcheſt dir die Füße.","norm":"Du saßest bei dem Quell davor und wuschest dir die Füße."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1782,"orig":"Du wuſcheſt, wuſcheſt ohne Raſt Den blendend weißen Schimmer, Begannſt mit wunderlicher Haſt Dein Werk von Neuem immer.","norm":"Du wuschest, wuschest ohne Rast den blendend weißen Schimmer, begannst mit wunderlicher Hast Dein Werk von Neuem immer."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1783,"orig":"Ich frug: „Was badeſt du dich hier Mit thränennaſſen Wangen?“ Du ſprachſt: „Weil ich im Staub mit dir, So tief im Staub gegangen.","norm":"Ich fragte: „Was badest du dich hier Mit tränennassen Wangen?“ Du sprachst: „Weil ich im Staub mit dir, so tief im Staub gegangen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1784,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1785,"orig":"Am Geſtade Paläſtina's, auf und nieder, Tag um Tag, „London?“ frug die Sarazenin, wo ein Schiff vor Anker lag.","norm":"Am Gestade Palästinas, auf und nieder, Tag um Tag, „London?“ fragte die Sarazenin, wo ein Schiff vor Anker lag."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1786,"orig":"London!“ bat ſie lang vergebens, nimmer ward ſie müd und zag, Bis zuletzt an Bord ſie brachte eines Bootes Ruderſchlag.","norm":"London!“ bat sie lang vergebens, nimmer wurde sie müde und zag, bis zuletzt an Bord sie brachte eines Bootes Ruderschlag."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1787,"orig":"Sie betrat das Deck des Seglers und ihr wurde nicht gewehrt.","norm":"Sie betrat das Deck des Seglers und ihr wurde nicht gewehrt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1788,"orig":"Meer und Himmel.","norm":"Meer und Himmel."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1789,"orig":"„London?“ frug ſie, von der Heimath abgekehrt, Suchte, blickte, durch des Schiffers ausgeſtreckte Hand belehrt, Nach den Küſten wo die Sonne ſich in Abendgluth verzehrt ...","norm":"„London?“ fragte sie, von der Heimat abgekehrt, suchte, blickte, durch des Schiffers ausgestreckte Hand belehrt, nach den Küsten wo die Sonne sich in Abendglut verzehrt ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1790,"orig":"„Gilbert?“ fragt die Sarazenin im Gedräng der großen Stadt, Und die Menge lacht und ſpottet, bis ſie dann Erbarmen hat.","norm":"„Gilbert?“ fragt die Sarazenin im Gedränge der großen Stadt, und die Menge lacht und spottet, bis sie dann Erbarmen hat."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1791,"orig":"„Tauſend Gilbert giebt's in London!“ Doch ſie ſchreitet nimmer matt.","norm":"„Tausend Gilbert gibt es in London!“ Doch sie schreitet nimmer matt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1792,"orig":"„Labe dich mit Trank und Speiſe!“ Doch ſie wird von Thränen ſatt.","norm":"„Labe dich mit Trank und Speise!“ Doch sie wird von Tränen satt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1793,"orig":"Gilbert!“ „Nichts als Gilbert?","norm":"Gilbert!“ „Nichts als Gilbert?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1794,"orig":"weißt du keine andern Worte?","norm":"Weißt du keine anderen Worte?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1795,"orig":"nein?“ „Gilbert!“...","norm":"Nein?“ „Gilbert!“..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1796,"orig":"„Hört, das wird der weiland Pilger Gilbert Becket ſein — Den gebräunt in Sklavenketten glüher Wüſte Sonnenſchein — Dem die Bande löste heimlich eines Emirs Töchterlein —“ „Pilgrim Gilbert Becket!“ dröhnt es, brauſt es längs der Themſe Strand.","norm":"„Hört, das wird der weiland Pilger Gilbert Becket sein — den gebräunt in Sklavenketten glüher Wüste Sonnenschein — dem die Bande löste heimlich eines Emirs Töchterlein —“ „Pilgrim Gilbert Becket!“ dröhnt es, braust es längs der Themse Strand."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1797,"orig":"Sieh, da kommt er ihr entgegen, von des Volkes Mund genannt, Ueber ſeine Schwelle führt er, die das Ziel der Reiſe fand.","norm":"Sieh, da kommt er ihr entgegen, von des Volkes Mund genannt, über seine Schwelle führt er, die das Ziel der Reise fand."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1798,"orig":"Liebe wandert mit zwei Worten gläubig über Meer und Land.","norm":"Liebe wandert mit zwei Worten gläubig über Meer und Land."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1799,"orig":"In den Armen ſeines Jüngſten Phantaſirt der ſieche Kaiſer, An dem treuen Herzen Manfreds Kämpft er ſeinen Todeskampf.","norm":"In den Armen seines Jüngsten Phantasiert der sieche Kaiser, an dem treuen Herzen Manfreds Kämpft er seinen Todeskampf."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1800,"orig":"Mit den geiſterhaften, blauen Augen ſtarrt er in die Weite, Während ſeine fieberheiße Rechte preßt des Sohnes Hand: „Manfred, lauſche meinen Worten!","norm":"Mit den geisterhaften, blauen Augen starrt er in die Weite, während seine fieberheiße Rechte presst des Sohnes Hand: „Manfred, lausche meinen Worten!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1801,"orig":"Drüben auf dem Marmortiſche Mit den Greifen liegt mein gültig Unterſchrieben Teſtament.","norm":"Drüben auf dem Marmortische mit den Greifen liegt mein gültig unterschrieben Testament."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1802,"orig":"Eine Kutte, drin zu ſterben, Schenkten mir die braven Mönche, Daß ich meine Seele rette Trotz dem Bann des heil'gen Stuhls.","norm":"Eine Kutte, drin zu sterben, schenkten mir die braven Mönche, dass ich meine Seele rette Trotzdem Bann des heiligen Stuhls."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1803,"orig":"Manfred, meines Herzens Liebling, Laß den Herold auf den Söller Treten und der Erde melden, Daß der Hohenſtaufe ſchied.","norm":"Manfred, meines Herzens Liebling, Lass den Herold auf den Söller Treten und der Erde melden, dass der Hohenstaufe schied."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1804,"orig":"Manfred mit den blonden Locken Sarge prächtig ein die Kutte, Führe ſie mit Schaugepränge Nach dem Dome von Palerm!","norm":"Manfred mit den blonden Locken Sarge prächtig ein die Kutte, Führe sie mit Schaugepränge nach dem Dome von Palerm!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1805,"orig":"Weißt du, Liebling, das Geheimniß?","norm":"Weißt du, Liebling, das Geheimnis?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1806,"orig":"Dieſe Nacht in einer Sänfte Tragen meine Sarazenen Sacht mich an den Strand des Meers.","norm":"Diese Nacht in einer Sänfte Tragen meine Sarazenen Sacht mich an den Strand des Meers."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1807,"orig":"Meiner harrt ein ſchwellend Segel.","norm":"Meiner harrt ein schwellend Segel."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1808,"orig":"Auf des Schiffes Deck gelagert, Fahr' entgegen ich dem Morgen Und dem neugebornen Strahl.","norm":"Auf des Schiffes Deck gelagert, Fahr entgegen ich dem Morgen und dem neugeborenen Strahl."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1809,"orig":"Fern auf einem Vorgebirge, Das in blaue Flut hinausragt, Steht ein halb zertrümmert Kloſter Und ein ſchlanker Tempelbau.","norm":"Fern auf einem Vorgebirge, das in blaue Flut hinausragt, steht ein halb zertrümmert Kloster und ein schlanker Tempelbau."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1810,"orig":"Zwiſchen Kloſter und Rotunde Schlagen wir das Zelt im Freien.","norm":"Zwischen Kloster und Rotunde Schlagen wir das Zelt im Freien."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1811,"orig":"Selig athm' ich Meer und Himmel, Bis mich Schlummer übermannt.","norm":"Selig atme ich Meer und Himmel, bis mich Schlummer übermannt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1812,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1813,"orig":"Weib, verrathe mir, von wem gerufen Du zur Leidgeſellin dich gegeben?","norm":"Weib, verrate mir, von wem gerufen Du zur Leidgesellin dich gegeben?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1814,"orig":"Wer herunter dieſes Kerkers Stufen Dich gezogen, du mein ſüßes Leben?“ — König Enzio, keine Menſchen haben Mich vermocht im Kerker zu verbleichen!","norm":"Wer herunter dieses Kerkers Stufen Dich gezogen, du mein süßes Leben?“ — König Enzio, keine Menschen haben mich vermocht im Kerker zu verbleichen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1815,"orig":"Nein, ein Schickſal war mir eingegraben, Meine junge Stirne trug ein Zeichen.","norm":"Nein, ein Schicksal war mir eingegraben, Meine junge Stirn trug ein Zeichen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1816,"orig":"Unſre Väter nahmen dich gefangen Und wir Kinder hatten's bald erfahren, Daß du nimmer wirſt ans Licht gelangen, König Enzio mit den Ringelhaaren!","norm":"Unsere Väter nahmen dich gefangen Und wir Kinder hatten es bald erfahren, dass du nimmer wirst ans Licht gelangen, König Enzio mit den Ringelhaaren!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1817,"orig":"Daß du nimmer tragen eine helle Rüſtung wirſt, wo die Drommeten klingen, Daß du nimmer rauſchen Wald und Quelle Hörſt, noch einen freien Vogel ſingen!","norm":"Dass du nimmer tragen eine helle Rüstung wirst, wo die Trompeten klingen, dass du nimmer rauschen Wald und Quelle hörst, noch einen freien Vogel singen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1818,"orig":"Und wir Kinder lauſchten ſachte, ſachte Durch das Gitter in des Kerkers Tiefe, Leis und heftig ſtreitend, ob Er wachte Schwerbekümnmert oder ob Er ſchliefe — Meine Stirne drückt' ich an das Eiſen, Drinnen lagſt du ſchlummernd, wie mir deuchte, Blickte ...","norm":"Und wir Kinder lauschten sachte, sachte durch das Gitter in des Kerkers Tiefe, Leis und heftig streitend, ob Er wachte Schwerbekümmert oder ob Er schliefe — Meine Stirn drückte ich an das Eisen, Drinnen lagst du schlummernd, wie mir dünkte, Blickte ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1819,"orig":"blickte, war nicht wegzuweiſen, Bis der Wächter drohend mich verſcheuchte.","norm":"blickte, war nicht wegzuweisen, bis der Wächter drohend mich verscheuchte."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1820,"orig":"Mütterlein erſah mich und wehklagte, Schlug die Hände jammervoll zuſammen: „Kind, wer hat dir in die Stirne“ — fragte Sie — „gezeichnet dieſes Kreuz von Flammen?“ Hieß mich dann in ihren Spiegel ſchauen — Theuer werther Herr, ſo wahr ich lebe, Eingezeichnet über meinen Brauen Waren deines Kerkers Eiſenſtäbe!","norm":"Mütterlein ersah mich und wehklagte, schlug die Hände jammervoll zusammen: „Kind, wer hat dir in die Stirn“ — fragte Sie — „gezeichnet dieses Kreuz von Flammen?“ Hieß mich dann in ihren Spiegel schauen — teurer werter Herr, so wahr ich lebe, eingezeichnet über meinen Brauen Waren deines Kerkers Eisenstäbe!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1821,"orig":"Außen wich das Zeichen; aber innen Blieb's, da ich zur Maid erwuchs, geſchrieben Herr, ſeit jenem Tag war all mein Sinnen Dich und deinen Kerker nur zu lieben.","norm":"Außen wich das Zeichen; aber innen blieb es, da ich zur Maid erwuchs, geschrieben Herr, seit jenem Tag war all mein Sinnen Dich und deinen Kerker nur zu lieben."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1822,"orig":"Der fromme Lautenſchläger Herr René Trug braune Locken — ſie ſind weiß wie Schnee.","norm":"Der fromme Lautenschläger Herr René Trug braune Locken — sie sind weiß wie Schnee."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1823,"orig":"An ſeiner Stirn verglomm der Kronen Glanz, Da haftet nichts als nur ein Lorbeerkranz.","norm":"An seiner Stirn verglomm der Kronen Glanz, da haftet nichts als nur ein Lorbeerkranz."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1824,"orig":"Schloß Tarascon — er bietet's zum Verkauf — Dran ſpritzt die blaue Rhone ſcherzend auf, Von hoher Warte wandert rings der Blick Der König wägt als Denker ſein Geſchick: „S'iſt eigen daß man immer mich vertreibt!","norm":"Schloss Tarascon — er bietet es zum Verkaufe — dran spritzt die blaue Rhone scherzend auf, von hoher Warte wandert rings der Blick der König wägt als Denker sein Geschick: „S'ist eigen dass man immer mich vertreibt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1825,"orig":"S'iſt eigen daß mir nichts in Händen bleibt!","norm":"S'ist eigen dass mir nichts in Händen bleibt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1826,"orig":"Lothringen erbt' ich, wo die Trift ſich ſonnt, Das nahm mir weg Anton von Vaudemont.","norm":"Lothringen erbte ich, wo die Trift sich sonnt, das nahm mir weg Anton von Vaudemont."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1827,"orig":"Dann erbt' ich flugs das Fürſtenthum Anjou Und noch das nette Ländlein Bar dazu — Herr König Ludwig trat in mein Gelaß Als Gaſt und ſchrieb mir meinen Wanderpaß.","norm":"Dann erbte ich flugs das Fürstentum Anjou und noch das nette Ländlein Bar dazu — Herr König Ludwig trat in mein Gelass als Gast und schrieb mir meinen Wanderpass."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1828,"orig":"Reich Napel war's, das dann zu Erb mir fiel, Dort miſchte ſich der Aragon ins Spiel — Das ſchöne Napel!","norm":"Reich Napel war es, das dann zu Erb mir fiel, dort mischte sich der Aragon ins Spiel — das schöne Napel!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1829,"orig":"Richtig werd' ich ſchlemm!","norm":"Richtig werde ich schlemmen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1830,"orig":"Mir bleibt das himmliſche Jeruſalem!","norm":"Mir bleibt das himmlische Jerusalem!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1831,"orig":"Da ſchimmert unvergänglich Dach und Fach — Ich erb' es ſchon.","norm":"Da schimmert unvergänglich Dach und Fach — Ich erbe es schon."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1832,"orig":"Das Erben iſt mein Sach!","norm":"Das Erben ist mein Sache!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1833,"orig":"Doch geht mein Sach, wie hier, ſo droben dort, Jagt aus dem Himmel mich der Teufel fort.","norm":"Doch geht mein Sache, wie hier, so droben dort, jagt aus dem Himmel mich der Teufel fort."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1834,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1835,"orig":"Die Thürme von Florenz umblaut Der ſüße Lenz, der junge Lenz, Die Frauen ſingen leis und laut In allen Gaſſen von Florenz.","norm":"Die Türme von Florenz umblaut der süße Lenz, der junge Lenz, die Frauen singen leis und laut in allen Gassen von Florenz."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1836,"orig":"Am Rand der Arnobrücke ſteht Ein ſchwarzverwittert Marmelbild Mit Helmgeflatter, Kriegsgerät, Gott Mars, und lächelt falſch und wild.","norm":"Am Rand der Arnobrücke steht ein schwarzverwittert Marmorbild mit Helmgeflatter, Kriegsgerät, Gott Mars, und lächelt falsch und wild."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1837,"orig":"— „Gott Mars, wohl magſt du finſter ſchaun, Drommete dröhnt im Lenze nie, Raub' eine dir von unſern Fraun!","norm":"— „Gott Mars, wohl magst du finster schauen, Trompete dröhnt im Lenze nie, Raub eine dir von unseren Frauen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1838,"orig":"Hoch über Venus preiſ' ich ſie!“ Ein Jüngling ruft's dem Gott empor Mit lachend ausgeſtreckter Hand — Ihm dringt ein Erzgedröhn ans Ohr, Er eilt und ſteht am andern Strand.","norm":"Hoch über Venus preise ich sie!“ Ein Jüngling ruft es dem Gott empor mit lachend ausgestreckter Hand — ihm dringt ein Erzgedröhn ans Ohr, er eilt und steht am anderen Strand."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1839,"orig":"Raſch tritt aus einem Haus hervor Ein Edelweib, das höhnt und lacht: „Zur Amidei?","norm":"Rasch tritt aus einem Haus hervor ein Edelweib, das höhnt und lacht: „Zur Amidei?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1840,"orig":"Junger Thor!","norm":"Junger Tor!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1841,"orig":"Dir war das Schön're zugedacht!","norm":"Dir war das Schönere zugedacht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1842,"orig":"Nach Gottes Rathſchluß iſt's geſchehn!","norm":"Nach Gottes Ratschluss ist es geschehen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1843,"orig":"Heut wirſt du — heißt's — mit ihr getraut — Jetzt ſollſt du die Donati ſehn:","norm":"Heute wirst du — heißt es — mit ihr getraut — jetzt sollst du die Donati sehen:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1844,"orig":"Blick her!","norm":"Blick her!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1845,"orig":"Vergleich' mit deiner Braut!“ Sie zerrt ein Mägdlein an das Licht, Es kämpft ins dunkle Haus zurück, Im jungen bangen Angeſicht Erräth er aller Himmel Glück.","norm":"Vergleich mit deiner Braut!“ Sie zerrt ein Mägdlein an das Licht, es kämpft ins dunkle Haus zurück, im jungen bangen Angesicht errät er aller Himmel Glück."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1846,"orig":"„Hinweg!","norm":"„Hinweg!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1847,"orig":"Die Amidei harrt!","norm":"Die Amidei harrt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1848,"orig":"Hinweg!","norm":"Hinweg!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1849,"orig":"Mein Kind iſt keine Dirn!","norm":"Mein Kind ist keine Dirn!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1850,"orig":"Ihr blicket frech!“ Der Jüngling ſtarrt Auf die geſenkte Mädchenſtirn.","norm":"Ihr blicket frech!“ Der Jüngling starrt auf die gesenkte Mädchenstirn."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1851,"orig":"Der Wunſch iſt Glut!","norm":"Der Wunsch ist Glut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1852,"orig":"Die Scham iſt Glut!","norm":"Die Scham ist Glut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1853,"orig":"Die hohe Doppelflamme loht!","norm":"Die hohe Doppelflamme loht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1854,"orig":"Er ſtreckt die Hand.","norm":"Er streckt die Hand."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1855,"orig":"Das höchſte Gut Ergreift er und ergreift den Tod.","norm":"Das höchste Gut ergreift er und ergreift den Tod."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1856,"orig":"„Frau, ſtrafet mich nicht allzuſchwer!","norm":"„Frau, strafet mich nicht allzu schwer!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1857,"orig":"Das ſüße Haupt!","norm":"Das süße Haupt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1858,"orig":"Das blonde Haar!","norm":"Das blonde Haar!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1859,"orig":"Gewähret ſie mir!“ ſtammelt er.","norm":"Gewähret sie mir!“ stammelt er."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1860,"orig":"„Ich führe ſtracks ſie zum Altar!“ Den Ring der ihm die Hand bereift, Der Amidei Trauungsring, Hat raſend er ſich abgeſtreift Und ſchleudert ihn.","norm":"„Ich führe stracks sie zum Altar!“ Den Ring der ihm die Hand bereift, der Amidei Trauungsring, hat rasend er sich abgestreift Und schleudert ihn."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1861,"orig":"Da rollt er.","norm":"Da rollt er."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1862,"orig":"Kling ...","norm":"Kling ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1863,"orig":"Jetzt kniet er im Capellenraum, An Freveln und an Wonnen reich, Zur Linken kniet ſein ſünd'ger Traum, Wie Engel ſchön, wie Todte bleich.","norm":"Jetzt kniet er im Kapellenraum, an Freveln und an Wonnen reich, zur Linken kniet sein sündiger Traum, wie Engel schön, wie Tote bleich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1864,"orig":"Dem Paar zu Häupten murmelt leer Und ſchnell ein feiles Prieſterwort — „Die Roſſe her!","norm":"Dem Paar zu Häupten murmelt leer und schnell ein feiles Priesterwort — „Die Rosse her!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1865,"orig":"Die Roſſe her!","norm":"Die Rosse her!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1866,"orig":"Zum Thor hinaus!","norm":"Zum Tor hinaus!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1867,"orig":"Ins Freie fort!","norm":"Ins Freie fort!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1868,"orig":"Du lieb Geſchöpf!","norm":"Du lieb Geschöpf!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1869,"orig":"Du bebſt wie Laub!","norm":"Du bebst wie Laub!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1870,"orig":"Verlarve dir das Angeſicht!","norm":"Verlarve dir das Angesicht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1871,"orig":"Faß Muth!","norm":"Faße Mut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1872,"orig":"Ich bringe meinen Raub, In eine Burg die Keiner bricht!“ Am Rand der Arnobrücke ſteht Ein ſchwarzverwittert Marmelbild Mit Helmgeflatter, Kriegsgerät, Gott Mars, und lächelt falſch und wild.","norm":"Ich bringe meinen Raub, in eine Burg die Keiner bricht!“ Am Rand der Arnobrücke steht ein schwarzverwittert Marmorbild mit Helmgeflatter, Kriegsgerät, Gott Mars, und lächelt falsch und wild."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1873,"orig":"Das Schwert des Gottes ſchüttert leis.","norm":"Das Schwert des Gottes schüttert leis."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1874,"orig":"Da ſpringt hervor mit Erzeslaut Ein Hinterhalt, ein Mörderkreis, Die Sippe der verrathnen Braut.","norm":"Da springt hervor mit Erzeslaut ein Hinterhalt, ein Mörderkreis, die Sippe der verratenen Braut."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1875,"orig":"„Verdammter, ſtirb!“ — „Geliebte, flieh!“ Wild ringend ſtürzt er umgebracht, An ſeinen Buſen gleitet ſie Und ſinkt mit ihm in Eine Nacht.","norm":"„Verdammter, stirb!“ — „Geliebte, fliehe!“ Wild ringend stürzt er umgebracht, an seinen Busen gleitet sie Und sinkt mit ihm in eine Nacht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1876,"orig":"Herab von aller Thürme Hang Verkündet gellend Sturmgeläut Den Bürgerkampf.","norm":"Herab von aller Türme Hang verkündet gellendes Sturmgeläut den Bürgerkampf."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1877,"orig":"Das Schwert erklang Dem Gott, der ſich des Mordes freut.","norm":"Das Schwert erklang dem Gott, der sich des Mordes freut."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1878,"orig":"Fra Dolcin, der Ketzer, der von Dante In der Hölle neunten Kreis Gebannte, Hat ein Weib geliebt, von dem ſie ſagen, Daß kein ſchön'res lebt' in jenen Tagen.","norm":"Fra Dolcin, der Ketzer, der von Dante in der Hölle neunten Kreis gebannte, hat ein Weib geliebt, von dem sie sagen, dass kein schöneres lebte in jenen Tagen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1879,"orig":"Kamen ſeine Jünger ihn zu grüßen, Saß die Blonde ſchon zu ſeinen Füßen, Segnet' er das Volk mit frevler Rechten, Neigte ſie zuerſt die goldnen Flechten;","norm":"Kamen seine Jünger ihn zu grüßen, saß die Blonde schon zu seinen Füßen, segnete er das Volk mit Frevler Rechten, neigte sie zuerst die goldenen Flechten;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1880,"orig":"Dem Verfehmten folgte ſie, dem Flieh'nden, Durch die Schluchten des Gebirges Zieh'nden — Da er von den Schergen ward gefangen, Iſt ſie ſeinen Feſſeln nachgegangen;","norm":"Dem Verfemten folgte sie, dem Fliehenden, durch die Schluchten des Gebirges Ziehenden — da er von den Schergen wurde gefangen, ist sie seinen Fesseln nachgegangen;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1881,"orig":"Wo er in der Flamme ſich gewunden, Steht auch ſie am Marterpfahl gebunden.","norm":"Wo er in der Flamme sich gewunden, steht auch sie am Marterpfahl gebunden."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1882,"orig":"Lieblich iſt, die Fra Dolcin verführte, Wie noch nie ein Weib die Herzen rührte;","norm":"Lieblich ist, die Fra Dolcin verführte, wie noch nie ein Weib die Herzen rührte;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1883,"orig":"Augen, unergründlich wunderbare, Schaun, als ob ſie zu den Sel'gen fahre.","norm":"Augen, unergründlich wunderbare, Schauen, als ob sie zu den Seligen fahre."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1884,"orig":"Die ſie richten, fragen ſich mit Grauen:","norm":"Die sie richten, fragen sich mit Grauen:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1885,"orig":"Kann die Hölle wie der Himmel ſchauen?","norm":"Kann die Hölle wie der Himmel schauen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1886,"orig":"Und es zittern vor dem unſchuldsvollen Engelsantlitz, die ſie martern wollen.","norm":"Und es zittern vor dem unschuldsvollen Engelsantlitz, die sie martern wollen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1887,"orig":"Selbſt der Prieſter ſpricht mit ihr gelinde, Als mit einem irrgegangnen Kinde: „Schwaches Weib, der dich verleitet hatte, Weder Bruder war er dir noch Gatte!","norm":"Selbst der Priester spricht mit ihr gelinde, als mit einem irrgegangenen Kinde: „Schwaches Weib, der dich verleitet hatte, weder Bruder war er dir noch Gatte!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1888,"orig":"Seine Aſche treibt im Wind!","norm":"Seine Asche treibt im Wind!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1889,"orig":"Verflogen Sind die Stapfen, die dich nachgezogen!","norm":"Verflogen sind die Stapfen, die dich nachgezogen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1890,"orig":"Büße!","norm":"Büße!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1891,"orig":"Folge reuig den Geboten Unſrer heil'gen Kirche!","norm":"Folge reuig den Geboten unserer heiligen Kirche!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1892,"orig":"Laß den Todten!“ In den Banden kann ſich nicht bewegen Margherita, nur die Lippen regen: „Leiden muß ich, was Dolcin gelitten ...","norm":"Lass den Toten!“ In den Banden kann sich nicht bewegen Margherita, nur die Lippen regen: „Leiden muss ich, was Dolcin gelitten ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1893,"orig":"Horch, er ruft!","norm":"Horch, er ruft!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1894,"orig":"Ich folge ſeinen Schritten“ — Und die warmen, tiefen Blicke ſtrahlen — „Durch die Martern folg' ich, durch die Qualen!“ — „Ketzerin, dich ſtärken finſtre Mächte!","norm":"Ich folge seinen Schritten“ — und die warmen, tiefen Blicke strahlen — „Durch die Martern folge ich, durch die Qualen!“ — „Ketzerin, dich stärken finstre Mächte!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1895,"orig":"Brände her!“....","norm":"Brände her!“...."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1896,"orig":"Es rühren ſich die Knechte.","norm":"Es rühren sich die Knechte."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1897,"orig":"Siehe da!","norm":"Siehe da!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1898,"orig":"Wie eines Blitzes Leuchten Fährt ein Ritter unter die Geſcheuchten, Will den ſchönen Dämon ſich erſtreiten;","norm":"Wie eines Blitzes Leuchten fährt ein Ritter unter die Gescheuchten, will den schönen Dämon sich erstreiten;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1899,"orig":"Er bemächtigt ſich der Maledeiten, Ihre Kniee faſſt er mit der Linken, In der Rechten droht des Schwertes Blinken: „Tretet aus die Glut!","norm":"Er bemächtigt sich der Maledeiten, Ihre Knie fasst er mit der Linken, in der Rechten droht des Schwertes Blinken: „Tretet aus die Glut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1900,"orig":"Bei Gottes Leibe, Löſcht die Fackeln!","norm":"Bei Gottes Leibe, löscht die Fackeln!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1901,"orig":"Weg von meinem Weibe!","norm":"Weg von meinem Weibe!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1902,"orig":"Sage Ja ...","norm":"Sage Ja ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1903,"orig":"Mit einem Wink der Lider ...","norm":"Mit einem Wink der Lider ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1904,"orig":"Und vom Scheiterhaufen ſteigſt du nieder!","norm":"Und vom Scheiterhaufen steigst du nieder!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1905,"orig":"Keiner wird auf meiner Burg es wagen, Dich um deinen Glauben zu befragen!“ — „Laß mich ziehn!","norm":"Keiner wird auf meiner Burg es wagen, Dich um deinen Glauben zu befragen!“ — „Lass mich ziehen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1906,"orig":"...","norm":"..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1907,"orig":"Ich darf mich nicht verweilen ...","norm":"Ich darf mich nicht verweilen ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1908,"orig":"Horch, Dolcino ruft!","norm":"Horch, Dolcino ruft!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1909,"orig":"...","norm":"..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1910,"orig":"Ich muß mich eilen ...","norm":"Ich muss mich eilen ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1911,"orig":"Gieb mich frei!“ Er weicht mit einem herben Hohngelächter.","norm":"Gib mich frei!“ Er weicht mit einem herben Hohngelächter."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1912,"orig":"„Mag die Thörin ſterben!“ Ueber ihrem blonden Haupt zuſammen Schlagen Todesflammen, Liebesflammen.","norm":"„Mag die Törin sterben!“ Über ihrem blonden Haupt zusammen Schlagen Todesflammen, Liebesflammen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1913,"orig":"Corſen, löſt des Portes Ketten!","norm":"Korsen, löst des Portes Ketten!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1914,"orig":"Jede Hoffnung iſt verſchwunden!","norm":"Jede Hoffnung ist verschwunden!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1915,"orig":"Nirgend weht ein rettend Segel!","norm":"Nirgend weht ein rettend Segel!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1916,"orig":"Gebt euch!","norm":"Gebt euch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1917,"orig":"Pfleget eure Wunden!","norm":"Pflegt eure Wunden!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1918,"orig":"Genua, euer hat's vergeſſen!","norm":"Genua, euer hat es vergessen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1919,"orig":"Spähet aus von eurem Riffe!","norm":"Spähet aus von eurem Riffe!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1920,"orig":"Sucht im Meere!","norm":"Sucht im Meere!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1921,"orig":"Schärft die Augen!","norm":"Schärft die Augen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1922,"orig":"Nirgend, nirgend Genua's Schiffe!","norm":"Nirgend, nirgend Genuas Schiffe!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1923,"orig":"Eure Kinder hör' ich wimmern, eure Fraun, die hungermatten, Blicken hohl wie Nachtgeſpenſter und ihr ſelber wankt wie Schatten!“ Vom Verdeck des Schiffes ruft's empor zu Bonifazio's Walle König Alfons milden Sinnes, aber droben ſchweigen Alle.","norm":"Eure Kinder höre ich wimmern, eure Frauen, die hungermatten, Blicken hohl wie Nachtgespenster und ihr selber wankt wie Schatten!“ Vom Verdeck des Schiffes ruft es empor zu Bonifazios Walle König Alfons milden Sinnes, aber droben schweigen alle."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1924,"orig":"Nimmer würden ſich dem Dränger dieſe tapfern Corſen geben, Gölt' es nur das eigne, gölt' es nicht der Knaben junges Leben!","norm":"Nimmer würden sich dem Dränger diese tapfern Korsen geben, Gölte es nur das eigene, gölte es nicht der Knaben junges Leben!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1925,"orig":"Finſter vor ſich niederſtarrend, treten flüſternd ſie zuſammen — Eines Mönchs empörte Augen ſchießen Blitze, ſchleudern Flammen: „Feige Hunde!","norm":"Finster vor sich niederstarrend, treten flüsternd sie zusammen — eines Mönchs empörte Augen schießen Blitze, schleudern Flammen: „Feige Hunde!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1926,"orig":"Keine Corſen!","norm":"Keine Korsen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1927,"orig":"In die Hölle der Verräther!“ Schweige Mönch!","norm":"In die Hölle der Verräter!“ Schweige Mönch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1928,"orig":"Wir haben Herzen.","norm":"Wir haben Herzen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1929,"orig":"Wir ſind Gatten, wir ſind Väter.","norm":"Wir sind Gatten, wir sind Väter."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1930,"orig":"“ Auf dem preisgegebnen Felſen kniet der Mönch in wildem Harme: „Leihe, Gott, mir Deine Hände!","norm":"“ Auf dem preisgegebenen Felsen kniet der Mönch in wildem Harme: „Leihe, Gott, mir Deine Hände!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1931,"orig":"Gieb mir Deine ſtarken Arme!","norm":"Gib mir Deine starken Arme!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1932,"orig":"Heute komm' ich Lohn zu fordern.","norm":"Heute komme ich Lohn zu fordern."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1933,"orig":"Alles gab ich.","norm":"Alles gab ich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1934,"orig":"Nichts geblieben Iſt mir außer meinem Felſen.","norm":"Nichts geblieben Ist mir außer meinem Felsen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1935,"orig":"Aber etwas muß ich lieben.","norm":"Aber etwas muss ich lieben."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1936,"orig":"Gott, Du kannſt mit Deinen Kräften eines Menſchen Kräfte ſteigern!","norm":"Gott, Du kannst mit Deinen Kräften eines Menschen Kräfte steigern!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1937,"orig":"Was Du thatſt für Deine Juden, darfſt Du keinem Corſen weigern!","norm":"Was Du tatest für Deine Juden, darfst Du keinem Korsen weigern!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1938,"orig":"Genua's Schiffe will ich ſuchen!","norm":"Genuas Schiffe will ich suchen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1939,"orig":"Will ſie bei den Schnäbeln faſſen!","norm":"Will sie bei den Schnäbeln fassen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1940,"orig":"Spannen will ich weite Segel und ſie nicht ermatten laſſen!“ Alle ſeine Muskeln ſchwellen, alle ſeine Pulſe beben, Schiffe durch das Meer zu ſchleppen, Segel aus der Flut zu heben.","norm":"Spannen will ich weite Segel und sie nicht ermatten lassen!“ Alle seine Muskeln schwellen, alle seine Pulse beben, Schiffe durch das Meer zu schleppen, Segel aus der Flut zu heben."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1941,"orig":"Aufgeſprungen, überwindend Raum und Zeit mit ſeinem Gotte Deutet er ins Meer gewaltig: „Dort!","norm":"Aufgesprungen, überwindend Raum und Zeit mit seinem Gotte deutet er ins Meer gewaltig: „Dort!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1942,"orig":"ich ſehe dort die Flotte!“ Aber keine Segel blinken aus des Meeres farb'ger Weite, Unbevölkert flutet eine ſchrankenloſe Waſſerbreite.","norm":"Ich sehe dort die Flotte!“ Aber keine Segel blinken aus des Meeres farbiger Weite, unbevölkert flutet eine schrankenlose Wasserbreite."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1943,"orig":"Nur die Sonne wandert höher, ihre Strahlen brennen wärmer.","norm":"Nur die Sonne wandert höher, ihre Strahlen brennen wärmer."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1944,"orig":"Nichts als Meer und nichts als Himmel.","norm":"Nichts als Meer und nichts als Himmel."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1945,"orig":"Alfons lächelt: „Armer Schwärmer!“ Dort!","norm":"Alfons lächelt: „Armer Schwärmer!“ Dort!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1946,"orig":"Am Saum des Meers das Pünktchen ...","norm":"Am Saum des Meers das Pünktchen ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1947,"orig":"Sichtbar kaum ...","norm":"Sichtbar kaum ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1948,"orig":"Der zweit' und dritte Punkt und jetzt ein viert' und fünfter und ein ſechſter in der Mitte!","norm":"Der zweite und dritte Punkt und jetzt ein vierter und fünfter und ein sechster in der Mitte!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1949,"orig":"Winde blaſen, Wellen ſtoßen.","norm":"Winde blasen, Wellen stoßen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1950,"orig":"Meer und Himmel ſind im Bunde.","norm":"Meer und Himmel sind im Bunde."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1951,"orig":"Segel, immer neue Segel ſteigen aus dem blauen Grunde.","norm":"Segel, immer neue Segel steigen aus dem blauen Grunde."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1952,"orig":"Wende deine Schiffe, König!","norm":"Wende deine Schiffe, König!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1953,"orig":"Sonſt verlierſt du Ruhm und Ehre!","norm":"Sonst verlierst du Ruhm und Ehre!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1954,"orig":"Woge, Fürſtin Genua, woge, du Beherrſcherin der Meere!","norm":"Woge, Fürstin Genua, woge, du Beherrscherin der Meere!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1955,"orig":"Alle Glocken Bonifazio's ſchlagen ſchlütternd an und ſtürmen, Jubel wiegt ſich in den Lüften über den zerſchoſſnen Thürmen.","norm":"Alle Glocken Bonifazios schlagen schütternd an und stürmen, Jubel wiegt sich in den Lüften über den zerschossenen Türmen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1956,"orig":"Und der Mönch, der mit der Allmacht ſeinen ird'ſchen Arm bewehrte?","norm":"Und der Mönch, der mit der Allmacht seinen irdischen Arm bewehrte?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1957,"orig":"An der Erde liegt er ſterbend, der von ihrem Hauch Verzehrte.","norm":"An der Erde liegt er sterbend, der von ihrem Hauch verzehrte."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1958,"orig":"Jung Tyrrel, fuhreſt über See?","norm":"Jung Tyrrel, fuhrst über See?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1959,"orig":"Jung Tyrrel, mir willkommen hie!","norm":"Jung Tyrrel, mir willkommen hie!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1960,"orig":"Sahſt du ſo dunkle Forſte je?","norm":"Sahst du so dunkle Forste je?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1961,"orig":"So ſtolze Forſte ſahſt du nie!","norm":"So stolze Forste sahst du nie!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1962,"orig":"Ein engliſch Wild erſt umgebracht!","norm":"Ein englisch Wild erst umgebracht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1963,"orig":"Dann geb' ich dir ein engliſch Lehn!“ Jung Tyrrel, dem das Herze lacht, Läßt ſeine blanken Zähne ſehn.","norm":"Dann gebe ich dir ein englisch Lehn!“ Jung Tyrrel, dem das Herze lacht, lässt seine blanken Zähne sehen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1964,"orig":"„Wer heut den beſten Schuß mir thut, Den Achtzehnender mir erlegt, Der nehme ſich als Lehensgut Den Königsforſt der ihn gehegt!","norm":"„Wer heute den besten Schuss mir tut, den Achtzehnender mir erlegt, der nehme sich als Lehensgut den Königsforst der ihn gehegt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1965,"orig":"Zu ſchwör' ich dir's auf dieſen Bart, Der feuerroth die Bruſt mir deckt!","norm":"Zu schwöre ich dir es auf diesen Bart, der feuerrot die Brust mir deckt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1966,"orig":"Zu Wald!","norm":"Zu Wald!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1967,"orig":"Zu Wald!","norm":"Zu Wald!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1968,"orig":"Der Rappe ſcharrt!","norm":"Der Rappe scharrt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1969,"orig":"Die Bracke ſpürt!","norm":"Die Bracke spürt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1970,"orig":"Der Rüde bleckt!“ Herr Wilhelm ſtößt ins Jägerhorn, Ein Geier krächzt in ſeinem Horſt, Die Wipfel peitſcht ein dunkler Zorn, Es braust und tost.","norm":"Der Rüde bleckt!“ Herr Wilhelm stößt ins Jägerhorn, ein Geier krächzt in seinem Horst, die Wipfel peitscht ein dunkler Zorn, es braust und tost."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1971,"orig":"Dann ſchweigt der Forſt.","norm":"Dann schweigt der Forst."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1972,"orig":"Herr Wilhelm ſchlägt mit Tyrrel Rath: „Ich links, du rechts!","norm":"Herr Wilhelm schlägt mit Tyrrel Rat: „Ich links, du rechts!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1973,"orig":"Fort!","norm":"Fort!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1974,"orig":"Gute Birſch!“ Es knirſcht das Laub darauf er trat.","norm":"Gute Pirsch!“ Es knirscht das Laub darauf er trat."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1975,"orig":"In heller Lichtung ätzt ein Hirſch:","norm":"In heller Lichtung ätzt ein Hirsch:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1976,"orig":"Ein Rothhirſch der vier Ellen mißt, Daß ſich ein Jägerherze freut, Der dieſes Forſtes König iſt, Mit weit veräſtetem Geſtäud.","norm":"Ein Rothirsch der vier Ellen misst, dass sich ein Jägerherz freut, der dieses Forstes König ist, mit weit verästetem Gestäude."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1977,"orig":"Her raunt's aus Waldesfinſterniß Zu Tyrrel, der ſich duckt ins Moos: „Verdammt daß mir die Sehne riß!","norm":"Her raunt es aus Waldesfinsternis zu Tyrrel, der sich duckt ins Moos: „Verdammt dass mir die Sehne riss!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1978,"orig":"Du drück in Teufels Namen los!“ Herr Tyrrel lauſcht.","norm":"Du drücke in Teufels Namen los!“ Herr Tyrrel lauscht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1979,"orig":"„Wer ſprach das Wort?“ Ein Weilchen ſchweigt's im Laubesdach.","norm":"„Wer sprach das Wort?“ Ein Weilchen schweigt es im Laubesdach."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1980,"orig":"„Schieß, Tyrrel!“ raunt's von anderm Ort.","norm":"„Schieße, Tyrrel!“ raunt es von anderem Ort."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1981,"orig":"Er ſchießt.","norm":"Er schießt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1982,"orig":"Genüber ſtöhnt ein Ach.","norm":"Gegenüber stöhnt ein Ach."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1983,"orig":"Herr Tyrrel, das war ſchlimme Birſch!","norm":"Herr Tyrrel, das war schlimme Pirsch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1984,"orig":"Im Dickicht rinnt ein Bächlein rot.","norm":"Im Dickicht rinnt ein Bächlein rot."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1985,"orig":"Ihr fehltet Englands größten Hirſch Und ſchoſſet Englands König todt.","norm":"Ihr fehltet Englands größten Hirsch und schosset Englands König tot."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1986,"orig":"Herr König, ich bin Steffens Kind, Der den Erobrer einſt geführt!","norm":"Herr König, ich bin Steffens Kind, der den Erobrer einst geführt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1987,"orig":"Es iſt ein Lehn, daß mein Geſind, Mein Schiff allein den König führt!","norm":"Es ist ein Lehn, dass mein Gesinde, Mein Schiff allein den König führt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1988,"orig":"Voraus den ſchnellſten Seglern fliegt Mein Boot, La Blanche Nef genannt, Es weiß wo ſichre Tiefe liegt, Es furcht das Meer, es kennt den Strand!“ — „Nicht mich, doch meinen beſten Hort, Vier Königskinder, führeſt du — Sie knoſpen, weil mein Leben dorrt — Die junge Normandie dazu!","norm":"Voraus den schnellsten Seglern fliegt Mein Boot, La Blanche Nef genannt, es weiß wo sichre Tiefe liegt, es furcht das Meer, es kennt den Strand!“ — „Nicht mich, doch meinen besten Hort, Vier Königskinder, führest du — Sie knospen, weil mein Leben dorrt — die junge Normandie dazu!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1989,"orig":"Gelobe mir dein himmliſch Theil, Gelobe mir dein männlich Wort:","norm":"Gelobe mir dein himmlisch Teil, Gelobe mir dein männlich Wort:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1990,"orig":"Du bringſt an Leib und Seele heil Die Kinder mir nach England dort!“ — „Ich ſchwöre Dir mein himmliſch Theil, Ich ſchwöre Dir mein männlich Wort:","norm":"Du bringst an Leib und Seele heil die Kinder mir nach England dort!“ — „Ich schwöre Dir mein himmlisch Teil, Ich schwöre Dir mein männlich Wort:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1991,"orig":"An Leib und Seele bring' ich heil Die Kinder Dir nach England dort!“ Des Schiffers geller Pfiff erſcholl, In See das Boot des Königs ſtach — Ein Korb von friſchen Blumen voll, Glitt Blanche Nef, la Belle, nach.","norm":"An Leib und Seele bringe ich heil die Kinder Dir nach England dort!“ Des Schiffers geller Pfiff erscholl, in See das Boot des Königs stach — ein Korb von frischen Blumen voll, glitt Blanche Nef, la Belle, nach."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1992,"orig":"So leicht beſchwingt wie nie zuvor, Durchfurchte Blanche Nef die See Mit ihrem kräft'gen Knabenflor Und Mägdlein ſchlank wie Hirſch und Reh.","norm":"So leichtbeschwingt wie nie zuvor, Durchfurchte Blanche Nef die See mit ihrem kräftigen Knabenflor und Mägdlein schlank wie Hirsch und Reh."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1993,"orig":"Die Königskinder hell und zart Erhöht inmitten ſaßen ſie, Ringsum gepaart in Zucht und Art Das Edelblut der Normandie.","norm":"Die Königskinder hell und zart erhöht inmitten saßen sie, ringsum gepaart in Zucht und Art das Edelblut der Normandie."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1994,"orig":"Vier helle Stimmen ſangen ſchön Und hundertſtimmig ſcholl der Chor, Es zog das junge Luſtgetön Die Nixen aus der Fluth empor.","norm":"Vier helle Stimmen sangen schön und hundertstimmig scholl der Chor, es zog das junge Lustgetön die Nixen aus der Flut empor."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1995,"orig":"— „Ich warne junge Herrlichkeit Und dich, normänniſch Edelblut, Das Singen ſchafft der Nixe Leid, Dem freudeloſen Kind der Flut!“ — „Und ſchaffen dem Gezücht wir Leid Und quälen wir das Halbgeſchlecht Und reizen wir der Nixe Neid, Das, Steffen, iſt uns eben recht!“ Gemach verloſch das Abendrot, Des Tages Gluten ſchliefen ein, Ausbreitet' über Meer und Boot Der Mond den bleichen Geiſterſchein.","norm":"— „Ich warne junge Herrlichkeit und dich, normannisch Edelblut, das Singen schafft der Nixe Leid, dem freudelosen Kind der Flut!“ — „Und schaffen dem Gezücht wir Leid und quälen wir das Halbgeschlecht und reizen wir der Nixe Leid, Das, Steffen, ist uns eben recht!“ Gemach verlosch das Abendrot, des Tages Gluten schliefen ein, aus breitete über Meer und Boot der Mond den bleichen Geisterschein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1996,"orig":"Die See iſt wunderlich erregt.","norm":"Die See ist wunderlich erregt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1997,"orig":"Was wandert um des Kieles Lauf?","norm":"Was wandert um des Kieles Lauf?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1998,"orig":"Von Armen wird die Flut bewegt, Beglänzte Nacken tauchen auf.","norm":"Von Armen wird die Flut bewegt, Beglänzte Nacken tauchen auf."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":1999,"orig":"Der Steffen ernſt am Steuer ſtand: „Das Meer iſt klar, doch droht Gefahr ...“ Er deutet mit geſtreckter Hand: „Da naht ſie ſchon, die Nixenſchaar!“ Umklammert hält den ſchrägen Maſt Ein blanker Leib als Schiffsfigur, Daß Blanche Nef, von Graun erfaßt, In wilder Flucht von dannen fuhr.","norm":"Der Steffen ernst am Steuer stand: „Das Meer ist klar, doch droht Gefahr ...“ Er deutet mit gestreckter Hand: „Da naht sie schon, die Nixenschar!“ Umklammert hält den schrägen Mast ein blanker Leib als Schiffsfigur, dass Blanche Nef, von Graun erfasst, in wilder Flucht von dannen fuhr."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2000,"orig":"— „Ich warne junge Herrlichkeit, Vergeßt die Nachtgebete nicht!“ — „Ei Steffen, Kind der alten Zeit, Süß herzt es ſich im Mondenlicht“...","norm":"— „Ich warne junge Herrlichkeit, vergesst die Nachtgebete nicht!“ — „Ei Steffen, Kind der alten Zeit, Süß herzt es sich im Mondlicht“..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2001,"orig":"Es klimmt und überklimmt das Bord, Es läßt ſich nieder aus den Taun, Es kichert wie ein freches Wort, Es ſchaudert wie ein lüſtern Graun ...","norm":"Es klimmt und überklimmt das Bord, es lässt sich nieder aus den Tauen, es kichert wie ein freches Wort, es schaudert wie ein lüstern Graun ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2002,"orig":"Es reizt, es quält, es ſchlüpft, es ſchmiegt Sich zwiſchen Edelknecht und Maid, Bis ſich das Paar in Armen liegt Zu früher Luſt, zu Tod und Leid ...","norm":"Es reizt, es quält, es schlüpft, es schmiegt sich zwischen Edelknecht und Maid, bis sich das Paar in Armen liegt zu früher Lust, zu Tod und Leid ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2003,"orig":"Dem Steffen ſteigt das Haar.","norm":"Dem Steffen steigt das Haar."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2004,"orig":"Er ſtarrt Auf ein geſpenſtig Bacchanal:","norm":"Er starrt auf ein gespenstig Bacchanal:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2005,"orig":"Die Königskinder hell und zart Verblühen all im Mondenſtrahl.","norm":"Die Königskinder hell und zart Verblühen all im Mondstrahl."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2006,"orig":"„Verloren geht mein himmliſch Theil, Gebrochen iſt mein männlich Wort:","norm":"„Verloren geht mein himmlisch Teil, gebrochen ist mein männlich Wort:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2007,"orig":"Nicht bring' an Leib und Seele heil Die Kinder ich nach England dort!","norm":"Nicht bringe an Leib und Seele heil die Kinder ich nach England Dort!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2008,"orig":"Geh nieder, Blanche Nef!","norm":"Gehe nieder, Blanche Nef!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2009,"orig":"Es ragt Links unterm Waſſer hier ein Riff ...“ Er dreht das Steuer ſtracks und jagt Der Klippe zu das Sündenſchiff.","norm":"Es ragt Links unterm Wasser hier ein Riff ...“ Er dreht das Steuer stracks und jagt der Klippe zu das Sündenschiff."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2010,"orig":"Der König lauſcht zurück: „Das ſcholl Wie Sterbeſchrei!“ Klar iſt der Sund.","norm":"Der König lauscht zurück: „Das scholl wie Sterbeschrei!“ Klar ist der Sund."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2011,"orig":"Ein Korb von welken Blumen voll, Sinkt Blanche Nef zum Meeresgrund.","norm":"Ein Korb von welken Blumen voll, sinkt Blanche Nef zum Meeresgrund."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2012,"orig":"Eia Weihnacht!","norm":"Eia Weihnacht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2013,"orig":"Eia Weihnacht!“ Schallt im Münſterchor der Pſalm der Knaben.","norm":"Eia Weihnacht!“ Schallt im Münsterchor der Psalm der Knaben."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2014,"orig":"Kaiſer Otto lauſcht der Mette, Diener hinter ſich mit Spend' und Gaben.","norm":"Kaiser Otto lauscht der Mette, Diener hinter sich mit Spende und Gaben."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2015,"orig":"Eia Weihnacht!","norm":"Eia Weihnacht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2016,"orig":"Eia Weihnacht!","norm":"Eia Weihnacht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2017,"orig":"Heute, da die Himmel niederſchweben, Wird dem Elend und der Blöße Mäntel er und warme Röcke geben.","norm":"Heute, da die Himmel niederschweben, wird dem Elend und der Blöße Mäntel er und warme Röcke geben."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2018,"orig":"Hundert Bettler ſtehn erwartend — Einer hält des Kaiſers Knie umfangen Mit den wundgeriebnen Armen, Dran zerriſſner Feſſeln Enden hangen.","norm":"Hundert Bettler stehen erwartend — Einer hält des Kaisers Knie umfangen mit den wundgeriebenen Armen, dran zerrissener Fesseln Enden hangen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2019,"orig":"— „Schalk!","norm":"— „Schalk!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2020,"orig":"Was zerrſt du mir den Purpur?","norm":"Was zerrst du mir den Purpur?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2021,"orig":"Harr und beite!","norm":"Harr und bete!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2022,"orig":"Kennſt du mich als Kargen?“ Doch der Bettler hält den Mantel Feſt und jammert: „Kennſt Du mich, den Argen?","norm":"Kennst du mich als Kargen?“ Doch der Bettler hält den Mantel Fest und jammert: „Kennst Du mich, den Argen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2023,"orig":"Du Geſalbter und Erlauchter!","norm":"Du gesalbter und Erlauchter!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2024,"orig":"Kennſt Du mich?","norm":"Kennst Du mich?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2025,"orig":"...","norm":"..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2026,"orig":"Du haſt mit mir gelegen, Mit dem Siechen, mit dem Wunden, Unter Eines Mutterherzens Schlägen.","norm":"Du hast mit mir gelegen, mit dem Siechen, mit dem Wunden, unter eines Mutterherzens Schlägen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2027,"orig":"Aus demſelben Wollentuche Schnitt man uns die Kappen und die Kleider!","norm":"Aus demselben Wollentuche Schnitt man uns die Kappen und die Kleider!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2028,"orig":"Aus demſelben Pſalmenbuche Sang das friſche Jugendantlitz Beider!","norm":"Aus demselben Psalmbuche sang das frische Jugendantlitz beider!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2029,"orig":"Heinz wo biſt du?","norm":"Heinz wo bist du?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2030,"orig":"Heinz wo bleibſt du?","norm":"Heinz wo bleibst du?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2031,"orig":"Haſt zum Spiele Du mich oft gerufen Durch die Säle, durch die Gänge, Auf und ab der Wendeltreppe Stufen ...","norm":"Hast zum Spiele Du mich oft gerufen Durch die Säle, durch die Gänge, auf und ab der Wendeltreppe Stufen ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2032,"orig":"Dann als einen falſchen Bruder Und Verräther haſt Du mich erfunden!","norm":"Dann als einen falschen Bruder und Verräter hast Du mich erfunden!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2033,"orig":"Du ergrimmteſt und Du warfeſt In die Kerkertiefe mich gebunden ...","norm":"Du ergrimmtest und Du warfest in die Kerkertiefe mich gebunden ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2034,"orig":"In der Tiefe meines Kerkers Hab' ich ohne Mantel heut gefroren ...","norm":"In der Tiefe meines Kerkers Habe ich ohne Mantel heute gefroren ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2035,"orig":"Eia Weihnacht!","norm":"Eia Weihnacht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2036,"orig":"Eia Weihnacht!","norm":"Eia Weihnacht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2037,"orig":"Heute wird der Welt das Heil geboren!“ „Eia Weihnacht!","norm":"Heute wird der Welt das Heil geboren!“ „Eia Weihnacht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2038,"orig":"Eia Weihnacht!“ Hundert Bettler ſtrecken jetzt die Hände: „Gieb uns Mäntel!","norm":"Eia Weihnacht!“ Hundert Bettler strecken jetzt die Hände: „Gib uns Mäntel!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2039,"orig":"Gieb uns Röcke!","norm":"Gib uns Röcke!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2040,"orig":"Sei barmherzig!","norm":"Sei barmherzig!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2041,"orig":"Gieb uns Deine Spende!“ Eine Spange löſt der Kaiſer Sacht.","norm":"Gib uns Deine Spende!“ Eine Spange löst der Kaiser Sacht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2042,"orig":"Sein Purpur gleitet, gleitet, gleitet Ueber ſeinen ſünd'gen Bruder Und der erſte Bettler ſteht bekleidet ...","norm":"Sein Purpur gleitet, gleitet, gleitet über seinen sündigen Bruder und der erste Bettler steht bekleidet ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2043,"orig":"Eia Weihnacht!","norm":"Eia Weihnacht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2044,"orig":"Eia Weihnacht!","norm":"Eia Weihnacht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2045,"orig":"Jubelt Erd' und Himmelreich mit Schallen.","norm":"Jubelt Erde und Himmelreich mit Schallen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2046,"orig":"Glorie!","norm":"Glorie!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2047,"orig":"Glorie!","norm":"Glorie!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2048,"orig":"Friede!","norm":"Friede!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2049,"orig":"Freude!","norm":"Freude!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2050,"orig":"Und am Menſchenkind ein Wohlgefallen!","norm":"Und am Menschenkind ein Wohlgefallen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2051,"orig":"Ihr Mägde, ſchaut, was ihr im Schreine habt!","norm":"Ihr Mägde, schaut, was ihr im Schreine habt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2052,"orig":"Nicht darfſt du mir von hinnen unbegabt, Mein blonder Enkel, der der Ahne bot Mit prieſterlichen Händen Gott im Brot!“ Mathilde ſprach's die Fürſtin, ſterbeſchwach.","norm":"Nicht darfst du mir von hinnen unbegabt, Mein blonder Enkel, der der Ahne bot mit priesterlichen Händen Gott im Brot!“ Mathilde sprach es die Fürstin, sterbeschwach."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2053,"orig":"Richburg die Schaffnerin ſeufzt' Weh und Ach!","norm":"Richburg die Schaffnerin seufzte Weh und Ach!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2054,"orig":"„Hin gabſt den Armen Alles du!","norm":"„Hin gabst den Armen alles du!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2055,"orig":"Allein Dein goldgewoben Bahrtuch liegt im Schrein!“ — „Die goldne Decke!","norm":"Allein Dein goldgewoben Bahrtuch liegt im Schrein!“ — „Die goldene Decke!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2056,"orig":"Gebt dem Biſchof die!","norm":"Gebt dem Bischof die!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2057,"orig":"„Nimm die Decke!","norm":"„Nimm die Decke!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2058,"orig":"Kränk' Mich nicht!“ Er nimmt und zieht mit dem Geſchenk.","norm":"Kränke mich nicht!“ Er nimmt und zieht mit dem Geschenk."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2059,"orig":"Sie athmet aus.","norm":"Sie atmet aus."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2060,"orig":"Es läutet lang und ſchön Mit allen Glocken von des Münſters Höhn.","norm":"Es läutet lang und schön mit allen Glocken von des Münsters Höhn."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2061,"orig":"Was wandert dort im letzten Sonnenblick?","norm":"Was wandert dort im letzten Sonnenblick?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2062,"orig":"Mathildens Bahrtuch kehrt zu ihr zurück.","norm":"Mathildes Bahrtuch kehrt zu ihr zurück."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2063,"orig":"Abſpringt ein Reiter, der den Thurm erſteigt.","norm":"Abspringt ein Reiter, der den Turm ersteigt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2064,"orig":"„Den Biſchof warf das Roß.","norm":"„Den Bischof warf das Ross."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2065,"orig":"Ein Todter ſchweigt.","norm":"Ein Toter schweigt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2066,"orig":"Wir bringen ihn!","norm":"Wir bringen ihn!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2067,"orig":"Verdoppelt das Geläut!","norm":"Verdoppelt das Geläut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2068,"orig":"Ihr Glöckner, zwier bekommt ihr Löhnung heut!“","norm":"Ihr Glöckner, zweimal bekommt ihr Löhnung heute!“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2069,"orig":"Ein Kloſterhof, ein Lenzestag!","norm":"Ein Klosterhof, ein Lenzestag!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2070,"orig":"Ein ſchwarzer Lindenſchatten, Wo der gekrönte Habsburg lag Erſtochen auf den Matten.","norm":"Ein schwarzer Lindenschatten, wo der gekrönte Habsburg lag Erstochen auf den Matten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2071,"orig":"Frau Agnes, die geſtrenge Frau, Des Vaters Blut zu rächen, Rief mordend aus: „Ich bad' in Thau!“ Und ſchritt in rothen Bächen.","norm":"Frau Agnes, die gestrenge Frau, des Vaters Blut zu rächen, rief mordend aus: „Ich bade in Tau!“ Und schritt in roten Bächen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2072,"orig":"Sie freute ſich in warmes Blut Die Knöchel einzutauchen, Sie warf in ſtille Dörfer Glut, Sie ließ die Burgen rauchen.","norm":"Sie freute sich in warmes Blut die Knöchel einzutauchen, Sie warf in stille Dörfer Glut, Sie ließ die Burgen rauchen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2073,"orig":"Nachdem Gericht gehalten war, Vollbracht die Todtenfeier, Verbarg ſie das Meduſenhaar Mit einem Nonnenſchleier.","norm":"Nachdem Gericht gehalten war, vollbracht die Totenfeier, verbarg sie das Medusenhaar mit einem Nonnenschleier."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2074,"orig":"Sie ſchuf ein Kloſter, wo hervor Aus Grüften Geiſter ſchweben, Sie füllt' mit Blumen an den Chor, Mit lauter jungem Leben: Sie raubt das krauſe Blondgelock Manch einem Edelkinde, Beſchert ihm einen ſchwarzen Rock Und eine blanke Binde.","norm":"Sie schuf ein Kloster, wo hervor aus Grüften Geister schweben, Sie füllte mit Blumen an den Chor, mit lauter jungem Leben: Sie raubt das krause Blondgelock Manch einem Edelkinde, beschert ihm einen schwarzen Rock und eine blanke Binde."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2075,"orig":"Sie geißelt ſich den weißen Leib, Bis rothe Tropfen rinnen, Sie will, das unbarmherz'ge Weib, Den zarten Heiland minnen.","norm":"Sie geißelt sich den weißen Leib, bis rote Tropfen rinnen, Sie will, das unbarmherzige Weib, den zarten Heiland minnen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2076,"orig":"Dort ſitzt ſie unter Lindennacht Am kühlen Kloſterbronnen, Sie hat die Bibel mitgebracht Zur Andacht ihrer Nonnen.","norm":"Dort sitzt sie unter Lindennacht am kühlen Klosterbronnen, sie hat die Bibel mitgebracht zur Andacht ihrer Nonnen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2077,"orig":"Am Gatter lauſchen Kinder ſcheu Mit friſchgepflückten Veilchen, Ein Weiblein hinkt mit Holz vorbei, Bückt tief ſich vor der Heil'gen.","norm":"Am Gatter lauschen Kinder scheu mit frisch gepflückten Veilchen, ein Weiblein hinkt mit Holz vorbei, bückt tief sich vor der Heiligen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2078,"orig":"Dem jüngſten Nönnchen giebt das Buch Sie jetzt, der lieblich Bleichen: „Wir blieben bei Sankt Pauli Spruch.","norm":"Dem jüngsten Nönnchen gibt das Buch Sie jetzt, der lieblich Bleichen: „Wir blieben bei Sankt Pauli Spruch."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2079,"orig":"Sieh her!","norm":"Sieh her!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2080,"orig":"Da ſteckt das Zeichen!“ Die Zarte, die das Buch empfing, Beſchaut Sankt Paulum denkend.","norm":"Da steckt das Zeichen!“ Die Zarte, die das Buch empfing, beschaut Sankt Paulum denkend."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2081,"orig":"Sie lieſt.","norm":"Sie liest."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2082,"orig":"Ihr lauſcht der Schweſtern Ring, Die Wimper züchtig ſenkend — Was frommte mir die Faſtenzeit, Was frommten Geißelhiebe, Was frommt' es, trüg' ich hären Kleid, Und mangelte der Liebe?“ Da hebt ein Seufzer manche Bruſt Im Nonnenrock erbaulich Und manche kecke Lebensluſt Blickt traurig und beſchaulich ...","norm":"Ihr lauscht der Schwestern Ring, die Wimper züchtig senkend — was frommte mir die Fastenzeit, was frommten Geißelhiebe, was frommte es, trüge ich hären Kleid, und mangelte der Liebe?“ Da hebt ein Seufzer manche Brust im Nonnenrock erbaulich und manche kecke Lebenslust blickt traurig und beschaulich ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2083,"orig":"Frau Berte, hört:","norm":"Frau Berte, hört:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2084,"orig":"Ihr dürftet nun Mir einmal einen Gefallen thun!“ — „Was denkt Ihr, Graf?","norm":"Ihr dürftet nun mir einmal einen Gefallen tun!“ — „Was denkt Ihr, Graf?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2085,"orig":"Wohin denket Ihr?","norm":"Wohin denket Ihr?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2086,"orig":"Vor den drei gemalten Rittern hier?“ Drei Ritter prahlen auf der Wand Mit rollenden Augen, am Dolch die Hand.","norm":"Vor den drei gemalten Rittern hier?“ Drei Ritter prahlen auf der Wand mit rollenden Augen, am Dolch die Hand."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2087,"orig":"„Wer, Frau, iſt dieſe Ritterſchaft?“ — „Drei Vettern und alle drei tugendhaft!","norm":"„Wer, Frau, ist diese Ritterschaft?“ — „Drei Vettern und alle drei tugendhaft!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2088,"orig":"Gelobt Ihr, Graf, die Ehe mir Bei den drei gemalten Rittern hier, Will ich — Ihr laßt es doch nicht ruhn — Euch einmal einen Gefallen thun.","norm":"Gelobt Ihr, Graf, die Ehe mir Bei den drei gemalten Rittern hier, will ich — Ihr lasst es doch nicht ruhen — Euch einmal einen Gefallen tun."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2089,"orig":"“ Das Gräflein zwinkert den Rittern zu.","norm":"“ Das Gräflein zwinkert den Rittern zu."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2090,"orig":"(„Frau Berte, welch eine Gans biſt du!“) Das Gräflein hebt die Finger flink.","norm":"(„Frau Berte, welch eine Gans bist du!“) das Gräflein hebt die Finger flink."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2091,"orig":"(„Frau Berte, du biſt ein dummes Ding!“) Trautlieb, ich ſchwör' und beſchwör' es dir Bei den drei gemalten Rittern hier!“ Jetzt rufen aus einem Mund die Drei: „Es iſt geredet und bleibt dabei!“ Die Wand verſinkt: dahinter ſtehn Drei gült'ge Zeugen.","norm":"(„Frau Berte, du bist ein dummes Ding!“) Trautlieb, ich schwör und beschwöre es dir Bei den drei gemalten Rittern hier!“ Jetzt rufen aus einem Mund die Drei: „Es ist geredet und bleibt dabei!“ Die Wand versinkt: dahinter stehen Drei gültige Zeugen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2092,"orig":"So iſt's geſchehn.","norm":"So ist es geschehen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2093,"orig":"Was pocht mir an das Fenſter?","norm":"Was pocht mir an das Fenster?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2094,"orig":"Wer klopft an meine Thür ſo laut?“ — „Ich bin ein junger Wildfang Und naß bis auf die Haut.","norm":"Wer klopft an meine Tür so laut?“ — „Ich bin ein junger Wildfang und nass bis auf die Haut."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2095,"orig":"Ich bin der Gerold Wendel, Wir ziehen an den Hof zu Zwein, Der Andre iſt ein Konrad Und nennt ſich Lützelſtein.","norm":"Ich bin der Gerold Wendel, wir ziehen an den Hof zu Zwei, der Andere ist ein Konrad Und nennt sich Lützelstein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2096,"orig":"Der duckt ſich etwo anders Vor Blitzgezuck und Wetterzorn Und bläſt mich morgen munter Mit ſeinem Jägerhorn.","norm":"Der duckt sich etwo anders vor Blitzgezucke und Wetterzorn und bläst mich morgen munter Mit seinem Jägerhorn."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2097,"orig":"Einſiedel, frommer Bruder, Ihr ſehet wie es um mich ſteht!","norm":"Einsiedel, frommer Bruder, Ihr sehet wie es um mich steht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2098,"orig":"Gewährt mir Euer Lager Und ſprecht mein Nachtgebet!“ Er lallt es halb entſchlummert Und ſtreckt die Glieder aus zur Ruh Einſiedel deckt ſein Lämpchen Mit beiden Händen zu.","norm":"Gewährt mir Euer Lager und sprecht mein Nachtgebet!“ Er lallt es halb entschlummert Und streckt die Glieder aus zur Ruhe Einsiedel deckt sein Lämpchen mit beiden Händen zu."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2099,"orig":"„Wie lieblich iſt die Jugend!","norm":"„Wie lieblich ist die Jugend!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2100,"orig":"Hätt' ich ein Füllhorn voller Glück, Ich leert' es dir zu Häupten, Es bliebe nichts zurück.","norm":"Hätte ich ein Füllhorn voller Glück, Ich leerte es dir zu Häupten, es bliebe nichts zurück."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2101,"orig":"“ Der Schlumm'rer wird zum Träumer, In haſt'gen Worten redet er, Lacht, weint in Einem Athem Und wirft ſich hin und her.","norm":"“ Der Schlummerer wird zum Träumer, in hastigen Worten redet er, lacht, weint in einem Atem und wirft sich hin und her."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2102,"orig":"— „Ich habe Blut vergoſſen!“ Einſiedel faßt beſorgt ihn an.","norm":"— „Ich habe Blut vergossen!“ Einsiedel fasst besorgt ihn an."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2103,"orig":"„Du träumſt nicht gut.","norm":"„Du träumst nicht gut."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2104,"orig":"Erwache!","norm":"Erwache!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2105,"orig":"Die Augen aufgethan!“ Er ſtarrt mit wilden Blicken.","norm":"Die Augen aufgetan!“ Er starrt mit wilden Blicken."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2106,"orig":"„Mein Kind, wie haſt du mich erſchreckt!“ — „Einſiedel, frommer Bruder, Ich bin mit Blut bedeckt.","norm":"„Mein Kind, wie hast du mich erschreckt!“ — „Einsiedel, frommer Bruder, Ich bin mit Blut bedeckt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2107,"orig":"Wir ſaßen unter Linden, Ich und der Konrad Lützelſtein, Ein Fräulein von dem Hofe Bot lachend uns den Wein.","norm":"Wir saßen unter Linden, Ich und der Konrad Lützelstein, ein Fräulein von dem Hofe Bot lachend uns den Wein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2108,"orig":"Sie ſtreift' mich mit dem Aermel Die binſenſchlank gewachſen war, Sie hatte ſchnelle Augen Und aſchenblondes Haar.","norm":"Sie streifte mich mit dem Ärmel die binsenschlank gewachsen war, sie hatte schnelle Augen und aschenblondes Haar."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2109,"orig":"Sie ſtreift' mich mit der Achſel Und liſpelt mir ins Ohr hinein: „Wilt, junger Edelknabe, Mein Trautgeſelle ſein?“ Da ſchwang man einen Reigen, Sie reigte mit dem Lützelſtein — „Wilt, junger Edelknabe, Mein Trautgeſelle ſein?“ Mir ſchwoll die Bruſt vor Eifer, Ein Hader reißt die Klingen bloß — „Herzbruder, mein Herzbruder, Gabſt mir den Todesſtoß!“ Einſiedel mahnt: „Erwache!“ Und ſchiebt zurück ſein Fenſterlein.","norm":"Sie streifte mich mit der Achsel und lispelt mir ins Ohr hinein: „Wilt, junger Edelknabe, Mein Trautgeselle sein?“ Da schwang man einen Reigen, Sie reigte mit dem Lützelstein — „Wilt, junger Edelknabe, Mein Trautgeselle sein?“ Mir schwoll die Brust vor Eifer, ein Hader reißt die Klingen bloß — „Herzbruder, mein Herzbruder, gabst mir den Todesstoß!“ Einsiedel mahnt: „Erwache!“ Und schiebt zurück sein Fensterlein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2110,"orig":"Da ſtrömt mit Tannendüften Ein Erdgeruch herein.","norm":"Da strömt mit Tannendüften ein Erdgeruch herein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2111,"orig":"Und horch, ein Hifthorn ſchmettert Und eine friſche Stimme ſchallt: „Wo ſteckt der Gerold Wendel?","norm":"Und horch, ein Hifthorn schmettert und eine frische Stimme schallt: „Wo steckt der Gerold Wendel?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2112,"orig":"Den ſuch' ich durch den Wald!“","norm":"Den such ich durch den Wald!“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2113,"orig":"Des Meiſters hohle Wange brennt, Sie bringen ihm das Sacrament, Er ißt des ew'gen Lebens Brot, Im Stubenwinkel grinſt der Tod.","norm":"Des Meisters hohle Wange brennt, Sie bringen ihm das Sakrament, er isst des ewigen Lebens Brot, im Stubenwinkel grinst der Tod."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2114,"orig":"Fort trägt der Pfaffe die Monſtranz.","norm":"Fortträgt der Pfaffe die Monstranz."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2115,"orig":"Mit Augen ſcharf von Fieberglanz Winkt weg der Meiſter ſeinem Weibe, Dem Sohn, dem einz'gen, winkt er:","norm":"Mit Augen scharf von Fieberglanz winkt weg der Meister seinem Weibe, dem Sohn, dem einzigen, winkt er:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2116,"orig":"Bleibe!","norm":"Bleibe!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2117,"orig":"Und deutet auf den Eichenſchrein:","norm":"Und deutet auf den Eichenschrein:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2118,"orig":"Was mag da Köſtlich's drinnen ſein?","norm":"Was mag da Köstliches drinnen sein?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2119,"orig":"Der Jüngling hebt ein Pergament Aus einer Lade die er kennt Und breitet auf die Lagerſtatt Ein langſam aufgerolltes Blatt.","norm":"Der Jüngling hebt ein Pergament aus einer Lade die er kennt und breitet auf die Lagerstatt ein langsam aufgerolltes Blatt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2120,"orig":"Da dehnt ſich feierlich gewaltig Ein Münſter eins und mannigfaltig Vom obern bis zum untern Rand — Ein Riß von jugendkühner Hand.","norm":"Da dehnt sich feierlich-gewaltig Ein Münster eins und mannigfaltig vom oberen bis zum unteren Rand — ein Riss von jugendkühner Hand."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2121,"orig":"Der Meiſter ſieht am Bret ſich ſtehn Und ſeine Zeichenkohle gehn, Sieht über blühendfriſche Wangen Verworrne Haare niederhangen — Und vor dem erſten ſeiner Pläne Erſtaunt er und zerdrückt die Thräne.","norm":"Der Meister sieht am Brett sich stehen und seine Zeichenkohle gehen, sieht über blühendfrische Wangen verworrene Haare niederhangen — und vor dem ersten seiner Pläne erstaunt er und zerdrückt die Träne."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2122,"orig":"Auflodern ſeine Lebensgeiſter, Mit raſchen Pulſen ſpricht der Meiſter: Dies Blatt erweckt den Tag mir wieder, Wo in der Vaterſtadt ich nieder Gelegt den Stab der Wanderſchaft — Ich ſchritt in voller Jugendkraft.","norm":"Auflodern seine Lebensgeister, mit raschen Pulsen spricht der Meister: Dies Blatt erweckt den Tag mir wieder, wo in der Vaterstadt ich nieder Gelegt den Stab der Wanderschaft — Ich schritt in voller Jugendkraft."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2123,"orig":"Daheim war ein begeiſtert Leben, Ein Münſter wollten ſie erheben Mit andern Ländern um die Wette Und höher noch als andre Städte, Gott und den Heil'gen all zum Ruhm, Zur Ehre deutſchem Bürgerthum.","norm":"Daheim war ein begeistert Leben, ein Münster wollten sie erheben mit anderen Ländern um die Wette und höher noch als andere Städte, Gott und den Heiligen all zum Ruhm, zur Ehre deutschem Bürgertum."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2124,"orig":"Mich ließ auf ſeine Stube kommen Der Rath.","norm":"Mich ließ auf seine Stube kommen der Rat."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2125,"orig":"„Laß, junger Meiſter, frommen, Was du erwandert haſt!","norm":"„Lass, junger Meister, frommen, was du erwandert hast!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2126,"orig":"Wohlan!","norm":"Wohlan!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2127,"orig":"Entwirf uns eines Münſters Plan!“ Da ſaß ich auf in langen Nächten, Zur Linken ſtanden mir und Rechten, Der Chriſt mit ſeiner Märtrerſchaar, Die Kaiſer mit den Kronen gar, Viel reine Fraun und Helden gut, Die nahmen mich in Zucht und Hut, Wollt' ich in ſchwelgendes Verzieren, In üppig Blattwerk mich verlieren, Und opfert's nicht mit keuſchem Sinn Dem Ganzen ſtreng ich zu Gewinn, Gleich ſchlug ein altes Heldenbild Erzürnt an ſeinen ehrnen Schild, Den Finger hob (das Haupt von Licht Umrahmt) ein Heil'ger:","norm":"Entwirf uns eines Münsters Plan!“ Da saß ich auf in langen Nächten, zur Linken standen mir und Rechten, der Christ mit seiner Märtyrerschar, die Kaiser mit den Kronen gar, viel reine Frauen und Helden gut, die nahmen mich in Zucht und Hut, wollte ich in schwelgendes Verzieren, in üppig Blattwerk mich verlieren, und opfert es nicht mit keuschem Sinn dem Ganzen streng ich zu Gewinn, gleich schlug ein altes Heldenbild erzürnt an seinen ehernen Schild, den Finger hob (das Haupt von Licht umrahmt) ein Heiliger:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2128,"orig":"Tändle nicht!","norm":"Tändle nicht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2129,"orig":"Das Amt, das dir zu Lehen fiel, Das iſt ein Werk und iſt kein Spiel!","norm":"Das Amt, das dir zu Lehen fiel, das ist ein Werk und ist kein Spiel!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2130,"orig":"Da war's als ich die Kohle führte, Daß Gott der Geiſt das Werk berührte:","norm":"Da war es als ich die Kohle führte, dass Gott der Geist das Werk berührte:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2131,"orig":"Gemach begann der Dom zu ſchweben Und regte ſich aus eignem Leben, Mich riß es über mich empor, Mit ſchlanken Stämmen wuchs der Chor, Gen Himmel blüht' in Laub und Ranke.","norm":"Gemach begann der Dom zu schweben und regte sich aus eigenem Leben, mich riss es über mich empor, mit schlanken Stämmen wuchs der Chor, Gen Himmel blühte in Laub und Ranke."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2132,"orig":"Der menſchlich göttliche Gedanke — Das Münſter ſtand auf meinem Blatte, Still dacht' ich, Wer's vollendet hatte.","norm":"Der menschlich-göttliche Gedanke — das Münster stand auf meinem Blatte, Still dachte Ich, wer es vollendet hatte."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2133,"orig":"Im Flur auf unſerm ſtädt'ſchen Haus Stellt' ich das Blatt den Blicken aus, Und wie die Bürger nahe traten, Sprach Aller Mund:","norm":"Im Flur auf unserem städtischen Haus stellte ich das Blatt den Blicken aus, und wie die Bürger nahe traten, sprach aller Mund:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2134,"orig":"Du haſt's errathen!","norm":"Du hast es erraten!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2135,"orig":"So und nicht anders ſoll es ſein.","norm":"So und nicht anders soll es sein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2136,"orig":"Da legt' ich meinen erſten Stein, Aus allen Herzen, allen Händen In freud'ger Fülle quollen Spenden.","norm":"Da legte Ich meinen ersten Stein, aus allen Herzen, allen Händen in freudiger Fülle quollen Spenden."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2137,"orig":"Beſchattend ſchon die Häuſermaſſe Entſtieg der Dom dem Lärm der Gaſſe Und wuchs mit abgemeſſnen Schritten, Die Wolken und die Jahre glitten, Doch karger werdend mit den Jahren, Begannen Hand und Herz zu ſparen, Die Flamme der Begeiſtrung fiel In müde Aſche vor dem Ziel.","norm":"Beschattend schon die Häusermasse Entstieg der Dom dem Lärm der Gasse und wuchs mit abgemessenen Schritten, die Wolken und die Jahre glitten, doch karger werdend mit den Jahren, begannen Hand und Herz zu sparen, die Flamme der Begeisterung fiel in müde Asche vor dem Ziel."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2138,"orig":"Erſt ſprach der Rath von kurzen Friſten, Und ſtiller ward's auf den Gerüſten, Dann ſetzten neue Friſt ſie wieder, Das Baugeſtelle faulte nieder.","norm":"Erst sprach der Rat von kurzen Fristen, und stiller wurde es auf den Gerüsten, dann setzten neue Frist sie wieder, das Baugestelle faulte nieder."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2139,"orig":"Laut feilſchte rings der Markt und ſummte, Sobald der Hammerſchlag verſtummte, Mit ekeln Buden ward verklebt Der Pfeiler, der nach oben ſtrebt.","norm":"Laut feilschte rings der Markt und summte, sobald der Hammerschlag verstummte, mit ekeln Buden wurde verklebt der Pfeiler, der nach oben strebt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2140,"orig":"Ich aber ging dem Brote nach, Baut' Erkerlein und Giebeldach, Ein wackrer Lohnknecht wie die Andern.","norm":"Ich aber ging dem Brote nach, baute Erkerlein und Giebeldach, ein wackerer Lohnknecht wie die Anderen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2141,"orig":"Doch Abends im Nachhauſewandern Bei trauter Dämmerglocke Klang Stand ich vor meinem Münſter lang, Die Glut erklomm den höchſten Trümmer, Verglomm in letztem Tagesſchimmer, Noch ging das Knabenſpiel im Braus Rings um das dunkelnd hohe Haus.","norm":"Doch Abends im Nachhausewandern bei trauter Dämmerglocke Klang Stand ich vor meinem Münster lang, die Glut erklomm den höchsten Trümmer, verglomm in letztem Tagesschimmer, noch ging das Knabenspiel im Braus Rings um das dunkelnd hohe Haus."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2142,"orig":"Wohl hemmt ein Junge kurz den Lauf Und ſchaut am Münſter trotzig auf — Dann runzelt' ich die weißen Braun Und dachte:","norm":"Wohl hemmt ein Junge kurz den Lauf und schaut am Münster trotzig auf — dann runzelte ich die weißen Braun Und dachte:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2143,"orig":"Werden's Dieſe baun?","norm":"Werden es diese bauen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2144,"orig":"Inzwiſchen ſchoſſen auf die Reiſer, Sie wurden ſaft'ger und ich greiſer.","norm":"Inzwischen schossen auf die Reiser, Sie wurden saftiger und ich greiser."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2145,"orig":"Jüngſt irrt' ich traurig und allein Um meinen Dom im Abendſchein, Ernſt ſtand das junge Volk beiſammen, Die kräft'gen Augen ſprühten Flammen, Sie ſchienen warm ſich zu verſchwören Und redend nur auf ſich zu hören, Ich ſchlich in ihre Nähe leis, Aus Einem Munde ſprach der Kreis: „Bei Gottes Haupte!","norm":"Jüngst irrte ich traurig und allein um meinen Dom im Abendschein, Ernst stand das junge Volk beisammen, die kräftigen Augen sprühten Flammen, Sie schienen warm sich zu verschwören und redend nur auf sich zu hören, Ich schlich in ihre Nähe leis, aus einem Munde sprach der Kreis: „Bei Gottes Haupte!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2146,"orig":"Wir vollenden Den Dom mit dieſen unſern Händen!“...","norm":"Wir vollenden den Dom mit diesen unseren Händen!“..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2147,"orig":"Ob ſie den erſten Meiſter kennen Des Werks, das ſie zu enden brennen?","norm":"Ob sie den ersten Meister kennen des Werks, das sie zu enden brennen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2148,"orig":"Nach den Geſichtern keck und neu Blickt' ich hinüber ſtill und ſcheu ...","norm":"Nach den Gesichtern keck und neu blickte ich hinüber still und scheu ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2149,"orig":"Mit einem Male rief ein dreiſter Geſell: „Begrüßt den alten Meiſter!“ Und riß die Kappe ſich vom Haar, Da grüßte mich die ganze Schaar.","norm":"Mit einem Male rief ein dreister Gesell: „Begrüßt den alten Meister!“ Und riss die Kappe sich vom Haar, da grüßte mich die ganze Schar."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2150,"orig":"Habt Dank und Gottes Lohn, Geſellen!","norm":"Habt Dank und Gottes Lohn, Gesellen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2151,"orig":"Ihr wollet die Gerüſte ſtellen?","norm":"Ihr wollet die Gerüste stellen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2152,"orig":"Nicht ich — Habt Dank und Gottes Lohn — Geht hin und rufet meinen Sohn!","norm":"Nicht ich — habt Dank und Gottes Lohn — geht hin und rufet meinen Sohn!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2153,"orig":"Wie wird mir?","norm":"Wie wird mir?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2154,"orig":"...","norm":"..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2155,"orig":"Schallt im Dom das Amt?","norm":"Schallt im Dom das Amt?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2156,"orig":"Die Glocken dröhnen alleſammt ...“ Er faßt des Sohnes Rechte.","norm":"Die Glocken dröhnen allesamt ...“ Er fasst des Sohnes Rechte."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2157,"orig":"„Schau!","norm":"„Schau!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2158,"orig":"Es ſteigt ...","norm":"Es steigt ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2159,"orig":"Mein Münſter ſteigt im Blau!“ Er ſtarrt, den Blick emporgewendet.","norm":"Mein Münster steigt im Blau!“ Er starrt, den Blick emporgewendet."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2160,"orig":"Er neigt das Haupt.","norm":"Er neigt das Haupt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2161,"orig":"Er ſeufzt: „Vollendet!“","norm":"Er seufzt: „Vollendet!“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2162,"orig":"Baut junge Meiſter, bauet hell und weit Der Macht, dem Muth, der That, der Gunſt der Stunde, Der Dinge wahr und tief geſchöpfter Kunde, Dem ganzen Genienkreis der neuen Zeit!","norm":"Baut junge Meister, bauet hell und weit der Macht, dem Mut, der Tat, der Gunst der Stunde, der Dinge wahr und tief geschöpfter Kunde, dem ganzen Geniekreis der neuen Zeit!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2163,"orig":"Des Lebens unerſchöpften Kräften weiht Die freud'ge, lichtdurchfluthete Rotunde — Baut auch die Krypte drunter, wo das wunde Gemüth ſich flüchten darf in Einſamkeit:","norm":"Des Lebens unerschöpften Kräften weiht die freudige, lichtdurchflutete Rotunde — baut auch die Krypta drunter, wo das wunde Gemüt sich flüchten darf in Einsamkeit:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2164,"orig":"Vergeßt die Krypte nicht!","norm":"Vergesst die Krypta nicht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2165,"orig":"Dort ſoll ſich neigen Das heil'ge Haupt, das Dornen ſcharf umwinden!","norm":"Dort soll sich neigen das heilige Haupt, das Dornen scharf umwinden!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2166,"orig":"Ich glaube:","norm":"Ich glaube:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2167,"orig":"Ein'ge werden niederſteigen.","norm":"Einige werden niedersteigen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2168,"orig":"Dort unten werden Ein'ge Troſt empfinden.","norm":"Dort unten werden einige Trost empfinden."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2169,"orig":"Wir mögen, wenn die Leiden uns umnachten, Nicht Glück noch Ruhm, nur größern Schmerz betrachten.","norm":"Wir mögen, wenn die Leiden uns umnachten, nicht Glück noch Ruhm, nur größeren Schmerz betrachten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2170,"orig":"Camoëns, der Muſen Liebling, Lag erkrankt im Hoſpitale.","norm":"Camoëns, der Musen Liebling, lag erkrankt im Hospitale."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2171,"orig":"In derſelben armen Kammer Lag ein Schüler aus Coimbra, Ihm des Tages Stunden kürzend Mit unendlichem Geplauder.","norm":"In derselben armen Kammer lag ein Schüler aus Coimbra, ihm des Tages Stunden kürzend mit unendlichem Geplauder."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2172,"orig":"„Edler Herr und großer Dichter, Was ſie melden, iſt es Wahrheit?","norm":"„Edler Herr und großer Dichter, was sie melden, ist es Wahrheit?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2173,"orig":"Daß geſcheitert eines Tages Am Geſtad von Coromandel Sei das undankbare Fahrzeug, Das beehrt war, Euch zu tragen?","norm":"Dass gescheitert eines Tages am Gestade von Coromandel Sei das undankbare Fahrzeug, Das beehrt war, Euch zu tragen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2174,"orig":"Daß Ihr, kämpfend in der Brandung, Mit der Rechten kühn gerudert, Doch in ausgeſtreckter Linken, Unerreicht vom Wellenwurfe, Hieltet Eures Liedes Handſchrift?","norm":"Dass Ihr, kämpfend in der Brandung, mit der Rechten kühn gerudert, doch in ausgestreckter Linken, unerreicht vom Wellenwurfe, hieltet Eures Liedes Handschrift?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2175,"orig":"Schwer wird ſolches mir zu glauben.","norm":"Schwer wird solches mir zu glauben."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2176,"orig":"Herr, auch mir, wann ich verliebt bin, Sind Apollo's Schweſtern günſtig;","norm":"Herr, auch mir, wann ich verliebt bin, sind Apollos Schwestern günstig;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2177,"orig":"Aber ging' es mir ans Leben, Flattern meine ſchönſten Verſe Ließ' ich wahrlich mit dem Winde, Brauchte meine beiden Arme!“ Antwort gab der Dichter lächelnd: „Solches that ich, Freund, in Wahrheit, Ringend auf dem Meer des Lebens!","norm":"Aber ging es mir ans Leben, Flattern meine schönsten Verse ließ ich wahrlich mit dem Winde, brauchte meine beiden Arme!“ Antwort gab der Dichter lächelnd: „Solches tat ich, Freund, in Wahrheit, ringend auf dem Meer des Lebens!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2178,"orig":"Wider Bosheit, Neid, Verleumdung Kämpft' ich um des Tages Nothdurft Mit dem einen dieſer Arme.","norm":"Wider Bosheit, Neid, Verleumdung kämpfte ich um des Tages Notdurft mit dem einen dieser Arme."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2179,"orig":"Mit dem andern dieſer Arme Hielt ich über Tod und Abgrund In des Sonnengottes Strahlen Mein Gedicht, die Luſiaden, Bis ſie wurden, was ſie bleiben.","norm":"Mit dem anderen dieser Arme Hielt ich über Tod und Abgrund in des Sonnengottes Strahlen Mein Gedicht, die Lusiaden, bis sie wurden, was sie bleiben."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2180,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2181,"orig":"Du öffneſt, Sklave, deinen Mund, Doch ſtöhnſt du nicht.","norm":"Du öffnest, Sklave, deinen Mund, doch stöhnst du nicht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2182,"orig":"Die Lippe ſchweigt.","norm":"Die Lippe schweigt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2183,"orig":"Nicht drückt, Gedankenvoller, dich Die Bürde der behelmten Stirn.","norm":"Nicht drückt, Gedankenvoller, dich die Bürde der behelmten Stirn."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2184,"orig":"Du packſt mit nerv'ger Hand den Bart, Doch ſpringſt du, Moſes, nicht empor.","norm":"Du packst mit nerviger Hand den Bart, doch springst du, Moses, nicht empor."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2185,"orig":"Maria mit dem todten Sohn, Du weinſt, doch rinnt die Thräne nicht.","norm":"Maria mit dem toten Sohn, Du weinst, doch rinnt die Träne nicht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2186,"orig":"Ihr ſtellt des Leids Geberde dar, Ihr meine Kinder, ohne Leid!","norm":"Ihr stellt des Leide es Gebärde dar, Ihr meine Kinder, ohne Leid!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2187,"orig":"So ſieht der freigewordne Geiſt Des Lebens überwundne Qual.","norm":"So sieht der freigewordene Geist des Lebens überwundene Qual."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2188,"orig":"Was martert die lebend'ge Bruſt, Beſeligt und ergötzt im Stein.","norm":"Was martert die lebendige Brust, Beseligt und ergötzt im Stein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2189,"orig":"Den Augenblick verewigt ihr Und ſterbt ihr, ſterbt ihr ohne Tod.","norm":"Den Augenblick verewigt ihr Und sterbt ihr, sterbt ihr ohne Tod."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2190,"orig":"Im Schilfe wartet Charon mein, Der pfeifend ſich die Zeit vertreibt.","norm":"Im Schilfe wartet Charon mein, der pfeifend sich die Zeit vertreibt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2191,"orig":"Zwei edle Spanier halten Wacht Und einer ſpricht zum andern: „Señor, mir däucht, der Teufel lacht, Wie wir ins Leere wandern!","norm":"Zwei edle Spanier halten Wacht und einer spricht zum anderen: „Señor, mir dünkt, der Teufel lacht, wie wir ins Leere wandern!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2192,"orig":"Das Segel rauſcht, es rauſcht der Kiel, Noch keines Strandes Boten — Die Hölle treibt mit uns ihr Spiel, Wir wandern zu den Todten!","norm":"Das Segel rauscht, es rauscht der Kiel, noch keines Strandes Boten — die Hölle treibt mit uns ihr Spiel, wir wandern zu den Toten!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2193,"orig":"Wer einem Genueſen traut, Hat den Verſtand verloren!","norm":"Wer einem Genuesen traut, hat den Verstand verloren!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2194,"orig":"Die Klugen hat er ſchlecht erbaut, Doch lockt er alle Thoren — Rund ſei die Erde, log er mir, Wie Pomeranzenbälle, Doch unermeßlich fluthet hier Nur Welle hinter Welle!“ Der Andre blickt ins Meer hinaus Und runzelt finſtre Brauen: „Señor, mich zog Columb ins Haus, Ließ mich die Karten ſchauen, Was er docirt', verſtand ich nicht, Ich ließ es alles gelten — Sein übermächtig Angeſicht Verhieß mir neue Welten!","norm":"Die Klugen hat er schlecht erbaut, doch lockt er alle Toren — Rund sei die Erde, log er mir, wie Pomeranzenbälle, doch unermesslich flutet hier nur Welle hinter Welle!“ Der Andere blickt ins Meer hinaus und runzelt finstre Brauen: „Señor, mich zog Columb ins Haus, ließ mich die Karten schauen, was er dozierte, verstand ich nicht, Ich ließ es alles gelten — Sein übermächtig Angesicht verhieß mir neue Welten!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2195,"orig":"Betrog er ſich und haben wir Uns in das Nichts verlaufen, Ein räud'ger Hund, Seor, wie Ihr Darf fröhlich mit erſaufen!“ — „Seor, da betet Ihr nicht gut!","norm":"Betrog er sich und haben wir uns in das Nichts verlaufen, ein räudiger Hund, Seor, wie Ihr Darf fröhlich mit ersaufen!“ — „Seor, da betet Ihr nicht gut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2196,"orig":"Zurück Euch in den Rachen Den räud'gen Hund!","norm":"Zurück Euch in den Rachen den räudigen Hund!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2197,"orig":"Ihr raucht von Blut Und Ihr entſprangt den Wachen!“ „Seor, ich dolcht' ein falſches Weib, Bekenn' ich unverhohlen!","norm":"Ihr raucht von Blut und Ihr entsprangt den Wachen!“ „Seor, ich dolchte ein falsches Weib, Bekenne ich unverhohlen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2198,"orig":"Nicht hab' dem Bäcker einen Laib Vom Bret ich weggeſtohlen!","norm":"Nicht habe dem Bäcker einen Laib vom Brett ich weggestohlen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2199,"orig":"Seor, Ihr ſeid ein Galgenſtrick!“ — „Seor, Ihr ſeid nicht beſſer!“ Sie ziehen mit entflammtem Blick Und kreuzen blanke Meſſer ...","norm":"Seor, Ihr seid ein Galgenstrick!“ — „Seor, Ihr seid nicht besser!“ Sie ziehen mit entflammtem Blick und kreuzen blanke Messer ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2200,"orig":"Da zwiſchen ihre Meſſer walzt In tollem Freudenſprunge, Mit ölgetränkten Fingern ſchnalzt Miguel, der Küchenjunge.","norm":"Da zwischen ihre Messer walzt in tollem Freudensprunge, mit ölgetränkten Fingern schnalzt Miguel, der Küchenjunge."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2201,"orig":"Er drückt die Lider blinzelnd ein Mit ſchlauem Wimperzwinken, Bald hüpft er auf dem rechten Bein, Bald hopſt er auf dem linken, In Lüften bläht ſich ſein Gewand, Es puffen ihm die Hoſen — Neugierig kommen hergerannt Soldaten und Matroſen.","norm":"Er drückt die Lider blinzelnd ein Mit schlauem Wimperzwinkern, bald hüpft er auf dem rechten Bein, bald hopst er auf dem linken, in Lüften bläht sich sein Gewand, es puffen ihm die Hosen — Neugierig kommen hergerannt Soldaten und Matrosen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2202,"orig":"Der Junge redet kunterbunt, Als ob's im Kopf ihm fehle, Dann öffnet er den großen Mund Und ſingt aus voller Kehle: „Das Heimchen zirpt, das Heimchen zirpt, Stimmt Laudes an und Pſalmen!","norm":"Der Junge redet kunterbunt, als ob es im Kopf ihm fehle, dann öffnet er den großen Mund und singt aus voller Kehle: „Das Heimchen zirpt, das Heimchen zirpt, stimmt Laudes an und Psalmen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2203,"orig":"Und wenn's mir nicht vor Freude ſtirbt, Bald weidet's unter Halmen!","norm":"Und wenn es mir nicht vor Freude stirbt, bald weidet es unter Halmen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2204,"orig":"Ich ſchwör' es Euch bei Gottes Haupt:","norm":"Ich schwör es Euch bei Gottes Haupt:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2205,"orig":"Es athmet duft'ge Weiden, Es wittert Wälder dichtbelaubt Und unermeſſne Haiden!","norm":"Es atmet duftige Weiden, es wittert Wälder dichtbelaubt und unermessene Heiden!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2206,"orig":"Erlauchte Herren, gebet Acht, In meinem engen Räumchen Hat unſre Meerfahrt mitgemacht Ein andaluſiſch Heimchen — Mitnahm ich's aus dem Vaterland, Mich ſcheidend zu beſchenken, Ich fing's mit flinkem Griff der Hand Zu einem Angedenken.","norm":"Erlauchte Herren, gebet Acht, in meinem engen Räumchen hat unsere Meerfahrt mitgemacht ein andalusisch Heimchen — mitnahm ich es aus dem Vaterland, mich scheidend zu beschenken, Ich fing es mit flinkem Griff der Hand zu einem Angedenken."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2207,"orig":"Da wir zu Schiffe ſtiegen dort, Die Zierden aller Lande, Zirpt' Heimchen mir im Buſen fort, Als weidet's noch am Strande.","norm":"Da wir zu Schiffe stiegen dort, die Zierden aller Lande, Zirpte Heimchen mir im Busen fort, als weidet es noch am Strande."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2208,"orig":"Das grüne Vorgebirg verſchwand, Dem Heimchen ward es ſchaurig, Beklommen ſaß es an der Wand Und wurde faul und traurig.","norm":"Das grüne Vorgebirge verschwand, dem Heimchen wurde es schaurig, beklommen saß es an der Wand und wurde faul und traurig."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2209,"orig":"So darbt's und dämmert's langezeit, Schon gab ich es verloren, Und nun, bei meiner Seligkeit, Iſt Heimchen neu geboren!","norm":"So darbt es und dämmert es lange Zeit, schon gab ich es verloren, und nun, bei meiner Seligkeit, ist Heimchen neugeboren!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2210,"orig":"Bedenkt, es hockte gram und lahm An Dielen und an Wänden, Jetzt jubelt's wie ein Bräutigam Und kann nur gar nicht enden!“ Miguel iſt fort und wieder da, Die Fingerſpitze zeigend:","norm":"Bedenkt, es hockte gram und lahm an Dielen und an Wänden, jetzt jubelt es wie ein Bräutigam und kann nur gar nicht enden!“ Miguel ist fort und wieder da, die Fingerspitze zeigend:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2211,"orig":"Da ſitzt es ja!","norm":"Da sitzt es ja!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2212,"orig":"da ſingt es ja!","norm":"da singt es ja!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2213,"orig":"Die Männer lauſchen ſchweigend — Dann ſinnen ſie der Sache nach, Den Luſtgeſang im Ohre, Sie ſchütteln ſich die Hände jach Und ſchrei'n in wildem Chore: „Das Heimchen zirpt!","norm":"Die Männer lauschen schweigend — dann sinnen sie der Sache nach, den Lustgesang im Ohr, Sie schütteln sich die Hände jach und schreien in wildem Chore: „Das Heimchen zirpt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2214,"orig":"Das Heimchen zirpt!","norm":"Das Heimchen zirpt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2215,"orig":"Bald ſchwelgen wir in Beute!","norm":"Bald schwelgen wir in Beute!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2216,"orig":"Wer ſpielt, gewinnt!","norm":"Wer spielt, gewinnt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2217,"orig":"Wer wagt, erwirbt!","norm":"Wer wagt, erwirbt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2218,"orig":"Wir ſind gemachte Leute!","norm":"Wir sind gemachte Leute!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2219,"orig":"Die Küſte winkt!","norm":"Die Küste winkt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2220,"orig":"Das Gold erblinkt, Davon die Sagen melden!","norm":"Das Gold erblinkt, davon die Sagen melden!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2221,"orig":"Das Morgen ſteigt!","norm":"Das Morgen steigt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2222,"orig":"Das Geſtern ſinkt!","norm":"Das gestern sinkt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2223,"orig":"Wir ſind berühmte Helden!“","norm":"Wir sind berühmte Helden!“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2224,"orig":"Don Fadrique bringt ein Ständchen Seiner drolligen Pepita: „Liebchen, ſtrecke durch die Thüre Deines Füßchens Spitze nur!“ Und die drollige Pepita Streckt durch eine ſchmale Spalte Eines allerliebſten Fußes Weißes Spitzchen in die Luft.","norm":"Don Fadrique bringt ein Ständchen seiner drolligen Pepita: „Liebchen, strecke durch die Türe Deines Füßchens Spitze nur!“ Und die drollige Pepita streckt durch eine schmale Spalte eines allerliebsten Fußes Weißes Spitzchen in die Luft."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2225,"orig":"Don Fadrique krümmt den Rücken, Will das weiße Spitzchen küſſen, Knabe Amor ſteht bei Seite, Der den Bogen lachend ſpannt.","norm":"Don Fadrique krümmt den Rücken, will das weiße Spitzchen küssen, Knabe Amor steht beiseite, der den Bogen lachend spannt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2226,"orig":"Nach dem ewig jungen Herzen Zielt er, doch wer lacht, der zielt ſchlecht:","norm":"Nach dem ewigjungen Herzen zielt er, doch wer lacht, der zielt schlecht:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2227,"orig":"In des Ritters alten Rücken Schießt er einen Hexenſchuß.","norm":"In des Ritters alten Rücken schießt er einen Hexenschuss."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2228,"orig":"Don Fadrique's Knochen raſſeln, Don Fadrique ſtürzt zuſammen, Figaro holt eine Sänfte, Figaro bringt ihn zu Bett.","norm":"Don Fadriques Knochen rasseln, Don Fadrique stürzt zusammen, Figaro holt eine Sänfte, Figaro bringt ihn zu Bett."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2229,"orig":"Frommer Bruder Agoſtino, Exorcire mir das frevle Allerliebſte weiße Füßchen Das durch meine Beichte tanzt!“ Don Fadrique ſucht den Hades, Zierlich ſchreitend wie ein Stutzer, Tänzelnd leuchtet ihm ein weißes Füßchen durch die Unterwelt.","norm":"Frommer Bruder Agostino, Exorziere mir das frevle Allerliebste weiße Füßchen das durch meine Beichte tanzt!“ Don Fadrique sucht den Hades, zierlich schreitend wie ein Stutzer, tänzelnd leuchtet ihm ein weißes Füßchen durch die Unterwelt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2230,"orig":"Herr Karl war verdroſſen, Sein Pulver verſchoſſen: „O Gunſt der Bellona, du wandelndes Glück!","norm":"Herr Karl war verdrossen, Sein Pulver verschossen: „O Gunst der Bellona, du wandelndes Glück!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2231,"orig":"Umſtarrt aller Enden Von Felſen und Wänden Laß ich meine herrlichen Büchſen zurück?“ Da kam aus der Pouille Herr Ludwig Tremouille Und ſprach: „Ich bezwinge die ſchwindelnde Bahn!","norm":"Umstarrt allerenden von Felsen und Wänden Lass ich meine herrlichen Büchsen zurück?“ Da kam aus der Pouille Herr Ludwig Tremouille und sprach: „Ich bezwinge die schwindelnde Bahn!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2232,"orig":"Nicht Roſſe, nicht Farren Vor Büchſen und Karren!","norm":"Nicht Rosse, nicht Farren vor Büchsen und Karren!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2233,"orig":"Ich ſpanne mich ſelbſt und die Schweizer daran.","norm":"Ich spanne mich selbst und die Schweizer daran."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2234,"orig":"Die kennen die Berge!","norm":"Die kennen die Berge!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2235,"orig":"Das ſind keine Zwerge, Wie deine Gascogner, die zapplige Brut!","norm":"Das sind keine Zwerge, wie deine Gascogner, die zapplige Brut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2236,"orig":"Die haben dir Arme, So harte, ſo warme!","norm":"Die haben dir Arme, so harte, so warme!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2237,"orig":"Herr König, ich ſteh' für die Büchſen dir gut!","norm":"Herr König, ich stehe für die Büchsen dir gut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2238,"orig":"Ihr Herrn aus den Bünden, Bedenkt eure Sünden:","norm":"Ihr Herrn aus den Bünden, bedenkt eure Sünden:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2239,"orig":"Den rollenden Würfel, den Becher, die Dirn!","norm":"Den rollenden Würfel, den Becher, die Dirn!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2240,"orig":"Die wollen wir fegen Auf brennenden Wegen, Die büßen wir heute mit triefender Stirn!","norm":"Die wollen wir fegen auf brennenden Wegen, die büßen wir heute mit triefender Stirn!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2241,"orig":"Weg warf er die Jacke, Daß feſter er packe Das Seil um die erſte Kanone geknüpft — Da jauchzten die Buben Und ſchoben und huben, Im Nu aus den puffigen Wämſern geſchlüpft.","norm":"Weg warf er die Jacke, dass fester er packe das Seil um die erste Kanone geknüpft — da jauchzten die Buben und schoben und hoben, im Nu aus den puffigen Wämsern geschlüpft."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2242,"orig":"Der ſtämmige Berner, Der luſt'ge Luzerner Sie ſtreiften die nervigen Arme ſich nackt;","norm":"Der stämmige Berner, der lustige Luzerner Sie streiften die nervigen Arme sich nackt;"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2243,"orig":"Die Kinder der Rhone, Der braune Griſone, Sie zogen die raſſelnden Büchſen im Takt.","norm":"Die Kinder der Rhone, der braune Grisone, Sie zogen die rasselnden Büchsen im Takt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2244,"orig":"Ein knarrendes Stöhnen, Metallenes Dröhnen!","norm":"Ein knarrendes Stöhnen, Metallenes Dröhnen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2245,"orig":"Sie fuhren zu Berg mit der Heerde von Erz, Vorüber den Schründen, Die Herrn aus den Bünden, Als ging' es zum Reigen mit Jubel und Scherz.","norm":"Sie fuhren zu Berg mit der Herde von Erz, Vorüber den Schründen, die Herrn aus den Bünden, als ging es zum Reigen mit Jubel und Scherz."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2246,"orig":"Ein prächtiges Wetter!","norm":"Ein prächtiges Wetter!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2247,"orig":"Drommetengeſchmetter Erſchüttert die blaue, die ſtrahlende Luft.","norm":"Trompetengeschmetter erschüttert die blaue, die strahlende Luft."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2248,"orig":"Ihr ſchollt, Apenninen, Von hellen Clarinen Und klangt bis in eure verborgenſte Schluft!","norm":"Ihr schollt, Apenninen, von hellen Klarinen und klangt bis in eure verborgenste Schlucht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2249,"orig":"Doch hartes Bedenken!","norm":"Doch hartes Bedenken!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2250,"orig":"Da gab's keine Schenken Für durſtige Gaumen und ſiedendes Blut.","norm":"Da gab es keine Schenken für durstige Gaumen und siedendes Blut."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2251,"orig":"Herr Ludwig ruft munter: „Bald geht es bergunter!“ Und reißt an dem Seil in der ſengenden Glut.","norm":"Herr Ludwig ruft munter: „Bald geht es bergunter!“ Und reißt an dem Seil in der sengenden Glut."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2252,"orig":"Wie kicherte Flore, Wie höhnte Aurore, Erblickten hemdärmlich den Ritter ſie hier!","norm":"Wie kicherte Flore, wie höhnte Aurore, Erblickten hemdärmlig den Ritter sie hier!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2253,"orig":"Mit keuchender Lunge, Mit lechzender Zunge, Den zierlichen Helden an Feſt und Turnier!","norm":"Mit keuchender Lunge, mit lechzender Zunge, den zierlichen Helden an Fest und Turnier!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2254,"orig":"Noch einmal geſchoben Und jetzt ſind ſie oben!","norm":"Noch einmal geschoben und jetzt sind sie oben!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2255,"orig":"Sie raſten, auf glühende Felſen geſtreckt, Und ſehen mit Weiden Und goldnen Getreiden Die fette lombardiſche Fläche bedeckt.","norm":"Sie rasten, auf glühende Felsen gestreckt, und sehen mit Weiden und goldenen Getreiden die fette lombardische Fläche bedeckt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2256,"orig":"Der Liebling der Frauen Nahm, ſich zu beſchauen, In Züchten ſein ſilbernes Spieglein hervor, Beſah in der Wildniß Sein ſchreckliches Bildniß Und fluchte: „Potz Blitz!","norm":"Der Liebling der Frauen nahm, sich zu beschauen, in Züchten sein silbernes Spieglein hervor, besah in der Wildnis Sein schreckliches Bildnis und fluchte: „Potz Blitz!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2257,"orig":"Ich bin Ludwig der Mohr!“","norm":"Ich bin Ludwig der Mohr!“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2258,"orig":"Ueber ihre Thore ſtatt der Muſe Meißeln die Baglioni die Meduſe Und an ihren grauſen Hochzeitsfeſten Kämpft der Bräutigam mit ſeinen Gäſten.","norm":"Über ihre Tore statt der Muse Meißeln die Baglioni die Meduse und an ihren grausen Hochzeitsfesten Kämpft der Bräutigam mit seinen Gästen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2259,"orig":"Heute liegen wieder ſie wie Garben:","norm":"Heute liegen wieder sie wie Garben:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2260,"orig":"Blutsgenoſſen, die ſich würgend ſtarben!","norm":"Blutsgenossen, die sich würgend starben!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2261,"orig":"Wo des Bruderhaſſes Fackel brannte, Sucht das Kind und findet's Atalante.","norm":"Wo des Bruderhasses Fackel brannte, Sucht das Kind und findet es Atalante."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2262,"orig":"Niederſtarrend, auf das Knie geſunken, Hebt des Sohnes Haupt ſie jammertrunken, Drüber hebt ſie die geballte Rechte, Daß ſie fluche dieſem Mordgeſchlechte ...","norm":"Niederstarrend, auf das Knie gesunken, Hebt des Sohnes Haupt sie jammertrunken, drüber hebt sie die geballte Rechte, dass sie fluche diesem Mordgeschlecht ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2263,"orig":"Ihrem Knaben ſteht die Seite offen, Wo der Speer Longin's den Herrn getroffen, Ihres Knaben Haupt, ein blondes iſt es, Wie das dorngekrönte Haupt des Chriſtes ...","norm":"Ihrem Knaben steht die Seite offen, wo der Speer Longins den Herrn getroffen, Ihres Knaben Haupt, ein blondes ist es, wie das dorngekrönte Haupt des Christs ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2264,"orig":"Wie des Chriſtes Haupt iſt's ein erbleichtes, Auf die Schulter friedevoll geneigtes, Haß und Fluch erliſcht auf ihrem Munde, Sie verehrt die heil'ge Seitenwunde ...","norm":"Wie des Christs Haupt ist es ein erbleichtes, auf die Schulter friedevoll geneigtes, Hass und Fluch erlischt auf ihrem Munde, Sie verehrt die heilige Seitenwunde ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2265,"orig":"Wer bin ich?","norm":"Wer bin ich?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2266,"orig":"Einer welcher unterging, Den Kranz im Haar, den Becher in der Fauſt, Mit einem herculaniſchen Gelag Von einem ungeheuren Sturz bedeckt?","norm":"Einer welcher unterging, den Kranz im Haar, den Becher in der Faust, mit einem herkulanischen Gelage von einem ungeheuren Sturz bedeckt?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2267,"orig":"Ich weiß den Becher nur und meinen Sturz ...","norm":"Ich weiß den Becher nur und meinen Sturz ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2268,"orig":"Im Belvedere ...","norm":"Im Belvedere ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2269,"orig":"Geſtern ...","norm":"Gestern ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2270,"orig":"Am Bankett ...","norm":"Am Bankett ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2271,"orig":"Den Becher, ihn kredenzte ſchlürfend mir Der Papſt, der ewig heiter lächelnde, Denn Cäſar Borja bin ich, Sohn des Papſts!","norm":"Den Becher, ihn kredenzte schlürfend mir der Papst, der ewig heiter lächelnde, denn Cäsar Borja bin ich, Sohn des Papsts!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2272,"orig":"Die Ampel über meinem Lager kämpft Mit eines neuen Tages fahlem Schein ...","norm":"Die Ampel über meinem Lager kämpft mit eines neuen Tages fahlem Schein ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2273,"orig":"Ob's geſtern oder ehegeſtern war, Ich weiß es nicht, doch Eines weiß ich wohl:","norm":"Ob es gestern oder ehegestern war, Ich weiß es nicht, doch eines weiß ich wohl:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2274,"orig":"In jenem Becher gohr der Borja Gift.","norm":"In jenem Becher gor der Borja Gift."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2275,"orig":"Er galt dem Gaſt, dem Biſchof.","norm":"Er galt dem Gast, dem Bischof."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2276,"orig":"Selbſt gewürzt Hat ſich der Vater ew'gen Schlummers Trunk!","norm":"Selbst gewürzt Hat sich der Vater ewigen Schlummers Trunk!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2277,"orig":"Ein Becher ward verwechſelt.","norm":"Ein Becher wurde verwechselt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2278,"orig":"Warum nicht?","norm":"Warum nicht?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2279,"orig":"Verrath des Schenken?","norm":"Verrat des Schenken?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2280,"orig":"Zufall?","norm":"Zufall?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2281,"orig":"...","norm":"..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2282,"orig":"Es geſchah.","norm":"Es geschah."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2283,"orig":"Ich lebe.","norm":"Ich lebe."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2284,"orig":"Meine Drachenkraft bezwang Das Drachengift.","norm":"Meine Drachenkraft bezwang das Drachengift."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2285,"orig":"Die Stunde ruft.","norm":"Die Stunde ruft."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2286,"orig":"Zur That!","norm":"Zur Tat!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2287,"orig":"Leer ſteht ein Thron und eine Krone rollt.","norm":"Leer steht ein Thron und eine Krone rollt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2288,"orig":"Verbraucht iſt das Apoſtelmärchen.","norm":"Verbraucht ist das Apostelmärchen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2289,"orig":"Weg Damit!","norm":"Weg damit!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2290,"orig":"Der Vater war der letzte Papſt!","norm":"Der Vater war der letzte Papst!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2291,"orig":"Ein König folgt ihm nach und der bin ich.","norm":"Ein König folgt ihm nach und der bin ich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2292,"orig":"Entſcheidungsſtunde, nicht erſchreckſt du mich, Ich habe lange dich voraus bedacht:","norm":"Entscheidungsstunde, nicht erschreckst du mich, Ich habe lange dich voraus bedacht:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2293,"orig":"Entlarve mir dein kühnes Angeſicht!","norm":"Entlarve mir dein kühnes Angesicht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2294,"orig":"Du heißeſt Heute!","norm":"Du heißest heute!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2295,"orig":"Kämmrer, gieb das Schwert!","norm":"Kämmerer, gib das Schwert!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2296,"orig":"Reif ſtehn die Ernten und die Sichel blitzt.","norm":"Reif stehen die Ernten und die Sichel blitzt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2297,"orig":"Marſch, meine Banden!","norm":"Marsch, meine Banden!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2298,"orig":"Richtet das Geſchütz Auf des Conclave Kammern!","norm":"Richtet das Geschütz auf des Konklave Kammern!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2299,"orig":"Suchſt du mich, Hauptmann?","norm":"Suchst du mich, Hauptmann?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2300,"orig":"Im Borgo, ſagſt du, wird gekämpft?","norm":"Im Borgo, sagst du, wird gekämpft?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2301,"orig":"Ich komme!","norm":"Ich komme!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2302,"orig":"Ich vertauſendfache mich!","norm":"Ich vertausendfache mich!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2303,"orig":"Ich ſteige mordend auf das Capitol Und mit Italiens Krone krön' ich mir Dies Haupt das ſeine Frevel überragt!","norm":"Ich steige mordend auf das Kapitol und mit Italiens Krone krön ich mir dies Haupt das seine Frevel überragt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2304,"orig":"Ich träume nur und komme nicht vom Platz.","norm":"Ich träume nur und komme nicht vom Platz."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2305,"orig":"Sturmlaufend bleib' ich eingewurzelt ſtehn.","norm":"Sturmlaufend bleibe ich eingewurzelt stehen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2306,"orig":"Gelähmte Sehnen!","norm":"Gelähmte Sehnen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2307,"orig":"Meuchleriſches Gift!","norm":"Meuchlerisches Gift!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2308,"orig":"Auf einem Krankenlager krümm' ich mich.","norm":"Auf einem Krankenlager krümme ich mich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2309,"orig":"Kein Diener hier!","norm":"Kein Diener hier!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2310,"orig":"Kein Arzt an meinem Pfühl!","norm":"Kein Arzt an meinem Pfühl!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2311,"orig":"Miethlinge!","norm":"Mietlinge!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2312,"orig":"Meine Stunde ſchwebt vorbei, Mit flieh'ndem Fuß berührt ſie ſpottend mir Die Fauſt, die ein erdichtet Schwert umkrampft.","norm":"Meine Stunde schwebt vorbei, mit fliehendem Fuß berührt sie spottend mir die Faust, die ein erdichtet Schwert umkrampft."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2313,"orig":"Verweile, Schickſalsſtunde!","norm":"Verweile, Schicksalsstunde!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2314,"orig":"...","norm":"..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2315,"orig":"Doch ſie ſchwebt.","norm":"Doch sie schwebt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2316,"orig":"Ich fühle meiner Feinde heimlich Werk:","norm":"Ich fühle meiner Feinde heimlich Werk:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2317,"orig":"Sie ſchaufeln, ſie miniren, während ich Geſchleudert aus der Schranke liege ...","norm":"Sie schaufeln, sie minieren, während ich geschleudert aus der Schranke liege ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2318,"orig":"Dort!","norm":"Dort!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2319,"orig":"Die grüne Feuerkugel!","norm":"Die grüne Feuerkugel!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2320,"orig":"Ein Signal Von meinen Banden?","norm":"Ein Signal von meinen Banden?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2321,"orig":"Nein, ein Meteor Zuckt flüchtig durch die ſchwüle Sommernacht.","norm":"Nein, ein Meteor zuckt flüchtig durch die schwüle Sommernacht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2322,"orig":"Hier über Roma's Kuppeln loht es auf:","norm":"Hier über Romas Kuppeln loht es auf:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2323,"orig":"Nahn fackelſchwingend meine Banden ſich?","norm":"Nahen fackelschwingend meine Banden sich?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2324,"orig":"Nein, es iſt Borja's Glück das flammt und brennt Und ſeine Zinnen ſtürzen!","norm":"Nein, es ist Borjas Glück das flammt und brennt und seine Zinnen stürzen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2325,"orig":"Wehe mir!","norm":"Wehe mir!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2326,"orig":"Dem Valentino netzt die Wimper ſich ...","norm":"Dem Valentino netzt die Wimper sich ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2327,"orig":"Pfui!","norm":"Pfui!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2328,"orig":"Iſt das eines Weibes Augenlid?","norm":"Ist das eines Weibes Augenlid?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2329,"orig":"Verzweiflung!","norm":"Verzweiflung!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2330,"orig":"Göttin!","norm":"Göttin!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2331,"orig":"Stähle meinen Leib!","norm":"Stähle meinen Leib!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2332,"orig":"Ich winde mich von meinem Lager auf, Ich ſchreite ...","norm":"Ich winde mich von meinem Lager auf, Ich schreite ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2333,"orig":"Keiner ſieht's ...","norm":"Keiner sieht es ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2334,"orig":"Ich ſchreite.","norm":"Ich schreite."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2335,"orig":"Bei Der nackten Hölle, Sehnen, ſtrammet euch!","norm":"Bei Der nackten Hölle, Sehnen, strammet euch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2336,"orig":"...","norm":"..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2337,"orig":"Verdammniß!","norm":"Verdammnis!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2338,"orig":"...","norm":"..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2339,"orig":"Wieder lieg' ich hingeſtreckt ...","norm":"Wieder liege ich hingestreckt ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2340,"orig":"Und ein erdolchter Knabe feſſelt mich Mit Ringen an den Stein ...","norm":"Und ein erdolchter Knabe fesselt mich mit Ringen an den Stein ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2341,"orig":"Dort gafft ein Weib, Die Haare triefend, mit geſchwollnem Hals ...","norm":"Dort gafft ein Weib, die Haare triefend, mit geschwollenem Hals ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2342,"orig":"Blutloſe Brut!","norm":"Blutlose Brut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2343,"orig":"Weg in des Tibers Grab!","norm":"Weg in des Tibers Grab!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2344,"orig":"...","norm":"..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2345,"orig":"Aus allen Wänden quillt es ſchwarz hervor Und dunkelt über mir ...","norm":"Aus allen Wänden quillt es schwarz hervor Und dunkelt über mir ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2346,"orig":"Unſagbar Graun ...","norm":"Unsagbar Graun ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2347,"orig":"Halb vom Hades ſchon bezwungen, Von Lemuren ſchon umſchwebt, Hat er doch ſich losgerungen — Sieh er athmet!","norm":"Halb vom Hades schon bezwungen, von Lemuren schon umschwebt, hat er doch sich losgerungen — Sieh er atmet!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2348,"orig":"Sieh er lebt!","norm":"Sieh er lebt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2349,"orig":"Hinter ſeinen greiſen Brauen Flammt's!","norm":"Hinter seinen greisen Brauen flammt es!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2350,"orig":"Jetzt langt er nach dem Bart, Zürnt und ſchilt den Tod mit rauhen, Ungeſtümen Worten hart: „Weg mir aus dem Angeſichte, Larven, die mir bleich gedroht!","norm":"Jetzt langt er nach dem Bart, zürnt und scheltet den Tod mit rauen, ungestümen Worten hart: „Weg mir aus dem Angesichte, Larven, die mir bleich gedroht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2351,"orig":"Charon, aus dem Sonnenlichte Weg ins Schilf mit deinem Boot!","norm":"Charon, aus dem Sonnenlichte Weg ins Schilf mit deinem Boot!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2352,"orig":"Keine Macht iſt dir gegeben, Bis ich ſelbſt dich rufen mag!","norm":"Keine Macht ist dir gegeben, bis ich selbst dich rufen mag!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2353,"orig":"Heute hab' ich noch zu leben Einen vollgedrängten Tag!","norm":"Heute habe ich noch zu leben Einen vollgedrängten Tag!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2354,"orig":"Arzt, ſtatt deiner faden Tropfen Gieb mir des Falerners Glut!","norm":"Arzt, statt deiner faden Tropfen Gib mir des Falerners Glut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2355,"orig":"Laſſe meine Pulſe klopfen, Wirf mir Feuer in das Blut!","norm":"Lasse meine Pulse klopfen, Wirf mir Feuer in das Blut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2356,"orig":"Auf die Thüren!","norm":"Auf die Türen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2357,"orig":"Weg die Kiſſen!","norm":"Weg die Kissen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2358,"orig":"Meine Feldherrn, tretet ein!","norm":"Meine Feldherrn, tretet ein!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2359,"orig":"Meine Meiſter, laßt ſie wiſſen, Daß ſie dreifach emſig ſei'n!","norm":"Meine Meister, lasst sie wissen, dass sie dreifach emsig seien!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2360,"orig":"Regſt, Bramante, die geſchickten Hände du?","norm":"Regst, Bramante, die geschickten Hände du?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2361,"orig":"Vollende doch!","norm":"Vollende doch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2362,"orig":"Dieſe Augen, ſie erblickten Gerne deine Kuppel noch!","norm":"Diese Augen, sie erblickten Gerne deine Kuppel noch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2363,"orig":"Michel Angelo, willkommen!","norm":"Michelangelo, willkommen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2364,"orig":"Warum ſchauſt du wieder ſcheel?","norm":"Warum schaust du wieder scheel?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2365,"orig":"Dort erblick' ich meinen frommen, Meinen ſüßen Raphael!","norm":"Dort erblicke ich meinen frommen, Meinen süßen Raphael!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2366,"orig":"Als den Hirten nicht des Lammes, Bildet mich als Moſen ab, Der den Dränger ſeines Stammes Niederſchlug mit wucht'gem Stab — Wo die Waſſerſtürze toſen In die Brunnenſchale jach, Setzet, Meiſter, mich als Moſen, Der die Felſenwand zerbrach!","norm":"Als den Hirten nicht des Lammes, bildet mich als Mosen ab, der den Dränger seines Stammes niederschlug mit wuchtigem Stab — wo die Wasserstürze tosen in die Brunnenschale jach, Setzet, Meister, mich als Mosen, der die Felsenwand zerbrach!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2367,"orig":"Moſes bin ich, in dem Blitze Sinai's, in Rauch und Dampf:","norm":"Moses bin ich, in dem Blitze Sinais, in Rauch und Dampf:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2368,"orig":"Meine donnernden Geſchütze Enden flammend jeden Kampf!","norm":"Meine donnernden Geschütze Enden flammend jeden Kampf!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2369,"orig":"Mit den neugegoßnen Stücken Bring' ich Burg und Stadt zu Fall, Schmettre Breſchen, breche Lücken In den ſtärkſten Mauerwall!","norm":"Mit den neugegoßenen Stücken Bringe ich Burg und Stadt zu Fall, Schmettre Breschen, breche Lücken in den stärksten Mauerwall!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2370,"orig":"Falkner, ſprich, was macht mein Sperber, Der die Klaue ſich zerſtieß?","norm":"Falkner, sprich, was macht mein Sperber, der die Klaue sich zerstieß?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2371,"orig":"Marſchalk, ſag, wie lebt mein Berber, Den zu ſcharf ich jagen ließ?","norm":"Marschalk, sage, wie lebt mein Berber, Den zu scharf ich jagen ließ?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2372,"orig":"Tummelt, Diener, zum Ergötzen Mir im Hof ein feurig Thier!","norm":"Tummelt, Diener, zum Ergötzen mir im Hof ein feurig Tier!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2373,"orig":"Laßt es ſpringen, laßt es ſetzen Vor den alten Augen mir!","norm":"Lasst es springen, lasst es setzen vor den alten Augen mir!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2374,"orig":"Helmt mir die gefurchte Stirne!","norm":"Helmt mir die gefurchte Stirn!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2375,"orig":"Harniſcht mir die welke Hand!","norm":"Harnischt mir die welke Hand!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2376,"orig":"Der Italien macht zur Dirne, Jagt den Fremdling aus dem Land!","norm":"Der Italien macht zur Dirne, jagt den Fremdling aus dem Land!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2377,"orig":"Reicht ein Schwert!","norm":"Reicht ein Schwert!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2378,"orig":"Ich will es retten!","norm":"Ich will es retten!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2379,"orig":"Ruft, Drommeten, ruft zur Schlacht!","norm":"Ruft, Trompeten, ruft zur Schlacht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2380,"orig":"In der Fauſt zerrißne Ketten, Schreit' ich durch des Hades Nacht!“","norm":"In der Faust zerrissene Ketten, Schreit ich durch des Hades Nacht!“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2381,"orig":"In der Siſtine dämmerhohem Raum, Das Bibelbuch in ſeiner nerv'gen Hand, Sitzt Michel Angelo in wachem Traum, Umhellt von einer kleinen Ampel Brand.","norm":"In der Sistine dämmerhohem Raum, das Bibelbuch in seiner nervigen Hand, sitzt Michelangelo in wachem Traum, Umhellt von einer kleinen Ampel Brand."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2382,"orig":"Laut ſpricht hinein er in die Mitternacht, Als lauſcht' ein Gaſt ihm gegenüber hier, Bald wie mit einer allgewalt'gen Macht, Bald wieder wie mit Seinesgleichen ſchier: „Umfaßt, umgrenzt hab' ich Dich, ewig Sein, Mit meinen großen Linien fünfmal dort!","norm":"Laut spricht hinein er in die Mitternacht, als lauschte ein Gast ihm gegenüber hier, bald wie mit einer allgewaltigen Macht, bald wieder wie mit Seinesgleichen schier: „Umfasst, umgrenzt habe ich Dich, ewig Sein, mit meinen großen Linien fünfmal dort!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2383,"orig":"Ich hüllte Dich in lichte Mäntel ein Und gab Dir Leib, wie dieſes Bibelwort.","norm":"Ich hüllte Dich in lichte Mäntel ein Und gab Dir Leib, wie dieses Bibelwort."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2384,"orig":"Mit weh'nden Haaren ſtürmſt Du feurig wild Von Sonnen immer neuen Sonnen zu, Für Deinen Menſchen biſt in meinem Bild Entgegenſchwebend und barmherzig Du!","norm":"Mit wehenden Haaren stürmst Du feurig-wild von Sonnen immer neuen Sonnen zu, für Deinen Menschen bist in meinem Bild Entgegenschwebend und barmherzig Du!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2385,"orig":"So ſchuf ich Dich mit meiner nicht'gen Kraft:","norm":"So schuf ich Dich mit meiner nichtigen Kraft:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2386,"orig":"Damit ich nicht der größre Künſtler ſei, Schaff mich — ich bin ein Knecht der Leidenſchaft — Nach Deinem Bilde ſchaff mich rein und frei!","norm":"Damit ich nicht der größere Künstler sei, Schaffe mich — ich bin ein Knecht der Leidenschaft — nach Deinem Bilde schaffe mich rein und frei!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2387,"orig":"Den erſten Menſchen formteſt Du aus Thon, Ich werde ſchon von härterm Stoffe ſein, Da, Meiſter, brauchſt Du Deinen Hammer ſchon, Bildhauer Gott, ſchlag zu!","norm":"Den ersten Menschen formtest Du aus Ton, Ich werde schon von härterem Stoffe sein, Da, Meister, brauchst Du Deinen Hammer schon, Bildhauer Gott, Schlag zu!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2388,"orig":"Ich bin der Stein.","norm":"Ich bin der Stein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2389,"orig":"Benvenuto, ſprich, was ſchmiedeſt Du wie raſend in der Werkſtatt?","norm":"Benvenuto, sprich, was schmiedest Du wie rasend in der Werkstatt?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2390,"orig":"Welches ungeheure Kunſtwerk?","norm":"Welches ungeheure Kunstwerk?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2391,"orig":"— „Meſſer!","norm":"— „Messer!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2392,"orig":"Scharfe feine Meſſer!“ Benvenuto, ſprich, was prahlſt du?","norm":"Scharfe feine Messer!“ Benvenuto, sprich, was prahlst du?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2393,"orig":"Welche ungeheure Lüge Tiſcheſt auf du den Geſellen?","norm":"Welche ungeheure Lüge tischest auf du den Gesellen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2394,"orig":"— „Ich bin ſtummer als ein Fiſchchen.","norm":"— „Ich bin stummer als ein Fischchen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2395,"orig":"“ Benvenuto, ſprich, was drohſt du?","norm":"“ Benvenuto, sprich, was drohst du?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2396,"orig":"Welche ungeheure Mordthat, Die vor Abend du begehn wirſt?","norm":"Welche ungeheure Mordtat, die vor Abend du begehen wirst?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2397,"orig":"— „Ich bin frömmer als ein Lämmlein.","norm":"— „Ich bin frommer als ein Lämmlein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2398,"orig":"“ Benvenuto bringt die Eiſen Meiſter Jakob von Perugia, Der den kranken Finger ſchneidet Dem geduld'gen Kind des Goldſchmieds.","norm":"“ Benvenuto bringt die Eisen Meister Jakob von Perugia, der den kranken Finger schneidet dem geduldigen Kind des Goldschmieds."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2399,"orig":"Benvenuto's glühnde Blicke Folgen jedem Schnitt des Stahles.","norm":"Benvenutos glühende Blicke Folgen jedem Schnitt des Stahles."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2400,"orig":"„Rafaella, ſchmerzt mein Meſſer?“ Benvenuto, nein, es ſchmerzt nicht.","norm":"„Raffaela, schmerzt mein Messer?“ Benvenuto, Nein, es schmerzt nicht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2401,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2402,"orig":"Süß iſt das Dunkel nach Gluten des Tags!","norm":"Süß ist das Dunkel nach Gluten des Tags!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2403,"orig":"Auf dämmernder Brücke Schau' ich die Ufer entlang dieſer unſterblichen Stadt.","norm":"Auf dämmernder Brücke Schau ich die Ufer entlang dieser unsterblichen Stadt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2404,"orig":"Burgen und Tempel verwachſen zu Einer gewaltigen Sage!","norm":"Burgen und Tempel verwachsen zu Einer gewaltigen Sage!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2405,"orig":"Unter mir hütet der Strom manchen verſchollenen Hort.","norm":"Unter mir hütet der Strom manchen verschollenen Hort."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2406,"orig":"Dort in der Flut eines Nachens Geſpenſt!","norm":"Dort in der Flut eines Nachens Gespenst!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2407,"orig":"Iſt's ein flüchtiger Kaiſer?","norm":"Ist es ein flüchtiger Kaiser?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2408,"orig":"Iſt es der „Jakob vom Kahn“, der Buonarotti geführt?","norm":"Ist es der „Jakob vom Kahn“, der Buonarotti geführt?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2409,"orig":"Gellend erhebt ſich Geſang in dem Boot zum Ruhme des Liebchens.","norm":"Gellendes erhebt sich Gesang in dem Boot zum Ruhme des Liebchens."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2410,"orig":"Horch!","norm":"Horch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2411,"orig":"Ein lebendiger Mund fordert lebendiges Glück.","norm":"Ein lebendiger Mund fordert lebendiges Glück."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2412,"orig":"Es geht mit mir zu Ende, Mein Sach und Spruch iſt ſchon Hoch über Menſchenhände Gerückt vor Gottes Thron, Schon ſchwebt auf einer Wolke, Umringt von ſeinem Volke, Entgegen mir des Menſchen Sohn.","norm":"Es geht mit mir zu Ende, Mein Sache und Spruch ist schon Hoch über Menschenhände gerückt vor Gottes Thron, schon schwebt auf einer Wolke, umringt von seinem Volke, entgegen mir des Menschen Sohn."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2413,"orig":"Den Kerker will ich preiſen, Der Kerker, der iſt gut!","norm":"Den Kerker will ich preisen, der Kerker, der ist gut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2414,"orig":"Das Fenſterkreuz von Eiſen Blickt auf die friſche Flut Und zwiſchen ſeinen Stäben Seh' ich ein Segel ſchweben, Darob im Blau die Firne ruht.","norm":"Das Fensterkreuz von Eisen blickt auf die frische Flut und zwischen seinen Stäben sehe ich ein Segel schweben, Darob im Blau die Firne ruht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2415,"orig":"Wie nah die Flut ich fühle, Als läg' ich drein verſenkt, Mit wunderſamer Kühle Wird mir der Leib getränkt — Auch ſeh' ich eine Traube Mit einem rothen Laube, Die tief herab ins Fenſter hängt.","norm":"Wie nah die Flut ich fühle, als läge ich drein versenkt, mit wundersamer Kühle wird mir der Leib getränkt — auch sehe ich eine Traube mit einem roten Laube, die tief herab ins Fenster hängt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2416,"orig":"Es iſt die Zeit zu feiern!","norm":"Es ist die Zeit zu feiern!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2417,"orig":"Es kommt die große Ruh!","norm":"Es kommt die große Ruhe!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2418,"orig":"Dort lenkt ein Zug von Reihern Dem ew'gen Lenze zu, Sie wiſſen Pfad und Stege, Sie kennen ihre Wege — Was, meine Seele, fürchteſt du?","norm":"Dort lenkt ein Zug von Reihern dem ewigen Lenze zu, Sie wissen Pfad und Stege, Sie kennen ihre Wege — was, meine Seele, fürchtest du?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2419,"orig":"Mir ſitzt zu Hauſe jung gezähmt Und leicht gelähmt Ein Steinaar im Verließe, Der martert ſich den Hals zu drehn, Ins Blau zu ſehn, Aus dem er gerne ſtieße.","norm":"Mir sitzt zu Hause jung gezähmt und leicht gelähmt ein Steinaar im Verließe, der martert sich den Hals zu drehn, ins Blau zu sehen, aus dem er gerne stieße."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2420,"orig":"So ſtreck' ich Landgraf ebenfalls Den Kopf und Hals Wohl durch das Kerkergitter, Ob etwas auf der Straße zieht Für mein Gemüt, Ein Schüler oder Ritter.","norm":"So strecke ich Landgraf ebenfalls den Kopf und Hals Wohl durch das Kerkergitter, ob etwas auf der Straße zieht für mein Gemüt, ein Schüler oder Ritter."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2421,"orig":"Der Kaiſer, der vergichtet iſt, Drum gerne mißt Die Koſt der harſchen Lüfte, Vergaß wie ſchwer ein ganzer Mann Entrathen kann Das Jagdhorn an der Hüfte.","norm":"Der Kaiser, der vergichtet ist, darum gerne misst die Kost der harschen Lüfte, vergaß wie schwer ein ganzer Mann entraten kann das Jagdhorn an der Hüfte."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2422,"orig":"Ich wurde hinterrücks gefällt, Ein Netz geſtellt Ward mir mit falſchen Schriften!","norm":"Ich wurde hinterrücks gefällt, ein Netz gestellt wurde mir mit falschen Schriften!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2423,"orig":"Wer mir mit lächelndem Geſicht Die Treue bricht, Der kann mich auch vergiften!","norm":"Wer mir mit lächelndem Gesicht die Treue bricht, der kann mich auch vergiften!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2424,"orig":"Wär' ich ein römiſch blöder Mann, Ich wähnte dann:","norm":"Wäre ich ein römisch blöder Mann, Ich wähnte dann:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2425,"orig":"Damit hätt' ich's verbrochen, Daß triumphirend ich hinaus Zum Gotteshaus Schmiß Mühmchen Lisbeths Knochen!","norm":"Damit hätte ich es verbrochen, dass triumphierend ich hinaus zum Gotteshaus schmiss Mühmchen Lisbeths Knochen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2426,"orig":"Jüngſt warf ich auf den Feſtungsrain Ein Stüberlein Dem Bettler hin, dem lahmen:","norm":"Jüngst warf ich auf den Festungsrain ein Stüberlein dem Bettler hin, dem lahmen:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2427,"orig":"Den ſchlug der Spanier bis aufs Blut — Mich fraß die Wuth — Der Teufel hol' ihn!","norm":"Den schlug der Spanier bis aufs Blut — mich fraß die Wut — der Teufel hole ihn!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2428,"orig":"Amen!","norm":"Amen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2429,"orig":"Wohl läg' ich beſſer auf dem Feld — „Ade, du Welt!“ — Gewundet und erſtochen!","norm":"Wohl läge ich besser auf dem Feld — „Ade, du Welt!“ — Gewundet und erstochen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2430,"orig":"Wie Meiſter Ulrich Zwingli lag, Am grünen Hag, Den hellen Blick gebrochen!","norm":"Wie Meister Ulrich Zwingli lag, am grünen Hag, den hellen Blick gebrochen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2431,"orig":"Nun tröſtet mich das Eine doch:","norm":"Nun tröstet mich das Eine doch:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2432,"orig":"Das päpſtlich Joch Iſt in den Dreck getreten!","norm":"Das päpstlich Joch ist in den Dreck getreten!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2433,"orig":"Wir dürfen ohne Cleriſei Und Heuchelei Getroſt zum Herrgott beten!","norm":"Wir dürfen ohne Klerisei Und Heuchelei Getrost zum Herrgott beten!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2434,"orig":"Herr Konrad Schmid legt' um die Wehr, Man führt' ihm ſeinen Rappen her: „Den Zwingli laß ich nicht im Stich, Und kommt ihr mit, ſo freut es mich.","norm":"Herr Konrad Schmied legte um die Wehr, man führte ihm seinen Rappen her: „Den Zwingli lass ich nicht im Stich, und kommt ihr mit, so freut es mich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2435,"orig":"“ Da griffen mit dem Herren wert Von Küsnach dreißig friſch zum Schwert:","norm":"“ Da griffen mit dem Herren wert von Küßnach dreißig frisch zum Schwert:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2436,"orig":"Mit Mann und Roß im Morgenrot Stieß ab das kriegbeladne Boot.","norm":"Mit Mann und Ross im Morgenrot stieß ab das kriegbeladene Boot."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2437,"orig":"Träg ſchlich der Tag; dann durch die Nacht Flog Kunde von verlorner Schlacht.","norm":"Träg schlich der Tag; dann durch die Nacht flog Kunde von verlorener Schlacht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2438,"orig":"Von drüben rief der Horgnerthurm, Bald ſtöhnten alle Glocken Sturm, Und was geblieben war zu Haus, Das ſtand am See, lugt' angſtvoll aus.","norm":"Von drüben rief der Horgnerturm, bald stöhnten alle Glocken Sturm, und was geblieben war zu Haus, das stand am See, lugte angstvoll aus."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2439,"orig":"Am Himmel kämpfte lichter Schein Mit ſchwarz geballten Wolkenreihn.","norm":"Am Himmel kämpfte lichter Schein mit schwarzgeballten Wolkenreihen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2440,"orig":"„Hilf Gott, ein Nachtgeſpenſt!“ Sie ſahn Es drohend durch die Fluten nahn.","norm":"„Hilf Gott, ein Nachtgespenst!“ Sie sahen es drohend durch die Fluten nahen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2441,"orig":"Wo breit des Mondes Silber floß, Da rang und rauſcht' ein mächtig Roß Und wilder ſchnaubt's und näher fuhr's ...","norm":"Wo breit des Mondes Silber floss, da rang und rauschte ein mächtig Ross und wilder schnaubt es und näher fuhr es ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2442,"orig":"„Hilf Gott, der Rappe des Comturs!“ Nun trat das Schlachtroß feſten Grund, Die bleiche Menge ſtand im Rund.","norm":"„Hilf Gott, der Rappe des Komturs!“ Nun trat das Schlachtross festen Grund, die bleiche Menge stand im Rund."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2443,"orig":"Zur Erde ſtarrt' ſein Augenſtern, Als ſucht' es dort den todten Herrn ...","norm":"Zur Erde starrte sein Augenstern, als suchte es dort den toten Herrn ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2444,"orig":"Ein Knabe hub dem edeln Thier Die Mähne lind: „Du bluteſt hier!“ Die Wunde badete die Flut, Jetzt überquillt ſie neu von Blut, Und jeder Tropfen ſchwer und rot Verkündet eines Mannes Tod.","norm":"Ein Knabe hob dem edlen Tier die Mähne lind: „Du blutest hier!“ Die Wunde badete die Flut, jetzt überquillt sie neu von Blut, und jeder Tropfen schwer und rot verkündet eines Mannes Tod."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2445,"orig":"Die Comturei mit Thurm und Thor Ragt weiß im Mondenglanz empor.","norm":"Die Komturei mit Turm und Tor ragt weiß im Mondglanz empor."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2446,"orig":"Heim ſchritt der Rapp das Dorf entlang, Sein Huf wie über Grüften klang, Und Alter, Wittwe, Kind und Maid Zog ſchluchzend nach wie Grabgeleit.","norm":"Heimschritt der Rapp das Dorf entlang, Sein Huf wie über Grüften klang, und Alter, Witwe, Kind und Maid zog schluchzend nach wie Grabgeleit."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2447,"orig":"Da find' ich dich!","norm":"Da finde ich dich!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2448,"orig":"In Wintergraus Hält dich ein deutſches Donauneſt, Ein ſchneebelaſtet Giebelhaus, Kind einer heißen Sonne, feſt.","norm":"In Wintergraus Hält dich ein deutsches Donaunest, ein schneebelastet Giebelhaus, Kind einer heißen Sonne, fest."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2449,"orig":"Was treibſt du hier?","norm":"Was treibst du hier?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2450,"orig":"Mit toller Brunſt Bohrſt du dich in Folianten ein?","norm":"Mit toller Brunst bohrst du dich in Folianten ein?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2451,"orig":"Vom Teufel kommt die ſchwarze Kunſt!","norm":"Vom Teufel kommt die schwarze Kunst!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2452,"orig":"Griechiſch?","norm":"Griechisch?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2453,"orig":"Die Kirche ſpricht Latein!","norm":"Die Kirche spricht Latein!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2454,"orig":"Darüber ſitzeſt, Nacht um Nacht, Du auf?","norm":"Darüber sitzest, Nacht um Nacht, Du auf?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2455,"orig":"Noch qualmt der Lampe Docht!","norm":"Noch qualmt der Lampe Docht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2456,"orig":"Auch ſiehſt du bleich und überwacht, Der ſonſt ſo weidlich ritt und focht!","norm":"Auch siehst du bleich und überwacht, der sonst so weidlich ritt und focht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2457,"orig":"Du darbſt?","norm":"Du darbst?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2458,"orig":"Du meideſt jede Luſt?","norm":"Du meidest jede Lust?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2459,"orig":"Von allem Denken mach dich frei!","norm":"Von allem Denken mache dich frei!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2460,"orig":"Verbrenn' an einer warmen Bruſt, Ertränk' in Wein die Ketzerei!","norm":"Verbrenne an einer warmen Brust, Ertränk in Wein die Ketzerei!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2461,"orig":"Ergreife Schwert und Eiſenhut!","norm":"Ergreife Schwert und Eisenhut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2462,"orig":"Dem Spanier ward die Welt zum Raub!","norm":"Dem Spanier wurde die Welt zum Raub!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2463,"orig":"Nach Flandern!","norm":"Nach Flandern!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2464,"orig":"Eh dein Edelblut Verſiegt in ekelm Bücherſtaub!","norm":"Ehe dein Edelblut versiegt in eklem Bücherstaub!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2465,"orig":"Mein Bruder Juan, komm mit mir, Beflecke nicht der Diaz Ruhm!","norm":"Mein Bruder Juan, komme mit mir, Beflecke nicht der Diaz Ruhm!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2466,"orig":"Erſäuf' im Quadalquivir Das gottverdammte Lutherthum!","norm":"Ersäuf im Guadalquivir das gottverdammte Luthertum!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2467,"orig":"In Wittenberg haſt du — abſurd!","norm":"In Wittenberg hast du — absurd!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2468,"orig":"— Auf einer Schule Bank gehockt!","norm":"— Auf einer Schule Bank gehockt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2469,"orig":"Bei dieſem Dolch an meinem Gurt, Ich morde den der dich verlockt!","norm":"Bei diesem Dolch an meinem Gurt, Ich morde den der dich verlockt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2470,"orig":"Der Vater iſt ein alter Chriſt Und ſähe lieber dich im Grab!","norm":"Der Vater ist ein alter Christ und sähe lieber dich im Grab!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2471,"orig":"Die Mutter, welche gläubig iſt — Der Mutter drückſt das Herz du ab!","norm":"Die Mutter, welche gläubig ist — der Mutter drückst das Herz du ab!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2472,"orig":"Nie hat ein Diaz falſch geglaubt!","norm":"Nie hat ein Diaz falsch geglaubt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2473,"orig":"Nicht wahr?","norm":"Nicht wahr?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2474,"orig":"Uns thuſt du nicht die Schmach, Geliebter Bruder, theures Haupt!","norm":"Uns tust du nicht die Schmach, geliebter Bruder, teures Haupt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2475,"orig":"Ich eilte deinen Schritten nach!","norm":"Ich eilte deinen Schritten nach!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2476,"orig":"Juan, ich reiße dich heraus Mit dieſer meiner Arme Kraft!","norm":"Juan, ich reiße dich heraus Mit dieser meiner Arme Kraft!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2477,"orig":"Die Roſſe ſtampfen vor dem Haus, Geführt von meiner Dienerſchaft.","norm":"Die Rosse stampfen vor dem Haus, geführt von meiner Dienerschaft."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2478,"orig":"Du ſchweigſt?","norm":"Du schweigst?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2479,"orig":"Bekenn mir ob's geſchah!","norm":"Bekenne mir ob es geschah!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2480,"orig":"Thatſt du den Schritt?","norm":"Tatst du den Schritt?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2481,"orig":"Du ſchüttelſt:","norm":"Du schüttelst:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2482,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2483,"orig":"Wirſt du ihn thun?","norm":"Wirst du ihn tun?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2484,"orig":"Ja?","norm":"Ja?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2485,"orig":"Du nickſt:","norm":"Du nickst:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2486,"orig":"Ja?","norm":"Ja?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2487,"orig":"...","norm":"..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2488,"orig":"Juan, es muß geſchieden ſein!“ Eng hält den Bruder er umfaßt, Bang ſtöhnend ſenkt er Blick in Blick, Küſſt, küſſt ihn noch einmal in Haſt — Und ſtößt den Dolch ihm durchs Genick.","norm":"Juan, es muss geschieden sein!“ Eng hält den Bruder er umfasst, Bang stöhnend senkt er Blick in Blick, Küsst, küsst ihn noch einmal in Hast — und stößt den Dolch ihm durchs Genick."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2489,"orig":"Er hält den Bruder lang im Arm, Mit unerſchöpften Thränen netzt Und badet er den Todten warm: „Noch ſtarbeſt als ein Chriſt du jetzt!“","norm":"Er hält den Bruder lang im Arm, mit unerschöpften Tränen netzt und badet er den Toten warm: „Noch starbest als ein Christ du jetzt!“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2490,"orig":"— „Leute, bringt mich zu Don Juan!“ — „Schweigſt du wohl, da iſt Don Juan!“ Schweigſt du wohl, da iſt Don Juan!“ In des Volkes Gaſſe reitet Ein Geſpenſt am hellen Tage:","norm":"— „Leute, bringt mich zu Don Juan!“ — „Schweigst du wohl, da ist Don Juan!“ Schweigst du wohl, da ist Don Juan!“ In des Volkes Gasse reitet ein Gespenst am hellen Tage:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2491,"orig":"Don Juan der Oeſterreicher — Don Juan der Oeſterreicher, Der im Wein das Gift getrunken König Philipps, ſeines Bruders, Und Don Juan kennt den Mörder.","norm":"Don Juan der Österreicher — Don Juan der Österreicher, der im Wein das Gift getrunken König Philipps, seines Bruders, und Don Juan kennt den Mörder."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2492,"orig":"Seinen Mörder kennt Don Juan, Auch den armen Krüppel kennt er, Der den Bügel ihm betaſtet, Der die Hand ihm deckt mit Küſſen — Der ihm deckt die Hand mit Küſſen: „Bin zerfetzt wie eine Fahne!","norm":"Seinen Mörder kennt Don Juan, auch den armen Krüppel kennt er, der den Bügel ihm betastet, der die Hand ihm deckt mit Küssen — der ihm deckt die Hand mit Küssen: „Bin zerfetzt wie eine Fahne!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2493,"orig":"Wohne jetzt in Barcelona — Braves Volk, bei meiner Ehre!","norm":"Wohne jetzt in Barcelona — braves Volk, bei meiner Ehre!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2494,"orig":"Braves Volk, bei meiner Ehre: „Alter, leere dieſes Glas mir!“ Alter, kannteſt du Don Juan?“ Sprich uns immer von Don Juan!“ Immer ſprech' ich von Don Juan!","norm":"Braves Volk, bei meiner Ehre: „Alter, leere dieses Glas mir!“ Alter, kanntest du Don Juan?“ Sprich uns immer von Don Juan!“ Immer spreche ich von Don Juan!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2495,"orig":"In den Schenken an dem Hafen Gab ich tauſendmal zum Beſten Die Victoria von Lepanto!","norm":"In den Schenken an dem Hafen gab ich tausendmal zum Besten Die Victoria von Lepanto!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2496,"orig":"Die Victoria von Lepanto Gab ich tauſendmal zum Beſten ...","norm":"Die Victoria von Lepanto gab ich tausendmal zum Besten ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2497,"orig":"Hergeſtelzt bin ich nach Flandern Zu dem Abgott meines Lebens!","norm":"Hergestelzt bin ich nach Flandern Zu dem Abgott meines Lebens!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2498,"orig":"O Du Freude meines Lebens!","norm":"O Du Freude meines Lebens!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2499,"orig":"Sohn des Kaiſers!","norm":"Sohn des Kaisers!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2500,"orig":"Kind des Glückes!","norm":"Kind des Glückes!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2501,"orig":"Deines Volkes Held und Liebling!","norm":"Deines Volkes Held und Liebling!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2502,"orig":"Ruhmgekrönter junger Feldherr!","norm":"Ruhmgekrönter junger Feldherr!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2503,"orig":"Ruhmgekrönter junger Feldherr Mit den goldnen Ringelhaaren, Mit den ſtrahlend blauen Augen, Eia ſchöner Engel Gottes!","norm":"Ruhmgekrönter junger Feldherr mit den goldenen Ringelhaaren, mit den strahlend blauen Augen, Eia schöner Engel Gottes!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2504,"orig":"Eia ſchöner Engel Gottes ...“ Durch die Menge die des Todes Bild betrachtet, geht ein Schauder.","norm":"Eia schöner Engel Gottes ...“ Durch die Menge die des Todes Bild betrachtet, geht ein Schauder."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2505,"orig":"Juan der geſpenſtig bleiche, Juan der geſpenſtig bleiche Sucht erſtaunt das Aug des Krüppels — Iſt es trunken?","norm":"Juan der gespenstig bleiche, Juan der Gespenstig-Bleiche Sucht erstaunt das Auge des Krüppels — ist es trunken?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2506,"orig":"Loht's im Wahnſinn?","norm":"Loht es im Wahnsinn?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2507,"orig":"Es iſt leer.","norm":"Es ist leer."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2508,"orig":"Es iſt erloſchen.","norm":"Es ist erloschen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2509,"orig":"Es iſt leer.","norm":"Es ist leer."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2510,"orig":"Es iſt erloſchen.","norm":"Es ist erloschen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2511,"orig":"Don Juans zerſtörte Jugend Blüht in eines Blinden Auge Fort in unverſehrter Schönheit.","norm":"Don Juans zerstörte Jugend blüht in eines Blinden Auge Fort in unversehrter Schönheit."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2512,"orig":"Sie mochte gern an ſeiner Schulter lehnen In einem weichen Abenddämmerlicht, Sie barg vor ihm das Rieſeln ihrer Thränen, Den halbenthüllten Reiz der Seele nicht: „Freund, einz'ger Freund auf dieſem düſtern Eiland, Ich welke!","norm":"Sie mochte gern an seiner Schulter lehnen in einem weichen Abenddämmerlicht, Sie barg vor ihm das Rieseln ihrer Tränen, den halbenthüllten Reiz der Seele nicht: „Freund, einziger Freund auf diesem düstern Eiland, Ich welke!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2513,"orig":"Chaſtelard, auch du biſt bleich!","norm":"Chastelard, auch du bist bleich!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2514,"orig":"Schlag deine Laute!","norm":"Schlag deine Laute!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2515,"orig":"Singe mir von weiland!","norm":"Singe mir von weiland!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2516,"orig":"Von meinem erſten Königreich!“ Er ſtürmte durch die Saiten: „Jener Tage Ins Meer geſunkne Sonnen ſind verblaßt!","norm":"Von meinem ersten Königreich!“ Er stürmte durch die Saiten: „Jener Tage ins Meer gesunkene Sonnen sind verblasst!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2517,"orig":"Maria Stuart!","norm":"Maria Stuart!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2518,"orig":"Ich erhebe Klage, Daß du geſchluchzt an meinem Herzen haſt!","norm":"Ich erhebe Klage, dass du geschluchzt an meinem Herzen hast!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2519,"orig":"Mit deinen Zähren bade hier dem reinen, Entſeelten Gott die Marmorfüße bleich — Weib, ſündlich iſt's vor einem Menſchen weinen Mit dieſen Augen warm und weich!","norm":"Mit deinen Zähren bade hier dem reinen, Entseelten Gott die Marmorfüße bleich — Weib, sündlich ist es vor einem Menschen weinen mit diesen Augen warm und weich!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2520,"orig":"Was war ich dir?","norm":"Was war ich dir?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2521,"orig":"Der nichtige Vertraute!","norm":"Der nichtige Vertraute!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2522,"orig":"Ein Echo, das von deinen Seufzern ſcholl!","norm":"Ein Echo, das von deinen Seufzern scholl!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2523,"orig":"Ein Spiegel, drin ſie eitel ſich beſchaute, Die Zähre, die dir an der Wimper quoll!","norm":"Ein Spiegel, drin sie eitel sich beschaute, die Zähre, die dir an der Wimper quoll!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2524,"orig":"War dir die Laute nur, darauf zu breiten Die Fingerſpitzen und ich hallte ſchön — Ich haſſe dich!“ Er riß entzwei die Saiten Mit einem gellen Mißgetön.","norm":"War dir die Laute nur, darauf zu breiten die Fingerspitzen und ich hallte schön — Ich hasse dich!“ Er riss entzwei die Saiten mit einem gellen Missgetön."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2525,"orig":"Er floh davon hinaus in Wald und Wildniß, Doch wo er lechzend ſchlürft' aus einem Quell, Sah er im Brunnen ein geliebtes Bildniß Aus naher Tiefe ſchimmern dunkel hell, Sah er ein blaſſes Angeſicht in Zähren, Es ſchwand und blickte wiederum empor, Von Sehnen und Erfüllen und Gewähren Rauſcht's um den Born in Schilf und Rohr.","norm":"Er floh davon hinaus in Wald und Wildnis, doch wo er lechzend schlürfte aus einem Quell, sah er im Brunnen ein geliebtes Bildnis aus naher Tiefe schimmern dunkelhell, sah er ein blasses Angesicht in Zähren, es schwand und blickte wiederum empor, von Sehnen und Erfüllen und Gewähren rauscht es um den Born in Schilf und Rohr."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2526,"orig":"„Maria!“ ſo beginnt in ihrer Kammer Am Lager knieend ſie das Nachtgebet, „Maria!“ wiederholt voll Glut und Jammer Ein Mund, der neben ihr im Dunkel fleht.","norm":"„Maria!“ so beginnt in ihrer Kammer am Lager kniend sie das Nachtgebet, „Maria!“ wiederholt voll Glut und Jammer ein Mund, der neben ihr im Dunkel fleht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2527,"orig":"Sie ſchreit.","norm":"Sie schreit."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2528,"orig":"Man kommt.","norm":"Man kommt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2529,"orig":"Von Fackelglut umlodert Bebt ſie vor Zorn: „Ein Mörder!","norm":"Von Fackelglut umlodert bebt sie vor Zorn: „Ein Mörder!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2530,"orig":"feſſelt ihn!“ Er lächelt: „Biſt du ſchön!“ Unaufgefordert Giebt er den Schergen ſich dahin.","norm":"Fesselt ihn!“ Er lächelt: „Bist du schön!“ Unaufgefordert Gibt er den Schergen sich dahin."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2531,"orig":"Er ſchreitet ſeinem Blutgerüſt entgegen In einem klaren kühlen Morgenrot, Ins Ohr des Sünders flüſtert angelegen Ein Capuziner, der vermummte Tod: „Freund, du bekommſt es gut!","norm":"Er schreitet seinem Blutgerüst entgegen in einem klaren kühlen Morgenrot, ins Ohr des Sünders flüstert angelegen ein Kapuziner, der vermummte Tod: „Freund, du bekommst es gut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2532,"orig":"Du wirſt entlaſtet!","norm":"Du wirst entlastet!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2533,"orig":"Ich abſolvire dich von Luſt und Pein!","norm":"Ich absolviere dich von Lust und Pein!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2534,"orig":"Von keiner weichen weißen Hand betaſtet, Wirſt du die ſtumme Laute ſein!“","norm":"Von keiner weichen weißen Hand betastet, wirst du die stumme Laute sein!“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2535,"orig":"Auf mondenhellem Lager wälzt ein Weib, Ein ſchlummerloſes, ſich: „O banger Pfühl!","norm":"Auf mondhellem Lager wälzt ein Weib, ein schlummerloses, sich: „O banger Pfühl!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2536,"orig":"Auch du, mein ſorgender Gemahl, du wachſt!","norm":"Auch du, mein sorgender Gemahl, du wachst!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2537,"orig":"Wer dürfte ſchlafen?","norm":"Wer dürfte schlafen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2538,"orig":"Horch, die Folter ſtöhnt ...","norm":"Horch, die Folter stöhnt ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2539,"orig":"Erwürgte modern ohne Leichentuch, Sieh unſer Linnen, Chatillon, wie fein!","norm":"Erwürgte modern ohne Leichentuch, Sieh unser Linnen, Châtillon, wie fein!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2540,"orig":"Gen Himmel ſchreit der Märtrer frommes Blut, Ich ſchreie, Herr, in deinen Armen mit!","norm":"Gen Himmel schreit der Märtyrer frommes Blut, Ich schreie, Herr, in deinen Armen mit!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2541,"orig":"Mein Held, ich rede Zeugniß gegen dich Vor Gott, entrolleſt du dein Banner nicht!“ Sie ſchweigt in düſtrer Glut.","norm":"Mein Held, ich rede Zeugnis gegen dich vor Gott, entrollest du dein Banner nicht!“ Sie schweigt in düsterer Glut."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2542,"orig":"Er ſinnt und ſagt: „Erwäge, Weib, die Schrecken die du wählſt!","norm":"Er sinnt und sagt: „Erwäge, Weib, die Schrecken die du wählst!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2543,"orig":"Dies Haus in Rauch und Trümmern!","norm":"Dies Haus in Rauch und Trümmern!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2544,"orig":"Dies mein Haupt Verfehmt, dem Meuchelmord gezeigt — geraubt!","norm":"Dies mein Haupt verfemt, dem Meuchelmord gezeigt — geraubt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2545,"orig":"Entehrt dies Wappen von des Henkers Hand!","norm":"Entehrt dies Wappen von des Henkers Hand!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2546,"orig":"Du mit den Knaben bettelnd auf der Flucht!","norm":"Du mit den Knaben bettelnd auf der Flucht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2547,"orig":"Wählſt du dir Solches?","norm":"Wählst du dir Solches?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2548,"orig":"Nimm drei Tage Friſt!“ — „Drei Tage Friſt?","norm":"Nimm drei Tage Frist!“ — „Drei Tage Frist?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2549,"orig":"Sie ſind vorbei.","norm":"Sie sind vorbei."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2550,"orig":"Brich auf!“","norm":"Brich auf!“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2551,"orig":"In die Schule bin ich gangen Bei dem Meiſter Hans Calvin, Lehre hab ich dort empfangen:","norm":"In die Schule bin ich gegangen Bei dem Meister Hans Calvin, Lehre habe ich dort empfangen:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2552,"orig":"Vorbeſtimmt iſt Alles ewighin!","norm":"Vorbestimmt ist alles ewighin!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2553,"orig":"Jeder volle Wurf im Würfelſpiele, Jeder Diebestritt auf Liebchens Diele, Jeder Kuß — Schickſalsſchluß!","norm":"Jeder volle Wurf im Würfelspiele, jeder Diebestritt auf Liebchens Diele, jeder Kuss — Schicksalsschluss!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2554,"orig":"Dann bin ich zu Roß geſtiegen Mit dem Hauptmann Des Adrets, Der das Kindlein in der Wiegen Würgt und ſich ergötzt an Qual und Weh!","norm":"Dann bin ich zu Ross gestiegen mit dem Hauptmann des Adrets, der das Kindlein in der Wiegen würgt und sich ergötzt an Qual und Weh!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2555,"orig":"Jeder Firſt, der raucht und dampft und lodert, Jeder Todte, der im Graben modert, Jeder Schuß — Schickſalsſchluß!","norm":"Jeder First, der raucht und dampft und lodert, jeder Tote, der im Graben modert, jeder Schuss — Schicksalsschluss!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2556,"orig":"Im Hof des Louvre trägt ein Weib Die Zinne mit dem Marmorhaupt, Mit einem allerliebſten Haupt.","norm":"Im Hof des Louvre trägt ein Weib die Zinne mit dem Marmorhaupt, mit einem allerliebsten Haupt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2557,"orig":"Als Meiſter Goujon ſie geformt In feinen Linien, überſchlank, Und ſtehend auf dem Baugerüſt Die letzte Locke meißelte, Erſchoß den Meiſter hinterrücks (Am Tag der Saint-Barthélemy) Ein überzeugter Katholik.","norm":"Als Meister Goujon sie geformt In feinen Linien, überschlank, und stehend auf dem Baugerüst die letzte Locke meißelte, erschoss den Meister hinterrücks (Am Tag der Saint-Barthélemy) ein überzeugter Katholik."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2558,"orig":"Vorſtürzend überflutet' er Den feinen Buſen ganz mit Blut, Dann ſank er rücklings in den Hof.","norm":"Vorstürzend überflutete er den feinen Busen ganz mit Blut, dann sank er rücklings in den Hof."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2559,"orig":"Die Marmormagd entſchlummerte Und ſchlief dreihundert Jahre lang, Ein Feuerſchein erwärmte ſie (Am Tag da die Commüne focht) Sie gähnt' und blickte rings ſich um:","norm":"Die Marmormagd entschlummerte und schlief dreihundert Jahre lang, ein Feuerschein erwärmte sie (Am Tag da die Kommüne focht) Sie gähnte und blickte rings sich um:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2560,"orig":"Wo bin ich denn?","norm":"Wo bin ich denn?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2561,"orig":"In welcher Stadt?","norm":"In welcher Stadt?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2562,"orig":"Sie morden ſich.","norm":"Sie morden sich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2563,"orig":"Es iſt Paris.","norm":"Es ist Paris."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2564,"orig":"Herr Heinrich Guiſe ſchrieb.","norm":"Herr Heinrich Guise schrieb."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2565,"orig":"Da rauſcht' Gewand — Es war ſein Lieb, das aus der Kirche kam, Sein zärtlich Lieb, der ſchäkernd aus der Hand Er das mit Gold beſchlagne Meßbuch nahm.","norm":"Da rauschte Gewand — es war sein Liebe, das aus der Kirche kam, Sein zärtlich Liebe, der schäkernd aus der Hand er das mit Gold beschlagene Messbuch nahm."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2566,"orig":"Er blättert' drin.","norm":"Er blätterte drin."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2567,"orig":"Hell war's von Farbenglut Und keck verſchlungner Arabeskenzier — „Geliebter, dich verdirbt dein Uebermuth!","norm":"Hell war es von Farbenglut und keck verschlungener Arabeskenzier — „Geliebter, dich verdirbt dein Übermut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2568,"orig":"Hinweg!","norm":"Hinweg!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2569,"orig":"Entflieh von hier!","norm":"Entflieh von hier!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2570,"orig":"Du biſt zu hoch!","norm":"Du bist zu hoch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2571,"orig":"Der König, feig und ſchlau, Bebt wie ein Kind vor deinen mächt'gen Braun!","norm":"Der König, feig und schlau, bebt wie ein Kind vor deinen mächtigen Braun!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2572,"orig":"Dich haßt er tödtlich — glaub es einer Frau!","norm":"Dich hasst er tödlich — glaube es einer Frau!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2573,"orig":"Ihn ſah ich lächeln jüngſt — mich ſchüttelt Graun!“ Zur Feder griff er.","norm":"Ihn sah ich lächeln jüngst — mich schüttelt Graun!“ Zur Feder griff er."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2574,"orig":"„Flora, ſchlanke Fei!","norm":"„Flora, schlanke Fei!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2575,"orig":"Wie könnt' ich leben,“ ſeufzt' er, „fern von dir?“ Und ſchrieb ins Meßbuch, wo die Zeile frei:","norm":"Wie könnte ich leben,“ seufzte er, „fern von dir?“ Und schrieb ins Messbuch, wo die Zeile frei:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2576,"orig":"Mourir — — „Verſuche Gott nicht!","norm":"Mourir — — „Versuche Gott nicht!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2577,"orig":"Das Verderben reift!","norm":"Das Verderben reift!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2578,"orig":"Hinweg aus Blois!","norm":"Hinweg aus Blois!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2579,"orig":"Mein Alles, Schmerz und Luſt!","norm":"Mein alles, Schmerz und Lust!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2580,"orig":"Ich weiß: in dieſem Augenblicke ſchleift Der Meuchelmord ein Schwert für deine Bruſt!“ Der Herzog ſchrieb in ihrem Buche fort, So viel ihm Raum gewährte das Papier, Als wär' es ein erbaulich Bibelwort: — Ou parvenir!","norm":"Ich weiß: in diesem Augenblicke schleift der Meuchelmord ein Schwert für deine Brust!“ Der Herzog schrieb in ihrem Buche fort, Soviel ihm Raum gewährte das Papier, als wäre es ein erbaulich Bibelwort: — Ou parvenir!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2581,"orig":"Mich ſo zu quälen!","norm":"Mich so zu quälen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2582,"orig":"Schlimm hat mir geträumt!","norm":"Schlimm hat mir geträumt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2583,"orig":"Mein Gott!","norm":"Mein Gott!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2584,"orig":"Du wandeſt dich in Todesſchmerz!","norm":"Du wandest dich in Todesschmerz!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2585,"orig":"Hinweg!","norm":"Hinweg!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2586,"orig":"Jetzt!","norm":"Jetzt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2587,"orig":"Heute!","norm":"Heute!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2588,"orig":"Hörſt du?","norm":"Hörst du?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2589,"orig":"Nicht geſäumt!“ Sein Liebchen zog er koſend an das Herz, Sie ſenkte des bethränten Auges Glanz — In kühnen Zügen ſtand der Spruch vor ihr, Umrankt von einem üpp'gen Blumenkranz:","norm":"Nicht gesäumt!“ Sein Liebchen zog er kosend an das Herz, Sie senkte des betränten Auges Glanz — in kühnen Zügen stand der Spruch vor ihr, umrankt von einem üppigen Blumenkranz:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2590,"orig":"Mourir ou parvenir!","norm":"Mourir ou parvenir!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2591,"orig":"Das Bächlein nimmt nach der Loire den Gang, An beiden Seiten Auf und ab, die Ufer entlang Spähn ſie und reiten.","norm":"Das Bächlein nimmt nach der Loire den Gang, an beiden Seiten auf und ab, die Ufer entlang Spähen sie und reiten."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2592,"orig":"Sie ſind ſich ſo nahe!","norm":"Sie sind sich so nahe!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2593,"orig":"Sie ſind ſich ſo fern!","norm":"Sie sind sich so fern!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2594,"orig":"„Bon jour!","norm":"„Bon jour!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2595,"orig":"meine Herrn!“ Grüßt keck eine Stimme.","norm":"meine Herrn!“ Grüßt keck eine Stimme."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2596,"orig":"Ein feurig, unbändig Reiterlein Springt ab behende, Setzt rechts ein Bein und links ein Bein In beide Gelände: „Groß iſt der Sonne Glut — Herrn, meint Ihr's gut, Schafft eins zu trinken!“ Rechts kommt ein Pokal und links ein Pokal Von verſchiedener Helle, Der: ſchäumender Champagnerſtrahl Der andere:","norm":"Ein feurig, unbändig Reiterlein springt ab behände, setzt rechts ein Bein und links ein Bein in beide Gelände: „Groß ist der Sonne Glut — Herrn, meint Ihr es gut, schafft eins zu trinken!“ Rechts kommt ein Pokal und links ein Pokal von verschiedener Helle, der: schäumender Champagnerstrahl der andere:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2597,"orig":"Purpurwelle — „Katholik?","norm":"Purpurwelle — „Katholik?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2598,"orig":"Calviniſt?","norm":"Calvinist?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2599,"orig":"Hier ein Chriſt!","norm":"Hier ein Christ!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2600,"orig":"Dort ein Chriſt!“ Er ſchlürft aus beiden Bechern.","norm":"Dort ein Christ!“ Er schlürft aus beiden Bechern."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2601,"orig":"„Mit ſtreitender Theologie Mach' ich mir nichts zu ſchaffen, Den Guiſen überlaß ich ſie, Den Weibern und den Pfaffen!","norm":"„Mit streitender Theologie Mache ich mir nichts zu schaffen, den Guisen überlasse ich sie, den Weibern und den Pfaffen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2602,"orig":"Pred'gerrock?","norm":"Predigerrock?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2603,"orig":"Meßgewand?","norm":"Messgewand?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2604,"orig":"Stich und Schuß!","norm":"Stich und Schuss!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2605,"orig":"Mord und Brand!","norm":"Mord und Brand!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2606,"orig":"Ins Meer geſchwemmte Leichen!","norm":"Ins Meer geschwemmte Leichen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2607,"orig":"Bekennt mir, Herren, frei und frank:","norm":"Bekennt mir, Herren, frei und frank:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2608,"orig":"Wie thut Ihr, wann Ihr dürſtet?","norm":"Wie tut Ihr, wann Ihr dürstet?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2609,"orig":"Ihr ſetzt Euch rittlings auf die Bank Und ruft nach Wein und bürſtet!","norm":"Ihr setzt Euch rittlings auf die Bank und ruft nach Wein und bürstet!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2610,"orig":"Zug und Schluck!","norm":"Zug und Schluck!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2611,"orig":"Schluck und Zug!","norm":"Schluck und Zug!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2612,"orig":"Noch ein Trunk!","norm":"Noch ein Trunk!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2613,"orig":"Nie genug!","norm":"Nie genug!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2614,"orig":"Die Einen wie die Andern.","norm":"Die Einen wie die Anderen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2615,"orig":"Genießt Ihr wonn'ge Minneluſt Nach Dogmen oder Schulen?","norm":"Genießt Ihr wonnige Minnelust nach Dogmen oder Schulen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2616,"orig":"Kost alle nicht Ihr Bruſt an Bruſt Mit Euren trauten Buhlen?","norm":"Kost alle nicht Ihr Brust an Brust mit Euren trauten Buhlen?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2617,"orig":"Thört Ihr nicht?","norm":"Tört Ihr nicht?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2618,"orig":"Trügt Ihr nicht?","norm":"Trügt Ihr nicht?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2619,"orig":"Schwört Ihr nicht?","norm":"Schwört Ihr nicht?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2620,"orig":"Lügt Ihr nicht?","norm":"Lügt Ihr nicht?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2621,"orig":"Die Einen wie die Andern.","norm":"Die Einen wie die Anderen."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2622,"orig":"Drum laſſen wir auf ſich beſtehn Die Lehren die uns trennten, Da wir erbaulich einig gehn In allen Elementen:","norm":"Darum lassen wir auf sich bestehen die Lehren die uns trennten, da wir erbaulich einig gehen in allen Elementen:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2623,"orig":"Erntefeſt!","norm":"Erntefest!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2624,"orig":"Winzertanz!","norm":"Winzertanz!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2625,"orig":"Aehrenkranz!","norm":"Ährenkranz!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2626,"orig":"Traubenkranz!","norm":"Traubenkranz!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2627,"orig":"Feldruhm und edle Waffen!","norm":"Feldruhm und edle Waffen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2628,"orig":"Spricht's und es fährt ein elektriſcher Schlag Rundum und ſetzt Alles in Flammen:","norm":"Spricht es und es fährt ein elektrischer Schlag rundum und setzt alles in Flammen:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2629,"orig":"Frankreich hoch!","norm":"Frankreich hoch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2630,"orig":"Freudetag!","norm":"Freudentag!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2631,"orig":"Heut wächſt es zuſammen!","norm":"Heute wächst es zusammen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2632,"orig":"Sie ſpringen ins Waſſer, ſie waten im Fluß, Sie ſpitzen die bärtigen Lippen zum Kuß, Sie fallen ſich all in die Arme.","norm":"Sie springen ins Wasser, sie waten im Fluss, Sie spitzen die bärtigen Lippen zum Kuss, Sie fallen sich all in die Arme."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2633,"orig":"Der Kleine drückt und küßt und herzt Sie alle wie alte Bekannte.","norm":"Der Kleine drückt und küsst und herzt Sie alle wie alte Bekannte."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2634,"orig":"„Wie aber, Herren, ſteht es,“ ſcherzt Er, „mit dem Proviante?","norm":"„Wie aber, Herren, steht es,“ scherzt er, „mit dem Proviante?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2635,"orig":"Alles her!","norm":"Alles her!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2636,"orig":"Fleiſch oder Fiſch!","norm":"Fleisch oder Fisch!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2637,"orig":"Ihr ſeid geladen heut zu Tiſch Bei Heinrich von Navarra.","norm":"Ihr seid geladen heute zu Tisch bei Heinrich von Navarra."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2638,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2639,"orig":"Wild zuckt der Blitz.","norm":"Wild zuckt der Blitz."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2640,"orig":"In fahlem Lichte ſteht ein Thurm.","norm":"In fahlem Lichte steht ein Turm."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2641,"orig":"Der Donner rollt.","norm":"Der Donner rollt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2642,"orig":"Ein Reiter kämpft mit ſeinem Roß, Springt ab und pocht ans Thor und lärmt.","norm":"Ein Reiter kämpft mit seinem Ross, springt ab und pocht ans Tor und lärmt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2643,"orig":"Sein Mantel ſauſt Im Wind.","norm":"Sein Mantel saust im Wind."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2644,"orig":"Er hält den ſcheuen Fuchs am Zügel feſt.","norm":"Er hält den scheuen Fuchs am Zügel fest."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2645,"orig":"Ein ſchmales Gitterfenſter ſchimmert golden hell Und knarrend öffnet jetzt das Thor ein Edelmann ...","norm":"Ein schmales Gitterfenster schimmert goldenhell und knarrend öffnet jetzt das Tor ein Edelmann ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2646,"orig":"— „Ich bin ein Knecht des Königs, als Courier geſchickt Nach Nimes.","norm":"— „Ich bin ein Knecht des Königs, als Kurier geschickt nach Nimes."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2647,"orig":"Herbergt mich!","norm":"Herbergt mich!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2648,"orig":"Ihr kennt des Königs Rock!“ — „Es ſtürmt.","norm":"Ihr kennt des Königs Rock!“ — „Es stürmt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2649,"orig":"Mein Gaſt biſt Dein Kleid, was kümmert's mich?","norm":"Mein Gast bist Dein Kleid, was kümmert es mich?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2650,"orig":"Tritt ein und wärme dich!","norm":"Tritt ein und wärme dich!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2651,"orig":"Ich ſorge für dein Thier!“ Der Reiter tritt in einen dunklen Ahnenſaal, Von eines weiten Herdes Feuer ſchwach erhellt, Und je nach ſeines Flackerns launenhaftem Licht Droht hier ein Hugenott im Harniſch, dort ein Weib, Ein ſtolzes Edelweib aus braunem Ahnenbild ...","norm":"Ich sorge für dein Tier!“ Der Reiter tritt in einen dunkeln Ahnensaal, von eines weiten Herdes Feuer schwach erhellt, und je nach seines Flackerns launenhaftem Licht droht hier ein Hugenotte im Harnisch, dort ein Weib, ein stolzes Edelweib aus braunem Ahnenbild ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2652,"orig":"Der Reiter wirft ſich in den Seſſel vor dem Herd Und ſtarrt in den lebend'gen Brand.","norm":"Der Reiter wirft sich in den Sessel vor dem Herd und starrt in den lebendigen Brand."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2653,"orig":"Er brütet, gafft ...","norm":"Er brütet, gafft ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2654,"orig":"Leis ſträubt ſich ihm das Haar.","norm":"Leis sträubt sich ihm das Haar."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2655,"orig":"Er kennt den Herd, den Saal ...","norm":"Er kennt den Herd, den Saal ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2656,"orig":"Die Flamme ziſcht.","norm":"Die Flamme zischt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2657,"orig":"Zwei Füße zucken in der Glut.","norm":"Zwei Füße zucken in der Glut."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2658,"orig":"Den Abendtiſch beſtellt die greiſe Schaffnerin Mit Linnen blendend weiß.","norm":"Den Abendtisch bestellt die greise Schaffnerin mit Linnen blendend weiß."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2659,"orig":"Das Edelmägdlein hilft.","norm":"Das Edelmägdlein hilft."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2660,"orig":"Ein Knabe trug den Krug mit Wein.","norm":"Ein Knabe trug den Krug mit Wein."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2661,"orig":"Der Kinder Blick Hangt ſchreckensſtarr am Gaſt und hangt am Herd entſetzt ...","norm":"Der Kinder Blick Hangt schreckensstarr am Gast und hangt am Herd entsetzt ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2662,"orig":"Die Flamme ziſcht.","norm":"Die Flamme zischt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2663,"orig":"Zwei Füße zucken in der Glut.","norm":"Zwei Füße zucken in der Glut."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2664,"orig":"— „Verdammt!","norm":"— „Verdammt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2665,"orig":"Daſſelbe Wappen!","norm":"Dasselbe Wappen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2666,"orig":"Dieſer ſelbe Saal!","norm":"Dieser selbe Saal!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2667,"orig":"Drei Jahre ſind's ...","norm":"Drei Jahre sind es ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2668,"orig":"Auf einer Hugenottenjagd ...","norm":"Auf einer Hugenottenjagd ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2669,"orig":"Ein fein, halsſtarrig Weib ...","norm":"Ein fein, halsstarrig Weib ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2670,"orig":"„Wo ſteckt der Junker?","norm":"„Wo steckt der Junker?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2671,"orig":"Sprich!“ Sie ſchweigt.","norm":"Sprich!“ Sie schweigt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2672,"orig":"„Bekenn!“ Sie ſchweigt.","norm":"„Bekenne!“ Sie schweigt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2673,"orig":"„Gieb ihn heraus!“ Sie ſchweigt.","norm":"„Gib ihn heraus!“ Sie schweigt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2674,"orig":"Ich werde wild.","norm":"Ich werde wild."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2675,"orig":"Der Stolz!","norm":"Der Stolz!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2676,"orig":"Ich zerre das Geſchöpf ...","norm":"Ich zerre das Geschöpf ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2677,"orig":"Die Füße pack' ich ihr und blöße ſie und ſtrecke ſie Tief mitten in die Glut ...","norm":"Die Füße pack ich ihr und blöße sie und strecke sie Tief mitten in die Glut ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2678,"orig":"„Gieb ihn heraus!“...","norm":"„Gib ihn heraus!“..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2679,"orig":"Sie ſchweigt ...","norm":"Sie schweigt ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2680,"orig":"Sie windet ſich ...","norm":"Sie windet sich ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2681,"orig":"Sahſt du das Wappen nicht am Thor?","norm":"Sahst du das Wappen nicht am Tor?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2682,"orig":"Wer hieß dich hier zu Gaſte gehen, dummer Narr?","norm":"Wer hieß dich hier zu Gaste gehen, dummer Narr?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2683,"orig":"Hat er nur einen Tropfen Bluts, erwürgt er dich.","norm":"Hat er nur einen Tropfen Bluts, erwürgt er dich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2684,"orig":"“ Ein tritt der Edelmann.","norm":"“ Ein tritt der Edelmann."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2685,"orig":"„Du träumſt!","norm":"„Du träumst!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2686,"orig":"Zu Tiſche, Gaſt ...“ Da ſitzen ſie.","norm":"Zu Tische, Gast ...“ Da sitzen sie."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2687,"orig":"Die Drei in ihrer ſchwarzen Tracht Und er.","norm":"Die Drei in ihrer schwarzen Tracht und er."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2688,"orig":"Doch keins der Kinder ſpricht das Tiſchgebet.","norm":"Doch keins der Kinder spricht das Tischgebet."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2689,"orig":"Ihn ſtarren ſie mit aufgeriſſnen Augen an — Den Becher füllt und übergießt er, ſtürzt den Trunk, Springt auf: „Herr, gebet jetzt mir meine Lagerſtatt!","norm":"Ihn starren sie mit aufgerissenen Augen an — den Becher füllt und übergießt er, stürzt den Trunk, springt auf: „Herr, gebet jetzt mir meine Lagerstatt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2690,"orig":"Müd bin ich wie ein Hund!“ Ein Diener leuchtet ihm, Doch auf der Schwelle wirft er einen Blick zurück Und ſieht den Knaben flüſtern in des Vaters Ohr ...","norm":"Müde bin ich wie ein Hund!“ Ein Diener leuchtet ihm, doch auf der Schwelle wirft er einen Blick zurück und sieht den Knaben flüstern in des Vaters Ohr ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2691,"orig":"Dem Diener folgt er taumelnd in das Thurmgemach.","norm":"Dem Diener folgt er taumelnd in das Turmgemach."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2692,"orig":"Feſt riegelt er die Thür.","norm":"Fest riegelt er die Tür."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2693,"orig":"Er prüft Piſtol und Schwert.","norm":"Er prüft Pistole und Schwert."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2694,"orig":"Gell pfeift der Sturm.","norm":"Gell pfeift der Sturm."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2695,"orig":"Die Diele bebt.","norm":"Die Diele bebt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2696,"orig":"Die Decke ſtöhnt.","norm":"Die Decke stöhnt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2697,"orig":"Die Treppe kracht ...","norm":"Die Treppe kracht ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2698,"orig":"Dröhnt hier ein Tritt?","norm":"Dröhnt hier ein Tritt?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2699,"orig":"...","norm":"..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2700,"orig":"Schleicht dort ein Schritt?","norm":"Schleicht dort ein Schritt?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2701,"orig":"...","norm":"..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2702,"orig":"Ihn täuſcht das Ohr.","norm":"Ihn täuscht das Ohr."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2703,"orig":"Vorüber wandelt Mitternacht.","norm":"Vorüberwandelt Mitternacht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2704,"orig":"Auf ſeinen Lidern laſtet Blei und ſchlummernd ſinkt Er auf das Lager.","norm":"Auf seinen Lidern lastet Blei und schlummernd sinkt er auf das Lager."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2705,"orig":"Draußen plätſchert Regenflut.","norm":"Draußen plätschert Regenflut."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2706,"orig":"Er träumt.","norm":"Er träumt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2707,"orig":"„Geſteh!“ Sie ſchweigt.","norm":"„Gestehe!“ Sie schweigt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2708,"orig":"„Gieb ihn heraus!“ Sie ſchweigt.","norm":"„Gib ihn heraus!“ Sie schweigt."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2709,"orig":"Er zerrt das Weib.","norm":"Er zerrt das Weib."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2710,"orig":"Zwei Füße zucken in der Glut.","norm":"Zwei Füße zucken in der Glut."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2711,"orig":"Aufſprüht und ziſcht ein Feuermeer, das ihn verſchlingt ...","norm":"Aufsprüht und zischt ein Feuermeer, das ihn verschlingt ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2712,"orig":"— „Erwach!","norm":"— „Erwache!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2713,"orig":"Du ſollteſt längſt von hinnen ſein!","norm":"Du solltest längst von hinnen sein!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2714,"orig":"Es tagt!“ Durch die Tapetenthür in das Gemach gelangt, Vor ſeinem Lager ſteht des Schloſſes Herr — ergraut, Dem geſtern braun ſich noch gekrauſt das Haar.","norm":"Es tagt!“ Durch die Tapetentür in das Gemach gelangt, vor seinem Lager steht des Schlosses Herr — ergraut, dem gestern braun sich noch gekraust das Haar."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2715,"orig":"Sie reiten durch den Wald.","norm":"Sie reiten durch den Wald."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2716,"orig":"Kein Lüftchen regt ſich heut.","norm":"Kein Lüftchen regt sich heute."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2717,"orig":"Zerſplittert liegen Aeſtetrümmer quer im Pfad.","norm":"Zersplittert liegen Ästetrümmer quer im Pfad."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2718,"orig":"Die frühſten Vöglein zwitſchern, halb im Traume noch.","norm":"Die frühsten Vöglein zwitschern, halb im Traume noch."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2719,"orig":"Friedſel'ge Wolken ſchwimmen durch die klare Luft, Als kehrten Engel heim von einer nächt'gen Wacht.","norm":"Friedselige Wolken schwimmen durch die klare Luft, als kehrten Engel heim von einer nächtigen Wacht."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2720,"orig":"Die dunkeln Schollen athmen kräft'gen Erdgeruch.","norm":"Die dunkeln Schollen atmen kräftigen Erdgeruch."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2721,"orig":"Die Ebne öffnet ſich.","norm":"Die Ebne öffnet sich."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2722,"orig":"Im Felde geht ein Pflug.","norm":"Im Felde geht ein Pflug."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2723,"orig":"Der Reiter lauert aus den Augenwinkeln: „Herr, Ihr ſeid ein kluger Mann und voll Beſonnenheit Und wißt, daß ich dem größten König eigen bin.","norm":"Der Reiter lauert aus den Augenwinkeln: „Herr, Ihr seid ein kluger Mann und voll Besonnenheit und wisst, dass ich dem größten König eigen bin."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2724,"orig":"Lebt wohl.","norm":"Lebt wohl."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2725,"orig":"Auf Nimmerwiederſehn!“ Der Andre ſpricht: „Du ſagſt's!","norm":"Auf Nimmerwiedersehen!“ Der Andere spricht: „Du sagst es!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2726,"orig":"Dem größten König eigen!","norm":"Dem größten König eigen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2727,"orig":"Heute ward Sein Dienſt mir ſchwer ...","norm":"Heute wurde Sein Dienst mir schwer ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2728,"orig":"Gemordet haſt du teufliſch mir Mein Weib!","norm":"Gemordet hast du teuflisch mir Mein Weib!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2729,"orig":"Und lebſt!","norm":"Und lebst!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2730,"orig":"...","norm":"..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2731,"orig":"Mein iſt die Rache, redet Gott.","norm":"Mein ist die Rache, redet Gott."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2732,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2733,"orig":"Sprengende Reiter und flatternde Blüthen, Einer voraus mit geſcheitelten Locken — Iſt es der Lenz auf geflügeltem Renner?","norm":"Sprengende Reiter und flatternde Blüten, Einer voraus mit gescheitelten Locken — ist es der Lenz auf geflügeltem Renner?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2734,"orig":"Karl iſt's, der Jüngling, der Erbe von England, Und die ſich nähern in goldener Mailuft, Das ſind die Giebel und Thore von Newport, Drüber das Wappen der Stadt: eine Roſe!","norm":"Karl ist es, der Jüngling, der Erbe von England, und die sich nähern in goldener Mailuft, das sind die Giebel und Tore von Newport, drüber das Wappen der Stadt: eine Rose!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2735,"orig":"Jubelnde Gaſſen und jubelnde Wimpel Und ein von treibender Jugend geſchwelltes, Jubelndes Herz in dem Buſen des Stuart ...","norm":"Jubelnde Gassen und jubelnde Wimpel und ein von treibender Jugend geschwelltes, jubelndes Herz in dem Busen des Stuart ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2736,"orig":"Unter den blühenden Linden des Marktes Schreitet ein Reigen von blüh'nden Geſtalten Und eine Schönſte mit herzlichem Beben Bietet dem Prinzen die Roſe von Newport: „Seliges Geſtern und Morgen und Heute, Herr, Dir die Roſe von Newport bedeute!“ Morgen erzählen die Linden das Märchen Von der entblätterten Roſe von Newport.","norm":"Unter den blühenden Linden des Marktes schreitet ein Reigen von blühenden Gestalten und eine Schönste mit herzlichem Beben bietet dem Prinzen die Rose von Newport: „Seliges Gestern und Morgen und Heute, Herr, Dir die Rose von Newport bedeute!“ Morgen erzählen die Linden das Märchen von der entblätterten Rose von Newport."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2737,"orig":"Sprengende Reiter und wirbelnde Flocken, Einer voraus mit verwilderten Haaren — Iſt es der Winter, der finſtre Geſelle?","norm":"Sprengende Reiter und wirbelnde Flocken, Einer voraus mit verwilderten Haaren — ist es der Winter, der finstre Geselle?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2738,"orig":"Karl iſt's, der Flüchtling, der König von England.","norm":"Karl ist es, der Flüchtling, der König von England."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2739,"orig":"Seit er das Blut ſeines Volkes vergoſſen, Reitet er neben zerſchmetterndem Abgrund ...","norm":"Seit er das Blut seines Volkes vergossen, reitet er neben zerschmetterndem Abgrund ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2740,"orig":"Und die ſich nähern in weißem Geſtöber, Das ſind die Giebel und Thore von Newport, Drüber das Wappen der Stadt: eine Roſe!","norm":"Und die sich nähern in weißem Gestöber, das sind die Giebel und Tore von Newport, drüber das Wappen der Stadt: eine Rose!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2741,"orig":"Nirgend ein Jubel und nirgend ein Wimpel, Polternde Hämmer und kreiſchende Feilen — Und ein von eiſernen Fäuſten gepreſſtes, Aechzendes Herz in dem Buſen des Stuart ...","norm":"Nirgend ein Jubel und nirgend ein Wimpel, polternde Hämmer und kreischende Feilen — und ein von eisernen Fäusten gepresstes, ächzendes Herz in dem Busen des Stuart ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2742,"orig":"Unter den frierenden Linden des Marktes Bettelt ein Kind mit verſchatteten Augen, Bietet dem König ein dorrendes Röschen: „Seliges Geſtern und Morgen und Heute, Herr, Dir die Roſe von Newport bedeute!“ Karl, der die Züge des Kindes betrachtet, Schmal und geſpenſtig im Spiegel des Elends Sieht er das eigene Antlitz und ſchaudert.","norm":"Unter den frierenden Linden des Marktes bettelt ein Kind mit verschatteten Augen, bietet dem König ein dorrendes Röschen: „Seliges Gestern und Morgen und Heute, Herr, Dir die Rose von Newport bedeute!“ Karl, der die Züge des Kindes betrachtet, schmal und gespenstig im Spiegel des Elends sieht er das eigene Antlitz und schaudert."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2743,"orig":"Morgen erzählen die Linden das Märchen Von dem enthaupteten König in England.","norm":"Morgen erzählen die Linden das Märchen von dem enthaupteten König in England."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2744,"orig":"Vor der Königsburg in nächt'ger Stunde Knickt der Tod die Eichen in die Runde, Drinnen ſucht er dann ein zäher Leben Aus den Wurzeln allgemach zu heben — Whitehall iſt Cromwell's Sterbeſtätte, Ein Waldenſer kniet an ſeinem Bette!","norm":"Vor der Königsburg in nächtiger Stunde Knickt der Tod die Eichen in die Runde, Drinnen sucht er dann ein zäher Leben aus den Wurzeln allgemach zu heben — Whitehall ist Cromwells Sterbestätte, ein Waldenser kniet an seinem Bette!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2745,"orig":"„Herr, ich komm', ein Kind des welſchen Thales, Wo Du biſt der Schutzgott jedes Mahles, Unſern Dank auf Deine Knie zu legen, Leben, Cromwell, mußt Du unſertwegen!","norm":"„Herr, ich komme, ein Kind des welschen Tales, wo Du bist der Schutzgott jedes Mahles, unseren Dank auf Deine Knie zu legen, Leben, Cromwell, musst Du unsertwegen!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2746,"orig":"Rom befehdet uns mit ſeinen Pfaffen, Unſer Herzog rüſtet frevle Waffen Gegen unſer Thal, den lautern Glauben Will er oder uns das Leben rauben!","norm":"Rom befehdet uns mit seinen Pfaffen, unser Herzog rüstet frevle Waffen gegen unser Tal, den lauteren Glauben will er oder uns das Leben rauben!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2747,"orig":"Doch Du ſahſt in Deinen Schmerzensnächten Uns gefoltert ſchon von Henkersknechten Und Du hobeſt Dich in Fieberſchwüle Auf den Arm geſtützt empor vom Pfühle Und Du drohteſt über Meer gewendet, Pfaffen, Henker blieben ungeſendet — Wenn wir, Cromwell, Deine Söhne wären, Herber könnten wir Dich nicht entbehren!","norm":"Doch Du sahst in Deinen Schmerzensnächten uns gefoltert schon von Henkersknechten und Du hobst Dich in Fieberschwüle Auf den Arm gestützt empor vom Pfühle und Du drohtest über Meer gewendet, Pfaffen, Henker blieben ungesendet — wenn wir, Cromwell, Deine Söhne wären, herber könnten wir Dich nicht entbehren!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2748,"orig":"Deine bangen Athemzüge geben Uns den Odem, friſten uns das Leben.","norm":"Deine bangen Atemzüge geben uns den Odem, fristen uns das Leben."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2749,"orig":"Dennoch — Wie Du leideſt, Herr — unſäglich — Deine Qualen werden unerträglich?","norm":"Dennoch — wie Du leidest, Herr — unsäglich — Deine Qualen werden unerträglich?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2750,"orig":"— Dennoch — ob uns Hartes ſei beſchieden — Friedeſtifter, fahre hin in Frieden!“","norm":"— Dennoch — ob uns Hartes sei beschieden — Friedensstifter, fahre hin in Frieden!“"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2751,"orig":"Am Grab der Republik iſt er geſtanden, Doch ſah er nicht des Stuart Schiffe landen, Ihn hüllt' in Dunkel eine güt'ge Macht:","norm":"Am Grab der Republik ist er gestanden, doch sah er nicht des Stuart Schiffe landen, ihn hüllte in Dunkel eine gütige Macht:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2752,"orig":"Er iſt erblindet!","norm":"Er ist erblindet!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2753,"orig":"Herrlich füllt mit lichten Gebilden und dämoniſchen Geſichten Die Muſe ſeines Auges Nacht ...","norm":"Herrlich füllt mit lichten Gebilden und dämonischen Gesichtern die Muse seines Auges Nacht ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2754,"orig":"Ein eifrig Mädchenantlitz neigt ſich neben Der müden Ampel, feine Finger ſchweben, Auf leichte Blätter ſchreibt des Dichters Kind Mit eines Stiftes ungehörtem Gleiten Die Wucht der Worte, die für alle Zeiten In Marmelſtein gehauen ſind ...","norm":"Ein eifrig Mädchenantlitz neigt sich neben Der müden Ampel, feine Finger schweben, auf leichte Blätter schreibt des Dichters Kind mit eines Stiftes ungehörtem Gleiten die Wucht der Worte, die für alle Zeiten in Marmorstein gehauen sind ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2755,"orig":"Er ſpricht: „Zur Stunde, da“ — Hohnrufe gellen, Das Haupt, das blinde, bleiche, zuckt in grellen, Lodernden Fackelgluten, zürnt und lauſcht ...","norm":"Er spricht: „Zur Stunde, da“ — Hohnrufe gellen, das Haupt, das blinde, bleiche, zuckt in grellen, lodernden Fackelgluten, zürnt und lauscht ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2756,"orig":"Durch Londons Gaſſen wandern um die Horden Der Cavaliere, Schlaf und Scham zu morden, Von Wein und Uebermuth berauſcht: „Schaut auf!","norm":"Durch Londons Gassen wandern um die Horden der Kavaliere, Schlaf und Scham zu morden, von Wein und Übermut berauscht: „Schaut auf!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2757,"orig":"Das iſt des Puritaners Erker!","norm":"Das ist des Puritaners Erker!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2758,"orig":"Der Schreiber hält ein blühend Kind im Kerker!","norm":"Der Schreiber hält ein blühend Kind im Kerker!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2759,"orig":"Der Schuhu hütet einen duft'gen Kranz!","norm":"Der Schuhu hütet einen duftigen Kranz!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2760,"orig":"Wir ſchreiten ſchlank und jung, wir ſind die Sünden Und kommen ihr das Herzchen zu entzünden Mit Saitenſpiel und Reigentanz!","norm":"Wir schreiten schlank und jung, wir sind die Sünden und kommen ihr das Herzchen zu entzünden mit Saitenspiel und Reigentanz!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2761,"orig":"Vertreibt den Kauz vom Neſt!","norm":"Vertreibt den Kauz vom Nest!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2762,"orig":"Umarmt die Dirne!“ Geklirr!","norm":"Umarmt die Dirne!“ Geklirr!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2763,"orig":"Ein Stein!","norm":"Ein Stein!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2764,"orig":"...","norm":"..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2765,"orig":"Still blutet eine Stirne, Den Vater ſchirmt das Mädchen mit dem Leib, Die Bleiche drückt er auf den Schemel nieder, Ein Richter, kehrt zu ſeinem Lied er wieder: „Nimm deinen Stift, mein Kind, und ſchreib!","norm":"Still blutet eine Stirn, den Vater schirmt das Mädchen mit dem Leib, die Bleiche drückt er auf den Schemel nieder, ein Richter, kehrt zu seinem Lied er wieder: „Nimm deinen Stift, mein Kind, und schreibe!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2766,"orig":"Zur Stunde, da des Laſterkönigs Knechte Umwandern, die Entheiliger der Nächte ...","norm":"Zur Stunde, da des Lasterkönigs Knechte Umwandern, die Entheiliger der Nächte ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2767,"orig":"Zur Stunde, da die Hölle frechen Schalls Aufſchreit, empor zu den erhabnen Thürmen ...","norm":"Zur Stunde, da die Hölle frechen Schalls aufschreit, empor zu den erhabenen Türmen ..."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2768,"orig":"Zur Stunde, da die Rieſenſtadt durchſtürmen Die blut'gen Söhne Belials .....“ So ſang mit wunder Stirn der geiſterblaſſe Poet.","norm":"Zur Stunde, da die Riesenstadt durchstürmen die blutigen Söhne Belials .....“ So sang mit wunder Stirn der geisterblasse Poet."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2769,"orig":"Verſchollen iſt der Lärm der Gaſſe, Doch ob Jahrhundert um Jahrhundert flieht, Von einem bangen Mädchen aufgeſchrieben, Sind Miltons Rächerverſe ſtehn geblieben, Verwoben in ſein ewig Lied.","norm":"Verschollen ist der Lärm der Gasse, doch ob Jahrhundert um Jahrhundert flieht, von einem bangen Mädchen aufgeschrieben, sind Miltons Rächerverse stehen geblieben, verwoben in sein ewig Lied."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2770,"orig":"Den Hauptmann Daxelhofen Beſtaunten in der Stadt Paris Die Kinder und die Zofen Um ſeines blonden Bartes Vließ — Prinz Condé zog zu Felde, Der Hauptmann Daxelhofen auch, Da fuhr am Bord der Schelde Der Blitz und quoll der Pulverrauch.","norm":"Den Hauptmann Daxelhofen bestaunten in der Stadt Paris die Kinder und die Zofen um seines blonden Bartes Vlies — Prinz Condé zog zu Felde, der Hauptmann Daxelhofen auch, da fuhr am Bord der Schelde der Blitz und quoll der Pulverrauch."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2771,"orig":"Die Lilienbanner hoben Sich ſachte weg aus Niederland Und ſchoben ſich und ſchoben Tout doucement zum Rheinesſtrand.","norm":"Die Lilienbanner hoben sich sachte weg aus Niederland und schoben sich und schoben Tout doucement zum Rheinesstrand."} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2772,"orig":"„Herr Prinz, welch köſtlich Düften!","norm":"„Herr Prinz, welch köstlich Düften!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2773,"orig":"So duftet nur am Rhein der Wein!","norm":"So duftet nur am Rhein der Wein!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2774,"orig":"Und dort der Thurm in Lüften, Herr Prinz, das iſt doch Mainz am Rhein?","norm":"Und dort der Turm in Lüften, Herr Prinz, das ist doch Mainz am Rhein?"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2775,"orig":"In meinem Pakt geſchrieben Steht:","norm":"In meinem Pakt geschrieben steht:"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2776,"orig":"Ewig nimmer gegens Reich!","norm":"Ewig nimmer gegen das Reich!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2777,"orig":"So ſteht's und iſt geblieben Und bleibt ſich unverbrüchlich gleich!","norm":"So steht es und ist geblieben und bleibt sich unverbrüchlich gleich!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2778,"orig":"Ich bin von Schwabenſtamme, Bin auch ein Eidgenoſſe gut, Und daß mich Gott verdamme, Vergieß ich Deutſcher deutſches Blut!","norm":"Ich bin von Schwabenstamme, bin auch ein Eidgenosse gut, und dass mich Gott verdamme, Vergieße ich Deutscher deutsches Blut!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2779,"orig":"In Mainz als Feind zu rücken Reißt mich kein Höllenteufel fort, Betret' ich dort die Brücken, So ſei mir Hand und Schlund verdorrt!","norm":"In Mainz als Feind zu rücken reißt mich kein Höllenteufel fort, betrete ich dort die Brücken, so sei mir Hand und Schlund verdorrt!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2780,"orig":"Nicht dürft' ich mich bezechen Mit frommen Chriſtenleuten mehr!","norm":"Nicht dürfte ich mich bezechen mit frommen Christenleuten mehr!"} {"basename":"meyer_gedichte_1882","par_idx":2781,"orig":"Mein Waffen lieber brechen, Als brechen Eid und Mannesehr!“ „La, la“, kirrt Condé, „ferner Dient Ihr um Doppel-Tripellohn .“ Da bricht vorm Knie der Berner In Stücke krachend ſein Sponton, Dem Prinzen wirft zu Füßen Die beiden Trümmer er und ſpricht: „Den König laß ich grüßen, Das deutſche Reich befehd' ich nicht!“","norm":"Mein Waffen lieber brechen, als brechen Eid und Mannesehre!“ „La, la“, kirrt Condé, „ferner dient Ihr um Doppel-Tripellohn .“ Da bricht vorm Knie der Berner in Stücke krachend sein Sponton, dem Prinzen wirft zu Füßen die beiden Trümmer er und spricht: „Den König lass ich grüßen, das deutsche Reich befehde ich nicht!“"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":0,"orig":"Dom Karlos, der Kronprinz.","norm":"Don Carlos, der Kronprinz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1,"orig":"Alexander Farneſe Prinz von Parma,","norm":"Alexander Farnese Prinz von Parma,"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2,"orig":"Neffe des Koͤnigs.","norm":"Neffe des Königs."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3,"orig":"Infantinn Klara Eugenia, ein Kind von drei Jahren.","norm":"Infantin Klara Eugenia, ein Kind von drei Jahren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4,"orig":"Herzoginn von Olivarez, Oberhofmeiſterinn.","norm":"Herzogin von Olivarez, Oberhofmeisterin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":5,"orig":"Marquiſinn von Mondekar,","norm":"Marquisin von Mondekar,"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":6,"orig":"Prinzeſſinn von Eboli,","norm":"Prinzessin von Eboli,"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":7,"orig":"Graͤfinn Fuentes,","norm":"Gräfin Fuentes,"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":8,"orig":"Damen der Königinn.","norm":"Damen der Königin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":9,"orig":"Marquis von Poſa, ein Maltheſerritter,","norm":"Marquis von Posa, ein Malteserritter,"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":10,"orig":"Herzog von Alba,","norm":"Herzog von Alba,"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":11,"orig":"Graf von Lerma, Oberſter der Leibwache","norm":"Graf von Lerma, Oberster der Leibwache"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":12,"orig":"Herzog von Feria, Ritter des Vließes","norm":"Herzog von Feria, Ritter des Vlieses"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":13,"orig":"Herzog von Medina Sidonia, Admiral,","norm":"Herzog von Medina Sidonia, Admiral,"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":14,"orig":"Dom Raimond von Taxis, Oberpoſtmeiſter,","norm":"Don Raimond von Taxis, Oberpostmeister,"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":15,"orig":"Granden von Spanien.","norm":"Granden von Spanien."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":16,"orig":"Domingo, Beichtvater des Koͤnigs.","norm":"Domingo, Beichtvater des Königs."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":17,"orig":"Der Großinquiſitor des Königreichs","norm":"Der Großinquisitor des Königreichs"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":18,"orig":"Der Prior eines Karthäuſerkloſters.","norm":"Der Prior eines Kartäuserklosters."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":19,"orig":"Ein Page der Königinn.","norm":"Ein Page der Königin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":20,"orig":"Dom Ludwig Merkado, Leibarzt der Königinn.","norm":"Don Ludwig Merkado, Leibarzt der Königin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":21,"orig":"Mehrere Damen und Granden, Pagen,","norm":"Mehrere Damen und Granden, Pagen,"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":22,"orig":"Offiziere, die Leibwache und verſchiedene","norm":"Offiziere, die Leibwache und verschiedene"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":23,"orig":"ſtumme Perſonen.","norm":"stumme Personen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":24,"orig":"Die ſchönen Tage in Aranjuez ſind nun zu Ende.","norm":"Die schönen Tage in Aranjuez sind nun zu Ende."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":25,"orig":"Eure königliche Hoheit verlaſſen es nicht heiterer.","norm":"Eure Königliche Hoheit Verlassen es nicht heiterer."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":26,"orig":"Wir ſind vergebens hier geweſen.","norm":"Wir sind Vergebens hier gewesen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":27,"orig":"Brechen Sie dieß räthſelhafte Schweigen.","norm":"Brechen Sie dies rätselhafte Schweigen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":28,"orig":"Öffnen Sie Ihr Herz dem Vaterherzen, Prinz.","norm":"Öffnen Sie Ihr Herz dem Vaterherzen, Prinz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":29,"orig":"Zu theuer kann der Monarch die Ruhe ſeines Sohns — des einz’gen Sohns — zu theuer nie erkaufen.","norm":"Zu teuer Kann der Monarch die Ruhe seines Sohns — des einzigen Sohns — zu teuer nie erkaufen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":30,"orig":"Der Arm der Könige reicht weit — Wär’s möglich?","norm":"Der Arm der Könige sieht weit — wäre es möglich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":31,"orig":"Wär’ noch ein Wunſch zurücke, den der Himmel dem liebſten ſeiner Söhne weigerte?","norm":"Wäre noch ein Wunsch zurücke, den der Himmel dem liebsten seiner Söhne weigerte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":32,"orig":"Ich ſtand dabei, als in Toledo’s Mauern der ſtolze Karl die Huldigung empfing, als Fürſten ſich zu ſeinem Handkuß drängten, und jetzt in Einem — Einem Niederfall ſechs Königreiche ihm zu Füßen lagen — ich ſtand und ſah das junge ſtolze Blut in ſeine Wangen ſteigen, ſeinen Buſen von fuͤrſtlichen Entſchlüſſen wallen, ſah ſein trunknes Aug’ durch die Verſammlung fliegen, in Wonne brechen — Prinz, und dieſes Auge geſtand:","norm":"Ich stand dabei, als in Toledos Mauern der stolze Karl die Huldigung empfing, als Fürsten sich zu seinem Handkuss drängten, und jetzt in Einem — einem Niederfall Sechs Königreiche ihm zu Füßen lagen — Ich stand und sah das junge stolze Blut in seine Wangen steigen, seinen Busen von fürstlichen Entschlüssen wallen, sah Sein trunkenes Auge durch die Versammlung fliegen, in Wonne brechen — Prinz, und dieses Auge gestand:"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":33,"orig":"Ich bin geſättigt.","norm":"Ich bin gesättigt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":34,"orig":"Dieſer ſtille und feierliche Kummer, Prinz, den wir acht Monde ſchon in Ihren Blicken leſen, das Räthſel dieſes ganzen Hofs, die Angſt des Königreichs, hat Seiner Majeſtät ſchon manche ſorgenvolle Nacht gekoſtet, ſchon manche Thräne Ihrer Mutter.","norm":"Dieser stille und feierliche Kummer, Prinz, den wir acht Monde schon in Ihren Blicken lesen, das Rätsel dieses ganzen Hofs, die Angst des Königreichs, hat seiner Majestät schon manche sorgenvolle Nacht gekostet, schon manche Träne Ihrer Mutter."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":35,"orig":"Mutter?","norm":"Mutter?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":36,"orig":"Prinz?","norm":"Prinz?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":37,"orig":"O Himmel, gib, daß ich es dem vergeſſe, der ſie zu meiner Mutter machte!","norm":"O Himmel, gib, dass ich es dem vergesse, der sie zu meiner Mutter machte!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":38,"orig":"Prinz?","norm":"Prinz?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":39,"orig":"Hochwürd’ger Herr — ich habe ſehr viel Unglück mit meinen Müttern.","norm":"Hochwürdiger Herr — ich habe sehr viel Unglück mit meinen Müttern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":40,"orig":"Meine erſte Handlung, als ich das Licht der Welt erblickte, war ein Muttermord.","norm":"Meine erste Handlung, als ich das Licht der Welt erblickte, war ein Muttermord."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":41,"orig":"Iſt’s möglich, gnäd’ger Prinz?","norm":"Ist es möglich, gnädiger Prinz?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":42,"orig":"Kann dieſer Vorwurf Ihr Gewiſſen drücken?","norm":"Kann dieser Vorwurf Ihr Gewissen drücken?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":43,"orig":"Und meine Neue Mutter — hat ſie mir nicht meines Vaters Liebe ſchon gekoſtet?","norm":"Und meine neue Mutter — hat sie mir Nicht meines Vaters Liebe schon gekostet?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":44,"orig":"Mein Vater hat mich kaum geliebt.","norm":"Mein Vater hat mich kaum geliebt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":45,"orig":"Mein ganzes Verdienſt war noch, ſein Einziger zu ſeyn.","norm":"Mein ganzes Verdienst war noch, sein Einziger zu sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":46,"orig":"Sie gab ihm eine Tochter — O wer weiß was in der Zeiten Hintergrunde ſchlummert?","norm":"Sie gab ihm eine Tochter — O wer weiß Was in der Zeiten Hintergrunde schlummert?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":47,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":48,"orig":"Sie ſpotten meiner, Prinz.","norm":"Sie spotten meiner, Prinz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":49,"orig":"Ganz Spanien vergöttert ſeine Königinn — Sie ſollten nur mit des Haſſes Augen ſie betrachten?","norm":"Ganz Spanien Vergöttert seine Königin — Sie sollten nur mit des Hasses Augen sie betrachten?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":50,"orig":"Bei ihrem Anblick nur die Klugheit hören?","norm":"Bei ihrem Anblick nur die Klugheit hören?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":51,"orig":"Unglaublich!","norm":"Unglaublich!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":52,"orig":"Nimmermehr!","norm":"Nimmermehr!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":53,"orig":"Wo alles liebt kann Karl allein nicht haſſen, ſo ſeltſam widerſpricht ſich Karlos nicht.","norm":"Wo alles liebt kann Karl allein nicht hassen, so seltsam widerspricht sich Carlos nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":54,"orig":"Verwahren Sie Sich Prinz, daß ſie es nie wie ſehr ſie ihrem Sohn mißfällt erfahre, die Nachricht würde ſchmerzen.","norm":"Verwahren Sie sich Prinz, dass sie es nie wie sehr sie ihrem Sohn missfällt erfahre, die Nachricht würde schmerzen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":55,"orig":"Glauben Sie?","norm":"Glauben Sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":56,"orig":"Wenn Eure Hoheit ſich des letzteren Turniers zu Saragoſſa noch entſinnen, wo unſern Herrn ein Lanzenſplitter ſtreifte — Die Königinn mit ihren Damen ſaß auf des Pallaſtes mittlerer Tribune und ſah dem Kampfe zu.","norm":"Wenn Eure Hoheit sich des letzteren Turniers zu Saragossa noch entsinnen, wo unseren Herrn ein Lanzensplitter streifte — die Königin mit ihren Damen saß auf des Palastes mittlerer Tribune und sah dem Kampfe zu."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":57,"orig":"Auf einmal rief’s: „Der König blutet!“ — Man rennt durch einander, ein dumpfes Murmeln dringt bis zu dem Ohr Der Königinn; „Der Prinz?“ ruft ſie und will, und will ſich von dem oberſten Geländer herunterwerfen.","norm":"Auf einmal rief es: „Der König blutet!“ — Man rennt durcheinander, ein dumpfes Murmeln dringt bis zu dem Ohr der Königin; „Der Prinz?“ ruft sie und will, und will sich von dem obersten Geländer Herunterwerfen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":58,"orig":"— „Nein!","norm":"— „Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":59,"orig":"Der König ſelbſt.","norm":"Der König selbst."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":60,"orig":"“ gibt man zur Antwort — „So laßt Ärzte hohlen!“ erwiedert ſie indem ſie Athem ſchöpfte.","norm":"“ Gibt man zur Antwort — „So lasst Ärzte holen!“ Erwidert sie indem sie Atem schöpfte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":61,"orig":"Sie ſtehen in Gedanken?","norm":"Sie stehen in Gedanken?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":62,"orig":"Ich bewundre des Königs luſt’gen Beichtiger, der ſo bewandert iſt in witzigen Geſchichten.","norm":"Ich bewundre des Königs lustigen Beichtiger, der so Bewandert ist in witzigen Geschichten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":63,"orig":"Doch","norm":"Doch"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":64,"orig":"hab’ ich immer ſagen hören, daß Geberdenſpäher und Geſchichtenträger des Übels mehr auf dieſer Welt gethan, als Gift und Dolch in Mörders Hand nicht konnten.","norm":"habe ich immer sagen hören, dass Gebärdenspäher und Geschichtenträger des Übels mehr auf dieser Welt getan, als Gift und Dolch in Mörders Hand nicht konnten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":65,"orig":"Die Mühe Herr war zu erſparen.","norm":"Die Mühe Herr war zu ersparen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":66,"orig":"Wenn Sie Dank erwarten, gehen Sie zum König.","norm":"Wenn Sie Dank erwarten, gehen Sie zum König."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":67,"orig":"Sie thun ſehr wohl, mein Prinz, Sich vorzuſehn mit Menſchen — nur mit Unterſcheidung.","norm":"Sie tun sehr wohl, mein Prinz, sich vorzusehn mit Menschen — nur mit Unterscheidung."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":68,"orig":"Stoßen Sie mit dem Heuchler nicht den Freund zurück.","norm":"Stoßen Sie mit dem Heuchler nicht den Freund zurück."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":69,"orig":"Ich mein’ es gut mit Ihnen.","norm":"Ich meine es gut mit Ihnen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":70,"orig":"Laſſen Sie das meinen Vater ja nicht merken.","norm":"Lassen Sie das meinen Vater ja nicht merken."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":71,"orig":"Sonſt ſind Sie um Ihren Purpur.","norm":"Sonst sind Sie um Ihren Purpur."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":72,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":73,"orig":"Nun ja.","norm":"Nun ja."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":74,"orig":"Verſprach er Ihnen nicht den erſten Purpur, den Spanien vergeben würde?","norm":"Versprach er Ihnen nicht den ersten Purpur, den Spanien vergeben würde?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":75,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":76,"orig":"Prinz, Sie ſpotten meiner.","norm":"Prinz, Sie spotten meiner."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":77,"orig":"Das verhüte Gott, daß ich des fürchterlichen Mannes ſpotte, der meinen Vater ſelig ſprechen und verdammen kann!","norm":"Das verhüte Gott, dass ich des fürchterlichen Mannes spotte, der meinen Vater seligsprechen und Verdammen kann!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":78,"orig":"Ich will mich nicht vermeſſen, Prinz, in das ehrwürdige Geheimniß Ihres Kummers einzudringen.","norm":"Ich will mich nicht Vermessen, Prinz, in das ehrwürdige Geheimnis Ihres Kummers einzudringen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":79,"orig":"Nur bitt’ ich Eure Hoheit, eingedenk zu ſein, daß dem beängſtigten Gewiſſen die Kirche eine Zuflucht aufgethan, wozu Monarchen keinen Schlüſſel haben, wo ſelber Miſſethaten unterm Siegel des Sakramentes aufgehoben liegen — Sie wiſſen was ich meine, Prinz — ich habe genug geſagt.","norm":"Nur bitte ich Eure Hoheit, eingedenk zu sein, dass dem beängstigten Gewissen die Kirche eine Zuflucht aufgetan, wozu Monarchen keinen Schlüssel haben, wo selber Missetaten unterm Siegel des Sakramentes aufgehoben liegen — Sie wissen was ich meine, Prinz — Ich habe genug gesagt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":80,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":81,"orig":"Das ſoll ferne von mir ſein, daß ich den Siegelführer ſo verſuchte!","norm":"Das soll fern von mir sein, dass ich den Siegelführer so versuchte!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":82,"orig":"Prinz, dieſes Mißtraun — Sie verkennen Ihren getreuſten Diener.","norm":"Prinz, dieses Misstrauen — Sie verkennen Ihren Getreusten Diener."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":83,"orig":"Alſo geben Sie mich lieber auf.","norm":"Also geben Sie Mich lieber auf."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":84,"orig":"Sie ſind ein heil’ger Mann, das weiß die Welt — doch frei heraus — für mich ſind Sie bereits zu überhäuft.","norm":"Sie sind ein heiliger Mann, das weiß die Welt — doch frei heraus — für mich sind Sie bereits zu überhäuft."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":85,"orig":"Ihr Weg, Hochwürd’ger Vater, iſt der weiteſte, bis Sie auf Peters Stuhle niederſitzen.","norm":"Ihr Weg, hochwürdiger Vater, ist der weiteste, bis Sie auf Peters Stuhle niedersitzen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":86,"orig":"Viel Wiſſen möchte Sie beſchweren.","norm":"Viel Wissen möchte Sie beschweren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":87,"orig":"Melden Sie das dem König, der Sie hergeſandt.","norm":"Melden Sie das dem König, der Sie hergesandt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":88,"orig":"Mich hergeſandt —","norm":"Mich hergesandt —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":89,"orig":"So ſagt’ ich.","norm":"So sagt ich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":90,"orig":"O zu gut, zu gut weiß ich, daß ich an dieſem Hof verrathen bin — ich weiß, daß hundert Augen gedungen ſind mich zu bewachen, weiß, daß König Philipp ſeinen einz’gen Sohn an ſeiner Knechte ſchlechteſten verkaufte, und jede von mir aufgefangne Silbe dem Hinterbringer fürſtlicher bezahlt, als er noch keine gute That bezahlte.","norm":"O zu gut, zu gut weiß ich, dass ich an diesem Hof Verraten bin — ich weiß, dass hundert Augen gedungen sind mich zu bewachen, weiß, dass König Philipp seinen einzigen Sohn an seiner Knechte schlechtesten verkaufte, und jede von mir aufgefangene Silbe dem Hinterbringer fürstlicher bezahlt, als er noch keine gute Tat bezahlte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":91,"orig":"Ich weiß — O ſtill!","norm":"Ich weiß — O still!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":92,"orig":"Nichts mehr davon.","norm":"Nichts mehr davon."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":93,"orig":"Mein Herz will überſtrömen, und ich habe ſchon zu viel geſagt.","norm":"Mein Herz will überströmen, und ich habe schon zu viel gesagt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":94,"orig":"Der König iſt geſonnen vor Abend in Madrid noch einzutreffen.","norm":"Der König ist gesonnen vor Abend in Madrid noch einzutreffen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":95,"orig":"Bereits verſammelt ſich der Hof.","norm":"Bereits versammelt sich der Hof."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":96,"orig":"Hab’ ich die Gnade, Prinz —","norm":"Habe ich die Gnade, Prinz —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":97,"orig":"Schon gut.","norm":"Schon gut."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":98,"orig":"Ich werde folgen.","norm":"Ich werde folgen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":99,"orig":"Beweinenswerther Philipp, wie dein Sohn beweinenswerth!","norm":"Beweinenswerter Philipp, wie dein Sohn Beweinenswert!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":100,"orig":"O ihr guten Geiſter!","norm":"O ihr guten Geister!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":101,"orig":"Mein Rodrigo!","norm":"Mein Rodrigo!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":102,"orig":"— O Du biſt’s!","norm":"— O Du bist es!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":103,"orig":"Ich drück’ an meine Seele Dich, ich fühle die Deinige allmächtig an mir ſchlagen.","norm":"Ich drücke an meine Seele Dich, ich fühle die Deinige allmächtig an mir schlagen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":104,"orig":"O jetzt iſt alles wieder gut.","norm":"O jetzt ist alles wieder gut."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":105,"orig":"In dieſer Umarmung heilt mein krankes Herz.","norm":"In dieser Umarmung heilt mein krankes Herz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":106,"orig":"Ich liege am Halſe meines Rodrigo.","norm":"Ich liege am Halse meines Rodrigo."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":107,"orig":"Ihr krankes, Ihr krankes Herz?","norm":"Ihr krankes, Ihr krankes Herz?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":108,"orig":"Und was iſt wieder gut?","norm":"Und was ist wieder gut?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":109,"orig":"Was iſt’s, das wieder gut zu werden brauchte?","norm":"Was ist es, das wieder gut zu werden brauchte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":110,"orig":"Sie hören, was mich ſtutzen macht.","norm":"Sie hören, was mich stutzen macht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":111,"orig":"Und was bringt Dich ſo unverhofft aus Brüſſel wieder?","norm":"Und was Bringt Dich so unverhofft aus Brüssel wieder?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":112,"orig":"Wem dank’ ich dieſe Überraſchung?","norm":"Wem dank ich diese Überraschung?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":113,"orig":"Wem?","norm":"Wem?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":114,"orig":"ich frage noch?","norm":"Ich frage noch?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":115,"orig":"Verzeih dem Freudetrunknen, erhabne Vorſicht, dieſe Läſterung!","norm":"Verzeih dem Freudetrunkenen, erhabene Vorsicht, diese Lästerung!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":116,"orig":"Wem ſonſt als dir, Allgütigſte?","norm":"Wem sonst als dir, Allgütigste?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":117,"orig":"Du wußteſt, daß Karlos ohne Engel war, du ſandteſt mir dieſen, und ich frage noch!","norm":"Du wusstest, dass Carlos ohne Engel war, du sandtest mir diesen, und ich frage noch!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":118,"orig":"Vergebung, mein theurer Prinz, wenn ich dieß ſtürmiſche Entzücken mit Beſtürzung uur erwiedre.","norm":"Vergebung, mein teurer Prinz, wenn ich dies stürmische Entzücken mit Bestürzung nur erwidere."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":119,"orig":"So war es nicht, wie ich Dom Philipps Sohn erwartete.","norm":"So war es nicht, wie ich Don Philipps Sohn erwartete."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":120,"orig":"So fürchterlich begrüßte mich Karl noch nie.","norm":"So fürchterlich begrüßte mich Karl noch nie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":121,"orig":"Ein unnatürlich Roth entzündet ſich auf Ihren blaſſen Wangen, und Ihre Lippen zittern fieberhaft.","norm":"Ein unnatürlich Rot entzündet sich auf Ihren blassen Wangen, und Ihre Lippen zittern fieberhaft."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":122,"orig":"Was muß ich glauben, theurer Prinz?","norm":"Was muss ich glauben, teurer Prinz?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":123,"orig":"— Das iſt der löwenkühne Jüngling nicht, zu dem ein unterdrücktes Heldenvolk mich ſendet — denn jetzt ſteh’ ich als Rodrigo nicht hier, nicht als des Knaben Karlos Spielgeſelle — ein Abgeordneter der ganzen Menſchheit umarm’ ich Sie — es ſind die Flandriſchen Provinzen, die an Ihrem Halſe weinen und feierlich um Rettung Sie beſtürmen.","norm":"— Das ist der löwenkühne Jüngling nicht, zu dem Ein unterdrücktes Heldenvolk mich sendet — denn jetzt stehe ich als Rodrigo nicht hier, nicht als des Knaben Carlos Spielgeselle — ein Abgeordneter der ganzen Menschheit umarme ich Sie — es sind die Flandrischen Provinzen, die an Ihrem Halse weinen und feierlich um Rettung Sie bestürmen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":124,"orig":"Die Zeit iſt da, die ſchreckenvolle Zeit, die ohne Hoffnung ihre Freiheit endigt.","norm":"Die Zeit ist da, die schreckenvolle Zeit, die ohne Hoffnung ihre Freiheit endigt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":125,"orig":"Es iſt gethan um Ihr geliebtes Land, wenn Alba, des Fanatismus rauher Henkersknecht, vor Brüſſel rückt mit Spaniſchen Geſetzen.","norm":"Es ist getan um Ihr geliebtes Land, wenn Alba, des Fanatismus rauer Henkersknecht, vor Brüssel rückt mit spanischen Gesetzen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":126,"orig":"Auf Kaiſer Karls glorwürd’gem Enkel ruht die letzte Hoffnung dieſer edeln Lande.","norm":"Auf Kaiser Karls glorwürdigem Enkel ruht die letzte Hoffnung dieser edlen Lande."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":127,"orig":"Sie ſtürzt dahin, wenn ſein erhabnes Herz vergeſſen hat für Menſchlichkeit zu ſchlagen.","norm":"Sie stürzt dahin, wenn sein erhabenes Herz vergessen hat für Menschlichkeit zu schlagen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":128,"orig":"Sie ſtürzt dahin.","norm":"Sie stürzt dahin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":129,"orig":"Du irrſt Dich, guter Menſch.","norm":"Du irrst Dich, guter Mensch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":130,"orig":"Auch mir hat einſt von einem Karl geträumt, dem’s feurig durch die Wangen lief, wenn man von Freiheit ſprach — doch der iſt lang begraben.","norm":"Auch mir hat einst von einem Karl geträumt, dem es feurig durch die Wangen lief, wenn man Von Freiheit sprach — doch der ist lang begraben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":131,"orig":"Den Du hier ſiehſt, das iſt der Karl nicht mehr, der in Alkala von Dir Abſchied nahm, der Karl nicht mehr, der ſich beherzt getraute, das Paradies dem Schöpfer abzuſehn und dermaleinſt als unumſchränkter Fürſt in Spanien zu pflanzen — O der Einfall war kindiſch, aber göttlich ſchön.","norm":"Den Du hier siehst, das ist der Karl nicht mehr, der in Alkala von Dir Abschied nahm, der Karl nicht mehr, der sich beherzt getraute, das Paradies dem Schöpfer abzusehen und dermaleinst als unumschränkter Fürst in Spanien zu pflanzen — O der Einfall war kindisch, aber göttlich schön."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":132,"orig":"Vorbei ſind dieſe Träume.","norm":"Vorbei sind diese Träume."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":133,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":134,"orig":"Träume, Prinz!","norm":"Träume, Prinz!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":135,"orig":"— Und Träume nur wären es geweſen?","norm":"— Und Träume nur wären es gewesen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":136,"orig":"Laß mich weinen, an Deinem Herzen heiße Thränen weinen, Du einz’ger Freund.","norm":"Lass mich weinen, an Deinem Herzen heiße Tränen weinen, Du einziger Freund."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":137,"orig":"Ich habe niemand — niemand — auf dieſer großen weiten Erde niemand.","norm":"Ich habe niemand — niemand — auf dieser großen weiten Erde niemand."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":138,"orig":"So weit das Zepter meines Vaters reicht, ſo weit die Schiffahrt unſre Flaggen ſendet, iſt keine Stelle — keine — keine, wo ich meiner Thränen mich entlaſten darf, als dieſe.","norm":"So weit das Zepter meines Vaters reicht, so weit die Schifffahrt unsere Flaggen sendet, ist keine Stelle — keine — keine, wo Ich meiner Tränen mich entlasten darf, als diese."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":139,"orig":"O bei allem, Rodrigo, was Du und ich dereinſt im Himmel hoffen, von dieſer Stelle, Rodrigo, verjage, verjage mich von dieſer Stelle nicht.","norm":"O bei allem, Rodrigo, was Du und ich dereinst im Himmel hoffen, von dieser Stelle, Rodrigo, Verjage, Verjage mich von dieser Stelle nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":140,"orig":"Berede Dich, ich wär’ ein Waiſenkind, das Du am Thron mitleidig aufgeleſen.","norm":"Berede Dich, ich wäre ein Waisenkind, das Du am Thron mitleidig aufgelesen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":141,"orig":"Ich weiß ja nicht was Vater heißt — ich bin ein Königsſohn — O wenn es eintrifft, was mein Herz mir ſagt, wenn Du aus Milljonen herausgefunden biſt, mich zu verſtehn, wenn’s wahr iſt, daß die ſchaffende Natur den Rodrigo im Karlos wiederhohlte, und unſrer Seelen zartes Saitenſpiel am Morgen unſres Lebens gleich bezog, wenn eine Thräne, die mir Lindrung gibt, Dir theurer iſt, als meines Vaters Gnade —","norm":"Ich weiß ja nicht was Vater heißt — ich bin ein Königssohn — O wenn es eintrifft, was mein Herz mir sagt, wenn Du aus Millionen herausgefunden bist, mich zu verstehen, wenn es wahr ist, dass die schaffende Natur den Rodrigo im Carlos wiederholte, und unserer Seelen zartes Saitenspiel am Morgen unseres Lebens gleich bezog, wenn eine Träne, die mir Linderung gibt, Dir teurer ist, als meines Vaters Gnade —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":142,"orig":"O theurer als die ganze Welt.","norm":"O teurer als die ganze Welt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":143,"orig":"So tief bin ich gefallen — bin ſo arm geworden, daß ich an unſre frühen Kinderjahre Dich mahnen muß — daß ich Dich bitten muß die langvergeßne Schulden abzutragen, die Du noch im Matroſenkleide machteſt — als Du und ich, zween Knaben wilder Art, ſo brüderlich zuſammen aufgewachſen, kein Schmerz mich drückte, als von Deinem Geiſte ſo ſehr verdunkelt mich zu ſehn — ich endlich mich kühn entſchloß, Dich gränzenlos zu lieben, weil mich der Muth verließ, Dir gleich zu ſein.","norm":"So tief bin ich gefallen — bin so arm geworden, dass ich an unsere frühen Kinderjahre Dich mahnen muss — dass ich Dich bitten muss die lang vergeßene Schulden abzutragen, die Du noch im Matrosenkleide machtest — als Du und ich, zween Knaben wilder Art, so brüderlich zusammen aufgewachsen, kein Schmerz mich drückte, als von Deinem Geiste so sehr verdunkelt mich zu sehen — ich endlich Mich kühn entschloss, Dich grenzenlos zu lieben, weil mich der Mut verließ, Dir gleich zu sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":144,"orig":"Da fing ich an mit tauſend Zärtlichkeiten und warmer Bruderliebe Dich zu quälen;","norm":"Da fing ich an mit tausend Zärtlichkeiten und warmer Bruderliebe Dich zu quälen;"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":145,"orig":"Du ſtolzes Herz gabſt ſie mir kalt zurück.","norm":"Du stolzes Herz gabst sie mir kalt zurück."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":146,"orig":"Oſt ſtand ich da, und — doch das ſahſt Du nie!","norm":"Oft stand ich da, und — doch das sahst Du nie!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":147,"orig":"und heiße, ſchwere Thränentropfen hingen in meinem Aug’, wenn Du, mich überhüpfend, Vaſallenkinder in die Arme drückteſt.","norm":"und heiße, schwere Tränentropfen hingen in meinem Auge, wenn Du, mich überhüpfend, Vasallenkinder in die Arme drücktest."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":148,"orig":"Warum nur dieſe?","norm":"Warum nur diese?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":149,"orig":"rief ich trauernd aus:","norm":"rief ich trauernd aus:"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":150,"orig":"Bin Ich Dir nicht auch herzlich gut?","norm":"Bin Ich Dir nicht auch herzlich gut?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":151,"orig":"— Du aber, Du knirteſt kalt und ernſthaft vor mir nieder:","norm":"— Du aber, Du knietest kalt und ernsthaft vor mir nieder:"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":152,"orig":"Das, ſagteſt du, gebührt dem Königsſohn.","norm":"Das, sagtest du, gebührt dem Königssohn."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":153,"orig":"O ſtille, Prinz, von dieſen kindiſchen Geſchichten, die mich jetzt noch ſchamroth machen.","norm":"O stille, Prinz, von diesen kindischen Geschichten, die mich jetzt noch schamrot machen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":154,"orig":"Ich hatt’ es nicht um Dich verdient.","norm":"Ich hatte es nicht um Dich verdient."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":155,"orig":"Verſchmähen, zerreißen konnteſt Du mein Herz, doch nie von Dir entfernen.","norm":"Verschmähen, Zerreißen konntest Du mein Herz, doch nie von Dir entfernen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":156,"orig":"Dreimal wieſeſt Du den Fürſten von Dir, dreimal ſtand er wieder als Bettler da, um Liebe Dich zu flehn und Dir gewaltſam Liebe aufzudringen.","norm":"Dreimal wiesest Du den Fürsten von Dir, dreimal stand er wieder Als bittender da, um Liebe Dich zu flehen und Dir gewaltsam Liebe aufzudringen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":157,"orig":"Ein Zufall that was Karlos nie gekonnt.","norm":"Ein Zufall tat was Carlos nie gekonnt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":158,"orig":"Einmal geſchah’s bei unſern Spielen, daß der Königinn von Böhmen, meiner Tante, Dein Federball in’s Auge flog.","norm":"Einmal geschah es bei unseren Spielen, dass der Königin von Böhmen, meiner Tante, Dein Federball ins Auge flog."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":159,"orig":"Sie glaubte, daß es mit Vorbedacht geſchehn, und klagt’ es dem Könige mit thränendem Geſicht.","norm":"Sie glaubte, dass es mit vorbedacht geschehen, und klagte es dem Könige mit tränendem Gesicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":160,"orig":"Die ganze Jugend des Pallaſtes muß erſcheinen, ihm den Schuldigen zu nennen.","norm":"Die ganze Jugend des Palastes muss Erscheinen, ihm den Schuldigen zu nennen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":161,"orig":"Der König ſchwört, die hinterliſt’ge That, und wär’ es auch an ſeinem eig’nen Kinde, auf’s ſchrecklichſte zu ahnden — Damals ſah ich Dich zitternd in der Ferne ſtehn, und jetzt, jetzt trat ich vor und warf mich zu den Füßen des Königs.","norm":"Der König schwört, die hinterlistige Tat, und wäre es auch an seinem eigenen Kinde, aufs schrecklichste zu ahnden — damals sah ich Dich zitternd in der Ferne stehen, und jetzt, jetzt trat ich vor und warf mich zu den Füßen des Königs."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":162,"orig":"Ich, ich that es, rief ich aus:","norm":"Ich, ich tat es, rief ich aus:"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":163,"orig":"An deinem Sohn erfülle deine Rache.","norm":"An deinem Sohn erfülle deine Rache."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":164,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":165,"orig":"Woran mahnen Sie mich, Prinz!","norm":"Woran mahnen Sie mich, Prinz!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":166,"orig":"Sie ward’s: im Angeſicht des ganzen Hofgeſindes, das mitleidsvoll im Kreiſe ſtand, ward ſie auf Sklavenart an Deinem Karl vollzogen.","norm":"Sie ward es: im Angesicht des ganzen Hofgesindes, das mitleidsvoll im Kreise stand, wurde sie auf Sklavenart an Deinem Karl vollzogen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":167,"orig":"Ich ſah auf Dich und weinte nicht.","norm":"Ich sah auf Dich und weinte nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":168,"orig":"Der Schmerz ſchlug meine Zähne knirſchend an einander; ich weinte nicht.","norm":"Der Schmerz schlug meine Zähne knirschend aneinander; Ich weinte nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":169,"orig":"Ja!","norm":"Ja!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":170,"orig":"Ja, riefſt Du aus; mein Stolz iſt überwunden.","norm":"Ja, riefst Du aus; mein Stolz ist überwunden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":171,"orig":"Ich will bezahlen, wenn Du König biſt.","norm":"Ich will bezahlen, wenn Du König bist."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":172,"orig":"Ich will es, Karl.","norm":"Ich will es, Karl."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":173,"orig":"Das kindiſche Gelübde erneur’ ich jetzt als Mann.","norm":"Das kindische Gelübde erneuere ich jetzt als Mann."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":174,"orig":"Ich will bezahlen.","norm":"Ich will bezahlen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":175,"orig":"Auch meine Stunde ſchlägt vielleicht.","norm":"Auch meine Stunde schlägt vielleicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":176,"orig":"Jetzt, jetzt.","norm":"Jetzt, jetzt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":177,"orig":"O zög’re nicht.","norm":"O zögere nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":178,"orig":"Jetzt hat ſie ja geſchlagen.","norm":"Jetzt hat sie ja geschlagen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":179,"orig":"Die Zeit iſt da, wo Du es löſen kannſt.","norm":"Die Zeit ist da, wo Du es lösen kannst."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":180,"orig":"Es ſoll, es ſoll heraus.","norm":"Es soll, es soll heraus."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":181,"orig":"In Deinen blaſſen Mienen will ich das Urtheil meines Todes leſen.","norm":"In Deinen blassen Mienen will ich das Urteil meines Todes lesen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":182,"orig":"Hör’ an — erſtarre — doch erwiedre nichts — Ich liebe meine Mutter.","norm":"Höre an — erstarre — doch erwidere nichts — Ich liebe meine Mutter."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":183,"orig":"O mein Gott!","norm":"O mein Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":184,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":185,"orig":"Dieſe Schonung will ich nicht.","norm":"Diese Schonung will ich nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":186,"orig":"Sprich’s aus, ſprich, daß auf dieſem großen Rund der Erde kein Elend an das meine gränze — ſprich — Was Du mir ſagen kannſt, errath’ ich ſchon.","norm":"Sprich es aus, Sprich, dass auf diesem großen Rund der Erde kein Elend an das Meine Grenze — sprich — was Du mir sagen kannst, errate ich schon."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":187,"orig":"Der Sohn liebt ſeine Mutter.","norm":"Der Sohn liebt seine Mutter."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":188,"orig":"Weltgebräuche, die Ordnung der Natur und Roms Geſetze verdammen dieſe Leidenſchaft.","norm":"Weltgebräuche, die Ordnung der Natur und Roms Gesetze Verdammen diese Leidenschaft."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":189,"orig":"Mein Anſpruch ſtößt fürchterlich auf meines Vaters Rechte.","norm":"Mein Anspruch stößt fürchterlich auf meines Vaters Rechte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":190,"orig":"Ich fühl’s, und dennoch lieb’ ich.","norm":"Ich fühle es, und dennoch liebe ich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":191,"orig":"Dieſer Weg führt nur zu Wahnſinn oder Blutgerüſte.","norm":"Dieser Weg führt nur zu Wahnsinn oder Blutgerüste."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":192,"orig":"Ich liebe ohne Hoffnung — laſterhaft — mit Todesangſt und mit Gefahr des Lebens — das ſeh’ ich ja, und dennoch lieb’ ich.","norm":"Ich liebe ohne Hoffnung — lasterhaft — mit Todesangst und mit Gefahr des Lebens — das sehe ich ja, und dennoch liebe ich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":193,"orig":"Weiß die Königinn um dieſe Neigung?","norm":"Weiß die Königin um diese Neigung?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":194,"orig":"Konnt’ ich mich ihr entdecken?","norm":"Konnte ich mich ihr entdecken?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":195,"orig":"Sie iſt Philipps Frau und Königinn, und das iſt Span’ſcher Boden.","norm":"Sie ist Philipps Frau und Königin, und das ist spanischer Boden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":196,"orig":"Von meines Vaters Eiferſucht bewacht, von Etikette ringsum eingeſchloſſen, wie konnt’ ich ohne Zeugen mich ihr nahn?","norm":"Von meines Vaters Eifersucht bewacht, von Etikette ringsum eingeschlossen, wie konnte ich ohne Zeugen mich ihr nahen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":197,"orig":"Acht höllenbange Monde ſind es ſchon, daß von der hohen Schule mich der König an ſeinen Hof zurück berief — daß ich ſie täglich anzuhören — anzuſtarren, verurtheilt bin, und wie das Grab zu ſchweigen, Acht höllenbange Monde, Rodrigo, daß dieſes Feu’r in meinem Buſen wüthet, daß tauſendmal ſich das entſetzliche Geſtändniß ſchon auf meinen Lippen meldet, doch ſcheu und feig zurück zum Herzen kriecht.","norm":"Acht höllenbange Monde sind es schon, dass von der hohen Schule mich der König an seinen Hof zurückberief — dass ich sie täglich anzuschauen — anzuschauen, verurteilt bin, und wie das Grab zu schweigen, Acht höllenbange Monde, Rodrigo, dass dieses Feuer in meinem Busen wütet, dass tausendmal sich das entsetzliche Geständnis schon auf meinen Lippen meldet, doch scheu und feig zurück zum Herzen kriecht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":198,"orig":"O Rodrigo — nur wen’ge Augenblicke, nur ſo viel Zeit, als Menſchen nöthig haben mit Gott ſich zu vergleichen, ſchenke mir allein mit ihr —","norm":"O Rodrigo — nur wenige Augenblicke, nur so viel Zeit, als Menschen nötig haben mit Gott sich zu Allein, schenke mir Allein mit ihr —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":199,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":200,"orig":"Und Ihr Vater, Prinz —","norm":"Und Ihr Vater, Prinz —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":201,"orig":"Unglücklicher!","norm":"Unglücklicher!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":202,"orig":"Warum an den mich mahnen!","norm":"Warum an den mich mahnen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":203,"orig":"Sprich mir von allen Schrecken des Gewiſſens; von meinem Vater ſprich mir nicht.","norm":"Sprich mir von allen Schrecken des Gewissens; von meinem Vater sprich mir nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":204,"orig":"Unheilbar, auf ewig riſſen zwiſchen mir und ihm die demantſtarken Bande der Natur.","norm":"Unheilbar, auf ewig rissen zwischen mir und ihm die diamantstarken Bande der Natur."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":205,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":206,"orig":"Ach nein!","norm":"Ach nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":207,"orig":"Ich haſſe meinen Vater nicht — doch Schauer und Miſſethäters Bangigkeit ergreifen bei den zwo fürchterlichen Silben mich.","norm":"Ich hasse meinen Vater nicht — doch Schauer und Missetäters Bangigkeit ergreifen bei den zwei fürchterlichen Namen mich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":208,"orig":"Kann ich dafür, wenn eine knechtiſche Erziehung ſchon in meinem jungen Herzen der Liebe zarten Keim zertrat?","norm":"Kann ich dafür, wenn eine knechtische Erziehung schon in meinem jungen Herzen der Liebe zarten Keim zertrat?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":209,"orig":"— Sechs Jahre hatt ich gelebt, als mir zum erſtenmal der Fürchterliche, der, wie ſie mir ſagten, mein Vater war, vor Augen kam.","norm":"— Sechs Jahre hatte ich gelebt, als mir zum ersten Mal der Fürchterliche, der, wie sie mir sagten, mein Vater war, vor Augen kam."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":210,"orig":"Es war an einem Morgen, wo er ſteh’nden Fußes vier Bluturtheile unterſchrieb.","norm":"Es war an einem Morgen, wo er stehenden Fußes Vier Bluturteile unterschrieb."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":211,"orig":"Nach dieſem ſah ich ihn nur, wenn mir für ein Vergehn Beſtrafung angekündigt ward — O Gott!","norm":"Nach diesem Sah ich ihn nur, wenn mir für ein Vergehn Bestrafung angekündigt wurde — O Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":212,"orig":"hier fühl’ ich, daß ich bitter werde — Weg — weg, weg von dieſer Stelle.","norm":"Hier fühle ich, dass ich bitter werde — Weg — weg, weg von dieser Stelle."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":213,"orig":"Nein, Sie ſollen, jetzt ſollen Sie Sich öffnen, Prinz.","norm":"Nein, Sie sollen, jetzt sollen Sie Sich öffnen, Prinz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":214,"orig":"In Worten erleichtert ſich der ſchwer beladne Buſen.","norm":"In Worten Erleichtert sich der schwer beladene Busen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":215,"orig":"Oft hab’ ich mit mir ſelbſt gerungen, oft um Mitternacht, wenn meine Wachen ſchliefen, mit heißen Thränengüſſen vor das Bild der Hochgebenedeihten mich geworfen, ſie um ein kindlich Herz gefleht — doch ohne Erhörung ſtand ich auf.","norm":"Oft habe ich mit mir selbst gerungen, oft um Mitternacht, wenn meine Wachen schliefen, mit heißen Tränengüssen vor das Bild der Hochgebenedeiten mich geworfen, sie um ein kindlich Herz gefleht — doch ohne Erhörung stand ich auf."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":216,"orig":"Ach Rodrigo!","norm":"Ach Rodrigo!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":217,"orig":"enthülle Du dieß wunderbare Räthſel der Vorſicht mir — — Warum von tauſend Vätern juſt eben dieſen Vater Mir?","norm":"Enthülle Du dies wunderbare Rätsel der Vorsicht mir — — warum von tausend Vätern Just eben diesen Vater mir?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":218,"orig":"Und Ihm juſt dieſen Sohn von tauſend beſſern Söhnen?","norm":"Und ihm Just diesen Sohn von tausend besseren Söhnen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":219,"orig":"Zwei unverträglichere Gegentheile fand die Natur in ihrem Umkreis nicht.","norm":"Zwei unverträglichere Gegenteile fand die Natur in ihrem Umkreis nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":220,"orig":"Wie mochte ſie die beiden letzten Enden des menſchlichen Geſchlechtes — Mich und Ihn — durch ein ſo heilig Band zuſammen zwingen?","norm":"Wie mochte sie die beiden letzten Enden des menschlichen Geschlechtes — mich und ihn — durch ein so heilig Band zusammenzwingen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":221,"orig":"Furchtbares Loos!","norm":"Furchtbares Los!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":222,"orig":"Warum mußt’ es geſchehn?","norm":"Warum musste es geschehen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":223,"orig":"Warum zwei Menſchen, die ſich ewig meiden, in Einem Wunſche ſchrecklich ſich begegnen?","norm":"Warum zwei Menschen, die sich ewig meiden, in einem Wunsche schrecklich sich begegnen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":224,"orig":"Hier, Rodrigo, ſiehſt Du zwei feindliche Geſtirne, die im ganzen Lauf der Zeiten ein einzigmal in ſcheitelrechter Bahn zerſchmetternd ſich berühren, dann auf immer und ewig aus einander fliehn.","norm":"Hier, Rodrigo, siehst Du zwei feindliche Gestirne, die im ganzen Lauf der Zeiten ein einzig Mal in scheitelrechter Bahn zerschmetternd sich berühren, dann auf immer und ewig auseinanderfliehn."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":225,"orig":"Mir ahndet ein unglücksvoller Augenblick.","norm":"Mir ahndet ein unglücksvoller Augenblick."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":226,"orig":"Mir ſelbſt.","norm":"Mir selbst."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":227,"orig":"Wie Furien des Abgrunds folgen mir die ſchauerlichſten Träume.","norm":"Wie Furien des Abgrunds folgen mir Die schauerlichsten Träume."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":228,"orig":"Zweifelnd ringt mein guter Geiſt mit gräßlichen Entwürfen, durch labirinthiſche Sophismen kriecht mein unglückſel’ger Scharfſinn, bis er endlich vor eines Abgrunds gähem Rande ſtutzt — O Rodrigo, wenn ich den Vater je in ihm verlernte — Rodrigo — ich ſehe, dein todtenblaſſer Blick hat mich verſtanden.","norm":"Zweifelnd ringt mein guter Geist mit grässlichen Entwürfen, durch labyrinthische Sophismen kriecht mein unglückseliger Scharfsinn, bis er endlich vor eines Abgrunds gähem Rande stutzt — O Rodrigo, wenn ich den Vater je in ihm verlernte — Rodrigo — ich sehe, Dein totenblasser Blick hat mich verstanden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":229,"orig":"Wenn ich den Vater je in ihm verlernte, was würde mir der König ſein?","norm":"Wenn ich den Vater je in ihm verlernte, was würde mir der König sein?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":230,"orig":"Darf ich an meinen Karlos eine Bitte wagen?","norm":"Darf ich an meinen Carlos eine Bitte wagen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":231,"orig":"Was Sie auch Willens ſind zu thun — ſo heſtig auch Leidenſchaft Sie drängen mag, verſprechen Sie, ohne Ihren Freund nichts zu beſchließen.","norm":"Was Sie auch Willens sind zu tun — so heftig auch Leidenschaft Sie drängen mag, versprechen Sie, ohne Ihren Freund nichts zu beschließen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":232,"orig":"Verſprechen Sie mir dieſes?","norm":"Versprechen Sie mir dieses?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":233,"orig":"Alles, alles, was Deine Liebe mir gebeut.","norm":"Alles, alles, was Deine Liebe mir gebietet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":234,"orig":"Ich werfe mich ganz in Deine Arme.","norm":"Ich werfe mich ganz in Deine Arme."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":235,"orig":"Wie man ſagt, will der Monarch zur Stadt zurücke kehren.","norm":"Wie man sagt, Will der Monarch zur Stadt zurückekehren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":236,"orig":"Die Zeit iſt kurz.","norm":"Die Zeit ist kurz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":237,"orig":"Wenn Sie die Königinn geheim zu ſprechen wünſchen, kann es nirgends als in Aranjuez geſchehn.","norm":"Wenn Sie die Königin Geheim zu sprechen wünschen, kann es nirgends Als in Aranjuez geschehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":238,"orig":"Die Stille des Orts — des Landes ungezwungne Sitte begünſtigen —","norm":"Die Stille des Orts — des Landes ungezwungene Sitte Begünstigen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":239,"orig":"Das war auch meine Hoffnung.","norm":"Das war auch meine Hoffnung."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":240,"orig":"Doch ach ſie war vergebens!","norm":"Doch ach sie war vergebens!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":241,"orig":"Nicht ſo ganz.","norm":"Nicht so ganz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":242,"orig":"Sie weiß, und Sie nur, das Geheimniß unſ’rer Freund: ſchaft.","norm":"Sie weiß, und Sie nur, das Geheimnis unserer Freund: ſchaft."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":243,"orig":"Iſt ſie in Spanien dieſelbe noch, die ſie vordem an Heinrichs Hof geweſen, ſo find’ ich Offenherzigkeit.","norm":"Ist sie in Spanien dieselbe noch, die sie vordem an Heinrichs Hof gewesen, so finde ich Offenherzigkeit."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":244,"orig":"Ich komme auf ihren Sohn zu reden —","norm":"Ich komme auf ihren Sohn zu reden —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":245,"orig":"Aus ihren Blicken ſpricht ihr Herz.","norm":"Aus ihren Blicken spricht ihr Herz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":246,"orig":"Kann ich in dieſen Blicken Karlos Hoffnung leſen, find’ ich zu dieſer Unterredung ſie geſtimmt — ſind ihre Damen zu entfernen —","norm":"Kann ich in ihren Blicken Carlos Hoffnung lesen, finde ich zu dieser Unterredung sie Gestimmt — sind ihre Damen zu entfernen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":247,"orig":"Die meiſten ſind mir zugethan — Beſonders die Mondekar hab’ ich durch ihren Sohn, der mir als Page dient, gewonnen.","norm":"Die meisten sind mir zugetan — besonders die Mondekar habe ich durch ihren Sohn, der mir als Page dient, gewonnen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":248,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":249,"orig":"Deſto beſſer.","norm":"Desto besser."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":250,"orig":"So ſind Sie in der Nähe, Prinz, ſogleich auf mein gegebnes Zeichen zu erſcheinen.","norm":"So sind Sie in der Nähe, Prinz, sogleich auf mein gegebenes Zeichen zu erscheinen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":251,"orig":"Das will ich — will ich — alſo eile nur.","norm":"Das will ich — will ich — also eile nur."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":252,"orig":"Ja!","norm":"Ja!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":253,"orig":"Wenn das gelänge!","norm":"Wenn das gelänge!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":254,"orig":"Ich will nun keinen Augenblick verlieren.","norm":"Ich will nun keinen Augenblick verlieren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":255,"orig":"Dort alſo, Prinz, auf Wiederſehn.","norm":"Dort also, Prinz, auf Wiedersehn."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":256,"orig":"Sie will ich um mich haben, Mondekar.","norm":"Sie will ich um mich haben, Mondekar."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":257,"orig":"Die muntern Augen der Prinzeſſinn quälen mich ſchon den ganzen Morgen.","norm":"Die munteren Augen der Prinzessin quälen mich schon den ganzen Morgen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":258,"orig":"Sehen Sie, kaum weiß ſie ihre Freude zu verbergen, weil ſie vom Lande Abſchied nimmt.","norm":"Sehen Sie, kaum weiß sie ihre Freude zu verbergen, weil sie vom Lande Abschied nimmt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":259,"orig":"Ich will es nicht läugnen, meine Königinn, daß ich Madrid mit Freuden wieder ſehe.","norm":"Ich will es Nicht leugnen, meine Königin, dass ich Madrid mit Freuden wiedersehe."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":260,"orig":"Und Ihro Majeſtät nicht auch?","norm":"Und Ihre Majestät nicht auch?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":261,"orig":"Sie ſollten ſo ungern von Aranjuez Sich trennen?","norm":"Sie sollten so ungern von Aranjuez sich trennen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":262,"orig":"Von — — dieſer ſchönen Gegend wenigſtens.","norm":"Von — — dieser schönen Gegend wenigstens."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":263,"orig":"Hier bin ich wie in meiner Welt.","norm":"Hier bin ich wie in meiner Welt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":264,"orig":"Dieß Plätzchen hab’ ich mir längſt zum Liebling auserleſen.","norm":"Dies Plätzchen habe ich mir längst zum Liebling auserlesen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":265,"orig":"Hier grüßt mich meine ländliche Natur, die Buſenfreundinn meiner jungen Jahre.","norm":"Hier grüßt mich meine ländliche Natur, die Busenfreundin meiner jungen Jahre."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":266,"orig":"Hier find’ ich meine Kinderſpiele wieder, und meines Frankreichs Lüfte wehen hier.","norm":"Hier finde ich meine Kinderspiele wieder, und meines Frankreichs Lüfte wehen hier."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":267,"orig":"Verargen Sie mir’s nicht.","norm":"Verargen Sie mir es nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":268,"orig":"Iſt man das in Frankreich auch?","norm":"Ist man das in Frankreich auch?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":269,"orig":"Wie einſam aber, wie todt und traurig iſt es hier!","norm":"Wie einsam aber, wie tot und traurig ist es hier!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":270,"orig":"Man glaubt ſich in la Trappe.","norm":"Man glaubt sich in la Trappe."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":271,"orig":"Das Gegentheil vielmehr.","norm":"Das Gegenteil vielmehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":272,"orig":"Todt find’ ich es nur in Madrid — Doch was ſpricht unſre Herzoginn dazu?","norm":"Tod finde ich es nur in Madrid — doch was Spricht unsere Herzogin dazu?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":273,"orig":"Ich bin der Meinung, Ihro Majeſtät, daß es ſo Sitte war, den einen Monat hier, den andern in dem Pardo auszuhalten, den Winter in der Reſidenz, ſo lange es Könige in Spanien gegeben.","norm":"Ich bin der Meinung, Ihre Majestät, dass es so Sitte war, den einen Monat hier, den anderen in dem Pardo auszuhalten, den Winter in der Residenz, solange es Könige in Spanien gegeben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":274,"orig":"Ja, Herzoginn, das wiſſen Sie, mit Ihnen hab’ ich auf immer mich des Streits begeben.","norm":"Ja, Herzogin, das wissen Sie, mit Ihnen habe ich auf immer mich des Streits begeben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":275,"orig":"Und wie lebendig es mit nächſtem in Madrid ſein wird.","norm":"Und wie lebendig es mit nächstem in Madrid sein wird."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":276,"orig":"Zu einem Stiergefechte wird ſchon die Plaza Mayor zugerichtet, und ein Auto da Fe hat man uns auch verſprochen —","norm":"Zu einem Stiergefechte wird schon die Plaza Mayor zugerichtet, und ein Auto da Fe hat man uns auch Versprochen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":277,"orig":"Uns verſprochen!","norm":"Uns versprochen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":278,"orig":"Hör’ ich das von meiner ſanften Mondekar?","norm":"Höre ich das Von meiner sanften Mondekar?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":279,"orig":"Warum nicht?","norm":"Warum nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":280,"orig":"Es ſind ja Ketzer, die man brennen ſieht.","norm":"Es sind ja Ketzer, die man brennen sieht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":281,"orig":"Ich hoffe meine Eboli denkt anders.","norm":"Ich hoffe meine Eboli denkt anders."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":282,"orig":"Ich?","norm":"Ich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":283,"orig":"— Ihro Majeſtät, ich bitte ſehr, für keine ſchlecht’re Chriſtinn mich zu halten, als die Marquiſinn Mondekar.","norm":"— Ihre Majestät, ich bitte sehr, für keine schlechtere Christin mich zu halten, als die Marquisin Mondekar."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":284,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":285,"orig":"Ich vergeſſe wo ich bin — Zu etwas anderm — vom Lande, glaub’ ich, ſprachen wir.","norm":"Ich vergesse wo ich bin — zu etwas anderem — vom Lande, glaube ich, sprachen wir."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":286,"orig":"Der Monat iſt, däucht mir, auch erſtaunlich ſchnell vorüber.","norm":"Der Monat ist, dünkt mir, auch erstaunlich schnell vorüber."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":287,"orig":"Ich habe mir der Freude viel, ſehr viel, von dieſem Aufenthalt verſprochen, und ich habe nicht gefunden, was ich hoffte.","norm":"Ich habe mir der Freude viel, sehr viel, von diesem Aufenthalt versprochen, und Ich habe nicht gefunden, was ich hoffte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":288,"orig":"Geht es mit jeder Hoffnung ſo?","norm":"Geht es mit jeder Hoffnung so?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":289,"orig":"Ich kann den Wunſch nicht finden, der mir fehlgeſchlagen.","norm":"Ich kann den Wunsch nicht finden, der mir fehlgeschlagen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":290,"orig":"Prinzeſſinn Eboli, Sie haben uns noch nicht geſagt, ob Gomez hoffen darf?","norm":"Prinzessin Eboli, Sie haben uns Noch nicht gesagt, ob Gomez hoffen darf?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":291,"orig":"Ob wir Sie bald als ſeine Braut begrüßen?","norm":"Ob wir Sie bald als seine Braut begrüßen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":292,"orig":"Ja!","norm":"Ja!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":293,"orig":"Gut, daß Sie mich mahnen, Herzoginn.","norm":"Gut, dass Sie mich mahnen, Herzogin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":294,"orig":"Man bittet mich bei Ihnen fürzuſprechen; Wie aber kann ich das?","norm":"Man bittet mich bei Ihnen fürzusprechen; wie aber kann ich das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":295,"orig":"Der Mann, den ich mit meiner Eboli belohne, muß ein würd’ger Mann ſein.","norm":"Der Mann, den ich mit meiner Eboli belohne, muss ein würdiger Mann sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":296,"orig":"Ihro Majeſtät, das iſt er — ein ſehr würd’ger Mann — ein Mann, den unſer gnädigſter Monarch bekanntlich mit ihrer königlichen Gunſt beehren.","norm":"Ihre Majestät, das ist er — ein sehr würdiger Mann — ein Mann, den unser gnädigster Monarch bekanntlich mit ihrer königlichen Gunst beehren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":297,"orig":"Das wird den Mann ſehr glücklich machen — Doch wir wollen wiſſen, ob er lieben kann, und Liebe kann verdienen.","norm":"Das wird den Mann sehr glücklich machen — doch wir wollen wissen, ob er lieben kann, und Liebe kann verdienen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":298,"orig":"— Eboli, das frag’ ich Sie.","norm":"— Eboli, das frag ich Sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":299,"orig":"Großmüth’ge Königinn, erbarmen Sie Sich meiner.","norm":"Großmütige Königin, Erbarmen Sie Sich meiner."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":300,"orig":"Laſſen Sie — um Gottes willen, laſſen Sie mich nicht — nicht aufgeopfert werden.","norm":"Lassen Sie — um Gottes willen, lassen Sie mich nicht — nicht aufgeopfert werden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":301,"orig":"Aufgeopfert?","norm":"Aufgeopfert?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":302,"orig":"Ich brauche nichts mehr.","norm":"Ich brauche nichts mehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":303,"orig":"Stehn Sie auf.","norm":"Stehen Sie auf."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":304,"orig":"Es iſt ein hartes Schickſal, aufgeopfert werden.","norm":"Es ist ein hartes Schicksal, aufgeopfert werden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":305,"orig":"Ich glaube Ihnen.","norm":"Ich glaube Ihnen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":306,"orig":"Stehn Sie auf.","norm":"Stehen Sie auf."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":307,"orig":"— Iſt es ſchon lang’, daß Sie den Grafen ausgeſchlagen?","norm":"— Ist es schon lang, dass Sie den Grafen ausgeschlagen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":308,"orig":"O viele Monate.","norm":"O viele Monate."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":309,"orig":"Prinz Karlos war noch auf der hohen Schule.","norm":"Prinz Carlos war noch auf der hohen Schule."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":310,"orig":"Haben Sie Sich auch geprüft, aus welchen Gründen?","norm":"Haben Sie sich auch geprüft, aus welchen Gründen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":311,"orig":"Niemals kann es geſchehen, meine Königinn, aus tauſend Gründen niemals.","norm":"Niemals kann es geschehen, meine Königin, aus tausend Gründen niemals."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":312,"orig":"Mehr als Einer iſt zu viel.","norm":"Mehr als Einer ist zu viel."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":313,"orig":"Sie können ihn nicht ſchätzen — das iſt mir genug.","norm":"Sie können ihn nicht schätzen — das ist mir genug."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":314,"orig":"Nichts mehr davon.","norm":"Nichts mehr davon."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":315,"orig":"Ich habe ja die Infantinn heut noch nicht geſehen.","norm":"Ich habe ja die Infantin heute noch nicht gesehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":316,"orig":"Marquiſinn, bringen Sie ſie mir.","norm":"Marquisin, bringen Sie sie mir."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":317,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":318,"orig":"Es iſt noch nicht die Stunde, Ihro Majeſtät —","norm":"Es ist noch nicht die Stunde, Ihre Majestät —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":319,"orig":"Noch nicht die Stunde, wo ich Mutter ſeyn darf?","norm":"Noch nicht die Stunde, wo ich Mutter sein darf?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":320,"orig":"Das iſt doch ſchlimm.","norm":"Das ist doch schlimm."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":321,"orig":"Vergeſſen Sie es ja nicht, mich zu erinnern wenn ſie kommt.","norm":"Vergessen Sie es ja nicht, mich zu erinnern wenn sie kommt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":322,"orig":"Der Marquis von Poſa, Ihro Majeſtät —","norm":"Der Marquis von Posa, Ihre Majestät —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":323,"orig":"Von Poſa?","norm":"Von Posa?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":324,"orig":"Er kommt aus Frankreich und den Niederlanden, und wünſcht die Gnade zu erhalten, Briefe von der Regentinn Mutter übergeben zu dürfen.","norm":"Er kommt aus Frankreich und den Niederlanden, und wünscht die Gnade zu erhalten, Briefe von der Regentin Mutter übergeben zu dürfen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":325,"orig":"Und das iſt erlaubt?","norm":"Und das ist erlaubt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":326,"orig":"In meiner Vorſchrift iſt des beſondern Falles nicht gedacht, wenn ein Kaſtilian’ſcher Grande Briefe von einem fremden Hof der Königinn von Spanien in ihrem Garten zu überreichen kommt.","norm":"In meiner Vorschrift ist des besonderen Falles nicht gedacht, wenn ein Kastilianischer Grande Briefe von einem fremden Hof der Königin von Spanien in ihrem Garten zu überreichen kommt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":327,"orig":"So will ich denn auf meine Gefahr es wagen —","norm":"So will ich denn auf meine Gefahr es wagen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":328,"orig":"Wenigſtens erbitt’ ich von Ihro Majeſtät die Gnade mir, mich ſo lang’ zu entfernen —","norm":"Wenigstens erbitte ich von Ihre Majestät die Gnade mir, mich so lange zu entfernen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":329,"orig":"Halten Sie das, wie Sie wollen, Herzoginn.","norm":"Halten Sie das, wie Sie wollen, Herzogin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":330,"orig":"Königinn.","norm":"Königin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":331,"orig":"Prinzeſſinn von Eboli.","norm":"Prinzessin von Eboli."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":332,"orig":"Marquiſinn von Mondekar und Marquis von Poſa.","norm":"Marquisin von Mondekar und Marquis von Posa."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":333,"orig":"Ich heiße Sie willkommen, Chevalier, auf Span’ſchem Boden.","norm":"Ich heiße Sie Willkommen, Chevalier, auf spanischem Boden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":334,"orig":"Den ich noch nie mit ſo gerechtem Stolze mein Vaterland genannt als jetzt —","norm":"Den ich noch nie mit so gerechtem Stolze mein Vaterland genannt als jetzt —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":335,"orig":"Der Marquis von Poſa, der im Ritterſpiel zu Rheims mit meinem Vater eine Lanze brach, und meine Farbe dreimal ſiegen machte — Der erſte ſeiner Nation, der mich den Ruhm empfinden lehrte, Königinn der Spanier zu ſein.","norm":"Der Marquis von Posa, der im Ritterspiel zu Reims mit meinem Vater eine Lanze brach, und meine Farbe dreimal siegen machte — der erste seiner Nation, der mich den Ruhm empfinden lehrte, Königin der Spanier zu sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":336,"orig":"Als wir im Louvre zum letztenmal uns ſahen, Chevalier, da träumt’ es Ihnen wohl noch nicht, daß Sie mein Gaſt ſein würden in Kaſtilien.","norm":"Als wir im Louvre zum letzten Mal uns sahen, Chevalier, da träumte es Ihnen wohl noch nicht, dass Sie mein Gast sein würden in Kastilien."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":337,"orig":"Nein, große Königinn — denn damals träumte mir nicht, daß Frankreich noch das Einzige an uns verlieren würde, was wir ihm beneidet hatten.","norm":"Nein, große Königin — denn damals träumte mir nicht, dass Frankreich noch das Einzige an uns verlieren würde, was wir ihm Beneidet hatten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":338,"orig":"Stolzer Spanier!","norm":"Stolzer Spanier!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":339,"orig":"Das Einzige?","norm":"Das Einzige?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":340,"orig":"— Und das zu einer Tochter vom Hauſe Valois?","norm":"— Und das zu einer Tochter vom Hause Valois?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":341,"orig":"Jetzt darf ich es ja ſagen, Ihro Majeſtät — denn jetzt ſind Sie ja unſer.","norm":"Jetzt darf ich es ja sagen, Ihre Majestät — denn jetzt sind Sie ja unser."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":342,"orig":"Ihre Reiſe, hör’ ich, hat auch durch Frankreich Sie geführt — Was bringen Sie mir von meiner hochverehrten Mutter und meinen vielgeliebten Brüdern?","norm":"Ihre Reise, höre ich, hat auch durch Frankreich Sie geführt — was bringen Sie mir von meiner hochverehrten Mutter und meinen vielgeliebten Brüdern?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":343,"orig":"Die Regentinn Mutter fand ich krank, geſchieden von jeder andern Freude dieſer Welt, als ihre königliche Tochter glücklich zu wiſſen auf dem Span’ſchen Thron.","norm":"Die Regentin Mutter fand ich krank, geschieden von jeder anderen Freude dieser Welt, als ihre königliche Tochter glücklich zu wissen auf dem spanischen Thron."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":344,"orig":"Muß ſie es nicht ſein bei dem theuern Angedenken ſo zärtlicher Verwandten?","norm":"Muss sie es nicht sein bei dem teuren Angedenken so zärtlicher Verwandten?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":345,"orig":"bei der ſüßen Erinnerung an — — — Sie haben viele Höfe beſucht auf Ihren Reiſen, Chevalier; den halben Norden, leſ’ ich, durchgereiſ’t — In London waren Sie ſehr lang’.","norm":"bei der süßen Erinnerung an — — — Sie haben viele Höfe besucht auf Ihren Reisen, Chevalier; den halben Norden, lese ich, durchgereist — in London waren Sie sehr lange."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":346,"orig":"— Mondekar?","norm":"— Mondekar?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":347,"orig":"Und jetzt ſind Sie geſonnen in Ihrem Vaterland Sich ſelbſt zu leben?","norm":"Und jetzt sind Sie gesonnen in Ihrem Vaterland sich selbst zu leben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":348,"orig":"Ein größ’rer Fürſt in Ihren ſtillen Mauern, als König Philipp auf dem Thron — ein Freier!","norm":"Ein größerer Fürst in Ihren stillen Mauern, als König Philipp auf dem Thron — ein Freier!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":349,"orig":"ein Philoſoph!","norm":"Ein Philosoph!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":350,"orig":"— Ich zweifle ſehr, ob Sie Sich werden können in Madrid gefallen.","norm":"— Ich zweifle sehr, ob Sie Sich werden können in Madrid gefallen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":351,"orig":"Man iſt ſehr — — — ruhig in Madrid.","norm":"Man ist sehr — — — ruhig in Madrid."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":352,"orig":"Und das iſt mehr, als ſich das ganze übrige Europa zu erfreuen hat.","norm":"Und das ist mehr, als sich das ganze übrige Europa zu erfreuen hat."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":353,"orig":"So hör’ ich.","norm":"So höre ich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":354,"orig":"Ich habe alle Händel dieſer Erde bis faſt auf die Erinnerung verlernt.","norm":"Ich habe alle Händel dieser Erde bis fast auf die Erinnerung verlernt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":355,"orig":"Mir däucht, Prinzeſſinn Eboli, ich ſehe dort eine Hyazinthe blühen — Wollen Sie mir ſie bringen?","norm":"Mir dünkt, Prinzessin Eboli, ich sehe dort eine Hyazinthe blühen — Wollen Sie mir sie bringen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":356,"orig":"Chevalier, ich müßte mich ſehr betrügen, oder Ihre Ankunft hat einen frohen Menſchen mehr gemacht an dieſem Hof.","norm":"Chevalier, ich müsste mich sehr betrügen, oder Ihre Ankunft hat einen frohen Menschen mehr gemacht an diesem Hof."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":357,"orig":"Ich habe einen ſehr traurigen gefunden — den auf dieſer Welt nur etwas fröhlich —","norm":"Ich habe Einen sehr Traurigen gefunden — den auf dieser Welt nur etwas fröhlich —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":358,"orig":"Da der Chevalier ſo vtele Länder hat geſehen, wird er ohne Zweifel viel merkwürdiges uns zu erzählen wiſſen.","norm":"Da der Chevalier so viele Länder hat gesehen, wird er ohne Zweifel viel Merkwürdiges Uns zu erzählen wissen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":359,"orig":"Allerdings.","norm":"Allerdings."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":360,"orig":"Und Abenteuer ſuchen iſt bekanntlich der Ritter Pflicht — die hetligſte von allen die Damen zu beſchützen.","norm":"Und Abenteuer suchen ist bekanntlich der Ritter Pflicht — die heiligste von allen die Damen zu beschützen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":361,"orig":"Gegen Rieſen.","norm":"Gegen Riesen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":362,"orig":"Jetzt gibt es keine Rieſen mehr.","norm":"Jetzt gibt es keine Riesen mehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":363,"orig":"Gewalt iſt für den Schwachen jederzeit ein Rieſe.","norm":"Gewalt ist für den Schwachen jederzeit ein Riese."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":364,"orig":"Der Chevalier hat Recht.","norm":"Der Chevalier hat Recht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":365,"orig":"Es gibt noch Rieſen, doch keine Ritter gibt es mehr.","norm":"Es gibt noch Riesen, doch keine Ritter gibt es mehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":366,"orig":"Noch jüngſt, auf meinem Rückweg von Neapel, war ich Zeuge einer rührenden Geſchichte, die mir der Freundſchaft heiliges Legat zu meiner eigenen gemacht — — — Wenn ich nicht fürchten müßte Ihre Majeſtät durch die Erzählung zu ermüden —","norm":"Noch jüngst, auf meinem Rückweg von Neapel, war Ich Zeuge einer rührenden Geschichte, die mir der Freundschaft heiliges Legat zu meiner eigenen gemacht — — — wenn ich nicht fürchten müsste Ihre Majestät durch die Erzählung zu ermüden —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":367,"orig":"Bleibt mir eine Wahl?","norm":"Bleibt mir eine Wahl?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":368,"orig":"Die Neugier der Prinzeſſinn läßt ſich nichts unterſchlagen.","norm":"Die Neugier der Prinzessin lässt sich nichts unterschlagen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":369,"orig":"Nur zur Sache.","norm":"Nur zur Sache."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":370,"orig":"Auch ich bin eine Freundinn von Geſchichten.","norm":"Auch ich bin eine Freundin von Geschichten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":371,"orig":"Zwei edle Häuſer in Mirandola, der Eiferſucht, der langen Feindſchaft müde, die von den Gibellinen und den Guelfen Jahrhunderte ſchon fortgeerbt, beſchloſſen, durch der Verwandtſchaft zarte Bande ſich in einem ew’gen Frieden zu vereinen.","norm":"Zwei edle Häuser in Mirandola, der Eifersucht, der langen Feindschaft müde, die von den Ghibellinen und den Guelfen Jahrhunderte schon fortgeerbt, beschlossen, durch der Verwandtschaft zarte Bande sich in einem ewigen Frieden zu vereinen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":372,"orig":"Des mächtigen Pietro Schweſterſohn, Fernando, und die göttliche Mathilde, Colonna’s Tochter, waren auserſehn, Dieß ſchöne Band der Einigkeit zu knüpfen.","norm":"Des mächtigen Pietro Schwestersohn, Fernando, und die göttliche Mathilde, Colonnas Tochter, waren ausersehen, dies schöne Band der Einigkeit zu knüpfen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":373,"orig":"Nie hat zwo ſchön’re Herzen die Natur gebildet für einander — nie die Welt, nie eine Wahl ſo glücklich noch geprieſen.","norm":"Nie hat zwei schönere Herzen die Natur gebildet für einander — nie die Welt, nie eine Wahl so glücklich noch gepriesen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":374,"orig":"Noch hatte ſeine liebenswürd’ge Braut Fernando nur im Bildniß angebetet — wie zitterte Fernando wahr zu finden was ſeine feurigſten Erwartungen dem Bilde nicht zu glauben ſich getrauten!","norm":"Noch hatte seine liebenswürdige Braut Fernando nur im Bildnis angebetet — wie zitterte Fernando wahr zu finden was seine feurigsten Erwartungen dem Bilde nicht zu glauben sich getrauten!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":375,"orig":"In Padua, wo ſeine Studien ihn feſſelten, erwartete Fernando des frohen Augenblickes nur, der ihm vergönnen ſollte, zu Mathildens Füßen der Liebe erſte Huldigung zu ſtammeln.","norm":"In Padua, wo seine Studien ihn fesselten, erwartete Fernando Des frohen Augenblickes nur, der ihm Vergönnen sollte, zu Mathildes Füßen der Liebe erste Huldigung zu stammeln."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":376,"orig":"Indeſſen macht der Gattinn Tod die Hand Pierro’s frei — Mit jugendlicher Glut verſchlingt der Greis die Stimmen des Gerüchtes, das in den Ruhm Mathildens ſich ergoß.","norm":"Indessen macht der Gattin Tod die Hand Pietros frei — mit jugendlicher Glut Verschlingt der Greis die Stimmen des Gerüchtes, das in den Ruhm Mathildes sich ergoss."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":377,"orig":"Er kommt!","norm":"Er kommt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":378,"orig":"Er ſieht!","norm":"Er sieht!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":379,"orig":"— Er liebt!","norm":"— Er liebt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":380,"orig":"Die neue Regung erſtickt die leiſ’re Stimme der Natur, der Oheim wirbt um ſeines Neffen Braut und heiligt ſeinen Raub vor dem Altare.","norm":"Die neue Regung erstickt die leisere Stimme der Natur, der Oheim wirbt um seines Neffen Braut und heiligt seinen Raub vor dem Altare."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":381,"orig":"Und was beſchließt Fernando?","norm":"Und was beschließt Fernando?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":382,"orig":"Auf der Liebe Fluͤgeln, des fürchterlichen Wechſels unbewußt, eilt nach Mirandola der Trunkene.","norm":"Auf der Liebe Flügeln, des fürchterlichen Wechsels unbewusst, eilt nach Mirandola der Trunkene."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":383,"orig":"Mit Sternenſchein erreicht ſein ſchnelles Roß die Thore — ein bachantiſches Geiön von Reihen und von Pauken donnert ihm aus dem erleuchteten Pallaſt entgegen.","norm":"Mit Sternenschein erreicht sein schnelles Ross die Tore — ein bacchantisches Getön von Reigen und von Pauken donnert ihm Aus dem erleuchteten Palast entgegen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":384,"orig":"Er bebt die Stufen ſcheu hinauf, und ſieht ſich unerkannt im lauten Hochzeitſaale, wo in der Gäſte taumelndem Gelag Pietro ſaß — ein Engel ihm zur Seite, ein Engel, den Fernando kennt, der ihm in Träumen ſelbſt ſo glänzend nie erſchienen.","norm":"Er bebt die Stufen scheu hinauf, und sieht sich unerkannt im lauten Hochzeitsaale, wo in der Gäste taumelndem Gelage Pietro saß — ein Engel ihm zur Seite, ein Engel, den Fernando kennt, der ihm in Träumen selbst so glänzend nie erschienen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":385,"orig":"Ein einz’ger Blick zeigt ihm was er beſeſſen, zeigt ihm, was er auf immerdar verloren.","norm":"Ein einziger Blick zeigt ihm was er besessen, zeigt ihm, was er auf immerdar verloren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":386,"orig":"Unglücklicher Fernando!","norm":"Unglücklicher Fernando!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":387,"orig":"Die Geſchichte iſt doch zu Ende, Chevalier?","norm":"Die Geschichte ist doch zu Ende, Chevalier?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":388,"orig":"— Sie muß zu Ende ſeyn.","norm":"— Sie muss zu Ende sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":389,"orig":"Noch nicht ganz.","norm":"Noch nicht ganz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":390,"orig":"Sagten Sie uns nicht, Fernando ſei Ihr Freund geweſen?","norm":"Sagten Sie uns nicht, Fernando sei Ihr Freund gewesen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":391,"orig":"Ich habe keinen theurern.","norm":"Ich habe keinen teureren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":392,"orig":"Fahren Sie doch fort in der Geſchichte, Chevalier.","norm":"Fahren Sie doch fort in der Geschichte, Chevalier."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":393,"orig":"Sie wird ſehr traurig — — — und das Angedenken erneuert meinen Schmerz.","norm":"Sie wird sehr traurig — — — und das Angedenken erneuert meinen Schmerz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":394,"orig":"Erlaſſen Sie mir den Beſchluß —","norm":"Erlassen Sie mir den Beschluss —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":395,"orig":"Nun wird mir endlich doch vergönnt ſein, meine Tochter zu umarmen.","norm":"Nun wird mir endlich doch Vergönnt sein, meine Tochter zu umarmen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":396,"orig":"— Prinzeſſinn, bringen Sie ſie mir.","norm":"— Prinzessin, bringen Sie sie mir."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":397,"orig":"Sie haben uns von Mathilden nichts geſagt?","norm":"Sie haben uns von Mathilde nichts gesagt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":398,"orig":"Vielleicht weiß ſie es nicht, wie viel Fernando leidet?","norm":"Vielleicht Weiß sie es nicht, wie viel Fernando leidet?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":399,"orig":"Mathildens Herz hat niemand noch ergründet — Doch große Seelen dulden ſtill.","norm":"Mathildes Herz hat niemand noch ergründet — doch große Seelen dulden still."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":400,"orig":"Sie ſehen Sich um?","norm":"Sie sehen sich um?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":401,"orig":"Wen ſuchen Ihre Augen?","norm":"Wen suchen Ihre Augen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":402,"orig":"Eben erinnr’ ich mich, wie glücklich ein Gewiſſer, den ich nicht nennen darf, an meinem Platze ſein müßte.","norm":"Eben erinnere Ich mich, wie glücklich ein Gewisser, den ich nicht nennen darf, an meinem Platze Sein müsste."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":403,"orig":"Weſſen Schuld iſt es, daß er es nicht iſt?","norm":"Wessen Schuld ist es, dass er es nicht ist?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":404,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":405,"orig":"Darf ich mich unterſtehen dieß zu erklären wie ich will?","norm":"Darf ich mich unterstehen Dies zu erklären wie ich will?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":406,"orig":"— Er würde Vergebung finden, wenn er jetzt erſchiene?","norm":"— Er würde Vergebung finden, wenn er jetzt erschiene?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":407,"orig":"Jetzt?","norm":"Jetzt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":408,"orig":"Jetzt?","norm":"Jetzt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":409,"orig":"Was meinen Sie damit?","norm":"Was meinen Sie damit?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":410,"orig":"Er dürfte hoffen — Dürft’ er?","norm":"Er dürfte hoffen — dürfte er?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":411,"orig":"Sie erſchrecken mich, Chevalier — Er wird doch nicht —","norm":"Sie erschrecken mich, Chevalier — er wird doch nicht —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":412,"orig":"Hier iſt er ſchon.","norm":"Hier ist er schon."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":413,"orig":"So iſt er endlich da der Augenblick, und Karl darf dieſe theure Hand berühren!","norm":"So ist er endlich da der Augenblick, und Karl darf diese teure Hand berühren!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":414,"orig":"O heller Punkt in meinem Lebenslauf — jetzt bin ich glücklich.","norm":"O heller Punkt in meinem Lebenslauf — jetzt bin ich glücklich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":415,"orig":"Unbeſonnener!","norm":"Unbesonnener!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":416,"orig":"Was für ein Schritt — Welch eine ſtrafbare, tollkühne Überraſchung!","norm":"Was für ein Schritt — Welch eine strafbare, tollkühne Überraschung!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":417,"orig":"Stehn Sie auf!","norm":"Stehen Sie auf!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":418,"orig":"— Wir ſind entdeckt.","norm":"— Wir sind entdeckt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":419,"orig":"Mein Hof iſt in der Nähe.","norm":"Mein Hof ist in der Nähe."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":420,"orig":"Ich ſteh’ nicht auf — hier will ich ewig knien.","norm":"Ich stehe nicht auf — hier will ich ewig knien."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":421,"orig":"Auf dieſem Platz will ich verzaubert liegen, in dieſer Stellung angewurzelt.","norm":"Auf diesem Platz will ich verzaubert liegen, in dieser Stellung angewurzelt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":422,"orig":"Raſender!","norm":"Rasender!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":423,"orig":"Zu welcher Kühnheit führt Sie meine Gnade?","norm":"Zu welcher Kühnheit führt Sie meine Gnade?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":424,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":425,"orig":"Wiſſen Sie, daß es die Königinn, daß es die Mutter iſt, an die ſich dieſe verweg’ne Sprache richtet?","norm":"Wissen Sie, dass es die Königin, dass es die Mutter ist, an die sich diese verwegene Sprache richtet?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":426,"orig":"Wiſſen Sie, daß ich — ich ſelbſt von dieſem Überfalle dem Könige —","norm":"Wissen Sie, dass ich — ich selbst von diesem Überfalle dem Könige —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":427,"orig":"Und daß ich ſterben muß.","norm":"Und dass ich sterben muss."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":428,"orig":"Man reiße mich von hier auf’s Blutgerüſte; ein Augenblick gelebt im Paradieſe wird nicht zu theuer mit dem Tod gebüßt.","norm":"Man reiße mich von hier aufs Blutgerüste; ein Augenblick gelebt im Paradiese wird nicht zu teuer mit dem Tod gebüßt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":429,"orig":"Und Ihre Königinn?","norm":"Und Ihre Königin?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":430,"orig":"Gott!","norm":"Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":431,"orig":"Gott!","norm":"Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":432,"orig":"ich gehe — Ich will Sie ja verlaſſen.","norm":"ich gehe — Ich will Sie ja verlassen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":433,"orig":"— Muß ich nicht, wenn Sie es alſo fodern?","norm":"— Muss ich nicht, wenn Sie es also fordern?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":434,"orig":"— Mutter!","norm":"— Mutter!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":435,"orig":"Mutter!","norm":"Mutter!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":436,"orig":"wie ſchrecklich ſpielen Sie mit mir.","norm":"Wie schrecklich spielen Sie mit mir."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":437,"orig":"Ein Wink, ein halber Blick, — ein Laut aus Ihrem Munde wirft zwiſchen Höll’ und Himmel mich herum, gebietet mir zu ſein und zu vergehen.","norm":"Ein Wink, ein halber Blick, — ein Laut aus Ihrem Munde wirft zwischen Hölle und Himmel mich herum, gebietet mir zu sein und zu vergehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":438,"orig":"Was wollen Sie daß noch geſchehen ſoll?","norm":"Was wollen Sie dass noch geschehen soll?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":439,"orig":"Was unter dieſer Sonne kann es geben, das ich nicht hinzuopfern eilen will, wenn Sie es wünſchen?","norm":"Was unter dieser Sonne kann es geben, das ich nicht hinzuopfern eilen will, wenn Sie es wünschen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":440,"orig":"Fliehen Sie.","norm":"Fliehen Sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":441,"orig":"O Gott!","norm":"O Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":442,"orig":"Das einz’ge, Karl, warum ich Sie mit Thränen beſchwöre — Fliehen Sie!","norm":"Das einzige, Karl, warum ich Sie mit Tränen Beschwöre — Fliehen Sie!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":443,"orig":"— eh’ meine Damen — eh’ meine Pagen, — meine Kerkermeiſter — in dieſer heft’gen Wallung Sie und mich beiſammen finden, und die große Zeitung vor Ihres Vaters Ohren bringen — — Noch?","norm":"— ehe meine Damen — ehe meine Pagen, — meine Kerkermeister — in dieser heftigen Wallung Sie und mich Beisammen finden, und die große Zeitung vor Ihres Vaters Ohren bringen — — noch?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":444,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":445,"orig":"Hab’ ich darum meine Hoffnungen auf dieſen einz’gen Augenblick verwieſen, der Sie mir endlich ohne Zeugen ſchenkt, daß falſche Schrecken mich am Ziele täuſchten?","norm":"Habe ich darum meine Hoffnungen auf diesen einzigen Augenblick verwiesen, der Sie mir endlich ohne Zeugen schenkt, dass falsche Schrecken mich am Ziele täuschten?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":446,"orig":"Nein Königinn!","norm":"Nein Königin!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":447,"orig":"Die Welt kann hundertmal, kann tauſendmal um ihre Pole treiben, eh’ dieſe Gunſt der Zufall wiederhohlt.","norm":"Die Welt kann hundertmal, kann tausendmal um ihre Pole treiben, ehe diese Gunst der Zufall wiederholt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":448,"orig":"Auch ſoll er das in Ewigkeit nicht wieder.","norm":"Auch soll er das in Ewigkeit nicht wieder."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":449,"orig":"Unglücklicher!","norm":"Unglücklicher!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":450,"orig":"Was wollen Sie von mir?","norm":"Was wollen Sie von mir?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":451,"orig":"O Königinn, daß ich gerungen habe, gerungen wie kein Sterblicher noch rang, iſt Gott mein Zeuge — Königinn!","norm":"O Königin, dass ich gerungen habe, gerungen wie kein Sterblicher noch rang, ist Gott mein Zeuge — Königin!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":452,"orig":"Umſonſt!","norm":"Umsonst!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":453,"orig":"Hin iſt mein Heldenmuth.","norm":"Hin ist mein Heldenmut."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":454,"orig":"Ich unterliege.","norm":"Ich unterliege."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":455,"orig":"Nichts mehr davon — Um meiner Ruhe willen —","norm":"Nichts mehr davon — um meiner Ruhe willen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":456,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":457,"orig":"Mein gerechter Schmerz erleichtert ſich in wüthender Ergießung.","norm":"Mein gerechter Schmerz erleichtert sich in wütender Ergießung."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":458,"orig":"Sie waren mein — im Angeſicht der Welt mir zugeſprochen von zwei großen Thronen, mir zuerkannt von Himmel und Natur, und Philipp, Philipp hat mir Sie geſtohlen —","norm":"Sie waren mein — im Angesicht der Welt mir zugesprochen von zwei großen Thronen, mir zuerkannt von Himmel und Natur, und Philipp, Philipp hat mir Sie gestohlen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":459,"orig":"Es iſt Ihr Vater.","norm":"Es ist Ihr Vater."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":460,"orig":"Ihr Gemahl.","norm":"Ihr Gemahl."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":461,"orig":"Der Ihnen das größte Reich der Welt zum Erbe gibt.","norm":"Der Ihnen Das größte Reich der Welt zum Erbe gibt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":462,"orig":"Und Sie zur Mutter —","norm":"Und Sie zur Mutter —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":463,"orig":"Großer Gott!","norm":"Großer Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":464,"orig":"Sie raſen —","norm":"Sie rasen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":465,"orig":"Und weiß er auch wie reich er iſt?","norm":"Und weiß er auch wie reich er ist?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":466,"orig":"Hat er ein fühlend Herz, das Ihrige zu ſchätzen?","norm":"Hat er ein fühlend Herz, das Ihrige zu schätzen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":467,"orig":"Ich will nicht klagen.","norm":"Ich will nicht klagen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":468,"orig":"Große Vorſehung, ich will es dir vergeben — will vergeſſen, wie unausſprechlich glücklich Ich mit ihr geworden wäre — wenn nur Er es iſt.","norm":"Große Vorsehung, ich will es dir vergeben — will vergessen, wie unaussprechlich glücklich Ich mit ihr Geworden wäre — wenn nur er es ist."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":469,"orig":"Er iſt es nicht — Das, das iſt Höllenqual!","norm":"Er ist es nicht — das, das ist Höllenqual!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":470,"orig":"Er iſt es nicht und wird es niemals werden.","norm":"Er ist es nicht und wird es niemals werden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":471,"orig":"Du nahmſt mir meinen Himmel nur um ihn in König Philipps Armen zu vertilgen.","norm":"Du nahmst mir meinen Himmel nur um ihn in König Philipps Armen zu vertilgen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":472,"orig":"Wer ſind Sie denn in dieſem Reich?","norm":"Wer sind Sie denn in diesem Reich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":473,"orig":"Laß hören.","norm":"Lass hören."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":474,"orig":"Regentinn etwa?","norm":"Regentin etwa?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":475,"orig":"Nimmermehr!","norm":"Nimmermehr!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":476,"orig":"Wie könnten, wo Sie Regentinn ſind, die Alba würgen?","norm":"Wie könnten, wo Sie Regentin sind, die Alba würgen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":477,"orig":"Wie könnte Flandern für den Glauben bluten?","norm":"Wie könnte Flandern für den Glauben bluten?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":478,"orig":"Wie, oder ſind Sie Philipps Frau?","norm":"Wie, oder sind Sie Philipps Frau?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":479,"orig":"Unmöglich!","norm":"Unmöglich!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":480,"orig":"Ich kann’s nicht glauben.","norm":"Ich kann es nicht glauben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":481,"orig":"Eine Frau beſitzt des Mannes Herz — und wem gehört das ſeine?","norm":"Eine Frau besitzt des Mannes Herz — und wem gehört das seine?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":482,"orig":"Und bittet er nicht jede Zärtlichkeit, die ihm vielleicht in Fiebergluth entwiſchte, dem Zepter ab und ſeinen grauen Haaren?","norm":"Und bittet er nicht jede Zärtlichkeit, die ihm vielleicht in Fieberglut entwischte, dem Zepter ab und seinen grauen Haaren?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":483,"orig":"Wer machte Sie ſo ſtolz dieß zu behaupten?","norm":"Wer machte Sie so stolz dies zu behaupten?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":484,"orig":"Wer ſagte Ihnen, daß an Philipps Seite mein Loos beweinenswürdig ſei?","norm":"Wer sagte Ihnen, dass an Philipps Seite mein Los beweinenswürdig sei?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":485,"orig":"Mein Herz, das feurig fühlt wie es an meiner Seite beneidenswürdig wäre.","norm":"Mein Herz, das feurig fühlt wie es an meiner Seite Beneidenswürdig wäre."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":486,"orig":"Eitler Mann!","norm":"Eitler Mann!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":487,"orig":"Wenn mein Herz nun das Gegentheil mir ſagte?","norm":"Wenn mein Herz nun das Gegenteil mir sagte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":488,"orig":"Wenn Philipps ehrerbiet’ge Zärtlichkeit und ſeiner Liebe ſtumme Mienenſprache weit inniger als ſeines ſtolzen Sohns verwegene Beredſamkeit mich rührten?","norm":"Wenn Philipps ehrerbietige Zärtlichkeit und seiner Liebe stumme Mienensprache weit inniger als seines stolzen Sohns verwegene Beredsamkeit mich rührten?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":489,"orig":"Wenn eines Greiſen überlegte Achtung —","norm":"Wenn eines Greisen überlegte Achtung —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":490,"orig":"Das iſt was anders — Dann — ja dann Vergebung.","norm":"Das ist was anderes — dann — ja dann Vergebung."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":491,"orig":"Dieſes ſtolze Lachen verſteh’ ich — Nein.","norm":"Dieses stolze Lachen verstehe ich — Nein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":492,"orig":"Ich lieb’ ihn nicht — Doch ihn zu ehren iſt mein Wunſch und mein Vergnügen.","norm":"Ich liebe ihn nicht — doch ihn zu ehren ist mein Wunsch und mein Vergnügen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":493,"orig":"Sie haben nie geliebt?","norm":"Sie haben nie geliebt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":494,"orig":"Seltſame Frage!","norm":"Seltsame Frage!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":495,"orig":"Sie haben nie geliebt?","norm":"Sie haben nie geliebt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":496,"orig":"— Ich liebe nicht mehr.","norm":"— Ich liebe nicht mehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":497,"orig":"Weil es Ihr Herz?","norm":"Weil es Ihr Herz?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":498,"orig":"Weil es Ihr Eid verbietet?","norm":"Weil es Ihr Eid verbietet?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":499,"orig":"Verlaſſen Sie mich, Prinz, und kommen Sie zu keiner ſolchen Unterredung wieder.","norm":"Verlassen Sie mich, Prinz, und kommen Sie zu keiner solchen Unterredung wieder."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":500,"orig":"Weil es Ihr Eid?","norm":"Weil es Ihr Eid?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":501,"orig":"Weil es Ihr Herz verbietet?","norm":"Weil es Ihr Herz verbietet?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":502,"orig":"Weil meine Pflicht — — — Unglücklicher, wozu die traurige Zergliederung des Schickſals, dem Sie und ich gehorchen müſſen?","norm":"Weil meine Pflicht — — — unglücklicher, wozu die traurige Zergliederung des Schicksals, dem Sie und ich gehorchen müssen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":503,"orig":"Müſſen?","norm":"Müssen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":504,"orig":"Gehorchen müſſen?","norm":"Gehorchen müssen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":505,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":506,"orig":"Was wollen Sie mit dieſem feierlichen Ton?","norm":"Was wollen Sie Mit diesem feierlichen Ton?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":507,"orig":"So viel, daß Karlos nicht geſonnen iſt, zu müſſen, wo er zu wollen hat?","norm":"So viel, dass Carlos nicht gesonnen ist, zu müssen, wo er zu wollen hat?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":508,"orig":"Daß Karlos nicht geſonnen iſt, der Unglückſeligſte in dieſem Reich zu bleiben, wenn es ihm nichts als den Umſturz der Geſetze koſtet, der Glücklichſte zu ſein.","norm":"Dass Carlos nicht gesonnen ist, der Unglückseligste in diesem Reich zu bleiben, wenn es ihm Nichts als den Umsturz der Gesetze kostet, der Glücklichste zu sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":509,"orig":"Verſteh’ ich Sie?","norm":"Verstehe ich Sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":510,"orig":"Sie hoffen noch?","norm":"Sie hoffen noch?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":511,"orig":"Sie wagen es, zu hoffen, wo alles, alles ſchon verloren iſt?","norm":"Sie wagen es, zu hoffen, wo alles, alles schon verloren ist?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":512,"orig":"Ich gebe nichts verloren als die Todten.","norm":"Ich gebe nichts verloren als die Toten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":513,"orig":"Auf mich, auf Ihre Mutter hoffen Sie?","norm":"Auf mich, auf Ihre Mutter hoffen Sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":514,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":515,"orig":"Warum nicht?","norm":"Warum nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":516,"orig":"O!","norm":"O!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":517,"orig":"Der neu erwählte König kann mehr als das — kann die Verordnungen des Abgeſchied’nen durch das Feu’r vertilgen, kann ſeine Bilder ſtürzen, ſeinen Namen durch ein Edikt bei Strang und Schwert verbieten — aufbauen was der Sel’ge niederriß, und ſchleifen was er baute — kann ſogar — wer hindert ihn?","norm":"Der neu erwählte König kann mehr als das — kann die Verordnungen des Abgeschiedenen durch das Feuer vertilgen, kann seine Bilder stürzen, seinen Namen durch ein Edikt bei Strang und Schwert verbieten — aufbauen was der Selige niederriss, und schleifen was er baute — kann sogar — wer hindert ihn?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":518,"orig":"— die Mumie des Todten","norm":"— die Mumie des Toten"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":519,"orig":"aus ihrer Ruhe zu Eſkurial hervor an’s Licht der Sonne reißen, ſeinen entweihten Staub in die vier Winde ſtreun, und dann zuletzt, um würdig zu vollenden —","norm":"Aus ihrer Ruhe zu Eskurial hervor ans Licht der Sonne reißen, seinen entweihten Staub in die vier Winde streuen, und dann zuletzt, um würdig zu vollenden —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":520,"orig":"Um Gottes willen, reden Sie nicht aus.","norm":"Um Gottes willen, reden Sie nicht aus."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":521,"orig":"Zuletzt noch mit der Mutter ſich vermählen.","norm":"Zuletzt noch mit der Mutter sich vermählen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":522,"orig":"Verfluchter Sohn!","norm":"Verfluchter Sohn!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":523,"orig":"Ja es iſt aus.","norm":"Ja es ist aus."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":524,"orig":"Jetzt iſt es aus — Ich fühle klar und helle, was mir ewig, ewig dunkel bleiben ſollte.","norm":"Jetzt ist es aus — Ich fühle klar und helle, was Mir ewig, ewig dunkel bleiben sollte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":525,"orig":"Sie ſind für mich dahin — dahin — dahin — auf immerdar!","norm":"Sie sind für mich dahin — dahin — dahin — auf immerdar!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":526,"orig":"— Jetzt iſt der Wurf gefallen.","norm":"— Jetzt ist der Wurf gefallen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":527,"orig":"Sie ſind für mich verloren.","norm":"Sie sind für mich verloren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":528,"orig":"— O in dieſem Gefühl liegt Hölle!","norm":"— O in diesem Gefühl liegt Hölle!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":529,"orig":"Hölle liegt im andern, Sie zu beſitzen.","norm":"Hölle liegt im anderen, Sie zu besitzen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":530,"orig":"— Weh!","norm":"— Weh!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":531,"orig":"Ich faß’ es nicht, und meine Nerven fangen an zu reißen.","norm":"Ich fasse es nicht, und meine Nerven fangen an zu reißen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":532,"orig":"Beklagenswerther, theurer Karl!","norm":"Beklagenswerter, teurer Karl!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":533,"orig":"Ich fühle — ganz fühl’ ich ſie, die namenloſe Pein, die jetzt in Ihrem Buſen tobt.","norm":"Ich fühle — ganz fühle ich sie, die namenlose Pein, die jetzt in Ihrem Busen tobt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":534,"orig":"Unendlich wie Ihre Liebe iſt Ihr Schmerz.","norm":"Unendlich Wie Ihre Liebe ist Ihr Schmerz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":535,"orig":"Unendlich wie er iſt auch der Ruhm ihn zu beſiegen.","norm":"Unendlich Wie er ist auch der Ruhm ihn zu besiegen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":536,"orig":"Erringen Sie ihn, junger Held.","norm":"Erringen Sie ihn, junger Held."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":537,"orig":"Der Preis iſt dieſes hohen, ſtarken Kämpfers werth, des Jünglings werth, durch deſſen Herz die Tugend ſo vieler königlichen Ahnen rollt.","norm":"Der Preis ist dieses hohen, starken Kämpfers wert, des Jünglings wert, durch dessen Herz die Tugend so vieler königlichen Ahnen rollt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":538,"orig":"Ermannen Sie Sich, edler Prinz.","norm":"Ermannen Sie sich, edler Prinz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":539,"orig":"— Der Enkel des großen Karls fängt friſch zu ringen an, wo andrer Menſchen Kinder muthlos enden.","norm":"— Der Enkel des großen Karls fängt frisch zu ringen an, wo anderer Menschen Kinder mutlos enden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":540,"orig":"Zu ſpät!","norm":"Zu spät!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":541,"orig":"O Gott!","norm":"O Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":542,"orig":"Es iſt zu ſpät!","norm":"Es ist zu spät!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":543,"orig":"Ein Mann zu ſein?","norm":"Ein Mann zu sein?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":544,"orig":"O Karl!","norm":"O Karl!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":545,"orig":"Wie groß wird unſ’re Tugend, wenn unſer Herz bei ihrer Übung bricht!","norm":"Wie groß wird unsere Tugend, wenn unser Herz bei ihrer Übung bricht!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":546,"orig":"Hoch ſtellte Sie die Vorſicht — höher, Prinz, als Millionen Ihrer andern Brüder.","norm":"Hoch stellte Sie die Vorsicht — höher, Prinz, als Millionen Ihrer anderen Brüder."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":547,"orig":"Parteilich gab ſie ihrem Liebling, was ſie andern nahm, und Millionen fragen:","norm":"Parteilich gab sie ihrem Liebling, was sie anderen nahm, und Millionen fragen:"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":548,"orig":"Verdiente der im Mutterleibe ſchon mehr als wir andern Sterblichen zu gelten?","norm":"Verdiente der im Mutterleibe schon mehr als wir anderen Sterblichen zu gelten?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":549,"orig":"Auf!","norm":"Auf!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":550,"orig":"retten Sie des Himmels Billigkeit!","norm":"retten Sie des Himmels Billigkeit!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":551,"orig":"verdienen Sie, der Welt voran zu gehen, und opfern Sie was keiner opferte.","norm":"Verdienen Sie, der Welt voranzugehen, und opfern Sie was keiner opferte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":552,"orig":"Das kann ich auch.","norm":"Das kann ich auch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":553,"orig":"— Sie zu erkämpfen hab’ ich Rieſenkraft;","norm":"— sie zu erkämpfen habe Ich Riesenkraft;"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":554,"orig":"Sie zu verlieren keine.","norm":"Sie zu verlieren keine."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":555,"orig":"Geſtehen Sie es, Karlos — Trotz iſt es und Bitterkeit und Stolz, was Ihre Wünſche ſo wüthend nach der Mutter zieht.","norm":"Gestehen Sie es, Carlos — Trotz ist es und Bitterkeit und Stolz, was Ihre Wünsche so wütend nach der Mutter zieht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":556,"orig":"Die Liebe, das Herz, das Sie verſchwenderiſch mir opfern, gehört den Welten an, die Sie dereinſt regieren ſollen.","norm":"Die Liebe, das Herz, das Sie verschwenderisch mir opfern, gehört den Welten an, die Sie dereinst Regieren sollen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":557,"orig":"Sehen Sie, Sie praſſen von Ihres Mündels anvertrautem Gut.","norm":"Sehen Sie, Sie prassen von Ihres Mündels anvertrautem Gut."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":558,"orig":"Die Liebe iſt Ihr großes Amt.","norm":"Die Liebe ist Ihr großes Amt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":559,"orig":"Bis jetzt verirrte ſie zur Mutter.","norm":"Bis jetzt Verirrte sie zur Mutter."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":560,"orig":"— Bringen Sie, o bringen Sie ſie Ihren künft’gen Reichen und fühlen Sie, ſtatt Dolchen des Gewiſſens, die Wolluſt Gott zu ſein.","norm":"— Bringen Sie, o bringen Sie sie Ihren künftigen Reichen und fühlen Sie, statt Dolchen des Gewissens, die Wollust Gott zu sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":561,"orig":"Eliſabeth war Ihre erſte Liebe.","norm":"Elisabeth war Ihre erste Liebe."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":562,"orig":"Ihre zwote ſei Spanien.","norm":"Ihre zweite Sei Spanien."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":563,"orig":"Wie gerne, guter Karl, will ich der beſſeren Geliebten weichen.","norm":"Wie gerne, guter Karl, will ich der besseren Geliebten weichen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":564,"orig":"Wie groß ſind Sie, o Himmliſche!","norm":"Wie groß sind Sie, o himmlische!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":565,"orig":"— Ja alles, was Sie verlangen, will ich thun!","norm":"— Ja alles, was Sie verlangen, will ich tun!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":566,"orig":"— auch ſterben, und wenn Sie wollen, nimmer ſelig ſein.","norm":"— auch sterben, und wenn Sie wollen, nimmer selig sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":567,"orig":"Hier ſteh’ ich in der Allmacht Hand und ſchwöre, und ſchwöre Ihnen, ſchwöre ewiges — O Himmel!","norm":"Hier stehe ich in der Allmacht Hand und schwöre, und schwöre Ihnen, schwöre ewiges — O Himmel!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":568,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":569,"orig":"Nur ewiges Verſtummen, doch ewiges Vergeſſen nicht.","norm":"Nur ewiges Verstummen, doch ewiges Vergessen nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":570,"orig":"Wie könnt’ ich von Karlos fordern, was ich ſelbſt zu leiſten nicht Willens bin.","norm":"Wie könnte ich von Carlos fordern, was ich selbst zu leisten nicht Willens bin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":571,"orig":"Der König!","norm":"Der König!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":572,"orig":"Gott!","norm":"Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":573,"orig":"Hinweg!","norm":"Hinweg!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":574,"orig":"Hinweg aus dieſer Gegend, Prinz!","norm":"Hinweg aus dieser Gegend, Prinz!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":575,"orig":"Sein Argwohn iſt fürchterlich, erblickt er Sie —","norm":"Sein Argwohn ist fürchterlich, erblickt er Sie —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":576,"orig":"Ich bleibe!","norm":"Ich bleibe!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":577,"orig":"In dieſer Laune will ich ihn drum fragen?","norm":"In dieser Laune will ich ihn darum fragen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":578,"orig":"Und wer wird denn das Opfer ſein?","norm":"Und wer wird denn das Opfer sein?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":579,"orig":"Fort!","norm":"Fort!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":580,"orig":"Was darf ich mit mir nehmen?","norm":"Was darf ich mit mir nehmen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":581,"orig":"Die Freundſchaft Ihrer Mutter.","norm":"Die Freundschaft Ihrer Mutter."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":582,"orig":"Freundſchaft!","norm":"Freundschaft!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":583,"orig":"Mutter!","norm":"Mutter!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":584,"orig":"Und dieſe Thränen aus den Niederlanden.","norm":"Und diese Tränen aus den Niederlanden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":585,"orig":"Ha!","norm":"Ha!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":586,"orig":"So allein, Madam?","norm":"So allein, Madame?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":587,"orig":"Und auch nicht Eine Dame zur Begleitung?","norm":"Und auch nicht eine Dame zur Begleitung?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":588,"orig":"Das wundert mich — Wo bleiben Ihre Frauen?","norm":"Das wundert mich — wo bleiben Ihre Frauen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":589,"orig":"Mein gnädigſter Gemahl — —","norm":"Mein gnädigster Gemahl — —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":590,"orig":"Von dieſem unverzeihlichen Verſehn ſoll man die ſtrengſte Rechenſchaft mir geben.","norm":"Von diesem unverzeihlichen Versehen Soll man die strengste Rechenschaft mir geben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":591,"orig":"Wer hat das Hofamt bei der Königinn?","norm":"Wer hat das Hofamt bei der Königin?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":592,"orig":"Wen traf der Rang ſie heute zu bedienen?","norm":"Wen traf der Rang sie heute zu bedienen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":593,"orig":"O zürnen Sie nicht mein Gemahl — ich ſelbſt, ich bin die Schuldige — auf mein Geheiß entfernte ſich die Fürſtinn Eboli.","norm":"O zürnen Sie nicht mein Gemahl — ich selbst, Ich bin die Schuldige — auf mein Geheiß entfernte sich die Fürstin Eboli."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":594,"orig":"Auf Ihr Geheiß?","norm":"Auf Ihr Geheiß?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":595,"orig":"Die Kammerfrau zu rufen, weil ich nach der Infantinn mich geſehnt.","norm":"Die Kammerfrau zu rufen, weil ich nach der Infantin mich gesehnt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":596,"orig":"Und darum die Begleitung weggeſchickt?","norm":"Und darum die Begleitung weggeschickt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":597,"orig":"Ihro Majeſtät, ich fühle daß ich ſtrafbar bin —","norm":"Ihre Majestät, Ich fühle dass ich strafbar bin —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":598,"orig":"Deßwegen vergönn’ ich Ihnen zehen Jahre Zeit, fern von Madrid darüber nachzudenken.","norm":"Deswegen vergönne ich Ihnen zehn Jahre Zeit, fern von Madrid darüber nachzudenken."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":599,"orig":"Marquiſinn, wen beweinen Sie?","norm":"Marquisin, wen beweinen Sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":600,"orig":"Hab’ ich gefehlt, mein gnädigſter Gemahl, ſo ſollte die Königskrone dieſes Reichs, wonach ich ſelber nie gegriffen habe, mich zum mindeſten vor dem Erröthen ſchützen.","norm":"Habe ich gefehlt, mein gnädigster Gemahl, so sollte die Königskrone dieses Reichs, wonach Ich selber nie gegriffen habe, mich Zum mindesten vor dem Erröten schützen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":601,"orig":"Gibt’s ein Geſetz in dieſem Königreich, das vor Gericht Monarchentöchter fodert?","norm":"Gibt es ein Gesetz in diesem Königreich, das vor Gericht Monarchentöchter fordert?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":602,"orig":"Bloß Zwang bewacht die Frauen Spaniens?","norm":"Bloß Zwang bewacht die Frauen Spaniens?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":603,"orig":"Schützt ſie ein Zeuge mehr als ihre Tugend?","norm":"Schützt sie ein Zeuge mehr als ihre Tugend?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":604,"orig":"— Und jetzt Vergebung, mein Gemahl — Ich bin es nicht gewohnt, die mir mit Freude dienten, in Thränen zu entlaſſen — — Mondekar!","norm":"— Und jetzt Vergebung, mein Gemahl — Ich bin es nicht gewohnt, die mir mit Freude dienten, in Tränen zu entlassen — — Mondekar!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":605,"orig":"Den König haben Sie erzürnt — nicht mich — drum nehmen Sie dieß Denkmahl meiner Gnade und dieſer Stunde.","norm":"Den König haben Sie erzürnt — nicht mich — darum nehmen Sie dies Denkmal meiner Gnade und dieser Stunde."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":606,"orig":"— Meiden Sie das Reich — Sie haben nur in Spanien geſündigt; in meinem Frankreich wiſcht man ſolche Thränen mit Freuden ab — — — O muß mich’s ewig mahnen!","norm":"— Meiden Sie das Reich — Sie haben nur in Spanien gesündigt; in meinem Frankreich wischt man solche Tränen mit Freuden ab — — — O muss mich es ewig mahnen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":607,"orig":"In meinem Frankreich war’s doch anders.","norm":"In meinem Frankreich war es doch anders."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":608,"orig":"— Konnte ein Vorwurf meiner Liebe Sie betrüben?","norm":"— Konnte ein Vorwurf meiner Liebe Sie betrüben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":609,"orig":"ein Wort betrüben, das die zärtlichſte Bekümmerniß auf meine Lippen legte?","norm":"Ein Wort betrüben, das die zärtlichste Bekümmernis auf meine Lippen legte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":610,"orig":"Hier ſtehen die Vaſallen meines Throns!","norm":"Hier stehen die Vasallen meines Throns!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":611,"orig":"Sank je ein Schlaf auf meine Augenlieder, ich hätte denn am Abend jedes Tags berechnet, wie die Herzen meiner Völker in meinen fernſten Himmelsſtrichen ſchlagen — und ſollt’ ich ängſtlicher für meinen Thron, als für die Gattinn meines Herzens beben?","norm":"Sank je ein Schlaf auf meine Augenlider, Ich hätte denn am Abend jedes Tags berechnet, wie die Herzen meiner Völker in meinen fernsten Himmelsstrichen schlagen — und sollte ich ängstlicher für meinen Thron, als für die Gattin meines Herzensbeben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":612,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":613,"orig":"Für meine Völker kann mein Schwert mir haften und — Herzog Alba: dieſes Auge nur für meines Weibes Liebe.","norm":"Für meine Völker kann mein Schwert mir haften und — Herzog Alba: dieses Auge nur für meines Weibes Liebe."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":614,"orig":"Wenn ich Sie beleidigt habe, mein Gemahl — —","norm":"Wenn ich sie beleidigt habe, mein Gemahl — —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":615,"orig":"Ich heiße der reichſte Mann in der getauften Welt; die Sonne geht in meinem Staat nicht unter — doch alles das beſaß ein andrer ſchon, wird nach mir mancher andre noch beſitzen.","norm":"Ich heiße der reichste Mann in der getauften Welt; die Sonne geht in meinem Staat nicht unter — doch alles das besaß ein anderer schon, wird nach mir mancher andere noch besitzen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":616,"orig":"Das iſt mein eigen.","norm":"Das ist mein eigen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":617,"orig":"Was der König hat, gehört dem Glück — Eliſabeth dem Philipp.","norm":"Was der König hat, gehört dem Glück — Elisabeth dem Philipp."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":618,"orig":"Hier iſt die Stelle, wo ich ſterblich bin.","norm":"Hier ist die Stelle, wo ich sterblich bin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":619,"orig":"Sire — dieſe Zweifel — ſie erſchrecken mich — Sie fürchten?","norm":"Sire — diese Zweifel — sie erschrecken mich — Sie fürchten?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":620,"orig":"Dieſes graue Haar doch nicht?","norm":"Dieses graue Haar doch nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":621,"orig":"Wenn ich einmal zu fürchten angefangen, hab’ ich zu fuͤrchten aufgehört.","norm":"Wenn ich einmal zu fürchten angefangen, habe ich zu fürchten aufgehört."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":622,"orig":"— — Ich zähle die Großen meines Hofs — der erſte fehlt.","norm":"— — Ich zähle die Großen meines Hofs — der erste fehlt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":623,"orig":"Wo iſt Dom Karlos, mein Infant?","norm":"Wo ist Don Carlos, mein Infant?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":624,"orig":"Der Knabe, Dom Karl, fängt an mir fürchterlich zu werden.","norm":"Der Knabe, Don Karl, fängt an mir fürchterlich zu werden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":625,"orig":"Er meidet meine Gegenwart ſeitdem er von Alkala’s hoher Schule kam.","norm":"Er meidet meine Gegenwart seitdem er von Alkalas hoher Schule kam."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":626,"orig":"Sein Blut iſt heiß — warum ſein Blick ſo kalt?","norm":"Sein Blut ist heiß — warum sein Blick so kalt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":627,"orig":"ſo abgemeſſen feſtlich ſein Betragen?","norm":"so abgemessen festlich sein Betragen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":628,"orig":"Ich empfehl’ es Euch.","norm":"Ich empfehle es Euch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":629,"orig":"Ich bin’s.","norm":"Ich bin es."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":630,"orig":"So lang’ ein Herz an dieſen Panzer ſchlägt, mag ſich Dom Philipp ruhig ſchlafen legen.","norm":"Solange ein Herz an diesen Panzer schlägt, Mag sich Don Philipp ruhig schlafen legen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":631,"orig":"Wie Gottes Cherub vor dem Paradies, ſteht Herzog Alba vor dem Thron.","norm":"Wie Gottes Cherub vor dem Paradies, steht Herzog Alba vor dem Thron."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":632,"orig":"Darf ich dem weiſeſten der Könige in Demuth zu widerſprechen wagen?","norm":"Darf ich dem weisesten der Könige in Demut zu widersprechen wagen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":633,"orig":"— Allzutief verehr’ ich meines Königs Majeſtät, als ſeinen Sohn ſo raſch und ſtreng zu richten.","norm":"— Allzu tief verehre ich meines Königs Majestät, als seinen Sohn so rasch und streng zu richten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":634,"orig":"Ich fürchte viel von Karlos heißem Blut, doch nichts von ſeinem Herzen.","norm":"Ich fürchte viel von Carlos heißem Blut, doch nichts von seinem Herzen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":635,"orig":"Graf von Lerma, Ihr redet gut den Vater zu beſtechen: des Königs Stütze wird der Herzog ſein.","norm":"Graf von Lerma, Ihr redet gut den Vater zu bestechen: Des Königs Stütze wird der Herzog sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":636,"orig":"Doch morgen mehr.","norm":"Doch morgen mehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":637,"orig":"Jetzt eil’ ich nach Madrid.","norm":"Jetzt Eile ich nach Madrid."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":638,"orig":"Mich ruft mein königliches Amt.","norm":"Mich ruft mein königliches Amt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":639,"orig":"Die Peſt der Ketzerei ſteckt meine Völker an, der Aufruhr wächſt in meinen Niederlanden.","norm":"Die Pest der Ketzerei steckt meine Völker an, der Aufruhr wächst in meinen Niederlanden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":640,"orig":"Es iſt die höchſte Zeit.","norm":"Es ist die höchste Zeit."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":641,"orig":"Ein ſchauerndes Exempel ſoll die Irrende bekehren.","norm":"Ein schauerndes Exempel soll die Irrende bekehren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":642,"orig":"Den großen Eid, den alle Könige der Chriſtenheit geloben, löſ’ ich morgen.","norm":"Den großen Eid, den alle Könige der Christenheit geloben, lös ich morgen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":643,"orig":"Dieß Blutgericht ſoll ohne Beiſpiel ſein; mein ganzer Hof iſt feierlich geladen.","norm":"Dies Blutgericht soll ohne Beispiel sein; mein ganzer Hof ist feierlich geladen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":644,"orig":"Und Sie begleiten mich.","norm":"Und Sie begleiten mich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":645,"orig":"Ich bin entſchloſſen.","norm":"Ich bin entschlossen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":646,"orig":"Flandern ſei gerettet.","norm":"Flandern sei gerettet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":647,"orig":"Sie will es: das iſt mir genug.","norm":"Sie will es: Das ist mir genug."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":648,"orig":"Auch iſt kein Augenblick mehr zu verlieren.","norm":"Auch ist kein Augenblick mehr zu verlieren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":649,"orig":"Herzog von Alba, ſagt man, iſt im Kabinet bereits zum Gouverneur ernannt.","norm":"Herzog von Alba, sagt man, ist im Kabinett bereits zum Gouverneur ernannt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":650,"orig":"Ernannt!","norm":"Ernannt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":651,"orig":"Doch noch nicht abgegangen?","norm":"Doch noch nicht abgegangen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":652,"orig":"— Morgen alſo verlang’ ich Audienz bei meinem Vater.","norm":"— Morgen also verlange ich Audienz bei meinem Vater."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":653,"orig":"Ich fodre dieſes Amt für mich.","norm":"Ich fordre dieses Amt für mich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":654,"orig":"Es iſt die erſte Bitte, die ich an ihn wage.","norm":"Es ist die erste Bitte, die ich an ihn wage."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":655,"orig":"Er kann mir ſie nicht weigern.","norm":"Er kann mir sie nicht weigern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":656,"orig":"Lange ſchon ſieht er mich ungern in Madrid.","norm":"Lange schon sieht er mich ungern in Madrid."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":657,"orig":"Welch ein willkomm’ner Vorwand mich eutfernt zu halten!","norm":"Welch ein willkommener Vorwand mich entfernt zu halten!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":658,"orig":"Und — ſoll ich Dir’s geſtehen, Rodrigo?","norm":"Und — soll ich Dir es gestehen, Rodrigo?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":659,"orig":"— ich hoffe mehr — Vielleicht gelingt es mir, von Angeſicht zu Angeſicht mit ihm in ſeiner Gunſt mich wieder herzuſtellen, Er hat noch nie die Stimme der Natur gehört — Laß mich verſuchen, Rodrigo, was ſie auf meinen Lippen wird vermögen!","norm":"— Ich hoffe mehr — vielleicht gelingt es mir, von Angesicht zu Angesicht mit ihm in seiner Gunst mich wiederherzustellen, er hat noch nie die Stimme der Natur gehört — Lass mich versuchen, Rodrigo, was sie auf meinen Lippen wird vermögen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":660,"orig":"Jetzt endlich hör’ ich meinen Karlos wieder!","norm":"Jetzt endlich höre ich meinen Carlos wieder!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":661,"orig":"Ich fühle in jeder Ader Gottheit — So viel konnte der Anblick meiner Königinn.","norm":"Ich fühle in jeder Ader Gottheit — so viel konnte der Anblick meiner Königin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":662,"orig":"So eben hat der Monarch Aranjuez verlaſſen.","norm":"So eben Hat der Monarch Aranjuez verlassen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":663,"orig":"Ich habe den Befehl —","norm":"Ich habe den Befehl —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":664,"orig":"Schon gut, Graf Lerma.","norm":"Schon gut, Graf Lerma."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":665,"orig":"Ich treffe mit dem König ein.","norm":"Ich treffe mit dem König ein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":666,"orig":"Sonſt haben mir Eure Hoheit nichts mehr aufzutragen?","norm":"Sonst haben mir Eure Hoheit nichts mehr aufzutragen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":667,"orig":"Nichts, Chevalier.","norm":"Nichts, Chevalier."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":668,"orig":"Ich wünſche Ihnen Glück zu Ihrer Ankunft in Madrid.","norm":"Ich wünsche Ihnen Glück zu Ihrer Ankunft in Madrid."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":669,"orig":"Sie werden noch mehreres von Flandern mir erzählen.","norm":"Sie werden noch mehreres von Flandern mir erzählen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":670,"orig":"Ich folge gleich.","norm":"Ich folge gleich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":671,"orig":"Ich habe Dich verſtanden.","norm":"Ich habe Dich verstanden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":672,"orig":"Ich danke Dir — Doch dieſen Zwang entſchuldigt nur eines Dritten Gegenwart.","norm":"Ich danke Dir — doch diesen Zwang entschuldigt nur eines Dritten Gegenwart."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":673,"orig":"Sind wir nicht Brüder?","norm":"Sind wir nicht Brüder?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":674,"orig":"— Dieſes Poſſenſpiel des Ranges ſei künftighin aus unſerm Bund verwieſen!","norm":"— Dieses Possenspiel des Ranges Sei künftighin aus unserem Bund verwiesen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":675,"orig":"Berede Dich, wir beide hätten uns auf einem Ball mit Masken eingefunden, in Sklavenkleider Du, und ich aus Laune in einen Purpur eingemummt.","norm":"Berede Dich, wir beide hätten uns auf einem Ball mit Masken eingefunden, in Sklavenkleider Du, und ich aus Laune in einen Purpur eingemummt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":676,"orig":"So lange der Faſching währt, verehren wir die Lüge, der Rolle treu mit lächerlichem Ernſt, den ſüßen Rauſch des Haufens nicht zu ſtören.","norm":"Solange der Fasching währt, verehren wir die Lüge, der Rolle treu mit lächerlichem Ernst, den süßen Rausch des Haufens nicht zu stören."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":677,"orig":"Doch durch die Larve winkt Dein Karl Dir zu, Du drückſt mir im Vorübergehn die Hände, und wir verſtehen uns.","norm":"Doch durch die Larve winkt Dein Karl Dir zu, Du drückst mir im Vorübergehen die Hände, und wir verstehen uns."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":678,"orig":"Der Traum iſt göttlich.","norm":"Der Traum ist göttlich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":679,"orig":"Doch wird er nie verfliegen?","norm":"Doch wird er nie verfliegen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":680,"orig":"Iſt mein Karl auch ſeiner ſo gewiß, den Reitzungen der unumſchränkten Majeſtät zu trotzen?","norm":"Ist mein Karl Auch seiner so gewiss, den Reizungen der unumschränkten Majestät zu trotzen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":681,"orig":"Noch iſt ein großer Tag zurück — ein Tag — wo dieſer Heldenſinn — ich will Sie mahnen — in einer ſchweren Probe ſinken wird.","norm":"Noch ist ein großer Tag zurück — ein Tag — wo dieser Heldensinn — ich will Sie mahnen — in einer schweren Probe sinken wird."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":682,"orig":"Dom Philipp ſtirbt.","norm":"Don Philipp stirbt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":683,"orig":"Karl erbt das größte Reich der Chriſtenheit — Ein ungeheurer Spalt reißt vom Geſchlecht der Sterblichen ihn los, und Gott iſt heut, wer geſtern Menſch noch war.","norm":"Karl erbt das größte Reich der Christenheit — ein ungeheurer Spalt reißt vom Geschlecht der Sterblichen ihn los, und Gott ist heute, wer gestern Mensch noch war."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":684,"orig":"Jetzt hat er keine Schwächen mehr.","norm":"Jetzt hat er keine Schwächen mehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":685,"orig":"Die Pflichten der Ewigkeit verſtummen ihm.","norm":"Die Pflichten der Ewigkeit verstummen ihm."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":686,"orig":"Die Menſchheit — noch heut ein großes Wort in ſeinem Ohr — verkauft ſich ſelbſt und kriecht um ihren Götzen.","norm":"Die Menschheit — noch heute ein großes Wort in seinem Ohr — verkauft sich selbst und kriecht um ihren Götzen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":687,"orig":"Sein Mitgefühl löſcht mit dem Leiden aus, in Wollüſten ermattet ſeine Tugend, für ſeine Thorheit ſchickt ihm Peru Gold, für ſeine Laſter zieht ſein Hof ihm Teufel.","norm":"Sein Mitgefühl löscht mit dem Leiden aus, in Wollüsten ermattet seine Tugend, für seine Torheit schickt ihm Peru Gold, für seine Laster zieht sein Hof ihm Teufel."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":688,"orig":"Er ſchläft berauſcht in dieſem Himmel ein, den ſeine Sklaven liſtig um ihn ſchufen.","norm":"Er schläft berauscht in diesem Himmel ein, den seine Sklaven listig um ihn schufen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":689,"orig":"Lang’, wie ſein Traum, währt ſeine Gottheit — Wehe dem Raſenden, der ihn mitleidig weckte.","norm":"Lang, wie sein Traum, währt seine Gottheit — Wehe dem rasenden, der ihn mitleidig weckte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":690,"orig":"Was aber würde Rodrigo?","norm":"Was aber würde Rodrigo?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":691,"orig":"— Die Freundſchaft iſt wahr und kühn — Die kranke Majeſtät hält ihren fürchterlichen Strahl nicht aus.","norm":"— Die Freundschaft ist wahr und kühn — die kranke Majestät hält ihren fürchterlichen Strahl nicht aus."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":692,"orig":"Den Stolz des Bürgers würden Sie nicht dulden, ich nicht den Trotz des Fürſten.","norm":"Den Stolz des Bürgers würden Sie nicht dulden, Ich nicht den Trotz des Fürsten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":693,"orig":"Wahr und ſchrecklich iſt Dein Gemählde von Monarchen.","norm":"Wahr und schrecklich ist Dein Gemälde von Monarchen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":694,"orig":"Ja, ich glaube Dir — Doch nur die Wolluſt ſchloß dem Laſter ihre Herzen aus.","norm":"Ja, Ich glaube Dir — doch nur die Wollust schloss dem Laster ihre Herzen aus."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":695,"orig":"— — Ich bin noch rein — ein drei und zwanzigjähr’ger Jüngling.","norm":"— — Ich bin noch rein — ein dreiundzwanzigjähriger Jüngling."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":696,"orig":"— Sprich!","norm":"— Sprich!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":697,"orig":"Was könnte Dich aus meinem Herzen drängen, wenn es nicht Weiber thun?","norm":"Was könnte Dich aus meinem Herzen drängen, wenn es nicht Weiber tun?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":698,"orig":"Ich ſelbſt.","norm":"Ich selbst."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":699,"orig":"Könnt’ ich ſo innig Sie noch lieben, Karl, wenn ich Sie fürchten müßte.","norm":"Könnte ich so innig Sie noch lieben, Karl, wenn ich Sie fürchten müsste."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":700,"orig":"Das wird nie geſchehen.","norm":"Das wird nie geschehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":701,"orig":"Bedarfſt Du meiner?","norm":"Bedarfst Du meiner?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":702,"orig":"Haſt Du Leidenſchaften, die von dem Throne betteln?","norm":"Hast Du Leidenschaften, die von dem Throne betteln?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":703,"orig":"Reitzt Dich Gold?","norm":"Reizt Dich Gold?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":704,"orig":"Du biſt ein reich’rer Unterthan, als ich ein König je ſein werde — Geitzeſt Du nach Ehre?","norm":"Du bist ein reicherer Untertan, als ich ein König je sein werde — geizest Du nach Ehre?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":705,"orig":"Schon als Jüngling hatteſt Du ihr Maß erſchöpft — Du haſt ſie ausgeſchlagen.","norm":"Schon als Jüngling hattest Du Ihr Maß erschöpft — Du hast sie ausgeschlagen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":706,"orig":"Wer von uns wird der Gläubiger des andern, und wer der Schuldner ſein?","norm":"Wer von uns wird der Gläubiger des anderen, und wer der Schuldner sein?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":707,"orig":"— Du ſchweigſt?","norm":"— Du schweigst?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":708,"orig":"Du zitterſt vor der Verſuchung?","norm":"Du zitterst vor der Versuchung?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":709,"orig":"Nicht gewiſſer biſt Du Deiner ſelbſt?","norm":"Nicht gewisser bist Du Deiner selbst?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":710,"orig":"Wohlan.","norm":"Wohlan."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":711,"orig":"Ich weiche.","norm":"Ich weiche."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":712,"orig":"Hier meine Hand.","norm":"Hier meine Hand."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":713,"orig":"Der Meinige?","norm":"Der Meinige?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":714,"orig":"Auf ewig und in des Worts verwegenſter Bedeutung.","norm":"Auf ewig und in des Worts verwegenster Bedeutung."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":715,"orig":"So treu und warm, wie heute dem Infanten, auch dermaleinſt dem König zugethan?","norm":"So treu und warm, wie heute dem Infanten, auch dermaleinst dem König zugetan?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":716,"orig":"Das ſchwör’ ich Ihnen.","norm":"Das schwöre ich Ihnen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":717,"orig":"Dann auch, wenn der Wurm der Schmeichelei mein unbewachtes Herz umklammerte — wenn dieſes Auge Thränen verlernte, die es ſonſt geweint — dieß Ohr dem Flehen ſich verriegelte, willſt Du ein ſchreckenloſer Hüter meiner Tugend, mich kräftig faſſen, meinen Genius bei ſeinem großen Namen rufen?","norm":"Dann auch, wenn der Wurm der Schmeichelei mein unbewachtes Herz umklammerte — wenn dieses Auge Tränen verlernte, die es sonst geweint — dies Ohr dem Flehen sich verriegelte, willst Du ein schreckenloser Hüter meiner Tugend, mich kräftig fassen, meinen Genius bei seinem großen Namen rufen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":718,"orig":"Ja.","norm":"Ja."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":719,"orig":"Und jetzt noch eine Bitte, Lieber — Nenne mich Du.","norm":"Und jetzt noch eine Bitte, lieber — Nenne mich Du."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":720,"orig":"Ich habe Deinesgleichen immer um dieſes Vorrecht der Vertraulichkeit, das ſchöne Denkmahl der Natur beneidet.","norm":"Ich habe deinesgleichen immer um dieses Vorrecht der Vertraulichkeit, das schöne Denkmahl der Natur beneidet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":721,"orig":"Dieß brüderliche Du betrügt mein Ohr mit ſüßen Ahndungen von Gleichheit.","norm":"Dies brüderliche Du betrügt mein Ohr mit süßen Ahndungen von Gleichheit."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":722,"orig":"Wende mir nichts ein.","norm":"Wende mir nichts ein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":723,"orig":"Was Du ſagen willſt, errath’ ich.","norm":"Was Du sagen willst, errate ich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":724,"orig":"Dir iſt es Kleinigkeit, ich weiß — doch mir, dem Königsſohne, iſt es viel.","norm":"Dir ist es Kleinigkeit, ich weiß — doch mir, dem Königssohne, ist es viel."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":725,"orig":"Willſt Du mein Bruder ſein?","norm":"Willst Du mein Bruder sein?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":726,"orig":"Dein Bruder.","norm":"Dein Bruder."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":727,"orig":"Jetzt zum König.","norm":"Jetzt zum König."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":728,"orig":"Sehr gerne ſteht Karlos dem Miniſter nach.","norm":"Sehr gerne steht Carlos dem Minister nach."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":729,"orig":"Er ſpricht für Spanien — ich bin der Sohn des Hauſes.","norm":"Er spricht für Spanien — ich bin der Sohn des Hauses."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":730,"orig":"Der Herzog bleibt, und der Infant mag reden.","norm":"Der Herzog bleibt, und der Infant mag reden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":731,"orig":"So muß ich denn von Ihrer Großmuth, Herzog, den König mir als ein Geſchenk erbitten.","norm":"So muss ich denn von Ihrer Großmut, Herzog, den König mir als ein Geschenk erbitten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":732,"orig":"Ein Kind — Sie wiſſen ja — kann mancherlei an ſeinen Vater auf dem Herzen tragen, das ſchwerlich für den Dritten taugt.","norm":"Ein Kind — Sie wissen ja — kann mancherlei an seinen Vater auf dem Herzen tragen, das schwerlich für den Dritten taugt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":733,"orig":"Der König ſoll Ihnen unbenommen ſein — ich will den Vater nur für dieſe kurze Stunde.","norm":"Der König Soll Ihnen unbenommen sein — ich will den Vater nur für diese kurze Stunde."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":734,"orig":"Hier ſteht ſein Freund.","norm":"Hier steht sein Freund."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":735,"orig":"Hab’ ich es auch verdient den meinigen im Herzog zu vermuthen?","norm":"Habe ich es auch verdient Den meinigen im Herzog zu vermuten?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":736,"orig":"Auch je verdienen mögen?","norm":"Auch je verdienen mögen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":737,"orig":"— Mir gefallen die Söhne nicht, die beßre Wahlen treffen als ihre Väter.","norm":"— Mir gefallen die Söhne nicht, die bessere Wahlen treffen als ihre Väter."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":738,"orig":"Kann der Ritterſtolz des Herzogs Alba dieſen Auftritt hören?","norm":"Kann der Ritterstolz des Herzogs Alba diesen Auftritt hören?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":739,"orig":"So wahr ich bin, den Überläſtigen, der zwiſchen Sohn und Vater, die geweihten Myſterien der heiligen Natur, ſich einzudrängen nicht erröthet, der in ſeines Nichts durchbohrendem Gefühle ſo dazuſtehen ſich verdammt, möcht’ ich bei Gott — und gält’s ein Diadem — nicht ſpielen.","norm":"So wahr ich bin, den Überlästigen, der zwischen Sohn und Vater, die geweihten Mysterien der heiligen Natur, Sich einzudrängen nicht errötet, der in seines Nichts durchbohrendem Gefühle so dazustehen sich verdammt, möchte ich bei Gott — und gälte es ein Diadem — nicht spielen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":740,"orig":"Entfernt Euch, Herzog!","norm":"Entfernt Euch, Herzog!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":741,"orig":"Nein, in’s Kabinet, bis ich Euch rufe.","norm":"Nein, ins Kabinett, bis ich Euch rufe."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":742,"orig":"Jetzt mein Vater wieder, jetzt wieder mein, und meinen beſten Dank für dieſe Gnade — Ihre Hand, mein Vater — O ſüßer Tag — Die Wonne dieſes Kuſſes war Ihrem Kinde lange nicht gegönnt.","norm":"Jetzt mein Vater wieder, jetzt wieder mein, und meinen besten Dank für diese Gnade — Ihre Hand, mein Vater — O süßer Tag — die Wonne dieses Kusses war Ihrem Kinde lange nicht gegönnt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":743,"orig":"Warum denn nicht?","norm":"Warum denn nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":744,"orig":"Warum von Ihrem Herzen mich ſo lange verſtoßen, Vater?","norm":"Warum von Ihrem Herzen mich so lange Verstoßen, Vater?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":745,"orig":"Erſpare ſie, ich mag ſie nicht.","norm":"Erspare sie, ich mag sie nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":746,"orig":"Das war es!","norm":"Das war es!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":747,"orig":"da hör’ ich Ihre Höflinge — Mein Vater, es iſt nicht gut, bei Gott!","norm":"da höre ich Ihre Höflinge — Mein Vater, es ist nicht gut, bei Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":748,"orig":"nicht alles gut, nicht alles, was ein Prieſter ſagt, nicht alles, was eines Prieſters Kreaturen ſagen.","norm":"nicht alles gut, nicht alles, was ein Priester sagt, nicht alles, was eines Priesters Kreaturen sagen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":749,"orig":"Ich bin nicht ſchlimm, mein Vater — heißes Blut iſt meine Bosheit — mein Verbrechen Jugend.","norm":"Ich bin nicht schlimm, mein Vater — heißes Blut ist meine Bosheit — mein Verbrechen Jugend."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":750,"orig":"Schlimm bin ich nicht, ſchlimm warlich nicht; wenn auch oft wilde Wallungen mein Herz verklagen, mein Herz iſt gut —","norm":"Schlimm bin ich nicht, schlimm wahrlich nicht; wenn auch oft wilde Wallungen mein Herz verklagen, mein Herz ist gut —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":751,"orig":"Dein Herz iſt rein, ich weiß es, wie Dein Gebet.","norm":"Dein Herz ist rein, ich weiß es, wie Dein Gebet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":752,"orig":"Jetzt oder nie.","norm":"Jetzt oder nie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":753,"orig":"Ein Sonnenſtrahl der Hoffnung glänzt in mir auf, und eine ſüße Ahndung fliegt durch mein Herz — der ganze Himmel beugt mit Schaaren froher Engel ſich herunter, voll Rührung ſieht der Dreimalheilige dem großen, ſchönen Auftritt zu — Mein Vater!","norm":"Ein Sonnenstrahl der Hoffnung glänzt in mir auf, und eine süße Ahndung fliegt durch mein Herz — der ganze Himmel beugt mit Scharen froher Engel sich herunter, voll Rührung sieht der Dreimalheilige Dem großen, schönen Auftritt zu — Mein Vater!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":754,"orig":"Verſöhnung!","norm":"Versöhnung!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":755,"orig":"Laß mich und ſteh auf!","norm":"Lass mich und stehe auf!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":756,"orig":"Verſöhnung!","norm":"Versöhnung!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":757,"orig":"Zu kühn wird dieſes Gaukelſpiel —","norm":"Zu kühn wird dieses Gaukelspiel —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":758,"orig":"Zu kuͤhn die Liebe Deines Kindes?","norm":"Zu kühn die Liebe Deines Kindes?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":759,"orig":"Vollends Thränen?","norm":"Vollends Tränen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":760,"orig":"Unwürd’ger Anblick — Geh aus meinen Augen.","norm":"Unwürdiger Anblick — Gehe aus meinen Augen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":761,"orig":"Jetzt oder nie — Verſöhnung Vater!","norm":"Jetzt oder nie — Versöhnung Vater!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":762,"orig":"Weg aus meinen Augen!","norm":"Weg aus meinen Augen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":763,"orig":"Komm mit Schmach bedeckt aus meinen Schlachten, meine Arme ſollen geöffnet ſein Dich zu empfangen — So verwerf’ ich Dich!","norm":"Komme mit Schmach bedeckt aus meinen Schlachten, meine Arme sollen geöffnet sein Dich zu empfangen — so verwerfe ich Dich!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":764,"orig":"Die feige Schuld allein wird ſich in ſolchen Quellen ſchimpflich waſchen.","norm":"Die feige Schuld allein wird sich in solchen Quellen schimpflich waschen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":765,"orig":"Wer zu bereuen nicht erröthet, wird ſich Reue nie erſparen.","norm":"Wer zu bereuen nicht errötet, wird sich Reue nie ersparen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":766,"orig":"Wer iſt das?","norm":"Wer ist das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":767,"orig":"Durch welchen Mißverſtand hat dieſer Fremdling zu Menſchen ſich verirrt?","norm":"Durch welchen Missverstand hat dieser Fremdling zu Menschen sich verirrt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":768,"orig":"Bildeſt Du Dir ein, den ſchweren Zweifel Deines Vaters mit ſchönen Worten zu erſchüttern?","norm":"Bildest Du Dir ein, den schweren Zweifel Deines Vaters mit schönen Worten zu erschüttern?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":769,"orig":"Zweifel?","norm":"Zweifel?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":770,"orig":"Ich will ihn tilgen, dieſen Zweifel — will mich hängen an das Vaterherz, will reißen, will mächtig reißen an dem Vaterherzen, bis dieſes Zweifels felſenfeſte Rinde von dieſem Herzen niederfaͤllt.","norm":"Ich will ihn tilgen, diesen Zweifel — will mich hängen an das Vaterherz, will reißen, will mächtig reißen an dem Vaterherzen, bis dieses Zweifels felsenfeste Rinde von diesem Herzen niederfällt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":771,"orig":"— Wer ſind ſie, die mich aus meines Königs Gunſt vertrieben?","norm":"— Wer sind sie, die mich aus meines Königs Gunst vertrieben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":772,"orig":"Was bot der Mönch dem Vater für den Sohn?","norm":"Was bot der Mönch dem Vater für den Sohn?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":773,"orig":"Was wird ihm Alba für ein kinderlos verſcherztes Leben für Vergütung geben?","norm":"Was wird ihm Alba für ein kinderlos verscherztes Leben für Vergütung geben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":774,"orig":"Sie wollen Liebe?","norm":"Sie wollen Liebe?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":775,"orig":"— Hier in dieſem Buſen ſpringt eine Quelle, friſcher, feuriger, als in den trüben, ſumpfigen Behältern, die Philipps Gold erſt öffnen muß.","norm":"— Hier in diesem Busen springt eine Quelle, frischer, feuriger, als in den trüben, sumpfigen Behältern, die Philipps Gold erst öffnen muss."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":776,"orig":"Vermeßner, halt ein!","norm":"Vermeßener, Halt ein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":777,"orig":"— Die Männer die Du ſchändeſt, ſind die geprüften Diener meiner Wahl, ſind meines Thrones Stützen — Stolzer Knabe, und Du wirſt ſie verehren.","norm":"— Die Männer die Du schändest, sind die geprüften Diener meiner Wahl, sind meines Thrones Stützen — stolzer Knabe, und Du wirst sie verehren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":778,"orig":"Nimmermehr.","norm":"Nimmermehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":779,"orig":"Ich fühle mich.","norm":"Ich fühle mich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":780,"orig":"Was Ihre Alba leiſten, das kann auch Karl, und Karl kann mehr.","norm":"Was Ihre Alba leisten, das kann auch Karl, und Karl kann mehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":781,"orig":"Was fragt ein Miethling nach dem Königreich das nie ſein eigen ſein wird?","norm":"Was fragt ein Mietling nach dem Königreich das nie Sein eigen sein wird?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":782,"orig":"Was bekümmert’s den, wenn Philipps graue Haare weiß ſich färben?","norm":"Was bekümmert es den, wenn Philipps graue Haare weiß sich färben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":783,"orig":"Sein König bleibt wenn Philipp nicht mehr iſt, und dort wie hier wird ſeine Münze gelten.","norm":"Sein König bleibt wenn Philipp nicht mehr ist, und dort wie hier wird seine Münze gelten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":784,"orig":"Ihr Karlos hätte Sie geliebt — — Mir graut vor dem Gedanken, einſam und allein, auf einem Thron allein zu ſeyn.","norm":"Ihr Carlos hätte Sie geliebt — — mir graut vor dem Gedanken, einsam und allein, auf einem Thron allein zu sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":785,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":786,"orig":"Ich bin allein.","norm":"Ich bin allein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":787,"orig":"Sie ſind’s geweſen.","norm":"Sie sind es gewesen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":788,"orig":"Haſſen Sie mich nicht mehr, ich will Sie kindlich, will Sie feurig lieben, nur haſſen Sie mich nicht mehr — Wie entzückend und ſüß iſt es, in einer ſchönen Seele verherrlicht uns zu fühlen, es zu wiſſen, daß unſre Freude fremde Wangen röthet, daß unſre Angſt in fremdem Buſen zittert, daß unſre Leiden fremde Augen wäſſern — Wie ſchön iſt es und herrlich, Hand in Hand mit einem theuern, vielgeliebten Sohn der Jugend Roſenbahn zurückzueilen, des Lebens Traum noch einmal durchzuträumen, wie groß und ſüß in ſeines Kindes Tugend unſterblich, unvergänglich fortzudauern, wohlthätig für Jahrhunderte, — wie ſchön und göttlich groß, im Orient des Sohnes noch einmal zu der Nachwelt umzukehren, der Sonne gleich, die in der Spiegelſcheibe des Mondes wieder auferſteht — wie ſüß, zu pflanzen was ein lieber Sohn einſt ärntet, zu ſammeln was ihm wuchern wird, zu ahnden wie hoch ſein Dank einſt flammen wird — — Mein Vater, von dieſem Erdenparadieſe ſchwiegen ſehr weislich Ihre Mönche.","norm":"Hassen Sie mich nicht mehr, Ich will Sie kindlich, will Sie feurig lieben, nur hassen Sie mich nicht mehr — wie entzückend und süß ist es, in einer schönen Seele verherrlicht uns zu fühlen, es zu wissen, dass unsere Freude fremde Wangen rötet, dass unsere Angst in fremdem Busen zittert, dass unsere Leiden fremde Augen wässern — wie schön ist es und herrlich, Hand in Hand mit einem teuren, vielgeliebten Sohn der Jugend Rosenbahn zurückzueilen, des Lebens Traum noch einmal durchzuträumen, wie groß und süß in seines Kindes Tugend Unsterblich, unvergänglich fortzudauern, wohltätig für Jahrhunderte, — wie schön und göttlich groß, im Orient des Sohnes noch einmal zu der Nachwelt umzukehren, der Sonne gleich, die in der Spiegelscheibe des Mondes wieder aufersteht — wie süß, zu pflanzen was ein lieber Sohn einst erntet, zu sammeln was ihm wuchern wird, zu ahnden wie hoch sein Dank einst flammen wird — — Mein Vater, von diesem Erdenparadiese schwiegen sehr weislich Ihre Mönche."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":789,"orig":"O mein Sohn, mein Sohn!","norm":"O mein Sohn, mein Sohn!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":790,"orig":"Du brichſt Dir ſelbſt den Stab.","norm":"Du brichst Dir selbst den Stab."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":791,"orig":"Sehr reitzend mahlſt Du ein Glück, das Du mir nie gewährteſt.","norm":"Sehr reizend malst Du ein Glück, das Du mir nie gewährtest."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":792,"orig":"Das richte der Allwiſſende!","norm":"Das richte der Allwissende!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":793,"orig":"— Sie ſelbſt — Sie ſchloſſen mich, wie aus dem Vaterherzen, von Ihres Zepters Antheil aus.","norm":"— Sie selbst — Sie schlossen mich, wie aus dem Vaterherzen, von Ihres Zepters Anteil aus."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":794,"orig":"Bis jetzt, bis dieſen Tag — o war das gut, war’s billig?","norm":"Bis jetzt, bis diesen Tag — o war das gut, war es billig?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":795,"orig":"— bis jetzt mußt’ ich, der Erbprinz Spaniens, in Spanien ein Fremdling ſein, Gefangner auf dieſem Grund, wo ich einſt Herr ſein werde.","norm":"— Bis jetzt musste ich, der Erbprinz Spaniens, in Spanien ein Fremdling sein, Gefangener auf diesem Grund, wo ich einst Herr sein werde."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":796,"orig":"War das gerecht, war’s gütig?","norm":"War das gerecht, war es gütig?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":797,"orig":"Geben Sie mir zu zerſtören, Vater — Heftig brauſt’s in meinen Adern — drei und zwanzig Jahre, und König Philipps Sohn, und nichts gebaut, und nichts zertrümmert unter dieſem Monde.","norm":"Geben Sie mir zu zerstören, Vater — Heftig braust es in meinen Adern — dreiundzwanzig Jahre, und König Philipps Sohn, und nichts gebaut, und nichts zertrümmert unter diesem Monde."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":798,"orig":"Ich bin erwacht, ich fühle mich — Mein Ruf zum Königsthron pocht wie ein Gläubiger aus meinem Schlummer mich empor, und alle verlorne Stunden meiner Jugend mahnen mich laut wie Ehrenſchulden.","norm":"Ich bin erwacht, ich fühle mich — Mein Ruf zum Königsthron pocht wie ein Gläubiger aus meinem Schlummer mich empor, und alle verlorene Stunden meiner Jugend mahnen mich laut wie Ehrenschulden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":799,"orig":"Er iſt da, der große ſchöne Augenblick, der endlich des hohen Pfundes Zinſen von mir fodert: mich ruft die Weltgeſchichte, Ahnenruhm, und des Gerüchtes donnernde Poſaune.","norm":"Er ist da, der große schöne Augenblick, der endlich Des hohen Pfundes Zinsen von mir fordert: Mich ruft die Weltgeschichte, Ahnenruhm, und des Gerüchtes donnernde Posaune."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":800,"orig":"Nun iſt die Zeit gekommen, mir des Ruhmes glorreiche Schranken aufzuthun — — Mein König, darf ich die Bitte auszuſprechen wagen, die mich hieher geführt?","norm":"Nun ist die Zeit gekommen, mir des Ruhmes glorreiche Schranken aufzutun — — Mein König, darf ich die Bitte auszusprechen wagen, die mich hierhergeführt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":801,"orig":"Noch eine Bitte?","norm":"Noch eine Bitte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":802,"orig":"Entdecke ſie.","norm":"Entdecke sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":803,"orig":"Der Aufruhr in Brabant wächſt drohend an.","norm":"Der Aufruhr in Brabant wächst drohend an."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":804,"orig":"Der Starrſinn der Rebellen heiſcht ſtarke, kluge Gegenwehr.","norm":"Der Startsinn der Rebellen Heischt starke, kluge Gegenwehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":805,"orig":"Die Wuth der Schwärmer zu bezähmen, ſoll der Herzog ein Heer nach Flandern führen, von dem König mit ſouverainer Vollmacht ausgeſtattet.","norm":"Die Wut der Schwärmer zu bezähmen, soll der Herzog ein Heer nach Flandern führen, von dem König mit souveräner Vollmacht ausgestattet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":806,"orig":"Wie ehrenvoll iſt dieſes Amt, und wie ſo ganz dazu erfunden, Philipps Sohn, des großen Kaiſers Enkel, bei der Welt und Nachwelt einzuführen!","norm":"Wie ehrenvoll ist dieses Amt, und wie so ganz dazu erfunden, Philipps Sohn, des großen Kaisers Enkel, bei der Welt und Nachwelt einzuführen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":807,"orig":"— Mir, mein König, mir übergeben Sie das Heer.","norm":"— Mir, mein König, mir übergeben Sie das Heer."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":808,"orig":"Mich lieben die Niederländer, ich erkühne mich mein Blut für ihre Treue zu verbürgen.","norm":"Mich lieben die Niederländer, ich erkühne mich mein Blut für ihre Treue zu verbürgen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":809,"orig":"Du redeſt wie ein Träumender.","norm":"Du redest wie ein Träumender."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":810,"orig":"Dieß Amt will einen Mann und keinen Jüngling —","norm":"Dies Amt will einen Mann und keinen Jüngling —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":811,"orig":"Will nur einen Menſchen, Vater, und das iſt das Einzige, was Alba nie geweſen.","norm":"Will Nur einen Menschen, Vater, und das ist das einzige, was Alba nie gewesen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":812,"orig":"Und Schrecken bändigt die Empörung nur, Erbarmung hieße Wahnſinn — Deine Seele iſt weich, mein Sohn, der Herzog wird gefürchtet — —","norm":"Und Schrecken bändigt die Empörung nur, Erbarmung hieße Wahnsinn — Deine Seele ist weich, mein Sohn, der Herzog wird gefürchtet — —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":813,"orig":"Steh ab von Deiner Bitte.","norm":"Stehe ab von Deiner Bitte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":814,"orig":"Schicken Sie mich mit dem Heer nach Flandern, wagen Sie’s auf meine weiche Seele.","norm":"Schicken Sie mich mit dem Heer nach Flandern, wagen Sie es auf meine weiche Seele."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":815,"orig":"Schon der Name des königlichen Sohnes, der voraus vor meinen Fahnen fliegen wird, erobert, wo Herzog Alba’s Henker nur verheeren.","norm":"Schon der Name des königlichen Sohnes, der voraus vor meinen Fahnen fliegen wird, erobert, wo Herzog Albas Henker nur verheeren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":816,"orig":"Auf meinen Knieen bitt’ ich drum.","norm":"Auf meinen Knien bitte ich darum."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":817,"orig":"Es iſt die erſte Bitte meines Lebens — Vater, vertrauen Sie mir Flandern —","norm":"Es ist die erste Bitte meines Lebens — Vater, Vertrauen Sie mir Flandern —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":818,"orig":"Und zugleich mein beſtes Kriegsheer Deiner Herrſchbegierde?","norm":"Und zugleich mein bestes Kriegsheer Deiner Herrschbegierde?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":819,"orig":"Das Meſſer meinem Mörder?","norm":"Das Messer meinem Mörder?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":820,"orig":"O mein Gott!","norm":"O mein Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":821,"orig":"Bin ich nicht weiter, und iſt das die Frucht von dieſer längſt erbetnen großen Stunde?","norm":"Bin ich nicht weiter, und ist das die Frucht von dieser längst erbetenen großen Stunde?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":822,"orig":"Antworten Sie mir ſanfter.","norm":"Antworten Sie mir sanfter."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":823,"orig":"Schicken Sie mich ſo nicht weg.","norm":"Schicken Sie mich so nicht weg."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":824,"orig":"Mit dieſer übeln Antwort möcht’ ich nicht gern entlaſſen ſein, nicht gern entlaſſen ſein mit dieſem ſchweren Herzen.","norm":"Mit dieser üblen Antwort möchte ich nicht gern entlassen sein, nicht gern Entlassen sein mit diesem schweren Herzen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":825,"orig":"Antworten Sie mir ſanfter.","norm":"Antworten Sie mir sanfter."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":826,"orig":"Nur Dankbarkeit kann meine Tugend retten —","norm":"Nur Dankbarkeit kann meine Tugend retten —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":827,"orig":"Gott was hab’ ich geſprochen?","norm":"Gott was habe ich gesprochen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":828,"orig":"— — Vater, ich war außer mir — ich kann’s nicht faſſen, kann’s nicht ſtandhaft tragen wie ein Mann, daß Sie mir alles, alles, alles ſo verweigern — — Jetzt laſſen Sie mich von Sich. Unerhört, von tauſend ſüßen Ahndungen betrogen, geh’ ich aus Ihrem Angeſicht — Ihr Alba und Ihr Domingo werden ſiegreich thronen, wo jetzt Ihr Kind im Staub geweint.","norm":"— — Vater, ich war außer mir — ich kann es nicht fassen, kann es Nicht standhaft tragen wie ein Mann, dass Sie Mir alles, alles, alles so verweigern — — jetzt lassen Sie mich von Sich unerhört, von tausend süßen Ahndungen betrogen, gehe ich aus Ihrem Angesicht — Ihr Alba und Ihr Domingo werden siegreich thronen, wo jetzt Ihr Kind im Staub geweint."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":829,"orig":"Die Schaar der Höflinge, die bebende Grandezza, der Mönche ſünderbleiche Zunft war Zeuge, als Sie mir feierlich Gehör geſchenkt.","norm":"Die Schar der Höflinge, die bebende Grandezza, der Mönche sünderbleiche Zunft war Zeuge, als Sie mir feierlich Gehör geschenkt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":830,"orig":"Beſchämen Sie mich nicht.","norm":"Beschämen Sie mich nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":831,"orig":"So tödtlich, Vater, verwunden Sie mich nicht, dem frechen Hohn des Hofgeſindes ſchimpflich mich zu opfern, daß Fremdlinge von Ihrer Gnade ſchwelgen, Ihr Karlos nichts erbitten kann.","norm":"So tödlich, Vater, Verwunden Sie mich nicht, dem frechen Hohn des Hofgesindes schimpflich mich zu opfern, dass Fremdlinge von Ihrer Gnade schwelgen, Ihr Carlos nichts erbitten kann."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":832,"orig":"Zum Pfande daß Sie mich ehren wollen, ſchicken Sie mich mit dem Heer nach Flandern.","norm":"Zum Pfande dass Sie mich ehren wollen, schicken Sie Mich mit dem Heer nach Flandern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":833,"orig":"Wiederhohle dieß Wort nicht mehr, bei Deines Königs Zorn.","norm":"Wiederhole dies Wort nicht mehr, bei Deines Königs Zorn."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":834,"orig":"Ich wage meines Königs Zorn, und bitte zum letztenmal: vertrauen Sie mir Flandern.","norm":"Ich wage meines Königs Zorn, und bitte zum letzten Mal: vertrauen Sie mir Flandern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":835,"orig":"Ich ſoll und muß aus Spanien.","norm":"Ich soll und muss aus Spanien."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":836,"orig":"Ein Übel, das niemand ahndet, tobt in mir.","norm":"Ein Übel, das niemand ahndet, tobt in mir."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":837,"orig":"Mein Hierſein iſt Athemhohlen unter Henkershand, ſchwer liegt der Himmel zu Madrid auf mir, wie das Bewußtſein eines Mords.","norm":"Mein Hiersein ist Atemholen unter Henkershand, schwer liegt der Himmel zu Madrid auf mir, wie das Bewusstsein eines Mords."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":838,"orig":"Nur ſchnelle Veränderung des Himmels kann mich heilen.","norm":"Nur schnelle Veränderung des Himmels kann mich heilen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":839,"orig":"Wenn Sie mich retten wollen — ſchicken Sie mich ungeſäumt nach Flandern.","norm":"Wenn Sie mich retten wollen — schicken Sie Mich ungesäumt nach Flandern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":840,"orig":"Solche Kranke wie Du, mein Sohn, verlangen gute Pflege, und wohnen unterm Aug’ des Arzts.","norm":"Solche Kranke Wie Du, mein Sohn, verlangen gute Pflege, und Wohnen unterm Auge des Arzts."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":841,"orig":"Du bleibſt in Spanien, der Herzog geht nach Flandern.","norm":"Du bleibst in Spanien, der Herzog geht nach Flandern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":842,"orig":"O jetzt umringt mich, gute Geiſter — —","norm":"O jetzt umringt mich, gute Geister — —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":843,"orig":"Halt!","norm":"Halt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":844,"orig":"Was wollen dieſe Mienen ſagen?","norm":"Was wollen diese Mienen sagen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":845,"orig":"Vater, unwiderruflich bleibt’s bei der Entſcheidung?","norm":"Vater, unwiderruflich bleibt es bei der Entscheidung?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":846,"orig":"Sie kam vom König.","norm":"Sie kam vom König."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":847,"orig":"Seid jede Stunde des Befehls gewärtig, nach Brüſſel abzugehen.","norm":"Seid jede Stunde des Befehls gewärtig, nach Brüssel abzugehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":848,"orig":"Alles ſteht bereit, mein König.","norm":"Alles steht Bereit, mein König."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":849,"orig":"Eure Vollmacht liegt verſiegelt ſchon im Kabinet.","norm":"Eure Vollmacht liegt versiegelt schon im Kabinett."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":850,"orig":"Indeſſen nehmt Euren Urlaub von der Königinn, und zeiget Euch zum Abſchied dem Infanten.","norm":"Indessen Nehmt Euren Urlaub von der Königin, und zeiget Euch zum Abschied dem Infanten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":851,"orig":"Mit den Geberden eines Wüthenden ſah ich ihn eben dieſen Saal verlaſſen.","norm":"Mit den Gebärden eines Wütenden Sah ich ihn eben diesen Saal verlassen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":852,"orig":"Auch Eure königliche Majeſtät ſind außer Sich und ſcheinen tief bewegt — — Vielleicht der Inhalt des Geſprächs?","norm":"Auch Eure königliche Majestät sind außer Sich und scheinen tief bewegt — — vielleicht der Inhalt des Gesprächs?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":853,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":854,"orig":"Ich wüßte nicht, was ich mit Herzog Alba zu theilen hätte — — Gerne mag ich hören, daß Karlos meine Räthe haßt, doch mit Verdruß entdeck’ ich, daß er ſie verachtet.","norm":"Ich wüsste nicht, was ich mit Herzog Alba zu teilen hätte — — gerne mag ich hören, dass Carlos meine Räte hasst, doch mit Verdruss entdecke ich, dass er sie verachtet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":855,"orig":"Jetzt keine Antwort.","norm":"Jetzt keine Antwort."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":856,"orig":"Ich erlaube Euch den Prinzen zu verſöhnen.","norm":"Ich erlaube Euch den Prinzen zu versöhnen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":857,"orig":"Der Infant iſt Eures Königs Sohn — — und wer von Euch berechtigt iſt, Abbitte von dem andern zu ſodern, das entſcheidet ſelbſt — — Sagt an, wer war es doch, der mich zum erſtenmal vor meines Sohnes ſchwarzem Anſchlag warnte?","norm":"Der Infant ist Eures Königs Sohn — — und wer von Euch berechtigt ist, Abbitte von dem anderen zu fordern, das entscheidet selbst — — sagt an, wer war es doch, der mich zum ersten Mal vor meines Sohnes schwarzem Anschlag warnte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":858,"orig":"Da hört’ ich Euch und nicht auch ihn.","norm":"Da hörte ich Euch und nicht auch ihn."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":859,"orig":"Ich will die Probe wagen, Herzog.","norm":"Ich will die Probe wagen, Herzog."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":860,"orig":"Künftighin ſteht Karlos meinem Throne näher.","norm":"Künftighin steht Carlos meinem Throne näher."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":861,"orig":"Geht.","norm":"Geht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":862,"orig":"Ein Brief an mich?","norm":"Ein Brief an mich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":863,"orig":"— Wozu denn dieſer Schlüſſel?","norm":"— Wozu denn dieser Schlüssel?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":864,"orig":"— Und beides mir ſo heimlich überliefert?","norm":"— Und beides mir so heimlich überliefert?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":865,"orig":"— Komm näher — Wo empfingſt Du das?","norm":"— Komme näher — wo empfingst Du das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":866,"orig":"Wie mich die Dame merken laſſen, will ſie lieber errathen als beſchrieben ſein —","norm":"Wie mich die Dame merken lassen, will sie lieber Erraten als beschrieben sein —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":867,"orig":"Die Dame?","norm":"Die Dame?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":868,"orig":"Was?","norm":"Was?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":869,"orig":"— Wie?","norm":"— Wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":870,"orig":"— Wer biſt Du denn?","norm":"— Wer bist Du denn?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":871,"orig":"Ein Edelknabe von Ihrer Majeſtät der Königinn — —","norm":"Ein Edelknabe von Ihrer Majestät der Königin — —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":872,"orig":"Du biſt des Todes.","norm":"Du bist des Todes."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":873,"orig":"Halt!","norm":"Halt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":874,"orig":"Ich weiß genug.","norm":"Ich weiß genug."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":875,"orig":"Sie gab Dir ſelbſt den Brief?","norm":"Sie gab Dir selbst den Brief?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":876,"orig":"Mit eignen Händen.","norm":"Mit eigenen Händen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":877,"orig":"Sie gab Dir ſelbſt den Brief?","norm":"Sie gab Dir selbst den Brief?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":878,"orig":"— — O ſpotte nicht!","norm":"— — O spotte nicht!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":879,"orig":"Noch hab ich nichts von ihrer Hand geleſen, ich muß Dir glauben wenn Du ſchwören kannſt.","norm":"Noch habe ich nichts von ihrer Hand gelesen, Ich muss Dir glauben wenn Du schwören kannst."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":880,"orig":"Wenn’s Lüge war, geſteh mir’s offenherzig, und treibe keinen Spott mit mir.","norm":"Wenn es Lüge war, gestehe mir es offenherzig, und treibe keinen Spott mit mir."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":881,"orig":"Mit wem?","norm":"Mit wem?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":882,"orig":"Du haſt noch Eltern?","norm":"Du hast noch Eltern?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":883,"orig":"Ja?","norm":"Ja?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":884,"orig":"Dein Vater dient dem Könige, und iſt ein Kind des Landes?","norm":"Dein Vater dient dem Könige, und ist ein Kind des Landes?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":885,"orig":"Er fiel bei Saint Quentin, ein Oberſter der Reiterei des Herzogs von Savoien, und hieß Alonzo Graf von Henarez.","norm":"Er fiel bei Saint Quentin, ein Oberster der Reiterei des Herzogs von Savoyen, und hieß Alonzo Graf von Henarez."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":886,"orig":"Den Brief gab Dir der König?","norm":"Den Brief gab Dir der König?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":887,"orig":"O dann vergieb mir!","norm":"O dann vergib mir!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":888,"orig":"„Dieſer Schlüſſel öffnet die hintern Zimmer im Pavillon der Königinn.","norm":"„Dieser Schlüssel öffnet die hinteren Zimmer im Pavillon der Königin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":889,"orig":"Das äußerſte von allen ſiößt ſeitwärts an ein Kabinet, wohin noch keines Horchers Fußtritt ſich verloren.","norm":"Das äußerste von allen stößt seitwärts an ein Kabinett, wohin noch keines Horchers Fußtritt sich verloren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":890,"orig":"Hier darf die Liebe frei und laut geſtehn, was ſie ſo lange Winken nur vertraute.","norm":"Hier darf die Liebe frei und laut gestehen, was sie so lange Winken nur vertraute."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":891,"orig":"Erhörung wartet auf den Furchtſamen, und ſchöner Lohn auf den beſcheidnen Dulder.","norm":"Erhörung wartet auf den Furchtsamen, und schöner Lohn auf den bescheidenen Dulder."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":892,"orig":"“ E.","norm":"“ E."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":893,"orig":"Ich träume nicht — ich raſe nicht — das iſt mein rechter Arm — das iſt mein Schwert — das ſind geſchriebne Silben.","norm":"Ich träume nicht — ich rase nicht — das ist mein rechter Arm — das ist mein Schwert — das sind geschriebene Silben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":894,"orig":"Es iſt wahr und wirklich.","norm":"Es ist wahr und wirklich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":895,"orig":"Ich bin geliebt — ich bin es — ja ich bin der Glücklichſte der Glücklichen, ſo weit das Unermeßliche von Bürgern wimmelt.","norm":"Ich bin geliebt — ich bin es — ja ich bin der Glücklichste der Glücklichen, so weit das Unermessliche von Bürgern wimmelt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":896,"orig":"Ich bin geliebt!","norm":"Ich bin geliebt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":897,"orig":"So kommen Sie, mein Prinz, ich führe Sie.","norm":"So kommen Sie, mein Prinz, ich führe Sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":898,"orig":"Erſt laß mich zu mir ſelber kommen — Zittern nicht alle Schrecken dieſes Glücks noch in mir?","norm":"Erst lass mich zu mir selber kommen — Zittern nicht alle Schrecken dieses Glücks noch in mir?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":899,"orig":"Hab’ ich ſo ſtolz gehofft?","norm":"Habe ich so stolz gehofft?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":900,"orig":"Hab’ ich das je zu träumen mir getraut?","norm":"Habe ich das je zu träumen mir getraut?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":901,"orig":"Wo iſt der Menſch, der ſich ſo ſchnell gewöhnte Gott zu ſein?","norm":"Wo ist der Mensch, der sich so schnell gewöhnte Gott zu sein?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":902,"orig":"— Wer war ich, und wer bin ich nun?","norm":"— Wer war ich, und wer bin ich nun?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":903,"orig":"Das iſt ein andrer Himmel, eine andre Sonne, als vorhin da geweſen war — das iſt die Welt nicht mehr, wo Thränen fließen ſollen — Nein, das war nur ein Fiebertraum — er iſt vorüber, ich bin aufgewacht.","norm":"Das ist ein anderer Himmel, eine andere Sonne, als vorhin dagewesen war — das ist die Welt nicht mehr, wo Tränen fließen sollen — Nein, das war nur ein Fiebertraum — er ist vorüber, ich bin aufgewacht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":904,"orig":"Sie vergeſſen — —","norm":"Sie vergessen — —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":905,"orig":"Den König, meinen Vater!","norm":"Den König, meinen Vater!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":906,"orig":"Das iſt ſchrecklich — Ja ganz recht, Freund.","norm":"Das ist schrecklich — Ja ganz recht, Freund."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":907,"orig":"Ich danke Dir, ich war ſo eben nicht ganz bei mir — Daß ich das verſchweigen ſoll, der Seligkeit ſo viel in dieſe Bruſt vermauern ſoll, das, das iſt ſchrecklich — Unterirdiſch Gold, ſagt man, wird unter Todtenſtille nur gehoben.","norm":"Ich danke Dir, ich war soeben nicht ganz bei mir — dass ich das Verschweigen soll, der Seligkeit so viel in diese Brust vermauern soll, das, das ist schrecklich — unterirdisch Gold, sagt man, wird unter Totenstille nur gehoben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":908,"orig":"Drum will ich auch nicht athmen.","norm":"Darum will ich auch nicht atmen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":909,"orig":"Was Du heute geſehen haſt — hörſt Du?","norm":"Was Du heute gesehen hast — hörst Du?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":910,"orig":"— und nicht geſehn, ſei wie ein Sarg in Deiner Bruſt verſunken.","norm":"— und nicht gesehen, Sei wie ein Sarg in Deiner Brust versunken."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":911,"orig":"Jetzt geh. Ich will mich finden.","norm":"Jetzt geh. Ich will mich finden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":912,"orig":"Geh. Man darf uns hier nicht treffen.","norm":"Geh. Man darf uns hier nicht treffen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":913,"orig":"Geh —","norm":"Gehe —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":914,"orig":"Doch halt!","norm":"Doch halt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":915,"orig":"doch höre!","norm":"doch höre!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":916,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":917,"orig":"Du nimmſt ein ſchreckliches Geheimniß mit, das jenen ſtarken Giften gleich die Schale, worin es aufgefangen wird, zerſprengt — Trag es dem Throne nicht zu nah — auch nicht zu nah dem Falkenblick des Müßiggangs.","norm":"Du nimmst ein schreckliches Geheimnis mit, das jenen starken Giften gleich die Schale, worin es aufgefangen wird, zersprengt — Trage es dem Throne nicht zu nah — auch nicht zu nah dem Falkenblick des Müßiggangs."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":918,"orig":"Beherrſche Deine Mienen gut.","norm":"Beherrsche Deine Mienen gut."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":919,"orig":"Dein Kopf erfahre niemals was Dein Buſen hütet.","norm":"Dein Kopf Erfahre niemals was Dein Busen hütet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":920,"orig":"Sei wie das todte Sprachrohr, das den Schall empfängt und wiedergibt, und ſelbſt nicht höret.","norm":"Sei wie das tote Sprachrohr, das den Schall empfängt und wiedergibt, und selbst nicht hört."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":921,"orig":"Du biſt ein Knabe — ſei es immerhin und fahre fort den Frölichen zu ſpielen — Wie gut verſtand’s die kluge Schreiberinn, der Liebe einen Boten auszuleſen!","norm":"Du bist ein Knabe — sei es immerhin und fahre fort den Fröhlichen zu spielen — wie gut verstand es die kluge Schreiberin, der Liebe einen Boten auszulesen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":922,"orig":"Hier ſucht der König ſeine Nattern nicht.","norm":"Hier sucht der König seine Nattern nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":923,"orig":"Und ich, mein Prinz, ich werde ſtolz drauf ſein, um ein Geheimniß reicher mich zu wiſſen, als ſelbſt der König —","norm":"Und ich, mein Prinz, ich werde stolz drauf sein, um ein Geheimnis reicher mich zu wissen, als selbst der König —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":924,"orig":"Eitler junger Thor, das iſt’s wovor Du zittern mußt — Geſchieht’s, daß wir uns öffentlich begegnen, ſchüchtern, mit Unterwerfung nah’ſt Du mir.","norm":"Eitler junger Tor, das ist es wovor Du zittern musst — geschieht es, dass wir uns öffentlich begegnen, schüchtern, mit Unterwerfung nahst Du mir."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":925,"orig":"Laß nie die Eitelkeit zu Winken Dich verführen, wie gnädig der Infant Dir ſei.","norm":"Lass nie die Eitelkeit zu winken Dich verführen, wie gnädig der Infant Dir sei."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":926,"orig":"Du kannſt nicht ſchwerer ſündigen, mein Sohn, als wenn Du mir gefällſt — Was Du mir künftig magſt zu hinterbringen haben, ſprich es nie mit Silben aus, vertrau’ es nie den Lippen; den allgemeinen Fahrweg der Gedanken betrete Deine Zeitung nicht; viel lieber laß ſie, dem aufgejagten Mörder gleich, durch bahnenloſe Wüſten zu mir kriechen, wo niemand ihre Spuren ſucht.","norm":"Du kannst nicht schwerer sündigen, mein Sohn, als wenn Du mir gefällst — was Du mir künftig magst zu hinterbringen haben, sprich es nie mit Silben aus, vertraue es nie den Lippen; den allgemeinen Fahrweg der Gedanken betrete Deine Zeitung nicht; viel lieber lass sie, dem aufgejagten Mörder gleich, durch bahnenlose Wüsten zu mir kriechen, wo niemand ihre Spuren sucht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":927,"orig":"Du ſprichſt mit Deinen Wimpern, Deinem Zeigefinger, ich höre Dir mit Blicken zu.","norm":"Du sprichst mit Deinen Wimpern, Deinem Zeigefinger, Ich höre Dir mit Blicken zu."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":928,"orig":"Die Luft, das Licht um uns iſt Philipps Kreatur; die tauben Wände ſtehn in ſeinem Solde — — Man kommt —","norm":"Die Luft, das Licht um uns ist Philipps Kreatur; die tauben Wände stehen in seinem Solde — — Man kommt —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":929,"orig":"Hinweg!","norm":"Hinweg!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":930,"orig":"auf Wiederſehen!","norm":"auf Wiedersehen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":931,"orig":"Prinz, daß Sie das rechte Zimmer nur nicht fehlen!","norm":"Prinz, dass Sie das rechte Zimmer nur nicht fehlen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":932,"orig":"Es iſt der Herzog — Nein doch, nein, ſchon gut, ich finde mich.","norm":"Es ist der Herzog — Nein doch, nein, schon gut, Ich finde mich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":933,"orig":"Zwei Worte, gnäd’ger Prinz.","norm":"Zwei Worte, gnädiger Prinz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":934,"orig":"Ganz recht — ſchon gut — ein andermal.","norm":"Ganz recht — schon gut — ein andermal."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":935,"orig":"Der Ort ſcheint freilich nicht der ſchicklichſte.","norm":"Der Ort scheint freilich nicht der schicklichste."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":936,"orig":"Vielleicht gefällt es Eurer königlichen Hoheit auf Ihrem Zimmer mir Gehör zu geben?","norm":"Vielleicht gefällt es Eurer Königlichen Hoheit auf Ihrem Zimmer mir Gehör zu geben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":937,"orig":"Wozu?","norm":"Wozu?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":938,"orig":"das kann hier auch geſchehn — Nur ſchnell, nur kurz —","norm":"Das kann hier auch geschehen — nur schnell, nur kurz —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":939,"orig":"Was eigentlich hieher mich führt, iſt, Eurer Hoheit unterthän’gen Dank für das bewußte abzutragen —","norm":"Was eigentlich hierher mich führt, ist, Eurer Hoheit untertänigen Dank für das Bewusste abzutragen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":940,"orig":"Dank?","norm":"Dank?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":941,"orig":"Mir Dank?","norm":"Mir Dank?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":942,"orig":"wofür?","norm":"Wofür?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":943,"orig":"— und Dank von Herzog Alba?","norm":"— und Dank von Herzog Alba?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":944,"orig":"Denn kaum daß Sie das Zimmer des Monarchen verlaſſen hatten, ward mir angekündigt nach Brüſſel abzugehen.","norm":"Denn kaum dass Sie das Zimmer des Monarchen Verlassen hatten, wurde mir angekündigt Nach Brüssel abzugehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":945,"orig":"Brüſſel!","norm":"Brüssel!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":946,"orig":"So!","norm":"So!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":947,"orig":"Wem ſonſt, mein Prinz, als Ihrer gnädigen Verwendung bei des Königs Majeſtät kann ich es zuzuſchreiben haben?","norm":"Wem sonst, mein Prinz, als Ihrer gnädigen Verwendung bei des Königs Majestät kann ich es zuzuschreiben haben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":948,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":949,"orig":"Mir?","norm":"Mir?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":950,"orig":"Mir ganz und gar nicht — mir wahrhaftig nicht.","norm":"Mir ganz und gar nicht — mir wahrhaftig nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":951,"orig":"Sie reiſen — reiſen Sie mit Gott!","norm":"Sie reisen — reisen Sie mit Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":952,"orig":"Sonſt nichts?","norm":"Sonst nichts?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":953,"orig":"Das nimmt mich Wunder — Eure Hoheit hätten mir weiter nichts nach Flandern aufzutragen?","norm":"Das nimmt mich Wunder — Eure Hoheit hätten mir weiter nichts nach Flandern aufzutragen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":954,"orig":"Was ſonſt?","norm":"Was sonst?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":955,"orig":"was dort?","norm":"was dort?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":956,"orig":"Doch ſchien es noch vor kurzem, als forderte das Schickſal dieſer Länder Dom Karlos eigne Gegenwart.","norm":"Doch schien es noch vor kurzem, als forderte das Schicksal dieser Länder Don Carlos eigene Gegenwart."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":957,"orig":"Wie ſo?","norm":"Wieso?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":958,"orig":"Doch ja — ja recht — das war vorhin — das iſt auch ſo ganz gut, recht gut, um ſo viel beſſer —","norm":"Doch ja — ja recht — das war vorhin — das ist auch so ganz gut, recht gut, um so viel besser —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":959,"orig":"Ich höre mit Verwunderung —","norm":"Ich höre mit Verwunderung —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":960,"orig":"Sie ſind ein großer General — wer weiß das nicht?","norm":"Sie sind ein großer General — wer weiß das nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":961,"orig":"Der Neid muß es beſchwören.","norm":"Der Neid muss es beschwören."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":962,"orig":"Ich — ich bin ein junger Menſch.","norm":"Ich — ich bin ein junger Mensch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":963,"orig":"So hat es auch der König gemeint.","norm":"So hat es auch der König gemeint."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":964,"orig":"Der König hat ganz Recht, ganz Recht.","norm":"Der König hat ganz Recht, ganz Recht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":965,"orig":"Ich ſeh’s jetzt ein, ich bin vergnügt, und alſo genug davon.","norm":"Ich sehe es jetzt ein, ich bin vergnügt, und also genug davon."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":966,"orig":"Glück auf den Weg.","norm":"Glück auf den Weg."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":967,"orig":"Ich kann jetzt, wie Sie ſehen, ſchlechterdings — ich bin ſo eben etwas überhäuft — das weitere auf morgen, oder wenn Sie wollen, oder wenn Sie von Brüſſel wiederkommen —","norm":"Ich kann jetzt, wie Sie sehen, schlechterdings — ich bin soeben etwas überhäuft — das Weitere auf morgen, oder wenn Sie wollen, oder wenn Sie von Brüssel wiederkommen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":968,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":969,"orig":"Leben Sie denn wohl.","norm":"Leben Sie denn wohl."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":970,"orig":"Sie nehmen gute Jahrszeit mit — Die Reiſe geht über Mailand, Lothringen, Burgund und Deutſchland — Deutſchland?","norm":"Sie nehmen gute Jahrszeit mit — die Reise geht über Mailand, Lothringen, Burgund und Deutschland — Deutschland?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":971,"orig":"— Recht, in Deutſchland war es!","norm":"— Recht, in Deutschland war es!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":972,"orig":"Da kennt man Sie!","norm":"Da kennt man Sie!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":973,"orig":"— Wir haben jetzt April;","norm":"— Wir haben jetzt April;"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":974,"orig":"Mai — Junius, — im Julius, ganz recht, und ſpäteſtens zu Anfang des Auguſts ſind Sie in Brüſſel.","norm":"Mai — Junis, — im Julius, ganz recht, und spätestens zu Anfang des Augusts sind Sie in Brüssel."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":975,"orig":"O ich zweifle nicht, man wird ſehr bald von Ihren Siegen hören.","norm":"O ich zweifle nicht, man wird sehr bald von Ihren Siegen hören."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":976,"orig":"Sie werden unſers gnädigſten Vertrauens ſich werth zu machen wiſſen.","norm":"Sie werden unseres gnädigsten Vertrauens sich wert zu machen wissen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":977,"orig":"Werd’ ich das, in meines Nichts durchbohrendem Gefühle?","norm":"Werde ich das, in meines Nichts durchbohrendem Gefühle?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":978,"orig":"Sie ſind empfindlich, Herzog — und mit Recht.","norm":"Sie sind empfindlich, Herzog — und mit Recht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":979,"orig":"Es war, ich muß bekennen, wenig Schonung von meiner Seite, Waffen gegen Sie zu führen, die Sie nicht im Stande ſind mir zu erwiedern.","norm":"Es war, ich muss bekennen, wenig Schonung von meiner Seite, Waffen gegen Sie zu führen, die Sie nicht imstande sind Mir zu erwidern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":980,"orig":"Nicht im Stande?","norm":"Nicht imstande?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":981,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":982,"orig":"Schade, daß mir’s gerade jetzt an Zeit gebricht, den würd’gen Kampf mit Alba auszufechten.","norm":"Schade, dass mir es gerade jetzt an Zeit gebricht, den würdigen Kampf mit Alba auszufechten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":983,"orig":"Ein andermal —","norm":"Ein andermal —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":984,"orig":"Prinz, wir verrechnen uns auf ganz verſchiedne Weiſe.","norm":"Prinz, wir verrechnen uns auf ganz verschiedene Weise."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":985,"orig":"Sie zum Beiſpiel, Sie ſehen Sich um zwanzig Jahre ſpäter, ich Sie um eben ſo viel früher.","norm":"Sie zum Beispiel, Sie sehen sich um zwanzig Jahre später, Ich Sie um ebenso viel früher."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":986,"orig":"Nun?","norm":"Nun?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":987,"orig":"Und dabei fällt mir ein, wie viele Nächte bei ſeiner ſchönen Portugieſiſchen Gemahlinn, Ihrer Mutter, der Monarch wohl drum gegeben hätte, einen Arm wie dieſen, ſeiner Krone zu erkaufen?","norm":"Und dabei fällt mir ein, wie viele Nächte bei seiner schönen portugiesischen Gemahlin, Ihrer Mutter, der Monarch Wohl darum gegeben hätte, einen Arm wie diesen, seiner Krone zu erkaufen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":988,"orig":"Ihm mocht’ es wohl bekannt ſein, wie viel leichter die Sache ſei, Monarchen fortzupflanzen, als Monarchien — wie viel ſchneller man die Welt mit einem Könige verſorge, als Könige mit einer Welt.","norm":"Ihm mochte es wohl bekannt sein, wie viel leichter die Sache sei, Monarchen fortzupflanzen, als Monarchien — wie viel schneller man Die Welt mit einem Könige versorge, als Könige mit einer Welt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":989,"orig":"Sehr wahr — Doch, Herzog Alba?","norm":"Sehr wahr — Doch, Herzog Alba?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":990,"orig":"doch —","norm":"doch —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":991,"orig":"Und wie viel Blut, Blut Ihres Volkes fließen mußte, bis zwei Tropfen Sie zum König machen konnten.","norm":"Und wie viel Blut, Blut Ihres Volkes fließen musste, bis zwei Tropfen Sie zum König machen konnten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":992,"orig":"Sehr wahr, bei Gott — und in zwei Worte alles gepreßt, was des Verdienſtes Stolz dem Stolze des Glücks entgegen ſetzen kann — Doch nun die Anwendung?","norm":"Sehr wahr, bei Gott — und in zwei Worte alles Gepresst, was des Verdienstes Stolz dem Stolze des Glücks entgegensetzen kann — doch nun die Anwendung?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":993,"orig":"doch, Herzog Alba?","norm":"doch, Herzog Alba?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":994,"orig":"Wehe dem zarten Wiegenkinde Majeſtät, das ſeiner Amme ſpotten kann!","norm":"Wehe dem zarten Wiegenkinde Majestät, das seiner Amme spotten kann!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":995,"orig":"Wie ſanft mag’s auf dem weichen Kiſſen unſrer Siege ſich ſchlafen laſſen!","norm":"Wie sanft mag es auf dem weichen Kissen unserer Siege sich schlafen lassen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":996,"orig":"An der Krone funkeln die Perlen nur, und freilich nicht die Wunden, mit denen ſie errungen ward — Dieß Schwert ſchrieb fremden Völkern Spaniſche Geſetze, es blitzte dem Gekreuzigten voran, und zeichnete dem Samenkorn des Glaubens auf dieſem Welttheil blut’ge Furchen vor:","norm":"An der Krone funkeln die Perlen nur, und freilich nicht die Wunden, mit denen sie errungen wurde — dies Schwert schrieb fremden Völkern spanische Gesetze, es blitzte dem Gekreuzigten voran, und zeichnete dem Samenkorn des Glaubens auf diesem Weltteil blutige Furchen vor:"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":997,"orig":"Gott richtete im Himmel, ich auf Erden —","norm":"Gott richtete im Himmel, ich auf Erden —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":998,"orig":"Gott oder Teufel, gilt gleich viel!","norm":"Gott oder Teufel, gilt gleichviel!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":999,"orig":"Sie waren ſein rechter Arm.","norm":"Sie waren Sein rechter Arm."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1000,"orig":"Ich weiß das wohl — und jetzt nichts mehr davon.","norm":"Ich weiß das wohl — und jetzt nichts mehr davon."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1001,"orig":"Ich bitte.","norm":"Ich bitte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1002,"orig":"Vor gewiſſen Erinnerungen möcht’ ich gern mich hüten.","norm":"Vor gewissen Erinnerungen möchte ich gern mich hüten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1003,"orig":"— Ich ehre meines Vaters Wahl.","norm":"— Ich ehre meines Vaters Wahl."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1004,"orig":"Mein Vater braucht einen Alba; daß er dieſen braucht, das iſt es nicht, warum ich ihn beneide.","norm":"Mein Vater braucht einen Alba; dass er diesen braucht, das ist es nicht, warum ich ihn beneide."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1005,"orig":"Sie ſind ein großer Mann — Auch das mag ſein; ich glaub’ es faſt.","norm":"Sie sind ein großer Mann — auch das mag sein; Ich glaube es fast."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1006,"orig":"Nur fürcht’ ich, kamen Sie um wenige Jahrtauſende zu zeitig.","norm":"Nur fürchte ich, kamen Sie um wenige Jahrtausende zu zeitig."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1007,"orig":"Ein Alba, ſollt’ ich meinen, war der Mann, am Ende aller Tage zu erſcheinen: dann, wenn des Laſters Rieſentrotz die Langmuth des Himmels aufgezehrt, die reiche Ärnte der Miſſethat in vollen Halmen ſteht, und einen Schnitter ſonder Beiſpiel fodert, dann ſtehen Sie an Ihrem Platz — — O Gott, mein Paradies!","norm":"Ein Alba, sollte ich meinen, war der Mann, am Ende aller Tage zu erscheinen: Dann, wenn des Lasters Riesentrotz die Langmut des Himmels aufgezehrt, die reiche Ernte der Missetat in vollen Halmen steht, und einen Schnitter sonder Beispiel fordert, dann stehen Sie an Ihrem Platz — — O Gott, mein Paradies!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1008,"orig":"mein Flandern!","norm":"mein Flandern!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1009,"orig":"— Doch ich ſoll es jetzt nicht denken.","norm":"— Doch ich soll es jetzt nicht denken."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1010,"orig":"Die Vorſicht iſt lobenswerth.","norm":"Die Vorsicht ist lobenswert."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1011,"orig":"So braucht man ſich vor keiner Schikane mehr zu fürchten — O mein Vater, wie ſchlecht verſtand ich Deine Meinung!","norm":"So braucht man sich vor keiner Schikane mehr zu fürchten — O mein Vater, wie schlecht verstand ich Deine Meinung!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1012,"orig":"Härte gab ich Dir Schuld, weil Du mir ein Geſchäft verweigerteſt, wo Deine Alba glänzen?","norm":"Härte gab ich Dir Schuld, weil Du mir ein Geschäft verweigertest, wo Deine Alba glänzen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1013,"orig":"— Es war der Anfang Deiner Achtung.","norm":"— Es war der Anfang Deiner Achtung."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1014,"orig":"Prinz, dieß Wort verdiente —","norm":"Prinz, dies Wort verdiente —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1015,"orig":"Was?","norm":"Was?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1016,"orig":"Doch davor ſchützt Sie der Königsſohn.","norm":"Doch davor schützt Sie der Königssohn."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1017,"orig":"Das fodert Blut!","norm":"Das fordert Blut!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1018,"orig":"— Das Schwert gezogen, Herzog!","norm":"— Das Schwert Gezogen, Herzog!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1019,"orig":"Gegen wen?","norm":"Gegen wen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1020,"orig":"Das Schwert gezogen, ich durchſtoße Sie.","norm":"Das Schwert gezogen, ich durchstoße Sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1021,"orig":"Wenn es denn ſeyn muß —","norm":"Wenn es denn sein muss —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1022,"orig":"Bloße Schwerter!","norm":"Bloße Schwerter!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1023,"orig":"Karlos!","norm":"Carlos!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1024,"orig":"Verſöhnung, Herzog!","norm":"Versöhnung, Herzog!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1025,"orig":"alles ſei vergeben!","norm":"Alles sei vergeben!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1026,"orig":"Bei Gott, das iſt doch ſeltſam!","norm":"Bei Gott, das ist doch seltsam!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1027,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1028,"orig":"Herzog Alba!","norm":"Herzog Alba!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1029,"orig":"Er kommt!","norm":"Er kommt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1030,"orig":"Sind Sie allein?","norm":"Sind Sie allein?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1031,"orig":"er kommt!","norm":"er kommt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1032,"orig":"Mich wundert ſehr ihn noch nicht hier zu finden; doch er muß im Augenblick erſcheinen.","norm":"Mich wundert sehr ihn noch nicht hier zu finden; doch er muss im Augenblick erscheinen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1033,"orig":"Muß er?","norm":"Muss er?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1034,"orig":"Nun ſo will er auch — ſo iſt es ja entſchieden —","norm":"Nun so will er auch — so ist es ja entschieden —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1035,"orig":"Er folgt mir auf den Ferſen — Gnäd’ge Fürſtinn, Sie ſind geliebt — geliebt, geliebt wie Sie, kann niemand ſein und niemand ſein geweſen.","norm":"Er folgt mir auf den Fersen — gnädige Fürstin, Sie sind geliebt — geliebt, geliebt wie Sie, kann niemand sein und niemand sein gewesen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1036,"orig":"Welch eine Scene ſah ich an!","norm":"Welch eine Szene sah ich an!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1037,"orig":"Geſchwinde!","norm":"Geschwinde!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1038,"orig":"Du ſprachſt mit ihm?","norm":"Du sprachst mit ihm?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1039,"orig":"Heraus damit!","norm":"Heraus damit!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1040,"orig":"Was ſprach er?","norm":"Was sprach er?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1041,"orig":"Wie nahm er ſich?","norm":"Wie nahm er sich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1042,"orig":"Was waren ſeine Worte?","norm":"Was waren seine Worte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1043,"orig":"Er ſchien verlegen, ſchien beſtürzt?","norm":"Er schien verlegen, schien bestürzt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1044,"orig":"Errieth er die Perſon, die ihm den Schlüſſel ſchickte?","norm":"Erriet er die Person, die ihm den Schlüssel schickte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1045,"orig":"Geſchwinde — Oder rieth er nicht?","norm":"Geschwinde — Oder riet er nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1046,"orig":"Er rieth wohl gar nicht?","norm":"Er riet wohl gar nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1047,"orig":"rieth auf eine falſche?","norm":"riet auf eine falsche?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1048,"orig":"— Nun?","norm":"— Nun?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1049,"orig":"Antworteſt Du mir denn kein Wort?","norm":"Antwortest Du mir denn kein Wort?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1050,"orig":"O pfui, pfui ſchäme Dich: ſo hölzern biſt Du nie, ſo unerträglich langſam nie geweſen.","norm":"O pfui, Pfui schäme Dich: so hölzern bist Du nie, so unerträglich langsam nie gewesen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1051,"orig":"Kann ich zu Worte kommen, Gnädigſte?","norm":"Kann ich zu Worte kommen, Gnädigste?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1052,"orig":"— — Ich übergab ihm Billet und Schlüſſel im Vorſaal bei der Königinn.","norm":"— — Ich übergab ihm Billett und Schlüssel im Vorsaal bei der Königin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1053,"orig":"Er ſtutzte und ſah mich an, da mir das Wort entwiſchte, ein Frauenzimmer ſende mich.","norm":"Er stutzte und sah mich an, da mir das Wort entwischte, ein Frauenzimmer sende mich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1054,"orig":"Er ſtutzte?","norm":"Er stutzte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1055,"orig":"Sehr gut!","norm":"Sehr gut!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1056,"orig":"ſehr brav!","norm":"sehr brav!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1057,"orig":"nur fort, erzähle weiter.","norm":"Nur fort, erzähle weiter."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1058,"orig":"Ich wollte mehr noch ſagen, da erblaßt’ er, und riß den Brief mir aus der Hand, und ſah mich drohend an, und ſagt’, er wiſſe alles.","norm":"Ich wollte mehr noch sagen, da erblasste er, und riss den Brief mir aus der Hand, und sah mich drohend an, und sagte, er wisse alles."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1059,"orig":"Den Brief durchlas er mit Beſtürzung, fing auf einmal an zu zittern.","norm":"Den Brief durchlas er mit Bestürzung, fing auf einmal an zu zittern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1060,"orig":"Wiſſe alles?","norm":"Wisse alles?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1061,"orig":"Er wiſſe alles?","norm":"Er wisse alles?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1062,"orig":"Sagt’ er das?","norm":"Sagte er das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1063,"orig":"Und fragte mich dreimal, viermal, ob Sie ſelber, wirklich Sie ſelber mir den Brief gegeben?","norm":"Und fragte mich dreimal, viermal, ob Sie selber, wirklich Sie selber mir den Brief gegeben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1064,"orig":"Ob ich ſelbſt?","norm":"Ob Ich selbst?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1065,"orig":"Und alſo nannt’ er meinen Namen?","norm":"Und also nannte er meinen Namen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1066,"orig":"Den Namen — nein, den nannt’ er nicht — Es möchten Spionen, ſagt’ er, in der Gegend horchen, und es dem König plaudern.","norm":"Den Namen — nein, den nannte er nicht — es möchten Spionen, sagte er, in der Gegend horchen, und es dem König plaudern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1067,"orig":"Sagt’ er das?","norm":"Sagte er das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1068,"orig":"Dem König, ſagt’ er, liege ganz erſtaunlich, gar mächtig viel daran, beſonders viel, von dieſem Briefe Kundſchaft zu erhalten.","norm":"Dem König, sagte er, liege ganz erstaunlich, Gar mächtig viel daran, besonders viel, von diesem Briefe Kundschaft zu erhalten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1069,"orig":"Dem König?","norm":"Dem König?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1070,"orig":"Haſt Du recht gehört?","norm":"Hast Du recht gehört?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1071,"orig":"Dem König?","norm":"Dem König?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1072,"orig":"War das der Ausdruck, den er brauchte?","norm":"War das der Ausdruck, den er brauchte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1073,"orig":"Ja!","norm":"Ja!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1074,"orig":"Er nannt’ es ein gefährliches Geheimniß, und warnte mich, mit Worten und mit Winken gar ſehr auf meiner Hut zu ſein, daß ja der König keinen Argwohn ſchöpfe.","norm":"Er nannte es ein gefährliches Geheimnis, und warnte mich, mit Worten und mit Winken Gar sehr auf meiner Hut zu sein, dass ja der König keinen Argwohn schöpfe."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1075,"orig":"Alles trifft zu — Es kann nicht anders ſein — er muß um die Geſchichte wiſſen — Unbegreiflich!","norm":"Alles Trifft zu — es kann nicht anders sein — er muss um die Geschichte wissen — unbegreiflich!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1076,"orig":"Wer mag ihm wohl verrathen haben?","norm":"Wer mag ihm wohl verraten haben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1077,"orig":"— Wer?","norm":"— Wer?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1078,"orig":"Ich frage noch — Wer ſieht ſo ſcharf, ſo tief, wer anders, als der Falkenblick der Liebe?","norm":"Ich frage noch — wer sieht so scharf, so tief, wer anders, als der Falkenblick der Liebe?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1079,"orig":"— Doch weiter, fahre weiter fort: er las das Billet — —","norm":"— Doch weiter, fahre weiter fort: Er las das Billett — —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1080,"orig":"Das Billet enthalte ein Glück, ſagt’ er, vor dem er zittern müſſe; das hab’ er nie zu träumen ſich getraut, und was er ſonſt noch von dem Schlüſſel ſagte — — Zum Unglück trat der Herzog in den Saal, dieß zwang uns —","norm":"Das Billett enthalte ein Glück, sagte er, vor dem er zittern müsse; das habe er nie zu träumen sich getraut, und was er sonst noch von dem Schlüssel sagte — — zum Unglück trat der Herzog in den Saal, dies zwang uns —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1081,"orig":"Aber was in aller Welt hat jetzt der Herzog dort zu thun?","norm":"Aber was in aller Welt hat jetzt der Herzog dort zu tun?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1082,"orig":"Der Schlüſſel?","norm":"Der Schlüssel?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1083,"orig":"Wo aber, wo bleibt er denn?","norm":"Wo aber, wo bleibt er denn?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1084,"orig":"Was zögert er?","norm":"Was zögert er?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1085,"orig":"Warum erſcheint er nicht?","norm":"Warum erscheint er nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1086,"orig":"— Siehſt Du, wie falſch man Dich berichtet hat!","norm":"— Siehst Du, wie falsch man Dich berichtet hat!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1087,"orig":"Wie glücklich wär’ er ſchon in ſo viel Zeit geweſen, als Du brauchteſt, mir zu erzählen, daß er’s werden wollte?","norm":"Wie glücklich wäre er schon in so viel Zeit gewesen, als Du brauchtest, Mir zu erzählen, dass er das werden wollte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1088,"orig":"Der Herzog, fürcht’ ich —","norm":"Der Herzog, fürchte ich —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1089,"orig":"Wiederum der Herzog?","norm":"Wiederum der Herzog?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1090,"orig":"Was will der hier?","norm":"Was will der hier?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1091,"orig":"Was hat der tapfre Mann mit meiner ſtillen Seligkeit zu ſchaffen?","norm":"Was hat der tapfere Mann mit meiner stillen Seligkeit zu schaffen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1092,"orig":"Den könnt’ er ſtehen laſſen, weiter ſchicken, wen auf der Welt kann man das nicht?","norm":"Den könnte er stehenlassen, weiterschicken, wen auf der Welt kann man das nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1093,"orig":"— O warlich!","norm":"— O wahrlich!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1094,"orig":"Dein Prinz verſteht ſich auf die Liebe ſelbſt ſo ſchlecht, als, wie es ſchien, auf Damenherzen.","norm":"Dein Prinz versteht sich auf die Liebe selbst so schlecht, als, wie es schien, auf Damenherzen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1095,"orig":"Er weiß nicht, was Minuten ſind —","norm":"Er weiß nicht, was Minuten sind —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1096,"orig":"Fort.","norm":"Fort."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1097,"orig":"Es iſt der Prinz.","norm":"Es ist der Prinz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1098,"orig":"Hinweg, hinweg — Wo hab’ ich meine Laute?","norm":"Hinweg, hinweg — wo habe ich meine Laute?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1099,"orig":"Er ſoll mich überraſchen — Mein Geſang ſoll ihm das Zeichen geben —","norm":"Er soll mich überraschen — Mein Gesang Soll ihm das Zeichen geben —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1100,"orig":"Gott!","norm":"Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1101,"orig":"Ach Prinz Karlos?","norm":"Ach Prinz Carlos?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1102,"orig":"Ja wahrhaftig!","norm":"Ja wahrhaftig!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1103,"orig":"Wo bin ich?","norm":"Wo bin ich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1104,"orig":"Raſender Betrug — ich habe das rechte Kabinet verfehlt.","norm":"Rasender Betrug — ich habe das rechte Kabinett verfehlt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1105,"orig":"Wie gut verſteht es Karl, die Zimmer ſich zu merken, wo Damen ohne Zeugen ſind.","norm":"Wie gut versteht es Karl, die Zimmer sich zu merken, wo Damen ohne Zeugen sind."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1106,"orig":"Prinzeſſinn — Verzeihen Sie, Prinzeſſinn — — ich — ich fand den Vorſaal offen.","norm":"Prinzessin — Verzeihen Sie, Prinzessin — — ich — ich fand den Vorsaal offen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1107,"orig":"Kann das möglich ſein?","norm":"Kann das möglich sein?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1108,"orig":"Mich däucht ja doch, daß ich ihn ſelbſt verſchloß.","norm":"Mich dünkt ja doch, dass ich ihn selbst verschloss."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1109,"orig":"Das däucht Sie nur, das däucht Sie — doch verſichert!","norm":"Das dünkt Sie nur, das dünkt Sie — doch versichert!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1110,"orig":"Sie irren Sich. Verſchließen wollen, ja, das geb’ ich zu, das glaub’ ich — doch verſchloſſen?","norm":"Sie irren sich Verschließen wollen, ja, das gebe ich zu, das glaube ich — doch verschlossen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1111,"orig":"Recht!","norm":"Recht!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1112,"orig":"dort liegt ſie noch — und Laute — das weiß Gott im Himmel!","norm":"dort liegt sie noch — und Laute — das weiß Gott im Himmel!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1113,"orig":"— Laute, die lieb’ ich bis zur Raſerei.","norm":"— Laute, die liebe ich bis zur Raserei."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1114,"orig":"Ich bin ganz Ohr, ich weiß nichts von mir ſelber, ſtürze in’s Kabinet, der ſüßen Künſtlerinn, die mich ſo himmliſch rührte, mich ſo mächtig bezauberte, in’s ſchöne Aug’ zu ſehen.","norm":"Ich bin ganz Ohr, ich weiß nichts von mir selber, stürze ins Kabinett, der süßen Künstlerin, die mich so himmlisch rührte, mich so mächtig Bezauberte, ins schöne Auge zu sehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1115,"orig":"Ein liebenswürd’ger Vorwitz, den Sie doch ſehr bald geſtillt, wie ich beweiſen könnte.","norm":"Ein liebenswürdiger Vorwitz, den Sie doch Sehr bald gestillt, wie ich beweisen könnte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1116,"orig":"O ſchätzen muß ich den beſcheidnen Mann, der einem Weib’ Beſchämung zu erſparen in ſolchen Lügen ſich verſtrickt.","norm":"O schätzen muss ich den bescheidenen Mann, der einem Weib Beschämung zu ersparen in solchen Lügen sich verstrickt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1117,"orig":"Prinzeſſinn, ich fühle ſelber, daß ich nur verſchlimm’re, wo ich verbeſſern will.","norm":"Prinzessin, Ich fühle selber, dass ich nur verschlimmere, wo ich verbessern will."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1118,"orig":"Erlaſſen Sie mir eine Rolle, die ich durchzuführen ſo ganz und gar verdorben bin.","norm":"Erlassen Sie mir eine Rolle, die ich durchzuführen so ganz und gar verdorben bin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1119,"orig":"Sie ſuchten auf dieſem Zimmer Zuflucht vor der Welt.","norm":"Sie suchten auf diesem Zimmer Zuflucht vor der Welt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1120,"orig":"Hier wollten Sie, von Menſchen unbehorcht, den ſtillen Wünſchen Ihres Herzens leben.","norm":"Hier wollten Sie, von Menschen unbehorcht, den stillen Wünschen Ihres Herzens leben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1121,"orig":"Ich Sohn des Unglücks zeige mich; ſogleich iſt dieſer ſchöne Traum geſtört — dafür ſoll mich die ſchleunigſte Entfernung —","norm":"Ich Sohn des Unglücks zeige mich; sogleich ist dieser schöne Traum gestört — dafür Soll mich die schleunigste Entfernung —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1122,"orig":"Prinz — — O das war boshaft.","norm":"Prinz — — O das war boshaft."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1123,"orig":"Fürſtinn — ich verſtehe, was dieſer Blick in dieſem Kabinet bedeuten ſoll, und dieſe tugendhafte Verlegenheit verehr’ ich.","norm":"Fürstin — ich verstehe, was dieser Blick in diesem Kabinett Bedeuten soll, und diese tugendhafte Verlegenheit verehre ich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1124,"orig":"Weh dem Manne, den weibliches Erröthen muthig macht!","norm":"Weh dem Manne, den weibliches Erröten mutig macht!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1125,"orig":"ich bin verzagt, wenn Weiber vor mir zittern.","norm":"Ich bin verzagt, wenn Weiber vor mir zittern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1126,"orig":"Iſt’s möglich?","norm":"Ist es möglich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1127,"orig":"— Ein Gewiſſen ohne Beiſpiel für einen jungen Mann und Königsſohn!","norm":"— Ein Gewissen ohne Beispiel für einen jungen Mann und Königssohn!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1128,"orig":"Ja, Prinz — jetzt vollends müſſen Sie mir bleiben, jetzt bitt’ ich ſelbſt darum: bei ſo viel Tugend erhohlt ſich jedes Mädchens Angſt.","norm":"Ja, Prinz — jetzt vollends müssen Sie mir bleiben, jetzt bitte ich selbst darum: bei so viel Tugend erholt sich jedes Mädchens Angst."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1129,"orig":"— Wiſſen Sie, daß Ihre plötzliche Erſcheinung mich bei meiner liebſten Arie erſchreckte?","norm":"— Wissen Sie, dass Ihre plötzliche Erscheinung mich Bei meiner liebsten Arie erschreckte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1130,"orig":"Die Arie, Prinz Karlos, werd’ ich wohl noch einmal ſpielen müſſen;","norm":"Die Arie, Prinz Carlos, werde ich wohl Noch einmal spielen müssen;"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1131,"orig":"Ihre Strafe ſoll ſein, mir zuzuhören.","norm":"Ihre Strafe Soll sein, mir zuzuhören."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1132,"orig":"Eine Strafe, ſo wünſchenswerth, als mein Vergehn — und warlich der Inhalt war mir ſo willkommen, war ſo göttlich ſchön, daß ich zum — drittenmal ſie hören könnte.","norm":"Eine Strafe, so wünschenswert, als mein Vergehn — und wahrlich der Inhalt war mir so willkommen, war so göttlich schön, dass ich zum — dritten Male sie hören könnte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1133,"orig":"Was?","norm":"Was?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1134,"orig":"Sie haben alles gehört?","norm":"Sie haben alles Gehört?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1135,"orig":"Das iſt abſcheulich, Prinz — Es war, ich glaube gar, die Rede von der Liebe?","norm":"Das ist abscheulich, Prinz — es war, Ich glaube gar, die Rede von der Liebe?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1136,"orig":"Und, irr’ ich nicht, von einer glücklichen — Der ſchönſte Text in dieſem ſchönen Munde; doch freilich nicht ſo wahr geſagt, als ſchön.","norm":"Und, irre ich nicht, von einer glücklichen — der schönste Text in diesem schönen Munde; doch freilich nicht so wahr gesagt, als schön."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1137,"orig":"Nicht?","norm":"Nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1138,"orig":"Nicht ſo wahr?","norm":"Nicht so wahr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1139,"orig":"— Und alſo zweifeln Sie?","norm":"— Und also zweifeln Sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1140,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1141,"orig":"Ich zweifle faſt, ob Karlos und die Fürſtinn von Eboli ſich je verſtehen können, wenn Liebe abgehandelt wird.","norm":"Ich zweifle fast, ob Carlos und die Fürstin von Eboli sich je verstehen können, wenn Liebe abgehandelt wird."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1142,"orig":"Denn wer, wer wird es dieſen Roſenwangen glauben, daß Leidenſchaft in dieſer Bruſt gewühlt?","norm":"Denn wer, wer wird es diesen Rosenwangen glauben, dass Leidenschaft in dieser Brust gewühlt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1143,"orig":"Läuft eine Fürſtinn Eboli Gefahr, umſonſt und unerhört zu ſeufzen?","norm":"Läuft eine Fürstin Eboli Gefahr, umsonst und unerhört zu seufzen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1144,"orig":"Liebe kennt der allein, der ohne Hoffnung liebt.","norm":"Liebe kennt der allein, der ohne Hoffnung liebt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1145,"orig":"O ſtill!","norm":"O still!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1146,"orig":"Das klingt ja fürchterlich — Und freilich ſcheint dieſes Schickſal Sie vor allen andern, und vollends heute — heute zu verfolgen.","norm":"Das klingt ja fürchterlich — und freilich Scheint dieses Schicksal Sie vor allen anderen, und vollends heute — heute zu verfolgen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1147,"orig":"Sie ſind nicht fröhlich, guter Prinz — Sie leiden — bei Gott, Sie leiden ja wohl gar.","norm":"Sie sind nicht fröhlich, guter Prinz — Sie leiden — bei Gott, Sie leiden ja wohl gar."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1148,"orig":"Iſt’s möglich?","norm":"Ist es möglich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1149,"orig":"Und warum leiden, Prinz?","norm":"Und warum leiden, Prinz?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1150,"orig":"bei dieſem lauten Berufe zum Genuß der Welt?","norm":"bei diesem lauten Berufe zum Genuss der Welt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1151,"orig":"bei allen Geſchenken der verſchwend’riſchen Natur, und allem Anſpruch auf des Lebens Freuden?","norm":"bei allen Geschenken der verschwenderischen Natur, und allem Anspruch auf des Lebens Freuden?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1152,"orig":"Sie — eines großen Königs Sohn, und mehr, weit mehr als das, ſchon in der Fürſtenwiege mit Gaben ausgeſtattet, die ſogar auch Ihres Ranges Sonnenglanz verdunkeln?","norm":"Sie — eines großen Königs Sohn, und mehr, weit mehr als das, schon in der Fürstenwiege mit Gaben ausgestattet, die sogar Auch Ihres Ranges Sonnenglanz verdunkeln?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1153,"orig":"Sie — der im ganzen ſtrengen Rath der Weiber beſtochne Richter ſitzen hat, der Weiber, die über Männerwerth und Männerruhm ausſchließend ohne Widerſpruch entſcheiden?","norm":"Sie — der im ganzen strengen Rat der Weiber bestochene Richter sitzen hat, der Weiber, die über Männerwert und Männerruhm ausschließend ohne Widerspruch entscheiden?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1154,"orig":"Der, wo er nur bemerkte, ſchon erobert, entzündet, wo er kalt geblieben, wo er glühen will, mit Paradieſen ſpielen und Götterglück verſchenken muß — Der Mann, den die Natur zum Glück von Tauſenden und wenigen mit gleichen Gaben ſchmückte, er ſelber ſollte elend ſein?","norm":"Der, wo er nur bemerkte, schon erobert, entzündet, wo er kalt geblieben, wo er glühen will, mit Paradiesen spielen und Götterglück verschenken muss — der Mann, den die Natur zum Glück von Tausenden und wenigen mit gleichen Gaben schmückte, er selber sollte elend sein?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1155,"orig":"— O Himmel, der du ihm alles, alles gabſt, warum, warum denn nur die Augen ihm verſagen, womit er ſeine Siege ſieht?","norm":"— O Himmel, der du ihm alles, alles gabst, warum, warum denn nur die Augen ihm versagen, womit er seine Siege sieht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1156,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1157,"orig":"Vortrefflich!","norm":"Vortrefflich!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1158,"orig":"Ganz unvergleichlich, Fürſtinn.","norm":"Ganz unvergleichlich, Fürstin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1159,"orig":"Singen Sie mir dieſe Stelle doch noch einmal.","norm":"Singen Sie mir diese Stelle doch noch einmal."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1160,"orig":"Karlos, wo waren Sie indeſſen?","norm":"Carlos, wo waren Sie indessen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1161,"orig":"Ja bei Gott!","norm":"Ja bei Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1162,"orig":"Sie mahnen mich zur rechten Zeit — Ich muß, muß fort — muß eilends fort.","norm":"Sie mahnen mich zur rechten Zeit — Ich muss, muss fort — muss eilends fort."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1163,"orig":"Wohin?","norm":"Wohin?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1164,"orig":"Dorthin, Sie wiſſen ja — Doch nein, nein, nein, Sie wiſſen nicht — Hinaus von hier, hinunter in’s Freie — laſſen Sie mich los — Prinzeſſinn, mir wird, als rauchte hinter mir die Welt in Flammen auf —","norm":"Dorthin, Sie wissen ja — doch nein, nein, nein, Sie wissen nicht — hinaus von hier, hinunter ins Freie — Lassen Sie mich los — Prinzessin, mir wird, als rauchte hinter mir die Welt in Flammen auf —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1165,"orig":"Was haben Sie?","norm":"Was haben Sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1166,"orig":"Woher dieß fremde unnatürliche Betragen?","norm":"Woher dies fremde unnatürliche Betragen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1167,"orig":"Sie brauchen Ruhe, lieber Karl — Ihr Blut iſt jetzt in Aufruhr — ſetzen Sie Sich zu mir — Weg mit den ſchwarzen Fieberphantaſien.","norm":"Sie brauchen Ruhe, lieber Karl — Ihr Blut ist jetzt in Aufruhr — setzen Sie Sich zu mir — Weg mit den schwarzen Fieberphantasien."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1168,"orig":"Wenn Sie Sich ſelber offenherzig fragen, weiß dieſer Kopf, was dieſes Herz beſchwert?","norm":"Wenn Sie sich selber offenherzig fragen, Weiß dieser Kopf, was dieses Herz beschwert?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1169,"orig":"Und wenn er’s nun auch wüßte — ſollte denn von allen Rittern dieſes Hofs nicht Einer, von allen Damen keine — Sie zu heilen, Sie zu verſtehen, wollt’ ich ſagen — keine von allen würdig ſein?","norm":"Und wenn er das nun auch wüsste — sollte denn von allen Rittern dieses Hofs nicht Einer, von allen Damen keine — Sie zu heilen, Sie zu verstehen, wollte ich sagen — keine Von allen würdig sein?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1170,"orig":"Vielleicht die Fürſtinn von Eboli —","norm":"Vielleicht die Fürstin von Eboli —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1171,"orig":"Wahrhaftig?","norm":"Wahrhaftig?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1172,"orig":"Geben Sie mir eine Bittſchrift — ein Empfehlungsſchreiben an meinen Vater.","norm":"Geben Sie mir eine Bittschrift — ein Empfehlungsschreiben an meinen Vater."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1173,"orig":"Man ſpricht ohnehin, Sie gelten viel.","norm":"Man spricht ohnehin, Sie gelten viel."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1174,"orig":"Wer ſpricht das?","norm":"Wer spricht das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1175,"orig":"(Ha!","norm":"(Ha!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1176,"orig":"ſo war es der Argwohn, der dich ſtumm gemacht!","norm":"so war es der Argwohn, der dich stumm gemacht!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1177,"orig":")","norm":")"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1178,"orig":"Wahrſcheinlich iſt die Geſchichte ſchon herum.","norm":"Wahrscheinlich ist die Geschichte schon herum."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1179,"orig":"Ich habe den ſchnellen Einfall nach Brabant zu gehen, um — — bloß um meine Sporen zu verdienen.","norm":"Ich habe den schnellen Einfall nach Brabant zu gehen, um — — bloß um meine Sporen zu verdienen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1180,"orig":"Das will mein Vater nicht — Der gute Vater beſorgt, wenn ich Armeen kommandirte, — — mein Singen könnte drunter leiden.","norm":"Das will mein Vater nicht — der gute Vater besorgt, wenn ich Armeen kommandierte, — — mein Singen könnte drunter leiden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1181,"orig":"Karlos!","norm":"Carlos!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1182,"orig":"Sie ſpielen falſch.","norm":"Sie spielen falsch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1183,"orig":"Geſtehen Sie, Sie wollen in dieſer Schlangenwendung mir entgehn.","norm":"Gestehen Sie, Sie wollen in dieser Schlangenwendung mir entgehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1184,"orig":"Hieher geſehen, Heuchler.","norm":"Hierher gesehen, Heuchler."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1185,"orig":"Aug’ in Auge.","norm":"Auge in Auge."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1186,"orig":"Wer nur von Ritterthaten träumt — wird der, geſtehen Sie, — wird der auch wohl ſo tief herab ſich laſſen, Bänder, die den Damen entfallen ſind, begierig wegzuſtehlen, und — Sie verzeihn —","norm":"Wer nur von Rittertaten träumt — wird der, Gestehen Sie, — wird der auch wohl so tief herab sich lassen, Bänder, die den Damen Entfallen sind, begierig wegzustehlen, und — Sie verzeihen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1187,"orig":"ſo koſtbar zu verwahren.","norm":"so kostbar zu verwahren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1188,"orig":"Prinzeſſinn — Nein, das geht zu weit — Ich bin verrathen.","norm":"Prinzessin — Nein, das geht zu weit — Ich bin Verraten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1189,"orig":"Sie betriegt man nicht — Sie ſind mit Geiſtern, mit Dämonen einverſtanden.","norm":"Sie betrügt man nicht — Sie sind mit Geistern, mit Dämonen einverstanden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1190,"orig":"Darüber ſcheinen Sie erſtaunt?","norm":"Darüber scheinen Sie erstaunt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1191,"orig":"Darüber?","norm":"Darüber?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1192,"orig":"Was ſoll die Wette gelten, Prinz, ich rufe Geſchichten in Ihr Herz zurück, Geſchichten, die ſelbſt in Ihren Träumen ausgeſtorben?","norm":"Was soll die Wette gelten, Prinz, ich rufe Geschichten in Ihr Herz zurück, Geschichten, die selbst in Ihren Träumen ausgestorben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1193,"orig":"Verſuchen Sie es; fragen Sie mich aus.","norm":"Versuchen Sie es; fragen Sie mich aus."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1194,"orig":"Wenn ſelbſt der Laune Gaukelei’n, ein Laut verſtümmelt in die Luft gehaucht, ein Lächeln von ſchnellem Ernſte wieder ausgelöſcht, ein Spiel mit dieſen Federn, eine Blume gedankenlos zerriſſen, eine Fliege mit ſanfter Hand barbariſch hingewürgt — wenn ſelber ſchon Erſcheinungen, Geberden, wo Ihre Seele ferne war, mir nicht entgangen ſind, urtheilen Sie, ob ich verſtand, wo Sie verſtanden werden wollten?","norm":"Wenn selbst der Laune Gaukeleien, ein Laut verstümmelt in die Luft gehaucht, ein Lächeln von schnellem Ernste wieder ausgelöscht, ein Spiel mit diesen Federn, eine Blume gedankenlos zerrissen, eine Fliege mit sanfter Hand barbarisch hingewürgt — wenn selber schon Erscheinungen, Gebärden, wo Ihre Seele ferne war, mir nicht entgangen sind, urteilen Sie, ob ich Verstand, wo Sie verstanden werden wollten?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1195,"orig":"Nun das iſt warlich viel gewagt — Die Wette ſoll gelten, Fürſtinn.","norm":"Nun das ist wahrlich viel gewagt — die Wette Soll gelten, Fürstin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1196,"orig":"Sie verſprechen mir Entdeckungen in meinem eignen Herzen, um die ich ſelber nie gewußt.","norm":"Sie versprechen mir Entdeckungen in meinem eigenen Herzen, um die ich selber nie gewusst."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1197,"orig":"Nie Prinz?","norm":"Nie Prinz?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1198,"orig":"Beſinnen Sie Sich beſſer.","norm":"Besinnen Sie sich besser."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1199,"orig":"Sehn Sie um Sich. — — Dieß Kabinet iſt keines von den Zimmern der Königinn, wo man das Bißchen Maske nöch allenfalls zu loben fand — Sie ſtutzen?","norm":"Sehen Sie um Sich — — dies Kabinett ist keines von den Zimmern der Königin, wo man das Bisschen Maske noch allenfalls zu loben fand — Sie stutzen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1200,"orig":"Sie werden plötzlich lauter Glut — O freilich, wer ſollte wohl ſo ſcharfklug, ſo vermeſſen, ſo müßig ſein, den Karlos zu belauſchen, wenn Karlos unbelauſcht ſich glaubt?","norm":"Sie werden plötzlich lauter Glut — O freilich, wer sollte wohl so scharfklug, so vermessen, so müßig sein, den Carlos zu belauschen, wenn Carlos unbelauscht sich glaubt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1201,"orig":"— Wer ſah’s, wie er beim letzten Hofball ſeine Dame die Königinn im Tanze ſtehen ließ, und mit Gewalt in’s nächſte Paar ſich drängte, ſtatt ſeiner königlichen Tänzerinn, der Fürſtinn Eboli die Hand zu reichen?","norm":"— Wer sah es, wie er beim letzten Hofball seine Dame die Königin im Tanze stehenließ, und mit Gewalt ins nächste Paar sich drängte, statt seiner königlichen Tänzerin, der Fürstin Eboli die Hand zu reichen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1202,"orig":"Ein Irrthum, Prinz, den der Monarch ſogar, der eben jetzt erſchienen war, bemerkte!","norm":"Ein Irrtum, Prinz, den der Monarch sogar, der eben jetzt erschienen war, bemerkte!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1203,"orig":"Auch ſogar der?","norm":"Auch sogar der?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1204,"orig":"Ja freilich, gute Fürſtinn, für den beſonders war das nicht.","norm":"Ja freilich, gute Fürstin, für den besonders war das nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1205,"orig":"So wenig als jener Auftritt in der Schloßkapelle, worauf ſich wohl Prinz Karlos ſelbſt nicht mehr beſinnen wird.","norm":"So wenig Als jener Auftritt in der Schlosskapelle, worauf sich wohl Prinz Carlos selbst nicht mehr Besinnen wird."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1206,"orig":"Sie lagen zu den Füßen der heil’gen Jungfrau in Gebet ergoſſen, als plötzlich — konnten Sie dafür?","norm":"Sie lagen zu den Füßen der heiligen Jungfrau in Gebet ergossen, als plötzlich — konnten Sie dafür?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1207,"orig":"— die Kleider gewiſſer Damen hinter Ihnen rauſchten.","norm":"— die Kleider gewisser Damen hinter Ihnen rauschten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1208,"orig":"Da fing Dom Philipps heldenmüth’ger Sohn, gleich einem Ketzer vor dem heil’gen Amte, zu zittern an, auf ſeinen bleichen Lippen ſtarb das vergiftete Gebet — Im Taumel der Leidenſchaft — es war ein Poſſenſpiel zum Rühren, Prinz — ergreifen Sie die Hand, der Mutter Gottes heil’ge kalte Hand, und Feuerküſſe regnen auf den Marmor.","norm":"Da fing Don Philipps heldenmütiger Sohn, gleich einem Ketzer vor dem heiligen Amte, zu zittern an, auf seinen bleichen Lippen starb das vergiftete Gebet — im Taumel der Leidenschaft — es war ein Possenspiel zum Rühren, Prinz — ergreifen Sie die Hand, der Mutter Gottes heilige kalte Hand, und Feuerküsse regnen auf den Marmor."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1209,"orig":"Sie thun mir Unrecht, Fürſtinn.","norm":"Sie tun mir Unrecht, Fürstin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1210,"orig":"Das war Andacht.","norm":"Das war Andacht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1211,"orig":"Ja, dann iſt’s etwas anders, Prinz — dann freilich war’s damals auch nur Furcht vor dem Verluſte, als Karlos mit der Königinn und mir beim Spielen ſaß, und mit bewundernswerther Geſchicklichkeit mir dieſen Handſchuh ſtahl —","norm":"Ja, dann ist es etwas anderes, Prinz — dann freilich war es damals auch nur Furcht vor dem Verluste, als Carlos mit der Königin und mir beim Spielen saß, und mit bewundernswerter Geschicklichkeit mir diesen Handschuh stahl —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1212,"orig":"den er zwar gleich nachher ſo artig war, ſtatt einer Karte wieder auszuſpielen.","norm":"Den er zwar gleich nachher so artig war, statt einer Karte wieder auszuspielen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1213,"orig":"O Gott — Gott — Gott!","norm":"O Gott — Gott — Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1214,"orig":"Was hab’ ich da gemacht?","norm":"Was habe ich da gemacht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1215,"orig":"Nichts, was Sie widerrufen werden, hoff’ ich.","norm":"Nichts, was Sie widerrufen werden, hoffe ich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1216,"orig":"Wie froh erſchrak ich, als mir unvermuthet ein Briefchen in die Finger kam, das Sie in dieſen Handſchuh zu verſtecken wußten.","norm":"Wie froh erschrak ich, als mir unvermutet Ein Briefchen in die Finger kam, das Sie in diesen Handschuh zu verstecken wussten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1217,"orig":"Es war die rührendſte Romanze, Prinz, die —","norm":"Es war die rührendste Romanze, Prinz, die —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1218,"orig":"Poeſie!","norm":"Poesie!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1219,"orig":"— Nichts weiter — Mein Gehirne treibt öfters wunderbare Blaſen auf, die ſchnell, wie ſie entſtanden ſind, zerſpringen.","norm":"— Nichts weiter — Mein Gehirne treibt öfters wunderbare Blasen auf, die schnell, wie sie entstanden sind, zerspringen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1220,"orig":"Das war es alles.","norm":"Das war es alles."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1221,"orig":"Schweigen wir davon.","norm":"Schweigen wir davon."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1222,"orig":"Ich bin erſchöpft — all meine Proben gleiten von dieſem ſchlangenglatten Sonderling.","norm":"Ich bin erschöpft — all meine Proben gleiten von diesem schlangenglatten Sonderling."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1223,"orig":"Doch wie?","norm":"Doch wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1224,"orig":"— Wär’s ungeheurer Männerſtolz, der nur, ſich deſto ſüßer zu ergetzen, die Blödigkeit als Larve brauchte?","norm":"— Wäre es ungeheurer Männerstolz, der nur, sich desto süßer zu ergötzen, die Blödigkeit als Larve brauchte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1225,"orig":"— Ja?","norm":"— Ja?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1226,"orig":"Belehren Sie mich endlich, Prinz — Ich ſtehe vor einem zauberiſch verſchloßnen Schrank, wo alle meine Schlüſſel mich betrügen.","norm":"Belehren Sie mich endlich, Prinz — Ich stehe vor einem zauberisch verschlossenen Schrank, wo alle meine Schlüssel mich betrügen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1227,"orig":"Wie ich vor Ihnen.","norm":"Wie ich vor Ihnen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1228,"orig":"Endlich ſei es denn — Ich muß einmal zu reden mich entſchließen.","norm":"Endlich sei es denn — Ich muss einmal zu reden mich entschließen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1229,"orig":"Zu meinem Richter wähl’ ich Sie.","norm":"Zu meinem Richter wähle ich Sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1230,"orig":"Sie ſind ein edler Menſch — ein Mann, ſind Fürſt und Ritter.","norm":"Sie sind ein edler Mensch — ein Mann, sind Fürst und Ritter."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1231,"orig":"An Ihren Buſen werf’ ich mich.","norm":"An Ihren Busen werfe ich mich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1232,"orig":"Sie werden mich retten, Prinz, und wo ich ohne Rettung verloren bin, theilnehmend um mich weinen.","norm":"Sie werden mich retten, Prinz, und wo ich ohne Rettung verloren bin, teilnehmend um mich weinen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1233,"orig":"Ein frecher Günſtling des Monarchen buhlt um meine Hand — Rui Gomez, Graf von Silva — Der König will, ſchon iſt man Handels einig, ich bin der Kreatur verkauft.","norm":"Ein frecher Günstling des Monarchen buhlt um meine Hand — Ruy Gomez, Graf von Silva — der König will, schon ist man handelseinig, Ich bin der Kreatur verkauft."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1234,"orig":"Verkauft?","norm":"Verkauft?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1235,"orig":"und wiederum verkauft?","norm":"und wiederum verkauft?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1236,"orig":"Nicht genug, daß man der Politik mich hingeſchlachtet; auch meiner Unſchuld ſtellt man nach — Schon längſt verfolgen mich die laſterhaften Flammen des großen, großen Wollüſtlings — Da!","norm":"Nicht genug, dass man der Politik mich hingeschlachtet; auch meiner Unschuld stellt man nach — schon längst verfolgen mich die lasterhaften Flammen des großen, großen Wolllüstlings — da!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1237,"orig":"Hier!","norm":"Hier!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1238,"orig":"Dieß Blatt kann dieſen Heiligen entlarven.","norm":"Dies Blatt kann diesen Heiligen entlarven."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1239,"orig":"Wo ſoll ich Rettung finden, Prinz?","norm":"Wo soll ich Rettung finden, Prinz?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1240,"orig":"Bis jetzt war es mein Stolz, der meine Tugend ſchützte; doch endlich —","norm":"Bis jetzt war es mein Stolz, der meine Tugend schützte; doch endlich —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1241,"orig":"Endlich fielen Sie?","norm":"Endlich fielen Sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1242,"orig":"Sie fielen?","norm":"Sie fielen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1243,"orig":"Nein, nein, um Gottes willen, nein!","norm":"Nein, nein, um Gottes willen, nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1244,"orig":"Durch wen?","norm":"Durch wen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1245,"orig":"Armſelige Vernünftelei!","norm":"Armselige Vernünftelei!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1246,"orig":"Wie ſchwach von dieſen ſtarken Geiſtern!","norm":"Wie schwach von diesen starken Geistern!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1247,"orig":"Weibergunſt, der Liebe Glück der Waare gleich zu achten, worauf geboten werden kann!","norm":"Weibergunst, der Liebe Glück der Ware gleich zu achten, worauf geboten werden kann!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1248,"orig":"Sie iſt das Einzige auf dieſem Rund der Erde, was keinen Käufer leidet als ſich ſelbſt.","norm":"Sie ist das Einzige auf diesem Rund der Erde, was keinen Käufer leidet als sich selbst."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1249,"orig":"Die Liebe iſt der Liebe Preis.","norm":"Die Liebe ist der Liebe Preis."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1250,"orig":"Sie iſt der unſchätzbare Diamant, den ich verſchenken oder, ewig ungenoſſen, verſcharren muß — Dem großen Kaufmann gleich, der, ungerührt von des Rialto Gold und Königen zum Schimpfe, ſeine Perle dem reichen Meere wiedergab, zu ſtolz ſie unter ihrem Werthe los zu ſchlagen.","norm":"Sie ist der unschätzbare Diamant, den ich Verschenken oder, ewig ungenossen, Verscharren muss — dem großen Kaufmann gleich, der, ungerührt von des Rialto Gold und Königen zum Schimpfe, seine Perle dem reichen Meere wiedergab, zu stolz sie unter ihrem Werte loszuschlagen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1251,"orig":"(Beim wunderbaren Gott!","norm":"(Beim wunderbaren Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1252,"orig":"— Das Weib iſt ſchön!","norm":"— Das Weib ist schön!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1253,"orig":")","norm":")"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1254,"orig":"Man nenn’ es Grille — Eitelkeit.","norm":"Man nenne es Grille — Eitelkeit."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1255,"orig":"Gleich viel.","norm":"Gleichviel."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1256,"orig":"Ich theile meine Freuden nicht.","norm":"Ich Teile meine Freuden nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1257,"orig":"Dem Mann, dem Einzigen, den ich mir auserleſen, geb’ ich für alles, alles hin.","norm":"Dem Mann, dem einzigen, den ich mir auserlesen, gebe ich für alles, alles hin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1258,"orig":"Ich ſchenke nur Einmal, aber ewig.","norm":"Ich schenke nur einmal, aber ewig."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1259,"orig":"Einen nur wird meine Liebe glücklich machen — Einen — Doch dieſen Einzigen zum Gott.","norm":"Einen nur Wird meine Liebe glücklich machen — Einen — doch diesen Einzigen zum Gott."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1260,"orig":"Der Seelen entzückender Zuſammenklang — ein Kuß — der Schäferſtunde ſchwelgeriſche Freuden — der Schönheit hohe, himmliſche Magie ſind Eines Strahles ſchweſterliche Farben, ſind Einer Blume Blätter nur.","norm":"Der Seelen entzückender Zusammenklang — ein Kuss — der Schäferstunde schwelgerische Freuden — der Schönheit hohe, himmlische Magie sind eines Strahles schwesterliche Farben, sind Einer Blume Blätter nur."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1261,"orig":"Ich ſollte, ich Raſende!","norm":"Ich sollte, Ich rasende!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1262,"orig":"ein abgerißnes Blatt aus dieſer Blume ſchönem Kelch verſchenken?","norm":"ein abgerißenes Blatt aus dieser Blume schönem Kelch verschenken?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1263,"orig":"ich ſelbſt des Weibes hohe Majeſtät, der Gottheit großes Meiſterſtück verſtümmeln, den Abend eines Praſſers zu verſüßen?","norm":"Ich selbst des Weibes hohe Majestät, der Gottheit großes Meisterstück verstümmeln, den Abend eines Prassers zu versüßen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1264,"orig":"(Unglaublich!","norm":"(Unglaublich!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1265,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1266,"orig":"Ein ſolches Mädchen hatte Madrid, und ich — und ich erfahr’ es heute zum erſtenmal?","norm":"Ein solches Mädchen hatte Madrid, und ich — und ich erfahre es heute Zum ersten Mal?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1267,"orig":")","norm":")"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1268,"orig":"Längſt hätt’ ich dieſen Hof verlaſſen, dieſe Welt verlaſſen hätte in heil’gen Mauern mich begraben; doch ein einzig Band iſt noch zurück, ein Band, das mich an dieſe Welt allmächtig bindet.","norm":"Längst hätte ich diesen Hof Verlassen, diese Welt verlassen hätte in heiligen Mauern mich begraben; doch ein einzig Band ist noch zurück, ein Band, das mich an diese Welt allmächtig bindet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1269,"orig":"— Ach, ein Phantom vielleicht!","norm":"— Ach, ein Phantom vielleicht!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1270,"orig":"Doch mir ſo werth!","norm":"Doch mir so wert!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1271,"orig":"Ich liebe und bin — — nicht geliebt.","norm":"Ich liebe und bin — — nicht geliebt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1272,"orig":"Sie ſind’s!","norm":"Sie sind es!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1273,"orig":"So wahr ein Gott im Himmel wohnt.","norm":"So wahr ein Gott im Himmel wohnt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1274,"orig":"Ich ſchwör’ es.","norm":"Ich schwöre es."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1275,"orig":"Sie ſind’s, und unausſprechlich.","norm":"Sie sind es, und unaussprechlich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1276,"orig":"Sie?","norm":"Sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1277,"orig":"Sie ſchwören’s?","norm":"Sie schwören es?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1278,"orig":"O das war meines Engels Stimme!","norm":"O das war meines Engels Stimme!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1279,"orig":"Ja, wenn freilich Sie es ſchwören, Karl, dann glaub’ ich’s, dann bin ich’s.","norm":"Ja, wenn freilich Sie es schwören, Karl, dann glaube ich es, dann bin ich es."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1280,"orig":"Süßes, ſeelenvolles Mädchen!","norm":"Süßes, seelenvolles Mädchen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1281,"orig":"Anbetungswürdiges Geſchöpf — Ich ſtehe ganz Ohr — ganz Auge — ganz Entzücken — ganz Bewunderung — Wer hätte Dich geſehn, Wer unter dieſem Himmel Dich geſehn, und rühmte ſich — er habe nie geliebt?","norm":"Anbetungswürdiges Geschöpf — Ich stehe ganz Ohr — ganz Auge — ganz Entzücken — ganz Bewunderung — wer hätte Dich gesehen, wer unter diesem Himmel Dich gesehen, und rühmte sich — er habe nie geliebt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1282,"orig":"— Doch hier an König Philipps Hof?","norm":"— Doch hier an König Philipps Hof?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1283,"orig":"Was hier?","norm":"Was hier?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1284,"orig":"Was, ſchöner Engel, willſt Du hier?","norm":"Was, schöner Engel, willst Du hier?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1285,"orig":"Bei Pfaffen und Pfaffenzucht?","norm":"Bei Pfaffen und Pfaffenzucht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1286,"orig":"Das iſt kein Himmelsſtrich für ſolche Blumen!","norm":"Das ist kein Himmelsstrich für solche Blumen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1287,"orig":"— Möchten ſie ſie brechen?","norm":"— Möchten sie sie brechen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1288,"orig":"Sie möchten — o ich glaub’ es gern — Doch nein!","norm":"Sie möchten — o ich glaube es gern — doch nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1289,"orig":"ſo wahr ich Leben athme, nein!","norm":"so wahr ich Leben atme, nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1290,"orig":"— Ich ſchlinge den Arm um Dich, auf meinen Armen trag’ ich durch eine teufelvolle Hölle Dich!","norm":"— Ich schlinge den Arm um Dich, auf meinen Armen trage ich durch eine teufelvolle Hölle Dich!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1291,"orig":"Ja — laß mich Deinen Engel ſein —","norm":"Ja — lass mich Deinen Engel sein —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1292,"orig":"O Karlos!","norm":"O Karlos!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1293,"orig":"Wie wenig hab’ ich Sie gekannt!","norm":"Wie wenig habe ich Sie gekannt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1294,"orig":"Wie reich und gränzenlos belohnt Ihr ſchönes Herz die ſchwere Müh’, es zu begreifen!","norm":"Wie reich und grenzenlos belohnt Ihr schönes Herz die schwere Mühe, es zu begreifen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1295,"orig":"Fürſtinn, wo ſind Sie jetzt?","norm":"Fürstin, wo sind Sie jetzt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1296,"orig":"Wie ſchön iſt dieſe Hand!","norm":"Wie schön ist diese Hand!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1297,"orig":"Wie reich iſt ſie — Prinz, dieſe Hand hat noch zwei koſtbare Geſchenke zu vergeben — ein Diadem und Karlos Herz — und beides vielleicht an Eine Sterbliche?","norm":"Wie reich ist sie — Prinz, diese Hand hat noch Zwei kostbare Geschenke zu vergeben — ein Diadem und Karlos Herz — und beides Vielleicht an Eine Sterbliche?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1298,"orig":"— An Eine?","norm":"— An Eine?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1299,"orig":"Ein großes göttliches Geſchenk!","norm":"Ein großes göttliches Geschenk!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1300,"orig":"— Beinahe für Eine Sterbliche zu groß!","norm":"— Beinahe für Eine Sterbliche zu groß!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1301,"orig":"— Wie Prinz?","norm":"— Wie Prinz?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1302,"orig":"wenn Sie zu einer Theilung Sich entſchlöſſen?","norm":"Wenn Sie zu einer Teilung sich entschlössen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1303,"orig":"Die Königinnen lieben ſchlecht — ein Weib, das lieben kann, verſteht ſich ſchlecht auf Kronen: drum beſſer, Prinz, Sie theilen, und gleich jetzt, gleich jetzt — Wie?","norm":"Die Königinnen lieben schlecht — ein Weib, das lieben kann, versteht sich schlecht auf Kronen: darum besser, Prinz, Sie teilen, und gleich jetzt, gleich jetzt — wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1304,"orig":"Oder hätten Sie wohl ſchon?","norm":"Oder hätten Sie wohl schon?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1305,"orig":"Sie hätten wirklich?","norm":"Sie hätten wirklich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1306,"orig":"O dann um ſo beſſer!","norm":"O dann um so besser!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1307,"orig":"Und kenn’ ich dieſe Glückliche?","norm":"Und kenne ich diese Glückliche?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1308,"orig":"Du ſollſt.","norm":"Du sollst."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1309,"orig":"Dir Mädchen, Dir entdeck’ ich mich — Der Unſchuld, der lautern, unentheiligten Natur entdeck’ ich mich.","norm":"Dir Mädchen, Dir entdecke ich mich — der Unschuld, der lauteren, unentheiligten Natur entdecke ich mich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1310,"orig":"An dieſem Hof biſt Du die Würdigſte, die Einzige, die Erſte, die meine Seele ganz verſteht — Ja denn!","norm":"An diesem Hof bist Du die würdigste, die Einzige, die Erste, die meine Seele ganz versteht — Ja denn!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1311,"orig":"Ich läugn’ es nicht — ich liebe —","norm":"Ich leugne es nicht — ich liebe —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1312,"orig":"Böſer Menſch!","norm":"Böser Mensch!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1313,"orig":"So ſchwer iſt das Geſtändniß Dir geworden?","norm":"So schwer ist das Geständnis Dir geworden?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1314,"orig":"Beweinungswürdig mußt’ ich ſein, wenn Du mich liebenswürdig finden ſollteſt?","norm":"Beweinungswürdig musste ich sein, wenn Du Mich liebenswürdig finden solltest?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1315,"orig":"Was?","norm":"Was?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1316,"orig":"Was iſt das?","norm":"Was ist das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1317,"orig":"Mich ſo ausgeſucht zu quälen!","norm":"Mich so ausgesucht zu quälen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1318,"orig":"O warlich, Prinz, es war nicht ſchön.","norm":"O wahrlich, Prinz, es war nicht schön."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1319,"orig":"Sogar den Schlüſſel zu verläugnen!","norm":"Sogar den Schlüssel zu verleugnen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1320,"orig":"Schlüſſel!","norm":"Schlüssel!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1321,"orig":"Schlüſſel!","norm":"Schlüssel!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1322,"orig":"Ja ſo — So war’s — Nun merk’ ich — — O mein Gott!","norm":"Ja so — so war es — nun merke ich — — O mein Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1323,"orig":"Abſcheulich!","norm":"Abscheulich!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1324,"orig":"Was hab’ ich gethan?","norm":"Was habe ich getan?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1325,"orig":"So tief herabgeſtürtzt von allen meinen Himmeln!","norm":"So tief herabgestürzt von allen meinen Himmeln!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1326,"orig":"— O das iſt ſchrecklich.","norm":"— O das ist schrecklich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1327,"orig":"Was entdeck’ ich?","norm":"Was entdecke ich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1328,"orig":"Gott!","norm":"Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1329,"orig":"Ich bin nicht ſchuldig, Fürſtinn — Leidenſchaft — ein unglückſel’ger Mißverſtand — Bei Gott!","norm":"Ich bin nicht schuldig, Fürstin — Leidenschaft — ein unglückseliger Missverstand — bei Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1330,"orig":"ich bin nicht ſchuldig.","norm":"Ich bin nicht schuldig."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1331,"orig":"Weg aus meinen Augen, um Gottes willen —","norm":"Weg aus meinen Augen, um Gottes willen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1332,"orig":"Nimmermehr!","norm":"Nimmermehr!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1333,"orig":"In dieſer entſetzlichen Erſchüttrung Sie verlaſſen?","norm":"In dieser entsetzlichen Erschütterung Sie verlassen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1334,"orig":"Aus Großmuth, aus Barmherzigkeit hinaus von meinen Augen — Wollen Sie mich morden?","norm":"Aus Großmut, aus Barmherzigkeit hinaus von meinen Augen — Wollen Sie mich morden?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1335,"orig":"Ich haſſe Ihren Anblick.","norm":"Ich hasse Ihren Anblick."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1336,"orig":"Meinen Brief und meinen Schlüſſel geben Sie mir wieder.","norm":"Meinen Brief und meinen Schlüssel geben Sie mir wieder."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1337,"orig":"Wo haben Sie den andern Brief?","norm":"Wo haben Sie den anderen Brief?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1338,"orig":"Den andern?","norm":"Den anderen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1339,"orig":"Was denn für einen andern?","norm":"Was denn für einen anderen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1340,"orig":"Den vom König.","norm":"Den vom König."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1341,"orig":"Von wem?","norm":"Von wem?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1342,"orig":"Den Sie vorhin von mir bekamen.","norm":"Den Sie vorhin von mir bekamen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1343,"orig":"Vom König?","norm":"Vom König?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1344,"orig":"und an Wen?","norm":"und an wen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1345,"orig":"an Sie?","norm":"an Sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1346,"orig":"O Himmel!","norm":"O Himmel!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1347,"orig":"wie ſchrecklich hab’ ich mich verſtrickt!","norm":"Wie schrecklich habe ich mich verstrickt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1348,"orig":"Den Brief!","norm":"Den Brief!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1349,"orig":"heraus damit!","norm":"Heraus damit!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1350,"orig":"ich muß ihn wieder haben.","norm":"ich muss ihn wiederhaben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1351,"orig":"Vom König Briefe, und an Sie?","norm":"Vom König Briefe, und an Sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1352,"orig":"Den Brief!","norm":"Den Brief!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1353,"orig":"Im Namen aller Heiligen!","norm":"Im Namen aller Heiligen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1354,"orig":"Der einen gewiſſen mir entlarven ſollte — Dieſen?","norm":"Der einen Gewissen mir entlarven sollte — diesen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1355,"orig":"Ich bin des Todes — Geben Sie.","norm":"Ich bin des Todes — Geben Sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1356,"orig":"Entſetzlich!","norm":"Entsetzlich!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1357,"orig":"Was hab’ ich Unbeſonnene gewagt?","norm":"Was habe ich Unbesonnene gewagt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1358,"orig":"Der Brief — der kam vom König?","norm":"Der Brief — der kam vom König?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1359,"orig":"— Ja Prinzeſſinn, das ändert freilich alles ſchnell — Das iſt","norm":"— Ja Prinzessin, das ändert freilich alles schnell — das ist"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1360,"orig":"ein unſchätzbarer — ſchwerer — theurer Brief, den alle Kronen Philipps einzulöſen zu leicht, zu nichtsbedeutend ſind — Den Brief behalt’ ich.","norm":"Ein unschätzbarer — schwerer — teurer Brief, den alle Kronen Philipps einzulösen zu leicht, zu nichtsbedeutend sind — den Brief behalte ich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1361,"orig":"Großer Gott!","norm":"Großer Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1362,"orig":"Ich bin verloren, wenn Sie der Niederträcht’ge ſind.","norm":"Ich bin verloren, wenn Sie der Niederträchtige sind."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1363,"orig":"Prinz, hören Sie.","norm":"Prinz, hören Sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1364,"orig":"— Er geht!","norm":"— Er geht!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1365,"orig":"Auch das noch!","norm":"Auch das noch!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1366,"orig":"Er verachtet mich ....","norm":"Er verachtet mich ...."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1367,"orig":"Da ſteh’ ich in fürchterlicher Einſamkeit ....","norm":"Da stehe ich in fürchterlicher Einsamkeit ...."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1368,"orig":"verſtoßen, verworfen ....","norm":"verstoßen, verworfen ...."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1369,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1370,"orig":"Verdrungen nur, verdrungen von einer Nebenbuhlerinn.","norm":"Verdrungen nur, verdrungen von einer Nebenbuhlerin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1371,"orig":"Er liebt.","norm":"Er liebt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1372,"orig":"Kein Zweifel mehr.","norm":"Kein Zweifel mehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1373,"orig":"Er hat es ſelbſt bekannt.","norm":"Er hat es selbst bekannt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1374,"orig":"Doch wer iſt dieſe Glückliche?","norm":"Doch wer ist diese Glückliche?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1375,"orig":"....","norm":"...."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1376,"orig":"So viel iſt offenbar — er liebt was er nicht ſollte.","norm":"So viel ist offenbar — er liebt was er nicht sollte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1377,"orig":"Er fürchtet die Entdeckung.","norm":"Er fürchtet die Entdeckung."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1378,"orig":"Vor dem König verkriecht ſich ſeine Leidenſchaft … Warum vor dieſem, der ſie wünſchte?","norm":"Vor dem König verkriecht sich seine Leidenschaft … warum vor diesem, der sie wünschte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1379,"orig":"… Oder iſt’s Der Vater nicht, was er im Vater fürchtet?","norm":"… Oder ist es der Vater nicht, was er im Vater fürchtet?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1380,"orig":"Als ihm des Königs buhleriſche Abſicht verrathen war — da jauchzten ſeine Mienen, frohlockt’ er wie ein Glücklicher … Wie kam es, daß ſeine ſtrenge Tugend hier verſtummte?","norm":"Als ihm des Königs buhlerische Absicht Verraten war — da jauchzten seine Mienen, frohlockte er wie ein Glücklicher … wie kam es, dass seine strenge Tugend hier verstummte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1381,"orig":"Hier?","norm":"Hier?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1382,"orig":"Eben hier?","norm":"Eben hier?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1383,"orig":"… Was kann denn er dabei, Er zu gewinnen haben, wenn der König der Königinn die …","norm":"… Was kann denn er dabei, Er zu gewinnen haben, wenn der König der Königin die …"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1384,"orig":"O ich Raſende!","norm":"O ich rasende!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1385,"orig":"Jetzt endlich, jetzt … Wo waren meine Sinne?","norm":"Jetzt endlich, jetzt … wo waren meine Sinne?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1386,"orig":"Jetzt gehen mir die Augen auf ....","norm":"Jetzt gehen mir die Augen auf ...."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1387,"orig":"Sie hatten ſich lang’ geliebt, eh’ der Monarch ſie wählte.","norm":"Sie hatten sich lange geliebt, ehe der Monarch sie wählte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1388,"orig":"Nie ohne ſie ſah mich der Prinz.","norm":"Nie ohne sie sah mich der Prinz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1389,"orig":"— Sie alſo, ſie war gemeinet, wo ich gränzenlos, ſo warm, ſo wahr mich angebetet glaubte?","norm":"— Sie also, sie war gemeint, wo ich grenzenlos, so warm, so wahr mich angebetet glaubte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1390,"orig":"O ein Betrug der ohne Beiſpiel iſt!","norm":"O ein Betrug der ohne Beispiel ist!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1391,"orig":"und meine Schwäche hab’ ich ihm verrathen —","norm":"und meine Schwäche habe ich ihm verraten —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1392,"orig":"Daß er ganz ohne Hoffnung lieben ſollte!","norm":"Dass er ganz ohne Hoffnung lieben sollte!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1393,"orig":"Ich kann’s nicht glauben … Hoffnungsloſe Liebe beſteht in dieſem Kampfe nicht.","norm":"Ich kann es nicht glauben … hoffnungslose Liebe besteht in diesem Kampfe nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1394,"orig":"Zu ſchwelgen, wo unerhört der glänzendſte Monarch der Erde ſchmachtet … Warlich!","norm":"Zu schwelgen, wo unerhört der glänzendste Monarch der Erde schmachtet … wahrlich!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1395,"orig":"ſolche Opfer bringt hoffnungsloſe Liebe nicht.","norm":"solche Opfer bringt hoffnungslose Liebe nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1396,"orig":"Wie feurig war nicht ſein Kuß!","norm":"Wie feurig war nicht sein Kuss!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1397,"orig":"Wie zärtlich drückt’ er mich, wie zärtlich an ſein ſchlagend Herz!","norm":"Wie zärtlich drückte er mich, wie zärtlich an sein schlagend Herz!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1398,"orig":"— Die Probe war faſt zu kühn für die romant’ſche Treue, die nicht erwiedert werden ſoll … Er nimmt den Schlüſſel an, den, wie er ſich beredet, die Königinn ihm zugeſchickt … Er glaubt an dieſen Rieſenſchritt der Liebe … kommt, kommt warlich, kommt.","norm":"— Die Probe war fast zu kühn für die romantische Treue, die nicht erwidert werden soll … er nimmt den Schlüssel an, den, wie er sich beredet, die Königin ihm zugeschickt … er glaubt an diesen Riesenschritt der Liebe … kommt, kommt wahrlich, kommt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1399,"orig":"— So traut er Philipps Frau die raſende Entſchließung zu — Wie kann er, wenn hier nicht große Proben ihn ermuntern?","norm":"— So traut er Philipps Frau Die rasende Entschließung zu — wie kann er, wenn hier nicht große Proben ihn ermuntern?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1400,"orig":"Es iſt am Tag’.","norm":"Es ist am Tage."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1401,"orig":"Er wird erhört.","norm":"Er wird erhört."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1402,"orig":"Sie liebt!","norm":"Sie liebt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1403,"orig":"Beim Himmel, dieſe Heilige empfindet!","norm":"Beim Himmel, diese Heilige empfindet!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1404,"orig":"Wie fein iſt ſie!","norm":"Wie fein ist sie!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1405,"orig":"… Ich zitterte, ich ſelbſt, vor dem erhabnen Schreckbild dieſer Tugend.","norm":"... Ich zitterte, ich selbst, vor dem erhabenen Schreckbild dieser Tugend."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1406,"orig":"Ein höh’res Weſen ragt ſie neben mir, in ihrem Glanz erlöſch’ ich.","norm":"Ein höheres Wesen ragt sie neben mir, in ihrem Glanz erlösche ich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1407,"orig":"Ihrer Schönheit mißgönnt’ ich dieſe hohe Ruhe, frei von jeder Wallung ſterblicher Naturen.","norm":"Ihrer Schönheit missgönnte ich diese hohe Ruhe, frei von jeder Wallung sterblicher Naturen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1408,"orig":"Und dieſe Ruhe war nur Schein?","norm":"Und diese Ruhe war nur Schein?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1409,"orig":"Sie hätte an beiden Tafeln ſchwelgen wollen?","norm":"Sie hätte an beiden Tafeln schwelgen wollen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1410,"orig":"hätte der Tugend ganze Glorie zu koſten und doch zugleich des Laſters heimliche Entzückungen zu naſchen ſich erdreiſtet?","norm":"Hätte der Tugend ganze Glorie zu kosten und doch zugleich des Lasters heimliche Entzückungen zu naschen sich erdreistet?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1411,"orig":"Das durfte ſie?","norm":"Das durfte sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1412,"orig":"Das ſollte ungerochen der Gauklerinn gelungen ſein, gelungen, weil ſich kein Rächer meldet?","norm":"Das sollte ungerochen der Gauklerin gelungen sein, gelungen, weil sich kein Rächer meldet?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1413,"orig":"— Nein bei Gott!","norm":"— Nein bei Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1414,"orig":"Ich betete ſie an — — Das fordert Rache!","norm":"Ich betete sie an — — das fordert Rache!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1415,"orig":"Der König wiſſe den Betrug … Der König?","norm":"Der König wisse den Betrug … der König?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1416,"orig":"Ja recht — das iſt ein Weg zu ſeinem Ohre.","norm":"Ja recht — das ist ein Weg zu seinem Ohr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1417,"orig":"Wie war es?","norm":"Wie war es?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1418,"orig":"Sie macht ihn ja nicht glücklich — — Oder frommt ſie dem Himmel nur?","norm":"Sie macht ihn ja nicht glücklich — — Oder frommt sie dem Himmel nur?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1419,"orig":"und nicht auch mir?","norm":"und nicht auch mir?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1420,"orig":"Was wollten Sie mir ſagen?","norm":"Was wollten Sie mir sagen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1421,"orig":"Eine wicht’ge Entdeckung, die ich heut gemacht, worüber ich einen Aufſchluß haben möchte.","norm":"Eine wichtige Entdeckung, die ich heute gemacht, worüber Ich einen Aufschluss haben möchte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1422,"orig":"Welche Entdeckung?","norm":"Welche Entdeckung?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1423,"orig":"Wovon reden Sie?","norm":"Wovon reden Sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1424,"orig":"Prinz Karlos und ich begegnen dieſen Mittag uns im Vorgemach der Königinn.","norm":"Prinz Carlos und ich begegnen diesen Mittag uns im Vorgemach der Königin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1425,"orig":"Ich werde beleidigt.","norm":"Ich werde beleidigt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1426,"orig":"Wir erhitzen uns.","norm":"Wir erhitzen uns."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1427,"orig":"Der Streit wird etwas laut.","norm":"Der Streit wird etwas laut."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1428,"orig":"Wir greifen zu den Schwertern.","norm":"Wir greifen zu den Schwertern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1429,"orig":"Die Königinn auf das Getöſe öffnet das Zimmer, wirft ſich zwiſchen uns und ſieht mit einem Blick despotiſcher Vertrautheit den Prinzen an — Es war ein einz’ger Blick — Sein Arm verſtarrt — er fliegt an meinen Hals — ich fühle einen heißen Kuß — er iſt verſchwunden.","norm":"Die Königin auf das Getöse öffnet das Zimmer, wirft sich zwischen uns und sieht mit einem Blick despotischer Vertrautheit den Prinzen an — es war ein einziger Blick — Sein Arm erstarrt — er fliegt an meinen Hals — Ich fühle einen heißen Kuss — er ist verschwunden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1430,"orig":"Das iſt ſehr verdächtig — Herzog, Sie mahnen mich an etwas — — Ähnliche Gedanken, ich geſteh’ es, keimten längſt in meiner Bruſt — — Ich flohe dieſe Träume — noch hab’ ich niemand ſie vertraut.","norm":"Das ist sehr verdächtig — Herzog, Sie mahnen mich an etwas — — ähnliche Gedanken, ich gestehe es, keimten längst in meiner Brust — — Ich floh diese Träume — noch habe ich niemand sie vertraut."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1431,"orig":"Es gibt zweiſchneid’ge Klingen, ungewiſſe Freunde — ich fürchte dieſe.","norm":"Es gibt zweischneidige Klingen, ungewisse Freunde — Ich fürchte diese."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1432,"orig":"Schwer zu unterſcheiden, noch ſchwerer zu ergründen ſind die Menſchen — Entwiſchte Worte ſind beleidigte Vertraute — drum begrub ich mein Geheimniß, bis einſt die Zeit es rufen würde.","norm":"Schwer zu unterscheiden, noch schwerer zu ergründen sind die Menschen — entwischte Worte sind beleidigte Vertraute — darum begrub ich mein Geheimnis, bis bis die Zeit es rufen würde."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1433,"orig":"Wer iſt mir auch Bürge, daß ich recht geſehen?","norm":"Wer ist mir auch Bürge, dass ich recht gesehen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1434,"orig":"Was hilft mir Überzeugung, die ich nicht auch vor Gericht zu ſtellen wagen darf?","norm":"Was hilft mir Überzeugung, die ich nicht auch vor Gericht zu stellen wagen darf?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1435,"orig":"Gewiſſe Dienſte Königen zu leiſten iſt mißlich, Herzog — ein gewagter Wurf, der, fehlt er ſeine Beute, auf den Schützen zurückeprallt — Ich wollte, was ich ſage, auf eine Hoſtie beſchwören — doch ein Augenzeugniß, ein erhaſchtes Wort, ein Blatt Papier fällt ſchwerer in die Wage, als mein lebendigſtes Gefühl — — Verwünſcht, daß wir auf Span’ſchem Boden ſtehn!","norm":"Gewisse Dienste Königen zu leisten ist misslich, Herzog — ein gewagter Wurf, der, fehlt er seine Beute, auf den Schützen Zurücke — Ich wollte, was ich sage, auf eine Hostie beschwören — doch ein Augenzeugnis, ein erhaschtes Wort, ein Blatt Papier fällt schwerer in die Waage, als mein lebendigstes Gefühl — — verwünscht, dass wir auf spanischem Boden stehen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1436,"orig":"Warum auf dieſem nicht?","norm":"Warum auf diesem nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1437,"orig":"An jedem andern Hofe kann ſich die Leidenſchaft vergeſſen.","norm":"An jedem anderen Hofe kann sich die Leidenschaft vergessen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1438,"orig":"Hier wird ſie gewarnt von ängſtlichen Geſetzen.","norm":"Hier wird sie gewarnt von ängstlichen Gesetzen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1439,"orig":"Die Span’ſchen Königinnen haben Mühe zu ſündigen — ich glaub’ es — doch zum Unglück nur da — gerade da nur, wo es uns am beſten glückte, ſie zu überraſchen.","norm":"Die spanischen Königinnen haben Mühe zu sündigen — ich glaube es — doch zum Unglück nur da — gerade da nur, wo es uns am besten glückte, sie zu überraschen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1440,"orig":"Sehr wahr: drum eben müßte man — —","norm":"Sehr wahr: darum eben müsste man — —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1441,"orig":"Herzog, Sie ſagen mir da —","norm":"Herzog, Sie sagen mir da —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1442,"orig":"Eine Stunde währte die Audienz.","norm":"Eine Stunde währte die Audienz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1443,"orig":"Er bat um die Verwaltung der Niederlande.","norm":"Er bat um die Verwaltung der Niederlande."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1444,"orig":"Laut und heftig bat er, ich hört’ es in dem Kabinet.","norm":"Laut und heftig bat er, Ich hörte es in dem Kabinett."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1445,"orig":"Sein Auge war roth geweint, als ich ihm an der Thüre begegnete.","norm":"Sein Auge war rot geweint, als ich ihm an der Türe begegnete."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1446,"orig":"Den Mittag drauf erſcheint er mit einer Miene des Triumphs.","norm":"Den Mittag drauf erscheint er mit einer Miene des Triumphs."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1447,"orig":"Er iſt entzückt, daß mich der König vorgezogen.","norm":"Er ist entzückt, dass mich der König vorgezogen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1448,"orig":"Er dankt es ihm.","norm":"Er dankt es ihm."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1449,"orig":"Die Sachen ſtehen anders, ſagt er, und beſſer.","norm":"Die Sachen stehen anders, sagt er, und besser."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1450,"orig":"Heucheln konnt’ er nie.","norm":"Heucheln konnte er nie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1451,"orig":"Wie ſoll ich dieſe Widerſprüche reimen?","norm":"Wie soll ich diese Widersprüche reimen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1452,"orig":"Der Prinz frohlockt hintangeſetzt zu ſein, und mir ertheilt der König eine Gnade mit allen Zeichen ſeines Zorns!","norm":"Der Prinz frohlockt hintangesetzt zu sein, und mir erteilt der König eine Gnade mit allen Zeichen seines Zorns!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1453,"orig":"— Was muß ich glauben?","norm":"— Was muss Ich glauben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1454,"orig":"Warlich dieſe neue Würde ſieht einer Landsverweiſung ähnlicher, als einer Gnade.","norm":"Wahrlich diese neue Würde Sieht einer Landsverweisung ähnlicher, als einer Gnade."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1455,"orig":"Dahin alſo wär’ es gekommen?","norm":"Dahin also wäre es gekommen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1456,"orig":"Dahin?","norm":"Dahin?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1457,"orig":"Und ein Augenblick zertrümmerte, was wir in Jahren bauten?","norm":"Und ein Augenblick zertrümmerte, was wir in Jahren bauten?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1458,"orig":"— Und Sie ſo ruhig?","norm":"— Und Sie so ruhig?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1459,"orig":"ſo gelaſſen?","norm":"so gelassen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1460,"orig":"— Kennen Sie dieſen Jüngling?","norm":"— Kennen Sie diesen Jüngling?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1461,"orig":"Ahnden Sie, was uns erwartet, wenn er mächtig wird?","norm":"Ahnden Sie, was uns Erwartet, wenn er mächtig wird?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1462,"orig":"— Sie haben Proben: er haßt Sie —","norm":"— Sie haben Proben: er hasst Sie —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1463,"orig":"Ich bin ſein Feind nicht.","norm":"Ich bin sein Feind nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1464,"orig":"Andre Sorgen nagen an meiner Ruhe, Sorgen für den Thron, für Gott und ſeine Kirche — Der Infant (ich kenn’ ihn — ich durchdringe ſeine Seele) hegt einen ſchrecklichen Entwurf — Toledo — den raſenden Entwurf, Regent zu ſein, und unſern heil’gen Glauben zu entbehren.","norm":"Andere Sorgen nagen an meiner Ruhe, Sorgen für den Thron, für Gott und seine Kirche — der Infant (Ich kenne ihn — ich durchdringe seine Seele) hegt einen schrecklichen Entwurf — Toledo — den rasenden Entwurf, Regent zu sein, und unseren heiligen Glauben zu entbehren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1465,"orig":"— Er hält nichts von Religion.","norm":"— Er hält nichts von Religion."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1466,"orig":"Er hält ſeht viel davon, befürcht’ ich; denn mir däucht, er weiß noch nicht, wie nöthig man ſie brauchte.","norm":"Er hält sehr viel davon, befürchte ich; denn mir dünkt, er weiß noch nicht, wie nötig man sie brauchte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1467,"orig":"— Das Laſter erhält der Kirche Millionen.","norm":"— Das Laster erhält der Kirche Millionen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1468,"orig":"Er verachtet es und braucht ſie nicht — Er denkt — ſein Kopf entbrennt von einer ſeltſamen Chimäre — er verehrt den Menſchen — — Herzog, ob er zu unſerm König taugt?","norm":"Er verachtet es und braucht sie nicht — er denkt — Sein Kopf entbrennt von einer seltsamen Chimäre — er verehrt den Menschen — — Herzog, ob er zu unserem König taugt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1469,"orig":"Phantomen!","norm":"Phantomen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1470,"orig":"Was ſonſt?","norm":"Was sonst?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1471,"orig":"Vielleicht auch jugendlicher Stolz, der eine Rolle ſpielen möchte — Bleibt ihm eine andre Wahl?","norm":"Vielleicht auch jugendlicher Stolz, der eine Rolle spielen möchte — bleibt ihm eine andere Wahl?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1472,"orig":"Das geht vorbei, trifft ihn einmal die Reihe zu beſehlen.","norm":"Das geht vorbei, trifft ihn einmal die Reihe zu befehlen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1473,"orig":"Ich zweifle.","norm":"Ich zweifle."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1474,"orig":"— Er iſt ſtolz auf ſeine Freiheit, des Zwanges ungewohnt, womit man Zwang zu kaufen ſich bequemen muß — Taugt er auf unſern Thron?","norm":"— Er ist stolz auf seine Freiheit, des Zwanges ungewohnt, womit man Zwang zu kaufen sich bequemen muss — taugt er auf unseren Thron?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1475,"orig":"Der kühne Rieſengeiſt wird unſrer Staatskunſt Linien durch reißen.","norm":"Der kühne Riesengeist wird unserer Staatskunst Linien durchreißen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1476,"orig":"Umſonſt verſucht’ ich’s, dieſen trotz’gen Muth in dieſer Zeiten Wolluſt abzumatten;","norm":"Umsonst versuchte ich es, diesen trotzigen Mut in dieser Zeiten Wollust abzumatten;"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1477,"orig":"Er überſtand die Probe … Das Geheimniß, durch Indulgenzen Sünde zu erleichtern und Seelen durch die Sünde zu zerſtören, mißlang bei dem Infanten — Schrecklich iſt in dieſem Körper dieſer Geiſt — und Philipp wird ſechzig Jahre.","norm":"Er überstand die Probe … das Geheimnis, durch Indulgenzen Sünde zu erleichtern und Seelen durch die Sünde zu zerstören, misslang bei dem Infanten — schrecklich ist in diesem Körper dieser Geist — und Philipp Wird sechzig Jahr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1478,"orig":"Ihre Blicke reichen ſehr weit.","norm":"Ihre Blicke reichen sehr weit."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1479,"orig":"Er und die Königinn ſind Eins.","norm":"Er und die Königin sind Eins."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1480,"orig":"Schon ſchleicht — verborgen zwar — in beider Bruſt das Gift der Neuerer; doch bald genug, gewinnt es Raum, wird es den Thron ergreifen.","norm":"Schon schleicht — verborgen zwar — in beider Brust das Gift der Neuerer; doch bald genug, gewinnt es Raum, wird es den Thron ergreifen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1481,"orig":"Ich fürchte dieſe Valois.","norm":"Ich fürchte diese Valois."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1482,"orig":"Noch iſt das Glück uns günſtig.","norm":"Noch ist das Glück uns günstig."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1483,"orig":"Kommen wir zuvor.","norm":"Kommen wir zuvor."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1484,"orig":"In Eine Schlinge ſtürzen beide … Jetzt ein ſolcher Wink dem Könige gegeben, bewieſen oder nicht bewieſen — viel iſt ſchon gewonnen, wenn er wankt.","norm":"In eine Schlinge stürzen beide … jetzt ein solcher Wink dem Könige gegeben, bewiesen oder nicht bewiesen — viel ist schon gewonnen, wenn er wankt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1485,"orig":"Wir ſelbſt, wir zweifeln beide nicht.","norm":"Wir selbst, wir zweifeln beide nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1486,"orig":"Zu überzeugen fällt keinem Überzeugten ſchwer.","norm":"Zu überzeugen fällt keinem Überzeugten schwer."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1487,"orig":"Es kann nicht fehlen, wir entdecken mehr, ſind wir vorher gewiß, daß wir entdecken müſſen.","norm":"Es kann nicht fehlen, wir entdecken mehr, sind wir vorher gewiss, dass wir entdecken müssen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1488,"orig":"Noch Sie, noch ich.","norm":"Noch Sie, noch ich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1489,"orig":"Erfahren Sie alſo, was lange ſchon, des großen Planes voll, mein ſtiller Fleiß dem Ziele zugetrieben.","norm":"Erfahren Sie also, was lange schon, des großen Planes voll, mein stiller Fleiß dem Ziele zugetrieben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1490,"orig":"Noch mangelt unſer Bündniß zu vollenden die dritte, wichtigſte Perſon ....","norm":"Noch mangelt unser Bündnis zu vollenden die dritte, wichtigste Person ...."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1491,"orig":"Der König liebt die Prinzeſſinn Eboli.","norm":"Der König liebt die Prinzessin Eboli."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1492,"orig":"Ich nähre die Leidenſchaft, die meinen Wünſchen wuchert.","norm":"Ich nähre die Leidenschaft, die meinen Wünschen wuchert."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1493,"orig":"Ich bin ſein Abgeſandter … Unſerm Plane erzieh’ ich ſie — In dieſer jungen Dame, gelingt mein Werk, ſoll eine Bundsverwandtinn, ſoll eine Königinn uns blühn.","norm":"Ich bin sein Abgesandter … unserem Plane erziehe ich sie — in dieser jungen Dame, gelingt mein Werk, soll eine Bundsverwandte, Soll eine Königin uns blühen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1494,"orig":"Sie ſelbſt hat jetzt in dieſes Zimmer mich berufen.","norm":"Sie selbst Hat jetzt in dieses Zimmer mich berufen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1495,"orig":"Ich hoffe alles — Jene Lilien von Valois zerknickt ein Span’ſches Mädchen vielleicht in Einer Mitternacht —","norm":"Ich hoffe alles — jene Lilien von Valois zerknickt ein Spanisches Mädchen vielleicht in Einer Mitternacht —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1496,"orig":"Was hör’ ich?","norm":"Was höre ich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1497,"orig":"Iſt’s Wahrheit, was ich jetzt gehört?","norm":"Ist es Wahrheit, was ich jetzt gehört?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1498,"orig":"— Beim Himmel!","norm":"— Beim Himmel!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1499,"orig":"das überraſcht mich!","norm":"Das überrascht mich!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1500,"orig":"Ja!","norm":"Ja!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1501,"orig":"Der Streich vollendet!","norm":"Der Streich vollendet!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1502,"orig":"Dominikaner!","norm":"Dominikaner!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1503,"orig":"ich bewundre Dich.","norm":"ich bewundre Dich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1504,"orig":"Jetzt haben wir gewonnen —","norm":"Jetzt haben wir gewonnen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1505,"orig":"Still!","norm":"Still!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1506,"orig":"Wer kommt!","norm":"Wer kommt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1507,"orig":"Sie iſt’s — ſie ſelbſt.","norm":"Sie ist es — sie selbst."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1508,"orig":"Ich bin im nächſten Zimmer, wenn man —","norm":"Ich bin im nächsten Zimmer, wenn man —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1509,"orig":"Schon recht.","norm":"Schon recht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1510,"orig":"Ich rufe Sie.","norm":"Ich rufe Sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1511,"orig":"Zu Ihren Befehlen, gnäd’ge Fürſtinn.","norm":"Zu Ihren Befehlen, gnädige Fürstin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1512,"orig":"Sind wir etwa nicht ganz allein?","norm":"Sind wir etwa Nicht ganz allein?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1513,"orig":"Sie haben, wie ich ſehe, noch einen Zeugen bei Sich?","norm":"Sie haben, wie ich sehe, noch einen Zeugen bei Sich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1514,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1515,"orig":"Wer war es, der eben jetzt von Ihnen ging?","norm":"Wer war es, der eben jetzt von Ihnen ging?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1516,"orig":"Der Herzog von Alba, gnäd’ge Fürſtinn, der nach mir um die Erlaubniß bittet, vorgelaſſen zu werden.","norm":"Der Herzog von Alba, gnädige Fürstin, der nach mir um die Erlaubnis bittet, vorgelassen zu werden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1517,"orig":"Herzog Alba?","norm":"Herzog Alba?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1518,"orig":"Was will der?","norm":"Was will der?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1519,"orig":"Was kann er wollen?","norm":"Was kann er wollen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1520,"orig":"Wiſſen Sie vielleicht es mir zu ſagen?","norm":"Wissen Sie vielleicht es mir zu sagen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1521,"orig":"Ich?","norm":"Ich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1522,"orig":"und eh’ ich weiß, was für ein Vorfall von Bedeutung mir das langentbehrte Glück verſchafft, der Fürſtinn von Eboli mich wiederum zu nähern?","norm":"und ehe ich weiß, was für ein Vorfall von Bedeutung mir Das lang entbehrte Glück verschafft, der Fürstin von Eboli mich wiederum zu nähern?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1523,"orig":"Ob ſich ein Umſtand endlich vorgefunden, der für des Königs Wünſche ſpricht?","norm":"Ob sich ein Umstand endlich vorgefunden, der für des Königs Wünsche spricht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1524,"orig":"ob ich mit Grund gehofft, daß beßre Überlegung mit einem Anerbieten Sie verſöhnt, das Eigenſinn, das Laune bloß verworfen?","norm":"ob ich mit Grund gehofft, dass bessere Überlegung mit einem Anerbieten Sie versöhnt, das Eigensinn, das Laune bloß verworfen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1525,"orig":"Ich komme voll Erwartung —","norm":"Ich komme voll Erwartung —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1526,"orig":"Brachten Sie dem König meine letzte Antwort?","norm":"Brachten Sie dem König meine letzte Antwort?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1527,"orig":"Noch verſchob ich’s, ihn ſo tödtlich zu verwunden.","norm":"Noch verschob ich es, ihn so tödlich zu verwunden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1528,"orig":"Noch, gnäd’ge Fürſtinn, iſt es Zeit.","norm":"Noch, gnädige Fürstin, ist es Zeit."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1529,"orig":"Es ſteht bei Ihnen ſie zu mildern.","norm":"Es steht bei Ihnen sie zu mildern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1530,"orig":"Melden Sie dem König, daß ich ihn erwarte.","norm":"Melden Sie dem König, dass ich ihn erwarte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1531,"orig":"Darf ich das für Wahrheit nehmen, ſchöne Fürſtinn?","norm":"Darf Ich das für Wahrheit nehmen, schöne Fürstin?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1532,"orig":"Für Scherz doch nicht?","norm":"Für Scherz doch nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1533,"orig":"— Bei Gott!","norm":"— Bei Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1534,"orig":"Sie machen mir ganz bange — Wie?","norm":"Sie machen mir Ganz bange — wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1535,"orig":"Was hab’ ich denn gethan, wenn ſogar Sie — Sie ſelber Sich entfärben?","norm":"Was habe ich denn getan, wenn sogar Sie — Sie selber Sich entfärben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1536,"orig":"Prinzeſſinn, dieſe Überraſchung, — kaum kann ich es faſſen —","norm":"Prinzessin, diese Überraschung, — kaum kann ich es fassen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1537,"orig":"Ja, hochwürd’ger Herr, das ſollen Sie auch nicht.","norm":"Ja, hochwürdiger Herr, das sollen Sie auch nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1538,"orig":"Um alle Güter der Welt möcht’ ich nicht haben, daß Sie’s faßten.","norm":"Um alle Güter der Welt möchte ich nicht haben, dass Sie es fassten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1539,"orig":"Genug für Sie, daß es ſo iſt.","norm":"Genug für Sie, dass es so ist."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1540,"orig":"Erſparen Sie Sich die Mühe zu ergrübeln, weſſen Beredſamkeit Sie dieſe Wendung danken.","norm":"Ersparen Sie sich die Mühe zu ergrübeln, wessen Beredsamkeit Sie diese Wendung danken."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1541,"orig":"Zu Ihrem Troſt ſetz’ ich hinzu:","norm":"Zu Ihrem Trost setze ich hinzu:"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1542,"orig":"Sie haben nicht Theil an dieſer Sünde.","norm":"Sie haben nicht Teil an dieser Sünde."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1543,"orig":"Auch wahrhaftig die Kirche nicht, obſchon Sie mir bewieſen, daß Fälle möglich wären, wo die Kirche ſogar die Körper ihrer jungen Töchter für höh’re Zwecke zu verbrauchen wüßte.","norm":"Auch wahrhaftig die Kirche nicht, obschon Sie mir bewiesen, dass Fälle möglich wären, wo die Kirche sogar die Körper ihrer jungen Töchter für höhere Zwecke zu verbrauchen wüsste."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1544,"orig":"Auch dieſe nicht — Dergleichen fromme Gründe, ehrwürd’ger Herr, ſind mir zu hoch —","norm":"Auch diese nicht — Dergleichen fromme Gründe, ehrwürdiger Herr, sind mir zu hoch —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1545,"orig":"Sehr gerne Prinzeſſinn, nehm’ ich ſie zurück, ſobald ſie überflüſſig waren.","norm":"Sehr gerne Prinzessin, nehme ich sie zurück, sobald sie überflüssig waren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1546,"orig":"Bitten Sie von meinetwegen den Monarchen, ja in dieſer Handlung Mich nicht zu verkennen.","norm":"Bitten Sie von meinetwegen den Monarchen, ja in dieser Handlung mich nicht zu verkennen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1547,"orig":"Was ich geweſen, bin ich noch.","norm":"Was ich gewesen, bin ich noch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1548,"orig":"Die Lage der Dinge nur hat ſeitdem ſich verwandelt.","norm":"Die Lage der Dinge nur hat seitdem sich verwandelt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1549,"orig":"Als ich ſein Anerbieten mit Entrüſtung zurücke ſtieß, da glaubt’ ich im Beſitze der ſchönſten Königinn ihn glücklich — glaubte die treue Gattinn meines Opfers werth.","norm":"Als ich sein Anerbieten mit Entrüstung Zurücke stieß, da glaubte ich im Besitze der schönsten Königin ihn glücklich — glaubte die treue Gattin meines Opfers wert."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1550,"orig":"Das glaubt’ ich damals — damals.","norm":"Das glaubte ich damals — damals."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1551,"orig":"Freilich jetzt, jetzt weiß ich’s beſſer.","norm":"Freilich jetzt, jetzt weiß ich es besser."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1552,"orig":"Fürſtinn, weiter, weiter.","norm":"Fürstin, weiter, weiter."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1553,"orig":"Ich hör’ es, wir verſtehen uns.","norm":"Ich höre es, wir verstehen uns."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1554,"orig":"Genug, ſie iſt erhaſcht.","norm":"Genug, sie ist erhascht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1555,"orig":"Ich ſchone ſie nicht länger.","norm":"Ich schone sie nicht länger."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1556,"orig":"Die ſchlaue Diebinn iſt erhaſcht.","norm":"Die schlaue Diebin ist erhascht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1557,"orig":"Den König, ganz Spanien, und mich hat ſie betrogen.","norm":"Den König, ganz Spanien, und mich hat sie betrogen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1558,"orig":"Sie liebt.","norm":"Sie liebt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1559,"orig":"Ich weiß es, daß ſie liebt.","norm":"Ich weiß es, dass sie liebt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1560,"orig":"Ich bringe Beweiſe, die Sie zittern machen ſollen.","norm":"Ich bringe Beweise, die Sie zittern machen sollen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1561,"orig":"Der König iſt betrogen — doch bei Gott!","norm":"Der König ist betrogen — doch bei Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1562,"orig":"er ſei es ungerochen nicht.","norm":"er sei es ungerochen nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1563,"orig":"Die Larve erhabner, übermenſchlicher Entſagung, der Mutter Gottes nachgemahlt — die Larve reiß’ ich ihr ab, daß alle Welt die Stirne der Sünderinn erkennen ſoll.","norm":"Die Larve erhabener, übermenschlicher Entsagung, der Mutter Gottes nachgemalt — die Larve reiße ich ihr ab, dass alle Welt die Stirn der Sünderin erkennen soll."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1564,"orig":"Es koſtet mich einen ungeheuern Preis, doch — das entzückt mich, das iſt mein Triumph — doch ſie noch einen größern.","norm":"Es kostet mich einen ungeheuren Preis, doch — das Entzückt mich, das ist mein Triumph — doch sie Noch einen größeren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1565,"orig":"Nun iſt alles reif.","norm":"Nun ist alles reif."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1566,"orig":"Erlauben Sie, daß ich den Herzog rufe.","norm":"Erlauben Sie, dass ich den Herzog rufe."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1567,"orig":"Was wird das?","norm":"Was wird das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1568,"orig":"Unſre Nachricht, Herzog Alba, kommt hier zu ſpät.","norm":"Unsere Nachricht, Herzog Alba, kommt hier zu spät."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1569,"orig":"Die Fürſtinn Eboli entdeckt uns ein Geheimniß, das ſie eben von uns erfahren ſollte.","norm":"Die Fürstin Eboli entdeckt uns ein Geheimnis, das sie eben Von uns erfahren sollte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1570,"orig":"Mein Beſuch wird dann um ſo viel minder ſie befremden.","norm":"Mein Besuche wird dann um so viel minder sie befremden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1571,"orig":"Ich traue meinen Augen nicht.","norm":"Ich traue meinen Augen nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1572,"orig":"Dergleichen Entdeckungen verlangen Weiberblicke.","norm":"Dergleichen Entdeckungen verlangen Weiberblicke."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1573,"orig":"Sie ſprechen von Entdeckungen?","norm":"Sie sprechen von Entdeckungen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1574,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1575,"orig":"Wir wünſchten zu wiſſen, gnäd’ge Fürſtinn, welchen Ort, und welche beß’re Stunde Sie —","norm":"Wir wünschten zu wissen, gnädige Fürstin, welchen Ort, und welche bessere Stunde Sie —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1576,"orig":"Auch das.","norm":"Auch das."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1577,"orig":"So will ich morgen Mittag Sie erwarten.","norm":"So will ich morgen Mittag Sie erwarten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1578,"orig":"Ich habe Gründe, dieſes ſtraſbare Geheimniß länger nicht zu bergen — es nicht länger mehr dem König zu entziehn.","norm":"Ich habe Gründe, dieses strafbare Geheimnis länger nicht zu bergen — es Nicht länger mehr dem König zu entziehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1579,"orig":"Das war es, was mich hergeführt.","norm":"Das war es, was mich hergeführt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1580,"orig":"Sogleich muß der Monarch es wiſſen.","norm":"Sogleich Muss der Monarch es wissen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1581,"orig":"Und durch Sie, durch Sie, Prinzeſſinn, muß er das.","norm":"Und durch Sie, durch Sie, Prinzessin, muss er das."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1582,"orig":"Wem ſonſt, wem ſollt’ er lieber glauben, als der ſtrengen, der wachſamen Geſpielinn ſeines Weibes?","norm":"Wem sonst, wem sollte er lieber glauben, als der strengen, der wachsamen Gespielin seines Weibes?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1583,"orig":"Wem mehr, als Ihnen, die, ſobald ſie will, ihn unumſchränkt beherrſchen kann?","norm":"Wem mehr, als Ihnen, die, sobald sie will, ihn unumschränkt beherrschen kann?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1584,"orig":"Ich bin erklärter Feind des Prinzen.","norm":"Ich bin erklärter Feind des Prinzen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1585,"orig":"Eben das iſt man gewohnt, von mir vorauszuſetzen.","norm":"Eben das ist man gewohnt, von mir vorauszusetzen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1586,"orig":"Die Fürſtinn Eboli iſt frei.","norm":"Die Fürstin Eboli ist frei."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1587,"orig":"Wo wir verſtummen müſſen, zwingen Pflichten Sie zu reden, Pflichten Ihres Amts.","norm":"Wo wir Verstummen müssen, zwingen Pflichten Sie zu reden, Pflichten Ihres Amts."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1588,"orig":"Der König entflieht uns nicht, wenn Ihre Winke wirken, und dann vollenden wir das Werk.","norm":"Der König entflieht uns nicht, wenn Ihre Winke wirken, und dann vollenden wir das Werk."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1589,"orig":"Doch bald, gleich jetzt muß das geſchehn.","norm":"Doch bald, gleich jetzt muss das geschehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1590,"orig":"Die Augenblicke ſind koſtbar.","norm":"Die Augenblicke sind kostbar."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1591,"orig":"Jede nächſte Stunde kann mir den Befehl zum Abmarſch bringen —","norm":"Jede nächste Stunde kann mir den Befehl zum Abmarsch bringen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1592,"orig":"Ob ſich Briefe finden ließen?","norm":"Ob sich Briefe finden ließen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1593,"orig":"Briefe freilich, von dem Infanten aufgefangen, müßten hier Wirkung thun.","norm":"Briefe freilich, von dem Infanten aufgefangen, müssten hier Wirkung tun."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1594,"orig":"— Laß ſehen — Nicht wahr?","norm":"— Lass sehen — nicht wahr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1595,"orig":"— Ja.","norm":"— Ja."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1596,"orig":"Sie ſchlafen doch — ſo däucht mir — in demſelben Gemache mit der Königinn?","norm":"Sie schlafen doch — so dünkt mir — in demselben Gemache mit der Königin?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1597,"orig":"Zunächſt an dieſem — Doch was ſoll mir das?","norm":"Zunächst an diesem — doch was soll mir das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1598,"orig":"Wer ſich auf Schlöſſer gut verſtünde — — Haben Sie bemerkt, wo ſie den Schlüſſel zur Schatulle gewöhnlich zu bewahren pflegt?","norm":"Wer sich auf Schlösser gut verstünde — — Haben Sie Bemerkt, wo sie den Schlüssel zur Schatulle Gewöhnlich zu bewahren pflegt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1599,"orig":"Das könnte zu etwas führen — Ja — der Schlüſſel wäre zu finden, denk’ ich —","norm":"Das könnte zu etwas führen — Ja — der Schlüssel wäre zu finden, denke ich —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1600,"orig":"Briefe wollen Boten — — Der Königinn Gefolg’ iſt groß — — Wer hier auf eine Spur gerathen könnte?","norm":"Briefe wollen Boten — — der Königin Gefolge ist groß — — wer hier auf eine Spur geraten könnte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1601,"orig":"— — Gold vermag zwar viel —","norm":"— — Gold vermag zwar viel —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1602,"orig":"Hat niemand wahrgenommen, ob der Infant Vertraute hat?","norm":"Hat niemand wahrgenommen, ob der Infant Vertraute hat?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1603,"orig":"Nicht Einen; in ganz Madrid nicht Einen.","norm":"Nicht Einen; in ganz Madrid nicht Einen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1604,"orig":"Das iſt ſeltſam.","norm":"Das ist seltsam."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1605,"orig":"Das dürfen Sie mir glauben; er verachtet den ganzen Hof; ich habe meine Proben.","norm":"Das dürfen Sie mir glauben; er verachtet Den ganzen Hof; ich habe meine Proben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1606,"orig":"Doch wie?","norm":"Doch wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1607,"orig":"Hier eben fällt mir ein, als ich von dem Gemach der Königinn herauskam, ſtand der Infant bei einem ihrer Pagen, ſie ſprachen heimlich —","norm":"Hier eben fällt mir ein, als ich von dem Gemach der Königin herauskam, Stand der Infant bei einem ihrer Pagen, sie sprachen heimlich —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1608,"orig":"Nicht doch!","norm":"Nicht doch!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1609,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1610,"orig":"Das war — das war von etwas anderm.","norm":"Das war — das war von etwas anderem."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1611,"orig":"Können wir das wiſſen?","norm":"Können wir Das wissen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1612,"orig":"— Nein, der Umſtand iſt verdächtig —","norm":"— Nein, der Umstand ist verdächtig —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1613,"orig":"Und kannten Sie den Pagen?","norm":"Und kannten Sie den Pagen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1614,"orig":"Kinderpoſſen!","norm":"Kinderpossen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1615,"orig":"Was wird’s auch ſonſt geweſen ſein?","norm":"Was wird es auch sonst gewesen sein?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1616,"orig":"Genug, ich kenne das.","norm":"Genug, Ich kenne das."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1617,"orig":"— — Wir ſehn uns alſo wieder, eh’ ich den König ſpreche.","norm":"— — wir sehen uns also wieder, ehe ich den König spreche."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1618,"orig":"— Unterdeſſen entdeckt ſich viel.","norm":"— Unterdessen entdeckt sich viel."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1619,"orig":"Und der Monarch darf hoffen?","norm":"Und der Monarch darf hoffen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1620,"orig":"Ich darf es ihm verkündigen?","norm":"Ich darf es ihm verkündigen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1621,"orig":"Gewiß?","norm":"Gewiss?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1622,"orig":"Und welche ſchöne Stunde ſeinen Wünſchen Erfüllung endlich bringen wird?","norm":"Und welche schöne Stunde seinen Wünschen Erfüllung endlich bringen wird?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1623,"orig":"Auch dieß?","norm":"Auch dies?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1624,"orig":"In ein’gen Tagen werd’ ich krank; man trennt mich von der Perſon der Königinn — das iſt an unſerm Hofe Sitte, wie Sie wiſſen — ich bleibe dann auf meinem Zimmer.","norm":"In einigen Tagen werde ich krank; man trennt mich Von der Person der Königin — das ist an unserem Hofe Sitte, wie Sie wissen — Ich bleibe dann auf meinem Zimmer."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1625,"orig":"Glücklich.","norm":"Glücklich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1626,"orig":"Gewonnen iſt das große Spiel.","norm":"Gewonnen ist das große Spiel."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1627,"orig":"Trotz ſei geboten allen Königinnen —","norm":"Trotz sei Geboten allen Königinnen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1628,"orig":"Horch!","norm":"Horch!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1629,"orig":"Man läutet mir — die Königinn verlangt mich.","norm":"Man läutet mir — die Königin verlangt mich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1630,"orig":"Auf Wiederſehen.","norm":"Auf Wiedersehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1631,"orig":"Herzog, dieſe Roſen, und Ihre Schlachten —","norm":"Herzog, diese Rosen, und Ihre Schlachten —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1632,"orig":"Und Dein Gott — ſo will ich den Blitz erwarten, der uns ſtürzen ſoll!","norm":"Und Dein Gott — so will ich den Blitz erwarten, der uns stürzen soll!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1633,"orig":"Schon da geweſen alſo?","norm":"Schon dagewesen also?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1634,"orig":"— Das beklag’ ich.","norm":"— Das beklage ich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1635,"orig":"Seit heute Morgen ſchon das drittemal.","norm":"Seit heute Morgen schon das dritte Mal."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1636,"orig":"Vor einer Stunde ging er weg —","norm":"Vor einer Stunde ging er weg —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1637,"orig":"Er will doch wiederkommen?","norm":"Er will doch wiederkommen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1638,"orig":"Hinterließ er’s nicht?","norm":"Hinterließ er das nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1639,"orig":"Vor Mittag noch verſprach er.","norm":"Vor Mittag noch versprach er."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1640,"orig":"Euer Kloſter liegt weit ab von der Straße — — Dorthin zu ſieht man noch Thürme von Madrid.","norm":"Euer Kloster liegt weit ab von der Straße — — Dorthin zu Sieht man noch Türme von Madrid."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1641,"orig":"— — Ganz recht, und hier fließt der Manſanares … Die Landſchaft iſt, wie ich ſie mir wünſche.","norm":"— — ganz recht, und hier fließt der Mansanares … die Landschaft ist, wie ich sie mir wünsche."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1642,"orig":"— Alles iſt hier ſtill wie ein Geheimniß.","norm":"— Alles ist hier still wie ein Geheimnis."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1643,"orig":"Wie der Eintritt in’s andre Leben.","norm":"Wie der Eintritt ins andere Leben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1644,"orig":"Eurer Redlichkeit, gutherz’ger Mann, hab’ ich mein Koſtbarſtes, mein Heiligſtes vertraut.","norm":"Eurer Redlichkeit, gutherziger Mann, habe ich mein Kostbarstes, mein Heiligstes vertraut."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1645,"orig":"Kein Sterblicher darf wiſſen oder nur vermuthen, wen ich hier geſprochen und geheim.","norm":"Kein Sterblicher darf wissen oder nur vermuten, wen Ich hier gesprochen und geheim."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1646,"orig":"Ich habe ſehr wicht’ge Gründe, vor der ganzen Welt den Mann, den ich erwarte, zu verläugnen.","norm":"Ich habe sehr wichtige Gründe, vor der ganzen Welt den Mann, den ich erwarte, zu verleugnen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1647,"orig":"Drum wählt’ ich dieſes Kloſter.","norm":"Darum wählte ich dieses Kloster."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1648,"orig":"Vor Verräthern, vor Überfall ſind wir doch ſicher?","norm":"Vor Verrätern, vor Überfall sind wir doch sicher?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1649,"orig":"Ihr beſinnt Euch noch, was Ihr mir zugeſchworen?","norm":"Ihr besinnt Euch noch, was Ihr mir zugeschworen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1650,"orig":"Vertrauen Sie uns, gnäd’ger Herr.","norm":"Vertrauen Sie uns, gnädiger Herr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1651,"orig":"Der Argwohn der Könige wird Gräber nicht durchſuchen.","norm":"Der Argwohn der Könige wird Gräber nicht durchsuchen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1652,"orig":"Das Ohr der Neugier liegt nur an den Thüren des Glückes und der Leidenſchaft.","norm":"Das Ohr der Neugier liegt nur an den Türen des Glückes und der Leidenschaft."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1653,"orig":"Die Welt hört auf in dieſen Mauern.","norm":"Die Welt hört auf in diesen Mauern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1654,"orig":"Denkt Ihr etwa, daß hinter dieſe Vorſicht, dieſe Furcht ein ſchuldiges Gewiſſen ſich verkrieche —","norm":"Denkt Ihr etwa, dass hinter diese Vorsicht, diese Furcht ein schuldiges Gewissen sich verkrieche —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1655,"orig":"Ich denke nichts.","norm":"Ich denke nichts."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1656,"orig":"Ihr irrt Euch, frommer Vater, Ihr irrt Euch warlich.","norm":"Ihr irrt Euch, frommer Vater, Ihr irrt Euch wahrlich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1657,"orig":"Mein Geheimniß zittert vor Menſchen, aber nicht vor Gott.","norm":"Mein Geheimnis zittert vor Menschen, aber nicht vor Gott."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1658,"orig":"Mein Sohn, das kümmert uns ſehr wenig.","norm":"Mein Sohn, das kümmert uns sehr wenig."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1659,"orig":"Dieſe Freiſtatt ſteht dem Verbrechen offen, wie der Unſchuld.","norm":"Diese Freistatt steht dem Verbrechen offen, wie der Unschuld."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1660,"orig":"Ob, was Du vorhaſt, gut iſt oder übel, rechtſchaffen oder laſterhaft — das mache mit Deinem eignen Herzen aus.","norm":"Ob, was Du vorhast, gut ist oder übel, Rechtschaffen oder lasterhaft — das mache mit Deinem eigenen Herzen aus."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1661,"orig":"Was wir verheimlichen, kann Euern Gott nicht ſchänden.","norm":"Was wir Verheimlichen, kann Euren Gott nicht schänden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1662,"orig":"Es iſt ſein eignes, ſchönſtes Werk — — Zwar Euch, Euch kann ich’s wohl entdecken.","norm":"Es ist sein eigenes, schönstes Werk — — zwar Euch, Euch kann ich es wohl entdecken."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1663,"orig":"Zu was Ende?","norm":"Zu was Ende?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1664,"orig":"Erlaſſen Sie mir’s, lieber Prinz.","norm":"Erlassen Sie mir es, lieber Prinz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1665,"orig":"Die Welt und ihr Geräthe liegt ſchon lange Zeit verſiegelt da auf jene große Reiſe.","norm":"Die Welt und ihr Geräte liegt schon lange Zeit versiegelt da auf jene große Reise."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1666,"orig":"Wozu die kurze Friſt vor meinem Abſchied noch einmal es erbrechen?","norm":"Wozu die kurze Frist vor meinem Abschied noch einmal es erbrechen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1667,"orig":"— Es iſt wenig, was man zur Seligkeit bedarf — Die Glocke zur Hora lautet.","norm":"— Es ist wenig, Was man zur Seligkeit bedarf — die Glocke zur Hora lautet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1668,"orig":"Ich muß beten gehn.","norm":"Ich muss beten gehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1669,"orig":"Ach endlich einmal, endlich —","norm":"Ach endlich einmal, endlich —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1670,"orig":"Welche Prüfung für eines Freundes Ungeduld!","norm":"Welche Prüfung für eines Freundes Ungeduld!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1671,"orig":"Die Sonne ging zweimal auf und zweimal unter, ſeit das Schickſal meines Karlos ſich entſchieden; und jetzt, erſt jetzt werd’ ich es hören — Sprich, ob das verziehen werden kann?","norm":"Die Sonne ging zweimal auf und zweimal unter, seit das Schicksal meines Carlos sich entschieden; und jetzt, erst jetzt werde ich es hören — Sprich, ob das verziehen werden kann?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1672,"orig":"Und mir, mir dieſen Vorwurf, Rodrigo?","norm":"Und mir, mir diesen Vorwurf, Rodrigo?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1673,"orig":"Ihr ſeid verſöhnt?","norm":"Ihr seid versöhnt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1674,"orig":"Wer?","norm":"Wer?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1675,"orig":"Du und König Philipp: und auch mit Flandern iſt’s entſchieden.","norm":"Du und König Philipp: und auch mit Flandern ist es entschieden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1676,"orig":"Daß der Herzog morgen dahin reiſ’t?","norm":"Dass der Herzog morgen dahin reist?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1677,"orig":"— Das iſt entſchieden, ja.","norm":"— Das ist entschieden, ja."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1678,"orig":"Das kann nicht ſein.","norm":"Das kann nicht sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1679,"orig":"Das iſt nicht.","norm":"Das ist nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1680,"orig":"Soll ganz Madrid belogen ſein?","norm":"Soll ganz Madrid belogen sein?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1681,"orig":"Du hatteſt geheime Audienz, ſagt man.","norm":"Du hattest geheime Audienz, sagt man."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1682,"orig":"Der König —","norm":"Der König —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1683,"orig":"Blieb unbewegt.","norm":"Blieb unbewegt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1684,"orig":"Wir ſind getrennt auf immer, und mehr, als wir ſchon waren —","norm":"Wir sind getrennt auf immer, und mehr, als wir schon waren —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1685,"orig":"Du gehſt nicht nach Flandern?","norm":"Du gehst nicht nach Flandern?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1686,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1687,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1688,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1689,"orig":"O meine Hoffnung!","norm":"O meine Hoffnung!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1690,"orig":"Das nebenbei.","norm":"Das nebenbei."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1691,"orig":"Ich muß ſie ſprechen —","norm":"Ich muss sie sprechen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1692,"orig":"Deine Mutter!","norm":"Deine Mutter!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1693,"orig":"— Nein!","norm":"— Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1694,"orig":"— Wozu?","norm":"— Wozu?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1695,"orig":"Ich habe Hoffnung — Du wirſt blaß?","norm":"Ich habe Hoffnung — Du wirst blass?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1696,"orig":"— Sei ruhig!","norm":"— Sei ruhig!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1697,"orig":"Ich ſoll und werde glücklich ſein — Doch davon ein andermal.","norm":"Ich soll und werde glücklich sein — doch davon ein andermal."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1698,"orig":"Jetzt ſchaffe Rath, wie ich ſie ſprechen kann —","norm":"Jetzt schaffe Rat, wie ich sie sprechen kann —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1699,"orig":"Was ſoll das?","norm":"Was soll das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1700,"orig":"Worauf gründet ſich dieſer neue Fiebertraum?","norm":"Worauf gründet sich dieser neue Fiebertraum?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1701,"orig":"Nicht Traum!","norm":"Nicht Traum!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1702,"orig":"Beym wundervollen Gott nicht!","norm":"Beim wundervollen Gott nicht!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1703,"orig":"— Wahrheit, Wahrheit!","norm":"— Wahrheit, Wahrheit!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1704,"orig":"in dieſem wichtigen Papier enthalten!","norm":"in diesem wichtigen Papier enthalten!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1705,"orig":"Die Königinn iſt frei; vor Menſchenaugen, wie vor des Himmels Augen frei.","norm":"Die Königin ist frei; vor Menschenaugen, wie vor des Himmels Augen frei."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1706,"orig":"Da lies, und höre auf Dich zu verwundern.","norm":"Da lies, und höre auf Dich zu verwundern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1707,"orig":"Was?","norm":"Was?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1708,"orig":"Was ſeh’ ich?","norm":"Was sehe ich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1709,"orig":"Eigenhändig vom Monarchen?","norm":"Eigenhändig vom Monarchen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1710,"orig":"An wen iſt dieſer Brief?","norm":"An wen ist dieser Brief?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1711,"orig":"An die Prinzeſſinn von Eboli.","norm":"An die Prinzessin von Eboli."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1712,"orig":"— Vorgeſtern bringt ein Page der Königinn von unbekannten Händen mir einen Brief und einen Schlüſſel.","norm":"— Vorgestern bringt ein Page der Königin von unbekannten Händen mir einen Brief und einen Schlüssel."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1713,"orig":"Man bezeichnet mir im linken Flügel des Pallaſtes, den die Königinn bewohnt, ein Kabinet, wo eine Dame mich erwarte, die ich längſt geliebt.","norm":"Man Bezeichnet mir im linken Flügel des Palastes, den die Königin bewohnt, ein Kabinett, wo eine Dame mich Erwarte, die ich längst geliebt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1714,"orig":"Ich folge ſogleich dem Winke —","norm":"Ich folge sogleich dem Winke —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1715,"orig":"Raſender, Du folgſt?","norm":"Rasender, Du folgst?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1716,"orig":"Ich kenne ja die Handſchrift nicht — Ich kenne nur Eine ſolche Dame.","norm":"Ich kenne ja die Handschrift nicht — Ich kenne nur eine solche Dame."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1717,"orig":"Wer als ſie wird ſich von Karlos angebetet wähnen?","norm":"Wer als sie Wird sich von Carlos angebetet wähnen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1718,"orig":"Voll ſüßen Schwindels flieg’ ich nach dem Platze; ein göttlicher Geſang, der aus dem Innern des Zimmers mir entgegenſchallt, dient mir zum Führer — ich eröffne das Gemach — und wen entdeck’ ich?","norm":"Voll süßen Schwindels fliege ich nach dem Platze; ein göttlicher Gesang, der aus dem Inneren des Zimmers mir entgegenschallt, dient mir zum Führer — ich eröffne das Gemach — und wen entdecke ich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1719,"orig":"— Fühle mein Entſetzen!","norm":"— Fühle mein Entsetzen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1720,"orig":"O ich errathe alles.","norm":"O ich errate alles."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1721,"orig":"Ohne Rettung war ich verloren, Rodrigo, wär’ ich in eines Engels Hände nicht gefallen.","norm":"Ohne Rettung war ich verloren, Rodrigo, wäre ich in eines Engels Hände nicht gefallen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1722,"orig":"Welch unglückſel’ger Zufall!","norm":"Welch unglückseliger Zufall!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1723,"orig":"Hintergangen von meiner Blicke unvorſicht’ger Sprache, gab ſie der ſüßen Täuſchung ſich dahin, ſie ſe ber ſei der Abgott dieſer Blicke.","norm":"Hintergangen von meiner Blicke unvorsichtiger Sprache, gab sie der süßen Täuschung sich dahin, sie sie ber sei der Abgott dieser Blicke."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1724,"orig":"Gerührt von meiner Seele ſtillen Leiden, beredet ſich großmüthig-unbeſonnen ihr weiches Herz, mir Liebe zu erwiedern.","norm":"Gerührt von meiner Seele stillen Leiden, beredet sich großmütig-unbesonnen Ihr weiches Herz, mir Liebe zu erwidern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1725,"orig":"Die Ehrfurcht ſchien mir Schweigen zu gebieten, ſie hat die Kühnheit es zu brechen — Offen liegt ihre ſchöne Seele mir —","norm":"Die Ehrfurcht schien mir Schweigen zu gebieten, sie hat die Kühnheit es zu brechen — offen liegt ihre schöne Seele mir —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1726,"orig":"So ruhig erzählſt Du das?","norm":"So ruhig erzählst Du das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1727,"orig":"— Die Fürſtinn Eboli durchſchaute Dich.","norm":"— Die Fürstin Eboli durchschaute Dich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1728,"orig":"Kein Zweifel mehr, ſie drang in Deiner Liebe innerſtes Geheimniß, Du haſt ſie ſchwer beleidigt.","norm":"Kein Zweifel mehr, sie drang in Deiner Liebe innerstes Geheimnis, Du hast sie schwer beleidigt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1729,"orig":"Sie beherrſcht den König.","norm":"Sie beherrscht den König."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1730,"orig":"Sie iſt tugendhaft.","norm":"Sie ist tugendhaft."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1731,"orig":"Sie iſt’s aus Eigennutz der Liebe — Dieſe Tugend, ich fürchte ſehr, ich kenne ſie — wie wenig reicht ſie empor zu jenem Ideale, das aus der Seele mütterlichem Boden, in ſtoltzer, ſchöner Grazie empfangen, freiwillig ſproßt und ohne Gärtners Hülfe verſchwenderiſche Blüten treibt.","norm":"Sie ist es aus Eigennutz der Liebe — diese Tugend, Ich fürchte sehr, ich kenne sie — wie wenig Reicht sie empor zu jenem Ideale, das aus der Seele mütterlichem Boden, in stolzer, schöner Grazie empfangen, freiwillig sprosst und ohne Gärtners Hilfe verschwenderische Blüten treibt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1732,"orig":"Es iſt ein fremder Zweig, mit nachgeahmtem Süd in einem rauhern Himmelsſtrich getrieben;","norm":"Es ist ein fremder Zweig, mit nachgeahmtem Süden in einem raueren Himmelsstrich getrieben;"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1733,"orig":"Erziehung, Grundſatz, nenn’ es wie Du willſt, erworbne Unſchuld, dem erhitzten Blut durch Liſt, durch manchen zweifelhaften Kampf und kriechende Verträge abgerungen, dem Himmel, der ſie fodert und bezahlt, gewiſſenhaft ſorgfältig angeſchrieben.","norm":"Erziehung, Grundsatz, nenne es wie Du willst, erworbene Unschuld, dem erhitzten Blut durch List, durch manchen zweifelhaften Kampf und kriechende Verträge abgerungen, dem Himmel, der sie fordert und bezahlt, Gewissenhaft sorgfältig angeschrieben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1734,"orig":"Erwäge ſelbſt.","norm":"Erwäge selbst."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1735,"orig":"Wird ſie der Königinn es je vergeben können, daß ein Mann an ihrer eignen, ſchwer erkämpften Tugend vorüberging, ſich für Dom Philipps Frau in hoffnungsloſen Flammen zu verzehren?","norm":"Wird sie der Königin es je vergeben können, dass ein Mann an ihrer eigenen, schwer erkämpften Tugend vorüberging, sich für Don Philipps Frau in hoffnungslosen Flammen zu verzehren?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1736,"orig":"Kennſt Du die Fürſtinn ſo genau?","norm":"Kennst Du die Fürstin so genau?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1737,"orig":"Gewiß nicht.","norm":"Gewiss nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1738,"orig":"Kaum daß ich zweimal ſie geſehn.","norm":"Kaum dass ich zweimal sie gesehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1739,"orig":"Doch nur ein Wort laß mich noch ſagen:","norm":"Doch nur ein Wort lass mich noch sagen:"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1740,"orig":"Mir kam vor, daß ſie geſchickt des Laſters Blößen mied, daß ſie ſehr gut um ihre Tugend wußte.","norm":"Mir kam vor, dass sie geschickt des Lasters Blößen mied, dass sie sehr gut um ihre Tugend wusste."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1741,"orig":"Dann ſah’ ich auch die Königinn — O Karl, wie anders alles, was ich hier bemerkte!","norm":"Dann sah ich auch die Königin — O Karl, wie anders alles, was ich hier bemerkte!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1742,"orig":"In angeborner ſtiller Glorie, mit ſorgenloſem Leichtſinn, mit des Anſtands ſchulmäßiger Berechnung unbekannt, gleich ferne von Verwegenheit und Furcht, mit feſtem Heldenſchritte wandelt ſie die ſchmale Mittelbahn des Schicklichen, unwiſſend, daß ſie Anbetung erzwungen, wo ſie von eignem Beifall nie geträumt.","norm":"In angeborener stiller Glorie, mit sorgenlosem Leichtsinn, mit des Anstands schulmäßiger Berechnung unbekannt, gleich ferne von Verwegenheit und Furcht, mit festem Heldenschritte wandelt sie Die schmale Mittelbahn des Schicklichen, Unwissend, dass sie Anbetung erzwungen, wo sie von eigenem Beifall nie geträumt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1743,"orig":"Erkennt mein Karl auch hier in dieſem Spiegel auch jetzt noch ſeine Eboli?","norm":"Erkennt mein Karl auch hier in diesem Spiegel auch jetzt noch seine Eboli?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1744,"orig":"— Die Fürſtinn blieb ſtandhaft, weil ſie liebte;","norm":"— Die Fürstin blieb standhaft, weil sie liebte;"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1745,"orig":"Liebe war in ihre Tugend wörtlich einbedungen.","norm":"Liebe war in ihre Tugend wörtlich einbedungen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1746,"orig":"Du haſt ſie nicht belohnt — ſie fällt.","norm":"Du hast sie nicht belohnt — sie fällt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1747,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1748,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1749,"orig":"Nein, ſag’ ich Dir — O wüßte Rodrigo, wie trefflich es ihn kleidet, ſeinem Karl der Seligkeiten göttlichſte, den Glauben an menſchliche Vortrefflichkeit zu ſtehlen!","norm":"Nein, sage ich Dir — O wüsste Rodrigo, wie trefflich es ihn kleidet, seinem Karl der Seligkeiten göttlichste, den Glauben an menschliche Vortrefflichkeit zu stehlen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1750,"orig":"Verdien’ ich das?","norm":"Verdiene ich das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1751,"orig":"— Nein, Liebling meiner Seele, das wollt’ ich nicht, bei Gott im Himmel nicht!","norm":"— Nein, Liebling meiner Seele, das wollte ich nicht, bei Gott im Himmel nicht!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1752,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1753,"orig":"O dieſe Eboli — ſie wär’ ein Engel, und ehrerbietig wie Du ſelbſt ſtürtzt’ ich vor ihrer Glorie mich nieder, hätte ſie — Dein Geheimniß nicht erfahren.","norm":"O diese Eboli — sie wäre ein Engel, und ehrerbietig wie Du selbst stürzte ich vor ihrer Glorie mich nieder, hätte sie — Dein Geheimnis nicht erfahren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1754,"orig":"Sieh, wie eitel Deine Furcht iſt!","norm":"Sieh, wie eitel Deine Furcht ist!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1755,"orig":"Hat ſie andre Beweiſe wohl, als die ſie ſelbſt beſchämen?","norm":"Hat sie andere Beweise wohl, als die sie selbst beschämen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1756,"orig":"Wird ſie der Rache trauriges Vergnügen mit ihrer Ehre kaufen?","norm":"Wird sie der Rache trauriges Vergnügen mit ihrer Ehre kaufen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1757,"orig":"Ein Erröthen zurückzunehmen, haben manche ſchon der Schande ſich geopfert.","norm":"Ein Erröten Zurückzunehmen, haben manche schon der Schande sich geopfert."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1758,"orig":"Nein, das iſt zu hart, zu grauſam.","norm":"Nein, das ist zu hart, zu grausam."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1759,"orig":"Sie iſt ſtoltz und edel; ich kenne ſie und fürchte nichts.","norm":"Sie ist stolz und edel; Ich kenne sie und fürchte nichts."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1760,"orig":"Umſonſt verſuchſt Du meine Hoffnungen zu ſchrecken.","norm":"Umsonst versuchst Du meine Hoffnungen zu schrecken."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1761,"orig":"Ich ſpreche meine Mutter.","norm":"Ich spreche meine Mutter."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1762,"orig":"Jetzt?","norm":"Jetzt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1763,"orig":"Wozu?","norm":"Wozu?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1764,"orig":"Ich habe nun nichts mehr zu ſchonen — muß mein Schickſal wiſſen.","norm":"Ich habe nun nichts mehr zu schonen — muss mein Schicksal wissen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1765,"orig":"Sorge nur, wie ich ſie ſprechen kann.","norm":"Sorge nur, wie ich sie sprechen kann."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1766,"orig":"Und dieſen Brief willſt Du ihr zeigen?","norm":"Und diesen Brief willst Du Ihr zeigen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1767,"orig":"Wirklich willſt Du das?","norm":"Wirklich willst Du das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1768,"orig":"Befrage mich darum nicht.","norm":"Befrage mich darum nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1769,"orig":"Das Mittel jetzt, das Mittel, daß ich ſie ſpreche!","norm":"Das Mittel jetzt, das Mittel, dass ich sie spreche!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1770,"orig":"Sagteſt Du mir nicht Du liebteſt Deine Mutter!","norm":"Sagtest Du mir nicht Du liebtest Deine Mutter!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1771,"orig":"— Du biſt Willens ihr dieſen Brief zu zeigen?","norm":"— Du bist Willens Ihr diesen Brief zu zeigen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1772,"orig":"Karl, ich leſe in Deinen Mienen etwas — mir ganz neu — ganz fremde bis auf dieſen Tag — Du wendeſt die Augen von mir?","norm":"Karl, ich lese in Deinen Mienen etwas — mir ganz neu — ganz fremde bis auf diesen Tag — Du wendest die Augen von mir?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1773,"orig":"Warum wendeſt Du die Augen von mir?","norm":"Warum wendest Du die Augen von mir?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1774,"orig":"So iſt’s wahr?","norm":"So ist es wahr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1775,"orig":"— — Ob ich denn wirklich recht geleſen?","norm":"— — ob ich denn wirklich recht gelesen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1776,"orig":"Laß doch ſehen —","norm":"Lass doch sehen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1777,"orig":"Was, biſt Du raſend?","norm":"Was, bist Du rasend?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1778,"orig":"Wirklich — ich geſteh’ es — an dieſem Briefe lag mir viel.","norm":"Wirklich — ich gestehe es — an diesem Briefe lag mir viel."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1779,"orig":"So ſchien es.","norm":"So schien es."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1780,"orig":"Darum zerriß ich ihn.","norm":"Darum zerriss ich ihn."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1781,"orig":"Sprich doch — Was haben Entweihungen des königlichen Bettes mit Deiner — Deiner Liebe denn zu ſchaffen?","norm":"Sprich doch — was haben Entweihungen des königlichen Bettes mit Deiner — Deiner Liebe denn zu schaffen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1782,"orig":"War Philipp Dir gefährlich?","norm":"War Philipp Dir gefährlich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1783,"orig":"Welches Band kann die verletzten Pflichten des Gemahls mit Deinen kühnen Hoffnungen verknüpfen?","norm":"Welches Band kann die verletzten Pflichten des Gemahls mit Deinen kühnen Hoffnungen verknüpfen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1784,"orig":"Hat er geſündigt, wo Du liebſt?","norm":"Hat er gesündigt, wo Du liebst?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1785,"orig":"Nun freilich lern’ ich Dich faſſen.","norm":"Nun freilich lerne ich Dich fassen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1786,"orig":"O wie ſchlecht hab’ ich bis jetzt auf Deine Liebe mich verſtanden.","norm":"O wie schlecht habe ich bis jetzt auf Deine Liebe mich verstanden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1787,"orig":"Wie Rodrigo?","norm":"Wie Rodrigo?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1788,"orig":"Was glaubſt Du?","norm":"Was glaubst Du?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1789,"orig":"O ich fühle, wovon ich mich entwöhnen muß.","norm":"O ich fühle, wovon ich mich entwöhnen muss."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1790,"orig":"Ja einſt, einſt war’s ganz anders.","norm":"Ja einst, einst war es ganz anders."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1791,"orig":"Da warſt Du ſo reich, ſo warm, ſo reich!","norm":"Da warst Du so reich, so warm, so reich!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1792,"orig":"ein ganzer Weltkreis hatte in Deinem weiten Buſen Raum.","norm":"Ein ganzer Weltkreis hatte in Deinem weiten Busen Raum."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1793,"orig":"Das alles iſt nun dahin, von Einer Leidenſchaft, von einem kleinen Eigennutz verſchlungen.","norm":"Das alles ist nun dahin, von Einer Leidenschaft, von einem kleinen Eigennutz verschlungen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1794,"orig":"Dein Herz iſt ausgeſtorben.","norm":"Dein Herz ist ausgestorben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1795,"orig":"Keine Thräne, dem ungeheuern Schickſal der Provinzen nicht einmal eine Thräne mehr — O Karl, wie arm biſt Du, wie bettelarm geworden, ſeitdem Du niemand liebſt als Dich!","norm":"Keine Träne, dem ungeheuren Schicksal der Provinzen nicht einmal eine Träne mehr — O Karl, wie arm bist Du, wie bettelarm geworden, seitdem Du niemand liebst als Dich!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1796,"orig":"Ich weiß, daß Du mich nicht mehr achteſt.","norm":"Ich weiß, dass Du mich nicht mehr achtest."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1797,"orig":"Hörſt Du denn, daß ich Dir ſchmeichle?","norm":"Hörst Du denn, dass ich Dir schmeichle?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1798,"orig":"— Nicht ſo, Karl, nicht alſo.","norm":"— Nicht so, Karl, nicht also."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1799,"orig":"Ich kenne dieſe Aufwallung.","norm":"Ich kenne diese Aufwallung."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1800,"orig":"Sie war Verirrung lobenswürdiger Gefühle.","norm":"Sie war Verirrung lobenswürdiger Gefühle."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1801,"orig":"Die Königinn gehörte Dir, war Dir geraubt von dem Monarchen — doch bis jetzt mißtrauteſt Du beſcheiden Deinen Rechten.","norm":"Die Königin gehörte Dir, war Dir Geraubt von dem Monarchen — doch bis jetzt Mißtrautest Du bescheiden Deinen Rechten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1802,"orig":"Vielleicht war Philipp ihrer werth.","norm":"Vielleicht war Philipp ihrer wert."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1803,"orig":"Du wagteſt nur leiſe noch, das Urtheil ganz zu ſprechen.","norm":"Du wagtest nur leise noch, das Urteil ganz zu sprechen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1804,"orig":"Der Brief entſchied.","norm":"Der Brief entschied."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1805,"orig":"Der Würdige warſt Du.","norm":"Der Würdige warst Du."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1806,"orig":"Mit ſtolzer Freude ſahſt Du nun das Schickſal der Tirannei, des Raubes überwieſen.","norm":"Mit stolzer Freude sahst Du nun das Schicksal der Tyrannei, des Raubes überwiesen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1807,"orig":"Du jauchtzteſt, der Beleidigte zu ſein, denn Unrecht leiden ſchmeichelt großen Seelen.","norm":"Du jauchztest, der Beleidigte zu sein, denn Unrecht leiden schmeichelt großen Seelen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1808,"orig":"Doch hier verirrte Deine Phantaſie, Dein Stolz empfand Genugthuung — Dein Herz verſprach ſich Hoffnung.","norm":"Doch hier verirrte Deine Phantasie, Dein Stolz empfand Genugtuung — Dein Herz versprach sich Hoffnung."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1809,"orig":"Sieh, ich wußt’ es wohl, Du hatteſt dießmal ſelbſt Dich mißverſtanden.","norm":"Sieh, ich wusste es wohl, Du hattest diesmal selbst Dich missverstanden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1810,"orig":"Nein Rodrigo, Du irreſt ſehr.","norm":"Nein Rodrigo, Du irrest sehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1811,"orig":"Ich dachte ſo edel nicht, bei weitem nicht, als Du mich gerne glauben machen möchteſt.","norm":"Ich dachte so edel nicht, bei weitem nicht, als Du mich gerne glauben machen möchtest."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1812,"orig":"Bin ich denn ſo wenig hier bekannt?","norm":"Bin Ich denn so wenig hier bekannt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1813,"orig":"Sieh, Karl, wenn Du verirreſt, ſuch’ ich allemal die Tugend unter Hunderten zu rathen, die ich des Fehlers zeihen kann.","norm":"Sieh, Karl, wenn Du verirrest, such ich allemal die Tugend unter Hunderten zu raten, die ich des Fehlers zeihen kann."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1814,"orig":"Doch nun wir beſſer uns verſtehen, wie ich meine, nun unterſchreib’ ich Deinen Wunſch.","norm":"Doch nun Wir besser uns verstehen, wie ich meine, nun unterschreibe ich Deinen Wunsch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1815,"orig":"Du ſollſt die Königinn jetzt ſprechen — mußt ſie ſprechen — Ich ſelbſt — ich gebe Dir mein Wort — ich ſelbſt will es befördern.","norm":"Du sollst die Königin jetzt sprechen — musst sie sprechen — Ich selbst — ich gebe Dir mein Wort — ich selbst will es befördern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1816,"orig":"Du haſt mein Wort.","norm":"Du hast mein Wort."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1817,"orig":"Nun überlaß mit alles andre.","norm":"Nun überlasse mit alles andere."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1818,"orig":"Ein wilder, kühner, glücklicher Gedanke ſteigt auf in meiner Phantaſie — Du ſollſt ihn hören, Karl, aus einem ſchönern Munde.","norm":"Ein wilder, kühner, glücklicher Gedanke steigt auf in meiner Phantasie — Du sollst ihn hören, Karl, aus einem schöneren Munde."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1819,"orig":"Ich dränge mich zur Königinn.","norm":"Ich dränge mich zur Königin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1820,"orig":"Vielleicht daß morgen ſchon der Ausgang ſich erwieſen.","norm":"Vielleicht dass morgen schon der Ausgang sich erwiesen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1821,"orig":"Bis dahin, Karl, vergiß nicht, daß „ein Anſchlag, den höhere Vernunft gebar, das Leiden der Menſchheit drängt, zehntauſendmal vereitelt nie aufgegeben werden darf.","norm":"Bis dahin, Karl, vergiss nicht, dass „ein Anschlag, den höhere Vernunft gebar, das Leiden der Menschheit drängt, zehntausendmal vereitelt nie aufgegeben werden darf."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1822,"orig":"“ — Hörſt Du?","norm":"“ — hörst Du?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1823,"orig":"Erinnre Dich an Flandern?","norm":"Erinnre Dich an Flandern?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1824,"orig":"Alles, Alles, was Du und hohe Tugend mir gebieten.","norm":"Alles, alles, was Du und hohe Tugend mir gebieten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1825,"orig":"Die Zeit iſt um.","norm":"Die Zeit ist um."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1826,"orig":"Ich höre Dein Gefolge.","norm":"Ich höre Dein Gefolge."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1827,"orig":"Jetzt wieder Kronprinz und Vaſall.","norm":"Jetzt wieder Kronprinz und Vasall."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1828,"orig":"Du fährſt ſogleich zur Stadt?","norm":"Du fährst sogleich zur Stadt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1829,"orig":"Sogleich.","norm":"Sogleich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1830,"orig":"Halt!","norm":"Halt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1831,"orig":"noch ein Wort!","norm":"noch ein Wort!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1832,"orig":"Wie leicht war das vergeſſen!","norm":"Wie leicht war das vergessen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1833,"orig":"— Eine Nachricht Dir äußerſt wichtig — „Briefe nach Brabant erbricht der König.","norm":"— Eine Nachricht Dir äußerst wichtig — „Briefe nach Brabant erbricht der König."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1834,"orig":"“ Sei auf Deiner Hut.","norm":"“ Sei auf Deiner Hut."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1835,"orig":"Die Poſt des Reichs, ich weiß es, hat geheime Befehle —","norm":"Die Post des Reichs, ich weiß es, hat geheime Befehle —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1836,"orig":"Wie erfuhrſt Du das?","norm":"Wie erfuhrst Du das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1837,"orig":"Dom Raimond von Taxis iſt mein guter Freund.","norm":"Don Raimond von Taxis ist mein guter Freund."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1838,"orig":"Auch das!","norm":"Auch das!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1839,"orig":"Daß ſie ſonſt Schwärmerinn geweſen — wer kann, kann’s läugnen?","norm":"Dass sie sonst Schwärmerin gewesen — wer kann, kann es leugnen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1840,"orig":"Nie konnt’ ich ihr Liebe geben, und dennoch — ſchien ſie Mangel je zu fühlen?","norm":"Nie konnte ich ihr Liebe geben, und dennoch — schien sie Mangel je zu fühlen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1841,"orig":"So iſt’s erwieſen, ſie iſt falſch.","norm":"So ist es erwiesen, sie ist falsch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1842,"orig":"Wo war ich?","norm":"Wo war ich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1843,"orig":"Wacht denn hier niemand, als der König?","norm":"Wacht denn hier niemand, als der König?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1844,"orig":"— Was?","norm":"— Was?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1845,"orig":"die Lichter ſchon herabgebrannt?","norm":"Die Lichter schon herabgebrannt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1846,"orig":"doch nicht ſchon Tag?","norm":"doch nicht schon Tag?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1847,"orig":"Ich bin um meinen Schlummer.","norm":"Ich bin um meinen Schlummer."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1848,"orig":"Nimm ihn für empfangen an, Natur.","norm":"Nimm ihn für empfangen an, Natur."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1849,"orig":"Ein König hat nicht Zeit verlorne Nächte nachzuhohten; jetzt bin ich wach und Tag ſoll ſein.","norm":"Ein König hat nicht Zeit verlorene Nächte nachzuholen; jetzt bin ich wach und Tag soll sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1850,"orig":"Schläft’s irgend vielleicht in meinem Vorſaal auch?","norm":"Schläft es irgend vielleicht in meinem Vorsaal auch?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1851,"orig":"Befinden Sich Ihro Majeſtät nicht wohl?","norm":"Befinden sich Ihre Majestät nicht wohl?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1852,"orig":"Im linken Pavillon war Feuer.","norm":"Im linken Pavillon war Feuer."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1853,"orig":"Hörtet Ihr den Lärmen nicht?","norm":"Hörtet Ihr den Lärmen nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1854,"orig":"Nein, Ihro Majeſtät.","norm":"Nein, Ihre Majestät."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1855,"orig":"Nein?","norm":"Nein?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1856,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1857,"orig":"Und alſo hätt’ ich nur geträumt?","norm":"Und also hätte ich nur geträumt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1858,"orig":"Das kann von Ohngefähr nicht kommen.","norm":"Das kann von Ungefähr nicht kommen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1859,"orig":"Schläft auf jenem Flügel nicht die Königinn?","norm":"Schläft auf jenem Flügel nicht die Königin?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1860,"orig":"Ja, Ihro Majeſtät.","norm":"Ja, Ihre Majestät."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1861,"orig":"Der Traum erſchreckt mich.","norm":"Der Traum erschreckt mich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1862,"orig":"Man ſoll die Wachen künftig dort verdoppeln; hört Ihr?","norm":"Man soll die Wachen künftig dort verdoppeln; hört Ihr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1863,"orig":"ſobald es Abend wird — — Doch ganz, ganz ingeheim — Ich will nicht haben, daß — Ihr prüft mich mit den Augen?","norm":"sobald es Abend wird — — doch ganz, ganz insgeheim — Ich will nicht haben, dass — Ihr prüft mich mit den Augen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1864,"orig":"Ich entdecke ein brennend Auge, das um Schlummer bittet.","norm":"Ich entdecke ein brennend Auge, das um Schlummer bittet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1865,"orig":"Darf ich es wagen, Ihro Majeſtät an ein koſtbares Leben zu erinnern, an Völker zu erinnern, die die Spur durchwachter Nacht mit fürchtender Befremdung in ſolchen Mienen leſen würden — Nur zwei kurze Morgenſtunden Schlafs —","norm":"Darf ich es wagen, Ihre Majestät an ein kostbares Leben zu erinnern, an Völker zu erinnern, die die Spur durchwachter Nacht mit fürchtender Befremdung in solchen Mienen lesen würden — nur Zwei kurze Morgenstunden Schlafs —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1866,"orig":"Reiß’t mir den Skorpion von meinem Küſſen — Schlaf?","norm":"Reißt mir den Skorpion von meinem Küssen — Schlaf?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1867,"orig":"Schlaf find’ ich in Eskurial — — So lange der König ſchläft, iſt er um ſeine Krone, der Mann um ſeines Weibes Herz.","norm":"Schlaf finde ich in Eskurial — — solange der König schläft, ist er um seine Krone, der Mann um seines Weibes Herz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1868,"orig":"Hinweg — —","norm":"Hinweg — —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1869,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1870,"orig":"Es iſt Verläumdung — War es nicht ein Weib, ein Weib, das mir es flüſterte?","norm":"Es ist Verleumdung — war es nicht ein Weib, ein Weib, das mir es flüsterte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1871,"orig":"Der Name des Weibes heißt Verläumdung.","norm":"Der Name des Weibes heißt Verleumdung."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1872,"orig":"Das Verbrechen iſt nicht gewiß, bis mir’s ein Mann bekräftigt.","norm":"Das Verbrechen ist nicht gewiss, bis mir es ein Mann bekräftigt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1873,"orig":"Schickt nach Toledo!","norm":"Schickt nach Toledo!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1874,"orig":"— —","norm":"— —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1875,"orig":"O eines Pulſes Dauer nur Allwiſſenheit — — Schwört mir, iſt’s wahr?","norm":"O eines Pulses Dauer nur Allwissenheit — — schwört mir, ist es wahr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1876,"orig":"Ich bin betrogen?","norm":"Ich bin betrogen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1877,"orig":"Bin ich’s?","norm":"Bin ich es?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1878,"orig":"Iſts es wahr?","norm":"Ist es es wahr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1879,"orig":"Mein großer, mein beſter König —","norm":"Mein großer, mein bester König —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1880,"orig":"König!","norm":"König!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1881,"orig":"König nur und wieder König — — Keine beßre Antwort als leeren hohlen Wiederhall?","norm":"König nur und wieder König — — keine bessere Antwort als leeren hohlen Widerhall?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1882,"orig":"Ich ſchlage an dieſen Felſen und will Waſſer, Waſſer für meinen heißen Fieberdurſt — Er gibt mir glühend Gold.","norm":"Ich schlage an diesen Felsen und will Wasser, Wasser für meinen heißen Fieberdurst — er gibt mir glühend Gold."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1883,"orig":"Was wäre wahr, mein König?","norm":"Was wäre wahr, mein König?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1884,"orig":"Nichts.","norm":"Nichts."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1885,"orig":"Nichts.","norm":"Nichts."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1886,"orig":"Verlaßt mich.","norm":"Verlasst mich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1887,"orig":"Geht.","norm":"Geht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1888,"orig":"Ihr ſeid vermählt?","norm":"Ihr seid vermählt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1889,"orig":"Seid Vater?","norm":"Seid Vater?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1890,"orig":"Ja?","norm":"Ja?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1891,"orig":"Ja, Ihro Majeſtät.","norm":"Ja, Ihre Majestät."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1892,"orig":"Vermählt, und könnt es wagen, eine Nacht bei Euerm Herrn zu wachen?","norm":"Vermählt, und könnt es wagen, eine Nacht bei Euerem Herrn zu wachen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1893,"orig":"Euer Haar iſt ſilbergrau und Ihr erröthet nicht, an Eures Weibes Redlichkeit zu glauben?","norm":"Euer Haar ist silbergrau und Ihr errötet nicht, an Eures Weibes Redlichkeit zu glauben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1894,"orig":"O geht nach Hauſe.","norm":"O geht nach Hause."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1895,"orig":"Eben trefft Ihr ſie in Eures Sohns blutſchändriſcher Umarmung.","norm":"Eben trefft Ihr sie in Eures Sohns blutschänderischer Umarmung."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1896,"orig":"Glaubt Euerm König, geht — — Ihr ſteht beſtürzt?","norm":"Glaubt Euerem König, geht — — Ihr steht bestürzt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1897,"orig":"Ihr ſeht mich mit Bedeutung an?","norm":"Ihr seht mich mit Bedeutung an?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1898,"orig":"— Weil ich, ich ſelber etwa graue Haare trage?","norm":"— Weil ich, Ich selber etwa graue Haare trage?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1899,"orig":"Unglücklicher, beſinnt Euch.","norm":"Unglücklicher, besinnt Euch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1900,"orig":"Königinnen beſtecken ihre Tugend nicht.","norm":"Königinnen beflecken ihre Tugend nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1901,"orig":"Ihr ſeid des Todes, wenn Ihr zweifelt — —","norm":"Ihr seid des Todes, wenn Ihr zweifelt — —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1902,"orig":"Wer kann das?","norm":"Wer kann das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1903,"orig":"In allen Staaten meines Königs wer iſt frech genug, mit giftigem Verdacht die engelreine Tugend anzuhauchen?","norm":"In allen Staaten meines Königs wer ist frech genug, mit giftigem Verdacht die engelreine Tugend anzuhauchen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1904,"orig":"die beſte Königinn ſo tief —","norm":"Die beste Königin so tief —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1905,"orig":"Die Beſte?","norm":"Die Beste?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1906,"orig":"Und Eure Beſte alſo auch?","norm":"Und Eure beste also auch?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1907,"orig":"Sie hat ſehr warme Freunde um mich her, find’ ich.","norm":"Sie hat sehr warme Freunde um mich her, finde ich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1908,"orig":"Das muß ihr viel gekoſtet haben — mehr, als mir bekannt iſt daß ſie geben kann.","norm":"Das muss ihr viel gekostet haben — mehr, als mir bekannt ist dass sie geben kann."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1909,"orig":"Ihr ſeid entlaſſen.","norm":"Ihr seid entlassen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1910,"orig":"Laßt den Herzog kommen.","norm":"Lasst den Herzog kommen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1911,"orig":"Schon hör’ ich ihn im Vorſaal —","norm":"Schon höre ich ihn im Vorsaal —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1912,"orig":"Graf — Was Ihr vorhin bemerkt, iſt doch wohl wahr geweſen.","norm":"Graf — was Ihr Vorhin bemerkt, ist doch wohl wahr gewesen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1913,"orig":"Mein Kopf glüht von durchwachter Nacht.","norm":"Mein Kopf glüht von durchwachter Nacht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1914,"orig":"— Vergeßt, was ich im wachen Traum geſprochen.","norm":"— Vergesst, was ich im wachen Traum gesprochen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1915,"orig":"Hört Ihr?","norm":"Hört Ihr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1916,"orig":"Vergeßt es.","norm":"Vergesst es."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1917,"orig":"Ich bin Euer gnäd’ger König.","norm":"Ich bin Euer gnädiger König."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1918,"orig":"Ein mir ſo überraſchender Befehl — zu dieſer außerordentlichen Stunde?","norm":"Ein mir so überraschender Befehl — zu dieser außerordentlichen Stunde?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1919,"orig":"Und dieſer Anblick — —","norm":"Und dieser Anblick — —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1920,"orig":"Alſo wirklich wahr?","norm":"Also wirklich wahr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1921,"orig":"Ich habe keinen treuen Diener?","norm":"Ich habe keinen treuen Diener?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1922,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1923,"orig":"Ich bin auf’s tödtlichſte gekränkt — Man weiß es, und niemand, der mich warnte!","norm":"Ich bin aufs tödlichste gekränkt — Man weiß es, und niemand, der mich warnte!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1924,"orig":"Eine Kränkung, die meinen König gilt und meinem Aug’ entging?","norm":"Eine Kränkung, die meinen König gilt und meinem Auge entging?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1925,"orig":"Erkennt Ihr dieſe Hand?","norm":"Erkennt Ihr diese Hand?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1926,"orig":"Es iſt Dom Karlos Hand —","norm":"Es ist Don Carlos Hand —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1927,"orig":"Vermuthet Ihr noch nichts? — Ihr habt vor ſeinem Ehrgeitz mich gewarnt?","norm":"Vermutet Ihr noch nichts? — Ihr habt vor seinem Ehrgeiz mich gewarnt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1928,"orig":"War’s nur ſein Ehrgeitz?","norm":"War es nur sein Ehrgeiz?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1929,"orig":"dieſer nur, wovor ich zittern ſollte?","norm":"dieser nur, wovor Ich zittern sollte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1930,"orig":"Ehrgeitz iſt ein großes — ein weites Wort, worin unendlich viel noch liegen kann.","norm":"Ehrgeiz ist ein großes — ein weites Wort, worin unendlich viel Noch liegen kann."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1931,"orig":"Und wißt Ihr nichts beſonders mir zu entdecken?","norm":"Und wisst Ihr nichts Besonders Mir zu entdecken?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1932,"orig":"Was ich ſonſt vermuthe, denke oder weiß, gehört mir eigen zu.","norm":"Was ich sonst Vermute, denke oder weiß, gehört mir eigen zu."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1933,"orig":"Es ſind geheiligte Beſitzungen, die der verkaufte Sklave wie der Vaſall den Königen der Erde zurückzuhalten Vorrecht hat.","norm":"Es sind geheiligte Besitzungen, die der verkaufte Sklave wie der Vasall den Königen der Erde Zurückzuhalten Vorrecht hat."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1934,"orig":"— — Nicht alles, was klar vor meiner Seele ſteht, iſt reif genug für meinen König.","norm":"— — nicht alles, was klar vor meiner Seele steht, ist reif genug für meinen König."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1935,"orig":"Will er doch befriedigt ſein, ſo muß ich bitten, nicht als Herr zu fragen.","norm":"Will er doch Befriedigt sein, so muss ich bitten, nicht als Herr zu fragen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1936,"orig":"Leſ’t.","norm":"Lest."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1937,"orig":"Wer was der Raſende, dieß unglückſel’ge Blatt in meines Königs Hand zu geben?","norm":"Wer was der Rasende, dies unglückselige Blatt in meines Königs Hand zu geben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1938,"orig":"Was?","norm":"Was?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1939,"orig":"So wißt Ihr, wen der Inhalt meint?","norm":"So wisst Ihr, wen der Inhalt meint?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1940,"orig":"— Der Name iſt, wie ich weiß, auf dem Papier vermieden.","norm":"— Der Name ist, wie ich weiß, auf dem Papier vermieden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1941,"orig":"Ich war zu ſchnell.","norm":"Ich war zu schnell."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1942,"orig":"Ihr wißt?","norm":"Ihr wisst?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1943,"orig":"Es iſt heraus.","norm":"Es ist heraus."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1944,"orig":"Mein Herr befiehlt — — ich darf nicht mehr zurücke — Ich läugn’ es nicht — ich kenne die Perſon.","norm":"Mein Herr befiehlt — — ich darf nicht mehr zurücke — Ich leugne es nicht — ich kenne die Person."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1945,"orig":"O einen neuen Tod hilf mir erdenken, der Rache fürchterlicher Gott!","norm":"O einen neuen Tod hilf mir erdenken, der Rache fürchterlicher Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1946,"orig":"— — So klar, ſo weltbekannt, ſo laut iſt das Verſtändniß, daß man, des Forſchens Mühe überhoben, ſchon auf den erſten Blick es räth — Das iſt zu viel!","norm":"— — so klar, so weltbekannt, so laut ist das Verständnis, dass man, des Forschens Mühe überhoben, schon auf den ersten Blick es rät — das ist Zuviel!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1947,"orig":"Das hab’ ich nicht gewußt!","norm":"Das habe ich nicht gewusst!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1948,"orig":"Das nicht!","norm":"Das nicht!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1949,"orig":"Ich alſo bin der Letzte der es findet!","norm":"Ich also bin der Letzte der es findet!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1950,"orig":"Der Letzte durch mein ganzes Reich —","norm":"Der Letzte durch mein ganzes Reich —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1951,"orig":"Ja ich bekenne mich ſchuldig, gnädigſter Monarch.","norm":"Ja ich bekenne mich schuldig, gnädigster Monarch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1952,"orig":"Ich ſchäme mich einer feigen Klugheit, die mir da zu ſchweigen rieth, wo meines Königs Ehre, Gerechtigkeit und Wahrheit laut genug zu reden mich beſtürmten — — Weil doch alles verſtummen will — weil die Bezauberung der Schönheit aller Männer Zungen bindet, ſo ſei’s gewagt, ich rede; weiß ich gleich, daß eines Sohns einſchmeichelnde Betheurung, daß die verführeriſchen Reitzungen, die Thränen der Gemahlinn —","norm":"Ich schäme mich einer feigen Klugheit, die mir da zu schweigen riet, wo meines Königs Ehre, Gerechtigkeit und Wahrheit laut genug zu reden mich bestürmten — — weil doch alles Verstummen will — weil die Bezauberung der Schönheit aller Männer Zungen bindet, so sei es gewagt, ich rede; weiß ich gleich, dass eines Sohns einschmeichelnde Beteuerung, dass die verführerischen Reizungen, die Tränen der Gemahlin —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1953,"orig":"Stehet auf.","norm":"Steht auf."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1954,"orig":"Ihr habt mein königliches Wort — — Steht auf.","norm":"Ihr habt mein königliches Wort — — steht auf."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1955,"orig":"Sprecht unerſchrocken.","norm":"Sprecht unerschrocken."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1956,"orig":"Ihro Majeſtät beſinnen Sich vielleicht noch jenes Vorfalls im Garten zu Aranjuez.","norm":"Ihre Majestät Besinnen sich vielleicht noch jenes Vorfalls im Garten zu Aranjuez."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1957,"orig":"Sie fanden die Königinn von allen ihren Damen verlaſſen — mit zerſtörtem Blick — allein in einer abgelegnen Laube.","norm":"Sie fanden die Königin von allen ihren Damen Verlassen — mit zerstörtem Blick — allein in einer abgelegenen Laube."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1958,"orig":"Ha!","norm":"Ha!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1959,"orig":"Was werd’ ich hören?","norm":"Was werde ich hören?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1960,"orig":"Weiter —","norm":"Weiter —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1961,"orig":"Die Marquiſinn von Mondekar ward aus dem Reich verbannt, weil ſie Großmuth genug beſaß, ſich ſchnell für ihre Königinn zu opfern — Jetzt ſind wir berichtet — Die Marquiſinn hatte nicht mehr gethan, als ihr befohlen worden.","norm":"Die Marquisin von Mondekar wurde aus dem Reich verbannt, weil sie Großmut genug besaß, sich schnell für ihre Königin zu opfern — jetzt sind wir berichtet — die Marquisin hatte nicht mehr getan, als ihr befohlen worden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1962,"orig":"— Der Prinz war dort geweſen.","norm":"— Der Prinz war dort gewesen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1963,"orig":"Dort geweſen?","norm":"Dort gewesen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1964,"orig":"Doch alſo —","norm":"Doch also —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1965,"orig":"Eines Mannes Spur im Sande, die von dem linken Eingang dieſer Laube nach einer Grotte ſich verlor, wo noch ein Schnupftuch lag, das der Infant vermißte, erweckte gleich Verdacht.","norm":"Eines Mannes Spur im Sande, die von dem linken Eingang dieser Laube nach einer Grotte sich verlor, wo noch ein Schnupftuch lag, das der Infant vermisste, Erweckte gleich Verdacht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1966,"orig":"Ein Gärtner hatte dem Prinzen dort begegnet, und das war, beinah’ auf die Minute ausgerechnet, dieſelbe Zeit, wo Eure Majeſtät Sich in der Laube zeigten.","norm":"Ein Gärtner hatte dem Prinzen dort begegnet, und das war, beinahe auf die Minute ausgerechnet, dieselbe Zeit, wo Eure Majestät sich in der Laube zeigten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1967,"orig":"Und ſie weinte, als ich Befremdung blicken ließ!","norm":"Und sie weinte, als ich Befremdung blicken ließ!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1968,"orig":"Sie machte vor meinem ganzen Hofe mich erröthen!","norm":"Sie machte vor meinem ganzen Hofe mich erröten!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1969,"orig":"erröthen vor mir ſelbſt — Bei Gott!","norm":"Erröten vor mir selbst — bei Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1970,"orig":"Ich ſtand wie ein Gerichteter vor ihrer Tugend —","norm":"Ich stand wie ein Gerichteter vor ihrer Tugend —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1971,"orig":"Ja, Herzog Alba — Ihr habt Recht — Das könnte zu etwas ſchrecklichem mich führen — — Laßt mich einen Augenblick allein.","norm":"Ja, Herzog Alba — Ihr habt Recht — das könnte zu etwas Schrecklichem mich führen — — lasst mich einen Augenblick allein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1972,"orig":"Mein König, ſelbſt das entſcheidet noch nicht ganz —","norm":"Mein König, Selbst das entscheidet noch nicht ganz —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1973,"orig":"Auch das nicht?","norm":"Auch das nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1974,"orig":"Und das?","norm":"Und das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1975,"orig":"Und wieder das?","norm":"Und wieder das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1976,"orig":"Und dieſer laute Zuſammenklang verdammender Beweiſe?","norm":"Und dieser laute Zusammenklang verdammender Beweise?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1977,"orig":"— O es iſt klärer als das Licht — — Was ich ſchon lange Zeit vorausgewußt — — Der Frevel begann ſchon da, als ich von Euern Händen ſie in Madrid zuerſt empfing — Noch ſeh’ ich mit dieſem Blick des Schreckens, geiſterbleich, auf meinen grauen Haaren ſie verweilen.","norm":"— O es ist klarer als das Licht — — was ich schon lange Zeit vorausgewusst — — der Frevel begann schon da, als ich von Euren Händen sie in Madrid zuerst empfing — noch sehe ich mit diesem Blick des Schreckens, geisterbleich, auf meinen grauen Haaren sie verweilen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1978,"orig":"Da fing es an, das falſche Spiel.","norm":"Da fing es an, das falsche Spiel."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1979,"orig":"Dem Prinzen ſtarb eine Braut in ſeiner jungen Mutter.","norm":"Dem Prinzen starb eine Braut in seiner jungen Mutter."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1980,"orig":"Schon hatten ſie mit Wünſchen ſich gewiegt, in feurigen Empfindungen verſtanden, die ihr der neue Stand verbot.","norm":"Schon hatten sie mit Wünschen sich gewiegt, in feurigen Empfindungen verstanden, die ihr der neue Stand verbot."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1981,"orig":"Die Furcht war ſchon beſiegt, die Furcht, die ſonſt das erſte Geſtändniß zu begleiten pflegt, und kühner ſprach die Verführung in vertrauten Bildern erlaubter Rückerinnerung.","norm":"Die Furcht war schon besiegt, die Furcht, die sonst das erste Geständnis zu begleiten pflegt, und kühner sprach die Verführung in vertrauten Bildern erlaubter Rückerinnerung."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1982,"orig":"Verſchwiſtert durch Harmonie der Meinung und der Jahre, durch gleichen Zwang erzürnt, gehorchten ſie den Wallungen der Leidenſchaft ſo dreiſter.","norm":"Verschwistert durch Harmonie der Meinung und der Jahre, durch gleichen Zwang erzürnt, gehorchten sie den Wallungen der Leidenschaft so dreister."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1983,"orig":"Die Politik griff ihrer Neigung vor; iſt es zu glauben, mein Monarch, daß ſie dem Staatsrath dieſe Vollmacht zuerkannte?","norm":"Die Politik griff ihrer Neigung vor; ist es zu glauben, mein Monarch, dass sie dem Staatsrat diese Vollmacht zuerkannte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1984,"orig":"daß ſie die Lüſternheit bezwang, die Wahl des Kabinets aufmerkſamer zu prüfen?","norm":"dass sie die Lüsternheit bezwang, die Wahl des Kabinetts aufmerksamer zu prüfen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1985,"orig":"Sie war gefaßt auf Liebe, und empfing — — ein Diadem;","norm":"Sie war gefasst auf Liebe, und empfing — — ein Diadem;"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1986,"orig":"Ihr unterſcheidet ſehr — — ſehr weiſe, Herzog.","norm":"Ihr unterscheidet sehr — — sehr weise, Herzog."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1987,"orig":"— Ich bewundre Eure Beredſamkeit.","norm":"— Ich bewundre Eure Beredsamkeit."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1988,"orig":"Ich dank’ Euch.","norm":"Ich dank Euch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1989,"orig":"Ihr habt Recht: die Königinn hat ſehr gefehlt, mir Briefe von dieſem Inhalt zu verbergen — mir die ſtrafbare Erſcheinung des Infanten im Garten zu verheimlichen.","norm":"Ihr habt Recht: Die Königin hat sehr gefehlt, mir Briefe von diesem Inhalt zu verbergen — mir Die strafbare Erscheinung des Infanten im Garten zu verheimlichen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1990,"orig":"Sie hat aus falſcher Großmuth ſehr gefehlt.","norm":"Sie hat aus falscher Großmut sehr gefehlt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1991,"orig":"Ich werde ſie zu beſtrafen wiſſen.","norm":"Ich werde sie zu bestrafen wissen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1992,"orig":"Wer iſt ſonſt im Vorſaal?","norm":"Wer ist sonst im Vorsaal?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1993,"orig":"— Euer, Herzog Alba, bedarf ich nicht mehr.","norm":"— Euer, Herzog Alba, Bedarf ich nicht mehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1994,"orig":"Tretet ab.","norm":"Tretet ab."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1995,"orig":"Sollt’ ich durch meinen Eifer Eurer Majeſtät zum zweitenmal mißfallen haben?","norm":"Sollte ich durch meinen Eifer Eurer Majestät zum zweiten Mal missfallen haben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1996,"orig":"Laßt Domingo kommen.","norm":"Lasst Domingo kommen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1997,"orig":"Ich vergeb’ es Euch, daß Ihr beinahe zwei Minuten lang mich ein Verbrechen hättet fürchten laſſen, das gegen Euch begangen werden kann.","norm":"Ich vergebe es Euch, dass Ihr beinahe zwei Minuten lang mich ein Verbrechen hättet fürchten lassen, das gegen Euch begangen werden kann."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1998,"orig":"Wie froh erſtaun’ ich, Eure Majeſtät ſo ruhig, ſo gefaßt zu ſehn.","norm":"Wie froh erstaune ich, Eure Majestät so ruhig, so gefasst zu sehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":1999,"orig":"— Erſtaunt Ihr —","norm":"— Erstaunt Ihr —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2000,"orig":"Der Vorſicht ſei’s gedankt, daß meine Furcht doch alſo nicht gegründet war!","norm":"Der Vorsicht sei es gedankt, dass meine Furcht doch also nicht gegründet war!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2001,"orig":"Nun darf ich um ſo eher hoffen.","norm":"Nun darf Ich um so eher hoffen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2002,"orig":"Eure Furcht?","norm":"Eure Furcht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2003,"orig":"Was war zu fürchten?","norm":"Was war zu fürchten?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2004,"orig":"… Ihro Majeſtät, ich darf nicht bergen, daß ich allbereits um ein Geheimniß weiß —","norm":"… Ihre Majestät, Ich darf nicht bergen, dass ich allbereits um ein Geheimnis weiß —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2005,"orig":"Hab’ ich denn ſchon den Wunſch geäußert, es mit Euch zu theilen?","norm":"Habe ich denn schon den Wunsch geäußert, es mit Euch zu teilen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2006,"orig":"Wer kam ſo unberufen mir zuvor?","norm":"Wer kam so unberufen mir zuvor?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2007,"orig":"Sehr kühn, bei meiner Ehre!","norm":"Sehr kühn, bei meiner Ehre!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2008,"orig":"Mein Monarch, der Ort, der Anlaß, wo ich es erfahren, das Siegel, unter dem ich es erfahren, ſpricht wenigſtens von dieſer Schuld mich frei.","norm":"Mein Monarch, der Ort, der Anlass, wo ich es erfahren, das Siegel, unter dem ich es erfahren, spricht wenigstens von dieser Schuld mich frei."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2009,"orig":"Am Beichtſtuhl ward es mir vertraut — vertraut als Miſſethat, die das empfindliche Gewiſſen der Entdeckerinn belaſtet, und Gnade bei dem Himmel ſucht.","norm":"Am Beichtstuhl wurde es mir vertraut — vertraut als Missetat, die das empfindliche Gewissen der Entdeckerin belastet, und Gnade bei dem Himmel sucht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2010,"orig":"Zu ſpät beweint die Fürſtinn eine That, von der ſie Urſach hat die fürchterlichſte Folgen für ihre Königinn zu ahnden.","norm":"Zu spät Beweint die Fürstin eine Tat, von der sie Ursache hat die fürchterlichste Folgen für ihre Königin zu ahnden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2011,"orig":"Wirklich?","norm":"Wirklich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2012,"orig":"Das gute Herz — Ihr habt ganz recht vermuthet, weßwegen ich Euch rufen ließ.","norm":"Das gute Herz — Ihr habt ganz recht vermutet, weswegen ich Euch rufen ließ."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2013,"orig":"Ihr ſollt aus dieſem dunkeln Labirinth mich führen, worein ein blinder Eifer mich geworfen.","norm":"Ihr sollt aus diesem dunkeln Labyrinth mich führen, Worein ein blinder Eifer mich geworfen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2014,"orig":"Von Euch erwart’ ich Wahrheit.","norm":"Von Euch erwarte ich Wahrheit."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2015,"orig":"Redet offen mit mir.","norm":"Redet offen mit mir."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2016,"orig":"Was ſoll ich glauben, was beſchließen?","norm":"Was soll ich glauben, was beschließen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2017,"orig":"Von Eurem Amte fodr’ ich Wahrheit.","norm":"Von Eurem Amte fordere ich Wahrheit."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2018,"orig":"Sire, wenn meines Standes Mildigkeit mir auch der Schonung ſüße Pflicht nicht auferlegte, doch würd’ ich Eure Majeſtät beſchwören, um Ihrer Ruhe willen Sie beſchwören, bei dem Entdeckten ſtill zu ſtehn — das Forſchen in ein Geheimniß ewig aufzugeben, das niemals freudig ſich entwickeln kann.","norm":"Sire, wenn meines Standes Milde mir auch der Schonung süße Pflicht nicht auferlegte, doch würde ich Eure Majestät beschwören, um Ihrer Ruhe willen Sie beschwören, bei dem Entdeckten stillzustehen — das Forschen in ein Geheimnis ewig aufzugeben, das niemals freudig sich entwickeln kann."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2019,"orig":"Was jetzt bekannt iſt, kann vergeben werden.","norm":"Was jetzt bekannt ist, kann vergeben werden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2020,"orig":"Ein Wort des Königs — und die Königinn hat nie gefehlt.","norm":"Ein Wort des Königs — und die Königin hat nie gefehlt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2021,"orig":"Der Wille des Monarchen verleiht die Tugend wie das Glück — und nur die immer gleiche Ruhe meines Königs kann die Gerüchte mächtig niederſchlagen, die ſich die Läſterung erlaubt.","norm":"Der Wille des Monarchen verleiht die Tugend wie das Glück — und nur die immer gleiche Ruhe meines Königs kann die Gerüchte mächtig niederschlagen, die sich die Lästerung erlaubt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2022,"orig":"Gerüchte?","norm":"Gerüchte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2023,"orig":"Von Mir, und unter meinem Volke?","norm":"Von Mir, und unter meinem Volke?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2024,"orig":"Lügen!","norm":"Lügen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2025,"orig":"Verdammenswerthe Lügen!","norm":"Verdammenswerte Lügen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2026,"orig":"Ich beſchwör’ es.","norm":"Ich beschwöre es."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2027,"orig":"Doch freilich gibt es Fälle, wo der Glaube des Volks, und wär’ er noch ſo unerwieſen, bedeutend wie die Wahrheit wird.","norm":"Doch freilich gibt es Fälle, wo der Glaube des Volks, und wäre er noch so unerwiesen, bedeutend wie die Wahrheit wird."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2028,"orig":"Bei Gott!","norm":"Bei Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2029,"orig":"Und hier gerade wär’ es —","norm":"Und hier gerade wäre es —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2030,"orig":"Guter Name iſt das koſtbare, einz’ge Gut, um welches die Königinn mit einem Bürgerweibe wetteifern muß —","norm":"Guter Name ist das kostbare, einzige Gut, um welches die Königin mit einem Bürgerweibe Wetteifern muss —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2031,"orig":"Für den doch, will ich hoffen, hier nicht gezittert werden ſoll?","norm":"Für den doch, will ich hoffen, hier nicht gezittert werden soll?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2032,"orig":"Kaplan, ich ſoll noch etwas ſchlimmes von Euch hören.","norm":"Kaplan, Ich soll noch etwas Schlimmes von Euch hören."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2033,"orig":"Verſchiebt es nicht.","norm":"Verschiebt es nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2034,"orig":"Schon lange leſ’ ich es in dieſem unglückbringenden Geſichte, Heraus damit!","norm":"Schon lange lese ich es in diesem unglückbringenden Gesichte, heraus damit!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2035,"orig":"Sei’s was es wolle!","norm":"Sei es was es wolle!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2036,"orig":"Laßt nicht länger mich auf dieſer Folter beben.","norm":"Lasst nicht länger mich auf dieser Folter beben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2037,"orig":"Was glaubt das Volk?","norm":"Was glaubt das Volk?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2038,"orig":"Noch einmal, Sire: das Volk kann irren — und es irrt gewiß.","norm":"Noch einmal, Sire: das Volk kann irren — und es irrt gewiss."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2039,"orig":"Was es behauptet, darf den König nicht erſchüttern — nur — daß es ſo weit ſchon ſich wagen durfte, dergleichen zu behaupten —","norm":"Was es behauptet, darf den König nicht erschüttern — nur — dass es so weit schon sich wagen durfte, Dergleichen zu behaupten —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2040,"orig":"Was?","norm":"Was?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2041,"orig":"Muß ich ſo lang’ um einen Tropfen Gift Euch bitten?","norm":"Muss ich so lang um einen Tropfen Gift Euch bitten?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2042,"orig":"Das Volk denkt an den Monat noch zurücke, der Eure königliche Majeſtät dem Tode nahe brachte — — Dreißig Wochen nach dieſem lieſ’t es von der glücklichen Entbindung —","norm":"Das Volk denkt an den Monat noch zurücke, der Eure königliche Majestät dem Tode nahe brachte — — dreißig Wochen nach diesem liest es von der glücklichen Entbindung —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2043,"orig":"Ich erſtaune, Sire —","norm":"Ich erstaune, Sire —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2044,"orig":"Toledo!","norm":"Toledo!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2045,"orig":"Ihr ſeid ein Mann.","norm":"Ihr seid ein Mann."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2046,"orig":"Schützt mich vor dieſem Prieſter.","norm":"Schützt mich vor diesem Priester."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2047,"orig":"Erhohlen Sie Sich, mein Monarch.","norm":"Erholen Sie sich, mein Monarch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2048,"orig":"Sonſt keine?","norm":"Sonst keine?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2049,"orig":"Wenn wir voraus es hätten wiſſen können, daß dieſe Nachricht an dem Überbringer geahndet werden ſollte —","norm":"Wenn wir voraus es hätten wissen können, dass diese Nachricht an dem Überbringer geahndet werden sollte —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2050,"orig":"Baſtard ſagt Ihr?","norm":"Bastard sagt Ihr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2051,"orig":"Ich war, ſagt Ihr, vom Tode kaum erſtanden, als ſie ſich Mutter fühlte?","norm":"Ich war, sagt Ihr, vom Tode kaum erstanden, als sie sich Mutter fühlte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2052,"orig":"— Wie?","norm":"— Wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2053,"orig":"Das war ja damals, wenn ich anders mich nicht irre, als Ihr den heiligen Dominikus in allen Kirchen für das hohe Wunder lobtet, das er an mir gewirkt?","norm":"Das war ja damals, wenn ich anders mich nicht irre, als Ihr den heiligen Dominikus in allen Kirchen für das hohe Wunder lobtet, das er an mir gewirkt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2054,"orig":"— Was damals Wunder geweſen, iſt es jetzt nicht mehr?","norm":"— Was damals Wunder gewesen, ist es jetzt nicht mehr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2055,"orig":"So habt Ihr damals, oder heute mir gelogen.","norm":"So habt Ihr damals, oder heute mir gelogen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2056,"orig":"An was verlangt Ihr daß ich glauben ſoll?","norm":"An was verlangt Ihr dass ich glauben soll?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2057,"orig":"O ich durchſchau’ Euch.","norm":"O ich durchschaue Euch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2058,"orig":"Wäre das Komplott ſchon damals reif geweſen — ja dann war der Heilige um ſeinen Ruhm.","norm":"Wäre das Komplott schon damals reif gewesen — ja dann war der Heilige um seinen Ruhm."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2059,"orig":"Komplott!","norm":"Komplott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2060,"orig":"Welch kränkender Verdacht!","norm":"Welch kränkender Verdacht!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2061,"orig":"Ihr ſolltet mit dieſer beiſpielloſen Harmonie jetzt in derſelben Meinung Euch begegnen und doch nicht einverſtanden ſein?","norm":"Ihr solltet mit dieser beispiellosen Harmonie jetzt in derselben Meinung Euch begegnen und doch nicht einverstanden sein?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2062,"orig":"Mich wollt Ihr das bereden?","norm":"Mich wollt Ihr das bereden?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2063,"orig":"Mich?","norm":"Mich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2064,"orig":"Ich ſoll vielleicht nicht wahrgenommen haben, wie erpicht und gierig Ihr auf Euren Raub Euch ſtürztet?","norm":"Ich soll vielleicht nicht wahrgenommen haben, wie erpicht und gierig Ihr auf Euren Raub Euch stürztet?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2065,"orig":"Mit welcher Wolluſt Ihr an meinem Schmerz, an meines Zornes Wallung Euch geweidet?","norm":"Mit welcher Wollust Ihr an meinem Schmerz, an meines Zornes Wallung Euch geweidet?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2066,"orig":"Nicht merken ſoll ich, wie voll Eifer dort der Herzog brennt, der Gunſt zuvorzueilen, die meinem Sohn beſchieden war?","norm":"Nicht merken soll ich, wie voll Eifer dort der Herzog brennt, der Gunst zuvorzueilen, die meinem Sohn beschieden war?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2067,"orig":"Wie gerne der fromme Mann hier ſeinen kleinen Groll mit meines Zornes Rieſenarm bewehrte?","norm":"Wie gerne der fromme Mann hier seinen kleinen Groll mit meines Zornes Riesenarm bewehrte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2068,"orig":"Ich bin der Bogen, bildet Ihr Euch ein, den man nur ſpannen dürfe nach Gefallen? — Noch hab’ ich meinen Willen auch — und wenn ich zweifeln ſoll, ſo laßt mich wenigſtens bei Euch den Anfang machen.","norm":"Ich bin der Bogen, bildet Ihr Euch ein, Den man nur spannen dürfe nach Gefallen? — Noch habe ich meinen Willen auch — und wenn Ich zweifeln soll, so lasst mich wenigstens Bei Euch den Anfang machen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2069,"orig":"Dieſe Deutung hat unſre Treue nicht erwartet.","norm":"Diese Deutung hat unsere Treue nicht erwartet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2070,"orig":"Treue!","norm":"Treue!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2071,"orig":"Die Treue warnt vor drohenden Verbrechen, die Rachgier ſpricht von den begangenen.","norm":"Die Treue warnt vor drohenden Verbrechen, die Rachgier spricht von den begangenen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2072,"orig":"Laßt hören!","norm":"Lasst hören!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2073,"orig":"Was gewann ich denn durch Eure Dienſtfertigkeit?","norm":"Was gewann ich denn durch Eure Dienstfertigkeit?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2074,"orig":"— Iſt, was Ihr vorgebt, wahr; was bleibt mir übrig als der Trennung Wunde?","norm":"— Ist, was Ihr vorgebt, wahr; was bleibt mir übrig als der Trennung Wunde?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2075,"orig":"der Rache trauriger Triumph?","norm":"der Rache trauriger Triumph?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2076,"orig":"— Doch nein, Ihr fürchtet nur, Ihr gebt mir ſchwankende Vermuthungen — Am Abſturz einer Hölle laßt Ihr mich ſtehen und entflieht.","norm":"— Doch nein, Ihr fürchtet nur, Ihr gebt mir schwankende Vermutungen — am Absturz einer Hölle lasst Ihr mich stehen und entflieht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2077,"orig":"Sind andre Beweiſe möglich, wo das Auge ſelbſt nicht überwieſen werden kann?","norm":"Sind andere Beweise möglich, wo das Auge selbst Nicht überwiesen werden kann?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2078,"orig":"Ich’ will die Großen meines Königreichs verſammeln, und ſelber zu Gerichte ſitzen.","norm":"Ich will die Großen meines Königreichs versammeln, und selber zu Gerichte sitzen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2079,"orig":"Tretet heraus vor allen — habt Ihr Muth — und klaget als eine Buhlerinn ſie an!","norm":"Tretet heraus vor allen — habt Ihr Mut — und klaget als eine Buhlerin sie an!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2080,"orig":"— Sie ſoll des Todes ſterben — ohne Rettung — ſie und der Infant ſoll ſterben — aber — merkt Euch!","norm":"— Sie soll des Todes sterben — ohne Rettung — sie und der Infant soll sterben — aber — merkt Euch!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2081,"orig":"kann ſie ſich reinigen — Ihr ſelbſt!","norm":"Kann sie sich reinigen — Ihr selbst!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2082,"orig":"Wollt Ihr die Wahrheit durch ein ſolches Opfer ehren?","norm":"Wollt Ihr die Wahrheit durch ein solches Opfer ehren?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2083,"orig":"Entſchließet Euch.","norm":"Entschließet Euch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2084,"orig":"Ihr wollt nicht?","norm":"Ihr wollt nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2085,"orig":"Ihr verſtummt?","norm":"Ihr verstummt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2086,"orig":"Ihr wollt nicht?","norm":"Ihr wollt nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2087,"orig":"— Das iſt eines Lügners Eifer.","norm":"— Das ist eines Lügners Eifer."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2088,"orig":"Ich will es.","norm":"Ich will es."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2089,"orig":"Das iſt kühn!","norm":"Das ist kühn!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2090,"orig":"— Doch mir fällt ein, daß Ihr in ſcharfen Schlachten Euer Leben an etwas weit geringeres gewagt — mit eines Würfelſpielers Leichtſinn für des Ruhmes Unding es gewagt — Und was iſt Euch das Leben?","norm":"— Doch mir fällt ein, dass Ihr in scharfen Schlachten Euer Leben an etwas weit Geringeres gewagt — mit eines Würfelspielers Leichtsinn für des Ruhmes Unding es gewagt — und was ist Euch das Leben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2091,"orig":"Welchen Reitz kann es für Euresgleichen haben, die in Ketten geboren worden?","norm":"Welchen Reiz kann es für Euresgleichen haben, die in Ketten geboren worden?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2092,"orig":"— Königliches Blut geb’ ich dem Raſenden nicht Preis, der nichts zu hoffen hat, als ein geringes Daſein erhaben aufzugeben — Euer Opfer verwerf’ ich.","norm":"— Königliches Blut gebe ich dem Rasenden nicht Preis, der nichts zu hoffen hat, als ein geringes Dasein Erhaben aufzugeben — Euer Opfer verwerfe ich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2093,"orig":"Geht — Geht, und im Audienzſaal erwartet meine weitere Befehle.","norm":"Geht — geht, und im Audienzsaal erwartet meine weitere Befehle."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2094,"orig":"Jetzt gib mir einen Menſchen, gute Vorſicht — Du haſt mir viel gegeben.","norm":"Jetzt gib mir einen Menschen, gute Vorsicht — Du hast mir viel gegeben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2095,"orig":"Schenke mir jetzt einen Menſchen … Du — du biſt allein, denn deine Augen prüfen das Verborgne, ich bitte dich um einen Freund, denn ich bin nicht wie du allwiſſend.","norm":"Schenke mir Jetzt einen Menschen … Du — du bist allein, denn deine Augen prüfen das Verborgene, Ich bitte dich um einen Freund, denn ich bin nicht wie du allwissend."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2096,"orig":"Die Gehülfen, die du mir zugeordnet haſt, was ſie mir ſind, weißt du.","norm":"Die Gehilfen, die du mir zugeordnet hast, was sie Mir sind, weißt du."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2097,"orig":"Was ſie verdienen, haben ſie mir gegolten.","norm":"Was sie verdienen, haben sie mir gegolten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2098,"orig":"Ihre zahmen Laſter, beherrſcht vom Zaume, ziehen meinen Wagen, wie deine Wetter fronen der Natur.","norm":"Ihre zahmen Laster, beherrscht vom Zaume, ziehen meinen Wagen, wie deine Wetter fronen der Natur."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2099,"orig":"Ich brauche Wahrheit — Ihre ſtille Quelle im dunkeln Schutt des Irrthums aufzugraben iſt nicht das Loos der Könige.","norm":"Ich brauche Wahrheit — Ihre stille Quelle im Dunkeln Schutt des Irrtums aufzugraben ist nicht das Los der Könige."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2100,"orig":"Gib mir den ſeltnen Mann mit reinem, offnen Herzen, mit hellem Geiſt und unbefangnen Augen, der mir ſie finden helfen kann — ich ſchütte die Looſe auf; laß unter Tauſenden, die um der Hoheit Sonnenſcheibe flattern, den einzigen mich finden.","norm":"Gib mir Den seltenen Mann mit reinem, offenen Herzen, mit hellem Geist und unbefangenen Augen, der mir sie finden helfen kann — ich schütte die Lose auf; lass unter Tausenden, die um der Hoheit Sonnenscheibe flattern, den einzigen mich finden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2101,"orig":"Bloße Namen — nur Namen ſtehen hier, und nicht einmal Erwähnung des Verdienſts, dem ſie den Platz auf dieſer Tafel danken — und was iſt vergeßlicher als Dankbarkeit?","norm":"Bloße Namen — nur Namen stehen hier, und nicht einmal Erwähnung des Verdiensts, dem sie den Platz auf dieser Tafel danken — und was ist vergesslicher als Dankbarkeit?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2102,"orig":"Doch hier auf dieſer andern Tafel leſ’ ich jede Vergehung pünktlich beigeſchrieben.","norm":"Doch hier auf dieser anderen Tafel lese ich jede Vergehung pünktlich beigeschrieben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2103,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2104,"orig":"Das iſt nicht gut.","norm":"Das ist nicht gut."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2105,"orig":"Braucht etwa das Gedächtniß der Rache dieſer Hülfe noch?","norm":"Braucht etwa das Gedächtnis der Rache dieser Hilfe noch?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2106,"orig":"Graf Egmont?","norm":"Graf Egmont?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2107,"orig":"Was will der hier?","norm":"Was will der hier?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2108,"orig":"— Der Sieg bei Saint Quentin war längſt verwirkt.","norm":"— Der Sieg bei Saint Quentin war längst verwirkt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2109,"orig":"Ich werf’ ihn zu den Todten.","norm":"Ich werfe ihn zu den Toten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2110,"orig":"Marquis von Poſa?","norm":"Marquis von Posa?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2111,"orig":"— Poſa?","norm":"— Posa?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2112,"orig":"— Poſa?","norm":"— Posa?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2113,"orig":"Kann ich dieſes Menſchen mich doch kaum beſinnen!","norm":"Kann Ich dieses Menschen mich doch kaum besinnen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2114,"orig":"Und zweifach angeſtrichen — ein Beweis, daß ich zu großen Zwecken ihn beſtimmte.","norm":"Und zweifach angestrichen — ein Beweis, dass ich zu großen Zwecken ihn bestimmte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2115,"orig":"Und war es möglich?","norm":"Und war es möglich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2116,"orig":"dieſer Menſch entzog ſich meiner Gegenwart bis jetzt?","norm":"dieser Mensch entzog sich meiner Gegenwart bis jetzt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2117,"orig":"vermied die Augen ſeines königlichen Schuldners?","norm":"vermied die Augen seines königlichen Schuldners?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2118,"orig":"Bei Gott!","norm":"Bei Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2119,"orig":"im ganzen Umkreis meiner Staaten der einz ge Menſch, der meiner nicht bedarf!","norm":"im ganzen Umkreis meiner Staaten der einz ge Mensch, der meiner nicht bedarf!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2120,"orig":"Beſäß’ er Habſucht oder Ehrbegierde, er wäre längſt vor meinem Thron erſchienen.","norm":"Besäße er Habsucht oder Ehrbegierde, er wäre längst vor meinem Thron erschienen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2121,"orig":"Wag’ ich’s mit dieſem Sonderling?","norm":"Wage ich es mit diesem Sonderling?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2122,"orig":"Wer mich entbehren kann, wird Wahrheit für mich haben.","norm":"Wer mich Entbehren kann, wird Wahrheit für mich haben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2123,"orig":"Sie haben ja den Herrn geſprochen, Herzog — Wie fanden Sie ihn aufgelegt.","norm":"Sie haben ja den Herrn gesprochen, Herzog — wie fanden Sie ihn aufgelegt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2124,"orig":"Sehr übel für Sie und Ihre Zeitungen.","norm":"Sehr übel für Sie und Ihre Zeitungen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2125,"orig":"Im Feuer des Engliſchen Geſchützes war mir’s leichter, als hier auf dieſem Pflaſter.","norm":"Im Feuer Des englischen Geschützes war mir es leichter, als hier auf diesem Pflaster."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2126,"orig":"Warmen Dank für dieſe großmuthsvolle Thräne, Prinz.","norm":"Warmen Dank für diese großmutsvolle Träne, Prinz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2127,"orig":"Sie ſehen, wie mich alles flieht.","norm":"Sie sehen, wie mich alles flieht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2128,"orig":"Nun iſt mein Untergang beſchloſſen.","norm":"Nun ist mein Untergang beschlossen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2129,"orig":"Hoffen Sie das Beſte, Freund, von meines Vaters Gnade und Ihrer Unſchuld.","norm":"Hoffen Sie das Beste, Freund, von meines Vaters Gnade und Ihrer Unschuld."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2130,"orig":"Ich verlor ihm eine Flotte, wie keine noch im Meer erſchien — Was iſt ein Kopf wie dieſer gegen ſiebenzig verſunkne Gallionen?","norm":"Ich verlor ihm eine Flotte, wie keine noch im Meer erschien — was ist ein Kopf wie dieser gegen siebzig versunkene Gallionen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2131,"orig":"— Aber Prinz — fünf Söhne, hoffnungsvoll wie Sie — das bricht mein Herz — —","norm":"— Aber Prinz — Fünf Söhne, hoffnungsvoll wie Sie — das bricht mein Herz — —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2132,"orig":"Bedeckt Euch!","norm":"Bedeckt Euch!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2133,"orig":"Eure Mutter, Neffe, will wiſſen, wie man in Madrid mit Euch zufrieden ſei.","norm":"Eure Mutter, Neffe, will wissen, wie man in Madrid mit Euch zufrieden sei."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2134,"orig":"Das frage ſie nicht eher, als nach dem Ausgang meiner erſten Schlacht.","norm":"Das frage sie nicht eher, als nach dem Ausgang meiner ersten Schlacht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2135,"orig":"Gebt Euch zufrieden.","norm":"Gebt Euch zufrieden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2136,"orig":"Auch an Euch wird einſt die Reihe ſein, wenn dieſe Stämme brechen.","norm":"Auch an Euch wird einst die Reihe sein, wenn diese Stämme brechen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2137,"orig":"Was bringt Ihr mir?","norm":"Was bringt Ihr mir?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2138,"orig":"Der Großkomthur des Ordens von Calatrava ſtarb an dieſem Morgen.","norm":"Der Großkomtur des Ordens von Calatrava starb an diesem Morgen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2139,"orig":"Hier folgt ſein Ritterkreuz zurück.","norm":"Hier folgt sein Ritterkreuz zurück."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2140,"orig":"Wer wird nach ihm am würdigſten es tragen?","norm":"Wer wird nach ihm am würdigsten es tragen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2141,"orig":"Herzog, Ihr ſeid mein erſter Feldherr — ſeid nie mehr, ſo wird Euch meine Gnade niemals fehlen.","norm":"Herzog, Ihr seid mein erster Feldherr — seid nie mehr, so wird Euch meine Gnade niemals fehlen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2142,"orig":"Sieh da!","norm":"Sieh da!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2143,"orig":"Mein Admiral!","norm":"Mein Admiral!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2144,"orig":"Das, großer König, iſt alles, was ich von der Span’ſchen Jugend und der Armada wiederbringe.","norm":"Das, großer König, ist alles, was ich von der spanischen Jugend und der Armada wiederbringe."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2145,"orig":"Gott iſt über mir — Ich habe gegen Menſchen, nicht gegen Sturm und Klippen ſie geſendet.","norm":"Gott ist über mir — Ich habe gegen Menschen, nicht gegen Sturm und Klippen sie gesendet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2146,"orig":"— Seid mir willkommen in Madrid.","norm":"— Seid mir willkommen in Madrid."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2147,"orig":"Und Dank, daß Ihr in Euch mir einen würd’gen Diener erhalten habt!","norm":"Und Dank, dass Ihr in Euch mir einen würdigen Diener Erhalten habt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2148,"orig":"— Für dieſen, meine Granden, erkenn’ ich ihn, will ich erkannt ihn wiſſen.","norm":"— Für diesen, meine Granden, erkenne ich ihn, will ich erkannt ihn wissen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2149,"orig":"Was gibt es noch?","norm":"Was gibt es noch?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2150,"orig":"Ich dank’ Euch, meine Prinzen.","norm":"Ich dank Euch, meine Prinzen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2151,"orig":"Legt das im Kabinet mir vor.","norm":"Legt das im Kabinett mir vor."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2152,"orig":"— Bin ich zu Ende?","norm":"— Bin ich zu Ende?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2153,"orig":"Wie kommt es denn, daß unter meinen Granden ſich nie ein Marquis Poſa zeigt?","norm":"Wie kommt es denn, dass unter meinen Granden sich nie ein Marquis Posa zeigt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2154,"orig":"Ich weiß recht gut, daß dieſer Marquis Poſa mir mit Ruhm gedient.","norm":"Ich weiß recht gut, dass dieser Marquis Posa mir mit Ruhm gedient."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2155,"orig":"Er lebt vielleicht nicht mehr?","norm":"Er lebt vielleicht nicht mehr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2156,"orig":"Warum erſcheint er nicht?","norm":"Warum erscheint er nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2157,"orig":"Der Chevalier iſt kürzlich erſt von Reiſen angelangt, die er durch ganz Europa unternommen.","norm":"Der Chevalier ist kürzlich erst von Reisen angelangt, die er durch ganz Europa unternommen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2158,"orig":"So eben iſt er in Madrid, und wartet nur auf den öffentlichen Tag, ſich zu den Füßen ſeines Oberherrn zu werfen.","norm":"Soeben ist er in Madrid, und wartet nur auf den öffentlichen Tag, sich zu den Füßen seines Oberherrn zu werfen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2159,"orig":"Marquis von Poſa?","norm":"Marquis von Posa?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2160,"orig":"— Recht!","norm":"— Recht!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2161,"orig":"Das iſt der kühne Maltheſer, Ihro Majeſtät, von dem der Ruf die ſchwärmeriſche That erzählte.","norm":"Das ist der kühne Malteser, Ihre Majestät, von dem der Ruf die schwärmerische Tat erzählte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2162,"orig":"Als auf des Ordensmeiſters Aufgebot die Ritter ſich auf ihrer Inſel ſtellten, die Soliman belagern ließ, verſchwand auf einmal von Alkala’s hoher Schule der achtzehnjähr’ge Jüngling.","norm":"Als auf des Ordensmeisters Aufgebot die Ritter sich auf ihrer Insel stellten, die Soliman belagern ließ, verschwand auf einmal von Alkalas hoher Schule der achtzehnjährige Jüngling."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2163,"orig":"Ungerufen ſtand er vor la Valette.","norm":"Ungerufen Stand er vor la Valette."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2164,"orig":"„Man kaufte mir das Kreutz,“ ſagt’ er; „ich will es jetzt verdienen.","norm":"„Man kaufte mir das Kreuz,“ sagte er; „ich will es jetzt verdienen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2165,"orig":"“ Von jenen vierzig Rittern war er einer, die gegen Piali, Ulucciali, und Muſtapha und Haſſem das Kaſtell San Elmo in drei wiederhohlten Stürmen am hohen Mittag hielten.","norm":"“ Von jenen vierzig Rittern war er einer, die gegen Piali, Ulucciali, und Mustafa und Hassem das Kastell San Elmo in drei wiederholten Stürmen am hohen Mittag hielten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2166,"orig":"Als es endlich erſtiegen wird, und um ihn alle Ritter gefallen, wirft er ſich in’s Meer und kommt allein erhalten an bei la Valette.","norm":"Als es endlich Erstiegen wird, und um ihn alle Ritter Gefallen, wirft er sich ins Meer und kommt allein erhalten an bei la Valette."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2167,"orig":"Zwei Monate darauf verläßt der Feind die Inſel, und der Ritter kommt zurück, die angefangne Studien zu enden.","norm":"Zwei Monate darauf verlässt der Feind die Insel, und der Ritter kommt zurück, die angefangene Studien zu enden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2168,"orig":"— Gewiß!","norm":"— Gewiss!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2169,"orig":"der Menſch beſitzt den ungewöhnlichſten Karakter oder keinen — Wunders wegen muß ich ihn ſprechen.","norm":"der Mensch besitzt den ungewöhnlichsten Charakter oder keinen — Wunders wegen muss ich ihn sprechen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2170,"orig":"Nach gehörter Meſſe bringt ihn in’s Kabinet zu mir.","norm":"Nach gehörter Messe bringt ihn ins Kabinett zu mir."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2171,"orig":"Und Ihr nehmt meine Stelle im geheimen Rathe.","norm":"Und Ihr nehmt meine Stelle im geheimen Rate."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2172,"orig":"Der Herr iſt heut ſehr gnädig.","norm":"Der Herr ist heute sehr gnädig."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2173,"orig":"Sagen Sie:","norm":"Sagen Sie:"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2174,"orig":"Er iſt ein Gott!","norm":"Er ist ein Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2175,"orig":"— Er iſt es mir geweſen.","norm":"— Er ist es mir gewesen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2176,"orig":"Wie ſehr verdienen Sie Ihr Glück!","norm":"Wie sehr verdienen Sie Ihr Glück!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2177,"orig":"Ich nehme den wärmſten Antheil, Admiral.","norm":"Ich nehme den wärmsten Anteil, Admiral."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2178,"orig":"Auch ich.","norm":"Auch ich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2179,"orig":"Ich warlich auch.","norm":"Ich wahrlich auch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2180,"orig":"Das Herz hat mir geſchlagen.","norm":"Das Herz hat mir geschlagen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2181,"orig":"Ein ſo verdienter General!","norm":"Ein so verdienter General!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2182,"orig":"Der König war gegen Sie nicht gnädig — nur gerecht.","norm":"Der König war gegen Sie nicht gnädig — nur gerecht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2183,"orig":"Wie reich ſind Sie auf einmal durch zwey Worte!","norm":"Wie reich sind Sie auf einmal durch zwei Worte!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2184,"orig":"Mich will er haben?","norm":"Mich will er haben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2185,"orig":"Mich?","norm":"Mich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2186,"orig":"— Das kann nicht ſein.","norm":"— Das kann nicht sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2187,"orig":"Sie irren Sich im Namen — Und was will er denn von mir?","norm":"Sie irren Sich im Namen — und was will er denn von mir?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2188,"orig":"Er will Sie kennen lernen.","norm":"Er will Sie kennenlernen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2189,"orig":"Mehr iſt mir nicht bekannt.","norm":"Mehr ist mir nicht bekannt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2190,"orig":"Ich bin ihm nichts.","norm":"Ich bin ihm nichts."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2191,"orig":"Doch — und wenn’s auch nur gerade dieſerwegen wäre.","norm":"Doch — und wenn es auch nur gerade dieserwegen wäre."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2192,"orig":"Der bloßen Neugier wegen — O dann Schade um den verlornen Augenblick — Das Leben iſt ſo erſtaunlich ſchnell dahin.","norm":"Der bloßen Neugier wegen — O dann Schade um den verlorenen Augenblick — das Leben ist so erstaunlich schnell dahin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2193,"orig":"Sie wiſſen Ihr Glück gar nicht zu ſchätzen.","norm":"Sie wissen Ihr Glück gar nicht zu schätzen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2194,"orig":"O!","norm":"O!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2195,"orig":"Das wird ſo ſehr nicht eilen.","norm":"Das wird so sehr nicht eilen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2196,"orig":"Sagen Sie mir doch:","norm":"Sagen Sie mir doch:"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2197,"orig":"Muß ich das?","norm":"Muss ich das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2198,"orig":"Das iſt doch hart.","norm":"Das ist doch hart."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2199,"orig":"Nein.","norm":"Nein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2200,"orig":"Ich übergebe Sie Ihrem guten Stern.","norm":"Ich übergebe Sie Ihrem guten Stern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2201,"orig":"Der König iſt in Ihren Händen.","norm":"Der König ist in Ihren Händen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2202,"orig":"Nützen Sie, ſo gut Sie können, dieſen Augenblick, und Sich, Sich ſelber ſchreiben Sie es zu, geht er verloren.","norm":"Nützen Sie, so gut Sie können, diesen Augenblick, und sich, sich selber schreiben Sie es zu, geht er verloren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2203,"orig":"Wohl geſprochen, Herzog.","norm":"Wohl gesprochen, Herzog."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2204,"orig":"Nützen muß man den Augenblick, der Einmal nur ſich bietet.","norm":"Nützen Muss man den Augenblick, der Einmal nur sich bietet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2205,"orig":"Warlich dieſer Höfling gibt mir eine gute Lehre — wenn auch nicht in ſeinem Sinne gut, doch in dem meinen.","norm":"Wahrlich dieser Höfling gibt mir eine gute Lehre — wenn auch nicht in seinem Sinne gut, doch in dem meinen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2206,"orig":"Wie komm’ ich aber hieher?","norm":"Wie komme ich aber hierher?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2207,"orig":"— Eigenſinn des launenhaften Zufalls wär’ es nur, was meinen Schatten zeigt in dieſen Spiegeln?","norm":"— Eigensinn des launenhaften Zufalls wäre es nur, was meinen Schatten zeigt in diesen Spiegeln?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2208,"orig":"aus einer Million gerade mich, den Unwahrſcheinlichſten, ergriff und im Gehirne dieſes Königs auferweckte?","norm":"Aus einer Million gerade mich, den unwahrscheinlichsten, ergriff und im Gehirne dieses Königs auferweckte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2209,"orig":"— Ein Zufall nur?","norm":"— Ein Zufall nur?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2210,"orig":"— Vielleicht auch mehr — Und was iſt Zufall anders, als der rohe Stein, der Leben annimmt unter Bildners Hand?","norm":"— Vielleicht auch mehr — und was ist Zufall anders, als der rohe Stein, der Leben annimmt unter Bildners Hand?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2211,"orig":"Den Zufall gibt die Vorſehung — Zum Zwecke muß ihn der Menſch geſtalten — Was der König mit mir auch wollen mag, gleich viel!","norm":"Den Zufall gibt die Vorsehung — zum Zwecke muss ihn der Mensch gestalten — was der König mit mir auch wollen mag, gleichviel!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2212,"orig":"— Ich weiß was ich — ich mit dem König ſoll — Und wär’s auch eine Feuerflocke Wahrheit nur, in des Deſpoten Seele kühn geworfen — Wie fruchtbar in der Vorſicht Hand!","norm":"— Ich weiß was ich — ich mit dem König soll — und wäre es auch eine Feuerflocke Wahrheit nur, in des Despoten Seele kühn geworfen — wie fruchtbar in der Vorsicht Hand!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2213,"orig":"— So könnte, was erſt ſo grillenhaft mir ſchien, ſehr zweckvoll und ſehr beſonnen ſein.","norm":"— So könnte, was erst so grillenhaft mir schien, sehr zweckvoll und sehr besonnen sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2214,"orig":"Sein oder nicht — Gleichviel!","norm":"Sein oder nicht — gleichviel!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2215,"orig":"In dieſem Glauben will ich handeln.","norm":"In diesem Glauben will ich handeln."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2216,"orig":"Mich ſchon geſprochen alſo?","norm":"Mich schon gesprochen also?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2217,"orig":"Nein.","norm":"Nein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2218,"orig":"Sie machten um meine Krone Sich verdient.","norm":"Sie machten um meine Krone sich verdient."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2219,"orig":"Warum entziehen Sie Sich meinem Dank?","norm":"Warum entziehen Sie Sich meinem Dank?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2220,"orig":"In meinem Gedächtniß drängen ſich der Menſchen viel.","norm":"In meinem Gedächtnis drängen sich der Menschen viel."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2221,"orig":"Weßwegen thaten Sie das nicht?","norm":"Weswegen taten Sie das nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2222,"orig":"Es ſind zween Tage, Sire, daß ich in’s Königreich zurückgekommen.","norm":"Es sind zween Tage, Sire, dass ich ins Königreich zurückgekommen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2223,"orig":"Ich bin nicht geſonnen in meiner Unterthanen Schuld zu ſtehn.","norm":"Ich bin nicht gesonnen in meiner Untertanen Schuld zu stehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2224,"orig":"Erbitten Sie Sich eine Gnade.","norm":"Erbitten Sie sich eine Gnade."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2225,"orig":"Ich genieße die Geſetze.","norm":"Ich genieße die Gesetze."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2226,"orig":"Dieſes Vorrecht hat auch der Mörder.","norm":"Dieses Vorrecht hat auch der Mörder."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2227,"orig":"Wie viel mehr alſo der gute Bürger!","norm":"Wie viel mehr also der gute Bürger!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2228,"orig":"— Sire, ich bin vergnügt.","norm":"— Sire, ich bin vergnügt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2229,"orig":"Doch das war zu erwarten — Hätte wohl der Türkſche Mond gezittert ohne dieſen?","norm":"Doch das war zu erwarten — hätte wohl der türkische Mond gezittert ohne diesen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2230,"orig":"Stolz will ich den Spanier.","norm":"Stolz will ich den Spanier."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2231,"orig":"Ich mag es gerne leiden, wenn auch der Becher überſchäumt — — Sie traten aus meinen Dienſten, hör’ ich?","norm":"Ich mag es gerne leiden, wenn auch der Becher überschäumt — — Sie traten aus meinen Diensten, höre ich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2232,"orig":"Einem Beſſern den Platz zu räumen, zog ich mich zurücke.","norm":"Einem Besseren den Platz zu räumen, zog ich mich zurücke."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2233,"orig":"Das thut mir leid.","norm":"Das tut mir leid."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2234,"orig":"Wenn ſolche Köpfe feiern, wie viel Verluſt für meinen Staat — Vielleicht befürchten Sie, die Sphäre zu verfehlen die Ihres Geiſtes würdig iſt.","norm":"Wenn solche Köpfe feiern, wie viel Verlust für meinen Staat — vielleicht befürchten Sie, die Sphäre zu verfehlen die Ihres Geistes würdig ist."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2235,"orig":"O Nein!","norm":"O Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2236,"orig":"Ich bin gewiß, daß der erfahrne Kenner, in Menſchenſeelen, ſeinem Stoff, geübt, beim erſten Blicke wird geleſen haben, was ich ihm taugen kann, was nicht.","norm":"Ich bin gewiss, dass der erfahrene Kenner, in Menschenseelen, seinem Stoff, geübt, beim ersten Blicke wird gelesen haben, was ich ihm taugen kann, was nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2237,"orig":"Ich fühle mit demuthsvoller Dankbarkeit die Gnade, die Eure königliche Majeſtät durch dieſe ſtolze Meinung auf mich häufen; doch —","norm":"Ich fühle mit demutsvoller Dankbarkeit die Gnade, die Eure königliche Majestät durch diese stolze Meinung auf mich häufen; doch —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2238,"orig":"Sie bedenken Sich?","norm":"Sie bedenken sich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2239,"orig":"Ich bin — ich muß geſtehen, Sire — ſogleich nicht vorbereitet, was ich als Bürger dieſer Welt gedacht, in Worte Ihres Unterthans zu kleiden — Denn damals, Sire, als ich auf immer mit der Krone aufgehoben, glaubt’ ich mich auch der Nothwendigkeit entbunden, ihr von dieſem Schritte Gründe anzugeben.","norm":"Ich bin — ich muss Gestehen, Sire — sogleich nicht vorbereitet, was ich als Bürger dieser Welt gedacht, in Worte Ihres Untertans zu kleiden — denn damals, Sire, als ich auf immer mit der Krone aufgehoben, glaubte ich mich Auch der Notwendigkeit entbunden, ihr Von diesem Schritte Gründe anzugeben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2240,"orig":"So ſchwach ſind dieſe Gründe?","norm":"So schwach sind diese Gründe?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2241,"orig":"Fürchten Sie dabei zu wagen?","norm":"Fürchten Sie dabei zu wagen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2242,"orig":"Wenn ich Zeit gewinne, ſie zu erſchöpfen, Sire — mein Leben höchſtens.","norm":"Wenn ich Zeit gewinne, sie zu erschöpfen, Sire — mein Leben höchstens."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2243,"orig":"Die Wahrheit aber ſetz’ ich aus, wenn Sie mir dieſe Gunſt verweigern.","norm":"Die Wahrheit aber setze ich aus, wenn Sie Mir diese Gunst verweigern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2244,"orig":"Zwiſchen Ihrer Ungnade und Geringſchätzung iſt mir die Wahl gelaſſen — Muß ich mich entſcheiden, ſo will ich ein Verbrecher lieber als ein Thor von ihren Augen gehen.","norm":"Zwischen Ihrer Ungnade und Geringschätzung ist mir die Wahl gelassen — muss ich mich entscheiden, so will ich ein Verbrecher lieber als ein Tor von Ihren Augen gehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2245,"orig":"Nun?","norm":"Nun?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2246,"orig":"Ich will den Käufer nicht betrügen, Sire — Wenn Sie mich anzuſtellen würdigen, ſo wollen Sie nur die vorgewog’ne That.","norm":"Ich will den Käufer nicht betrügen, Sire — wenn Sie Mich anzustellen würdigen, so wollen Sie nur die vorgewogene Tat."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2247,"orig":"Sie wollen nur meinen Arm und meinen Muth im Felde, nur meinen Kopf im Rathe.","norm":"Sie wollen nur meinen Arm und meinen Mut im Felde, nur meinen Kopf im Rate."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2248,"orig":"Mir aber, mir hat die Tugend eignen Werth.","norm":"Mir aber, mir hat die Tugend eigenen Wert."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2249,"orig":"Können Sie in Ihrer Schöpfung fremde Schöpfer dulden?","norm":"Können Sie in Ihrer Schöpfung fremde Schöpfer dulden?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2250,"orig":"Ich aber ſoll zum Meiſel mich erniedern, wo ich der Künſtler könnte ſein?","norm":"Ich aber soll zum Meißel mich erniedern, wo ich der Künstler könnte sein?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2251,"orig":"— — Ich liebe die Menſchheit, und in Monarchien darf ich niemand lieben als mich ſelbſt.","norm":"— — Ich liebe die Menschheit, und in Monarchien darf Ich niemand lieben als mich selbst."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2252,"orig":"Ihr Feuer iſt lobenswerth.","norm":"Ihr Feuer ist lobenswert."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2253,"orig":"Sie wollen Gutes ſtiften.","norm":"Sie wollen Gutes stiften."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2254,"orig":"Wie Sie es ſtiften, kann dem Patrioten, dem Weiſen gleich viel heißen.","norm":"Wie Sie es stiften, kann dem Patrioten, dem Weisen gleich viel heißen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2255,"orig":"Suchen Sie den Poſten aus in meinen Königreichen, der Sie berechtigt dieſem edeln Triebe genug zu thun.","norm":"Suchen Sie den Posten aus in meinen Königreichen, der Sie berechtigt diesem edlen Triebe Genug zu tun."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2256,"orig":"Ich finde keinen.","norm":"Ich finde keinen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2257,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2258,"orig":"Was Eure Majeſtät durch meine Hand verbreiten — iſt das Menſchenglück?","norm":"Was Eure Majestät durch meine Hand Verbreiten — ist das Menschenglück?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2259,"orig":"— Iſt das daſſelbe Glück, das meine reine Liebe den Menſchen gönnt?","norm":"— Ist das dasselbe Glück, das meine reine Liebe den Menschen gönnt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2260,"orig":"— — Vor dieſem würde die Majeſtät erzittern — Nein!","norm":"— — vor diesem würde die Majestät erzittern — Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2261,"orig":"Ein neues erſchuf der Krone Politik — ein Glück, das ſie noch reich genug iſt auszutheilen, und in dem Menſchenherzen neue Triebe, die ſich von dieſem Glücke ſtillen laſſen.","norm":"Ein neues Erschuf der Krone Politik — ein Glück, das sie noch reich genug ist auszuteilen, und in dem Menschenherzen neue Triebe, die sich von diesem Glücke stillen lassen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2262,"orig":"In ihren Münzen läßt ſie Wahrheit ſchlagen, die Wahrheit, die ſie dulden kann.","norm":"In ihren Münzen lässt sie Wahrheit schlagen, die Wahrheit, die sie dulden kann."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2263,"orig":"Verworfen ſind alle Stempel, die nicht dieſem gleichen.","norm":"Verworfen sind alle Stempel, die nicht diesem gleichen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2264,"orig":"So will’s der Krone Politik — denn darf die Krone wohl nach Menſchenglücke zielen?","norm":"So will es der Krone Politik — denn darf die Krone wohl nach Menschenglücke zielen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2265,"orig":"Doch was der Krone frommen kann — iſt das auch mir genug?","norm":"Doch was der Krone frommen kann — ist das Auch mir genug?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2266,"orig":"Darf meine Bruderliebe ſich zur Verkürzung meines Bruders borgen?","norm":"Darf meine Bruderliebe Sich zur Verkürzung meines Bruders borgen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2267,"orig":"Weiß ich ihn glücklich — eh’ er denken darf?","norm":"Weiß ich ihn glücklich — ehe er denken darf?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2268,"orig":"Das iſt mein Wunſch.","norm":"Das ist mein Wunsch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2269,"orig":"Mich alſo, mich wählen Sie nicht, Sire, Glückſeligkeit, die Sie uns prägen, auszuſtreun.","norm":"Mich also, mich wählen Sie nicht, Sire, Glückseligkeit, die Sie uns prägen, auszustreun."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2270,"orig":"Ich muß mich weigern dieſe Stempel auszugeben.","norm":"Ich muss mich weigern diese Stempel auszugeben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2271,"orig":"Ich kann nicht Fürſtendiener ſein.","norm":"Ich kann nicht Fürstendiener sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2272,"orig":"Ihr Glaube, Sire, iſt auch der meinige.","norm":"Ihr Glaube, Sire, ist auch der meinige."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2273,"orig":"Ich werde mißverſtanden.","norm":"Ich werde missverstanden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2274,"orig":"Das war es, was ich fürchtete.","norm":"Das war es, was ich fürchtete."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2275,"orig":"Sie ſehen von den Geheimniſſen der Majeſtät durch meine Hand den Schleier weggezogen.","norm":"Sie sehen von den Geheimnissen der Majestät durch meine Hand den Schleier weggezogen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2276,"orig":"Wer ſichert Sie, daß mir noch heilig heiße, was mich zu ſchrecken aufgehört.","norm":"Wer sichert Sie, dass mir noch heilig heiße, was mich zu schrecken aufgehört."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2277,"orig":"Ich bin gefährlich, weil ich über mich gedacht.","norm":"Ich bin gefährlich, weil ich über mich gedacht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2278,"orig":"— Ich bin es nicht, mein König.","norm":"— Ich bin es nicht, mein König."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2279,"orig":"Meine Wünſche verweſen hier.","norm":"Meine Wünsche Verwesen hier."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2280,"orig":"Die lächerliche Wuth der Neuerung, die nur der Ketten Laſt, die ſie nicht ganz zerbrechen kann, vergrößert, wird mein Blut nie erhitzen.","norm":"Die lächerliche Wut der Neuerung, die nur der Ketten Last, die sie nicht ganz zerbrechen kann, vergrößert, wird mein Blut nie erhitzen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2281,"orig":"Das Jahrhundert iſt meinem Ideal nicht reif.","norm":"Das Jahrhundert ist meinem Ideal nicht reif."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2282,"orig":"Ich lebe ein Bürger derer, welche kommen werden.","norm":"Ich lebe ein Bürger derer, welche kommen werden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2283,"orig":"Kann ein Gemählde Ihre Ruhe trüben?","norm":"Kann ein Gemälde Ihre Ruhe trüben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2284,"orig":"— Ihr Athem löſcht es aus.","norm":"— Ihr Atem löscht es aus."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2285,"orig":"Bin ich der erſte, dem Sie von dieſer Seite ſich gezeigt?","norm":"Bin ich der Erste, dem Sie von dieser Seite sich gezeigt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2286,"orig":"Von dieſer — Ja.","norm":"Von dieser — Ja."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2287,"orig":"Der Weihrauch der Schmeichelei und Unterwerfung muß doch endlich ſich erſchöpfen.","norm":"Der Weihrauch der Schmeichelei und Unterwerfung muss doch endlich sich erschöpfen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2288,"orig":"Nachzuahmen erniedrigt einen Mann von Kopf — Auch einmal die Probe von dem Gegentheil.","norm":"Nachzuahmen erniedrigt einen Mann von Kopf — auch einmal die Probe von dem Gegenteil."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2289,"orig":"Warum nicht?","norm":"Warum nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2290,"orig":"Das Überraſchende macht Glück.","norm":"Das Überraschende macht Glück."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2291,"orig":"— Wenn Sie es ſo verſtehen, gut, ſo will ich mich auf eine neue Kronbedienung richten — den ſtarken Geiſt —","norm":"— Wenn Sie es so verstehen, gut, so will ich mich auf eine neue Kronbedienung richten — den starken Geist —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2292,"orig":"Ich höre, Sire, wie klein, wie niedrig Sie von Menſchenwürde denken, daß Sie der Kühnheit nicht gewärtig ſind, daran gemahnt zu werden — ja ſogar ſelbſt in des freien Mannes Sprache nur den Kunſtgriff eines Schmeichlers ſehen, und mir däucht, ich weiß, wer Sie dazu berechtigt.","norm":"Ich höre, Sire, wie klein, wie niedrig Sie von Menschenwürde denken, dass Sie der Kühnheit nicht gewärtig sind, daran gemahnt zu werden — ja sogar Selbst in des freien Mannes Sprache nur den Kunstgriff eines Schmeichlers sehen, und mir dünkt, ich weiß, wer Sie dazu berechtigt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2293,"orig":"Die Menſchen zwangen Sie dazu; ſie haben freiwillig Ihres Adels ſich begeben, freiwillig ſich auf dieſe niedre Stufe herabgeſtellt.","norm":"Die Menschen zwangen Sie dazu; sie haben Freiwillig Ihres Adels sich begeben, freiwillig sich auf diese niedre Stufe Herabgestellt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2294,"orig":"Erſchrocken fliehen ſie vor dem Geſpenſte ihrer innern Größe, gefallen ſich in ihrer Armuth, ſchmücken mit feiger Weisheit ihre Ketten aus, und Tugend nennt man, ſie mit Anſtand tragen.","norm":"Erschrocken fliehen sie vor dem Gespenste ihrer inneren Größe, Gefallen sich in ihrer Armut, schmücken mit feiger Weisheit ihre Ketten aus, und Tugend nennt man, sie mit Anstand tragen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2295,"orig":"So überkamen Sie die Welt.","norm":"So überkamen Sie die Welt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2296,"orig":"So ward ſie Ihrem großen Vater überliefert.","norm":"So wurde sie Ihrem großen Vater überliefert."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2297,"orig":"Wie könnten Sie in dieſer traurigen Verſtümmlung — Menſchen ehren?","norm":"Wie könnten Sie in dieser traurigen Verstümmlung — Menschen ehren?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2298,"orig":"Etwas wahres find’ ich in dieſen Worten.","norm":"Etwas Wahres finde ich in diesen Worten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2299,"orig":"Aber Schade!","norm":"Aber Schade!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2300,"orig":"Da Sie den Menſchen aus des Schöpfers Hand in Ihrer Hände Werk verwandelten, und dieſer neugegoßnen Kreatur zum Gott Sich gaben — da verſahen Sie’s in etwas nur:","norm":"Da Sie den Menschen aus des Schöpfers Hand in Ihrer Hände Werk verwandelten, und dieser neugegoßenen Kreatur zum Gott sich gaben — da versahen Sie es in etwas nur:"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2301,"orig":"Sie blieben ſelbſt noch Menſch — Menſch aus des Schöpfers Hand.","norm":"Sie blieben selbst noch Mensch — Mensch aus des Schöpfers Hand."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2302,"orig":"Sie fuhren fort als Sterblicher zu leiden, zu begehren; doch geben kann die neue Pflanzung nichts.","norm":"Sie fuhren fort als Sterblicher zu leiden, zu begehren; doch geben kann die neue Pflanzung nichts."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2303,"orig":"Bereuenswerther Tauſch!","norm":"Bereuenswerter Tausche!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2304,"orig":"Unſelige Verdrehung der Natur — Da Sie den Menſchen zu Ihrem Saitenſpiel herunterſtürzten, wer theilt mit Ihnen Harmonie?","norm":"Unselige Verdrehung der Natur — da Sie den Menschen zu Ihrem Saitenspiel herunterstürzten, wer teilt mit Ihnen Harmonie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2305,"orig":"(Bei Gott, er greift in meine Seele!","norm":"(Bei Gott, er greift in meine Seele!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2306,"orig":")","norm":")"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2307,"orig":"— Aber Ihnen bedeutet dieſes Opfer nichts.","norm":"— Aber Ihnen Bedeutet dieses Opfer nichts."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2308,"orig":"Dafür ſind Sie auch einzig — Ihre eigne Gattung — Um dieſen Preis ſind Sie ein Gott — Und ſchrecklich, wenn das nicht wäre — wenn für dieſen Preis, für das zertretne Glück von Millionen, für Ihres Lebens hingewürgte Freuden, Sie nichts gewonnen hätten!","norm":"Dafür sind Sie auch einzig — Ihre eigene Gattung — um diesen Preis sind Sie ein Gott — und schrecklich, wenn das nicht wäre — wenn für diesen Preis, für das zertretene Glück von Millionen, für Ihres Lebens hingewürgte Freuden, Sie nichts gewonnen hätten!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2309,"orig":"— — — Ich bitte mich zu entlaſſen.","norm":"— — — Ich bitte mich zu entlassen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2310,"orig":"Sire.","norm":"Sire."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2311,"orig":"Mein Gegenſtand reißt mich dahin.","norm":"Mein Gegenstand reißt mich dahin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2312,"orig":"Mein Herz iſt voll — zu ſtark der Reitz, zu mächtig, vor dem Einzigen zu ſtehen, dem ich es öffnen möchte.","norm":"Mein Herz ist voll — zu stark der Reiz, zu mächtig, vor dem Einzigen zu stehen, dem ich es öffnen möchte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2313,"orig":"Reden Sie ganz aus.","norm":"Reden Sie ganz aus."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2314,"orig":"Sie haben mir noch mehr zu ſagen — weiter —","norm":"Sie haben mir noch mehr zu sagen — weiter —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2315,"orig":"Ihro Majeſtät, jüngſt kam ich an von Flandern und Brabant — So viele reiche, blühende Provinzen!","norm":"Ihre Majestät, jüngst kam ich an von Flandern und Brabant — so viele reiche, blühende Provinzen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2316,"orig":"Ein kräftiges, ein großes Volk — und auch ein gutes Volk — und Vater dieſes Volkes, das, dacht’ ich, das muß göttlich ſein!","norm":"Ein kräftiges, ein großes Volk — und auch ein gutes Volk — und Vater dieses Volkes, das, dachte ich, das muss göttlich sein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2317,"orig":"— — Da ſtieß ich auf verbrannte menſchliche Gebeine —","norm":"— — da stieß Ich auf verbrannte menschliche Gebeine —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2318,"orig":"Sie haben Recht.","norm":"Sie haben Recht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2319,"orig":"Sie müſſen.","norm":"Sie müssen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2320,"orig":"daß Menſchen nur — nicht Weſen höh’rer Art — die Weltgeſchichte ſchreiben!","norm":"dass Menschen nur — nicht Wesen höherer Art — die Weltgeschichte schreiben!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2321,"orig":"— Sanftere Jahrhunderte verdrängen Philipps Zeiten; die bringen mildre Weisheit;","norm":"— Sanftere Jahrhunderte verdrängen Philipps Zeiten; die bringen mildre Weisheit;"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2322,"orig":"Bürgerglück wird dann verſöhnt mit Fürſtengröße wandeln, der karge Staat mit ſeinen Kindern geitzen, und die Nothwendigkeit wird menſchlich ſein.","norm":"Bürgerglück wird dann versöhnt mit Fürstengröße wandeln, der karge Staat mit seinen Kindern geizen, und die Notwendigkeit wird menschlich sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2323,"orig":"Wann, glauben Sie wohl, würden dieſe ſanften Jahrhunderte erſcheinen, hätt’ ich vor dem Fluch des jetzigen gezittert?","norm":"Wann, glauben Sie wohl, würden diese sanften Jahrhunderte erscheinen, hätte ich vor dem Fluch des jetzigen gezittert?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2324,"orig":"Sehen Sie in meinem Spanien Sich um.","norm":"Sehen Sie in meinem Spanien Sich um."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2325,"orig":"Hier blüht des Bürgers Glück in nie bewölktem Frieden; und dieſe Ruhe gönn’ ich den Flamändern.","norm":"Hier blüht des Bürgers Glück in nie bewölktem Frieden; und diese Ruhe gönne ich den Flamändern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2326,"orig":"Die Ruhe eines Kirchhofs — — — Und Sie hoffen zu endigen was Sie begannen?","norm":"Die Ruhe eines Kirchhofs — — — und Sie hoffen zu endigen was Sie begannen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2327,"orig":"hoffen, der Chriſtenheit gezeitigte Verwandlung, den allgemeinen Frühling aufzuhalten, der die Geſtalt der Welt verjüngt?","norm":"hoffen, der Christenheit gezeitigte Verwandlung, den allgemeinen Frühling aufzuhalten, der die Gestalt der Welt verjüngt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2328,"orig":"Sie wollen allein in ganz Europa — Sich dem Rade des Weltverhängniſſes, das unaufhaltſam in vollem Laufe rollt, entgegen werfen?","norm":"Sie wollen allein in ganz Europa — sich dem Rade des Weltverhängnisses, das unaufhaltsam in vollem Laufe rollt, entgegenwerfen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2329,"orig":"mit Menſchenarm in ſeine Speichen fallen?","norm":"Mit Menschenarm in seine Speichen fallen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2330,"orig":"Sie werden nicht.","norm":"Sie werden nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2331,"orig":"Schon flohen Tauſende aus Ihren Ländern froh und arm.","norm":"Schon flohen Tausende aus Ihren Ländern froh und arm."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2332,"orig":"Der Bürger, den Sie verloren für den Glauben, war ihr edelſter.","norm":"Der Bürger, den Sie verloren für den Glauben, war Ihr edelster."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2333,"orig":"Mit offnen Mutterarmen empfängt die Fliehenden Eliſabeth, und furchtbar blüht durch Künſte unſres Landes Britannien.","norm":"Mit offenen Mutterarmen Empfängt die Fliehenden Elisabeth, und fruchtbar blüht durch Künste unseres Landes Britannien."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2334,"orig":"Verlaſſen von dem Fleiße der neuen Chriſten, trauert Grenada, und jauchzend ſieht Europa ſeinen Feind an ſelbſtgeſchlagnen Wunden ſich verbluten.","norm":"Verlassen von dem Fleiß der neuen Christen, trauert Grenada, und jauchzend sieht Europa seinen Feind an selbstgeschlagenen Wunden sich verbluten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2335,"orig":"Sie wollen pflanzen für die Ewigkeit, und ſäen Tod?","norm":"Sie wollen pflanzen für die Ewigkeit, und säen Tod?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2336,"orig":"Ein ſo erzwungnes Werk wird ſeines Schöpfers Geiſt nicht überdauern.","norm":"Ein so erzwungenes Werk wird seines Schöpfers Geist nicht überdauern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2337,"orig":"Dem Undank haben Sie gebaut — umſonſt den harten Kampf mit der Natur gerungen, umſonſt ein großes Leben aufgepraßt, ſo viele königliche Tugenden verweſenden Entwürfen hingeopfert.","norm":"Dem Undank haben Sie gebaut — umsonst den harten Kampf mit der Natur gerungen, umsonst ein großes Leben aufgeprasst, so viele königliche Tugenden zerstörenden Entwürfen hingeopfert."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2338,"orig":"Wer hat Sie deſſen ſo gewiß gemacht?","norm":"Wer hat Sie dessen so Gewiss gemacht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2339,"orig":"Ja, beim Allmächtigen!","norm":"Ja, beim Allmächtigen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2340,"orig":"Ja — Ja — Ich wiederhohl’ es.","norm":"Ja — Ja — Ich wiederhole es."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2341,"orig":"Geben Sie, was Sie uns nahmen, wieder.","norm":"Geben Sie, was Sie uns nahmen, wieder."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2342,"orig":"Laſſen Sie, großmüthig wie der Starke, Menſchenglück aus Ihrem Füllhorn ſtrömen — Geiſter reifen in Ihrem Weltgebäude.","norm":"Lassen Sie, großmütig wie der Starke, Menschenglück aus Ihrem Füllhorn strömen — Geister reifen in Ihrem Weltgebäude."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2343,"orig":"Geben Sie, was Sie uns nahmen, wieder.","norm":"Geben Sie, was Sie uns nahmen, wieder."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2344,"orig":"Werden Sie von Millionen Königen ein König.","norm":"Werden Sie von Millionen Königen ein König."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2345,"orig":"O könnte die Beredſamkeit von allen den Tauſenden, die dieſer großen Stunde theilhaftig ſind, auf meinen Lippen ſchweben, den Strahl, den ich in dieſen Augen merke, zur Flamme zu erheben!","norm":"O könnte die Beredsamkeit von allen den Tausenden, die dieser großen Stunde teilhaftig sind, auf meinen Lippen schweben, den Strahl, den ich in diesen Augen merke, zur Flamme zu erheben!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2346,"orig":"— Geben Sie die unnatürliche Vergött’rung auf, die uns vernichtet.","norm":"— Geben Sie Die unnatürliche Vergötterung auf, die uns vernichtet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2347,"orig":"Werden Sie uns Muſter des Ewigen und Wahren.","norm":"Werden Sie uns Muster des Ewigen und Wahren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2348,"orig":"Niemals — niemals beſaß ein Sterblicher ſo viel, ſo göttlich es zu gebrauchen.","norm":"Niemals — niemals besaß ein Sterblicher so viel, so göttlich es zu gebrauchen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2349,"orig":"Alle Könige Europens huidigen dem Span’ſchen Namen.","norm":"Alle Könige Europas huldigen dem Spanischen Namen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2350,"orig":"Gehn Sie Europens Königen voran.","norm":"Gehen Sie Europas Königen voran."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2351,"orig":"Ein Federzug von dieſer Hand, und neu erſchaffen wird die Erde.","norm":"Ein Federzug von dieser Hand, und neu Erschaffen wird die Erde."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2352,"orig":"Geben Sie Gedankenfreiheit —","norm":"Geben Sie Gedankenfreiheit —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2353,"orig":"Sonderbarer Schwärmer!","norm":"Sonderbarer Schwärmer!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2354,"orig":"Doch — ſtehn Sie auf — ich —","norm":"Doch — stehen Sie auf — ich —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2355,"orig":"Sehen Sie Sich um in ſeiner herrlichen Natur.","norm":"Sehen Sie sich um in seiner herrlichen Natur."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2356,"orig":"Auf Freiheit iſt ſie gegründet — und wie reich iſt ſie durch Freiheit!","norm":"Auf Freiheit ist sie gegründet — und wie reich ist sie durch Freiheit!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2357,"orig":"Er, der große Schöpfer, wirft in einen Tropfen Thau den Wurm, und läßt noch in den todten Räumen der Verweſung die Willkühr ſich ergetzen — Ihre Schöpfung, wie eng und arm!","norm":"Er, der große Schöpfer, wirft in einen Tropfen Tau den Wurm, und lässt noch in den toten Räumen der Verwesung die Willkür sich ergötzen — Ihre Schöpfung, wie eng und arm!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2358,"orig":"Das Rauſchen eines Blattes erſchreckt den Herrn der Chriſtenheit — Sie müſſen vor jeder Tugend zittern.","norm":"Das Rauschen eines Blattes erschreckt den Herrn der Christenheit — Sie müssen vor jeder Tugend zittern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2359,"orig":"Er — der Freiheit entzückende Erſcheinung nicht zu ſtören — Er läßt des Übels grauenvolles Heer in ſeinem Weltall lieber toben — ihn, den Künſtler, wird man nicht gewahr, beſcheiden verhüllt er ſich in ewige Geſetze; die ſieht der Freigeiſt, doch nicht Ihn.","norm":"Er — der Freiheit entzückende Erscheinung nicht zu stören — er lässt des Übels grauenvolles Heer in seinem Weltall lieber toben — ihn, den Künstler, wird man nicht gewahr, bescheiden verhüllt er sich in ewige Gesetze; die sieht der Freigeist, doch nicht ihn."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2360,"orig":"Wozu ein Gott?","norm":"Wozu ein Gott?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2361,"orig":"ſagt er; die Welt iſt ſich genug.","norm":"sagt er; die Welt ist sich genug."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2362,"orig":"Und keines Chriſten Andacht hat ihn mehr als dieſes Freigeiſts Läſterung geprieſen.","norm":"Und keines Christen Andacht hat ihn mehr Als dieses Freigeists Lästerung gepriesen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2363,"orig":"Und wollen Sie es unternehmen, dieß erhabne Muſter in der Sterblichkeit — in meinen Staaten nachzubilden?","norm":"Und wollet Sie es unternehmen, dies erhabene Muster in der Sterblichkeit — in meinen Staaten nachzubilden?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2364,"orig":"Sie, Sie können es.","norm":"Sie, Sie können es."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2365,"orig":"Wer anders?","norm":"Wer anders?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2366,"orig":"Weihen Sie dem Glück der Völker die Regentenkraft, die — ach ſo lang’ — des Thrones Größe nur gewuchert hatte — Stellen Sie der Menſchheit verlornen Adel wieder her.","norm":"Weihen Sie dem Glück der Völker die Regentenkraft, die — ach so lang — des Thrones Größe nur gewuchert hatte — Stellen Sie der Menschheit verlorenen Adel wieder her."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2367,"orig":"Der Bürger ſei wiederum, was er zuvor geweſen, der Krone Zweck — ihn binde keine Pflicht, als ſeiner Brüder gleich ehrwürd’ge Rechte.","norm":"Der Bürger Sei wiederum, was er zuvor gewesen, der Krone Zweck — ihn binde keine Pflicht, als seiner Brüder gleich ehrwürdige Rechte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2368,"orig":"Wenn nun der Menſch, ſich ſelbſt zurückgegeben, zu ſeines Werths Gefühl erwacht — der Freiheit erhabne, ſtolze Tugenden gedeihen — wenn in dem Herzen wieder ſich empört die Römerwallung, Nationenſtolz, das Vaterland in jedem Bürger prangt, dem Vaterlande jeder Bürger ſtirbt — dann, Sire, wenn Sie zum glücklichſten der Welt Ihr eignes Königreich gemacht — dann reift Ihr großer Plan — dann müſſen Sie — dann iſt es Ihre Pflicht, die Welt zu unterwerfen.","norm":"Wenn nun der Mensch, sich selbst zurückgegeben, zu seines Werts Gefühl erwacht — der Freiheit erhabene, stolze Tugenden gedeihen — wenn in dem Herzen wieder sich empört die Römerwallung, Nationenstolz, das Vaterland in jedem Bürger dann, dem Vaterlande jeder Bürger stirbt — Dann, Sire, wenn Sie zum glücklichsten der Welt Ihr eigenes Königreich gemacht — dann reift Ihr großer Plan — dann müssen sie — dann ist es Ihre Pflicht, die Welt zu unterwerfen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2369,"orig":"Ich habe Sie vollenden laſſen — — — Anders, begreif’ ich wohl, als ſonſt in Menſchenköpfen, mahlt ſich in dieſem Kopf die Welt — auch will ich fremdem Maßſtab ſie nicht unterwerfen.","norm":"Ich habe Sie reden reden — — — Anders, begreife ich wohl, als sonst in Menschenköpfen, malt sich in diesem Kopf die Welt — auch will Ich fremdem Maßstab sie nicht unterwerfen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2370,"orig":"Sie haben mich gewählt vor allen andern, in Ihrer Seele Hintergrund zu leſen — Ich glaub’ es Ihnen, weil ich’s weiß — Um dieſer Enthaltung willen, ſolche Meinungen, mit ſolchem Feuer doch umfaßt, verſchwiegen zu haben bis auf dieſen Tag — um dieſer beſcheidnen Klugheit willen, junger Mann, will ich vergeſſen, daß ich ſie erfahren, und wie ich ſie erfahren.","norm":"Sie haben mich gewählt vor allen anderen, in Ihrer Seele Hintergrund zu lesen — Ich glaube es Ihnen, weil ich es weiß — um dieser Enthaltung Willen, solche Meinungen, mit solchem Feuer doch umfasst, verschwiegen zu haben bis auf diesen Tag — um dieser bescheidenen Klugheit Willen, junger Mann, will ich vergessen, dass ich sie erfahren, und wie ich sie erfahren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2371,"orig":"Stehn Sie auf.","norm":"Stehen Sie auf."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2372,"orig":"Ich will den Jüngling, der ſich übereilte, als Greis und nicht als König widerlegen.","norm":"Ich will den Jüngling, der sich übereilte, als Greis und nicht als König widerlegen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2373,"orig":"Ich will es, weil ich’s will —","norm":"Ich will es, weil ich es will —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2374,"orig":"Gift alſo ſelbſt, find’ ich, kann in gutartigen Naturen zu etwas beſſerm ſich veredeln — — — Fliehen Sie meine Inquiſition — Es ſollte mir leid thun —","norm":"Gift also selbst, finde ich, kann in gutartigen Naturen zu etwas Besserem sich veredeln — — — flieht Sie meine Inquisition — es sollte mir leid tun —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2375,"orig":"Wirklich?","norm":"Wirklich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2376,"orig":"Sollt’ es das?","norm":"Sollte es das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2377,"orig":"Ich habe, ſolch einen Menſchen nie geſehen — — — Nein!","norm":"Ich habe, solch einen Menschen nie gesehen — — — Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2378,"orig":"Nein, Marquis.","norm":"Nein, Marquis."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2379,"orig":"Sie thun mir zu viel.","norm":"Sie tun mir zu viel."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2380,"orig":"Ich will nicht Nero ſein.","norm":"Ich will nicht Nero sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2381,"orig":"Ich will es nicht ſein — will es gegen Sie nicht ſein.","norm":"Ich will es nicht sein — will es gegen Sie nicht sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2382,"orig":"Nicht alle Glückſeligkeit ſoll unter mir verdorren.","norm":"Nicht alle Glückseligkeit soll unter mir verdorren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2383,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2384,"orig":"Alle nicht!","norm":"Alle nicht!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2385,"orig":"— Sie ſelbſt, Sie ſollen, Sich zur Beſchämung, unter meinen Augen fortfahren dürfen, Menſch zu ſein.","norm":"— Sie selbst, Sie sollet, sich zur Beschämung, unter meinen Augen Fortfahren dürfen, Mensch zu sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2386,"orig":"Und meine Mitbürger, Sire?","norm":"Und meine Mitbürger, Sire?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2387,"orig":"— O!","norm":"— O!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2388,"orig":"Nicht um mich war mir’s zu thun; nicht meine Sache wollt’ ich führen.","norm":"Nicht um mich war mir es zu tun; nicht meine Sache wollte ich führen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2389,"orig":"Und Ihre Unterthanen, Sire?","norm":"Und Ihre Untertanen, Sire?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2390,"orig":"— Und wenn Sie ſo gut wiſſen, wie die Folgezeit mich richten wird, ſo ſagen Sie ihr wieder, wie ich mit Menſchen es gehalten, als ich einen fand.","norm":"— Und wenn Sie so gut wissen, wie die Folgezeit mich richten wird, so sie Sie ihr wieder, wie ich mit Menschen es gehalten, als Ich einen fand."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2391,"orig":"O!","norm":"O!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2392,"orig":"Der gerechteſte der Könige ſei nicht mit Einemmale der ungerechteſte — In Ihrem Flandern ſind tauſend beſſere als ich.","norm":"Der gerechteste der Könige sei nicht mit einem Mal der ungerechteste — in Ihrem Flandern sind tausend Bessere als ich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2393,"orig":"Nur Sie — darf ich es frei geſtehen, großer König?","norm":"Nur Sie — darf ich es frei gestehen, großer König?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2394,"orig":"— Sie ſehn jetzt unter dieſem ſanftern Bilde vielleicht zum erſtenmal die Freiheit.","norm":"— Sie sehen jetzt unter diesem sanfteren Bilde vielleicht zum ersten Mal die Freiheit."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2395,"orig":"Nichts mehr von dieſem Inhalt, junger Mann — Ich weiß, Sie werden anders denken, kennen Sie den Menſchen erſt, wie ich — Doch hätt’ ich Sie nicht gern zum letztenmal geſehn.","norm":"Nichts mehr Von diesem Inhalt, junger Mann — Ich weiß, Sie werdet anders denken, kennen Sie den Menschen erst, wie ich — doch hätte ich Sie Nicht gern zum letzten Mal gesehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2396,"orig":"Wie fang’ich es an, Sie zu verbinden?","norm":"Wie fange es an, Sie zu verbinden?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2397,"orig":"Sagen Sie es mir.","norm":"Sagen Sie es mir."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2398,"orig":"Sire, was ich durch dieſes einz’ge Wort empfing, iſt mehr, unendlich mehr, als Ihre Kronen zu verſchenken haben — Laſſen Sie mich, wie ich bin.","norm":"Sire, was ich durch dieses einzige Wort empfing, ist mehr, unendlich mehr, als Ihre Kronen zu verschenken haben — Lassen Sie Mich, wie ich bin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2399,"orig":"Was wär’ ich Ihnen, Sire, wenn Sie auch mich beſtächen?","norm":"Was wäre ich Ihnen, Sire, wenn Sie auch mich bestächen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2400,"orig":"Dieſen Stolz ertrag’ ich nicht.","norm":"Diesen Stolz ertrage ich nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2401,"orig":"Sie ſind von heute an in meinen Dienſten — Keine Einwendung — Ich will es haben.","norm":"Sie sind von heute an in meinen Diensten — keine Einwendung — Ich will es haben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2402,"orig":"Aber wie?","norm":"Aber wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2403,"orig":"Was wollt’ ich denn?","norm":"Was wollte Ich denn?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2404,"orig":"War es nicht Wahrheit was ich wollte?","norm":"War es nicht Wahrheit was ich wollte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2405,"orig":"Und hier find’ ich noch etwas mehr — Sie haben auf meinem Thron mich ausgefunden — nicht auch in meinem Hauſe?","norm":"Und hier finde ich noch etwas mehr — Sie haben auf meinem Thron mich herausgefunden — nicht auch in meinem Hause?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2406,"orig":"Ich verſtehe Sie — doch — wär’ ich auch von allen Vätern der unglücklichſte, kann ich nicht glücklich ſein als Gatte?","norm":"Ich verstehe Sie — doch — wäre ich auch von allen Vätern der Unglücklichste, kann ich nicht glücklich sein Als Gatte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2407,"orig":"Wenn ein hoffnungsvoller Sohn, wenn der Beſitz der liebenswürdigſten Gemahlinn einem Sterblichen ein Recht zu dieſem Namen geben, Sire, ſo ſind Sie der glücklichſte durch beides.","norm":"Wenn ein hoffnungsvoller Sohn, wenn der Besitz der liebenswürdigsten Gemahlin einem Sterblichen ein Recht zu diesem Namen geben, Sire, so sind Sie der Glücklichste durch beides."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2408,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2409,"orig":"ich bin’s nicht!","norm":"ich bin es nicht!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2410,"orig":"Der Prinz denkt groß.","norm":"Der Prinz denkt groß."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2411,"orig":"Ich hab’ ihn anders nie gefunden.","norm":"Ich habe ihn anders nie gefunden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2412,"orig":"Ich aber hab’ es — — — Alſo kennen Sie einander?","norm":"Ich aber habe es — — — also kennen Sie einander?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2413,"orig":"Nein, wenn Sie auf immer meine Achtung nicht verſcherzen wollen — Was er mir genommen, kann keine Krone mir erſetzen — Eine ſo tugendhafte Königinn!","norm":"Nein, wenn Sie auf immer meine Achtung nicht verscherzen wollen — was er mir genommen, kann keine Krone mir ersetzen — eine so tugendhafte Königin!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2414,"orig":"Wer kann es wagen, Sire — —","norm":"Wer kann es wagen, Sire — —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2415,"orig":"Die Welt!","norm":"Die Welt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2416,"orig":"Die Läſterung!","norm":"Die Lästerung!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2417,"orig":"Ich ſelbſt!","norm":"Ich selbst!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2418,"orig":"— — Hier liegen Zeugniſſe, die ganz unwiderſprechlich ſie verdammen; andre ſind noch vorhanden, die das Schrecklichſte mich fürchten laſſen — Aber, Marquis — ſchwer, ſchwer fällt es mir, an Eines nur zu glauben.","norm":"— — hier liegen Zeugnisse, die ganz Unwidersprechlich sie verdammen; andere sind noch vorhanden, die das Schrecklichste Mich fürchten lassen — Aber, Marquis — schwer, schwer fällt es mir, an Eines nur zu glauben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2419,"orig":"Wer klagt ſie an?","norm":"Wer klagt sie an?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2420,"orig":"— Wenn ſie — ſie fähig ſollte geweſen ſein, ſo tief ſich zu entehren, o wie viel mehr iſt mir zu glauben dann erlaubt, daß eine Eboli verläumdet?","norm":"— Wenn sie — sie fähig sollte Gewesen sein, so tief sich zu entehren, o wie viel mehr ist mir zu glauben dann erlaubt, dass eine Eboli verleumdet?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2421,"orig":"Haßt nicht der Prieſter meinen Sohn und ſie?","norm":"Hasst nicht der Priester meinen Sohn und sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2422,"orig":"Und weiß ich nicht, daß Alba Rache brütet?","norm":"Und weiß ich nicht, dass Alba Rache brütet?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2423,"orig":"Mein Weib iſt mehr werth als ſie alle.","norm":"Mein Weib ist mehr wert als sie alle."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2424,"orig":"Sire, und etwas lebt noch in des Weibes Seele, das über allen Schein erhaben iſt und über alle Läſterung — Es heißt weibliche Tugend.","norm":"Sire, und etwas lebt noch in des Weibes Seele, das über allen Schein erhaben ist und über alle Lästerung — es heißt weibliche Tugend."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2425,"orig":"Nicht wahr?","norm":"Nicht wahr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2426,"orig":"Das ſag’ ich auch.","norm":"Das sage ich auch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2427,"orig":"So tief, als man die Königinn bezüchtigt, herabzuſinken, koſtet viel.","norm":"So tief, als man die Königin bezichtigt, herabzusinken, kostet viel."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2428,"orig":"So leicht, als man mich überreden möchte, reißen der Ehre feine Bande nicht.","norm":"So leicht, Als man mich überreden möchte, reißen der Ehre feine Bande nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2429,"orig":"Das Blut, das ſtolzer fließt in königlichen Adern, verſchmäht das Gift der lüſternen Begierde, die nur in Sklavenherzen brennt — Der Mann, der mir ſchon längſt gemangelt hat, ſind Sie, Sie oder keiner — Sie ſind gut und fröhlich, und kennen doch den Menſchen auch — Drum hab’ ich Sie gewählt —","norm":"Das Blut, das stolzer fließt in königlichen Ein, verschmäht das Gift der lüsternen Begierde, die nur in Sklavenherzen ein — der Mann, der mir Schon längst gemangelt hat, sind Sie, Sie oder keiner — Sie sind gut und fröhlich, und kennen doch den Menschen auch — darum habe Ich Sie gewählt —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2430,"orig":"Mich, Sire?","norm":"Mich, Sire?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2431,"orig":"Sie ſtanden vor Ihrem Herrn, und haben nichts für Sich erbeten — Nichts!","norm":"Sie standet vor Ihr Herrn, und haben nichts für sich Erbeten — nichts!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2432,"orig":"Das iſt mir neu — Sie werden gerecht ſein.","norm":"Das ist mir neu — Sie werdet Gerecht sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2433,"orig":"Leidenſchaft wird Ihren Blick nicht irren — Drängen Sie Sich zu dem Prinzen.","norm":"Leidenschaft wird Ihren Blick nicht irren — Dränget Sie Sich zu dem Meinem."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2434,"orig":"Erforſchen Sie die Königinn.","norm":"Erforscht Sie die Königin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2435,"orig":"Ich ſelbſt will Ihnen Vollmacht ſenden, ſie zu ſprechen.","norm":"Ich selbst will Ihnen Vollmacht senden, sie zu sprechen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2436,"orig":"Indeß ſeid Ihr mein Kammerherr — und jetzt verlaßt mich.","norm":"Und seid Ihr mein Kammerherr — und jetzt verlasst mich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2437,"orig":"Kann ich es mit Einer erfüllten Hoffnung?","norm":"Kann ich es mit Einer erfüllten Hoffnung?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2438,"orig":"— Dann iſt dieſer Tag der ſchönſte meines Lebens.","norm":"— Dann ist dieser Tag der schönste meines Lebens."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2439,"orig":"Er iſt kein verlorner in dem meinigen.","norm":"Er ist kein verlorener in dem meinigen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2440,"orig":"Und kommt bald wieder zu mir — Hört Ihr?","norm":"Und kommt bald wieder zu mir — hört Ihr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2441,"orig":"Der Maltheſer wird künftig ungemeldet vorgelaſſen.","norm":"Der Ritter wird künftig ungemeldet vorgelassen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2442,"orig":"Der Schlüſſel fand ſich alſo nicht?","norm":"Der Schlüssel fand sich also nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2443,"orig":"— So wird man die Schatulle mir erbrechen müſſen, und zwar ſogleich — — —","norm":"— So wird man die Schatulle mir erbrechen müssen, und zwar sogleich — — —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2444,"orig":"Willkommen, liebe Fürſtinn.","norm":"Willkommen, liebe Fürstin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2445,"orig":"Mich freut, Sie wieder hergeſtellt zu finden — Zwar noch ſehr blaß —","norm":"Mich freut, Sie wiederhergestellt zu finden — zwar noch sehr blass —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2446,"orig":"Die Schuld des böſen Fiebers, das ganz erſtaunlich an die Nerven greift.","norm":"Die Schuld des bösen Fiebers, das ganz erstaunlich an die Nerven greift."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2447,"orig":"Nicht wahr, Prinzeſſinn?","norm":"Nicht wahr, Prinzessin?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2448,"orig":"Sehr hab’ ich gewünſcht Sie zu beſuchen, meine Liebe — Doch ich darf ja nicht.","norm":"Sehr habe ich gewünscht Sie zu besuchen, meine Liebe — doch Ich darf ja nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2449,"orig":"Die Fürſtinn Eboli litt wenigſtens nicht Mangel an Geſellſchaft —","norm":"Die Fürstin Eboli litt wenigstens nicht Mangel an Gesellschaft —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2450,"orig":"Das glaub’ ich gern — — — Was haben Sie?","norm":"Das glaube ich gern — — — was haben Sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2451,"orig":"Sie zittern.","norm":"Sie zittern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2452,"orig":"Nichts — gar nichts, meine Königinn — — Ich bitte um die Erlaubniß wegzugehen —","norm":"Nichts — gar nichts, meine Königin — — Ich bitte um die Erlaubnis wegzugehen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2453,"orig":"Sie verhehlen uns, ſind kränker gar, als Sie uns glauben machen wollen?","norm":"Sie Verhehlen uns, sind kränker gar, als Sie Uns glauben machen wollen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2454,"orig":"— Auch das Stehn wird Ihnen ſauer.","norm":"— Auch das Stehen wird Ihnen sauer."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2455,"orig":"Helfen Sie ihr, Gräfinn, auf dieſes Tabouret ſich niederſetzen.","norm":"Helfen Sie Ihr, Gräfin, auf dieses Taburett sich niedersetzen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2456,"orig":"Im Freien wird mir beſſer.","norm":"Im Freien wird mir besser."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2457,"orig":"Folgen Sie ihr, Gräfinn — Welche Anwandlung.","norm":"Folgen Sie Ihr, Gräfin — welche Anwandlung."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2458,"orig":"Der Marquis von Poſa, Ihro Majeſtät —","norm":"Der Marquis von Posa, Ihre Majestät —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2459,"orig":"Er kommt von Seiner Majeſtät dem König.","norm":"Er kommt von seiner Majestät dem König."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2460,"orig":"Ich erwart’ ihn.","norm":"Ich erwarte ihn."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2461,"orig":"Was iſt meines Herrn Befehl?","norm":"Was ist meines Herrn Befehl?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2462,"orig":"Darf ich ihn öffentlich — —","norm":"Darf ich ihn öffentlich — —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2463,"orig":"Mein Auftrag lautet an Ihro Majeſtät beſonders —","norm":"Mein Auftrag lautet an Ihre Majestät besonders —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2464,"orig":"Soll ich meinen Augen trauen, Marquis?","norm":"Soll ich meinen Augen trauen, Marquis?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2465,"orig":"Sie?","norm":"Sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2466,"orig":"Sie an mich abgeſchickt vom König?","norm":"Sie an mich abgeschickt vom König?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2467,"orig":"Dünkt das Ihro Majeſtät ſo ſonderbar?","norm":"Dünkt das Ihre Majestät so sonderbar?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2468,"orig":"Mir ganz und gar nicht.","norm":"Mir ganz und gar nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2469,"orig":"Nun ſo iſt die Welt aus ihrer Bahn gewichen.","norm":"Nun so ist die Welt aus ihrer Bahn gewichen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2470,"orig":"Sie und Er — Ich muß geſtehen.","norm":"Sie und er — Ich muss gestehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2471,"orig":"Daß es ſeltſam klingt?","norm":"Dass es seltsam klingt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2472,"orig":"Das mag wohl ſein — Die gegenwärt’ge Zeit iſt noch an mehrern Wunderdingen fruchtbar.","norm":"Das mag wohl sein — die gegenwärtige Zeit ist noch an mehreren Wunderdingen fruchtbar."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2473,"orig":"An größern kaum.","norm":"An größeren kaum."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2474,"orig":"Geſetzt, ich hätte mich bekehren laſſen endlich — wär’ es müde, an Philipps Hof den Sonderling zu ſpielen?","norm":"Gesetzt, ich hätte mich Bekehren lassen endlich — wäre es müde, an Philipps Hof den Sonderling zu spielen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2475,"orig":"Den Sonderling!","norm":"Den Sonderling!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2476,"orig":"Was heißt auch das?","norm":"Was heißt auch das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2477,"orig":"Wer ſich den Menſchen nützlich machen will, muß doch zuerſt ſich ihnen gleich zu ſtellen ſuchen.","norm":"Wer sich den Menschen nützlich machen will, muss doch zuerst sich ihnen gleichzustellen suchen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2478,"orig":"Wozu der Sekte praleriſche Tracht?","norm":"Wozu der Sekte prahlerische Tracht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2479,"orig":"Geſetzt — Wer iſt von Eitelkeit ſo frei, um nicht für ſeinen Glauben gern zu werben?","norm":"Gesetzt — wer ist von Eitelkeit so frei, um nicht für seinen Glauben gern zu werben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2480,"orig":"— Geſetzt, ich ginge damit um, den meinen auf einen Thron zu ſetzen?","norm":"— Gesetzt, ich ginge damit um, den meinen auf einen Thron zu setzen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2481,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2482,"orig":"— Nein, Marquis.","norm":"— Nein, Marquis."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2483,"orig":"Auch nicht einmal im Scherze möcht’ ich dieſer unreifen Einbildung Sie zeihn.","norm":"Auch nicht einmal im Scherze möchte ich dieser unreifen Einbildung Sie zeihen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2484,"orig":"Sie ſind der Träumer nicht, der etwas unternähme, was nicht geendigt werden kann.","norm":"Sie sind der Träumer nicht, der etwas unternähme, was nicht geendigt werden kann."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2485,"orig":"Das eben wär’ noch die Frage, denk’ ich.","norm":"Das eben wäre noch die Frage, denke ich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2486,"orig":"Was ich höchſtens Sie zeihen könnte, Marquis — was von Ihnen mich faſt befremden könnte, wäre —","norm":"Was ich höchstens Sie zeihen könnte, Marquis — was von Ihnen Mich fast befremden könnte, wäre —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2487,"orig":"Zweideutelei.","norm":"Zweideutelei."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2488,"orig":"Kann ſein.","norm":"Kann sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2489,"orig":"Unredlichkeit zum wenigſten.","norm":"Unredlichkeit zum wenigsten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2490,"orig":"Der König wollte mir wahrſcheinlich nicht durch Sie entbieten laſſen, was Sie mir ſagen werden.","norm":"Der König wollte mir Wahrscheinlich nicht durch Sie entbieten lassen, was Sie mir sagen werden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2491,"orig":"Nein.","norm":"Nein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2492,"orig":"Und kann die gute Sache ſchlimme Mittel adeln?","norm":"Und kann die gute Sache schlimme Mittel adeln?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2493,"orig":"Kann ſich — verzeihen Sie mir dieſen Zweifel — Ihr edler Stolz zu dieſem Amte borgen?","norm":"Kann sich — verzeihen Sie mir diesen Zweifel — Ihr edler Stolz zu diesem Amte borgen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2494,"orig":"Kaum glaub’ ich es —","norm":"Kaum glaube ich es —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2495,"orig":"Auch ich nicht, wenn es hier nur gelten ſoll, den König zu betrügen.","norm":"Auch ich nicht, wenn es hier Nur gelten soll, den König zu betrügen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2496,"orig":"Doch das iſt meine Meinung nicht.","norm":"Doch das ist meine Meinung nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2497,"orig":"Ihm ſelbſt gedenk’ ich dießmal redlicher zu dienen, als er mir aufgetragen hat.","norm":"Ihm selbst gedenke ich diesmal redlicher zu dienen, als er mir aufgetragen hat."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2498,"orig":"Daran erkenn’ ich Sie; und nun genug — — — Was macht er?","norm":"Daran erkenne ich Sie; und nun genug — — — was macht er?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2499,"orig":"Der König?","norm":"Der König?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2500,"orig":"— — — Wie es ſcheint, bin ich ſehr bald an meiner ſtrengen Richterinn gerochen.","norm":"— — — wie es scheint, bin ich sehr bald an meiner strengen Richterin gerächt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2501,"orig":"Was ich ſo ſehr nicht zu erzählen eile, eilt Ihro Majeſtät, wie mir geſchienen, noch weit, weit weniger zu hören — Doch gehört muß es doch werden!","norm":"Was ich so sehr nicht zu erzählen eile, eilt Ihre Majestät, wie mir geschienen, noch weit, weit weniger zu hören — doch gehört muss es doch werden!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2502,"orig":"Der Monarch läßt Ihro Majeſtät erſuchen, dem Ambaſſadeur von Frankreich kein Gehör für heute zu bewilligen.","norm":"Der Monarch lässt Ihre Majestät ersuchen, dem Ambassadeur von Frankreich kein Gehör für heute zu bewilligen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2503,"orig":"Das war mein Auftrag.","norm":"Das war mein Auftrag."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2504,"orig":"Er iſt abgethan.","norm":"Er ist abgetan."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2505,"orig":"Und das iſt alles, Marquis, was Sie mir von ihm zu ſagen haben?","norm":"Und das ist alles, Marquis, was Sie mir von ihm zu sagen haben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2506,"orig":"Alles ohngefähr, was mich berechtigt hier zu ſein.","norm":"Alles ungefähr, was mich berechtigt hier zu sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2507,"orig":"Ich will mich gern beſcheiden, Marquis, nicht zu wiſſen, was mir vielleicht Geheimniß bleiben muß —","norm":"Ich will mich gern bescheiden, Marquis, nicht zu wissen, was mir vielleicht Geheimnis bleiben muss —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2508,"orig":"Das muß es, meine Königinn — Zwar, wären Sie nicht Sie ſelbſt, ich würde eilen, Sie von ein’gen Dingen zu belehren, vor gewiſſen Menſchen Sie zu warnen — doch das braucht es nicht bei Ihnen.","norm":"Das muss es, meine Königin — zwar, wären Sie nicht Sie selbst, ich würde eilen, Sie Von einigen Dingen zu belehren, vor Gewissen Menschen Sie zu warnen — doch das braucht es nicht bei Ihnen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2509,"orig":"Die Gefahr mag auf- und untergehen um Sie her, Sie ſollen’s nie erfahren.","norm":"Die Gefahr Mag auf- und untergehen um Sie her, Sie sollen es nie erfahren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2510,"orig":"Alles dieß iſt ja nicht ſo viel werth, den goldnen Schlaf von eines Engels Stirne zu verjagen.","norm":"Alles dies ist ja nicht so viel wert, den goldenen Schlaf von eines Engels Stirn zu verjagen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2511,"orig":"Auch war es das nicht, was mich hergeführt.","norm":"Auch war es das nicht, was mich hergeführt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2512,"orig":"Prinz Karlos —","norm":"Prinz Karlos —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2513,"orig":"Wie verließen Sie ihn?","norm":"Wie verließen Sie ihn?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2514,"orig":"— Wie den einz’gen Weiſen ſeiner Zeit, dem es Verbrechen iſt die Wahrheit anzubeten — und eben ſo beherzt für ſeine Liebe, wie jener für die ſeinige zu ſterben.","norm":"— Wie Den einzigen Weisen seiner Zeit, dem es Verbrechen ist die Wahrheit anzubeten — und eben so beherzt für seine Liebe, wie jener für die seinige zu sterben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2515,"orig":"— — Ich bringe wenig Worte — — Aber hier, hier iſt er ſelbſt.","norm":"— — Ich bringe wenig Worte — — Aber hier, hier ist er selbst."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2516,"orig":"Er muß mich ſprechen, ſagt er.","norm":"Er muss mich sprechen, sagt er."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2517,"orig":"Das ſag’ ich auch.","norm":"Das sage ich auch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2518,"orig":"Wird es ihn glücklich machen, wenn er mit ſeinen Augen ſieht, daß ich es auch nicht bin?","norm":"Wird es ihn glücklich machen, wenn er mit seinen Augen sieht, dass ich es auch nicht bin?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2519,"orig":"Nein — aber thätiger ſoll es ihn machen und entſchloßner.","norm":"Nein — aber tätiger Soll es ihn machen und entschloßener."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2520,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2521,"orig":"Der Herzog Alba iſt ernannt nach Flandern.","norm":"Der Herzog Alba ist ernannt nach Flandern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2522,"orig":"Ernannt — ſo hör’ ich.","norm":"Ernannt — so höre ich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2523,"orig":"Widerrufen kann der König nie.","norm":"Widerrufen kann der König nie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2524,"orig":"Doch eben ſo wahr iſt’s auch:","norm":"Doch eben so wahr ist es auch:"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2525,"orig":"Hier darf der Prinz nicht bleiben — hier nicht, jetzt vollends nicht — und Flandern darf nicht aufgeopfert werden.","norm":"Hier darf der Prinz nicht bleiben — hier nicht, jetzt vollends nicht — und Flandern darf nicht aufgeopfert werden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2526,"orig":"Wiſſen Sie es zu verhindern?","norm":"Wissen Sie es zu verhindern?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2527,"orig":"Ja — — vielleicht.","norm":"Ja — — vielleicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2528,"orig":"Das Mittel iſt faſt ſo ſchlimm, als die Gefahr.","norm":"Das Mittel ist fast so schlimm, als die Gefahr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2529,"orig":"Es iſt verwegen, wie Verzweiflung — Doch ich weiß von keinem andern.","norm":"Es ist verwegen, wie Verzweiflung — doch ich weiß von keinem anderen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2530,"orig":"Nennen Sie mir’s.","norm":"Nennen Sie mir es."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2531,"orig":"Ihnen, nur Ihnen, meine Königinn, wag’ ich es zu entdecken.","norm":"Ihnen, nur Ihnen, meine Königin, wage ich es zu entdecken."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2532,"orig":"Nur von Ihnen kann es Karlos hören, ohne Abſcheu hören.","norm":"Nur von Ihnen kann es Karlos hören, ohne Abscheu hören."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2533,"orig":"Der Name freilich, den es führen wird, klingt etwas rauh —","norm":"Der Name freilich, den es führen wird, klingt etwas rau —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2534,"orig":"Rebellion —","norm":"Rebellion —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2535,"orig":"Er ſoll dem König ungehorſam werden, ſoll nach Brüſſel heimlich ſich begeben, wo mit offnen Armen die Flamänder ihn erwarten.","norm":"Er soll dem König ungehorsam werden, soll nach Brüssel heimlich sich begeben, wo mit offenen Armen die Flamänder ihn Erwarten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2536,"orig":"Alle Niederlande ſtehen auf ſeine Loſung auf.","norm":"Alle Niederlande stehen auf seine Losung auf."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2537,"orig":"Die gute Sache wird ſtark durch einen Königsſohn.","norm":"Die gute Sache wird stark durch einen Königssohn."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2538,"orig":"Er mache den Span’ſchen Thron durch ſeine Waffen zittern.","norm":"Er mache den spanischen Thron durch seine Waffen zittern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2539,"orig":"Was in Madrid der Vater ihm verweigert, wird er in Brüſſel ihm bewilligen.","norm":"Was in Madrid der Vater ihm verweigert, wird er in Brüssel ihm bewilligen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2540,"orig":"Wird er?","norm":"Wird er?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2541,"orig":"Weil ich ihn heute ſprach.","norm":"Weil ich ihn heute sprach."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2542,"orig":"Der Plan, den Sie mir zeigen, erſchreckt und — reitzt mich auch zugleich.","norm":"Der Plan, den Sie mir zeigen, erschreckt und — reizt mich auch zugleich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2543,"orig":"Ich glaube, daß Sie nicht Unrecht haben — die Idee iſt kühn, und eben darum, glaub’ ich, gefällt ſie mir.","norm":"Ich glaube, dass Sie nicht Unrecht haben — die Idee ist kühn, und eben darum, glaube ich, gefällt sie mir."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2544,"orig":"Ich will ſie reifen laſſen.","norm":"Ich will sie reifen lassen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2545,"orig":"Weiß ſie der Prinz?","norm":"Weiß sie der Prinz?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2546,"orig":"Er ſollte, war mein Plan, aus Ihrem Mund zum erſtenmal ſie hören.","norm":"Er sollte, war mein Plan, aus Ihrem Mund zum ersten Mal sie hören."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2547,"orig":"Unſtreitig!","norm":"Unstreitig!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2548,"orig":"Die Idee iſt groß — Wenn anders des Prinzen Jugend —","norm":"Die Idee ist groß — wenn anders des Prinzen Jugend —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2549,"orig":"Schadet nichts.","norm":"Schadet nichts."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2550,"orig":"Er findet dort einen Egmont und Oranien, die braven Krieger Kaiſer Karls, ſo klug im Kabinet als fürchterlich im Felde.","norm":"Er findet dort einen Egmont und Oranien, die braven Krieger Kaiser Karls, so klug im Kabinett als fürchterlich im Felde."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2551,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2552,"orig":"Die Idee iſt groß und ſchön — — Der Prinz muß handeln.","norm":"Die Idee ist groß und schön — — der Prinz muss handeln."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2553,"orig":"Lebhaft fühl’ ich das.","norm":"Lebhaft fühle ich das."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2554,"orig":"Die Rolle, die man hier in Madrid ihn ſpielen ſieht, drückt mich an ſeiner Statt zu Boden — — Frankreich verſprech’ ich ihm;","norm":"Die Rolle, Die man hier in Madrid ihn spielen sieht, drückt mich an seiner statt zu Boden — — Frankreich verspreche ich ihm;"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2555,"orig":"Savoyen auch.","norm":"Savoyen auch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2556,"orig":"Ich bin ganz Ihrer Meinung, Marquis, er muß handeln.","norm":"Ich bin ganz Ihrer Meinung, Marquis, er muss handeln."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2557,"orig":"— — Doch dieſer Anſchlag fodert Geld.","norm":"— — doch dieser Anschlag fordert Geld."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2558,"orig":"Auch das liegt ſchon bereit —","norm":"Auch das liegt schon Bereit —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2559,"orig":"Und dazu weiß ich Rath.","norm":"Und dazu weiß ich Rat."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2560,"orig":"So darf ich zu der Zuſammenkunft ihm Hoffnung geben?","norm":"So darf ich zu der Zusammenkunft ihm Hoffnung geben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2561,"orig":"Wie aber?","norm":"Wie aber?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2562,"orig":"Ich will mir’s überlegen.","norm":"Ich will mir es überlegen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2563,"orig":"Karlos dringt auf Antwort, Ihro Majeſtät — Ich hab’ ihm zugeſagt, nicht leer zurückzukehren.","norm":"Karlos dringt auf Antwort, Ihre Majestät — Ich habe ihm zugesagt, nicht leer zurückzukehren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2564,"orig":"Zwo Zeilen ſind für jetzt genug — um ſeine Erwartungen zu ſpannen —","norm":"Zwei Zeilen sind für jetzt genug — um seine Erwartungen zu spannen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2565,"orig":"Werd’ ich Sie bald wieder ſehn?","norm":"Werde ich Sie bald wiedersehen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2566,"orig":"So oft Sie es befehlen.","norm":"So oft Sie es befehlen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2567,"orig":"So oft — ſo oft ich es befehle — — Marquis!","norm":"So oft — so oft ich es befehle — — Marquis!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2568,"orig":"wie muß ich dieſe Freiheit mir erklären?","norm":"Wie muss ich diese Freiheit mir erklären?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2569,"orig":"So unſchuldig, als Sie immer können.","norm":"So unschuldig, als Sie immer können."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2570,"orig":"Wir genießen ſie; das iſt genug — das iſt für meine Königinn genug.","norm":"Wir Genießen sie; das ist genug — das ist für meine Königin genug."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2571,"orig":"Wie ſollt’ es mich freuen, Marquis, wenn der Freiheit endlich noch dieſe Zuflucht in Europa bliebe!","norm":"Wie sollte es Mich freuen, Marquis, wenn der Freiheit endlich noch diese Zuflucht in Europa bliebe!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2572,"orig":"wenn ſie durch ihn es bliebe!","norm":"Wenn sie durch ihn es bliebe!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2573,"orig":"— Rechnen Sie auf meinen ſtillen Antheil —","norm":"— Rechnen Sie auf meinen stillen Anteil —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2574,"orig":"O ich wußt’ es, ich mußte hier verſtanden werden —","norm":"O ich wusste es, Ich musste hier verstanden werden —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2575,"orig":"Was von meinem Herrn dem König kommt, werd’ ich als ein Geſetz verehren.","norm":"Was Von meinem Herrn dem König kommt, werde ich als ein Gesetz verehren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2576,"orig":"Legen Sie Seiner Majeſtät den ehrerbietigſten Gehorſam ſeiner Dienerinn zu Füßen.","norm":"Legen Sie seiner Majestät den ehrerbietigsten Gehorsam seiner Dienerin zu Füßen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2577,"orig":"Was haben Sie mir zu entdecken?","norm":"Was haben Sie Mir zu entdecken?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2578,"orig":"Eure Hoheit hatten an dieſem Hofe einen Freund.","norm":"Eure Hoheit hatten an diesem Hofe einen Freund."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2579,"orig":"Den ich nicht wüßte!","norm":"Den ich nicht wüsste!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2580,"orig":"— Wie?","norm":"— Wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2581,"orig":"Was wollen Sie damit?","norm":"Was wollen Sie damit?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2582,"orig":"So muß ich um Vergebung bitten, daß ich mehr erfuhr, als ich erfahren durfte.","norm":"So muss ich um Vergebung bitten, dass Ich mehr erfuhr, als ich erfahren durfte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2583,"orig":"Doch, Eurer Hoheit zur Beruhigung, ich hab’ es wenigſtens von treuer Hand, denn kurz, ich hab’ es von mir ſelbſt.","norm":"Doch, Eurer Hoheit zur Beruhigung, Ich habe es wenigstens von treuer Hand, denn kurz, ich habe es von mir selbst."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2584,"orig":"Von wem iſt denn die Rede?","norm":"Von wem ist denn die Rede?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2585,"orig":"Marquis Poſa —","norm":"Marquis Posa —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2586,"orig":"Nun?","norm":"Nun?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2587,"orig":"Wenn etwa mehr als jemand wiſſen darf von Eurer Hoheit ihm bewußt ſein ſollte, wie ich beinahe fürchte —","norm":"Wenn etwa mehr als jemand wissen darf von Eurer Hoheit ihm bewusst sein sollte, wie ich beinahe fürchte —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2588,"orig":"Wie Sie fürchten?","norm":"Wie Sie fürchten?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2589,"orig":"— — — Er war beim König.","norm":"— — — er war beim König."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2590,"orig":"So?","norm":"So?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2591,"orig":"Zwo volle Stunden, und in ſehr heimlichem Geſpräch.","norm":"Zwei volle Stunden, und in sehr heimlichem Gespräch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2592,"orig":"Wahrhaftig?","norm":"Wahrhaftig?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2593,"orig":"Es war von keiner Kleinigkeit die Rede.","norm":"Es war von keiner Kleinigkeit die Rede."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2594,"orig":"Das will ich glauben.","norm":"Das will ich glauben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2595,"orig":"Ihren Namen, Prinz, hört’ ich zu öftern malen.","norm":"Ihren Namen, Prinz, hörte ich zu Öfteren Malen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2596,"orig":"Hoffentlich kein ſchlimmes Zeichen.","norm":"Hoffentlich kein schlimmes Zeichen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2597,"orig":"Auch ward heute Morgen im Schlafgemach von Seiner Majeſtät der Königinn ſehr räthſelhaft erwähnt.","norm":"Auch wurde heute Morgen im Schlafgemach von seiner Majestät der Königin sehr rätselhaft erwähnt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2598,"orig":"Graf Lerma?","norm":"Graf Lerma?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2599,"orig":"Als der Marquis weggegangen, empfing ich den Befehl, ihn künftighin unangemeldet vorzulaſſen.","norm":"Als der Marquis weggegangen, empfing ich den Befehl, ihn künftighin Unangemeldet vorzulassen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2600,"orig":"Das iſt wirklich viel.","norm":"Das ist wirklich viel."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2601,"orig":"Ganz ohne Beiſpiel, Prinz, ſo lang mir dünkt, daß ich dem König diene.","norm":"Ganz ohne Beispiel, Prinz, solang mir dünkt, dass ich dem König diene."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2602,"orig":"Viel!","norm":"Viel!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2603,"orig":"Warlich viel!","norm":"Wahrlich viel!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2604,"orig":"— Und wie?","norm":"— Und wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2605,"orig":"wie ſagten Sie, wie ward der Königinn erwähnt?","norm":"wie sagten Sie, wie wurde der Königin erwähnt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2606,"orig":"Nein Prinz, nein!","norm":"Nein Prinz, Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2607,"orig":"Das iſt wider meine Pflicht.","norm":"Das ist wider meine Pflicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2608,"orig":"Wie ſeltſam!","norm":"Wie seltsam!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2609,"orig":"Sie ſagen mir das eine, und verhehlen das andre mir.","norm":"Sie sagen mir das eine, und verhehlen das andere mir."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2610,"orig":"Das erſte war ich Ihnen, das zweite bin ich dem Monarchen ſchuldig.","norm":"Das erste war ich Ihnen, das zweite bin ich dem Monarchen schuldig."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2611,"orig":"— Sie haben Recht.","norm":"— Sie haben Recht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2612,"orig":"Den Marquis hab’ ich zwar als Mann von Ehre ſtets gekannt.","norm":"Den Marquis habe ich zwar als Mann von Ehre stets gekannt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2613,"orig":"Dann haben Sie ihn ſehr gut gekannt.","norm":"Dann haben Sie ihn sehr gut gekannt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2614,"orig":"Jedwede Tugend iſt fleckenfrei — bis auf den Augenblick der Probe.","norm":"Jedwede Tugend ist fleckenfrei — bis auf den Augenblick der Probe."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2615,"orig":"Auch wohl hier und da noch drüber.","norm":"Auch wohl hier und da noch drüber."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2616,"orig":"Und eines großen Königs Gunſt dünkt mir der Frage werth.","norm":"Und eines großen Königs Gunst dünkt mir der Frage wert."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2617,"orig":"An dieſem goldnen Angel hat manche ſtarke Tugend ſich verblutet.","norm":"An diesem goldenen Angel hat manche starke Tugend sich verblutet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2618,"orig":"O ja.","norm":"O ja."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2619,"orig":"Oft ſogar iſt es weiſe, zu entdecken, was nicht verſchwiegen bleiben kann.","norm":"Oft sogar ist es weise, zu entdecken, was nicht verschwiegen bleiben kann."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2620,"orig":"Ja!","norm":"Ja!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2621,"orig":"weiſe!","norm":"weise!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2622,"orig":"Doch, wie Sie ſagen, haben Sie den Marquis als Mann von Ehre nur gekannt?","norm":"Doch, wie Sie sagen, haben Sie den Marquis als Mann von Ehre nur gekannt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2623,"orig":"Iſt er es noch, ſo macht mein Zweifel ihn nicht ſchlechter, und Sie, mein Prinz, gewinnen doppelt.","norm":"Ist er es noch, so macht mein Zweifel ihn nicht schlechter, und Sie, mein Prinz, gewinnen doppelt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2624,"orig":"Dreifach gewinn’ ich, edler, würd’ger Mann — ich ſehe um einen Freund mich reicher, und es koſtet mir den nicht, den ich ſchon beſaß.","norm":"Dreifach gewinne ich, edler, würdiger Mann — ich sehe um einen Freund mich reicher, und es kostet mir den nicht, den ich schon besaß."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2625,"orig":"Karl!","norm":"Karl!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2626,"orig":"Karl!","norm":"Karl!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2627,"orig":"Eben recht.","norm":"Eben recht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2628,"orig":"Ich eile voraus in’s Kloſter.","norm":"Ich eile Voraus ins Kloster."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2629,"orig":"Komm bald nach.","norm":"Komme bald nach."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2630,"orig":"Nur zwo Minuten — bleib.","norm":"Nur zwei Minuten — bleibe."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2631,"orig":"Wenn man uns überfiele —","norm":"Wenn man uns überfiele —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2632,"orig":"Man wird doch nicht.","norm":"Man wird doch nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2633,"orig":"Es iſt ſogleich geſchehen.","norm":"Es ist sogleich geschehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2634,"orig":"Die Königinn —","norm":"Die Königin —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2635,"orig":"Du warſt bei meinem Vater?","norm":"Du warst bei meinem Vater?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2636,"orig":"Er ließ mich rufen; ja.","norm":"Er ließ mich rufen; ja."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2637,"orig":"Nun?","norm":"Nun?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2638,"orig":"Es iſt richtig.","norm":"Es ist richtig."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2639,"orig":"Du wirſt ſie ſprechen.","norm":"Du wirst sie sprechen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2640,"orig":"Und der König?","norm":"Und der König?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2641,"orig":"Was will denn der König?","norm":"Was Will denn der König?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2642,"orig":"Der?","norm":"Der?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2643,"orig":"Nicht viel — Neugierde, zu wiſſen wer ich bin — Dienſtfertigkeit von unbeſtellten guten Freunden.","norm":"Nicht viel — Neugierde, zu wissen wer ich bin — Dienstfertigkeit von unbestellten guten Freunden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2644,"orig":"Was weiß ich?","norm":"Was Weiß ich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2645,"orig":"Er bot mir Dienſte an.","norm":"Er bot mir Dienste an."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2646,"orig":"Die Du doch abgelehnt?","norm":"Die Du doch abgelehnt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2647,"orig":"Verſteht ſich.","norm":"Versteht sich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2648,"orig":"Und wie kamt Ihr aus einander?","norm":"Und wie kamt Ihr auseinander?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2649,"orig":"Ziemlich gut.","norm":"Ziemlich gut."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2650,"orig":"Von mir war alſo wohl die Rede nicht?","norm":"Von mir war also wohl die Rede nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2651,"orig":"Von Dir?","norm":"Von Dir?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2652,"orig":"Doch Ja.","norm":"Doch Ja."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2653,"orig":"Im Allgemeinen.","norm":"Im Allgemeinen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2654,"orig":"Hier vorläufig zwei Worte von der Königinn, und morgen werd’ ich erfahren, wo und wie —","norm":"Hier vorläufig Zwei Worte von der Königin, und morgen werde ich erfahren, wo und wie —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2655,"orig":"Beim Prior triffſt Du mich alſo.","norm":"Beim Prior triffst Du mich also."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2656,"orig":"Warte doch.","norm":"Warte doch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2657,"orig":"Was eilſt Du?","norm":"Was eilst Du?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2658,"orig":"Es kommt ja niemand.","norm":"Es kommt ja niemand."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2659,"orig":"Haben wir denn wirklich die Rollen umgetauſcht?","norm":"Haben wir denn wirklich die Rollen umgetauscht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2660,"orig":"Du biſt ja heute erſtaunlich ſicher.","norm":"Du bist ja heute erstaunlich sicher."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2661,"orig":"Heute?","norm":"Heute?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2662,"orig":"Warum heute?","norm":"Warum heute?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2663,"orig":"Und was ſchreibt mir die Königinn?","norm":"Und was schreibt mir die Königin?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2664,"orig":"Haſt Du denn nicht im Augenblick geleſen?","norm":"Hast Du denn nicht im Augenblick gelesen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2665,"orig":"Ich?","norm":"Ich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2666,"orig":"Ja ſo.","norm":"Ja so."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2667,"orig":"Was haſt Du denn?","norm":"Was hast Du denn?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2668,"orig":"Was iſt Dir?","norm":"Was ist Dir?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2669,"orig":"Engel des Himmels!","norm":"Engel des Himmels!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2670,"orig":"Ja!","norm":"Ja!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2671,"orig":"Ich will es ſein — ich will — will deiner werth ſein — Große Seelen macht die Liebe größer.","norm":"Ich will es sein — ich will — will deiner wert sein — große Seelen macht die Liebe größer."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2672,"orig":"Sei’s auch was es ſei.","norm":"Sei es auch was es sei."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2673,"orig":"Wenn Du es mir gebieteſt, ich gehorche.","norm":"Wenn Du es mir gebietest, ich gehorche."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2674,"orig":"— — Sie ſchreibt, daß ich auf eine wichtige Entſchließung mich bereiten ſoll.","norm":"— — Sie schreibt, dass ich auf eine wichtige Entschließung mich bereiten soll."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2675,"orig":"Was kann ſie damit meinen?","norm":"Was kann sie damit meinen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2676,"orig":"Weißt Du nicht?","norm":"Weißt Du nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2677,"orig":"Wenn ich’s auch wüßte, Karl — Biſt Du jetzt auch geſtimmt es anzuhören?","norm":"Wenn ich es Auch wüsste, Karl — bist Du jetzt auch gestimmt es anzuhören?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2678,"orig":"Hab’ ich Dich beleidigt?","norm":"Habe ich Dich beleidigt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2679,"orig":"Ich war zerſtreut.","norm":"Ich war zerstreut."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2680,"orig":"Vergib mir, Rodrigo.","norm":"Vergib mir, Rodrigo."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2681,"orig":"Zerſtreut?","norm":"Zerstreut?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2682,"orig":"Wodurch?","norm":"Wodurch?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2683,"orig":"Durch — ich weiß ſelber nicht.","norm":"Durch — ich weiß selber nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2684,"orig":"Dieß Souvenir iſt alſo mein?","norm":"Dies Souvenir ist also mein?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2685,"orig":"Nicht ganz.","norm":"Nicht ganz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2686,"orig":"Vielmehr bin ich gekommen, mir ſogar Deins auszubitten.","norm":"Vielmehr bin ich gekommen, mir sogar Deins auszubitten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2687,"orig":"Meins!","norm":"Meins!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2688,"orig":"Wozu?","norm":"Wozu?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2689,"orig":"Und was Du etwa ſonſt an Kleinigkeiten, die in keines Dritten Hände fallen dürfen, an Briefen oder abgeriſſenen Concepten bei Dir führſt — kurz Deine ganze Brieftaſche —","norm":"Und was Du etwa sonst an Kleinigkeiten, die in keines Dritten Hände fallen dürfen, an Briefen oder abgerissenen Konzepten bei Dir führst — kurz Deine ganze Brieftasche —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2690,"orig":"Wozu aber?","norm":"Wozu aber?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2691,"orig":"Nur auf alle Fälle.","norm":"Nur auf alle Fälle."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2692,"orig":"Wer kann für Überraſchung ſtehn?","norm":"Wer kann für Überraschung stehen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2693,"orig":"Bei mir ſucht ſie doch niemand.","norm":"Bei mir Sucht sie doch niemand."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2694,"orig":"Gib.","norm":"Gib."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2695,"orig":"Das iſt doch ſeltſam.","norm":"Das ist doch seltsam."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2696,"orig":"Woher auf einmal dieſe — —","norm":"Woher auf einmal diese — —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2697,"orig":"Sei ganz ruhig.","norm":"Sei ganz ruhig."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2698,"orig":"Ich will nichts damit angedeutet haben.","norm":"Ich will nichts damit angedeutet haben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2699,"orig":"Gewißlich nicht.","norm":"Gewisslich nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2700,"orig":"Es iſt Behutſamkeit vor der Gefahr.","norm":"Es ist Behutsamkeit vor der Gefahr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2701,"orig":"So hab’ ich’s nicht gemeint, ſo warlich nicht, daß Du erſchrecken ſollteſt.","norm":"So habe ich es nicht gemeint, so wahrlich nicht, dass Du erschrecken solltest."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2702,"orig":"Verwahr’ ſie gut.","norm":"Verwahre sie gut."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2703,"orig":"Das werd’ ich.","norm":"Das werde ich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2704,"orig":"Rodrigo, ich gab Dir viel.","norm":"Rodrigo, Ich gab Dir viel."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2705,"orig":"Noch immer nicht ſo viel, als ich von Dir ſchon habe — — — Dort alſo das übrige, und jetzt leb wohl — — — leb wohl.","norm":"Noch immer nicht so viel, als ich von Dir schon habe — — — dort also das übrige, und jetzt lebe wohl — — — lebe wohl."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2706,"orig":"Gib mir die Briefe doch noch einmal.","norm":"Gib mir die Briefe doch noch einmal."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2707,"orig":"Einer von ihr iſt auch darunter, den ſie damals als ich ſo tödtlich krank gelegen, nach Alkala mir geſchrieben.","norm":"Einer Von ihr ist auch darunter, den sie damals Als ich so tödlich krankgelegen, nach Alkala mir geschrieben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2708,"orig":"Stets hab’ ich auf meinem Herzen ihn getragen.","norm":"Stets habe ich auf meinem Herzen ihn getragen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2709,"orig":"Mich von dieſem Brief zu trennen fällt mir ſchwer.","norm":"Mich Von diesem Brief zu trennen fällt mir schwer."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2710,"orig":"Laß mir den Brief — — nur den — — das übrige nimm alles.","norm":"Lass mir den Brief — — nur den — — das Übrige nimm alles."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2711,"orig":"Karl, ich thu’ es ungern.","norm":"Karl, ich tue es ungern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2712,"orig":"Juſt um dieſen Brief war mir’s zu thun.","norm":"Just um diesen Brief war mir es zu tun."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2713,"orig":"Leb wohl.","norm":"Lebe wohl."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2714,"orig":"Da haſt Du ihn.","norm":"Da hast Du ihn."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2715,"orig":"Das kann mein Vater nicht?","norm":"Das kann mein Vater nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2716,"orig":"Nicht wahr, mein Rodrigo?","norm":"Nicht wahr, mein Rodrigo?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2717,"orig":"Das kann er doch nicht?","norm":"Das kann er doch nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2718,"orig":"Wär’s möglich?","norm":"Wäre es möglich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2719,"orig":"Wär’ es?","norm":"Wäre es?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2720,"orig":"Alſo hätt’ ich ihn doch nicht gekannt?","norm":"Also hätte ich ihn Doch nicht gekannt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2721,"orig":"Nicht ganz?","norm":"Nicht ganz?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2722,"orig":"In ſeinem Herzen wär’ dieſe Falte wirklich mir entgangen?","norm":"In seinem Herzen wäre diese Falte wirklich mir entgangen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2723,"orig":"Es iſt Läſterung!","norm":"Es ist Lästerung!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2724,"orig":"— Was that er mir, daß ich der Schwächen ſchwächſter ihn verklage?","norm":"— Was tat er mir, dass ich der Schwächen schwächster ihn verklage?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2725,"orig":"Was ich ihn zeihe, werd’ ich ſelbſt — — — Befremden — das mag es ihn, das glaub’ ich gern.","norm":"Was ich ihn zeihe, werde ich selbst — — — Befremden — das mag es ihn, das glaube ich gern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2726,"orig":"Wann hätte er dieſer ſeltſamen Verſchloſſenheit zu ſeinem Freunde ſich verſehn?","norm":"Wann hätte er dieser seltsamen Verschlossenheit zu seinem Freunde sich versehen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2727,"orig":"— Auch ſchmerzen!","norm":"— Auch schmerzen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2728,"orig":"Ich kann dir’s nicht erſparen, Karl, und länger muß ich noch deine gute Seele quälen.","norm":"Ich kann dir es nicht ersparen, Karl, und länger muss ich noch deine gute Seele quälen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2729,"orig":"Der König glaubte dem Gefäß, dem er ſein heiliges Geheimniß übergeben, und Glauben fodert Dankbarkeit.","norm":"Der König glaubte dem Gefäß, dem er Sein heiliges Geheimnis übergeben, und Glauben fordert Dankbarkeit."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2730,"orig":"Was wäre Geſchwätzigkeit, wenn mein Verſtummen dir nicht Leiden bringt?","norm":"Was wäre Geschwätzigkeit, wenn mein Verstummen dir nicht Leiden bringt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2731,"orig":"Vielleicht erſpart?","norm":"Vielleicht erspart?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2732,"orig":"Warum dem Schlafenden die Wetterwolke zeigen, die über ſeinem Scheitel hängt?","norm":"Warum dem Schlafenden die Wetterwolke zeigen, die über seinem Scheitel hängt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2733,"orig":"— Genug, daß ich ſie ſtill an dir vorüber führe und, wenn du aufwach’ſt, heller Himmel iſt.","norm":"— Genug, dass ich sie still an dir vorüberführe und, wenn du aufwachst, heller Himmel ist."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2734,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2735,"orig":"Es iſt dennoch meine Tochter — Wie kann die Natur mit ſolcher Wahrheit lügen?","norm":"Es ist dennoch meine Tochter — wie kann die Natur mit solcher Wahrheit lügen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2736,"orig":"Dieß blaue Auge iſt ja mein!","norm":"Dies blaue Auge ist ja mein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2737,"orig":"Find’ ich in jedem dieſer Züge mich nicht wieder?","norm":"Finde ich in jedem dieser Züge mich nicht wieder?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2738,"orig":"Kind meiner Liebe, ja Du biſt’s.","norm":"Kind meiner Liebe, ja Du bist es."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2739,"orig":"Ich drücke Dich an mein Herz — Du biſt mein Blut.","norm":"Ich drücke Dich an mein Herz — Du bist mein Blut."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2740,"orig":"Mein Blut!","norm":"Mein Blut!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2741,"orig":"Was kann ich ſchlimm’res fürchten?","norm":"Was kann ich Schlimmeres fürchten?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2742,"orig":"— — Meine Züge, ſind ſie die ſeinigen nicht auch?","norm":"— — Meine Züge, sind sie die seinigen nicht auch?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2743,"orig":"Weg!","norm":"Weg!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2744,"orig":"Weg!","norm":"Weg!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2745,"orig":"In dieſem Abgrund geh’ ich unter.","norm":"In diesem Abgrund gehe ich unter."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2746,"orig":"Eben ſind Ihro Majeſtät die Königinn im Vorgemach erſchienen.","norm":"Eben sind Ihre Majestät die Königin im Vorgemach erschienen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2747,"orig":"Jetzt?","norm":"Jetzt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2748,"orig":"Und bitten um gnädigſtes Gehör —","norm":"Und bitten um gnädigstes Gehör —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2749,"orig":"Jetzt aber?","norm":"Jetzt aber?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2750,"orig":"Jetzt?","norm":"Jetzt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2751,"orig":"In dieſer ungewohnten Stunde?","norm":"In dieser ungewohnten Stunde?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2752,"orig":"— Nein!","norm":"— Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2753,"orig":"Jetzt kann ich ſie nicht ſprechen — jetzt nicht —","norm":"Jetzt kann ich sie nicht sprechen — jetzt nicht —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2754,"orig":"Hier ſind Ihro Majeſtät ſchon ſelbſt —","norm":"Hier sind Ihre Majestät schon selbst —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2755,"orig":"Mein Herr und mein Gemahl — ich muß — ich bin gezwungen, vor Ihrem Thron Gerechtigkeit zu ſuchen.","norm":"Mein Herr und mein Gemahl — ich muss — ich bin gezwungen, vor Ihrem Thron Gerechtigkeit zu suchen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2756,"orig":"Gerechtigkeit —","norm":"Gerechtigkeit —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2757,"orig":"Unwürdig ſeh’ ich mir an dieſem Hof begegnet.","norm":"Unwürdig sehe ich mir an diesem Hof begegnet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2758,"orig":"Meine Schatulle iſt erbrochen —","norm":"Meine Schatulle ist erbrochen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2759,"orig":"Was?","norm":"Was?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2760,"orig":"Und Sachen von großem Werth für mich daraus verſchwunden —","norm":"Und Sachen von großem Wert für mich daraus verschwunden —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2761,"orig":"Von großem Werth für Sie —","norm":"Von großem Wert für Sie —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2762,"orig":"Durch die Bedeutung, die eines Unbelehrten Dreiſtigkeit vermögend wäre —","norm":"Durch die Bedeutung, die eines Unbelehrten Dreistigkeit vermögend wäre —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2763,"orig":"Dreiſtigkeit — Bedeutung — Doch — ſtehn Sie auf.","norm":"Dreistigkeit — Bedeutung — doch — stehen Sie auf."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2764,"orig":"Nicht eher, mein Gemahl, bis Sie durch ein Verſprechen Sich gebunden, kraft Ihres königlichen Arms zu meiner Genugthuung den Thäter mir zu ſtellen, wo nicht, mich eines Hofs zu überheben, der meinen Dieb verbirgt —","norm":"Nicht eher, mein Gemahl, bis Sie durch ein Versprechen sich gebunden, Kraft Ihres königlichen Arms zu meiner Genugtuung den Täter mir zu stellen, wo nicht, mich eines Hofs zu überheben, der meinen Dieb verbirgt —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2765,"orig":"Stehn Sie doch auf — In dieſer Stellung — Stehn Sie auf —","norm":"Stehen Sie doch auf — in dieser Stellung — Stehen Sie auf —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2766,"orig":"Daß er von Range ſein muß, weiß ich — denn in der Schatulle lag an Perlen und Demanten weit über eine Million, und er begnügte ſich mit Briefen —","norm":"Dass er von Range sein muss, weiß ich — denn in der Schatulle lag an Perlen und Demanten weit über eine Million, und er begnügte sich mit Briefen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2767,"orig":"Die ich doch —","norm":"Die ich doch —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2768,"orig":"Recht gerne, mein Gemahl.","norm":"Recht gerne, mein Gemahl."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2769,"orig":"Es waren Briefe und ein Medaillon von dem Infanten.","norm":"Es waren Briefe und ein Medaillon von dem Infanten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2770,"orig":"Von —","norm":"Von —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2771,"orig":"Dem Infanten, Ihrem Sohn.","norm":"Dem Infanten, Ihrem Sohn."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2772,"orig":"An Sie?","norm":"An Sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2773,"orig":"An mich.","norm":"An mich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2774,"orig":"Von dem Infanten!","norm":"Von dem Infanten!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2775,"orig":"Und das ſagen Sie mir?","norm":"Und das sagen Sie mir?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2776,"orig":"Warum nicht Ihnen, mein Gemahl?","norm":"Warum nicht Ihnen, mein Gemahl?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2777,"orig":"Mit dieſer Stirne!","norm":"Mit dieser Stirn!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2778,"orig":"Was fällt Ihnen auf?","norm":"Was fällt Ihnen auf?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2779,"orig":"Ich denke Sie erinnern Sich der Briefe, die mit Bewilligung von beiden Kronen Dom Karlos mir nach Saint Germain geſchrieben.","norm":"Ich denke Sie erinnern sich der Briefe, die mit Bewilligung von beiden Kronen Don Carlos mir nach Saint-Germain geschrieben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2780,"orig":"Ob auch das Bild, womit er ſie begleitet, in dieſe Freiheit einbedungen worden?","norm":"Ob auch das Bild, womit er sie begleitet, in diese Freiheit einbedungen worden?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2781,"orig":"ob ſeine raſche Hoffnung eigenmächtig ſich dieſen kühnen Schritt erlaubt — das will ich zu entſcheiden mich nicht unterfangen, Wenn’s Übereilung war, ſo war es die verzeihlichſte — da bin ich für ihn Bürge!","norm":"ob seine rasche Hoffnung eigenmächtig sich diesen kühnen Schritt erlaubt — das will Ich zu entscheiden mich nicht unterfangen, wenn es Übereilung war, so war es die Verzeihlichste — da bin ich für ihn Bürge!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2782,"orig":"denn damals fiel ihm wohl nicht bei, daß es für ſeine Mutter wäre.","norm":"Denn damals fiel ihm wohl nicht bei, dass es für seine Mutter wäre."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2783,"orig":"Recht behält die Schlange — O das wußt’ ich wohl.","norm":"Recht behält die Schlange — O das wusste ich wohl."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2784,"orig":"Was iſt das?","norm":"Was ist das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2785,"orig":"Was haben Sie?","norm":"Was haben Sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2786,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2787,"orig":"Wie ſchön —","norm":"Wie schön —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2788,"orig":"Was denn, mein —","norm":"Was denn, mein —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2789,"orig":"Warlich, Sire!","norm":"Wahrlich, Sire!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2790,"orig":"Dieß Mittel, ſeiner Gattinn Herz zu prüfen, dünkt mir ſehr königlich und edel — Doch noch eine Frage möcht’ ich mir erlauben.","norm":"Dies Mittel, seiner Gattin Herz zu prüfen, dünkt mir sehr königlich und edel — doch noch eine Frage möchte ich mir erlauben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2791,"orig":"Das Fragen iſt an Mir.","norm":"Das Fragen ist an Mir."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2792,"orig":"Durch meinen Argwohn ſoll doch die Unſchuld wenigſtens nicht leiden — Wenn alſo dieſer Diebſtahl Ihr Befehl geweſen —","norm":"Durch meinen Argwohn Soll doch die Unschuld wenigstens nicht leiden — wenn also dieser Diebstahl Ihr Befehl gewesen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2793,"orig":"Ja.","norm":"Ja."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2794,"orig":"Dann hab’ ich niemand anzuklagen und niemand weiter zu bedauern — niemand als Sie, dem die Gemahlinn nicht geworden, bei welcher ſolche Mittel ſich verlohnen.","norm":"Dann habe ich niemand anzuklagen und niemand weiter zu bedauern — niemand Als Sie, dem die Gemahlin nicht geworden, bei welcher solche Mittel sich verlohnen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2795,"orig":"Die Sprache kenn’ ich — Doch, Madam, zum zweitenmale ſoll ſie mich nicht täuſchen, wie in Aranjuez ſie mich getäuſcht.","norm":"Die Sprache kenne ich — Doch, Madam, zum zweiten Male soll sie mich nicht täuschen, wie in Aranjuez sie mich getäuscht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2796,"orig":"Die engelreine Königinn, die damals mit ſo viel Würde ſich vertheidigt — jetzt kenn’ ich ſie beſſer.","norm":"Die engelreine Königin, die damals Mit so viel Würde sich verteidigt — jetzt kenne ich sie besser."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2797,"orig":"— Was iſt das?","norm":"— Was ist das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2798,"orig":"Kurz alſo und ohne Hinterhalt, Madam!","norm":"Kurz also und ohne Hinterhalt, Madam!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2799,"orig":"— Iſt’s wahr, noch wahr, daß Sie mit niemand dort geſprochen?","norm":"— Ist es wahr, noch wahr, dass Sie mit niemand dort gesprochen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2800,"orig":"Mit niemand?","norm":"Mit niemand?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2801,"orig":"Iſt das wirklich wahr?","norm":"Ist das wirklich wahr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2802,"orig":"Mit dem Infanten hab’ ich geſprochen.","norm":"Mit dem Infanten habe ich gesprochen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2803,"orig":"Ja.","norm":"Ja."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2804,"orig":"Ja?","norm":"Ja?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2805,"orig":"— Nun, ſo iſt’s am Tage.","norm":"— Nun, so ist es am Tage."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2806,"orig":"Es iſt offenbar.","norm":"Es ist offenbar."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2807,"orig":"So frech!","norm":"So frech!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2808,"orig":"So wenig Schonung meiner Ehre!","norm":"So wenig Schonung meiner Ehre!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2809,"orig":"Warum verläugneten Sie mir?","norm":"Warum verleugneten Sie mir?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2810,"orig":"Weil ich es nicht gewohnt bin, Sire, in Gegenwart der Höflinge, auf Delinquenten Weiſe verhören mich zu laſſen.","norm":"Weil ich es nicht gewohnt bin, Sire, in Gegenwart der Höflinge, auf Delinquentenweise Verhören mich zu lassen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2811,"orig":"Wahrheit werde ich nie verläugnen, wenn mit Ehrerbietung und Güte ſie gefodert wird — Und war das wohl der Ton, den Eure Majeſtät mir in Aranjuez zu hören gaben?","norm":"Wahrheit werde Ich nie verleugnen, wenn mit Ehrerbietung und Güte sie gefordert wird — und war das wohl der Ton, den Eure Majestät mir in Aranjuez zu hören gaben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2812,"orig":"Iſt etwa die verſammelte Grandezza der Richterſtuhl, vor welchen Königinnen zu ihrer ſtillen Thaten Rechenſchaft gezogen werden?","norm":"Ist etwa die versammelte Grandezza der Richterstuhl, vor welchen Königinnen zu ihrer stillen Taten Rechenschaft gezogen werden?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2813,"orig":"Ich geſtattete dem Prinzen die Zuſammenkunft, um die er drängend bat.","norm":"Ich gestattete dem Prinzen die Zusammenkunft, um die er drängend bat."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2814,"orig":"Ich that es, mein Gemahl, weil ich es wollte — weil ich den Gebrauch nicht über Dinge will zum Richter ſetzen, die ich für tadellos erkannt — und Ihnen verbarg ich es, weil ich nicht lüſtern war, mit Eurer Majeſtät um dieſe Freiheit vor meinem Hofgeſinde mich zu ſtreiten.","norm":"Ich tat es, mein Gemahl, weil ich es wollte — weil ich den Gebrauch nicht über Dinge will zum Richter setzen, die ich für tadellos erkannt — und Ihnen Verbarg ich es, weil ich nicht lüstern war, mit Eurer Majestät um diese Freiheit vor meinem Hofgesinde mich zu streiten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2815,"orig":"Sie ſprechen kühn, Madam, ſehr —","norm":"Sie sprechen kühn, Madam, sehr —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2816,"orig":"Und auch darum, ſetz’ ich hinzu, weil der Infant doch ſchwerlich der Billigkeit — der Nachſicht, wollt’ ich ſagen — die er bedarf und auch verdient, ſich zu erfreuen hat in ſeines Vaters Herzen —","norm":"Und auch darum, setze ich hinzu, weil der Infant doch schwerlich der Billigkeit — der Nachsicht, wollte ich sagen — die er bedarf und auch verdient, sich zu Erfreuen hat in seines Vaters Herzen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2817,"orig":"Die er verdient?","norm":"Die er verdient?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2818,"orig":"Denn warum ſoll ich es verbergen, Sire?","norm":"Denn warum soll ich es Verbergen, Sire?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2819,"orig":"— ich ſchätz’ ihn ſehr und lieb’ ihn, als meinen theuerſten Verwandten, der einſt werth befunden worden, einen Namen zu führen, der mich mehr anging — Ich habe noch nicht recht einſehn lernen, daß er mir gerade darum fremder ſollte ſein als jeder andre, weil er ehedem vor jedem andern theuer mir geweſen.","norm":"— ich schätze ihn sehr und liebe ihn, als meinen teuersten Verwandten, der Einst wert befunden worden, einen Namen zu führen, der mich mehr anging — Ich habe noch nicht recht einsehn lernen, dass er mir Gerade darum fremder sollte sein Als jeder andere, weil er ehedem vor jedem anderen teuer mir gewesen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2820,"orig":"Wenn Ihre Staatsmaxime Bande knüpft, wie ſie für gut es findet, ſoll es ihr doch etwas ſchwerer werden ſie zu löſen.","norm":"Wenn Ihre Staatsmaxime Bande knüpft, wie sie für gut es findet, soll es ihr Doch etwas schwerer werden sie zu lösen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2821,"orig":"Ich will nicht haſſen, wen ich ſoll — und weil man endlich doch zu reden mich gezwungen — ich will es nicht — will meine Wahl nicht länger gebunden ſehn — ein zwingendes Verbot ſoll meiner Freunde Werth bei mir erheben, ſoll bis zur Übertreibung mich verſuchen, ich will ſogar —","norm":"Ich will nicht hassen, wen ich soll — und weil man endlich doch zu reden mich gezwungen — Ich will es nicht — will meine Wahl nicht länger gebunden sehen — ein zwingendes Verbot soll meiner Freunde Wert bei mir erheben, soll bis zur Übertreibung mich versuchen, ich will sogar —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2822,"orig":"Eliſabeth!","norm":"Elisabeth!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2823,"orig":"Sie haben in ſchwachen Stunden mich geſehen.","norm":"Sie haben in schwachen Stunden mich gesehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2824,"orig":"Dieſe Erinnerung macht Sie ſo kühn.","norm":"Diese Erinnerung macht Sie so kühn."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2825,"orig":"Der Spiegel, vor dem wir ſtehen, macht Sie kühn.","norm":"Der Spiegel, vor dem wir stehen, macht Sie kühn."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2826,"orig":"Sie trauen auf eine Allmacht, die Sie oft genug an meiner Feſtigkeit geprüft — Doch fürchten Sie deſto mehr.","norm":"Sie trauen auf eine Allmacht, die Sie oft genug an meiner Festigkeit geprüft — doch fürchten Sie desto mehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2827,"orig":"Was bis zu Schwächen mich gebracht, kann auch zu Raſerei mich führen.","norm":"Was bis zu Schwächen mich Gebracht, kann auch zu Raserei mich führen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2828,"orig":"Was hab’ ich denn begangen?","norm":"Was habe ich denn begangen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2829,"orig":"Wenn es iſt, doch iſt — und iſt es denn nicht ſchon?","norm":"Wenn es ist, doch ist — und ist es denn nicht schon?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2830,"orig":"— wenn Ihrer Verſchuldung volles, aufgehäuftes Maß auch nur um eines Athems Schwere ſteigt — wenn ich der Hintergangne bin —","norm":"— wenn Ihrer Verschuldung volles, aufgehäuftes Maß auch nur um eines Atems Schwere steigt — wenn ich der Hintergangene bin —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2831,"orig":"Ich kann auch über dieſe letzte Schwäche ſiegen.","norm":"Ich kann auch über diese letzte Schwäche siegen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2832,"orig":"Ich kann’s und will’s — Dann wehe mir und Ihnen, Eliſabeth!","norm":"Ich kann es und will es — dann wehe mir und Ihnen, Elisabeth!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2833,"orig":"Was hab’ ich denn begangen?","norm":"Was habe ich denn begangen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2834,"orig":"Dann meinetwegen fließe Blut —","norm":"Dann meinetwegen fließe Blut —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2835,"orig":"So weit iſt es gekommen — Gott!","norm":"So weit ist es gekommen — Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2836,"orig":"Die Chriſtenheit erſchrecke über eine That!","norm":"Die Christenheit erschrecke über eine Tat!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2837,"orig":"— Ich kenne mich ſelbſt nicht mehr — ich ehre keine Sitte und keine Stimme der Natur und keinen Vertrag der Nationen mehr —","norm":"— Ich kenne mich selbst nicht mehr — ich ehre keine Sitte und keine Stimme der Natur und keinen Vertrag der Nationen mehr —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2838,"orig":"Wie ſehr beklag’ ich Eure Majeſtät —","norm":"Wie sehr beklage ich Eure Majestät —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2839,"orig":"Beklagen!","norm":"Beklagen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2840,"orig":"Das Mitleid einer Buhlerinn —","norm":"Das Mitleid einer Buhlerin —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2841,"orig":"Der König zürnt, und meine ſchöne Mutter weint.","norm":"Der König zürnt, und meine schöne Mutter weint."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2842,"orig":"Geh hin und klag’ es Deinem Vater.","norm":"Gehe hin und klage es Deinem Vater."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2843,"orig":"Dieſes Kind muß ich doch ſicher ſtellen vor Mißhandlung.","norm":"Dieses Kind muss ich doch sicherstellen vor Misshandlung."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2844,"orig":"Komm mit mir, meine Tochter.","norm":"Komme mit mir, meine Tochter."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2845,"orig":"Wenn der König Dich nicht mehr kennen will, ſo muß ich jenſeits der Pyrenäen Bürgen kommen laſſen, die unſre Sache führen.","norm":"Wenn der König Dich nicht mehr kennen will, so muss ich jenseits der Pyrenäen Bürgen kommen lassen, die unsere Sache führen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2846,"orig":"Königinn?","norm":"Königin?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2847,"orig":"Ich kann nicht mehr — Das iſt zu viel —","norm":"Ich kann nicht mehr — das ist zu viel —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2848,"orig":"Gort!","norm":"Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2849,"orig":"Blut!","norm":"Blut!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2850,"orig":"— Verdien’ ich, daß Sie ſo hart mich ſtrafen?","norm":"— Verdiene ich, dass Sie so hart mich strafen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2851,"orig":"Stehn Sie auf.","norm":"Stehen Sie auf."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2852,"orig":"Erhohlen Sie Sich. — Stehn Sie auf — — Man kommt — Man überraſcht uns — Stehn Sie auf — Soll ſich mein ganzer Hof an dieſem Schauſpiel weiden?","norm":"Erholen Sie sich — Stehen Sie auf — — Man kommt — Man überrascht uns — Stehen Sie auf — Soll sich mein ganzer Hof an diesem Schauspiel weiden?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2853,"orig":"Muß ich Sie bitten, aufzuſtehn?","norm":"Muss ich Sie bitten, aufzustehen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2854,"orig":"Man bringe die Königinn zu Hauſe.","norm":"Man bringe die Königin zu Hause."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2855,"orig":"Ihr iſt übel.","norm":"Ihr ist übel."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2856,"orig":"Die Königinn in Thränen, und auf ihrem Geſichte Blut —","norm":"Die Königin in Tränen, und auf ihrem Gesichte Blut —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2857,"orig":"Das nimmt die Teufel Wunder, die mich verleitet haben.","norm":"Das nimmt die Teufel Wunder, die mich verleitet haben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2858,"orig":"Wir?","norm":"Wir?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2859,"orig":"Die mir genug geſagt, zum Raſen mich zu bringen; zu meiner Überzeugung nichts.","norm":"Die mir Genug gesagt, zum Rasen mich zu bringen; zu meiner Überzeugung nichts."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2860,"orig":"Wir gaben, was wir gehabt —","norm":"Wir gaben, was wir gehabt —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2861,"orig":"Die Hölle dank’ es Euch.","norm":"Die Hölle dank es Euch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2862,"orig":"Ich habe, was mich reu’t, gethan.","norm":"Ich habe, was mich reut, getan."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2863,"orig":"War das die Sprache eines ſchuldigen Gewiſſens?","norm":"War das die Sprache eines schuldigen Gewissens?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2864,"orig":"Steht eine Sünderinn ſo da?","norm":"Steht eine Sünderin so da?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2865,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2866,"orig":"Iſt der Monarch zu ſprechen?","norm":"Ist der Monarch zu sprechen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2867,"orig":"Da kommt mein Mann!","norm":"Da kommt mein Mann!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2868,"orig":"Seid mir willkommen, Marquis — Eurer, Herzog, bedarf ich jetzt nicht mehr.","norm":"Seid mir willkommen, Marquis — Eurer, Herzog, Bedarf ich jetzt nicht mehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2869,"orig":"Verlaßt uns.","norm":"Verlasst uns."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2870,"orig":"Sire, dem alten Manne, der in zwanzig Schlachten dem Tod für Sie entgegen ging, fällt es doch etwas hart, von einem Jüngling ſich ſo abgelöſ’t zu ſehen —","norm":"Sire, dem alten Manne, der in zwanzig Schlachten dem Tod für Sie entgegenging, fällt es Doch etwas hart, von einem Jüngling sich so abgelöst zu sehen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2871,"orig":"Euch geziemt es, ſo zu denken, ſo zu handeln Mir.","norm":"Euch geziemt es, so zu denken, so zu handeln mir."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2872,"orig":"Was Ihr in wenig Stunden mir geweſen, war Er in einem Menſchenalter nicht.","norm":"Was Ihr in wenig Stunden mir gewesen, war er in einem Menschenalter nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2873,"orig":"Ich will nicht heimlich thun mit meinem Wohlgefallen; das Siegel meiner königlichen Gunſt ſoll hell und weit auf Eurer Stirne leuchten.","norm":"Ich will nicht heimlich tun mit meinem Wohlgefallen; das Siegel meiner königlichen Gunst Soll hell und weit auf Eurer Stirn leuchten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2874,"orig":"Ich will den Mann, den ich zum Freund gewählt, beneidet ſehn.","norm":"Ich will den Mann, den ich zum Freund gewählt, beneidet sehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2875,"orig":"Und dann auch, wenn die Hülle der Niedrigkeit allein ihn fähig machte, des Namens werth zu ſein —","norm":"Und dann auch, wenn die Hülle der Niedrigkeit allein ihn fähig machte, des Namens wert zu sein —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2876,"orig":"Was bringt Ihr mir?","norm":"Was bringt Ihr mir?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2877,"orig":"Als ich das Vorgemach durchgehe, hör’ ich von einem ſchrecklichen Gerüchte, das mir unglaublich däucht — Ein heftiger Wortwechſel — Blut — die Königinn —","norm":"Als ich das Vorgemach durchgehe, höre ich von einem schrecklichen Gerüchte, das mir unglaublich dünkt — ein heftiger Wortwechsel — Blut — die Königin —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2878,"orig":"Ihr kommt von dort?","norm":"Ihr kommt von dort?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2879,"orig":"Entſetzen ſollt’ es mich, wenn das Gerücht nicht Unrecht hätte, wenn von Eurer Majeſtät indeß vielleicht etwas geſchehen wäre — Wichtige Entdeckungen, die ich gemacht, verändern der Sache ganze Lage.","norm":"Entsetzen sollte es mich, wenn das Gerücht nicht Unrecht hätte, wenn von Eurer Majestät indes vielleicht etwas geschehen wäre — wichtige Entdeckungen, die ich gemacht, verändern der Sache ganze Lage."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2880,"orig":"Nun?","norm":"Nun?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2881,"orig":"Ich fand Gelegenheit, des Prinzen Portefeuille mit einigen Papieren wegzunehmen, die, wie ich hoffe, ein’ges Licht —","norm":"Ich fand Gelegenheit, des Prinzen Portefeuille mit einigen Papieren wegzunehmen, Die, wie ich hoffe, einiges Licht —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2882,"orig":"Ein Schreiben vom Kaiſer meinem Vater — — Wie?","norm":"Ein Schreiben vom Kaiser meinem Vater — — wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2883,"orig":"Von dem ich nie gehört zu haben mich entſinne?","norm":"Von dem Ich nie gehört zu haben mich entsinne?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2884,"orig":"Der Plan zu einer Feſtung — — Abgerißne Gedanken aus dem Tacitus — Und was denn hier?","norm":"Der Plan zu einer Festung — — Abgerißene Gedanken aus dem Tacitus — und was Denn hier?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2885,"orig":"— Die Hand ſollt’ ich doch kennen!","norm":"— Die Hand sollte ich doch kennen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2886,"orig":"Es iſt von einer Dame.","norm":"Es ist von einer Dame."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2887,"orig":"„Dieſer Schlüſſel — — die hintern Zimmer im Pavillon der Königinn“ — — Ha!","norm":"„Dieser Schlüssel — — die hinteren Zimmer im Pavillon der Königin“ — — ha!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2888,"orig":"Was wird das?","norm":"Was wird das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2889,"orig":"— „Hier darf die Liebe frei — — Erhörung — ſchöner Lohn“ Sataniſche Verrätherei!","norm":"— „Hier darf die Liebe frei — — Erhörung — schöner Lohn“ Satanische Verräterei!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2890,"orig":"Jetzt kenn’ ich’s.","norm":"Jetzt kenne ich es."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2891,"orig":"Sie iſt es.","norm":"Sie ist es."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2892,"orig":"Es iſt ihre Hand —","norm":"Es ist ihre Hand —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2893,"orig":"Die Hand der Königinn?","norm":"Die Hand der Königin?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2894,"orig":"Unmöglich —","norm":"Unmöglich —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2895,"orig":"Der Prinzeſſinn von Eboli —","norm":"Der Prinzessin von Eboli —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2896,"orig":"So wär’ es wahr, was mir ohnlängſt der Page Henarez geſtanden, der Brief und Schlüſſel überbrachte.","norm":"So wäre es wahr, was mir Unlängst der Page Henarez gestanden, der Brief und Schlüssel überbrachte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2897,"orig":"Marquis!","norm":"Marquis!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2898,"orig":"Ich ſehe mich in fürchterlichen Händen!","norm":"Ich sehe mich in fürchterlichen Händen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2899,"orig":"Dieß Weib — Ich will es nur geſtehen — Marquis, dieß Weib erbrach der Königinn Schatulle, die erſte Warnung kam von ihr — Wer weiß, wie viel der Mönch drum wiſſen mag — Ich bin durch ein verruchtes Bubenſtück betrogen.","norm":"Dies Weib — Ich will es nur gestehen — Marquis, dies Weib erbrach der Königin Schatulle, die erste Warnung kam von ihr — wer weiß, wie viel der Mönch darum wissen mag — Ich bin durch ein verruchtes Bubenstück betrogen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2900,"orig":"Dann wär’ es ja noch glücklich —","norm":"Dann wäre es ja noch glücklich —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2901,"orig":"Marquis!","norm":"Marquis!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2902,"orig":"Marquis!","norm":"Marquis!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2903,"orig":"Ich fange an zu fürchten, daß ich meiner Gemahlinn doch zu viel gethan —","norm":"Ich fange an zu fürchten, dass ich meiner Gemahlin doch zu viel getan —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2904,"orig":"Wenn zwiſchen dem Prinzen und der Königinn geheime Verſtändniſſe geweſen ſind, ſo waren ſie ſicherlich von weit — weit anderm Inhalt, als deſſen man ſie angeklagt.","norm":"Wenn zwischen dem Prinzen und der Königin geheime Verständnisse gewesen sind, so waren sie sicherlich von weit — weit anderem Inhalt, als dessen man sie angeklagt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2905,"orig":"Ich habe gewiſſe Nachricht, daß des Prinzen Wunſch, nach Flandern abzureiſen, in dem Kopfe der Königinn entſprang.","norm":"Ich habe gewisse Nachricht, dass des Prinzen Wunsch, nach Flandern abzureisen, in dem Kopfe der Königin entsprang."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2906,"orig":"Ich glaubt’ es immer.","norm":"Ich glaubte es immer."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2907,"orig":"Die Königinn hat Ehrgeitz — Darf ich mehr noch ſagen?","norm":"Die Königin hat Ehrgeiz — darf ich mehr Noch sagen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2908,"orig":"— Mit Empfindlichkeit ſieht ſie in ihrer ſtolzen Hoffnung ſich getäuſcht, und von des Thrones Antheil ausgeſchloſſen.","norm":"— Mit Empfindlichkeit sieht sie in ihrer stolzen Hoffnung sich getäuscht, und von des Thrones Anteil ausgeschlossen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2909,"orig":"Des Prinzen raſche Jugend bot ſich ihren weit blickenden Entwürfen dar — ihr Herz — Ich zweifle, ob ſie lieben kann.","norm":"Des Prinzen rasche Jugend bot sich ihren weitblickenden Entwürfen dar — ihr Herz — Ich zweifle, ob sie lieben kann."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2910,"orig":"Vor ihren ſtaatsklugen Planen zittr’ ich nicht.","norm":"Vor ihren Staatsklugen Planen zittere ich nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2911,"orig":"Ob ſie geliebt wird?","norm":"Ob sie geliebt wird?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2912,"orig":"— — — Ob von dem Infanten nichts ſchlimmeres zu fürchten?","norm":"— — — ob von dem Infanten nichts Schlimmeres zu fürchten?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2913,"orig":"Dieſe Frage ſcheint mir der Unterſuchung werth.","norm":"Diese Frage scheint mir der Untersuchung wert."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2914,"orig":"Hier, glaub’ ich, iſt eine ſtrengre Wachſamkeit vonnöthen —","norm":"Hier, glaube ich, ist eine strengere Wachsamkeit vonnöten —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2915,"orig":"Ihr haftet mir für ihn —","norm":"Ihr haftet mir für ihn —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2916,"orig":"Wenn Eure Majeſtät mich fähig halten, dieſes Amt zu führen, ſo muß ich bitten, es uneingeſchränkt und ganz in meine Hand zu übergeben.","norm":"Wenn Eure Majestät mich fähig halten, dieses Amt zu führen, so muss ich bitten, es uneingeschränkt und ganz in meine Hand zu übergeben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2917,"orig":"Das ſoll geſchehen.","norm":"Das soll geschehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2918,"orig":"Wenigſtens durch keinen Gehülfen, welchen Namen er auch habe, in Unternehmungen, die ich etwa für nöthig finden könnte, mich zu ſtören —","norm":"Wenigstens durch keinen Gehilfen, welchen Namen er auch habe, in Unternehmungen, die ich etwa für nötig finden könnte, mich zu stören —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2919,"orig":"Durch keinen.","norm":"Durch keinen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2920,"orig":"Ich verſprech’ es Euch.","norm":"Ich verspreche es Euch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2921,"orig":"Ihr war’t mein guter Engel.","norm":"Ihr wart mein guter Engel."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2922,"orig":"Wie viel Dank bin ich für dieſe Neuigkeit Euch ſchuldig?","norm":"Wie viel Dank bin ich für diese Neuigkeit Euch schuldig?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2923,"orig":"Wie verließet Ihr die Königinn?","norm":"Wie verließt Ihr die Königin?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2924,"orig":"Noch ſehr erſchöpft von ihrer Ohnmacht.","norm":"Noch sehr erschöpft von ihrer Ohnmacht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2925,"orig":"Noch eine Vorſicht ſcheint mir nöthig.","norm":"Noch eine Vorsicht scheint mir nötig."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2926,"orig":"Der Infant, fürcht’ ich, kann Warnungen erhalten.","norm":"Der Infant, fürchte ich, kann Warnungen erhalten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2927,"orig":"Er hat der guten Freunde viel — vielleicht Verbindungen in Gent mit den Rebellen.","norm":"Er hat der guten Freunde viel — vielleicht Verbindungen in Gent mit den Rebellen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2928,"orig":"Die Furcht kann zu verzweifelten Entſchlüſſen ihn führen — Darum rieth’ ich an, gleich jetzt Vorkehrungen zu treffen, dieſem Fall durch ein geſchwindes Mittel zu begegnen.","norm":"Die Furcht kann zu verzweifelten Entschlüssen ihn führen — darum riet ich an, gleich jetzt Vorkehrungen zu treffen, diesem Fall durch ein geschwindes Mittel zu begegnen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2929,"orig":"Ihr habt ganz Recht.","norm":"Ihr habt ganz Recht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2930,"orig":"Wie aber —","norm":"Wie aber —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2931,"orig":"Ein geheimer Verhaftsbefehl, den Eure Majeſtät in meine Hände niederlegen, mich im Augenblicke der Gefahr ſogleich deſſelben zu bedienen — und —","norm":"Ein geheimer Haftbefehl, den Eure Majestät in meine Hände niederlegen, mich im Augenblicke der Gefahr sogleich Desselben zu bedienen — und —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2932,"orig":"Der Schritt iſt etwas kühn — Ich zweifle, ob —","norm":"Der Schritt ist etwas kühn — Ich zweifle, ob —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2933,"orig":"Es bliebe vor’s erſte Staatsgeheimniß, bis —","norm":"Es bliebe vor das erste Staatsgeheimnis, bis —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2934,"orig":"Das Reich iſt auf dem Spiele — Außerordentliche Mittel erlaubt die drängende Gefahr — Hier, Marquis — Euch brauch’ ich keine Schonung zu empfehlen —","norm":"Das Reich ist auf dem Spiele — außerordentliche Mittel Erlaubt die drängende Gefahr — hier, Marquis — Euch brauche ich keine Schonung zu empfehlen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2935,"orig":"Es iſt auf’s äußerſte, mein König.","norm":"Es ist aufs äußerste, mein König."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2936,"orig":"Geht!","norm":"Geht!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2937,"orig":"Geht, lieber Marquis — Ruhe meinem Herzen und meinen Nächten Schlaf zurückzubringen.","norm":"Geht, lieber Marquis — Ruhe meinem Herzen und meinen Nächten Schlaf zurückzubringen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2938,"orig":"Sie ſuch’ ich eben.","norm":"Sie such ich eben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2939,"orig":"Und ich Sie.","norm":"Und ich Sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2940,"orig":"Iſt’s wahr?","norm":"Ist es wahr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2941,"orig":"Um Gotteswillen, iſt es wahr?","norm":"Um Gottes willen, ist es wahr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2942,"orig":"Was denn?","norm":"Was denn?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2943,"orig":"Daß er den Dolch nach ihr gezückt?","norm":"Dass er den Dolch nach ihr gezückt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2944,"orig":"daß man aus ſeinem Zimmer blutig ſie getragen?","norm":"dass man Aus seinem Zimmer blutig sie getragen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2945,"orig":"Bei allen Heiligen!","norm":"Bei allen Heiligen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2946,"orig":"Antworten Sie.","norm":"Antworten Sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2947,"orig":"Was muß ich glauben?","norm":"Was muss ich glauben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2948,"orig":"Was iſt wahr?","norm":"Was ist wahr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2949,"orig":"Sie ſiel ohnmächtig hin und ritzte ſich im Fallen.","norm":"Sie fiel Ohnmächtig hin und ritzte sich im Fallen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2950,"orig":"Sonſt war es nichts.","norm":"Sonst war es nichts."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2951,"orig":"Sonſt hat es nicht Gefahr?","norm":"Sonst hat es nicht Gefahr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2952,"orig":"Sonſt nicht?","norm":"Sonst nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2953,"orig":"Bei Ihrer Ehre, Graf?","norm":"Bei Ihrer Ehre, Graf?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2954,"orig":"Nicht für die Königinn — doch deſto mehr für Sie.","norm":"Nicht für die Königin — doch desto mehr für Sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2955,"orig":"Für meine Mutter nicht!","norm":"Für meine Mutter nicht!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2956,"orig":"Nun Gott ſei Dank!","norm":"Nun Gott sei Dank!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2957,"orig":"Mir kam ein ſchreckliches Gerücht zu Ohren, der König raſe gegen Kind und Mutter, und ein Geheimniß ſei entdeckt.","norm":"Mir kam ein schreckliches Gerücht zu Ohren, der König rase gegen Kind und Mutter, und ein Geheimnis sei entdeckt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2958,"orig":"Das letzte kann auch wohl wahr ſein —","norm":"Das letzte Kann auch wohl wahr sein —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2959,"orig":"Wahr ſein!","norm":"Wahr sein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2960,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2961,"orig":"Prinz, Eine Warnung gab ich Ihnen heute, die Sie verachtet haben.","norm":"Prinz, eine Warnung gab ich Ihnen heute, die Sie verachtet haben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2962,"orig":"Nützen Sie die zwote beſſer.","norm":"Nützen Sie die zweite besser."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2963,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2964,"orig":"Wenn ich mich anders nicht irre, Prinz, ſah’ ich vor wen’gen Tagen ein Portefeuille von himmelblauem Sammt, mit Gold durchwirckt, in Ihrer Hand, —","norm":"Wenn ich mich anders Nicht irre, Prinz, sah ich vor wenigen Tagen ein Portefeuille von himmelblauem Samt, mit Gold durchwirkt, in Ihrer Hand, —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2965,"orig":"So eins beſitz’ ich.","norm":"So eins besitze ich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2966,"orig":"Ja — Nun —","norm":"Ja — nun —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2967,"orig":"Auf der Decke, glaub’ ich, ein Schattenriß, mit Perlen eingefaßt —","norm":"Auf der Decke, glaube ich, ein Schattenriss, mit Perlen eingefasst —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2968,"orig":"Ganz recht.","norm":"Ganz recht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2969,"orig":"Als ich vorhin ganz unvermuthet in’s Kabinet des Königs trat, glaubt’ ich das nämliche in ſeiner Hand zu ſehen, und Marquis Poſa ſtand bei ihm —","norm":"Als ich vorhin ganz unvermutet ins Kabinett des Königs trat, glaubte ich das nämliche in seiner Hand zu sehen, und Marquis Posa stand bei ihm —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2970,"orig":"Das iſt nicht wahr.","norm":"Das ist nicht wahr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2971,"orig":"Dann freilich bin ich ein Betrüger.","norm":"Dann freilich bin ich ein Betrüger."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2972,"orig":"Der ſind Sie.","norm":"Der sind Sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2973,"orig":"Ja.","norm":"Ja."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2974,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2975,"orig":"Was hat er Dir zu leid gethan?","norm":"Was hat er Dir zuleid getan?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2976,"orig":"Was haben die unſchuldsvollen Bande Dir gethan, die Du mit hölliſcher Geſchäftigkeit zu reißen Dich beeiferſt?","norm":"Was haben die unschuldsvollen Bande Dir getan, die Du mit höllischer Geschäftigkeit zu reißen Dich beeiferst?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2977,"orig":"Prinz, ich ehre den Schmerz, der Sie unbillig macht.","norm":"Prinz, ich ehre den Schmerz, der Sie unbillig macht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2978,"orig":"O Gott!","norm":"O Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2979,"orig":"Gott!","norm":"Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2980,"orig":"— Gott!","norm":"— Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2981,"orig":"Bewahre mich vor Argwohn!","norm":"Bewahre mich vor Argwohn!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2982,"orig":"Auch erinnr’ ich mich des Königs eigner Worte:","norm":"Auch erinnere ich mich des Königs eigener Worte:"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2983,"orig":"Wie vielen Dank, ſagt’ er, als ich hereintrat, bin ich für dieſe Neuigkeit Euch ſchuldig!","norm":"Wie vielen Dank, sagte er, als ich hereintrat, bin ich für diese Neuigkeit Euch schuldig!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2984,"orig":"O ſtille!","norm":"O stille!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2985,"orig":"ſtille!","norm":"stille!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2986,"orig":"Herzog Alba ſoll gefallen ſein — dem Prinzen Ruy Gomes das große Siegel abgenommen und dem Marquis übergeben ſein —","norm":"Herzog Alba soll Gefallen sein — dem Prinzen Ruy Gomez Das große Siegel abgenommen und dem Marquis übergeben sein —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2987,"orig":"Und Mir verſchwieg er!","norm":"Und mir verschwieg er!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2988,"orig":"Warum verſchwieg er Mir?","norm":"Warum verschwieg er mir?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2989,"orig":"Der ganze Hof ſtaunt ihn ſchon als allmächtigen Miniſter, als unumſchränkten Günſtling an —","norm":"Der ganze Hof staunt ihn schon als allmächtigen Minister, als unumschränkten Günstling an —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2990,"orig":"Er hat mich lieb gehabt, ſehr lieb.","norm":"Er hat mich liebgehabt, sehr lieb."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2991,"orig":"Ich war ihm theuer, wie ſeine eigne Seele.","norm":"Ich war ihm teuer, wie seine eigene Seele."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2992,"orig":"O das weiß ich — Das haben tauſend Proben mir erwieſen.","norm":"O das weiß ich — das haben tausend Proben mir erwiesen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2993,"orig":"Doch ſollen Millionen ihm, ſoll ihm das Vaterland nicht theurer ſein als Einer?","norm":"Doch sollen Millionen ihm, soll ihm das Vaterland nicht teurer sein als Einer?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2994,"orig":"Sein Buſen war für Einen Freund zu groß, und Karlos Glück zu klein für ſeine Liebe.","norm":"Sein Busen war für Einen Freund zu groß, und Carlos Glück zu klein für seine Liebe."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2995,"orig":"Er opferte mich ſeiner Tugend.","norm":"Er opferte mich seiner Tugend."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2996,"orig":"Kann ich ihn drum ſchelten?","norm":"Kann Ich ihn darum schelten?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2997,"orig":"— Ja!","norm":"— Ja!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2998,"orig":"Jetzt iſt’s gewiß.","norm":"Jetzt ist es gewiss."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":2999,"orig":"Jetzt hab’ ich ihn verloren.","norm":"Jetzt habe ich ihn verloren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3000,"orig":"Mein beſter Prinz.","norm":"Mein bester Prinz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3001,"orig":"Was kann ich für Sie thun?","norm":"Was kann ich für Sie tun?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3002,"orig":"Zum König gehen und mich auch verrathen.","norm":"Zum König gehen und mich auch verraten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3003,"orig":"Ich habe nichts zu ſchenken.","norm":"Ich habe nichts zu schenken."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3004,"orig":"Wollen Sie erwarten, was erfolgen mag.","norm":"Wollen Sie Erwarten, was erfolgen mag."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3005,"orig":"Ich hab’ ihn verloren.","norm":"Ich habe ihn Verloren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3006,"orig":"O!","norm":"O!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3007,"orig":"Jetzt bin ich ſehr arm.","norm":"Jetzt bin ich sehr arm."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3008,"orig":"Prinz, Sie wollen nicht auf Ihre Rettung denken?","norm":"Prinz, Sie wollen nicht auf Ihre Rettung denken?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3009,"orig":"Auf meine Rettung!","norm":"Auf meine Rettung!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3010,"orig":"— Guter Menſch!","norm":"— Guter Mensch!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3011,"orig":"Und ſonſt, ſonſt haben Sie für niemand mehr zu zittern?","norm":"Und sonst, sonst haben Sie für niemand mehr zu zittern?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3012,"orig":"Gott!","norm":"Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3013,"orig":"Woran mahnen Sie mich!","norm":"Woran mahnen Sie mich!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3014,"orig":"— Meine Mutter!","norm":"— Meine Mutter!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3015,"orig":"Der Brief, den ich ihm wiedergab!","norm":"Der Brief, den ich ihm wiedergab!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3016,"orig":"ihm erſt nicht laſſen wollte und doch ließ!","norm":"ihm erst Nicht lassen wollte und doch ließ!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3017,"orig":"Womit hat ſie es denn verdient um ihn?","norm":"Womit hat sie es denn verdient um ihn?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3018,"orig":"Sie hätt’ er doch ſchonen ſollen.","norm":"Sie hätte er doch schonen sollen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3019,"orig":"Lerma, hätt’ er nicht?","norm":"Lerma, hätte er nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3020,"orig":"Ich muß zu ihr — ich muß ſie warnen, muß ſie vorbereiten — Lerma, lieber Lerma — Wen ſchick’ ich denn?","norm":"Ich muss zu ihr — ich muss sie warnen, muss sie vorbereiten — Lerma, lieber Lerma — wen schick ich denn?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3021,"orig":"Iſt denn kein Mittel?","norm":"Ist denn kein Mittel?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3022,"orig":"Gar niemand?","norm":"Gar niemand?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3023,"orig":"Noch Einen!","norm":"Noch Einen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3024,"orig":"Gott ſei gelobt!","norm":"Gott sei gelobt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3025,"orig":"Noch Einen Freund — und hier iſt nichts mehr zu verſchlimmern.","norm":"Noch Einen Freund — und hier ist nichts mehr zu verschlimmern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3026,"orig":"Prinz!","norm":"Prinz!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3027,"orig":"Erſchrecken Sie nicht, Fürſtinn.","norm":"Erschrecken Sie nicht, Fürstin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3028,"orig":"Ich will ſanft ſein, wie ein Kind.","norm":"Ich will sanft sein, wie ein Kind."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3029,"orig":"Prinz?","norm":"Prinz?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3030,"orig":"— Dieſe Überraſchung —","norm":"— Diese Überraschung —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3031,"orig":"Sind Sie noch beleidigt?","norm":"Sind Sie noch Beleidigt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3032,"orig":"Noch?","norm":"Noch?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3033,"orig":"— Prinz —","norm":"— Prinz —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3034,"orig":"Sind Sie noch beleidigt?","norm":"Sind Sie noch beleidigt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3035,"orig":"Ich bitte, ſagen Sie es mir.","norm":"Ich bitte, sagen Sie es mir."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3036,"orig":"Was ſoll das?","norm":"Was soll das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3037,"orig":"Sie ſcheinen zu vergeſſen, Prinz — Was ſuchen Sie bei mir?","norm":"Sie scheinen zu vergessen, Prinz — was suchen Sie bei mir?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3038,"orig":"Mädchen, kannſt Du ewig haſſen?","norm":"Mädchen, kannst Du ewig hassen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3039,"orig":"Verzeiht gekränkte Liebe nie?","norm":"Verzeiht gekränkte Liebe nie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3040,"orig":"Woran erinnern Sie mich, Prinz?","norm":"Woran Erinnern Sie mich, Prinz?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3041,"orig":"An Deine Güte und meinen Undank — Ach!","norm":"An Deine Güte und meinen Undank — ach!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3042,"orig":"ich weiß es wohlſchwer hab’ ich Dich beleidigt Mädchen, habe Dein ſanftes Herz zerriſſen, habe Thränen gepreßt aus dieſen Engelblicken — ach!","norm":"ich weiß es wohlschwer habe ich Dich beleidigt Mädchen, habe Dein sanftes Herz zerrissen, habe Tränen gepresst aus diesen Engelblicken — ach!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3043,"orig":"und bin auch jetzt nicht hier, es zu bereuen.","norm":"und bin auch jetzt nicht hier, es zu bereuen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3044,"orig":"Prinz, laſſen Sie mich — ich —","norm":"Prinz, lassen Sie mich — ich —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3045,"orig":"Ich bin gekommen, weil Du ein ſanftes Mädchen biſt, weil ich auf Deine gute, ſchöne Seele baue.","norm":"Ich bin gekommen, weil Du ein sanftes Mädchen bist, weil ich auf Deine gute, schöne Seele baue."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3046,"orig":"Sieh, Mädchen, ſieh, ich habe keinen Freund mehr auf dieſer Welt, als Dich allein.","norm":"Sieh, Mädchen, sieh, ich habe keinen Freund mehr auf dieser Welt, als Dich allein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3047,"orig":"Einſt war’ſt Du mir ſo gut — Du wirſt nicht ewig haſſen, und wirſt nicht unverſöhnlich ſein.","norm":"Einst warst Du mir so gut — Du wirst nicht ewig hassen, und wirst nicht unversöhnlich sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3048,"orig":"O ſtille!","norm":"O stille!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3049,"orig":"Nichts mehr, um Gottes willen Prinz —","norm":"Nichts mehr, um Gottes willen Prinz —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3050,"orig":"Laß mich an jene goldne Zeiten Dich erinnern — an Deine Liebe laß mich Dich erinnern, an Deine Liebe, Mädchen, gegen die ich ſo unwürdig mich verging.","norm":"Lass mich an jene goldene Zeiten Dich erinnern — an Deine Liebe lass mich Dich erinnern, an Deine Liebe, Mädchen, gegen die Ich so unwürdig mich verging."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3051,"orig":"Laß mich jetzt gelten machen, was ich Dir geweſen, was Deines Herzens Träume mir gegeben — Noch Einmal — nur noch Einmal ſtelle mich, ſo wie ich damals war, vor Deine Seele und dieſem Schatten opfre, was Du mir, mir ewig nie mehr opfern kannſt.","norm":"Lass mich Jetzt gelten machen, was ich Dir gewesen, was Deines Herzens Träume mir gegeben — noch einmal — nur noch einmal stelle mich, so wie ich damals war, vor Deine Seele und diesem Schatten opfre, was Du mir, mir ewig nie mehr opfern kannst."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3052,"orig":"O Karl!","norm":"O Karl!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3053,"orig":"Wie grauſam ſpielen Sie mit mir!","norm":"Wie grausam spielen Sie mit mir!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3054,"orig":"Sei größer als Dein Geſchlecht.","norm":"Sei größer als Dein Geschlecht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3055,"orig":"Vergiß Beleidigungen.","norm":"Vergiss Beleidigungen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3056,"orig":"Thu, was vor Dir kein Weib gethan — nach Dir kein Weib mehr thun wird.","norm":"Tu, was vor Dir kein Weib getan — nach Dir kein Weib mehr tun wird."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3057,"orig":"Etwas unerhörtes fodr’ ich von Dir — Laß mich — auf meinen Knien beſchwör’ ich Dich — Laß mich, zwei Worte laß mich mit meiner Mutter ſprechen.","norm":"Etwas Unerhörtes fordere ich von Dir — Lass mich — auf meinen Knien beschwöre ich Dich — Lass mich, zwei Worte lass mich Mit meiner Mutter sprechen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3058,"orig":"Was hat er geſtanden?","norm":"Was hat er gestanden?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3059,"orig":"Glauben Sie ihm nicht.","norm":"Glauben Sie ihm nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3060,"orig":"Bei allem, was heilig —","norm":"Bei allem, was heilig —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3061,"orig":"Er iſt raſend.","norm":"Er ist rasend."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3062,"orig":"Hören Sie den Raſenden nicht an.","norm":"Hören Sie den Rasenden nicht an."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3063,"orig":"Es gilt um Tod und Leben.","norm":"Es gilt um Tod und Leben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3064,"orig":"Führen Sie mich zu ihr.","norm":"Führen Sie mich zu ihr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3065,"orig":"Ich ermorde Sie, wenn Sie ihn hören.","norm":"Ich ermorde Sie, wenn Sie ihn hören."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3066,"orig":"Graf von Kordua.","norm":"Graf Von Kordua."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3067,"orig":"Im Namen des Monarchen.","norm":"Im Namen des Monarchen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3068,"orig":"Der Prinz iſt Ihr Gefangener.","norm":"Der Prinz ist Ihr Gefangener."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3069,"orig":"Ich bitte um Ihren Degen — — Fürſtinn Eboli, Sie bleiben; und","norm":"Ich bitte um Ihren Degen — — Fürstin Eboli, Sie bleiben; und"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3070,"orig":"Sie haften mir dafür, daß Seine Hoheit niemand ſpreche — niemand — Sie ſelbſt nicht, bei Gefahr des Kopfs!","norm":"Sie haften mir dafür, dass Seine Hoheit niemand spreche — niemand — Sie selbst nicht, bei Gefahr des Kopfs!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3071,"orig":"Ich werfe ſogleich mich ſelbſt zu des Monarchen Füßen, ihm Rechenſchaft zu geben —","norm":"Ich werfe sogleich mich selbst zu des Monarchen Füßen, ihm Rechenschaft zu geben —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3072,"orig":"und auch Ihnen — Erwarten Sie mich, Prinz, — in einer Stunde.","norm":"und auch Ihnen — Erwarten Sie mich, Prinz, — in einer Stunde."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3073,"orig":"Um aller Himmel willen, laſſen Sie mich dieſen Ort —","norm":"Um aller Himmel Willen, lassen Sie Mich diesen Ort —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3074,"orig":"Was hat er Dir geſagt, Unglückliche?","norm":"Was hat er Dir gesagt, Unglückliche?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3075,"orig":"Nichts — Laſſen Sie mich — Nichts —","norm":"Nichts — Lassen Sie mich — nichts —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3076,"orig":"Wie viel haſt Du erfahren?","norm":"Wie viel hast Du erfahren?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3077,"orig":"— Hier iſt kein Entrinnen mehr.","norm":"— Hier ist kein Entrinnen mehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3078,"orig":"Du wirſt auf dieſer Welt es niemand mehr erzählen.","norm":"Du wirst auf dieser Welt es niemand mehr erzählen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3079,"orig":"Großer Gott!","norm":"Großer Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3080,"orig":"Was meinen Sie damit?","norm":"Was meinen Sie damit?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3081,"orig":"Sie wollen mich doch nicht ermorden?","norm":"Sie wollen mich Doch nicht ermorden?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3082,"orig":"In der That, das bin ich ſehr geſonnen.","norm":"In der Tat, das bin Ich sehr gesonnen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3083,"orig":"Mach’ es kurz.","norm":"Mache es kurz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3084,"orig":"Mich?","norm":"Mich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3085,"orig":"Mich?","norm":"Mich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3086,"orig":"O!","norm":"O!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3087,"orig":"ewige Barmherzigkeit!","norm":"ewige Barmherzigkeit!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3088,"orig":"Was hab’ ich denn begangen?","norm":"Was habe Ich denn begangen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3089,"orig":"Noch iſt’s Zeit.","norm":"Noch ist es Zeit."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3090,"orig":"Noch trat das Gift nicht über dieſe Lippen.","norm":"Noch trat das Gift nicht über diese Lippen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3091,"orig":"Ich zerſchmettre das Gefäß, und alles bleibt was es geweſen — Spaniens Verhängniß und eines Weibes Leben!","norm":"Ich Zerschmettre das Gefäß, und alles bleibt was es gewesen — Spaniens Verhängnis und eines Weibes Leben!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3092,"orig":"— Dieſen Mord getrau’ ich mir, an deinem Weltgericht noch auszufechten.","norm":"— Diesen Mord getraue ich mir, an deinem Weltgericht noch auszufechten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3093,"orig":"Was zaudern Sie?","norm":"Was zaudern Sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3094,"orig":"Ich bitte nicht um Schonung — Nein.","norm":"Ich bitte nicht um Schonung — Nein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3095,"orig":"Ich habe verdient zu ſterben, und ich will’s.","norm":"Ich habe verdient zu sterben, und ich will es."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3096,"orig":"Das wäre ſo feig’ als es barbariſch iſt — Nein!","norm":"Das wäre so feige als es barbarisch ist — Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3097,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3098,"orig":"Gott ſei gelobt!","norm":"Gott sei gelobt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3099,"orig":"— Noch gibt’s ein andres Mittel —","norm":"— Noch gibt es ein anderes Mittel —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3100,"orig":"Was für ein Auflauf im Pallaſte!","norm":"Was für ein Auflauf im Palaste!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3101,"orig":"Jedes Getöſe, Gräfinn, macht mir heute Schrecken.","norm":"Jedes Getöse, Gräfin, macht mir heute Schrecken."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3102,"orig":"O ſehen Sie doch nach und ſagen mir, was es bedeutet.","norm":"O sehen Sie doch nach und sagen mir, was es bedeutet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3103,"orig":"Königinn!","norm":"Königin!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3104,"orig":"Zu Hülfe!","norm":"Zu Hilfe!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3105,"orig":"Er iſt gefangen.","norm":"Er ist gefangen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3106,"orig":"Wer?","norm":"Wer?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3107,"orig":"Der Marquis Poſa nahm auf Befehl des Königs ihn gefangen.","norm":"Der Marquis Posa nahm auf Befehl des Königs ihn gefangen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3108,"orig":"Wen aber?","norm":"Wen aber?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3109,"orig":"Wen?","norm":"Wen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3110,"orig":"Den Prinzen.","norm":"Den Prinzen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3111,"orig":"Raſeſt Du?","norm":"Rasest Du?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3112,"orig":"So eben führen ſie ihn fort.","norm":"Soeben führen sie ihn fort."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3113,"orig":"Und wer nahm ihn gefangen?","norm":"Und wer Nahm ihn gefangen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3114,"orig":"Marquis Poſa.","norm":"Marquis Posa."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3115,"orig":"Nun!","norm":"Nun!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3116,"orig":"Gott ſei gelobt, daß es der Marquis war, der ihn gefangen nahm!","norm":"Gott sei gelobt, dass es der Marquis war, der ihn gefangennahm!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3117,"orig":"Das ſagen Sie ſo ruhig, Königinn?","norm":"Das sagen Sie so ruhig, Königin?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3118,"orig":"ſo kalt?","norm":"so kalt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3119,"orig":"— O Gott!","norm":"— O Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3120,"orig":"Sie ahnden nicht — Sie wiſſen nicht —","norm":"Sie ahnden nicht — Sie wissen nicht —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3121,"orig":"Warum er gefangen worden?","norm":"Warum er gefangen worden?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3122,"orig":"— Eines Fehltritts wegen, vermuth’ ich, der dem heftigen Karakter des Jünglings ſehr natürlich war.","norm":"— Eines Fehltritts wegen, vermute ich, der dem heftigen Charakter des Jünglings sehr natürlich war."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3123,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3124,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3125,"orig":"Ich weiß es beſſer — Nein — O Königinn — Verruchte, teufeliſche That!","norm":"Ich weiß es besser — Nein — O Königin — Verruchte, teuflische Tat!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3126,"orig":"— Für ihn iſt keine Rettung mehr!","norm":"— Für ihn ist keine Rettung mehr!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3127,"orig":"Er ſtirbt!","norm":"Er stirbt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3128,"orig":"Und ſeine Mörderinn bin ich.","norm":"Und seine Mörderin bin ich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3129,"orig":"Er ſtirbt!","norm":"Er stirbt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3130,"orig":"Wahnſinnige, bedenkſt Du?","norm":"Wahnsinnige, bedenkst Du?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3131,"orig":"Und warum — warum er ſtirbt!","norm":"Und warum — warum er stirbt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3132,"orig":"— O hätt’ ich wiſſen können, daß es bis dahin kommen würde!","norm":"— O hätte ich wissen können, dass es bis dahin kommen würde!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3133,"orig":"Fürſtinn, noch ſind Sie außer Faſſung.","norm":"Fürstin, noch sind Sie außer Fassung."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3134,"orig":"Sammeln Sie erſt Ihre Geiſter, daß Sie ruhiger, nicht in ſo grauenvollen Bildern, die mein Innerſtes durchſchauern, mir erzählen.","norm":"Sammeln Sie Erst Ihre Geister, dass Sie ruhiger, nicht in so grauenvollen Bildern, die mein Innerstes durchschauern, mir erzählen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3135,"orig":"Was wiſſen Sie?","norm":"Was wissen Sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3136,"orig":"Was iſt geſchehen?","norm":"Was ist geschehen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3137,"orig":"O!","norm":"O!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3138,"orig":"nicht dieſe himmliſche Herablaſſung, nicht dieſe Güte, Königinn!","norm":"Nicht diese himmlische Herablassung, nicht diese Güte, Königin!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3139,"orig":"Wie Flammen der Hölle ſchlägt ſie brennend mein Gewiſſen.","norm":"Wie Flammen der Hölle schlägt sie brennend mein Gewissen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3140,"orig":"Ich bin nicht würdig, den entweihten Blick zu Ihrer Glorie empor zu richten.","norm":"Ich bin nicht würdig, den entweihten Blick zu Ihrer Glorie emporzurichten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3141,"orig":"Zertreten Sie die Elende, die ſich, zerknirſcht von Reue, Scham und Selbſtverachtung, zu Ihren Füßen krümmt.","norm":"Zertreten Sie die Elende, die sich, zerknirscht von Reue, Scham und Selbstverachtung, zu Ihren Füßen krümmt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3142,"orig":"Unglückliche!","norm":"Unglückliche!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3143,"orig":"Was haben Sie mir zu geſtehen?","norm":"Was haben Sie mir zu gestehen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3144,"orig":"Engel des Lichtes!","norm":"Engel des Lichtes!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3145,"orig":"Große Heilige!","norm":"Große Heilige!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3146,"orig":"Noch kennen, noch ahnden Sie den Teufel nicht, dem Sie ſo liebevoll gelächelt — Lernen Sie ihn heute kennen.","norm":"Noch kennen, noch ahnden Sie den Teufel nicht, dem Sie so liebevoll gelächelt — Lernen Sie ihn heute kennen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3147,"orig":"Ich — ich war der Dieb, der Sie beſtohlen.","norm":"Ich — ich war der Dieb, der Sie bestohlen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3148,"orig":"Sie?","norm":"Sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3149,"orig":"Und jene Briefe dem König ausgeliefert.","norm":"Und jene Briefe dem König ausgeliefert."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3150,"orig":"Sie?","norm":"Sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3151,"orig":"Der ſich erdreiſtet hat, Sie anzuklagen —","norm":"Der sich Erdreistet hat, Sie anzuklagen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3152,"orig":"Sie — Sie konnten —","norm":"Sie — Sie konnten —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3153,"orig":"Rache — Liebe — Raſerei — Ich haßte Sie und liebte den Infanten —","norm":"Rache — Liebe — Raserei — Ich hasste Sie und liebte den Infanten —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3154,"orig":"Weil Sie ihn liebten —?","norm":"Weil Sie ihn liebten —?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3155,"orig":"Weil ich’s ihm geſtanden und keine Gegenliebe fand.","norm":"Weil ich es ihm gestanden und keine Gegenliebe fand."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3156,"orig":"O jetzt enträthſelt ſich mir alles!","norm":"O jetzt enträtselt sich mir alles!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3157,"orig":"— Stehn Sie auf.","norm":"— Stehen Sie auf."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3158,"orig":"Sie liebten ihn — ich habe ſchon vergeben.","norm":"Sie liebten ihn — ich habe schon vergeben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3159,"orig":"Es iſt vergeſſen — ſtehn Sie auf.","norm":"Es ist vergessen — Stehen Sie auf."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3160,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3161,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3162,"orig":"Ein ſchreckliches Geſtändniß iſt noch übrig.","norm":"Ein schreckliches Geständnis ist noch übrig."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3163,"orig":"Nicht eher, große Königinn —","norm":"Nicht eher, große Königin —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3164,"orig":"Was werd’ ich noch hören müſſen?","norm":"Was werde ich noch hören müssen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3165,"orig":"Reden Sie —","norm":"Reden Sie —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3166,"orig":"Der König … Verführung … O Sie blicken weg … Ich leſe in Ihrem Angeſicht Verwerfung … Das Verbrechen, deſſen ich Sie zeihte … ich beging es ſelbſt.","norm":"Der König … Verführung … O Sie blicken weg … Ich lese in Ihrem Angesicht Verwerfung … das Verbrechen, dessen ich Sie zeihte … ich beging es selbst."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3167,"orig":"Gott!","norm":"Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3168,"orig":"Sie hat mich verlaſſen!","norm":"Sie hat mich verlassen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3169,"orig":"Jetzt iſt es aus.","norm":"Jetzt ist es aus."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3170,"orig":"Prinzeſſinn Eboli —","norm":"Prinzessin Eboli —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3171,"orig":"Ich weiß, warum Sie kommen, Herzoginn.","norm":"Ich weiß, warum Sie kommen, Herzogin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3172,"orig":"Die Königinn ſchickt Sie heraus, mein Urtheil mir anzukündigen — Geſchwind —","norm":"Die Königin schickt Sie heraus, mein Urteil Mir anzukündigen — geschwind —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3173,"orig":"Ich habe Befehl von Ihrer Majeſtät, Ihr Kreuz und Ihre Schlüſſel in Empfang zu nehmen —","norm":"Ich habe Befehl von Ihrer Majestät, Ihr Kreuz und Ihre Schlüssel in Empfang zu nehmen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3174,"orig":"Doch noch einmal iſt es mir vergönnt, die Hand der beſten Königinn zu küſſen?","norm":"Doch noch einmal ist es mir vergönnt, die Hand der besten Königin zu küssen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3175,"orig":"Im Marienkloſter wird man Ihnen ſagen, was über Sie beſchloſſen iſt.","norm":"Im Marienkloster wird man Ihnen sagen, was über sie beschlossen ist."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3176,"orig":"Ich werde die Königinn nicht wieder ſehen?","norm":"Ich werde die Königin nicht wiedersehen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3177,"orig":"Glücklich, daß Sie kommen.","norm":"Glücklich, dass Sie kommen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3178,"orig":"Sind Ihro Majeſtät allein?","norm":"Sind Ihre Majestät allein?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3179,"orig":"Kann niemand in dieſen nächſten Zimmern uns behorchen?","norm":"Kann niemand in diesen nächsten Zimmern uns behorchen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3180,"orig":"Kein Menſch — Warum?","norm":"Kein Mensch — warum?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3181,"orig":"Was bringen Sie?","norm":"Was bringen Sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3182,"orig":"Und wie ſo ganz verändert!","norm":"Und wie so ganz verändert!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3183,"orig":"Was iſt das?","norm":"Was ist das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3184,"orig":"Sie machen mich zittern, Marquis — alle ihre Züge wie eines Sterbenden entſtellt —","norm":"Sie machen mich zittern, Marquis — alle Ihre Züge wie eines Sterbenden entstellt —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3185,"orig":"Sie wiſſen vermuthlich ſchon —","norm":"Sie wissen vermutlich schon —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3186,"orig":"Daß Karl gefangen worden, und zwar durch Sie, ſetzt man hinzu — So iſt es dennoch wahr?","norm":"Dass Karl gefangen worden, und zwar durch Sie, setzt man hinzu — so ist es dennoch wahr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3187,"orig":"Ich wollt’ es keinem Menſchen, als Ihnen glauben.","norm":"Ich wollte es keinem Menschen, als Ihnen glauben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3188,"orig":"Es iſt wahr.","norm":"Es ist wahr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3189,"orig":"Durch Sie?","norm":"Durch Sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3190,"orig":"Durch mich.","norm":"Durch mich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3191,"orig":"Ich ehre Ihre Handlungen, auch wenn ich ſie nicht faſſe — Dießmal aber verzeihen Sie dem bangen Weib’.","norm":"Ich ehre Ihre Handlungen, auch wenn ich sie nicht fasse — diesmal aber Verzeihen Sie dem bangen Weib."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3192,"orig":"Ich fürchte, Sie ſpielen ein gewagtes Spiel.","norm":"Ich fürchte, Sie spielen ein gewagtes Spiel."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3193,"orig":"Ich hab’ es verloren.","norm":"Ich habe es Verloren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3194,"orig":"Gott im Himmel!","norm":"Gott im Himmel!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3195,"orig":"Seien Sie ganz ruhig, meine Königinn.","norm":"Seien Sie Ganz ruhig, meine Königin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3196,"orig":"Für ihn iſt ſchon geſorgt.","norm":"Für ihn ist schon gesorgt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3197,"orig":"Ich hab’ es mir verloren.","norm":"Ich habe es mir verloren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3198,"orig":"Was werd’ ich hören!","norm":"Was werde ich hören!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3199,"orig":"Gott!","norm":"Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3200,"orig":"Denn wer, wer hieß auf einen zweifelhaften Wurf mich alles ſetzen?","norm":"Denn wer, wer hieß auf einen zweifelhaften Wurf mich alles setzen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3201,"orig":"Alles?","norm":"Alles?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3202,"orig":"So verwegen, ſo zuverſichtlich mit dem Himmel ſpielen?","norm":"So verwegen, so zuversichtlich mit dem Himmel spielen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3203,"orig":"Wer iſt der Menſch, der ſich vermeſſen will, des Zufalls ſchweres Steuer zu regieren, und doch nicht der Allwiſſende zu ſein?","norm":"Wer ist der Mensch, der sich vermessen will, des Zufalls schweres Steuer zu regieren, und doch nicht der Allwissende zu sein?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3204,"orig":"O es iſt billig!","norm":"O es ist billig!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3205,"orig":"— Doch warum denn jetzt von mir?","norm":"— Doch warum denn jetzt von mir?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3206,"orig":"Der Augenblick iſt koſtbar, wie das Leben eines Menſchen!","norm":"Der Augenblick ist kostbar, wie das Leben eines Menschen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3207,"orig":"Und wer weiß, ob aus des Richters karger Hand nicht ſchon die letzten Tropfen für mich fallen?","norm":"Und wer weiß, ob aus des Richters karger Hand nicht schon die letzten Tropfen für mich fallen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3208,"orig":"Aus des Richters Hand?","norm":"Aus des Richters Hand?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3209,"orig":"— Welch feierlicher Ton!","norm":"— Welch feierlicher Ton!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3210,"orig":"Ich faſſe nicht, was dieſe Reden meinen — Doch ſie entſetzen mich —","norm":"Ich fasse nicht, was diese Reden meinen — doch sie entsetzen mich —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3211,"orig":"Er iſt gerettet!","norm":"Er ist gerettet!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3212,"orig":"Um welchen Preis er’s iſt, gleich viel!","norm":"Um welchen Preis er das ist, gleichviel!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3213,"orig":"— Doch nur für heute.","norm":"— Doch nur für heute."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3214,"orig":"Wenig Augenblicke ſind noch ſein.","norm":"Wenig Augenblicke sind noch sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3215,"orig":"Er ſpare ſie.","norm":"Er spare sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3216,"orig":"Sie kommen mich etwas hoch zu ſtehn.","norm":"Sie kommen mich etwas hochzustehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3217,"orig":"Noch dieſe Nacht muß er Madrid verlaſſen.","norm":"Noch diese Nacht muss er Madrid verlassen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3218,"orig":"Dieſe Nacht noch?","norm":"Diese Nacht noch?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3219,"orig":"Anſtalten ſind getroffen.","norm":"Anstalten sind getroffen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3220,"orig":"In demſelben Karthäuſerkloſter, das ſchon lange Zeit die Zuflucht unſrer Freundſchaft war geweſen, erwartet ihn die Poſt.","norm":"In demselben Kartäuserkloster, das schon lange Zeit die Zuflucht unserer Freundschaft war gewesen, erwartet ihn die Post."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3221,"orig":"Hier iſt in Wechſeln, was mir das Glück auf dieſer Welt gegeben.","norm":"Hier ist in Wechseln, was mir das Glück auf dieser Welt gegeben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3222,"orig":"Was mangelt, legen Sie noch bei.","norm":"Was mangelt, legen Sie noch bei."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3223,"orig":"Zwar hätt’ ich an meinen Karl noch manches auf dem Herzen, noch manches, das er wiſſen muß; doch könnt’ es leicht an Muße mir gebrechen, alles perſönlich mit ihm abzuthun — Sie ſprechen ihn dieſen Abend, darum wend’ ich mich an Sie —","norm":"Zwar hätte ich an meinen Karl noch manches auf dem Herzen, noch manches, das er wissen muss; doch könnte es leicht an Muße mir gebrechen, alles Persönlich mit ihm abzutun — Sie sprechen ihn diesen Abend, darum wend ich mich an Sie —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3224,"orig":"Um meiner Ruhe willen, Marquis, erklären Sie Sich deutlicher — nicht in ſo fürchterlichen Näthſeln reden Sie mit mir — Was iſt geſchehn?","norm":"Um meiner Ruhe willen, Marquis, Erklären Sie Sich deutlicher — nicht in so fürchterlichen Rätseln reden sie Mit mir — was ist geschehen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3225,"orig":"Ich habe noch ein wichtiges Bekenntniß abzulegen; in Ihre Hände leg’ ich’s ab.","norm":"Ich habe noch ein wichtiges Bekenntnis abzulegen; in Ihre Hände lege ich es ab."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3226,"orig":"Mir ward ein Glück, wie es nur wenigen geworden:","norm":"Mir wurde ein Glück, wie es nur wenigen geworden:"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3227,"orig":"Ich liebte einen Fürſtenſohn — Mein Herz, nur einem einzigen geweiht, umſchloß die ganze Welt!","norm":"Ich liebte einen Fürstensohn — Mein Herz, nur einem einzigen geweiht, umschloss die ganze Welt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3228,"orig":"— In meines Karlos Seele ſchuf ich ein Paradies für Millionen.","norm":"— In meines Carlos Seele schuf ich ein Paradies für Millionen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3229,"orig":"O meine Träume waren ſchön — Doch es gefiel der ew’gen Weisheit, mich von meiner ſchönen Pflanzung abzurufen.","norm":"O meine Träume waren schön — doch es Gefiel der ewigen Weisheit, mich von meiner schönen Pflanzung abzurufen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3230,"orig":"Bald hat er ſeinen Rodrigo nicht mehr.","norm":"Bald hat er seinen Rodrigo nicht mehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3231,"orig":"Der Freund hört auf in der Geliebten.","norm":"Der Freund hört auf in der Geliebten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3232,"orig":"Hier, hier — hier — auf dieſem heiligen Altare, im Herzen ſeiner Königinn leg’ ich mein letztes koſtbares Vermächtniß nieder, hier find’ er’s, wenn ich nicht mehr bin —","norm":"Hier, hier — hier — auf diesem heiligen Altare, im Herzen seiner Königin lege ich mein letztes kostbares Vermächtnis nieder, hier finde er das, wenn ich nicht mehr bin —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3233,"orig":"Das iſt die Sprache eines Sterbenden.","norm":"Das ist die Sprache eines Sterbenden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3234,"orig":"Noch hoff’ ich, es iſt nur Wirkung Ihres Blutes — oder liegt Sinn in dieſen Reden?","norm":"Noch hoffe ich, es ist nur Wirkung Ihres Blutes — oder liegt Sinn in diesen Reden?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3235,"orig":"Sagen Sie ihm, daß er eingedenk ſoll ſein des Eides, den wir in jenen ſchwärmeriſchen Tagen am Hochaltare, den er kennt, auf die entzwei gebrochne Hoſtie geſchworen.","norm":"Sagen Sie ihm, dass er eingedenk soll sein des Eides, den wir in jenen schwärmerischen Tagen am Hochaltare, den er kennt, auf die entzweigebrochene Hostie geschworen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3236,"orig":"Den meinigen hab’ ich gehalten, bin ihm treu geblieben bis zum Tod — jetzt iſt’s an ihm, den ſeinigen —","norm":"Den meinigen habe ich gehalten, bin ihm treugeblieben bis zum Tod — jetzt ist es an ihm, den seinigen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3237,"orig":"Zum Tod?","norm":"Zum Tod?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3238,"orig":"Er mache — O ſagen Sie es ihm!","norm":"Er mache — O sagen Sie es ihm!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3239,"orig":"— das Traumbild wahr, das kühne Traumbild eines neuen Staates, der Freundſchaft göttliche Geburt.","norm":"— das Traumbild wahr, das kühne Traumbild eines neuen Staates, der Freundschaft göttliche Geburt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3240,"orig":"Er lege die erſte Hand an dieſen rohen Marmor.","norm":"Er lege die erste Hand an diesen rohen Marmor."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3241,"orig":"Ob er vollende oder unterliege — ihm einerlei!","norm":"Ob er vollende oder unterliege — ihm einerlei!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3242,"orig":"Er lege Hand an.","norm":"Er lege Hand an."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3243,"orig":"Wenn Jahrhunderte dahin geflohen, wird die Vorſicht einen Fürſtenſohn, wie er, auf einem Thron, wie ſeiner, wiederhohlen, aus den Ruinen ſeinen Torſo graben, und ihren neuen Liebling mit derſelben Begeiſterung entzünden.","norm":"Wenn Jahrhunderte dahingeflohen, wird die Vorsicht einen Fürstensohn, wie er, auf einem Thron, wie seiner, wiederholen, aus den Ruinen seinen Torso graben, und ihren neuen Liebling mit derselben Begeisterung entzünden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3244,"orig":"Sagen Sie ihm, daß er für die Träume ſeiner Jugend ſoll Achtung tragen, wenn er Mann ſein wird, nicht öffnen ſoll dem tödtenden Inſekte gerühmter beſſerer Vernunft das Herz der zarten Götterblume — daß er nicht ſoll irre werden, wenn des Staubes Weisheit Begeiſterung, die Himmelstochter, läſtert.","norm":"Sagen Sie ihm, dass er für die Träume seiner Jugend Soll Achtung tragen, wenn er Mann sein wird, nicht öffnen soll dem tötenden Insekt Gerühmter besserer Vernunft das Herz der zarten Götterblume — dass er nicht Soll irre werden, wenn des Staubes Weisheit Begeisterung, die Himmelstochter, lästert."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3245,"orig":"Ich hab’ es ihm zuvor geſagt —","norm":"Ich habe es ihm zuvor gesagt —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3246,"orig":"Wie, Marquis?","norm":"Wie, Marquis?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3247,"orig":"Und wozu führt —","norm":"Und wozu führt —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3248,"orig":"Und ſagen Sie ihm, daß ich Menſchenglück auf ſeine Seele lege, daß ich es ſterbend von ihm fodre — fodre, und ſehr dazu berechtigt war.","norm":"Und sagen Sie ihm, dass Ich Menschenglück auf seine Seele lege, dass ich es sterbend von ihm fordre — fordre, und sehr dazu berechtigt war."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3249,"orig":"Es hätte bei mir geſtanden einen neuen Morgen heraufzuführen über dieſe Reiche.","norm":"Es hätte bei mir gestanden einen neuen Morgen Heraufzuführen über diese Reiche."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3250,"orig":"Der König ſchenkte mir ſein Herz.","norm":"Der König schenkte mir sein Herz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3251,"orig":"Er nannte mich ſeinen Sohn — Ich führe ſeine Siegel, und ſeine Alba ſind nicht mehr.","norm":"Er nannte mich seinen Sohn — Ich führe seine Siegel, und seine Alba sind nicht mehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3252,"orig":"Sie weinen — O dieſe Thränen kenn’ ich, ſchöne Seele; die Freude macht ſie fließen.","norm":"Sie weinen — O diese Tränen kenne ich, schöne Seele; die Freude macht sie fließen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3253,"orig":"Doch vorbei, es iſt vorbei.","norm":"Doch vorbei, es ist vorbei."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3254,"orig":"Karl oder ich.","norm":"Karl oder ich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3255,"orig":"Die Wahl war ſchnell und ſchrecklich.","norm":"Die Wahl war schnell und schrecklich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3256,"orig":"Einer war verloren; und ich will dieſer Eine ſein — ich lieber — Verlangen Sie nicht mehr zu wiſſen.","norm":"Einer war verloren; und ich will dieser Eine sein — ich lieber — Verlangen Sie nicht mehr zu wissen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3257,"orig":"Jetzt, jetzt endlich fang’ ich an, Sie zu begreifen — Unglücklicher, was haben Sie gethan?","norm":"Jetzt, jetzt endlich fange ich an, Sie zu begreifen — unglücklicher, was haben Sie getan?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3258,"orig":"Zwo kurze Abendſtunden hingegeben, um einen hellen Sommertag zu retten.","norm":"Zwei kurze Abendstunden hingegeben, um einen hellen Sommertag zu retten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3259,"orig":"Den König geb’ ich auf.","norm":"Den König gebe ich auf."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3260,"orig":"Ich mag ihn nicht.","norm":"Ich mag ihn nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3261,"orig":"Europa’s Verhängniß reift in meinem großen Freunde!","norm":"Europas Verhängnis reift in meinem großen Freunde!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3262,"orig":"Auf ihn verweiſ’ ich Spanien — Es blute bis dahin unter Philipps Hand!","norm":"Auf ihn verweise ich Spanien — es blute bis dahin unter Philipps Hand!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3263,"orig":"— Doch weh’!","norm":"— Doch weh!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3264,"orig":"weh’ mir und ihm, wenn ich bereuen ſollte!","norm":"weh mir und ihm, wenn ich bereuen sollte!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3265,"orig":"Nie — nie wird es geſchehn — und meine Bürginn, Königinn, ſind Sie!","norm":"Nie — nie wird es geschehen — und meine Bürgin, Königin, sind Sie!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3266,"orig":"Ich ſah’ ſie keimen, dieſe Liebe, ſah’ der Leidenſchaften unglückſeligſte in ſeinem Herzen Wurzel faſſen — Damals ſtand es in meiner Macht, ſie zu bekämpfen.","norm":"Ich sah sie keimen, diese Liebe, sah der Leidenschaften unglückseligste in seinem Herzen Wurzel fassen — damals Stand es in meiner Macht, sie zu bekämpfen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3267,"orig":"Ich that es nicht.","norm":"Ich tat es nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3268,"orig":"Ich nährte dieſe Liebe, die mir nicht unglückſelig war.","norm":"Ich nährte diese Liebe, die mir nicht unglückselig war."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3269,"orig":"Die Welt kann anders richten.","norm":"Die Welt kann anders richten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3270,"orig":"Ich bereue nicht.","norm":"Ich bereue nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3271,"orig":"Mein Herz klagt mich nicht an.","norm":"Mein Herz klagt mich nicht an."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3272,"orig":"Zur höchſten Schönheit wollt’ ich ihn erheben: die Sterblichkeit verſagte mir ein Bild, die Sprache Worte — da verwies ich ihn auf dieſes — meine ganze Leitung war, ihm ſeine Liebe zu erklären.","norm":"Zur höchsten Schönheit wollte ich ihn erheben: Die Sterblichkeit versagte mir ein Bild, die Sprache Worte — da verwies ich ihn auf dieses — meine ganze Leitung war, ihm seine Liebe zu erklären."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3273,"orig":"Marquis, Ihr Freund erfüllte ſie ſo ganz, daß Sie mich über ihm vergaßen.","norm":"Marquis, Ihr Freund erfüllte sie so ganz, dass Sie Mich über ihm vergaßen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3274,"orig":"Glaubten Sie im Ernſt mich aller Weiblichkeit entbunden, da Sie zu ſeinem Engel mich gemacht, zu ſeinen Waffen Tugend ihm gegeben?","norm":"Glaubten Sie im Ernst mich aller Weiblichkeit entbunden, da Sie zu seinem Engel mich gemacht, zu seinen Waffen Tugend ihm gegeben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3275,"orig":"Das überlegten Sie wohl nicht, wie viel für unſer Herz zu wagen iſt, wenn wir mit ſolchen Namen Leidenſchaft veredeln.","norm":"Das überlegten Sie wohl nicht, wie viel für unser Herz zu wagen ist, wenn wir mit solchen Namen Leidenschaft veredeln."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3276,"orig":"Für alle Weiber; nur für Eines nicht.","norm":"Für alle Weiber; nur für Eines nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3277,"orig":"Auf Eines ſchwör’ ich — Oder ſollten Sie, Sie der Begierden edelſter ſich ſchämen, der Tugend Schöpferinn zu ſein?","norm":"Auf Eines schwöre ich — Oder sollten Sie, Sie der Begierden edelster sich schämen, der Tugend Schöpferin zu sein?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3278,"orig":"Was geht es König Philipp an, wenn ſeine Verklärung in Eſkurial den Mahler, der vor ihr ſteht, mit Ewigkeit entzündet?","norm":"Was geht es König Philipp an, wenn seine Verklärung in Eskurial den Maler, der vor ihr steht, mit Ewigkeit entzündet?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3279,"orig":"Gehört die ſüße Harmonie, die in dem Saitenſpiele ſchlummert, ſeinem Käufer, der es mit taubem Ohr bewacht?","norm":"Gehört die süße Harmonie, die in dem Saitenspiele schlummert, seinem Käufer, der es mit taubem Ohr bewacht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3280,"orig":"Er hat das Recht erkauft, in Trümmern es zu ſchlagen, doch nicht die Kunſt, dem Silberton zu rufen und in des Liedes Wonne zu zerſchmelzen.","norm":"Er hat das Recht erkauft, in Trümmern es zu schlagen, doch nicht die Kunst, dem Silberton zu rufen und in des Liedes Wonne zu zerschmelzen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3281,"orig":"Die Wahrheit iſt vorhanden für den Weiſen, die Schönheit für ein fühlend Herz.","norm":"Die Wahrheit ist vorhanden für den Weisen, die Schönheit für ein fühlend Herz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3282,"orig":"Sie beide gehören für einander.","norm":"Sie beide Gehören füreinander."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3283,"orig":"Dieſen Glauben ſoll mir kein feiges Vorurtheil zerſtören.","norm":"Diesen Glauben Soll mir kein feiges Vorurteil zerstören."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3284,"orig":"Verſprechen Sie mir, ewig ihn zu lieben, von Menſchenfurcht, von falſchem Heldenmuth zu nichtiger Verläugnung nie verſucht unwandelbar und ewig ihn zu lieben, verſprechen Sie mir dieſes?","norm":"Versprechen Sie mir, ewig ihn zu lieben, von Menschenfurcht, von falschem Heldenmut zu nichtiger Verleugnung nie versucht Unwandelbar und ewig ihn zu lieben, Versprechen Sie mir dieses?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3285,"orig":"— Königinn — Verſprechen Sie’s in meine Hand?","norm":"— Königin — Versprechen Sie es in meine Hand?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3286,"orig":"Mein Herz, verſprech’ ich Ihnen, ſoll allein und ewig der Richter meiner Liebe ſein.","norm":"Mein Herz, verspreche ich Ihnen, soll allein und ewig der Richter meiner Liebe sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3287,"orig":"Jetzt ſterb’ ich ruhig — Meine Arbeit iſt gethan.","norm":"Jetzt sterbe ich ruhig — Meine Arbeit ist getan."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3288,"orig":"Sie gehen, Marquis — ohne mir zu ſagen, wenn wir — wie bald — uns wiederſehn?","norm":"Sie gehen, Marquis — ohne mir zu sagen, wenn wir — wie bald — uns wiedersehen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3289,"orig":"Gewiß!","norm":"Gewiss!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3290,"orig":"Wir ſehn uns wieder.","norm":"Wir sehen uns wieder."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3291,"orig":"Ich verſtand Sie, Poſa — verſtand Sie recht gut — — — — Warum haben Sie mir das gethan?","norm":"Ich verstand Sie, Posa — Verstand Sie recht gut — — — — warum haben Sie Mir das getan?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3292,"orig":"Er oder ich","norm":"Er oder ich"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3293,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3294,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3295,"orig":"Sie ſtürzten Sich in dieſe That, die Sie erhaben nennen.","norm":"Sie stürzten sich in diese Tat, die Sie Erhaben nennen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3296,"orig":"Läugnen Sie nur nicht.","norm":"Leugnen Sie nur nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3297,"orig":"Ich kenne Sie, Sie haben längſt darnach gedürſtet — Mögen tauſend Herzen brechen, was kümmert Sie’s, wenn ſich Ihr Stolz nur weidet.","norm":"Ich kenne Sie, Sie haben längst danach gedürstet — mögen tausend Herzen brechen, was kümmert Sie es, wenn sich Ihr Stolz nur weidet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3298,"orig":"O jetzt — jetzt lern’ ich Sie verſtehn:","norm":"O jetzt — jetzt lernen ich Sie verstehen:"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3299,"orig":"Sie haben nur um Bewunderung gebuhlt.","norm":"Sie haben nur um Bewunderung gebuhlt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3300,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3301,"orig":"Darauf war ich nicht vorbereitet —","norm":"Darauf war ich nicht vorbereitet —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3302,"orig":"Marquis!","norm":"Marquis!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3303,"orig":"Iſt keine Rettung möglich?","norm":"Ist keine Rettung möglich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3304,"orig":"Keine.","norm":"Keine."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3305,"orig":"Keine?","norm":"Keine?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3306,"orig":"Beſinnen Sie Sich wohl.","norm":"Besinnen Sie sich wohl."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3307,"orig":"Iſt keine möglich?","norm":"Ist keine möglich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3308,"orig":"Auch nicht durch mich?","norm":"Auch nicht durch mich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3309,"orig":"Auch nicht durch Sie.","norm":"Auch nicht durch Sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3310,"orig":"Auch ſelbſt durch ein Verbrechen nicht?","norm":"Auch selbst durch ein Verbrechen nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3311,"orig":"— Sie kennen mich zur Hälfte nur — ich habe Muth.","norm":"— Sie kennen mich zur Hälfte nur — ich habe Mut."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3312,"orig":"Ich weiß es.","norm":"Ich weiß es."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3313,"orig":"Und keine Rettung?","norm":"Und keine Rettung?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3314,"orig":"Keine.","norm":"Keine."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3315,"orig":"Gehen Sie!","norm":"Gehen Sie!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3316,"orig":"Ich ſchätze keinen Mann mehr.","norm":"Ich schätze keinen Mann mehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3317,"orig":"Königinn!","norm":"Königin!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3318,"orig":"— — O Gott!","norm":"— — O Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3319,"orig":"das Leben iſt doch ſchön.","norm":"das Leben ist doch schön."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3320,"orig":"Ob ſich der Marquis noch nicht blicken laſſen?","norm":"Ob sich der Marquis noch nicht blicken lassen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3321,"orig":"Noch nicht.","norm":"Noch nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3322,"orig":"Graf Lerma, melden Sie mich an.","norm":"Graf Lerma, melden Sie mich an."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3323,"orig":"Der König iſt für niemand.","norm":"Der König ist für niemand."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3324,"orig":"Sagen Sie, ich muß ihn ſprechen — Seiner Majeſtät iſt äußerſt dran gelegen.","norm":"Sagen Sie, Ich muss ihn sprechen — seiner Majestät ist äußerst dran gelegen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3325,"orig":"Eilen Sie.","norm":"Eilen Sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3326,"orig":"Es leidet keinen Aufſchub.","norm":"Es leidet keinen Aufschub."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3327,"orig":"Lieber Taxis, gewöhnen Sie Sich zur Geduld.","norm":"Lieber Taxis, Gewöhnen Sie Sich zur Geduld."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3328,"orig":"Sie ſprechen den König nicht —","norm":"Sie sprechen den König nicht —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3329,"orig":"Nicht?","norm":"Nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3330,"orig":"Und warum?","norm":"Und warum?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3331,"orig":"Sie hätten die Vorſicht denn gebraucht, Sich die Erlaubniß beim Chevalier von Poſa auszuwirken, der Sohn und Vater zu Gefangnen macht.","norm":"Sie hätten die Vorsicht denn gebraucht, sich die Erlaubnis beim Chevalier von Posa auszuwirken, der Sohn und Vater zu Gefangenen macht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3332,"orig":"Von Poſa?","norm":"Von Posa?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3333,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3334,"orig":"Ganz recht!","norm":"Ganz recht!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3335,"orig":"Das iſt der, ſelbe, aus deſſen Hand ich dieſen Brief empfangen —","norm":"Das ist der, selbe, aus dessen Hand ich diesen Brief empfangen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3336,"orig":"Brief?","norm":"Brief?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3337,"orig":"Welchen Brief?","norm":"Welchen Brief?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3338,"orig":"Den ich nach Brüſſel habe befördern ſollen —","norm":"Den ich nach Brüssel habe Befördern sollen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3339,"orig":"Brüſſel!","norm":"Brüssel!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3340,"orig":"Den ich eben dem König bringe —","norm":"Den ich eben dem König bringe —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3341,"orig":"Brüſſel!","norm":"Brüssel!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3342,"orig":"Haben Sie gehört, Kaplan?","norm":"Haben Sie gehört, Kaplan?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3343,"orig":"Nach Brüſſel!","norm":"Nach Brüssel!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3344,"orig":"Das iſt ſehr verdächtig.","norm":"Das ist sehr Verdächtig."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3345,"orig":"Und wie ängſtlich, wie verlegen er mir empfohlen worden!","norm":"Und wie ängstlich, wie verlegen er mir empfohlen worden!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3346,"orig":"Ängſtlich?","norm":"Ängstlich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3347,"orig":"So!","norm":"So!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3348,"orig":"An wen iſt denn die Aufſchrift?","norm":"An wen ist denn die Aufschrift?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3349,"orig":"An den Prinzen von Naſſau und Oranien.","norm":"An den Prinzen von Nassau und Oranien."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3350,"orig":"An Wilhelm?","norm":"An Wilhelm?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3351,"orig":"— Kaplan!","norm":"— Kaplan!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3352,"orig":"Das iſt Verrätherei.","norm":"Das ist Verräterei."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3353,"orig":"Was könnt’ es anders ſein?","norm":"Was könnte es anders sein?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3354,"orig":"— Ja freilich, dieſen Brief muß man ſogleich dem König überliefern.","norm":"— Ja freilich, diesen Brief muss man sogleich dem König überliefern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3355,"orig":"Welch ein Verdienſt von Ihnen, würd’ger Mann, ſo ſtreng zu ſein in Ihres Königs Dienſt!","norm":"Welch ein Verdienst von Ihnen, würdiger Mann, so streng zu sein in Ihres Königs Dienst!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3356,"orig":"Hochwürd’ger Herr, ich that nur meine Pflicht.","norm":"Hochwürdiger Herr, ich tat nur meine Pflicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3357,"orig":"Sie thaten wohl.","norm":"Sie taten wohl."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3358,"orig":"Der König will Sie ſprechen.","norm":"Der König will Sie sprechen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3359,"orig":"Der Marquis immer noch nicht da?","norm":"Der Marquis immer noch nicht da?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3360,"orig":"Man läßt ihn aller Orten ſuchen.","norm":"Man lässt ihn allerorten sucht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3361,"orig":"Ganz eigen!","norm":"Ganz eigen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3362,"orig":"Ganz naiv!","norm":"Ganz naiv!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3363,"orig":"Der Prinz ein Staatsgefangner, und der König noch ſelber ungewiß warum?","norm":"Der Prinz ein Staatsgefangener, und der König noch selber ungewiss warum?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3364,"orig":"Er war nicht einmal hier, ihm Rechenſchaft zu geben?","norm":"Er war nicht einmal hier, ihm Rechenschaft zu geben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3365,"orig":"Wie nahm es denn der König auf?","norm":"Wie nahm es denn der König auf?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3366,"orig":"Der König ſprach noch kein Wort.","norm":"Der König sprach noch kein Wort."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3367,"orig":"Was war das?","norm":"Was war das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3368,"orig":"Still!","norm":"Still!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3369,"orig":"Graf Lerma!","norm":"Graf Lerma!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3370,"orig":"Was geht hier vor?","norm":"Was geht hier vor?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3371,"orig":"Mit dieſem Ton des Schreckens!","norm":"Mit diesem Ton des Schreckens!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3372,"orig":"Wenn dieſer aufgefangne Brief?","norm":"Wenn dieser aufgefangene Brief?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3373,"orig":"— Mir ahndet nichts gutes, Herzog.","norm":"— Mir ahndet nichts Gutes, Herzog."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3374,"orig":"Lerma läßt er rufen!","norm":"Lerma lässt er rufen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3375,"orig":"und wiſſen muß er doch, daß Sie und ich im Vorſaal —","norm":"und wissen muss er doch, dass Sie und ich im Vorsaal —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3376,"orig":"Unſre Zeiten ſind vorbei.","norm":"Unsere Zeiten sind vorbei."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3377,"orig":"Bin ich derſelbe denn nicht mehr, dem hier ſonſt alle Thüren ſprangen?","norm":"Bin ich derselbe denn nicht mehr, dem hier Sonst alle Türen sprangen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3378,"orig":"Wie iſt alles verwandelt um mich her — wie fremd —","norm":"Wie ist alles Verwandelt um mich her — wie fremd —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3379,"orig":"Horch!","norm":"Horch!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3380,"orig":"Alles iſt todtenſtill.","norm":"Alles ist totenstill."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3381,"orig":"Man hört ſie Athem hohlen.","norm":"Man hört sie Atem holen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3382,"orig":"Die doppelte Tapete dämpft den Schall.","norm":"Die doppelte Tapete dämpft den Schall."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3383,"orig":"Hinweg!","norm":"Hinweg!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3384,"orig":"Man kommt.","norm":"Man kommt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3385,"orig":"Mir iſt ſo feierlich, ſo bang, als ſollte dieſer Augenblick ein großes Loos entſcheiden.","norm":"Mir ist so feierlich, so bang, als sollte dieser Augenblick ein großes Los entscheiden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3386,"orig":"Iſt der König zu ſprechen?","norm":"Ist der König zu sprechen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3387,"orig":"Nein.","norm":"Nein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3388,"orig":"Nein?","norm":"Nein?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3389,"orig":"Wer iſt bei ihm?","norm":"Wer ist bei ihm?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3390,"orig":"Marquis von Poſa ohne Zweifel?","norm":"Marquis von Posa ohne Zweifel?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3391,"orig":"Den erwartet man ſo eben.","norm":"Den erwartet man Soeben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3392,"orig":"Dieſen Augenblick ſind wir von Saragoßa eingetroffen.","norm":"Diesen Augenblick sind wir von Saragossa eingetroffen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3393,"orig":"Der Schrecken geht durch ganz Madrid — Iſt es denn wahr?","norm":"Der Schrecken geht durch ganz Madrid — ist es Denn wahr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3394,"orig":"Ja leider.","norm":"Ja leider."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3395,"orig":"Es iſt wahr?","norm":"Es ist wahr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3396,"orig":"Er iſt durch den Maltheſer in Verhaft genommen?","norm":"Er ist durch den Malteser in Verhaft genommen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3397,"orig":"So iſt’s.","norm":"So ist es."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3398,"orig":"Warum?","norm":"Warum?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3399,"orig":"Was iſt geſchehn?","norm":"Was ist geschehen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3400,"orig":"Warum?","norm":"Warum?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3401,"orig":"Das weiß kein Menſch, als Seine Majeſtät und Marquis Poſa.","norm":"Das weiß kein Mensch, als Seine Majestät und Marquis Posa."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3402,"orig":"Ohne Zuziehung der Kortes ſeines Königreichs!","norm":"Ohne Zuziehung der Cortes seines Königreichs!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3403,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3404,"orig":"Weh dem, der Theil gehabt an dieſer Staatsverletzung.","norm":"Weh dem, der teilgehabt an dieser Staatsverletzung."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3405,"orig":"Weh ihm!","norm":"Weh ihm!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3406,"orig":"So ruf’ ich auch.","norm":"So Ruf ich auch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3407,"orig":"Ich auch.","norm":"Ich auch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3408,"orig":"Wir alle.","norm":"Wir alle."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3409,"orig":"Wer folgt mir in das Kabinet?","norm":"Wer folgt mir in das Kabinett?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3410,"orig":"— Ich werfe mich zu des Königs Füßen.","norm":"— Ich werfe mich zu des Königs Füßen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3411,"orig":"Herzog Alba!","norm":"Herzog Alba!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3412,"orig":"Endlich!","norm":"Endlich!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3413,"orig":"Gelobt ſei Gott!","norm":"Gelobt sei Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3414,"orig":"Wenn der Maltheſer kommt, der Herr iſt jetzo nicht allein; er wird ihn rufen laſſen —","norm":"Wenn der Malteser kommt, der Herr ist jetzt nicht allein; er wird ihn rufen lassen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3415,"orig":"Graf, was iſt geſchehen?","norm":"Graf, was ist geschehen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3416,"orig":"Sie ſind ja blaß wie eine Leiche.","norm":"Sie sind ja blass wie eine Leiche."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3417,"orig":"Das iſt teufeliſch.","norm":"Das ist teuflisch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3418,"orig":"Was denn?","norm":"Was denn?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3419,"orig":"Was denn?","norm":"Was denn?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3420,"orig":"Was macht der König?","norm":"Was macht der König?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3421,"orig":"Teufeliſch!","norm":"Teuflisch!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3422,"orig":"Was denn?","norm":"Was denn?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3423,"orig":"Der König hat geweint.","norm":"Der König hat geweint."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3424,"orig":"Geweint!","norm":"Geweint!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3425,"orig":"Der König hat geweint!","norm":"Der König hat geweint!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3426,"orig":"Graf, noch ein Wort — Verziehen Sie — Weg iſt er!","norm":"Graf, noch ein Wort — Verziehen sie — Weg ist er!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3427,"orig":"Da ſtehn wir angefeſſelt von Entſetzen.","norm":"Da stehen wir angefesselt von Entsetzen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3428,"orig":"Wo iſt der König?","norm":"Wo ist der König?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3429,"orig":"Wo?","norm":"Wo?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3430,"orig":"Ich muß ihn ſprechen.","norm":"Ich muss ihn sprechen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3431,"orig":"Sie, Herzog, führen mich zu ihm.","norm":"Sie, Herzog, führen mich zu ihm."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3432,"orig":"Der König hat wichtige Verhinderung.","norm":"Der König hat wichtige Verhinderung."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3433,"orig":"Kein Menſch wird vorgelaſſen.","norm":"Kein Mensch wird vorgelassen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3434,"orig":"Unterzeichnet er das fürchterliche Urtheil ſchon?","norm":"Unterzeichnet er das fürchterliche Urteil schon?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3435,"orig":"Er iſt belogen.","norm":"Er ist belogen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3436,"orig":"Ich beweiſ’ es ihm, daß er belogen iſt.","norm":"Ich beweise es ihm, dass er belogen ist."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3437,"orig":"Prinzeſſinn Eboli?","norm":"Prinzessin Eboli?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3438,"orig":"Sie auch da, Prieſter?","norm":"Sie auch da, Priester?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3439,"orig":"Recht!","norm":"Recht!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3440,"orig":"Sie brauch’ ich eben.","norm":"Sie brauche ich eben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3441,"orig":"Sie ſollen mir’s bekräftigen.","norm":"Sie sollen mir es bekräftigen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3442,"orig":"Ich?","norm":"Ich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3443,"orig":"— Sind Sie bei Sich, Fürſtinn?","norm":"— Sind Sie bei Sich, Fürstin?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3444,"orig":"Bleiben Sie zurück.","norm":"Bleiben Sie zurück."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3445,"orig":"Der König hört Sie jetzt nicht an.","norm":"Der König hört Sie jetzt nicht an."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3446,"orig":"Er muß mich hören.","norm":"Er muss mich hören."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3447,"orig":"Wahrheit muß er hören — Wahrheit!","norm":"Wahrheit muss er hören — Wahrheit!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3448,"orig":"und wär’ er zehenmal ein Gott!","norm":"und wäre er zehnmal ein Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3449,"orig":"Weg!","norm":"Weg!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3450,"orig":"Weg!","norm":"Weg!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3451,"orig":"Sie wagen alles.","norm":"Sie wagen alles."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3452,"orig":"Bleiben Sie zurück.","norm":"Bleiben Sie zurück."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3453,"orig":"Menſch, zittre Du vor Deines Götzen Zorn.","norm":"Mensch, zittre Du vor Deines Götzen Zorn."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3454,"orig":"Ich habe nichts zu wagen.","norm":"Ich habe nichts zu wagen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3455,"orig":"Laſſen Sie in allen Kirchen ein Te Deum tönen.","norm":"Lassen Sie in allen Kirchen ein Tedeum tönen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3456,"orig":"Der Sieg iſt unſer.","norm":"Der Sieg ist unser."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3457,"orig":"Unſer?","norm":"Unser?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3458,"orig":"Jetzt hinein zum Herrn.","norm":"Jetzt hinein zum Herrn."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3459,"orig":"Sie ſollen weiter von mir hören.","norm":"Sie sollen weiter von mir hören."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3460,"orig":"Ich bin es, Karl.","norm":"Ich bin es, Karl."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3461,"orig":"Du kommſt ſogar noch zu mir!","norm":"Du kommst sogar noch zu mir!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3462,"orig":"Das iſt doch ſchön von Dir.","norm":"Das ist doch schön von Dir."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3463,"orig":"Ich bildete mir ein, Du könnteſt Deinen Freund hier brauchen.","norm":"Ich bildete mir ein, Du könntest Deinen Freund hier brauchen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3464,"orig":"Wahrhaftig?","norm":"Wahrhaftig?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3465,"orig":"Meinteſt Du das wirklich?","norm":"Meintest Du das wirklich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3466,"orig":"Sieh!","norm":"Sieh!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3467,"orig":"Das freut mich — freut mich unbeſchreiblich.","norm":"Das freut mich — freut mich unbeschreiblich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3468,"orig":"Ach!","norm":"Ach!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3469,"orig":"ich wußt’ es wohl, daß Du mir gut geblieben.","norm":"Ich wusste es wohl, dass Du mir gut geblieben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3470,"orig":"Ich hab’ es auch um Dich verdient","norm":"Ich habe es auch um Dich verdient"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3471,"orig":"Nicht wahr?","norm":"Nicht wahr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3472,"orig":"O wir verſtehen uns noch ganz.","norm":"O wir verstehen uns noch ganz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3473,"orig":"So hab’ ich’s gerne.","norm":"So habe ich es gerne."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3474,"orig":"Dieſe Schonung, dieſe Milde ſteht großen Seelen an, wie Du und ich.","norm":"Diese Schonung, diese Milde Steht großen Seelen an, wie Du und ich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3475,"orig":"Laß ſein, daß meiner Foderungen eine unbillig und vermeſſen war; mußt Du mir darum auch die billigen verſagen?","norm":"Lass sein, dass meiner Forderungen eine Unbillig und vermessen war; musst Du mir darum auch die billigen versagen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3476,"orig":"Hart kann die Tugend ſein, doch grauſam nie, unmenſchlich nie — Ich kann ja nicht dafür, daß Deine Pflichten meine Freuden würgen.","norm":"Hart kann die Tugend sein, doch grausam nie, unmenschlich nie — Ich kann ja nicht dafür, dass Deine Pflichten meine Freuden würgen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3477,"orig":"Ich glaube Dir — Es hat Dichviel gekoſtet!","norm":"Ich glaube Dir — es hat Dichviel gekostet!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3478,"orig":"O ja, mir däucht, ich weiß recht gut, wie ſehr geblutet hat Dein ſanftes Herz, als Du Dein Opfer ſchmückteſt zum Altare.","norm":"O ja, mir dünkt, ich weiß recht gut, wie sehr geblutet hat Dein sanftes Herz, als Du Dein Opfer schmücktest zum Altare."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3479,"orig":"Karlos!","norm":"Karlos!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3480,"orig":"Wie meinſt Du das?","norm":"Wie meinst Du das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3481,"orig":"Du ſelbſt wirſt jetzt vollenden, was ich geſollt und nicht gekonnt — Du wirſt den Spaniern die goldnen Tage ſchenken, die ſie von mir umſonſt gehofft.","norm":"Du selbst wirst jetzt vollenden, was ich gesollt und nicht gekonnt — Du wirst den Spaniern die goldenen Tage schenken, die sie von mir umsonst gehofft."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3482,"orig":"Mit mir iſt es ja aus — auf immer aus.","norm":"Mit mir ist es ja aus — auf immer aus."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3483,"orig":"Das haſt Du eingeſehn — O dieſe fürchterliche Liebe hat alle frühe Blüthen meines Geiſtes unwiederbringlich hingerafft.","norm":"Das hast Du eingesehen — O diese fürchterliche Liebe Hat alle frühe Blüten meines Geistes Unwiederbringlich hingerafft."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3484,"orig":"Ich bin für Deine großen Hoffnungen geſtorben.","norm":"Ich bin für Deine großen Hoffnungen gestorben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3485,"orig":"Vorſehung oder Zufall führen Dir den König zu — Es koſtet mein Geheimniß, und er iſt Dein — Du kannſt ſein Engel werden.","norm":"Vorsehung oder Zufall führen Dir den König zu — es kostet mein Geheimnis, und er ist Dein — Du kannst sein Engel werden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3486,"orig":"Für mich iſt keine Rettung mehr — vielleicht für Spanien — Ach hier iſt nichts verdammlich, nichts, nichts, als meine raſende Verblendung, bis dieſen Tag nicht eingeſehn zu haben, daß Du — ſo groß als zärtlich biſt.","norm":"Für mich ist keine Rettung mehr — vielleicht für Spanien — ach hier ist nichts verdammlich, nichts, nichts, als meine rasende Verblendung, bis diesen Tag nicht eingesehen zu haben, dass Du — so groß als zärtlich bist."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3487,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3488,"orig":"Das, das hab’ ich nicht vorhergeſehen — nicht vorhergeſehn, daß eines Freundes Großmuth erfinderiſcher könnte ſein, als meine weltkluge Sorgfalt.","norm":"Das, das habe ich nicht vorhergesehen — nicht vorhergesehen, dass eines Freundes Großmut Erfinderischer könnte sein, als meine weltkluge Sorgfalt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3489,"orig":"Mein Gebäude ſtürzt zuſammen — Ich vergaß Dein Herz.","norm":"Mein Gebäude stürzt zusammen — Ich vergaß Dein Herz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3490,"orig":"Zwar wenn Dir’s möglich wär’ geweſen, ihr dieß Schickſal zu erſparen — ſieh, das hätte ich unausſprechlich Dir gedankt.","norm":"Zwar wenn Dir es möglich wäre gewesen, ihr dies Schicksal zu ersparen — sieh, das hätte Ich unaussprechlich Dir gedankt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3491,"orig":"Konnt’ ich denn nicht allein es tragen?","norm":"Konnte ich denn nicht allein es tragen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3492,"orig":"Mußte ſie das zweite Opfer ſein?","norm":"Musste sie das zweite Opfer sein?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3493,"orig":"— Doch ſtill davon.","norm":"— Doch still davon."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3494,"orig":"Ich will mit keinem Vorwurf Dich beladen.","norm":"Ich will mit keinem Vorwurf Dich beladen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3495,"orig":"Was geht die Königinn Dich an?","norm":"Was geht die Königin Dich an?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3496,"orig":"Liebſt Du die Königinn?","norm":"Liebst Du die Königin?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3497,"orig":"Soll Deine ſtrenge Tugend die kleinen Sorgen meiner Liebe fragen?","norm":"Soll Deine strenge Tugend die kleinen Sorgen meiner Liebe fragen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3498,"orig":"Verzeih mir — ich war ungerecht.","norm":"Verzeih mir — ich war ungerecht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3499,"orig":"Du biſt’s.","norm":"Du bist es."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3500,"orig":"Doch — dieſes Vorwurfs wegen nicht.","norm":"Doch — dieses Vorwurfs wegen nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3501,"orig":"Verdient’ ich Einen, dann verdient’ ich alle — und dann würd’ ich ſo nicht vor Dir ſtehen.","norm":"Verdiente Ich Einen, dann verdiente ich alle — und dann würde ich so nicht vor Dir stehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3502,"orig":"Hier ſind von den Briefen ein’ge wieder, die Du in Verwahrung mir gegeben.","norm":"Hier sind von den Briefen einige wieder, die Du in Verwahrung mir gegeben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3503,"orig":"Nimm ſie zu Dir.","norm":"Nimm sie zu Dir."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3504,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3505,"orig":"Ich gebe ſie Dir wieder, weil ſie in Deinen Händen ſich’rer jetzt ſein dürften als in Meinen.","norm":"Ich gebe sie Dir wieder, weil sie in Deinen Händen sicherer jetzt Sein dürften als in Meinen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3506,"orig":"Was iſt das?","norm":"Was ist das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3507,"orig":"Der König las ſie alſo nicht?","norm":"Der König las sie also nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3508,"orig":"bekam ſie gar nicht zu Geſichte?","norm":"bekam sie gar nicht zu Gesichte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3509,"orig":"Dieſe Briefe?","norm":"Diese Briefe?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3510,"orig":"Du zeigteſt ihm nicht alle?","norm":"Du zeigtest ihm nicht alle?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3511,"orig":"Wer ſagt Dir, daß ich ihm Einen zeigte?","norm":"Wer sagt Dir, dass ich ihm Einen zeigte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3512,"orig":"Iſt es möglich?","norm":"Ist es möglich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3513,"orig":"Graf Lerma.","norm":"Graf Lerma."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3514,"orig":"Der hat Dir geſagt?","norm":"Der hat Dir gesagt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3515,"orig":"— Ja!","norm":"— Ja!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3516,"orig":"Nun wird alles, alles offenbar!","norm":"Nun Wird alles, alles offenbar!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3517,"orig":"Wer konnte das auch vorausſehn?","norm":"Wer konnte das auch voraussehn?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3518,"orig":"— Lerma alſo?","norm":"— Lerma also?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3519,"orig":"— Nein, der Mann hat Lügen nie gelernt.","norm":"— Nein, der Mann hat Lügen nie gelernt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3520,"orig":"Ganz recht, die andern Briefe liegen bei dem König.","norm":"Ganz recht, die anderen Briefe liegen bei dem König."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3521,"orig":"Weßwegen bin ich aber hier?","norm":"Weswegen bin ich aber hier?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3522,"orig":"Zur Vorſicht, wenn Du vielleicht zum zweitenmal verſucht ſein möchteſt, eine Eboli zu Deiner Vertrauten zu erwählen —","norm":"Zur Vorsicht, wenn Du vielleicht zum zweiten Mal versucht Sein möchtest, eine Eboli zu Deiner Vertrauten zu erwählen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3523,"orig":"Ha!","norm":"Ha!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3524,"orig":"Nun endlich!","norm":"Nun endlich!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3525,"orig":"Jetzt ſeh’ ich — jetzt wird alles Licht —","norm":"Jetzt sehe ich — jetzt wird alles Licht —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3526,"orig":"Wer kommt?","norm":"Wer kommt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3527,"orig":"Prinz, Sie ſind frei.","norm":"Prinz, Sie sind frei."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3528,"orig":"Zugleich ſchätz’ ich mich glücklich, Prinz, der erſte ſein zu dürfen, der die Gnade hat —","norm":"Zugleich schätze ich mich glücklich, Prinz, der erste sein zu dürfen, der die Gnade hat —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3529,"orig":"Ich werde gefangen eingeſetzt und frei erklärt, und ohne mir bewußt zu ſein, warum ich beides werde?","norm":"Ich werde gefangen eingesetzt und frei erklärt, und ohne mir bewusst zu sein, warum Ich beides werde?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3530,"orig":"Aus Verſehen, Prinz, ſo viel ich weiß, zu welchem irgend ein — Betrüger den Monarchen hingeriſſen.","norm":"Aus Versehen, Prinz, Soviel ich weiß, zu welchem irgendein — Betrüger den Monarchen hingerissen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3531,"orig":"Doch aber iſt es auf Befehl des Königs, daß ich mich hier befinde?","norm":"Doch aber ist es auf Befehl des Königs, dass ich mich hier befinde?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3532,"orig":"Ja, durch ein Verſehen Seiner Majeſtät.","norm":"Ja, durch ein Versehen seiner Majestät."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3533,"orig":"Das thut mir wirklich leid — Doch wenn der König ſich verſieht, kommt es dem König zu, in eigner Perſon den Fehler wieder zu verbeſſern.","norm":"Das tut mir wirklich leid — doch wenn der König sich Versieht, kommt es dem König zu, in eigener Person den Fehler wieder zu verbessern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3534,"orig":"Man nennt mich hier Dom Philipps Sohn.","norm":"Man nennt mich hier Don Philipps Sohn."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3535,"orig":"Die Augen der Läſterung und Neugier ruhn auf mir.","norm":"Die Augen der Lästerung und Neugier ruhen auf mir."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3536,"orig":"Was Seine Majeſtät aus Pflicht gethan, will ich nicht ſcheinen ihrer Huld zu danken.","norm":"Was Seine Majestät aus Pflicht getan, will ich nicht scheinen ihrer Huld zu danken."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3537,"orig":"Sonſt bin ich auch bereit, vor dem Gerichte der Kortes mich zu ſtellen — Meinen Degen nehm’ ich aus ſolcher Hand nicht an.","norm":"Sonst bin ich auch bereit, vor dem Gerichte der Cortes mich zu stellen — Meinen Degen nehme ich aus solcher Hand nicht an."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3538,"orig":"Der König wird keinen Anſtand nehmen, Eurer Hoheit dieß billige Verlangen zu gewähren, wenn Sie vergönnen wollen, daß ich Sie zu ihm begleiten darf —","norm":"Der König wird keinen Anstand nehmen, Eurer Hoheit dies billige Verlangen zu gewähren, wenn Sie vergönnen wollen, dass ich Sie zu ihm begleiten darf —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3539,"orig":"Ich bleibe hier, bis mich der König, oder ſein Madrid aus dieſem Kerker führen.","norm":"Ich bleibe hier, bis mich der König, oder sein Madrid aus diesem Kerker führen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3540,"orig":"Bringen Sie ihm dieſe Antwort.","norm":"Bringen Sie ihm diese Antwort."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3541,"orig":"Karlos und Marquis von Poſa.","norm":"Carlos und Marquis von Posa."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3542,"orig":"Was iſt aber das?","norm":"Was ist aber das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3543,"orig":"Erkläre mir’s.","norm":"Erkläre mir es."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3544,"orig":"Biſt Du denn nicht Miniſter?","norm":"Bist Du denn nicht Minister?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3545,"orig":"Ich bin’s geweſen, wie Du ſiehſt.","norm":"Ich bin es gewesen, wie Du siehst."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3546,"orig":"O Karl, es hat gewirkt.","norm":"O Karl, es hat gewirkt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3547,"orig":"Es hat.","norm":"Es hat."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3548,"orig":"Es iſt gelungen.","norm":"Es ist gelungen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3549,"orig":"Jetzt iſt’s gethan.","norm":"Jetzt ist es getan."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3550,"orig":"Geprieſen ſei die Allmacht, die es gelingen ließ.","norm":"Gepriesen sei die Allmacht, die es gelingen ließ."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3551,"orig":"Gelingen!","norm":"Gelingen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3552,"orig":"Was?","norm":"Was?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3553,"orig":"Ich faſſe Deine Worte nicht.","norm":"Ich fasse Deine Worte nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3554,"orig":"Du biſt gerettet, Karl — biſt frei — und ich —","norm":"Du bist gerettet, Karl — bist frei — und ich —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3555,"orig":"Und Du?","norm":"Und Du?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3556,"orig":"Und ich — — — ich drücke Dich an meine Bruſt zum erſtenmal mit vollem, ganzem Rechte; ich hab’ es ja mit allem, allem was mir theuer iſt, erkauft — O Karl, wie ſüß, wie groß iſt dieſer Augenblick!","norm":"Und ich — — — ich drücke Dich an meine Brust zum ersten Mal mit vollem, ganzem Rechte; Ich habe es ja mit allem, allem was Mir teuer ist, erkauft — O Karl, wie süß, wie groß ist dieser Augenblick!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3557,"orig":"Ich bin mit mir zufrieden.","norm":"Ich bin mit mir zufrieden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3558,"orig":"Welche plötzliche Veränderung in Deinen Zügen!","norm":"Welche plötzliche Veränderung in Deinen Zügen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3559,"orig":"So hab’ ich Dich nie geſehen.","norm":"So habe ich Dich nie gesehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3560,"orig":"Stolzer hebt ſich Deine Bruſt, und Deine Blicke leuchten wie eines höhern Weſens.","norm":"Stolzer hebt sich Deine Brust, und Deine Blicke leuchten wie eines höheren Wesens."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3561,"orig":"Freude der Vollendung.","norm":"Freude der Vollendung."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3562,"orig":"Jetzt iſt die Reih’ an Dir, die Deinige zu wandeln.","norm":"Jetzt ist die Reihe an Dir, die Deinige zu wandeln."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3563,"orig":"Wir müſſen Abſchied nehmen, Karl.","norm":"Wir müssen Abschied nehmen, Karl."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3564,"orig":"Erſchrick nicht.","norm":"Erschrick nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3565,"orig":"O ſei ein Mann.","norm":"O sei ein Mann."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3566,"orig":"Was Du auch hören wirſt, verſprich mir, Karl, nicht durch unbänd’gen Schmerz, unwürdig großer Seelen, dieſe Trennung mir zu erſchweren — Du verlierſt mich, Karl — auf viele Jahre — Thoren nennen es auf ewig.","norm":"Was Du auch hören wirst, versprich mir, Karl, nicht durch unbändigen Schmerz, unwürdig großer Seelen, diese Trennung Mir zu erschweren — Du verlierst mich, Karl — auf viele Jahre — Toren nennen es auf ewig."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3567,"orig":"Sei ein Mann.","norm":"Sei ein Mann."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3568,"orig":"Ich habe ſehr auf Dich gerechnet, hab’ es nicht vermieden, die bange Stunde mit Dir auszuhalten, die man die letzte ſchrecklich nennt — Ja, ſoll ich Dir’s geſtehen, Karl?","norm":"Ich habe sehr auf Dich gerechnet, habe es nicht vermieden, die bange Stunde mit Dir auszuhalten, Die man die letzte schrecklich nennt — Ja, soll Ich Dir es gestehen, Karl?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3569,"orig":"ich habe mich darauf gefreut — Komm, laß uns niederſitzen — ich fühle mich erſchöpft und matt.","norm":"ich habe mich Darauf gefreut — Komme, lass uns niedersitzen — Ich fühle mich erschöpft und matt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3570,"orig":"Wo biſt Du?","norm":"Wo bist Du?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3571,"orig":"Du gibſt mir keine Antwort?","norm":"Du gibst mir keine Antwort?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3572,"orig":"— Ich will kurz ſein.","norm":"— Ich will kurz sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3573,"orig":"Den Tag nachher, als wir zum letztenmal bei den Karthäuſern uns geſehn, ließ mich der König zu ſich fodern.","norm":"Den Tag nachher, als wir zum letzten Mal bei den Kartäusern uns gesehen, ließ mich der König zu sich fordern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3574,"orig":"Den Erfolg weißt Du, weiß ganz Madrid.","norm":"Den Erfolg weißt Du, weiß ganz Madrid."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3575,"orig":"Das weißt Du nicht, daß Dein Geheimniß ihm verrathen worden, daß Briefe, in der Königinn Schatulle gefunden, wider Dich gezeugt, daß ich aus ſeinem eignen Munde dieß erfahren, und daß — ich ſein Vertrauter war.","norm":"Das weißt Du nicht, dass Dein Geheimnis ihm verraten worden, dass Briefe, in der Königin Schatulle gefunden, wider Dich gezeugt, dass ich aus seinem eigenen Munde dies erfahren, und dass — ich sein Vertrauter war."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3576,"orig":"Ja, Karl!","norm":"Ja, Karl!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3577,"orig":"Mit meinen Lippen brach ich meine Treue.","norm":"Mit meinen Lippen brach ich meine Treue."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3578,"orig":"Ich ſelbſt regierte das Komplott, das Dir den Untergang bereitete.","norm":"Ich selbst regierte das Komplott, das Dir den Untergang bereitete."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3579,"orig":"Zu laut ſprach ſchon die That.","norm":"Zu laut Sprach schon die Tat."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3580,"orig":"Dich frei zu ſprechen, war zu ſpät.","norm":"Dich freizusprechen, war zu Spät."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3581,"orig":"Mich ſeiner Rache zu verſichern, war alles, was mir übrig blieb — und ſo ward ich Dein Feind, Dir kräftiger zu dienen.","norm":"Mich seiner Rache zu versichern, war alles, was mir übrigblieb — und so wurde ich Dein Feind, Dir kräftiger zu dienen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3582,"orig":"— — — Du hörſt mich nicht?","norm":"— — — Du hörst mich nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3583,"orig":"Ich höre.","norm":"Ich höre."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3584,"orig":"Weiter.","norm":"Weiter."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3585,"orig":"Weiter.","norm":"Weiter."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3586,"orig":"Bis hieher bin ich ohne Schuld.","norm":"Bis hierher bin ich ohne Schuld."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3587,"orig":"Doch bald verrathen mich die ungewohnten Strahlen der neuen königlichen Gunſt.","norm":"Doch bald Verraten mich die ungewohnten Strahlen der neuen königlichen Gunst."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3588,"orig":"Der Ruf dringt bis zu Dir, wie ich vorhergeſehen.","norm":"Der Ruf dringt bis zu Dir, wie ich vorhergesehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3589,"orig":"Doch ich, von falſcher Zärtlichkeit beſtochen, von ſtolzem Wahn geblendet, ohne Dich das Wageſtück zu enden, unterſchlage der Freundſchaft mein gefährliches Geheimniß.","norm":"Doch ich, von falscher Zärtlichkeit bestochen, von stolzem Wahn geblendet, ohne Dich das Wagestück zu enden, unterschlage der Freundschaft mein gefährliches Geheimnis."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3590,"orig":"Das war die große Übereilung!","norm":"Das war die große Übereilung!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3591,"orig":"Schwer hab’ ich gefehlt.","norm":"Schwer habe ich gefehlt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3592,"orig":"Ich weiß es.","norm":"Ich weiß es."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3593,"orig":"Raſerei war meine Zuverſicht.","norm":"Raserei war meine Zuversicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3594,"orig":"Verzeih’ — ſie war auf Deiner Freundſchaft Ewigkeit gegründet.","norm":"Verzeih — sie war auf Deiner Freundschaft Ewigkeit gegründet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3595,"orig":"Was ich befürchte, geſchieht.","norm":"Was ich befürchte, geschieht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3596,"orig":"Man läßt Dich zittern vor erdichteten Gefahren.","norm":"Man lässt Dich zittern vor erdichteten Gefahren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3597,"orig":"Die Königinn in ihrem Blut — das Schrecken des wiederhallenden Pallaſtes — Lerma’s unglückliche Dienſtfertigkeit — zuletzt mein unbegreifliches Verſtummen, alles beſtürmt Dein überraſchtes Herz — Du wankſt — gibſt mich verloren — Doch, zu edel ſelbſt, an Deines Freundes Redlichkeit zu zweifeln, ſchmückſt Du mit Größe ſeinen Abfall aus, nun erſt wagſt Du, ihn treulos zu behaupten, weil Du noch treulos ihn verehren darfſt.","norm":"Die Königin in ihrem Blut — das Schrecken des widerhallenden Palastes — Lermas unglückliche Dienstfertigkeit — zuletzt mein unbegreifliches Verstummen, alles Bestürmt Dein überraschtes Herz — Du wankst — gibst mich verloren — doch, zu edel selbst, an Deines Freundes Redlichkeit zu zweifeln, schmückst Du mit Größe seinen Abfall aus, nun erst wagst Du, ihn treulos zu behaupten, weil Du noch treulos ihn verehren darfst."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3598,"orig":"Verlaſſen von dem Einzigen wirfſt Du der Fürſtinn Eboli Dich in die Arme — Unglücklicher!","norm":"Verlassen von dem Einzigen wirfst Du der Fürstin Eboli Dich in die Arme — Unglücklicher!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3599,"orig":"in eines Teufels Arme, denn dieſe war’s, die Dich verrieth.","norm":"in eines Teufels Arme, denn diese war es, die Dich verriet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3600,"orig":"Ich ſehe Dich dahin eilen.","norm":"Ich sehe Dich dahin eilen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3601,"orig":"Eine ſchlimme Ahndung fliegt durch mein Herz.","norm":"Eine schlimme Ahndung fliegt durch mein Herz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3602,"orig":"Ich folge Dir. Zu ſpät.","norm":"Ich folge Dir. Zu spät."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3603,"orig":"Du liegſt zu ihren Füßen.","norm":"Du liegst zu ihren Füßen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3604,"orig":"Das Geſtändniß floh über Deine Lippen ſchon.","norm":"Das Geständnis Floh über Deine Lippen schon."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3605,"orig":"Für Dich iſt keine Rettung mehr —","norm":"Für Dich ist keine Rettung mehr —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3606,"orig":"Nein.","norm":"Nein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3607,"orig":"Nein.","norm":"Nein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3608,"orig":"Sie war gerührt.","norm":"Sie war gerührt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3609,"orig":"Du irreſt Dich.","norm":"Du irrest Dich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3610,"orig":"Gewiß war ſie gerührt.","norm":"Gewiss war sie gerührt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3611,"orig":"Da wird es Nacht vor meinen Sinnen!","norm":"Da wird es Nacht vor meinen Sinnen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3612,"orig":"Nichts — Nichts — Kein Ausweg — Keine Hülfe — keine im ganzen Umkreis der Natur!","norm":"Nichts — nichts — kein Ausweg — keine Hilfe — keine im ganzen Umkreis der Natur!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3613,"orig":"Verzweiflung macht mich zur Furie, zum Thier — ich ſetze den Dolch auf eines Weibes Bruſt — Doch jetzt — jetzt fällt ein Sonnenſtrahl in meine Seele.","norm":"Verzweiflung Macht mich zur Furie, zum Tier — ich setze den Dolch auf eines Weibes Brust — doch jetzt — jetzt fällt ein Sonnenstrahl in meine Seele."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3614,"orig":"Karl — ein Gedanke, groß und kühn — zu Deiner Errettung durch ein Wunder mir geſendet!","norm":"Karl — ein Gedanke, groß und kühn — zu Deiner Errettung durch ein Wunder mir gesendet!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3615,"orig":"„Wenn ich den König irrte?","norm":"„Wenn ich den König irrte?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3616,"orig":"Wenn es mir gelänge, ſelbſt der Schuldige zu ſcheinen?","norm":"Wenn es mir Gelänge, selbst der Schuldige zu scheinen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3617,"orig":"Wahrſcheinlich oder nicht!","norm":"Wahrscheinlich oder nicht!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3618,"orig":"— für ihn genug, ſcheinbar genug für König Philipp, weil es übel iſt!","norm":"— für ihn genug, scheinbar genug für König Philipp, weil es übel ist!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3619,"orig":"Es ſei!","norm":"Es sei!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3620,"orig":"ich will es wagen.","norm":"Ich will es wagen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3621,"orig":"Vielleicht ein Donner, der ſo unverhofft ihn trifft, macht den Tirannen ſtutzen — und was will ich mehr?","norm":"Vielleicht ein Donner, der so unverhofft ihn trifft, macht den Tyrannen stutzen — und was will ich mehr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3622,"orig":"Er überlegt, und Karl hat Zeit gewonnen, nach Brabant zu flüchten.","norm":"Er überlegt, und Karl hat Zeit gewonnen, nach Brabant zu flüchten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3623,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3624,"orig":"Und das — das hätteſt Du gethan?","norm":"Und das — das hättest Du getan?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3625,"orig":"Ich ſchreibe an Wilhelm von Oranien, daß ich die Königinn geliebt, daß mir’s gelungen, in dem Verdacht, der fälſchlich Dich gedrückt, des Königs Argwohn zu entgehn — daß ich durch den Monarchen ſelbſt den Weg gefunden, der Königinn mich frei zu nah’n.","norm":"Ich schreibe an Wilhelm von Oranien, dass ich die Königin geliebt, dass mir es gelungen, in dem Verdacht, der fälschlich Dich gedrückt, des Königs Argwohn zu entgehen — dass ich durch den Monarchen selbst den Weg gefunden, der Königin mich frei zu nahen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3626,"orig":"Ich ſetze hinzu, daß ich entdeckt zu ſein beſorge, daß Du, von meiner Leidenſchaft belehrt, zur Fürſtinn Eboli geeilt, vielleicht durch ihre Hand die Königinn zu warnen — daß ich Dich hier gefangen nahm, und nun, weil alles doch verloren, Willens ſei, nach Brüſſel mich zu werfen — — — Dieſen Brief —","norm":"Ich setze hinzu, dass ich entdeckt zu sein besorge, dass Du, von meiner Leidenschaft belehrt, zur Fürstin Eboli geeilt, vielleicht durch ihre Hand die Königin zu warnen — dass ich Dich hier gefangennahm, und nun, weil alles doch verloren, Willens sei, nach Brüssel mich zu werfen — — — diesen Brief —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3627,"orig":"Haſt Du der Poſt doch nicht vertraut?","norm":"Hast Du der Post doch nicht vertraut?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3628,"orig":"Du weißt, daß alle Briefe nach Brabant und Flandern —","norm":"Du weißt, dass alle Briefe nach Brabant und Flandern —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3629,"orig":"Dem König ausgeliefert werden — — Wie die Sachen ſtehn, hat Taxis ſeine Pflicht bereits gethan.","norm":"Dem König ausgeliefert werden — — wie die Sachen stehen, hat Taxis seine Pflicht bereits getan."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3630,"orig":"Gott!","norm":"Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3631,"orig":"So bin ich verloren.","norm":"So bin ich verloren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3632,"orig":"Du?","norm":"Du?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3633,"orig":"Warum Du?","norm":"Warum Du?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3634,"orig":"Unglücklicher, und Du biſt mit verloren.","norm":"Unglücklicher, und Du bist mit verloren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3635,"orig":"Dieſen ungeheuern Betrug kann Dir mein Vater nicht vergeben.","norm":"Diesen ungeheuren Betrug kann Dir mein Vater nicht vergeben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3636,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3637,"orig":"Den vergibt er nimmermehr?","norm":"Den vergibt er nimmermehr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3638,"orig":"Betrug?","norm":"Betrug?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3639,"orig":"Du biſt zerſtreut.","norm":"Du bist zerstreut."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3640,"orig":"Beſinne Dich.","norm":"Besinne Dich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3641,"orig":"Wer ſagt ihm, daß es Betrug geweſen?","norm":"Wer sagt ihm, dass es Betrug gewesen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3642,"orig":"Wer, fragſt Du?","norm":"Wer, fragst Du?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3643,"orig":"Ich ſelbſt.","norm":"Ich selbst."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3644,"orig":"Du raſeſt.","norm":"Du rasest."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3645,"orig":"Bleib zurück.","norm":"Bleib zurück."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3646,"orig":"Weg!","norm":"Weg!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3647,"orig":"Weg!","norm":"Weg!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3648,"orig":"Um Gottes willen.","norm":"Um Gottes willen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3649,"orig":"Halte mich nicht auf.","norm":"Halte mich nicht auf."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3650,"orig":"Indem ich hier verweile, dingt er ſchon die Mörder.","norm":"Indem ich hier verweile, dingt er schon die Mörder."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3651,"orig":"Deſto edler iſt die Zeit.","norm":"Desto edler ist die Zeit."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3652,"orig":"Wir haben uns noch viel zu ſagen.","norm":"Wir haben uns noch viel zu sagen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3653,"orig":"Was?","norm":"Was?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3654,"orig":"Eh’ er noch alles —","norm":"Ehe er noch alles —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3655,"orig":"Höre Karlos — War ich auch ſo eilig, ſo gewiſſenhaft, da Du für mich geblutet haſt — ein Knabe?","norm":"Höre Carlos — war Ich auch so eilig, so gewissenhaft, da Du für mich geblutet hast — ein Knabe?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3656,"orig":"O gute Vorſicht!","norm":"O gute Vorsicht!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3657,"orig":"Rette Dich für Flandern!","norm":"Rette Dich für Flandern!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3658,"orig":"Das Königreich iſt Dein Beruf.","norm":"Das Königreich ist Dein Beruf."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3659,"orig":"Für Dich zu ſterben war der meinige.","norm":"Für Dich zu sterben war der meinige."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3660,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3661,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3662,"orig":"Er wird — er kann nicht widerſtehn!","norm":"Er wird — er kann nicht widerstehen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3663,"orig":"So vieler Erhabenheit nicht widerſtehn!","norm":"So vieler Erhabenheit nicht widerstehen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3664,"orig":"— Ich will Dich zu ihm führen.","norm":"— Ich will Dich zu ihm führen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3665,"orig":"Arm in Arme wollen wir zu ihm gehen.","norm":"Arm in Arme wollen wir zu ihm gehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3666,"orig":"Vater, will ich ſagen, das hat ein Freund für ſeinen Freund gethan.","norm":"Vater, will ich sagen, das hat ein Freund für seinen Freund getan."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3667,"orig":"Es wird ihn rühren.","norm":"Es wird ihn rühren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3668,"orig":"Glaube mir: er iſt nicht ohne Menſchlichkeit, mein Vater.","norm":"Glaube mir: Er ist nicht ohne Menschlichkeit, mein Vater."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3669,"orig":"Ja!","norm":"Ja!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3670,"orig":"Gewiß!","norm":"Gewiss!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3671,"orig":"es wird ihn rühren.","norm":"es wird ihn rühren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3672,"orig":"Seine Augen werden von warmen Thränen übergehn, und Dir und mir wird er verzeihen —","norm":"Seine Augen werden von warmen Tränen übergehen, und Dir und mir wird er verzeihen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3673,"orig":"Ha!","norm":"Ha!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3674,"orig":"Wem galt das?","norm":"Wem galt das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3675,"orig":"Ich glaube — mir.","norm":"Ich glaube — mir."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3676,"orig":"O himmliſche Barmherzigkeit!","norm":"O himmlische Barmherzigkeit!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3677,"orig":"Er iſt geſchwind — der König — Ich hoffte — länger — Denk’ auf Deine Rettung — Hörſt Du?","norm":"Er ist geschwind — der König — Ich hoffte — länger — Denke auf Deine Rettung — hörst Du?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3678,"orig":"— auf Deine Rettung — Deine Mutter weiß alles — ich kann nicht mehr —","norm":"— auf Deine Rettung — Deine Mutter Weiß alles — ich kann nicht mehr —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3679,"orig":"Deine Bitte hat Statt gefunden, mein Infant.","norm":"Deine Bitte hat Stattgefunden, mein Infant."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3680,"orig":"Hier bin ich, ich ſelbſt, mit allen Großen meines Reichs, Dir Freiheit anzukündigen.","norm":"Hier bin ich, Ich selbst, mit allen Großen meines Reichs, Dir Freiheit anzukündigen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3681,"orig":"Empfange Dein Schwert zurück.","norm":"Empfange Dein Schwert zurück."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3682,"orig":"Man hat zu raſch verfahren.","norm":"Man hat zu rasch verfahren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3683,"orig":"Mein Sohn iſt nicht an ſeinem Platz.","norm":"Mein Sohn ist nicht an seinem Platz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3684,"orig":"Steh auf.","norm":"Stehe auf."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3685,"orig":"Komm in die Arme Deines Vaters.","norm":"Komme in die Arme Deines Vaters."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3686,"orig":"Dein Geruch iſt Mord.","norm":"Dein Geruch ist Mord."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3687,"orig":"Ich kann Dich nicht umarmen.","norm":"Ich kann Dich nicht umarmen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3688,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3689,"orig":"Steht nicht ſo betroffen da!","norm":"Steht nicht so betroffen da!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3690,"orig":"Was hab’ ich ungeheures denn gethan?","norm":"Was habe Ich ungeheures denn getan?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3691,"orig":"Des Himmels Geſalbten angetaſtet?","norm":"Des Himmels Gesalbten angetastet?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3692,"orig":"Fürchtet nichts.","norm":"Fürchtet nichts."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3693,"orig":"Ich lege keine Hand an ihn.","norm":"Ich lege keine Hand an ihn."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3694,"orig":"Seht ihr das Brandmahl nicht an ſeiner Stirne?","norm":"Seht ihr das Brandmal nicht an seiner Stirn?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3695,"orig":"Gott hat ihn gezeichnet.","norm":"Gott hat ihn gezeichnet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3696,"orig":"Folgt mir, meine Granden.","norm":"Folgt mir, meine Granden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3697,"orig":"Wohin?","norm":"Wohin?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3698,"orig":"Nicht von der Stelle, Sire —","norm":"Nicht von der Stelle, Sire —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3699,"orig":"Das Schwert gezückt auf Deinen Vater?","norm":"Das Schwert Gezückt auf Deinen Vater?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3700,"orig":"Königsmord!","norm":"Königsmord!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3701,"orig":"Steckt Eure Schwerter ein.","norm":"Steckt Eure Schwerter ein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3702,"orig":"Was wollt Ihr?","norm":"Was wollt Ihr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3703,"orig":"Glaubt Ihr, ich ſei raſend?","norm":"Glaubt Ihr, ich sei rasend?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3704,"orig":"Nein, ich bin nicht raſend.","norm":"Nein, ich bin nicht rasend."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3705,"orig":"Wär’ ich’s, ſo thatet Ihr nicht gut, mich zu erinnern, daß auf meines Schwertes Spitze ſein Leben ſchwebt.","norm":"Wäre ich es, so tatet Ihr nicht gut, mich zu Erinnern, dass auf meines Schwertes Spitze Sein Leben schwebt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3706,"orig":"Ich bitte, haltet Euch, entfernt.","norm":"Ich bitte, haltet Euch, entfernt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3707,"orig":"Verfaſſungen, wie meine, wollen geſchmeichelt ſein — drum bleibt zurück.","norm":"Verfassungen, wie meine, wollen geschmeichelt sein — darum bleibt zurück."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3708,"orig":"Was ich mit dieſem König abzumachen habe, geht Euern Leheneid nichts an.","norm":"Was ich mit diesem König abzumachen habe, geht Euren Leheneid nichts an."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3709,"orig":"Seht nur wie ſeine Finger bluten!","norm":"Seht nur wie seine Finger bluten!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3710,"orig":"Seht ihn recht an!","norm":"Seht ihn recht an!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3711,"orig":"Seht Ihr?","norm":"Seht Ihr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3712,"orig":"O ſeht auch hieher — Das hat er gethan, der große Künſtler!","norm":"O seht auch hierher — das hat er getan, der große Künstler!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3713,"orig":"Tretet alle zurück.","norm":"Tretet alle Zurück."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3714,"orig":"Wovor erzittert Ihr?","norm":"Wovor erzittert Ihr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3715,"orig":"— Sind wir nicht Sohn und Vater?","norm":"— Sind wir nicht Sohn und Vater?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3716,"orig":"Ich will doch erwarten, zu welcher Schandthat die Natur —","norm":"Ich will doch erwarten, zu welcher Schandtat die Natur —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3717,"orig":"Natur?","norm":"Natur?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3718,"orig":"Ich weiß von keiner.","norm":"Ich weiß von keiner."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3719,"orig":"Mord iſt jetzt die Loſung.","norm":"Mord ist jetzt die Losung."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3720,"orig":"Der Menſchheit Bande ſind entzwei.","norm":"Der Menschheit Bande sind entzwei."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3721,"orig":"Du ſelbſt haſt ſie zerriſſen, Sire, in Deinen Reichen.","norm":"Du selbst Hast sie zerrissen, Sire, in Deinen Reichen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3722,"orig":"Soll ich verehren was Du höhnſt?","norm":"Soll ich verehren was Du höhnst?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3723,"orig":"— O ſeht!","norm":"— O seht!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3724,"orig":"Seht hieher!","norm":"Seht hierher!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3725,"orig":"Es iſt noch kein Mord geſchehen als heute — Gibt es keinen Gott?","norm":"Es ist noch kein Mord geschehen als heute — gibt es keinen Gott?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3726,"orig":"Was?","norm":"Was?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3727,"orig":"Dürfen in ſeiner Schöpfung Könige, ſo hauſen?","norm":"Dürfen in seiner Schöpfung Könige, so hausen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3728,"orig":"Ich frage, gibt es keinen Gott?","norm":"Ich frage, gibt es keinen Gott?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3729,"orig":"So lange Mütter geboren haben, iſt nur Einer — Einer ſo unverdient geſtorben — Weißt Du auch, was Du gethan haſt?","norm":"Solange Mütter geboren haben, ist nur Einer — Einer so unverdient gestorben — weißt Du auch, was Du getan hast?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3730,"orig":"Nein, er weiß es nicht, weiß nicht, daß er ein Leben hat geſtohlen aus dieſer Welt, das wichtiger und edler und theurer war, als er mit ſeinem ganzen Jahrhundert.","norm":"Nein, er weiß es nicht, Weiß nicht, dass er ein Leben hat gestohlen aus dieser Welt, das wichtiger und edler und teurer war, als er mit seinem ganzen Jahrhundert."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3731,"orig":"— O es iſt ſchrecklich!","norm":"— O es ist schrecklich!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3732,"orig":"Wenn ich allzuraſch geweſen, geziemt es Dir, für den ich es geweſen, mich zur Verantwortung zu ziehen?","norm":"Wenn ich allzu rasch gewesen, geziemt es Dir, für den ich es gewesen, mich zur Verantwortung zu ziehen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3733,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3734,"orig":"Iſt’s möglich?","norm":"Ist es möglich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3735,"orig":"Sie errathen nicht?","norm":"Sie erraten nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3736,"orig":"errathen noch nicht, wer mir der Todte war?","norm":"erraten noch nicht, wer mir der Tote war?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3737,"orig":"So arm iſt die Vernunft bei einem armen Herzen!","norm":"So arm ist die Vernunft bei einem armen Herzen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3738,"orig":"Der Todte — O ſagt Ihr es ihm — helft ſeiner Allwiſſenheit das ſchwere Räthſel löſen.","norm":"Der Tote — O sagt Ihr es ihm — helft seiner Allwissenheit das schwere Rätsel lösen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3739,"orig":"Der Todte war mein Freund.","norm":"Der Tote war mein Freund."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3740,"orig":"Und wollt Ihr wiſſen, warum er ſtarb?","norm":"Und wollt Ihr wissen, warum er starb?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3741,"orig":"Für mich iſt er geſtorben.","norm":"Für mich ist er gestorben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3742,"orig":"Ha!","norm":"Ha!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3743,"orig":"meine Ahndung!","norm":"meine Ahndung!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3744,"orig":"Blutender, vergib, daß ich vor ſolchen Ohren es entweihe!","norm":"Blutender, vergib, dass ich vor solchen Ohren es entweihe!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3745,"orig":"Doch dieſer große Menſchenkenner ſinke für Scham dahin, daß ſeine graue Weisheit der Scharfſinn eines Jünglings überliſtet.","norm":"Doch dieser große Menschenkenner sinke für Scham dahin, dass seine graue Weisheit der Scharfsinn eines Jünglings überlistet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3746,"orig":"Ja, Sire!","norm":"Ja, Sire!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3747,"orig":"Wir waren Brüder!","norm":"Wir waren Brüder!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3748,"orig":"Brüder durch ein edler Band, als die Natur es ſchmiedet.","norm":"Brüder durch ein edler Band, als die Natur es schmiedet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3749,"orig":"Sein ſchöner Lebenslauf war Liebe.","norm":"Sein schöner Lebenslauf war Liebe."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3750,"orig":"Liebe für mich ſein großer, ſchöner Tod.","norm":"Liebe für mich sein großer, schöner Tod."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3751,"orig":"Mein war er, als Sie mit ſeiner Achtung groß gethan, als ſeine ſcherzende Beredſamkeit mit Ihrem ſtolzen Rieſengeiſte ſpielte.","norm":"Mein war er, als Sie mit seiner Achtung großgetan, als seine scherzende Beredsamkeit mit Ihrem stolzen Riesengeiste spielte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3752,"orig":"Ihn zu beherrſchen wähnten Sie — und waren ein folgſam Werkzeug ſeiner höhern Plane.","norm":"Ihn zu beherrschen wähnten Sie — und waren ein folgsam Werkzeug seiner höheren Plane."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3753,"orig":"Daß ich gefangen bin, war ſeiner Freundſchaft durchdachtes Werk.","norm":"Dass ich gefangen bin, war seiner Freundschaft durchdachtes Werk."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3754,"orig":"Mich zu erretten, ſchrieb er an Oranien den Brief — O Gott!","norm":"Mich zu erretten, schrieb er an Oranien den Brief — O Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3755,"orig":"er war die erſte Lüge ſeines Lebens!","norm":"er war die erste Lüge seines Lebens!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3756,"orig":"Mich zu erretten, warf er ſich dem Tod, den er erlitten hat, entgegen.","norm":"Mich zu erretten, warf er sich dem Tod, den er erlitten hat, entgegen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3757,"orig":"Sie beſchenkten ihn mit Ihrer Gunſt — er ſtarb für mich!","norm":"Sie beschenkten ihn Mit Ihrer Gunst — er starb für mich!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3758,"orig":"— Ihr Herz, Ihr königlich Vertrauen — Ihre Freundſchaft drangen Sie ihm auf, Ihr Zepter war das Spielwerk ſeiner Hände, er warf es hin, und ſtarb für mich!","norm":"— Ihr Herz, Ihr königlich Vertrauen — Ihre Freundschaft drangen Sie ihm auf, Ihr Zepter war das Spielwerk seiner Hände, er warf es hin, und starb für mich!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3759,"orig":"Und war es möglich?","norm":"Und war es möglich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3760,"orig":"Dieſer groben Lüge konnten Sie Glauben ſchenken?","norm":"Dieser groben Lüge konnten Sie Glauben schenken?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3761,"orig":"Wie gering’ mußt’ er Sie ſchätzen, da er’s unternahm, bei Ihnen mit dieſem plumpen Gaukelſpiel zu reichen!","norm":"Wie gering musste er Sie schätzen, da er das unternahm, bei Ihnen Mit diesem plumpen Gaukelspiel zu reichen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3762,"orig":"Um ſeine Freundſchaft wagten Sie zu buhlen, und unterlagen dieſer leichten Probe!","norm":"Um seine Freundschaft wagten Sie zu buhlen, und unterlagen dieser leichten Probe!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3763,"orig":"O nein — nein, das war nichts für Sie.","norm":"O nein — nein, das war nichts für Sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3764,"orig":"Das war kein Menſch für Sie!","norm":"Das war kein Mensch für Sie!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3765,"orig":"Das wußt’ er ſelbſt recht gut, als er mit allen Kronen Sie verſtoßen.","norm":"Das wusste er selbst recht gut, als er mit allen Kronen Sie verstoßen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3766,"orig":"Dieß feine Saitenſpiel zerbrach in Ihrer metallnen Hand.","norm":"Dies feine Saitenspiel zerbrach in Ihrer metallenen Hand."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3767,"orig":"Sie konnten nichts, als ihn ermorden.","norm":"Sie konnten nichts, als ihn Ermorden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3768,"orig":"Sire — nicht dieſe Todtenſtille.","norm":"Sire — nicht diese Totenstille."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3769,"orig":"Sehen Sie um Sich. Reden Sie mit uns.","norm":"Sehen Sie um sich Reden Sie mit uns."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3770,"orig":"Sie waren ihm nicht gleichgültig.","norm":"Sie waren ihm nicht gleichgültig."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3771,"orig":"Seinen Antheil hatten Sie längſt.","norm":"Seinen Anteil hatten Sie längst."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3772,"orig":"Vielleicht!","norm":"Vielleicht!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3773,"orig":"Er hätte Sie noch glücklich gemacht.","norm":"Er hätte Sie noch glücklich Gemacht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3774,"orig":"Sein Herz war reich genug, Sie ſelbſt von ſeinem Überfluſſe zu vergnügen.","norm":"Sein Herz war reich genug, Sie selbst Von seinem Überflusse zu vergnügen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3775,"orig":"Die Splitter ſeines Geiſtes hätten Sie zum Gott gemacht.","norm":"Die Splitter seines Geistes hätten Sie zum Gott gemacht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3776,"orig":"Sich ſelber haben Sie beſtohlen — O der königlichen Dummheit, die ſo viel göttliches zerſtört!","norm":"Sich selber haben Sie Bestohlen — O der königlichen Dummheit, die so viel Göttliches zerstört!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3777,"orig":"Da liegt er todt zu meinen Füßen.","norm":"Da liegt er tot zu meinen Füßen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3778,"orig":"O die ihr hier verſammelt ſteht, und vor Entſetzen und vor Bewunderung verſtummt — verdammet den Jüngling nicht, der dieſe Sprache gegen den Vater und den König führt — Seht hieher!","norm":"O die ihr hier versammelt steht, und vor Entsetzen und vor Bewunderung verstummt — verdammet den Jüngling nicht, der diese Sprache gegen den Vater und den König führt — seht hierher!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3779,"orig":"Für mich iſt er geſtorben!","norm":"Für mich ist er gestorben!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3780,"orig":"Habt Ihr Thränen?","norm":"Habt Ihr Tränen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3781,"orig":"Fließt Blut, nicht glühend Erz, in Euern Adern?","norm":"Fließt Blut, nicht glühend Erz, in Euren Adern?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3782,"orig":"Seht hieher und verdammt mich nicht.","norm":"Seht hierher und verdammt mich nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3783,"orig":"Vielleicht erwarten Sie, wie dieſe unnatürliche Geſchichte ſich enden wird?","norm":"Vielleicht Erwarten Sie, wie diese unnatürliche Geschichte sich enden wird?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3784,"orig":"— Hier iſt mein Schwert.","norm":"— Hier ist mein Schwert."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3785,"orig":"Sie ſind mein König wieder.","norm":"Sie sind mein König wieder."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3786,"orig":"Denken Sie, daß ich vor Ihrer Rache zittre?","norm":"Denken Sie, dass ich vor Ihrer Rache zittre?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3787,"orig":"Morden Sie mich auch, wie Sie den Edelſten gemordet.","norm":"Morden Sie mich auch, wie Sie den Edelsten gemordet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3788,"orig":"Mein Leben iſt verwirkt.","norm":"Mein Leben ist verwirkt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3789,"orig":"Ich weiß.","norm":"Ich weiß."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3790,"orig":"Was iſt mir jetzt das Leben?","norm":"Was ist mir jetzt das Leben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3791,"orig":"Hier entſag’ ich allem, was mich auf dieſer Welt erwartet.","norm":"Hier entsage ich allem, was mich auf dieser Welt erwartet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3792,"orig":"Suchen Sie unter Fremdlingen Sich einen Sohn — Da liegen meine Reiche —","norm":"Suchen Sie unter Fremdlingen sich einen Sohn — da liegen meine Reiche —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3793,"orig":"Nun?","norm":"Nun?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3794,"orig":"Will niemand antworten?","norm":"Will niemand Antworten?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3795,"orig":"— Jeder Blick am Boden — jedes Geſicht verhüllt!","norm":"— Jeder Blick am Boden — jedes Gesicht verhüllt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3796,"orig":"— Mein Urtheil iſt geſprochen.","norm":"— Mein Urteil ist gesprochen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3797,"orig":"In dieſen ſtummen Mienen leſ’ ich es verkündigt.","norm":"In diesen stummen Mienen lese ich es Verkündigt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3798,"orig":"Meine Unterthanen haben mich gerichtet.","norm":"Meine Untertanen haben mich Gerichtet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3799,"orig":"Warlich!","norm":"Wahrlich!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3800,"orig":"Das iſt Sturm!","norm":"Das ist Sturm!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3801,"orig":"So fürcht’ ich.","norm":"So fürchte ich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3802,"orig":"Man dringt herauf.","norm":"Man dringt herauf."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3803,"orig":"Man kommt.","norm":"Man kommt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3804,"orig":"Rebellion!","norm":"Rebellion!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3805,"orig":"Wo iſt der König?","norm":"Wo ist der König?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3806,"orig":"Ganz Madrid in Waffen!","norm":"Ganz Madrid in Waffen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3807,"orig":"Zu Tauſenden umringt der wüthende Soldat, der Pöbel den Pallaſt.","norm":"Zu Tausenden umringt der wütende Soldat, der Pöbel den Palast."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3808,"orig":"Prinz Karlos, verbreitet man, ſei in Verhaft genommen, ſein Leben in Gefahr.","norm":"Prinz Carlos, verbreitet man, sei in Verhaft genommen, Sein Leben in Gefahr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3809,"orig":"Das Volk will ihn lebendig ſehen oder ganz Madrid in Flammen aufgehn laſſen.","norm":"Das Volk will ihn Lebendig sehen oder ganz Madrid in Flammen aufgehen lassen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3810,"orig":"Rettet!","norm":"Rettet!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3811,"orig":"Rettet den König!","norm":"Rettet den König!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3812,"orig":"Flüchten Sie Sich, Sire — Es hat Gefahr — Noch wiſſen wir nicht, wer den Pöbel waffnet —","norm":"Flüchten Sie sich, Sire — es hat Gefahr — noch wissen wir nicht, wer den Pöbel waffnet —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3813,"orig":"Bin ich noch König dieſes Landes?","norm":"Bin ich noch König dieses Landes?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3814,"orig":"— Nein.","norm":"— Nein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3815,"orig":"Ich bin es nicht mehr.","norm":"Ich bin es nicht mehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3816,"orig":"Dieſe Memmen weinen, von einem Knaben weich gemacht.","norm":"Diese Memmen weinen, von einem Knaben weichgemacht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3817,"orig":"Man wartet nur auf die Loſung, von mir abzufallen.","norm":"Man wartet nur auf die Losung, von mir abzufallen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3818,"orig":"Ich bin verrathen von Rebellen.","norm":"Ich bin verraten von Rebellen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3819,"orig":"Sire, welch fürchterliche Phantaſie!","norm":"Sire, Welch fürchterliche Phantasie!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3820,"orig":"Dorthin!","norm":"Dorthin!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3821,"orig":"Dort werft Euch nieder!","norm":"Dort werft Euch nieder!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3822,"orig":"Vor dem blühenden, dem jungen König werft Euch nieder — Ich bin nichts mehr — ein ohnmächt’ger Greis!","norm":"Vor dem blühenden, dem jungen König werft Euch nieder — Ich bin nichts mehr — ein ohnmächtiger Greis!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3823,"orig":"Dahin iſt es gekommen!","norm":"Dahin ist es gekommen!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3824,"orig":"Spanier!","norm":"Spanier!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3825,"orig":"Bekleidet ihn mit dem königlichen Schmuck — Auf meiner zertretnen Leiche tragt ihn —","norm":"Bekleidet ihn mit dem königlichen Schmuck — auf meiner zertretenen Leiche tragt ihn —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3826,"orig":"Hülfe!","norm":"Hilfe!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3827,"orig":"Gott!","norm":"Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3828,"orig":"Gott!","norm":"Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3829,"orig":"welcher Zufall!","norm":"welcher Zufall!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3830,"orig":"Er iſt von ſich — Jetzt!","norm":"Er ist von sich — jetzt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3831,"orig":"Bringen Sie ihn zu Bette.","norm":"Bringen Sie ihn zu Bette."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3832,"orig":"Unterdeſſen geb’ ich Madrid den Frieden.","norm":"Unterdessen gebe ich Madrid den Frieden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3833,"orig":"Ich komme von Ihrer Majeſtät der Königinn.","norm":"Ich komme von Ihrer Majestät der Königin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3834,"orig":"Mein Name iſt Merkado — Ich bin Leibarzt bei Ihrer Majeſtät — und hier iſt meine Beglaubigung.","norm":"Mein Name ist Merkado — Ich bin Leibarzt bei Ihrer Majestät — und hier ist meine Beglaubigung."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3835,"orig":"Die Königinn wünſcht ſehr Sie heute noch zu ſprechen — wichtige Geſchäfte —","norm":"Die Königin wünscht sehr Sie heute noch zu sprechen — wichtige Geschäfte —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3836,"orig":"Wichtig iſt mir nichts mehr auf dieſer Welt.","norm":"Wichtig ist mir nichts mehr auf dieser Welt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3837,"orig":"Ein Auftrag, ſagte ſie, den Marquis Poſa hinterlaſſen —","norm":"Ein Auftrag, sagte sie, den Marquis Posa hinterlassen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3838,"orig":"Was?","norm":"Was?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3839,"orig":"Sogleich.","norm":"Sogleich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3840,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3841,"orig":"Jetzt nicht, gnäd’ger Prinz.","norm":"Jetzt nicht, gnädiger Prinz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3842,"orig":"Sie müſſen die Nacht erwarten.","norm":"Sie müssen die Nacht erwarten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3843,"orig":"Jeder Zugang iſt beſetzt und alle Wachen dort verdoppelt.","norm":"Jeder Zugang ist besetzt und alle Wachen dort verdoppelt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3844,"orig":"Unmöglich iſt es, dieſen Flügel des Pallaſtes ungeſehen zu betreten.","norm":"Unmöglich ist es, diesen Flügel des Palastes ungesehen zu betreten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3845,"orig":"Sie würden alles wagen —","norm":"Sie würden alles wagen —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3846,"orig":"Aber —","norm":"Aber —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3847,"orig":"Nur Ein Mittel, Prinz, iſt höchſtens noch vorhanden — Die Königinn hat es erdacht.","norm":"Nur ein Mittel, Prinz, ist höchstens noch vorhanden — die Königin hat es erdacht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3848,"orig":"Sie legt es Ihnen vor — Doch es iſt kühn und ſeltſam und abentheuerlich.","norm":"Sie legt es Ihnen vor — doch es ist kühn und seltsam und abenteuerlich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3849,"orig":"Das iſt?","norm":"Das ist?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3850,"orig":"Schon längſt geht eine Sage, wie Sie wiſſen, daß um Mitternacht in den gewölbten Gängen der königlichen Burg, in Mönchsgeſtalt, der abgeſchiedne Geiſt des Kaiſers wandle.","norm":"Schon längst geht eine Sage, wie Sie wissen, dass um Mitternacht in den gewölbten Gängen der königlichen Burg, in Mönchsgestalt, der abgeschiedene Geist des Kaisers wandle."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3851,"orig":"Der Pöbel glaubt an dieß Gerücht, die Wachen beziehen nur mit Schauer dieſen Poſten.","norm":"Der Pöbel glaubt an dies Gerücht, die Wachen Beziehen nur mit Schauer diesen Posten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3852,"orig":"Wenn Sie entſchloſſen ſind, Sich dieſer Verkleidung zu bedienen, können Sie durch alle Wachen frei und unverſehrt bis zum Gemach der Königinn gelangen, das dieſer Schlüſſel öffnen wird.","norm":"Wenn Sie entschlossen sind, sich dieser Verkleidung zu bedienen, können Sie Durch alle Wachen frei und unversehrt bis zum Gemach der Königin gelangen, das dieser Schlüssel öffnen wird."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3853,"orig":"Vor jedem Angriff ſchützt Sie die heilige Geſtalt.","norm":"Vor jedem Angriff schützt Sie die heilige Gestalt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3854,"orig":"Doch auf der Stelle, Prinz, muß Ihr Entſchluß gefaßt ſein, Das nöth’ge Kleid, die Maſke, finden Sie in Ihrem Zimmer.","norm":"Doch auf der Stelle, Prinz, muss Ihr Entschluss gefasst sein, das nötige Kleid, die Maske, finden Sie in Ihrem Zimmer."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3855,"orig":"Ich muß eilen, Ihrer Majeſtät Antwort zu bringen.","norm":"Ich muss eilen, Ihrer Majestät Antwort zu bringen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3856,"orig":"Und die Zeit?","norm":"Und die Zeit?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3857,"orig":"Die Zeit iſt zwölf Uhr.","norm":"Die Zeit ist zwölf Uhr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3858,"orig":"Sagen Sie ihr, daß ſie mich erwarten könne.","norm":"Sagen Sie ihr, dass sie mich Erwarten könne."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3859,"orig":"Retten Sie Sich, Prinz.","norm":"Retten Sie sich, Prinz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3860,"orig":"Der König wüthet gegen Sie.","norm":"Der König wütet gegen Sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3861,"orig":"Ein Anſchlag auf Ihre Freiheit — wo nicht auf Ihr Leben.","norm":"Ein Anschlag auf Ihre Freiheit — wo nicht auf Ihr Leben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3862,"orig":"Befragen Sie mich weiter nicht.","norm":"Befragen Sie mich weiter nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3863,"orig":"Ich habe mich weggeſtohlen, Sie zu warnen.","norm":"Ich habe mich weggestohlen, Sie zu warnen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3864,"orig":"Fliehen Sie ohne Aufſchub.","norm":"Fliehen Sie ohne Aufschub."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3865,"orig":"Bald dürft’ es zu ſpät ſein.","norm":"Bald dürfte es zu spät sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3866,"orig":"Ich bin in den Händen der Allmacht.","norm":"Ich bin in den Händen der Allmacht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3867,"orig":"Wie die Königinn mich eben hat merken laſſen, ſollen Sie noch heute Madrid verlaſſen und nach Brüſſel flüchten.","norm":"Wie die Königin mich eben Hat merken lassen, sollen Sie noch heute Madrid verlassen und nach Brüssel flüchten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3868,"orig":"Verſchieben Sie es nicht, ja nicht!","norm":"Verschieben Sie es nicht, ja nicht!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3869,"orig":"Der Aufruhr begünſtigt Ihre Flucht.","norm":"Der Aufruhr begünstigt Ihre Flucht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3870,"orig":"In dieſer Abſicht hat ihn die Königinn veranlaßt.","norm":"In dieser Absicht hat ihn die Königin veranlasst."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3871,"orig":"Jetzt wird man ſich nicht erkühnen, gegen Sie Gewalt zu brauchen.","norm":"Jetzt Wird man sich nicht erkühnen, gegen Sie Gewalt zu brauchen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3872,"orig":"Im Karthäuſerkloſter erwartet Sie die Poſt, und hier ſind Waffen, wenn Sie gezwungen ſollten ſein —","norm":"Im Kartäuserkloster erwartet Sie die Post, und hier sind Waffen, wenn Sie gezwungen sollten sein —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3873,"orig":"Ich bin Ihr dankbarer Schuldner, Graf von Lerma.","norm":"Ich bin Ihr dankbarer Schuldner, Graf von Lerma."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3874,"orig":"Reiſen Sie glücklich — Ihre heutige Geſchichte hat mich im Innerſten gerührt.","norm":"Reisen sie glücklich — Ihre heutige Geschichte hat mich im Innersten gerührt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3875,"orig":"So liebt kein Freund mehr!","norm":"So liebt kein Freund mehr!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3876,"orig":"Alle Patrioten weinen um Sie.","norm":"Alle Patrioten weinen um Sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3877,"orig":"Mehr darf ich jetzt nicht ſagen.","norm":"Mehr darf ich jetzt nicht sagen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3878,"orig":"Graf von Lerma!","norm":"Graf von Lerma!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3879,"orig":"Dieſer Abgeſchiedne nannte Sie einen edlen Mann.","norm":"Dieser Abgeschiedene nannte Sie einen edlen Mann."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3880,"orig":"Noch einmal!","norm":"Noch einmal!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3881,"orig":"Reiſen Sie glücklich.","norm":"Reisen Sie glücklich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3882,"orig":"Schön’re Zeiten werden kommen; dann aber werd’ ich nicht mehr ſein.","norm":"Schönere Zeiten werden kommen; dann aber werde ich nicht mehr sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3883,"orig":"Empfangen Sie meine Huldigung ſchon hier.","norm":"Empfangen Sie meine Huldigung schon hier."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3884,"orig":"Nicht alſo — Nicht alſo, Graf — Sie rühren mich — Ich möchte nicht gerne weich ſein —","norm":"Nicht also — nicht also, Graf — Sie rühren mich — Ich möchte nicht gerne weich sein —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3885,"orig":"König meiner Kinder!","norm":"König meiner Kinder!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3886,"orig":"O meine Kinder werden ſterben dürfen für Sie.","norm":"O meine Kinder werden sterben dürfen für Sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3887,"orig":"Ich darf es nicht.","norm":"Ich darf es nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3888,"orig":"Erinnern Sie Sich meiner in meinen Kindern — Kehren Sie in Frieden nach Spanien zurücke.","norm":"Erinnern Sie sich meiner in meinen Kindern — Kehren Sie in Frieden nach Spanien zurücke."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3889,"orig":"Seien Sie ein Menſch auf König Philipps Thron.","norm":"Seien Sie ein Mensch auf König Philipps Thron."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3890,"orig":"Sie haben auch Leiden kennen lernen.","norm":"Sie haben auch Leiden kennenlernen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3891,"orig":"Unternehmen Sie nichts blut’ges gegen Ihren Vater!","norm":"Unternehmen Sie nichts Blutiges gegen Ihren Vater!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3892,"orig":"Ja nichts blutiges, mein Prinz!","norm":"Ja nichts Blutiges, mein Prinz!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3893,"orig":"Philipp der zweite zwang Ihren Ältervater von dem Thron zu ſteigen — Dieſer Philipp zittert heute vor ſeinem eignen Sohn!","norm":"Philipp der Zweite Zwang Ihren Ältervater von dem Thron zu steigen — dieser Philipp zittert heute vor seinem eigenen Sohn!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3894,"orig":"Daran gedenken Sie, Prinz — und ſo geleite Sie der Himmel!","norm":"Daran gedenken Sie, Prinz — und so geleite Sie der Himmel!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3895,"orig":"Die Stadt iſt ruhig.","norm":"Die Stadt ist ruhig."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3896,"orig":"Wie verließen Sie den König?","norm":"Wie verließen Sie den König?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3897,"orig":"In fürchterlichſten Laune.","norm":"In fürchterlichsten Laune."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3898,"orig":"Er hat ſich eingeſchloſſen.","norm":"Er hat sich eingeschlossen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3899,"orig":"Was ſich auch ereignen würde, keinen Menſchen will er vor ſich laſſen.","norm":"Was sich auch Ereignen würde, keinen Menschen will er vor sich lassen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3900,"orig":"Die Verrätherei des Marquis hat auf einmal ſeine ganze Natur verändert.","norm":"Die Verräterei des Marquis hat auf einmal seine ganze Natur verändert."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3901,"orig":"Wir erkennen ihn nicht mehr.","norm":"Wir erkennen ihn Nicht mehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3902,"orig":"Ich muß zu ihm.","norm":"Ich muss zu ihm."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3903,"orig":"Ich kann ihn dießmal nicht ſchonen.","norm":"Ich kann ihn diesmal Nicht schonen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3904,"orig":"Eine wichtige Entdeckung, die eben jetzt gemacht wird —","norm":"Eine wichtige Entdeckung, die eben jetzt gemacht wird —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3905,"orig":"Eine neue Entdeckung.","norm":"Eine neue Entdeckung."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3906,"orig":"Ein Karthäuſermönch, der in des Prinzen Zimmer heimlich ſich geſtohlen, und mit verdächt’ger Wißbegier den Tod des Marquis Poſa ſich erzählen laſſen, fällt meinen Wachen auf.","norm":"Ein Kartäusermönch, der in des Prinzen Zimmer heimlich sich gestohlen, und mit verdächtiger Wissbegier den Tod des Marquis Posa sich erzählen lassen, fällt meinen Wachen auf."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3907,"orig":"Man hält ihn an.","norm":"Man hält ihn an."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3908,"orig":"Man unterſucht.","norm":"Man untersucht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3909,"orig":"Die Angſt des Todes preßt ihm ein Geſtändniß aus, daß er Papiere von großem Werthe bei ſich trage, die ihm der Verſtorbne anbefohlen, in des Prinzen Hand zu übergeben — wenn er ſich vor Sonnenuntergang nicht mehr ihm zeigen würde.","norm":"Die Angst des Todes presst ihm ein Geständnis aus, dass er Papiere von großem Werte bei sich trage, die ihm der Verstorbene anbefohlen, in des Prinzen Hand zu übergeben — wenn er sich vor Sonnenuntergang nicht mehr ihm zeigen würde."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3910,"orig":"Nun?","norm":"Nun?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3911,"orig":"Die Briefe lauten, daß Karlos binnen Mitternacht und Morgen Madrid verlaſſen ſoll.","norm":"Die Briefe lauten, dass Carlos binnen Mitternacht und Morgen Madrid verlassen soll."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3912,"orig":"Was?","norm":"Was?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3913,"orig":"Daß ein Schiff in Cadix ſegelfertig liege, ihn nach Vliſſingen zu bringen — daß die Staaten der Niederlande ſeiner nur erwarten, die Span’ſche Ketten abzuwerfen.","norm":"Dass ein Schiff in Cadix segelfertig liege, ihn Nach Vlissingen zu bringen — dass die Staaten der Niederlande seiner nur erwarten, die spanische Ketten abzuwerfen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3914,"orig":"Ha!","norm":"Ha!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3915,"orig":"Was iſt das?","norm":"Was ist das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3916,"orig":"Andre Briefe melden, daß eine Flotte Solimans bereits von Rhodus ausgelaufen — den Monarchen von Spanien, laut des geſchloßnen Bundes, im mittelländ’ſchen Meere anzugreifen.","norm":"Andere Briefe melden, dass eine Flotte Solimans bereits von Rhodos ausgelaufen — den Monarchen von Spanien, laut des geschlossenen Bundes, im mittelländischen Meere anzugreifen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3917,"orig":"Iſt’s möglich?","norm":"Ist es möglich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3918,"orig":"Eben dieſe Briefe lehren die Reiſen mich verſtehn, die der Maltheſer durch ganz Europa jüngſt gethan.","norm":"Eben diese Briefe lehren die Reisen mich verstehen, die der Malteser durch ganz Europa jüngst getan."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3919,"orig":"Es galt nichts kleineres, als alle nord’ſchen Mächte für der Flamänder Freiheit zu bewaffnen.","norm":"Es galt nichts Kleineres, als alle nordischen Mächte für der Flamänder Freiheit zu bewaffnen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3920,"orig":"Das war er!","norm":"Das war er!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3921,"orig":"Dieſen Briefen endlich folgt ein ausgeführter Plan des ganzen Krieges, der von der Span’ſchen Monarchie auf immer die Niederlande trennen ſoll.","norm":"Diesen Briefen endlich folgt ein ausgeführter Plan des ganzen Krieges, der von der spanischen Monarchie auf immer die Niederlande trennen soll."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3922,"orig":"Nichts, nichts iſt überſehen, Kraft und Widerſtand berechnet, alle Quellen, alle Kräfte des Landes pünktlich angegeben, alle Maximen, welche zu befolgen, alle Bündniſſe, die zu ſchließen.","norm":"Nichts, nichts ist übersehen, Kraft und Widerstand berechnet, alle Quellen, alle Kräfte des Landes pünktlich angegeben, alle Maximen, welche zu befolgen, alle Bündnisse, die zu schließen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3923,"orig":"Der Entwurf iſt teufliſch, aber warlich — göttlich.","norm":"Der Entwurf ist teuflisch, aber wahrlich — göttlich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3924,"orig":"Welch undurchdringlicher Verräther!","norm":"Welch undurchdringlicher Verräter!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3925,"orig":"Noch beruft man ſich in dieſem Brief auf eine geheime Unterredung, die der Prinz am Abend ſeiner Flucht mit ſeiner Mutter zu Stande bringen ſollte.","norm":"Noch Beruft man sich in diesem Brief auf eine geheime Unterredung, die der Prinz am Abend seiner Flucht mit seiner Mutter Zustandebringen sollte."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3926,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3927,"orig":"Das wäre ja heute.","norm":"Das wäre ja heute."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3928,"orig":"Dieſe Mitternacht.","norm":"Diese Mitternacht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3929,"orig":"Auch hab’ ich für dieſen Fall Befehle ſchon gegeben.","norm":"Auch habe ich für diesen Fall Befehle schon gegeben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3930,"orig":"Sie ſehen, daß es dringend iſt.","norm":"Sie sehen, dass es dringend ist."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3931,"orig":"Wir dürfen auch keinen Augenblick verlieren.","norm":"Wir dürfen auch keinen Augenblick verlieren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3932,"orig":"Wo aber iſt der Prinz?","norm":"Wo aber ist der Prinz?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3933,"orig":"Ich?","norm":"Ich?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3934,"orig":"Der König muß gerettet ſein.","norm":"Der König muss gerettet sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3935,"orig":"Gib dieſen Todten mir heraus.","norm":"Gib diesen Toten mir heraus."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3936,"orig":"Ich muß ihn wieder haben.","norm":"Ich muss ihn wieder haben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3937,"orig":"Reden Sie ihn an.","norm":"Reden Sie ihn an."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3938,"orig":"Er dachte klein von mir und ſtarb.","norm":"Er dachte klein von mir und starb."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3939,"orig":"Ich muß ihn wieder haben.","norm":"Ich muss ihn wieder haben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3940,"orig":"Er muß anders von mir denken.","norm":"Er muss anders von Mir denken."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3941,"orig":"Sire —","norm":"Sire —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3942,"orig":"Wer redet hier?","norm":"Wer redet hier?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3943,"orig":"Hat man vergeſſen wer ich bin?","norm":"Hat man Vergessen wer ich bin?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3944,"orig":"Warum nicht auf den Knieen vor mir, Kreatur?","norm":"Warum nicht auf den Knien vor mir, Kreatur?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3945,"orig":"Noch bin ich König.","norm":"Noch bin Ich König."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3946,"orig":"Unterwerfung will ich ſehen.","norm":"Unterwerfung will ich sehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3947,"orig":"Setzt alles mich hintan, weil Einer mich verachtet hat?","norm":"Setzt alles mich hintan, weil Einer mich Verachtet hat?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3948,"orig":"Ein neuer Feind, bedeutender als dieſer, ſteht auf im Herzen Ihres Reichs —","norm":"Ein neuer Feind, bedeutender als dieser, steht auf im Herzen Ihres Reichs —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3949,"orig":"Prinz Karlos —","norm":"Prinz Carlos —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3950,"orig":"Er hatte einen Freund, der in den Tod gegangen iſt für ihn — für ihn!","norm":"Er hatte einen Freund, der in den Tod gegangen ist für ihn — für ihn!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3951,"orig":"Mit mir hätt’ er ein Königreich getheilt!","norm":"Mit mir hätte er ein Königreich geteilt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3952,"orig":"— O Scham!","norm":"— O Scham!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3953,"orig":"Nicht Ihre treuen Diener mehr?","norm":"Nicht Ihre treuen Diener mehr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3954,"orig":"Wie er auf mich herunterſah!","norm":"Wie er auf mich heruntersah!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3955,"orig":"So ſtolz ſieht man von Thronen nicht herunter.","norm":"So stolz sieht man Von Thronen nicht herunter."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3956,"orig":"War’s nicht ſichtbar, wie viel er ſich mit der Erobrung wußte?","norm":"War es nicht sichtbar, wie viel er sich mit der Eroberung wusste?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3957,"orig":"Was er verlor, geſtand ſein Schmerz.","norm":"Was er verlor, gestand sein Schmerz."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3958,"orig":"Daß er noch lebte!","norm":"Dass er noch lebte!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3959,"orig":"Ich gäb’ ein Indien dafür.","norm":"Ich gäbe ein Indien dafür."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3960,"orig":"Troſtloſe Allmacht, die nicht einmal in Gräber ihren Arm verlängern, eine kleine Übereilung mit Menſchenleben nicht verbeſſern kann!","norm":"Trostlose Allmacht, die nicht einmal in Gräber ihren Arm Verlängern, eine kleine Übereilung mit Menschenleben nicht verbessern kann!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3961,"orig":"Die Todten ſtehen nicht mehr auf.","norm":"Die Toten stehen nicht mehr auf."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3962,"orig":"Wer darf mir ſagen, daß ich glücklich bin?","norm":"Wer darf mir sagen, dass ich glücklich bin?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3963,"orig":"Ihr ſeid mir gewiß.","norm":"Ihr seid mir gewiss."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3964,"orig":"Im Grabe wohnt einer, der mir Achtung vorenthalten.","norm":"Im Grabe Wohnt einer, der mir Achtung vorenthalten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3965,"orig":"Was gehn die Lebenden mich an?","norm":"Was gehen die Lebenden mich an?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3966,"orig":"Ein Geiſt, Ein freier Mann ſtand auf in dieſem ganzen Jahrhundert — Einer — Er verachtet mich und ſtirbt.","norm":"Ein Geist, ein freier Mann stand auf in diesem ganzen Jahrhundert — Einer — er verachtet mich und stirbt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3967,"orig":"So lebten wir umſonſt!","norm":"So lebten wir umsonst!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3968,"orig":"— Laßt uns zu Grabe gehen, Spanier.","norm":"— Lasst uns zu Grabe gehen, Spanier."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3969,"orig":"Auch noch im Tode raubt uns dieſer Menſch das Herz des Königs!","norm":"Auch noch im Tode raubt uns dieser Mensch das Herz des Königs!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3970,"orig":"Wär’ er mir alſo geſtorben!","norm":"Wäre er mir also gestorben!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3971,"orig":"Ich hab’ ihn lieb gehabt, ſehr lieb.","norm":"Ich habe ihn liebgehabt, sehr lieb."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3972,"orig":"Er war mir theuer wie ein Sohn.","norm":"Er war mir teuer wie ein Sohn."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3973,"orig":"In dieſem Jüngling ging mir ein neuer, ſchönrer Morgen auf.","norm":"In diesem Jüngling ging mir ein neuer, schönerer Morgen auf."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3974,"orig":"Wer weiß, was ich ihm aufbehalten.","norm":"Wer weiß, was ich ihm aufbehalten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3975,"orig":"Er war meine erſte Liebe.","norm":"Er war meine erste Liebe."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3976,"orig":"Ganz Europa verfluche mich!","norm":"Ganz Europa Verfluche mich!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3977,"orig":"Europa mag mir fluchen.","norm":"Europa mag mir fluchen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3978,"orig":"Von dieſem hab’ ich Dank verdient.","norm":"Von diesem habe ich Dank verdient."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3979,"orig":"Durch welche Bezauberung —","norm":"Durch welche Bezauberung —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3980,"orig":"Und wem bracht’ er dieß Opfer?","norm":"Und wem brachte er dies Opfer?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3981,"orig":"Dem Knaben meinem Sohne?","norm":"Dem Knaben meinem Sohne?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3982,"orig":"Nimmermehr.","norm":"Nimmermehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3983,"orig":"Ich glaub’ es nicht.","norm":"Ich glaube es nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3984,"orig":"Für einen Knaben ſtirbt ein Poſa nicht.","norm":"Für einen Knaben stirbt ein Posa nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3985,"orig":"Der Freundſchaft arme Flamme füllt eines Poſa Herz nicht aus.","norm":"Der Freundschaft arme Flamme Füllt eines Posa Herz nicht aus."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3986,"orig":"Das ſchlug der ganzen Menſchheit.","norm":"Das schlug der ganzen Menschheit."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3987,"orig":"Seine Neigung war die Welt mit allen kommenden Geſchlechtern.","norm":"Seine Neigung war die Welt mit allen kommenden Geschlechtern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3988,"orig":"Sie zu vergnügen fand er einen Thron — und geht vorüber?","norm":"Sie zu vergnügen fand er einen Thron — und geht vorüber?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3989,"orig":"Dieſen Hochverrath an ſeiner Menſchheit ſollte Poſa ſich vergeben?","norm":"Diesen Hochverrat an seiner Menschheit sollte Posa sich Vergeben?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3990,"orig":"Nein.","norm":"Nein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3991,"orig":"Ich kenn’ ihn beſſer.","norm":"Ich kenne ihn besser."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3992,"orig":"Nicht den Philipp opfert er dem Karlos, nur den alten Mann dem Jüngling ſeinem Schüler.","norm":"Nicht den Philipp opfert er dem Carlos, nur den alten Mann dem Jüngling seinem Schüler."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3993,"orig":"Des Vaters untergeh’nde Sonne lohnt das neue Tagwerk nicht mehr.","norm":"Des Vaters untergehende Sonne lohnt das neue Tagwerk nicht mehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3994,"orig":"Das verſpart man dem nahen Aufgang ſeines Sohns — O es iſt klar und helle.","norm":"Das verspart man Dem nahen Aufgang seines Sohns — O es ist klar und helle."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3995,"orig":"Iſt es nicht?","norm":"Ist es nicht?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3996,"orig":"— Auf meinen Hintritt wird gewartet.","norm":"— Auf meinen Hintritt wird gewartet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3997,"orig":"Leſen Sie die Bekräftigung in dieſen Briefen.","norm":"Lesen Sie die Bekräftigung in diesen Briefen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3998,"orig":"Er könnte ſich verrechnet haben.","norm":"Er könnte sich verrechnet haben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":3999,"orig":"Noch, noch bin ich.","norm":"Noch, noch bin ich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4000,"orig":"Habe Dank, Natur.","norm":"Habe Dank, Natur."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4001,"orig":"Ich fühle in meinen Sehnen Jünglingskraft.","norm":"Ich fühle in meinen Sehnen Jünglingskraft."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4002,"orig":"Ich will ihn zum Gelächter machen.","norm":"Ich will ihn zum Gelächter machen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4003,"orig":"Seine Tugend ſei eines Träumers Hirngeſpinſt geweſen.","norm":"Seine Tugend Sei eines Träumers Hirngespinst gewesen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4004,"orig":"Er ſei geſtorben als ein Thor.","norm":"Er sei gestorben als ein Tor."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4005,"orig":"Sein Sturz erdrücke ſeinen Freund und ſein Jahrhundert!","norm":"Sein Sturz Erdrücke seinen Freund und sein Jahrhundert!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4006,"orig":"Laß ſehen, wie man mich entbehrt.","norm":"Lass sehen, wie man mich entbehrt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4007,"orig":"Die Welt iſt noch auf einen Abend mein.","norm":"Die Welt ist noch auf einen Abend mein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4008,"orig":"Ich will ihn nützen dieſen Abend, daß nach mir kein Pflanzer mehr in zehen Menſchenaltern auf dieſer Brandſtatt ärnten ſoll.","norm":"Ich will ihn nützen diesen Abend, dass nach mir kein Pflanzer mehr in zehn Menschenaltern auf dieser Brandstatt ernten soll."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4009,"orig":"Er brachte der Menſchheit, ſeinem Götzen, mich zum Opfer.","norm":"Er brachte der Menschheit, seinem Götzen, mich zum Opfer."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4010,"orig":"Die Menſchheit büße mir für ihn!","norm":"Die Menschheit büße mir für ihn!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4011,"orig":"— Und jetzt — Mit ſeiner Puppe fang’ ich an.","norm":"— Und jetzt — mit seiner Puppe fange ich an."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4012,"orig":"Was war’s mit dem Infanten?","norm":"Was war es mit dem Infanten?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4013,"orig":"Wiederhohlt es mir.","norm":"Wiederholt es mir."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4014,"orig":"Was lehren mich dieſe Briefe?","norm":"Was lehren mich diese Briefe?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4015,"orig":"Dieſe Briefe, Sire, enthalten die Verlaſſenſchaft des Marquis von Poſa an Prinz Karl.","norm":"Diese Briefe, Sire, Enthalten die Verlassenschaft des Marquis von Posa an Prinz Karl."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4016,"orig":"Man ſende zum Großinquiſitor Kardinal.","norm":"Man sende zum Großinquisitor Kardinal."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4017,"orig":"Ich laß’ ihn bitten, eine Stunde mir zu ſchenken.","norm":"Ich lass ihn bitten, eine Stunde mir zu schenken."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4018,"orig":"In dieſer Nacht alſo?","norm":"In dieser Nacht also?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4019,"orig":"Schlag zwei Uhr ſoll die Poſt vor dem Karthäuſerkloſter halten.","norm":"Schlag zwei Uhr soll die Post vor dem Kartäuserkloster halten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4020,"orig":"Und Leute, die ich ausgeſendet, ſahen verſchiednes Reiſ’geräthe, an dem Wappen der Krone kenntlich, nach dem Kloſter tragen.","norm":"Und Leute, die ich ausgesendet, sahen Verschiedenes Reisegeräte, an dem Wappen der Krone kenntlich, nach dem Kloster tragen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4021,"orig":"Auch, ſagt man, ſollen große Summen auf den Namen der Königinn bei Mauriſchen Agenten betrieben worden ſein, in Brüſſel zu erheben.","norm":"Auch, sagt man, sollen große Summen auf den Namen der Königin bei Maurischen Agenten Betrieben worden sein, in Brüssel zu Erheben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4022,"orig":"Wo verließ man den Infanten?","norm":"Wo verließ man den Infanten?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4023,"orig":"Beim Leichnam des Maltheſers.","norm":"Beim Leichnam des Maltesers."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4024,"orig":"Dort iſt alles ſtill.","norm":"Dort ist alles still."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4025,"orig":"Auch hat ſie ihre Kammerfrauen zeitiger, als ſonſten zu geſchehen pflegt, entlaſſen.","norm":"Auch hat sie ihre Kammerfrauen zeitiger, als sonsten zu geschehen pflegt, entlassen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4026,"orig":"Die Herzoginn von Arkos, die zuletzt aus ihrem Zimmer ging, verließ ſie ſchon in tiefem Schlafe.","norm":"Die Herzogin von Arkos, die zuletzt Aus ihrem Zimmer ging, verließ sie schon in tiefem Schlafe."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4027,"orig":"Sonderbar!","norm":"Sonderbar!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4028,"orig":"Was gibt es?","norm":"Was gibt es?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4029,"orig":"Eine Nachricht, Sire, die kaum zu glauben iſt —","norm":"Eine Nachricht, Sire, die kaum zu glauben ist —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4030,"orig":"Zween Schweizer, die ſo eben von ihrem Poſten kommen, melden — Es iſt lächerlich es nachzuſagen.","norm":"Zween Schweizer, die so eben Von ihrem Posten kommen, melden — es ist lächerlich es nachzusagen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4031,"orig":"Nun?","norm":"Nun?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4032,"orig":"Daß in dem linken Flügel des Pallaſts der Geiſt des Kaiſers ſich erblicken laſſen und mit beherztem, feierlichen Schritt an ihnen vorbei gegangen.","norm":"Dass in dem linken Flügel des Palasts der Geist des Kaisers sich erblicken lassen und mit beherztem, feierlichen Schritt an ihnen Vorbeigegangen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4033,"orig":"Eben dieſe Nachricht bekräft’gen alle Wachen, die durch dieſen Pavillon verbreitet ſtehn, und ſetzen hinzu, daß die Erſcheinung in den Zimmern der Königinn verſchwunden.","norm":"Eben diese Nachricht bekräftigen alle Wachen, die durch diesen Pavillon verbreitet stehen, und setzen hinzu, dass die Erscheinung in den Zimmern der Königin verschwunden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4034,"orig":"Ein Betrug kann hier nicht unterlaufen.","norm":"Ein Betrug kann hier nicht unterlaufen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4035,"orig":"Und in welcher Geſtalt erſchien er?","norm":"Und in welcher Gestalt erschien er?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4036,"orig":"In dem nämlichen Gewand, das er zum letztenmal in Juſti als Hieronymitermönch getragen.","norm":"In dem nämlichen Gewand, das er zum letzten Mal in Justi als Hieronymitermönch getragen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4037,"orig":"Als Mönch?","norm":"Als Mönch?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4038,"orig":"Und alſo haben ihn die Wachen im Leben noch gekannt?","norm":"Und also haben ihn die Wachen im Leben noch gekannt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4039,"orig":"denn woher wußten ſie ſonſt, daß es der Kaiſer war?","norm":"Denn woher wussten sie sonst, dass es der Kaiser war?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4040,"orig":"Daß es der Kaiſer müſſe ſein, bewies das Zepter, das er in Händen trug.","norm":"Dass es der Kaiser müsse sein, bewies das Zepter, das er in Händen trug."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4041,"orig":"Auch will man ihn ſchon öfters, wie die Sage geht, in dieſer Geſtalt geſehen haben.","norm":"Auch will man ihn Schon öfters, wie die Sage geht, in dieser Gestalt gesehen haben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4042,"orig":"Angeredet hat ihn niemand?","norm":"Angeredet hat ihn niemand?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4043,"orig":"Niemand unterſtand ſich.","norm":"Niemand unterstand sich."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4044,"orig":"Die Soldaten ſprachen ihr Gebet und ließen ihn ehrerbietig mitten durch.","norm":"Die Soldaten sprachen ihr Gebet und ließen ihn ehrerbietig mitten durch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4045,"orig":"Und in den Zimmern der Königinn verlor ſich die Erſcheinung?","norm":"Und in den Zimmern der Königin verlor sich die Erscheinung?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4046,"orig":"Im Vorgemach der Königinn.","norm":"Im Vorgemach der Königin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4047,"orig":"Wie ſagt Ihr?","norm":"Wie sagt Ihr?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4048,"orig":"Sire — wir ſind ſtumm.","norm":"Sire — wir sind stumm."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4049,"orig":"Laßt meine Garden unter die Waffen treten und jedweden Zugang zu dieſem Flügel ſperren.","norm":"Lasst meine Garden unter die Waffen treten und jedweden Zugang zu diesem Flügel sperren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4050,"orig":"Ich bin lüſtern, ein Wort mit dieſem Geiſt zu reden.","norm":"Ich bin lüstern, ein Wort mit diesem Geist zu reden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4051,"orig":"Der Großinquiſitor, Sire —","norm":"Der Großinquisitor, Sire —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4052,"orig":"Verlaßt uns.","norm":"Verlasst uns."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4053,"orig":"Steh’ ich vor dem König?","norm":"Stehe Ich vor dem König?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4054,"orig":"Ja.","norm":"Ja."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4055,"orig":"Ich war mir’s nicht mehr vermuthend.","norm":"Ich war mir es nicht mehr vermutend."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4056,"orig":"Ich erneure einen Auftritt vergangner Jahre.","norm":"Ich erneure einen Auftritt vergangener Jahre."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4057,"orig":"Philipp der Infant hohlt Rath bei ſeinem Lehrer.","norm":"Philipp der Infant holt Rat bei seinem Lehrer."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4058,"orig":"Rath bedurfte mein Zögling Karl ihr großer Vater niemals.","norm":"Rat bedurfte mein Zögling Karl Ihr großer Vater niemals."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4059,"orig":"Um ſo viel glücklicher war er.","norm":"Um soviel glücklicher war er."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4060,"orig":"Der Kirche Arm und Ihren Geiſt.","norm":"Der Kirche Arm und Ihren Geist."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4061,"orig":"Ich habe gemordet, Kardinal, und keine Ruhe —","norm":"Ich habe Gemordet, Kardinal, und keine Ruhe —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4062,"orig":"Weßwegen haben Sie gemordet?","norm":"Weswegen haben Sie gemordet?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4063,"orig":"Ein Betrug, der ohne Beiſpiel iſt —","norm":"Ein Betrug, der ohne Beispiel ist —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4064,"orig":"Ich weiß ihn.","norm":"Ich weiß ihn."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4065,"orig":"Was wiſſen Sie?","norm":"Was wissen Sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4066,"orig":"Durch wen?","norm":"Durch wen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4067,"orig":"Seit wann?","norm":"Seit wann?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4068,"orig":"Seit Jahren, was Sie ſeit Sonnenuntergang.","norm":"Seit Jahren, was Sie seit Sonnenuntergang."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4069,"orig":"Sie haben von dieſem Menſchen ſchon gewußt?","norm":"Sie haben von diesem Menschen schon gewusst?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4070,"orig":"Sein Leben liegt angefangen und beſchloſſen in der Santa Caſa heiligen Regiſtern.","norm":"Sein Leben liegt angefangen und beschlossen in der Santa Casa heiligen Registern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4071,"orig":"Und er ging frei herum!","norm":"Und er ging frei herum!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4072,"orig":"Das Seil, an dem er flatterte, war lang, doch unzerreißbar.","norm":"Das Seil, an dem er flatterte, war lang, doch unzerreißbar."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4073,"orig":"Er war ſchon außer meines Reiches Gränzen.","norm":"Er war schon außer meines Reiches Grenzen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4074,"orig":"Wo er ſein mochte, war ich auch.","norm":"Wo er sein mochte, war ich auch."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4075,"orig":"Man wußte, in weſſen Hand ich war — Warum verſäumte man, mich zu warnen?","norm":"Man wusste, in wessen Hand ich war — warum versäumte man, Mich zu warnen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4076,"orig":"Dieſe Frage geb’ ich zurücke — Warum fragten Sie nicht an, da Sie in dieſes Menſchen Arm Sich warfen?","norm":"Diese Frage gebe ich Zurücke — warum fragten Sie nicht an, da Sie in dieses Menschen Arm sich warfen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4077,"orig":"Sie kannten ihn!","norm":"Sie kannten ihn!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4078,"orig":"Ein Blick entlarvte Ihnen den Ketzer — Was vermochte Sie, dieß Opfer dem heil’gen Amt zu unterſchlagen?","norm":"Ein Blick entlarvte Ihnen den Ketzer — was vermochte Sie, dies Opfer dem heiligen Amt zu unterschlagen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4079,"orig":"Spielt man ſo mit uns?","norm":"Spielt man so mit uns?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4080,"orig":"Wenn ſich die Majeſtät zur Hehlerinn erniedrigt — Könige zweizüngeln — hinter unſerm Rücken mit unſern ſchlimmſten Feinden ſich verſtehen, was wird mit uns?","norm":"Wenn sich die Majestät zur Hehlerin erniedrigt — Könige zweizüngeln — hinter unserem Rücken mit unseren schlimmsten Feinden sich verstehen, was wird mit uns?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4081,"orig":"Wenn Einer Gnade finden darf — Warum wurden dreimal hundert tauſend geopfert?","norm":"Wenn Einer Gnade finden darf — warum wurden dreimal hunderttausend Geopfert?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4082,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4083,"orig":"Er iſt ermordet — Ruhmlos!","norm":"Er ist ermordet — Ruhmlos!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4084,"orig":"Liederlich!","norm":"Liederlich!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4085,"orig":"— Das Blut, das unſrer Ehre glorreich fließen ſollte, hat eines Bravo Hand verſpritzt — Der Menſch war unſer — Was berechtigt Sie des Ordens heil’ge Güter anzutaſten?","norm":"— Das Blut, das unserer Ehre glorreich fließen sollte, Hat eines Bravo Hand verspritzt — der Mensch war unser — was berechtigt Sie des Ordens heilige Güter anzutasten?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4086,"orig":"Durch uns zu ſterben war er da.","norm":"Durch uns zu sterben war er da."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4087,"orig":"Ihn ſchenkte der Nothdurft dieſes Zeitenlaufes Gott, in ſeines Geiſtes feierlicher Schändung die prahlende Vernunft zur Schau zu führen.","norm":"Ihn schenkte der Notdurft dieses Zeitenlaufes Gott, in seines Geistes feierlicher Schändung die prahlende Vernunft zur Schau zu führen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4088,"orig":"Ihn hätten wir — auf langer Seelenfolter zur Mißgeburt verzerrt — dem ſchaudernden Gelächter ſeiner Rotte vorgewieſen.","norm":"Ihn hätten wir — auf langer Seelenfolter zur Missgeburt verzerrt — dem schaudernden Gelächter seiner Rotte vorgewiesen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4089,"orig":"Nun liegt ſie hingeſtreckt, die Arbeit vieler Jahre!","norm":"Nun liegt sie hingestreckt, die Arbeit vieler Jahre!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4090,"orig":"Wir ſind beſtohlen, und Sie haben nichts, als blut’ge Hände.","norm":"Wir sind bestohlen, und Sie haben nichts, als blutige Hände."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4091,"orig":"Leidenſchaft riß mich dahin.","norm":"Leidenschaft riss mich Dahin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4092,"orig":"Vergib mir.","norm":"Vergib mir."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4093,"orig":"Leidenſchaft!","norm":"Leidenschaft!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4094,"orig":"— Antwortet mir Philipp der Infant?","norm":"— Antwortet mir Philipp der Infant?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4095,"orig":"Bin ich allein zum alten Mann geworden?","norm":"Bin ich allein Zum alten Mann geworden?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4096,"orig":"— Leidenſchaft!","norm":"— Leidenschaft!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4097,"orig":"Gib die Gewiſſen frei in Deinen Reichen, wenn Du in Deinen Ketten gehſt.","norm":"Gib die Gewissen frei in Deinen Reichen, wenn Du in Deinen Ketten gehst."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4098,"orig":"Ich bin in dieſen Dingen noch ein Neuling.","norm":"Ich bin in diesen Dingen noch ein Neuling."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4099,"orig":"Habe Geduld mit mir.","norm":"Habe Geduld mit mir."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4100,"orig":"Nein!","norm":"Nein!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4101,"orig":"Ich bin nicht mit Ihnen zufrieden — Ihren ganzen vorigen Regentenlauf zu läſtern!","norm":"Ich bin nicht mit Ihnen Zufrieden — Ihren ganzen vorigen Regentenlauf zu lästern!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4102,"orig":"Wo war damals der Philipp, deſſen feſte Seele wie der Angelſtern am Himmel unverändert und ewig um ſich ſelber treibt?","norm":"Wo war damals der Philipp, dessen feste Seele wie der Angelstern am Himmel unverändert und ewig um sich selber treibt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4103,"orig":"War eine ganze Vergangenheit verſunken hinter Ihnen?","norm":"War eine ganze Vergangenheit versunken hinter Ihnen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4104,"orig":"War in dem Augenblick die Welt nicht mehr die nämliche, da Sie die Hand ihm boten?","norm":"War in dem Augenblick die Welt nicht mehr die nämliche, da Sie die Hand ihm boten?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4105,"orig":"Gift nicht mehr Gift?","norm":"Gift nicht mehr Gift?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4106,"orig":"War zwiſchen Gut und Übel und Wahr und Falſch die Scheidewand gefallen?","norm":"War zwischen Gut und Übel und Wahr und falsch die Scheidewand gefallen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4107,"orig":"Was iſt ein Vorſatz?","norm":"Was ist ein Vorsatz?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4108,"orig":"Was Beſtändigkeit?","norm":"Was Beständigkeit?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4109,"orig":"Was Männertreue, wenn in einer lauen Minute eine ſechzigjähr’ge Regel wie eines Weibes Laune ſchmilzt?","norm":"Was Männertreue, wenn in einer lauen Minute eine sechzigjährige Regel wie eines Weibes Laune schmilzt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4110,"orig":"Ich ſah in ſeine Augen — Halten Sie mir dieſen Rückfall in die Sterblichkeit zu gut.","norm":"Ich sah in seine Augen — Halten Sie mir diesen Rückfall in die Sterblichkeit zugut."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4111,"orig":"Die Welt hat einen Zugang weniger zu Ihnen.","norm":"Die Welt hat einen Zugang weniger zu Ihnen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4112,"orig":"Ihre Augen ſind erloſchen.","norm":"Ihre Augen sind erloschen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4113,"orig":"Was ſollte Ihnen dieſer Menſch?","norm":"Was sollte Ihnen dieser Mensch?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4114,"orig":"Was konnte er neues Ihnen vorzuzeigen haben, worauf Sie nicht bereitet waren?","norm":"Was konnte er neues Ihnen vorzuzeigen haben, worauf Sie nicht bereitet waren?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4115,"orig":"Kennen Sie Schwärmerſinn und Neuerung ſo wenig?","norm":"Kennen Sie Schwärmersinn und Neuerung so wenig?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4116,"orig":"Der Weltverbeßrer prahleriſche Sprache klang Ihrem Ohr ſo ungewohnt?","norm":"Der Weltverbesserer prahlerische Sprache Klang Ihrem Ohr so ungewohnt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4117,"orig":"Wenn das Gebäude Ihrer Überzeugung ſchon von Worten fällt — mit welcher Stirne, muß ich fragen, ſchrieben Sie das Bluturtheil der hunderttauſend ſchwachen Seelen, die den Holzſtoß für nichts ſchlimmeres beſtiegen?","norm":"Wenn das Gebäude Ihrer Überzeugung schon von Worten fällt — mit welcher Stirn, muss Ich fragen, schrieben Sie das Bluturteil der hunderttausend schwachen Seelen, die den Holzstoß für nichts Schlimmeres bestiegen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4118,"orig":"Mich gelüſtete nach einem Menſchen.","norm":"Mich gelüstete nach einem Menschen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4119,"orig":"Wozu Menſchen?","norm":"Wozu Menschen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4120,"orig":"Menſchen ſind für Sie nur Zahlen, weiter nichts.","norm":"Menschen sind für Sie nur Zahlen, weiter nichts."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4121,"orig":"Muß ich die Elemente der Monarchenkunſt mit meinem grauen Schüler überhören?","norm":"Muss ich die Elemente der Monarchenkunst mit meinem grauen Schüler überhören?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4122,"orig":"Der Erde Gott verlerne zu bedürfen, was ihm verweigert werden kann?","norm":"Der Erde Gott verlerne zu bedürfen, was ihm verweigert werden kann?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4123,"orig":"— Wenn Sie um Mitgefühle wimmern, haben Sie der Welt nicht Ihres Gleichen zugeſtanden?","norm":"— Wenn Sie um Mitgefühle wimmern, haben Sie der Welt nicht ihresgleichen zugestanden?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4124,"orig":"Und welche Rechte, möcht’ ich wiſſen, haben Sie aufzuweiſen über Ihres Gleichen?","norm":"Und welche Rechte, möchte ich wissen, haben Sie aufzuweisen über Ihresgleichen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4125,"orig":"Ich bin ein kleiner Menſch, ich ſühl’s — Du forderſt von dem Geſchöpf, was nur der Schöpfer leiſtet.","norm":"Ich bin ein kleiner Mensch, ich sühle es — Du forderst von dem Geschöpf, was nur der Schöpfer leistet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4126,"orig":"Nein, Sire.","norm":"Nein, Sire."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4127,"orig":"Mich hintergeht man nicht.","norm":"Mich hintergeht man nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4128,"orig":"Sie ſind durchſchaut — Uns wollten Sie entfliehen.","norm":"Sie sind durchschaut — uns wollten Sie entfliehen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4129,"orig":"Des Ordens ſchwere Ketten drückten Sie;","norm":"Des Ordens schwere Ketten drückten Sie;"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4130,"orig":"Sie wollten frei und einzig ſein.","norm":"Sie wollten frei und einzig sein."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4131,"orig":"Wir ſind gerochen — Danken Sie der Kirche, die ſich begnügt, als Mutter Sie zu ſtrafen.","norm":"Wir sind gerochen — Danken Sie der Kirche, die sich begnügt, als Mutter Sie zu strafen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4132,"orig":"Die Wahl, die man Sie blindlings treffen laſſen, war Ihre Züchtigung.","norm":"Die Wahl, die man Sie blindlings treffen lassen, war Ihre Züchtigung."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4133,"orig":"Sie ſind belehrt.","norm":"Sie sind belehrt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4134,"orig":"Jetzt kehren Sie zu uns zurücke — Stünd’ ich heute nicht vor Ihnen — beim lebend’gen Gett!","norm":"Jetzt kehren Sie zu uns zurück — stünde ich heute Nicht vor Ihnen — beim lebendigen Gott!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4135,"orig":"Sie wären morgen ſo vor mir geſtanden.","norm":"Sie wären morgen so vor mir gestanden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4136,"orig":"Mäßige Dich, Prieſter.","norm":"Mäßige Dich, Priester."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4137,"orig":"Ich duld’ es nicht.","norm":"Ich dulde es nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4138,"orig":"Ich kann nicht alſo mit mir ſprechen hören.","norm":"Ich kann nicht also mit mir sprechen hören."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4139,"orig":"Warum rufen Sie den Schatten Samuels herauf?","norm":"Warum rufen Sie den Schatten Samuels herauf?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4140,"orig":"Was ſoll ich hier?","norm":"Was soll ich hier?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4141,"orig":"— Ich bin nicht Willens, dieſen Beſuch zu wiederhohlen.","norm":"— Ich bin nicht Willens, diesen Besuche zu wiederholen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4142,"orig":"Eine Arbeit!","norm":"Eine Arbeit!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4143,"orig":"Die letzte noch — dann überlaß’ ich Dich dem ſtärkern Schickſal.","norm":"Die letzte noch — dann überlasse ich Dich dem stärkeren Schicksal."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4144,"orig":"Wir ſind verſöhnt?","norm":"Wir sind versöhnt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4145,"orig":"Wenn Philipp ſich in Demuth beugt.","norm":"Wenn Philipp sich in Demut beugt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4146,"orig":"Mein Sohn iſt Hochverraths verdächtig.","norm":"Mein Sohn ist Hochverrats verdächtig."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4147,"orig":"Was beſchließen Sie?","norm":"Was beschließen Sie?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4148,"orig":"Alles oder nichts.","norm":"Alles oder nichts."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4149,"orig":"Was heißt hier alles?","norm":"Was heißt hier alles?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4150,"orig":"Ich laß’ ihn fliehen, wenn ich ihn nicht ſterben laſſen kann.","norm":"Ich lass ihn fliehen, wenn ich ihn Nicht sterben lassen kann."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4151,"orig":"Nun?","norm":"Nun?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4152,"orig":"Können Sie einen neuen Glauben mir erdenken, der Kindermord des Gräßlichen entkleidet?","norm":"Können Sie einen neuen Glauben mir erdenken, der Kindermord des Grässlichen entkleidet?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4153,"orig":"Die ewige Gerechtigkeit zu ſühnen, ſtarb an dem Holze Gottes Sohn.","norm":"Die ewige Gerechtigkeit zu sühnen, starb an dem Holze Gottes Sohn."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4154,"orig":"Sie wollen durch ganz Europa dieſe Lehre pflanzen?","norm":"Sie wollen durch ganz Europa diese Lehre pflanzen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4155,"orig":"So weit, als man das Kreuz verehrt.","norm":"So weit, als man das Kreuz verehrt."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4156,"orig":"Vor dem Glauben gilt keine Stimme der Natur.","norm":"Vor dem Glauben gilt keine Stimme der Natur."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4157,"orig":"Ich lege mein Richteramt in Ihre Hände — Kann ich ganz zurücke treten?","norm":"Ich lege mein Richteramt in Ihre Hände — kann Ich ganz zurücke treten?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4158,"orig":"Geben Sie ihn mir.","norm":"Geben Sie ihn mir."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4159,"orig":"Es iſt mein einz’ger Sohn — Wem hab’ich geſammelt?","norm":"Es ist mein einziger Sohn — wem hab'ich gesammelt?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4160,"orig":"Der Verweſung lieber, als der Freiheit.","norm":"Der Verwesung lieber, als der Freiheit."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4161,"orig":"Wir ſind einig.","norm":"Wir sind einig."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4162,"orig":"Kommen Sie.","norm":"Kommen Sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4163,"orig":"Wohin?","norm":"Wohin?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4164,"orig":"Aus meiner Hand das Opfer zu empfangen.","norm":"Aus meiner Hand das Opfer zu empfangen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4165,"orig":"Eliſabeth!","norm":"Elisabeth!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4166,"orig":"So ſehen wir uns wieder!","norm":"So sehen wir uns wieder!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4167,"orig":"So ſehen wir uns wieder!","norm":"So sehen wir uns wieder!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4168,"orig":"Stehn Sie auf.","norm":"Stehen Sie auf."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4169,"orig":"Wir wollen einander nicht erweichen, Karl.","norm":"Wir wollen einander nicht erweichen, Karl."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4170,"orig":"Nicht durch ohnmächt’ge Thränen will der große Todte gefeiert werden.","norm":"Nicht durch ohnmächtige Tränen will der große Tote Gefeiert werden."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4171,"orig":"Thränen mögen fließen für klein’re Leiden!","norm":"Tränen mögen fließen für kleinere Leiden!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4172,"orig":"— Er hat ſich geopfert für Sie!","norm":"— Er hat sich geopfert für Sie!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4173,"orig":"Mit ſeinem theuren Leben hat er das Ihrige erkauft — Sie fühlen den Werth, den er durch dieſes Opfer auf das Ihrige gelegt!","norm":"Mit seinem teuren Leben hat er das Ihrige erkauft — Sie fühlen den Wert, den er durch dieses Opfer auf das Ihrige gelegt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4174,"orig":"— Karlos!","norm":"— Carlos!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4175,"orig":"Ich ſelber habe gut geſagt für Sie.","norm":"Ich selber habe gutgesagt für Sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4176,"orig":"Auf meine Bürgſchaft ſchied er freudiger von hinnen.","norm":"Auf meine Bürgschaft schied er freudiger Von hinnen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4177,"orig":"Werden Sie zur Lügnerinn mich machen?","norm":"Werden Sie zur Lügnerin mich machen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4178,"orig":"Einen Leichenſtein will ich ihm ſetzen, wie noch keinem Könige zu Theil geworden — Über ſeiner Aſche blühe ein Paradies!","norm":"Einen Leichenstein will ich ihm setzen, wie noch keinem Könige zuteil Geworden — über seiner Asche blühe ein Paradies!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4179,"orig":"So hab’ ich Sie gewollt!","norm":"So habe ich Sie gewollt!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4180,"orig":"Das war die große Meinung ſeines Todes!","norm":"Das war die große Meinung seines Todes!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4181,"orig":"Mich wählte er zu ſeines letzten Willens Vollſtreckerinn.","norm":"Mich wählte er zu seines letzten Willens Vollstreckerin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4182,"orig":"Ich mahne Sie.","norm":"Ich mahne Sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4183,"orig":"Ich werde auf die Erfüllung dieſes Eides halten.","norm":"Ich werde auf die Erfüllung dieses Eides halten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4184,"orig":"Und noch ein anderes Vermächtniß legte der Sterbende in meine Hand — Ich gab ihm mein Wort — Und — Warum ſoll ich es verſchweigen?","norm":"Und noch ein anderes Vermächtnis legte der Sterbende in meine Hand — Ich gab ihm mein Wort — und — warum soll ich es verschweigen?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4185,"orig":"Er übergab mir ſeinen Karl — Ich trotze dem Schein — Ich will vor Menſchen nicht mehr zittern.","norm":"Er übergab mir seinen Karl — Ich trotze dem Schein — Ich will vor Menschen nicht mehr zittern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4186,"orig":"Sie ſehen, Karl, mir bangte nicht, mit Ihnen allein zu ſein in dieſer Stunde — Ich will einmal kühn ſein wie ein Freund.","norm":"Sie sehen, Karl, mir bangte nicht, mit Ihnen allein zu sein in dieser Stunde — Ich will einmal kühn sein wie ein Freund."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4187,"orig":"Tugend nannt’ er unſre Liebe?","norm":"Tugend nannte er unsere Liebe?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4188,"orig":"Ich glaub’ es ihm, und will mein Herz nicht mehr — —","norm":"Ich glaube es ihm, und will mein Herz nicht mehr — —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4189,"orig":"Ich liebte — jetzt bin ich erwacht.","norm":"Ich liebte — jetzt bin ich erwacht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4190,"orig":"Vergeſſen ſei das Vergangne!","norm":"Vergessen Sei das Vergangene!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4191,"orig":"Hier ſind Ihre Briefe zurück.","norm":"Hier sind Ihre Briefe Zurück."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4192,"orig":"Vernichten Sie die meinen.","norm":"Vernichten Sie die meinen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4193,"orig":"Fürchten Sie keine Wallung mehr von mir.","norm":"Fürchten Sie keine Wallung mehr von mir."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4194,"orig":"Es iſt vorbei.","norm":"Es ist vorbei."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4195,"orig":"Ein reiner Feuer hat mein Weſen geläutert.","norm":"Ein reiner Feuer hat mein Wesen Geläutert."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4196,"orig":"Meine Leidenſchaft wohnt in den Gräbern der Todten.","norm":"Meine Leidenschaft wohnt in den Gräbern der Toten."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4197,"orig":"Keine ſterbliche Begierde theilt dieſen Buſen mehr.","norm":"Keine sterbliche Begierde teilt diesen Busen mehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4198,"orig":"Ich kam, um Abſchied zu nehmen.","norm":"Ich kam, um Abschied zu nehmen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4199,"orig":"Karl —","norm":"Karl —"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4200,"orig":"Es iſt kein Opfer, hat mir keinen Kampf gekoſtet.","norm":"Es ist kein Opfer, hat mir keinen Kampf gekostet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4201,"orig":"Endlich ſeh’ ich ein, es gibt ein höher, wünſchenswerther Gut, als Dich beſitzen.","norm":"Endlich sehe ich ein, es gibt ein höher, wünschenswerter Gut, als Dich besitzen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4202,"orig":"Eine kurze Nacht hat meiner Jahre trägen Lauf beflügelt, frühzeitig mich zum Mann gereift.","norm":"Eine kurze Nacht hat meiner Jahre trägen Lauf beflügelt, frühzeitig mich zum Mann gereift."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4203,"orig":"Ich habe für dieſes Leben keine Arbeit mehr, als die Erinnerung an ihn!","norm":"Ich habe für dieses Leben keine Arbeit mehr, als die Erinnerung an ihn!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4204,"orig":"In Einem Abend hab’ ich den Vorrath auf mein ganzes Daſein voraus empfangen und verpraßt.","norm":"In einem Abend habe ich den Vorrat auf mein ganzes Dasein voraus empfangen und verprasst."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4205,"orig":"Sagen Sie mir gar nichts, Mutter?","norm":"Sagen Sie mir gar nichts, Mutter?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4206,"orig":"Kehren Sie Sich nicht an meine Thränen, Karl — Ich kann nicht anders — Doch glauben Sie mir, ich bewundre Sie.","norm":"Kehren Sie sich nicht an meine Tränen, Karl — Ich kann nicht anders — doch glauben Sie mir, ich bewundre Sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4207,"orig":"Sie waren unſers Bundes einzige Vertraute — Unter dieſem Namen werden Sie auf der ganzen Welt das Theuerſte mir bleiben.","norm":"Sie waren unseres Bundes einzige vertraute — Unter diesem Namen werden Sie auf der ganzen Welt das Teuerste Mir bleiben."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4208,"orig":"Meine Freundſchaft kann ich Ihnen ſo wenig, als noch geſtern meine Liebe verſchenken an ein andres Weib — Doch heilig ſei mir die königliche Wittwe, führt die Vorſicht mich auf dieſen Thron.","norm":"Meine Freundschaft kann ich Ihnen so wenig, als noch gestern meine Liebe Verschenken an ein anderes Weib — doch heilig Sei mir die königliche Witwe, führt die Vorsicht mich auf diesen Thron."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4209,"orig":"Jetzt geh’ ich aus Spanien, und ſehe meinen Vater nicht wieder — Nie in dieſem Leben wieder.","norm":"Jetzt gehe ich aus Spanien, und sehe meinen Vater nicht wieder — nie in diesem Leben wieder."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4210,"orig":"Ich ſchätz’ ihn nicht mehr.","norm":"Ich schätze ihn nicht mehr."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4211,"orig":"Ausgeſtorben iſt in meinem Buſen die Natur — Sein Sie ihm wieder Gattinn.","norm":"Ausgestorben ist in meinem Busen die Natur — Sein Sie ihm wieder Gattin."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4212,"orig":"Er hat einen Sohn verloren.","norm":"Er hat einen Sohn verloren."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4213,"orig":"Treten Sie in Ihre Pflichten zurück — Ich eile, mein bedrängtes Volk zu retten von Tirannenhand.","norm":"Treten Sie in Ihre Pflichten Zurück — Ich eile, mein bedrängtes Volk zu retten von Tyrannenhand."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4214,"orig":"Madrid ſieht nur als König oder Nie mich wieder.","norm":"Madrid sieht nur als König oder nie mich wieder."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4215,"orig":"O Karl!","norm":"O Karl!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4216,"orig":"Was machen Sie aus mir?","norm":"Was machen Sie aus mir?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4217,"orig":"— Ich kann — ich darf mich nicht empor zu dieſer Männergröße wagen; doch faſſen und bewundern kann ich Sie.","norm":"— Ich kann — ich darf mich nicht Empor zu dieser Männergröße wagen; doch fassen und bewundern kann ich Sie."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4218,"orig":"Bin ich nicht ſtark, Eliſabeth?","norm":"Bin ich nicht stark, Elisabeth?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4219,"orig":"Ich halte in meinen Armen Sie und wanke nicht.","norm":"Ich halte in meinen Armen Sie und wanke nicht."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4220,"orig":"Von dieſer Stelle hätten mich noch geſtern des Weltgerichts Poſaunen nicht geriſſen.","norm":"Von dieser Stelle hätten mich noch gestern des Weltgerichts Posaunen nicht gerissen."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4221,"orig":"Das iſt vorbei.","norm":"Das ist vorbei."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4222,"orig":"Jetzt trotz’ ich jedem Schickſal der Sterblichkeit.","norm":"Jetzt trotze ich jedem Schicksal der Sterblichkeit."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4223,"orig":"Ich hielt Sie in den Armen und wankte nicht — — — Still!","norm":"Ich hielt Sie in den Armen und wankte nicht — — — Still!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4224,"orig":"was war das?","norm":"was war das?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4225,"orig":"— Horch!","norm":"— Horch!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4226,"orig":"Nichts hör’ ich, als die fürchterliche Glocke, die uns zur Trennung lautet.","norm":"Nichts höre ich, als die fürchterliche Glocke, die uns zur Trennung lautet."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4227,"orig":"Gute Nacht denn, Mutter.","norm":"Gute Nacht denn, Mutter."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4228,"orig":"Aus Gent empfangen Sie den erſten Brief von mir, der das Geheimniß unſ’res Umgangs laut machen ſoll.","norm":"Aus Gent empfangen Sie den ersten Brief von mir, der das Geheimnis unseres Umgangs Lautmachen soll."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4229,"orig":"Ich gehe, mit Dom Philipp jetzt einen öffentlichen Gang zu thun.","norm":"Ich gehe, mit Don Philipp Jetzt einen öffentlichen Gang zu tun."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4230,"orig":"Von nun an, will ich haben, ſei nichts heimliches mehr unter uns.","norm":"Von nun an, will ich haben, sei nichts Heimliches mehr unter uns."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4231,"orig":"Sie brauchen vor der Entdeckung nicht zu zittern.","norm":"Sie brauchen vor der Entdeckung nicht zu zittern."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4232,"orig":"Dieß hier ſei mein letzter Betrug.","norm":"Dies hier sei mein letzter Betrug."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4233,"orig":"Es iſt Dein letzter!","norm":"Es ist Dein letzter!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4234,"orig":"Iſt Sie todt?","norm":"Ist Sie tot?"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4235,"orig":"O Himmel und Erde!","norm":"O Himmel und Erde!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4236,"orig":"Kardinal!","norm":"Kardinal!"} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4237,"orig":"Ich habe das Meinige gethan.","norm":"Ich habe das Meinige getan."} {"basename":"schiller_domkarlos_1787","par_idx":4238,"orig":"Thun Sie das Ihre.","norm":"Tun Sie das Ihre."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":0,"orig":"Aus den Papieren des Grafen von O * *.","norm":"Aus den Papieren des Grafen von O * *."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1,"orig":"Ich erzähle eine Begebenheit, die vielen unglaublich ſcheinen wird, und von der ich großentheils ſelbſt Augenzeuge war.","norm":"Ich erzähle eine Begebenheit, die vielen unglaublich scheinen wird, und von der ich großenteils selbst Augenzeuge war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2,"orig":"Den wenigen, welche von einem gewiſſen politiſchen Vorfalle unterrichtet ſind, wird ſie — wenn anders dieſe Blätter ſie noch am Leben finden — einen willkommenen Aufſchluß darüber geben; und auch ohne dieſen Schlüſſel wird ſie den übrigen, als ein Beytrag zur Geſchichte des Betrugs und der Verirrungen des menſchlichen Geiſtes vielleicht wichtig ſeyn.","norm":"Den wenigen, welche von einem gewissen politischen Vorfalle unterrichtet sind, wird sie — wenn anders diese Blätter sie noch am Leben finden — einen willkommenen Aufschluss darüber geben; und auch ohne diesen Schlüssel wird sie den übrigen, als ein Beitrag zur Geschichte des Betrugs und der Verirrungen des menschlichen Geistes vielleicht wichtig sein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":3,"orig":"Man wird über die Kühnheit des Zwecks erſtaunen, den die Bosheit zu entwerfen und zu verfolgen im Stande iſt; man wird über die Mittel erſtaunen, die ſie aufzubieten vermag, um ſich dieſes Zwecks zu verſichern.","norm":"Man wird über die Kühnheit des Zwecks erstaunen, den die Bosheit zu entwerfen und zu verfolgen imstande ist; man wird über die Mittel erstaunen, die sie aufzubieten vermag, um sich dieses Zwecks zu versichern."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":4,"orig":"Reine, ſtrenge Wahrheit wird meine Feder leiten, denn wenn dieſe Blätter an die Welt treten, bin ich nicht mehr, und nie werde ich ihr Schickſal erfahren.","norm":"Reine, strenge Wahrheit wird meine Feder leiten, denn wenn diese Blätter an die Welt treten, bin ich nicht mehr, und nie werde ich ihr Schicksal erfahren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":5,"orig":"Es war auf meiner Zurückreiſe nach Kurland, im Jahr 17 * * um die Karnevalszeit, als ich den Prinzen von * * in Venedig beſuchte.","norm":"Es war auf meiner Zurückreise nach Kurland, im Jahr 17 * * um die Karnevalszeit, als ich den Prinzen von * * in Venedig besuchte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":6,"orig":"Wir hatten uns in * * ſchen Kriegsdienſten kennen lernen, und erneuerten hier eine Bekanntſchaft, die der Friede unterbrochen hatte.","norm":"Wir hatten uns in * * schen Kriegsdiensten kennenlernen, und erneuerten hier eine Bekanntschaft, die der Friede unterbrochen hatte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":7,"orig":"Weil ich ohnedies wünſchte, das Merkwürdige dieſer Stadt zu ſehen, und der Prinz nur noch Wechſel erwartete, um nach * * zurück zu reiſen, ſo beredete er mich leicht, ihm Geſellſchaft zu leiſten, und meine Abreiſe ſo lange zu verſchieben.","norm":"Weil ich ohnedies wünschte, das Merkwürdige dieser Stadt zu sehen, und der Prinz nur noch Wechsel erwartete, um nach * * zurückzureisen, so beredete er mich leicht, ihm Gesellschaft zu leisten, und meine Abreise so lange zu verschieben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":8,"orig":"Wir kamen überein uns nicht von einander zu trennen, ſo lange unſer Aufenthalt in Venedig dauern würde, und der Prinz war ſo gefällig, mir ſeine eigene Wohnung im Mohren anzubieten.","norm":"Wir kamen überein uns nicht voneinander zu trennen, solange unser Aufenthalt in Venedig dauern würde, und der Prinz war so gefällig, mir seine eigene Wohnung im Mohren anzubieten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":9,"orig":"Er lebte hier unter dem ſtrengſten Incognito, weil er ſich ſelbſt leben wollte, und ſeine geringe Apanage ihm auch nicht verſtattet hätte, die Hoheit ſeines Rangs zu behaupten.","norm":"Er lebte hier unter dem strengsten Inkognito, weil er sich selbst leben wollte, und seine geringe Apanage ihm auch nicht verstattet hätte, die Hoheit seines Rangs zu behaupten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":10,"orig":"Zwey Kavaliere, auf deren Verſchwiegenheit er ſich vollkommen verlaſſen konnte, waren nebſt einigen treuen Bedienten ſein ganzes Gefolge.","norm":"Zwei Kavaliere, auf deren Verschwiegenheit er sich vollkommen verlassen konnte, waren nebst einigen treuen Bedienten sein ganzes Gefolge."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":11,"orig":"Den Aufwand vermied er mehr aus Temperament als aus Sparſamkeit.","norm":"Den Aufwand vermied er mehr aus Temperament als aus Sparsamkeit."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":12,"orig":"Er floh die Vergnügungen; bis zu ſeinem fünf und dreyßigſten Jahre hatte er allen Reizungen dieſer wollüſtigen Stadt widerſtanden.","norm":"Er floh die Vergnügungen; bis zu seinem fünfunddreißigsten Jahr hatte er allen Reizungen dieser wollüstigen Stadt widerstanden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":13,"orig":"Das ſchöne Geſchlecht war ihm gleichgültig.","norm":"Das schöne Geschlecht war ihm gleichgültig."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":14,"orig":"Tiefer Ernſt und eine ſchwärmeriſche Melancholie herrſchte in ſeiner Gemüthsart.","norm":"Tiefer Ernst und eine schwärmerische Melancholie herrschte in seiner Gemütsart."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":15,"orig":"Dabey war er unerſchrocken und zuverläſſig, ſobald er einmal überzeugt war, und beſaß gleich großen Muth, ein erkanntes Vorurtheil zu bekämpfen und für ein anderes zu ſterben.","norm":"Dabei war er unerschrocken und zuverlässig, sobald er einmal überzeugt war, und besaß gleich großen Mut, ein erkanntes Vorurteil zu bekämpfen und für ein anderes zu sterben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":16,"orig":"Als der dritte Prinz ſeines Hauſes hatte er keine wahrſcheinliche Ausſicht zur Regierung.","norm":"Als der dritte Prinz seines Hauses hatte er keine wahrscheinliche Aussicht zur Regierung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":17,"orig":"Sein Ehrgeiz war nie erwacht.","norm":"Sein Ehrgeiz war nie erwacht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":18,"orig":"Seine Leidenſchaften hatten eine andre Richtung genommen.","norm":"Seine Leidenschaften hatten eine andere Richtung genommen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":19,"orig":"Zufrieden von keinem fremden Willen abzuhängen, drang er den ſeinigen niemand zum Geſetze auf; die geräuſchloſe Ruhe eines zwangloſen Privatlebens begränzte alle ſeine Wünſche.","norm":"Zufrieden von keinem fremden Willen abzuhängen, drang er den seinigen niemand zum Gesetze auf; die geräuschlose Ruhe eines zwanglosen Privatlebens begrenzte alle seine Wünsche."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":20,"orig":"Er las viel, doch ohne Wahl.","norm":"Er las viel, doch ohne Wahl."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":21,"orig":"Eine nachläſſige Erziehung und frühe Kriegsdienſte hatten ſeinen Geiſt nicht zur Reife kommen laſſen.","norm":"Eine nachlässige Erziehung und frühe Kriegsdienste hatten seinen Geist nicht zur Reife kommen lassen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":22,"orig":"Alle Kenntniſſe die er nachher ſchöpfte, vermehrten nur das verworrene Chaos ſeiner Begriffe, weil ſie auf keinen feſten Grund gebauet waren.","norm":"Alle Kenntnisse die er nachher schöpfte, vermehrten nur das verworrene Chaos seiner Begriffe, weil sie auf keinen festen Grund gebaut waren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":23,"orig":"Er war Proteſtant, wie ſeine ganze Familie — durch Geburt, nicht nach Unterſuchung, die er nie angeſtellt hatte, ob er gleich in einer Epoche ſeines Lebens, Schwärmer darin geweſen war.","norm":"Er war Protestant, wie seine ganze Familie — durch Geburt, nicht nach Untersuchung, die er nie angestellt hatte, ob er gleich in einer Epoche seines Lebens, Schwärmer darin gewesen war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":24,"orig":"Maçon iſt er, ſo viel ich weiß, nie geworden.","norm":"Maçon ist er, soviel ich weiß, nie geworden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":25,"orig":"Eines Abends, als wir nach Gewohnheit in tiefer Maſke und abgeſondert, auf dem Platze St. Markus ſpazieren giengen — es fing an ſpät zu werden, und das Gedränge hatte ſich verloren — bemerkte der Prinz, daß eine Maſke uns überall folgte.","norm":"Eines Abends, als wir nach Gewohnheit in tiefer Maske und abgesondert, auf dem Platze St. Markus spazieren gingen — es fing an spät zu werden, und das Gedränge hatte sich verloren — bemerkte der Prinz, dass eine Maske uns überall folgte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":26,"orig":"Die Maſke war ein Armenier und ging allein.","norm":"Die Maske war ein Armenier und ging allein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":27,"orig":"Wir beſchleunigten unſere Schritte und ſuchten ſie durch öftere Veränderung unſeres Weges irre zu machen — umſonſt, die Maſke blieb immer dicht hinter uns.","norm":"Wir beschleunigten unsere Schritte und suchten sie durch öftere Veränderung unseres Weges irre zu machen — umsonst, die Maske blieb immer dicht hinter uns."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":28,"orig":"„Sie haben doch keine Intrigue hier gehabt?","norm":"„Sie haben doch keine Intrige hier gehabt?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":29,"orig":"ſagte endlich der Prinz zu mir.","norm":"sagte endlich der Prinz zu mir."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":30,"orig":"Die Ehemänner in Venedig ſind gefährlich.","norm":"Die Ehemänner in Venedig sind gefährlich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":31,"orig":"“ — Ich kenne keine einzige Dame, gab ich zur Antwort.","norm":"“ — Ich kenne keine einzige Dame, gab ich zur Antwort."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":32,"orig":"„Laſſen Sie uns hier niederſetzen und deutſch ſprechen, fuhr er fort.","norm":"„Lassen Sie uns hier niedersetzen und Deutsch sprechen, fuhr er fort."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":33,"orig":"Ich bilde mir ein, man verkennt uns.","norm":"Ich bilde mir ein, man verkennt uns."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":34,"orig":"“ Wir ſezten uns auf eine ſteinerne Bank und erwarteten, daß die Maſke vorüber gehen ſollte.","norm":"“ Wir setzten uns auf eine steinerne Bank und erwarteten, dass die Maske vorübergehen sollte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":35,"orig":"Sie kam gerade auf uns zu, und nahm ihren Platz dicht an der Seite des Prinzen Er zog die Uhr heraus und ſagte mir laut auf franzöſiſch, indem er aufſtund: „Neun Uhr vorbey.","norm":"Sie kam gerade auf uns zu, und nahm ihren Platz dicht an der Seite des Prinzen er zog die Uhr heraus und sagte mir laut auf Französisch, indem er aufstand: „Neun Uhr vorbei."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":36,"orig":"Kommen Sie.","norm":"Kommen Sie."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":37,"orig":"Wir vergeſſen, daß man uns im Louvre erwartet.","norm":"Wir vergessen, dass man uns im Louvre erwartet."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":38,"orig":"“ Dieß erdichtete er nur, um die Maſke von unſerer Spur zu entfernen.","norm":"“ Dies erdichtete er nur, um die Maske von unserer Spur zu entfernen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":39,"orig":"„Neun Uhr“ wiederholte ſie in eben der Sprache nachdrücklich und langſam.","norm":"„Neun Uhr“ wiederholte sie in eben der Sprache nachdrücklich und langsam."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":40,"orig":"„Wünſchen Sie ſich Glück, Prinz (indem ſie ihn bey ſeinem wahren Namen nannte).","norm":"„Wünschen Sie sich Glück, Prinz (indem sie ihn bei seinem wahren Namen nannte)."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":41,"orig":"Um neun Uhr iſt er geſtorben.","norm":"Um neun Uhr ist er gestorben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":42,"orig":"“ — Damit ſtand ſie auf und ging.","norm":"“ — damit stand sie auf und ging."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":43,"orig":"Wir ſahen uns beſtürzt an.","norm":"Wir sahen uns bestürzt an."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":44,"orig":"— „Wer iſt geſtorben?“ ſagte endlich der Prinz nach einer langen Stille.","norm":"— „Wer ist gestorben?“ sagte endlich der Prinz nach einer langen Stille."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":45,"orig":"„Laſſen Sie uns ihr nachgehen, ſagte ich, und eine Erklärung fordern.","norm":"„Lassen Sie uns ihr nachgehen, sagte ich, und eine Erklärung fordern."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":46,"orig":"“ Wir durchkrochen alle Winkel des Markus — die Maſke war nicht mehr zu finden.","norm":"“ Wir durchkrochen alle Winkel des Markus — die Maske war nicht mehr zu finden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":47,"orig":"Unbefriedigt kehrten wir nach unſerm Gaſthof zurück.","norm":"Unbefriedigt kehrten wir nach unserem Gasthof zurück."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":48,"orig":"Der Prinz ſagte mir unterwegens nicht ein Wort, ſondern ging ſeitwärts und allein, und ſchien einen gewaltſamen Kampf zu kämpfen, wie er mir auch nachher geſtanden hat.","norm":"Der Prinz sagte mir unterwegs nicht ein Wort, sondern ging seitwärts und allein, und schien einen gewaltsamen Kampf zu kämpfen, wie er mir auch nachher gestanden hat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":49,"orig":"Als wir zu Hauſe waren, öffnete er zum erſtenmale wieder den Mund.","norm":"Als wir zu Hause waren, öffnete er zum ersten Male wieder den Mund."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":50,"orig":"„Es iſt doch lächerlich, ſagte er, daß ein Wahnſinniger die Ruhe eines Mannes mit zwey Worten ſo erſchüttern ſoll.","norm":"„Es ist doch lächerlich, sagte er, dass ein Wahnsinniger die Ruhe eines Mannes mit zwei Worten so erschüttern soll."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":51,"orig":"“ Wir wünſchten uns eine gute Nacht, und ſo bald ich auf meinem Zimmer war, merkte ich mir in meiner Schreibtafel den Tag und die Stunde wo es geſchehen war.","norm":"“ Wir wünschten uns eine gute Nacht, und sobald ich auf meinem Zimmer war, merkte ich mir in meiner Schreibtafel den Tag und die Stunde wo es geschehen war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":52,"orig":"Es war ein Donnerſtag.","norm":"Es war ein Donnerstag."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":53,"orig":"Am folgenden Abend ſagte mir der Prinz: „Wollen wir nicht einen Gang über den Markusplatz machen, und unſern geheimnißvollen Armenier aufſuchen?","norm":"Am folgenden Abend sagte mir der Prinz: „Wollen wir nicht einen Gang über den Markusplatz machen, und unseren geheimnisvollen Armenier aufsuchen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":54,"orig":"Mich verlangt doch nach der Entwickelung dieſer Komödie.","norm":"Mich verlangt doch nach der Entwickelung dieser Komödie."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":55,"orig":"“ Ich wars zufrieden.","norm":"“ Ich war es zufrieden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":56,"orig":"Wir blieben bis eilf Uhr auf dem Platz.","norm":"Wir blieben bis elf Uhr auf dem Platz."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":57,"orig":"Der Armenier war nirgends zu ſehen.","norm":"Der Armenier war nirgends zu sehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":58,"orig":"Das nehmliche wiederholten wir die vier folgenden Abende, und jedesmal mir demſelben ſchlechten Erfolge.","norm":"Das Nämliche wiederholten wir die vier folgenden Abende, und jedes Mal mit demselben schlechten Erfolge."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":59,"orig":"Als wir am ſechſten Abend unſer Hotel verließen, hatte ich den Einfall — ob unwillkührlich oder aus Abſicht, beſinne ich mich nicht mehr — den Bedienten zu hinterlaſſen, wo wir zu finden ſeyn würden, wenn nach uns gefragt werden ſollte.","norm":"Als wir am sechsten Abend unser Hotel verließen, hatte ich den Einfall — ob unwillkürlich oder aus Absicht, besinne ich mich nicht mehr — den Bedienten zu hinterlassen, wo wir zu finden sein würden, wenn nach uns gefragt werden sollte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":60,"orig":"Der Prinz bemerkte meine Vorſicht, und lobte ſie mit einer lächelnden Miene.","norm":"Der Prinz bemerkte meine Vorsicht, und lobte sie mit einer lächelnden Miene."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":61,"orig":"Es war ein großes Gedränge auf dem Markusplatz, als wir da ankamen.","norm":"Es war ein großes Gedränge auf dem Markusplatz, als wir da ankamen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":62,"orig":"Wir hatten kaum dreyßig Schritte gemacht, ſo bemerkte ich den Armenier wieder, der ſich mit ſchnellen Schritten durch die Menge arbeitete, und mit den Augen Jemand zu ſuchen ſchien.","norm":"Wir hatten kaum dreißig Schritte gemacht, so bemerkte ich den Armenier wieder, der sich mit schnellen Schritten durch die Menge arbeitete, und mit den Augen Jemand zu suchen schien."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":63,"orig":"Eben waren wir im Begriff ihn zu erreichen, als der Baron von F. aus der Suite des Prinzen athemlos auf uns zukam, und dem Prinzen einen Brief überbrachte.","norm":"Eben waren wir im Begriff ihn zu erreichen, als der Baron von F. aus der Suite des Prinzen atemlos auf uns zukam, und dem Prinzen einen Brief überbrachte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":64,"orig":"„Er iſt ſchwarz geſiegelt, ſezte er hinzu.","norm":"„Er ist schwarz gesiegelt, setzte er hinzu."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":65,"orig":"Wir vermutheten, daß es Eile hätte.","norm":"Wir vermuteten, dass es Eile hätte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":66,"orig":"“ Das fiel auf mich wie ein Donnerſchlag.","norm":"“ Das fiel auf mich wie ein Donnerschlag."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":67,"orig":"Der Prinz war zu einem Flambeau getreten und fing an zu leſen.","norm":"Der Prinz war zu einem Flambeau getreten und fing an zu lesen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":68,"orig":"„Mein Kouſin iſt geſtorben,“ rief er.","norm":"„Mein Cousin ist gestorben,“ rief er."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":69,"orig":"Wann?","norm":"Wann?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":70,"orig":"ſtürzte ich ihm heftig ins Wort.","norm":"stürzte ich ihm heftig ins Wort."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":71,"orig":"Er ſah noch einmal in den Brief.","norm":"Er sah noch einmal in den Brief."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":72,"orig":"„Vorigen Donnerſtag.","norm":"„Vorigen Donnerstag."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":73,"orig":"Abends um neun Uhr.","norm":"Abends um neun Uhr."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":74,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":75,"orig":"Wir hatten nicht Zeit, von unſerm Erſtaunen zurück zu kommen, ſo ſtand der Armenier unter uns.","norm":"Wir hatten nicht Zeit, von unserem Erstaunen zurückzukommen, so stand der Armenier unter uns."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":76,"orig":"„Sie ſind hier erkannt, gnädigſter Herr, ſagte er zu dem Prinzen.","norm":"„Sie sind hier erkannt, gnädigster Herr, sagte er zu dem Prinzen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":77,"orig":"Eilen Sie nach dem Mohren.","norm":"Eilen Sie nach dem Mohren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":78,"orig":"Sie werden die Abgeordneten des Senats dort finden.","norm":"Sie werden die Abgeordneten des Senats dort finden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":79,"orig":"Tragen Sie kein Bedenken, die Ehre anzunehmen, die man Ihnen erweiſen will.","norm":"Tragen Sie kein Bedenken, die Ehre anzunehmen, die man Ihnen erweisen will."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":80,"orig":"Der Baron von F * * vergaß, Ihnen zu ſagen, daß Ihre Wechſel angekommen ſind.","norm":"Der Baron von F * * vergaß, Ihnen zu sagen, dass Ihre Wechsel angekommen sind."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":81,"orig":"“ Er verlor ſich in dem Gedränge.","norm":"“ Er verlor sich in dem Gedränge."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":82,"orig":"Wir eilten nach unſerm Hotel.","norm":"Wir eilten nach unserem Hotel."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":83,"orig":"Alles fand ſich, wie der Armenier es verkündigt hatte.","norm":"Alles fand sich, wie der Armenier es verkündigt hatte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":84,"orig":"Drey Nobili der Republik ſtanden bereit, den Prinzen zu bewillkommen, und ihn mit Pracht nach der Aſſemblee zu begleiten, wo der hohe Adel, der Stadt ihn erwartete.","norm":"Drei Nobili der Republik standen bereit, den Prinzen zu bewillkommen, und ihn mit Pracht nach der Assemblee zu begleiten, wo der hohe Adel, der Stadt ihn erwartete."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":85,"orig":"Er hatte kaum ſo viel Zeit, mir durch einen flüchtigen Wink zu verſtehen zu geben, daß ich für ihn wach bleiben möchte.","norm":"Er hatte kaum soviel Zeit, mir durch einen flüchtigen Wink zu verstehen zu geben, dass ich für ihn wach bleiben möchte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":86,"orig":"Nachts gegen eilf kam er wieder.","norm":"Nachts gegen elf kam er wieder."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":87,"orig":"Ernſt und gedankenvoll trat er ins Zimmer, und ergriff meine Hand, nachdem er die Bedienten entlaſſen hatte.","norm":"Ernst und gedankenvoll trat er ins Zimmer, und ergriff meine Hand, nachdem er die Bedienten entlassen hatte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":88,"orig":"„Graf, ſagte er mit den Worten Hamlets zu mir, es giebt mehr Dinge im Himmel und auf Erden, als wir in unſern Philoſophien träumen.","norm":"„Graf, sagte er mit den Worten Hamlets zu mir, es gibt mehr Dinge im Himmel und auf Erden, als wir in unseren Philosophien träumen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":89,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":90,"orig":"Gnädigſter Herr, antwortete ich, Sie ſcheinen zu vergeſſen, daß Sie um eine große Hoffnung reicher zu Bette gehen.","norm":"Gnädigster Herr, antwortete ich, Sie scheinen zu vergessen, dass Sie um eine große Hoffnung reicher zu Bette gehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":91,"orig":"“ (Der Verſtorbene war der Erbprinz.","norm":"“ (Der Verstorbene war der Erbprinz."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":92,"orig":")","norm":")"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":93,"orig":"„Erinnern Sie mich nicht daran, ſagte der Prinz.","norm":"„Erinnern Sie mich nicht daran, sagte der Prinz."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":94,"orig":"Und wenn eine Krone für mich wäre gewonnen worden, ich hätte jezt mehr zu thun, als dieſer Kleinigkeit nachzudenken.","norm":"Und wenn eine Krone für mich wäre gewonnen worden, ich hätte jetzt mehr zu tun, als dieser Kleinigkeit nachzudenken."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":95,"orig":"— — Wenn dieſer Armenier nicht bloß errathen hat“ — —","norm":"— — wenn dieser Armenier nicht bloß erraten hat“ — —"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":96,"orig":"„Wie iſt das möglich, Prinz?“ fiel ich ein.","norm":"„Wie ist das möglich, Prinz?“ fiel ich ein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":97,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":98,"orig":"„So will ich Ihnen alle meine fürſtlichen Hoffnungen für eine Mönchskutte abtreten.","norm":"„So will ich Ihnen alle meine fürstlichen Hoffnungen für eine Mönchskutte abtreten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":99,"orig":"Ein plötzlicher Regenguß nöthigte uns, in ein Kaffeehaus einzukehren, wo geſpielt wurde.","norm":"Ein plötzlicher Regenguss nötigte uns, in ein Kaffeehaus einzukehren, wo gespielt wurde."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":100,"orig":"Der Prinz ſtellte ſich hinter den Stuhl eines Spaniers, und beobachtete das Spiel.","norm":"Der Prinz stellte sich hinter den Stuhl eines Spaniers, und beobachtete das Spiel."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":101,"orig":"Ich war in ein anſtoßendes Zimmer gegangen, wo ich Zeitungen las.","norm":"Ich war in ein anstoßendes Zimmer gegangen, wo ich Zeitungen las."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":102,"orig":"Eine Weile darauf hörte ich Lermen.","norm":"Eine Weile darauf hörte ich Lärmen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":103,"orig":"Vor der Ankunft des Prinzen war der Spanier unaufhörlich im Verluſte geweſen, jezt gewann er auf alle Karten.","norm":"Vor der Ankunft des Prinzen war der Spanier unaufhörlich im Verluste gewesen, jetzt gewann er auf alle Karten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":104,"orig":"Das ganze Spiel ward auffallend verändert, und die Bank war in Gefahr, von dem Pointeur, den dieſe glückliche Wendung kühner gemacht hatte, aufgefordert zu werden.","norm":"Das ganze Spiel wurde auffallend verändert, und die Bank war in Gefahr, von dem Pointeur, den diese glückliche Wendung kühner gemacht hatte, aufgefordert zu werden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":105,"orig":"Ein Venetianer, der ſie hielt, ſagte dem Prinzen mit beleidigendem Ton — er ſtöhre das Glück, und er ſolle den Tiſch verlaſſen.","norm":"Ein Venezianer, der sie hielt, sagte dem Prinzen mit beleidigendem Ton — er störe das Glück, und er solle den Tisch verlassen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":106,"orig":"Dieſer ſah ihn kalt an und blieb; dieſelbe Faſſung behielt er, als der Venetianer ſeine Beleidigung franzöſiſch wiederholte.","norm":"Dieser sah ihn kalt an und blieb; dieselbe Fassung behielt er, als der Venezianer seine Beleidigung französisch wiederholte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":107,"orig":"Der leztere glaubte, daß der Prinz beyde Sprachen nicht verſtehe, und wandte ſich mit verachtungsvollem Lachen zu den übrigen: „Sagen Sie mir doch, meine Herren, wie ich mich dieſem Balardo verſtändlich machen ſoll?“ Zugleich ſtand er auf und wollte den Prinzen beym Arm ergreifen; dieſen verließ hier die Geduld, er packte den Venetianer mit ſtarker Hand, und warf ihn unſanft zu Boden.","norm":"Der letztere glaubte, dass der Prinz beide Sprachen nicht verstehe, und wandte sich mit verachtungsvollem Lachen zu den übrigen: „Sagen Sie mir doch, meine Herren, wie ich mich diesem Balardo verständlich machen soll?“ Zugleich stand er auf und wollte den Prinzen beim Arm ergreifen; diesen verließ hier die Geduld, er packte den Venezianer mit starker Hand, und warf ihn unsanft zu Boden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":108,"orig":"Das ganze Haus kam in Bewegunq.","norm":"Das ganze Haus kam in Bewegung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":109,"orig":"Auf das Geräuſch ſtürzte ich herein, unwillkührlich rief ich ihn bey ſeinem Namen.","norm":"Auf das Geräusch stürzte ich herein, unwillkürlich rief ich ihn bei seinem Namen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":110,"orig":"„Nehmen Sie ſich in Acht, Prinz, ſezte ich mit Unbeſonnenheit hinzu, wir ſind in Venedig.","norm":"„Nehmen Sie sich in Acht, Prinz, setzte ich mit Unbesonnenheit hinzu, wir sind in Venedig."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":111,"orig":"“ Der Name des Prinzen gebot eine allgemeine Stille, woraus bald ein Gemurmel wurde, das mir gefährlich ſchien.","norm":"“ Der Name des Prinzen gebot eine allgemeine Stille, woraus bald ein Gemurmel wurde, das mir gefährlich schien."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":112,"orig":"Alle anweſenden Italiener rotteten ſich zu Haufen, und traten bey Seite.","norm":"Alle anwesenden Italiener rotteten sich zu Haufen, und traten beiseite."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":113,"orig":"Einer um den andern verließ den Saal, bis wir uns beide mit dem Spanier und einigen Franzoſen allein fanden.","norm":"Einer um den anderen verließ den Saal, bis wir uns beide mit dem Spanier und einigen Franzosen allein fanden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":114,"orig":"„Sie ſind verloren, gnädigſter Herr, ſagten dieſe, wenn Sie nicht ſogleich die Stadt verlaſſen.","norm":"„Sie sind verloren, gnädigster Herr, sagten diese, wenn Sie nicht sogleich die Stadt verlassen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":115,"orig":"Der Venetianer, den Sie ſo übel behandelt haben, iſt reich genug, einen Bravo zu dingen.","norm":"Der Venezianer, den Sie so übel behandelt haben, ist reich genug, einen Bravo zu Dingen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":116,"orig":"Es koſtet ihm nur funfzig Zechinen, Sie aus der Welt zu ſchaffen.","norm":"Es kostet ihm nur fünfzig Zecchinen, Sie aus der Welt zu schaffen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":117,"orig":"“ Der Spanier bot ſich an, zur Sicherheit des Prinzen Wache zu holen, und uns ſelbſt nach Hauſe zu begleiten.","norm":"“ Der Spanier bot sich an, zur Sicherheit des Prinzen Wache zu holen, und uns selbst nach Hause zu begleiten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":118,"orig":"Daſſelbe wollten auch die Franzoſen.","norm":"Dasselbe wollten auch die Franzosen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":119,"orig":"Wir ſtanden noch, und überlegten was zu thun wäre, als die Thüre ſich öffnete und einige Bedienten der Staatsinquiſition hereintraten.","norm":"Wir standen noch, und überlegten was zu tun wäre, als die Türe sich öffnete und einige Bedienten der Staatsinquisition hereintraten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":120,"orig":"Sie zeigten uns eine Ordre der Regierung, worinn uns beyden befohlen ward, ihnen ſchleunig zu folgen.","norm":"Sie zeigten uns eine Ordre der Regierung, worin uns beiden befohlen wurde, ihnen schleunig zu folgen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":121,"orig":"Unter einer ſtarken Bedeckung führte man uns bis zum Kanal.","norm":"Unter einer starken Bedeckung führte man uns bis zum Kanal."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":122,"orig":"Hier erwartete uns eine Gondel, in die wir uns ſetzen mußten.","norm":"Hier erwartete uns eine Gondel, in die wir uns setzen mussten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":123,"orig":"Ehe wir ausſtiegen, wurden uns die Augen verbunden.","norm":"Ehe wir ausstiegen, wurden uns die Augen verbunden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":124,"orig":"Man führte uns eine große ſteinerne Treppe hinauf, und dann durch einen langen gewundenen Gang über Gewölber, wie ich aus dem vielfachen Echo ſchloß, das unter unſern Füßen hallte.","norm":"Man führte uns eine große steinerne Treppe hinauf, und dann durch einen langen gewundenen Gang über Gewölbe, wie ich aus dem vielfachen Echo schloss, das unter unseren Füßen hallte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":125,"orig":"Endlich gelangten wir vor eine andere Treppe, welche uns ſechs und zwanzig Stufen in die Tiefe hinunter führte.","norm":"Endlich gelangten wir vor eine andere Treppe, welche uns sechsundzwanzig Stufen in die Tiefe hinunterführte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":126,"orig":"Hier öffnete ſich ein Saal, wo man uns die Binde wieder von den Augen nahm.","norm":"Hier öffnete sich ein Saal, wo man uns die Binde wieder von den Augen nahm."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":127,"orig":"Wir befanden uns in einem Kreiſe ehrwürdiger alter Männer, alle ſchwarz gekleidet, der ganze Saal mit ſchwarzen Tüchern behangen und ſparſam erleuchtet, eine Todtenſtille in der ganzen Verſammlung, welches einen ſchreckhaften Eindruck machte.","norm":"Wir befanden uns in einem Kreise ehrwürdiger alter Männer, alle schwarz gekleidet, der ganze Saal mit schwarzen Tüchern behangen und sparsam erleuchtet, eine Totenstille in der ganzen Versammlung, welches einen schreckhaften Eindruck machte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":128,"orig":"Einer von dieſen Greiſen, wahrſcheinlich der oberſte Staatsinquiſitor, näherte ſich dem Prinzen, und fragte ihn mit einer feierlichen Miene, während man ihm den Venetianer vorführete:","norm":"Einer von diesen Greisen, wahrscheinlich der oberste Staatsinquisitor, näherte sich dem Prinzen, und fragte ihn mit einer feierlichen Miene, während man ihm den Venezianer vorführte:"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":129,"orig":"„Erkennen Sie dieſen Menſchen für den nehmlichen, der Sie auf dem Kaffeehauſe beleidigt hat?“","norm":"„Erkennen Sie diesen Menschen für den nämlichen, der sie auf dem Kaffeehause beleidigt hat?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":130,"orig":"„Ja,“ antwortete der Prinz.","norm":"„Ja,“ antwortete der Prinz."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":131,"orig":"Darauf wandte Jener ſich zu dem Gefangenen: „Iſt das dieſelbe Perſon, die Sie heute Abend wollten ermorden laſſen?“","norm":"Darauf wandte jener sich zu dem Gefangenen: „Ist das dieselbe Person, die Sie heute Abend wollten ermorden lassen?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":132,"orig":"Der Gefangene antwortete mit Ja.","norm":"Der Gefangene antwortete mit Ja."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":133,"orig":"Sogleich öffnete ſich der Kreis, und mit Entſetzen ſahen wir den Kopf des Venetianers vom Rumpfe trennen, „Sind Sie mit dieſer Genugthuung zufrieden?“ fragte der Staatsinquiſitor.","norm":"Sogleich öffnete sich der Kreis, und mit Entsetzen sahen wir den Kopf des Venezianers vom Rumpfe trennen, „Sind Sie mit dieser Genugtuung zufrieden?“ fragte der Staatsinquisitor."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":134,"orig":"— Der Prinz lag ohnmächtig in den Armen ſeiner Begleiter — „Gehen Sie nun,“ fuhr Jener mit einer ſchrecklichen Stimme fort, indem er ſich gegen mich wandte, „und urtheilen Sie künftig weniger vorſchnell von der Gerechtigkeit in Venedig.","norm":"— Der Prinz lag ohnmächtig in den Armen seiner Begleiter — „Gehen Sie nun,“ fuhr jener mit einer schrecklichen Stimme fort, indem er sich gegen mich wandte, „und urteilen Sie künftig weniger vorschnell von der Gerechtigkeit in Venedig."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":135,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":136,"orig":"Wer der verborgene Freund geweſen, der uns durch den ſchnellen Arm der Juſtiz von einem gewiſſen Tode errettet hatte, konnten wir nicht errathen.","norm":"Wer der verborgene Freund gewesen, der uns durch den schnellen Arm der Justiz von einem gewissen Tode errettet hatte, konnten wir nicht erraten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":137,"orig":"Starr von Schrecken erreichten wir unſre Wohnung.","norm":"Starr von Schrecken erreichten wir unsere Wohnung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":138,"orig":"Es war nach Mitternacht.","norm":"Es war nach Mitternacht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":139,"orig":"Der Kammerjunker von Z * * erwartete uns mit Ungeduld an der Treppe.","norm":"Der Kammerjunker von Z * * erwartete uns mit Ungeduld an der Treppe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":140,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":141,"orig":"„Wie gut war es, daß Sie geſchickt haben!“ ſagte er zum Prinzen, indem er uns leuchtete.","norm":"„Wie gut war es, dass Sie geschickt haben!“ sagte er zum Prinzen, indem er uns leuchtete."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":142,"orig":"— „Eine Nachricht die der Baron von F * * gleich nachher von dem St. Markusplatze nach Hauſe brachte, hatte uns wegen Ihrer in die tödtlichſte Angſt geſezt.","norm":"— „Eine Nachricht die der Baron von F * * gleich nachher von dem St. Markusplatz nach Hause brachte, hatte uns wegen Ihrer in die tödlichste Angst gesetzt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":143,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":144,"orig":"„Geſchickt hätte ich?","norm":"„Geschickt hätte ich?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":145,"orig":"Wann?","norm":"Wann?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":146,"orig":"Ich weiß nichts davon.","norm":"Ich weiß nichts davon."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":147,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":148,"orig":"„Dieſen Abend nach acht Uhr.","norm":"„Diesen Abend nach acht Uhr."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":149,"orig":"Sie ließen uns ſagen, daß wir ganz außer Sorgen ſeyn dürften, wenn Sie heute ſpäter nach Hauſe kämen.","norm":"Sie ließen uns sagen, dass wir ganz außer Sorgen sein dürften, wenn Sie heute später nach Hause kämen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":150,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":151,"orig":"Hier ſahe der Prinz mich an.","norm":"Hier sah der Prinz mich an."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":152,"orig":"„Haben Sie vielleicht ohne mein Wiſſen dieſe Sorgfalt gebraucht?“","norm":"„Haben Sie vielleicht ohne mein Wissen diese Sorgfalt gebraucht?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":153,"orig":"Ich wußte von gar nichts.","norm":"Ich wusste von gar nichts."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":154,"orig":"„Es muß doch wohl ſo ſeyn, Ihro Durchlaucht,“ ſagte der Kammerjunker — „denn hier iſt ja Ihre Repetieruhr, die Sie zur Sicherheit mit ſchickten.","norm":"„Es muss doch wohl so sein, Ihre Durchlaucht,“ sagte der Kammerjunker — „denn hier ist ja Ihre Repetieruhr, die Sie zur Sicherheit mitschickten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":155,"orig":"“ Der Prinz griff nach der Uhrtaſche.","norm":"“ Der Prinz griff nach der Uhrtasche."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":156,"orig":"Die Uhr war wirklich fort, und er erkannte jene für die ſeinige.","norm":"Die Uhr war wirklich fort, und er erkannte jene für die seinige."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":157,"orig":"„Wer brachte ſie,“ fragte er mit Beſtürzung.","norm":"„Wer brachte sie,“ fragte er mit Bestürzung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":158,"orig":"„Eine unbekannte Maſke, in armeniſcher Kleidung, die ſich ſogleich wieder entfernte.","norm":"„Eine unbekannte Maske, in armenischer Kleidung, die sich sogleich wieder entfernte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":159,"orig":"“ Wir ſtanden und ſahen uns an.","norm":"“ Wir standen und sahen uns an."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":160,"orig":"— „Was halten Sie davon?","norm":"— „Was halten Sie davon?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":161,"orig":"ſagte endlich der Prinz nach einem langen Stillſchweigen.","norm":"sagte endlich der Prinz nach einem langen Stillschweigen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":162,"orig":"„Ich habe hier einen verborgenen Aufſeher in Venedig.","norm":"„Ich habe hier einen verborgenen Aufseher in Venedig."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":163,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":164,"orig":"Der ſchreckliche Auftritt dieſer Nacht hatte dem Prinzen ein Fieber zugezogen, das ihn acht Tage nöthigte, das Zimmer zu hüten.","norm":"Der schreckliche Auftritt dieser Nacht hatte dem Prinzen ein Fieber zugezogen, das ihn acht Tage nötigte, das Zimmer zu hüten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":165,"orig":"In dieſer Zeit wimmelte unſer Hotel von Einheimiſchen und Fremden, die der entdeckte Stand des Prinzen herbey gelockt hatte.","norm":"In dieser Zeit wimmelte unser Hotel von Einheimischen und Fremden, die der entdeckte Stand des Prinzen herbeigelockt hatte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":166,"orig":"Des ganzen Vorgangs in der Staatsinquiſition wurde nicht mehr erwähnt.","norm":"Des ganzen Vorgangs in der Staatsinquisition wurde nicht mehr erwähnt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":167,"orig":"Weil der Hof zu * * die Abreiſe des Prinzen noch aufgeſchoben wünſchte, ſo erhielten einige Banquiers in Venedig Anweiſung, ihm beträchtliche Summen auszuzahlen.","norm":"Weil der Hof zu * * die Abreise des Prinzen noch aufgeschoben wünschte, so erhielten einige Bankiers in Venedig Anweisung, ihm beträchtliche Summen auszuzahlen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":168,"orig":"So ward er wider Willen in den Stand geſetzt, ſeinen Aufenthalt in Italien zu verlängern, und auf ſein Bitten entſchloß ich mich auch, meine Abreiſe noch zu verſchieben.","norm":"So wurde er wider Willen in den Stand gesetzt, seinen Aufenthalt in Italien zu verlängern, und auf sein Bitten entschloss ich mich auch, meine Abreise noch zu verschieben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":169,"orig":"So bald er ſo weit geneſen war, um das Zimmer wieder verlaſſen zu können, beredete ihn der Arzt eine Spazierfahrt auf der Vrenta zu machen, um die Luft zu verändern.","norm":"Sobald er so weit genesen war, um das Zimmer wieder verlassen zu können, beredete ihn der Arzt eine Spazierfahrt auf der Brenta zu machen, um die Luft zu verändern."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":170,"orig":"Das Wetter war helle und die Parthie ward angenommen.","norm":"Das Wetter war helle und die Partie wurde angenommen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":171,"orig":"Als wir eben im Begriff waren in die Gondel zu ſteigen, vermißte der Prinz den Schlüſſel zu einer kleinen Schatulle, die ſehr wichtige Papiere enthielt.","norm":"Als wir eben im Begriff waren in die Gondel zu steigen, vermisste der Prinz den Schlüssel zu einer kleinen Schatulle, die sehr wichtige Papiere enthielt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":172,"orig":"Sogleich kehrten wir um, ihn zu ſuchen.","norm":"Sogleich kehrten wir um, ihn zu suchen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":173,"orig":"Er beſann ſich auf das genaueſte, die Schatulle noch den vorigen Tag verſchloſſen zu haben, und ſeit dieſer Zeit war er nicht aus dem Zimmer gekommen.","norm":"Er besann sich auf das genaueste, die Schatulle noch den vorigen Tag verschlossen zu haben, und seit dieser Zeit war er nicht aus dem Zimmer gekommen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":174,"orig":"Aber alles Suchen war umſonſt, wir mußten davon abſtehen, um die Zeit nicht zu verlieren.","norm":"Aber alles Suchen war umsonst, wir mussten davon abstehen, um die Zeit nicht zu verlieren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":175,"orig":"Der Prinz, deſſen Seele über jeden Argwohn erhaben war, erklärte ihn für verloren, und bat uns, nicht weiter davon zu ſprechen.","norm":"Der Prinz, dessen Seele über jeden Argwohn erhaben war, erklärte ihn für verloren, und bat uns, nicht weiter davon zu sprechen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":176,"orig":"Die Fahrt war die angenehmſte.","norm":"Die Fahrt war die angenehmste."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":177,"orig":"Eine mahleriſche Landſchaft, die mit jeder Krümmung des Fluſſes ſich an Reichthum und Schönheit zu übertreffen ſchien — der heiterſte Himmel, der mitten im Hornung einen Maientag bildete — reizende Gärten und geſchmackvolle Landhäuſer ohne Zahl, welche beyde Ufer der Brenta ſchmücken — hinter uns das majeſtätiſche Venedig, mit hundert aus dem Waſſer ſpringenden Thürmen und Maſten, alles dieß gab uns das herrlichſte Schauſpiel von der Welt.","norm":"Eine malerische Landschaft, die mit jeder Krümmung des Flusses sich an Reichtum und Schönheit zu übertreffen schien — der heiterste Himmel, der mitten im Hornung einen Maitag bildete — reizende Gärten und geschmackvolle Landhäuser ohne Zahl, welche beide Ufer der Brenta schmücken — hinter uns das majestätische Venedig, mit hundert aus dem Wasser springenden Türmen und Masten, alles dies gab uns das herrlichste Schauspiel von der Welt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":178,"orig":"Wir überließen uns ganz dem wohlthätigen Zauber dieſer ſchönen Natur, unſere Laune war die heiterſte, der Prinz ſelbſt verlor ſeinen Ernſt, und wetteiferte mit uns in fröhlichen Scherzen.","norm":"Wir überließen uns ganz dem wohltätigen Zauber dieser schönen Natur, unsere Laune war die heiterste, der Prinz selbst verlor seinen Ernst, und wetteiferte mit uns in fröhlichen Scherzen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":179,"orig":"Eine luſtige Muſik ſchallte uns entgegen, als wir zwey italieniſche Meilen von der Stadt ans Land ſtiegen.","norm":"Eine lustige Musik schallte uns entgegen, als wir zwei italienische Meilen von der Stadt ans Land stiegen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":180,"orig":"Sie kam aus einem kleinen Dorfe, wo eben Jahrmarkt gehalten wurde; hier wimmelte es von Geſellſchaft aller Art. Ein Trupp junger Mädchen und Knaben, alle theatraliſch gekleidet, bewillkommte uns mit einem pantomimiſchen Tanz.","norm":"Sie kam aus einem kleinen Dorfe, wo eben Jahrmarkt gehalten wurde; hier wimmelte es von Gesellschaft aller Art. Ein Trupp junger Mädchen und Knaben, alle theatralisch gekleidet, bewillkommte uns mit einem pantomimischen Tanz."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":181,"orig":"Die Erfindung war neu, Leichtigkeit und Grazie beſeelten jede Bewegung.","norm":"Die Erfindung war neu, Leichtigkeit und Grazie beseelten jede Bewegung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":182,"orig":"Eh der Tanz noch völlig zu Ende war, ſchien die Anführerinn deſſelben, welche eine Königinn vorſtellte, plötzlich wie von einem unſichtbaren Arme gehalten.","norm":"Ehe der Tanz noch völlig zu Ende war, schien die Anführerin desselben, welche eine Königin vorstellte, plötzlich wie von einem unsichtbaren Arme gehalten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":183,"orig":"Leblos ſtand ſie und Alles.","norm":"Leblos stand sie und alles."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":184,"orig":"Die Muſik ſchwieg.","norm":"Die Musik schwieg."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":185,"orig":"Kein Odem war zu hören in der ganzen Verſammlung und ſie ſtand da, den Blick auf die Erde geheftet, in einer tiefen Erſtarrung.","norm":"Kein Odem war zu hören in der ganzen Versammlung und sie stand da, den Blick auf die Erde geheftet, in einer tiefen Erstarrung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":186,"orig":"Auf einmal fuhr ſie mit der Wuth der Begeiſterung in die Höhe, blickte wild um ſich her — „Ein König iſt unter uns,“ rief ſie, riß ihre Krone vom Haupt, und legte ſie — zu den Füßen des Prinzen.","norm":"Auf einmal fuhr sie mit der Wut der Begeisterung in die Höhe, blickte wild um sich her — „Ein König ist unter uns,“ rief sie, riss ihre Krone vom Haupt, und legte sie — zu den Füßen des Prinzen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":187,"orig":"Alles, was da war, richtete hier die Augen auf ihn, lange Zeit ungewiß, ob Bedeutung in dieſem Gaukelſpiel wäre, ſo ſehr hatte der affektvolle Ernſt dieſer Spielerinn getäuſcht — Ein allgemeines Händeklatſchen des Beyfalls unterbrach endlich dieſe Stille.","norm":"Alles, was da war, richtete hier die Augen auf ihn, lange Zeit ungewiss, ob Bedeutung in diesem Gaukelspiel wäre, so sehr hatte der affektvolle Ernst dieser Spielerin getäuscht — ein allgemeines Händeklatschen des Beifalls unterbrach endlich diese Stille."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":188,"orig":"Meine Augen ſuchten den Prinzen.","norm":"Meine Augen suchten den Prinzen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":189,"orig":"Ich bemerkte, daß er nicht wenig betroffen war und ſich Mühe gab, den forſchenden Blicken der Zuſchauer auszuweichen.","norm":"Ich bemerkte, dass er nicht wenig betroffen war und sich Mühe gab, den forschenden Blicken der Zuschauer auszuweichen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":190,"orig":"Er warf Geld unter dieſe Kinder und eilte, aus dem Gewühle zu kommen.","norm":"Er warf Geld unter diese Kinder und eilte, aus dem Gewühle zu kommen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":191,"orig":"Wir hatten nur wenige Schritte gemacht, als ein ehrwürdiger Barfüßer ſich durch das Volk arbeitete, und dem Prinzen in den Weg trat.","norm":"Wir hatten nur wenige Schritte gemacht, als ein ehrwürdiger Barfüßer sich durch das Volk arbeitete, und dem Prinzen in den Weg trat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":192,"orig":"„Herr,“ ſagte der Mönch, „gieb der Madonna von deinem Gelde, du wirſt ihr Gebet brauchen.","norm":"„Herr,“ sagte der Mönch, „gib der Madonna von deinem Gelde, du wirst ihr Gebet brauchen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":193,"orig":"“ Er ſprach dieß mit einem Tone, der uns betreten machte.","norm":"“ Er sprach dies mit einem Tone, der uns betreten machte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":194,"orig":"Das Gedränge riß ihn weg.","norm":"Das Gedränge riss ihn weg."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":195,"orig":"Unſer Gefolge war unterdeſſen gewachſen.","norm":"Unser Gefolge war unterdessen gewachsen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":196,"orig":"Ein engliſcher Lord, den der Prinz ſchon in Nizza geſehen hatte, einige Kaufleute aus Livorno, ein deutſcher Domherr, ein franzöſiſcher Abbe' mit einigen Damen, und ein ruſſiſcher Offizier geſellten ſich zu uns.","norm":"Ein englischer Lord, den der Prinz schon in Nizza gesehen hatte, einige Kaufleute aus Livorno, ein deutscher Domherr, ein französischer Abbé mit einigen Damen, und ein russischer Offizier gesellten sich zu uns."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":197,"orig":"Die Phyſiognomie des leztern hatte etwas ganz ungewöhnliches, das unſere Aufmerkſamkeit an ſich zog.","norm":"Die Physiognomie des letzten hatte etwas ganz Ungewöhnliches, das unsere Aufmerksamkeit an sich zog."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":198,"orig":"Nie in meinem Leben ſah ich ſo viele Züge, und ſo wenig Charakter, ſo viel anlockendes Wohlwollen mit ſo viel zurückſtoßendem Froſt in Einem Menſchengeſichte beyſammen wohnen.","norm":"Nie in meinem Leben sah ich so viele Züge, und so wenig Charakter, so viel anlockendes Wohlwollen mit so viel zurückstoßendem Frost in einem Menschengesichte beisammen wohnen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":199,"orig":"Alle Leidenſchaften ſchienen darin gewühlt und es wieder verlaſſen zu haben.","norm":"Alle Leidenschaften schienen darin gewühlt und es wieder verlassen zu haben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":200,"orig":"Nichts war übrig, als der ſtille, durchdringende Blick eines vollendeten Menſchenkenners, der jedes Auge verſcheuchte, worauf er traf.","norm":"Nichts war übrig, als der stille, durchdringende Blick eines vollendeten Menschenkenners, der jedes Auge verscheuchte, worauf er traf."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":201,"orig":"Dieſer ſeltſame Menſch folgte uns von weitem, ſchien aber an allem was vorging, nur einen nachläſſigen Antheil zu nehmen.","norm":"Dieser seltsame Mensch folgte uns von weitem, schien aber an allem was vorging, nur einen nachlässigen Anteil zu nehmen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":202,"orig":"Wir kamen vor eine Bude zu ſtehen, wo Lotterie gezogen wurde.","norm":"Wir kamen vor eine Bude zu stehen, wo Lotterie gezogen wurde."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":203,"orig":"Die Damen ſezten ein, wir andern folgten ihrem Beyſpiel; auch der Prinz foderte ein Loos.","norm":"Die Damen setzten ein, wir anderen folgten ihrem Beispiel; auch der Prinz forderte ein Los."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":204,"orig":"Es gewann eine Tabatiere.","norm":"Es gewann eine Tabatiere."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":205,"orig":"Als er ſie aufmachte, ſah ich ihn blaß zurückfahren.","norm":"Als er sie aufmachte, sah ich ihn blass zurückfahren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":206,"orig":"— Der Schlüſſel lag darin.","norm":"— Der Schlüssel lag darin."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":207,"orig":"„Was iſt das?“ ſagte der Prinz zu mir, als wir einen Augenblick allein waren.","norm":"„Was ist das?“ sagte der Prinz zu mir, als wir einen Augenblick allein waren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":208,"orig":"„Eine höhere Gewalt jagt mich.","norm":"„Eine höhere Gewalt jagt mich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":209,"orig":"Allwiſſenheit ſchwebt um mich.","norm":"Allwissenheit schwebt um mich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":210,"orig":"Ein unſichtbares Weſen, dem ich nicht entfliehen kann, bewacht alle meine Schritte.","norm":"Ein unsichtbares Wesen, dem ich nicht entfliehen kann, bewacht alle meine Schritte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":211,"orig":"Ich muß den Armenier aufſuchen und muß Licht von ihm haben.","norm":"Ich muss den Armenier aufsuchen und muss Licht von ihm haben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":212,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":213,"orig":"Die Sonne neigte ſich zum Untergang, als wir vor dem Luſthauſe ankamen, wo das Abendeſſen ſervirt war.","norm":"Die Sonne neigte sich zum Untergang, als wir vor dem Lusthaus ankamen, wo das Abendessen serviert war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":214,"orig":"Der Name des Prinzen hatte unſere Geſellſchaft bis zu ſechzehn Perſonen vergrößert.","norm":"Der Name des Prinzen hatte unsere Gesellschaft bis zu sechzehn Personen vergrößert."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":215,"orig":"Auſſer den oben erwähnten war noch ein Virtuoſe aus Rom, einige Schweizer und ein Avanturier aus Palermo, der Uniform trug und ſich für einen Kapitain ausgab, zu uns geſtoßen.","norm":"Außer den oben erwähnten war noch ein Virtuose aus Rom, einige Schweizer und ein Avanturier aus Palermo, der Uniform trug und sich für einen Kapitän ausgab, zu uns gestoßen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":216,"orig":"Es ward beſchloſſen, den ganzen Abend hier zuzubringen, und mit Fackeln nach Hauſe zu fahren.","norm":"Es wurde beschlossen, den ganzen Abend hier zuzubringen, und mit Fackeln nach Hause zu fahren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":217,"orig":"Die Unterhaltung bey Tiſche war ſehr lebhaft, und der Prinz konnte nicht umhin, die Begebenheit mit dem Schlüſſel zu erzählen, welche eine allgemeine Verwunderung erregte.","norm":"Die Unterhaltung bei Tische war sehr lebhaft, und der Prinz konnte nicht umhin, die Begebenheit mit dem Schlüssel zu erzählen, welche eine allgemeine Verwunderung erregte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":218,"orig":"Es wurde heftig über dieſe Materie geſtritten.","norm":"Es wurde heftig über diese Materie gestritten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":219,"orig":"Die meiſten aus der Geſellſchaft behaupteten dreiſt weg, daß alle dieſe geheimen Künſte auf eine Taſchenſpielerey hinausliefen; der Abbe', der ſchon viel Wein bey ſich hatte, foderte das ganze Geiſterreich in die Schranken heraus; der Engländer ſagte Blaſphemien; der Muſikus machte das Kreuz vor dem Teufel.","norm":"Die meisten aus der Gesellschaft behaupteten dreist weg, dass alle diese geheimen Künste auf eine Taschenspielerei hinausliefen; der Abbé, der schon viel Wein bei sich hatte, forderte das ganze Geisterreich in die Schranken heraus; der Engländer sagte Blasphemien; der Musikus machte das Kreuz vor dem Teufel."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":220,"orig":"Wenige, worunter der Prinz war, hielten dafür, daß man ſein Urtheil über dieſe Dinge zurückhalten müſſe; während deſſen unterhielt ſich der ruſſiſche Offizier mit den Frauenzimmern, und ſchien das ganze Geſpräch nicht zu achten.","norm":"Wenige, worunter der Prinz war, hielten dafür, dass man sein Urteil über diese Dinge zurückhalten müsse; währenddessen unterhielt sich der russische Offizier mit den Frauenzimmern, und schien das ganze Gespräch nicht zu achten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":221,"orig":"In der Hitze des Streits hatte man nicht bemerkt, daß der Sicilianer hinaus gegangen war.","norm":"In der Hitze des Streits hatte man nicht bemerkt, dass der Sizilianer hinausgegangen war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":222,"orig":"Nach Verfluß einer kleinen halben Stunde kam er wieder in einen Mantel gehullt, und ſtellte ſich hinter den Stuhl des Franzoſen.","norm":"Nach Fluss einer kleinen halben Stunde kam er wieder in einen Mantel gehüllt, und stellte sich hinter den Stuhl des Franzosen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":223,"orig":"„Sie haben vorhin die Bravour geäuſſert, es mit allen Geiſtern aufzunehmen — wollen Sie es mit einem verſuchen?“","norm":"„Sie haben vorhin die Bravour geäußert, es mit allen Geistern aufzunehmen — wollen Sie es mit einem versuchen?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":224,"orig":"„Topp!“ ſagte der Abbé — „wenn Sie es auf ſich nehmen wollen, mir einen herbey zu ſchaffen.","norm":"„Topp!“ sagte der Abbé — „wenn Sie es auf sich nehmen wollen, mir einen herbeizuschaffen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":225,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":226,"orig":"„Das will ich,“ antwortete der Sicilianer (indem er ſich gegen uns kehrte) wenn dieſe Herren und Damen uns werden verlaſſen haben.","norm":"„Das will ich,“ antwortete der Sizilianer (indem er sich gegen uns kehrte) wenn diese Herren und Damen uns werden verlassen haben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":227,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":228,"orig":"„Warum das?“ rief der Engländer.","norm":"„Warum das?“ rief der Engländer."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":229,"orig":"„Ein herzhafter Geiſt fürchtet ſich vor keiner luſtigen Geſellſchaft.","norm":"„Ein herzhafter Geist fürchtet sich vor keiner lustigen Gesellschaft."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":230,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":231,"orig":"„Ich ſtehe nicht für den Ausgang,“ ſagte der Sicilianer.","norm":"„Ich stehe nicht für den Ausgang,“ sagte der Sizilianer."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":232,"orig":"„Um des Himmels willen!","norm":"„Um des Himmels willen!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":233,"orig":"Nein!“ ſchrieen die Frauenzimmer an dem Tiſche, und fuhren erſchrocken von ihren Stühlen.","norm":"Nein!“ schrien die Frauenzimmer an dem Tische, und fuhren erschrocken von ihren Stühlen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":234,"orig":"„Laſſen Sie Ihren Geiſt kommen,“ ſagte der Abbe' trotzig, „aber warnen Sie ihn vorher, daß es hier ſpitzige Klingen giebt,“ (indem er einen von den Gäſten um ſeinen Degen bat).","norm":"„Lassen Sie Ihren Geist kommen,“ sagte der Abbé trotzig, „aber warnen Sie ihn vorher, dass es hier spitzige Klingen gibt,“ (indem er einen von den Gästen um seinen Degen bat)."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":235,"orig":"„Das mögen Sie alsdann halten, wie Sie wollen,“ antwortete der Sicilianer kalt, „wenn Sie nachher noch Luſt dazu haben“ Hier kehrte er ſich zum Prinzen.","norm":"„Das mögen Sie alsdann halten, wie Sie wollen,“ antwortete der Sizilianer kalt, „wenn Sie nachher noch Lust dazu haben“ Hier kehrte er sich zum Prinzen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":236,"orig":"„Gnädigſter Herr,“ ſagte er zu dieſem, „Sie behaupten, daß Ihr Schlüſſel in fremden Händen geweſen — Können Sie vermuthen, in welchen?“","norm":"„Gnädigster Herr,“ sagte er zu diesem, „Sie behaupten, dass Ihr Schlüssel in fremden Händen gewesen — Können Sie vermuten, in welchen?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":237,"orig":"„Nein.","norm":"„Nein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":238,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":239,"orig":"„Rathen Sie auch auf niemand?“","norm":"„Raten Sie auch auf niemand?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":240,"orig":"„Ich hatte freylich einen Gedanken“ —","norm":"„Ich hatte freilich einen Gedanken“ —"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":241,"orig":"„Würden Sie die Perſon erkennen, wenn Sie ſie vor ſich ſähen?“","norm":"„Würden Sie die Person erkennen, wenn Sie sie vor sich sähen?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":242,"orig":"„Ohne Zweifel.","norm":"„Ohne Zweifel."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":243,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":244,"orig":"Hier ſchlug der Sicilianer ſeinen Mantel zurück, und zog einen Spiegel hervor, den er dem Prinzen vor die Augen hielt.","norm":"Hier schlug der Sizilianer seinen Mantel zurück, und zog einen Spiegel hervor, den er dem Prinzen vor die Augen hielt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":245,"orig":"„Iſt es dieſe?“","norm":"„Ist es diese?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":246,"orig":"Der Prinz trat mit Schrecken zurück.","norm":"Der Prinz trat mit Schrecken zurück."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":247,"orig":"„Was haben Sie geſehen?“ fragte ich.","norm":"„Was haben Sie gesehen?“ fragte ich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":248,"orig":"„Den Armenier.","norm":"„Den Armenier."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":249,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":250,"orig":"Der Sicilianer verbarg ſeinen Spiegel wieder unter den Mantel.","norm":"Der Sizilianer verbarg seinen Spiegel wieder unter den Mantel."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":251,"orig":"„War es dieſelbe Perſon, die Sie meynen?“ fragte die ganze Geſellſchaft.","norm":"„War es dieselbe Person, die Sie meinen?“ fragte die ganze Gesellschaft."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":252,"orig":"„Die nehmliche.","norm":"„Die nämliche."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":253,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":254,"orig":"Hier veränderte ſich jedes Geſicht, man hörte auf zu lachen.","norm":"Hier veränderte sich jedes Gesicht, man hörte auf zu lachen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":255,"orig":"Alle Augen hingen neugierig an dem Sicilianer.","norm":"Alle Augen hingen neugierig an dem Sizilianer."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":256,"orig":"„Monſieur l'Abbé, das Ding wird ernſthaft,“ ſagte der Engländer, „ich rieth Ihnen, auf den Rückzug zu denken.","norm":"„Monsieur l'Abbé, das Ding wird ernsthaft,“ sagte der Engländer, „ich riet Ihnen, auf den Rückzug zu denken."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":257,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":258,"orig":"„Der Kerl hat den Teufel im Leibe,“ ſchrie der Franzoſe, und flog aus dem Hauſe — die Frauenzimmer ſtürzten mit Geſchrey aus dem Saal — der Virtuoſe folgte ihnen — der deutſche Domherr ſchnarchte in einem Seſſel — der Ruſſe blieb wie bisher gleichgültig ſitzen.","norm":"„Der Kerl hat den Teufel im Leibe,“ schrie der Franzose, und flog aus dem Hause — die Frauenzimmer stürzten mit Geschrei aus dem Saal — der Virtuose folgte ihnen — der deutsche Domherr schnarchte in einem Sessel — der Russe blieb wie bisher gleichgültig sitzen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":259,"orig":"„Sie wollten vielleicht nur einen Großſprecher zum Gelächter machten,“ fing der Prinz wieder an, nachdem jene hinaus waren — „oder hätten Sie wohl Luſt uns Wort zu halten?“","norm":"„Sie wollten vielleicht nur einen Großsprecher zum Gelächter machen,“ fing der Prinz wieder an, nachdem jene hinaus waren — „oder hätten Sie wohl Lust uns Wort zu halten?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":260,"orig":"„Es iſt wahr,“ ſagte der Sicilianer.","norm":"„Es ist wahr,“ sagte der Sizilianer."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":261,"orig":"Ich habe ihn beym Wort genommen, weil ich wohl wußte, daß die Memme es nicht ſo weit würde kommen laſſen.","norm":"Ich habe ihn beim Wort genommen, weil ich wohl wusste, dass die Memme es nicht so weit würde kommen lassen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":262,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":263,"orig":"„Sie räumen alſo doch ein, daß ſie in Ihrer Gewalt iſt?“","norm":"„Sie räumen also doch ein, dass sie in Ihrer Gewalt ist?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":264,"orig":"Der Magier ſchwieg eine lange Zeit, und ſchien den Prinzen ſorgfältig mit den Augen zu prüfen.","norm":"Der Magier schwieg eine lange Zeit, und schien den Prinzen sorgfältig mit den Augen zu prüfen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":265,"orig":"„Ja,“ antwortete er endlich.","norm":"„Ja,“ antwortete er endlich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":266,"orig":"Die Neugierde des Prinzen war bereits auf den höchſten Grad geſpannt.","norm":"Die Neugierde des Prinzen war bereits auf den höchsten Grad gespannt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":267,"orig":"Dieß war jederzeit ſeine Lieblingsſchwärmerey geweſen, und ſeit jener erſten Erſcheinung des Armeniers hatten ſich alle Ideen wieder bey ihm gemeldet, die ſeine reifere Vernunft und eine beſſere Lektüre ſo lange abgewieſen hatten.","norm":"Dies war jederzeit seine Lieblingsschwärmerei gewesen, und seit jener ersten Erscheinung des Armeniers hatten sich alle Ideen wieder bei ihm gemeldet, die seine reifere Vernunft und eine bessere Lektüre so lange abgewiesen hatten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":268,"orig":"Er ging mit dem Sicilianer bey Seite, und ich hörte ihn ſehr angelegentlich mit ihm unterhandeln.","norm":"Er ging mit dem Sizilianer beiseite, und ich hörte ihn sehr angelegentlich mit ihm unterhandeln."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":269,"orig":"„Sie haben hier einen Mann vor ſich,“ fuhr er fort, „der von Ungeduld brennt, in dieſer wichtigen Materie es zu einer Ueberzeugung zu bringen.","norm":"„Sie haben hier einen Mann vor sich,“ fuhr er fort, „der von Ungeduld brennt, in dieser wichtigen Materie es zu einer Überzeugung zu bringen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":270,"orig":"Ich würde denjenigen als meinen Wohlthäter, als meinen erſten Freund umarmen, der hier meine Zweifel zerſtreute, und die Decke von meinen Augen zöge — Wollen Sie ſich dieſes große Verdienſt um mich erwerben?“","norm":"Ich würde denjenigen als meinen Wohltäter, als meinen ersten Freund umarmen, der hier meine Zweifel zerstreute, und die Decke von meinen Augen zöge — Wollen Sie sich dieses große Verdienst um mich erwerben?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":271,"orig":"Was verlangen Sie von mir?“ ſagte der Magier mit Bedenken.","norm":"Was verlangen Sie von mir?“ sagte der Magier mit Bedenken."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":272,"orig":"„Vor jezt nur eine Probe Ihrer Kunſt.","norm":"„Vor jetzt nur eine Probe Ihrer Kunst."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":273,"orig":"Laſſen Sie mich eine Erſcheinung ſehen.","norm":"Lassen Sie mich eine Erscheinung sehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":274,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":275,"orig":"„Wozu ſoll das führen?“","norm":"„Wozu soll das führen?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":276,"orig":"„Dann mögen Sie aus meiner nähern Bekanntſchaft urtheilen, ob ich eines höhern Unterrichts werth bin.","norm":"„Dann mögen Sie aus meiner nähern Bekanntschaft urteilen, ob ich eines höheren Unterrichts wert bin."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":277,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":278,"orig":"„Ich ſchätze Sie über alles, durchlauchtigſter Prinz.","norm":"„Ich schätze Sie über alles, durchlauchtigster Prinz."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":279,"orig":"Eine geheime Gewalt in Ihrem Angeſichte, die Sie ſelbſt noch nicht kennen, hat mich beym erſten Anblick unwiderſtehlich an Sie gebunden.","norm":"Eine geheime Gewalt in Ihrem Angesichte, die Sie selbst noch nicht kennen, hat mich beim ersten Anblick unwiderstehlich an Sie gebunden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":280,"orig":"Sie ſind mächtiger als Sie ſelbſt wiſſen.","norm":"Sie sind mächtiger als Sie selbst wissen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":281,"orig":"Sie haben unumſchränkt über meine ganze Gewalt zu gebieten — aber —","norm":"Sie haben unumschränkt über meine ganze Gewalt zu gebieten — aber —"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":282,"orig":"„Alſo laſſen Sie mich eine Erſcheinung ſehen.","norm":"„Also lassen Sie mich eine Erscheinung sehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":283,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":284,"orig":"„Aber ich muß erſt gewiß ſeyn, daß Sie dieſe Foderung nicht aus Neugierde an mich machen.","norm":"„Aber ich muss erst gewiss sein, dass Sie diese Forderung nicht aus Neugierde an mich machen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":285,"orig":"Wenn gleich die unſichtbaren Kräfte mir einigermaſen zu Willen ſind, ſo iſt es unter der heiligen Bedingung, daß ich meine Gewalt nicht mißbrauche.","norm":"Wenn gleich die unsichtbaren Kräfte mir einigermaßen zu Willen sind, so ist es unter der heiligen Bedingung, dass ich meine Gewalt nicht missbrauche."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":286,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":287,"orig":"Meine Abſichten ſind die reinſten.","norm":"Meine Absichten sind die reinsten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":288,"orig":"Ich will Wahrheit.","norm":"Ich will Wahrheit."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":289,"orig":"Hier verließen ſie ihren Platz, und traten zu einem entfernten Fenſter, wo ich ſie nicht weiter hören konnte.","norm":"Hier verließen sie ihren Platz, und traten zu einem entfernten Fenster, wo ich sie nicht weiter hören konnte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":290,"orig":"Der Engländer, der dieſe Unterredung gleichfalls mit angehört hatte, zog mich auf die Seite.","norm":"Der Engländer, der diese Unterredung gleichfalls mit angehört hatte, zog mich auf die Seite."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":291,"orig":"„Es wird darauf ankommen,“ ſagte ich, „wie er ſich aus dem Handel zieht.","norm":"„Es wird darauf ankommen,“ sagte ich, „wie er sich aus dem Handel zieht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":292,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":293,"orig":"„Wiſſen Sie was?“ ſagte der Engländer: Jezt macht der arme Teufel ſich koſtbar.","norm":"„Wissen Sie was?“ sagte der Engländer: Jetzt macht der arme Teufel sich kostbar."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":294,"orig":"Er wird ſeine Kunſt nicht auskramen, bis er Geld klingen hört.","norm":"Er wird seine Kunst nicht auskramen, bis er Geld klingen hört."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":295,"orig":"Es ſind unſer Neune.","norm":"Es sind unser Neun."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":296,"orig":"Wir wollen eine Collekte machen.","norm":"Wir wollen eine Kollekte machen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":297,"orig":"Das bricht ihm den Hals und öffnet vielleicht Ihrem Prinzen die Augen.","norm":"Das bricht ihm den Hals und öffnet vielleicht Ihrem Prinzen die Augen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":298,"orig":"“ „Ich bins zufrieden.","norm":"“ „Ich bin es zufrieden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":299,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":300,"orig":"Der Engländer warf ſechs Guineen auf einen Teller, und ſammelte in der Reihe herum.","norm":"Der Engländer warf sechs Guineen auf einen Teller, und sammelte in der Reihe herum."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":301,"orig":"Jeder gab einige Louis; dem Ruſſen beſonders gefiel unſer Vorſchlag ungemein, er legte eine Banknote von hundert Zechinen auf den Teller — eine Verſchwendung, über welche der Engländer erſchrak.","norm":"Jeder gab einige Louis; dem Russen besonders gefiel unser Vorschlag ungemein, er legte eine Banknote von hundert Zecchinen auf den Teller — eine Verschwendung, über welche der Engländer erschrak."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":302,"orig":"Wir brachten die Collekte dem Prinzen.","norm":"Wir brachten die Kollekte dem Prinzen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":303,"orig":"„Haben Sie die Güte,“ ſagte der Engländer, „bey dieſem Herrn für uns fürzuſprechen, daß er uns eine Probe ſeiner Kunſt ſehen laſſe und dieſen kleinen Beweis unſrer Erkenntlichkeit annehme.","norm":"„Haben Sie die Güte,“ sagte der Engländer, „bei diesem Herrn für uns fürzusprechen, dass er uns eine Probe seiner Kunst sehen lasse und diesen kleinen Beweis unserer Erkenntlichkeit annehme."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":304,"orig":"“ Der Prinz legte noch einen koſtbaren Ring auf den Teller, und reichte ihn dem Sicilianer.","norm":"“ Der Prinz legte noch einen kostbaren Ring auf den Teller, und reichte ihn dem Sizilianer."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":305,"orig":"Dieſer bedachte ſich einige Sekunden.","norm":"Dieser bedachte sich einige Sekunden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":306,"orig":"— „Meine Herren,“ fing er darauf an, „dieſe Großmuth erniedrigt mich — aber ich gebe Ihrem Verlangen nach.","norm":"— „Meine Herren,“ fing er darauf an, „diese Großmut erniedrigt mich — aber ich gebe Ihrem Verlangen nach."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":307,"orig":"Ihr Wunſch ſoll erfüllt werden, (indem er eine Glocke zog.","norm":"Ihr Wunsch Soll erfüllt werden, (indem er eine Glocke zog."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":308,"orig":") Was dieſes Gold betrifft, worauf ich ſelber kein Recht habe, ſo werden Sie mir erlauben, daß ich es in dem nächſten Benediktinerkloſter für milde Stiftungen niederlege.","norm":") Was dieses Gold betrifft, worauf ich selber kein Recht habe, so werden Sie mir erlauben, dass ich es in dem nächsten Benediktinerkloster für milde Stiftungen niederlege."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":309,"orig":"Dieſen Ring behalte ich als ein ſchätzbares Denkmal, das mich an den würdigſten Prinzen erinnern ſoll.","norm":"Diesen Ring behalte ich als ein schätzbares Denkmal, das mich an den würdigsten Prinzen erinnern soll."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":310,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":311,"orig":"Hier kam der Wirth, dem er das Geld ſogleich überlieferte.","norm":"Hier kam der Wirt, dem er das Geld sogleich überlieferte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":312,"orig":"„Und er iſt dennoch ein Schurke,“ ſagte mir der Engländer ins Ohr.","norm":"„Und er ist dennoch ein Schurke,“ sagte mir der Engländer ins Ohr."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":313,"orig":"„Das Geld ſchlägt er aus, weil ihm jezt mehr an dem Prinzen gelegen iſt.","norm":"„Das Geld schlägt er aus, weil ihm jetzt mehr an dem Prinzen gelegen ist."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":314,"orig":"„Was verlangen Sie?“ fragte jezt der Magier den leztern.","norm":"„Was verlangen Sie?“ fragte jetzt der Magier den letzten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":315,"orig":"„Der Prinz beſann ſich einen Augenblick — Lieber gleich einen großen Mann,“ rief der Lord.","norm":"„Der Prinz besann sich einen Augenblick — Lieber gleich einen großen Mann,“ rief der Lord."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":316,"orig":"Fodern Sie den Pabſt Ganganelli.","norm":"Fordern Sie den Papst Ganganelli."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":317,"orig":"Dem Herrn wird das gleich wenig koſten.","norm":"Dem Herrn wird das gleich wenig kosten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":318,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":319,"orig":"Der Sicilianer biß ſich in die Lippen — „Ich darf keinen zitiren, der die Weihung empfangen hat,“","norm":"Der Sizilianer bis sich in die Lippen — „Ich darf keinen zitieren, der die Weihung empfangen hat,“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":320,"orig":"„Das iſt ſchlimm,“ ſagte der Engländer.","norm":"„Das ist schlimm,“ sagte der Engländer."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":321,"orig":"Vielleicht hätten wir von ihm erfahren, an welcher Krankheit er geſtorben iſt.","norm":"Vielleicht hätten wir von ihm erfahren, an welcher Krankheit er gestorben ist."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":322,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":323,"orig":"„Der Marquis von Lanoy,“ nahm der Prinz jezt das Wort, „war franzöſiſcher Brigadier im vorigen Kriege, und mein vertrauteſter Freund.","norm":"„Der Marquis von Lanoy,“ nahm der Prinz jetzt das Wort, „war französischer Brigadier im vorigen Kriege, und mein vertrautester Freund."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":324,"orig":"In der Bataille bey Haſtinbeck empfing er eine tödliche Wunde, man trug ihn nach meinem Zelte, wo er bald darauf in meinen Armen ſtarb.","norm":"In der Bataille bei Hastinbeck empfing er eine tödliche Wunde, man trug ihn nach meinem Zelte, wo er bald darauf in meinen Armen starb."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":325,"orig":"Als er ſchon mit dem Tode rang, winkte er mich noch zu ſich.","norm":"Als er schon mit dem Tode rang, winkte er mich noch zu sich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":326,"orig":"“ „Prinz,“ fing er an, „ich werde mein Vaterland nicht wieder ſehen, erfahren Sie alſo ein Geheimniß, wozu niemand als ich den Schlüſſel hat.","norm":"“ „Prinz,“ fing er an, „ich werde mein Vaterland nicht wiedersehen, erfahren Sie also ein Geheimnis, wozu niemand als ich den Schlüssel hat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":327,"orig":"In einem Kloſter auf der flandriſchen Gränze lebt eine — —“ hier verſchied er.","norm":"In einem Kloster auf der flandrischen Grenze lebt eine — —“ hier verschied er."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":328,"orig":"Die Hand des Todes zertrennte den Faden ſeiner Rede, ich möchte ihn hier haben und die Fortſetzung hören.","norm":"Die Hand des Todes zertrennte den Faden seiner Rede, ich möchte ihn hier haben und die Fortsetzung hören."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":329,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":330,"orig":"„Viel gefodert, bey Gott!“ rief der Engländer.","norm":"„Viel gefordert, bei Gott!“ rief der Engländer."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":331,"orig":"„Ich erkläre Sie für den größten Künſtler des Erdbodens, wenn Sie dieſe Aufgabe löſen.","norm":"„Ich erkläre Sie für den größten Künstler des Erdbodens, wenn Sie diese Aufgabe lösen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":332,"orig":"“ —","norm":"“ —"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":333,"orig":"Wir bewunderten die ſinnreiche Wahl des Prinzen, und gaben ihr einſtimmig unſern Beyfall.","norm":"Wir bewunderten die sinnreiche Wahl des Prinzen, und gaben ihr einstimmig unseren Beifall."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":334,"orig":"Unterdeſſen ging der Magier mit ſtarken Schritten auf und nieder, und ſchien unentſchloſſen mit ſich ſelbſt zu kämpfen.","norm":"Unterdessen ging der Magier mit starken Schritten auf und nieder, und schien unentschlossen mit sich selbst zu kämpfen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":335,"orig":"„Und das war alles, was der Sterbende Ihnen zu hinterlaſſen hatte?“ „Alles.","norm":"„Und das war alles, was der Sterbende Ihnen zu hinterlassen hatte?“ „Alles."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":336,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":337,"orig":"„Thaten Sie keine weiteren Nachfragen deswegen in ſeinem Vaterlande?“","norm":"„Taten Sie keine weiteren Nachfragen deswegen in seinem Vaterlande?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":338,"orig":"„Sie waren alle vergebens.","norm":"„Sie waren alle vergebens."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":339,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":340,"orig":"„Der Marquis von Lanoy hatte untadelhaft gelebt?","norm":"„Der Marquis von Lanoy hatte untadelhaft gelebt?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":341,"orig":"— Ich darf nicht jeden Todten rufen.","norm":"— Ich darf nicht jeden Toten rufen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":342,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":343,"orig":"„Er ſtarb mit Reue über die Ausſchweifungen ſeiner Jugend.","norm":"„Er starb mit Reue über die Ausschweifungen seiner Jugend."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":344,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":345,"orig":"„Tragen Sie irgend etwa ein Andenken von ihm bey ſich?“","norm":"„Tragen Sie irgend etwa ein Andenken von ihm bei sich?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":346,"orig":"„Ja.","norm":"„Ja."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":347,"orig":"“ (Der Prinz führte wirklich eine Tabatiere bey ſich, worauf das Miniaturbild des Marquis in Emaille war, und die er bey der Tafel neben ſich hatte liegen gehabt.","norm":"“ (Der Prinz führte wirklich eine Tabatiere bei sich, worauf das Miniaturbild des Marquis in Emaille war, und die er bei der Tafel neben sich hatte liegen gehabt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":348,"orig":")","norm":")"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":349,"orig":"„Ich verlange es nicht zu wiſſen — — laſſen Sie mich allein.","norm":"„Ich verlange es nicht zu wissen — — Lassen Sie mich allein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":350,"orig":"Sie ſollen den Verſtorbenen ſehen.","norm":"Sie sollen den Verstorbenen sehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":351,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":352,"orig":"Wir wurden gebeten, uns ſo lange in den andern Pavillon zu begeben, bis er uns rufen würde.","norm":"Wir wurden gebeten, uns so lange in den anderen Pavillon zu begeben, bis er uns rufen würde."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":353,"orig":"Zugleich ließ er alle Meublen aus dem Saale räumen, die Fenſter ausheben, und die Läden auf das genaueſte verſchließen.","norm":"Zugleich ließ er alle Meublen aus dem Saale räumen, die Fenster ausheben, und die Läden auf das genaueste verschließen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":354,"orig":"Dem Wirth, mit dem er ſchon vertraut zu ſeyn ſchien, befahl er, ein Gefäß mit glühenden Kohlen zu bringen, und alle Feuer im Hauſe ſorgfältig, mit Waſſer zu löſchen.","norm":"Dem Wirt, mit dem er schon vertraut zu sein schien, befahl er, ein Gefäß mit glühenden Kohlen zu bringen, und alle Feuer im Hause sorgfältig, mit Wasser zu löschen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":355,"orig":"Ehe wir weggingen, nahm er von jedem insbeſondere das Ehrenwort, ein ewiges Stillſchweigen über das zu beobachten, was wir ſehen und hören würden.","norm":"Ehe wir weggingen, nahm er von jedem insbesondere das Ehrenwort, ein ewiges Stillschweigen über das zu beobachten, was wir sehen und hören würden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":356,"orig":"Hinter uns wurden alle Zimmer auf dieſem Pavillon verriegelt.","norm":"Hinter uns wurden alle Zimmer auf diesem Pavillon verriegelt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":357,"orig":"Es war nach eilf Uhr, und eine Todtenſtille herrſchte im ganzen Hauſe.","norm":"Es war nach elf Uhr, und eine Totenstille herrschte im ganzen Hause."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":358,"orig":"Beym hinausgehen fragte mich der Ruſſe, ob wir geladene Piſtolen bey uns hätten?","norm":"Beim Hinausgehen fragte mich der Russe, ob wir geladene Pistolen bei uns hätten?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":359,"orig":"— „Wozu?“ ſagte ich - - „Es iſt auf alle Fälle,“ verſetzte er.","norm":"— „Wozu?“ sagte ich - - „Es ist auf alle Fälle,“ versetzte er."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":360,"orig":"„Warten Sie einen Augenblick, ich will mich darnach umſehen.","norm":"„Warten Sie einen Augenblick, ich will mich danach umsehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":361,"orig":"“ Er entfernte ſich.","norm":"“ Er entfernte sich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":362,"orig":"Der Baron von F * * und ich öffneten ein Fenſter, das jenem Pavillon gegenüber ſah, und es kam uns vor, als hörten wir zwey Menſchen zuſammen flüſtern, und ein Geräuſch, als ob man eine Leiter anlegte.","norm":"Der Baron von F * * und ich öffneten ein Fenster, das jenem Pavillon gegenüber sah, und es kam uns vor, als hörten wir zwei Menschen zusammen flüstern, und ein Geräusch, als ob man eine Leiter anlegte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":363,"orig":"Doch war das nur eine Muthmaßung, und ich getraute mir nicht, ſie für wahr auszugeben.","norm":"Doch war das nur eine Mutmaßung, und ich getraute mir nicht, sie für wahr auszugeben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":364,"orig":"Der Ruſſe kam mit einem Paar Piſtolen zurück, nachdem er eine halbe Stunde ausgeblieben war.","norm":"Der Russe kam mit einem Paar Pistolen zurück, nachdem er eine halbe Stunde ausgeblieben war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":365,"orig":"Wir ſahen ſie ihn ſcharf laden.","norm":"Wir sahen sie ihn scharf laden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":366,"orig":"Es war beynahe zwey Uhr, als der Magier wieder erſchien, und uns ankündigte, daß es Zeit wäre.","norm":"Es war beinahe zwei Uhr, als der Magier wieder erschien, und uns ankündigte, dass es Zeit wäre."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":367,"orig":"Ehe wir hinein traten, ward uns befohlen, die Schuhe auszuziehen, und im bloßen Hemde, Strümpfen und Unterkleidern zu erſcheinen.","norm":"Ehe wir hineintraten, wurde uns befohlen, die Schuhe auszuziehen, und im bloßen Hemde, Strümpfen und Unterkleidern zu erscheinen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":368,"orig":"Hinter uns wurde, wie das erſtemal, verriegelt.","norm":"Hinter uns wurde, wie das erste Mal, verriegelt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":369,"orig":"Wir fanden, als wir in den Saal zurück kamen, mit einer Kohle einen weiten Kreis beſchrieben, der uns alle zehn bequem faſſen konnte.","norm":"Wir fanden, als wir in den Saal zurückkamen, mit einer Kohle einen weiten Kreis beschrieben, der uns alle zehn bequem fassen konnte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":370,"orig":"Rings herum an allen vier Wänden des Zimmers waren die Dielen weggehoben, daß wir gleichſam auf einer Inſel ſtanden.","norm":"Rings herum an allen vier Wänden des Zimmers waren die Dielen weggehoben, dass wir gleichsam auf einer Insel standen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":371,"orig":"Ein Altar mit ſchwarzem Tuch behangen, ſtand mitten im Kreis errichtet, unter welchen ein Teppich von rothem Atlas gebreitet war.","norm":"Ein Altar mit schwarzem Tuch behangen, stand mitten im Kreis errichtet, unter welchen ein Teppich von rotem Atlas gebreitet war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":372,"orig":"Eine chaldäiſche Bibel lag bey einem Todtenkopf aufgeſchlagen aus dem Altar, und ein ſilbernes Kruzifix war darauf feſt gemacht.","norm":"Eine chaldäische Bibel lag bei einem Totenkopf aufgeschlagen aus dem Altar, und ein silbernes Kruzifix war darauf festgemacht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":373,"orig":"Statt der Kerzen brannte Spiritus in einer ſilbernen Kapſel.","norm":"Statt der Kerzen brannte Spiritus in einer silbernen Kapsel."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":374,"orig":"Ein dicker Rauch von Olibanum verfinſterte den Saal, davon das Licht beynahe erſtickte.","norm":"Ein dicker Rauch von Olibanum verfinsterte den Saal, davon das Licht beinahe erstickte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":375,"orig":"Der Beſchwörer war entkleidet wie wir, aber barfuß; um den bloßen Hals trug er ein Amulet an einer Kette von Menſchenhaaren, um die Lenden hatte er eine weiße Schürze geſchlagen, die mit geheimen Chiffern und ſymboliſchen Figuren bezeichnet war.","norm":"Der Beschwörer war entkleidet wie wir, aber barfuß; um den bloßen Hals trug er ein Amulett an einer Kette von Menschenhaaren, um die Lenden hatte er eine weiße Schürze geschlagen, die mit geheimen Chiffren und symbolischen Figuren bezeichnet war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":376,"orig":"Er hieß uns einander die Hände reichen, und eine tiefe Stille beobachten; vorzüglich empfahl er uns, ja keine Frage an die Erſcheinung zu thun.","norm":"Er hieß uns einander die Hände reichen, und eine tiefe Stille beobachten; vorzüglich empfahl er uns, ja keine Frage an die Erscheinung zu tun."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":377,"orig":"Den Engländer und mich (gegen uns beyde ſchien er das meiſte Mißtrauen zu hegen) erſuchte er, zwey bloße Degen unverrückt und kreuzweiſe, einen Zoll hoch, über ſeinem Scheitel zu halten, ſo lange die Handlung dauern würde.","norm":"Den Engländer und mich (gegen uns beide schien er das meiste Misstrauen zu hegen) ersuchte er, zwei bloße Degen unverrückt und kreuzweise, einen Zoll hoch, über seinem Scheitel zu halten, solange die Handlung dauern würde."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":378,"orig":"Wir ſtanden in einem halben Mond um ihn herum, der ruſſiſche Offizier drängte ſich dicht an den Engländer, und ſtand zunächſt an dem Altar.","norm":"Wir standen in einem halben Mond um ihn herum, der russische Offizier drängte sich dicht an den Engländer, und stand zunächst an dem Altar."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":379,"orig":"Das Geſicht gegen Morgen gerichtet, ſtellte ſich der Magier jezt auf den Teppich, ſprengte Weihwaſſer nach allen vier Weltgegenden, und neigte ſich dreymal gegen die Bibel.","norm":"Das Gesicht gegen Morgen gerichtet, stellte sich der Magier jetzt auf den Teppich, sprengte Weihwasser nach allen vier Weltgegenden, und neigte sich dreimal gegen die Bibel."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":380,"orig":"Eine halbe Viertelſtunde dauerte die Beſchwörung, von welcher wir nichts verſtanden; nach Endigung derſelben gab er denen, die zunächſt hinter ihm ſtanden, ein Zeichen, daß ſie ihn jezt feſt bey den Haaren faſſen ſollten.","norm":"Eine halbe Viertelstunde dauerte die Beschwörung, von welcher wir nichts verstanden; nach Endigung derselben gab er denen, die zunächst hinter ihm standen, ein Zeichen, dass sie ihn jetzt fest bei den Haaren fassen sollten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":381,"orig":"Unter den heftigſten Zuckungen rief er den Verſtorbenen dreymal mit Namen, und das drittemal ſtreckte er nach dem Kruzifixe die Hand aus — —","norm":"Unter den heftigsten Zuckungen rief er den Verstorbenen dreimal mit Namen, und das dritte Mal streckte er nach dem Kruzifixe die Hand aus — —"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":382,"orig":"Auf einmal empfanden wir alle zugleich einen Streich, wie vom Blitze, daß unſere Hände auseinander flogen; ein plötzlicher Donnerſchlag erſchütterte das Haus, alle Schlöſſer klangen, alle Thüren ſchlugen zuſammen, der Deckel an der Kapſel fiel zu, das Licht löſchte aus, und an der entgegenſtehenden Wand, über dem Kamine, zeigte ſich eine menſchliche Figur, in blutigem Hemde, bleich und mit dem Geſicht eines Sterbenden.","norm":"Auf einmal empfanden wir alle zugleich einen Streich, wie vom Blitze, dass unsere Hände auseinander flogen; ein plötzlicher Donnerschlag erschütterte das Haus, alle Schlösser klangen, alle Türen schlugen zusammen, der Deckel an der Kapsel fiel zu, das Licht löschte aus, und an der entgegenstehenden Wand, über dem Kamine, zeigte sich eine menschliche Figur, in blutigem Hemde, bleich und mit dem Gesicht eines Sterbenden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":383,"orig":"„Wer ruft mich?“ ſagte eine hohle, kaum hörbare Stimme.","norm":"„Wer ruft mich?“ sagte eine hohle, kaum hörbare Stimme."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":384,"orig":"„Dein Freund,“ antwortete der Beſchwörer, der dein Andenken ehret, und für deine Seele betet,“ zugleich nannte er den Namen des Prinzen.","norm":"„Dein Freund,“ antwortete der Beschwörer, der dein Andenken ehret, und für deine Seele betet,“ zugleich nannte er den Namen des Prinzen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":385,"orig":"Die Antworten erfolgten immer nach einem ſehr großen Zwiſchenraum.","norm":"Die Antworten erfolgten immer nach einem sehr großen Zwischenraum."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":386,"orig":"„Was verlangt er?“ fuhr dieſe Stimme fort.","norm":"„Was verlangt er?“ fuhr diese Stimme fort."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":387,"orig":"„Dein Bekenntniß will er zu Ende hören, das du in dieſer Welt angefangen und nicht beſchloſſen haſt.","norm":"„Dein Bekenntnis will er zu Ende hören, das du in dieser Welt angefangen und nicht beschlossen hast."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":388,"orig":"„","norm":"„"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":389,"orig":"„In einem Kloſter auf der flandriſchen Gränze lebt — — —","norm":"„In einem Kloster auf der flandrischen Grenze lebt — — —"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":390,"orig":"Hier erzitterte das Haus von neuem.","norm":"Hier erzitterte das Haus von neuem."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":391,"orig":"Die Thüre ſprang freywillig unter einem heftigen Donnerſchlag auf, ein Blitz erleuchtete das Zimmer, und eine andere körperliche Geſtalt, blutig und blaß wie die erſte, aber ſchrecklicher, erſchien an der Schwelle.","norm":"Die Türe sprang freiwillig unter einem heftigen Donnerschlag auf, ein Blitz erleuchtete das Zimmer, und eine andere körperliche Gestalt, blutig und blass wie die erste, aber schrecklicher, erschien an der Schwelle."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":392,"orig":"Der Spiritus fing von ſelbſt an wieder zu brennen, und der Saal wurde helle wie zuvor.","norm":"Der Spiritus fing von selbst an wieder zu brennen, und der Saal wurde helle wie zuvor."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":393,"orig":"„Wer iſt unter uns?“ rief der Magier erſchrocken, und warf einen Blick des Entſetzens durch die Verſammlung — „Dich habe ich nicht gewollt.","norm":"„Wer ist unter uns?“ rief der Magier erschrocken, und warf einen Blick des Entsetzens durch die Versammlung — „Dich habe ich nicht gewollt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":394,"orig":"“ Die Geſtalt ging mit majeſtätiſchem leiſem Schritt gerade auf den Altar zu, ſtellte ſich auf den Teppich, uns gegenüber, und faßte das Kruzifix.","norm":"“ Die Gestalt ging mit majestätischem leisem Schritt gerade auf den Altar zu, stellte sich auf den Teppich, uns gegenüber, und fasste das Kruzifix."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":395,"orig":"Die erſte Figur ſahen wir nicht mehr.","norm":"Die erste Figur sahen wir nicht mehr."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":396,"orig":"„Wer ruft mich?“ ſagte dieſe zwote Erſcheinung.","norm":"„Wer ruft mich?“ sagte diese zweite Erscheinung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":397,"orig":"Der Magier fing an, heftig zu zittern.","norm":"Der Magier fing an, heftig zu zittern."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":398,"orig":"Schrecken und Erſtaunen hatten uns gefeſſelt.","norm":"Schrecken und Erstaunen hatten uns gefesselt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":399,"orig":"Ich griff nach einer Piſtole, der Magier riß ſie mir aus der Hand, und drückte ſie auf die Geſtalt ab.","norm":"Ich griff nach einer Pistole, der Magier riss sie mir aus der Hand, und drückte sie auf die Gestalt ab."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":400,"orig":"Die Kugel rollte langſam auf dem Altar, und die Geſtalt trat unverändert aus dem Rauche.","norm":"Die Kugel rollte langsam auf dem Altar, und die Gestalt trat unverändert aus dem Rauche."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":401,"orig":"Jezt ſank der Magier ohnmächtig nieder.","norm":"Jetzt sank der Magier ohnmächtig nieder."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":402,"orig":"„Was wird das?“ rief der Engländer voll Erſtaunen, und wollte einen Streich mit dem Degen nach ihr thun.","norm":"„Was wird das?“ rief der Engländer voll Erstaunen, und wollte einen Streich mit dem Degen nach ihr tun."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":403,"orig":"Die Geſtalt berührte ſeinen Arm, und die Klinge fiel zu Boden.","norm":"Die Gestalt berührte seinen Arm, und die Klinge fiel zu Boden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":404,"orig":"Hier trat der Angſtſchweiß auf meine Stirn.","norm":"Hier trat der Angstschweiß auf meine Stirn."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":405,"orig":"Baron F * * geſtand uns nachher, daß er gebetet habe.","norm":"Baron F * * gestand uns nachher, dass er gebetet habe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":406,"orig":"Dieſe ganze Zeit über ſtand der Prinz furchtlos und ruhig, die Augen ſtarr auf die Erſcheinung gerichtet.","norm":"Diese ganze Zeit über stand der Prinz furchtlos und ruhig, die Augen starr auf die Erscheinung gerichtet."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":407,"orig":"Ja!","norm":"Ja!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":408,"orig":"Ich erkenne dich,“ rief er endlich voll Rührung aus, „du biſt Lanoy, du biſt mein Freund — — Woher kömmſt du?“","norm":"Ich erkenne dich,“ rief er endlich voll Rührung aus, „du bist Lanoy, du bist mein Freund — — woher kommst du?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":409,"orig":"„Die Ewigkeit iſt ſtumm.","norm":"„Die Ewigkeit ist stumm."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":410,"orig":"Frage mich aus dem vergangenen Leben.","norm":"Frage mich aus dem vergangenen Leben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":411,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":412,"orig":"„Wer lebt in dem Kloſter, das du mir bezeichnet haſt?“","norm":"„Wer lebt in dem Kloster, das du mir bezeichnet hast?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":413,"orig":"„Meine Tochter.","norm":"„Meine Tochter."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":414,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":415,"orig":"„Wie?","norm":"„Wie?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":416,"orig":"Du biſt Vater geweſen?","norm":"Du bist Vater gewesen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":417,"orig":"„Weh mir, daß ich es nicht war!“","norm":"„Weh mir, dass ich es nicht war!“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":418,"orig":"„Biſt du nicht glücklich, Lanoy?“","norm":"„Bist du nicht glücklich, Lanoy?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":419,"orig":"„Gott hat gerichtet.","norm":"„Gott hat gerichtet."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":420,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":421,"orig":"„Kann ich dir auf dieſer Welt noch einen Dienſt erzeigen?“","norm":"„Kann ich dir auf dieser Welt noch einen Dienst erzeigen?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":422,"orig":"„Keinen, als an dich ſelbſt zu denken.","norm":"„Keinen, als an dich selbst zu denken."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":423,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":424,"orig":"„Wie muß ich das?","norm":"„Wie muss ich das?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":425,"orig":"„In Rom wirſt du es erfahren.","norm":"„In Rom wirst du es erfahren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":426,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":427,"orig":"Hier erfolgte ein neuer Donnerſchlag — eine ſchwarze Rauchwolke erfüllte das Zimmer; als ſie zerfloſſen war, fanden wir keine Geſtalt mehr.","norm":"Hier erfolgte ein neuer Donnerschlag — eine schwarze Rauchwolke erfüllte das Zimmer; als sie zerflossen war, fanden wir keine Gestalt mehr."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":428,"orig":"Ich ſtieß einen Fenſterladen auf.","norm":"Ich stieß einen Fensterladen auf."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":429,"orig":"Es war Morgen.","norm":"Es war Morgen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":430,"orig":"Jezt kam auch der Magier aus ſeiner Betäubung zurück.","norm":"Jetzt kam auch der Magier aus seiner Betäubung zurück."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":431,"orig":"„Wo ſind wir?“ rief er aus, als er Tageslicht erblickte.","norm":"„Wo sind wir?“ rief er aus, als er Tageslicht erblickte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":432,"orig":"Der ruſſiſche Offizier ſtand dicht hinter ihm, und ſah ihm über die Schulter.","norm":"Der russische Offizier stand dicht hinter ihm, und sah ihm über die Schulter."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":433,"orig":"„Taſchenſpieler,“ ſagte er mit ſchrecklichem Blick zu ihm, du wirſt keinen Geiſt mehr rufen.","norm":"„Taschenspieler,“ sagte er mit schrecklichem Blick zu ihm, du wirst keinen Geist mehr rufen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":434,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":435,"orig":"Der Sicilianer drehte ſich um, ſah ihm genauer ins Geſicht, that einen lauten Schrey und ſtürzte zu ſeinen Füßen.","norm":"Der Sizilianer drehte sich um, sah ihm genauer ins Gesicht, tat einen lauten Schrei und stürzte zu seinen Füßen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":436,"orig":"Jezt ſahen wir alle auf einmal den vermeintlichen Ruſſen an.","norm":"Jetzt sahen wir alle auf einmal den vermeintlichen Russen an."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":437,"orig":"Der Prinz erkannte in ihm ohne Mühe die Züge ſeines Armeniers wieder, und das Wort, das er eben hervorſtottern wollte, erſtarb auf ſeinem Munde.","norm":"Der Prinz erkannte in ihm ohne Mühe die Züge seines Armeniers wieder, und das Wort, das er eben hervorstottern wollte, erstarb auf seinem Munde."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":438,"orig":"Schrecken und Ueberraſchung hatten uns alle wie verſteinert.","norm":"Schrecken und Überraschung hatten uns alle wie versteinert."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":439,"orig":"Lautlos und unbeweglich ſtarrten wir dieſes geheimnißvolle Weſen an, das uns mit einem Blicke ſtiller Gewalt und Größe durchſchaute.","norm":"Lautlos und unbeweglich starrten wir dieses geheimnisvolle Wesen an, das uns mit einem Blicke stiller Gewalt und Größe durchschaute."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":440,"orig":"Eine Minute dauerte dieß Schweigen — und wieder eine.","norm":"Eine Minute dauerte dies Schweigen — und wieder eine."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":441,"orig":"Kein Odem war in der ganzen Verſammlung.","norm":"Kein Odem war in der ganzen Versammlung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":442,"orig":"Einige kräftige Schläge an die Thür brachten uns endlich wieder zu uns ſelbſt.","norm":"Einige kräftige Schläge an die Tür brachten uns endlich wieder zu uns selbst."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":443,"orig":"Die Thür fiel zertrümmert in den Saal, und herein drangen Gerichtsdiener mit Wache.","norm":"Die Tür fiel zertrümmert in den Saal, und hereindrangen Gerichtsdiener mit Wache."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":444,"orig":"„Hier finden wir ſie ja beyſammen!“ rief der Anführer, und wandte ſich zu ſeinen Begleitern.","norm":"„Hier finden wir sie ja beisammen!“ rief der Anführer, und wandte sich zu seinen Begleitern."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":445,"orig":"„Im Namen der Regierung!“ rief er uns zu.","norm":"„Im Namen der Regierung!“ rief er uns zu."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":446,"orig":"verhafte euch.","norm":"verhafte euch."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":447,"orig":"“ Wir hatten nicht ſo viel Zeit uns zu beſinnen; in wenig Augenblicken waren wir umringt.","norm":"“ Wir hatten nicht so viel Zeit uns zu besinnen; in wenig Augenblicken waren wir umringt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":448,"orig":"Der ruſſiſche Offizier, den ich jezt wieder den Armenier nenne, zog den Anführer der Häſcher auf die Seite, und, ſo viel mir dieſe Verwirrung zuließ, bemerkte ich, daß er ihm einige Worte heimlich ins Ohr ſagte, und etwas ſchriftliches vorzeigte.","norm":"Der russische Offizier, den ich jetzt wieder den Armenier nenne, zog den Anführer der Häscher auf die Seite, und, so viel mir diese Verwirrung zuließ, bemerkte ich, dass er ihm einige Worte heimlich ins Ohr sagte, und etwas Schriftliches vorzeigte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":449,"orig":"Sogleich verließ ihn der Häſcher mit einer ſtummen und ehrerbietigen Verbeugung, wandte ſich darauf zu uns und nahm ſeinen Hut ab.","norm":"Sogleich verließ ihn der Häscher mit einer stummen und ehrerbietigen Verbeugung, wandte sich darauf zu uns und nahm seinen Hut ab."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":450,"orig":"„Vergeben Sie meine Herren,“ ſagte er, „daß ich Sie mit dieſem Betrüger vermengen konnte.","norm":"„Vergeben Sie meine Herren,“ sagte er, „dass ich Sie mit diesem Betrüger vermengen konnte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":451,"orig":"Ich will nicht fragen, wer Sie ſind — aber dieſer Herr verſichert mir, daß ich Männer von Ehre vor mir habe.","norm":"Ich will nicht fragen, wer Sie sind — aber dieser Herr versichert mir, dass ich Männer von Ehre vor mir habe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":452,"orig":"“ Zugleich winkte er ſeinen Begleitern, von uns abzulaſſen Den Sicilianer befahl er wohl zu bewachen und zu binden.","norm":"“ Zugleich winkte er seinen Begleitern, von uns abzulassen den Sizilianer befahl er wohl zu bewachen und zu binden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":453,"orig":"„Der Burſche da iſt überreif,“ ſezte er hinzu.","norm":"„Der Bursche da ist überreif,“ setzte er hinzu."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":454,"orig":"„Wir haben ſchon ſieben Monate auf ihn gelauert.","norm":"„Wir haben schon sieben Monate auf ihn gelauert."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":455,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":456,"orig":"Dieſer elende Menſch war wirklich ein Gegenſtand des Jammers.","norm":"Dieser elende Mensch war wirklich ein Gegenstand des Jammers."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":457,"orig":"Das doppelte Schrecken der zwoten Geiſtererſcheinung und dieſes unerwarteten Ueberfalls hatte ſeine Beſinnungskraft überwältigt.","norm":"Das doppelte Schrecken der zweiten Geistererscheinung und dieses unerwarteten Überfalls hatte seine Besinnungskraft überwältigt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":458,"orig":"Er ließ ſich binden wie ein Kind; die Augen lagen weit aufgeſperrt und ſtier in einem todtenähnlichen Geſichte, und ſeine Lippen bebten in ſtillen Zuckungen, ohne einen Laut auszuſtoßen.","norm":"Er ließ sich binden wie ein Kind; die Augen lagen weit aufgesperrt und stier in einem totenähnlichen Gesichte, und seine Lippen bebten in stillen Zuckungen, ohne einen Laut auszustoßen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":459,"orig":"Jeden Augenblick erwarteten wir einen Ausbruch von Convulſionen.","norm":"Jeden Augenblick erwarteten wir einen Ausbruch von Konvulsionen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":460,"orig":"Der Prinz fühlte Mitleid mit ſeinem Zuſtand, und unternahm es, ſeine Loslaſſung bey dem Gerichtsdiener auszuwirken, dem er ſich zu erkennen gab.","norm":"Der Prinz fühlte Mitleid mit seinem Zustand, und unternahm es, seine Loslassung bei dem Gerichtsdiener auszuwirken, dem er sich zu erkennen gab."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":461,"orig":"„Gnädigſter Herr,“ ſagte dieſer, „wiſſen Sie auch, wer der Menſch iſt, für welchen Sie ſich ſo großmüthig verwenden?","norm":"„Gnädigster Herr,“ sagte dieser, „wissen Sie auch, wer der Mensch ist, für welchen Sie sich so großmütig verwenden?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":462,"orig":"Der Betrug, den er Ihnen zu ſpielen gedachte, iſt ſein geringſtes Verbrechen.","norm":"Der Betrug, den er Ihnen zu spielen gedachte, ist sein geringstes Verbrechen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":463,"orig":"Wir haben ſeine Helfershelfer.","norm":"Wir haben seine Helfershelfer."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":464,"orig":"Sie ſagen abſcheuliche Dinge von ihm aus.","norm":"Sie sagen abscheuliche Dinge von ihm aus."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":465,"orig":"Er mag ſich noch glücklich preiſen, wenn er mit der Galeere davon kommt.","norm":"Er mag sich noch glücklich preisen, wenn er mit der Galeere davon kommt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":466,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":467,"orig":"Unterdeſſen ſahen wir auch den Wirth nebſt ſeinen Hausgenoſſen mit Stricken gebunden über den Hof führen — „Auch dieſer?“ rief der Prinz.","norm":"Unterdessen sahen wir auch den Wirt nebst seinen Hausgenossen mit Stricken gebunden über den Hof führen — „Auch dieser?“ rief der Prinz."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":468,"orig":"Was hat denn dieſer verſchuldet?“ — Er war ſein Mitſchuldiger und Hehler,“ antwortete der Anführer der Häſcher, „der ihm zu ſeinen Taſchenſpielerſtückchen und Diebereyen behülflich geweſen, und ſeinen Raub mit ihm getheilt hat.","norm":"Was hat denn dieser verschuldet?“ — Er war sein Mitschuldiger und Hehler,“ antwortete der Anführer der Häscher, „der ihm zu seinen Taschenspielerstückchen und Diebereien behilflich gewesen, und seinen Raub mit ihm geteilt hat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":469,"orig":"Gleich ſollen Sie überzeugt ſeyn, gnädigſter Herr, (indem er ſich zu ſeinen Begleitern kehrte.","norm":"Gleich sollen Sie überzeugt sein, gnädigster Herr, (indem er sich zu seinen Begleitern kehrte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":470,"orig":") Man durchſuche das ganze Haus, und bringe mir ſogleich Nachricht, was man gefunden hat.","norm":") Man durchsuche das ganze Haus, und bringe mir sogleich Nachricht, was man gefunden hat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":471,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":472,"orig":"Jezt ſahe ſich der Prinz nach dem Armenier um — aber er war nicht mehr vorhanden; in der allgemeinen Verwirrung, welche dieſer Ueberfall anrichtete, hatte er Mittel gefunden, unbemerkt zu entkommen.","norm":"Jetzt sah sich der Prinz nach dem Armenier um — aber er war nicht mehr vorhanden; in der allgemeinen Verwirrung, welche dieser Überfall anrichtete, hatte er Mittel gefunden, unbemerkt zu entkommen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":473,"orig":"Der Prinz war untröſtlich; gleich, wollte er ihm alle ſeine Leute nachſchicken; er ſelbſt wollte ihn aufſuchen und mich mit ſich fortreißen.","norm":"Der Prinz war untröstlich; gleich, wollte er ihm alle seine Leute nachschicken; er selbst wollte ihn aufsuchen und mich mit sich fortreißen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":474,"orig":"Ich eilte ans Fenſter; das ganze Haus war von Neugierigen umringt, die das Gerücht dieſer Begebenheit herbey geführt hatte.","norm":"Ich eilte ans Fenster; das ganze Haus war von Neugierigen umringt, die das Gerücht dieser Begebenheit herbeigeführt hatte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":475,"orig":"Unmöglich war es, durch das Gedränge zu kommen.","norm":"Unmöglich war es, durch das Gedränge zu kommen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":476,"orig":"Ich ſtellte dem Prinzen dieſes vor.","norm":"Ich stellte dem Prinzen dieses vor."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":477,"orig":"„Wenn es dieſem Armenier ein Ernſt iſt, ſich vor uns zu verbergen, ſo weiß er unfehlbar die Schliche beſſer als wir, und alle unſre Nachforſchungen werden vergebens ſeyn.","norm":"„Wenn es diesem Armenier ein Ernst ist, sich vor uns zu verbergen, so weiß er unfehlbar die Schliche besser als wir, und alle unsere Nachforschungen werden vergebens sein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":478,"orig":"Lieber laſſen Sie uns noch hier bleiben, gnädigſter Prinz.","norm":"Lieber lassen Sie uns noch hier bleiben, gnädigster Prinz."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":479,"orig":"Vielleicht kann uns dieſer Gerichtsdiener etwas näheres von ihm ſagen, dem er ſich, wenn ich anders recht geſehen, entdeckt hat.","norm":"Vielleicht kann uns dieser Gerichtsdiener etwas Näheres von ihm sagen, dem er sich, wenn ich anders recht gesehen, entdeckt hat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":480,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":481,"orig":"Jezt erinnerten wir uns, daß wir noch ausgekleidet waren.","norm":"Jetzt erinnerten wir uns, dass wir noch ausgekleidet waren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":482,"orig":"Wir eilten nach unſerm Zimmer, uns in der Geſchwindigkeit in unſre Kleider zu werfen.","norm":"Wir eilten nach unserem Zimmer, uns in der Geschwindigkeit in unsere Kleider zu werfen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":483,"orig":"Als wir zurück kamen, war die Hausſuchung geſchehen.","norm":"Als wir zurückkamen, war die Haussuchung geschehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":484,"orig":"Nachdem man den Altar weggeräumt, und die Dielen des Saals aufgebrochen, entdeckte man ein geräumiges Gewölbe, worin ein Menſch gemächlich aufrecht ſitzen konnte, mit einer Thüre verſehen, die durch eine ſchmale Treppe nach dem Keller führte.","norm":"Nachdem man den Altar weggeräumt, und die Dielen des Saals aufgebrochen, entdeckte man ein geräumiges Gewölbe, worin ein Mensch gemächlich aufrecht sitzen konnte, mit einer Türe versehen, die durch eine schmale Treppe nach dem Keller führte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":485,"orig":"In dieſem Gewölbe fand man eine Elektriſiermaſchine, eine Uhr und eine kleine ſilberne Glocke, welche leztere, ſo wie die Elektriſiermaſchine, mit dem Altar und dem darauf befeſtigten Kruzifixe Communication hatte.","norm":"In diesem Gewölbe fand man eine Elektrisiermaschine, eine Uhr und eine kleine silberne Glocke, welche letztere, so wie die Elektrisiermaschine, mit dem Altar und dem darauf befestigten Kruzifixe Kommunikation hatte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":486,"orig":"Ein Fenſterladen, der dem Kamine gerade gegenüber ſtand, war durchbrochen und mit einem Schieber verſehen, um, wie wir nachher erfuhren, eine magiſche Laterne in ſeine Oeffnung einzupaſſen, aus welcher die verlangte Geſtalt auf die Wand über dem Kamine gefallen war.","norm":"Ein Fensterladen, der dem Kamine gerade gegenüberstand, war durchbrochen und mit einem Schieber versehen, um, wie wir nachher erfuhren, eine magische Laterne in seine Öffnung einzupassen, aus welcher die verlangte Gestalt auf die Wand über dem Kamine gefallen war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":487,"orig":"Vom Dachboden und aus dem Keller brachte man verſchiedne Trommeln, woran große bleyerne Kugeln an Schnüren befeſtigt hingen, wahrſcheinlich um das Geräuſche des Donners hervorzubringen, das wir gehört hatten.","norm":"Vom Dachboden und aus dem Keller brachte man verschiedene Trommeln, woran große bleierne Kugeln an Schnüren befestigt hingen, wahrscheinlich um das Geräusche des Donners hervorzubringen, das wir gehört hatten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":488,"orig":"Als man die Kleider des Sicilianers durchſuchte, fand man in einem Etui verſchiedene Pulver, wie auch lebendigen Merkur in Phiolen und Büchſen, Phosphorus in einer gläſernen Flaſche, einen Ring, den wir gleich für einen magnetiſchen erkannten, weil er an einem ſtählernen Knopfe hängen blieb, dem er von ohngefähr nahe gebracht worden, in den Rocktaſchen ein Paternoſter, einen Judenbart, Terzerole und einen Dolch.","norm":"Als man die Kleider des Sizilianers durchsuchte, fand man in einem Etui verschiedene Pulver, wie auch lebendigen Merkur in Phiolen und Büchsen, Phosphor in einer gläsernen Flasche, einen Ring, den wir gleich für einen magnetischen erkannten, weil er an einem stählernen Knopfe hängen blieb, dem er von ungefähr nahegebracht worden, in den Rocktaschen ein Paternoster, einen Judenbart, Terzerole und einen Dolch."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":489,"orig":"„Laß doch ſehen, ob ſie geladen ſind,“ ſagte einer von den Häſchern, indem er eines von den Terzerolen nahm, und ins Kamin abſchoß.","norm":"„Lass doch sehen, ob sie geladen sind,“ sagte einer von den Häschern, indem er eines von den Terzerolen nahm, und ins Kamin abschoss."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":490,"orig":"„Jeſus Maria!“ rief eine hohle menſchliche Stimme, eben die, welche wir von der erſten Erſcheinung gehört hatten — und in demſelben Augenblick ſahen wir einen blutenden Körper aus dem Schlot herunter ſtürzen.","norm":"„Jesus Maria!“ rief eine hohle menschliche Stimme, eben die, welche wir von der ersten Erscheinung gehört hatten — und in demselben Augenblick sahen wir einen blutenden Körper aus dem Schlot herunterstürzen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":491,"orig":"— „Noch nicht zur Ruhe, armer Geiſt?“ rief der Engländer, während daß wir andern mit Schrecken zurück fuhren.","norm":"— „Noch nicht zur Ruhe, armer Geist?“ rief der Engländer, während dass wir anderen mit Schrecken zurückfuhren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":492,"orig":"„Gehe heim zu deinem Grabe.","norm":"„Gehe heim zu deinem Grabe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":493,"orig":"Du haſt geſchienen, was du nicht warſt; jezt wirſt du ſeyn, was du ſchieneſt.","norm":"Du hast geschienen, was du nicht warst; jetzt wirst du sein, was du schienest."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":494,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":495,"orig":"„Jeſus Maria!","norm":"„Jesus Maria!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":496,"orig":"Ich bin verwundet,“ wiederholte der Menſch im Kamine.","norm":"Ich bin verwundet,“ wiederholte der Mensch im Kamine."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":497,"orig":"Die Kugel hatte ihm das rechte Bein zerſchmettert.","norm":"Die Kugel hatte ihm das rechte Bein zerschmettert."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":498,"orig":"Sogleich beſorgte man, daß die Wunde verbunden wurde.","norm":"Sogleich besorgte man, dass die Wunde verbunden wurde."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":499,"orig":"„Aber wer biſt du denn, und was für ein böſer Dämon muß dich hieher führen?“ Ein armer Barfüßer,“ antwortete der Verwundete.","norm":"„Aber wer bist du denn, und was für ein böser Dämon muss dich hierherführen?“ Ein armer Barfüßer,“ antwortete der Verwundete."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":500,"orig":"„Ein fremder Herr hier hat mir eine Zechine geboten, daß ich —“","norm":"„Ein fremder Herr hier hat mir eine Zechine geboten, dass ich —“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":501,"orig":"„Eine Formel herſagen ſollte?","norm":"„Eine Formel hersagen sollte?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":502,"orig":"Und warum haſt du dich denn nicht gleich wieder davon gemacht?“","norm":"Und warum hast du dich denn nicht gleich wieder davongemacht?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":503,"orig":"„Er wollte mir ein Zeichen geben, wenn ich fortfahren ſollte; aber das Zeichen blieb aus, und wie ich hinaus ſteigen wollte, war die Leiter weggezogen.","norm":"„Er wollte mir ein Zeichen geben, wenn ich fortfahren sollte; aber das Zeichen blieb aus, und wie ich hinaussteigen wollte, war die Leiter weggezogen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":504,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":505,"orig":"„Und wie heißt denn die Formel, die er dir eingelernt hat?“","norm":"„Und wie heißt denn die Formel, die er dir eingelernt hat?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":506,"orig":"Der Menſch bekam hier eine Ohnmacht, daß nichts weiter aus ihm herauszubringen war.","norm":"Der Mensch bekam hier eine Ohnmacht, dass nichts weiter aus ihm herauszubringen war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":507,"orig":"Unterdeſſen hatte ſich der Prinz zu dem Anführer der Häſcher gewendet.","norm":"Unterdessen hatte sich der Prinz zu dem Anführer der Häscher gewendet."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":508,"orig":"„Sie haben uns,“ ſagte er, indem er ihm zugleich einige Goldſtücke in die Hand drückte, „Sie haben uns aus den Händen eines Betrügers gerettet, und uns, ohne uns noch zu kennen, Gerechtigkeit widerfahren laſſen.","norm":"„Sie haben uns,“ sagte er, indem er ihm zugleich einige Goldstücke in die Hand drückte, „Sie haben uns aus den Händen eines Betrügers gerettet, und uns, ohne uns noch zu kennen, Gerechtigkeit widerfahren lassen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":509,"orig":"Wollen Sie nun unſre Verbindlichkeit vollkommen machen, und uns entdecken, wer der Unbekannte war, dem es nur ein paar Worte koſtete, uns in Freyheit zu ſetzen?“","norm":"Wollen Sie nun unsere Verbindlichkeit vollkommen machen, und uns entdecken, wer der Unbekannte war, dem es nur ein paar Worte kostete, uns in Freiheit zu setzen?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":510,"orig":"„Wen meynen Sie?“ fragte der Anführer der Häſcher mit einer Miene, die deutlich zeigte, wie unnöthig dieſe Frage war.","norm":"„Wen meinen Sie?“ fragte der Anführer der Häscher mit einer Miene, die deutlich zeigte, wie unnötig diese Frage war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":511,"orig":"„Den Herrn in ruſſiſcher Uniform meyne ich, der Sie vorhin bey Seite zog, Ihnen etwas ſchriftliches vorwies und einige Worte ins Ohr ſagte, worauf Sie uns ſogleich wieder losgaben.","norm":"„Den Herrn in russischer Uniform meine ich, der Sie vorhin beiseite zog, Ihnen etwas Schriftliches vorwies und einige Worte ins Ohr sagte, worauf Sie uns sogleich wieder losgaben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":512,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":513,"orig":"„Sie kennen dieſen Herrn alſo nicht?“ fragte der Häſcher wieder.","norm":"„Sie kennen diesen Herrn also nicht?“ fragte der Häscher wieder."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":514,"orig":"„Er war nicht von Ihrer Geſellſchaft?“","norm":"„Er war nicht von Ihrer Gesellschaft?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":515,"orig":"„Nein,“ ſagte der Prinz — „und aus ſehr wichtigen Urſachen wünſchte ich näher mit ihm bekannt zu werden.","norm":"„Nein,“ sagte der Prinz — „und aus sehr wichtigen Ursachen wünschte ich näher mit ihm bekannt zu werden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":516,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":517,"orig":"„Näher,“ antwortete der Häſcher, „kenn ich ihn auch nicht.","norm":"„Näher,“ antwortete der Häscher, „kenne ich ihn auch nicht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":518,"orig":"Sein Name ſelbſt iſt mir unbekannt, und heute hab ich ihn zum erſtenmal in meinem Leben geſehen.","norm":"Sein Name selbst ist mir unbekannt, und heute habe ich ihn zum ersten Mal in meinem Leben gesehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":519,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":520,"orig":"„Wie?","norm":"„Wie?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":521,"orig":"und in ſo kurzer Zeit, durch ein paar Worte konnte er ſo viel über Sie vermögen, daß Sie ihn ſelbſt und uns alle für unſchuldig erklärten?“","norm":"und in so kurzer Zeit, durch ein paar Worte konnte er so viel über Sie vermögen, dass Sie ihn selbst und uns alle für unschuldig erklärten?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":522,"orig":"„Allerdings durch ein einziges Wort.","norm":"„Allerdings durch ein einziges Wort."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":523,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":524,"orig":"„Und dieſes war?","norm":"„Und dieses war?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":525,"orig":"— Ich geſtehe, daß ich es wiſſen möchte.","norm":"— Ich gestehe, dass ich es wissen möchte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":526,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":527,"orig":"„Dieſer Unbekannte, gnädigſter Herr,“ — indem er die Zechinen in ſeiner Hand wog — „Sie ſind zu großmüthig gegen mich geweſen, um Ihnen länger ein Geheimniß daraus zu machen — dieſer Unbekannte war — ein Offizier der Staatsinquiſition.","norm":"„Dieser Unbekannte, gnädigster Herr,“ — indem er die Zecchinen in seiner Hand wog — „Sie sind zu großmütig gegen mich gewesen, um Ihnen länger ein Geheimnis daraus zu machen — dieser Unbekannte war — ein Offizier der Staatsinquisition."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":528,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":529,"orig":"„Der Staatsinquiſition!","norm":"„Der Staatsinquisition!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":530,"orig":"— Dieſer!","norm":"— Dieser!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":531,"orig":"—“","norm":"—“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":532,"orig":"„Nicht anders, gnädigſter Herr — und davon überzeugte mich das Papier, welches er mir vorzeigte.","norm":"„Nicht anders, gnädigster Herr — und davon überzeugte mich das Papier, welches er mir vorzeigte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":533,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":534,"orig":"„Dieſer Menſch, ſagten Sie?","norm":"„Dieser Mensch, sagten Sie?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":535,"orig":"Es iſt nicht möglich.","norm":"Es ist nicht möglich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":536,"orig":"“ Ich will Ihnen noch mehr ſagen, gnädigſter Herr.","norm":"“ Ich will Ihnen noch mehr sagen, gnädigster Herr."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":537,"orig":"Eben dieſer war es, auf deſſen Denunciation ich hieher geſchickt worden bin, den Geiſterbeſchwörer zu verhaften.","norm":"Eben dieser war es, auf dessen Denunziation ich hierher geschickt worden bin, den Geisterbeschwörer zu verhaften."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":538,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":539,"orig":"Wir ſahen uns mit noch größerm Erſtaunen an.","norm":"Wir sahen uns mit noch größerem Erstaunen an."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":540,"orig":"„Da hätten wir es ja heraus,“ rief endlich der Engländer, warum der arme Teufel von Beſchwörer ſo erſchrocken zuſammenfuhr, als er ihm näher ins Geſicht, ſah.","norm":"„Da hätten wir es ja heraus,“ rief endlich der Engländer, warum der arme Teufel von Beschwörer so erschrocken zusammenfuhr, als er ihm näher ins Gesicht, sah."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":541,"orig":"Er erkannte ihn für einen Spion, und darum that er jenen Schrey und ſtürzte zu ſeinen Füßen.","norm":"Er erkannte ihn für einen Spion, und darum tat er jenen Schrei und stürzte zu seinen Füßen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":542,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":543,"orig":"„Nimmermehr,“ rief der Prinz.","norm":"„Nimmermehr,“ rief der Prinz."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":544,"orig":"„Dieſer Menſch iſt alles was er ſeyn will, und alles was der Augenblick will, daß er ſeyn ſoll.","norm":"„Dieser Mensch ist alles was er sein will, und alles was der Augenblick will, dass er sein soll."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":545,"orig":"Was er wirklich iſt, hat keines Menſchen Sohn erfahren.","norm":"Was er wirklich ist, hat keines Menschen Sohn erfahren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":546,"orig":"Sahen ſie den Sicilianer zuſammenſinken, als er ihm die Worte ins Ohr ſchrie:","norm":"Sahen sie den Sizilianer zusammensinken, als er ihm die Worte ins Ohr schrie:"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":547,"orig":"Du wirſt keinen Geiſt mehr rufen?","norm":"Du wirst keinen Geist mehr rufen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":548,"orig":"Dahinter iſt mehr.","norm":"Dahinter ist mehr."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":549,"orig":"Daß man vor etwas menſchlichem ſo zu erſchrecken pflegt, ſoll mich niemand überreden.","norm":"Dass man vor etwas Menschlichem so zu erschrecken pflegt, soll mich niemand überreden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":550,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":551,"orig":"„Darüber wird uns der Magier ſelbſt wohl am beſten zurecht weiſen können, ſagte der Lord, „wenn uns dieſer Herr (ſich zu dem Anführer der Gerichtsdiener wendend) Gelegenheit verſchaffen will, ſeinen Gefangenen zu ſprechen.","norm":"„Darüber wird uns der Magier selbst wohl am besten zurechtweisen können, sagte der Lord, „wenn uns dieser Herr (sich zu dem Anführer der Gerichtsdiener wendend) Gelegenheit verschaffen will, seinen Gefangenen zu sprechen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":552,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":553,"orig":"Der Anführer der Häſcher verſprach es uns, und wir redeten mit dem Engländer ab, daß wir ihn gleich den andern Morgen aufſuchen wollten.","norm":"Der Anführer der Häscher versprach es uns, und wir redeten mit dem Engländer ab, dass wir ihn gleich den anderen Morgen aufsuchen wollten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":554,"orig":"Jezt begaben wir uns nach Venedig zurück.","norm":"Jetzt begaben wir uns nach Venedig zurück."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":555,"orig":"Mit dem früheſten Morgen war Lord Seymour da, (dieß war der Name des Engländers) und bald nachher erſchien eine vertraute Perſon, die der Gerichtsdiener abgeſchickt hatte, uns nach dem Gefängniß zu führen.","norm":"Mit dem frühesten Morgen war Lord Seymour da, (dies war der Name des Engländers) und bald nachher erschien eine vertraute Person, die der Gerichtsdiener abgeschickt hatte, uns nach dem Gefängnis zu führen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":556,"orig":"Ich habe vergeſſen zu erzählen, daß der Prinz ſchon ſeit etlichen Tagen einen ſeiner Jäger vermißte, einen Bremer von Geburt, oder ihm viele Jahre redlich gedient und ſein ganzes Vertrauen beſeſſen hatte.","norm":"Ich habe vergessen zu erzählen, dass der Prinz schon seit etlichen Tagen einen seiner Jäger vermisste, einen Bremer von Geburt, oder ihm viele Jahre redlich gedient und sein ganzes Vertrauen besessen hatte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":557,"orig":"Ob er verunglückt der geſtohlen oder auch entlaufen war, wußte niemand.","norm":"Ob er verunglückt der gestohlen oder auch entlaufen war, wusste niemand."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":558,"orig":"Zu dem leztern war gar kein wahrſcheinlicher Grund vorhanden, weil er jederzeit ein ſtiller und ordentlicher Menſch geweſen, und nie ein Tadel an ihm gefunden war.","norm":"Zu dem letzten war gar kein wahrscheinlicher Grund vorhanden, weil er jederzeit ein stiller und ordentlicher Mensch gewesen, und nie ein Tadel an ihm gefunden war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":559,"orig":"Alles, worauf ſeine Kameraden ſich beſinnen konnten, war, daß er in der lezten Zeit ſehr ſchwermüthig geweſen, und, wo er nur einen Augenblick erhaſchen konnte, ein gewiſſes Minoritenkloſter in der Giudecca beſucht habe, wo er auch mit einigen Brüdern öfters Umgang gepflegt.","norm":"Alles, worauf seine Kameraden sich besinnen konnten, war, dass er in der letzten Zeit sehr schwermütig gewesen, und, wo er nur einen Augenblick erhaschen konnte, ein gewisses Minoritenkloster in der Giudecca besucht habe, wo er auch mit einigen Brüdern öfters Umgang gepflegt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":560,"orig":"Dieß brachte uns auf die Vermuthung, daß er vielleicht in die Hände der Pfaffen gerathen ſeyn möchte, und ſich katholiſch gemacht hätte; und weil der Prinz über dieſen Artikel damals noch ſehr tolerant oder ſehr gleichgültig dachte, ſo ließ ers nach einigen fruchtloſen Nachforſchungen dabey bewenden.","norm":"Dies brachte uns auf die Vermutung, dass er vielleicht in die Hände der Pfaffen geraten sein möchte, und sich katholisch gemacht hätte; und weil der Prinz über diesen Artikel damals noch sehr tolerant oder sehr gleichgültig dachte, so ließ er es nach einigen fruchtlosen Nachforschungen dabei bewenden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":561,"orig":"Doch ſchmerzte ihn der Verluſt dieſes Menſchen, der ihm auf ſeinen Feldzügen immer zur Seite geweſen, immer treu an ihm gehangen, und in einem fremden Lande ſo leicht nicht wieder zu erſetzen war.","norm":"Doch schmerzte ihn der Verlust dieses Menschen, der ihm auf seinen Feldzügen immer zur Seite gewesen, immer treu an ihm gehangen, und in einem fremden Lande so leicht nicht wieder zu ersetzen war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":562,"orig":"Heute nun, als wir eben im Begriff ſtanden auszugehn, ließ ſich der Banquier des Prinzen melden, an den der Auftrag ergangen war, für einen neuen Bedienten zu ſorgen.","norm":"Heute nun, als wir eben im Begriff standen auszugehen, ließ sich der Bankier des Prinzen melden, an den der Auftrag ergangen war, für einen neuen Bedienten zu Sorgen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":563,"orig":"Dieſer ſtellte dem Prinzen einen gut gebildeten und wohl gekleideten Menſchen in mittlern Jahren vor, der lange Zeit in Dienſten eines Prokurators als Sekretär geſtanden, franzöſiſch und auch etwas deutſch ſprach, übrigens mit den beſten Zeugniſſen verſehen war.","norm":"Dieser stellte dem Prinzen einen gutgebildeten und wohlgekleideten Menschen in mittleren Jahren vor, der lange Zeit in Diensten eines Prokurators als Sekretär gestanden, Französisch und auch etwas Deutsch sprach, übrigens mit den besten Zeugnissen versehen war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":564,"orig":"Seine Phyſionomie gefiel, und da er ſich übrigens erklärte, daß ſein Gehalt von der Zufriedenheit des Prinzen mit ſeinen Dienſten abhängen ſollte, ſo ließ er ihn ohne Verzug eintreten.","norm":"Seine Physiognomie gefiel, und da er sich übrigens erklärte, dass sein Gehalt von der Zufriedenheit des Prinzen mit seinen Diensten abhängen sollte, so ließ er ihn ohne Verzug eintreten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":565,"orig":"Wir fanden den Sicilianer in einem Privatgefängniß, wohin er, dem Prinzen zu Gefallen, wie der Gerichtsdiener ſagte, einſtweilen gebracht worden war, ehe er unter die Bleydächer geſetzt wurde, zu denen kein Zugang mehr offen ſteht.","norm":"Wir fanden den Sizilianer in einem Privatgefängnis, wohin er, dem Prinzen zu Gefallen, wie der Gerichtsdiener sagte, einstweilen gebracht worden war, ehe er unter die Bleidächer gesetzt wurde, zu denen kein Zugang mehr offen steht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":566,"orig":"Dieſe Bleydächer ſind das fürchterlichſte Gefängniß in Venedig, unter dem Dach des St. Markuspallaſtes, worin die unglücklichen Verbrecher von der dörrenden Sonnenhitze, die ſich auf der Bleyfläche ſammelt, oft bis zum Wahnwitze leiden.","norm":"Diese Bleidächer sind das fürchterlichste Gefängnis in Venedig, unter dem Dach des St. Markuspalastes, worin die unglücklichen Verbrecher von der dörrenden Sonnenhitze, die sich auf der Bleifläche sammelt, oft bis zum Wahnwitze leiden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":567,"orig":"Der Sicilianer hatte ſich von dem geiſtigen Zufalle wieder erholt, und ſtand ehrerbietig auf, als er den Prinzen anſichtig wurde.","norm":"Der Sizilianer hatte sich von dem gestrigen Zufalle wieder erholt, und stand ehrerbietig auf, als er den Prinzen ansichtig wurde."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":568,"orig":"Ein Bein und eine Hand waren gefeſſelt, ſonſt aber konnte er frey durch das Zimmer gehen.","norm":"Ein Bein und eine Hand waren gefesselt, sonst aber konnte er frei durch das Zimmer gehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":569,"orig":"Bey unſerm Eintritt entfernte ſich die Wache vor die Thüre.","norm":"Bei unserem Eintritt entfernte sich die Wache vor die Türe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":570,"orig":"„Ich komme,“ ſagte der Prinz, „über zwey Punkte eine Erklärung von Ihnen zu verlangen.","norm":"„Ich komme,“ sagte der Prinz, „über zwei Punkte eine Erklärung von Ihnen zu verlangen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":571,"orig":"Die eine ſind Sie mir ſchuldig, und es wird Ihr","norm":"Die eine sind Sie mir schuldig, und es wird Ihr"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":572,"orig":"Schade nicht ſeyn, wenn Sie mich über den andern befriedigen.","norm":"Schade nicht sein, wenn Sie mich über den anderen befriedigen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":573,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":574,"orig":"„Meine Rolle iſt ausgeſpielt,“ verſezte der Sicilianer.","norm":"„Meine Rolle ist ausgespielt,“ versetzte der Sizilianer."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":575,"orig":"„Mein Schickſal ſteht in Ihren Händen.","norm":"„Mein Schicksal steht in Ihren Händen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":576,"orig":"„Fragen Sie, gnädigſter Herr.","norm":"„Fragen Sie, gnädigster Herr."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":577,"orig":"Ich bin bereit zu antworten, denn ich habe nichts mehr zu verlieren.","norm":"Ich bin bereit zu antworten, denn ich habe nichts mehr zu verlieren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":578,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":579,"orig":"„Sie haben mich das Geſicht des Armeniers in Ihrem Spiegel ſehen laſſen.","norm":"„Sie haben mich das Gesicht des Armeniers in Ihrem Spiegel sehen lassen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":580,"orig":"Wodurch bewirkten Sie dieſes?“","norm":"Wodurch bewirkten Sie dieses?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":581,"orig":"„Es war kein Spiegel, was Sie geſehen haben.","norm":"„Es war kein Spiegel, was Sie gesehen haben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":582,"orig":"Ein bloßes Paſtellgemählde hinter einem Glas, das einen Mann in armeniſcher Kleidung vorſtellte, hat Sie getäuſcht.","norm":"Ein bloßes Pastellgemälde hinter einem Glas, das einen Mann in armenischer Kleidung vorstellte, hat Sie getäuscht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":583,"orig":"Meine Geſchwindigkeit, die Dämmerung, Ihr Erſtaunen unterſtützten dieſen Betrug.","norm":"Meine Geschwindigkeit, die Dämmerung, Ihr Erstaunen unterstützten diesen Betrug."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":584,"orig":"Das Bild ſelbſt wird ſich unter den übrigen Sachen finden, die man in dem Gaſthof in Beſchlag genommen hat.","norm":"Das Bild selbst wird sich unter den übrigen Sachen finden, die man in dem Gasthof in Beschlag genommen hat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":585,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":586,"orig":"„Aber wie konnten Sie meine Gedanken ſo gut wiſſen, und gerade auf den Armenier rathen?“","norm":"„Aber wie konnten Sie meine Gedanken so gut wissen, und gerade auf den Armenier raten?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":587,"orig":"„Dieſes war gar nicht ſchwer, gnädigſter Herr.","norm":"„Dieses war gar nicht schwer, gnädigster Herr."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":588,"orig":"Ohne Zweifel haben Sie ſich bey Tiſche in Gegenwart Ihrer Bedienten über die Begebenheit öfters herausgelaſſen, die ſich zwiſchen Ihnen und dieſem Armenier ereignet hat.","norm":"Ohne Zweifel haben Sie sich bei Tische in Gegenwart Ihrer Bedienten über die Begebenheit öfters herausgelassen, die sich zwischen Ihnen und diesem Armenier ereignet hat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":589,"orig":"Einer von meinen Leuten machte mit einem Jäger zufälliger Weiſe in der Giudecca Bekanntſchaft, aus weichem er nach und nach ſo viel zu ziehen wußte, als mir zu wiſſen nöthig war.","norm":"Einer von meinen Leuten machte mit einem Jäger zufälligerweise in der Giudecca Bekanntschaft, aus welchem er nach und nach so viel zu ziehen wusste, als mir zu wissen nötig war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":590,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":591,"orig":"„Wo iſt dieſer Jäger?“ fragte der Prinz.","norm":"„Wo ist dieser Jäger?“ fragte der Prinz."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":592,"orig":"Ich vermiſſe ihn, und ganz gewiß wiſſen Sie um ſeine Entweichung.","norm":"Ich vermisse ihn, und ganz gewiss wissen Sie um seine Entweichung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":593,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":594,"orig":"„Ich ſchwöre Ihnen, daß ich nicht das geringſte davon weiß, gnädigſter Herr.","norm":"„Ich schwöre Ihnen, dass ich nicht das geringste davon weiß, gnädigster Herr."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":595,"orig":"Ich ſelbſt hab' ihn nie geſehen, und nie eine andre Abſicht mit ihm gehabt, als die eben gemeldete.","norm":"Ich selbst habe ihn nie gesehen, und nie eine andere Absicht mit ihm gehabt, als die eben gemeldete."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":596,"orig":"“ „Fahren Sie fort,“ ſagte der Prinz.","norm":"“ „Fahren Sie fort,“ sagte der Prinz."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":597,"orig":"„Auf dieſem Wege nun erhielt ich überhaupt auch die erſte Nachricht von Ihrem Aufenthalt und Ihren Begebenheiten in Venedig, und ſogleich entſchloß ich mich, ſie zu nützen.","norm":"„Auf diesem Wege nun erhielt ich überhaupt auch die erste Nachricht von Ihrem Aufenthalt und Ihren Begebenheiten in Venedig, und sogleich entschloss ich mich, sie zu nützen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":598,"orig":"Sie ſehen, gnädigſter Herr, daß ich aufrichtig bin.","norm":"Sie sehen, gnädigster Herr, dass ich aufrichtig bin."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":599,"orig":"Ich wußte von Ihrer vorhabenden Spazierfahrt auf der Brenta; ich hatte mich darauf verſehen, und ein Schlüſſel, der Ihnen von ungefähr entfiel, gab mir die erſte Gelegenheit, meine Kunſt an Ihnen zu verſuchen.","norm":"Ich wusste von Ihrer vorhabenden Spazierfahrt auf der Brenta; ich hatte mich darauf versehen, und ein Schlüssel, der Ihnen von ungefähr entfiel, gab mir die erste Gelegenheit, meine Kunst an Ihnen zu versuchen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":600,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":601,"orig":"„Wie?","norm":"„Wie?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":602,"orig":"So hätte ich mich alſo geirret?","norm":"So hätte ich mich also geirrt?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":603,"orig":"Das Stückchen mit dem Schlüſſel war Ihr Werk, und nicht des Armeniers?","norm":"Das Stückchen mit dem Schlüssel war Ihr Werk, und nicht des Armeniers?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":604,"orig":"Der Schlüſſel, ſagen Sie, wäre mir entfallen?“","norm":"Der Schlüssel, sagen Sie, wäre mir entfallen?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":605,"orig":"„Als Sie die Börſe zogen — und ich nahm den Augenblick wahr, da mich niemand beobachtete, ihn ſchnell mit dem Fuße zu verdecken.","norm":"„Als Sie die Börse zogen — und ich nahm den Augenblick wahr, da mich niemand beobachtete, ihn schnell mit dem Fuße zu verdecken."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":606,"orig":"Die Perſon, bey der Sie die Lotterielooſe nahmen, war im Verſtändniß mit mir.","norm":"Die Person, bei der Sie die Lotterielose nahmen, war im Verständnis mit mir."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":607,"orig":"Sie ließ Sie aus einem Gefäße ziehen, wo keine Niete zu holen war, und der Schlüſſel lag längſt in der Doſe, ehe ſie von Ihnen gewonnen wurde.","norm":"Sie ließ Sie aus einem Gefäße ziehen, wo keine Niete zu holen war, und der Schlüssel lag längst in der Dose, ehe sie von Ihnen gewonnen wurde."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":608,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":609,"orig":"„Nunmehr begreif' ich's.","norm":"„Nunmehr begreife ich es."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":610,"orig":"Und der Barfüßermönch, der ſich mir in den Weg warf, und mich ſo feyerlich anredete?“","norm":"Und der Barfußmönch, der sich mir in den Weg warf, und mich so feierlich anredete?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":611,"orig":"„War der nehmliche, den man, wie ich höre, verwundet aus dem Kamine gezogen.","norm":"„War der nämliche, den man, wie ich höre, verwundet aus dem Kamine gezogen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":612,"orig":"Es iſt einer von meinen Kameraden, der mir unter dieſer Verhüllung ſchon manche gute Dienſte geleiſtet.","norm":"Es ist einer von meinen Kameraden, der mir unter dieser Verhüllung schon manche gute Dienste geleistet."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":613,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":614,"orig":"„Aber zu welchem Ende ſtellten Sie dieſes an?“","norm":"„Aber zu welchem Ende stellten Sie dieses an?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":615,"orig":"„Um Sie nachdenkend zu machen — um einen Gemüthszuſtand in Ihnen vorzubereiten, der Sie für das Wunderbare, das ich mit Ihnen im Sinn hatte, empfänglich machen ſollte.","norm":"„Um Sie nachdenkend zu machen — um einen Gemütszustand in Ihnen vorzubereiten, der Sie für das Wunderbare, das ich mit Ihnen im Sinn hatte, empfänglich machen sollte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":616,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":617,"orig":"„Aber der pantomimiſche Tanz, der eine ſo überraſchende ſeltſame Wendung nahm — dieſer war doch wenigſtens nicht von Ihrer Erfindung?“","norm":"„Aber der pantomimische Tanz, der eine so überraschende seltsame Wendung nahm — dieser war doch wenigstens nicht von Ihrer Erfindung?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":618,"orig":"„Das Mädchen, welches die Königinn vorſtellte, war von mir unterrichtet, und ihre ganze Rolle mein Werk.","norm":"„Das Mädchen, welches die Königin vorstellte, war von mir unterrichtet, und ihre ganze Rolle mein Werk."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":619,"orig":"Ich vermuthete, daß es Eure Durchlaucht nicht wenig befremden würde, an dieſem Orte gekannt zu ſeyn, und, verzeihen Sie mir, gnädigſter Herr, das Abentheuer mit dem Armenier ließ mich hoffen, daß Sie bereits ſchon geneigt ſeyn würden, natürliche Auslegungen zu verſchmähen, und nach höhern Quellen des Außerordentlichen zu ſpüren.","norm":"Ich vermutete, dass es Eure Durchlaucht nicht wenig befremden würde, an diesem Orte gekannt zu sein, und, verzeihen Sie mir, gnädigster Herr, das Abenteuer mit dem Armenier ließ mich hoffen, dass Sie bereits schon geneigt sein würden, natürliche Auslegungen zu verschmähen, und nach höheren Quellen des Außerordentlichen zu spüren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":620,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":621,"orig":"„In der That,“ rief der Prinz mit einer Miene zugleich des Verdruſſes und der Verwunderung, indem er mir, beſonders einen bedeutenden Blick gab, „in der That,“ rief er aus, „das habe ich nicht erwartet.","norm":"„In der Tat,“ rief der Prinz mit einer Miene zugleich des Verdrusses und der Verwunderung, indem er mir, besonders einen bedeutenden Blick gab, „in der Tat,“ rief er aus, „das habe ich nicht erwartet."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":622,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":623,"orig":"„Aber,“ fuhr der Prinz nach einem langen Stillſchweigen wieder fort, „wie brachten Sie die Geſtalt hervor, die an der Wand über dem Kamine erſchien?“","norm":"„Aber,“ fuhr der Prinz nach einem langen Stillschweigen wieder fort, „wie brachten Sie die Gestalt hervor, die an der Wand über dem Kamine erschien?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":624,"orig":"„Durch die Zauberlaterne, welche an dem gegenüber ſtehenden Fenſterladen angebracht war, wo Sie auch die Oeffnung dazu bemerkt haben werden.","norm":"„Durch die Zauberlaterne, welche an dem gegenüberstehenden Fensterladen angebracht war, wo Sie auch die Öffnung dazu bemerkt haben werden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":625,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":626,"orig":"„Aber wie kam es denn, daß kein einziger unter uns ſie gewahr wurde?“ fragte Lord Seymour.","norm":"„Aber wie kam es denn, dass kein einziger unter uns sie gewahr wurde?“ fragte Lord Seymour."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":627,"orig":"„Sie erinnern ſich, gnädigſter Herr, daß ein dicker Rauch von Olibanum den ganzen Saal verfinſterte, als Sie zurück gekommen waren.","norm":"„Sie erinnern sich, gnädigster Herr, dass ein dicker Rauch von Olibanum den ganzen Saal verfinsterte, als Sie zurückgekommen waren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":628,"orig":"Zugleich hatte ich die Vorſicht gebraucht, die Dielen, welche man weggehoben, neben demjenigen Fenſter anlehnen zu laſſen, wo die Laterna magica eingefügt war; dadurch verhinderte ich, daß Ihnen dieſer Fenſterladen nicht ſogleich ins Geſichte fiel.","norm":"Zugleich hatte ich die Vorsicht gebraucht, die Dielen, welche man weggehoben, neben demjenigen Fenster anlehnen zu lassen, wo die Laterna magica eingefügt war; dadurch verhinderte ich, dass Ihnen dieser Fensterladen nicht sogleich ins Gesichte fiel."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":629,"orig":"Uebrigens blieb die Laterne auch ſo lange durch einen Schieber verdeckt, bis Sie alle Ihre Plätze genommen hatten, und keine Unterſuchung im Zimmer mehr von Ihnen zu fürchten war.","norm":"Übrigens blieb die Laterne auch solange durch einen Schieber verdeckt, bis Sie alle Ihre Plätze genommen hatten, und keine Untersuchung im Zimmer mehr von Ihnen zu fürchten war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":630,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":631,"orig":"„Mir kam vor,“ fiel ich ein, „als hörte ich in der Nähe dieſes Saals eine Leiter anlegen, als ich in dem andern Pavillon aus dem Fenſter ſah.","norm":"„Mir kam vor,“ fiel ich ein, „als hörte ich in der Nähe dieses Saals eine Leiter anlegen, als ich in dem anderen Pavillon aus dem Fenster sah."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":632,"orig":"War dem wirklich ſo?“","norm":"War dem wirklich so?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":633,"orig":"„Ganz recht.","norm":"„Ganz recht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":634,"orig":"Eben dieſe Leiter, auf welcher mein Gehülfe zu dem bewußten Fenſter empor kletterte, um die Zauberlaterne zu dirigiren.","norm":"Eben diese Leiter, auf welcher mein Gehilfe zu dem bewussten Fenster emporkletterte, um die Zauberlaterne zu dirigieren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":635,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":636,"orig":"„Die Geſtalt,“ fuhr der Prinz fort, „ſchien wirklich eine flüchtige Aehnlichkeit mit meinem verſtorbenen Freunde zu haben; beſonders traf es ein, daß ſie ſehr blond war.","norm":"„Die Gestalt,“ fuhr der Prinz fort, „schien wirklich eine flüchtige Ähnlichkeit mit meinem verstorbenen Freunde zu haben; besonders traf es ein, dass sie sehr blond war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":637,"orig":"War dieſes bloßer Zufall oder woher ſchöpften Sie dieſelbe?“","norm":"War dieses bloßer Zufall oder woher schöpften Sie dieselbe?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":638,"orig":"„Eure Durchlaucht erinnern ſich, daß Sie über Tiſche eine Doſe neben ſich hatten liegen gehabt, auf welcher das Portrait eines Offiziers in * * ſcher Uniform in Emaille war.","norm":"„Eure Durchlaucht erinnern sich, dass Sie über Tische eine Dose neben sich hatten liegen gehabt, auf welcher das Porträt eines Offiziers in * * scher Uniform in Emaille war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":639,"orig":"Ich fragte Sie, ob Sie von Ihrem Freunde nicht irgend ein Andenken bey ſich führten?","norm":"Ich fragte Sie, ob Sie von Ihrem Freunde nicht irgendein Andenken bei sich führten?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":640,"orig":"worauf Sie mit Ja antworteten; daraus ſchloß ich, daß es vielleicht die Doſe ſeyn möchte.","norm":"worauf Sie mit Ja antworteten; daraus schloss ich, dass es vielleicht die Dose sein möchte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":641,"orig":"Ich hatte das Bild über Tiſche gut ins Auge gefaßt, und weil ich im Zeichnen ſehr geübt, auch im Treffen ſehr glücklich bin, ſo war es mir ein leichtes, dem Bilde dieſe flüchtige Aehnlichkeit zu geben, die Sie wahrgenommen haben; und um ſo mehr, da die Geſichtszüge des Marquis ſehr ins Auge fallen.","norm":"Ich hatte das Bild über Tische gut ins Auge gefasst, und weil ich im Zeichnen sehr geübt, auch im Treffen sehr glücklich bin, so war es mir ein leichtes, dem Bilde diese flüchtige Ähnlichkeit zu geben, die Sie wahrgenommen haben; und um so mehr, da die Gesichtszüge des Marquis sehr ins Auge fallen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":642,"orig":"„Aber die Geſtalt ſchien ſich doch zu bewegen.","norm":"„Aber die Gestalt schien sich doch zu bewegen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":643,"orig":"—“","norm":"—“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":644,"orig":"„So ſchien es — aber es war nicht die Geſtalt, ſondern der Rauch, der von ihrem Scheine beleuchtet war.","norm":"„So schien es — aber es war nicht die Gestalt, sondern der Rauch, der von ihrem Scheine beleuchtet war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":645,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":646,"orig":"„Und der Menſch, welcher aus dem Schlot herab ſtürzte, antwortete alſo für die Erſcheinung?“","norm":"„Und der Mensch, welcher aus dem Schlot herabstürzte, antwortete also für die Erscheinung?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":647,"orig":"„Eben dieſer.","norm":"„Eben dieser."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":648,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":649,"orig":"„Aber er konnte ja die Fragen nicht wohl hören.","norm":"„Aber er konnte ja die Fragen nicht wohl hören."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":650,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":651,"orig":"„Dieſes brauchte er auch nicht.","norm":"„Dieses brauchte er auch nicht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":652,"orig":"Sie beſinnen ſich, gnädigſter Prinz, daß ich Ihnen allen auf das ſtrengſte verbot, ſelbſt eine Frage an das Geſpenſt zu richten.","norm":"Sie besinnen sich, gnädigster Prinz, dass ich Ihnen allen auf das strengste verbot, selbst eine Frage an das Gespenst zu richten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":653,"orig":"Was ich ihn fragen würde und er mir antworten ſollte, war abgeredet; und damit ja kein Verſehen vorfiele, ließ ich ihn große Pauſen beobachten, die er an den Schlägen einer Uhr abzählen mußte.","norm":"Was ich ihn fragen würde und er mir antworten sollte, war abgeredet; und damit ja kein Versehen vorfiele, ließ ich ihn große Pausen beobachten, die er an den Schlägen einer Uhr abzählen musste."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":654,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":655,"orig":"„Sie gaben dem Wirthe Befehl, alle Feuer im Hauſe ſorgfältig mit Waſſer löſchen zu laſſen; dieß geſchah ohne Zweifel —“","norm":"„Sie gaben dem Wirte Befehl, alle Feuer im Hause sorgfältig mit Wasser löschen zu lassen; dies geschah ohne Zweifel —“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":656,"orig":"„Um meinen Mann im Kamine außer Gefahr des Erſtickens zu ſetzen, weil die Schornſteine im Hauſe in einander laufen, und ich vor ihrer Suite nicht ſo recht ſicher zu ſeyn glaubte.","norm":"„Um meinen Mann im Kamine außer Gefahr des Erstickens zu setzen, weil die Schornsteine im Hause ineinander ineinanderlaufen, und ich vor Ihrer Suite nicht so recht sicher zu sein glaubte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":657,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":658,"orig":"„Wie kam es aber,“ fragte Lord Seymour, daß Ihr Geiſt weder früher noch ſpäter da war, als Sie ihn brauchten?“","norm":"„Wie kam es aber,“ fragte Lord Seymour, dass Ihr Geist weder früher noch später da war, als Sie ihn brauchten?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":659,"orig":"„Mein Geiſt war ſchon eine gute Weile im Zimmer, ehe ich ihn citirte; aber ſo lange der Spiritus brannte, konnte man dieſen matten Schein nicht ſehen.","norm":"„Mein Geist war schon eine gute Weile im Zimmer, ehe ich ihn zitierte; aber solange der Spiritus brannte, konnte man diesen matten Schein nicht sehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":660,"orig":"Als meine Beſchwörungsformel geendigt war, ließ ich das Gefäß, worin der Spiritus flammte, zuſammen fallen, es wurde Nacht im Saal, und jezt erſt wurde man die Figur an der Wand gewahr, die ſich ſchon längſt darauf reflektirt hatte.","norm":"Als meine Beschwörungsformel geendigt war, ließ ich das Gefäß, worin der Spiritus flammte, zusammenfallen, es wurde Nacht im Saal, und jetzt erst wurde man die Figur an der Wand gewahr, die sich schon längst darauf reflektiert hatte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":661,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":662,"orig":"„Aber in eben dem Moment, als der Geiſt erſchien, empfanden wir alle einen elektriſchen Schlag.","norm":"„Aber in eben dem Moment, als der Geist erschien, empfanden wir alle einen elektrischen Schlag."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":663,"orig":"Wie bewirkten Sie dieſen?“","norm":"Wie bewirkten Sie diesen?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":664,"orig":"„Die Maſchine unter dem Altar haben Sie entdeckt.","norm":"„Die Maschine unter dem Altar haben Sie entdeckt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":665,"orig":"Sie ſahen auch, daß ich auf einem ſeidnen Fußteppich ſtand.","norm":"Sie sahen auch, dass ich auf einem seidenen Fußteppich stand."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":666,"orig":"Ich ließ Sie in einem halben Mond um mich herum ſtehen und einander die Hände reichen; als es nahe dabey war, winkte ich einem von Ihnen, mich bey den Haaren zu faſſen.","norm":"Ich ließ Sie in einem halben Mond um mich herumstehen und einander die Hände reichen; als es nahe dabei war, winkte ich einem von Ihnen, mich bei den Haaren zu fassen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":667,"orig":"Das ſilberne Kruzifix war der Konductor, und Sie empfingen den Schlag, als ich es mit der Hand berührte.","norm":"Das silberne Kruzifix war der Konduktor, und Sie empfingen den Schlag, als ich es mit der Hand berührte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":668,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":669,"orig":"„Sie befahlen uns, dem Grafen von O * * und mir,“ ſagte Lord Seymour, „zwey bloße Degen kreuzweiſe über Ihrem Scheitel zu halten, ſo lange die Beſchwörung dauern würde.","norm":"„Sie befahlen uns, dem Grafen von O * * und mir,“ sagte Lord Seymour, „zwei bloße Degen kreuzweise über Ihrem Scheitel zu halten, solange die Beschwörung dauern würde."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":670,"orig":"Wozu nun dieſes?“","norm":"Wozu nun dieses?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":671,"orig":"„Zu nichts weiter als um Sie beyde, denen ich am wenigſten traute, während des ganzen Actus zu beſchäftigen.","norm":"„Zu nichts weiter als um Sie beide, denen ich am wenigsten traute, während des ganzen Aktus zu beschäftigen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":672,"orig":"Sie erinnern ſich, daß ich Ihnen ausdrücklich einen Zoll hoch beſtimmte; dadurch, daß Sie dieſe Entfernung immer in Acht nehmen mußten, waren ſie verhindert, Ihre Blicke dahin zu richten, wo ich ſie nicht gerne haben wollte.","norm":"Sie erinnern sich, dass ich Ihnen ausdrücklich einen Zoll hoch bestimmte; dadurch, dass Sie diese Entfernung immer in Acht nehmen mussten, waren sie verhindert, Ihre Blicke dahin zu richten, wo ich sie nicht gerne haben wollte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":673,"orig":"Meinen ſchlimmſten Feind hatte ich damals noch gar nicht ins Auge gefaßt.","norm":"Meinen schlimmsten Feind hatte ich damals noch gar nicht ins Auge gefasst."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":674,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":675,"orig":"„Ich geſtehe,“ rief Lord Seymour, „daß dieß vorſichtig gehandelt heißt — aber warum mußten wir ausgekleidet ſeyn?“","norm":"„Ich gestehe,“ rief Lord Seymour, „dass dies vorsichtig gehandelt heißt — aber warum mussten wir ausgekleidet sein?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":676,"orig":"„Bloß um der Handlung eine Feyerlichkeit mehr zu geben, und durch das Ungewöhnliche Ihre Einbildungskraft zu ſpannen.","norm":"„Bloß um der Handlung eine Feierlichkeit mehr zu geben, und durch das Ungewöhnliche Ihre Einbildungskraft zu spannen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":677,"orig":"„Die zwote Erſcheinung ließ Ihren Geiſt nicht zum Wort kommen,“ ſagte der Prinz.","norm":"„Die zweite Erscheinung ließ Ihren Geist nicht zum Wort kommen,“ sagte der Prinz."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":678,"orig":"„Was hätten wir eigentlich von ihm erfahren ſollen?“","norm":"„Was hätten wir eigentlich von ihm erfahren sollen?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":679,"orig":"„Beynahe daſſelbe, was Sie nachher gehört haben.","norm":"„Beinahe dasselbe, was Sie nachher gehört haben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":680,"orig":"Ich fragte Eure Durchlaucht nicht ohne Abſicht, ob Sie mir auch alles geſagt, was Ihnen der Sterbende aufgetragen, und ob Sie keine weitere Nachfragen wegen ſeiner in ſeinem Vaterlande gethan; dieſes fand ich nöthig, um nicht gegen Thatſachen anzuſtoßen, die der Auſſage meines Geiſtes hätten widerſprechen können.","norm":"Ich fragte Eure Durchlaucht nicht ohne Absicht, ob Sie mir auch alles gesagt, was Ihnen der Sterbende aufgetragen, und ob Sie keine weitere Nachfragen wegen seiner in seinem Vaterlande getan; dieses fand ich nötig, um nicht gegen Tatsachen anzustoßen, die der Aussage meines Geistes hätten widersprechen können."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":681,"orig":"Ich fragte gewiſſer Jugendſünden wegen, ob der Verſtorbene untadelhaft gelebt; und auf die Antwort, welche Sie mir gaben, gründete ich alsdann meine Erfindung.","norm":"Ich fragte gewisser Jugendsünden wegen, ob der Verstorbene untadelhaft gelebt; und auf die Antwort, welche Sie mir gaben, gründete ich alsdann meine Erfindung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":682,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":683,"orig":"„Ueber dieſe Sache,“ fing der Prinz nach einigem Stillſchweigen an, „haben Sie mir einen befriedigenden Aufſchluß gegeben.","norm":"„Über diese Sache,“ fing der Prinz nach einigem Stillschweigen an, „haben Sie mir einen befriedigenden Aufschluss gegeben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":684,"orig":"Aber ein Hauptumſtand iſt noch zurück, worüber ich Licht von Ihnen verlange.","norm":"Aber ein Hauptumstand ist noch zurück, worüber ich Licht von Ihnen verlange."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":685,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":686,"orig":"„Wenn es in meiner Gewalt ſteht, und —“","norm":"„Wenn es in meiner Gewalt steht, und —“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":687,"orig":"„Keine Bedingungen!","norm":"„Keine Bedingungen!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":688,"orig":"Die Gerechtigkeit, in deren Händen Sie ſind, dürfte ſo beſcheiden nicht fragen.","norm":"Die Gerechtigkeit, in deren Händen Sie sind, dürfte so bescheiden nicht fragen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":689,"orig":"Wer war dieſer Unbekannte, vor dem wir Sie niederſtürzen ſahen?","norm":"Wer war dieser Unbekannte, vor dem wir Sie niederstürzen sahen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":690,"orig":"Was wiſſen Sie von ihm?","norm":"Was wissen Sie von ihm?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":691,"orig":"Woher kennen Sie ihn?","norm":"Woher kennen Sie ihn?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":692,"orig":"Und was hat es für eine Bewandtniß mit dieſer zweyten Erſcheinung?“","norm":"Und was hat es für eine Bewandtnis mit dieser zweiten Erscheinung?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":693,"orig":"„Gnädigſter Prinz —“","norm":"„Gnädigster Prinz —“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":694,"orig":"„Als Sie ihm genauer ins Geſicht ſahen, ſtießen Sie einen lauten Schrey aus und ſtürzten nieder.","norm":"„Als Sie ihm genauer ins Gesicht sahen, stießen Sie einen lauten Schrei aus und stürzten nieder."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":695,"orig":"Warum das?","norm":"Warum das?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":696,"orig":"Was bedeutete das?“","norm":"Was bedeutete das?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":697,"orig":"„Dieſer Unbekannte, gnädigſter Prinz“ — — Er hielt inne, wurde ſichtbarlich unruhiger, und ſah uns alle in der Reihe herum mit verlegenen Blicken an.","norm":"„Dieser Unbekannte, gnädigster Prinz“ — — er hielt inne, wurde sichtbarlich unruhiger, und sah uns alle in der Reihe herum mit verlegenen Blicken an."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":698,"orig":"— „Ja bey Gott, gnädigſter Prinz, dieſer Unbekannte iſt ein ſchreckliches Weſen.","norm":"— „Ja bei Gott, gnädigster Prinz, dieser Unbekannte ist ein schreckliches Wesen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":699,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":700,"orig":"„Was wiſſen Sie von ihm?","norm":"„Was wissen Sie von ihm?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":701,"orig":"Wie ſteht er mit Ihnen in Verbindung?","norm":"Wie steht er mit Ihnen in Verbindung?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":702,"orig":"— Hoffen Sie nicht, uns die Wahrheit zu verhehlen.","norm":"— Hoffen Sie nicht, uns die Wahrheit zu verhehlen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":703,"orig":"“ —","norm":"“ —"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":704,"orig":"„Dafür werd' ich mich wohl hüten — denn wer ſteht mir dafür, daß er nicht in dieſem Augenblicke mitten unter uns ſtehet?“","norm":"„Dafür werde ich mich wohl hüten — denn wer steht mir dafür, dass er nicht in diesem Augenblicke mitten unter uns steht?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":705,"orig":"„Wo?","norm":"„Wo?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":706,"orig":"Wer?“ riefen wir alle zugleich, und ſchauten uns halb lachend, halb beſtürzt im Zimmer um — „Das iſt ja nicht möglich.","norm":"Wer?“ riefen wir alle zugleich, und schauten uns halb lachend, halb bestürzt im Zimmer um — „Das ist ja nicht möglich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":707,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":708,"orig":"„O!","norm":"„O!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":709,"orig":"dieſem Menſchen — oder wer er ſeyn mag — ſind Dinge möglich, die noch weit weniger zu begreifen ſind.","norm":"diesem Menschen — oder wer er sein mag — sind Dinge möglich, die noch weit weniger zu begreifen sind."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":710,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":711,"orig":"„Aber wer iſt er denn?","norm":"„Aber wer ist er denn?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":712,"orig":"Woher ſtammt er?","norm":"Woher stammt er?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":713,"orig":"Armenier oder Ruſſe?","norm":"Armenier oder Russe?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":714,"orig":"Was iſt das Wahre an dem, wofür er ſich ausgiebt?“","norm":"Was ist das Wahre an dem, wofür er sich ausgibt?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":715,"orig":"„Keines von allem, was er ſcheint.","norm":"„Keines von allem, was er scheint."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":716,"orig":"Es wird wenige Stände und Nationen geben, davon er nicht ſchon die Maſke getragen.","norm":"Es wird wenige Stände und Nationen geben, davon er nicht schon die Maske getragen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":717,"orig":"Wer er ſey?","norm":"Wer er sei?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":718,"orig":"Woher er gekommen?","norm":"Woher er gekommen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":719,"orig":"Wohin er gehe?","norm":"Wohin er gehe?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":720,"orig":"weiß niemand.","norm":"weiß niemand."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":721,"orig":"Daß er lang' in Aegypten geweſen, wie viele behaupten, und dort aus einer Katakombe ſeine verborgene Weisheit geholt habe, will ich weder bejahen noch verneinen.","norm":"Dass er lange in Ägypten gewesen, wie viele behaupten, und dort aus einer Katakombe seine verborgene Weisheit geholt habe, will ich weder bejahen noch verneinen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":722,"orig":"Bey uns kennt man ihn nur unter dem Namen des Unergründlichen.","norm":"Bei uns kennt man ihn nur unter dem Namen des Unergründlichen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":723,"orig":"Wie alt, zum Beyſpiel, ſchätzen Sie ihn?","norm":"Wie alt, zum Beispiel, schätzen Sie ihn?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":724,"orig":"„Nach dem äußern Anſchein zu urtheilen, kann er kaum vierzig zurück gelegt haben.","norm":"„Nach dem äußeren Anschein zu urteilen, kann er kaum vierzig zurückgelegt haben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":725,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":726,"orig":"„Und wie alt denken Sie, daß ich ſey?“","norm":"„Und wie alt denken Sie, dass ich sei?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":727,"orig":"„Nicht weit von funfzig.","norm":"„Nicht weit von fünfzig."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":728,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":729,"orig":"„Ganz recht — und wenn ich Ihnen nun ſage, daß ich noch ein Burſche von ſiebenzehn Jahren war, als mir mein Großvater von dieſem Wundermann erzählte, der ihn ungefähr in eben dem Alter, worin er jezt zu ſeyn ſcheint, in Famaguſta geſehen hat.","norm":"„Ganz recht — und wenn ich Ihnen nun sage, dass ich noch ein Bursche von siebzehn Jahren war, als mir mein Großvater von diesem Wundermann erzählte, der ihn ungefähr in ebendem Alter, worin er jetzt zu sein scheint, in Famagusta gesehen hat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":730,"orig":"—“","norm":"—“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":731,"orig":"„Das iſt lächerlich, unglaublich und übertrieben.","norm":"„Das ist lächerlich, unglaublich und übertrieben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":732,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":733,"orig":"„Nicht um einen Zug.","norm":"„Nicht um einen Zug."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":734,"orig":"Hielten mich dieſe Feſſeln nicht ab, ich wollte Ihnen Bürgen ſtellen, deren ehrwürdiges Anſehen Ihnen keinen Zweifel mehr übrig laſſen ſollte.","norm":"Hielten mich diese Fesseln nicht ab, ich wollte Ihnen Bürgen stellen, deren ehrwürdiges Ansehen Ihnen keinen Zweifel mehr übriglassen sollte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":735,"orig":"Es giebt glaubwürdige Leute, die ſich erinnern, ihn in verſchiedenen Weltgegenden zu gleicher Zeit geſehen zu haben.","norm":"Es gibt glaubwürdige Leute, die sich erinnern, ihn in verschiedenen Weltgegenden zu gleicher Zeit gesehen zu haben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":736,"orig":"Keines Degens Spitze kann ihn durchbohren, kein Gift kann ihm etwas anhaben, kein Feuer ſengt ihn, kein Schiff geht unter, worauf er ſich befindet.","norm":"Keines Degens Spitze kann ihn durchbohren, kein Gift kann ihm etwas anhaben, kein Feuer sengt ihn, kein Schiff geht unter, worauf er sich befindet."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":737,"orig":"Die Zeit ſelbſt ſcheint an ihm ihre Macht zu verlieren, die Jahre trocknen ſeine Säfte nicht aus, und das Alter kann ſeine Haare nicht bleichen.","norm":"Die Zeit selbst scheint an ihm ihre Macht zu verlieren, die Jahre trocknen seine Säfte nicht aus, und das Alter kann seine Haare nicht bleichen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":738,"orig":"Niemand iſt, der ihn Speiſe nehmen ſah, nie iſt ein Weib von ihm berührt worden, kein Schlaf beſucht ſeine Augen, von allen Stunden des Tages weiß man nur eine einzige, über die er nicht Herr iſt, in welcher niemand ihn geſehen, in welcher er kein irdiſches Geſchäft verrichtet hat.","norm":"Niemand ist, der ihn Speise nehmen sah, nie ist ein Weib von ihm berührt worden, kein Schlaf besucht seine Augen, von allen Stunden des Tages weiß man nur eine einzige, über die er nicht Herr ist, in welcher niemand ihn gesehen, in welcher er kein irdisches Geschäft verrichtet hat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":739,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":740,"orig":"„So?“ ſagte der Prinz.","norm":"„So?“ sagte der Prinz."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":741,"orig":"„Und was iſt dieß für eine Stunde?“","norm":"„Und was ist dies für eine Stunde?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":742,"orig":"„Die zwölfte in der Nacht.","norm":"„Die zwölfte in der Nacht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":743,"orig":"Sobald die Glocke den zwölften Schlag thut, gehört er den Lebendigen nicht mehr.","norm":"Sobald die Glocke den zwölften Schlag tut, gehört er den Lebendigen nicht mehr."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":744,"orig":"Wo er auch ſeyn mag, er muß fort, welches Geſchäft er auch verrichtet, er muß es abbrechen.","norm":"Wo er auch sein mag, er muss fort, welches Geschäft er auch verrichtet, er muss es abbrechen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":745,"orig":"Dieſer ſchreckliche Glockenſchlag reißt ihn aus den Armen der Freundſchaft, reißt ihn ſelbſt vom Altar, und würde ihn auch aus dem Todeskampf abrufen.","norm":"Dieser schreckliche Glockenschlag reißt ihn aus den Armen der Freundschaft, reißt ihn selbst vom Altar, und würde ihn auch aus dem Todeskampf abrufen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":746,"orig":"Niemand weiß wo er dann hingehet, noch was er da verrichtet.","norm":"Niemand weiß wo er dann hingehet, noch was er da verrichtet."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":747,"orig":"Niemand wagt es, ihn darum zu befragen, noch weniger ihm zu folgen, denn ſeine Geſichtszüge ziehen ſich auf einmal, ſobald dieſe gefürchtete Stunde ſchlägt, in einen ſo finſtern und ſchreckhaften Ernſt zuſammen, daß jedem der Muth entfällt, ihm in's Geſicht zu blicken, oder ihn anzureden.","norm":"Niemand wagt es, ihn darum zu befragen, noch weniger ihm zu folgen, denn seine Gesichtszüge ziehen sich auf einmal, sobald diese gefürchtete Stunde schlägt, in einen so finstern und schreckhaften Ernst zusammen, dass jedem der Mut entfällt, ihm ins Gesicht zu blicken, oder ihn anzureden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":748,"orig":"Eine tiefe Todesſtille endigt dann plötzlich das lebhafteſte Geſpräch, und alle, die um ihn ſind, erwarten mit ehrerbietigem Schaudern ſeine Wiederkunft, ohne es nur zu wagen, ſich von der Stelle zu heben, oder die Thüre zu öffnen, durch die er gegangen iſt.","norm":"Eine tiefe Todesstille endigt dann plötzlich das lebhafteste Gespräch, und alle, die um ihn sind, erwarten mit ehrerbietigem Schaudern seine Wiederkunft, ohne es nur zu wagen, sich von der Stelle zu heben, oder die Türe zu öffnen, durch die er gegangen ist."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":749,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":750,"orig":"„Aber,“ fragte einer von uns, „bemerkt man nichts außerordentliches an ihm bey ſeiner Zurückkunft?“","norm":"„Aber,“ fragte einer von uns, „bemerkt man nichts Außerordentliches an ihm bei seiner Zurückkunft?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":751,"orig":"„Nichts als daß er bleich und abgemattet ausſieht, ungefähr wie ein Menſch, der eine ſchmerzhafte Operation ausgeſtanden, oder eine ſchreckliche Zeitung erhält.","norm":"„Nichts als dass er bleich und abgemattet aussieht, ungefähr wie ein Mensch, der eine schmerzhafte Operation ausgestanden, oder eine schreckliche Zeitung erhält."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":752,"orig":"Einige wollen Blutstropfen auf ſeinem Hemde geſehen haben; dieſes aber laſſe ich dahin geſtellt ſeyn.","norm":"Einige wollen Blutstropfen auf seinem Hemde gesehen haben; dieses aber lasse ich dahingestellt sein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":753,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":754,"orig":"„Und hat man es zum wenigſten nie verſucht, ihm dieſe Stunde zu verbergen, oder ihn ſo in Zerſtreuung zu verwickeln, daß er ſie überſehen mußte?“","norm":"„Und hat man es zum wenigsten nie versucht, ihm diese Stunde zu verbergen, oder ihn so in Zerstreuung zu verwickeln, dass er sie übersehen musste?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":755,"orig":"„Ein einzigesmal, ſagt man, überſchritt er den Termin.","norm":"„Ein einziges Mal, sagt man, überschritt er den Termin."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":756,"orig":"Die Geſellſchaft war zahlreich, man verſpätete ſich bis tief in die Nacht, alle Uhren waren mit Fleiß falſch gerichtet, und das Feuer der Unterredung riß ihn dahin.","norm":"Die Gesellschaft war zahlreich, man verspätete sich bis tief in die Nacht, alle Uhren waren mit Fleiß falsch gerichtet, und das Feuer der Unterredung riss ihn dahin."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":757,"orig":"Als die geſezte Stunde da war, verſtummte er plötzlich, und wurde ſtarr, alle ſeine Gliedmaßen verharrten in derſelben Richtung, worin dieſer Zufall ſie überraſchte, ſeine Augen ſtanden, ſein Puls ſchlug nicht mehr, alle Mittel die man anwendete, ihn wieder zu erwecken, waren fruchtlos; und dieſer Zuſtand hielt an, bis die Stunde verſtrichen war.","norm":"Als die gesetzte Stunde da war, verstummte er plötzlich, und wurde starr, alle seine Gliedmaßen verharrten in derselben Richtung, worin dieser Zufall sie überraschte, seine Augen standen, sein Puls schlug nicht mehr, alle Mittel die man anwendete, ihn wiederzuerwecken, waren fruchtlos; und dieser Zustand hielt an, bis die Stunde verstrichen war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":758,"orig":"Dann belebte er ſich plötzlich von ſelbſt wieder, ſchlug die Augen auf, und fuhr in der nehmlichen Sylbe fort, worin er war unterbrochen worden.","norm":"Dann belebte er sich plötzlich von selbst wieder, schlug die Augen auf, und fuhr in der nämlichen Silbe fort, worin er war unterbrochen worden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":759,"orig":"Die allgemeine Beſtürzung verrieth ihm, was geſchehen war, und da erklärte er mit einem fürchterlichen Ernſt, daß man ſich glücklich preiſen dürfte, mit dem bloßen Schrecken davon gekommen zu ſeyn.","norm":"Die allgemeine Bestürzung verriet ihm, was geschehen war, und da erklärte er mit einem fürchterlichen Ernst, dass man sich glücklich preisen dürfte, mit dem bloßen Schrecken davongekommen zu sein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":760,"orig":"Aber die Stadt, worin ihm dieſes begegnet war, verließ er noch an demſelben Abend auf immer.","norm":"Aber die Stadt, worin ihm dieses begegnet war, verließ er noch an demselben Abend auf immer."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":761,"orig":"Der allgemeine Glaube iſt, daß er in dieſer geheimnißvollen Stunde Unterredungen mit ſeinem Genius halte.","norm":"Der allgemeine Glaube ist, dass er in dieser geheimnisvollen Stunde Unterredungen mit seinem Genius halte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":762,"orig":"Einige meynen gar, er ſey ein Verſtorbener, dem es verſtattet ſey, drey und zwanzig Stunden vom Tage unter den Lebenden zu wandeln; in der lezten aber müſſe ſeine Seele zur Unterwelt heimkehren, um dort ihr Gericht auszuhalten.","norm":"Einige meinen gar, er sei ein Verstorbener, dem es verstattet sei, dreiundzwanzig Stunden vom Tage unter den Lebenden zu wandeln; in der letzten aber müsse seine Seele zur Unterwelt heimkehren, um dort ihr Gericht auszuhalten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":763,"orig":"Viele halten ihn auch für den berühmten Apollonius von Thyana, und andre gar für den Jünger Johannes, von dem es heißt, daß er bleiben würde bis zum lezten Gericht.","norm":"Viele halten ihn auch für den berühmten Apollonius von Tyana, und andere gar für den Jünger Johannes, von dem es heißt, dass er bleiben würde bis zum letzten Gericht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":764,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":765,"orig":"„Ueber einen ſo außerordentlichen Mann kann es freylich nicht an abentheuerlichen Muthmaßungen fehlen.","norm":"„Über einen so außerordentlichen Mann kann es freilich nicht an abenteuerlichen Mutmaßungen fehlen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":766,"orig":"Alles bisherige aber haben Sie bloß von Hörenſagen; und doch ſchien mir ſein Benehmen gegen Sie, und das Ihrige gegen ihn auf eine genauere Bekanntſchaft zu deuten.","norm":"Alles Bisherige aber haben Sie bloß von Hörensagen; und doch schien mir sein Benehmen gegen Sie, und das Ihrige gegen ihn auf eine genauere Bekanntschaft zu deuten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":767,"orig":"Liegt hier nicht irgend eine beſondre Geſchichte zum Grunde, bey der Sie ſelbſt mit verwickelt geweſen?","norm":"Liegt hier nicht irgendeine besondere Geschichte zum Grunde, bei der Sie selbst mit verwickelt gewesen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":768,"orig":"Verhehlen Sie uns nichts.","norm":"Verhehlen Sie uns nichts."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":769,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":770,"orig":"„Der Sicilianer ſah uns mit einem zweifelhaften Blick an, und ſchwieg.","norm":"„Der Sizilianer sah uns mit einem zweifelhaften Blick an, und schwieg."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":771,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":772,"orig":"„Wenn es eine Sache betrifft,“ fuhr der Prinz fort, „die Sie nicht gerne laut machen wollen, ſo verſichre ich Sie im Namen dieſer beyden Herrn der unverbrüchlichſten Verſchwiegenheit.","norm":"„Wenn es eine Sache betrifft,“ fuhr der Prinz fort, „die Sie nicht gerne laut machen wollen, so versichere ich Sie im Namen dieser beiden Herrn der unverbrüchlichsten Verschwiegenheit."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":773,"orig":"Aber reden Sie aufrichtig und unverhohlen.","norm":"Aber reden Sie aufrichtig und unverhohlen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":774,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":775,"orig":"„Wenn ich hoffen kann,“ fing der Mann nach einem langen Stillſchweigen endlich an, „daß Sie ſolche nicht gegen mich zeugen laſſen wollen, ſo will ich Ihnen wohl eine merkwürdige Begebenheit mit dieſem Armenier erzählen, von der ich Augenzeuge war, und die Ihnen über die verborgene Gewalt dieſes Menſchen keinen Zweifel mehr übrig laſſen wird.","norm":"„Wenn ich hoffen kann,“ fing der Mann nach einem langen Stillschweigen endlich an, „dass Sie solche nicht gegen mich zeugen lassen wollen, so will ich Ihnen wohl eine merkwürdige Begebenheit mit diesem Armenier erzählen, von der ich Augenzeuge war, und die Ihnen über die verborgene Gewalt dieses Menschen keinen Zweifel mehr übriglassen wird."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":776,"orig":"Aber es muß mir erlaubt ſeyn, ſezte er hinzu, einige Namen dabey zu verſchweigen.","norm":"Aber es muss mir erlaubt sein, setzte er hinzu, einige Namen dabei zu verschweigen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":777,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":778,"orig":"„Kann es nicht auch ohne dieſe Bedingung geſchehen?“","norm":"„Kann es nicht auch ohne diese Bedingung geschehen?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":779,"orig":"„Nein, gnädigſter Herr.","norm":"„Nein, gnädigster Herr."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":780,"orig":"Es iſt eine Familie darein verwickelt, die ich Urſache habe zu ehren.","norm":"Es ist eine Familie darein verwickelt, die ich Ursache habe zu ehren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":781,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":782,"orig":"„Laſſen Sie uns hören,“ ſagte der Prinz.","norm":"„Lassen Sie uns hören,“ sagte der Prinz."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":783,"orig":"„Es mögen nun fünf Jahre ſeyn,“ fing der Sicilianer an, „daß ich in Neapel, wo ich mit ziemlichem Glück meine Künſte trieb, mit einem gewiſſen Lorenzo del M * * nte, Chevalier des Ordens von S. Stephan, Bekanntſchaft machte, einem jungen und reichen Kavalier aus einem der erſten Häuſer des Königreichs, der mich mit Verbindlich-.","norm":"„Es mögen nun fünf Jahre sein,“ fing der Sizilianer an, „dass ich in Neapel, wo ich mit ziemlichem Glück meine Künste trieb, mit einem gewissen Lorenzo del M * * nte, Chevalier des Ordens von S. Stephan, Bekanntschaft machte, einem jungen und reichen Kavalier aus einem der ersten Häuser des Königreichs, der mich mit Verbindlich-."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":784,"orig":"keiten überhäufte, und für meine Geheimniſſe große Achtung zu tragen ſchien.","norm":"keiten überhäufte, und für meine Geheimnisse große Achtung zu tragen schien."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":785,"orig":"Er entdeckte mir, daß der Marcheſe del M * * * nte, ſein Vater, ein eifriger Verehrer der Kabbala wäre, und ſich glücklich ſchätzen würde, einen Weltweiſen (wie er mich zu nennen beliebte,) unter ſeinem Dache zu wiſſen.","norm":"Er entdeckte mir, dass der Marchese del M * * * nte, sein Vater, ein eifriger Verehrer der Kabbala wäre, und sich glücklich schätzen würde, einen Weltweisen (wie er mich zu nennen beliebte,) unter seinem Dache zu wissen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":786,"orig":"Der Greis wohnte auf einem ſeiner Landgüter an der See, ungefähr ſieben Meilen von Neapel, wo er beynahe in gänzlicher Abgeſchiedenheit von Menſchen das Andenken eines theuern Sohnes beweinte, der ihm durch ein ſchreckliches Schickſal entriſſen ward.","norm":"Der Greis wohnte auf einem seiner Landgüter an der See, ungefähr sieben Meilen von Neapel, wo er beinahe in gänzlicher Abgeschiedenheit von Menschen das Andenken eines teuren Sohnes beweinte, der ihm durch ein schreckliches Schicksal entrissen wurde."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":787,"orig":"Der Chevalier ließ mich merken, daß er und ſeine Familie in einer ſehr ernſthaften Angelegenheit meiner wohl gar einmal bedürfen könnten, um von meiner geheimen Wiſſenſchaft vielleicht einen Aufſchluß über etwas zu erhalten, wobey alle natürlichen Mittel fruchtlos erſchöpft worden wären.","norm":"Der Chevalier ließ mich merken, dass er und seine Familie in einer sehr ernsthaften Angelegenheit meiner wohl gar einmal bedürfen könnten, um von meiner geheimen Wissenschaft vielleicht einen Aufschluss über etwas zu erhalten, wobei alle natürlichen Mittel fruchtlos erschöpft worden wären."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":788,"orig":"Er ins beſondere, ſezte er ſehr bedeutungsvoll hinzu, würde einſt vielleicht Urſache haben, mich als den Schöpfer ſeiner Ruhe und ſeines ganzen irdiſchen Glücks zu betrachten.","norm":"Er insbesondere, setzte er sehr bedeutungsvoll hinzu, würde einst vielleicht Ursache haben, mich als den Schöpfer seiner Ruhe und seines ganzen irdischen Glücks zu betrachten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":789,"orig":"Die Sache ſelbſt aber verhielt ſich folgender Geſtalt.","norm":"Die Sache selbst aber verhielt sich folgender Gestalt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":790,"orig":"Dieſer Lorenzo war der jüngere Sohn des Marcheſe.","norm":"Dieser Lorenzo war der jüngere Sohn des Marchese."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":791,"orig":"weswegen er auch zu dem geiſtlichen Stand beſtimmt war; die Güter der Familie ſollten an ſeinen ältern Bruder fallen.","norm":"weswegen er auch zu dem geistlichen Stand bestimmt war; die Güter der Familie sollten an seinen älteren Bruder fallen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":792,"orig":"Jeronymo, ſo hieß dieſer ältere Bruder, hatte mehrere Jahre auf Reiſen zugebracht, und kam ungefähr ſieben Jahre vor der Begebenheit, die jezt erzählt wird, in ſein Vaterland zurück, um eine Heirath mit der einzigen Tochter eines benachbarten gräflichen Hauſes von C * * * tti zu vollziehen, worüber beyde Familien ſchon ſeit der Geburt dieſer Kinder übereingekommen waren, um ihre anſehnlichen Güter dadurch zu vereinigen.","norm":"Jeronymo, so hieß dieser ältere Bruder, hatte mehrere Jahre auf Reisen zugebracht, und kam ungefähr sieben Jahre vor der Begebenheit, die jetzt erzählt wird, in sein Vaterland zurück, um eine Heirat mit der einzigen Tochter eines benachbarten gräflichen Hauses von C * * * tti zu vollziehen, worüber beide Familien schon seit der Geburt dieser Kinder übereingekommen waren, um ihre ansehnlichen Güter dadurch zu vereinigen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":793,"orig":"Ungeachtet dieſe Verbindung bloß das Werk der älterlichen Konvenienz war, und die Herzen beyder Verlobten bey der Wahl nicht um Rath gefragt wurden, ſo hatten ſie ſie doch ſtillſchweigend ſchon beſchworen.","norm":"Ungeachtet diese Verbindung bloß das Werk der elterlichen Konvenienz war, und die Herzen beider Verlobten bei der Wahl nicht um Rat gefragt wurden, so hatten sie sie doch stillschweigend schon beschworen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":794,"orig":"Jeronymo del M * * nte und Antonie C * * tti waren mit einander auferzogen worden, und der wenige Zwang, den man dem Umgang zweyer Kinder auflegte, die man ſchon damals gewohnt war, als ein Paar zu betrachten, hatte frühzeitig ein zärtliches Verſtändniß zwiſchen beyden entſtehen laſſen, das durch die Harmonie ihrer Charaktere noch mehr befeſtigt ward, und ſich in reifern Jahren leicht zur Liebe erhöhte.","norm":"Jeronymo del M * * nte und Antonie C * * tti waren miteinander auferzogen worden, und der wenige Zwang, den man dem Umgang zweier Kinder auflegte, die man schon damals gewohnt war, als ein Paar zu betrachten, hatte frühzeitig ein zärtliches Verständnis zwischen beiden entstehen lassen, das durch die Harmonie ihrer Charaktere noch mehr befestigt wurde, und sich in reiferen Jahren leicht zur Liebe erhöhte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":795,"orig":"Eine vierjährige Entfernung hatte es vielmehr angefeuert als erkältet, und Jeronymo kehrte eben ſo treu und eben ſo feurig in die Arme ſeiner Braut zurück, als wenn er ſich niemals daraus geriſſen hätte.","norm":"Eine vierjährige Entfernung hatte es vielmehr angefeuert als erkältet, und Jeronymo kehrte ebenso treu und ebenso feurig in die Arme seiner Braut zurück, als wenn er sich niemals daraus gerissen hätte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":796,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":797,"orig":"„Die Entzückungen des Wiederſehens waren noch nicht vorüber, und die Anſtalten zur Vermählung wurden auf das lebhafteſte betrieben, als der Bräutigam — verſchwand.","norm":"„Die Entzückungen des Wiedersehens waren noch nicht vorüber, und die Anstalten zur Vermählung wurden auf das lebhafteste betrieben, als der Bräutigam — verschwand."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":798,"orig":"Er pflegte öfters ganze Abende auf einem Landhauſe zuzubringen, das die Ausſicht auf's Meer hatte, und ſich da zuweilen mit einer Waſſerfahrt zu vergnügen.","norm":"Er pflegte öfters ganze Abende auf einem Landhause zuzubringen, das die Aussicht aufs Meer hatte, und sich da zuweilen mit einer Wasserfahrt zu vergnügen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":799,"orig":"Nach einem ſolchen Abende geſchah es, daß er ungewöhnlich lang' ausblieb.","norm":"Nach einem solchen Abende geschah es, dass er ungewöhnlich lange ausblieb."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":800,"orig":"Man ſchickte Boten nach ihm aus, Fahrzeuge ſuchten ihn auf der See; niemand wollte ihn geſehen haben; von ſeinen Bedienten wurde keiner vermißt, daß ihn alſo keiner begleitet haben konnte.","norm":"Man schickte Boten nach ihm aus, Fahrzeuge suchten ihn auf der See; niemand wollte ihn gesehen haben; von seinen Bedienten wurde keiner vermisst, dass ihn also keiner begleitet haben konnte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":801,"orig":"Es wurde Nacht, und er erſchien nicht.","norm":"Es wurde Nacht, und er erschien nicht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":802,"orig":"Es wurde Morgen — es wurde Mittag und Abend, und noch kein Jeronymo.","norm":"Es wurde Morgen — es wurde Mittag und Abend, und noch kein Jeronymo."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":803,"orig":"Schon fing man an, den ſchrecklichſten Muthmaßungen Raum zu geben, als die Nachricht einlief, ein algieriſcher Korſar habe vorigen Tages an dieſer Küſte gelandet, und verſchiedene von den Einwohnern ſeyen gefangen weggeführt worden.","norm":"Schon fing man an, den schrecklichsten Mutmaßungen Raum zu geben, als die Nachricht einlief, ein algierischer Korsar habe vorigen Tages an dieser Küste gelandet, und verschiedene von den Einwohnern seien gefangen weggeführt worden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":804,"orig":"Sogleich werden zwey Galeeren bemannt, die eben ſegelfertig liegen; der alte Marcheſe beſteigt ſelbſt die erſte, entſchloſſen, ſeinen Sohn mit Gefahr ſeines eigenen Lebens zu befreyen.","norm":"Sogleich werden zwei Galeeren bemannt, die eben segelfertig liegen; der alte Marchese besteigt selbst die erste, entschlossen, seinen Sohn mit Gefahr seines eigenen Lebens zu befreien."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":805,"orig":"Am dritten Morgen erblickten ſie den Korſaren, vor welchem ſie den Vortheil des Windes voraus haben; ſie haben ihn bald erreicht, ſie kommen ihm ſo nahe, daß Lorenzo, der ſich auf der erſten Galeere befindet, das Zeichen ſeines Bruders auf dem feindlichen Verdeck zu erkennen glaubt, als plötzlich ein Sturm ſie wieder von einander trennt.","norm":"Am dritten Morgen erblickten sie den Korsaren, vor welchem sie den Vorteil des Windes voraushaben; sie haben ihn bald erreicht, sie kommen ihm so nahe, dass Lorenzo, der sich auf der ersten Galeere befindet, das Zeichen seines Bruders auf dem feindlichen Verdeck zu erkennen glaubt, als plötzlich ein Sturm sie wieder voneinander trennt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":806,"orig":"Mit Mühe ſtehen ihn die beſchädigten Schiffe aus; aber die Priſe iſt verſchwunden, und die Noth zwingt ſie, auf Maltha zu landen.","norm":"Mit Mühe stehen ihn die beschädigten Schiffe aus; aber die Prise ist verschwunden, und die Not zwingt sie, auf Malta zu landen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":807,"orig":"Der Schmerz der Familie iſt ohne Grenzen; troſtlos rauft ſich der alte Marcheſe die eisgrauen Haare aus, man fürchtet für das Leben der jungen Gräfin.","norm":"Der Schmerz der Familie ist ohne Grenzen; trostlos rauft sich der alte Marchese die eisgrauen Haare aus, man fürchtet für das Leben der jungen Gräfin."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":808,"orig":"“ Fünf Jahre gehen in fruchtloſen Erkundigungen hin.","norm":"“ Fünf Jahre gehen in fruchtlosen Erkundigungen hin."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":809,"orig":"Nachfragen geſchehen längs der ganzen barbariſchen Küſte; ungeheure Preiſe werden für die Freiheit des jungen Marcheſe geboten; aber niemand meldet ſich, ſie zu verdienen.","norm":"Nachfragen geschehen längs der ganzen barbarischen Küste; ungeheure Preise werden für die Freiheit des jungen Marchese geboten; aber niemand meldet sich, sie zu verdienen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":810,"orig":"Endlich blieb es bey der wahrſcheinlichen Vermuthung, daß jener Sturm, welcher beyde Fahrzeuge trennte, das Räuberſchiff zu Grunde gerichtet habe, und daß ſeine ganze Mannſchaft in den Fluthen umgekommen ſey.","norm":"Endlich blieb es bei der wahrscheinlichen Vermutung, dass jener Sturm, welcher beide Fahrzeuge trennte, das Räuberschiff zugrunde gerichtet habe, und dass seine ganze Mannschaft in den Fluten umgekommen sei."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":811,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":812,"orig":"„So ſcheinbar dieſe Vermuthung war, ſo fehlte ihr doch noch viel zur Gewißheit, und nichts berechtigte, die Hoffnung ganz aufzugeben, daß der Verlorne nicht einmal wieder ſichtbar werden könnte.","norm":"„So scheinbar diese Vermutung war, so fehlte ihr doch noch viel zur Gewissheit, und nichts berechtigte, die Hoffnung ganz aufzugeben, dass der Verlorene nicht einmal wieder sichtbar werden könnte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":813,"orig":"Aber geſezt nun, er würde es nicht mehr, ſo erloſch mit ihm zugleich die Familie, oder der zweyte Bruder mußte dem geiſtlichen Stande entſagen, und in die Rechte des Erſtgebornen eintreten.","norm":"Aber gesetzt nun, er würde es nicht mehr, so erlosch mit ihm zugleich die Familie, oder der zweite Bruder musste dem geistlichen Stande entsagen, und in die Rechte des Erstgeborenen eintreten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":814,"orig":"So wenig dieſes die Gerechtigkeit gegen den leztern zu erlauben ſchien, ſo wenig durfte auf der andern Seite die Familie durch eine zu weit getriebene Gewiſſenhaftigkeit der Gefahr des Ausſterbens ausgeſezt werden.","norm":"So wenig dieses die Gerechtigkeit gegen den letzten zu erlauben schien, so wenig durfte auf der anderen Seite die Familie durch eine zu weit getriebene Gewissenhaftigkeit der Gefahr des Aussterbens ausgesetzt werden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":815,"orig":"Gram und Alter näherten den alten Marcheſe dem Grabe; mit jedem neu vereitelten Verſuch ſank die Hoffnung, den Verſchwundenen wieder zu finden; er ſah den Untergang ſeines Hauſes, der durch eine kleine Ungerechtigkeit zu verhüten war, wenn er ſich nehmlich nur entſchließen wollte, den jüngern Bruder auf Unkoſten des ältern zu begünſtigen.","norm":"Gram und Alter näherten den alten Marchese dem Grabe; mit jedem neu vereitelten Versuch sank die Hoffnung, den Verschwundenen wiederzufinden; er sah den Untergang seines Hauses, der durch eine kleine Ungerechtigkeit zu verhüten war, wenn er sich nämlich nur entschließen wollte, den jüngeren Bruder auf Unkosten des älteren zu begünstigen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":816,"orig":"Um ſeine Verbindungen mit dem gräflichen Hauſe von C * * * tti zu erfüllen, brauchte nur ein Name geändert zu werden; der Zweck beyder Familien war auf gleiche Art erreicht, Gräfinn Antonie mochte nun Lorenzos oder Jeronymos Gattinn heißen.","norm":"Um seine Verbindungen mit dem gräflichen Hause von C * * * tti zu erfüllen, brauchte nur ein Name geändert zu werden; der Zweck beider Familien war auf gleiche Art erreicht, Gräfin Antonie mochte nun Lorenzos oder Jeronymos Gattin heißen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":817,"orig":"Die ſchwache Möglichkeit einer Wiedererſcheinung des leztern kam gegen das gewiſſe und dringende Uebel, den gänzlichen Untergang der Familie, in keine Betrachtung, und der alte Marcheſe, der die Annäherung des Todes mit jedem Tag ſtärker fühlte, wünſchte mit Ungeduld on dieſer Unruhe wenigſtens frey zu ſterben.","norm":"Die schwache Möglichkeit einer Wiedererscheinung des letzten kam gegen das gewisse und dringende Übel, den gänzlichen Untergang der Familie, in keine Betrachtung, und der alte Marchese, der die Annäherung des Todes mit jedem Tag stärker fühlte, wünschte mit Ungeduld von dieser Unruhe wenigstens frei zu sterben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":818,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":819,"orig":"„Wer dieſen Schritt allein verzögerte und am hartnäckigſten bekämpfte, war derjenige, der das meiſte dabey gewann — Lorenzo.","norm":"„Wer diesen Schritt allein verzögerte und am hartnäckigsten bekämpfte, war derjenige, der das meiste dabei gewann — Lorenzo."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":820,"orig":"Ungerührt von dem Reiz unermeßlicher Güter, unempfindlich ſelbſt gegen den Beſitz des liebenswürdigſten Geſchöpfs, das ſeinen Armen überliefert werden ſollte, weigerte er ſich mit der edelmüthigſten Gewiſſenhaftigkeit, einen Bruder zu berauben, der vielleicht noch am Leben wäre, und ſein Eigenthum zurück fodern könnte.","norm":"Ungerührt von dem Reiz unermesslicher Güter, unempfindlich selbst gegen den Besitz des liebenswürdigsten Geschöpfs, das seinen Armen überliefert werden sollte, weigerte er sich mit der edelmütigsten Gewissenhaftigkeit, einen Bruder zu berauben, der vielleicht noch am Leben wäre, und sein Eigentum zurückfordern könnte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":821,"orig":"Iſt das Schickſal meines theuern Jeronymo, ſagte er, durch dieſe lange Gefangenſchaft nicht ſchon ſchrecklich genug, daß ich es noch durch einen Diebſtahl verbittern ſollte, der ihn um alles bringt, was ihm das theuerſte war?","norm":"Ist das Schicksal meines teuren Jeronymo, sagte er, durch diese lange Gefangenschaft nicht schon schrecklich genug, dass ich es noch durch einen Diebstahl verbittern sollte, der ihn um alles bringt, was ihm das Teuerste war?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":822,"orig":"Mit welchem Herzen würde ich den Himmel um ſeine Wiederkunft anflehen, wenn ſein Weib in meinen Armen liegt?","norm":"Mit welchem Herzen würde ich den Himmel um seine Wiederkunft anflehen, wenn sein Weib in meinen Armen liegt?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":823,"orig":"Mit welcher Stirne ihm, wenn endlich ein Wunder ihn uns zurück bringt, entgegen eilen?","norm":"Mit welcher Stirn ihm, wenn endlich ein Wunder ihn uns zurückbringt, entgegeneilen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":824,"orig":"Und geſezt, er iſt uns auf ewig entriſſen, wodurch können wir ſein Andenken beſſer ehren, als wenn wir die Lücke ewig unausgefüllt laſſen, die ſein Tod in unſern Zirkel geriſſen hat?","norm":"Und gesetzt, er ist uns auf ewig entrissen, wodurch können wir sein Andenken besser ehren, als wenn wir die Lücke ewig unausgefüllt lassen, die sein Tod in unseren Zirkel gerissen hat?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":825,"orig":"als wenn wir alle unſre Hoffnungen auf ſeinem Grabe opfern, und das, was ſein war, gleich einem Heiligthum unberührt laſſen?“","norm":"als wenn wir alle unsere Hoffnungen auf seinem Grabe opfern, und das, was sein war, gleich einem Heiligtum unberührt lassen?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":826,"orig":"„Aber alle Gründe, welche die brüderliche Delikateſſe ausfand, waren nicht vermögend, den alten Marcheſe mit der Idee auszuſöhnen, einen Stamm erlöſchen zu ſehen, der bereits neun Jahrhunderte geblüht.","norm":"„Aber alle Gründe, welche die brüderliche Delikatesse ausfand, waren nicht vermögend, den alten Marchese mit der Idee auszusöhnen, einen Stamm erlöschen zu sehen, der bereits neun Jahrhunderte geblüht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":827,"orig":"Alles, was Lorenzo ihm abgewann, war noch eine Friſt von zwey Jahren, ehe er die Braut ſeines Bruders zum Altare führte.","norm":"Alles, was Lorenzo ihm abgewann, war noch eine Frist von zwei Jahren, ehe er die Braut seines Bruders zum Altar führte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":828,"orig":"Während dieſes Zeitraums wurden die Nachforſchungen auf's eifrigſte fortgeſezt.","norm":"Während dieses Zeitraums wurden die Nachforschungen aufs eifrigste fortgesetzt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":829,"orig":"Lorenzo ſelbſt that verſchiedene Seereiſen, ſezte ſeine Perſon manchen Gefahren aus; keine Mühe, keine Koſten wurden geſpart, den Verſchwundenen wieder zu finden.","norm":"Lorenzo selbst tat verschiedene Seereisen, setzte seine Person manchen Gefahren aus; keine Mühe, keine Kosten wurden gespart, den Verschwundenen wiederzufinden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":830,"orig":"Aber auch dieſe zwey Jahre verſtrichen fruchtlos, wie alle vorigen.","norm":"Aber auch diese zwei Jahre verstrichen fruchtlos, wie alle vorigen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":831,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":832,"orig":"„Und Gräfinn Antonie?“ fragte der Prinz.","norm":"„Und Gräfin Antonie?“ fragte der Prinz."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":833,"orig":"Von ihrem Zuſtande ſagen Sie uns nichts.","norm":"Von ihrem Zustande sagen Sie uns nichts."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":834,"orig":"Sollte ſie ſich ſo gelaſſen in ihr Schickſal ergeben haben?","norm":"Sollte sie sich so gelassen in ihr Schicksal ergeben haben?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":835,"orig":"Ich kann es nicht glauben.","norm":"Ich kann es nicht glauben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":836,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":837,"orig":"„Antoniens Zuſtand war der ſchrecklichſte Kampf zwiſchen Pflicht und Neigung, Haß und Bewunderung.","norm":"„Antoniens Zustand war der schrecklichste Kampf zwischen Pflicht und Neigung, Hass und Bewunderung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":838,"orig":"Die uneigennützige Großmuth der brüderlichen Liebe rührte ſie; ſie fühlte ſich hingeriſſen, den Mann zu verehren, den ſie nimmermehr lieben konnte; zerriſſen von widerſprechenden Gefühlen blutete ihr Herz.","norm":"Die uneigennützige Großmut der brüderlichen Liebe rührte sie; sie fühlte sich hingerissen, den Mann zu verehren, den sie nimmermehr lieben konnte; zerrissen von widersprechenden Gefühlen blutete ihr Herz."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":839,"orig":"Aber ihr Widerwille gegen den Chevalier ſchien in eben dem Grade zu wachſen, wie ſich ſeine Anſprüche auf ihre Achtung vermehrten.","norm":"Aber ihr Widerwille gegen den Chevalier schien in eben dem Grade zu wachsen, wie sich seine Ansprüche auf ihre Achtung vermehrten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":840,"orig":"Mit tiefem Leiden bemerkte er den ſtillen Gram, der ihre Jugend verzehrte.","norm":"Mit tiefem Leiden bemerkte er den stillen Gram, der ihre Jugend verzehrte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":841,"orig":"Ein zärtliches Mitleid trat unvermerkt an die Stelle der Gleichgültigkeit, mit der er ſie bisher betrachtet hatte; aber dieſe verrätheriſche Empfindung hinterging ihn, und eine wüthende Leidenſchaft fing an, ihm die Ausübung einer Tugend zu erſchweren, die bis jezt ohne Beyſpiel geweſen war.","norm":"Ein zärtliches Mitleid trat unvermerkt an die Stelle der Gleichgültigkeit, mit der er sie bisher betrachtet hatte; aber diese verräterische Empfindung hinterging ihn, und eine wütende Leidenschaft fing an, ihm die Ausübung einer Tugend zu erschweren, die bis jetzt ohne Beispiel gewesen war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":842,"orig":"Doch ſelbſt noch auf Unkoſten der Liebe gab er den Eingebungen ſeines Edelmuths Gehör: er allein war es, der das unglückliche Opfer gegen die Willkühr der Familie in Schutz nahm.","norm":"Doch selbst noch auf Unkosten der Liebe gab er den Eingebungen seines Edelmuts Gehör: Er allein war es, der das unglückliche Opfer gegen die Willkür der Familie in Schutz nahm."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":843,"orig":"Aber alle ſeine Bemühungen mißlangen; jeder Sieg, den er über ſeine Leidenſchaft davon trug, zeigte ihn ihrer nur um ſo würdiger, und die Großmuth, mit der er ſie ausſchlug, diente nur dazu, ihre Widerſetzlichkeit jeder Entſchuldigung zu berauben.","norm":"Aber alle seine Bemühungen misslangen; jeder Sieg, den er über seine Leidenschaft davontrug, zeigte ihn ihrer nur um so würdiger, und die Großmut, mit der er sie ausschlug, diente nur dazu, ihre Widersetzlichkeit jeder Entschuldigung zu berauben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":844,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":845,"orig":"„So ſtanden die Sachen, als der Chevalier mich beredete, ihn auf ſeinem Landgute zu beſuchen Die warme Empfehlung meines Gönners bereitete mir da einen Empfang, der alle meine Wünſche übertraf.","norm":"„So standen die Sachen, als der Chevalier mich beredete, ihn auf seinem Landgute zu besuchen die warme Empfehlung meines Gönners bereitete mir da einen Empfang, der alle meine Wünsche übertraf."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":846,"orig":"Ich darf nicht vergeſſen, hier noch anzuführen, daß es mir durch einige merkwürdige Operationen gelungen war, meinen Namen unter den dortigen Logen berühmt zu machen, welches mit dazu beytragen mochte, das Vertrauen des alten Marcheſe zu vermehren und ſeine Erwartungen von mir zu erhöhen.","norm":"Ich darf nicht vergessen, hier noch anzuführen, dass es mir durch einige merkwürdige Operationen gelungen war, meinen Namen unter den dortigen Logen berühmt zu machen, welches mit dazu beitragen mochte, das Vertrauen des alten Marchese zu vermehren und seine Erwartungen von mir zu erhöhen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":847,"orig":"Wie weit ich es mit ihm gebracht, und welche Wege ich dabey gegangen, erlaſſen ſie mir zu erzählen; aus den Geſtändniſſen, die ich Ihnen bereits gethan, können Sie auf alles übrige ſchließen.","norm":"Wie weit ich es mit ihm gebracht, und welche Wege ich dabei gegangen, erlassen sie mir zu erzählen; aus den Geständnissen, die ich Ihnen bereits getan, können Sie auf alles übrige schließen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":848,"orig":"Da ich mir alle myſtiſche Bücher zu nutze machte, die ſich in der ſehr anſehnlichen Bibliothek des Marcheſe befanden, ſo gelang es mir bald, in ſeiner Sprache mit ihm zu reden, und mein Syſtem von der unſichtbaren Welt mit den abentheuerlichſten Erfindungen aufzuſtutzen.","norm":"Da ich mir alle mystische Bücher zunutze machte, die sich in der sehr ansehnlichen Bibliothek des Marchese befanden, so gelang es mir bald, in seiner Sprache mit ihm zu reden, und mein System von der unsichtbaren Welt mit den abenteuerlichsten Erfindungen aufzustutzen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":849,"orig":"In kurzem glaubte er was ich wollte, und hätte eben ſo zuverſichtlich auf die Begattungen der Philoſophen mit Salamandrinnen und Sylphiden, als auf einen Artikel des Kanons geſchworen.","norm":"In kurzem glaubte er was ich wollte, und hätte ebenso zuversichtlich auf die Begattungen der Philosophen mit Salamandrinnen und Sylphiden, als auf einen Artikel des Kanons geschworen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":850,"orig":"Da er überdies ſehr religiös war, und ſeine Anlage zum Glauben in dieſer Schule zu einem hohen Grade ausgebildet hatte, ſo fanden meine Mährchen bey ihm deſto leichter Eingang, und zulezt hatte ich ihn mit Myſtizität ſo umſtrickt und umwunden, daß nichts mehr bey ihm Credit hatte, ſobald es natürlich war.","norm":"Da er überdies sehr religiös war, und seine Anlage zum Glauben in dieser Schule zu einem hohen Grade ausgebildet hatte, so fanden meine Märchen bei ihm desto leichter Eingang, und zuletzt hatte ich ihn mit Mystizität so umstrickt und umwunden, dass nichts mehr bei ihm Kredit hatte, sobald es natürlich war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":851,"orig":"In kurzem war ich der angebetete Apoſtel des Hauſes.","norm":"In kurzem war ich der angebetete Apostel des Hauses."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":852,"orig":"Der gewöhnliche Inhalt meiner Vorleſungen war die Exaltation der menſchlichen Natur, und der Umgang mit höhern Weſen, mein Gewährsmann der untrügliche Graf von Gabalis.","norm":"Der gewöhnliche Inhalt meiner Vorlesungen war die Exaltation der menschlichen Natur, und der Umgang mit höheren Wesen, mein Gewährsmann der untrügliche Graf von Gabalis."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":853,"orig":"Die junge Gräfinn, die ſeit dem Verluſt ihres Geliebten ohnehin mehr in der Geiſterwelt als in der wirklichen lebte, und überdieß eine große Miſchung von Melancholie in ihrem Charakter hatte, fing meine hingeworfenen Winke mit ſchauderndem Wohlbehagen auf; ja ſogar die Bedienten des Hauſes ſuchten ſich im Zimmer zu thun zu machen, wenn ich redete, um hie und da eins meiner Worte aufzuhaſchen, welche Bruchſtücke ſie alsdann nach ihrer Art an einander reihten.","norm":"Die junge Gräfin, die seit dem Verlust ihres Geliebten ohnehin mehr in der Geisterwelt als in der wirklichen lebte, und überdies eine große Mischung von Melancholie in ihrem Charakter hatte, fing meine hingeworfenen Winke mit schauderndem Wohlbehagen auf; ja sogar die Bedienten des Hauses suchten sich im Zimmer zu tun zu machen, wenn ich redete, um hier und da eins meiner Worte aufzuhaschen, welche Bruchstücke sie alsdann nach ihrer Art aneinanderreihten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":854,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":855,"orig":"„Ungefähr zwey Monate mochte ich ſo auf dieſem Ritterſitze zugebracht haben, als eines Morgens der Chevalier auf mein Zimmer trat.","norm":"„Ungefähr zwei Monate mochte ich so auf diesem Rittersitze zugebracht haben, als eines Morgens der Chevalier auf mein Zimmer trat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":856,"orig":"Tiefer Gram mahlte ſich auf ſeinem Geſichte, alle ſeine Züge waren zerſtört, er warf ſich in einen Stuhl mit allen Geberden der Verzweiflung.","norm":"Tiefer Gram malte sich auf seinem Gesichte, alle seine Züge waren zerstört, er warf sich in einen Stuhl mit allen Gebärden der Verzweiflung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":857,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":858,"orig":"„Kapitain, ſagte er, mit mir iſt es vorbey.","norm":"„Kapitän, sagte er, mit mir ist es vorbei."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":859,"orig":"Ich muß fort.","norm":"Ich muss fort."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":860,"orig":"Ich kann es nicht länger hier aushalten.","norm":"Ich kann es nicht länger hier aushalten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":861,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":862,"orig":"„Was iſt Ihnen, Chevalier?","norm":"„Was ist Ihnen, Chevalier?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":863,"orig":"Was haben Sie?“","norm":"Was haben Sie?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":864,"orig":"„O dieſe fürchterliche Leidenſchaft!","norm":"„O diese fürchterliche Leidenschaft!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":865,"orig":"(Hier fuhr er mit Heftigkeit von dem Stuhle auf, und warf ſich in meine Arme) — Ich habe ſie bekämpft wie ein Mann — Jezt kann ich nicht mehr.","norm":"(Hier fuhr er mit Heftigkeit von dem Stuhle auf, und warf sich in meine Arme) — Ich habe sie bekämpft wie ein Mann — jetzt kann ich nicht mehr."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":866,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":867,"orig":"„Aber an wem liegt es denn, liebſter Freund, als an Ihnen?","norm":"„Aber an wem liegt es denn, liebster Freund, als an Ihnen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":868,"orig":"Steht nicht alles in Ihrer Gewalt?","norm":"Steht nicht alles in Ihrer Gewalt?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":869,"orig":"Vater, Familie —“","norm":"Vater, Familie —“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":870,"orig":"„Vater!","norm":"„Vater!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":871,"orig":"Familie!","norm":"Familie!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":872,"orig":"Was iſt mir das?","norm":"Was ist mir das?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":873,"orig":"— Will ich eine erzwungene Hand, oder eine freywillige Neigung?","norm":"— Will ich eine erzwungene Hand, oder eine freiwillige Neigung?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":874,"orig":"— Hab' ich nicht einen Nebenbuhler?","norm":"— Habe ich nicht einen Nebenbuhler?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":875,"orig":"— Ach!","norm":"— Ach!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":876,"orig":"Und welchen?","norm":"Und welchen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":877,"orig":"Einen Nebenbuhler vielleicht unter den Todten!","norm":"Einen Nebenbuhler vielleicht unter den Toten!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":878,"orig":"O laſſen Sie mich!","norm":"O lassen Sie mich!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":879,"orig":"Laſſen Sie mich!","norm":"Lassen Sie mich!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":880,"orig":"Ging es auch bis an's Ende der Welt.","norm":"Ging es auch bis ans Ende der Welt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":881,"orig":"Ich muß meinen Bruder finden.","norm":"Ich muss meinen Bruder finden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":882,"orig":"“ Wie?","norm":"“ Wie?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":883,"orig":"Nach ſo viel fehlgeſchlagenen Verſuchen können Sie noch Hoffnung —“","norm":"Nach so viel fehlgeschlagenen Versuchen können Sie noch Hoffnung —“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":884,"orig":"„Hoffnung!","norm":"„Hoffnung!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":885,"orig":"— In meinem Herzen ſtarb ſie längſt.","norm":"— In meinem Herzen starb sie längst."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":886,"orig":"Aber auch in jenem?","norm":"Aber auch in jenem?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":887,"orig":"— Was liegt daran, ob ich hoffe?","norm":"— Was liegt daran, ob ich hoffe?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":888,"orig":"— Bin ich glücklich, ſo lange noch ein Schimmer dieſer Hoffnung in Antoniens Herzen glimmt?","norm":"— Bin ich glücklich, solange noch ein Schimmer dieser Hoffnung in Antoniens Herzen glimmt?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":889,"orig":"— Zwey Worte, Freund, könnten meine Marter enden — Aber umſonſt!","norm":"— Zwei Worte, Freund, könnten meine Marter enden — Aber umsonst!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":890,"orig":"Mein Schickſal wird elend bleiben, bis die Ewigkeit ihr langes Schweigen bricht, und Gräber für mich zeugen.","norm":"Mein Schicksal wird elend bleiben, bis die Ewigkeit ihr langes Schweigen bricht, und Gräber für mich zeugen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":891,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":892,"orig":"„Iſt es dieſe Gewißheit alſo, die Sie glücklich machen kann?“","norm":"„Ist es diese Gewissheit also, die Sie glücklich machen kann?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":893,"orig":"„Glücklich?","norm":"„Glücklich?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":894,"orig":"O ich zweifle, ob ich es je wieder ſeyn kann!","norm":"O ich zweifle, ob ich es je wieder sein kann!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":895,"orig":"— Aber Ungewißheit iſt die ſchrecklichſte Verdamnniß!","norm":"— Aber Ungewissheit ist die schrecklichste Verdammnis!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":896,"orig":"(Nach einigem Stillſchweigen mäßigte er ſich, und fuhr mit Wehmuth fort) Daß er meine Leiden ſähe!","norm":"(Nach einigem Stillschweigen mäßigte er sich, und fuhr mit Wehmut fort) dass er meine Leiden sähe!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":897,"orig":"— Kann ſie ihn glücklich machen dieſe Treue, die das Elend ſeines Bruders macht?","norm":"— Kann sie ihn glücklich machen diese Treue, die das Elend seines Bruders macht?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":898,"orig":"Soll ein Lebendiger eines Todten wegen ſchmachten, der nicht mehr genießen kann?","norm":"Soll ein Lebendiger eines Toten wegen schmachten, der nicht mehr genießen kann?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":899,"orig":"— Wüßte er meine Qual — (hier fing er an, heftig zu weinen, und drückte ſein Geſicht auf meine Bruſt) vielleicht — ja vielleicht würde er ſie ſelbſt in meine Arme führen.","norm":"— Wüsste er meine Qual — (hier fing er an, heftig zu weinen, und drückte sein Gesicht auf meine Brust) vielleicht — ja vielleicht würde er sie selbst in meine Arme führen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":900,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":901,"orig":"„Aber ſollte dieſer Wunſch ſo ganz unerfüllbar ſeyn?“","norm":"„Aber sollte dieser Wunsch so ganz unerfüllbar sein?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":902,"orig":"„Freund!","norm":"„Freund!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":903,"orig":"Was ſagen Sie?","norm":"Was sagen Sie?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":904,"orig":"— Er ſah mich erſchrocken an.","norm":"— Er sah mich erschrocken an."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":905,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":906,"orig":"„Weit geringere Anläſſe, fuhr ich fort, haben die Abgeſchiedenen in das Schickſal der Lebenden verflochten.","norm":"„Weit geringere Anlässe, fuhr ich fort, haben die Abgeschiedenen in das Schicksal der Lebenden verflochten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":907,"orig":"Sollte das ganze zeitliche Glück eines Menſchen — eines Bruders —“","norm":"Sollte das ganze zeitliche Glück eines Menschen — eines Bruders —“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":908,"orig":"„Das ganze zeitliche Glück!","norm":"„Das ganze zeitliche Glück!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":909,"orig":"O das fühl' ich!","norm":"O das fühle ich!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":910,"orig":"Wie wahr haben Sie geſagt!","norm":"Wie wahrhaben Sie gesagt!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":911,"orig":"Meine ganze Glückſeligkeit!“","norm":"Meine ganze Glückseligkeit!“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":912,"orig":"„Und die Ruhe einer trauernden Familie keine würdige Aufforderung ſeyn?","norm":"„Und die Ruhe einer trauernden Familie keine würdige Aufforderung sein?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":913,"orig":"Gewiß!","norm":"Gewiss!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":914,"orig":"wenn je eine irdiſche Angelegenheit dazu berechtigen kann, die Ruhe der Seligen zu ſtören — von einer Gewalt Gebrauch zu machen —“","norm":"wenn je eine irdische Angelegenheit dazu berechtigen kann, die Ruhe der Seligen zu stören — von einer Gewalt Gebrauch zu machen —“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":915,"orig":"„Um Gottes willen, Freund!","norm":"„Um Gottes willen, Freund!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":916,"orig":"unterbrach er mich, nichts mehr davon.","norm":"unterbrach er mich, nichts mehr davon."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":917,"orig":"Ehmals wohl, ich geſteh' es, hegte ich einen ſolchen Gedanken — mir däucht, ich ſagte Ihnen davon — aber ich hab' ihn längſt als ruchlos und abſcheulich verworfen.","norm":"Ehemals wohl, ich gestehe es, hegte ich einen solchen Gedanken — mir dünkt, ich sagte Ihnen davon — aber ich habe ihn längst als ruchlos und abscheulich verworfen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":918,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":919,"orig":"„Sie ſehen nun ſchon,“ fuhr der Sicilianer fort, „wohin uns dieſes führte.","norm":"„Sie sehen nun schon,“ fuhr der Sizilianer fort, „wohin uns dieses führte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":920,"orig":"Ich bemühte mich, die Bedenklichkeiten des Ritters zu zerſtreuen, welches mir endlich auch gelang.","norm":"Ich bemühte mich, die Bedenklichkeiten des Ritters zu zerstreuen, welches mir endlich auch gelang."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":921,"orig":"Es ward beſchloſſen, den Geiſt des Verſtorbenen zu zitiren, wobey ich mir nur vierzehn Tage Friſt ausbedingte, um mich, wie ich vorgab, würdig darauf vorzubereiten.","norm":"Es wurde beschlossen, den Geist des Verstorbenen zu zitieren, wobei ich mir nur vierzehn Tage Frist ausbedingte, um mich, wie ich vorgab, würdig darauf vorzubereiten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":922,"orig":"Nachdem dieſer Zeitraum verſtrichen und meine Maſchinen gehörig gerichtet waren, benuzte ich einen ſchauerlichen Abend, wo die Familie auf die gewöhnliche Art um mich verſammelt war, ihr die Einwilligung dazu abzulocken, oder ſie vielmehr unvermerkt dahin zu leiten, daß ſie ſelbſt dieſe Bitte an mich that.","norm":"Nachdem dieser Zeitraum verstrichen und meine Maschinen gehörig gerichtet waren, benutzte ich einen schauerlichen Abend, wo die Familie auf die gewöhnliche Art um mich versammelt war, ihr die Einwilligung dazu abzulocken, oder sie vielmehr unvermerkt dahin zu leiten, dass sie selbst diese Bitte an mich tat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":923,"orig":"Den ſchwerſten Stand hatte man bey der jungen Gräfinn, deren Gegenwart doch ſo weſentlich war, aber hier kam uns der ſchwärmeriſche Flug ihrer Leidenſchaft zu Hülfe, und vielleicht mehr noch ein ſchwacher Schimmer von Hoffnung, daß der Todtgeglaubte noch lebe, und auf den Ruf nicht erſcheinen werde.","norm":"Den schwersten Stand hatte man bei der jungen Gräfin, deren Gegenwart doch so wesentlich war, aber hier kam uns der schwärmerische Flug ihrer Leidenschaft zu Hilfe, und vielleicht mehr noch ein schwacher Schimmer von Hoffnung, dass der Totgeglaubte noch lebe, und auf den Ruf nicht erscheinen werde."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":924,"orig":"Mißtrauen in die Sache ſelbſt, Zweifel in meine Kunſt war das einzige Hinderniß, welches ich nicht zu bekämpfen hatte.","norm":"Misstrauen in die Sache selbst, Zweifel in meine Kunst war das einzige Hindernis, welches ich nicht zu bekämpfen hatte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":925,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":926,"orig":"„Sobald die Einwilligung der Familie da war, wurde der dritte Tag zu dem Werk angeſezt.","norm":"„Sobald die Einwilligung der Familie da war, wurde der dritte Tag zu dem Werk angesetzt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":927,"orig":"Gebete, die bis in die Mitternacht verlängert werden mußten, Faſten, Wachen, Einſamkeit und myſtiſcher Unterricht waren, verbunden mit dem Gebrauch eines gewiſſen noch unbekannten muſikaliſchen Inſtruments, das ich in ähnlichen Fällen ſehr wirkſam fand, die Vorbereitungen zu dieſem feyerlichen Akt, welche auch ſo ſehr nach Wunſche einſchlugen, daß die fanatiſche Begeiſterung meiner Zuhörer meine eigene Phantaſie erhitzte, und die Illuſion nicht wenig vermehrte, zu der ich mich bey dieſer Gelegenheit anſtrengen mußte.","norm":"Gebete, die bis in die Mitternacht verlängert werden mussten, Fasten, Wachen, Einsamkeit und mystischer Unterricht waren, verbunden mit dem Gebrauch eines gewissen noch unbekannten musikalischen Instruments, das ich in ähnlichen Fällen sehr wirksam fand, die Vorbereitungen zu diesem feierlichen Akt, welche auch so sehr nach Wunsche einschlugen, dass die fanatische Begeisterung meiner Zuhörer meine eigene Phantasie erhitzte, und die Illusion nicht wenig vermehrte, zu der ich mich bei dieser Gelegenheit anstrengen musste."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":928,"orig":"Endlich kam die erwartete Stunde —“","norm":"Endlich kam die erwartete Stunde —“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":929,"orig":"„Ich errathe,“ rief der Prinz, „wen Sie uns jezt aufführen werden — Aber fahren Sie nur fort — fahren Sie fort —“","norm":"„Ich errate,“ rief der Prinz, „wen Sie uns jetzt aufführen werden — Aber fahren Sie nur fort — fahren Sie fort —“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":930,"orig":"„Nein, gnädigſter Herr.","norm":"„Nein, gnädigster Herr."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":931,"orig":"Die Beſchwörung ging nach Wunſche vorüber.","norm":"Die Beschwörung ging nach Wunsche vorüber."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":932,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":933,"orig":"„Aber wie?","norm":"„Aber wie?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":934,"orig":"Wo bleibt denn der Armenier?“ Fürchten Sie nicht,“ antwortete der Sicilianer, „der Armenier wird nur zu zeitig erſcheinen.","norm":"Wo bleibt denn der Armenier?“ Fürchten Sie nicht,“ antwortete der Sizilianer, „der Armenier wird nur zu zeitig erscheinen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":935,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":936,"orig":"„Ich laſſe mich in keine Beſchreibung des Gaukelſpiels ein, die mich ohnehin auch zu weit führen würde.","norm":"„Ich lasse mich in keine Beschreibung des Gaukelspiels ein, die mich ohnehin auch zu weit führen würde."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":937,"orig":"Genug es erfüllte alle meine Erwartungen.","norm":"Genug es erfüllte alle meine Erwartungen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":938,"orig":"Der alte Marcheſe, die junge Gräfinn nebſt ihrer Mutter, der Chevalier und noch einige Verwandte waren zugegen.","norm":"Der alte Marchese, die junge Gräfin nebst ihrer Mutter, der Chevalier und noch einige Verwandte waren zugegen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":939,"orig":"Sie können leicht denken, daß es mir in der langen Zeit, die ich in dieſem Hauſe zugebracht, nicht an Gelegenheit werde gemangelt haben, von allem, was den Verſtorbenen anbetraf, die genaueſte Erkundigung einzuziehen.","norm":"Sie können leicht denken, dass es mir in der langen Zeit, die ich in diesem Hause zugebracht, nicht an Gelegenheit werde gemangelt haben, von allem, was den Verstorbenen anbetraf, die genaueste Erkundigung einzuziehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":940,"orig":"Verſchiedne Gemählde, die ich da von ihm vorfand, ſezten mich in den Stand, der Erſcheinung die täuſchendſte Aehnlichkeit zu geben, und weil ich den Geiſt nur durch Zeichen ſprechen ließ, ſo konnte auch ſeine Stimme keinen Verdacht erwecken.","norm":"Verschiedene Gemälde, die ich da von ihm vorfand, setzten mich in den Stand, der Erscheinung die täuschendste Ähnlichkeit zu geben, und weil ich den Geist nur durch Zeichen sprechen ließ, so konnte auch seine Stimme keinen Verdacht erwecken."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":941,"orig":"Der Todte ſelbſt erſchien in barbariſchem Sklavenkleid, eine tiefe Wunde am Halſe.","norm":"Der Tote selbst erschien in barbarischem Sklavenkleid, eine tiefe Wunde am Halse."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":942,"orig":"Sie bemerken,“ ſagte der Sicilianer, „daß ich hierin von der allgemeinen Muthmaßung abging, die ihn in den Wellen umkommen laſſen; weil ich Urſache hatte zu hoffen, daß gerade das Unerwartete dieſer Wendung die Glaubwürdigkeit der Viſion ſelbſt nicht wenig vermehren würde; ſo wie mir im Gegentheil nichts gefährlicher ſchien, als eine zu gewiſſenhafte Annäherung an das Natürliche.","norm":"Sie bemerken,“ sagte der Sizilianer, „dass ich hierin von der allgemeinen Mutmaßung abging, die ihn in den Wellen umkommen lassen; weil ich Ursache hatte zu hoffen, dass gerade das Unerwartete dieser Wendung die Glaubwürdigkeit der Vision selbst nicht wenig vermehren würde; so wie mir im Gegenteil nichts gefährlicher schien, als eine zu gewissenhafte Annäherung an das Natürliche."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":943,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":944,"orig":"„Ich glaube, daß dieß ſehr richtig geurtheilt war,“ ſagte der Prinz.","norm":"„Ich glaube, dass dies sehr richtig geurteilt war,“ sagte der Prinz."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":945,"orig":"„In einer Reihe außerordentlicher Erſcheinungen mußte, däucht mir, juſt die wahrſcheinlichere ſtören; die Leichtigkeit, die erhaltene Entdeckung zu begreifen, würde hier nur das Mittel, durch welches man dazu gelangt war, herabgewürdigt haben; die Leichtigkeit, ſie zu erfinden, dieſes wohl gar verdächtig gemacht hahen; denn wozu einen Geiſt bemühen, wenn man nichts weiteres von ihm erfahren ſoll, als was auch ohne ihn, mit Hülfe der bloß gewöhnlichen Vernunft herauszubringen war?","norm":"„In einer Reihe außerordentlicher Erscheinungen müsste, dünkt mir, just die wahrscheinlichere stören; die Leichtigkeit, die erhaltene Entdeckung zu begreifen, würde hier nur das Mittel, durch welches man dazu gelangt war, herabgewürdigt haben; die Leichtigkeit, sie zu erfinden, dieses wohl gar verdächtig gemacht haben; denn wozu einen Geist bemühen, wenn man nichts Weiteres von ihm erfahren soll, als was auch ohne ihn, mit Hilfe der bloß gewöhnlichen Vernunft herauszubringen war?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":946,"orig":"Aber die überraſchende Neuheit und Schwierigkeit der Entdeckung iſt hier gleichſam eine Gewährleiſtung des Wunders, wodurch ſie erhalten wird — denn wer wird nun das Uebernatürliche einer Operation in Zweifel ziehen, wenn das, was ſie leiſtete, durch natürliche Kräfte nicht geleiſtet werden kann?","norm":"Aber die überraschende Neuheit und Schwierigkeit der Entdeckung ist hier gleichsam eine Gewährleistung des Wunders, wodurch sie erhalten wird — denn wer wird nun das Übernatürliche einer Operation in Zweifel ziehen, wenn das, was sie leistete, durch natürliche Kräfte nicht geleistet werden kann?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":947,"orig":"— Ich habe Sie unterbrochen,“ ſezte der Prinz hinzu.","norm":"— Ich habe Sie unterbrochen,“ setzte der Prinz hinzu."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":948,"orig":"„Vollenden Sie Ihre Erzählung.","norm":"„Vollenden Sie Ihre Erzählung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":949,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":950,"orig":"„Ich ließ,“ fuhr dieſer fort, „die Frage an den Geiſt ergehen, ob er nichts mehr ſein nenne auf dieſer Welt, und nichts darauf hinterlaſſen habe, was ihm theuer wäre?","norm":"„Ich ließ,“ fuhr dieser fort, „die Frage an den Geist ergehen, ob er nichts mehr sein nenne auf dieser Welt, und nichts darauf hinterlassen habe, was ihm teuer wäre?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":951,"orig":"Der Geiſt ſchüttelte dreymal das Haupt, und ſtreckte eine ſeiner Hände gen Himmel.","norm":"Der Geist schüttelte dreimal das Haupt, und streckte eine seiner Hände gen Himmel."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":952,"orig":"Ehe er wegging, ſtreifte er noch einen Ring vom Finger, den man nach ſeiner Verſchwindung auf dem Fußboden liegend fand.","norm":"Ehe er wegging, streifte er noch einen Ring vom Finger, den man nach seiner Verschwindung auf dem Fußboden liegend fand."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":953,"orig":"Als die Gräfinn ihn genauer in's Geſicht faßte, war es ihr Trauring.","norm":"Als die Gräfin ihn genauer ins Gesicht fasste, war es ihr Trauring."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":954,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":955,"orig":"„Ihr Trauring!“ rief der Prinz mit Befremdung.","norm":"„Ihr Trauring!“ rief der Prinz mit Befremdung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":956,"orig":"„Ihr Trauring!","norm":"„Ihr Trauring!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":957,"orig":"Aber wie gelangten Sie zu dieſem?“ Ich — — — Es war nicht der rechte, gnädigſter Prinz — — Ich hatte ihn — — Es war nur ein nachgemachter.","norm":"Aber wie gelangten Sie zu diesem?“ Ich — — — es war nicht der rechte, gnädigster Prinz — — Ich hatte ihn — — es war nur ein nachgemachter."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":958,"orig":"—“","norm":"—“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":959,"orig":"„Ein nachgemachter!“ wiederholte der Prinz.","norm":"„Ein nachgemachter!“ wiederholte der Prinz."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":960,"orig":"Zum Nachmachen brauchten Sie ja den rechten, und wie kamen Sie zu dieſem, da ihn der Verſtorbene gewiß nie vom Finger brachte?“","norm":"Zum Nachmachen brauchten Sie ja den rechten, und wie kamen Sie zu diesem, da ihn der Verstorbene gewiss nie vom Finger brachte?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":961,"orig":"„Das iſt wohl wahr,“ ſagte der Sicilianer, nicht ohne Zeichen der Verwirrung — „aber aus einer Beſchreibung, die man mir von dem wirklichen Trauring gemacht hatte —“","norm":"„Das ist wohl wahr,“ sagte der Sizilianer, nicht ohne Zeichen der Verwirrung — „aber aus einer Beschreibung, die man mir von dem wirklichen Trauring gemacht hatte —“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":962,"orig":"„Die Ihnen wer gemacht hatte?“","norm":"„Die Ihnen wer gemacht hatte?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":963,"orig":"„Schon vor langer Zeit,“ ſagte der Sicilianer — — „Es war ein ganz einfacher goldner Ring, mit dem Namen der jungen Gräfinn, glaub' ich, — — aber Sie haben mich ganz aus der Ordnung gebracht —“","norm":"„Schon vor langer Zeit,“ sagte der Sizilianer — — „Es war ein ganz einfacher goldener Ring, mit dem Namen der jungen Gräfin, glaube ich, — — Aber Sie haben mich ganz aus der Ordnung gebracht —“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":964,"orig":"Wie erging es weiter?“ ſagte der Prinz mit ſehr unbefriedigter und zweydeutiger Miene.","norm":"Wie erging es weiter?“ sagte der Prinz mit sehr unbefriedigter und zweideutiger Miene."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":965,"orig":"„Jezt hielt man ſich für überzeugt, daß Jeronymo nicht mehr am Leben ſey.","norm":"„Jetzt hielt man sich für überzeugt, dass Jeronymo nicht mehr am Leben sei."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":966,"orig":"Die Familie machte von dieſem Tag an ſeinen Tod öffentlich bekannt, und legte förmlich die Trauer um ihn an.","norm":"Die Familie machte von diesem Tag an seinen Tod öffentlich bekannt, und legte förmlich die Trauer um ihn an."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":967,"orig":"Der Umſtand mit dem Ringe erlaubte auch Antonien keinen Zweifel mehr, und gab den Bewerbungen des Chevaliers einen größern Nachdruck.","norm":"Der Umstand mit dem Ringe erlaubte auch Antonien keinen Zweifel mehr, und gab den Bewerbungen des Chevaliers einen größeren Nachdruck."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":968,"orig":"Aber der heftige Eindruck, den dieſe Erſcheinung auf ſie gemacht, ſtürzte ſie in eine gefährliche Krankheit, welche die Hoffnungen ihres Liebhabers bald auf ewig vereitelt hätte.","norm":"Aber der heftige Eindruck, den diese Erscheinung auf sie gemacht, stürzte sie in eine gefährliche Krankheit, welche die Hoffnungen ihres Liebhabers bald auf ewig vereitelt hätte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":969,"orig":"Als ſie wieder geneſen war, beſtand ſie darauf, den Schleyer zu nehmen, wovon ſie nur durch die nachdrücklichſten Gegenvorſtellungen ihres Beichtvaters, in welchen ſie ein unumſchränktes Vertrauen ſezte, abzubringen war.","norm":"Als sie wieder genesen war, bestand sie darauf, den Schleier zu nehmen, wovon sie nur durch die nachdrücklichsten Gegenvorstellungen ihres Beichtvaters, in welchen sie ein unumschränktes Vertrauen setzte, abzubringen war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":970,"orig":"Endlich gelang es den vereinigten Bemühungen dieſes Mannes und der Familie, ihr das Jawort abzuängſtigen.","norm":"Endlich gelang es den vereinigten Bemühungen dieses Mannes und der Familie, ihr das Jawort abzuängstigen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":971,"orig":"Der lezte Tag der Trauer ſollte der glückliche Tag ſeyn, den der alte Marcheſe durch Abtretung aller ſeiner Güter an den rechtmäßigen Erben noch feſtlicher zu machen geſonnen war.","norm":"Der letzte Tag der Trauer sollte der glückliche Tag sein, den der alte Marchese durch Abtretung aller seiner Güter an den rechtmäßigen Erben noch festlicher zu machen gesonnen war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":972,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":973,"orig":"„Es erſchien dieſer Tag, und Lorenzo empfing ſeine bebende Braut am Altare.","norm":"„Es erschien dieser Tag, und Lorenzo empfing seine bebende Braut am Altare."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":974,"orig":"Der Tag ging unter, ein prächtiges Mahl erwartete die frohen Gäſte im hellerleuchteten Hochzeitſaal, und eine lärmende Muſik begleitete die ausgelaſſene Freude.","norm":"Der Tag ging unter, ein prächtiges Mahl erwartete die frohen Gäste im hellerleuchteten Hochzeitsaal, und eine lärmende Musik begleitete die ausgelassene Freude."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":975,"orig":"Der glückliche Greis hatte gewollt, daß alle Welt ſeine Fröhlichkeit theilte; alle Zugänge zum Pallaſte waren geöffnet, und willkommen war jeder, der ihn glücklich pries.","norm":"Der glückliche Greis hatte gewollt, dass alle Welt seine Fröhlichkeit teilte; alle Zugänge zum Palaste waren geöffnet, und willkommen war jeder, der ihn glücklich pries."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":976,"orig":"Unter dieſem Gedränge nun —“","norm":"Unter diesem Gedränge nun —“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":977,"orig":"Der Sicilianer hielt hier inne, und ein Schauder der Erwartung hemmte unſern Odem — —","norm":"Der Sizilianer hielt hier inne, und ein Schauder der Erwartung hemmte unseren Odem — —"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":978,"orig":"„Unter dieſem Gedränge alſo,“ fuhr er fort.","norm":"„Unter diesem Gedränge also,“ fuhr er fort."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":979,"orig":"ließ mich derjenige, welcher zunächſt an mir ſaß, einen Franziskanermönch bemerken, der unbeweglich wie eine Säule ſtand, langer hagrer Statur und aſchbleichen Angeſichts, einen ernſten und traurigen Blick auf das Brautpaar geheftet.","norm":"ließ mich derjenige, welcher zunächst an mir saß, einen Franziskanermönch bemerken, der unbeweglich wie eine Säule stand, langer hagerer Statur und aschbleichen Angesichts, einen ernsten und traurigen Blick auf das Brautpaar geheftet."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":980,"orig":"Die Freude, welche rings herum auf allen Geſichtern lachte, ſchien an dieſem einzigen vorüber zu gehen, ſeine Miene blieb unwandelbar dieſelbe, wie eine Büſte unter lebenden Figuren.","norm":"Die Freude, welche ringsherum auf allen Gesichtern lachte, schien an diesem einzigen vorüberzugehen, seine Miene blieb unwandelbar dieselbe, wie eine Büste unter lebenden Figuren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":981,"orig":"Das Außerordentliche dieſes Anblicks, der, weil er mich mitten in der Luſt überraſchte, und gegen alles, was mich in dieſem Augenblick umgab, auf eine ſo grelle Art abſtach, um ſo tiefer auf mich wirkte, ließ einen unauslöſchlichen Eindruck in meiner Seele zurück, daß ich dadurch allein in den Stand geſezt worden bin, die Geſichtszüge dieſes Mönchs in der Phyſionomie des Ruſſen (denn Sie begreifen wohl ſchon, daß er mit dieſem und Ihrem Armenier eine und dieſelbe Perſon war) wieder zu erkennen, welches ſonſt ſchlechterdings unmöglich würde geweſen ſeyn.","norm":"Das Außerordentliche dieses Anblicks, der, weil er mich mitten in der Lust überraschte, und gegen alles, was mich in diesem Augenblick umgab, auf eine so grelle Art abstach, um so tiefer auf mich wirkte, ließ einen unauslöschlichen Eindruck in meiner Seele zurück, dass ich dadurch allein in den Stand gesetzt worden bin, die Gesichtszüge dieses Mönchs in der Physiognomie des Russen (denn Sie begreifen wohl schon, dass er mit diesem und Ihrem Armenier eine und dieselbe Person war) wiederzuerkennen, welches sonst schlechterdings unmöglich würde gewesen sein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":982,"orig":"Oft verſucht' ich's, die Augen von dieſer ſchreckhaften Geſtalt abzuwenden, aber unfreywillig fielen ſie wieder darauf, und fanden ſie jedesmal unverändert.","norm":"Oft versuchte ich es, die Augen von dieser schreckhaften Gestalt abzuwenden, aber unfreiwillig fielen sie wieder darauf, und fanden sie jedes Mal unverändert."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":983,"orig":"Ich ſtieß meinen Nachbar an, dieſer den ſeinigen, dieſelbe Neugierde, dieſelbe Befremdung durchlief die ganze Tafel, das Geſpräch ſtockte, eine allgemeine plötzliche Stille, den Mönch ſtörte ſie nicht.","norm":"Ich stieß meinen Nachbar an, dieser den seinigen, dieselbe Neugierde, dieselbe Befremdung durchlief die ganze Tafel, das Gespräch stockte, eine allgemeine plötzliche Stille, den Mönch störte sie nicht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":984,"orig":"Der Mönch ſtand unbeweglich und immer derſelbe, einen ernſten und traurigen Blick auf das Brautpaar geheftet.","norm":"Der Mönch stand unbeweglich und immer derselbe, einen ernsten und traurigen Blick auf das Brautpaar geheftet."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":985,"orig":"Einen jeden entſezte dieſe Erſcheinung; die junge Gräfinn allein fand ihren eigenen Kummer im Geſicht dieſes Fremdlings wi der, und hing mit ſtiller Wolluft an dem einzigen Gegenſtand in der Verſammlung, der ihren Gram zu verſtehen, zu theilen ſchien.","norm":"Einen jeden entsetzte diese Erscheinung; die junge Gräfin allein fand ihren eigenen Kummer im Gesicht dieses Fremdlings wi der, und hing mit stiller Wollust an dem einzigen Gegenstand in der Versammlung, der ihren Gram zu verstehen, zu teilen schien."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":986,"orig":"Allgemach verlief ſich das Gedränge, Mitternacht war vorüber, die Muſik fing an ſtiller und verlorner zu tönen; die Kerzen dunkler und endlich nur einzeln zu brennen, das Geſpräch leiſer und immer leiſer zu flüſtern — und öder ward es, und immer öder im trüberleuchteten Hochzeitſaal; der Mönch ſtand unbeweglich, und immer derſelbe, einen ſtillen und traurigen Blick auf das Brautpaar geheftet.","norm":"Allgemach verlief sich das Gedränge, Mitternacht war vorüber, die Musik fing an stiller und verlorener zu tönen; die Kerzen dunkler und endlich nur einzeln zu brennen, das Gespräch leiser und immer leiser zu flüstern — und öder wurde es, und immer öder im trüb erleuchteten Hochzeitssaal; der Mönch stand unbeweglich, und immer derselbe, einen stillen und traurigen Blick auf das Brautpaar geheftet."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":987,"orig":"Die Tafel wird aufgehoben, die Gäſte zerſtreuen ſich dahin und dorthin, die Familie tritt in einen engeren Kreis zuſammen, der Mönch bleibt ungeladen in dieſem engeren Kreis.","norm":"Die Tafel wird aufgehoben, die Gäste zerstreuen sich dahin und dorthin, die Familie tritt in einen engeren Kreis zusammen, der Mönch bleibt ungeladen in diesem engeren Kreis."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":988,"orig":"Ich weiß nicht, woher es kam, daß niemand ihn anreden wollte; niemand redete ihn an.","norm":"Ich weiß nicht, woher es kam, dass niemand ihn anreden wollte; niemand redete ihn an."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":989,"orig":"Schon drängen ſich ihre weiblichen Bekannte um die zitternde Braut herum, die einen bittenden Hülfe ſuchenden Blick auf den ehrwürdigen Fremdling richtet; der Fremdling erwiedert ihn nicht.","norm":"Schon drängen sich ihre weiblichen Bekannten um die zitternde Braut herum, die einen bittenden Hilfe suchenden Blick auf den ehrwürdigen Fremdling richtet; der Fremdling erwidert ihn nicht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":990,"orig":"Die Männer ſammeln ſich auf gleiche Art um den Bräutigam — Eine gepreßte erwartungsvolle Stille — „Daß wir unter einander da ſo glücklich ſind,“ hub endlich der Greis an, der allein unter uns allen den Unbekannten nicht zu bemerken, oder ſich doch nicht über ihn zu verwundern ſchien: „Daß wir ſo glücklich ſind, ſagte er, und mein Sohn Jeronymo muß fehlen!“ — „Haſt du ihn denn geladen und er iſt ausgeblieben?“ fragte der Mönch.","norm":"Die Männer sammeln sich auf gleiche Art um den Bräutigam — eine gepresste erwartungsvolle Stille — „Dass wir untereinander da so glücklich sind,“ hob endlich der Greis an, der allein unter uns allen den Unbekannten nicht zu bemerken, oder sich doch nicht über ihn zu verwundern schien: „Dass wir so glücklich sind, sagte er, und mein Sohn Jeronymo muss fehlen!“ — „Hast du ihn denn geladen und er ist ausgeblieben?“ fragte der Mönch."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":991,"orig":"Es war das erſtemal, daß er den Mund öffnete.","norm":"Es war das erste Mal, dass er den Mund öffnete."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":992,"orig":"Mit Schrecken ſahen wir ihn an.","norm":"Mit Schrecken sahen wir ihn an."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":993,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":994,"orig":"„Ach!","norm":"„Ach!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":995,"orig":"er iſt hingegangen, wo man auf ewig ausbleibt, verſezte der Alte.","norm":"er ist hingegangen, wo man auf ewig ausbleibt, versetzte der Alte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":996,"orig":"Ehrwürdiger Herr, ihr verſteht mich unrecht.","norm":"Ehrwürdiger Herr, Ihr versteht mich Unrecht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":997,"orig":"Mein Sohn Jeronymo iſt todt.","norm":"Mein Sohn Jeronymo ist tot."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":998,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":999,"orig":"„Vielleicht fürchtet er ſich auch nur, ſich in ſolcher Geſellſchaft zu zeigen, fuhr der Mönch fort — Wer weiß, wie er ausſehen mag, dein Sohn Jeronymo!","norm":"„Vielleicht fürchtet er sich auch nur, sich in solcher Gesellschaft zu zeigen, fuhr der Mönch fort — wer weiß, wie er aussehen mag, dein Sohn Jeronymo!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1000,"orig":"— Laß ihn die Stimme hören, die er zum leztenmal hörte!","norm":"— Lass ihn die Stimme hören, die er zum lezten Mal hörte!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1001,"orig":"— Bitte deinen Sohn Lorenzo, daß er ihn rufe.","norm":"— Bitte deinen Sohn Lorenzo, dass er ihn rufe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1002,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1003,"orig":"„Was ſoll das bedeuten?","norm":"„Was soll das bedeuten?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1004,"orig":"murmelte alles.","norm":"murmelte alles."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1005,"orig":"Lorenzo veränderte die Farbe.","norm":"Lorenzo veränderte die Farbe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1006,"orig":"Ich läugne nicht, daß mir das Haar anfing zu ſteigen.","norm":"Ich leugne nicht, dass mir das Haar anfing zu steigen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1007,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1008,"orig":"„Der Mönch war unterdeſſen zum Schenktiſch getreten, wo er ein volles Weinglas ergriff, und an die Lippen ſezte — „Das Andenken unſers theuern Jeronymo!“ rief er.","norm":"„Der Mönch war unterdessen zum Schenktisch getreten, wo er ein volles Weinglas ergriff, und an die Lippen setzte — „Das Andenken unseres teuren Jeronymo!“ rief er."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1009,"orig":"„Wer den Verſtorbenen lieb hatte, thue mir's nach.","norm":"„Wer den Verstorbenen lieb hatte, tue mir es nach."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1010,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1011,"orig":"„Woher ihr auch ſeyn mögt, ehrwürdiger Herr, rief endlich der Marcheſe.","norm":"„Woher Ihr auch sein mögt, ehrwürdiger Herr, rief endlich der Marchese."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1012,"orig":"Ihr habt einen theuern Namen genannt.","norm":"Ihr habt einen teuren Namen genannt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1013,"orig":"Send mir willkommen!","norm":"Send mir willkommen!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1014,"orig":"— Kommt, meine Freunde!","norm":"— Kommt, meine Freunde!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1015,"orig":"(indem er ſich gegen uns kehrte, und die Gläſer herum gehen ließ) laßt einen Fremdling uns nicht beſchämen!","norm":"(indem er sich gegen uns kehrte, und die Gläser herumgehen ließ) lasst einen Fremdling uns nicht beschämen!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1016,"orig":"— Dem Andenken meines Sohnes Jeronymo!“","norm":"— Dem Andenken meines Sohnes Jeronymo!“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1017,"orig":"„Nie, glaube ich, ward eine Geſundheit mit ſo ſchlimmen Muthe getrunken.","norm":"„Nie, glaube ich, wurde eine Gesundheit mit so schlimmem Mute getrunken."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1018,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1019,"orig":"„Ein Glas ſteht noch voll da — Warum weigert ſich mein Sohn Lorenzo, auf dieſen freundlichen Trunk Beſcheid zu thun?“","norm":"„Ein Glas steht noch voll da — warum weigert sich mein Sohn Lorenzo, auf diesen freundlichen Trunk Bescheid zu tun?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1020,"orig":"„Bebend empfing Lorenzo das Glas aus des Franziskaners Hand — bebend brachte er's an den Mund — „Meinem vielgeliebten Bruder Jeronymo!“ ſtammelte er, und ſchauernd ſezte er's nieder.","norm":"„Bebend empfing Lorenzo das Glas aus des Franziskaners Hand — bebend brachte er es an den Mund — „Meinem vielgeliebten Bruder Jeronymo!“ stammelte er, und schauernd setzte er es nieder."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1021,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1022,"orig":"„Das iſt meines Mörders Stimme, rief eine fürchterliche Geſtalt, die auf einmal in unſrer Mitte ſtand, mit bluttriefendem Kleid und entſtellt von gräßlichen Wunden.","norm":"„Das ist meines Mörders Stimme, rief eine fürchterliche Gestalt, die auf einmal in unserer Mitte stand, mit bluttriefendem Kleid und entstellt von grässlichen Wunden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1023,"orig":"“ — —","norm":"“ — —"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1024,"orig":"„Aber um das weitere frage man mich nicht mehr,“ ſagte der Sicilianer, alle Zeichen des Entſetzens in ſeinem Angeſicht.","norm":"„Aber um das weitere frage man mich nicht mehr,“ sagte der Sizilianer, alle Zeichen des Entsetzens in seinem Angesicht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1025,"orig":"„Meine Sinne hatten mich von dem Augenblicke an verlaſſen, als ich die Augen auf die Geſtalt warf, ſo wie jeden, der zugegen war.","norm":"„Meine Sinne hatten mich von dem Augenblicke an verlassen, als ich die Augen auf die Gestalt warf, so wie jeden, der zugegen war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1026,"orig":"Da wir wieder zu uns ſelber kamen, rang Lorenzo mit dem Tode, Mönch und Erſcheinung waren verſchwunden.","norm":"Da wir wieder zu uns selber kamen, rang Lorenzo mit dem Tode, Mönch und Erscheinung waren verschwunden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1027,"orig":"Den Ritter brachte man unter ſchrecklichen Zuckungen zu Bette; niemand als der Geiſtliche war um den Sterbenden, und der jammervolle Greis, der ihm, wenige Wochen nachher, im Tode folgte.","norm":"Den Ritter brachte man unter schrecklichen Zuckungen zu Bette; niemand als der Geistliche war um den Sterbenden, und der jammervolle Greis, der ihm, wenige Wochen nachher, im Tode folgte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1028,"orig":"Seine Geſtändniſſe liegen in der Bruſt des Paters verſenkt, der ſeine lezte Beichte hörte, und kein lebendiger Menſch hat ſie erfahren.","norm":"Seine Geständnisse liegen in der Brust des Paters versenkt, der seine letzte Beichte hörte, und kein lebendiger Mensch hat sie erfahren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1029,"orig":"Nicht lange nach dieſer Begebenheit geſchah es, daß man einen Brunnen auszuräumen hatte, der im Hinterhofe des Landhauſes unter wildem Geſträuche verſteckt, und viele Jahre lang verſchüttet war; da man den Schutt durch einander ſtörte, entdeckte man ein Todtengerippe.","norm":"Nicht lange nach dieser Begebenheit geschah es, dass man einen Brunnen auszuräumen hatte, der im Hinterhof des Landhauses unter wildem Gesträuche versteckt, und viele Jahre lang verschüttet war; da man den Schutt durcheinander störte, entdeckte man ein Totengerippe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1030,"orig":"Das Haus, wo ſich dieſes zutrug, ſteht nicht mehr; die Familie del M * * nte iſt erloſchen, und in einem Kloſter, ohnweit Salerno, zeigt man Ihnen Antoniens Grab.","norm":"Das Haus, wo sich dieses zutrug, steht nicht mehr; die Familie del M * * nte ist erloschen, und in einem Kloster, unweit Salerno, zeigt man Ihnen Antoniens Grab."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1031,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1032,"orig":"„Sie ſehen nun,“ fuhr der Sicilianer fort, als er ſah, daß wir noch alle ſtumm und betreten ſtanden, und niemand das Wort nehmen wollte, „Sie ſehen nun, worauf ſich meine Bekanntſchaft mit dieſem Ruſſiſchen Offizier, oder dieſem Franziskanermönch, oder dieſem Armenier gründet.","norm":"„Sie sehen nun,“ fuhr der Sizilianer fort, als er sah, dass wir noch alle stumm und betreten standen, und niemand das Wort nehmen wollte, „Sie sehen nun, worauf sich meine Bekanntschaft mit diesem russischen Offizier, oder diesem Franziskanermönch, oder diesem Armenier gründet."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1033,"orig":"Urtheilen Sie jezt, ob ich Urſache gehabt habe, vor einem Weſen zu zittern, das ſich mir zweymal auf eine ſo ſchreckliche Art in den Weg warf.","norm":"Urteilen Sie jetzt, ob ich Ursache gehabt habe, vor einem Wesen zu zittern, das sich mir zweimal auf eine so schreckliche Art in den Weg warf."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1034,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1035,"orig":"„Beantworten Sie mir noch eine einzige Frage,“ ſagte der Prinz, und ſtund auf.","norm":"„Beantworten Sie mir noch eine einzige Frage,“ sagte der Prinz, und stand auf."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1036,"orig":"„Sind Sie in Ihrer Erzählung über alles, was den Ritter betraf, immer aufrichtig geweſen?“","norm":"„Sind Sie in Ihrer Erzählung über alles, was den Ritter betraf, immer aufrichtig gewesen?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1037,"orig":"„„Ich weiß nicht anders,“ verſezte der Sicilianer.","norm":"„„Ich weiß nicht anders,“ versetzte der Sizilianer."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1038,"orig":"„Sie haben ihn alſo wirklich für einen rechtſchaffenen Mann gehalten?“","norm":"„Sie haben ihn also wirklich für einen rechtschaffenen Mann gehalten?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1039,"orig":"„Das hab' ich, bey Gott, das hab' ich,“ antwortete jener.","norm":"„Das habe ich, bei Gott, das habe ich,“ antwortete jener."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1040,"orig":"„Auch da noch, als er Ihnen den bewußten Ring gab?“","norm":"„Auch da noch, als er Ihnen den bewussten Ring gab?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1041,"orig":"„Wie?","norm":"„Wie?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1042,"orig":"— Er gab mir keinen Ring — Ich habe ja nicht geſagt, daß er mir den Ring gegeben.","norm":"— Er gab mir keinen Ring — Ich habe ja nicht gesagt, dass er mir den Ring gegeben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1043,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1044,"orig":"„Gut,“ ſagte der Prinz, an der Glocke, ziehend, und im Begriff wegzugehen.","norm":"„Gut,“ sagte der Prinz, an der Glocke, ziehend, und im Begriff wegzugehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1045,"orig":"„Und den Geiſt des Marquis von Lanoy, (fragte er, indem er noch einmal zurück kam) den dieſer Ruſſe geſtern auf den Ihrigen folgen ließ, halten Sie alſo für einen wahren und wirklichen Geiſt?“","norm":"„Und den Geist des Marquis von Lanoy, (fragte er, indem er noch einmal zurückkam) den dieser Russe gestern auf den Ihrigen folgen ließ, halten Sie also für einen wahren und wirklichen Geist?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1046,"orig":"— — — „Ich kann ihn für nichts anders halten,“ antwortete jener.","norm":"— — — „Ich kann ihn für nichts anders halten,“ antwortete jener."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1047,"orig":"„Kommen Sie,“ ſagte der Prinz zu uns.","norm":"„Kommen Sie,“ sagte der Prinz zu uns."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1048,"orig":"Der Schließer trat herein.","norm":"Der Schließer trat herein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1049,"orig":"„Wir ſind fertig,“ ſagte er zu dieſem.","norm":"„Wir sind fertig,“ sagte er zu diesem."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1050,"orig":"„Sie, mein Herr, ſollen weiter von mir hören.","norm":"„Sie, mein Herr, sollen weiter von mir hören."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1051,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1052,"orig":"Die Frage, gnädigſter Herr, welche Sie zulezt an den Gaukler gethan haben, möchte ich an Sie ſelbſt thun, ſagte ich zu dem Prinzen, als wir wieder allein waren.","norm":"Die Frage, gnädigster Herr, welche Sie zuletzt an den Gaukler getan haben, möchte ich an Sie selbst tun, sagte ich zu dem Prinzen, als wir wieder allein waren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1053,"orig":"Halten Sie dieſen zweyten Geiſt für den wahren und ächten?","norm":"Halten Sie diesen zweiten Geist für den wahren und echten?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1054,"orig":"„Ich?","norm":"„Ich?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1055,"orig":"Nein, wahrhaftig, das thue ich nicht mehr.","norm":"Nein, wahrhaftig, das tue ich nicht mehr."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1056,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1057,"orig":"Nicht mehr?","norm":"Nicht mehr?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1058,"orig":"Alſo haben Sie es doch gethan?","norm":"Also haben Sie es doch getan?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1059,"orig":"„Ich läugne nicht, daß ich mich einen Augenblick habe hinreißen laſſen, dieſes Blendwerk für etwas mehr zu halten.","norm":"„Ich leugne nicht, dass ich mich einen Augenblick habe hinreißen lassen, dieses Blendwerk für etwas mehr zu halten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1060,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1061,"orig":"Und ich will den ſehen, rief ich aus, der ſich unter dieſen Umſtänden einer ähnlichen Vermuthung erwehren kann.","norm":"Und ich will den sehen, rief ich aus, der sich unter diesen Umständen einer ähnlichen Vermutung erwehren kann."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1062,"orig":"Aber was für Gründe haben Sie nun, dieſe Meynung zurück zu nehmen?","norm":"Aber was für Gründe haben Sie nun, diese Meinung zurückzunehmen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1063,"orig":"Nach dem, was man uns eben von dieſem Armenier erzählt hat, ſollte ſich der Glaube an ſeine Wundergewalt eher vermehrt als vermindert haben.","norm":"Nach dem, was man uns eben von diesem Armenier erzählt hat, sollte sich der Glaube an seine Wundergewalt eher vermehrt als vermindert haben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1064,"orig":"„Was ein Nichtswürdiger uns von ihm erzählt hat?“ fiel mir der Prinz mit Ernſthaftigkeit in's Wort.","norm":"„Was ein Nichtswürdiger uns von ihm erzählt hat?“ fiel mir der Prinz mit Ernsthaftigkeit ins Wort."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1065,"orig":"„Denn hoffentlich zweifeln Sie nun nicht mehr, daß wir mit einem ſolchen zu thun gehabt haben?","norm":"„Denn hoffentlich zweifeln Sie nun nicht mehr, dass wir mit einem solchen zu tun gehabt haben?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1066,"orig":"—“","norm":"—“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1067,"orig":"Nein, ſagte ich.","norm":"Nein, sagte ich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1068,"orig":"Aber ſollte deswegen ſein Zeugniß — —","norm":"Aber sollte deswegen sein Zeugnis — —"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1069,"orig":"„Das Zeugniß eines Nichtswürdigen — geſezt, ich hätte auch weiter keinen Grund, es in Zweifel zu ziehen — kann gegen Wahrheit und geſunde Vernunft nicht in Anſchlag kommen.","norm":"„Das Zeugnis eines Nichtswürdigen — gesetzt, ich hätte auch weiter keinen Grund, es in Zweifel zu ziehen — kann gegen Wahrheit und gesunde Vernunft nicht in Anschlag kommen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1070,"orig":"Verdient ein Menſch, der mich mehrmal betrogen, der den Betrug zu ſeinem Handwerk gemacht hat, in einer Sache gehört zu werden, wo die aufrichtigſte Wahrheitsliebe ſelbſt ſich erſt reinigen muß, um Glauben zu verdienen?","norm":"Verdient ein Mensch, der mich mehrmals betrogen, der den Betrug zu seinem Handwerk gemacht hat, in einer Sache gehört zu werden, wo die aufrichtigste Wahrheitsliebe selbst sich erst reinigen muss, um Glauben zu verdienen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1071,"orig":"Verdient ein ſolcher Menſch, der vielleicht nie eine Wahrheit um ihrer ſelbſt willen geſagt hat, da Glauben, wo er als Zeuge gegen Menſchenvernunft und ewige Naturordnung auftritt?","norm":"Verdient ein solcher Mensch, der vielleicht nie eine Wahrheit um ihrer selbst willen gesagt hat, da Glauben, wo er als Zeuge gegen Menschenvernunft und ewige Naturordnung auftritt?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1072,"orig":"Das klingt eben ſo, als wenn ich einen gebrandmarkten Böſewicht bevollmächtigen wollte, gegen die nie befleckte und nie beſcholtene Unſchuld zu klagen.","norm":"Das klingt ebenso, als wenn ich einen gebrandmarkten Bösewicht bevollmächtigen wollte, gegen die nie befleckte und nie bescholtene Unschuld zu klagen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1073,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1074,"orig":"Aber was für Gründe ſollte er haben, einem Manne, den er ſo viele Urſachen hat zu haſſen, wenigſtens zu fürchten, ein ſo glorreiches Zeugniß zu geben?","norm":"Aber was für Gründe sollte er haben, einem Manne, den er so viele Ursachen hat zu hassen, wenigstens zu fürchten, ein so glorreiches Zeugnis zu geben?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1075,"orig":"„Wenn ich dieſe Gründe auch nicht einſehe, ſoll er ſie deswegen weniger haben?","norm":"„Wenn ich diese Gründe auch nicht einsehe, soll er sie deswegen weniger haben?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1076,"orig":"Weiß ich, in weſſen Solde er mich belog?","norm":"Weiß ich, in wessen Solde er mich belog?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1077,"orig":"Ich geſtehe, daß ich das ganze Gewebe ſeines Betrugs noch nicht ganz durchſchaue; aber er hat der Sache, für die er ſtreitet, einen ſehr ſchlechten Dienſt gethan, daß er ſich mir als einen Betrüger — und vielleicht als etwas noch ſchlimmres — entlarvte.","norm":"Ich gestehe, dass ich das ganze Gewebe seines Betrugs noch nicht ganz durchschaue; aber er hat der Sache, für die er streitet, einen sehr schlechten Dienst getan, dass er sich mir als einen Betrüger — und vielleicht als etwas noch Schlimmres — entlarvte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1078,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1079,"orig":"Der Umſtand mit dem Ringe ſcheint mir freylich etwas verdächtig.","norm":"Der Umstand mit dem Ringe scheint mir freilich etwas verdächtig."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1080,"orig":"„Er iſt mehr als das,“ ſagte der Prinz, er iſt entſcheidend.","norm":"„Er ist mehr als das,“ sagte der Prinz, er ist entscheidend."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1081,"orig":"Dieſen Ring empfing er von dem Mörder, und er mußte in demſelben Augenblick gewiß ſeyn, daß es der Mörder war.","norm":"Diesen Ring empfing er von dem Mörder, und er musste in demselben Augenblick gewiss sein, dass es der Mörder war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1082,"orig":"Wer als der Mörder konnte dem Verſtorbenen einen Ring abgezogen haben, den dieſer gewiß nie vom Finger ließ?","norm":"Wer als der Mörder konnte dem Verstorbenen einen Ring abgezogen haben, den dieser gewiss nie vom Finger ließ?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1083,"orig":"Uns ſuchte er die ganze Erzählung hindurch zu überreden, als ob er ſelbſt von dem Ritter getäuſcht worden, und als ob er geglaubt hätte ihn zu täuſchen.","norm":"Uns suchte er die ganze Erzählung hindurch zu überreden, als ob er selbst von dem Ritter getäuscht worden, und als ob er geglaubt hätte ihn zu täuschen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1084,"orig":"Wozu dieſen Winkelzug, wenn er nicht ſelbſt bey ſich fühlte, wie viel er verloren gab, wenn er ſein Verſtändniß mit dem Mörder einräumte?","norm":"Wozu diesen Winkelzug, wenn er nicht selbst bei sich fühlte, wie viel er verloren gab, wenn er sein Verständnis mit dem Mörder einräumte?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1085,"orig":"Seine ganze Erzählung iſt offenbar nichts, als eine Reihe von Erfindungen, um die wenigen Wahrheiten an einander zu hängen, die er uns preis zu geben für gut fand.","norm":"Seine ganze Erzählung ist offenbar nichts, als eine Reihe von Erfindungen, um die wenigen Wahrheiten aneinander zu hängen, die er uns preiszugeben für gut fand."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1086,"orig":"Und ich ſollte größeres Bedenken tragen, einen Nichtswürdigen, den ich auf zehn Lügen ertappte, lieber auch noch der eilften zu beſchuldigen, als die Grundordnung der Natur unterbrechen zu laſſen, die ich noch auf keinen Mißklang betrat?“","norm":"Und ich sollte größeres Bedenken tragen, einen Nichtswürdigen, den ich auf zehn Lügen ertappte, lieber auch noch der elften zu beschuldigen, als die Grundordnung der Natur unterbrechen zu lassen, die ich noch auf keinem Missklang betrat?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1087,"orig":"Ich kann Ihnen darauf nichts antworten, ſagte ich.","norm":"Ich kann Ihnen darauf nichts antworten, sagte ich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1088,"orig":"Aber die Erſcheinung, die wir geſtern ſahen, bleibt mir darum nicht weniger unbegreiflich.","norm":"Aber die Erscheinung, die wir gestern sahen, bleibt mir darum nicht weniger unbegreiflich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1089,"orig":"„Auch mir,“ verſezte der Prinz, „ob ich gleich in Verſuchung gerathen bin, einen Schlüſſel dazu ausfindig zu machen.","norm":"„Auch mir,“ versetzte der Prinz, „ob ich gleich in Versuchung geraten bin, einen Schlüssel dazu ausfindig zu machen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1090,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1091,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1092,"orig":"ſagte ich.","norm":"sagte ich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1093,"orig":"„Erinnern Sie ſich nicht, daß die zwote Geſtalt, ſobald ſie herein war, auf den Altar zuging, das Kruzifix in die Hand faßte, und auf den Teppich trat?“","norm":"„Erinnern Sie sich nicht, dass die zweite Gestalt, sobald sie herein war, auf den Altar zuging, das Kruzifix in die Hand fasste, und auf den Teppich trat?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1094,"orig":"So ſchien mir's.","norm":"So schien mir es."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1095,"orig":"Ja.","norm":"Ja."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1096,"orig":"„Und das Kruzifix, ſagt uns der Sicilianer, war ein Konduktor.","norm":"„Und das Kruzifix, sagt uns der Sizilianer, war ein Konduktor."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1097,"orig":"Daraus ſehen Sie alſo, daß ſie eilte, ſich elektriſch zu machen.","norm":"Daraus sehen Sie also, dass sie eilte, sich elektrisch zu machen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1098,"orig":"Der Streich, den Lord Seymour mit dem Degen nach ihr that, konnte alſo nicht anders als unwirkſam bleiben, weil der elektriſche Schlag ſeinen Arm lähmte.","norm":"Der Streich, den Lord Seymour mit dem Degen nach ihr tat, konnte also nicht anders als unwirksam bleiben, weil der elektrische Schlag seinen Arm lähmte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1099,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1100,"orig":"Mit dem Degen hätte dieſes ſeine Richtigkeit.","norm":"Mit dem Degen hätte dieses seine Richtigkeit."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1101,"orig":"Aber die Kugel, die der Sicilianer auf ſie abſchoß, und welche wir langſam auf dem Altar rollen hörten?","norm":"Aber die Kugel, die der Sizilianer auf sie abschoss, und welche wir langsam auf dem Altar rollen hörten?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1102,"orig":"„Wiſſen Sie auch gewiß daß es die abgeſchoſſene Kugel war, die wir rollen hörten?","norm":"„Wissen Sie auch gewiss dass es die abgeschossene Kugel war, die wir rollen hörten?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1103,"orig":"— Davon will ich gar nicht einmal reden, daß die Marionette oder der Menſch, der den Geiſt vorſtellte, ſo gut umpanzert ſeyn konnte, daß er ſchußund degenfeſt war — Aber denken Sie doch ein wenig nach, wer es war, der die Piſtolen geladen.","norm":"— Davon will ich gar nicht einmal reden, dass die Marionette oder der Mensch, der den Geist vorstellte, so gut umpanzert sein konnte, dass er schußund degenfest war — Aber denken Sie doch ein wenig nach, wer es war, der die Pistolen geladen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1104,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1105,"orig":"Es iſt wahr, ſagte ich, — und ein plötzliches Licht ging mir auf — Der Ruſſe hatte ſie geladen.","norm":"Es ist wahr, sagte ich, — und ein plötzliches Licht ging mir auf — der Russe hatte sie geladen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1106,"orig":"Aber dieſes geſchah vor unſern Augen, wie hätte da ein Betrug vorgehen können?","norm":"Aber dieses geschah vor unseren Augen, wie hätte da ein Betrug vorgehen können?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1107,"orig":"„Und warum hätte er nicht ſollen vorgehen können?","norm":"„Und warum hätte er nicht sollen vorgehen können?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1108,"orig":"Sezten Sie denn ſchon damals ein Mißtrauen in dieſen Menſchen, daß Sie es für nöthig befunden hätten, ihn zu beobachten?","norm":"Setzten Sie denn schon damals ein Misstrauen in diesen Menschen, dass Sie es für nötig befunden hätten, ihn zu beobachten?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1109,"orig":"Unterſuchten Sie die Kugel, eh' er ſie in den Lauf brachte, die eben ſo gut eine queckſilberne oder auch nur eine bemahlte Thonkugel ſeyn konnte?","norm":"Untersuchten Sie die Kugel, ehe er sie in den Lauf brachte, die ebenso gut eine quecksilberne oder auch nur eine bemalte Tonkugel sein konnte?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1110,"orig":"Gaben Sie Acht, ob er ſie auch wirklich in den Lauf der Piſtole, oder nicht nebenbey in ſeine Hand fallen ließ?","norm":"Gaben Sie Acht, ob er sie auch wirklich in den Lauf der Pistole, oder nicht nebenbei in seine Hand fallen ließ?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1111,"orig":"Was überzeugt Sie — geſezt er hätte ſie auch wirklich ſcharf geladen — daß er gerade die geladenen in den andern Pavillon mit hinüber nahm, und nicht vielmehr ein andres Paar unterſchob, welches ſo leicht anging, da es niemand einfiel, ihn zu beobachten, und wir überdieß mit dem Auskleiden beſchäftigt waren?","norm":"Was überzeugt sie — gesetzt er hätte sie auch wirklich scharf geladen — dass er gerade die geladenen in den anderen Pavillon mit hinübernahm, und nicht vielmehr ein anderes Paar unterschob, welches so leicht anging, da es niemand einfiel, ihn zu beobachten, und wir überdies mit dem Auskleiden beschäftigt waren?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1112,"orig":"Und konnte die Geſtalt nicht in dem Augenblicke, da der Pulverrauch ſie uns entzog, eine andre Kugel, womit ſie auf den Nothfall verſehen war, auf den Altar fallen laſſen?","norm":"Und konnte die Gestalt nicht in dem Augenblicke, da der Pulverrauch sie uns entzog, eine andere Kugel, womit sie auf den Notfall versehen war, auf den Altar fallen lassen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1113,"orig":"Welcher von allen dieſen Fällen iſt der unmögliche?“","norm":"Welcher von allen diesen Fällen ist der unmögliche?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1114,"orig":"Sie haben Recht.","norm":"Sie haben Recht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1115,"orig":"Aber dieſe treffende Aehnlichkeit der Geſtalt mit Ihrem verſtorbenen Freunde — Ich habe ihn ja auch ſehr oft bey Ihnen geſehen, und in dem Geiſte hab' ich ihn auf der Stelle wieder erkannt.","norm":"Aber diese treffende Ähnlichkeit der Gestalt mit Ihrem verstorbenen Freunde — Ich habe ihn ja auch sehr oft bei Ihnen gesehen, und in dem Geiste habe ich ihn auf der Stelle wiedererkannt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1116,"orig":"„Auch ich — und ich kann nicht anders ſagen, als daß die Täuſchung auf's höchſte getrieben war.","norm":"„Auch ich — und ich kann nicht anders sagen, als dass die Täuschung aufs Höchste getrieben war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1117,"orig":"Wenn aber nun dieſer Sicilianer, nach einigen wenigen verſtohlnen Blicken, die er auf meine Tabatiere warf, auch in ſein Gemählde eine Aehnlichkeit zu bringen wußte, die Sie und mich hinterging, warum nicht um ſo viel mehr der Ruſſe, der während der ganzen Tafel den freyen Gebrauch meiner Tabatiere hatte, der den Vortheil genoß, immer und durchaus unbeobachtet zu bleiben, und dem ich noch außerdem im Vertrauen entdeckt hatte, wer mit dem Bilde auf der Doſe gemeynt ſey?","norm":"Wenn aber nun dieser Sizilianer, nach einigen wenigen verstohlenen Blicken, die er auf meine Tabatiere warf, auch in sein Gemälde eine Ähnlichkeit zu bringen wusste, die Sie und mich hinterging, warum nicht um so viel mehr der Russe, der während der ganzen Tafel den freien Gebrauch meiner Tabatiere hatte, der den Vorteil genoss, immer und durchaus unbeobachtet zu bleiben, und dem ich noch außerdem im Vertrauen entdeckt hatte, wer mit dem Bilde auf der Dose gemeint sei?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1118,"orig":"— Setzen Sie hinzu — was auch der Sicilianer anmerkte — daß das Charakteriſtiſche des Marquis in lauter ſolchen Geſichtszügen liegt, die ſich auch im Groben nachahmen laſſen — wo bleibt dann das Unerklärbare in dieſer ganzen Erſcheinung?“","norm":"— Setzen Sie hinzu — was auch der Sizilianer anmerkte — dass das Charakteristische des Marquis in lauter solchen Gesichtszügen liegt, die sich auch im Groben nachahmen lassen — wo bleibt dann das Unerklärbare in dieser ganzen Erscheinung?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1119,"orig":"Aber der Inhalt ſeiner Worte?","norm":"Aber der Inhalt seiner Worte?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1120,"orig":"Der Aufſchluß über Ihren Freund?","norm":"Der Aufschluss über Ihren Freund?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1121,"orig":"„Wie?","norm":"„Wie?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1122,"orig":"ſagte uns denn der Sicilianer nicht, daß er aus dem wenigen, was er mir abfragte, eine ähnliche Geſchichte zuſammengeſezt habe?","norm":"Sagte uns denn der Sizilianer nicht, dass er aus dem wenigen, was er mir abfragte, eine ähnliche Geschichte zusammengesetzt habe?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1123,"orig":"Beweiſ't dieſes nicht, wie natürlich gerade auf dieſe Erfindung zu fallen war?","norm":"Beweist dieses nicht, wie natürlich gerade auf diese Erfindung zu fallen war?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1124,"orig":"Ueberdieß klangen die Antworten des Geiſtes ſo orakelmäßig dunkel, daß er gar nicht Gefahr laufen konnte, auf einem Widerſpruch betreten zu werden.","norm":"Überdies klangen die Antworten des Geistes so orakelmäßig dunkel, dass er gar nicht Gefahr laufen konnte, auf einem Widerspruch betreten zu werden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1125,"orig":"Setzen Sie, daß die Kreatur des Gauklers, die den Geiſt machte, Scharfſinn und Beſonnenheit beſaß, und von den Umſtänden nur ein wenig unterrichtet war — wie weit hätte dieſe Gaukeley nicht noch geführt werden können?“","norm":"Setzen Sie, dass die Kreatur des Gauklers, die den Geist machte, Scharfsinn und Besonnenheit besaß, und von den Umständen nur ein wenig unterrichtet war — wie weit hätte diese Gaukelei nicht noch geführt werden können?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1126,"orig":"Aber überlegen Sie, gnädigſter Herr, wie weitläuftig die Anſtalten zu einem ſo zuſammengeſezten Betrug von Seiten des Armeniers hätten ſeyn müſſen!","norm":"Aber überlegen Sie, gnädigster Herr, wie weitläufig die Anstalten zu einem so zusammengesetzten Betrug von Seiten des Armeniers hätten sein müssen!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1127,"orig":"Wie viele Zeit dazu gehört haben würde!","norm":"Wie viele Zeit dazugehört haben würde!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1128,"orig":"Wie viele Zeit nur, einen menſchlichen Kopf einem andern ſo getreu nachzumahlen, als hier vorausgeſezt wird!","norm":"Wie viele Zeit nur, einen menschlichen Kopf einem anderen so getreu nachzumalen, als hier vorausgesetzt wird!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1129,"orig":"Wie viele Zeit, dieſen untergeſchobenen Geiſt ſo gut zu unterrichten, daß man vor einem groben Irrthum geſichert war!","norm":"Wie viele Zeit, diesen untergeschobenen Geist so gut zu unterrichten, dass man vor einem groben Irrtum gesichert war!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1130,"orig":"Wie viele Aufmerkſamkeit die kleinen unnennbaren Nebendinge würden erfordert haben, welche entweder mithelfen, oder denen, weil ſie ſtören konnten, auf irgend eine Art doch begegnet werden mußte!","norm":"Wie viele Aufmerksamkeit die kleinen unnennbaren Nebendinge würden erfordert haben, welche entweder mithelfen, oder denen, weil sie stören konnten, auf irgendeine Art doch begegnet werden musste!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1131,"orig":"Und nun erwägen Sie, daß der Ruſſe nicht über eine halbe Stunde abweſend war.","norm":"Und nun erwägen Sie, dass der Russe nicht über eine halbe Stunde abwesend war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1132,"orig":"Konnte wohl in nicht mehr als einer halben Stunde alles angeordnet werden, was hier nur das Unentbehrlichſte war?","norm":"Konnte wohl in nicht mehr als einer halben Stunde alles angeordnet werden, was hier nur das Unentbehrlichste war?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1133,"orig":"— Wahrlich, gnädigſter Herr, ſelbſt nicht einmal ein dramatiſcher Schriftſteller, der um die unerbittlichen drey Einheiten ſeines Ariſtoteles verlegen war, würde einem Zwiſchenakt ſo viel Handlung aufgelaſtet, noch ſeinem Parterre einen ſo ſtarken Glauben zugemuthet haben.","norm":"— Wahrlich, gnädigster Herr, selbst nicht einmal ein dramatischer Schriftsteller, der um die unerbittlichen drei Einheiten seines Aristoteles verlegen war, würde einem Zwischenakt soviel Handlung aufgelastet, noch seinem Parterre einen so starken Glauben zugemutet haben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1134,"orig":"„Wie?","norm":"„Wie?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1135,"orig":"Sie halten es alſo ſchlechterdings für unmöglich, daß in dieſer kleinen halben Stunde alle dieſe Anſtalten hätten getroffen werden können?“","norm":"Sie halten es also schlechterdings für unmöglich, dass in dieser kleinen halben Stunde alle diese Anstalten hätten getroffen werden können?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1136,"orig":"In der That, rief ich, für ſo gut als unmöglich.","norm":"In der Tat, rief ich, für so gut als unmöglich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1137,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1138,"orig":"„Dieſe Redensart verſtehe ich nicht.","norm":"„Diese Redensart verstehe ich nicht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1139,"orig":"Widerſpricht es allen Geſetzen der Zeit, des Raums und der phyſiſchen Wirkungen, daß ein ſo gewandter Kopf, wie doch unwiderſprechlich dieſer Armenier iſt, mit Hülfe ſeiner vielleicht eben ſo gewandten Kreaturen, in der Hülle der Nacht, von niemand beobachtet, mit allen Hülfsmitteln ausgerüſtet, von denen ſich ein Mann dieſes Handwerks ohnehin niemals trennen wird, daß ein ſolcher Menſch, von ſolchen Umſtänden begünſtigt, in ſo weniger Zeit ſo viel zu Stand bringen könnte?","norm":"Widerspricht es allen Gesetzen der Zeit, des Raums und der physischen Wirkungen, dass ein so gewandter Kopf, wie doch unwidersprechlich dieser Armenier ist, mit Hilfe seiner vielleicht ebenso gewandten Kreaturen, in der Hülle der Nacht, von niemand beobachtet, mit allen Hilfsmitteln ausgerüstet, von denen sich ein Mann dieses Handwerks ohnehin niemals trennen wird, dass ein solcher Mensch, von solchen Umständen begünstigt, in so weniger Zeit soviel zustande bringen könnte?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1140,"orig":"Iſt es geradezu undenkbar, und abgeſchmackt zu glauben, daß er mit Hülfe weniger Worte, Befehle oder Winke ſeinen Helfershelfern weitläuftige Aufträge geben, weitläuftige und zuſammengeſezte Operationen mit wenigem Wortaufwande bezeichnen könne?","norm":"Ist es geradezu undenkbar, und abgeschmackt zu glauben, dass er mit Hilfe weniger Worte, Befehle oder Winke seinen Helfershelfern weitläufige Aufträge geben, weitläufige und zusammengesetzte Operationen mit wenigem Wortaufwande bezeichnen könne?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1141,"orig":"— Und darf etwas anders, als eine hell eingeſehene Unmöglichkeit gegen die ewigen Geſetze der Natur aufgeſtellt werden?","norm":"— Und darf etwas anderes, als eine hell eingesehene Unmöglichkeit gegen die ewigen Gesetze der Natur aufgestellt werden?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1142,"orig":"Wollen Sie lieber ein Wunder glauben, als eine Unwahrſcheinlichkeit zugeben?","norm":"Wollen Sie lieber ein Wunder glauben, als eine Unwahrscheinlichkeit zugeben?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1143,"orig":"lieber die Kräfte der Natur umſtürzen, als eine künſtliche und weniger gewöhnliche Combinatien dieſer Kräfte ſich gefallen laſſen?“","norm":"lieber die Kräfte der Natur umstürzen, als eine künstliche und weniger gewöhnliche Kombination dieser Kräfte sich gefallen lassen?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1144,"orig":"Wenn die Sache auch eine ſo kühne Folgerung nicht rechtfertigt, ſo müſſen Sie mir doch eingeſtehen, daß ſie weit über unſre Begriffe geht.","norm":"Wenn die Sache auch eine so kühne Folgerung nicht rechtfertigt, so müssen Sie mir doch eingestehen, dass sie weit über unsere Begriffe geht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1145,"orig":"„Beynahe hätte ich Luſt, Ihnen auch dieſes abzuſtreiten,“ ſagte der Prinz mit ſchalkhafter Munterkeit.","norm":"„Beinahe hätte ich Lust, Ihnen auch dieses abzustreiten,“ sagte der Prinz mit schalkhafter Munterkeit."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1146,"orig":"„Wie, lieber Graf?","norm":"„Wie, lieber Graf?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1147,"orig":"wenn es ſich, zum Beyſpiel, ergäbe, daß nicht bloß während und nach dieſer halben Stunde, nicht bloß in der Eile und nebenher, ſondern den ganzen Abend und die ganze Nacht für dieſen Armenier gearbeitet worden?","norm":"wenn es sich, zum Beispiel, ergäbe, dass nicht bloß während und nach dieser halben Stunde, nicht bloß in der Eile und nebenher, sondern den ganzen Abend und die ganze Nacht für diesen Armenier gearbeitet worden?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1148,"orig":"Denken Sie nach, daß der Sicilianer beynahe drey volle Stunden zu ſeinen Zurüſtungen verbrauchte.","norm":"Denken Sie nach, dass der Sizilianer beinahe drei volle Stunden zu seinen Zurüstungen verbrauchte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1149,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1150,"orig":"Der Sicilianer, gnädigſter Herr!","norm":"Der Sizilianer, gnädigster Herr!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1151,"orig":"Und womit beweiſen Sie mir denn, daß der Sicilianer an dem zweyten Geſpenſte nicht eben ſo vielen Antheil gehabt habe, als an dem erſten? „","norm":"Und womit beweisen Sie mir denn, dass der Sizilianer an dem zweiten Gespenste nicht ebenso vielen Anteil gehabt habe, als an dem ersten? „"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1152,"orig":"Wie, gnädigſter Herr?","norm":"Wie, gnädigster Herr?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1153,"orig":"„Daß er nicht der vornehmſte Helfershelfer des Armeniers war — kurz — daß beyde nicht mit einander unter einer Decke liegen?“","norm":"„Dass er nicht der vornehmste Helfershelfer des Armeniers war — kurz — dass beide nicht miteinander unter einer Decke liegen?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1154,"orig":"Das möchte ſchwer zu erweiſen ſeyn, rief ich mit nicht geringer Verwunderung.","norm":"Das möchte schwer zu erweisen sein, rief ich mit nicht geringer Verwunderung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1155,"orig":"„Nicht ſo ſchwer, lieber Graf, als Sie wohl meynen.","norm":"„Nicht so schwer, lieber Graf, als Sie wohl meinen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1156,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1157,"orig":"Es wäre Zufall, daß ſich dieſe beyden Menſchen in einem ſo ſeltſamen, ſo verwickelten Anſchlag auf dieſelbe Perſon, zu derſelben Zeit und an demſelben Orte begegneten, daß ſich unter ihren beyderſeitigen Operationen eine ſo auffallende Harmonie, ein ſo durchdachtes Einverſtändniß fände, daß einer dem andern gleichſam in die Hände arbeitete?","norm":"Es wäre Zufall, dass sich diese beiden Menschen in einem so seltsamen, so verwickelten Anschlag auf dieselbe Person, zu derselben Zeit und an demselben Orte begegneten, dass sich unter ihren beiderseitigen Operationen eine so auffallende Harmonie, ein so durchdachtes Einverständnis fände, dass einer dem anderen gleichsam in die Hände arbeitete?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1158,"orig":"Setzen Sie, er habe ſich des gröbern Gaukelſpiels bedient, um dem feinern eine Folie unterzulegen.","norm":"Setzen Sie, er habe sich des gröberen Gaukelspiels bedient, um dem feineren eine Folie unterzulegen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1159,"orig":"Er ſchuf ſich einen Hektor, um ſein Achilles zu ſeyn.","norm":"Er schuf sich einen Hektor, um sein Achilles zu sein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1160,"orig":"Setzen Sie, er habe jenes vorausgeſchickt, um den Grad von Glauben auszufinden, worauf er bey mir zu rechnen hätte; um die Zugänge zu meinem Vertrauen auszuſpähen; um ſich durch dieſen Verſuch, der unbeſchadet ſeines übrigen Planes verunglücken konnte, mit ſeinem Subjecte zu familiariſiren; kurz, um ſein Inſtrument damit anzuſpielen.","norm":"Setzen Sie, er habe jenes vorausgeschickt, um den Grad von Glauben auszufinden, worauf er bei mir zu rechnen hätte; um die Zugänge zu meinem Vertrauen auszuspähen; um sich durch diesen Versuch, der unbeschadet seines übrigen Planes verunglücken konnte, mit seinem Subjekte zu familiarisieren; kurz, um sein Instrument damit anzuspielen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1161,"orig":"Setzen Sie, er habe es gethan, um eben dadurch, daß er meine Aufmerkſamkeit auf einer Seite vorſetzl ch aufforderte und wach erhielt, ſie auf einer andern, die ihm wichtiger war, einſchlummern zu laſſen.","norm":"Setzen Sie, er habe es getan, um eben dadurch, dass er meine Aufmerksamkeit auf einer Seite vorsetzl ch aufforderte und wach erhielt, sie auf einer anderen, die ihm wichtiger war, einschlummern zu lassen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1162,"orig":"Setzen Sie, er habe einige Erkundigungen einzuziehen gehabt, von denen er wünſchte, daß ſie auf Rechnung des Taſchenſpielers geſchrieben würden, um den Argwohn von der wahren Spur zu entfernen.","norm":"Setzen Sie, er habe einige Erkundigungen einzuziehen gehabt, von denen er wünschte, dass sie auf Rechnung des Taschenspielers geschrieben würden, um den Argwohn von der wahren Spur zu entfernen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1163,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1164,"orig":"Wie meynen Sie das?","norm":"Wie meinen Sie das?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1165,"orig":"„Laſſen Sie uns annehmen, er habe einen meiner Leute beſtochen, um durch ihn gewiſſe geheime Nachrichten — vielleicht gar Dokumente — zu erhalten, die zu ſeinem Zwecke dienen.","norm":"„Lassen Sie uns annehmen, er habe einen meiner Leute bestochen, um durch ihn gewisse geheime Nachrichten — vielleicht gar Dokumente — zu erhalten, die zu seinem Zwecke dienen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1166,"orig":"Ich vermiſſe meinen Jäger.","norm":"Ich vermisse meinen Jäger."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1167,"orig":"Was hindert mich, zu glauben, daß der Armenier bey der Entweichung dieſes Menſchen mit im Spiele ſey?","norm":"Was hindert mich, zu glauben, dass der Armenier bei der Entweichung dieses Menschen mit im Spiele sei?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1168,"orig":"Aber der Zufall kann es fügen, daß ich hinter dieſe Schliche komme; ein Brief kann aufgefangen werden, ein Bedienter zu plaudern.","norm":"Aber der Zufall kann es fügen, dass ich hinter diese Schliche komme; ein Brief kann aufgefangen werden, ein Bedienter zu plaudern."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1169,"orig":"Sein ganzes Anſehen ſcheitert, wenn ich die Quellen ſeiner Allwiſſenheit entdecke.","norm":"Sein ganzes Ansehen scheitert, wenn ich die Quellen seiner Allwissenheit entdecke."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1170,"orig":"Er ſchiebt alſo dieſen Taſchenſpieler ein, der dieſen oder jenen Anſchlag auf mich haben muß.","norm":"Er schiebt also diesen Taschenspieler ein, der diesen oder jenen Anschlag auf mich haben muss."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1171,"orig":"Von dem Daſeyn und den Abſichten dieſes Menſchen unterläßt er nicht mir frühzeitig einen Wink zu geben.","norm":"Von dem Dasein und den Absichten dieses Menschen unterlässt er nicht mir frühzeitig einen Wink zu geben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1172,"orig":"Was ich alſo auch entdecken mag, ſo wird mein Verdacht auf niemand anders als auf dieſen Gaukler fallen; und zu den Nachforſchungen, welche ihm, dem Armenier, zu gute kommen, wird der Sicilianer ſeinen Namen geben.","norm":"Was ich also auch entdecken mag, so wird mein Verdacht auf niemand anders als auf diesen Gaukler fallen; und zu den Nachforschungen, welche ihm, dem Armenier, zugutekommen, wird der Sizilianer seinen Namen geben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1173,"orig":"Dieſes war die Puppe, mit der er mich ſpielen läßt, während daß er ſelbſt, unbeobachtet und unverdächtig, mit unſichtbaren Seilen mich umwindet.","norm":"Dieses war die Puppe, mit der er mich spielen lässt, während dass er selbst, unbeobachtet und unverdächtig, mit unsichtbaren Seilen mich umwindet."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1174,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1175,"orig":"Sehr gut!","norm":"Sehr gut!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1176,"orig":"Aber wie läßt es ſich mit dieſen Abſichten reimen, daß er ſelbſt dieſe Täuſchung zerſtören hilft, und die Geheimniſſe ſeiner Kunſt profanen Augen preis giebt?","norm":"Aber wie lässt es sich mit diesen Absichten reimen, dass er selbst diese Täuschung zerstören hilft, und die Geheimnisse seiner Kunst profanen Augen preisgibt?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1177,"orig":"„Was ſind es für Geheimniſſe, die er mir preis giebt?","norm":"„Was sind es für Geheimnisse, die er mir preisgibt?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1178,"orig":"Keines von denen zuverläſſig, die er Luſt hat, bey mir in Ausübung zu bringen.","norm":"Keines von denen zuverlässig, die er Lust hat, bei mir in Ausübung zu bringen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1179,"orig":"Er hat alſo durch ihre Profanation nichts verloren — Aber wie viel hat er im Gegentheil gewonnen, wenn dieſer vermeyntliche Triumph über Betrug und Taſchenſpielerey mich ſicher und zuverſichtlich macht, wenn es ihm dadurch gelang, meine Wachſamkeit nach einer entgegengeſezten Richtung zu lenken, meinen noch unbeſtimmt umher ſchweifenden Argwohn auf Gegenſtände zu fixiren, die von dem eigentlichen Ort des Angriffs am weitſten entlegen ſind?","norm":"Er hat also durch ihre Profanation nichts verloren — Aber wie viel hat er im Gegenteil gewonnen, wenn dieser vermeintliche Triumph über Betrug und Taschenspielerei mich sicher und zuversichtlich macht, wenn es ihm dadurch gelang, meine Wachsamkeit nach einer entgegengesetzten Richtung zu lenken, meinen noch unbestimmt umherschweifenden Argwohn auf Gegenstände zu fixieren, die von dem eigentlichen Ort des Angriffs am weitesten entlegen sind?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1180,"orig":"Er konnte erwarten, daß ich, früher oder ſpäter, aus eignem Mißtrauen oder fremdem Antrieb, den Schlüſſel zu ſeinen Wundern in der Taſchenſpielerkunſt aufſuchen würde.","norm":"Er konnte erwarten, dass ich, früher oder später, aus eigenem Misstrauen oder fremdem Antrieb, den Schlüssel zu seinen Wundern in der Taschenspielerkunst aufsuchen würde."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1181,"orig":"— Was konnte er beßres thun, als daß er ſie ſelbſt neben einander ſtellte, daß er mir gleichſam den Maßſtab dazu in die Hand gab, und, indem er der leztern eine künſtliche Grenze ſezte, meine Begriffe von den erſtern deſto mehr erhöhete oder verwirrte.","norm":"— Was konnte er besseres tun, als dass er sie selbst nebeneinander stellte, dass er mir gleichsam den Maßstab dazu in die Hand gab, und, indem er der letzten eine künstliche Grenze setzte, meine Begriffe von den ersteren desto mehr erhöhte oder verwirrte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1182,"orig":"Wie viele Muthmaßungen hat er durch dieſen Kunſtgriff auf einmal abgeſchnitten!","norm":"Wie viele Mutmaßungen hat er durch diesen Kunstgriff auf einmal abgeschnitten!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1183,"orig":"wie viele Erklärungsarten im voraus widerlegt, auf die ich in der Folge vielleicht hätte fallen mögen!“","norm":"wie viele Erklärungsarten im Voraus widerlegt, auf die ich in der Folge vielleicht hätte fallen mögen!“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1184,"orig":"So hat er wenigſtens ſehr gegen ſich ſelbſt gehandelt, daß er die Augen derer, die er täuſchen wollte, ſchärfte, und ihren Glauben an Wunderkraft durch Entzifferung eines ſo künſtlichen Betrugs überhaupt ſinken machte.","norm":"So hat er wenigstens sehr gegen sich selbst gehandelt, dass er die Augen derer, die er täuschen wollte, schärfte, und ihren Glauben an Wunderkraft durch Entzifferung eines so künstlichen Betrugs überhaupt sinken machte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1185,"orig":"Sie ſelbſt, gnädigſter Herr, ſind die beſte Widerlegung ſeines Plans wenn er ja einen gehabt hat.","norm":"Sie selbst, gnädigster Herr, sind die beste Widerlegung seines Plans wenn er ja einen gehabt hat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1186,"orig":"„Er hat ſich in mir vielleicht geirret — aber er hat darum nicht weniger ſcharfſinnig raiſonniret.","norm":"„Er hat sich in mir vielleicht geirrt — aber er hat darum nicht weniger scharfsinnig räsoniert."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1187,"orig":"Konnte er voraus ſehen, daß mir gerade dasjenige im Gedächtniß bleiben würde, welches der Schlüſſel zu dem Wunder werden könnte?","norm":"Konnte er voraussehen, dass mir gerade dasjenige im Gedächtnis bleiben würde, welches der Schlüssel zu dem Wunder werden könnte?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1188,"orig":"Lag es in ſeinem Plan, daß mir die Kreatur, deren er ſich bediente, ſolche Blößen geben ſollte?","norm":"Lag es in seinem Plan, dass mir die Kreatur, deren er sich bediente, solche Blößen geben sollte?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1189,"orig":"Wiſſen wir, ob dieſer Sicilianer ſeine Vollmacht nicht weit überſchritten hat?","norm":"Wissen wir, ob dieser Sizilianer seine Vollmacht nicht weit überschritten hat?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1190,"orig":"— Mit dem Ringe gewiß — und doch iſt es hauptſächlich dieſer einzige Umſtand, der mein Mißtrauen gegen dieſen Menſchen entſchieden hat.","norm":"— Mit dem Ringe gewiss — und doch ist es hauptsächlich dieser einzige Umstand, der mein Misstrauen gegen diesen Menschen entschieden hat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1191,"orig":"Wie leicht kann ein ſo zugeſpizter feiner Plan durch ein gröberes Organ verunſtaltet werden?","norm":"Wie leicht kann ein so zugespitzter feiner Plan durch ein gröberes Organ verunstaltet werden?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1192,"orig":"Sicherlich war es ſeine Meynung nicht, daß uns der Taſchenſpieler ſeinen Ruhm im Marktſchreyertone vorpoſaunen ſollte — daß er uns jene Mährchen aufſchüſſeln ſollte, die ſich beym leichteſten Nachdenken widerlegen.","norm":"Sicherlich war es seine Meinung nicht, dass uns der Taschenspieler seinen Ruhm im Marktschreierton vorposaunen sollte — dass er uns jene Märchen aufschüsseln sollte, die sich beim leichtesten Nachdenken widerlegen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1193,"orig":"So zum Beyſpiel — mit welcher Stirne kann dieſer Charlatan behaupten, daß ſein Wunderthäter auf den Glockenſchlag Zwölfe in der Nacht jeden Umgang mit Menſchen aufheben müſſe?","norm":"So zum Beispiel — mit welcher Stirn kann dieser Scharlatan behaupten, dass sein Wundertäter auf den Glockenschlag Zwölf in der Nacht jeden Umgang mit Menschen aufheben müsse?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1194,"orig":"Haben wir ihn nicht, ſelbſt um dieſe Zeit in unſrer Mitte geſehen?“","norm":"Haben wir ihn nicht, selbst um diese Zeit in unserer Mitte gesehen?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1195,"orig":"Das iſt wahr, rief ich.","norm":"Das ist wahr, rief ich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1196,"orig":"Das muß er vergeſſen haben!","norm":"Das muss er vergessen haben!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1197,"orig":"„Aber es liegt im Charakter dieſer Art Leute, daß ſie ſolche Aufträge übertreiben, und durch das Zuviel alles verſchlimmern, was ein beſcheidener und mäßiger Betrug vortrefflich gemacht hätte.","norm":"„Aber es liegt im Charakter dieser Art Leute, dass sie solche Aufträge übertreiben, und durch das Zuviel alles verschlimmern, was ein bescheidener und mäßiger Betrug vortrefflich gemacht hätte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1198,"orig":"“ Ich kann es demungeachtet noch nicht über mich gewinnen, gnädigſter Herr, dieſe ganze Sache für nichts mehr, als ein angeſtelltes Spiel zu halten.","norm":"“ Ich kann es dem ungeachtet noch nicht über mich gewinnen, gnädigster Herr, diese ganze Sache für nichts mehr, als ein angestelltes Spiel zu halten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1199,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1200,"orig":"Der Schrecken des Sicilianers, die Zuckungen, die Ohnmacht, der ganze klägliche Zuſtand dieſes Menſchen, der uns ſelbſt Erbarmen einflößte — alles dieſes wäre nur eine eingelernte Rolle geweſen?","norm":"Der Schrecken des Sizilianers, die Zuckungen, die Ohnmacht, der ganze klägliche Zustand dieses Menschen, der uns selbst Erbarmen einflößte — alles dieses wäre nur eine eingelernte Rolle gewesen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1201,"orig":"Zugegeben, daß ſich das theatraliſche Gaukelſpiel auch noch ſo weit treiben laſſe, ſo kann die Kunſt des Akteurs doch nicht über die Organe ſeines Lebens gebieten.","norm":"Zugegeben, dass sich das theatralische Gaukelspiel auch noch so weit treiben lasse, so kann die Kunst des Akteurs doch nicht über die Organe seines Lebens gebieten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1202,"orig":"„Was das anbetrifft, Freund — Ich habe Richard den Dritten von Garrick geſehen — Und waren wir in dieſem Augenblicke kalt und müßig genug, um unbefangene Beobachter abzugeben?","norm":"„Was das anbetrifft, Freund — Ich habe Richard den Dritten von Garrick gesehen — und waren wir in diesem Augenblicke kalt und müßig genug, um unbefangene Beobachter abzugeben?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1203,"orig":"Konnten wir den Affekt dieſes Menſchen prüfen, da uns der unſrige übermeiſterte?","norm":"Konnten wir den Affekt dieses Menschen prüfen, da uns der unsrige übermeisterte?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1204,"orig":"Ueberdieß iſt die entſcheidende Kriſe, auch ſogar eines Betrugs, für den Betrüger ſelbſt eine ſo wichtige Angelegenheit, daß bey ihm die Erwartung gar leicht ſo gewaltſame Symptome erzeugen kann, als die Ueberraſchung bey dem Betrogenen.","norm":"Überdies ist die entscheidende Krise, auch sogar eines Betrugs, für den Betrüger selbst eine so wichtige Angelegenheit, dass bei ihm die Erwartung gar leicht so gewaltsame Symptome erzeugen kann, als die Überraschung bei dem Betrogenen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1205,"orig":"Rechnen Sie dazu noch die unvermuthete Erſcheinung der Häſcher —“","norm":"Rechnen Sie dazu noch die unvermutete Erscheinung der Häscher —“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1206,"orig":"Eden dieſe, gnädigſter Herr — Gut, daß Sie mich daran erinnern — Würde er es wohl gewagt haben, einen ſo gefährlichen Plan dem Auge der Gerechtigkeit bloß zu ſtellen?","norm":"Eben diese, gnädigster Herr — Gut, dass Sie mich daran erinnern — Würde er es wohl gewagt haben, einen so gefährlichen Plan dem Auge der Gerechtigkeit bloßzustellen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1207,"orig":"Die Treue ſeiner Kreatur auf eine ſo bedenkliche Probe zu bringen?","norm":"Die Treue seiner Kreatur auf eine so bedenkliche Probe zu bringen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1208,"orig":"— Und zu welchem Ende?","norm":"— Und zu welchem Ende?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1209,"orig":"„Dafür laſſen Sie ihn ſorgen, der ſeine Leute kennen muß.","norm":"„Dafür lassen Sie ihn Sorgen, der seine Leute kennen muss."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1210,"orig":"Wiſſen wir, was für geheime Verbrechen ihm für die Verſchwiegenheit dieſes Menſchen haften?","norm":"Wissen wir, was für geheime Verbrechen ihm für die Verschwiegenheit dieses Menschen haften?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1211,"orig":"— Sie haben gehört, welches Amt er in Venedig bekleidet — Wie viel wird es ihm wohl koſten, dieſem Kerl durchzuhelfen, der keinen andern Ankläger hat, als ihn?“","norm":"— Sie haben gehört, welches Amt er in Venedig bekleidet — wie viel wird es ihm wohl kosten, diesem Kerl durchzuhelfen, der keinen anderen Ankläger hat, als ihn?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1212,"orig":"(Und in der That hat der Ausgang den Verdacht des Prinzen in dieſem Stück nur zu ſehr gerechtfertigt.","norm":"(Und in der Tat hat der Ausgang den Verdacht des Prinzen in diesem Stück nur zu sehr gerechtfertigt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1213,"orig":"Als wir uns einige Tage darauf nach unſerm Gefangenen erkundigen ließen, erhielten wir zur Antwort, daß er unſichtbar geworden ſey.","norm":"Als wir uns einige Tage darauf nach unserem Gefangenen erkundigen ließen, erhielten wir zur Antwort, dass er unsichtbar geworden sei."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1214,"orig":")","norm":")"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1215,"orig":"„Und zu welchem Ende, fragen Sie?","norm":"„Und zu welchem Ende, fragen Sie?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1216,"orig":"Auf welchem andern Weg, als auf dieſem gewaltſamen, konnte er dem Sicilianer eine ſo unwahrſcheinliche und ſchimpfliche Beichte abfordern laſſen, worauf es doch ſo weſentlich ankam?","norm":"Auf welchem anderen Weg, als auf diesem gewaltsamen, konnte er dem Sizilianer eine so unwahrscheinliche und schimpfliche Beichte abfordern lassen, worauf es doch so wesentlich ankam?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1217,"orig":"Wer als ein verzweifelter Menſch, der nichts mehr zu verlieren hat, wird ſich entſchließen können, ſo erniedrigende Aufſchlüſſe über ſich ſelbſt zu geben?","norm":"Wer als ein verzweifelter Mensch, der nichts mehr zu verlieren hat, wird sich entschließen können, so erniedrigende Aufschlüsse über sich selbst zu geben?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1218,"orig":"Unter welchen andern Umſtänden hätten wir ſie ihm geglaubt?“","norm":"Unter welchen anderen Umständen hätten wir sie ihm geglaubt?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1219,"orig":"Alles zugegeben, gnädigſter Prinz, ſagte ich endlich.","norm":"Alles zugegeben, gnädigster Prinz, sagte ich endlich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1220,"orig":"Beyde Erſcheinungen ſollen Gaukelſpiele geweſen ſeyn, dieſer Sicilianer ſoll uns meinethalben nur ein Mährchen aufgeheftet haben, das ihn ſein Principal einlernen ließ, beyde ſollen zu einem Zweck, mit einander einverſtanden, wirken, und aus dieſem Einverſtändniß ſollen alle jene wunderbaren Zufälle ſich erklären laſſen, die uns im Laufe dieſer Begebenheit in Erſtaunen geſezt haben.","norm":"Beide Erscheinungen sollen Gaukelspiele gewesen sein, dieser Sizilianer soll uns meinethalben nur ein Märchen aufgeheftet haben, das ihn sein Prinzipal einlernen ließ, beide sollen zu einem Zweck, miteinander einverstanden, wirken, und aus diesem Einverständnis sollen alle jene wunderbaren Zufälle sich erklären lassen, die uns im Laufe dieser Begebenheit in Erstaunen gesetzt haben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1221,"orig":"Jene Prophezeihung auf dem Markusplatz, das erſte Wunder, welches alle übrigen eröffnet hat, bleibt nichts deſto weniger unerklärt; und was hilft uns der Schlüſſel zu allen übrigen, wenn wir an der Auflöſung dieſes einzigen verzweifeln?","norm":"Jene Prophezeiung auf dem Markusplatz, das erste Wunder, welches alle übrigen eröffnet hat, bleibt nichtsdestoweniger unerklärt; und was hilft uns der Schlüssel zu allen übrigen, wenn wir an der Auflösung dieses einzigen verzweifeln?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1222,"orig":"„Kehren Sie es vielmehr um, lieber Graf,“ gab mir der Prinz hierauf zur Antwort.","norm":"„Kehren Sie es vielmehr um, lieber Graf,“ gab mir der Prinz hierauf zur Antwort."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1223,"orig":"„Sagen Sie, was beweiſen alle jenen Wunder, wenn ich heraus bringe, daß auch nur ein einziges Taſchenſpiel darunter war?","norm":"„Sagen Sie, was beweisen alle jenen Wunder, wenn ich herausbringe, dass auch nur ein einziges Taschenspiel darunter war?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1224,"orig":"Jene Prophezeihung — ich bekenn es Ihnen — geht über alle meine Faſſungskraft.","norm":"Jene Prophezeiung — ich bekenne es Ihnen — geht über alle meine Fassungskraft."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1225,"orig":"Stunde ſie einzeln da, hätte der Armenier ſeine Rolle mit ihr beſchloſſen, wie er ſie damit eröffnete — ich geſtehe Ihnen, ich weiß nicht, wie weit ſie mich noch hätte führen können.","norm":"Stünde sie einzeln da, hätte der Armenier seine Rolle mit ihr beschlossen, wie er sie damit eröffnete — ich gestehe Ihnen, ich weiß nicht, wie weit sie mich noch hätte führen können."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1226,"orig":"In dieſer niedrigen Geſellſchaft iſt ſie mir ein klein wenig verdächtig.","norm":"In dieser niedrigen Gesellschaft ist sie mir ein klein wenig verdächtig."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1227,"orig":"— Die Zeit wird ſie aufklären oder auch nicht aufklären — aber glauben Sie mir, Freund (indem er ſeine Hand auf die meinige legte, und eine ſehr ernſthafte Miene annahm,) ein Menſch, dem höhere Kräfte zu Gebote ſtehen, wird keines Gaukelſpiels bedürfen, oder er wird es verachten.","norm":"— Die Zeit wird sie aufklären oder auch nicht aufklären — aber glauben Sie mir, Freund (indem er seine Hand auf die meinige legte, und eine sehr ernsthafte Miene annahm,) ein Mensch, dem höhere Kräfte zu Gebote stehen, wird keines Gaukelspiels bedürfen, oder er wird es verachten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1228,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1229,"orig":"So endigte ſich eine Unterredung, die ich darum ganz hieher geſezt habe, weil ſie die Schwierigkeiten zeigt, die bey dem Prinzen zu beſiegen waren; und weil ſie, wie ich hoffe, ſein Andenken von dem Vorwurfe reinigen wird, daß er ſich blind und unbeſonnen in die Schlinge geſtürzt habe, die eine unerhörte Teufeley ihm bereitete.","norm":"So endigte sich eine Unterredung, die ich darum ganz hierher gesetzt habe, weil sie die Schwierigkeiten zeigt, die bei dem Prinzen zu besiegen waren; und weil sie, wie ich hoffe, sein Andenken von dem Vorwurfe reinigen wird, dass er sich blind und unbesonnen in die Schlinge gestürzt habe, die eine unerhörte Teufelei ihm bereitete."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1230,"orig":"Nicht alle — fährt der Graf von O * * fort — die in dem Augenblicke, wo ich dieſes ſchreibe, vielleicht mit Hohngelächter auf ſeine Schwachheit herabſehen, und im ſtolzen Dünkel ihrer nie angefochtenen Vernunft ſich für berechtigt halten, den Stab der Verdammung über ihn zu brechen, nicht alle, fürchte ich, würden dieſe erſte Probe ſo männlich überſtanden haben.","norm":"Nicht alle — fährt der Graf von O * * fort — die in dem Augenblicke, wo ich dieses schreibe, vielleicht mit Hohngelächter auf seine Schwachheit herabsehen, und im stolzen Dünkel ihrer nie angefochtenen Vernunft sich für berechtigt halten, den Stab der Verdammung über ihn zu brechen, nicht alle, fürchte ich, würden diese erste Probe so männlich überstanden haben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1231,"orig":"Wenn man ihn nunmehr auch nach dieſer glücklichen Vorbereitung deſſen ungeachtet fallen ſieht: wenn man den ſchwarzen Anſchlag, vor deſſen entfernteſter Annäherung ihn ſein guter Genius warnte, nichts deſtoweniger an ihm in Erfüllung gegangen findet, ſo wird man weniger über ſeine Thorheit ſpotten, als über die Größe des Bubenſtücks erſtaunen, dem eine ſo wohl vertheidigte Vernunft erlag.","norm":"Wenn man ihn nunmehr auch nach dieser glücklichen Vorbereitung dessen ungeachtet fallen sieht: wenn man den schwarzen Anschlag, vor dessen entferntester Annäherung ihn sein guter Genius warnte, nichtsdestoweniger an ihm in Erfüllung gegangen findet, so wird man weniger über seine Torheit spotten, als über die Größe des Bubenstücks erstaunen, dem eine so wohl verteidigte Vernunft erlag."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1232,"orig":"Weltliche Rückſichten können an meinem Zeugniſſe keinen Antheil haben, denn Er, der es mir danken ſoll, iſt nicht mehr.","norm":"Weltliche Rücksichten können an meinem Zeugnisse keinen Anteil haben, denn er, der es mir danken soll, ist nicht mehr."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1233,"orig":"Sein ſchreckliches Schickſal iſt geendigt, längſt hat ſich ſeine Seele am Thron der Wahrheit gereinigt, vor dem auch die meinige längſt ſteht, wenn die Welt dieſes lieſet — aber man verzeihe mir die Thräne, die dem Andenken meines theuerſten Freundes unfreywillig fällt — aber zur Steuer der Gerechtigkeit ſchreib' ich es nieder:","norm":"Sein schreckliches Schicksal ist geendigt, längst hat sich seine Seele am Thron der Wahrheit gereinigt, vor dem auch die meinige längst steht, wenn die Welt dieses liest — aber man verzeihe mir die Träne, die dem Andenken meines teuersten Freundes unfreiwillig fällt — aber zur Steuer der Gerechtigkeit schreibe ich es nieder:"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1234,"orig":"Er war ein edler Menſch, und gewiß wär' er eine Zierde des Thrones geworden, den er durch ein Verbrechen erſteigen zu wollen, ſich bethören ließ.","norm":"Er war ein edler Mensch, und gewiss wäre er eine Zierde des Thrones geworden, den er durch ein Verbrechen ersteigen zu wollen, sich betören ließ."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1235,"orig":"Nicht lange nach dieſen leztern Begebenheiten — fährt der Graf von O * * zu erzählen fort — fing ich an, in dem Gemüth des Prinzen eine wichtige Veränderung zu bemerken, die theils eine unmittelbare Folge des leztern Vorfalls war, theils auch durch den Zuſammenfluß mehrerer zufälliger Umſtände hervorgebracht worden.","norm":"Nicht lange nach diesen letzten Begebenheiten — fährt der Graf von O * * zu erzählen fort — fing ich an, in dem Gemüt des Prinzen eine wichtige Veränderung zu bemerken, die teils eine unmittelbare Folge des letzten Vorfalls war, teils auch durch den Zusammenfluss mehrerer zufälliger Umstände hervorgebracht worden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1236,"orig":"Bis jezt nehmlich hatte der Prinz jede ſtrengere Prüfung ſeines Glaubens vermieden, und ſich damit begnügt, die rohen und ſinnlichen Religionsbegriffe, in denen er auferzogen worden, durch die beſſern Ideen, die ſich ihm nachher aufdrangen, zu reinigen, oder mit dieſen auszugleichen, ohne die Fundamente ſeines Glaubens zu unterſuchen.","norm":"Bis jetzt nämlich hatte der Prinz jede strengere Prüfung seines Glaubens vermieden, und sich damit begnügt, die rohen und sinnlichen Religionsbegriffe, in denen er auferzogen worden, durch die besseren Ideen, die sich ihm nachher aufdrangen, zu reinigen, oder mit diesen auszugleichen, ohne die Fundamente seines Glaubens zu untersuchen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1237,"orig":"Religionsgegenſtände überhaupt, geſtand er mir mehrmals, ſeyen ihm jederzeit wie ein bezaubertes Schloß vorgekommen, in das man nicht ohne Grauen ſeinen Fuß ſetze, und man thue weit beſſer, man gehe mit ehrerbietiger Reſignation daran vorüber, ohne ſich der Gefahr auszuſetzen, ſich in ſeinen Labyrinthen zu verirren.","norm":"Religionsgegenstände überhaupt, gestand er mir mehrmals, seien ihm jederzeit wie ein bezaubertes Schloss vorgekommen, in das man nicht ohne Grauen seinen Fuß setze, und man tue weit besser, man gehe mit ehrerbietiger Resignation daran vorüber, ohne sich der Gefahr auszusetzen, sich in seinen Labyrinthen zu verirren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1238,"orig":"Eine bigotte, knechtiſche Erziehung war die Quelle dieſer Furcht; dieſe hatte ſeinem zarten Gehirne Schreckbilder eingedrückt, von denen er ſich während ſeines ganzen Lebens nie ganz losmachen konnte.","norm":"Eine bigotte, knechtische Erziehung war die Quelle dieser Furcht; diese hatte seinem zarten Gehirne Schreckbilder eingedrückt, von denen er sich während seines ganzen Lebens nie ganz losmachen konnte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1239,"orig":"Religiöſe Melancholie war eine Erbkrankheit in ſeiner Familie; die Erziehung, welche man ihm und ſeinen Brüdern geben ließ, war dieſer Diſpoſition angemeſſen, die Menſchen, denen man ſie anvertraute, aus dieſem Geſichtspunkte gewählt, alſo entweder Schwärmer oder Heuchler.","norm":"Religiöse Melancholie war eine Erbkrankheit in seiner Familie; die Erziehung, welche man ihm und seinen Brüdern geben ließ, war dieser Disposition angemessen, die Menschen, denen man sie anvertraute, aus diesem Gesichtspunkte gewählt, also entweder Schwärmer oder Heuchler."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1240,"orig":"Alle Lebhaftigkeit des Knaben in einem dumpfen Geiſteszwange zu erſticken, war das einzige Mittel, ſich der höchſten Zufriedenheit der fürſtlichen Aeltern zu verſichern.","norm":"Alle Lebhaftigkeit des Knaben in einem dumpfen Geisteszwange zu ersticken, war das einzige Mittel, sich der höchsten Zufriedenheit der fürstlichen Eltern zu versichern."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1241,"orig":"Dieſe ſchwarze nächtliche Geſtalt hatte die ganze Jugendzeit unſers Prinzen; ſelbſt aus ſeinen Spielen war die Freude verbannt.","norm":"Diese schwarze nächtliche Gestalt hatte die ganze Jugendzeit unseres Prinzen; selbst aus seinen Spielen war die Freude verbannt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1242,"orig":"Alle ſeine Vorſtellungen von Religion hatten etwas Fürchterliches an ſich, und eben das Grauenvolle und Derbe war es, was ſich ſeiner lebhaften Einbildungskraft zuerſt bemächtigte, und ſich auch am längſten darin erhielt.","norm":"Alle seine Vorstellungen von Religion hatten etwas Fürchterliches an sich, und eben das Grauenvolle und Derbe war es, was sich seiner lebhaften Einbildungskraft zuerst bemächtigte, und sich auch am längsten darin erhielt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1243,"orig":"Sein Gott war ein Schreckbild, ein ſtrafendes Weſen; ſeine Gottesverehrung knechtiſches Zittern oder blinde, alle Kraft und Kühnheit erſtickende Ergebung.","norm":"Sein Gott war ein Schreckbild, ein strafendes Wesen; seine Gottesverehrung knechtisches Zittern oder blinde, alle Kraft und Kühnheit erstickende Ergebung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1244,"orig":"Auf allen ſeinen kindiſchen und jugendlichen Neigungen, denen ein derber Körper und eine blühende Geſundheit um ſo kraftvollere Exploſionen gab, ſtand ihm die Religion im Wege; mit allem, woran ſein jugendliches Herz ſich hing, lag ſie im Streite, er lernte ſie nie als eine Wohlthat, nur als eine Geißel ſeiner Leidenſchaften kennen.","norm":"Auf allen seinen kindischen und jugendlichen Neigungen, denen ein derber Körper und eine blühende Gesundheit um so kraftvollere Explosionen gab, stand ihm die Religion im Wege; mit allem, woran sein jugendliches Herz sich hing, lag sie im Streite, er lernte sie nie als eine Wohltat, nur als eine Geißel seiner Leidenschaften kennen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1245,"orig":"So entbrannte allmählig eine ſtille Indignation gegen ſie in ſeinem Herzen, welche mit einem reſpektvollen Glauben und blinder Furcht in ſeinem Kopf und Herzen die bizarreſte Miſchung machte — einen Widerwillen gegen einen Herrn, vor welchem er zitterte.","norm":"So entbrannte allmählich eine stille Indignation gegen sie in seinem Herzen, welche mit einem respektvollen Glauben und blinder Furcht in seinem Kopf und Herzen die bizarrste Mischung machte — einen Widerwillen gegen einen Herrn, vor welchem er zitterte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1246,"orig":"Kein Wunder, daß er die erſte Gelegenheit ergriff, einem ſo ſtrengen Joche zu entfliehen — aber er entlief ihm wie ein leibeigener Sclave ſeinem harten Herrn, der auch mitten in der Freyheit das Gefühl ſeiner Knechtſchaft herumträgt.","norm":"Kein Wunder, dass er die erste Gelegenheit ergriff, einem so strengen Joche zu entfliehen — aber er entlief ihm wie ein leibeigener Sklave seinem harten Herrn, der auch mitten in der Freiheit das Gefühl seiner Knechtschaft herumträgt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1247,"orig":"Eben darum, weil er dem Glauben ſeiner Jugend nicht mit ruhiger Wahl entſagt, weil er nicht gewartet hatte, bis ſeine reife gereinigte Vernunft ſich gemächlich davon abgelöſ't hatte, weil er ihm als ein Flüchtling entſprungen war, auf den die Eigenthumsrechte ſeines Herrn immer noch fortdauern — ſo mußte er auch, nach ſo großen Diſtractionen, immer wieder zu ihm zurückkehren.","norm":"Eben darum, weil er dem Glauben seiner Jugend nicht mit ruhiger Wahl entsagt, weil er nicht gewartet hatte, bis seine reife gereinigte Vernunft sich gemächlich davon abgelöst hatte, weil er ihm als ein Flüchtling entsprungen war, auf den die Eigentumsrechte seines Herrn immer noch fortdauern — so musste er auch, nach so großen Distraktionen, immer wieder zu ihm zurückkehren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1248,"orig":"Er war mit der Kette entſprungen, und eben darum mußte er der Raub eines jeden Betrügers werden der ſie entdeckte und zu gebrauchen verſtand.","norm":"Er war mit der Kette entsprungen, und eben darum musste er der Raub eines jeden Betrügers werden der sie entdeckte und zu gebrauchen verstand."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1249,"orig":"Daß ſich ein ſolcher fand, wird, wenn man es noch nicht errathen hat, der Verfolg dieſer Geſchichte ausweiſen.","norm":"Dass sich ein solcher fand, wird, wenn man es noch nicht erraten hat, der Verfolg dieser Geschichte ausweisen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1250,"orig":"Die Geſtändniſſe des Sicilianers ließen in ſeinem Gemüth wichtigere Folgen zurück, als dieſer ganze Gegenſtand werth war, und der kleine Sieg, den ſeine Vernunft über dieſe ſchwache Täuſchung davon getragen, hatte die Zuverſicht zu ſeiner Vernunft überhaupt merklich erhöht.","norm":"Die Geständnisse des Sizilianers ließen in seinem Gemüt wichtigere Folgen zurück, als dieser ganze Gegenstand wert war, und der kleine Sieg, den seine Vernunft über diese schwache Täuschung davongetragen, hatte die Zuversicht zu seiner Vernunft überhaupt merklich erhöht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1251,"orig":"Die Leichtigkeit, mit der es ihm gelungen war, dieſen Betrug aufzulöſen, ſchien ihn ſelbſt überraſcht zu haben; in dieſem Kopfe hatten ſich Wahrheit und Irrthum noch nicht ſo genau von einander geſondert, daß es ihm nicht oft begegnet wäre, die Stützen der einen mit den Stützen des andern zu verwechſeln; daher kam es, daß der Schlag, der ſeinen Glauben an Wunder ſtürzte, das ganze Gebäude ſeines Glaubens zugleich zum Wanken brachte.","norm":"Die Leichtigkeit, mit der es ihm gelungen war, diesen Betrug aufzulösen, schien ihn selbst überrascht zu haben; in diesem Kopfe hatten sich Wahrheit und Irrtum noch nicht so genau voneinander gesondert, dass es ihm nicht oft begegnet wäre, die Stützen der einen mit den Stützen des anderen zu verwechseln; daher kam es, dass der Schlag, der seinen Glauben an Wunder stürzte, das ganze Gebäude seines Glaubens zugleich zum Wanken brachte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1252,"orig":"Es erging ihm hier, wie einem unerfahrnen Menſchen, der in der Freundſchaft oder Liebe hintergingen worden, weil er ſchlecht gewählt hatte, und der nun ſeinen Glauben an dieſe Empfindungen überhaupt ſinken läßt, weil er bloße Zufälligkeiten für weſentliche Kennzeichen derſelben aufnimmt.","norm":"Es erging ihm hier, wie einem unerfahrenen Menschen, der in der Freundschaft oder Liebe hintergingen worden, weil er schlecht gewählt hatte, und der nun seinen Glauben an diese Empfindungen überhaupt sinken lässt, weil er bloße Zufälligkeiten für wesentliche Kennzeichen derselben aufnimmt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1253,"orig":"Ein entlarvter Betrug machte ihm auch die Wahrheit verdächtig, weil er ſich die Wahrheit unglücklicher Weiſe durch gleich ſchlechte Gründe bewieſen hatte.","norm":"Ein entlarvter Betrug machte ihm auch die Wahrheit verdächtig, weil er sich die Wahrheit unglücklicherweise durch gleich schlechte Gründe bewiesen hatte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1254,"orig":"Dieſer vermeyntliche Triumph gefiel ihm um ſo mehr, je ſchwerer der Druck geweſen, wovon er ihn zu befreyen ſchien.","norm":"Dieser vermeintliche Triumph gefiel ihm um so mehr, je schwerer der Druck gewesen, wovon er ihn zu befreien schien."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1255,"orig":"Von dieſem Zeitpunkt an regte ſich eine Zweifelſucht in ihm, die auch das Ehrwürdigſte nicht verſchonte.","norm":"Von diesem Zeitpunkt an regte sich eine Zweifelsucht in ihm, die auch das Ehrwürdigste nicht verschonte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1256,"orig":"Es halfen mehrere Dinge zuſammen, ihn in dieſer Gemüthslage zu erhalten, und noch mehr darin zu befeſtigen.","norm":"Es halfen mehrere Dinge zusammen, ihn in dieser Gemütslage zu erhalten, und noch mehr darin zu befestigen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1257,"orig":"Die Zurückgezogenheit, in der er bisher gelebt hatte, hörte jezt auf, und mußte einer zerſtreuungsvollen Lebensart Platz machen.","norm":"Die Zurückgezogenheit, in der er bisher gelebt hatte, hörte jetzt auf, und musste einer zerstreuungsvollen Lebensart Platz machen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1258,"orig":"Sein Stand war entdeckt.","norm":"Sein Stand war entdeckt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1259,"orig":"Aufmerkſamkeiten, die er erwiedern mußte, Etikette, die er ſeinem Rang ſchuldig war, riſſen ihn unvermerkt in den Wirbel der großen Welt.","norm":"Aufmerksamkeiten, die er erwidern musste, Etikette, die er seinem Rang schuldig war, rissen ihn unvermerkt in den Wirbel der großen Welt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1260,"orig":"Sein Stand ſowohl als ſeine perſönlichen Eigenſchaften öffneten ihm die geiſtvolleſten Zirkel in Venedig; bald ſah' er ſich mit den hellſten Köpfen der Republik, Gelehrten ſowohl als Staatsmännern, in Verbindung.","norm":"Sein Stand sowohl als seine persönlichen Eigenschaften öffneten ihm die geistvollsten Zirkel in Venedig; bald sah er sich mit den hellsten Köpfen der Republik, Gelehrten sowohl als Staatsmännern, in Verbindung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1261,"orig":"Dieß zwang ihn, den einförmigen, engen Kreis zu erweitern, in welchem ſein Geiſt ſich bisher bewegt hatte.","norm":"Dies zwang ihn, den einförmigen, engen Kreis zu erweitern, in welchem sein Geist sich bisher bewegt hatte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1262,"orig":"Er fing an, die Armuth und Beſchränktheit ſeiner Begriffe wahrzunehmen, und das Bedürfnis höherer Bildung zu fühlen.","norm":"Er fing an, die Armut und Beschränktheit seiner Begriffe wahrzunehmen, und das Bedürfnis höherer Bildung zu fühlen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1263,"orig":"Die altmodiſche Form ſeines Geiſtes, von ſo vielen Vorzügen ſie auch ſonſt begleitet war, ſtand mit den gangbaren Begriffen der Geſellſchaft in einem nachtheiligen Kontraſt und ſeine Fremdheit in den bekannteſten Dingen ſezte ihn zuweilen dem Lächerlichen aus; nichts fürchtete er ſo ſehr, als das Lächerliche.","norm":"Die altmodische Form seines Geistes, von so vielen Vorzügen sie auch sonst begleitet war, stand mit den gangbaren Begriffen der Gesellschaft in einem nachteiligen Kontrast und seine Fremdheit in den bekanntesten Dingen setzte ihn zuweilen dem Lächerlichen aus; nichts fürchtete er so sehr, als das Lächerliche."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1264,"orig":"Das ungünſtige Vorurtheil, das auf ſeinem Geburtslande haftete, ſchien ihm eine Aufforderung zu ſeyn, es in ſeiner Perſon zu widerlegen.","norm":"Das ungünstige Vorurteil, das auf seinem Geburtslande haftete, schien ihm eine Aufforderung zu sein, es in seiner Person zu widerlegen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1265,"orig":"Dazu kam noch die Sonderbarkeit in ſeinem Charakter, daß ihn jede Aufmerkſamkeit verdroß, die er ſeinem Stande und nicht ſeinem perſönlichen Werth danken zu müſſen glaubte.","norm":"Dazu kam noch die Sonderbarkeit in seinem Charakter, dass ihn jede Aufmerksamkeit verdross, die er seinem Stande und nicht seinem persönlichen Wert danken zu müssen glaubte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1266,"orig":"Vorzüglich empfand er dieſe Demüthigung in Gegenwart ſolcher Perſonen, die durch ihren Geiſt glänzten, und durch perſönliche Verdienſte gleichſam über ihre Geburt triumphirten.","norm":"Vorzüglich empfand er diese Demütigung in Gegenwart solcher Personen, die durch ihren Geist glänzten, und durch persönliche Verdienste gleichsam über ihre Geburt triumphierten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1267,"orig":"In einer ſolchen Geſellſchaft ſich als Prinz unterſchieden zu ſehen, war jederzeit eine tiefe Beſchämung für ihn, weil er unglücklicher Weiſe glaubte durch dieſen Namen ſchon von jeder Concurrenz ausgeſchloſſen zu ſeyn.","norm":"In einer solchen Gesellschaft sich als Prinz unterschieden zu sehen, war jederzeit eine tiefe Beschämung für ihn, weil er unglücklicherweise glaubte durch diesen Namen schon von jeder Konkurrenz ausgeschlossen zu sein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1268,"orig":"Alles dieſes zuſammengenommen überführte ihn von der Nothwendigkeit, ſeinem Geiſt die Bildung zu geben, die er bisher verabſäumt hatte, um das Jahrfünftel der witzigen und der denkenden Welt einzuholen, hinter welchem er ſo weit zurückgeblieben war.","norm":"Alles dieses zusammengenommen überführte ihn von der Notwendigkeit, seinem Geist die Bildung zu geben, die er bisher verabsäumt hatte, um das Jahrfünftel der witzigen und der denkenden Welt einzuholen, hinter welchem er so weit zurückgeblieben war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1269,"orig":"Er wählte dazu die modernſte Lektüre, der er ſich nun mit allem dem Ernſte hingab, womit er alles, was er vornahm, zu behandeln pflegte.","norm":"Er wählte dazu die modernste Lektüre, der er sich nun mit allem dem Ernste hingab, womit er alles, was er vornahm, zu behandeln pflegte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1270,"orig":"Aber die ſchlimme Hand, die bey der Wahl dieſer Schriften im Spiele war ließ ihn unglücklicher Weiſe immer auf ſolche ſtoßen, bey denen ſeine Vernunft und ſein Herz wenig gebeſſert waren.","norm":"Aber die schlimme Hand, die bei der Wahl dieser Schriften im Spiele war ließ ihn unglücklicherweise immer auf solche stoßen, bei denen seine Vernunft und sein Herz wenig gebessert waren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1271,"orig":"Und auch hier waltete ſein Lieblingshang vor, der ihn immer zu allem, was nicht begriffen werden ſoll, mit unwiderſtehlichem Reize hingezogen hatte.","norm":"Und auch hier waltete sein Lieblingshang vor, der ihn immer zu allem, was nicht begriffen werden soll, mit unwiderstehlichem Reize hingezogen hatte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1272,"orig":"Nur für dasjenige, was damit in Beziehung ſtand, hatte er Aufmerkſamkeit und Gedächtniß; ſeine Vernunft und ſein Herz blieben leer, während ſich dieſe Fächer ſeines Gehirns mit verworrenen Begriffen anfüllten.","norm":"Nur für dasjenige, was damit in Beziehung stand, hatte er Aufmerksamkeit und Gedächtnis; seine Vernunft und sein Herz blieben leer, während sich diese Fächer seines Gehirns mit verworrenen Begriffen anfüllten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1273,"orig":"Der blendende Styl des einen riß ſeine Imagination dahin, indem die Spitzfindigkeiten des andern ſeine Vernunft verſtrickten.","norm":"Der blendende Stil des einen riss seine Imagination dahin, indem die Spitzfindigkeiten des anderen seine Vernunft verstrickten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1274,"orig":"Beyden wurde es leicht, ſich einen Geiſt zu unterjochen, der ein Raub eines jeden war, der ſich ihm mit einer gewiſſen Dreiſtigkeit aufdrang.","norm":"Beiden wurde es leicht, sich einen Geist zu unterjochen, der ein Raub eines jeden war, der sich ihm mit einer gewissen Dreistigkeit aufdrang."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1275,"orig":"Eine Lektüre, die länger als ein Jahr mit Leidenſchaft fortgeſezt wurde, hatte ihn beynahe mit gar keinem wohlthätigen Begriff bereichert, wohl aber ſeinen Kopf mit Zweifeln angefüllt, die, wie es bey dieſem conſequenten Charakter unausbleiblich folgte, bald einen unglücklichen Weg zu ſeinem Herzen fanden.","norm":"Eine Lektüre, die länger als ein Jahr mit Leidenschaft fortgesetzt wurde, hatte ihn beinahe mit gar keinem wohltätigen Begriff bereichert, wohl aber seinen Kopf mit Zweifeln angefüllt, die, wie es bei diesem konsequenten Charakter unausbleiblich folgte, bald einen unglücklichen Weg zu seinem Herzen fanden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1276,"orig":"Daß ich es kurz ſage — er hatte ſich in dieſes Labyrinth begeben, als ein glaubenreicher Schwärmer, und er verließ es als Zweifler, und zulezt als ein ausgemachter Freygeiſt.","norm":"Dass ich es kurz sage — er hatte sich in dieses Labyrinth begeben, als ein glaubensreicher Schwärmer, und er verließ es als Zweifler, und zuletzt als ein ausgemachter Freigeist."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1277,"orig":"Unter den Zirkeln, in die man ihn zu ziehen gewußt hatte, war eine gewiſſe geſchloſſene Geſellſchaft, der Bucentauro genannt, die unter dem äußerlichen Schein einer edeln vernünftigen Geiſtesfreyheit die zügelloſeſte Lizenz der Meynungen wie der Sitten begünſtigte.","norm":"Unter den Zirkeln, in die man ihn zu ziehen gewusst hatte, war eine gewisse geschlossene Gesellschaft, der Bucentauro genannt, die unter dem äußerlichen Schein einer edlen vernünftigen Geistesfreiheit die zügelloseste Lizenz der Meinungen wie der Sitten begünstigte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1278,"orig":"Da ſie unter ihren Mitgliedern viele Geiſtliche zählte, und ſogar die Namen einiger Kardinäle an ihrer Spitze trug, ſo wurde der Prinz um ſo leichter bewogen, ſich darin einführen zu laſſen.","norm":"Da sie unter ihren Mitgliedern viele Geistliche zählte, und sogar die Namen einiger Kardinäle an ihrer Spitze trug, so wurde der Prinz um so leichter bewogen, sich darin einführen zu lassen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1279,"orig":"Gewiſſe gefährliche Wahrheiten der Vernunft, meynte er, könnten nirgends beſſer aufgehoben ſeyn, als in den Händen ſolcher Perſonen, die ihr Stand ſchon zur Mäßigung verpflichtete, und die den Vortheil hätten, auch die Gegenparthey gehört und geprüft zu haben.","norm":"Gewisse gefährliche Wahrheiten der Vernunft, meinte er, könnten nirgends besser aufgehoben sein, als in den Händen solcher Personen, die ihr Stand schon zur Mäßigung verpflichtete, und die den Vorteil hätten, auch die Gegenpartei gehört und geprüft zu haben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1280,"orig":"Der Prinz vergaß hier, daß Libertinage des Geiſts und der Sitten bey Perſonen dieſes Standes eben darum weiter um ſich greift, weil ſie hier einen Zügel weniger findet.","norm":"Der Prinz vergaß hier, dass Libertinage des Geists und der Sitten bei Personen dieses Standes eben darum weiter um sich greift, weil sie hier einen Zügel weniger findet."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1281,"orig":"Und dieſes war der Fall bey dem Bucentauro, deſſen mehreſte Mitglieder durch eine verdammliche Philoſophie, und durch Sitten, die einer ſolchen Führerinn würdig waren, nicht ihren Stand allein, ſondern ſelbſt die Menſchheit beſchimpften.","norm":"Und dieses war der Fall bei dem Bucentauro, dessen mehreste Mitglieder durch eine verdammliche Philosophie, und durch Sitten, die einer solchen Führerin würdig waren, nicht ihren Stand allein, sondern selbst die Menschheit beschimpften."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1282,"orig":"Die Geſellſchaft hatte ihre geheimen Grade, und ich will zur Ehre des Prinzen glauben, daß man ihn des innerſten Heiligthums nie gewürdigt habe.","norm":"Die Gesellschaft hatte ihre geheimen Grade, und ich will zur Ehre des Prinzen glauben, dass man ihn des innersten Heiligtums nie gewürdigt habe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1283,"orig":"Jeder, der in dieſe Geſellſchaft eintrat, mußte, wenigſtens ſo lange er ihr lebte, ſeinen Rang, ſeine Nation, ſeine Religionsparthey, kurz, alle conventionelle Unterſcheidungszeichen ablegen, und ſich in einen gewiſſen Stand univerſeller Gleichheit begeben.","norm":"Jeder, der in diese Gesellschaft eintrat, musste, wenigstens so lange er ihr lebte, seinen Rang, seine Nation, seine Religionspartei, kurz, alle konventionelle Unterscheidungszeichen ablegen, und sich in einen gewissen Stand universeller Gleichheit begeben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1284,"orig":"Die Wahl der Mitglieder war in der That ſtreng, weil nur Vorzüge des Geiſts einen Weg dazu bahnten.","norm":"Die Wahl der Mitglieder war in der Tat streng, weil nur Vorzüge des Geists einen Weg dazu bahnten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1285,"orig":"Die Geſellſchaft rühmte ſich des feinſten Tons und des ausgebildetſten Geſchmacks, und in dieſem Rufe ſtand ſie auch wirklich in ganz Venedig.","norm":"Die Gesellschaft rühmte sich des feinsten Tons und des ausgebildetsten Geschmacks, und in diesem Rufe stand sie auch wirklich in ganz Venedig."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1286,"orig":"Dieſes ſowohl als der Schein von Gleichheit, der darin herrſchte, zog den Prinzen unwiderſtehlich an.","norm":"Dieses sowohl als der Schein von Gleichheit, der darin herrschte, zog den Prinzen unwiderstehlich an."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1287,"orig":"Ein geiſtvoller, durch feinen Witz aufgeheiterter Umgang, unterrichtende Unterhaltungen, das Beſte aus der gelehrten und politiſchen Welt, das hier, wie in ſeinem Mittelpunkte zuſammenfloß, verbargen ihm lange Zeit das Gefährliche dieſer Verbindung.","norm":"Ein geistvoller, durch feinen Witz aufgeheiterter Umgang, unterrichtende Unterhaltungen, das Beste aus der gelehrten und politischen Welt, das hier, wie in seinem Mittelpunkte zusammenfloss, verbargen ihm lange Zeit das Gefährliche dieser Verbindung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1288,"orig":"Wie ihm nach und nach der Geiſt des Inſtituts durch die Maſke hindurch ſichtbarer wurde, oder man es auch müde war, länger gegen ihn auf ſeiner Hut zu ſeyn, war der Rückweg gefährlich, und falſche Schaam ſowohl als Sorge für ſeine Sicherheit zwangen ihn, ſein innres Misfallen zu verbergen.","norm":"Wie ihm nach und nach der Geist des Instituts durch die Maske hindurch sichtbarer wurde, oder man es auch müde war, länger gegen ihn auf seiner Hut zu sein, war der Rückweg gefährlich, und falsche Scham sowohl als Sorge für seine Sicherheit zwangen ihn, sein inneres Missfallen zu verbergen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1289,"orig":"Aber ſchon durch bloße Vertraulichkeit mit dieſer Menſchenklaſſe und ihren Geſinnungen, wenn ſie ihn auch nicht zur Nachahmung hinriſſen, ging die reine, ſchöne Einfalt ſeines Charakters und die Zartheit ſeiner moraliſchen Gefühle verloren.","norm":"Aber schon durch bloße Vertraulichkeit mit dieser Menschenklasse und ihren Gesinnungen, wenn sie ihn auch nicht zur Nachahmung hinrissen, ging die reine, schöne Einfalt seines Charakters und die Zartheit seiner moralischen Gefühle verloren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1290,"orig":"Seine durch ſo wenig gründliche Kenntniſſe unterſtüzte Vernunft konnte ohne fremde Beyhülfe die feinen Trugſchlüſſe nicht löſen, womit man ſie hier verſtrickt hatte, und unvermerkt hatte dieſes ſchreckliche Corroſiv alles — beynahe alles verzehrt, worauf ſeine Moralität ruhen ſollte.","norm":"Seine durch so wenig gründliche Kenntnisse unterstützte Vernunft konnte ohne fremde Beihilfe die feinen Trugschlüsse nicht lösen, womit man sie hier verstrickt hatte, und unvermerkt hatte dieses schreckliche Korrosiv alles — beinahe alles verzehrt, worauf seine Moralität ruhen sollte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1291,"orig":"Die natürlichen und nothwendigen Stützen ſeiner Glückſeligkeit gab er für Sophismen hinweg, die ihn im entſcheidenden Augenblick verließen, und ihn dadurch zwangen, ſich an den erſten beſten willkührlichen zu halten, die man ihm zuwarf.","norm":"Die natürlichen und notwendigen Stützen seiner Glückseligkeit gab er für Sophismen hinweg, die ihn im entscheidenden Augenblick verließen, und ihn dadurch zwangen, sich an den ersten besten willkürlichen zu halten, die man ihm zuwarf."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1292,"orig":"Vielleicht wäre es der Hand eines Freundes gelungen, ihn noch zur rechten Zeit von dieſem Abgrund zurück zu ziehen — aber, außerdem daß ich mit dem Innern des Vucentauro erſt lange nachher bekannt worden bin, als das Uebel ſchon geſchehen war, ſo hatte mich ſchon zu Anfang dieſer Periode ein dringender Vorfall aus Venedig abgerufen.","norm":"Vielleicht wäre es der Hand eines Freundes gelungen, ihn noch zur rechten Zeit von diesem Abgrund zurückzuziehen — aber, außerdem dass ich mit dem Inneren des Bucentaur erst lange nachher bekannt worden bin, als das Übel schon geschehen war, so hatte mich schon zu Anfang dieser Periode ein dringender Vorfall aus Venedig abgerufen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1293,"orig":"Auch Mylord Seymour, eine ſchätzbare Bekanntſchaft des Prinzen, deſſen kalter Kopf jeder Art von Täuſchung unzugänglich war, und der ihm unfehlbar zu einer ſichern Stütze hätte dienen können, verließ uns in dieſer Zeit, um in ſein Vaterland zurück zu kehren.","norm":"Auch Mylord Seymour, eine schätzbare Bekanntschaft des Prinzen, dessen kalter Kopf jeder Art von Täuschung unzugänglich war, und der ihm unfehlbar zu einer sichern Stütze hätte dienen können, verließ uns in dieser Zeit, um in sein Vaterland zurückzukehren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1294,"orig":"Diejenigen, in deren Händen ich den Prinzen ließ, waren zwar redliche, aber unerfahrne und in ihrer Religion äußerſt beſchränkte Menſchen, denen es ſowohl an der Einſicht in das Uebel, als an Anſehen bey dem Prinzen fehlte.","norm":"Diejenigen, in deren Händen ich den Prinzen ließ, waren zwar redliche, aber unerfahrene und in ihrer Religion äußerst beschränkte Menschen, denen es sowohl an der Einsicht in das Übel, als an Ansehen bei dem Prinzen fehlte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1295,"orig":"Seinen verfänglichen Sophismen wußten ſie nichts, als die Machtſprüche eines blinden ungeprüften Glaubens entgegen zu ſetzen, die ihn entweder aufbrachten oder beluſtigten: er überſah ſie gar zu leicht, und ſein überlegner Verſtand brachte dieſe ſchlechten Vertheidiger der guten Sache bald zum Schweigen, wie aus einem Beyſpiele, das ich in der Folge anführen werde, erhellen wird.","norm":"Seinen verfänglichen Sophismen wussten sie nichts, als die Machtsprüche eines blinden ungeprüften Glaubens entgegenzusetzen, die ihn entweder aufbrachten oder belustigten: Er übersah sie gar zu leicht, und sein überlegener Verstand brachte diese schlechten Verteidiger der guten Sache bald zum Schweigen, wie aus einem Beispiele, das ich in der Folge anführen werde, erhellen wird."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1296,"orig":"Den andern, die ſich in der Folge ſeines Vertrauens bemächtigten, war es vielmehr darum zu thun, ihn immer tiefer darein zu verſenken.","norm":"Den anderen, die sich in der Folge seines Vertrauens bemächtigten, war es vielmehr darum zu tun, ihn immer tiefer darein zu versenken."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1297,"orig":"Als ich im folgenden Jahre wieder nach Venedig zurück kam — wie anders fand ich da ſchon alles!","norm":"Als ich im folgenden Jahr wieder nach Venedig zurückkam — wie anders fand ich da schon alles!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1298,"orig":"Der Einfluß dieſer neuen Philoſophie zeigte ſich bald in des Prinzen Leben.","norm":"Der Einfluss dieser neuen Philosophie zeigte sich bald in des Prinzen Leben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1299,"orig":"Je mehr er zuſehends in Venedig Glück machte, und neue Freunde ſich erwarb, deſto mehr fing er an, bey ſeinen ältern Freunden zu verlieren.","norm":"Je mehr er zusehends in Venedig Glück machte, und neue Freunde sich erwarb, desto mehr fing er an, bei seinen älteren Freunden zu verlieren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1300,"orig":"Mir gefiel er von Tag zu Tage weniger, auch ſahen wir uns ſeltener, und überhaupt war er weniger zu haben.","norm":"Mir gefiel er von Tag zu Tage weniger, auch sahen wir uns seltener, und überhaupt war er weniger zu haben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1301,"orig":"Der Strom der großen Welt hatte ihn gefaßt.","norm":"Der Strom der großen Welt hatte ihn gefasst."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1302,"orig":"Nie wurde ſeine Schwelle leer, wenn er zu Hauſe war.","norm":"Nie wurde seine Schwelle leer, wenn er zu Hause war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1303,"orig":"Eine Luſtbarkeit drängte die andre, ein Feſt das andre, eine Glückſeligkeit die andre.","norm":"Eine Lustbarkeit drängte die andere, ein Fest das andere, eine Glückseligkeit die andere."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1304,"orig":"Er war die Schöne, um welche alles buhlt, der König und der Abgott aller Zirkel.","norm":"Er war die Schöne, um welche alles buhlt, der König und der Abgott aller Zirkel."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1305,"orig":"So ſchwer er ſich in der vorigen Stille ſeines beſchränkten Lebens den großen Weltlauf gedacht hatte, ſo leicht fand er ihn nunmehr zu ſeinem Erſtaunen.","norm":"So schwer er sich in der vorigen Stille seines beschränkten Lebens den großen Weltlauf gedacht hatte, so leicht fand er ihn nunmehr zu seinem Erstaunen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1306,"orig":"Die erhöhte Meynung, die er dadurch von ſeinem eignen Werth erlangte, gab ihm Glauben an die übertriebene und beynahe abgöttiſche Verehrung, die man ſeinem Geiſt widerfahren ließ, die ihm, ohne dieſes vergrößerte und gewiſſermaßen gegründete Selbſtgefühl, nothwendig hätte verdächtig werden müſſen.","norm":"Die erhöhte Meinung, die er dadurch von seinem eigenen Wert erlangte, gab ihm Glauben an die übertriebene und beinahe abgöttische Verehrung, die man seinem Geist widerfahren ließ, die ihm, ohne dieses vergrößerte und gewissermaßen gegründete Selbstgefühl, notwendig hätte verdächtig werden müssen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1307,"orig":"Jezt aber war dieſe allgemeine Stimme nur die Bekräftigung deſſen, was ſein ſelbſtzufriedener Stolz ihm im Stillen ſagte — ein Tribut, der ihm von rechtswegen gebührte.","norm":"Jetzt aber war diese allgemeine Stimme nur die Bekräftigung dessen, was sein selbstzufriedener Stolz ihm im Stillen sagte — ein Tribut, der ihm von Rechts wegen gebührte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1308,"orig":"Unfehlbar würde er dieſer Schlinge entgangen ſeyn, hätte man ihn zu Athem kommen laſſen, hätte man ihm nur ruhige Muße gegönnt, ſeinen eignen Werth mit dem Bilde zu vergleichen, das ihm in einem ſo lieblichen Spiegel vorgehalten wurde.","norm":"Unfehlbar würde er dieser Schlinge entgangen sein, hätte man ihn zu Atem kommen lassen, hätte man ihm nur ruhige Muße gegönnt, seinen eigenen Wert mit dem Bilde zu vergleichen, das ihm in einem so lieblichen Spiegel vorgehalten wurde."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1309,"orig":"Aber ſeine Exiſtenz war ein fortdauernder Zuſtand von Trunkenheit, von ſchwehendem Taumel.","norm":"Aber seine Existenz war ein fortdauernder Zustand von Trunkenheit, von schwebendem Taumel."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1310,"orig":"Je höher man ihn geſtellt hatte, deſto mehr hatte er zu thun, ſich auf dieſer Höhe zu erhalten; dieſe immerwährende Anſpannung verzehrte ihn langſam, ſelbſt aus ſeinem Schlaf war die Ruhe geflohen.","norm":"Je höher man ihn gestellt hatte, desto mehr hatte er zu tun, sich auf dieser Höhe zu erhalten; diese immerwährende Anspannung verzehrte ihn langsam, selbst aus seinem Schlaf war die Ruhe geflohen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1311,"orig":"Man hatte ſeine Blößen durchſchaut, und die Leidenſchaft gut berechnet, die man in ihm entzündet hatte.","norm":"Man hatte seine Blößen durchschaut, und die Leidenschaft gut berechnet, die man in ihm entzündet hatte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1312,"orig":"Bald mußten es ſeine redlichen Kavaliers entgelten, daß ihr Herr zum großen Kopf geworden war.","norm":"Bald mussten es seine redlichen Kavaliers entgelten, dass ihr Herr zum großen Kopf geworden war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1313,"orig":"Ernſthafte Empfindungen und ehrwürdige Wahrheiten, an denen ſein Herz ſonſt mit aller Wärme gehangen, fingen nun an, Gegenſtände ſeines Spotts zu werden.","norm":"Ernsthafte Empfindungen und ehrwürdige Wahrheiten, an denen sein Herz sonst mit aller Wärme gehangen, fingen nun an, Gegenstände seines Spotts zu werden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1314,"orig":"An den Wahrheiten der Religion rächte er ſich für den Druck, worunter ihn Wahnbegriffe ſo lange gehalten hatten; aber weil eine nicht zu verfälſchende Stimme ſeines Herzens die Taumeleyen ſeines Kopfes bekämpfte, ſo war mehr Bitterkeit als fröhlicher Muth in ſeinem Witze.","norm":"An den Wahrheiten der Religion rächte er sich für den Druck, worunter ihn Wahnbegriffe so lange gehalten hatten; aber weil eine nicht zu verfälschende Stimme seines Herzens die Taumeleien seines Kopfes bekämpfte, so war mehr Bitterkeit als fröhlicher Mut in seinem Witze."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1315,"orig":"Sein Naturell fing an, ſich zu ändern, Launen ſtellten ſich ein.","norm":"Sein Naturell fing an, sich zu ändern, Launen stellten sich ein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1316,"orig":"Die ſchönſte Zierde ſeines Charakters, ſeine Beſcheidenheit, verſchwand;","norm":"Die schönste Zierde seines Charakters, seine Bescheidenheit, verschwand;"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1317,"orig":"Schmeichler hatten ſein treffliches Herz vergiftet.","norm":"Schmeichler hatten sein treffliches Herz vergiftet."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1318,"orig":"Die ſchonende Delikateſſe des Umgangs, die es ſeine Kavaliers ſonſt ganz vergeſſen gemacht hatte, daß er ihr Herr war, machte jezt nicht ſelten einem gebieteriſchen entſcheidenden Tone Platz, der um ſo empfindlicher ſchmerzte, weil er nicht auf den äuſſerlichen Abſtand, worüber man ſich mit leichter Mühe tröſtet, und den er ſelbſt wenig achtete, ſondern auf eine beleidigende Vorausſetzung ſeiner perſönlichen Erhabenheit gegründet war.","norm":"Die schonende Delikatesse des Umgangs, die es seine Kavaliers sonst ganz vergessen gemacht hatte, dass er ihr Herr war, machte jetzt nicht selten einem gebieterischen entscheidenden Tone Platz, der um so empfindlicher schmerzte, weil er nicht auf den äußerlichen Abstand, worüber man sich mit leichter Mühe tröstet, und den er selbst wenig achtete, sondern auf eine beleidigende Voraussetzung seiner persönlichen Erhabenheit gegründet war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1319,"orig":"Weil er zu Hauſe doch öfters Betrachtungen Raum gab, die ihn im Taumel der Geſellſchaft nicht hatten angehen dürfen, ſo ſahen ihn ſeine eigenen Leute ſelten anders als finſter, mürriſch und unglücklich, während daß er fremde Zirkel mit einer erzwungenen Fröhlichkeit beſeelte.","norm":"Weil er zu Hause doch öfters Betrachtungen Raum gab, die ihn im Taumel der Gesellschaft nicht hatten angehen dürfen, so sahen ihn seine eigenen Leute selten anders als finster, mürrisch und unglücklich, während dass er fremde Zirkel mit einer erzwungenen Fröhlichkeit beseelte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1320,"orig":"Mit theilnehmendem Leiden ſahen wir ihn auf dieſer gefährlichen Bahn hinwandeln, aber in dem Tumult, durch den er geworfen wurde, hörte er die ſchwache Stimme der Freundſchaft nicht mehr, und war jezt auch noch zu glücklich, um ſie zu verſtehen.","norm":"Mit teilnehmendem Leiden sahen wir ihn auf dieser gefährlichen Bahn hinwandeln, aber in dem Tumult, durch den er geworfen wurde, hörte er die schwache Stimme der Freundschaft nicht mehr, und war jetzt auch noch zu glücklich, um sie zu verstehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1321,"orig":"Schon in den erſten Zeiten dieſer Epoche forderte mich eine wichtige Angelegenheit an den Hof meines Souverains, die ich auch dem feurigſten Intereſſe der Freundſchaft nicht nachſetzen durfte.","norm":"Schon in den ersten Zeiten dieser Epoche forderte mich eine wichtige Angelegenheit an den Hof meines Souveräns, die ich auch dem feurigsten Interesse der Freundschaft nicht nachsetzen durfte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1322,"orig":"Eine unſichtbare Hand, die ſich mir erſt lange nachher entdeckte, hatte Mittel gefunden, meine Angelegenheiten dort zu verwirren, und Gerüchte von mir auszubreiten, die ich eilen mußte, durch meine perſönliche Gegenwart zu widerlegen.","norm":"Eine unsichtbare Hand, die sich mir erst lange nachher entdeckte, hatte Mittel gefunden, meine Angelegenheiten dort zu verwirren, und Gerüchte von mir auszubreiten, die ich eilen musste, durch meine persönliche Gegenwart zu widerlegen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1323,"orig":"Der Abſchied vom Prinzen ward mir ſchwer, aber ihm war er deſto leichter.","norm":"Der Abschied vom Prinzen wurde mir schwer, aber ihm war er desto leichter."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1324,"orig":"Schon ſeit geraumer Zeit waren die Bande gelöſ't, die ihn an mich gekettet hatten.","norm":"Schon seit geraumer Zeit waren die Bande gelöst, die ihn an mich gekettet hatten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1325,"orig":"Aber ſein Schickſal hatte meine ganze Theilnehmung erweckt; ich ließ mir deswegen von dem Baron von F * * * verſprechen, mich durch ſchriftliche Nachrichten damit in Verbindung zu erhalten, was er auch auf's gewiſſenhafteſte gehalten hat.","norm":"Aber sein Schicksal hatte meine ganze Teilnehmung erweckt; ich ließ mir deswegen von dem Baron von F * * * versprechen, mich durch schriftliche Nachrichten damit in Verbindung zu erhalten, was er auch aufs gewissenhafteste gehalten hat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1326,"orig":"Von jezt an bin ich alſo auf lange Zeit kein Augenzeuge dieſer Begebenheiten mehr; man erlaube mir, den Baron von F * * * an meiner Statt aufzuführen, und dieſe Lücke durch Auszüge aus ſeinen Briefen zu ergänzen.","norm":"Von jetzt an bin ich also auf lange Zeit kein Augenzeuge dieser Begebenheiten mehr; man erlaube mir, den Baron von F * * * an meiner statt aufzuführen, und diese Lücke durch Auszüge aus seinen Briefen zu ergänzen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1327,"orig":"Ungeachtet die Vorſtellungsart meines Freundes F * * * nicht immer die meinige iſt, ſo habe ich dennoch an ſeinen Worten nichts ändern wollen, aus denen der Leſer die Wahrheit mit wenig Mühe herausfinden wird.","norm":"Ungeachtet die Vorstellungsart meines Freundes F * * * nicht immer die meinige ist, so habe ich dennoch an seinen Worten nichts ändern wollen, aus denen der Leser die Wahrheit mit wenig Mühe herausfinden wird."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1328,"orig":"May 17 * *.","norm":"Mai 17 * *."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1329,"orig":"Dank Ihnen, ſehr verehrter Freund, daß Sie mir die Erlaubniß ertheilt haben, auch abweſend den vertrauten Umgang mit Ihnen fortzuſetzen, der während Ihres Hierſeyns meine beſte Freude ausmachte.","norm":"Dank Ihnen, sehr verehrter Freund, dass Sie mir die Erlaubnis erteilt haben, auch abwesend den vertrauten Umgang mit Ihnen fortzusetzen, der während Ihres Hierseins meine beste Freude ausmachte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1330,"orig":"Hier, das wiſſen Sie, iſt niemand, gegen den ich es wagen dürfte, mich über gewiſſe Dinge herauszulaſſen — was Sie mir auch dagegen ſagen mögen, dieſes Volk iſt mir verhaßt.","norm":"Hier, das wissen Sie, ist niemand, gegen den ich es wagen dürfte, mich über gewisse Dinge herauszulassen — was Sie mir auch dagegen sagen mögen, dieses Volk ist mir verhasst."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1331,"orig":"Seitdem der Prinz einer davon geworden iſt, und ſeitdem vollends Sie uns entriſſen ſind, bin ich mitten in dieſer volkreichen Stadt verlaſſen.","norm":"Seitdem der Prinz einer davon geworden ist, und seitdem vollends Sie uns entrissen sind, bin ich mitten in dieser volkreichen Stadt verlassen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1332,"orig":"Z * * * nimmt es leichter, und die Schönen in Venedig wiſſen ihm die Kränkungen vergeſſen zu machen, die er zu Hauſe mit mir theilen muß.","norm":"Z * * * nimmt es leichter, und die Schönen in Venedig wissen ihm die Kränkungen vergessen zu machen, die er zu Hause mit mir teilen muss."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1333,"orig":"Und was hätte er ſich auch darüber zu grämen?","norm":"Und was hätte er sich auch darüber zu grämen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1334,"orig":"Er ſieht und verlangt in dem Prinzen nichts, als einen Herrn, den er überall findet — aber ich!","norm":"Er sieht und verlangt in dem Prinzen nichts, als einen Herrn, den er überall findet — aber ich!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1335,"orig":"Sie wiſſen, wie nahe ich das Wohl und Weh unſers Prinzen an meinem Herzen fühle, und wie ſehr ich Urſache dazu habe.","norm":"Sie wissen, wie nahe ich das Wohl und Weh unseres Prinzen an meinem Herzen fühle, und wie sehr ich Ursache dazu habe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1336,"orig":"Sechszehn Jahre ſind's, daß ich um ſeine Perſon lebe, daß ich nur für ihn lebe.","norm":"Sechzehn Jahre sind es, dass ich um seine Person lebe, dass ich nur für ihn lebe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1337,"orig":"Als ein neunjähriger Knabe kam ich in ſeine Dienſte, und ſeit dieſer Zeit hat mich kein Schickſal von ihm getrennt.","norm":"Als ein neunjähriger Knabe kam ich in seine Dienste, und seit dieser Zeit hat mich kein Schicksal von ihm getrennt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1338,"orig":"Unter ſeinen Augen bin ich geworden; ein langer Umgang hat mich ihm zugebildet; alle ſeine großen und kleinen Abentheuer hab' ich mit ihm beſtanden.","norm":"Unter seinen Augen bin ich geworden; ein langer Umgang hat mich ihm zugebildet; alle seine großen und kleinen Abenteuer habe ich mit ihm bestanden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1339,"orig":"Ich lebe in ſeiner Glückſeligkeit.","norm":"Ich lebe in seiner Glückseligkeit."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1340,"orig":"Bis auf dieſes unglückliche Jahr hab' ich nur meinen Freund, meinen ältern Bruder in ihm geſehen, wie in einem heitern Sonnenſchein hab' ich in ſeinen Augen gelebt — keine Wolke trübte mein Glück, und alles dieß ſoll mir nun in dieſem unſeligen Venedig zu Trümmern gehen!","norm":"Bis auf dieses unglückliche Jahr habe ich nur meinen Freund, meinen älteren Bruder in ihm gesehen, wie in einem heiteren Sonnenschein habe ich in seinen Augen gelebt — keine Wolke trübte mein Glück, und alles dies soll mir nun in diesem unseligen Venedig zu Trümmern gehen!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1341,"orig":"Seitdem Sie von uns ſind, hat ſich allerley bey uns verändert.","norm":"Seitdem Sie von uns sind, hat sich allerlei bei uns verändert."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1342,"orig":"Der Prinz von * * d * * iſt vorige Woche mit einer zahlreichen und glänzenden Suite hier angelangt, und hat unſerm Zirkel ein neues tumultuariſches Leben gegeben.","norm":"Der Prinz von * * d * * ist vorige Woche mit einer zahlreichen und glänzenden Suite hier angelangt, und hat unserem Zirkel ein neues tumultuarisches Leben gegeben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1343,"orig":"Da er und unſer Prinz ſo nahe verwandt ſind, und jezt auf einem ziemlich guten Fuß zuſammen ſtehen, ſo werden ſie ſich während ſeines hieſigen Aufenthalts, der, wie ich höre, bis zum Himmelfahrtsfeſt dauern ſoll, wenig von einander trennen.","norm":"Da er und unser Prinz so nahe verwandt sind, und jetzt auf einem ziemlich guten Fuß zusammen stehen, so werden sie sich während seines hiesigen Aufenthalts, der, wie ich höre, bis zum Himmelfahrtsfest dauern soll, wenig voneinander trennen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1344,"orig":"Der Anfang iſt ſchon beſtens gemacht; ſeit zehen Tagen iſt der Prinz kaum zu Athem gekommen.","norm":"Der Anfang ist schon bestens gemacht; seit zehn Tagen ist der Prinz kaum zu Atem gekommen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1345,"orig":"Der Prinz von * * d * * hat es gleich ſehr hoch angefangen, und das mochte er immer, da er ſich bald wieder entfernt; aber das Schlimme dabey iſt, er hat unſern Prinzen damit angeſteckt, weil er ſich nicht wohl davon ausſchließen konnte, und bey dem beſondern Verhältniß, das zwiſchen beyden Häuſern obwaltet, dem beſtrittenen Range des ſeinigen hier etwas ſchuldig zu ſeyn glaubte.","norm":"Der Prinz von * * d * * hat es gleich sehr hoch angefangen, und das mochte er immer, da er sich bald wieder entfernt; aber das Schlimme dabei ist, er hat unseren Prinzen damit angesteckt, weil er sich nicht wohl davon ausschließen konnte, und bei dem besonderen Verhältnis, das zwischen beiden Häusern obwaltet, dem bestrittenen Range des seinigen hier etwas schuldig zu sein glaubte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1346,"orig":"Dazu kommt, daß in wenig Wochen auch unſer Abſchied von Venedig heran naht; wodurch er ohnehin überhoben wird, dieſen außerordentlichen Aufwand in die Länge fortzuführen.","norm":"Dazu kommt, dass in wenigen Wochen auch unser Abschied von Venedig herannaht; wodurch er ohnehin überhoben wird, diesen außerordentlichen Aufwand in die Länge fortzuführen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1347,"orig":"Der Prinz von * * d * *, wie man ſagt, iſt in Geſchäften des * * * Ordens hier, wobey er ſich einbildet, eine wichtige Rolle zu ſpielen.","norm":"Der Prinz von * * d * *, wie man sagt, ist in Geschäften des * * * Ordens hier, wobei er sich einbildet, eine wichtige Rolle zu spielen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1348,"orig":"Daß er von allen Bekanntſchaften unſers Prinzen ſogleich Beſitz genommen haben werde, können Sie ſich leicht einbilden.","norm":"Dass er von allen Bekanntschaften unseres Prinzen sogleich Besitz genommen haben werde, können Sie sich leicht einbilden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1349,"orig":"In den Bucentauro beſonders iſt er mit Pomp eingeführt worden, da es ihm ſeit einiger Zeit beliebt hat, den witzigen Kopf und den ſtarken Geiſt zu ſpielen, wie er ſich denn auch in ſeinen Correſpondenzen, deren er in allen Weltgegenden unterhält, nur den Prince philoſophe nennen läßt.","norm":"In den Bucentauro besonders ist er mit Pomp eingeführt worden, da es ihm seit einiger Zeit beliebt hat, den witzigen Kopf und den starken Geist zu spielen, wie er sich denn auch in seinen Korrespondenzen, deren er in allen Weltgegenden unterhält, nur den Prince philosophe nennen lässt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1350,"orig":"Ich weiß nicht, ob Sie je das Glück gehabt haben, ihn zu ſehen.","norm":"Ich weiß nicht, ob Sie je das Glück gehabt haben, ihn zu sehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1351,"orig":"Ein vielverſprechendes Aeußre, beſchäftigte Augen, eine Miene voll Kunſtverſtändigkeit, viel Prunk von Lektüre, viel erworbene Natur, (vergönnen Sie mir dieſes Wort) und eine fürſtliche Herablaſſung zu Menſchengefühlen, dabey eine heroiſche Zuverſicht auf ſich ſelbſt, und eine alles niederſprechende Beredſamkeit.","norm":"Ein vielversprechendes Äußere, beschäftigte Augen, eine Miene voll Kunstverständigkeit, viel Prunk von Lektüre, viel erworbene Natur, (vergönnen Sie mir dieses Wort) und eine fürstliche Herablassung zu Menschengefühlen, dabei eine heroische Zuversicht auf sich selbst, und eine alles niedersprechende Beredsamkeit."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1352,"orig":"Wer könnte bey ſo glänzenden Eigenſchaften einer K. H. ſeine Huldigung verſagen?","norm":"Wer könnte bei so glänzenden Eigenschaften einer K. H. seine Huldigung versagen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1353,"orig":"Wie indeſſen der ſtille wortarme und gründliche Werth unſers Prinzen neben dieſer ſchreyenden Vortrefflichkeit auskommen wird, muß der Ausgang lehren.","norm":"Wie indessen der stille wortarme und gründliche Wert unseres Prinzen neben dieser schreienden Vortrefflichkeit auskommen wird, muss der Ausgang lehren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1354,"orig":"In unſrer Einrichtung ſind ſeit der Zeit viele und große Veränderungen geſchehen.","norm":"In unserer Einrichtung sind seit der Zeit viele und große Veränderungen geschehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1355,"orig":"Wir haben ein neues prächtiges Haus, der neuen Prokuratie gegenüber, bezogen, weil es dem Prinzen im Mohren zu eng wurde.","norm":"Wir haben ein neues prächtiges Haus, der neuen Prokuratie gegenüber, bezogen, weil es dem Prinzen im Mohren zu eng wurde."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1356,"orig":"Unſre Suite hat ſich um zwölf Köpfe vermehrt, Pagen, Mohren, Heiducken, u. d. m. — Alles geht jezt in’s Große.","norm":"Unsere Suite hat sich um zwölf Köpfe vermehrt, Pagen, Mohren, Heiducken, u. d. m. — alles geht jetzt ins Große."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1357,"orig":"Sie haben während Ihres Hierſeyns über Aufwand geklagt — jezt ſollten Sie erſt ſehen!","norm":"Sie haben während Ihres Hierseins über Aufwand geklagt — jetzt sollten Sie erst sehen!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1358,"orig":"Unſre innern Verhältniſſe ſind noch die alten — außer, daß der Prinz, der durch Ihre Gegenwart nicht mehr in Schranken gehalten wird, wo möglich noch einſylbiger und froſtiger gegen uns geworden iſt, und daß wir ihn jezt außer dem An- und Auskleiden wenig haben.","norm":"Unsere inneren Verhältnisse sind noch die alten — außer, dass der Prinz, der durch Ihre Gegenwart nicht mehr in Schranken gehalten wird, wo möglich noch einsilbiger und frostiger gegen uns geworden ist, und dass wir ihn jetzt außer dem An- und Auskleiden wenig haben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1359,"orig":"Unter dem Vorwand, daß wir das Franzöſiſche ſchlecht und das Italieniſche gar nicht reden, weiß er uns von ſeinen mehreſten Geſellſchaften auszuſchließen, wodurch er mir für meine Perſon eben keine große Kränkung anthut; aber ich glaube, das Wahre davon einzuſehen: er ſchämt ſich unſrer — und das ſchmerzt mich, das haben wir nicht verdient.","norm":"Unter dem Vorwand, dass wir das Französische schlecht und das Italienische gar nicht reden, weiß er uns von seinen meisten Gesellschaften auszuschließen, wodurch er mir für meine Person eben keine große Kränkung antut; aber ich glaube, das Wahre davon einzusehen: Er schämt sich unserer — und das schmerzt mich, das haben wir nicht verdient."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1360,"orig":"Von unſern Leuten (weil Sie doch alle Kleinigkeiten wiſſen wollen) bedient er ſich jezt faſt ganz allein des Biondello, den er, wie Sie wiſſen, nach Entweichung unſers Jägers in ſeine Dienſte nahm, und der ihm jezt bey dieſer neuen Lebensart ganz unentbehrlich geworden iſt.","norm":"Von unseren Leuten (weil Sie doch alle Kleinigkeiten wissen wollen) bedient er sich jetzt fast ganz allein des Biondello, den er, wie Sie wissen, nach Entweichung unseres Jägers in seine Dienste nahm, und der ihm jetzt bei dieser neuen Lebensart ganz unentbehrlich geworden ist."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1361,"orig":"Der Menſch kennt alles in Venedig, und alles weiß er zu gebrauchen.","norm":"Der Mensch kennt alles in Venedig, und alles weiß er zu gebrauchen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1362,"orig":"Es iſt nicht anders, als wenn er tauſend Augen hätte, tauſend Hände in Bewegung ſetzen könnte.","norm":"Es ist nicht anders, als wenn er tausend Augen hätte, tausend Hände in Bewegung setzen könnte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1363,"orig":"Er bewerkſtellige dieſes mit Hülfe der Gondoliers, ſagt er.","norm":"Er bewerkstellige dieses mit Hilfe der Gondolieres, sagt er."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1364,"orig":"Dem Prinzen kommt er dadurch ungemein zu Statten, daß er ihn vorläufig mit allen neuen Geſichtern bekannt macht, die dieſem in ſeinen Geſellſchaften vorkommen, und die geheimen Notizen, die er giebt, hat der Prinz immer richtig befunden.","norm":"Dem Prinzen kommt er dadurch ungemein zustatten, dass er ihn vorläufig mit allen neuen Gesichtern bekannt macht, die diesem in seinen Gesellschaften vorkommen, und die geheimen Notizen, die er gibt, hat der Prinz immer richtig befunden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1365,"orig":"Dabey ſpricht und ſchreibt er das Italieniſche und das Franzöſiſche vortrefflich, wodurch er ſich auch bereits zum Sekretair des Prinzen aufgezwungen hat.","norm":"Dabei spricht und schreibt er das Italienische und das Französische vortrefflich, wodurch er sich auch bereits zum Sekretär des Prinzen aufgeschwungen hat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1366,"orig":"Einen Zug von uneigennütziger Treue muß ich Ihnen doch erzählen, der bey einem Menſchen dieſes Standes in der That ſelten iſt.","norm":"Einen Zug von uneigennütziger Treue muss ich Ihnen doch erzählen, der bei einem Menschen dieses Standes in der Tat selten ist."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1367,"orig":"Neulich ließ ein angeſehener Kaufmann aus Rimini bey dem Prinzen um Gehör anſuchen.","norm":"Neulich ließ ein angesehener Kaufmann aus Rimini bei dem Prinzen um Gehör ansuchen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1368,"orig":"Der Gegenſtand war eine ſonderbare Beſchwerde über Biondello.","norm":"Der Gegenstand war eine sonderbare Beschwerde über Biondello."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1369,"orig":"Der Prokurator, ſein voriger Herr, der ein wunderlicher Heiliger geweſen ſeyn mochte, hatte mit ſeinen Verwandten in unverſöhnlicher Feindſchaft gelebt, die ihn auch, wo möglich, noch überleben ſollte.","norm":"Der Prokurator, sein voriger Herr, der ein wunderlicher Heiliger gewesen sein mochte, hatte mit seinen Verwandten in unversöhnlicher Feindschaft gelebt, die ihn auch, wo möglich, noch überleben sollte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1370,"orig":"Sein ganzes ausſchließendes Vertrauen hatte Biondello, bey dem er alle Geheimniſſe niederzulegen pflegte; dieſer mußte ihm noch am Todbette angeloben, ſie heilig zu bewahren, und zum Vortheil der Verwandten niemals Gebrauch davon zu machen; ein anſehnliches Legat ſollte ihn für dieſe Verſchiegenheit belohnen.","norm":"Sein ganzes ausschließendes Vertrauen hatte Biondello, bei dem er alle Geheimnisse niederzulegen pflegte; dieser musste ihm noch am Todbette angeloben, sie heilig zu bewahren, und zum Vorteil der Verwandten niemals Gebrauch davon zu machen; ein ansehnliches Legat sollte ihn für diese Verschwiegenheit belohnen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1371,"orig":"Als man ſein Teſtament eröffnete und ſeine Papiere durchſuchte, fanden ſich große Lücken und Verwirrungen, worüber Biondello allein den Aufſchluß geben konnte.","norm":"Als man sein Testament eröffnete und seine Papiere durchsuchte, fanden sich große Lücken und Verwirrungen, worüber Biondello allein den Aufschluss geben konnte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1372,"orig":"Dieſer läugnete hartnäckig, daß er etwas wiſſe, ließ den Erben das ſehr beträchtliche Legat, und behielt ſeine Geheimniſſe.","norm":"Dieser leugnete hartnäckig, dass er etwas wisse, ließ den Erben das sehr beträchtliche Legat, und behielt seine Geheimnisse."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1373,"orig":"Große Erbiethungen wurden ihm von Seiten der Verwandten gethan, aber alle vergeblich; endlich um ihrem Zudringen zu entgehen, weil ſie drohten, ihn rechtlich zu belangen, begab er ſich bey dem Prinzen in Dienſte.","norm":"Große Erbietungen wurden ihm von Seiten der Verwandten getan, aber alle vergeblich; endlich um ihrem Zudringen zu entgehen, weil sie drohten, ihn rechtlich zu belangen, begab er sich bei dem Prinzen in Dienste."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1374,"orig":"An dieſen wandte ſich nun der Haupterbe, dieſer Kaufmann, und that noch größre Erbiethungen, als die ſchon geſchehen waren, wenn Biondello ſeinen Sinn ändern wollte.","norm":"An diesen wandte sich nun der Haupterbe, dieser Kaufmann, und tat noch größere Erbietungen, als die schon geschehen waren, wenn Biondello seinen Sinn ändern wollte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1375,"orig":"Aber auch die Fürſprache des Prinzen war umſonſt.","norm":"Aber auch die Fürsprache des Prinzen war umsonst."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1376,"orig":"Dieſem geſtand er zwar, daß ihm wirklich dergleichen Geheimniſſe anvertraut waren, er läugnete auch nicht, daß der Verſtorbene im Haß gegen ſeine Familie vielleicht zu weit gegangen ſey, aber, ſezte er war mein guter Herr und mein Wohlthäter, und im feſten Vertrauen auf meine Redlichkeit ſtarb er hin.","norm":"Diesem gestand er zwar, dass ihm wirklich dergleichen Geheimnisse anvertraut waren, er leugnete auch nicht, dass der Verstorbene im Hass gegen seine Familie vielleicht zu weit gegangen sei, aber, setzte er war mein guter Herr und mein Wohltäter, und im festen Vertrauen auf meine Redlichkeit starb er hin."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1377,"orig":"Ich war der einzige Freund, den er auf der Welt verließ — um ſo weniger darf ich ſeine einzige Hoffnung hintergehen.","norm":"Ich war der einzige Freund, den er auf der Welt verließ — um so weniger darf ich seine einzige Hoffnung hintergehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1378,"orig":"Zugleich ließ er merken, daß dieſe Eröffnungen dem Andenken ſeines verſtorbenen Herrn nicht ſehr zur Ehre gereichen dürften.","norm":"Zugleich ließ er merken, dass diese Eröffnungen dem Andenken seines verstorbenen Herrn nicht sehr zur Ehre gereichen dürften."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1379,"orig":"Iſt das nicht fein gedacht und edel?","norm":"Ist das nicht fein gedacht und edel?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1380,"orig":"Auch können Sie leicht denken, daß der Prinz nicht ſehr darauf beharrte, ihn in einer ſo löblichen Geſinnung wankend zu machen.","norm":"Auch können Sie leicht denken, dass der Prinz nicht sehr darauf beharrte, ihn in einer so löblichen Gesinnung wankend zu machen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1381,"orig":"Dieſe ſeltene Treue, die er gegen einen Todten bewies, hat ihm einen Lebenden gewonnen!","norm":"Diese seltene Treue, die er gegen einen Toten bewies, hat ihm einen Lebenden gewonnen!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1382,"orig":"Leben Sie glücklich — liebſter Freund.","norm":"Leben Sie glücklich — liebster Freund."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1383,"orig":"Wie ſehne ich mich nach dem ſtillen Leben zurück, in welchem Sie uns hier fanden, und wofür Sie uns ſo angenehm entſchädigten!","norm":"Wie sehne ich mich nach dem stillen Leben zurück, in welchem Sie uns hier fanden, und wofür Sie uns so angenehm entschädigten!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1384,"orig":"Ich fürchte, meine guten Zeiten in Venedig ſind vorbey, und Gewinn genug, wenn von dem Prinzen nicht das nehmliche Wahr iſt.","norm":"Ich fürchte, meine guten Zeiten in Venedig sind vorbei, und Gewinn genug, wenn von dem Prinzen nicht das nämliche Wahr ist."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1385,"orig":"Das Element, worin er jezt lebt, iſt dasjenige nicht, worin er in die Länge glücklich ſeyn kann, oder eine ſechszehnjährige Erfahrung müßte mich betrügen.","norm":"Das Element, worin er jetzt lebt, ist dasjenige nicht, worin er in die Länge glücklich sein kann, oder eine sechzehnjährige Erfahrung müsste mich betrügen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1386,"orig":"18. Mgy.","norm":"18. Mai."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1387,"orig":"Hätt' ich doch nicht gedacht, daß unſer Aufenthalt in Venedig noch zu irgend etwas gut ſeyn würde!","norm":"Hätte ich doch nicht gedacht, dass unser Aufenthalt in Venedig noch zu irgendetwas gut sein würde!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1388,"orig":"Er hat einem Menſchen das Leben gerettet, ich bin mit ihm ausgeſöhnt.","norm":"Er hat einem Menschen das Leben gerettet, ich bin mit ihm ausgesöhnt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1389,"orig":"Der Prinz ließ ſich neulich bey ſpäter Nacht aus dem Bucentauro nach Hauſe tragen, zwey Bediente, unter denen Biondello war, begleiteten ihn.","norm":"Der Prinz ließ sich neulich bei später Nacht aus dem Bucentauro nach Hause tragen, zwei Bediente, unter denen Biondello war, begleiteten ihn."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1390,"orig":"Ich weiß nicht wie es zugeht, die Sänfte, die man in der Eile aufgerafft hatte, geht entzwey, und der Prinz ſieht ſich genöthigt, den Reſt des Weges zu Fuße zu machen.","norm":"Ich weiß nicht wie es zugeht, die Sänfte, die man in der Eile aufgerafft hatte, geht entzwei, und der Prinz sieht sich genötigt, den Rest des Weges zu Fuße zu machen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1391,"orig":"Biondello geht voran, der Weg führte durch einige dunkle abgelegene Straßen, und da es nicht weit mehr von Tages Anbruch war, ſo brannten die Lampen dunkel, oder waren ſchon ausgegangen.","norm":"Biondello geht voran, der Weg führte durch einige dunkle abgelegene Straßen, und da es nicht weit mehr von Tagesanbruch war, so brannten die Lampen dunkel, oder waren schon ausgegangen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1392,"orig":"Eine Viertelſtunde mochte man gegangen ſeyn, als Biondello die Entdeckung machte, daß er verirrt ſey.","norm":"Eine Viertelstunde mochte man gegangen sein, als Biondello die Entdeckung machte, dass er verirrt sei."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1393,"orig":"Die Aehnlichkeit der Brücken hatte ihn getäuſcht, und anſtatt in St. Markus überzuſetzen, befand man ſich im Seſtiere von Kaſtello.","norm":"Die Ähnlichkeit der Brücken hatte ihn getäuscht, und anstatt in St. Markus überzusetzen, befand man sich im Sestiere von Castello."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1394,"orig":"Es war in einer der abgelegenſten Gaſſen, und nichts lebendes weit und breit, man mußte umkehren, um ſich in einer Hauptſtraße zu orientiren.","norm":"Es war in einer der abgelegensten Gassen, und nichts Lebendes weit und breit, man musste umkehren, um sich in einer Hauptstraße zu orientieren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1395,"orig":"Sie ſind nur wenige Schritte gegangen, als nicht weit von ihnen in einer Gaſſe ein Mordgeſchrey erſchallt.","norm":"Sie sind nur wenige Schritte gegangen, als nicht weit von ihnen in einer Gasse ein Mordgeschrei erschallt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1396,"orig":"Der Prinz, unbewaffnet wie er war, reißt einem Bedienten den Stock aus den Händen, und mit dem entſchloſſenen Muth, den Sie an ihm kennen, nach der Gegend zu, woher dieſe Stimme erſchallte.","norm":"Der Prinz, unbewaffnet wie er war, reißt einem Bedienten den Stock aus den Händen, und mit dem entschlossenen Mut, den Sie an ihm kennen, nach der Gegend zu, woher diese Stimme erschallte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1397,"orig":"Drey fürchterliche Kels ſind eben im Begriff, einen Vierten niederzuſtoßen, der ſich mit ſeinem Begleiter nur noch ſchwach vertheidigt; der Prinz erſcheint noch eben zu rechter Zeit, um den tödtlichen Stich zu hindern.","norm":"Drei fürchterliche Kerls sind eben im Begriff, einen Vierten niederzustoßen, der sich mit seinem Begleiter nur noch schwach verteidigt; der Prinz erscheint noch eben zu rechter Zeit, um den tödlichen Stich zu hindern."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1398,"orig":"Sein und der Bedienten Rufen beſtürzt die Mörder, die ſich an einem ſo abgelegenen Ort auf keine Ueberraſchung verſehen hatten, daß ſie nach einigen leichten Dolchſtichen von ihrem Manne ablaſſen und die Flucht ergreifen.","norm":"Sein und der bedienten Rufen bestürzt die Mörder, die sich an einem so abgelegenen Ort auf keine Überraschung versehen hatten, dass sie nach einigen leichten Dolchstichen von ihrem Manne ablassen und die Flucht ergreifen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1399,"orig":"Halb ohnmächtig und vom Ringen erſchöpft, ſinkt der Verwundete in den Arm des Prinzen; ſein Begleiter entdeckt dieſem, daß er den Marcheſe von Civitella, den Neffen des Kardinals A * * * i, gerettet habe.","norm":"Halb ohnmächtig und vom Ringen erschöpft, sinkt der Verwundete in den Arm des Prinzen; sein Begleiter entdeckt diesem, dass er den Marchese von Civitella, den Neffen des Kardinals A * * * i, gerettet habe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1400,"orig":"Da der Marcheſe viel Blut verlor, ſo machte Biondello, ſo gut er konnte, in der Eile den Wundarzt, und der Prinz trug Sorge, daß er nach dem Pallaſt ſeines Oheims geſchafft wurde, der am nächſten gelegen war, und wohin er ihn ſelbſt begleitete.","norm":"Da der Marchese viel Blut verlor, so machte Biondello, so gut er konnte, in der Eile den Wundarzt, und der Prinz trug Sorge, dass er nach dem Palast seines Oheims geschafft wurde, der am nächsten gelegen war, und wohin er ihn selbst begleitete."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1401,"orig":"Hier verließ er ihn in der Stille, und ohne ſich zu erkennen gegeben zu haben.","norm":"Hier verließ er ihn in der Stille, und ohne sich zu erkennen gegeben zu haben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1402,"orig":"Aber durch einen Bedienten, der Biondello erkannt hatte, ward er verrathen.","norm":"Aber durch einen Bedienten, der Biondello erkannt hatte, wurde er verraten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1403,"orig":"Gleich den folgenden Morgen erſchien der Kardinal, eine alte Bekanntſchaft aus dem Bucentauro.","norm":"Gleich den folgenden Morgen erschien der Kardinal, eine alte Bekanntschaft aus dem Bucentauro."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1404,"orig":"Der Beſuch dauerte eine Stunde, der Kardinal war in großer Bewegung, als ſie heraus kamen, Thränen ſtanden in ſeinen Augen, auch der Prinz war gerührt.","norm":"Der Besuche dauerte eine Stunde, der Kardinal war in großer Bewegung, als sie herauskamen, Tränen standen in seinen Augen, auch der Prinz war gerührt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1405,"orig":"Noch an demſelben Abend wurde bey dem Kranken ein Beſuch abgeſtattet, von dem der Wundarzt übrigens das Beſte verſichert.","norm":"Noch an demselben Abend wurde bei dem Kranken ein Besuche abgestattet, von dem der Wundarzt übrigens das Beste versichert."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1406,"orig":"Der Mantel, in den er gehüllt war, hatte die Stöße unſicher gemacht, und ihre Stärke gebrochen.","norm":"Der Mantel, in den er gehüllt war, hatte die Stöße unsicher gemacht, und ihre Stärke gebrochen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1407,"orig":"Seit dieſem Vorfall verſtrich kein Tag, an welchem der Prinz nicht in dem Hauſe des Kardinals Beſuche gegeben oder empfangen hätte, und eine ſtarke Freundſchaft fängt an, ſich zwiſchen ihm und dieſem Hauſe zu bilden.","norm":"Seit diesem Vorfall verstrich kein Tag, an welchem der Prinz nicht in dem Hause des Kardinals Besuche gegeben oder empfangen hätte, und eine starke Freundschaft fängt an, sich zwischen ihm und diesem Hause zu bilden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1408,"orig":"Der Kardinal iſt ein ehrwürdiger Sechziger, majeſtätiſch von Anſehn, voll Heiterkeit und friſcher Geſundheit.","norm":"Der Kardinal ist ein ehrwürdiger Sechziger, majestätisch von Ansehen, voll Heiterkeit und frischer Gesundheit."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1409,"orig":"Man hält ihn für einen der reichſten Prälaten im ganzen Gebiethe der Republik.","norm":"Man hält ihn für einen der reichsten Prälaten im ganzen Gebiete der Republik."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1410,"orig":"Sein unermeßliches Vermögen ſoll er noch ſehr jugendlich verwalten, und bey einer vernünftigen Sparſamkeit keine Weltfreude verſchmähen.","norm":"Sein unermessliches Vermögen soll er noch sehr jugendlich verwalten, und bei einer vernünftigen Sparsamkeit keine Weltfreude verschmähen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1411,"orig":"Dieſer Neffe iſt ſein einziger Erbe, der aber mir ſeinem Oheim nicht immer im beſten Vernehmen ſtehen ſoll.","norm":"Dieser Neffe ist sein einziger Erbe, der aber mir seinem Oheim nicht immer im besten Vernehmen stehen soll."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1412,"orig":"So wenig der Alte ein Feind des Vergnügens iſt, ſo ſoll doch die Aufführung des Neffen auch die höchſte Toleranz erſchöpfen.","norm":"So wenig der Alte ein Feind des Vergnügens ist, so soll doch die Aufführung des Neffen auch die höchste Toleranz erschöpfen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1413,"orig":"Seine freyen Grundſätze und ſeine zügelloſe Lebensart, unglücklicher Weiſe durch alles unterſtützt, was Laſter ſchmücken, und die Sinnlichkeit hinreißen kann, machen ihn zum Schrecken aller Väter und zum Fluch aller Ehemänner; auch dieſen lezten Angriff ſoll er ſich, wie man laut behauptet, durch eine Intrigue zugezogen haben, die er mit der Gemahlinn des * * ſchen Geſandten angeſponnen hatte: anderer ſchlimmen Händel nicht zu gedenken, woraus ihn das Anſehen und das Geld des Kardinals nur mit Mühe hat retten können.","norm":"Seine freien Grundsätze und seine zügellose Lebensart, unglücklicherweise durch alles unterstützt, was Laster schmücken, und die Sinnlichkeit hinreißen kann, machen ihn zum Schrecken aller Väter und zum Fluch aller Ehemänner; auch diesen letzten Angriff soll er sich, wie man laut behauptet, durch eine Intrige zugezogen haben, die er mit der Gemahlin des * * schen Gesandten angesponnen hatte: anderer schlimmen Händel nicht zu gedenken, woraus ihn das Ansehen und das Geld des Kardinals nur mit Mühe hat retten können."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1414,"orig":"Dieſes abgerechnet, wäre lezterer der beneidetſte Mann in ganz Italien, weil er alles beſizt, was das Leben wünſchenswürdig machen kann.","norm":"Dieses abgerechnet, wäre letzterer der beneidetste Mann in ganz Italien, weil er alles besitzt, was das Leben wünschenswürdig machen kann."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1415,"orig":"Mit dieſem einzigen Familienleiden nimmt das Glück alle ſeine Gaben zurück, und vergällt ihm den Genuß ſeines Vermögens durch die immerwährende Furcht, keinen Erben dazu zu finden.","norm":"Mit diesem einzigen Familienleiden nimmt das Glück alle seine Gaben zurück, und vergällt ihm den Genuss seines Vermögens durch die immerwährende Furcht, keinen Erben dazu zu finden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1416,"orig":"Alle dieſe Nachrichten habe ich von Biondello.","norm":"Alle diese Nachrichten habe ich von Biondello."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1417,"orig":"In dieſem Menſchen hat der Prinz einen wahren Schatz erhalten.","norm":"In diesem Menschen hat der Prinz einen wahren Schatz erhalten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1418,"orig":"Mit jedem Tage macht er ſich unentbehrlicher, mit jedem Tage entdecken wir irgend ein neues Talent an ihm.","norm":"Mit jedem Tage macht er sich unentbehrlicher, mit jedem Tage entdecken wir irgendein neues Talent an ihm."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1419,"orig":"Neulich hatte ſich der Prinz erhitzt, und konnte nicht einſchlafen.","norm":"Neulich hatte sich der Prinz erhitzt, und konnte nicht einschlafen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1420,"orig":"Das Nachtlicht war ausgelöſcht, und kein Klingeln konnte den Kammerdiener erwecken, der außer dem Hauſe bey einer Operiſtinn ſchlafen gegangen war.","norm":"Das Nachtlicht war ausgelöscht, und kein Klingeln konnte den Kammerdiener erwecken, der außer dem Hause bei einer Operistin schlafengegangen war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1421,"orig":"Der Prinz entſchließt ſich alſo, ſelbſt aufzuſtehen, Um einen ſeiner Leute zu errufen.","norm":"Der Prinz entschließt sich also, selbst aufzustehen, um einen seiner Leute zu errufen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1422,"orig":"Er iſt noch nicht weit gegangen, als ihm von ferne eine liebliche Muſik entgegen ſchallt.","norm":"Er ist noch nicht weit gegangen, als ihm von ferne eine liebliche Musik entgegenschallt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1423,"orig":"Er geht wie bezaubert dem Schall nach, und findet Biondello auf ſeinem Zimmer auf der Flöte blaſend, ſeine Kameraden um ihn her.","norm":"Er geht wie bezaubert dem Schall nach, und findet Biondello auf seinem Zimmer auf der Flöte blasend, seine Kameraden um ihn her."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1424,"orig":"Er will ſeinen Augen, ſeinen Ohren nicht trauen, und befiehlt ihm fortzufahren.","norm":"Er will seinen Augen, seinen Ohren nicht trauen, und befiehlt ihm fortzufahren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1425,"orig":"Mit einer bewundernswürdigen Leichtigkeit extemporirt dieſer nun daſſelbe ſchmelzende Adagio mit den glücklichſten Variationen und allen Feinheiten eines Virtuoſen.","norm":"Mit einer bewundernswürdigen Leichtigkeit extemporiert dieser nun dasselbe schmelzende Adagio mit den glücklichsten Variationen und allen Feinheiten eines Virtuosen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1426,"orig":"Der Prinz, der ein Kenner iſt, wie Sie wiſſen, behauptet, daß er ſich getroſt in der beſten Kapelle hören laſſen dürfte.","norm":"Der Prinz, der ein Kenner ist, wie Sie wissen, behauptet, dass er sich getrost in der besten Kapelle hören lassen dürfte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1427,"orig":"„Ich muß dieſen Menſchen entlaſſen,“ ſagte er mir den Morgen darauf, „ich bin unvermögend, ihn nach Verdienſt zu belohnen,“ Biondello, der dieſe Worte aufgefangen hatte, trat herzu.","norm":"„Ich muss diesen Menschen entlassen,“ sagte er mir den Morgen darauf, „ich bin unvermögend, ihn nach Verdienst zu belohnen,“ Biondello, der diese Worte aufgefangen hatte, trat herzu."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1428,"orig":"Gnädigſter Herr, ſagte er, wenn Sie das thun, ſo rauben Sie mir meine beſte Belohnung.","norm":"Gnädigster Herr, sagte er, wenn Sie das tun, so rauben Sie mir meine beste Belohnung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1429,"orig":"„Du biſt zu etwas Beſſerm beſtimmt, als zu dienen,“ ſagte mein Herr.","norm":"„Du bist zu etwas Besserem bestimmt, als zu dienen,“ sagte mein Herr."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1430,"orig":"„Ich darf dir nicht vor deinem Glücke ſeyn.","norm":"„Ich darf dir nicht vor deinem Glücke sein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1431,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1432,"orig":"Dringen Sie mir doch kein anderes Glück auf, gnädigſter Herr, als das ich mir ſelbſt gewählt habe.","norm":"Dringen Sie mir doch kein anderes Glück auf, gnädigster Herr, als das ich mir selbst gewählt habe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1433,"orig":"„Und ein ſolches Talent zu vernachläſſigen — Nein!","norm":"„Und ein solches Talent zu vernachlässigen — Nein!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1434,"orig":"Ich darf es nicht zugeben.","norm":"Ich darf es nicht zugeben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1435,"orig":"“ So erlauben Sie mir, gnädigſter Herr, daß ich es zuweilen in Ihrer Gegenwart übe.","norm":"“ So erlauben Sie mir, gnädigster Herr, dass ich es zuweilen in Ihrer Gegenwart übe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1436,"orig":"Und dazu wurden auch ſogleich die Anſtalten getroffen.","norm":"Und dazu wurden auch sogleich die Anstalten getroffen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1437,"orig":"Biondello erhielt ein Zimmer, zunächſt am Schlafgemach ſeines Herrn, wo er ihn mit Muſik in den Schlummer wiegen, und mit Muſik daraus erwecken kann.","norm":"Biondello erhielt ein Zimmer, zunächst am Schlafgemach seines Herrn, wo er ihn mit Musik in den Schlummer wiegen, und mit Musik daraus erwecken kann."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1438,"orig":"Seinen Gehalt wollte der Prinz verdoppeln, welches er aber verbat, mit der Erklärung:","norm":"Seinen Gehalt wollte der Prinz verdoppeln, welches er aber verbat, mit der Erklärung:"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1439,"orig":"Der Prinz möchte ihm erlauben, dieſe zugedachte Gnade als ein Kapital bey ihm zu deponiren, welches er vielleicht in kurzer Zeit nöthig haben würde, zu erheben.","norm":"Der Prinz möchte ihm erlauben, diese zugedachte Gnade als ein Kapital bei ihm zu deponieren, welches er vielleicht in kurzer Zeit nötig haben würde, zu erheben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1440,"orig":"Der Prinz erwartet nunmehr, daß er nächſtens kommen werde, um etwas zu bitten; und was es auch ſeyn möge, es iſt ihm zum voraus gewährt.","norm":"Der Prinz erwartet nunmehr, dass er nächstens kommen werde, um etwas zu bitten; und was es auch sein möge, es ist ihm zum voraus gewährt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1441,"orig":"Leben Sie wohl, liebſter Freund.","norm":"Leben Sie wohl, liebster Freund."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1442,"orig":"Ich erwarte mit Ungeduld Nachrichten aus K * * * n.","norm":"Ich erwarte mit Ungeduld Nachrichten aus K * * * n."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1443,"orig":"4. Juni us.","norm":"4. Juni us."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1444,"orig":"Der Marcheſe von Civitella, der von ſeinen Wunden nun ganz wieder hergeſtellt iſt, hat ſich vorige Woche durch ſeinen Oncle, den Kardinal, bey dem Prinzen einführen laſſen, und ſeit dieſem Tage folgt er ihm, wie ſein Schatten.","norm":"Der Marchese von Civitella, der von seinen Wunden nun ganz wieder hergestellt ist, hat sich vorige Woche durch seinen Oncle, den Kardinal, bei dem Prinzen einführen lassen, und seit diesem Tage folgt er ihm, wie sein Schatten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1445,"orig":"Von dieſem Marcheſe hat mir Biondello doch nicht die Wahrheit geſagt, wenigſtens hat er ſie weit übertrieben.","norm":"Von diesem Marchese hat mir Biondello doch nicht die Wahrheit gesagt, wenigstens hat er sie weit übertrieben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1446,"orig":"Ein ſehr liebenswürdiger Menſch von Anſehn, und unwiderſtehlich im Umgang.","norm":"Ein sehr liebenswürdiger Mensch von Ansehen, und unwiderstehlich im Umgang."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1447,"orig":"Es iſt nicht möglich, ihm gram zu ſeyn, der erſte Anblick hat mich erobert.","norm":"Es ist nicht möglich, ihm gram zu sein, der erste Anblick hat mich erobert."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1448,"orig":"Denken Sie ſich die bezauberndſte Figur, mit Würde und Anmuth getragen, ein Geſicht voll Geiſt und Seele, eine offne einladende Miene, einen einſchmeichelnden Ton der Stimme, die fließendſte Beredſamkeit, die blühendſte Jugend mit allen Grazien der feinſten Erziehung vereinigt.","norm":"Denken Sie sich die bezauberndste Figur, mit Würde und Anmut getragen, ein Gesicht voll Geist und Seele, eine offene einladende Miene, einen einschmeichelnden Ton der Stimme, die fließendste Beredsamkeit, die blühendste Jugend mit allen Grazien der feinsten Erziehung vereinigt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1449,"orig":"Er hat gar nichts von dem geringſchätzigen Stolz, von der feyerlichen Steifheit, die uns an den übrigen Nobili, ſo unerträglich fällt.","norm":"Er hat gar nichts von dem geringschätzigen Stolz, von der feierlichen Steifheit, die uns an den übrigen Nobili, so unerträglich fällt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1450,"orig":"Alles an ihm athmet jugendliche Frohherzigkeit, Wohlwollen, Wärme des Gefühls.","norm":"Alles an ihm atmet jugendliche Frohherzigkeit, Wohlwollen, Wärme des Gefühls."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1451,"orig":"Seine Ausſchweifungen muß man mir weit übertrieben haben, nie ſah' ich ein vollkommneres, ſchöneres Bild der Geſundheit.","norm":"Seine Ausschweifungen muss man mir weit übertrieben haben, nie sah ich ein vollkommneres, schöneres Bild der Gesundheit."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1452,"orig":"Wenn er wirklich ſo ſchlimm iſt, als mir Biondello ſagt, ſo iſt es eine Sirene, der kein Menſch widerſtehen kann.","norm":"Wenn er wirklich so schlimm ist, als mir Biondello sagt, so ist es eine Sirene, der kein Mensch widerstehen kann."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1453,"orig":"Gegen mich war er gleich ſehr offen.","norm":"Gegen mich war er gleich sehr offen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1454,"orig":"Er geſtand mir mit der angenehmſten Treuherzigkeit, daß er nicht am beſten bey ſeinem Oncle angeſchrieben ſtehe, und es auch wohl verdient haben möge.","norm":"Er gestand mir mit der angenehmsten Treuherzigkeit, dass er nicht am besten bei seinem Oncle angeschrieben stehe, und es auch wohl verdient haben möge."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1455,"orig":"Er ſey aber ernſtlich entſchloſſen, ſich zu beſſern, und das Verdienſt davon würde ganz dem Prinzen zufallen.","norm":"Er sei aber ernstlich entschlossen, sich zu besseren, und das Verdienst davon würde ganz dem Prinzen zufallen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1456,"orig":"Zugleich hoffe er, durch dieſen mit ſeinem Oncle wieder ausgeſöhnt zu werden, weil der Prinz alles über den Kardinal vermöge.","norm":"Zugleich hoffe er, durch diesen mit seinem Oncle wieder ausgesöhnt zu werden, weil der Prinz alles über den Kardinal vermöge."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1457,"orig":"Es habe ihm bis jezt nur an einem Freunde und Führer gefehlt, und beydes hoffe er, ſich in dem Prinzen zu erwerben.","norm":"Es habe ihm bis jetzt nur an einem Freunde und Führer gefehlt, und beides hoffe er, sich in dem Prinzen zu erwerben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1458,"orig":"Der Prinz bedient ſich auch aller Rechte eines Führers gegen ihn, und behandelt ihn mit der Wachſamkeit und Strenge eines Mentors.","norm":"Der Prinz bedient sich auch aller Rechte eines Führers gegen ihn, und behandelt ihn mit der Wachsamkeit und Strenge eines Mentors."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1459,"orig":"Aber eben dieſes Verhältniß giebt ihm auch gewiſſe Rechte an den Prinzen, die er ſehr gut geltend zu machen weiß.","norm":"Aber eben dieses Verhältnis gibt ihm auch gewisse Rechte an den Prinzen, die er sehr gut geltend zu machen weiß."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1460,"orig":"Er kommt ihm nicht mehr von der Seite, er iſt bey allen Parthien, an denen der Prinz Theil nimmt, für den Bucentauro iſt er — und das iſt ſein Glück!","norm":"Er kommt ihm nicht mehr von der Seite, er ist bei allen Partien, an denen der Prinz teilnimmt, für den Bucentauro ist er — und das ist sein Glück!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1461,"orig":"bis jezt nur zu jung geweſen.","norm":"bis jetzt nur zu jung gewesen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1462,"orig":"Ueberall, wo er ſich mit dem Prinzen einfindet, entführt er dieſen der Geſellſchaft, durch die feine Art, womit er ihn zu beſchäftigen und auf ſich zu ziehen weiß.","norm":"Überall, wo er sich mit dem Prinzen einfindet, entführt er diesen der Gesellschaft, durch die feine Art, womit er ihn zu beschäftigen und auf sich zu ziehen weiß."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1463,"orig":"Niemand, ſagen ſie, habe ihn bändigen können, und der Prinz verdiene eine Legende, wenn ihm dieſes Rieſenwerk aufbehalten ſey.","norm":"Niemand, sagen sie, habe ihn bändigen können, und der Prinz verdiene eine Legende, wenn ihm dieses Riesenwerk aufbehalten sei."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1464,"orig":"Ich fürchte aber ſehr, das Blatt möchte ſich vielmehr wenden, und der Führer bey ſeinem Zögling in die Schule gehn, wozu ſich auch bereits alle Umſtände anzulaſſen ſcheinen.","norm":"Ich fürchte aber sehr, das Blatt möchte sich vielmehr wenden, und der Führer bei seinem Zögling in die Schule gehen, wozu sich auch bereits alle Umstände anzulassen scheinen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1465,"orig":"Der Prinz von * * d * * iſt nun abgereiſ't, und zu unſerm allerſeitigen Vergnügen, auch meinen Herrn nicht ausgenommen.","norm":"Der Prinz von * * d * * ist nun abgereist, und zu unserem allerseitigen Vergnügen, auch meinen Herrn nicht ausgenommen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1466,"orig":"Was ich voraus geſagt habe, liebſter O * * *, iſt auch richtig eingetroffen.","norm":"Was ich vorausgesagt habe, liebster O * * *, ist auch richtig eingetroffen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1467,"orig":"Bey ſo entgegen geſezten Charakteren, bey ſo unvermeidlichen Kolliſionen konnte dieſes gute Vernehmen auf die Dauer nicht beſtehen.","norm":"Bei so entgegen gesetzten Charakteren, bei so unvermeidlichen Kollisionen konnte dieses gute Vernehmen auf die Dauer nicht bestehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1468,"orig":"Der Prinz von * * d * * war nicht lange in Venedig, ſo entſtand ein bedenkliches Schisma in der ſpirituellen Welt, das unſern Prinzen in Gefahr ſezte, die Hälfte ſeiner bisherigen Bewunderer zu verlieren.","norm":"Der Prinz von * * d * * war nicht lange in Venedig, so entstand ein bedenkliches Schisma in der spirituellen Welt, das unseren Prinzen in Gefahr setzte, die Hälfte seiner bisherigen Bewunderer zu verlieren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1469,"orig":"Wo er ſich nur ſehen ließ, fand er dieſen Nebenbuhler in ſeinem Wege, der gerade die gehörige Doſis kleiner Liſt und ſelbſtgefälliger Eitelkeit beſaß, um jeden noch ſo kleinen Vortheil geltend zu machen, den ihm der Prinz über ſich gab.","norm":"Wo er sich nur sehen ließ, fand er diesen Nebenbuhler in seinem Wege, der gerade die gehörige Dosis kleiner List und selbstgefälliger Eitelkeit besaß, um jeden noch so kleinen Vorteil geltend zu machen, den ihm der Prinz über sich gab."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1470,"orig":"Weil ihm zugleich alle kleinlichen Kunſtgriffe zu Gebote ſtanden, deren Gebrauch dem Prinzen ein edles Selbſtgefühl unterſagte, ſo konnte es nicht fehlen, daß er nicht in kurzer Zeit die Schwachköpfe auf ſeiner Seite hatte, und an der Spitze einer Parthie prangte, die ſeiner würdig war.","norm":"Weil ihm zugleich alle kleinlichen Kunstgriffe zu Gebote standen, deren Gebrauch dem Prinzen ein edles Selbstgefühl untersagte, so konnte es nicht fehlen, dass er nicht in kurzer Zeit die Schwachköpfe auf seiner Seite hatte, und an der Spitze einer Partie prangte, die seiner würdig war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1471,"orig":"Das Vernünftigſte wäre freylich wohl geweſen, mit einem Gegner dieſer Art ſich in gar keinen Wettkampf einzulaſſen, und einige Monate früher wäre dieß gewiß die Parthie geweſen, welche der Prinz ergriffen hätte.","norm":"Das Vernünftigste wäre freilich wohl gewesen, mit einem Gegner dieser Art sich in gar keinen Wettkampf einzulassen, und einige Monate früher wäre dies gewiss die Partie gewesen, welche der Prinz ergriffen hätte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1472,"orig":"Jezt aber war er ſchon zu weit in den Strom hingeriſſen, um das Ufer ſo ſchnell wieder erreichen zu können.","norm":"Jetzt aber war er schon zu weit in den Strom gerissen, um das Ufer so schnell wieder erreichen zu können."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1473,"orig":"Dieſe Nichtigkeiten hatten, wenn auch nur durch die Umſtände, einen gewiſſen Werth bey ihm erlangt, und hatte er ſie auch wirklich verachtet, ſo erlaubte ihm ſein Stolz nicht, ihnen in einem Zeitpunkte zu entſagen, wo ſein Nachgeben weniger für einen freywilligen Entſchluß, als für ein Geſtändniß ſeiner Niederlage würde gegolten haben.","norm":"Diese Nichtigkeiten hatten, wenn auch nur durch die Umstände, einen gewissen Wert bei ihm erlangt, und hatte er sie auch wirklich verachtet, so erlaubte ihm sein Stolz nicht, ihnen in einem Zeitpunkte zu entsagen, wo sein Nachgeben weniger für einen freiwilligen Entschluss, als für ein Geständnis seiner Niederlage würde gegolten haben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1474,"orig":"Das unſelige Hin- und Wiederbringen vernachläßigter, ſchneidender Reden von beyden Seiten kam dazu, und der Geiſt von Rivalität, der ſeine Anhänger erhizte, hatte auch ihn ergriffen.","norm":"Das unselige Hin- und Widerbringen vernachlässigter, schneidender Reden von beiden Seiten kam dazu, und der Geist von Rivalität, der seine Anhänger erhitzte, hatte auch ihn ergriffen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1475,"orig":"Um alſo ſeine Eroberungen zu bewahren, und ſich auf dem ſchlüpfrigen Platz zu erhalten, den ihm die Meynung der Welt einmal angewieſen hatte, glaubte er die Gelegenheiten häufen zu müſſen, wo er glänzen und verbinden konnte, und dieß konnte nur durch einen fürſtlichen Aufwand erreicht werden, daher ewige Feſte und Gelage, koſtbare Konzerte, Präſente","norm":"Um also seine Eroberungen zu bewahren, und sich auf dem schlüpfrigen Platz zu erhalten, den ihm die Meinung der Welt einmal angewiesen hatte, glaubte er die Gelegenheiten häufen zu müssen, wo er glänzen und verbinden konnte, und dies konnte nur durch einen fürstlichen Aufwand erreicht werden, daher ewige Feste und Gelage, kostbare Konzerte, Präsente"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1476,"orig":"und hohes Spiel.","norm":"und hohes Spiel."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1477,"orig":"Und weil ſich dieſe ſeltſame Raſerey bald auch der beyderſeitigen Suite und Dienerſchaft mittheilte, die, wie Sie wiſſen, über den Artikel der Ehre noch weit wachſamer zu halten pflegt, als ihre Herrſchaft, ſo mußte er dem guten Willen ſeiner Leute durch ſeine Freygebigkeit zu Hülfe kommen.","norm":"Und weil sich diese seltsame Raserei bald auch der beiderseitigen Suite und Dienerschaft mitteilte, die, wie Sie wissen, über den Artikel der Ehre noch weit wachsamer zu halten pflegt, als ihre Herrschaft, so musste er dem guten Willen seiner Leute durch seine Freigebigkeit zu Hilfe kommen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1478,"orig":"Eine ganze lange Kette von Armſeligkeiten, alles unvermeidliche Folgen einer einzigen ziemlich verzeihlichen Schwachheit, von der ſich der Prinz in einem unglücklichen Augenblick überſchleichen ließ!","norm":"Eine ganze lange Kette von Armseligkeiten, alles unvermeidliche Folgen einer einzigen ziemlich verzeihlichen Schwachheit, von der sich der Prinz in einem unglücklichen Augenblick überschleichen ließ!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1479,"orig":"Den Nebenbuhler ſind wir zwar nun los, aber was er verdorben hat, iſt nicht ſo leicht wieder gut zu machen.","norm":"Den Nebenbuhler sind wir zwar nun los, aber was er verdorben hat, ist nicht so leicht wiedergutzumachen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1480,"orig":"Des Prinzen Schatulle iſt erſchöpft; was er durch eine weiſe Oekonomie ſeit Jahren erſpart hat, iſt dahin; wir müſſen eilen, aus Venedig zu kommen, wenn er ſich nicht in Schulden ſtürzen ſoll, wovor er ſich bis jezt auf das ſorgfältigſte gehütet hat.","norm":"Des Prinzen Schatulle ist erschöpft; was er durch eine weise Ökonomie seit Jahren erspart hat, ist dahin; wir müssen eilen, aus Venedig zu kommen, wenn er sich nicht in Schulden stürzen soll, wovor er sich bis jetzt auf das sorgfältigste gehütet hat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1481,"orig":"Die Abreiſe iſt auch feſt beſchloſſen, ſobald nur erſt friſche Wechſel da ſind.","norm":"Die Abreise ist auch fest beschlossen, sobald nur erst frische Wechsel da sind."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1482,"orig":"Möchte indeß aller dieſer Aufwand gemacht ſeyn, wenn mein Herr nur eine einzige Freude dabey gewonnen hätte!","norm":"Möchte indes aller dieser Aufwand gemacht sein, wenn mein Herr nur eine einzige Freude dabei gewonnen hätte!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1483,"orig":"Aber nie war er weniger glücklich als jezt!","norm":"Aber nie war er weniger glücklich als jetzt!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1484,"orig":"Er fühlt, daß er nicht iſt, was er ſonſt war — er ſucht ſich ſelbſt — er iſt unzufrieden mit ſich ſelbſt, und ſtürzt ſich in neue Zerſtreuungen, um den Folgen der alten zu entfliehen.","norm":"Er fühlt, dass er nicht ist, was er sonst war — er sucht sich selbst — er ist unzufrieden mit sich selbst, und stürzt sich in neue Zerstreuungen, um den Folgen der alten zu entfliehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1485,"orig":"Eine neue Bekanntſchaft folgt auf die andre, die ihn immer tiefer hinein reißt.","norm":"Eine neue Bekanntschaft folgt auf die andere, die ihn immer tiefer hineinreißt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1486,"orig":"Ich ſehe nicht, wie das noch werden ſoll.","norm":"Ich sehe nicht, wie das noch werden soll."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1487,"orig":"Wir müſſen fort — hier iſt keine andre Rettung — wir müſſen fort aus Venedig.","norm":"Wir müssen fort — hier ist keine andere Rettung — wir müssen fort aus Venedig."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1488,"orig":"Aber, liebſter Freund, noch immer keine Zeile von Ihnen!","norm":"Aber, liebster Freund, noch immer keine Zeile von Ihnen!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1489,"orig":"Wie muß ich dieſes lange hartnäckige Schweigen mir erklären?","norm":"Wie muss ich dieses lange hartnäckige Schweigen mir erklären?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1490,"orig":"12. Juni us.","norm":"12. Juni us."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1491,"orig":"Haben Sie Dank, liebſter Freund, für das Zeichen Ihres Andenkens, das mir der junge B * * * hl von Ihnen überbrachte.","norm":"Haben Sie Dank, liebster Freund, für das Zeichen Ihres Andenkens, das mir der junge B * * * hl von Ihnen überbrachte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1492,"orig":"Aber was ſprechen Sie darin von Briefen, die ich erhalten haben ſoll?","norm":"Aber was sprechen Sie darin von Briefen, die ich erhalten haben soll?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1493,"orig":"Ich habe keinen Brief von Ihnen erhalten, nicht eine Zeile.","norm":"Ich habe keinen Brief von Ihnen erhalten, nicht eine Zeile."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1494,"orig":"Welchen weiten Umweg müſſen die genommen haben!","norm":"Welchen weiten Umweg müssen die genommen haben!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1495,"orig":"Künftig, liebſter O * * *, wenn Sie mich mit Briefen beehren, ſenden Sie ſolche über Trient und unter der Addreſſe meines Herrn.","norm":"Künftig, liebster O * * *, wenn Sie mich mit Briefen beehren, senden Sie solche über Trient und unter der Adresse meines Herrn."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1496,"orig":"Endlich haben wir den Schritt doch thun müſſen, liebſter Freund, den wir bis jezt ſo glücklich vermieden haben.","norm":"Endlich haben wir den Schritt doch tun müssen, liebster Freund, den wir bis jetzt so glücklich vermieden haben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1497,"orig":"— Die Wechſel ſind ausgeblieben, jezt in dieſem dringenden Bedürfniß zum erſtenmal ausgeblieben, und wir waren in die Nothwendigkeit geſezt, unſre Zuflucht zu einem Wucherer zu nehmen, weil der Prinz das Geheimniß gern etwas theurer bezahlt.","norm":"— Die Wechsel sind ausgeblieben, jetzt in diesem dringenden Bedürfnis zum ersten Mal ausgeblieben, und wir waren in die Notwendigkeit gesetzt, unsere Zuflucht zu einem Wucherer zu nehmen, weil der Prinz das Geheimnis gern etwas teurer bezahlt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1498,"orig":"Das Schlimmſte an dieſem unangenehmen Vorfalle iſt, daß er unſre Abreiſe verzögert.","norm":"Das Schlimmste an diesem unangenehmen Vorfall ist, dass er unsere Abreise verzögert."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1499,"orig":"Bey dieſer Gelegenheit kam es zu einigen Erläuterungen zwiſchen mir und dem Prinzen.","norm":"Bei dieser Gelegenheit kam es zu einigen Erläuterungen zwischen mir und dem Prinzen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1500,"orig":"Das ganze Geſchäft war durch Biondello's Hände gegangen, und der Ebräer war da, ehe ich etwas davon ahndete.","norm":"Das ganze Geschäft war durch Biondellos Hände gegangen, und der Ebräer war da, ehe ich etwas davon ahndete."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1501,"orig":"Den Prinzen zu dieſer Extremität gebracht zu ſehen, preßte mir das Herz, und machte alle Erinnerungen der Vergangenheit, alle Schrecken für die Zukunft in mir lebendig, daß ich freylich etwas grämlich und düſter ausgeſehen haben mochte, als der Wucherer hinaus war.","norm":"Den Prinzen zu dieser Extremität gebracht zu sehen, presste mir das Herz, und machte alle Erinnerungen der Vergangenheit, alle Schrecken für die Zukunft in mir lebendig, dass ich freilich etwas grämlich und düster ausgesehen haben mochte, als der Wucherer hinaus war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1502,"orig":"Der Prinz, den der vorhergehende Auftritt ohnehin ſehr reizbar gemacht hatte, ging mit Unmuth im Zimmer auf und nieder, die Rollen lagen noch auf dem Tiſche, ich ſtand am Fenſter, und beſchäftigte mich, die Scheiben in der Prokuratie zu zählen, es war eine lange Stille, endlich brach er los.","norm":"Der Prinz, den der vorhergehende Auftritt ohnehin sehr reizbar gemacht hatte, ging mit Unmut im Zimmer auf und nieder, die Rollen lagen noch auf dem Tische, ich stand am Fenster, und beschäftigte mich, die Scheiben in der Prokuratie zu zählen, es war eine lange Stille, endlich brach er los."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1503,"orig":"„F * * *!“ fing er an: „Ich kann keine finſtern Geſichter um mich leiden.","norm":"„F * * *!“ fing er an: „Ich kann keine finstern Gesichter um mich leiden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1504,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1505,"orig":"Ich ſchwieg.","norm":"Ich schwieg."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1506,"orig":"„Warum antworten Sie mir nicht?","norm":"„Warum antworten Sie mir nicht?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1507,"orig":"— Seh' ich nicht, daß es Ihnen das Herz abdrücken will, Ihren Verdruß auszugießen?","norm":"— Sehe ich nicht, dass es Ihnen das Herz abdrücken will, Ihren Verdruss auszugießen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1508,"orig":"und ich will haben, daß Sie reden.","norm":"und ich will haben, dass Sie reden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1509,"orig":"Sie dürften ſonſt Wunder glauben, was für weiſe Dinge Sie verſchwiegen.","norm":"Sie dürften sonst Wunder glauben, was für weise Dinge Sie verschwiegen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1510,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1511,"orig":"Wenn ich finſter bin, gnädigſter Herr, ſagte ich, ſo iſt es nur, weil ich Sie nicht heiter ſehe.","norm":"Wenn ich finster bin, gnädigster Herr, sagte ich, so ist es nur, weil ich Sie nicht heiter sehe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1512,"orig":"„Ich weiß,“ fuhr er fort, daß ich Ihnen nicht recht bin — ſchon ſeit geraumer Zeit — daß alle meine Schritte gemißbilligt werden — daß — was ſchreibt der Graf von O * * *?“","norm":"„Ich weiß,“ fuhr er fort, dass ich Ihnen nicht recht bin — schon seit geraumer Zeit — dass alle meine Schritte missbilligt werden — dass — was schreibt der Graf von O * * *?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1513,"orig":"Der Graf von O * * * hat mir nichts geſchrieben.","norm":"Der Graf von O * * * hat mir nichts geschrieben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1514,"orig":"„Nichts?","norm":"„Nichts?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1515,"orig":"Warum wollen Sie es läugnen?","norm":"Warum wollen Sie es leugnen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1516,"orig":"Sie haben Herzensergießungen zuſammen — Sie und der Graf.","norm":"Sie haben Herzensergießungen zusammen — Sie und der Graf."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1517,"orig":"Ich weiß es recht gut.","norm":"Ich weiß es recht gut."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1518,"orig":"Aber geſtehen Sie mir's immer.","norm":"Aber gestehen Sie mir es immer."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1519,"orig":"Ich werde mich nicht in Ihre Geheimniſſe eindringen.","norm":"Ich werde mich nicht in Ihre Geheimnisse eindringen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1520,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1521,"orig":"Der Graf von O * * *, ſagte ich, hat mir von drey Briefen, die ich ihm ſchrieb, noch den erſten zu beantworten.","norm":"Der Graf von O * * *, sagte ich, hat mir von drei Briefen, die ich ihm schrieb, noch den ersten zu beantworten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1522,"orig":"„Ich habe Unrecht gethan,“ fuhr er fort.","norm":"„Ich habe Unrecht getan,“ fuhr er fort."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1523,"orig":"Nicht wahr?","norm":"Nicht wahr?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1524,"orig":"(eine Rolle ergreifend).","norm":"(eine Rolle ergreifend)."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1525,"orig":"Ich hätte das nicht thun ſollen?“","norm":"Ich hätte das nicht tun sollen?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1526,"orig":"Ich ſehe wohl ein, daß dieß nothwendig war.","norm":"Ich sehe wohl ein, dass dies notwendig war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1527,"orig":"„Ich hätte mich nicht in die Nothwendigkeit ſetzen ſollen?“","norm":"„Ich hätte mich nicht in die Notwendigkeit setzen sollen?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1528,"orig":"Ich ſchwieg.","norm":"Ich schwieg."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1529,"orig":"„Freylich!","norm":"„Freilich!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1530,"orig":"Ich hätte mich mit meinen Wünſchen nie über das hinaus wagen ſollen, und darüber zum Greis werden, wie ich zum Mann geworden bin!","norm":"Ich hätte mich mit meinen Wünschen nie über das hinauswagen sollen, und darüber zum Greis werden, wie ich zum Mann geworden bin!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1531,"orig":"Weil ich aus der traurigen Einförmigkeit meines bisherigen Lebens einmal heraus gehe und herum ſchaue, ob nicht irgend anderswo eine Quelle des Genuſſes für mich ſpringt — weil ich —“","norm":"Weil ich aus der traurigen Einförmigkeit meines bisherigen Lebens einmal herausgehe und herumschaue, ob nicht irgend anderswo eine Quelle des Genusses für mich springt — weil ich —“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1532,"orig":"Wenn es ein Verſuch war, gnädigſter Herr, dann hab' ich nichts mehr zu ſagen — dann ſind die Erfahrungen, die er Ihnen verſchaft haben wird, noch mit dreymal ſo viel nicht zu theuer erkauft.","norm":"Wenn es ein Versuch war, gnädigster Herr, dann habe ich nichts mehr zu sagen — dann sind die Erfahrungen, die er Ihnen verschafft haben wird, noch mit dreimal so viel nicht zu teuer erkauft."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1533,"orig":"Es that mir weh, ich geſtehe es, daß die Meynung der Welt über eine Frage, wie Sie glücklich ſeyn ſollen, zu entſcheiden haben ſollte.","norm":"Es tat mir weh, ich gestehe es, dass die Meinung der Welt über eine Frage, wie Sie glücklich sein sollen, zu entscheiden haben sollte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1534,"orig":"„Wohl Ihnen, daß Sie verachten können die Meynung der Welt!","norm":"„Wohl Ihnen, dass Sie verachten können die Meinung der Welt!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1535,"orig":"Ich bin ihr Geſchöpf, ich muß ihr Sklave ſeyn.","norm":"Ich bin ihr Geschöpf, ich muss ihr Sklave sein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1536,"orig":"Was ſind wir anders als Meynung?","norm":"Was sind wir anders als Meinung?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1537,"orig":"Alles an uns Fürſten iſt Meynung.","norm":"Alles an uns Fürsten ist Meinung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1538,"orig":"Die Meynung iſt unſre Amme und Erzieherinn in der Kindheit, unſre Geſetzgeberinn und Geliebte in männlichen Jahren, unſre Krücke im Alter.","norm":"Die Meinung ist unsere Amme und Erzieherin in der Kindheit, unsere Gesetzgeberin und Geliebte in männlichen Jahren, unsere Krücke im Alter."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1539,"orig":"Nehmen Sie uns, was wir von der Meynung haben, und der Schlechteſte aus den unterſten Klaſſen iſt beſſer daran als wir, denn ſein Schickſal hat ihm doch eine Philoſophie ſeines Schickſals geſchaffen.","norm":"Nehmen Sie uns, was wir von der Meinung haben, und der Schlechteste aus den untersten Klassen ist besser daran als wir, denn sein Schicksal hat ihm doch eine Philosophie seines Schicksals geschaffen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1540,"orig":"Ein Fürſt, der die Meynung verlacht, hebt ſich ſelbſt auf, wie der Prieſter, der das Daſeyn eines Gottes läugnet.","norm":"Ein Fürst, der die Meinung verlacht, hebt sich selbst auf, wie der Priester, der das Dasein eines Gottes leugnet."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1541,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1542,"orig":"Und dennoch, gnädigſter Prinz —","norm":"Und dennoch, gnädigster Prinz —"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1543,"orig":"„Ich weiß, was Sie ſagen wollen.","norm":"„Ich weiß, was Sie sagen wollen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1544,"orig":"Ich kann den Kreis überſchreiten, den meine Geburt um mich gezogen hat — aber kann ich auch alle Wahnbegriffe aus meinem Gedächtniß herausreiſſen, die Erziehung und frühe Gewohnheit darein gepflanzt, und hundert tauſend Thoren von euch immer feſter und feſter darin gegründet haben?","norm":"Ich kann den Kreis überschreiten, den meine Geburt um mich gezogen hat — aber kann ich auch alle Wahnbegriffe aus meinem Gedächtnis herausreißen, die Erziehung und frühe Gewohnheit darein gepflanzt, und hunderttausend Toren von euch immer fester und fester darin gegründet haben?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1545,"orig":"Jeder will doch gern ganz ſeyn, was er iſt, und unſre Exiſtenz iſt nun einmal, glücklich ſcheinen.","norm":"Jeder will doch gern ganz sein, was er ist, und unsere Existenz ist nun einmal, glücklich scheinen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1546,"orig":"Weil wir es nicht ſeyn können auf Eure Weiſe, ſollen wir es darum gar nicht ſeyn?","norm":"Weil wir es nicht sein können auf Eure Weise, sollen wir es darum gar nicht sein?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1547,"orig":"Wenn wir die Freude aus ihrem reinen Quell unmittelbar nicht mehr ſchöpfen dürfen, ſollen wir uns auch nicht mit einem künſtlichen Genuß hintergehen, nicht von eben der Hand, die uns beraubte, eine ſchwache Entſchädigung empfangen dürfen?“","norm":"Wenn wir die Freude aus ihrem reinen Quell unmittelbar nicht mehr schöpfen dürfen, sollen wir uns auch nicht mit einem künstlichen Genuss hintergehen, nicht von eben der Hand, die uns beraubte, eine schwache Entschädigung empfangen dürfen?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1548,"orig":"Sonſt fanden Sie dieſe in Ihrem Herzen.","norm":"Sonst fanden Sie diese in Ihrem Herzen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1549,"orig":"„Wenn ich ſie nun nicht mehr darin finde?","norm":"„Wenn ich sie nun nicht mehr darin finde?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1550,"orig":"— O wie kommen wir darauf?","norm":"— O wie kommen wir darauf?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1551,"orig":"Warum mußten Sie dieſe Erinnerungen in mir aufwecken?","norm":"Warum mussten Sie diese Erinnerungen in mir aufwecken?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1552,"orig":"— Wenn ich nun eben zu dieſem Sinnentumult meine Zuflucht nahm, um eine innere Stimme zu betäuben, die das Unglück meines Lebens macht — um dieſe grübelnde Vernunft zur Ruhe zu bringen, die wie eine ſchneidende Sichel in meinem Gehirn hin und her fährt, und mit jeder neuen Forſchung einen neuen Zweig meiner Glückſeligkeit zerſchneidet?“","norm":"— Wenn ich nun eben zu diesem Sinnentumult meine Zuflucht nahm, um eine innere Stimme zu betäuben, die das Unglück meines Lebens macht — um diese grübelnde Vernunft zur Ruhe zu bringen, die wie eine schneidende Sichel in meinem Gehirn hin und herfährt, und mit jeder neuen Forschung einen neuen Zweig meiner Glückseligkeit zerschneidet?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1553,"orig":"Mein beſter Prinz!","norm":"Mein bester Prinz!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1554,"orig":"— Er war aufgeſtanden, und ging im Zimmer herum, in ungewöhnlicher Bewegung.","norm":"— Er war aufgestanden, und ging im Zimmer herum, in ungewöhnlicher Bewegung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1555,"orig":"„Wenn alles vor mir und hinter mir verſinkt — die Vergangenheit im traurigen Einerley wie ein Reich der Verſteinerung hinter mir liegt — wenn die Zukunft mir nichts biethet — wenn ich meines Daſeyns ganzen Kreis im ſchmalen Raume der Gegenwart beſchloſſen ſehe — wer verargt es mir, daß ich dieſes magre Geſchenk der Zeit, feurig und unerſättlich wie einen Freund, den ich zum leztenmale ſehe, in meine Arme ſchließe?","norm":"„Wenn alles vor mir und hinter mir versinkt — die Vergangenheit im traurigen Einerlei wie ein Reich der Versteinerung hinter mir liegt — wenn die Zukunft mir nichts bietet — wenn ich meines Daseins ganzen Kreis im schmalen Raume der Gegenwart beschlossen sehe — wer verargt es mir, dass ich dieses magere Geschenk der Zeit, feurig und unersättlich wie einen Freund, den ich zum letzten Male sehe, in meine Arme schließe?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1556,"orig":"O machen Sie, daß mir das Wolkenbild halte, und ich will meine glühenden Arme darum ſchlagen.","norm":"O machen Sie, dass mir das Wolkenbild halte, und ich will meine glühenden Arme darum schlagen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1557,"orig":"Was für Freude kann es mir geben, Erſcheinungen zu beglücken, die morgen dahin ſeyn werden, wie ich?","norm":"Was für Freude kann es mir geben, Erscheinungen zu beglücken, die morgen dahin sein werden, wie ich?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1558,"orig":"— Iſt nicht alles Flucht um mich herum?","norm":"— Ist nicht alles Flucht um mich herum?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1559,"orig":"Alles ſtößt ſich und drängt ſeinen Nachbar weg, aus dem Quell des Daſeyns einen Tropfen eilend zu trinken, und lechzend davon zu gehen.","norm":"Alles stößt sich und drängt seinen Nachbar weg, aus dem Quell des Daseins einen Tropfen eilend zu trinken, und lechzend davonzugehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1560,"orig":"Jezt in dem Augenblick, wo ich meiner Kraft mich freue, iſt ſchon ein werdendes Leben an meine Verweſung angewieſen.","norm":"Jetzt in dem Augenblick, wo ich meiner Kraft mich freue, ist schon ein werdendes Leben an meine Verwesung angewiesen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1561,"orig":"Zeigen Sie mir ein Weſen, das dauert, ſo will ich tugendhaft ſeyn.","norm":"Zeigen Sie mir ein Wesen, das dauert, so will ich tugendhaft sein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1562,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1563,"orig":"Was hat denn die wohlthätigen Empfindungen verdrängt, die einſt der Genuß und die Richtſchnur Ihres Lebens waren?","norm":"Was hat denn die wohltätigen Empfindungen verdrängt, die einst der Genuss und die Richtschnur Ihres Lebens waren?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1564,"orig":"Saaten für die Zukunft zu pflanzen, einer hohen ewigen Ordnung zu dienen —","norm":"Saaten für die Zukunft zu pflanzen, einer hohen ewigen Ordnung zu dienen —"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1565,"orig":"Schon viele hundert Generationen ſtehen mit der Fackel davor, und rathen und rathen, was etwa dahinter ſeyn möchte.","norm":"Schon viele hundert Generationen stehen mit der Fackel davor, und raten und raten, was etwa dahinter sein möchte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1566,"orig":"Viele ſehen ihren eigenen Schatten, die Geſtalten ihrer Leidenſchaft, vergrößert auf der Decke der Zukunft ſich bewegen, und fahren ſchaudernd vor ihrem eigenen Bilde zuſammen.","norm":"Viele sehen ihren eigenen Schatten, die Gestalten ihrer Leidenschaft, vergrößert auf der Decke der Zukunft sich bewegen, und fahren schaudernd vor ihrem eigenen Bilde zusammen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1567,"orig":"Dichter, Philoſophen und Staatenſtifter haben ſie mit ihren Träumen bemahlt, lachender oder finſtrer, wie der Himmel über ihnen trüber oder heiterer war; und von weitem täuſchte die Perſpektive.","norm":"Dichter, Philosophen und Staatenstifter haben sie mit ihren Träumen bemalt, lachender oder finsterer, wie der Himmel über ihnen trüber oder heiterer war; und von weitem täuschte die Perspektive."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1568,"orig":"Auch manche Gaukler nüzten dieſe allgemeine Neugier, und ſezten durch ſeltſame Vermummungen die geſpannten Phantaſien in Erſtaunen.","norm":"Auch manche Gaukler nützten diese allgemeine Neugier, und setzten durch seltsame Vermummungen die gespannten Phantasien in Erstaunen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1569,"orig":"Eine tiefe Stille herrſcht hinter dieſer Decke, keiner, der einmal dahinter iſt, antwortet hinter ihr hervor, alles was man hörte, war ein hohler Wiederſchall der Frage, als ob man in eine Gruft gerufen hätte.","norm":"Eine tiefe Stille herrscht hinter dieser Decke, keiner, der einmal dahinter ist, antwortet hinter ihr hervor, alles was man hörte, war ein hohler Widerschall der Frage, als ob man in eine Gruft gerufen hätte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1570,"orig":"Hinter dieſe Decke müſſen alle, und mir Schaudern faſſen ſie ſie an, ungewiß, wer wohl dahinter ſtehe, und ſie in Empfang nehmen werde, quid fit fit, quod tantum morituri vident.","norm":"Hinter diese Decke müssen alle, und mir Schaudern fassen sie sie an, ungewiss, wer wohl dahinter stehe, und sie in Empfang nehmen werde, quid fit fit, quod tantum morituri vident."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1571,"orig":"Freylich gab es auch Ungläubige darunter, die behaupteten, daß dieſe Decke die Menſchen nur narre, und daß man nichts beobachtet hätte, weil auch nichts dahinter ſey; aber um ſie zu überweiſen, ſchickte man ſie eilig dahinter.","norm":"Freilich gab es auch Ungläubige darunter, die behaupteten, dass diese Decke die Menschen nur narre, und dass man nichts beobachtet hätte, weil auch nichts dahinter sei; aber um sie zu überweisen, schickte man sie eilig dahinter."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1572,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1573,"orig":"Ein raſcher Schluß war es immer, wenn ſie keinen beſſern Grund hatten, als weil ſie nichts ſahen.","norm":"Ein rascher Schluss war es immer, wenn sie keinen besseren Grund hatten, als weil sie nichts sahen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1574,"orig":"„Sehen Sie nun, lieber Freund, ich beſcheide mich gern, nicht hinter dieſe Decke blicken zu wollen — und das weiſeſte wird doch wohl ſeyn, mich von aller Neugier zu entwöhnen.","norm":"„Sehen Sie nun, lieber Freund, ich bescheide mich gern, nicht hinter diese Decke blicken zu wollen — und das Weiseste wird doch wohl sein, mich von aller Neugier zu entwöhnen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1575,"orig":"Aber indem ich dieſen unüberſchreitbaren Kreis um mich ziehe, und mein ganzes Seyn in die Schranken der Gegenwart einſchließe, wird mir dieſer kleine Fleck deſto wichtiger, den ich ſchon über eiteln Eroberungsgedanken zu vernachläſſigen in Gefahr war.","norm":"Aber indem ich diesen unüberschreitbaren Kreis um mich ziehe, und mein ganzes Sein in die Schranken der Gegenwart einschließe, wird mir dieser kleine Fleck desto wichtiger, den ich schon über eitlen Eroberungsgedanken zu vernachlässigen in Gefahr war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1576,"orig":"Das, was Sie den Zweck meines Daſeyns nennen, geht mich jezt nichts mehr an.","norm":"Das, was Sie den Zweck meines Daseins nennen, geht mich jetzt nichts mehr an."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1577,"orig":"Ich bin einem Bothen gleich, der einen verſiegelten Brief an den Ort ſeiner Beſtimmung trägt.","norm":"Ich bin einem Boten gleich, der einen versiegelten Brief an den Ort seiner Bestimmung trägt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1578,"orig":"Was er enthält, kann ihm einerley ſeyn — er hat nichts als ſein Bothenlohn dabey zu verdienen.","norm":"Was er enthält, kann ihm einerlei sein — er hat nichts als sein Botenlohn dabei zu verdienen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1579,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1580,"orig":"O wie arm laſſen Sie mich ſtehn!","norm":"O wie arm lassen Sie mich stehen!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1581,"orig":"„Aber wohin haben wir uns verirret?“ rief jezt der Prinz aus, indem er lächelnd auf den Tiſch ſah' wo die Rollen lagen.","norm":"„Aber wohin haben wir uns verirret?“ rief jetzt der Prinz aus, indem er lächelnd auf den Tisch sah wo die Rollen lagen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1582,"orig":"„Und doch nicht ſo ſehr verirret!“ ſezte er hinzu — „denn vielleicht werden Sie mich jezt in dieſer neuen Lebensart wieder finden.","norm":"„Und doch nicht so sehr verirret!“ setzte er hinzu — „denn vielleicht werden Sie mich jetzt in dieser neuen Lebensart wieder finden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1583,"orig":"Auch ich konnte mich nicht ſo ſchnell von dem eingebildeten Reichthum entwöhnen, die Stützen meiner Moralität und meiner Glückſeligkeit nicht ſo ſchnell von dem lieblichen Traume ablöſen, mit welchem alles, was bis jezt in mir gelebt hatte, ſo feſt verſchlungen war.","norm":"Auch ich konnte mich nicht so schnell von dem eingebildeten Reichtum entwöhnen, die Stützen meiner Moralität und meiner Glückseligkeit nicht so schnell von dem lieblichen Traume ablösen, mit welchem alles, was bis jetzt in mir gelebt hatte, so fest verschlungen war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1584,"orig":"Ich ſehnte mich nach dem Leichtſinne, der das Daſeyn der mehreſten Menſchen um mich her erträglich macht.","norm":"Ich sehnte mich nach dem Leichtsinne, der das Dasein der meisten Menschen um mich her erträglich macht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1585,"orig":"Alles, was mich mir ſelbſt entführte, war mir willkommen.","norm":"Alles, was mich mir selbst entführte, war mir willkommen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1586,"orig":"Soll ich es Ihnen geſtehn?","norm":"Soll ich es Ihnen gestehen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1587,"orig":"Leben Sie wohl.","norm":"Leben Sie wohl."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1588,"orig":"1. Juli us.","norm":"1. Juli us."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1589,"orig":"Da unſer Abſchied von Venedig nunmehr mit ſtarken Schritten herannahet, ſo ſollte dieſe Woche noch dazu angewandt werden, alles Sehenswürdige an Gemählden und Gebäuden noch nachzuholen, was man bey einem langen Aufenthalte immer verſchiebt.","norm":"Da unser Abschied von Venedig nunmehr mit starken Schritten herannahet, so sollte diese Woche noch dazu angewandt werden, alles Sehenswürdige an Gemälden und Gebäuden noch nachzuholen, was man bei einem langen Aufenthalte immer verschiebt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1590,"orig":"Beſonders hatte man uns mit vieler Bewunderung von der Hochzeit zu Cana des Paul Veroneſe geſprochen, die auf der Inſel S. Georg in einem dortigen Benediktinerkloſter zu ſehen iſt.","norm":"Besonders hatte man uns mit vieler Bewunderung von der Hochzeit zu Kana des Paul Veronese gesprochen, die auf der Insel S. Georg in einem dortigen Benediktinerkloster zu sehen ist."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1591,"orig":"Erwarten Sie von mir keine Beſchreibung dieſes außerordentlichen Kunſtwerks, das mir im Ganzen zwar einen ſehr überraſchenden, aber nicht ſehr genußreichen Anblick gegeben hat.","norm":"Erwarten Sie von mir keine Beschreibung dieses außerordentlichen Kunstwerks, das mir im Ganzen zwar einen sehr überraschenden, aber nicht sehr genussreichen Anblick gegeben hat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1592,"orig":"Wir hätten ſo viele Stunden als Minuten gebraucht, um eine Kompoſition von hundert und zwanzig Figuren zu umfaßen, die über dreyßig Fuß in der Breite hat.","norm":"Wir hätten so viele Stunden als Minuten gebraucht, um eine Komposition von hundertundzwanzig Figuren zu umfassen, die über dreißig Fuß in der Breite hat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1593,"orig":"Welches menſchliche Auge kann ein ſo zuſammengeſetztes Ganze erreichen, und die ganze Schönheit, die der Künſtler darin verſchwendet hat, in Einem Eindruck genießen!","norm":"Welches menschliche Auge kann ein so zusammengesetztes Ganze erreichen, und die ganze Schönheit, die der Künstler darin verschwendet hat, in einem Eindruck genießen!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1594,"orig":"Schade iſt es indeſſen, daß ein Werk von dieſem Gehalte, das an einem öffentlichen Orte glänzen und von jedermann genoſſen werden ſollte, keine beſſere Beſtimmung hat, als eine Anzahl Mönche in ihrem Refektorium zu vergnügen.","norm":"Schade ist es indessen, dass ein Werk von diesem Gehalte, das an einem öffentlichen Orte glänzen und von jedermann genossen werden sollte, keine bessere Bestimmung hat, als eine Anzahl Mönche in ihrem Refektorium zu vergnügen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1595,"orig":"Auch die Kirche dieſes Kloſters verdient nicht weniger geſehen zu werden.","norm":"Auch die Kirche dieses Klosters verdient nicht weniger gesehen zu werden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1596,"orig":"Sie iſt eine der ſchönſten in dieſer Stadt.","norm":"Sie ist eine der schönsten in dieser Stadt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1597,"orig":"Gegen Abend ließen wir uns in die Giudecca überfahren, um dort in den reitzenden Gärten einen ſchönen Abend zu verleben.","norm":"Gegen Abend ließen wir uns in die Giudecca überfahren, um dort in den reizenden Gärten einen schönen Abend zu verleben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1598,"orig":"Die Geſellſchaft, die nicht ſehr groß war, zerſtreute ſich bald, und mich zog Civitella, der ſchon den ganzen Tag über Gelegenheit geſucht hatte, mich zu ſprechen, mit ſich in eine Boskage.","norm":"Die Gesellschaft, die nicht sehr groß war, zerstreute sich bald, und mich zog Civitella, der schon den ganzen Tag über Gelegenheit gesucht hatte, mich zu sprechen, mit sich in eine Boskage."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1599,"orig":"„Sie ſind der Freund des Prinzen, fing er an, vor dem er keine Geheimniſſe zu haben pflegt, wie ich von ſehr guter Hand weiß.","norm":"„Sie sind der Freund des Prinzen, fing er an, vor dem er keine Geheimnisse zu haben pflegt, wie ich von sehr guter Hand weiß."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1600,"orig":"Als ich heute in ſein Hotel trat, kam ein Mann heraus, deſſen Gewerbe mir bekannt iſt — und auf des Prinzen Stirne ſtanden Wolken, als ich zu ihm herein trat“ — Ich wollte ihn unterbrechen — „Sie können es nicht läugnen, fuhr er fort, ich kannte meinen Mann, ich hab' ihn ſehr gut ins Auge gefaßt — und wär' es möglich?","norm":"Als ich heute in sein Hotel trat, kam ein Mann heraus, dessen Gewerbe mir bekannt ist — und auf des Prinzen Stirn standen Wolken, als ich zu ihm hereintrat“ — Ich wollte ihn unterbrechen — „Sie können es nicht leugnen, fuhr er fort, ich kannte meinen Mann, ich habe ihn sehr gut ins Auge gefasst — und wäre es möglich?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1601,"orig":"Der Prinz hätte Freunde in Venedig, Freunde, die ihm mit Blut und Leben verpflichtet ſind, und ſollte dahin gebracht ſeyn, in einem dringenden Falle ſich ſolcher Creaturen zu bedienen?","norm":"Der Prinz hätte Freunde in Venedig, Freunde, die ihm mit Blut und Leben verpflichtet sind, und sollte dahin gebracht sein, in einem dringenden Falle sich solcher Kreaturen zu bedienen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1602,"orig":"Seyn Sie aufrichtig, Baron!","norm":"Sein Sie aufrichtig, Baron!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1603,"orig":"— Iſt der Prinz in Verlegenheit?","norm":"— Ist der Prinz in Verlegenheit?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1604,"orig":"— Sie bemühen Sich umſonſt, es zu verbergen.","norm":"— Sie bemühen sich umsonst, es zu verbergen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1605,"orig":"Was ich von Ihnen nicht erfahre, iſt mir bey meinem Manne gewiß, dem jedes Geheimniß feil iſt.","norm":"Was ich von Ihnen nicht erfahre, ist mir bei meinem Manne gewiss, dem jedes Geheimnis feil ist."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1606,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1607,"orig":"Herr Marcheſe —","norm":"Herr Marchese —"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1608,"orig":"„Verzeihen Sie.","norm":"„Verzeihen Sie."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1609,"orig":"Ich muß indiskret ſcheinen, um nicht ein Undankbarer zu werden.","norm":"Ich muss indiskret scheinen, um nicht ein Undankbarer zu werden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1610,"orig":"Dem Prinzen dank' ich Leben, und was mir weit über das Leben geht, einen vernünftigen Gebrauch des Lebens.","norm":"Dem Prinzen dank ich Leben, und was mir weit über das Leben geht, einen vernünftigen Gebrauch des Lebens."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1611,"orig":"Ich ſollte den Prinzen Schritte thun ſehen, die ihm koſten, die unter ſeiner Würde ſind, es ſtünde in meiner Macht, ſie ihm zu erſparen, und ich ſollte mich leidend dabey verhalten?“","norm":"Ich sollte den Prinzen Schritte tun sehen, die ihm kosten, die unter seiner Würde sind, es stünde in meiner Macht, sie ihm zu ersparen, und ich sollte mich leidend dabei verhalten?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1612,"orig":"Der Prinz iſt nicht in Verlegenheit, ſagte ich.","norm":"Der Prinz ist nicht in Verlegenheit, sagte ich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1613,"orig":"Einige Wechſel, die wir über Trient erwarteten, ſind uns unvermuthet ausgeblieben.","norm":"Einige Wechsel, die wir über Trient erwarteten, sind uns unvermutet ausgeblieben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1614,"orig":"Zufällig ohne Zweifel — oder weil man, in Ungewißheit wegen ſeiner Abreiſe, noch eine nähere Weiſung von ihm erwartete.","norm":"Zufällig ohne Zweifel — oder weil man, in Ungewissheit wegen seiner Abreise, noch eine nähere Weisung von ihm erwartete."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1615,"orig":"Dies iſt nun geſchehen, und bis dahin —","norm":"Dies ist nun geschehen, und bis dahin —"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1616,"orig":"Er ſchüttelte den Kopf.","norm":"Er schüttelte den Kopf."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1617,"orig":"„Verkennen Sie meine Abſicht nicht, ſagte er.","norm":"„Verkennen Sie meine Absicht nicht, sagte er."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1618,"orig":"Es kann hier nicht davon die Rede ſeyn meine Verbindlichkeit gegen den Prinzen dadurch zu vermindern — würden alle Reichthümer meines Onkels dazu hinreichen?","norm":"Es kann hier nicht davon die Rede sein meine Verbindlichkeit gegen den Prinzen dadurch zu vermindern — würden alle Reichtümer meines Onkels dazu hinreichen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1619,"orig":"Die Rede iſt davon, ihm einen einzigen unangenehmen Augenblick zu erſparen.","norm":"Die Rede ist davon, ihm einen einzigen unangenehmen Augenblick zu ersparen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1620,"orig":"Mein Oheim beſitzt ein großes Vermögen, worüber ich ſo gut als über mein Eigenthum disponiren kann.","norm":"Mein Oheim besitzt ein großes Vermögen, worüber ich so gut als über mein Eigentum disponieren kann."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1621,"orig":"Ein glücklicher Zufall führt mir den einzigen möglichen Fall entgegen, daß dem Prinzen, von allem, was in meiner Gewalt ſtehet, etwas nützlich werden kann.","norm":"Ein glücklicher Zufall führt mir den einzigen möglichen Fall entgegen, dass dem Prinzen, von allem, was in meiner Gewalt steht, etwas nützlich werden kann."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1622,"orig":"Ich weiß, fuhr er fort, was die Delicateſſe dem Prinzen auflegt — aber ſie iſt auch gegenſeitig — und es wäre großmüthig von dem Prinzen gehandelt, mir dieſe kleine Genugthuung zu gönnen, geſchäh' es auch nur zum Scheine — um mir die Laſt von Verbindlichkeit, die mich niederdrückt, weniger fühlbar zu machen.","norm":"Ich weiß, fuhr er fort, was die Delikatesse dem Prinzen auflegt — aber sie ist auch gegenseitig — und es wäre großmütig von dem Prinzen gehandelt, mir diese kleine Genugtuung zu gönnen, geschähe es auch nur zum Scheine — um mir die Last von Verbindlichkeit, die mich niederdrückt, weniger fühlbar zu machen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1623,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1624,"orig":"Er ließ nicht nach, bis ich ihm verſprochen hatte, mein möglichſtes dabey zu thun; ich kannte den Prinzen, und hoffte darum wenig.","norm":"Er ließ nicht nach, bis ich ihm versprochen hatte, mein möglichstes dabei zu tun; ich kannte den Prinzen, und hoffte darum wenig."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1625,"orig":"Alle Bedingungen wollte er ſich von dem letztern gefallen laſſen, wiewohl er geſtand, daß es ihn empfindlich kränken würde, wenn ihn der Prinz auf den Fuß eines Fremden behandelte.","norm":"Alle Bedingungen wollte er sich von dem letzteren gefallen lassen, wiewohl er gestand, dass es ihn empfindlich kränken würde, wenn ihn der Prinz auf den Fuß eines Fremden behandelte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1626,"orig":"Wir hatten uns in der Hitze des Geſprächs weit von der übrigen Geſellſchaft verloren, und waren eben auf dem Rückweg, als Z * * * uns entgegen kam.","norm":"Wir hatten uns in der Hitze des Gesprächs weit von der übrigen Gesellschaft verloren, und waren eben auf dem Rückweg, als Z * * * uns entgegenkam."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1627,"orig":"„Ich ſuche den Prinzen bey Ihnen — iſt er nicht hier?","norm":"„Ich suche den Prinzen bei Ihnen — ist er nicht hier?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1628,"orig":"—“","norm":"—“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1629,"orig":"Eben wollen wir zu ihm.","norm":"Eben wollen wir zu ihm."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1630,"orig":"Wir vermutheten ihn bey der übrigen Geſellſchaft zu finden —","norm":"Wir vermuteten ihn bei der übrigen Gesellschaft zu finden —"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1631,"orig":"„Die Geſellſchaft iſt beyſammen, aber er iſt nirgends anzutreffen.","norm":"„Die Gesellschaft ist beisammen, aber er ist nirgends anzutreffen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1632,"orig":"Ich weiß gar nicht, wie er uns aus den Augen gekommen iſt.","norm":"Ich weiß gar nicht, wie er uns aus den Augen gekommen ist."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1633,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1634,"orig":"Hier erinnerte ſich Civitella, daß ihm vielleicht eingefallen ſeyn könnte, die anſtoßende Kirche zu beſuchen, auf die er ihn kurz vorher ſehr aufmerkſam gemacht hatte.","norm":"Hier erinnerte sich Civitella, dass ihm vielleicht eingefallen sein könnte, die anstoßende Kirche zu besuchen, auf die er ihn kurz vorher sehr aufmerksam gemacht hatte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1635,"orig":"Wir machten uns ſogleich auf den Weg, ihn dort aufzuſuchen.","norm":"Wir machten uns sogleich auf den Weg, ihn dort aufzusuchen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1636,"orig":"Schon von weitem entdeckten wir Biondello, der am Eingang der Kirche wartete.","norm":"Schon von weitem entdeckten wir Biondello, der am Eingang der Kirche wartete."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1637,"orig":"Als wir näher kamen, trat der Prinz etwas haſtig aus einer Seitenthüre, ſein Geſicht glühte, ſeine Augen ſuchten Biondello, den er herbey rief.","norm":"Als wir näher kamen, trat der Prinz etwas hastig aus einer Seitentüre, sein Gesicht glühte, seine Augen suchten Biondello, den er herbeirief."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1638,"orig":"Er ſchien ihm etwas ſehr angelegentlich zu befehlen, wobey er immer die Augen auf die Thüre richtete, die offen geblieben war.","norm":"Er schien ihm etwas sehr angelegentlich zu befehlen, wobei er immer die Augen auf die Türe richtete, die offen geblieben war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1639,"orig":"Biondello eilte ſchnell von ihm in die Kirche — der Prinz, ohne uns gewahr zu werden, drückte ſich an uns vorbey, durch die Menge, und eilte zur Geſellſchaft zurück, wo er noch vor uns anlangte.","norm":"Biondello eilte schnell von ihm in die Kirche — der Prinz, ohne uns gewahr zu werden, drückte sich an uns vorbei, durch die Menge, und eilte zur Gesellschaft zurück, wo er noch vor uns anlangte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1640,"orig":"Es wurde beſchloſſen, in einem offenen Pavillon dieſes Gartens das Souper einzunehmen, wozu der Marcheſe ohne unſer Wiſſen ein kleines Konzert veranſtaltet hatte, das ganz auserleſen war.","norm":"Es wurde beschlossen, in einem offenen Pavillon dieses Gartens das Souper einzunehmen, wozu der Marchese ohne unser Wissen ein kleines Konzert veranstaltet hatte, das ganz auserlesen war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1641,"orig":"Beſonders ließ ſich eine junge Sängerin dabey hören, die uns alle durch ihre liebliche Stimme wie durch ihre reitzende Figur, entzückte.","norm":"Besonders ließ sich eine junge Sängerin dabei hören, die uns alle durch ihre liebliche Stimme wie durch ihre reizende Figur, entzückte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1642,"orig":"Auf den Prinzen ſchien nichts Eindruck zu machen, er ſprach wenig, und antwortete zerſtreut, ſeine Augen waren unruhig nach der Gegend gekehrt, woher Biondello kommen mußte; eine große Bewegung ſchien in ſeinem Innern vorzugehen.","norm":"Auf den Prinzen schien nichts Eindruck zu machen, er sprach wenig, und antwortete zerstreut, seine Augen waren unruhig nach der Gegend gekehrt, woher Biondello kommen musste; eine große Bewegung schien in seinem Inneren vorzugehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1643,"orig":"Civitella fragte, wie ihm die Kirche gefallen hätte; er wußte nichts davon zu ſagen.","norm":"Civitella fragte, wie ihm die Kirche gefallen hätte; er wusste nichts davon zu sagen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1644,"orig":"Man ſprach von einigen vorzüglichen Gemählden, die ſie merkwürdig machten; er hatte kein Gemählde geſehen.","norm":"Man sprach von einigen vorzüglichen Gemälden, die sie merkwürdig machten; er hatte kein Gemälde gesehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1645,"orig":"Wir merkten, daß unſere Fragen ihn beläſtigten und ſchwiegen.","norm":"Wir merkten, dass unsere Fragen ihn belästigten und schwiegen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1646,"orig":"Eine Stunde verging nach der andern, und Biondello kam noch immer nicht.","norm":"Eine Stunde verging nach der anderen, und Biondello kam noch immer nicht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1647,"orig":"Des Prinzen Ungeduld ſtieg auf's höchſte; er hob die Tafel frühzeitig auf, und ging in einer abgelegenen Allee ganz allein mit ſtarken Schritten auf und nieder.","norm":"Des Prinzen Ungeduld stieg aufs höchste; er hob die Tafel frühzeitig auf, und ging in einer abgelegenen Allee ganz allein mit starken Schritten auf und nieder."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1648,"orig":"Niemand begriff, was ihm begegnet ſeyn mochte.","norm":"Niemand begriff, was ihm begegnet sein mochte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1649,"orig":"Ich wagte es nicht, ihn um die Urſache einer ſo ſeltſamen Veränderung zu befragen; es iſt ſchon lange, daß ich mir die vorigen Vertraulichkeiten nicht mehr bey ihm heraus nehme.","norm":"Ich wagte es nicht, ihn um die Ursache einer so seltsamen Veränderung zu befragen; es ist schon lange, dass ich mir die vorigen Vertraulichkeiten nicht mehr bei ihm herausnehme."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1650,"orig":"Mit deſto mehr Ungeduld erwartete ich Biondellos Zurückkunft, der mir dieſes Räthſel aufklären ſollte.","norm":"Mit desto mehr Ungeduld erwartete ich Biondellos Zurückkunft, der mir dieses Rätsel aufklären sollte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1651,"orig":"Es war nach zehn Uhr, als der wieder kam.","norm":"Es war nach zehn Uhr, als der wiederkam."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1652,"orig":"Die Nachrichten, die er dem Prinzen mitbrachte, trugen nichts dazu bey, dieſen geſprächiger zu machen.","norm":"Die Nachrichten, die er dem Prinzen mitbrachte, trugen nichts dazu bei, diesen gesprächiger zu machen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1653,"orig":"Mißmuthig trat er zur Geſellſchaft, die Gondel wurde beſtellt, und bald darauf fuhren wir nach Hauſe.","norm":"Missmutig trat er zur Gesellschaft, die Gondel wurde bestellt, und bald darauf fuhren wir nach Hause."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1654,"orig":"Den ganzen Abend konnte ich keine Gelegenheit finden, Biondello zu ſprechen, ich mußte mich alſo mit meiner unbefriedigten Neugierde ſchlafen legen.","norm":"Den ganzen Abend konnte ich keine Gelegenheit finden, Biondello zu sprechen, ich musste mich also mit meiner unbefriedigten Neugierde schlafen legen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1655,"orig":"Der Prinz hatte uns frühzeitig entlaſſen, aber tauſend Gedanken, die mir durch den Kopf gingen, erhielten mich munter.","norm":"Der Prinz hatte uns frühzeitig entlassen, aber tausend Gedanken, die mir durch den Kopf gingen, erhielten mich munter."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1656,"orig":"Lange hört' ich ihn über meinem Schlafzimmer auf und nieder gehen; endlich überwältigte mich der Schlaf.","norm":"Lange hörte ich ihn über meinem Schlafzimmer auf und niedergehen; endlich überwältigte mich der Schlaf."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1657,"orig":"Spät nach Mitternacht erweckte mich eine Stimme — eine Hand fuhr über mein Geſicht; wie ich aufſah, war es der Prinz, der, ein Licht in der Hand, vor meinem Bette ſtand Er könne nicht einſchlafen, ſagte er, und bath mich, ihm die Nacht verkürzen zu helfen.","norm":"Spät nach Mitternacht erweckte mich eine Stimme — eine Hand fuhr über mein Gesicht; wie ich aufsah, war es der Prinz, der, ein Licht in der Hand, vor meinem Bette stand er könne nicht einschlafen, sagte er, und bat mich, ihm die Nacht verkürzen zu helfen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1658,"orig":"Ich wollte mich in meine Kleider werfen — er befahl mir zu bleiben, und ſetzte ſich zu mir vor das Bette.","norm":"Ich wollte mich in meine Kleider werfen — er befahl mir zu bleiben, und setzte sich zu mir vor das Bette."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1659,"orig":"„Es iſt mir heute etwas vorgekommen, fing er an, davon der Eindruck aus meinem Gemüthe nie mehr verlöſchen wird.","norm":"„Es ist mir heute etwas vorgekommen, fing er an, davon der Eindruck aus meinem Gemüte nie mehr verlöschen wird."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1660,"orig":"Ich ging von Ihnen, wie Sie wiſſen, in die * * * Kirche, worauf mich Civitella neugierig gemacht, und die ſchon von ferne meine Augen auf ſich gezogen hatte.","norm":"Ich ging von Ihnen, wie Sie wissen, in die * * * Kirche, worauf mich Civitella neugierig gemacht, und die schon von ferne meine Augen auf sich gezogen hatte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1661,"orig":"Weil weder Sie noch Er mir gleich zur Hand waren, ſo machte ich die wenigen Schritte allein;","norm":"Weil weder Sie noch Er mir gleich zur Hand waren, so machte ich die wenigen Schritte allein;"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1662,"orig":"Biondello ließ ich am Eingange auf mich warten.","norm":"Biondello ließ ich am Eingange auf mich warten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1663,"orig":"Die Kirche war ganz leer — eine ſchaurigkühle Dunkelheit umfing mich, als ich aus dem ſchwülen, blendenden Tageslicht hinein trat.","norm":"Die Kirche war ganz leer — eine schaurigkühle Dunkelheit umfing mich, als ich aus dem schwülen, blendenden Tageslicht hineintrat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1664,"orig":"Ich ſah mich einſam in dem weiten Gewölbe, worin eine feierliche Grabſtille herrſchte.","norm":"Ich sah mich einsam in dem weiten Gewölbe, worin eine feierliche Grabstille herrschte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1665,"orig":"Ich ſtellte mich in die Mitte des Doms, und überließ mich der ganzen Fülle dieſes Eindrucks; allmählich traten die großen Verhältniſſe dieſes majeſtätiſchen Baues meinen Augen bemerkbarer hervor, ich verlor mich in ernſter ergötzender Betrachtung.","norm":"Ich stellte mich in die Mitte des Doms, und überließ mich der ganzen Fülle dieses Eindrucks; allmählich traten die großen Verhältnisse dieses majestätischen Baues meinen Augen bemerkbarer hervor, ich verlor mich in ernster ergötzender Betrachtung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1666,"orig":"Die Abendglocke tönte über mir, ihr Ton verhallte ſanft in dieſem Gewölbe, wie in meiner Seele.","norm":"Die Abendglocke tönte über mir, ihr Ton verhallte sanft in diesem Gewölbe, wie in meiner Seele."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1667,"orig":"Einige Altarſtücke hatten von weitem meine Aufmerkſamkeit erweckt; ich trat näher, ſie zu betrachten; unvermerkt hatte ich dieſe ganze Seite der Kirche bis zum entgegen ſtehenden Ende durchwandert.","norm":"Einige Altarstücke hatten von weitem meine Aufmerksamkeit erweckt; ich trat näher, sie zu betrachten; unvermerkt hatte ich diese ganze Seite der Kirche bis zum entgegenstehenden Ende durchwandert."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1668,"orig":"Hier lenkt man um einen Pfeiler einige Treppen hinauf in eine Nebenkapelle, worin mehrere kleinere Altäre und Statuen von Heiligen in Niſchen angebracht ſtehen.","norm":"Hier lenkt man um einen Pfeiler einige Treppen hinauf in eine Nebenkapelle, worin mehrere kleinere Altäre und Statuen von Heiligen in Nischen angebracht stehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1669,"orig":"Wie ich in die Kapelle zur Rechten hinein trete — höre ich nahe an mir ein zartes Wiſpern, wie wenn jemand leiſe ſpricht — ich wende mich nach dem Tone, und — zwey Schritte von mir fällt mir eine weibliche Geſtalt in die Augen — — Nein!","norm":"Wie ich in die Kapelle zur Rechten hineintrete — höre ich nahe an mir ein zartes Wispern, wie wenn jemand leise spricht — ich wende mich nach dem Tone, und — zwei Schritte von mir fällt mir eine weibliche Gestalt in die Augen — — Nein!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1670,"orig":"ich kann ſie nicht nachſchildern, dieſe Geſtalt!","norm":"ich kann sie nicht nachschildern, diese Gestalt!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1671,"orig":"— Schrecken war meine erſte Empfindung, die aber bald dem ſüßeſten Hinſtaunen Platz machte.","norm":"— Schrecken war meine erste Empfindung, die aber bald dem süßesten Hinstaunen Platz machte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1672,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1673,"orig":"Und dieſe Geſtalt, gnädigſter Herr — wiſſen Sie auch gewiß, daß ſie etwas lebendiges war, etwas wirkliches, kein bloßes Gemählde, kein Geſicht Ihrer Phantaſie?","norm":"Und diese Gestalt, gnädigster Herr — wissen Sie auch gewiss, dass sie etwas Lebendiges war, etwas Wirkliches, kein bloßes Gemälde, kein Gesicht Ihrer Phantasie?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1674,"orig":"„Hören Sie weiter — Es war eine Dame — Nein!","norm":"„Hören sie weiter — es war eine Dame — Nein!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1675,"orig":"Ich hatte bis auf dieſen Augenblick dieß Geſchlecht nie geſehen!","norm":"Ich hatte bis auf diesen Augenblick dies Geschlecht nie gesehen!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1676,"orig":"— Alles war düſter ringsherum, nur durch ein einziges Fenſter fiel der unterge hende Tag in die Kapelle, die Sonne war nirgends mehr, als auf dieſer Geſtalt.","norm":"— Alles war düster ringsherum, nur durch ein einziges Fenster fiel der untergehende Tag in die Kapelle, die Sonne war nirgends mehr, als auf dieser Gestalt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1677,"orig":"Mit unausſprechlicher Anmuth — halb knieend, halb liegend — war ſie vor einem Altar hingegoſſen — der gewagteſte, lieblichſte, gelungenſte Umriß, einzig und unnachahmlich, die ſchönſte Linie in der Natur.","norm":"Mit unaussprechlicher Anmut — halb kniend, halb liegend — war sie vor einem Altar hingegossen — der gewagteste, lieblichste, gelungenste Umriss, einzig und unnachahmlich, die schönste Linie in der Natur."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1678,"orig":"In ſchwarzen Mohr war ſie gekleidet, der ſich ſpannend um den reitzendſten Leib, um die niedlichſten Arme ſchloß, und in weiten Falten, wie eine ſpaniſche Robe, um ſie breitete; ihr langes, lichtblondes Haar, in zwey breite Flechten geſchlungen, die durch ihre Schwere los gegangen und unter dem Schleier hervorgedrungen waren, floß in reitzender Unordnung weit über den Rücken hinab — eine Hand lag an dem Crucifixe, und ſanft hinſinkend ruhte ſie auf der andern.","norm":"In schwarzen Mohr war sie gekleidet, der sich spannend um den reizendsten Leib, um die niedlichsten Arme schloss, und in weiten Falten, wie eine spanische Robe, um sie breitete; ihr langes, lichtblondes Haar, in zwei breite Flechten geschlungen, die durch ihre Schwere losgegangen und unter dem Schleier hervorgedrungen waren, floss in reizender Unordnung weit über den Rücken hinab — eine Hand lag an dem Kruzifixe, und sanft hinsinkend ruhte sie auf der anderen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1679,"orig":"Aber wo finde ich Worte, Ihnen das himmliſchſchöne Angeſicht zu beſchreiben, wo eine Engelſeele, wie auf ihrem Thronenſitz, die ganze Fülle ihrer Reitze ausbreitete?","norm":"Aber wo finde ich Worte, Ihnen das himmlisch schöne Angesicht zu beschreiben, wo eine Engelseele, wie auf ihrem Thronsitz, die ganze Fülle ihrer Reize ausbreitete?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1680,"orig":"Die Abendſonne ſpielte darauf, und ihr luftiges Gold ſchien es mit einer künſtlichen Glorie zu umgeben.","norm":"Die Abendsonne spielte darauf, und ihr luftiges Gold schien es mit einer künstlichen Glorie zu umgeben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1681,"orig":"Können Sie Sich die Madonna unſers Florentiners zurück rufen?","norm":"Können Sie sich die Madonna unseres Florentiners zurückrufen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1682,"orig":"— Hier war ſie ganz, ganz bis auf die unregelmäßigen Eigenheiten, die ich an jenem Bilde ſo anziehend, ſo unwiderſtehlich fand.","norm":"— Hier war sie ganz, ganz bis auf die unregelmäßigen Eigenheiten, die ich an jenem Bilde so anziehend, so unwiderstehlich fand."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1683,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1684,"orig":"Mit der Madonna, von der der Prinz hier ſpricht, verhält es ſich ſo.","norm":"Mit der Madonna, von der der Prinz hier spricht, verhält es sich so."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1685,"orig":"Kurz nachdem Sie abgereiſet waren, lernte er einen florentiniſchen Mahler hier kennen, der nach Venedig berufen worden war, um für eine Kirche, deren ich mich nicht mehr entſinne, ein Altarblatt zu mahlen.","norm":"Kurz nachdem Sie abgereist waren, lernte er einen florentinischen Maler hier kennen, der nach Venedig berufen worden war, um für eine Kirche, deren ich mich nicht mehr entsinne, ein Altarblatt zu malen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1686,"orig":"Er hatte drey andere Gemählde mitgebracht, die er für die Gallerie im Kornariſchen Pallaſte beſtimmt hatte.","norm":"Er hatte drei andere Gemälde mitgebracht, die er für die Galerie im Cornarischen Palaste bestimmt hatte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1687,"orig":"Die Gemählde waren eine Madonna, eine Heloiſe, und eine faſt ganz unbekleidete Venus — alle drey von ausnehmender Schönheit, und bey der höchſten Verſchiedenheit am Werthe einander ſo gleich, daß es beynahe unmöglich war, ſich für eines von den dreyen ausſchließend zu entſcheiden.","norm":"Die Gemälde waren eine Madonna, eine Heloise, und eine fast ganz unbekleidete Venus — alle drei von ausnehmender Schönheit, und bei der höchsten Verschiedenheit am Werte einander so gleich, dass es beinahe unmöglich war, sich für eines von den drei ausschließend zu entscheiden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1688,"orig":"Nur der Prinz blieb nicht einen Augenblick unſchlüſſig; man hatte ſie kaum vor ihm ausgeſtellt, als das Madonnaſtück ſeine ganze Aufmerkſamkeit an ſich zog; in den beyden übrigen wurde das Genie des Künſtlers bewundert, bey dieſem vergaß er den Künſtler und ſeine Kunſt, um ganz im Anſchauen ſeines Werks zu leben.","norm":"Nur der Prinz blieb nicht einen Augenblick unschlüssig; man hatte sie kaum vor ihm ausgestellt, als das Madonnastück seine ganze Aufmerksamkeit an sich zog; in den beiden übrigen wurde das Genie des Künstlers bewundert, bei diesem vergaß er den Künstler und seine Kunst, um ganz im Anschauen seines Werks zu leben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1689,"orig":"Er war ganz wunderbar davon gerührt; er konnte ſich von dem Stücke kaum los reißen.","norm":"Er war ganz wunderbar davon gerührt; er konnte sich von dem Stücke kaum losreißen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1690,"orig":"Der Künſtler, dem man wohl anſah, daß er das Urtheil des Prinzen im Herzen bekräftigte, hatte den Eigenſinn, die drey Stücke nicht trennen zu wollen, und foderte 1500 Zechinen für alle.","norm":"Der Künstler, dem man wohl ansah, dass er das Urteil des Prinzen im Herzen bekräftigte, hatte den Eigensinn, die drei Stücke nicht trennen zu wollen, und forderte 1500 Zecchinen für alle."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1691,"orig":"Die Hälfte both ihm der Prinz für dieſes einzige an — der Künſtler beſtand auf ſeine Bedingung, und wer weiß, was noch geſchehen wäre, wenn ſich nicht ein entſchloſſener Käufer gefunden hätte.","norm":"Die Hälfte bot ihm der Prinz für dieses einzige an — der Künstler bestand auf seine Bedingung, und wer weiß, was noch geschehen wäre, wenn sich nicht ein entschlossener Käufer gefunden hätte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1692,"orig":"Zwey Stunden darauf waren alle drey Stücke weg; wir haben ſie nicht mehr geſehen.","norm":"Zwei Stunden darauf waren alle drei Stücke weg; wir haben sie nicht mehr gesehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1693,"orig":"Dieſes Gemählde kam dem Prinzen jetzt in Erinnerung.","norm":"Dieses Gemälde kam dem Prinzen jetzt in Erinnerung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1694,"orig":"„Ich ſtand,“ fuhr er fort, „ich ſtand in ihren Anblick verloren.","norm":"„Ich stand,“ fuhr er fort, „ich stand in ihren Anblick verloren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1695,"orig":"Sie bemerkte mich nicht, ſie ließ ſich durch meine Dazwiſchenkunft nicht ſtören, ſo ganz war ſie in ihrer Andacht vertieft.","norm":"Sie bemerkte mich nicht, sie ließ sich durch meine Dazwischenkunft nicht stören, so ganz war sie in ihrer Andacht vertieft."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1696,"orig":"Sie bethete zu ihrer Gottheit und ich bethete zu ihr — Ja, ich bethete ſie an — Alle dieſe Bilder der Heiligen, dieſe Altäre, dieſe brennenden Kerzen hatten mich nicht daran erinnert; jetzt zum erſtenmal ergriff mich's, als ob ich in einem Heiligthum wäre.","norm":"Sie betete zu ihrer Gottheit und ich betete zu ihr — Ja, ich betete sie an — alle diese Bilder der Heiligen, diese Altäre, diese brennenden Kerzen hatten mich nicht daran erinnert; jetzt zum ersten Mal ergriff mich es, als ob ich in einem Heiligtum wäre."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1697,"orig":"Soll ich es Ihnen geſtehen?","norm":"Soll ich es Ihnen gestehen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1698,"orig":"Ich glaubte in dieſem Augenblicke felſenfeſt an den, den ihre ſchöne Hand umfaßt hielt.","norm":"Ich glaubte in diesem Augenblicke felsenfest an den, den ihre schöne Hand umfasst hielt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1699,"orig":"Ich las ja ſeine Antwort in ihren Augen.","norm":"Ich las ja seine Antwort in ihren Augen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1700,"orig":"Dank ihrer reitzenden Andacht!","norm":"Dank ihrer reizenden Andacht!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1701,"orig":"Sie machte mir ihn wirklich — ich folgte ihr nach durch alle ſeine Himmel.","norm":"Sie machte mir ihn wirklich — ich folgte ihr nach durch alle seine Himmel."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1702,"orig":"“ Sie ſtand auf, und jetzt erſt kam ich wieder zu mir ſebſt.","norm":"“ Sie stand auf, und jetzt erst kam ich wieder zu mir selbst."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1703,"orig":"Mit ſchüchterner Verwirrung wich ich auf die Seite, das Geräuſch, das ich machte, entdeckte mich ihr.","norm":"Mit schüchterner Verwirrung wich ich auf die Seite, das Geräusch, das ich machte, entdeckte mich ihr."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1704,"orig":"Die unvermuthete Nähe eines Mannes mußte ſie überraſchen, meine Dreiſtigkeit konnte ſie beleidigen; keines von beyden war in dem Blicke, womit ſie mich anſah.","norm":"Die unvermutete Nähe eines Mannes musste sie überraschen, meine Dreistigkeit konnte sie beleidigen; keines von beiden war in dem Blicke, womit sie mich ansah."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1705,"orig":"Ruhe, unausſprechliche Ruhe war darin, und ein gütiges Lächeln ſpielte um ihre Wangen.","norm":"Ruhe, unaussprechliche Ruhe war darin, und ein gütiges Lächeln spielte um ihre Wangen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1706,"orig":"Sie kam aus ihrem Himmel — und ich war das erſte glückliche Geſchöpf, das ſich ihrem Wohlwollen anboth.","norm":"Sie kam aus ihrem Himmel — und ich war das erste glückliche Geschöpf, das sich ihrem Wohlwollen anbot."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1707,"orig":"Sie ſchwebte noch auf der letzten Sproſſe des Gebeths — ſie hatte die Erde noch nicht berührt.","norm":"Sie schwebte noch auf der letzten Sprosse des Gebets — sie hatte die Erde noch nicht berührt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1708,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1709,"orig":"„In einer andern Ecke der Kapelle regte es ſich nun auch.","norm":"„In einer anderen Ecke der Kapelle regte es sich nun auch."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1710,"orig":"Eine ältliche Dame war es, die dicht hinter mir von einem Kirchſtuhle aufſtand.","norm":"Eine ältliche Dame war es, die dicht hinter mir von einem Kirchstuhle aufstand."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1711,"orig":"Ich hatte ſie bis jetzt nicht wahrgenommen.","norm":"Ich hatte sie bis jetzt nicht wahrgenommen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1712,"orig":"Sie war nur wenige Schritte von mir, ſie hatte alle meine Bewegungen geſehen.","norm":"Sie war nur wenige Schritte von mir, sie hatte alle meine Bewegungen gesehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1713,"orig":"Dieß beſtürzte mich — ich ſchlug die Augen zu Boden, und man rauſchte an mir vorüber.","norm":"Dies bestürzte mich — ich schlug die Augen zu Boden, und man rauschte an mir vorüber."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1714,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1715,"orig":"Ueber das letzte glaubte ich den Prinzen beruhigen zu können.","norm":"Über das letzte glaubte ich den Prinzen beruhigen zu können."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1716,"orig":"„Sonderbar, fuhr der Prinz nach einem tiefen Stillſchweigen fort, kann man etwas nie gekannt, nie gemißt haben, und einige Augenblicke ſpäter nur in dieſem Einzigen leben?","norm":"„Sonderbar, fuhr der Prinz nach einem tiefen Stillschweigen fort, kann man etwas nie gekannt, nie vermisst haben, und einige Augenblicke später nur in diesem Einzigen leben?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1717,"orig":"Kann ein einziger Moment den Menſchen in zwey ſo ungleichartige Weſen zertrennen?","norm":"Kann ein einziger Moment den Menschen in zwei so ungleichartige Wesen zertrennen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1718,"orig":"Es wäre mir eben ſo unmöglich, zu den Freuden und Wünſchen des geſtrigen Morgens, als zu den Spielen meiner Kindheit zurück zu kehren.","norm":"Es wäre mir ebenso unmöglich, zu den Freuden und Wünschen des gestrigen Morgens, als zu den Spielen meiner Kindheit zurückzukehren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1719,"orig":"Seit ich das ſah, ſeitdem dieſes Bild hier wohnet — dieſes lebendige, mächtige Gefühl in mir:","norm":"Seit ich das sah, seitdem dieses Bild hier wohnt — dieses lebendige, mächtige Gefühl in mir:"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1720,"orig":"Du kannſt nichts mehr lieben als das, und in dieſer Welt wird nichts mehr auf dich wirken!“","norm":"Du kannst nichts mehr lieben als das, und in dieser Welt wird nichts mehr auf dich wirken!“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1721,"orig":"Denken Sie nach, gnädigſter Herr, in welcher reitzbaren Stimmung Sie waren, als dieſe Erſcheinung Sie überraſchte, und wie vieles zuſammenkam, Ihre Einbildungskraft zu ſpannen.","norm":"Denken Sie nach, gnädigster Herr, in welcher reizbaren Stimmung Sie waren, als diese Erscheinung Sie überraschte, und wie vieles zusammenkam, Ihre Einbildungskraft zu spannen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1722,"orig":"Aus dem hellen blendenden Tageslicht, aus dem Gewühle der Straße plötzlich in dieſe ſtille Dunkelheit verſetzt — ganz den Empfindungen hingegeben, die, wie Sie ſelbſt geſtehen, die Stille, die Majeſtät dieſes Orts in Ihnen rege machte — durch Betrachtung ſchöner Kunſtwerke für Schönheit überhaupt empfänglicher gemacht — zugleich allein und einſam Ihrer Meinung nach — und nun auf einmal — in der Nähe von einer Mädchengeſtalt überraſcht, wo Sie Sich keines Zeugen verſahen — von einer Schönheit, wie ich Ihnen gerne zugebe, die durch eine vortheilhafte Beleuchtung, eine glückliche Stellung, einen Ausdruck begeiſterter Andacht noch mehr erhoben ward — was war natürlicher, als daß Ihre entzündete Phantaſie ſich etwas idealiſches, etwas überirdiſchvollkommenes daraus zuſammenſetzte?","norm":"Aus dem hellen blendenden Tageslicht, aus dem Gewühle der Straße plötzlich in diese stille Dunkelheit versetzt — ganz den Empfindungen hingegeben, die, wie Sie selbst gestehen, die Stille, die Majestät dieses Orts in Ihnen rege machte — durch Betrachtung schöner Kunstwerke für Schönheit überhaupt empfänglicher gemacht — zugleich allein und einsam Ihrer Meinung nach — und nun auf einmal — in der Nähe von einer Mädchengestalt überrascht, wo Sie Sich keines Zeugen versahen — von einer Schönheit, wie ich Ihnen gerne zugebe, die durch eine vorteilhafte Beleuchtung, eine glückliche Stellung, einen Ausdruck begeisterter Andacht noch mehr erhoben wurde — was war natürlicher, als dass Ihre entzündete Phantasie sich etwas Idealisches, etwas überirdisch Vollkommenes daraus zusammensetzte?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1723,"orig":"„Kann die Phantaſie etwas geben, was ſie nie empfangen hat?","norm":"„Kann die Phantasie etwas geben, was sie nie empfangen hat?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1724,"orig":"— und im ganzen Gebiethe meiner Darſtellung iſt nichts, was ich mit dieſem Bilde zuſammenſtellen könnte.","norm":"— und im ganzen Gebiete meiner Darstellung ist nichts, was ich mit diesem Bilde zusammenstellen könnte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1725,"orig":"Ganz und unverändert, wie im Augenblicke des Schauens, liegt ſes in meiner Erinnerung; ich habe nichts als dieſes Bild — aber Sie könnten mir eine Welt dafür biethen!“","norm":"Ganz und unverändert, wie im Augenblicke des Schauens, liegt ses in meiner Erinnerung; ich habe nichts als dieses Bild — aber Sie könnten mir eine Welt dafür bieten!“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1726,"orig":"Gnädigſter Prinz, das iſt Liebe.","norm":"Gnädigster Prinz, das ist Liebe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1727,"orig":"„Muß es denn nothwendig ein Name ſeyn, unter welchem ich glücklich bin?","norm":"„Muss es denn notwendig ein Name sein, unter welchem ich glücklich bin?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1728,"orig":"Liebe!","norm":"Liebe!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1729,"orig":"— Erniedrigen Sie meine Empfindung nicht mit einem Namen, den tauſend ſchwache Seelen mißbrauchen!","norm":"— Erniedrigen Sie meine Empfindung nicht mit einem Namen, den tausend schwache Seelen missbrauchen!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1730,"orig":"Welcher andere hat gefühlt, was ich fühle?","norm":"Welcher andere hat gefühlt, was ich fühle?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1731,"orig":"Ein ſolches Weſen war noch nicht vorhanden, wie kann der Name früher da ſeyn, als die Empfindung?","norm":"Ein solches Wesen war noch nicht vorhanden, wie kann der Name früher da sein, als die Empfindung?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1732,"orig":"Es iſt ein neues einziges Gefühl, neu entſtanden mit dieſem neuen einzigen Weſen, und für dieſes Weſen nur möglich!","norm":"Es ist ein neues einziges Gefühl, neu entstanden mit diesem neuen einzigen Wesen, und für dieses Wesen nur möglich!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1733,"orig":"— Liebe!","norm":"— Liebe!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1734,"orig":"Vor der Liebe bin ich ſicher!“","norm":"Vor der Liebe bin ich sicher!“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1735,"orig":"Sie verſchickten Biondello — ohne Zweifel, um die Spur Ihrer Unbekannten zu verfolgen, um Erkundigungen von ihr einzuziehen?","norm":"Sie verschickten Biondello — ohne Zweifel, um die Spur Ihrer Unbekannten zu verfolgen, um Erkundigungen von ihr einzuziehen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1736,"orig":"Was für Nachrichten brachte er Ihnen zurück?","norm":"Was für Nachrichten brachte er Ihnen zurück?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1737,"orig":"„Biondello hat nichts entdeckt — ſo viel als gar nichts.","norm":"„Biondello hat nichts entdeckt — so viel als gar nichts."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1738,"orig":"Er fand ſie noch an der Kirchthüre.","norm":"Er fand sie noch an der Kirchtüre."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1739,"orig":"Ein bejahrter, anſtändig gekleideter Mann, der eher einem hieſigen Bürger als einem Bedienten gleich ſah, erſchien, ſie nach der Gondel zu begleiten.","norm":"Ein bejahrter, anständig gekleideter Mann, der eher einem hiesigen Bürger als einem Bedienten gleich sah, erschien, sie nach der Gondel zu begleiten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1740,"orig":"Eine Anzahl Armer ſtellte ſich in Reihen, wie ſie vorüber ging, und verließ ſie mit ſehr vergnügter Miene.","norm":"Eine Anzahl Armer stellte sich in Reihen, wie sie vorüberging, und verließ sie mit sehr vergnügter Miene."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1741,"orig":"Bey dieſer Gelegenheit, ſagt Biondello, wurde eine Hand ſichtbar, woran einige koſtbare Steine blitzten.","norm":"Bei dieser Gelegenheit, sagt Biondello, wurde eine Hand sichtbar, woran einige kostbare Steine blitzten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1742,"orig":"Mit ihrer Begleiterin ſprach ſie einiges, das Biondello nicht verſtand; er behauptet, es ſey griechiſch geweſen.","norm":"Mit ihrer Begleiterin sprach sie einiges, das Biondello nicht verstand; er behauptet, es sei Griechisch gewesen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1743,"orig":"Da ſie eine ziemliche Strecke nach dem Kanal zu gehen hatten, ſo fing ſchon etwas Volk an, ſich zu ſammeln, das Außerordentliche des Anblicks brachte alle Vorübergehende zum Stehen.","norm":"Da sie eine ziemliche Strecke nach dem Kanal zu gehen hatten, so fing schon etwas Volk an, sich zu sammeln, das Außerordentliche des Anblicks brachte alle Vorübergehende zum Stehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1744,"orig":"Niemand kannte ſie — aber die Schönheit iſt eine geborne Königin.","norm":"Niemand kannte sie — Aber die Schönheit ist eine geborene Königin."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1745,"orig":"Alles machte ihr ehrerbietig Platz.","norm":"Alles machte ihr ehrerbietig Platz."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1746,"orig":"Sie ließ einen ſchwarzen Schleier über das Geſicht fallen, der das halbe Gewand bedeckte, und eilte in die Gondel.","norm":"Sie ließ einen schwarzen Schleier über das Gesicht fallen, der das halbe Gewand bedeckte, und eilte in die Gondel."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1747,"orig":"Längs dem ganzen Kanal der Giodecca behielt Biondello das Fahrzeug im Geſicht, aber es weiter zu verfolgen, unterſagte ihm das Gedränge.","norm":"Längs dem ganzen Kanal der Giudecca behielt Biondello das Fahrzeug im Gesicht, aber es weiterzuverfolgen, untersagte ihm das Gedränge."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1748,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1749,"orig":"Aber den Gondolier hat er ſich doch gemerkt, um dieſen wenigſtens wieder zu erkennen?","norm":"Aber den Gondoliere hat er sich doch gemerkt, um diesen wenigstens wiederzuerkennen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1750,"orig":"„Den Gondolier getraut er ſich ausfindig zu machen; doch es iſt keiner von denen, mit denen er Verkehr hat.","norm":"„Den Gondoliere getraut er sich ausfindig zu machen; doch es ist keiner von denen, mit denen er Verkehr hat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1751,"orig":"Die Armen die er ausfragte, konnten ihm weiter keinen Beſcheid geben, als daß Signora ſich ſchon ſeit einigen Wochen und immer Sonnabends hier zeige, und noch allemal ein Goldſtück unter ſie vertheilt habe.","norm":"Die Armen die er ausfragte, konnten ihm weiter keinen Bescheid geben, als dass Signora sich schon seit einigen Wochen und immer sonnabends hier zeige, und noch allemal ein Goldstück unter sie verteilt habe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1752,"orig":"Es war ein holländiſcher Ducaten, den er eingewechſelt, und mir überbracht hat.","norm":"Es war ein holländischer Dukaten, den er eingewechselt, und mir überbracht hat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1753,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1754,"orig":"Eine Griechin alſo, und von Stande, wie es ſcheint, von Vermögen wenigſtens, und wohlthätig.","norm":"Eine Griechin also, und von Stande, wie es scheint, von Vermögen wenigstens, und wohltätig."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1755,"orig":"Das wäre für's erſte genug, gnädigſter Herr — genug und faſt zu viel!","norm":"Das wäre fürs Erste genug, gnädigster Herr — genug und fast zu viel!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1756,"orig":"Aber eine Griechin und in einer katholiſchen Kirche!","norm":"Aber eine Griechin und in einer katholischen Kirche!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1757,"orig":"„Warum nicht?","norm":"„Warum nicht?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1758,"orig":"Sie kann ihren Glauben verlaſſen haben.","norm":"Sie kann ihren Glauben verlassen haben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1759,"orig":"Ueberdieß — etwas geheimnißvolles iſt hier immer — Warum die Woche nur Einmal?","norm":"Überdies — etwas Geheimnisvolles ist hier immer — warum die Woche nur einmal?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1760,"orig":"Warum nur Sonnabends in dieſe Kirche, wo dieſe gewöhnlich verlaſſen ſeyn ſoll, wie mir Biondello ſagt?","norm":"Warum nur sonnabends in diese Kirche, wo diese gewöhnlich verlassen sein soll, wie mir Biondello sagt?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1761,"orig":"— Späteſtens der kommende Sonnabend muß dieß entſcheiden.","norm":"— Spätestens der kommende Sonnabend muss dies entscheiden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1762,"orig":"Aber bis dahin, lieber Freund, helfen Sie mir dieſe Kluft von Zeit überſpringen!","norm":"Aber bis dahin, lieber Freund, helfen Sie mir diese Kluft von Zeit überspringen!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1763,"orig":"Aber umſonſt!","norm":"Aber umsonst!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1764,"orig":"Stunden gehen ihren gelaſſenen Schritt, und meine Seele glühet.","norm":"Stunden gehen ihren gelassenen Schritt, und meine Seele glühet."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1765,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1766,"orig":"Und wenn dieſer Tag nun erſcheint — was dann, gnädigſter Herr?","norm":"Und wenn dieser Tag nun erscheint — was dann, gnädigster Herr?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1767,"orig":"Was ſoll dann geſchehen?","norm":"Was soll dann geschehen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1768,"orig":"„Was geſchehen ſoll?","norm":"„Was geschehen soll?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1769,"orig":"— Ich werde ſie ſehen.","norm":"— Ich werde sie sehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1770,"orig":"Ich werde ihren Aufenthalt erforſchen.","norm":"Ich werde ihren Aufenthalt erforschen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1771,"orig":"Ich werde erfahren, wer ſie iſt?","norm":"Ich werde erfahren, wer sie ist?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1772,"orig":"— Was kann mich dieſes bekümmern?","norm":"— Was kann mich dieses bekümmern?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1773,"orig":"Was ich ſah, machte mich glücklich, alſo weiß ich ja ſchon alles, was mich glücklich machen kann!“","norm":"Was ich sah, machte mich glücklich, also weiß ich ja schon alles, was mich glücklich machen kann!“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1774,"orig":"Und unſere Abreiſe aus Venedig, die auf den Anfang kommenden Monats feſtgeſetzt iſt?","norm":"Und unsere Abreise aus Venedig, die auf den Anfang kommenden Monats festgesetzt ist?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1775,"orig":"„Konnte ich im voraus wiſſen, daß Venedig noch einen ſolchen Schatz für mich einſchließe?","norm":"„Konnte ich im Voraus wissen, dass Venedig noch einen solchen Schatz für mich einschließe?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1776,"orig":"— Sie fragen mich aus meinem geſtrigen Leben.","norm":"— Sie fragen mich aus meinem gestrigen Leben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1777,"orig":"Ich ſage Ihnen, daß ich nur von heute an bin und ſeyn will.","norm":"Ich sage Ihnen, dass ich nur von heute an bin und sein will."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1778,"orig":"“ Jetzt glaubte ich die Gelegenheit gefunden zu haben, dem Marcheſe Wort zu halten.","norm":"“ Jetzt glaubte ich die Gelegenheit gefunden zu haben, dem Marchese Wort zu halten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1779,"orig":"Ich machte dem Prinzen begreiflich, daß ſein längeres Bleiben in Venedig mit dem geſchwächten Zuſtand ſeiner Kaſſe durchaus nicht beſtehen könne, und daß, im Fall er ſeinen Aufenthalt über den zugeſtandenen Termin verlängerte, auch von ſeinem Hofe nicht ſehr auf Unterſtützung würde zu rechnen ſeyn.","norm":"Ich machte dem Prinzen begreiflich, dass sein längeres Bleiben in Venedig mit dem geschwächten Zustand seiner Kasse durchaus nicht bestehen könne, und dass, im Fall er seinen Aufenthalt über den zugestandenen Termin verlängerte, auch von seinem Hofe nicht sehr auf Unterstützung würde zu rechnen sein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1780,"orig":"Bey dieſer Gelegenheit erfuhr ich, was mir bis jetzt ein Geheimniß geweſen, daß ihm von ſeiner Schweſter, der regierenden * * * von * * *, ausſchließend vor ſeinen übrigen Brüdern und heimlich, anſehnliche Zuſchüſſe bezahlt werden, die ſie gerne bereit ſeyn würde zu verdoppeln, wenn ſein Hof ihn in Stiche ließe.","norm":"Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich, was mir bis jetzt ein Geheimnis gewesen, dass ihm von seiner Schwester, der regierenden * * * von * * *, ausschließend vor seinen übrigen Brüdern und heimlich, ansehnliche Zuschüsse bezahlt werden, die sie gerne bereit sein würde zu verdoppeln, wenn sein Hof ihn in Stiche ließe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1781,"orig":"Dieſe Schweſter, eine fromme Schwärmerin, wie Sie wiſſen glaubt die großen Erſparniſſe, die ſie bey einem ſehr eingeſchränkten Hofe macht, nirgends beſſer aufgehoben, als bey einem Bruder, deſſen weiſe Wohlthätigkeit ſie kennt, und den ſie enthuſiaſtiſch verehrt.","norm":"Diese Schwester, eine fromme Schwärmerin, wie Sie wissen glaubt die großen Ersparnisse, die sie bei einem sehr eingeschränkten Hofe macht, nirgends besser aufgehoben, als bei einem Bruder, dessen weise Wohltätigkeit sie kennt, und den sie enthusiastisch verehrt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1782,"orig":"Ich wußte zwar ſchon längſt, daß zwiſchen beyden ein ſehr genaues Verhältniß Statt findet, auch viele Briefe gewechſelt werden, aber weil ſich der bisherige Aufwand des Prinzen aus den bekannten Quellen hinlänglich beſtreiten ließ, ſo war ich auf die verborgene Hülfsquelle nie gefallen.","norm":"Ich wusste zwar schon längst, dass zwischen beiden ein sehr genaues Verhältnis stattfindet, auch viele Briefe gewechselt werden, aber weil sich der bisherige Aufwand des Prinzen aus den bekannten Quellen hinlänglich bestreiten ließ, so war ich auf die verborgene Hilfsquelle nie gefallen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1783,"orig":"Es iſt alſo klar, daß der Prinz Ausgaben gehabt hat, die mir ein Geheimniß waren, und es noch jetzt ſind; und wenn ich aus ſeinem übrigen Charakter ſchließen darf, ſo ſind es gewiß keine andere, als die ihm zur Ehre gereichen.","norm":"Es ist also klar, dass der Prinz Ausgaben gehabt hat, die mir ein Geheimnis waren, und es noch jetzt sind; und wenn ich aus seinem übrigen Charakter schließen darf, so sind es gewiss keine andere, als die ihm zur Ehre gereichen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1784,"orig":"Und ich konnte mir einbilden, ihn ergründet zu haben?","norm":"Und ich konnte mir einbilden, ihn ergründet zu haben?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1785,"orig":"— Um ſo weniger glaubte ich nach dieſer Entdeckung anſtehen zu dürfen, ihm das Anerbieten des Marcheſe zu offenbaren — welches zu meiner nicht geringen Verwunderung ohne alle Schwierigkeit angenommen wurde.","norm":"— Um so weniger glaubte ich nach dieser Entdeckung anstehen zu dürfen, ihm das Anerbieten des Marchese zu offenbaren — welches zu meiner nicht geringen Verwunderung ohne alle Schwierigkeit angenommen wurde."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1786,"orig":"Er gab mir Vollmacht, dieſe Sache mit dem Marcheſe auf die Art, welche ich für die beſte hielt, abzuthun, und dann ſogleich mit dem Wucherer aufzuheben.","norm":"Er gab mir Vollmacht, diese Sache mit dem Marchese auf die Art, welche ich für die beste hielt, abzutun, und dann sogleich mit dem Wucherer aufzuheben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1787,"orig":"An ſeine Schweſter ſollte unverzüglich geſchrieben werden.","norm":"An seine Schwester sollte unverzüglich geschrieben werden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1788,"orig":"Es war Morgen, als wir aus einander gingen.","norm":"Es war Morgen, als wir auseinander gingen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1789,"orig":"So unangenehm mir dieſer Vorfall aus mehr als Einer Urſache iſt und ſeyn muß, ſo iſt doch das allerverdrüßlichſte daran, daß er unſern Aufenthalt in Venedig zu verlängern droht:","norm":"So unangenehm mir dieser Vorfall aus mehr als Einer Ursache ist und sein muss, so ist doch das Allerverdrießlichste daran, dass er unseren Aufenthalt in Venedig zu verlängern droht:"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1790,"orig":"Von dieſer anfangenden Leidenſchaft erwarte ich vielmehr gutes als ſchlimmes.","norm":"Von dieser anfangenden Leidenschaft erwarte ich vielmehr Gutes als Schlimmes."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1791,"orig":"Sie iſt vielleicht das kräftigſte Mittel, den Prinzen von ſeinen metaphyſiſchen Träumereyen wieder zur ordinären Menſchheit herab zu ziehen: ſie wird die gewöhnliche Kriſe haben, und, wie eine künſtliche Krankheit, auch die alte mit ſich hinweg nehmen.","norm":"Sie ist vielleicht das kräftigste Mittel, den Prinzen von seinen metaphysischen Träumereien wieder zur ordinären Menschheit herabzuziehen: Sie wird die gewöhnliche Krise haben, und, wie eine künstliche Krankheit, auch die alte mit sich hinwegnehmen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1792,"orig":"Leben Sie wohl, liebſter Freund.","norm":"Leben Sie wohl, liebster Freund."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1793,"orig":"Ich habe Ihnen alles dieß nach friſcher That hingeſchrieben.","norm":"Ich habe Ihnen alles dies nach frischer Tat hingeschrieben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1794,"orig":"Die Poſt geht ſogleich; ſie werden dieſen Brief mit dem vorhergehenden an Einem Tage erhalten.","norm":"Die Post geht sogleich; sie werden diesen Brief mit dem vorhergehenden an einem Tage erhalten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1795,"orig":"20. Juni us.","norm":"20. Juni us."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1796,"orig":"Dieſer Civitella iſt doch der dienſtfertigſte Menſch von der Welt.","norm":"Dieser Civitella ist doch der dienstfertigste Mensch von der Welt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1797,"orig":"Der Prinz hatte mich neulich kaum verlaſſen, als ſchon ein Billet von dem Marcheſe erſchien, worin mir die Sache auf's dringendſte empfohlen wurde.","norm":"Der Prinz hatte mich neulich kaum verlassen, als schon ein Billett von dem Marchese erschien, worin mir die Sache aufs dringendste empfohlen wurde."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1798,"orig":"Ich ſchickte ihm ſogleich eine Verſchreibung in des Prinzen Namen auf 6000 Zechinen; in weniger als einer halben Stunde folgte ſie zurück, nebſt der doppelten Summe, in Wechſeln ſowohl als baarem Golde.","norm":"Ich schickte ihm sogleich eine Verschreibung in des Prinzen Namen auf 6000 Zecchinen; in weniger als einer halben Stunde folgte sie zurück, nebst der doppelten Summe, in Wechseln sowohl als barem Golde."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1799,"orig":"In die Erhöhung der Summe willigte endlich der Prinz; die Verſchreibung aber, die nur auf ſechs Wochen geſtellt war, mußte angenommen werden.","norm":"In die Erhöhung der Summe willigte endlich der Prinz; die Verschreibung aber, die nur auf sechs Wochen gestellt war, musste angenommen werden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1800,"orig":"Dieſe ganze Woche ging in Erkundigungen nach der geheimnißvollen Griechin hin.","norm":"Diese ganze Woche ging in Erkundigungen nach der geheimnisvollen Griechin hin."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1801,"orig":"Biondello ſetzte alle ſeine Maſchinen in Bewegung, bis jetzt aber war alles vergeblich.","norm":"Biondello setzte alle seine Maschinen in Bewegung, bis jetzt aber war alles vergeblich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1802,"orig":"Den Gondolier machte er zwar ausfindig, aus dieſem war aber nichts weiter heraus zu bringen, als daß er beyde Damen auf der Inſel Murano ausgeſetzt habe, wo zwey Sänften auf ſie gewartet hätten, in die ſie geſtiegen ſeyn.","norm":"Den Gondoliere machte er zwar ausfindig, aus diesem war aber nichts weiter herauszubringen, als dass er beide Damen auf der Insel Murano ausgesetzt habe, wo zwei Sänften auf sie gewartet hätten, in die sie gestiegen sein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1803,"orig":"Er machte ſie zu Engländerinnen, weil ſie eine fremde Sprache geſprochen und ihn mit Gold bezahlt hätten.","norm":"Er machte sie zu Engländerinnen, weil sie eine fremde Sprache gesprochen und ihn mit Gold bezahlt hätten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1804,"orig":"Auch ihren Begleiter kenne er nicht, er komme ihm vor, wie ein Spiegelfabrikant aus Murano.","norm":"Auch ihren Begleiter kenne er nicht, er komme ihm vor, wie ein Spiegelfabrikant aus Murano."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1805,"orig":"Nun wußten wir wenigſtens, daß wir ſie nicht in der Giudecca zu ſuchen hätten, und daß ſie aller Wahrſcheinlichkeit nach auf der Inſel Murano zu Hauſe ſey; aber das Unglück war, daß die Beſchreibung, welche der Prinz von ihr machte, ſchlechterdings nicht dazu taugte, ſie einem Dritten kenntlich zu machen.","norm":"Nun wussten wir wenigstens, dass wir sie nicht in der Giudecca zu suchen hätten, und dass sie aller Wahrscheinlichkeit nach auf der Insel Murano zu Hause sei; aber das Unglück war, dass die Beschreibung, welche der Prinz von ihr machte, schlechterdings nicht dazu taugte, sie einem Dritten kenntlich zu machen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1806,"orig":"Gerade die leidenſchaftliche Aufmerkſamkeit, womit er ihren Anblick gleichſam verſchlang, hatte ihn gehindert, ſie zu ſehen; für alles das, worauf andere Menſchen ihr Augenmerk vorzüglich würden gerichtet haben, war er ganz blind geweſen; nach ſeiner Schilderung war man eher verſucht, ſie im Petrarch oder Taſſo, als auf einer venetianiſchen Inſel zu ſuchen.","norm":"Gerade die leidenschaftliche Aufmerksamkeit, womit er ihren Anblick gleichsam verschlang, hatte ihn gehindert, sie zu sehen; für alles das, worauf andere Menschen ihr Augenmerk vorzüglich würden gerichtet haben, war er ganz blind gewesen; nach seiner Schilderung war man eher versucht, sie im Petrarca oder Tasso, als auf einer venezianischen Insel zu suchen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1807,"orig":"Außerdem mußte dieſe Nachfrage ſelbſt mit größter Vorſicht geſchehen, um weder die Dame auszuſetzen, noch ſonſt ein anſtößiges Aufſehen zu erregen.","norm":"Außerdem musste diese Nachfrage selbst mit größter Vorsicht geschehen, um weder die Dame auszusetzen, noch sonst ein anstößiges Aufsehen zu erregen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1808,"orig":"Weil Biondello außer dem Prinzen der einzige war, der ſie, durch den Schleier wenigſtens, geſehen hatte, und alſo wieder erkennen konnte, ſo ſuchte er, wo möglich, an allen Orten, wo ſie vermuthet werden konnte, zu gleicher Zeit zu ſeyn, das Leben des armen Menſchen war dieſe ganze Woche über nichts, als ein beſtändiges Rennen durch alle Straßen von Venedig.","norm":"Weil Biondello außer dem Prinzen der einzige war, der sie, durch den Schleier wenigstens, gesehen hatte, und also wieder erkennen konnte, so suchte er, wo möglich, an allen Orten, wo sie vermutet werden konnte, zu gleicher Zeit zu sein, das Leben des armen Menschen war diese ganze Woche über nichts, als ein beständiges Rennen durch alle Straßen von Venedig."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1809,"orig":"In der griechiſchen Kirche beſonders wurde keine Nachforſchung geſpart, aber alles mit gleich ſchlechtem Erfolge; und der Prinz, deſſen Ungeduld mit jeder fehlgeſchlagenen Erwartung ſtieg, mußte ſich endlich doch noch auf den nächſten Sonnabend vertröſten.","norm":"In der griechischen Kirche besonders wurde keine Nachforschung gespart, aber alles mit gleich schlechtem Erfolge; und der Prinz, dessen Ungeduld mit jeder fehlgeschlagenen Erwartung stieg, musste sich endlich doch noch auf den nächsten Sonnabend vertrösten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1810,"orig":"Seine Unruhe war ſchrecklich.","norm":"Seine Unruhe war schrecklich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1811,"orig":"Nichts zerſtreute ihn, nichts vermochte ihn zu feſſeln.","norm":"Nichts zerstreute ihn, nichts vermochte ihn zu fesseln."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1812,"orig":"Sein ganzes Weſen war in fieberiſcher Bewegung, für alle Geſellſchaft war er verloren, und das Uebel wuchs in der Einſamkeit.","norm":"Sein ganzes Wesen war in fieberischer Bewegung, für alle Gesellschaft war er verloren, und das Übel wuchs in der Einsamkeit."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1813,"orig":"Nun wurde er nie mehr von Beſuchen belagert, als eben in dieſer Woche.","norm":"Nun wurde er nie mehr von Besuchen belagert, als eben in dieser Woche."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1814,"orig":"Sein naher Abſchied war angekündigt, alles drängte ſich herbey.","norm":"Sein naher Abschied war angekündigt, alles drängte sich herbei."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1815,"orig":"Man mußte dieſe Menſchen beſchäftigen, um ihre argwöhniſche Aufmerkſamkeit von ihm abzuziehen; man mußte ihn beſchäftigen, um ſeinen Geiſt zu zerſtreuen.","norm":"Man musste diese Menschen beschäftigen, um ihre argwöhnische Aufmerksamkeit von ihm abzuziehen; man musste ihn beschäftigen, um seinen Geist zu zerstreuen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1816,"orig":"In dieſem Bedrängniß verfiel Civitella auf das Spiel, und um die Menge wenigſtens zu entfernen, ſollte hoch geſpielt werden.","norm":"In diesem Bedrängnis verfiel Civitella auf das Spiel, und um die Menge wenigstens zu entfernen, sollte hochgespielt werden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1817,"orig":"Zugleich hoffte er, bey dem Prinzen einen vorüber gehenden Geſchmack an dem Spiel zu erwecken, der dieſen romanhaften Schwung ſeiner Leidenſchaft bald erſticken, und den man immer in der Gewalt haben würde, ihm wieder zu benehmen.","norm":"Zugleich hoffte er, bei dem Prinzen einen vorübergehenden Geschmack an dem Spiel zu erwecken, der diesen romanhaften Schwung seiner Leidenschaft bald ersticken, und den man immer in der Gewalt haben würde, ihm wieder zu benehmen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1818,"orig":"„Die Karten, ſagte Civitella, haben mich vor mancher Thorheit bewahrt, die ich im Begriff war, zu begehen, manche wieder gut gemacht, die ſchon begangen war.","norm":"„Die Karten, sagte Civitella, haben mich vor mancher Torheit bewahrt, die ich im Begriff war, zu begehen, manche wiedergutgemacht, die schon begangen war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1819,"orig":"Die Ruhe, die Vernunft, um die mich ein paar ſchöne Augen brachten, habe ich oft am Pharotiſch wieder gefunden, und nie hatten die Weiber mehr Gewalt über mich, als wenn mir's an Geld gebrach, um zu ſpielen.","norm":"Die Ruhe, die Vernunft, um die mich ein paar schöne Augen brachten, habe ich oft am Pharotisch wiedergefunden, und nie hatten die Weiber mehr Gewalt über mich, als wenn mir es an Geld gebrach, um zu spielen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1820,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1821,"orig":"Ich laſſe dahin geſtellt ſeyn, in wie weit Civitella recht hatte — aber das Mittel, worauf wir gefallen waren, fing bald an, noch gefährlicher zu werden, als das Uebel, dem es abhelfen ſollte.","norm":"Ich lasse dahingestellt sein, inwieweit Civitella recht hatte — aber das Mittel, worauf wir gefallen waren, fing bald an, noch gefährlicher zu werden, als das Übel, dem es abhelfen sollte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1822,"orig":"Der Prinz, der dem Spiel nur allein durch hohes Wagen einen flüchtigen Reitz zu geben wußte, fand bald keine Gränzen mehr darin.","norm":"Der Prinz, der dem Spiel nur allein durch hohes Wagen einen flüchtigen Reiz zu geben wusste, fand bald keine Grenzen mehr darin."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1823,"orig":"Er war einmal aus ſeiner Achſe.","norm":"Er war einmal aus seiner Achse."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1824,"orig":"Alles, was er that, nahm eine leidenſchaftliche Geſtalt an; alles geſchah mit der ungeduldigen Heftigkeit, die jetzt in ihm herrſchte.","norm":"Alles, was er tat, nahm eine leidenschaftliche Gestalt an; alles geschah mit der ungeduldigen Heftigkeit, die jetzt in ihm herrschte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1825,"orig":"Sie kennen ſeine Gleichgültigkeit gegen das Geld; hier wurde ſie zur gänzlichen Unempfindlichkeit.","norm":"Sie kennen seine Gleichgültigkeit gegen das Geld; hier wurde sie zur gänzlichen Unempfindlichkeit."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1826,"orig":"Goldſtücke zerrannen die Waſſertropfen in ſeinen Händen.","norm":"Goldstücke zerrannen die Wassertropfen in seinen Händen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1827,"orig":"Er verlor faſt ununterbrochen, weil er ganz und gar ohne Aufmerkſamkeit ſpielte.","norm":"Er verlor fast ununterbrochen, weil er ganz und gar ohne Aufmerksamkeit spielte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1828,"orig":"Er verlor ungeheure Summen, weil er wie ein verzweifelter Spieler wagte.","norm":"Er verlor ungeheure Summen, weil er wie ein verzweifelter Spieler wagte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1829,"orig":"— Liebſter O * * *, mit Herzklopfen ſchreib' ich es nieder — in vier Tagen waren die zwölf tauſend Zechinen — und noch darüber verloren.","norm":"— Liebster O * * *, mit Herzklopfen schreibe ich es nieder — in vier Tagen waren die zwölftausend Zecchinen — und noch darüber verloren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1830,"orig":"Machen Sie mir keine Vorwürfe.","norm":"Machen Sie mir keine Vorwürfe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1831,"orig":"Ich klage mich ſelbſt genug an.","norm":"Ich klage mich selbst genug an."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1832,"orig":"Aber konnt' ich es hindern?","norm":"Aber konnte ich es hindern?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1833,"orig":"Hörte mich der Prinz?","norm":"Hörte mich der Prinz?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1834,"orig":"Konnte ich etwas anders, als ihm Vorſtellung thun?","norm":"Konnte ich etwas anders, als ihm Vorstellung tun?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1835,"orig":"Ich that was in meinem Vermögen ſtand.","norm":"Ich tat was in meinem Vermögen stand."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1836,"orig":"Ich kann mich nicht ſchuldig finden.","norm":"Ich kann mich nicht schuldig finden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1837,"orig":"Auch Civitella verlor beträchtlich, ich gewann gegen ſechs hundert Zechinen.","norm":"Auch Civitella verlor beträchtlich, ich gewann gegen sechshundert Zecchinen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1838,"orig":"Das beyſpielloſe Unglück des Prinzen machte Aufſehen; um ſo weniger konnte er jetzt das Spiel verlaſſen.","norm":"Das beispiellose Unglück des Prinzen machte Aufsehen; um so weniger konnte er jetzt das Spiel verlassen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1839,"orig":"Civitella, dem man die Freude anſieht, ihn zu verbinden, ſtreckte ihm ſogleich die Summe vor.","norm":"Civitella, dem man die Freude ansieht, ihn zu verbinden, streckte ihm sogleich die Summe vor."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1840,"orig":"Die Lücke iſt zugeſtopft, aber der Prinz iſt dem Marcheſe 24000 Zechinen ſchuldig.","norm":"Die Lücke ist zugestopft, aber der Prinz ist dem Marchese 24000 Zecchinen schuldig."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1841,"orig":"O wie ſehne ich mich nach dem Spargelde der frommen Schweſter!","norm":"O wie sehne ich mich nach dem Spargelde der frommen Schwester!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1842,"orig":"— Sind alle Fürſten ſo, liebſter Freund?","norm":"— Sind alle Fürsten so, liebster Freund?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1843,"orig":"Der Prinz beträgt ſich nicht anders, als wenn er dem Marcheſe noch eine große Ehre erwieſen hätte, und dieſer — ſpielt ſeine Rolle wenigſtens gut.","norm":"Der Prinz beträgt sich nicht anders, als wenn er dem Marchese noch eine große Ehre erwiesen hätte, und dieser — spielt seine Rolle wenigstens gut."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1844,"orig":"Civitella ſuchte mich damit zu beruhigen, daß gerade dieſe Uebertreibung, dieſes außerordentliche Unglück das kräftigſte Mittel ſey, den Prinzen wieder zur Vernunft zu bringen.","norm":"Civitella suchte mich damit zu beruhigen, dass gerade diese Übertreibung, dieses außerordentliche Unglück das kräftigste Mittel sei, den Prinzen wieder zur Vernunft zu bringen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1845,"orig":"Mit dem Gelde habe es keine Noth. Er ſelbſt fühle dieſe Lücke gar nicht, und ſtehe dem Prinzen jeden Augenblick mit noch dreymal ſo viel zu Dienſten.","norm":"Mit dem Gelde habe es keine Not er selbst fühle diese Lücke gar nicht, und stehe dem Prinzen jeden Augenblick mit noch dreimal soviel zu Diensten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1846,"orig":"Auch der Kardinal gab mir die Verſicherung, daß die Geſinnung ſeines Neffen aufrichtig ſey, und daß er ſelbſt bereit ſtehe, für ihn zu gewähren.","norm":"Auch der Kardinal gab mir die Versicherung, dass die Gesinnung seines Neffen aufrichtig sei, und dass er selbst bereitstehe, für ihn zu gewähren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1847,"orig":"Das traurigſte war, daß dieſe ungeheuren Aufopferungen ihre Wirkung nicht einmal erreichten.","norm":"Das Traurigste war, dass diese ungeheuren Aufopferungen ihre Wirkung nicht einmal erreichten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1848,"orig":"Man ſollte meinen, der Prinz habe wenigſtens mit Theilnehmung geſpielt?","norm":"Man sollte meinen, der Prinz habe wenigstens mit Teilnehmung gespielt?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1849,"orig":"Nichts weniger.","norm":"Nichts weniger."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1850,"orig":"Seine Gedanken waren weit weg, und die Leidenſchaft, die wir unterdrücken wollten, ſchien von ſeinem Unglück im Spiele nur mehr Nahrung zu erhalten.","norm":"Seine Gedanken waren weit weg, und die Leidenschaft, die wir unterdrücken wollten, schien von seinem Unglück im Spiele nur mehr Nahrung zu erhalten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1851,"orig":"Wenn ein entſcheidender Streich geſchehen ſollte, und alles ſich voll Erwartung um ſeinen Spieltiſch herum drängte, ſuchten ſeine Augen Biondello, um ihm die Neuigkeit, die er etwa mitbrächte, von dem Angeſicht zu ſtehlen.","norm":"Wenn ein entscheidender Streich geschehen sollte, und alles sich voll Erwartung um seinen Spieltisch herum drängte, suchten seine Augen Biondello, um ihm die Neuigkeit, die er etwa mitbrächte, von dem Angesicht zu stehlen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1852,"orig":"Biondello brachte immer nichts — und das Blatt verlor immer.","norm":"Biondello brachte immer nichts — und das Blatt verlor immer."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1853,"orig":"Das Geld kam übrigens in ſehr bedürftige Hände.","norm":"Das Geld kam übrigens in sehr bedürftige Hände."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1854,"orig":"Einige Excellenza, die, wie die böſe Welt ihnen nachſagt, ihr frugales Mittagsmahl in der Senatormütze ſelbſt von dem Markte nach Hauſe tragen, traten als Bettler in unſer Hauſ, und verließen es als wohlhabende Leute.","norm":"Einige Exzellenzen, die, wie die böse Welt ihnen nachsagt, ihr frugales Mittagsmahl in der Senatormütze selbst von dem Markte nach Hause tragen, traten als Bettler in unser Haus, und verließen es als wohlhabende Leute."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1855,"orig":"Civitella zeigte ſie mir.","norm":"Civitella zeigte sie mir."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1856,"orig":"Gehen Sie, ſagte er, wie vielen armen Teufeln es zu gute kommt, daß es einem geſcheuten Kopf einfällt, nicht bey ſich ſelbſt zu ſeyn!","norm":"Sehen Sie, sagte er, wie vielen armen Teufeln es zugutekommt, dass es einem gescheuten Kopf einfällt, nicht bei sich selbst zu sein!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1857,"orig":"Aber das gefällt mir.","norm":"Aber das gefällt mir."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1858,"orig":"Das iſt fürſtlich und königlich!","norm":"Das ist fürstlich und königlich!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1859,"orig":"Ein großer Menſch muß auch in ſeinen Verirrungen noch Glückliche machen, und wie ein übertretender Strom die benachbarten Felder befeuchten.","norm":"Ein großer Mensch muss auch in seinen Verirrungen noch Glückliche machen, und wie ein übertretender Strom die benachbarten Felder befeuchten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1860,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1861,"orig":"Civitella denkt brav und edel — aber der Prinz iſt ihm 24000 Zechinen ſchuldig!","norm":"Civitella denkt brav und edel — aber der Prinz ist ihm 24000 Zecchinen schuldig!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1862,"orig":"Der ſo ſehnlich erwartete Sonnabend erſchien endlich, und mein Herr ließ ſich nicht abhalten, ſich gleich nach Mittag in der * * * Kirche einzufinden.","norm":"Der so sehnlich erwartete Sonnabend erschien endlich, und mein Herr ließ sich nicht abhalten, sich gleich nach Mittag in der * * * Kirche einzufinden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1863,"orig":"Der Platz wurde in eben der Kapelle genommen, wo er ſeine Unbekannte das erſtemal geſehen hatte, doch ſo, daß er ihr nicht ſogleich in die Augen fallen konnte.","norm":"Der Platz wurde in eben der Kapelle genommen, wo er seine Unbekannte das erste Mal gesehen hatte, doch so, dass er ihr nicht sogleich in die Augen fallen konnte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1864,"orig":"Biondello hatte Befehl, an der Kirchthüre Wache zu ſtehen und dort mit dem Begleiter der Dame Bekanntſchaft anzuknüpfen.","norm":"Biondello hatte Befehl, an der Kirchtüre Wache zu stehen und dort mit dem Begleiter der Dame Bekanntschaft anzuknüpfen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1865,"orig":"Ich hatte auf mich genommen, als ein unverdächtiger Vorübergehender bey der Rückfahrt in derſelben Gondel Platz zu nehmen, um die Spur der Unbekannten weiter zu verfolgen, wenn das übrige mißlingen ſollte.","norm":"Ich hatte auf mich genommen, als ein unverdächtiger vorübergehender bei der Rückfahrt in derselben Gondel Platz zu nehmen, um die Spur der Unbekannten weiterzuverfolgen, wenn das Übrige misslingen sollte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1866,"orig":"An demſelben Orte, wo ſie ſich nach des Gondoliers Ausſage das vorigemal hatte ausſetzen laſſen, wurden zwey Sänften gemiethet; zum Ueberfluß hieß der Prinz noch den Cammerjunker von Z * * * in einer beſondern Gondel nachfolgen.","norm":"An demselben Orte, wo sie sich nach des Gondolieres Aussage das vorige Mal hatte aussetzen lassen, wurden zwei Sänften gemietet; zum Überfluss hieß der Prinz noch den Kammerjunker von Z * * * in einer besonderen Gondel nachfolgen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1867,"orig":"Der Prinz ſelbſt wollte ganz ihrem Anblick leben, und wenn es anginge, ſein Glück in der Kirche verſuchen.","norm":"Der Prinz selbst wollte ganz ihrem Anblick leben, und wenn es anginge, sein Glück in der Kirche versuchen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1868,"orig":"Civitella blieb ganz weg, weil er bey dem Frauenzimmer in Venedig in zu üblen Rufe ſtand, um durch ſeine Einmiſchung die Dame nicht mißtrauiſch zu machen.","norm":"Civitella blieb ganz weg, weil er bei dem Frauenzimmer in Venedig in zu üblen Rufe stand, um durch seine Einmischung die Dame nicht misstrauisch zu machen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1869,"orig":"Sie ſehen, liebſter Graf, daß es an unſer Anſtalten nicht lag, wenn die ſchöne Unbekannte uns entging.","norm":"Sie sehen, liebster Graf, dass es an unser Anstalten nicht lag, wenn die schöne Unbekannte uns entging."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1870,"orig":"Nie ſind wohl in einer Kirche wärmere Wünſche gethan worden, als in dieſer, und nie wurden ſie grauſamer getäuſcht.","norm":"Nie sind wohl in einer Kirche wärmere Wünsche getan worden, als in dieser, und nie wurden sie grausamer getäuscht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1871,"orig":"Bis nach Sonnenuntergang harrte der Prinz aus, von jedem Geräuſche, das ſeiner Kapelle nahe kam, von jedem Knarren der Kirchthüre in Erwartung geſetzt — ſieben volle Stunden — und keine Griechin.","norm":"Bis nach Sonnenuntergang harrte der Prinz aus, von jedem Geräusche, das seiner Kapelle nahekam, von jedem Knarren der Kirchtüre in Erwartung gesetzt — sieben volle Stunden — und keine Griechin."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1872,"orig":"Ich ſage Ihnen nichts von ſeiner Gemüthslage.","norm":"Ich sage Ihnen nichts von seiner Gemütslage."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1873,"orig":"Sie wiſſen, was eine fehlgeſchlagene Hoffnung iſt — und eine Hoffnung, von der man ſieben Tage und ſieben Nächte faſt einzig gelebt hat.","norm":"Sie wissen, was eine fehlgeschlagene Hoffnung ist — und eine Hoffnung, von der man sieben Tage und sieben Nächte fast einzig gelebt hat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1874,"orig":"Auguſt.","norm":"August."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1875,"orig":"Nein, liebſter Freund.","norm":"Nein, liebster Freund."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1876,"orig":"Sie thun dem guten Biondello unrecht.","norm":"Sie tun dem guten Biondello Unrecht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1877,"orig":"Gewiß, Sie hegen einen falſchen Verdacht.","norm":"Gewiss, Sie hegen einen falschen Verdacht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1878,"orig":"Ich gebe Ihnen alle Italiäner Preis, aber dieſer iſt ehrlich.","norm":"Ich gebe Ihnen alle Italiener preis, aber dieser ist ehrlich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1879,"orig":"Sie finden es ſonderbar, daß ein Menſch von ſo glänzenden Talenten und einer ſo exemplariſchen Aufführung ſich zum Dienen herab ſetze, wenn er nicht geheime Abſichten dabey habe, und daraus ziehen Sie den Schluß, daß dieſe Abſichten verdächtig ſeyn.","norm":"Sie finden es sonderbar, dass ein Mensch von so glänzenden Talenten und einer so exemplarischen Aufführung sich zum Dienen herabsetze, wenn er nicht geheime Absichten dabei habe, und daraus ziehen Sie den Schluss, dass diese Absichten verdächtig sein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1880,"orig":"Wie?","norm":"Wie?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1881,"orig":"Iſt es denn ſo etwas neues, daß ein Menſch von Kopf und Verdienſten ſich einem Fürſten gefällig zu machen ſucht, der es in der Gewalt hat, ſein Glück zu machen?","norm":"Ist es denn so etwas Neues, dass ein Mensch von Kopf und Verdiensten sich einem Fürsten gefällig zu machen sucht, der es in der Gewalt hat, sein Glück zu machen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1882,"orig":"Iſt es etwa entehrend, ihm zu dienen?","norm":"Ist es etwa entehrend, ihm zu dienen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1883,"orig":"Läßt Biondello nicht deutlich genug merken, daß ſeine Anhänglichkeit an den Prinzen perſönlich ſey?","norm":"Lässt Biondello nicht deutlich genug merken, dass seine Anhänglichkeit an den Prinzen persönlich sei?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1884,"orig":"Er hat ihm ja geſtanden, daß er eine Bitte an ihn auf dem Herzen habe.","norm":"Er hat ihm ja gestanden, dass er eine Bitte an ihn auf dem Herzen habe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1885,"orig":"Dieſe Bitte wird uns ohne Zweifel das ganze Geheimniß erklären.","norm":"Diese Bitte wird uns ohne Zweifel das ganze Geheimnis erklären."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1886,"orig":"Geheime Abſichten mag er immer haben, aber können dieſe nicht unſchuldig ſeyn?","norm":"Geheime Absichten mag er immer haben, aber können diese nicht unschuldig sein?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1887,"orig":"Es befremdet Sie, daß dieſer Biondello in den erſten Monaten, und das waren die, in denen Sie uns Ihre Gegenwart noch ſchenkten, alle die großen Talente, die er jetzt an den Tag kommen laſſe, verborgen gehalten, und durch gar nichts die Aufmerkſamkeit auf ſich gezogen habe.","norm":"Es befremdet Sie, dass dieser Biondello in den ersten Monaten, und das waren die, in denen Sie uns Ihre Gegenwart noch schenkten, alle die großen Talente, die er jetzt an den Tag kommen lasse, verborgen gehalten, und durch gar nichts die Aufmerksamkeit auf sich gezogen habe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1888,"orig":"Das iſt wahr; aber wo hätte er damals die Gelegenheit gehabt, ſich auszuzeichnen?","norm":"Das ist wahr; aber wo hätte er damals die Gelegenheit gehabt, sich auszuzeichnen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1889,"orig":"Der Prinz bedurfte ſeiner ja noch nicht, und ſeine übrigen Talente mußte der Zufall uns entdecken.","norm":"Der Prinz bedurfte seiner ja noch nicht, und seine übrigen Talente musste der Zufall uns entdecken."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1890,"orig":"Aber er hat uns ganz kürzlich einen Beweis ſeiner Ergebenheit und Redlichkeit gegeben, der alle ihre Zweifel zu Boden ſchlagen wird.","norm":"Aber er hat uns ganz kürzlich einen Beweis seiner Ergebenheit und Redlichkeit gegeben, der alle Ihre Zweifel zu Boden schlagen wird."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1891,"orig":"Man beobachtet den Prinzen.","norm":"Man beobachtet den Prinzen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1892,"orig":"Man ſucht geheime Erkundigungen von ſeiner Lebensart, von ſeinen Bekanntſchaften und Verhältniſſen einzuziehen.","norm":"Man sucht geheime Erkundigungen von seiner Lebensart, von seinen Bekanntschaften und Verhältnissen einzuziehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1893,"orig":"Ich weiß nicht, wer dieſe Neugierde hat.","norm":"Ich weiß nicht, wer diese Neugierde hat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1894,"orig":"Aber hören Sie an.","norm":"Aber hören Sie an."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1895,"orig":"Es iſt hier in St. Georg ein öffentliches Haus, wo Biondello öfters aus- und eingeht, er mag da etwas liebes haben, ich weiß es nicht.","norm":"Es ist hier in St. Georg ein öffentliches Haus, wo Biondello öfters aus- und eingeht, er mag da etwas Liebes haben, ich weiß es nicht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1896,"orig":"Vor einigen Tagen iſt er auch da, er findet eine Geſellſchaft beyſammen, Advokaten und Officianten der Regierung, luſtige Brüder und alte Bekannte von ihm.","norm":"Vor einigen Tagen ist er auch da, er findet eine Gesellschaft beisammen, Advokaten und Offizianten der Regierung, lustige Brüder und alte Bekannte von ihm."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1897,"orig":"Man verwundert ſich, man iſt erfreut, ihn wieder zu ſehen.","norm":"Man verwundert sich, man ist erfreut, ihn wiederzusehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1898,"orig":"Die alte Bekanntſchaft wird erneuert, jeder erzählt ſeine Geſchichte bis auf dieſen Augenblick, Biondello ſoll auch die ſeinige zum Beſten geben.","norm":"Die alte Bekanntschaft wird erneuert, jeder erzählt seine Geschichte bis auf diesen Augenblick, Biondello soll auch die seinige zum Besten geben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1899,"orig":"Er thut es in wenig Worten.","norm":"Er tut es in wenig Worten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1900,"orig":"Man wünſcht ihm Glück zu ſeinem neuen Etabliſſement, man hat von der glänzenden Lebensart des Prinzen von * * * ſchon erzählen hören, von ſeiner Freygebigkeit gegen Leute beſonders, die ein Geheimniß zu bewahren wiſſen, ſeine Verbindung mit dem Kardinal A * * * i iſt weltbekannt, er liebt das Spiel, u. ſ. f. Biondello ſtutzt — Man ſcherzt mit ihm, daß er den Geheimnißvollen mache, man wiſſe doch, daß er der Geſchäftsträger des Prinzen von * * * ſey.","norm":"Man wünscht ihm Glück zu seinem neuen Etablissement, man hat von der glänzenden Lebensart des Prinzen von * * * schon erzählen hören, von seiner Freigebigkeit gegen Leute besonders, die ein Geheimnis zu bewahren wissen, seine Verbindung mit dem Kardinal A * * * i ist weltbekannt, er liebt das Spiel, u. s. f. Biondello stutzt — Man scherzt mit ihm, dass er den Geheimnisvollen mache, man wisse doch, dass er der Geschäftsträger des Prinzen von * * * sei."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1901,"orig":"Die beyden Advokaten nehmen ihn in die Mitte; die Flaſche leert ſich fleißig — man nöthigt ihn zu trinken, er entſchuldigt ſich, weil er keinen Wein vertrage, trinkt aber doch, um ſich zum Schein zu betrinken.","norm":"Die beiden Advokaten nehmen ihn in die Mitte; die Flasche leert sich fleißig — man nötigt ihn zu trinken, er entschuldigt sich, weil er keinen Wein vertrage, trinkt aber doch, um sich zum Schein zu betrinken."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1902,"orig":"„Ja, ſagte endlich der eine Advokat, Biondello verſteht ſein Handwerk, aber ausgelernt hat er noch nicht.","norm":"„Ja, sagte endlich der eine Advokat, Biondello versteht sein Handwerk, aber ausgelernt hat er noch nicht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1903,"orig":"Er iſt nur ein Halber.","norm":"Er ist nur ein Halber."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1904,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1905,"orig":"Was fehlt mir noch?","norm":"Was fehlt mir noch?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1906,"orig":"fragte Biondello.","norm":"fragte Biondello."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1907,"orig":"„Er verſteht die Kunſt, ſagte der andere, ein Geheimniß bey ſich zu behalten, aber die andere noch nicht es mit Vortheil wieder los zu werden.","norm":"„Er versteht die Kunst, sagte der andere, ein Geheimnis bei sich zu behalten, aber die andere noch nicht es mit Vorteil wieder loszuwerden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1908,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1909,"orig":"Sollte ſich ein Käufer dazu finden?","norm":"Sollte sich ein Käufer dazu finden?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1910,"orig":"fragte Biondello.","norm":"fragte Biondello."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1911,"orig":"Die übrigen Gäſte zogen ſich hier aus dem Zimmer, er blieb Tete a Tete mit ſeinen beyden Leuten, die nun mit der Sprache heraus gingen.","norm":"Die übrigen Gäste zogen sich hier aus dem Zimmer, er blieb Tete-a-tete mit seinen beiden Leuten, die nun mit der Sprache herausgingen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1912,"orig":"Daß ich es kurz mache, er ſollte ihnen über den Umgang des Prinzen mit dem Kardinal und ſeinem Neffen Aufſchlüſſe verſchaffen, ihnen die Quelle angeben, woraus der Prinz Geld ſchöpfe, und ihnen die Briefe, die an den Grafen von O * * * geſchrieben würden, in die Hände ſpielen.","norm":"Dass ich es kurz mache, er sollte ihnen über den Umgang des Prinzen mit dem Kardinal und seinem Neffen Aufschlüsse verschaffen, ihnen die Quelle angeben, woraus der Prinz Geld schöpfe, und ihnen die Briefe, die an den Grafen von O * * * geschrieben würden, in die Hände spielen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1913,"orig":"Biondello beſchied ſie auf ein andermal, aber wer ſie angeſtellt habe, konnte er nicht aus ihnen heraus bringen.","norm":"Biondello beschied sie auf ein andermal, aber wer sie angestellt habe, konnte er nicht aus ihnen herausbringen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1914,"orig":"Nach den glänzenden Offerten, die ihm gethan wurden, zu ſchließen, mußte die Nachfrage von einem ſehr reichen Manne herrühren.","norm":"Nach den glänzenden Offerten, die ihm getan wurden, zu schließen, musste die Nachfrage von einem sehr reichen Manne herrühren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1915,"orig":"Geſtern Abend entdeckte er meinem Herrn den ganzen Vorfall.","norm":"Gestern Abend entdeckte er meinem Herrn den ganzen Vorfall."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1916,"orig":"Dieſe war anfangs Willens, die Unterhändler kurz und gut beym Kopf nehmen zu laſſen, aber Biondello machte Einwendungen.","norm":"Diese war anfangs Willens, die Unterhändler kurz und gut beim Kopf nehmen zu lassen, aber Biondello machte Einwendungen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1917,"orig":"Auf freyen Fuß würde man ſie doch wieder ſtellen müſſen, und dann habe er ſeinen ganzen Credit unter dieſer Klaſſe, vielleicht ſein Leben ſelbſt in Gefahr geſetzt.","norm":"Auf freien Fuß würde man sie doch wieder stellen müssen, und dann habe er seinen ganzen Kredit unter dieser Klasse, vielleicht sein Leben selbst in Gefahr gesetzt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1918,"orig":"Alle dieſes Volk hange unter ſich zuſammen, alle ſtehen für Einen, er wolle lieber den hohen Rath in Venedig zum Feind haben, als unter ihnen für einen Verräther verſchrieen werden.","norm":"Alle dieses Volk hange unter sich zusammen, alle stehen für Einen, er wolle lieber den hohen Rat in Venedig zum Feind haben, als unter ihnen für einen Verräter verschrien werden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1919,"orig":"Er würde dem Prinzen auch nicht mehr nützlich ſeyn können, wenn er das Vertrauen dieſer Volksklaſſe verloren hätte.","norm":"Er würde dem Prinzen auch nicht mehr nützlich sein können, wenn er das Vertrauen dieser Volksklasse verloren hätte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1920,"orig":"Wir haben hin und her gerathen, von wem dieß wohl kommen möchte.","norm":"Wir haben hin und her geraten, von wem dies wohl kommen möchte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1921,"orig":"Wer iſt in Venedig, dem daran liegen kann, zu wiſſen, was mein Herr einnimmt und ausgiebt, was er mit dem Kardinal A * * * i zu thun hat, und was ich Ihnen ſchreibe?","norm":"Wer ist in Venedig, dem daran liegen kann, zu wissen, was mein Herr einnimmt und ausgibt, was er mit dem Kardinal A * * * i zu tun hat, und was ich Ihnen schreibe?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1922,"orig":"Sollte es gar noch ein Vermächtniß von dem Prinzen von * * d * * * ſeyn?","norm":"Sollte es gar noch ein Vermächtnis von dem Prinzen von * * d * * * sein?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1923,"orig":"oder regt ſich etwa der Armenier wieder?","norm":"Oder regt sich etwa der Armenier wieder?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1924,"orig":"Auguſt.","norm":"August."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1925,"orig":"Der Prinz ſchwimmt in Wonne und Liebe.","norm":"Der Prinz schwimmt in Wonne und Liebe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1926,"orig":"Er hat ſeine Griechin wieder.","norm":"Er hat seine Griechin wieder."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1927,"orig":"Hören Sie, wie dieß zugegangen iſt.","norm":"Hören Sie, wie dies zugegangen ist."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1928,"orig":"Ein Fremder, der über Chiozza gekommen war, und von der ſchönen Lage dieſer Stadt am Golf viel zu erzählen wußte, machte den Prinzen neugierig, ſie zu ſehen.","norm":"Ein Fremder, der über Chiozza gekommen war, und von der schönen Lage dieser Stadt am Golf viel zu erzählen wusste, machte den Prinzen neugierig, sie zu sehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1929,"orig":"Geſtern wurde dieß ausgeführt, und um allen Zwang und Aufwand zu vermeiden, ſollte niemand ihn begleiten als Z * * * und ich, nebſt Biondello, und mein Herr wollte unbekannt bleiben.","norm":"Gestern wurde dies ausgeführt, und um allen Zwang und Aufwand zu vermeiden, sollte niemand ihn begleiten als Z * * * und ich, nebst Biondello, und mein Herr wollte unbekannt bleiben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1930,"orig":"Wir fanden ein Fahrzeug, das eben dahin abging, und mietheten uns darauf ein.","norm":"Wir fanden ein Fahrzeug, das eben dahin abging, und mieteten uns darauf ein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1931,"orig":"Die Geſellſchaft war ſehr gemiſcht, aber unbedeutend, und die Hinreiſe hatte nichts merkwürdiges.","norm":"Die Gesellschaft war sehr gemischt, aber unbedeutend, und die Hinreise hatte nichts Merkwürdiges."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1932,"orig":"Chiozza iſt auf eingerammten Pfählen gebaut, wie Venedig, und ſoll gegen vierzig tauſend Einwohner zählen.","norm":"Chiozza ist auf eingerammten Pfählen gebaut, wie Venedig, und soll gegen vierzigtausend Einwohner zählen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1933,"orig":"Adel findet man wenig, aber bey jedem Tritte ſtößt man auf Fiſcher oder Matroſen.","norm":"Adel findet man wenig, aber bei jedem Tritte stößt man auf Fischer oder Matrosen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1934,"orig":"Wer eine Perücke und einen Mantel trägt, heißt ein Reicher;","norm":"Wer eine Perücke und einen Mantel trägt, heißt ein Reicher;"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1935,"orig":"Mütze und Ueberſchlag ſind das Zeichen eines Armen.","norm":"Mütze und Überschlag sind das Zeichen eines Armen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1936,"orig":"Die Lage der Stadt iſt ſchön, doch darf man Venedig nicht geſehen haben.","norm":"Die Lage der Stadt ist schön, doch darf man Venedig nicht gesehen haben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1937,"orig":"Wir verweilten uns nicht lange.","norm":"Wir verweilten uns nicht lange."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1938,"orig":"Der Patron, der noch mehr Paſſagiers hatte, mußte zeitig wieder in Venedig ſeyn, und den Prinzen feſſelte nichts in Chiozza.","norm":"Der Patron, der noch mehr Passagiers hatte, musste zeitig wieder in Venedig sein, und den Prinzen fesselte nichts in Chiozza."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1939,"orig":"Alles hatte ſeinen Platz ſchon im Schiffe genommen, als wir ankamen.","norm":"Alles hatte seinen Platz schon im Schiffe genommen, als wir ankamen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1940,"orig":"Weil ſich die Geſellſchaft auf der Herfahrt ſo beſchwerlich gemacht hatte, ſo nahmen wir dießmal ein Zimmer für uns allein.","norm":"Weil sich die Gesellschaft auf der Herfahrt so beschwerlichgemacht hatte, so nahmen wir diesmal ein Zimmer für uns allein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1941,"orig":"Der Prinz erkundigte ſich, wer noch mehr da ſey?","norm":"Der Prinz erkundigte sich, wer noch mehr da sei?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1942,"orig":"Ein Dominikaner, war die Antwort, und einige Damen, die retour nach Venedig gingen.","norm":"Ein Dominikaner, war die Antwort, und einige Damen, die retour nach Venedig gingen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1943,"orig":"Mein Herr war nicht neugierig, ſie zu ſehen, und nahm ſogleich ſein Zimmer ein.","norm":"Mein Herr war nicht neugierig, sie zu sehen, und nahm sogleich sein Zimmer ein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1944,"orig":"Die Griechin war der Gegenſtand unſers Geſprächs auf der Herfahrt geweſen, und ſie war es auch auf der Rückfahrt.","norm":"Die Griechin war der Gegenstand unseres Gesprächs auf der Herfahrt gewesen, und sie war es auch auf der Rückfahrt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1945,"orig":"Der Prinz wiederholte ſich ihre Erſcheinung in der Kirche mit Feuer;","norm":"Der Prinz wiederholte sich ihre Erscheinung in der Kirche mit Feuer;"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1946,"orig":"Plane wurden gemacht und verworfen; die Zeit verſtrich wie ein Augenblick; ehe wir es uns verſahen, lag Venedig vor uns.","norm":"Plane wurden gemacht und verworfen; die Zeit verstrich wie ein Augenblick; ehe wir es uns versahen, lag Venedig vor uns."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1947,"orig":"Einige von den Paſſagiers ſtiegen aus, der Dominikaner war unter dieſen.","norm":"Einige von den Passagiers stiegen aus, der Dominikaner war unter diesen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1948,"orig":"Der Patron ging zu den Damen, die, wie wir jetzt erſt erfuhren, nur durch ein dünnes Bret von uns geſchieden waren, und fragte ſie, wo er anlegen ſollte.","norm":"Der Patron ging zu den Damen, die, wie wir jetzt erst erfuhren, nur durch ein dünnes Brett von uns geschieden waren, und fragte sie, wo er anlegen sollte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1949,"orig":"Auf der Inſel Murano, war die Antwort, und das Haus wurde genannt.","norm":"Auf der Insel Murano, war die Antwort, und das Haus wurde genannt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1950,"orig":"— Inſel Murano!","norm":"— Insel Murano!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1951,"orig":"rief der Prinz, und ein Schauer der Ahndung ſchien durch ſeine Seele zu fliegen.","norm":"rief der Prinz, und ein Schauer der Ahndung schien durch seine Seele zu fliegen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1952,"orig":"Eh' ich ihm antworten konnte, ſtürzte Biondello herein.","norm":"Ehe ich ihm antworten konnte, stürzte Biondello herein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1953,"orig":"„Wiſſen Sie auch, in welcher Geſellſchaft wir reiſen?“ — Der Prinz ſprang auf — „Sie iſt hier!","norm":"„Wissen Sie auch, in welcher Gesellschaft wir reisen?“ — Der Prinz sprang auf — „sie ist hier!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1954,"orig":"Sie ſelbſt!","norm":"Sie selbst!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1955,"orig":"fuhr Biondello fort.","norm":"fuhr Biondello fort."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1956,"orig":"Ich komme eben von ihrem Begleiter.","norm":"Ich komme eben von ihrem Begleiter."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1957,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1958,"orig":"Der Prinz drang hinaus.","norm":"Der Prinz drang hinaus."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1959,"orig":"Das Zimmer ward ihm zu enge, die ganze Welt wär' es ihm in dieſem Augenblick geweſen.","norm":"Das Zimmer wurde ihm zu enge, die ganze Welt wäre es ihm in diesem Augenblick gewesen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1960,"orig":"Tauſend Empfindungen ſtürmten in ihm, ſeine Knie zitterten, Röthe und Bläſſe wechſelten in ſeinem Geſichte.","norm":"Tausend Empfindungen stürmten in ihm, seine Knie zitterten, Röte und Blässe wechselten in seinem Gesichte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1961,"orig":"Ich zitterte erwartungsvoll mit ihm.","norm":"Ich zitterte erwartungsvoll mit ihm."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1962,"orig":"Ich kann Ihnen dieſen Zuſtand nicht beſchreiben.","norm":"Ich kann Ihnen diesen Zustand nicht beschreiben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1963,"orig":"In Murano ward angehalten.","norm":"In Murano wurde angehalten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1964,"orig":"Der Prinz ſprang an's Ufer.","norm":"Der Prinz sprang ans Ufer."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1965,"orig":"Sie kam.","norm":"Sie kam."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1966,"orig":"Ich las im Geſicht des Prinzen, daß ſie's war.","norm":"Ich las im Gesicht des Prinzen, dass sie es war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1967,"orig":"Ihr Anblick ließ mir keinen Zweifel übrig.","norm":"Ihr Anblick ließ mir keinen Zweifel übrig."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1968,"orig":"Eine ſchönere Geſtalt hab' ich nie geſehen, alle Beſchreibungen des Prinzen waren unter ihr geblieben.","norm":"Eine schönere Gestalt habe ich nie gesehen, alle Beschreibungen des Prinzen waren unter ihr geblieben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1969,"orig":"Eine glühende Röthe überzog ihr Geſicht, als ſie den Prinzen anſichtig wurde.","norm":"Eine glühende Röte überzog ihr Gesicht, als sie den Prinzen ansichtig wurde."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1970,"orig":"Sie hatte unſer ganzes Geſpräch hören müſſen, ſie konnte auch nicht zweifeln, daß ſie der Gegenſtand deſſelben geweſen ſey.","norm":"Sie hatte unser ganzes Gespräch hören müssen, sie konnte auch nicht zweifeln, dass sie der Gegenstand desselben gewesen sei."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1971,"orig":"Mit einem bedeutenden Blicke ſah ſie ihre Begleiterin an, als wollte ſie ſagen: das iſt er!","norm":"Mit einem bedeutenden Blicke sah sie ihre Begleiterin an, als wollte sie sagen: Das ist er!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1972,"orig":"und mit Verwirrung ſchlug ſie ihre Augen nieder.","norm":"und mit Verwirrung schlug sie ihre Augen nieder."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1973,"orig":"Ein ſchmales Bret ward vom Schiff an das Ufer gelegt, über welches ſie zu gehen hatte.","norm":"Ein schmales Brett wurde vom Schiff an das Ufer gelegt, über welches sie zu gehen hatte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1974,"orig":"Sie ſchien ängſtlich es zu betreten — aber weniger, wie mir vorkam, weil ſie auszugleiten fürchtete, als weil ſie es ohne fremde Hülfe nicht konnte, und der Prinz ſchon den Arm ausſtreckte, ihr beyzuſtehen.","norm":"Sie schien ängstlich es zu betreten — aber weniger, wie mir vorkam, weil sie auszugleiten fürchtete, als weil sie es ohne fremde Hilfe nicht konnte, und der Prinz schon den Arm ausstreckte, ihr beizustehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1975,"orig":"Die Noth ſiegte über die Bedenklichkeit.","norm":"Die Not siegte über die Bedenklichkeit."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1976,"orig":"Sie nahm ſeine Hand an, und war am Ufer.","norm":"Sie nahm seine Hand an, und war am Ufer."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1977,"orig":"Die heftige Gemüthsbewegung, in der der Prinz war, machte ihn unhöflich; die andere Dame, die auf den nehmlichen Dienſt warnte, vergaß er — was hätte er in dieſem Augenblick nicht vergeſſen?","norm":"Die heftige Gemütsbewegung, in der der Prinz war, machte ihn unhöflich; die andere Dame, die auf den nämlichen Dienst wartete, vergaß er — was hätte er in diesem Augenblick nicht vergessen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1978,"orig":"Ich erwies ihr endlich dieſen Dienſt, und dieß brachte mich um das Vorſpiel einer Unterredung, die ſich zwiſchen meinem Herrn und der Dame angefangen hatte.","norm":"Ich erwies ihr endlich diesen Dienst, und dies brachte mich um das Vorspiel einer Unterredung, die sich zwischen meinem Herrn und der Dame angefangen hatte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1979,"orig":"Er hielt noch immer ihre Hand in der ſeinigen — aus Zerſtreuung, denke ich, und ohne daß er es ſelbſt wußte.","norm":"Er hielt noch immer ihre Hand in der seinigen — aus Zerstreuung, denke ich, und ohne dass er es selbst wusste."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1980,"orig":"„Es iſt nicht das erſtemal, Signora, daß —","norm":"„Es ist nicht das erste Mal, Signora, dass —"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1981,"orig":"— daß — Er konnte es nicht heraus ſagen.","norm":"— dass — er konnte es nicht heraussagen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1982,"orig":"„„Ich ſollte mich erinnern, liſpelte ſie —","norm":"„„Ich sollte mich erinnern, lispelte sie —"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1983,"orig":"„In der * * * Kirche, ſagte er —","norm":"„In der * * * Kirche, sagte er —"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1984,"orig":"„„In der * * * Kirche war es, ſagte ſie —","norm":"„„In der * * * Kirche war es, sagte sie —"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1985,"orig":"„Und konnte ich mir heute vermuthen — — Ihnen ſo nahe —","norm":"„Und konnte ich mir heute vermuten — — Ihnen so nahe —"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1986,"orig":"Hier zog ſie ihre Hand leiſe aus der ſeinigen — Er verwirrte ſich augenſcheinlich.","norm":"Hier zog sie ihre Hand leise aus der seinigen — er verwirrte sich augenscheinlich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1987,"orig":"Biondello, der indeß mit dem Bedienten geſprochen hatte, kam ihm zu Hülfe.","norm":"Biondello, der indes mit dem Bedienten gesprochen hatte, kam ihm zu Hilfe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1988,"orig":"Signor, fing er an, die Damen haben Sänften hieher beſtellt.","norm":"Signor, fing er an, die Damen haben Sänften hierher bestellt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1989,"orig":"Aber wir ſind früher zurück gekommen, als ſie ſich's vermutheten.","norm":"Aber wir sind früher zurückgekommen, als sie sich es vermuteten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1990,"orig":"Es iſt hier ein Garten in der Nähe, wo ſie ſo lange eintreten können, um dem Gedränge auszuweichen.","norm":"Es ist hier ein Garten in der Nähe, wo sie so lange eintreten können, um dem Gedränge auszuweichen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1991,"orig":"Der Vorſchlag ward angenommen, und Sie können denken, mit welcher Bereitwilligkeit des Prinzen.","norm":"Der Vorschlag wurde angenommen, und Sie können denken, mit welcher Bereitwilligkeit des Prinzen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1992,"orig":"Man blieb in dem Garten bis es Abend wurde.","norm":"Man blieb in dem Garten bis es Abend wurde."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1993,"orig":"Es gelang uns, Z * * * und mir, die Matrone zu beſchäftigen, daß der Prinz ſich mit der jungen Dame ungeſtört unterhalten konnte.","norm":"Es gelang uns, Z * * * und mir, die Matrone zu beschäftigen, dass der Prinz sich mit der jungen Dame ungestört unterhalten konnte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1994,"orig":"Daß er dieſe Augenblicke gut zu benutzen gewußt habe, können Sie daraus abnehmen, daß er die Erlaubniß empfangen hat, ſie zu beſuchen.","norm":"Dass er diese Augenblicke gut zu benutzen gewusst habe, können Sie daraus abnehmen, dass er die Erlaubnis empfangen hat, sie zu besuchen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1995,"orig":"Eben jetzt, da ich Ihnen ſchreibe, iſt er dort.","norm":"Eben jetzt, da ich Ihnen schreibe, ist er dort."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1996,"orig":"Wenn er zurück kommt, werde ich mehr erfahren.","norm":"Wenn er zurückkommt, werde ich mehr erfahren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1997,"orig":"Geſtern, als wir nach Hauſe kamen, fanden wir endlich auch die erwarteten Wechſel von unſerm Hofe, aber von einem Briefe begleitet, der meinen Herrn ſehr in Flammen ſetzte.","norm":"Gestern, als wir nach Hause kamen, fanden wir endlich auch die erwarteten Wechsel von unserem Hofe, aber von einem Briefe begleitet, der meinen Herrn sehr in Flammen setzte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1998,"orig":"Man ruft ihn zurück, und in einem Tone, wie er ihn gar nicht gewohnt iſt.","norm":"Man ruft ihn zurück, und in einem Tone, wie er ihn gar nicht gewohnt ist."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":1999,"orig":"Er hat ſogleich in einem ähnlichen geantwortet, und wird bleiben.","norm":"Er hat sogleich in einem ähnlichen geantwortet, und wird bleiben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2000,"orig":"Die Wechſel ſind eben hinreichend, um die Zinſen von dem Kapitale zu bezahlen, das er ſchuldig iſt.","norm":"Die Wechsel sind eben hinreichend, um die Zinsen von dem Kapitale zu bezahlen, das er schuldig ist."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2001,"orig":"Einer Antwort von ſeiner Schweſter ſehen wir mit Verlangen entgegen.","norm":"Einer Antwort von seiner Schwester sehen wir mit Verlangen entgegen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2002,"orig":"September.","norm":"September."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2003,"orig":"Der Prinz iſt mit ſeinem Hofe zerfallen, alle unſre Reſſourcen von daher abgeſchnitten.","norm":"Der Prinz ist mit seinem Hofe zerfallen, alle unsere Ressourcen von daher abgeschnitten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2004,"orig":"Die ſechs Wochen, nach deren Verfluß mein Herr den Marcheſe bezahlen ſollte, waren ſchon um einige Tage verſtrichen, und noch keine Wechſel weder von ſeinem Couſin, von dem er auf's neue und auf's dringendſte Vorſchuß verlangt hatte, noch von ſeiner Schweſter.","norm":"Die sechs Wochen, nach deren Fluss mein Herr den Marchese bezahlen sollte, waren schon um einige Tage verstrichen, und noch keine Wechsel weder von seinem Cousin, von dem er aufs neue und aufs dringendste Vorschuss verlangt hatte, noch von seiner Schwester."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2005,"orig":"Sie können wohl denken, daß Civitella nicht mahnte, ein deſto treueres Gedächtniß aber hatte der Prinz.","norm":"Sie können wohl denken, dass Civitella nicht mahnte, ein desto treueres Gedächtnis aber hatte der Prinz."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2006,"orig":"Geſtern Mittag endlich kam eine Antwort vom regierenden Hofe.","norm":"Gestern Mittag endlich kam eine Antwort vom regierenden Hofe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2007,"orig":"Wir hatten kurz vorher einen neuen Kontrakt unſers Hotels wegen abgeſchloſſen, und der Prinz hatte ſein längeres Bleiben ſchon öffentlich deklarirt.","norm":"Wir hatten kurz vorher einen neuen Kontrakt unseres Hotels wegen abgeschlossen, und der Prinz hatte sein längeres Bleiben schon öffentlich deklariert."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2008,"orig":"Ohne ein Wort zu ſagen gab mein Herr mir den Brief.","norm":"Ohne ein Wort zu sagen gab mein Herr mir den Brief."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2009,"orig":"Seine Augen funkelten, ich las den Inhalt ſchon auf ſeiner Sitrne.","norm":"Seine Augen funkelten, ich las den Inhalt schon auf seiner Stirn."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2010,"orig":"Können Sie Sich vorſtellen, lieber O * * *?","norm":"Können Sie sich vorstellen, lieber O * * *?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2011,"orig":"Man iſt in * * * * von allen hieſigen Verhältniſſen meines Herrn unterrichtet, und die Verläumdung hat ein abſcheuliches Gewebe von Lügen daraus geſponnen.","norm":"Man ist in * * * * von allen hiesigen Verhältnissen meines Herrn unterrichtet, und die Verleumdung hat ein abscheuliches Gewebe von Lügen daraus gesponnen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2012,"orig":"„Man habe mißfällig vernommen, heißt es unter andern, daß der Prinz ſeit einiger Zeit angefangen habe, ſeinen vorigen Karakter zu verläugnen, und ein Betragen anzunehmen, das ſeiner bisherigen lobenswürdigen Art zu denken ganz entgegen geſetzt ſey.","norm":"„Man habe missfällig vernommen, heißt es unter anderen, dass der Prinz seit einiger Zeit angefangen habe, seinen vorigen Charakter zu verleugnen, und ein Betragen anzunehmen, das seiner bisherigen lobenswürdigen Art zu denken ganz entgegengesetzt sei."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2013,"orig":"Man wiſſe, daß er ſich dem Frauenzimmer und dem Spiel auf's ausſchweifendſte ergebe, ſich in Schulden ſtürze, Viſionnärs und Geiſterbannern ſein Ohr leihe, mit katholiſchen Prälaten in verdächtigen Verhältniſſen ſtehe, und einen Hofſtaat führe, der ſeinen Rang ſowohl als ſeine Einkünfte überſchreite.","norm":"Man wisse, dass er sich dem Frauenzimmer und dem Spiel aufs ausschweifendste ergebe, sich in Schulden stürze, Visionärs und Geisterbannern sein Ohr leihe, mit katholischen Prälaten in verdächtigen Verhältnissen stehe, und einen Hofstaat führe, der seinen Rang sowohl als seine Einkünfte überschreite."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2014,"orig":"Es heiße ſogar, daß er im Begriff ſtehe, dieſes höchſt anſtößige Betragen durch eine Apoſtaſie zur römiſchen Kirche vollkommen zu machen.","norm":"Es heiße sogar, dass er im Begriff stehe, dieses höchst anstößige Betragen durch eine Apostasie zur römischen Kirche vollkommen zu machen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2015,"orig":"Um ſich von der letztern Beſchuldigung zu reinigen, erwarte man von ihm eine ungeſäumte Zurückkunft.","norm":"Um sich von der letzteren Beschuldigung zu reinigen, erwarte man von ihm eine ungesäumte Zurückkunft."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2016,"orig":"Ein Banquier in Venedig, dem er den Etat ſeiner Schulden übergeben ſolle, habe Anweiſung, ſogleich nach ſeiner Abreiſe, ſeine Gläubiger zu befriedigen, denn unter dieſen Umſtänden finde man nicht für gut, das Geld in ſeine Hände zu geben.","norm":"Ein Bankier in Venedig, dem er den Etat seiner Schulden übergeben solle, habe Anweisung, sogleich nach seiner Abreise, seine Gläubiger zu befriedigen, denn unter diesen Umständen finde man nicht für gut, das Geld in seine Hände zu geben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2017,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2018,"orig":"Was für Beſchuldigungen und in welchem Tone!","norm":"Was für Beschuldigungen und in welchem Tone!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2019,"orig":"Ich nahm den Brief, durchlas ihn noch einmal, ich wollte etwas darin aufſuchen, das ihn mildern könnte; ich fand nichts, es war mir ganz unbegreiflich.","norm":"Ich nahm den Brief, durchlas ihn noch einmal, ich wollte etwas darin aufsuchen, das ihn mildern könnte; ich fand nichts, es war mir ganz unbegreiflich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2020,"orig":"Z * * * erinnerte mich jetzt an die geheime Nachfrage, die vor einiger Zeit an Biondello ergangen war.","norm":"Z * * * erinnerte mich jetzt an die geheime Nachfrage, die vor einiger Zeit an Biondello ergangen war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2021,"orig":"Die Zeit, der Inhalt, alle Umſtände kamen überein.","norm":"Die Zeit, der Inhalt, alle Umstände kamen überein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2022,"orig":"Wir hatten ſie fälſchlich dem Armenier zugeſchrieben.","norm":"Wir hatten sie fälschlich dem Armenier zugeschrieben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2023,"orig":"Jetzt war's am Tage, von wem ſie herrührte.","norm":"Jetzt war es am Tage, von wem sie herrührte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2024,"orig":"Apoſtaſie!","norm":"Apostasie!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2025,"orig":"— Aber weſſen Intereſſe kann es ſeyn, meinen Herrn ſo abſcheulich und ſo platt zu verläumden?","norm":"— Aber wessen Interesse kann es sein, meinen Herrn so abscheulich und so platt zu verleumden?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2026,"orig":"Ich fürchte, es iſt ein Stückchen von dem Prinzen von * * d * *, der es durchſetzen will, unſern Herrn aus Venedig zu entfernen.","norm":"Ich fürchte, es ist ein Stückchen von dem Prinzen von * * d * *, der es durchsetzen will, unseren Herrn aus Venedig zu entfernen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2027,"orig":"Dieſer ſchwieg noch immer, die Augen ſtarr vor ſich hingeworfen.","norm":"Dieser schwieg noch immer, die Augen starr vor sich hingeworfen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2028,"orig":"Sein Stillſchweigen ängſtigte mich.","norm":"Sein Stillschweigen ängstigte mich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2029,"orig":"Ich warf mich zu ſeinen Füßen.","norm":"Ich warf mich zu seinen Füßen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2030,"orig":"Um Gottes willen, gnädigſter Prinz, rief ich aus, beſchließen Sie nichts gewaltſames.","norm":"Um Gottes willen, gnädigster Prinz, rief ich aus, beschließen Sie nichts Gewaltsames."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2031,"orig":"Sie ſollen, Sie werden die vollſtändigſte Genugthuung haben.","norm":"Sie sollen, Sie werden die vollständigste Genugtuung haben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2032,"orig":"Ueberlaſſen Sie mir dieſe Sache.","norm":"Überlassen Sie mir diese Sache."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2033,"orig":"Senden Sie mich hin.","norm":"Senden Sie mich hin."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2034,"orig":"Es iſt unter Ihrer Würde, Sich gegen ſolche Beſchuldigungen zu verantworten, aber mir erlauben Sie, es zu thun.","norm":"Es ist unter Ihrer Würde, sich gegen solche Beschuldigungen zu verantworten, aber mir erlauben Sie, es zu tun."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2035,"orig":"Der Verläumder muß genannt, und dem * * * die Augen geöffnet werden.","norm":"Der Verleumder muss genannt, und dem * * * die Augen geöffnet werden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2036,"orig":"In dieſer Lage fand uns Civitella, der ſich mit Erſtaunen nach der Urſache unſrer Beſtürzung erkundigte.","norm":"In dieser Lage fand uns Civitella, der sich mit Erstaunen nach der Ursache unserer Bestürzung erkundigte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2037,"orig":"Z * * * und ich ſchwiegen.","norm":"Z * * * und ich schwiegen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2038,"orig":"Der Prinz aber, der zwiſchen ihm und uns ſchon lange keinen Unterſchied mehr zu machen gewohnt iſt, auch noch in zu heftiger Wallung war, um in dieſem Augenblick der Klugheit Gehör zu geben, befahl uns, ihm den Brief mitzutheilen.","norm":"Der Prinz aber, der zwischen ihm und uns schon lange keinen Unterschied mehr zu machen gewohnt ist, auch noch in zu heftiger Wallung war, um in diesem Augenblick der Klugheit Gehör zu geben, befahl uns, ihm den Brief mitzuteilen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2039,"orig":"Ich wollte zögern, aber der Prinz riß ihn mir aus der Hand und gab ihn ſelbſt dem Marcheſe.","norm":"Ich wollte zögern, aber der Prinz riss ihn mir aus der Hand und gab ihn selbst dem Marchese."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2040,"orig":"„Ich bin Ihr Schuldner, Herr Marcheſe, fing der Prinz an, nachdem dieſer den Brief mit Erſtaunen durchleſen hatte, aber laſſen Sie Sich das keine Unruhe machen.","norm":"„Ich bin Ihr Schuldner, Herr Marchese, fing der Prinz an, nachdem dieser den Brief mit Erstaunen durchlesen hatte, aber lassen Sie Sich das keine Unruhe machen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2041,"orig":"Geben Sie mir nur noch zwanzig Tage Friſt, und Sie ſollen befriedigt werden.","norm":"Geben Sie mir nur noch zwanzig Tage Frist, und Sie sollen befriedigt werden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2042,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2043,"orig":"Gnädigſter Prinz, rief Civitella heftig bewegt, verdien' ich dieſes?","norm":"Gnädigster Prinz, rief Civitella heftig bewegt, verdiene ich dieses?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2044,"orig":"„Sie haben mich nicht dringen wollen, ich erkenne Ihre Delikateſſe und danke Ihnen.","norm":"„Sie haben mich nicht dringen wollen, ich erkenne Ihre Delikatesse und danke Ihnen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2045,"orig":"In zwanzig Tagen, wie geſagt, ſollen Sie völlig befriedigt werden.","norm":"In zwanzig Tagen, wie gesagt, sollen Sie völlig befriedigt werden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2046,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2047,"orig":"Was iſt das?","norm":"Was ist das?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2048,"orig":"fragte Civitella mich voll Beſtürzung.","norm":"fragte Civitella mich voll Bestürzung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2049,"orig":"Wie hängt dieß zuſammen?","norm":"Wie hängt dies zusammen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2050,"orig":"Ich faß' es nicht.","norm":"Ich fasse es nicht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2051,"orig":"Wir erklärten ihm, was wir wußten.","norm":"Wir erklärten ihm, was wir wussten."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2052,"orig":"Er kam außer ſich.","norm":"Er kam außer sich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2053,"orig":"Der Prinz, ſagte er, müſſe auf Genugthuung dringen, die Beleidigung ſey unerhört.","norm":"Der Prinz, sagte er, müsse auf Genugtuung dringen, die Beleidigung sei unerhört."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2054,"orig":"Unterdeſſen beſchwöre er ihn, ſich ſeines ganzen Vermögens und Kredits unumſchränkt zu bedienen.","norm":"Unterdessen beschwöre er ihn, sich seines ganzen Vermögens und Kredits unumschränkt zu bedienen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2055,"orig":"Der Marcheſe hatte uns verlaſſen, und der Prinz noch immer kein Wort geſprochen.","norm":"Der Marchese hatte uns verlassen, und der Prinz noch immer kein Wort gesprochen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2056,"orig":"Er ging mit ſtarken Schritten im Zimmer auf und nieder, etwas außerordentliches arbeitete in ihm.","norm":"Er ging mit starken Schritten im Zimmer auf und nieder, etwas Außerordentliches arbeitete in ihm."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2057,"orig":"Endlich ſtand er ſtill, und murmelte vor ſich zwiſchen den Zähnen.","norm":"Endlich stand er still, und murmelte vor sich zwischen den Zähnen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2058,"orig":"„Wünſchen Sie Sich Glück — ſagte er — Um Neun Uhr iſt er geſtorben.","norm":"„Wünschen Sie sich Glück — sagte er — um neun Uhr ist er gestorben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2059,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2060,"orig":"Wir ſahen ihn erſchrocken an.","norm":"Wir sahen ihn erschrocken an."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2061,"orig":"„Wünſchen Sie Sich Glück, fuhr er fort;","norm":"„Wünschen Sie sich Glück, fuhr er fort;"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2062,"orig":"Glück — Ich ſoll mir Glück wünſchen — Sagte er nicht ſo?","norm":"Glück — Ich soll mir Glück wünschen — sagte er nicht so?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2063,"orig":"Was wollte er damit ſagen?“","norm":"Was wollte er damit sagen?“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2064,"orig":"Wie kommen Sie jetzt darauf?","norm":"Wie kommen Sie jetzt darauf?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2065,"orig":"rief ich.","norm":"rief ich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2066,"orig":"Was ſoll das hier?","norm":"Was soll das hier?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2067,"orig":"„Ich habe damals nicht verſtanden, was der Menſch wollte.","norm":"„Ich habe damals nicht verstanden, was der Mensch wollte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2068,"orig":"Jetzt verſtehe ich ihn — O es iſt unerträglich hart, einen Herrn über ſich haben!“","norm":"Jetzt verstehe ich ihn — O es ist unerträglich hart, einen Herrn über sich haben!“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2069,"orig":"Mein theuerſter Prinz!","norm":"Mein teuerster Prinz!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2070,"orig":"„Der es uns fühlen laſſen kann!","norm":"„Der es uns fühlen lassen kann!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2071,"orig":"— Ha!","norm":"— Ha!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2072,"orig":"Es muß ſüß ſeyn!“","norm":"Es muss süß sein!“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2073,"orig":"Er hielt wieder inne.","norm":"Er hielt wieder inne."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2074,"orig":"Seine Miene erſchreckte mich.","norm":"Seine Miene erschreckte mich."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2075,"orig":"Ich hatte ſie nie an ihm geſehen.","norm":"Ich hatte sie nie an ihm gesehen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2076,"orig":"„Der Elendeſte unter dem Volk fing er wieder an, oder der nächſte Prinz am Throne!","norm":"„Der Elendeste unter dem Volk fing er wieder an, oder der nächste Prinz am Throne!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2077,"orig":"Das iſt ganz daſſelbe.","norm":"Das ist ganz dasselbe."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2078,"orig":"Es giebt nur einen Unterſchied unter den Menſchen — Gehorchen und Herrſchen!“","norm":"Es gibt nur einen Unterschied unter den Menschen — Gehorchen und Herrschen!“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2079,"orig":"Er ſah noch einmal in den Brief.","norm":"Er sah noch einmal in den Brief."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2080,"orig":"„Sie haben den Menſchen geſehen, fuhr er fort, der ſich unterſtehen darf, mir dieſes zu ſchreiben.","norm":"„Sie haben den Menschen gesehen, fuhr er fort, der sich unterstehen darf, mir dieses zu schreiben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2081,"orig":"Würden Sie ihn auf der Straße grüßen, wenn ihn das Schickſal nicht zu Ihrem Herrn gemacht hätte?","norm":"Würden Sie ihn auf der Straße grüßen, wenn ihn das Schicksal nicht zu Ihrem Herrn gemacht hätte?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2082,"orig":"Bey Gott!","norm":"Bei Gott!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2083,"orig":"Es iſt etwas großes um eine Krone!“","norm":"Es ist etwas Großes um eine Krone!“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2084,"orig":"In dieſem Ton ging es weiter, und es fielen Reden, die ich keinem Brief anvertrauen darf.","norm":"In diesem Ton ging es weiter, und es fielen Reden, die ich keinem Brief anvertrauen darf."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2085,"orig":"Aber bey dieſer Gelegenheit entdeckte mir der Prinz einen Umſtand, der mich in nicht geringes Erſtaunen und Schrecken ſetzte, und der die gefährlichſten Folgen haben kann.","norm":"Aber bei dieser Gelegenheit entdeckte mir der Prinz einen Umstand, der mich in nicht geringes Erstaunen und Schrecken setzte, und der die gefährlichsten Folgen haben kann."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2086,"orig":"Ueber die Familienverhältniſſe am * * * Hofe ſind wir bisher in einem großen Irrthum geweſen.","norm":"Über die Familienverhältnisse am * * * Hofe sind wir bisher in einem großen Irrtum gewesen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2087,"orig":"Der Prinz beantwortete den Brief auf der Stelle, ſo ſehr ich mich dagegen ſetzte und die Art, wie er es gethan hat, läßt keine gütliche Beylegung mehr hoffen.","norm":"Der Prinz beantwortete den Brief auf der Stelle, so sehr ich mich dagegen setzte und die Art, wie er es getan hat, lässt keine gütliche Beilegung mehr hoffen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2088,"orig":"Sie werden nun auch begierig ſeyn, liebſter O * * *, von der Griechin endlich etwas poſitives zu erfahren, aber eben dieß iſt es, worüber ich Ihnen noch immer keinen befriedigenden Aufſchluß geben kann.","norm":"Sie werden nun auch begierig sein, liebster O * * *, von der Griechin endlich etwas Positives zu erfahren, aber eben dies ist es, worüber ich Ihnen noch immer keinen befriedigenden Aufschluss geben kann."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2089,"orig":"Aus dem Prinzen iſt nichts heraus zu bringen, weil er in das Geheimniß gezogen iſt, und ſich, wie ich vermuthe hat verpflichten müſſen, es zu bewahren.","norm":"Aus dem Prinzen ist nichts herauszubringen, weil er in das Geheimnis gezogen ist, und sich, wie ich vermute hat verpflichten müssen, es zu bewahren."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2090,"orig":"Daß ſie aber die Griechin nicht iſt, für die wir ſie hielten, iſt heraus.","norm":"Dass sie aber die Griechin nicht ist, für die wir sie hielten, ist heraus."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2091,"orig":"Sie iſt eine Deutſche, und von der edelſten Abkunft.","norm":"Sie ist eine Deutsche, und von der edelsten Abkunft."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2092,"orig":"Ein gewiſſes Gerücht, dem ich auf die Spur gekommen bin, giebt ihr eine ſehr hohe Mutter, und macht ſie zu der Frucht einer unglücklichen Liebe, wovon in Europa viel geſprochen worden iſt.","norm":"Ein gewisses Gerücht, dem ich auf die Spur gekommen bin, gibt ihr eine sehr hohe Mutter, und macht sie zu der Frucht einer unglücklichen Liebe, wovon in Europa viel gesprochen worden ist."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2093,"orig":"Heimliche Nachſtellungen von mächtiger Hand haben ſie, laut dieſer Sage, gezwungen, in Venedig Schutz zu ſuchen, und eben dieſe ſind auch die Urſache ihrer Verborgenheit, die es dem Prinzen unmöglich gemacht hat, ihren Aufenthalt zu erforſchen.","norm":"Heimliche Nachstellungen von mächtiger Hand haben sie, laut dieser Sage, gezwungen, in Venedig Schutz zu suchen, und eben diese sind auch die Ursache ihrer Verborgenheit, die es dem Prinzen unmöglich gemacht hat, ihren Aufenthalt zu erforschen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2094,"orig":"Die Ehrerbietung, womit der Prinz von ihr ſpricht, und gewiſſe Rückſichten, die er gegen ſie beobachtet, ſcheinen dieſer Vermuthung Kraft zu geben.","norm":"Die Ehrerbietung, womit der Prinz von ihr spricht, und gewisse Rücksichten, die er gegen sie beobachtet, scheinen dieser Vermutung Kraft zu geben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2095,"orig":"Er iſt mit einer fürchterlichen Leidenſchaft an ſie gebunden, die mit jedem Tage wächſt.","norm":"Er ist mit einer fürchterlichen Leidenschaft an sie gebunden, die mit jedem Tage wächst."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2096,"orig":"In der erſten Zeit wurden die Beſuche ſparſam zugeſtanden; doch ſchon in der zweyten Woche verkürzte man die Trennungen, und jetzt vergeht kein Tag, wo der Prinz nicht dort wäre.","norm":"In der ersten Zeit wurden die Besuche sparsam zugestanden; doch schon in der zweiten Woche verkürzte man die Trennungen, und jetzt vergeht kein Tag, wo der Prinz nicht dort wäre."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2097,"orig":"Ganze Abende verſchwinden, ohne daß wir ihn zu Geſicht bekommen; und iſt er auch nicht in ihrer Geſellſchaft, ſo iſt ſie es doch allein, was ihn beſchäftigt.","norm":"Ganze Abende verschwinden, ohne dass wir ihn zu Gesicht bekommen; und ist er auch nicht in ihrer Gesellschaft, so ist sie es doch allein, was ihn beschäftigt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2098,"orig":"Sein ganzes Weſen ſcheint verwandelt.","norm":"Sein ganzes Wesen scheint verwandelt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2099,"orig":"Er geht wie ein Träumender umher, und nichts von allem, was ihn ſonſt intereſſirt hatte, kann ihm jetzt nur eine flüchtige Aufmerkſamkeit abgewinnen.","norm":"Er geht wie ein Träumender umher, und nichts von allem, was ihn sonst interessiert hatte, kann ihm jetzt nur eine flüchtige Aufmerksamkeit abgewinnen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2100,"orig":"Wohin wird das noch kommen, liebſter Freund?","norm":"Wohin wird das noch kommen, liebster Freund?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2101,"orig":"Ich zittre für die Zukunft.","norm":"Ich zittre für die Zukunft."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2102,"orig":"Der Bruch mit ſeinem Hofe hat meinen Herrn in eine erniedrigende Abhängigkeit von einem einzigen Menſchen, von dem Marcheſe Civitella, geſetzt.","norm":"Der Bruch mit seinem Hofe hat meinen Herrn in eine erniedrigende Abhängigkeit von einem einzigen Menschen, von dem Marchese Civitella, gesetzt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2103,"orig":"Dieſer iſt jetzt Herr unſrer Geheimniſſe, unſers ganzen Schickſals.","norm":"Dieser ist jetzt Herr unserer Geheimnisse, unseres ganzen Schicksals."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2104,"orig":"Wird er immer ſo edel denken, als er ſich uns jetzo noch zeigt?","norm":"Wird er immer so edel denken, als er sich uns jetzt noch zeigt?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2105,"orig":"Wird dieſes gute Vernehmen auf die Dauer beſtehen, und iſt es wohl gethan, einem Menſchen, auch dem Vortreflichſten, ſo viel Wichtigkeit und Macht einzuräumen?","norm":"Wird dieses gute Vernehmen auf die Dauer bestehen, und ist es wohlgetan, einem Menschen, auch dem Vortrefflichsten, so viel Wichtigkeit und Macht einzuräumen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2106,"orig":"An die Schweſter des Prinzen iſt ein neuer Brief abgegangen.","norm":"An die Schwester des Prinzen ist ein neuer Brief abgegangen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2107,"orig":"Den Erfolg hoffe ich Ihnen in meinem nächſten Brief melden zu können.","norm":"Den Erfolg hoffe ich Ihnen in meinem nächsten Brief melden zu können."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2108,"orig":"Aber dieſer nächſte Brief blieb aus.","norm":"Aber dieser nächste Brief blieb aus."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2109,"orig":"Drey ganze Monate vergingen, ehe ich Nachrichten aus Venedig erhielt — eine Unterbrechung, deren Urſache ſich in der Folge nur zu ſehr aufklärte.","norm":"Drei ganze Monate vergingen, ehe ich Nachrichten aus Venedig erhielt — eine Unterbrechung, deren Ursache sich in der Folge nur zu sehr aufklärte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2110,"orig":"Alle Briefe meines Freundes an mich waren zurück behalten und unterdrückt worden.","norm":"Alle Briefe meines Freundes an mich waren zurückbehalten und unterdrückt worden."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2111,"orig":"Man urtheile von meiner Beſtürzung, als ich endlich im December dieſes Jahrs folgendes Schreiben erhielt, das bloß ein glücklicher Zufall (weil Biondello, der es zu beſtellen hatte, plötzlich krank wurde) in meine Hände brachte.","norm":"Man urteile von meiner Bestürzung, als ich endlich im Dezember dieses Jahrs folgendes Schreiben erhielt, das bloß ein glücklicher Zufall (weil Biondello, der es zu bestellen hatte, plötzlich krank wurde) in meine Hände brachte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2112,"orig":"„Sie ſchreiben nicht.","norm":"„Sie schreiben nicht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2113,"orig":"Sie antworten nicht.","norm":"Sie antworten nicht."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2114,"orig":"Kommen Sie — o kommen Sie auf Flügeln der Freundſchaft.","norm":"Kommen Sie — o kommen Sie auf Flügeln der Freundschaft."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2115,"orig":"Unſre Hoffnung iſt dahin.","norm":"Unsere Hoffnung ist dahin."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2116,"orig":"Leſen Sie dieſen Einſchluß.","norm":"Lesen Sie diesen Einschluss."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2117,"orig":"Alle unſre Hoffnung iſt dahin!","norm":"Alle unsere Hoffnung ist dahin!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2118,"orig":"„Die Wunde des Marcheſe ſoll tödtlich ſeyn.","norm":"„Die Wunde des Marchese soll tödlich sein."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2119,"orig":"Der Kardinal brütet Rache, und ſeine Meuchelmörder ſuchen den Prinzen.","norm":"Der Kardinal brütet Rache, und seine Meuchelmörder suchen den Prinzen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2120,"orig":"Mein Herr — o mein unglücklicher Herr!","norm":"Mein Herr — o mein unglücklicher Herr!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2121,"orig":"— Iſt es dahin gekommen?","norm":"— Ist es dahin gekommen?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2122,"orig":"Unwürdiges, entſetzliches Schickſal!","norm":"Unwürdiges, entsetzliches Schicksal!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2123,"orig":"Wie Nichtswürdige müſſen wir uns vor Mördern und Gläubigern verbergen.","norm":"Wie Nichtswürdige müssen wir uns vor Mördern und Gläubigern verbergen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2124,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2125,"orig":"„Ich ſchreibe Ihnen aus dem * * * Kloſter, wo der Prinz eine Zuflucht gefunden hat.","norm":"„Ich schreibe Ihnen aus dem * * * Kloster, wo der Prinz eine Zuflucht gefunden hat."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2126,"orig":"Eben ruht er auf einem harten Lager neben mir und ſchläft — ach!","norm":"Eben ruht er auf einem harten Lager neben mir und schläft — ach!"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2127,"orig":"den Schlummer der tödtlichſten Erſchöpfung, der ihn nur zu neuem Gefühl ſeiner Leiden ſtärken wird.","norm":"den Schlummer der tödlichsten Erschöpfung, der ihn nur zu neuem Gefühl seiner Leiden stärken wird."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2128,"orig":"Die zehen Tage, daß ſie krank war, kam kein Schlaf in ſeine Augen.","norm":"Die zehn Tage, dass sie krank war, kam kein Schlaf in seine Augen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2129,"orig":"Ich war bey der Leichenöffnung.","norm":"Ich war bei der Leichenöffnung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2130,"orig":"Man fand Spuren von Vergiftung.","norm":"Man fand Spuren von Vergiftung."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2131,"orig":"Heute wird man ſie begraben.","norm":"Heute wird man sie begraben."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2132,"orig":"„Ach liebſter O * * *, mein Herz iſt zerriſſen.","norm":"„Ach liebster O * * *, mein Herz ist zerrissen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2133,"orig":"Ich habe einen Auftritt erlebt, der nie aus meinem Gedächtniß verlöſchen wird.","norm":"Ich habe einen Auftritt erlebt, der nie aus meinem Gedächtnis verlöschen wird."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2134,"orig":"Ich ſtand vor ihrem Sterbebette.","norm":"Ich stand vor ihrem Sterbebette."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2135,"orig":"Wie eine Heilige ſchied ſie dahin, und ihre letzte ſterbende Beredſamkeit erſchöpfte ſich, ihren Geliebten auf den Weg zu leiten, den ſie zum Himmel wandelte — Alle unſre Standhaftigkeit war erſchüttert, der Prinz allein ſtand feſt, und ob er gleich ihren Tod dreyfach mit erlitt, ſo behielt er doch Stärke des Geiſtes genug, der frommen Schwärmerin ihre letzte Bitte zu verweigern.","norm":"Wie eine Heilige schied sie dahin, und ihre letzte sterbende Beredsamkeit erschöpfte sich, ihren Geliebten auf den Weg zu leiten, den sie zum Himmel wandelte — alle unsere Standhaftigkeit war erschüttert, der Prinz allein stand fest, und ob er gleich ihren Tod dreifach mit erlitt, so behielt er doch Stärke des Geistes genug, der frommen Schwärmerin ihre letzte Bitte zu verweigern."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2136,"orig":"“ In dieſem Brief lag folgender Einſchluß.","norm":"“ In diesem Brief lag folgender Einschluss."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2137,"orig":"„Die allein ſelig machende Kirche, die an dem Prinzen von * * * eine ſo glänzende Eroberung gemacht hat, wird es ihm auch nicht an Mitteln fehlen laſſen, die Lebensart fortzuſetzen, der ſie dieſe Eroberung verdankt.","norm":"„Die allein seligmachende Kirche, die an dem Prinzen von * * * eine so glänzende Eroberung gemacht hat, wird es ihm auch nicht an Mitteln fehlen lassen, die Lebensart fortzusetzen, der sie diese Eroberung verdankt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2138,"orig":"Ich habe Thränen und Gebeth für einen Verirrten, aber keine Wohlthaten mehr für einen Unwürdigen!“","norm":"Ich habe Tränen und Gebet für einen Verirrten, aber keine Wohltaten mehr für einen Unwürdigen!“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2139,"orig":"Henriette * * *.","norm":"Henriette * * *."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2140,"orig":"Ich nahm ſogleich Poſt, reiſ'te Tag und Nacht, und in der dritten Woche war ich in Venedig.","norm":"Ich nahm sogleich Post, reiste Tag und Nacht, und in der dritten Woche war ich in Venedig."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2141,"orig":"Meine Eilfertigkeit nützte mir nichts mehr.","norm":"Meine Eilfertigkeit nützte mir nichts mehr."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2142,"orig":"Ich war gekommen, einem Unglücklichen Troſt und Hülfe zu bringen; ich fand einen Glücklichen, der meines ſchwachen Beyſtandes nicht mehr benöthigt war.","norm":"Ich war gekommen, einem unglücklichen Trost und Hilfe zu bringen; ich fand einen Glücklichen, der meines schwachen Beistandes nicht mehr benötigt war."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2143,"orig":"F * * * lag krank, und war nicht zu ſprechen, als ich anlangte; folgendes Billet überbrachte man mir von ſeiner Hand.","norm":"F * * * lag krank, und war nicht zu sprechen, als ich anlangte; folgendes Billett überbrachte man mir von seiner Hand."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2144,"orig":"„Reiſen Sie zurück, liebſter O * * *, wo ſie hergekommen ſind.","norm":"„Reisen Sie zurück, liebster O * * *, wo sie hergekommen sind."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2145,"orig":"Der Prinz bedarf ihrer nicht mehr, auch nicht meiner.","norm":"Der Prinz bedarf Ihrer nicht mehr, auch nicht meiner."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2146,"orig":"Seine Schulden ſind bezahlt, der Kardinal verſöhnt, der Marcheſe wieder hergeſtellt.","norm":"Seine Schulden sind bezahlt, der Kardinal versöhnt, der Marchese wieder hergestellt."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2147,"orig":"Erinnern Sie Sich des Armeniers, der uns voriges Jahr ſo zu verwirren wußte?","norm":"Erinnern Sie sich des Armeniers, der uns voriges Jahr so zu verwirren wusste?"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2148,"orig":"In ſeinen Armen finden","norm":"In seinen Armen finden"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2149,"orig":"Sie den Prinzen, der ſeit fünf Tagen — — die erſte Meſſe hörte.","norm":"Sie den Prinzen, der seit fünf Tagen — — die erste Messe hörte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2150,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2151,"orig":"Ich drängte mich nichts deſto weniger zum Prinzen, ward aber abgewieſen.","norm":"Ich drängte mich nichtsdestoweniger zum Prinzen, wurde aber abgewiesen."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2152,"orig":"An dem Bette meines Freundes erfuhr ich endlich die unerhörte Geſchichte.","norm":"An dem Bette meines Freundes erfuhr ich endlich die unerhörte Geschichte."} {"basename":"schiller_geisterseher_1789","par_idx":2153,"orig":"Ende des erſten Bandes.","norm":"Ende des ersten Bandes."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":0,"orig":"Es giebt Augenblicke in unſerm Leben, wo wir der Natur in Pflanzen, Mineralen, Thieren, Landſchaften, ſo wie der menſchlichen Natur in Kindern, in den Sitten des Landvolks und der Urwelt, nicht weil ſie unſern Sinnen wohlthut, auch nicht weil ſie unſern Verſtand oder Geſchmack befriedigt (von beyden kann oft das gerade Gegentheil ſtatt finden) ſondern bloß weil ſie Natur iſt, eine Art von Liebe und von ruͤhrender Achtung widmen.","norm":"Es gibt Augenblicke in unserem Leben, wo wir der Natur in Pflanzen, Mineralen, Tieren, Landschaften, sowie der menschlichen Natur in Kindern, in den Sitten des Landvolks und der Urwelt, nicht weil sie unseren Sinnen wohltut, auch nicht weil sie unseren Verstand oder Geschmack befriedigt (von beiden kann oft das gerade Gegenteil stattfinden) sondern bloß weil sie Natur ist, eine Art von Liebe und von rührender Achtung widmen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":1,"orig":"Jeder feinere Menſch, dem es nicht ganz und gar an Empfindung fehlt, erfaͤhrt dieſes, wenn er im Freyen wandelt, wenn er auf dem Lande lebt, oder ſich bey den Denkmaͤlern der alten Zeiten verweilet, kurz, wenn er in kuͤnſtlichen Verhaͤltniſſen und Situationen mit dem Anblick der einfaͤltigen Natur uͤberraſcht wird.","norm":"Jeder feinere Mensch, dem es nicht ganz und gar an Empfindung fehlt, erfährt dieses, wenn er im Freien wandelt, wenn er auf dem Lande lebt, oder sich bei den Denkmälern der alten Zeiten verweilt, kurz, wenn er in künstlichen Verhältnissen und Situationen mit dem Anblick der einfältigen Natur überrascht wird."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":2,"orig":"Dieſes, nicht ſelten zum Beduͤrfniß erhoͤhte Intereſſe iſt es, was vielen unſrer Liebhabereyen fuͤr Blumen und Thiere, fuͤr einfache Gaͤrten, fuͤr Spaziergaͤnge, fuͤr das Land und ſeine Bewohner, fuͤr manche Produkte des fernen Alterthums, u. dgl. zum Grund liegt; vorausgeſetzt, daß weder Affektation, noch ſonſt ein zufaͤlliges Intereſſe dabey im Spiele ſey.","norm":"Dieses, nicht selten zum Bedürfnis erhöhte Interesse ist es, was vielen unserer Liebhabereien für Blumen und Tiere, für einfache Gärten, für Spaziergänge, für das Land und seine Bewohner, für manche Produkte des fernen Altertums, u. dgl. zum Grund liegt; vorausgesetzt, dass weder Affektation, noch sonst ein zufälliges Interesse dabei im Spiele sei."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":3,"orig":"Dieſe Art des Intereſſe an der Natur findet aber nur unter zwey Bedingungen ſtatt.","norm":"Diese Art des Interesses an der Natur findet aber nur unter zwei Bedingungen statt."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":4,"orig":"Fuͤrs erſte iſt es durchaus noͤthig, daß der Gegenſtand, der uns daſſelbe einfloͤßt, Natur ſey oder doch von uns dafuͤr gehalten werde; zweytens daß er (in weiteſter Bedeutung des Worts) naiv ſey, d. h. daß die Natur mit der Kunſt im Kontraſte ſtehe und ſie beſchaͤme.","norm":"Fürs Erste ist es durchaus nötig, dass der Gegenstand, der uns dasselbe einflößt, Natur sei oder doch von uns dafür gehalten werde; zweitens dass er (in weitester Bedeutung des Worts) naiv sei, d. h. dass die Natur mit der Kunst im Kontraste stehe und sie beschäme."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":5,"orig":"Sobald das letzte zu dem erſten hinzukommt, und nicht eher, wird die Natur zum Naiven.","norm":"Sobald das letzte zu dem ersten hinzukommt, und nicht eher, wird die Natur zum Naiven."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":6,"orig":"Natur in dieſer Betrachtungsart iſt uns nichts anders, als das freiwillige Daſeyn, das Beſtehen der Dinge durch ſich ſelbſt, die Exiſtenz nach eignen und unabaͤnderlichen Geſetzen.","norm":"Natur in dieser Betrachtungsart ist uns nichts anders, als das freiwillige Dasein, das Bestehen der Dinge durch sich selbst, die Existenz nach eigenen und unabänderlichen Gesetzen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":7,"orig":"Dieſe Vorſtellung iſt ſchlechterdings noͤthig, wenn wir an dergleichen Erſcheinungen Intereſſe nehmen ſollen.","norm":"Diese Vorstellung ist schlechterdings nötig, wenn wir an dergleichen Erscheinungen Interesse nehmen sollen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":8,"orig":"Koͤnnte man einer gemachten Blume den Schein der Natur, mit der vollkommenſten Taͤuſchung geben, koͤnnte man die Nachahmung des Naiven in den Sitten bis zur hoͤchſten Illuſion treiben, ſo wuͤrde die Entdeckung daß es Nachahmung ſey, das Gefuͤhl, von dem die Rede iſt, gaͤnzlich vernichten.","norm":"Könnte man einer gemachten Blume den Schein der Natur, mit der vollkommensten Täuschung geben, könnte man die Nachahmung des Naiven in den Sitten bis zur höchsten Illusion treiben, so würde die Entdeckung dass es Nachahmung sei, das Gefühl, von dem die Rede ist, gänzlich vernichten."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":9,"orig":"Daraus erhellet, daß dieſe Art des Wohlgefallens an der Natur kein aͤſthetiſches, ſondern ein moraliſches iſt; denn es wird durch eine Idee vermittelt, nicht unmittelbar durch Betrachtung erzeugt; auch richtet es ſich ganz und gar nicht nach der Schoͤnheit der Formen.","norm":"Daraus erhellet, dass diese Art des Wohlgefallens an der Natur kein ästhetisches, sondern ein moralisches ist; denn es wird durch eine Idee vermittelt, nicht unmittelbar durch Betrachtung erzeugt; auch richtet es sich ganz und gar nicht nach der Schönheit der Formen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":10,"orig":"Was haͤtte auch eine unſcheinbare Blume, eine Quelle, ein bemooßter Stein, das Gezwitſcher der Voͤgel, das Summen der Bienen ⁊ c. fuͤr ſich ſelbſt ſo gefaͤlliges fuͤr uns?","norm":"Was hätte auch eine unscheinbare Blume, eine Quelle, ein bemooster Stein, das Gezwitscher der Vögel, das Summen der Bienen et c. für sich selbst so Gefälliges für uns?"} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":11,"orig":"Was koͤnnte ihm gar einen Anſpruch auf unſere Liebe geben?","norm":"Was könnte ihm gar einen Anspruch auf unsere Liebe geben?"} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":12,"orig":"Es ſind nicht dieſe Gegenſtaͤnde, es iſt eine durch ſie dargeſtellte Idee, was wir in ihnen lieben.","norm":"Es sind nicht diese Gegenstände, es ist eine durch sie dargestellte Idee, was wir in ihnen lieben."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":13,"orig":"Wir lieben in ihnen das ſtille ſchaffende Leben, das ruhige Wirken aus ſich ſelbſt, das Daſeyn nach eignen Geſetzen, die innere Nothwendigkeit, die ewige Einheit mit ſich ſelbſt.","norm":"Wir lieben in ihnen das stille schaffende Leben, das ruhige Wirken aus sich selbst, das Dasein nach eigenen Gesetzen, die innere Notwendigkeit, die ewige Einheit mit sich selbst."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":14,"orig":"Sie ſind, was wir waren; ſie ſind, was wir wieder werden ſollen.","norm":"Sie sind, was wir waren; sie sind, was wir wieder werden sollen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":15,"orig":"Wir waren Natur, wie ſie, und unſere Kultur ſoll uns, auf dem Wege der Vernunft und der Freyheit, zur Natur zuruͤckfuͤhren.","norm":"Wir waren Natur, wie sie, und unsere Kultur soll uns, auf dem Wege der Vernunft und der Freiheit, zur Natur zurückführen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":16,"orig":"Sie ſind alſo zugleich Darſtellung unſerer verlorenen Kindheit, die uns ewig das theuerſte bleibt; daher ſie uns mit einer gewiſſen Wehmuth erfuͤllen.","norm":"Sie sind also zugleich Darstellung unserer verlorenen Kindheit, die uns ewig das Teuerste bleibt; daher sie uns mit einer gewissen Wehmut erfüllen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":17,"orig":"Zugleich ſind ſie Darſtellungen unſerer hoͤchſten Vollendung im Ideale, daher ſie uns in eine erhabene Ruͤhrung verſetzen.","norm":"Zugleich sind sie Darstellungen unserer höchsten Vollendung im Ideale, daher sie uns in eine erhabene Rührung versetzen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":18,"orig":"Aber ihre Vollkommenheit iſt nicht ihr Verdienſt, weil ſie nicht das Werk ihrer Wahl iſt.","norm":"Aber ihre Vollkommenheit ist nicht ihr Verdienst, weil sie nicht das Werk ihrer Wahl ist."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":19,"orig":"Sie gewaͤhren uns alſo die ganz eigene Luſt, daß ſie, ohne uns zu beſchaͤmen, unſre Muſter ſind.","norm":"Sie gewähren uns also die ganz eigene Lust, dass sie, ohne uns zu beschämen, unsere Muster sind."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":20,"orig":"Eine beſtaͤndige Goͤttererſcheinung umgeben ſie uns, aber mehr erquickend als blendend.","norm":"Eine beständige Göttererscheinung umgeben sie uns, aber mehr erquickend als blendend."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":21,"orig":"Was ihren Character ausmacht, iſt gerade das, was dem unſrigen zu ſeiner Vollendung mangelt; was uns von ihnen unterſcheidet, iſt gerade das, was ihnen ſelbſt zur Goͤttlichkeit fehlt.","norm":"Was ihren Charakter ausmacht, ist gerade das, was dem unsrigen zu seiner Vollendung mangelt; was uns von ihnen unterscheidet, ist gerade das, was ihnen selbst zur Göttlichkeit fehlt."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":22,"orig":"Wir ſind frey und ſie ſind nothwendig; wir wechſeln, ſie bleiben eins.","norm":"Wir sind frei und sie sind notwendig; wir wechseln, sie bleiben eins."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":23,"orig":"Aber nur, wenn beydes ſich mit einander verbindet — wenn der Wille das Geſetz der Nothwendigkeit frey befolgt und bey allem Wechſel der Phantaſie die Vernunft ihre Regel behauptet, geht das Goͤttliche oder das Ideal hervor.","norm":"Aber nur, wenn beides sich miteinander verbindet — wenn der Wille das Gesetz der Notwendigkeit frei befolgt und bei allem Wechsel der Phantasie die Vernunft ihre Regel behauptet, geht das Göttliche oder das Ideal hervor."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":24,"orig":"Wir erblicken in ihnen alſo ewig das, was uns abgeht, aber wornach wir aufgefodert ſind zu ringen, und dem wir uns, wenn wir es gleich niemals erreichen, doch in einem unendlichen Fortſchritte zu naͤhern hoffen duͤrfen.","norm":"Wir erblicken in ihnen also ewig das, was uns abgeht, aber wonach wir aufgefordert sind zu ringen, und dem wir uns, wenn wir es gleich niemals erreichen, doch in einem unendlichen Fortschritte zu nähern hoffen dürfen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":25,"orig":"Wir erblicken in uns einen Vorzug, der ihnen fehlt, aber deſſen ſie entweder uͤberhaupt niemals, wie das vernunftloſe, oder nicht anders als indem ſie unſern Weg gehen, wie die Kindheit, theilhaftig werden koͤnnen.","norm":"Wir erblicken in uns einen Vorzug, der ihnen fehlt, aber dessen sie entweder überhaupt niemals, wie das Vernunftlose, oder nicht anders als indem sie unseren Weg gehen, wie die Kindheit, teilhaftig werden können."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":26,"orig":"Sie verſchaffen uns daher den ſuͤſſeſten Genuß unſerer Menſchheit als Idee, ob ſie uns gleich in Ruͤckſicht auf jeden beſtimmten Zuſtand unſerer Menſchheit nothwendig demuͤthigen muͤſſen.","norm":"Sie verschaffen uns daher den süßesten Genuss unserer Menschheit als Idee, ob sie uns gleich in Rücksicht auf jeden bestimmten Zustand unserer Menschheit notwendig demütigen müssen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":27,"orig":"Da ſich dieſes Intereſſe fuͤr Natur auf eine Idee gruͤndet, ſo kann es ſich nur in Gemuͤthern zeigen, welche fuͤr Ideen empfaͤnglich ſind, d. h. in moraliſchen.","norm":"Da sich dieses Interesse für Natur auf eine Idee gründet, so kann es sich nur in Gemütern zeigen, welche für Ideen empfänglich sind, d. h. in moralischen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":28,"orig":"Bey weitem die mehreſten Menſchen affektiren es bloß, und die Allgemeinheit dieſes ſentimentaliſchen Geſchmacks zu unſern Zeiten, welcher ſich beſonders ſeit der Erſcheinung gewiſſer Schriften, in empfindſamen Reiſen, dergleichen Gaͤrten, Spaziergaͤngen, und andere Liebhabereyen dieſer Art aͤuſſert, iſt noch ganz und gar kein Beweis fuͤr die Allgemeinheit dieſer Empfindungsweiſe.","norm":"Bei weitem die meisten Menschen affektieren es bloß, und die Allgemeinheit dieses sentimentalischen Geschmacks zu unseren Zeiten, welcher sich besonders seit der Erscheinung gewisser Schriften, in empfindsamen Reisen, dergleichen Gärten, Spaziergängen, und andere Liebhabereien dieser Art äußert, ist noch ganz und gar kein Beweis für die Allgemeinheit dieser Empfindungsweise."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":29,"orig":"Doch wird die Natur auch auf den gefuͤhlloſeſten immer etwas von dieſer Wirkung aͤuſſern, weil ſchon die, allen Menſchen gemeine, Anlage zum Sittlichen dazu hinreichend iſt, und wir alle ohne Unterſchied, bey noch ſo großer Entfernung unſerer Thaten von der Einfalt und Wahrheit der Natur, in der Idee dazu hingetrieben werden.","norm":"Doch wird die Natur auch auf den Gefühllosesten immer etwas von dieser Wirkung äußeren, weil schon die, allen Menschen gemeine, Anlage zum Sittlichen dazu hinreichend ist, und wir alle ohne Unterschied, bei noch so großer Entfernung unserer Taten von der Einfalt und Wahrheit der Natur, in der Idee dazu hingetrieben werden."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":30,"orig":"Beſonders ſtark und am allgemeinſten aͤuſſert ſich dieſe Empfindſamkeit fuͤr Natur bey Veranlaſſung ſolcher Gegenſtaͤnde, welche in einer engern Verbindung mit uns ſtehen, und uns den Ruͤckblick auf uns ſelbſt und die Unnatur in uns naͤher legen, wie z. B. bey Kindern.","norm":"Besonders stark und am allgemeinsten äußert sich diese Empfindsamkeit für Natur bei Veranlassung solcher Gegenstände, welche in einer engeren Verbindung mit uns stehen, und uns den Rückblick auf uns selbst und die Unnatur in uns näher legen, wie z. B. bei Kindern."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":31,"orig":"Man irrt, wenn man glaubt, daß es bloß die Vorſtellung der Huͤlfloſigkeit ſey, welche macht, daß wir in gewiſſen Augenblicken mit ſoviel Ruͤhrung bey Kindern verweilen.","norm":"Man irrt, wenn man glaubt, dass es bloß die Vorstellung der Hilflosigkeit sei, welche macht, dass wir in gewissen Augenblicken mit soviel Rührung bei Kindern verweilen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":32,"orig":"Das mag bey denjenigen vielleicht der Fall ſeyn, welche der Schwaͤche gegenuͤber nie etwas anders als ihre eigene Ueberlegenheit zu empfinden pflegen.","norm":"Das mag bei denjenigen vielleicht der Fall sein, welche der Schwäche gegenüber nie etwas anders als ihre eigene Überlegenheit zu empfinden pflegen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":33,"orig":"Aber das Gefuͤhl, von dem ich rede, (es findet nur in ganz eigenen moraliſchen Stimmungen ſtatt, und iſt nicht mit demjenigen zu verwechſeln, welches die froͤhliche Thaͤtigkeit der Kinder in uns erreget) iſt eher demuͤthigend als beguͤnſtigend fuͤr die Eigenliebe; und wenn ja ein Vorzug dabey in Betrachtung kommt, ſo iſt dieſer wenigſtens nicht auf unſerer Seite.","norm":"Aber das Gefühl, von dem ich rede, (es findet nur in ganz eigenen moralischen Stimmungen statt, und ist nicht mit demjenigen zu verwechseln, welches die fröhliche Tätigkeit der Kinder in uns erregt) ist eher demütigend als begünstigend für die Eigenliebe; und wenn ja ein Vorzug dabei in Betrachtung kommt, so ist dieser wenigstens nicht auf unserer Seite."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":34,"orig":"Nicht weil wir von der Hoͤhe unſerer Kraft und Vollkommenheit auf das Kind herabſehen, ſondern weil wir aus der Beſchraͤnktheit unſers Zuſtands, welche von der Beſtimmung, die wir einmal erlangt haben, unzertrennlich iſt, zu der graͤnzenloſen Beſtimmbarkeit in dem Kinde und zu ſeiner reinen Unſchuld hinauf ſehen, gerathen wir in Ruͤhrung, und unſer Gefuͤhl in einem ſolchen Augenblick iſt zu ſichtbar mit einer gewißen Wehmuth gemiſcht, als daß ſich dieſe Quelle deſſelben verkennen lieſſe.","norm":"Nicht weil wir von der Höhe unserer Kraft und Vollkommenheit auf das Kind herabsehen, sondern weil wir aus der Beschränktheit unseres Zustands, welche von der Bestimmung, die wir einmal erlangt haben, unzertrennlich ist, zu der grenzenlosen Bestimmbarkeit in dem Kinde und zu seiner reinen Unschuld hinaufsehen, geraten wir in Rührung, und unser Gefühl in einem solchen Augenblick ist zu sichtbar mit einer gewissen Wehmut gemischt, als dass sich diese Quelle desselben verkennen ließe."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":35,"orig":"In dem Kinde iſt die Anlage und Beſtimmung, in uns iſt die Erfuͤllung dargeſtellt, welche immer unendlich weit hinter jener zuruͤckbleibt.","norm":"In dem Kinde ist die Anlage und Bestimmung, in uns ist die Erfüllung dargestellt, welche immer unendlich weit hinter jener zurückbleibt."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":36,"orig":"Das Kind iſt uns daher eine Vergegenwaͤrtigung des Ideals, nicht zwar des erfuͤllten, aber des aufgegebenen, und es iſt alſo keinesweges die Vorſtellung ſeiner Beduͤrftigkeit und Schranken, es iſt ganz im Gegentheil die Vorſtellung ſeiner reinen und freyen Kraft, ſeiner Integritaͤt, ſeiner Unendlichkeit, was uns ruͤhrt.","norm":"Das Kind ist uns daher eine Vergegenwärtigung des Ideals, nicht zwar des erfüllten, aber des aufgegebenen, und es ist also keineswegs die Vorstellung seiner Bedürftigkeit und Schranken, es ist ganz im Gegenteil die Vorstellung seiner reinen und freien Kraft, seiner Integrität, seiner Unendlichkeit, was uns rührt."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":37,"orig":"Dem Menſchen von Sittlichkeit und Empfindung wird ein Kind deswegen ein heiliger Gegenſtand ſeyn, ein Gegenſtand nehmlich, der durch die Groͤße einer Idee jede Groͤße der Erfahrung vernichtet; und der, was er auch in der Beurtheilung des Verſtandes verlieren mag; in der Beurtheilung der Vernunft wieder in reichem Maaße gewinnt.","norm":"Dem Menschen von Sittlichkeit und Empfindung wird ein Kind deswegen ein heiliger Gegenstand sein, ein Gegenstand nämlich, der durch die Größe einer Idee jede Größe der Erfahrung vernichtet; und der, was er auch in der Beurteilung des Verstandes verlieren mag; in der Beurteilung der Vernunft wieder in reichem Maße gewinnt."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":38,"orig":"Eben aus dieſem Widerſpruch zwiſchen dem Urtheile der Vernunft und des Verſtandes geht die ganze eigene Erſcheinung des gemiſchten Gefuͤhls hervor, welches das Naive der Denkart in uns erreget.","norm":"Eben aus diesem Widerspruch zwischen dem Urteile der Vernunft und des Verstandes geht die ganze eigene Erscheinung des gemischten Gefühls hervor, welches das Naive der Denkart in uns erreget."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":39,"orig":"Es verbindet die kindliche Einfalt mit der kindiſchen; durch die letztere giebt es dem Verſtand eine Bloͤße und bewirkt jenes Laͤcheln, wodurch wir unſre (theoretiſche) Ueberlegenheit zu erkennen geben.","norm":"Es verbindet die kindliche Einfalt mit der kindischen; durch die letztere gibt es dem Verstand eine Blöße und bewirkt jenes Lächeln, wodurch wir unsere (theoretische) Überlegenheit zu erkennen geben."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":40,"orig":"Sobald wir aber Urſache haben zu glauben, daß die kindiſche Einfalt zugleich eine kindliche ſey, daß folglich nicht Unverſtand, nicht theoretiſches Unvermoͤgen, ſondern eine hoͤhere praktiſche Staͤrke, ein Herz voll Unſchuld und Wahrheit, die Quelle davon ſey, welches die Huͤlfe der Kunſt aus innrer Groͤße verſchmaͤhte, ſo iſt jener Triumph des Verſtandes vorbey, und der Spott uͤber die Einfaͤltigkeit geht in Bewunderung der hohen Einfachheit uͤber.","norm":"Sobald wir aber Ursache haben zu glauben, dass die kindische Einfalt zugleich eine kindliche sei, dass folglich nicht Unverstand, nicht theoretisches Unvermögen, sondern eine höhere praktische Stärke, ein Herz voll Unschuld und Wahrheit, die Quelle davon sei, welches die Hilfe der Kunst aus innerer Größe verschmähte, so ist jener Triumph des Verstandes vorbei, und der Spott über die Einfältigkeit geht in Bewunderung der hohen Einfachheit über."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":41,"orig":"Wir fuͤhlen uns genoͤthigt, den Gegenſtand zu achten, uͤber den wir vorher gelaͤchelt haben, und, indem wir zugleich einen Blick in uns ſelbſt werfen, uns zu beklagen, daß wir demſelben nicht aͤhnlich ſind.","norm":"Wir fühlen uns genötigt, den Gegenstand zu achten, über den wir vorher gelächelt haben, und, indem wir zugleich einen Blick in uns selbst werfen, uns zu beklagen, dass wir demselben nicht ähnlich sind."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":42,"orig":"So entſteht die ganz eigene Erſcheinung eines Gefuͤhls, in welchem froͤhlicher Spott, Ehrfurcht und Wehmuth zuſammenflieſſen.","norm":"So entsteht die ganz eigene Erscheinung eines Gefühls, in welchem fröhlicher Spott, Ehrfurcht und Wehmut zusammenfließen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":43,"orig":"Zum Naiven wird erfodert daß die Natur uͤber die Kunſt den Sieg davon trage es geſchehe dieß nun wider Wiſſen und Willen der Perſon, oder mit voͤlligem Bewußtſeyn derſelben.","norm":"Zum Naiven wird erfordert dass die Natur über die Kunst den Sieg davontrage es geschehe dies nun wider Wissen und Willen der Person, oder mit völligem Bewusstsein derselben."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":44,"orig":"In dem erſten Fall iſt es das Naive der Ueberraſchung und beluſtigt; in dem andern iſt es das Naive der Geſinnung und ruͤhrt.","norm":"In dem ersten Fall ist es das Naive der Überraschung und belustigt; in dem anderen ist es das Naive der Gesinnung und rührt."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":45,"orig":"Bey dem Naiven der Ueberraſchung muß die Perſon moraliſch faͤhig ſeyn, die Natur zu verlaͤugnen; bey dem Naiven der Geſinnung darf ſie es nicht ſeyn, doch duͤrfen wir ſie uns nicht als phyſiſch unfaͤhig dazu denken, wenn es als naiv auf uns wirken ſoll.","norm":"Bei dem Naiven der Überraschung muss die Person moralisch fähig sein, die Natur zu verleugnen; bei dem Naiven der Gesinnung darf sie es nicht sein, doch dürfen wir sie uns nicht als physisch unfähig dazu denken, wenn es als naiv auf uns wirken soll."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":46,"orig":"Die Handlungen und Reden der Kinder geben uns daher auch nur ſolange den reinen Eindruk des Naiven, als wir uns ihres Unvermoͤgens zur Kunſt nicht erinnern, und uͤberhaupt nur auf den Kontraſt ihrer Natuͤrlichkeit mit der Kuͤnſtlichkeit in uns Ruͤkſicht nehmen.","norm":"Die Handlungen und Reden der Kinder geben uns daher auch nur solange den reinen Eindruck des Naiven, als wir uns ihres Unvermögens zur Kunst nicht erinnern, und überhaupt nur auf den Kontrast ihrer Natürlichkeit mit der Künstlichkeit in uns Rücksicht nehmen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":47,"orig":"Das Naive iſt eine Kindlichkeit, wo ſie nicht mehr erwartet wird, und kann eben deßwegen der wirklichen Kindheit in ſtrengſter Bedeutung nicht zugeſchrieben werden.","norm":"Das Naive ist eine Kindlichkeit, wo sie nicht mehr erwartet wird, und kann eben deswegen der wirklichen Kindheit in strengster Bedeutung nicht zugeschrieben werden."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":48,"orig":"In beyden Faͤllen aber, beym Naiven der Ueberraſchung wie bey dem der Geſinnung muß die Natur Recht, die Kunſt aber Unrecht haben.","norm":"In beiden Fällen aber, beim Naiven der Überraschung wie bei dem der Gesinnung muss die Natur Recht, die Kunst aber Unrecht haben."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":49,"orig":"Erſt durch dieſe letztere Beſtimmung wird der Begriff des Naiven vollendet.","norm":"Erst durch diese letztere Bestimmung wird der Begriff des Naiven vollendet."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":50,"orig":"Der Affekt iſt auch Natur und die Regel der Anſtaͤndigkeit iſt etwas Kuͤnſtliches, dennoch iſt der Sieg des Affekts uͤber die Anſtaͤndigkeit nichts weniger als naiv.","norm":"Der Affekt ist auch Natur und die Regel der Anständigkeit ist etwas Künstliches, dennoch ist der Sieg des Affekts über die Anständigkeit nichts weniger als naiv."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":51,"orig":"Siegt hingegen derſelbe Affekt uͤber die Kuͤnſteley, uͤber die falſche Anſtaͤndigkeit, uͤber die Verſtellung, ſo tragen wir kein Bedenken, es naiv zu nennen.","norm":"Siegt hingegen derselbe Affekt über die Künstelei, über die falsche Anständigkeit, über die Verstellung, so tragen wir kein Bedenken, es naiv zu nennen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":52,"orig":"Es wird alſo erfodert, daß die Natur nicht durch ihre blinde Gewalt als dynamiſche, fondern daß ſie durch ihre Form als moraliſche Groͤße, kurz daß ſie nicht als Nothdurft, ſondern als innre Nothwendigkeit uͤber die Kunſt triumphiere.","norm":"Es wird also erfordert, dass die Natur nicht durch ihre blinde Gewalt als dynamische, sondern dass sie durch ihre Form als moralische Größe, kurz dass sie nicht als Notdurft, sondern als innere Notwendigkeit über die Kunst triumphiere."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":53,"orig":"Nicht die Unzulaͤnglichkeit ſondern die Unſtatthaftigkeit der letztern muß der erſtern den Sieg verſchaft haben; denn jene iſt Mangel, und nichts, was aus Mangel entſpringt, kann Achtung erzeugen.","norm":"Nicht die Unzulänglichkeit sondern die Unstatthaftigkeit der letzteren muss der ersteren den Sieg verschafft haben; denn jene ist Mangel, und nichts, was aus Mangel entspringt, kann Achtung erzeugen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":54,"orig":"Zwar iſt es bey dem Naiven der Ueberraſchung immer die Uebermacht des Affekts und ein Mangel an Beſinnung, was die Natur bekennen macht; aber dieſer Mangel und jene Uebermacht machen das Naive noch gar nicht aus, ſondern geben bloß Gelegenheit, daß die Natur ihrer moraliſchen Beſchaffenheit, d. h. dem Geſetze der Uebereinſtimmung ungehindert folgt.","norm":"Zwar ist es bei dem Naiven der Überraschung immer die Übermacht des Affekts und ein Mangel an Besinnung, was die Natur bekennen macht; aber dieser Mangel und jene Übermacht machen das Naive noch gar nicht aus, sondern geben bloß Gelegenheit, dass die Natur ihrer moralischen Beschaffenheit, d. h. dem Gesetze der Übereinstimmung ungehindert folgt."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":55,"orig":"Das Naive der Ueberraſchung kann nur dem Menſchen und zwar dem Menſchen nur, inſofern er in dieſem Augenblicke nicht mehr reine und unſchuldige Natur iſt, zukommen.","norm":"Das Naive der Überraschung kann nur dem Menschen und zwar dem Menschen nur, insofern er in diesem Augenblicke nicht mehr reine und unschuldige Natur ist, zukommen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":56,"orig":"Es ſetzt einen Willen voraus, der mit dem was die Natur auf ihre eigene Hand thut, nicht uͤbereinſtimmt.","norm":"Es setzt einen Willen voraus, der mit dem was die Natur auf ihre eigene Hand tut, nicht übereinstimmt."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":57,"orig":"Eine ſolche Perſon wird, wenn man ſie zur Beſinnung bringt, uͤber ſich ſelbſt erſchrecken; die naiv geſinnte hingegen wird ſich uͤber die Menſchen und uͤber ihr Erſtaunen verwundern.","norm":"Eine solche Person wird, wenn man sie zur Besinnung bringt, über sich selbst erschrecken; die naiv gesinnte hingegen wird sich über die Menschen und über ihr Erstaunen verwundern."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":58,"orig":"Da alſo hier nicht der perſoͤnliche und moraliſche Charakter, ſondern bloß der, durch den Affekt freygelaſſene natuͤrliche Charakter die Wahrheit bekennt, ſo machen wir dem Menſchen aus dieſer Aufrichtigkeit kein Verdienſt und unſer Lachen iſt verdienter Spott, der durch keine perſoͤnliche Hochſchaͤtzung deſſelben zuruͤckgehalten wird.","norm":"Da also hier nicht der persönliche und moralische Charakter, sondern bloß der, durch den Affekt freigelassene natürliche Charakter die Wahrheit bekennt, so machen wir dem Menschen aus dieser Aufrichtigkeit kein Verdienst und unser Lachen ist verdienter Spott, der durch keine persönliche Hochschätzung desselben zurückgehalten wird."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":59,"orig":"Weil es aber doch auch hier die Aufrichtigkeit der Natur iſt, die durch den Schleier der Falſchheit hindurch bricht, ſo verbindet ſich eine Zufriedenheit hoͤherer Art, mit der Schadenfreude, einen Menſchen ertappt zu haben; denn die Natur im Gegenſatz gegen die Kuͤnſteley und die Wahrheit im Gegenſatz gegen den Betrug muß jederzeit Achtung erregen.","norm":"Weil es aber doch auch hier die Aufrichtigkeit der Natur ist, die durch den Schleier der Falschheit hindurchbricht, so verbindet sich eine Zufriedenheit höherer Art, mit der Schadenfreude, einen Menschen ertappt zu haben; denn die Natur im Gegensatz gegen die Künstelei und die Wahrheit im Gegensatz gegen den Betrug muss jederzeit Achtung erregen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":60,"orig":"Wir empfinden alſo auch uͤber das Naive der Ueberraſchung ein wirklich moraliſches Vergnuͤgen, obgleich nicht uͤber einen moraliſchen Gegenſtand.","norm":"Wir empfinden also auch über das Naive der Überraschung ein wirklich moralisches Vergnügen, obgleich nicht über einen moralischen Gegenstand."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":61,"orig":"Bey dem Naiven der Ueberraſchung achten wir zwar immer die Natur, weil wir die Wahrheit achten muͤſſen; bey dem Naiven der Geſinnung achten wir hingegen die Perſon, und genieſſen alſo nicht bloß ein moraliſches Vergnuͤgen ſondern auch uͤber einen moraliſchen Gegenſtand.","norm":"Bei dem Naiven der Überraschung achten wir zwar immer die Natur, weil wir die Wahrheit achten müssen; bei dem Naiven der Gesinnung achten wir hingegen die Person, und genießen also nicht bloß ein moralisches Vergnügen sondern auch über einen moralischen Gegenstand."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":62,"orig":"In dem einen wie in dem andern Falle hat die Natur Recht, daß ſie die Wahrheit ſagt; aber in dem letztern Fall hat die Natur nicht bloß Recht, ſondern die Perſon hat auch Ehre.","norm":"In dem einen wie in dem anderen Falle hat die Natur Recht, dass sie die Wahrheit sagt; aber in dem letzteren Fall hat die Natur nicht bloß Recht, sondern die Person hat auch Ehre."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":63,"orig":"In dem erſten Falle gereicht die Aufrichtigkeit der Natur der Perſon immer zur Schande, weil ſie unfreywillig iſt; in dem zweyten gereicht ſie ihr immer zum Verdienſt, geſetzt auch, daß dasjenige, was ſie ausſagt, ihr Schande braͤchte.","norm":"In dem ersten Falle gereicht die Aufrichtigkeit der Natur der Person immer zur Schande, weil sie unfreiwillig ist; in dem zweiten gereicht sie ihr immer zum Verdienst, gesetzt auch, dass dasjenige, was sie aussagt, ihr Schande brächte."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":64,"orig":"Wir ſchreiben einem Menſchen eine naive Geſinnung zu, wenn er in ſeinen Urtheilen von den Dingen ihre gekuͤnſtelten und geſuchten Verhaͤltniße uͤberſieht und ſich bloß an die einfache Natur haͤlt.","norm":"Wir schreiben einem Menschen eine naive Gesinnung zu, wenn er in seinen Urteilen von den Dingen ihre gekünstelten und gesuchten Verhältnisse übersieht und sich bloß an die einfache Natur hält."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":65,"orig":"Alles was innerhalb der geſunden Natur davon geurtheilt werden kann, fodern wir von ihm, und erlaſſen ihm ſchlechterdings nur das, was eine Entfernung von der Natur, es ſey nun im Denken oder im Empfinden, wenigſtens Bekanntſchaft derſelben vorausſetzt.","norm":"Alles was innerhalb der gesunden Natur davon geurteilt werden kann, fordern wir von ihm, und erlassen ihm schlechterdings nur das, was eine Entfernung von der Natur, es sei nun im Denken oder im Empfinden, wenigstens Bekanntschaft derselben voraussetzt."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":66,"orig":"Wenn ein Vater ſeinem Kinde erzaͤhlt, daß dieſer oder jener Mann fuͤr Armuth verſchmachte, und das Kind hingeht, und dem armen Mann ſeines Vaters Geldboͤrſe zutraͤgt, ſo iſt dieſe Handlung naiv; denn die geſunde Natur handelte aus dem Kinde, und in einer Welt, wo die geſunde Natur herrſchte, wuͤrde es vollkommen recht gehabt haben, ſo zu verfahren.","norm":"Wenn ein Vater seinem Kinde erzählt, dass dieser oder jener Mann für Armut verschmachte, und das Kind hingeht, und dem armen Mann seines Vaters Geldbörse zuträgt, so ist diese Handlung naiv; denn die gesunde Natur handelte aus dem Kinde, und in einer Welt, wo die gesunde Natur herrschte, würde es vollkommen recht gehabt haben, so zu verfahren."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":67,"orig":"Es ſieht bloß auf das Beduͤrfniß, und auf das naͤchſte Mittel es zu befriedigen; eine ſolche Ausdehnung des Eigenthumsrechtes, wobey ein Theil der Menſchen zu Grunde gehen kann, iſt in der bloßen Natur nicht gegruͤndet.","norm":"Es sieht bloß auf das Bedürfnis, und auf das nächste Mittel es zu befriedigen; eine solche Ausdehnung des Eigentumsrechtes, wobei ein Teil der Menschen zugrunde gehen kann, ist in der bloßen Natur nicht gegründet."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":68,"orig":"Die Handlung des Kindes iſt alſo eine Beſchaͤmung der wirklichen Welt, und das geſteht auch unſer Herz durch das Wohlgefallen, welches es uͤber jene Handlung empfindet.","norm":"Die Handlung des Kindes ist also eine Beschämung der wirklichen Welt, und das gesteht auch unser Herz durch das Wohlgefallen, welches es über jene Handlung empfindet."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":69,"orig":"Wenn ein Menſch ohne Weltkenntniß, ſonſt aber von gutem Verſtande, einem andern, der ihn betruͤgt, ſich aber geſchickt zu verſtellen weiß, ſeine Geheimniſſe beichtet, und ihm durch ſeine Aufrichtigkeit ſelbſt die Mittel leyht ihm zu ſchaden, ſo finden wir das naiv.","norm":"Wenn ein Mensch ohne Weltkenntnis, sonst aber von gutem Verstande, einem anderen, der ihn betrügt, sich aber geschickt zu verstellen weiß, seine Geheimnisse beichtet, und ihm durch seine Aufrichtigkeit selbst die Mittel leiht ihm zu schaden, so finden wir das naiv."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":70,"orig":"Wir lachen ihn aus, aber koͤnnen uns doch nicht erwehren, ihn deßwegen hochzuſchaͤtzen.","norm":"Wir lachen ihn aus, aber können uns doch nicht erwehren, ihn deswegen hochzuschätzen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":71,"orig":"Denn ſein Vertrauen auf den andern quillt aus der Redlichkeit ſeiner eigenen Geſinnungen; wenigſtens iſt er nur in ſo fern naiv, als dieſes der Fall iſt.","norm":"Denn sein Vertrauen auf den anderen quillt aus der Redlichkeit seiner eigenen Gesinnungen; wenigstens ist er nur insofern naiv, als dieses der Fall ist."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":72,"orig":"Das Naive der Denkart kann daher niemals eine Eigenſchaft verdorbener Menſchen ſeyn, ſondern nur Kindern und kindlich geſinnten Menſchen zukommen.","norm":"Das Naive der Denkart kann daher niemals eine Eigenschaft verdorbener Menschen sein, sondern nur Kindern und kindlich gesinnten Menschen zukommen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":73,"orig":"Dieſe letztern handeln und denken oft mitten unter den gekuͤnſtelten Verhaͤltniſſen der großen Welt naiv; ſie vergeſſen aus eigener ſchoͤner Menſchlichkeit, daß ſie es mit einer verderbten Welt zu thun haben, und betragen ſich ſelbſt an den Hoͤfen der Koͤnige mit einer Ingenuitaͤt und Unſchuld, wie man ſie nur in einer Schaͤferwelt findet.","norm":"Diese letzteren handeln und denken oft mitten unter den gekünstelten Verhältnissen der großen Welt naiv; sie vergessen aus eigener schöner Menschlichkeit, dass sie es mit einer verderbten Welt zu tun haben, und betragen sich selbst an den Höfen der Könige mit einer Ingenuität und Unschuld, wie man sie nur in einer Schäferwelt findet."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":74,"orig":"Es iſt uͤbrigens gar nicht ſo leicht, die kindiſche Unſchuld von der kindlichen immer richtig zu unterſcheiden, indem es Handlungen giebt, welche auf der aͤuſerſten Grenze zwiſchen beyden ſchweben, und bey denen wir ſchlechterdings im Zweifel gelaſſen werden, ob wir die Einfaͤltigkeit belachen oder die edle Einfalt hochſchaͤtzen ſollen.","norm":"Es ist übrigens gar nicht so leicht, die kindische Unschuld von der kindlichen immer richtig zu unterscheiden, indem es Handlungen gibt, welche auf der äußersten Grenze zwischen beiden schweben, und bei denen wir schlechterdings im Zweifel gelassen werden, ob wir die Einfältigkeit belachen oder die edle Einfalt hochschätzen sollen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":75,"orig":"Ein ſehr merkwuͤrdiges Beyſpiel dieſer Art findet man in der Regierungsgeſchichte des Pabſtes Adrian des Sechſten, die uns Herr Schroͤckh mit der ihm eigenen Gruͤndlichkeit und pragmatiſchen Wahrheit beſchrieben hat.","norm":"Ein sehr merkwürdiges Beispiel dieser Art findet man in der Regierungsgeschichte des Papstes Adrian des Sechsten, die uns Herr Schröckh mit der ihm eigenen Gründlichkeit und pragmatischen Wahrheit beschrieben hat."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":76,"orig":"Dieſer Pabſt, ein Niederlaͤnder von Geburt, verwaltete das Pontifikat in einem der kritiſchten Augenblicke fuͤr die Hierarchie, wo eine erbitterte Parthey die Bloͤßen der roͤmiſchen Kirche ohne alle Schonung aufdeckte, und die Gegenparthey im hoͤchſten Grad intereſſiert war, ſie zuzudecken.","norm":"Dieser Papst, ein Niederländer von Geburt, verwaltete das Pontifikat in einem der kritischsten Augenblicke für die Hierarchie, wo eine erbitterte Partei die Blößen der römischen Kirche ohne alle Schonung aufdeckte, und die Gegenpartei im höchsten Grad interessiert war, sie zuzudecken."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":77,"orig":"Was der wahrhaft naive Charakter, wenn ja ein ſolcher ſich auf den Stuhl des heiligen Peters verirrte, in dieſem Falle zu thun hatte iſt keine Frage; wohl aber wie weit eine ſolche Naivitaͤt der Geſinnung mit der Rolle eines Pabſtes vertraͤglich ſeyn moͤchte.","norm":"Was der wahrhaft naive Charakter, wenn ja ein solcher sich auf den Stuhl des heiligen Peters verirrte, in diesem Falle zu tun hatte ist keine Frage; wohl aber wie weit eine solche Naivität der Gesinnung mit der Rolle eines Papstes verträglich sein möchte."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":78,"orig":"Dieß war es uͤbrigens, was die Vorgaͤnger und die Nachfolger Adrians in die geringſte Verlegenheit ſetzte.","norm":"Dies war es übrigens, was die Vorgänger und die Nachfolger Adrians in die geringste Verlegenheit setzte."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":79,"orig":"Mit Gleichfoͤrmigkeit befolgten ſie das einmal angenommene roͤmiſche Syſtem, uͤberall nichts einzuraͤumen.","norm":"Mit Gleichförmigkeit befolgten sie das einmal angenommene römische System, überall nichts einzuräumen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":80,"orig":"Aber Adrian hatte wirklich den geraden Charakter ſeiner Nation, und die Unſchuld ſeines ehemaligen Standes.","norm":"Aber Adrian hatte wirklich den geraden Charakter seiner Nation, und die Unschuld seines ehemaligen Standes."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":81,"orig":"Aus der engen Sphaͤre des Gelehrten war er zu ſeinem erhabenen Poſten emporgeſtiegen, und ſelbſt auf der Hoͤhe ſeiner neuen Wuͤrde jenem einfachen Charakter nicht untreu geworden.","norm":"Aus der engen Sphäre des Gelehrten war er zu seinem erhabenen Posten emporgestiegen, und selbst auf der Höhe seiner neuen Würde jenem einfachen Charakter nicht untreu geworden."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":82,"orig":"Die Mißbraͤuche in der Kirche ruͤhrten ihn, und er war viel zu redlich, oͤffentlich zu dißimulieren, was er im ſtillen ſich eingeſtand.","norm":"Die Missbräuche in der Kirche rührten ihn, und er war viel zu redlich, öffentlich zu dissimulieren, was er im Stillen sich eingestand."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":83,"orig":"Dieſer Denkart gemaͤß ließ er ſich in der Inſtruktion, die er ſeinem Legaten nach Deutſchland mitgab, zu Geſtaͤndnißen verleiten, die noch bey keinem Pabſte erhoͤrt geweſen waren, und den Grundſaͤtzen dieſes Hofes ſchnurgerade zuwiderliefen.","norm":"Dieser Denkart gemäß ließ er sich in der Instruktion, die er seinem Legaten nach Deutschland mitgab, zu Geständnissen verleiten, die noch bei keinem Papst erhört gewesen waren, und den Grundsätzen dieses Hofes schnurgerade zuwiderliefen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":84,"orig":"„Wir wiſſen es wohl, hieß es unter andern, daß an dieſem heiligen Stuhl ſchon ſeit mehrern Jahren viel Abſcheuliches vorgegangen; kein Wunder, wenn ſich der kranke Zuſtand von dem Haupt auf die Glieder, von dem Pabſt auf die Praͤlaten fortgeerbt hat.","norm":"„Wir wissen es wohl, hieß es unter anderen, dass an diesem heiligen Stuhl schon seit mehreren Jahren viel Abscheuliches vorgegangen; kein Wunder, wenn sich der kranke Zustand von dem Haupt auf die Glieder, von dem Papst auf die Prälaten fortgeerbt hat."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":85,"orig":"Wir alle ſind abgewichen, und ſchon ſeit lange iſt keiner unter uns geweſen, der etwas Gutes gethan haͤtte auch nicht Einer.","norm":"Wir alle sind abgewichen, und schon seit lange ist keiner unter uns gewesen, der etwas Gutes getan hätte auch nicht Einer."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":86,"orig":"“ Wieder anderswo befiehlt er dem Legaten in Seinem Nahmen zu erklaͤren, „daß er, Adrian, wegen deſſen, was vor ihm von den Paͤbſten geſchehen, nicht duͤrfe getadelt werden, und daß dergleichen Ausſchweifungen, auch da er noch in einem geringen Stande gelebt, ihm immer mißfallen haͤtten u. ſ. f. Man kann leicht denken, wie eine ſolche Naivitaͤt des Pabſtes von der roͤmiſchen Kleriſey mag aufgenommen worden ſeyn; das wenigſte, was man ihm Schuld gab war, daß er die Kirche an die Ketzer verrathen habe.","norm":"“ Wieder anderswo befiehlt er dem Legaten in seinem Namen zu erklären, „dass er, Adrian, wegen dessen, was vor ihm von den Päpsten geschehen, nicht dürfe getadelt werden, und dass dergleichen Ausschweifungen, auch da er noch in einem geringen Stande gelebt, ihm immer missfallen hätten u. s. f. Man kann leicht denken, wie eine solche Naivität des Papstes von der römischen Klerisei mag aufgenommen worden sein; das wenigste, was man ihm Schuld gab war, dass er die Kirche an die Ketzer verraten habe."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":87,"orig":"Dieſer hoͤchſt unkluge Schritt des Pabſtes wuͤrde indeſſen unſerer ganzen Achtung und Bewunderung werth ſeyn, wenn wir uns nur uͤberzeugen koͤnnten, daß er wirklich naiv geweſen d. h. daß er ihm bloß durch die natuͤrliche Wahrheit ſeines Charakters ohne alle Ruͤckſicht auf die moͤglichen Folgen abgenoͤthiget worden ſey, und daß er ihn nicht weniger gethan haben wuͤrde, wenn er die begangene Sottiſe in ihrem ganzen Umfang eingeſehen haͤtte.","norm":"Dieser höchst unkluge Schritt des Papstes würde indessen unserer ganzen Achtung und Bewunderung wert sein, wenn wir uns nur überzeugen könnten, dass er wirklich naiv gewesen d. h. dass er ihm bloß durch die natürliche Wahrheit seines Charakters ohne alle Rücksicht auf die möglichen Folgen abgenötigt worden sei, und dass er ihn nicht weniger getan haben würde, wenn er die begangene Sottise in ihrem ganzen Umfang eingesehen hätte."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":88,"orig":"Aber wir haben vielmehr Urſache zu glauben, daß er dieſen Schritt fuͤr gar nicht ſo unpolitiſch hielt, und in ſeiner Unſchuld ſo weit gieng zu hoffen, durch ſeine Nachgiebigkeit gegen die Gegner etwas ſehr wichtiges fuͤr den Vortheil ſeiner Kirche gewonnen zu haben.","norm":"Aber wir haben vielmehr Ursache zu glauben, dass er diesen Schritt für gar nicht so unpolitisch hielt, und in seiner Unschuld so weit ging zu hoffen, durch seine Nachgiebigkeit gegen die Gegner etwas sehr Wichtiges für den Vorteil seiner Kirche gewonnen zu haben."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":89,"orig":"Er bildete ſich nicht bloß ein, dieſen Schritt als redlicher Mann thun zu muͤſſen, ſondern ihn auch als Pabſt verantworten zu koͤnnen, und indem er vergaß, daß das kuͤnſtlichſte aller Gebaͤude ſchlechterdings nur durch eine fortgeſetzte Verlaͤugnung der Wahrheit erhalten werden koͤnnte, begieng er den unverzeyhlichen Fehler, Verhaltungsregeln, die in natuͤrlichen Verhaͤltniſſen ſich bewaͤhrt haben mochten, in einer ganz entgegengeſetzten Lage zu befolgen.","norm":"Er bildete sich nicht bloß ein, diesen Schritt als redlicher Mann tun zu müssen, sondern ihn auch als Papst verantworten zu können, und indem er vergaß, dass das künstlichste aller Gebäude schlechterdings nur durch eine fortgesetzte Verleugnung der Wahrheit erhalten werden könnte, beging er den unverzeihlichen Fehler, Verhaltungsregeln, die in natürlichen Verhältnissen sich bewährt haben mochten, in einer ganz entgegengesetzten Lage zu befolgen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":90,"orig":"Dieß veraͤndert allerdings unſer Urtheil ſehr; und ob wir gleich der Redlichkeit des Herzens, aus dem jene Handlung floß, unſere Achtung nicht verſagen koͤnnen, ſo wird dieſe letztere nicht wenig durch die Betrachtung geſchwaͤcht, daß die Natur an der Kunſt und das Herz an dem Kopf einen zu ſchwachen Gegner gehabt habe.","norm":"Dies verändert allerdings unser Urteil sehr; und ob wir gleich der Redlichkeit des Herzens, aus dem jene Handlung floss, unsere Achtung nicht versagen können, so wird diese letztere nicht wenig durch die Betrachtung geschwächt, dass die Natur an der Kunst und das Herz an dem Kopf einen zu schwachen Gegner gehabt habe."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":91,"orig":"Naiv muß jedes wahre Genie ſeyn, oder es iſt keines.","norm":"Naiv muss jedes wahre Genie sein, oder es ist keines."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":92,"orig":"Seine Naivheit allein macht es zum Genie, und was es im Intellektuellen und Aeſthetiſchen iſt, kann es im Moraliſchen nicht verlaͤugnen.","norm":"Seine Naivität allein macht es zum Genie, und was es im Intellektuellen und Ästhetischen ist, kann es im Moralischen nicht verleugnen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":93,"orig":"Unbekannt mit den Regeln, den Kruͤcken der Schwachheit und den Zuchtmeiſtern der Verkehrtheit, bloß von der Natur oder dem Inſtinkt, ſeinem ſchuͤtzenden Engel, geleitet, geht es ruhig und ſicher durch alle Schlingen des falſchen Geſchmackes, in welchen, wenn es nicht ſo klug iſt, ſie ſchon von weitem zu vermeiden, das Nichtgenie unausbleiblich verſtrickt wird.","norm":"Unbekannt mit den Regeln, den Krücken der Schwachheit und den Zuchtmeistern der Verkehrtheit, bloß von der Natur oder dem Instinkt, seinem schützenden Engel, geleitet, geht es ruhig und sicher durch alle Schlingen des falschen Geschmackes, in welchen, wenn es nicht so klug ist, sie schon von weitem zu vermeiden, das Nichtgenie unausbleiblich verstrickt wird."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":94,"orig":"Nur dem Genie iſt es gegeben, auſſerhalb des Bekannten noch immer zu Hauſe zu ſeyn, und die Natur zu erweitern, ohne uͤber ſie hinauszugehen.","norm":"Nur dem Genie ist es gegeben, außerhalb des Bekannten noch immer zu Hause zu sein, und die Natur zu erweitern, ohne über sie hinauszugehen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":95,"orig":"Zwar begegnet letzteres zuweilen auch den groͤßten Genies, aber nur, weil auch dieſe ihre phantaſtiſchen Augenblicke haben, wo die ſchuͤtzende Natur ſie verlaͤßt, weil die Macht des Beyſpiels ſie hinreißt, oder der verderbte Geſchmack ihrer Zeit ſie verleitet.","norm":"Zwar begegnet letzteres zuweilen auch den größten Genies, aber nur, weil auch diese ihre phantastischen Augenblicke haben, wo die schützende Natur sie verlässt, weil die Macht des Beispiels sie hinreißt, oder der verderbte Geschmack ihrer Zeit sie verleitet."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":96,"orig":"Die verwickeltſten Aufgaben muß das Genie mit anſpruchloſer Simplicitaͤt und Leichtigkeit loͤſen; das Ey des Columbus gilt von jeder genialiſchen Entſcheidung.","norm":"Die verwickeltsten Aufgaben muss das Genie mit anspruchloser Simplizität und Leichtigkeit lösen; das Ei des Kolumbus gilt von jeder genialischen Entscheidung."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":97,"orig":"Dadurch allein legitimiert es ſich als Genie, daß es durch Einfalt uͤber die verwickelte Kunſt triumphiert.","norm":"Dadurch allein legitimiert es sich als Genie, dass es durch Einfalt über die verwickelte Kunst triumphiert."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":98,"orig":"Es verfaͤhrt nicht nach erkannten Prinzipien ſondern nach Einfaͤllen und Gefuͤhlen; aber ſeine Einfaͤlle ſind Eingebungen eines Gottes (alles was die geſunde Natur thut iſt goͤttlich) ſeine Gefuͤhle ſind Geſetze fuͤr alle Zeiten und fuͤr alle Geſchlechter der Menſchen.","norm":"Es verfährt nicht nach erkannten Prinzipien sondern nach Einfällen und Gefühlen; aber seine Einfälle sind Eingebungen eines Gottes (alles was die gesunde Natur tut ist göttlich) seine Gefühle sind Gesetze für alle Zeiten und für alle Geschlechter der Menschen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":99,"orig":"Den kindlichen Charakter, den das Genie in ſeinen Werken abdruͤckt, zeigt es auch in ſeinem Privat-Leben und in ſeinen Sitten.","norm":"Den kindlichen Charakter, den das Genie in seinen Werken abdrückt, zeigt es auch in seinem Privatleben und in seinen Sitten."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":100,"orig":"Es iſt ſchaamhaft, weil die Natur dieſes immer iſt; aber es iſt nicht decent, weil nur die Verderbniß decent iſt.","norm":"Es ist schamhaft, weil die Natur dieses immer ist; aber es ist nicht dezent, weil nur die Verderbnis dezent ist."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":101,"orig":"Es iſt verſtaͤndig, denn die Natur kann nie das Gegentheil ſeyn; aber es iſt nicht liſtig, denn das kann nur die Kunſt ſeyn.","norm":"Es ist verständig, denn die Natur kann nie das Gegenteil sein; aber es ist nicht listig, denn das kann nur die Kunst sein."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":102,"orig":"Es iſt ſeinem Charakter und ſeinen Neigungen treu, aber nicht ſowohl weil es Grundſaͤtze hat, als weil die Natur bey allem Schwanken immer wieder in die vorige Stelle ruͤckt, immer das alte Beduͤrfniß zuruͤckbringt.","norm":"Es ist seinem Charakter und seinen Neigungen treu, aber nicht sowohl weil es Grundsätze hat, als weil die Natur bei allem Schwanken immer wieder in die vorige Stelle rückt, immer das alte Bedürfnis zurückbringt."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":103,"orig":"Es iſt beſcheiden, ja bloͤde, weil das Genie immer ſich ſelbſt ein Geheimniß bleibt, aber es iſt nicht aͤngſtlich, weil es die Gefahren des Weges nicht kennt, den es wandelt.","norm":"Es ist bescheiden, ja blöde, weil das Genie immer sich selbst ein Geheimnis bleibt, aber es ist nicht ängstlich, weil es die Gefahren des Weges nicht kennt, den es wandelt."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":104,"orig":"Wir wiſſen wenig von dem Privatleben der groͤßten Genies, aber auch das wenige, was uns z. B. von Sophokles, von Archimed, von Hippokrates, und aus neueren Zeiten von Arioſt, Dante und Taſſo, von Raphael, von Albrecht, Duͤrer, Zervantes, Shakeſpear, von Fielding, Sterne u. a. aufbewahrt worden iſt, beſtaͤtigt dieſe Behauptung.","norm":"Wir wissen wenig von dem Privatleben der größten Genies, aber auch das wenige, was uns z. B. von Sophokles, von Archimedes, von Hippokrates, und aus neueren Zeiten von Ariost, Dante und Tasso, von Raphael, von Albrecht, Dürer, Cervantes, Shakespeare, von Fielding, Sterne u. a. aufbewahrt worden ist, bestätigt diese Behauptung."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":105,"orig":"Ja, was noch weit mehr Schwuͤrigkeit zu haben ſcheint, ſelbſt der große Staatsmann und Feldherr, werden ſobald ſie durch ihr Genie groß ſind einen naiven Charakter zeigen.","norm":"Ja, was noch weit mehr Schwierigkeit zu haben scheint, selbst der große Staatsmann und Feldherr, werden sobald sie durch ihr Genie groß sind einen naiven Charakter zeigen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":106,"orig":"Ich will hier unter den Alten nur an Epaminondas und Julius Caͤſar, unter den Neuern nur an Heinrich IV von Frankreich, Guſtav Adolph von Schweden und den Czar Peter den Großen erinnern.","norm":"Ich will hier unter den Alten nur an Epaminondas und Julius Cäsar, unter den Neueren nur an Heinrich IV. von Frankreich, Gustav Adolph von Schweden und den Zar Peter den Großen erinnern."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":107,"orig":"Der Herzog von Marlborough, Tuͤrenne, Vendome zeigen uns alle dieſen Charakter.","norm":"Der Herzog von Marlborough, Turenne, Vendôme zeigen uns alle diesen Charakter."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":108,"orig":"Dem andern Geſchlecht hat die Natur in dem naiven Charakter ſeine hoͤchſte Vollkommenheit angewieſen.","norm":"Dem anderen Geschlecht hat die Natur in dem naiven Charakter seine höchste Vollkommenheit angewiesen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":109,"orig":"Nach nichts ringt die weibliche Gefallſucht ſo ſehr als nach dem Schein des Naiven;","norm":"Nach nichts ringt die weibliche Gefallsucht so sehr als nach dem Schein des Naiven;"} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":110,"orig":"Beweis genug, wenn man auch ſonſt keinen haͤtte, daß die groͤßte Macht des Geſchlechts auf dieſer Eigenſchaft beruhet.","norm":"Beweis genug, wenn man auch sonst keinen hätte, dass die größte Macht des Geschlechts auf dieser Eigenschaft beruhet."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":111,"orig":"Weil aber die herrſchenden Grundſaͤtze bey der weiblichen Erziehung mit dieſem Charakter in ewigem Streit liegen, ſo iſt es dem Weibe im moraliſchen eben ſo ſchwer als dem Mann im intellektuellen mit den Vortheilen der guten Erziehung jenes herrliche Geſchenk der Natur unverloren zu behalten; und die Frau, die mit einem geſchickten Betragen fuͤr die große Welt dieſe Naivheit der Sitten verknuͤpft, iſt eben ſo hochachtungswuͤrdig als der Gelehrte, der mit der ganzen Strenge der Schule Genialiſche Freyheit des Denkens verbindet.","norm":"Weil aber die herrschenden Grundsätze bei der weiblichen Erziehung mit diesem Charakter in ewigem Streit liegen, so ist es dem Weibe im Moralischen ebenso schwer als dem Mann im Intellektuellen mit den Vorteilen der guten Erziehung jenes herrliche Geschenk der Natur unverloren zu behalten; und die Frau, die mit einem geschickten Betragen für die große Welt diese Naivität der Sitten verknüpft, ist ebenso hochachtungswürdig als der Gelehrte, der mit der ganzen Strenge der Schule genialische Freiheit des Denkens verbindet."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":112,"orig":"Aus der naiven Denkart fließt nothwendiger weiſe auch ein naiver Ausdruck ſowohl in Worten als Bewegungen, und er iſt das wichtigſte Beſtandſtuͤck der Grazie.","norm":"Aus der naiven Denkart fließt notwendigerweise weise auch ein naiver Ausdruck sowohl in Worten als Bewegungen, und er ist das wichtigste Bestandstück der Grazie."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":113,"orig":"Mit dieſer naiven Anmuth druͤckt das Genie ſeine erhabenſten und tiefſten Gedanken aus; es ſind Goͤtterſpruͤche aus dem Mund eines Kindes.","norm":"Mit dieser naiven Anmut drückt das Genie seine erhabensten und tiefsten Gedanken aus; es sind Göttersprüche aus dem Mund eines Kindes."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":114,"orig":"Wenn der Schulverſtand, immer vor Irrthum bange, ſeine Worte wie ſeine Begriffe an das Kreuz der Grammatik und Logik ſchlaͤgt, hart und ſteif iſt, um ja nicht unbeſtimmt zu ſeyn, viele Worte macht, um ja nicht zu viel zu ſagen, und dem Gedanken, damit er ja den Unvorſichtigen nicht ſchneide, lieber die Kraft und die Schaͤrfe nimmt, ſo giebt das Genie dem ſeinigen mit einem einzigen gluͤcklichen Pinſelſtrich einen ewig beſtimmten, feſten und dennoch ganz freyen Umriß.","norm":"Wenn der Schulverstand, immer vor Irrtum bange, seine Worte wie seine Begriffe an das Kreuz der Grammatik und Logik schlägt, hart und steif ist, um ja nicht unbestimmt zu sein, viele Worte macht, um ja nicht zu viel zu sagen, und dem Gedanken, damit er ja den Unvorsichtigen nicht schneide, lieber die Kraft und die Schärfe nimmt, so gibt das Genie dem seinigen mit einem einzigen glücklichen Pinselstrich einen ewig bestimmten, festen und dennoch ganz freien Umriss."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":115,"orig":"Wenn dort das Zeichen dem Bezeichneten ewig heterogen und fremd bleibt, ſo ſpringt hier wie durch innere Nothwendigkeit die Sprache aus dem Gedanken hervor, und iſt ſo ſehr eins mit demſelben, daß ſelbſt unter der koͤrperlichen Huͤlle der Geiſt wie entbloͤßet erſcheint.","norm":"Wenn dort das Zeichen dem Bezeichneten ewig heterogen und fremd bleibt, so springt hier wie durch innere Notwendigkeit die Sprache aus dem Gedanken hervor, und ist so sehr eins mit demselben, dass selbst unter der körperlichen Hülle der Geist wie entblößet erscheint."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":116,"orig":"Eine ſolche Art des Ausdrucks, wo das Zeichen ganz in dem Bezeichneten verſchwindet, und wo die Sprache den Gedanken, den ſie ausdruͤckt, noch gleichſam nackend laͤßt, da ihn die andre nie darſtellen kann, ohne ihn zugleich zu verhuͤllen, iſt es, was man in der Schreibart vorzugsweiſe genialiſch und geiſtreich nennt.","norm":"Eine solche Art des Ausdrucks, wo das Zeichen ganz in dem Bezeichneten verschwindet, und wo die Sprache den Gedanken, den sie ausdrückt, noch gleichsam nackend lässt, da ihn die andere nie darstellen kann, ohne ihn zugleich zu verhüllen, ist es, was man in der Schreibart vorzugsweise genialisch und geistreich nennt."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":117,"orig":"Frey und natuͤrlich, wie das Genie in ſeinen Geiſteswerken, druͤckt ſich die Unſchuld des Herzens im lebendigen Umgang aus.","norm":"Frei und natürlich, wie das Genie in seinen Geisteswerken, drückt sich die Unschuld des Herzens im lebendigen Umgang aus."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":118,"orig":"Bekanntlich iſt man im geſellſchaftlichen Leben von der Simplicitaͤt und ſtrengen Wahrheit des Ausdrucks in demſelben Verhaͤltniß, wie von der Einfalt der Geſinnungen abgekommen, und die leicht zu verwundende Schuld ſo wie die leicht zu verfuͤhrende Einbildungskraft haben einen aͤngſtlichen Anſtand nothwendig gemacht.","norm":"Bekanntlich ist man im gesellschaftlichen Leben von der Simplizität und strengen Wahrheit des Ausdrucks in demselben Verhältnis, wie von der Einfalt der Gesinnungen abgekommen, und die leicht zu verwundende Schuld sowie die leicht zu verführende Einbildungskraft haben einen ängstlichen Anstand notwendig gemacht."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":119,"orig":"Ohne falſch zu ſeyn redet man oͤfters anders, als man denkt; man muß Umſchweife nehmen, um Dinge zu ſagen, die nur einer kranken Eigenliebe Schmerz bereiten, nur einer verderbten Phantaſie Gefahr bringen koͤnnen.","norm":"Ohne falsch zu sein redet man öfters anders, als man denkt; man muss umschweife nehmen, um Dinge zu sagen, die nur einer kranken Eigenliebe Schmerz bereiten, nur einer verderbten Phantasie Gefahr bringen können."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":120,"orig":"Eine Unkunde dieſer konventionellen Geſetze, verbunden mit natuͤrlicher Aufrichtigkeit, welche jede Kruͤmme und jeden Schein von Falſchheit verachtet, (nicht Roheit, welche ſich daruͤber, weil ſie ihr laͤſtig ſind, hinwegſetzt) erzeugen eine Naivheit des Ausdrucks im Umgang, welche darinn beſteht, Dinge, die man entweder gar nicht oder nur kuͤnſtlich bezeichnen darf, mit ihrem rechten Nahmen und auf dem kuͤrzeſten Wege zu benennen.","norm":"Eine Unkunde dieser konventionellen Gesetze, verbunden mit natürlicher Aufrichtigkeit, welche jede Krümme und jeden Schein von Falschheit verachtet, (nicht Rohheit, welche sich darüber, weil sie ihr lästig sind, hinwegsetzt) erzeugen ein Naivität des Ausdrucks im Umgang, welches darin besteht, Dinge, die man entweder gar nicht oder nur künstlich bezeichnen darf, mit ihrem rechten Namen und auf dem kürzesten Wege zu benennen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":121,"orig":"Von der Art ſind die gewoͤhnlichen Ausdruͤcke der Kinder.","norm":"Von der Art sind die gewöhnlichen Ausdrücke der Kinder."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":122,"orig":"Sie erregen Lachen durch ihren Kontraſt mit den Sitten, doch wird man ſich immer im Herzen geſtehen, daß das Kind recht habe.","norm":"Sie erregen Lachen durch ihren Kontrast mit den Sitten, doch wird man sich immer im Herzen gestehen, dass das Kind recht habe."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":123,"orig":"Das Naive der Geſinnung kann zwar, eigentlich genommen, auch nur dem Menſchen als einem der Natur nicht ſchlechterdings unterworfenen Weſen beygelegt werden, obgleich nur inſofern als wirklich noch die reine Natur aus ihm handelt; aber durch einen Effekt der poetiſierenden Einbildungskraft wird es oͤfters von dem Vernuͤnftigen auf das Vernunftloſe uͤbergetragen.","norm":"Das Naive der Gesinnung kann zwar, eigentlich genommen, auch nur dem Menschen als einem der Natur nicht schlechterdings unterworfenen Wesen beigelegt werden, obgleich nur insofern als wirklich noch die reine Natur aus ihm handelt; aber durch einen Effekt der poetisierenden Einbildungskraft wird es öfters von dem Vernünftigen auf das Vernunftlose übergetragen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":124,"orig":"So legen wir oͤfters einem Thiere, einer Landſchaft, einem Gebaͤude, ja der Natur uͤberhaupt, im Gegenſatz gegen die Willkuͤhr und die phantaſtiſchen Begriffe des Menſchen einen naiven Charakter bey.","norm":"So legen wir öfters einem Tiere, einer Landschaft, einem Gebäude, ja der Natur überhaupt, im Gegensatz gegen die Willkür und die phantastischen Begriffe des Menschen einen naiven Charakter bei."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":125,"orig":"Dieß erfodert aber immer, daß wir dem Willenloſen in unſern Gedanken einen Willen leyhen, und auf die ſtrenge Richtung deſſelben nach dem Geſetz der Nothwendigkeit merken.","norm":"Dies erfordert aber immer, dass wir dem Willenlosen in unseren Gedanken einen Willen leihen, und auf die strenge Richtung desselben nach dem Gesetz der Notwendigkeit merken."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":126,"orig":"Die Unzufriedenheit uͤber unſere eigene ſchlecht gebrauchte moraliſche Freyheit und uͤber die in unſerm Handeln vermißte ſittliche Harmonie fuͤhrt leicht eine ſolche Stimmung herbey, in der wir das Vernunftloſe wie eine Perſon anreden, und demſelben, als wenn es wirklich mit einer Verſuchung zum Gegentheil zu kaͤmpfen gehabt haͤtte, ſe ne ewige Gleichfoͤrmigkeit zum Verdienſt machen, ſeine ruhige Haltung beneiden.","norm":"Die Unzufriedenheit über unsere eigene schlecht gebrauchte moralische Freiheit und über die in unserem Handeln vermisste sittliche Harmonie führt leicht eine solche Stimmung herbei, in der wir das Vernunftlose wie eine Person anreden, und demselben, als wenn es wirklich mit einer Versuchung zum Gegenteil zu kämpfen gehabt hätte, sie ne ewige Gleichförmigkeit zum Verdienst machen, seine ruhige Haltung beneiden."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":127,"orig":"Es ſteht uns in einem ſolchen Augenblicke wohl an, daß wir das Praͤrogativ unſerer Vernunft fuͤr einen Fluch und fuͤr ein Uebel halten, und uͤber dem lebhaften Gefuͤhl der Unvollkommenheit unſeres wirklichen Leiſtens die Gerechtigkeit gegen unſre Anlage und Beſtimmung aus den Augen ſetzen.","norm":"Es steht uns in einem solchen Augenblicke wohl an, dass wir das Prärogativ unserer Vernunft für einen Fluch und für ein Übel halten, und über dem lebhaften Gefühl der Unvollkommenheit unseres wirklichen Leistens die Gerechtigkeit gegen unsere Anlage und Bestimmung aus den Augen setzen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":128,"orig":"Wir ſehen alsdann in der unvernuͤnftigen Natur nur eine gluͤcklichere Schweſter, die in dem muͤtterlichen Hauſe zuruͤckblieb, aus welchem wir im Uebermuth unſerer Freyheit heraus in die Fremde ſtuͤrmten.","norm":"Wir sehen alsdann in der unvernünftigen Natur nur eine glücklichere Schwester, die in dem mütterlichen Hause zurückblieb, aus welchem wir im Übermut unserer Freiheit heraus in die Fremde stürmten."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":129,"orig":"Mit ſchmerzlichem Verlangen ſehnen wir uns dahin zuruͤck, ſobald wir angefangen, die Drangſale der Kultur zu erfahren und hoͤren im fernen Auslande der Kunſt der Mutter ruͤhrende Stimme.","norm":"Mit schmerzlichem Verlangen sehnen wir uns dahin zurück, sobald wir angefangen, die Drangsale der Kultur zu erfahren und hören im fernen Auslande der Kunst der Mutter rührende Stimme."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":130,"orig":"Solange wir bloße Naturkinder waren, waren wir gluͤcklich und vollkommen; wir ſind frey geworden, und haben beydes verloren.","norm":"Solange wir bloße Naturkinder waren, waren wir glücklich und vollkommen; wir sind frei geworden, und haben beides verloren."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":131,"orig":"Daraus entſpringt eine doppelte und ſehr ungleiche Sehnſucht nach der Natur; eine Sehnſucht nach ihrer Gluͤckſeligkeit, eine Sehnſucht nach ihrer Vollkommenheit.","norm":"Daraus entspringt eine doppelte und sehr ungleiche Sehnsucht nach der Natur; eine Sehnsucht nach ihrer Glückseligkeit, eine Sehnsucht nach ihrer Vollkommenheit."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":132,"orig":"Den Verluſt der erſten beklagt nur der ſinnliche Menſch; um den Verluſt der andern kann nur der moraliſche trauren.","norm":"Den Verlust der ersten beklagt nur der sinnliche Mensch; um den Verlust der anderen kann nur der moralische trauern."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":133,"orig":"Frage dich alſo wohl, empfindſamer Freund der Natur, ob deine Traͤgheit nach ihrer Ruhe, ob deine beleidigte Sittlichkeit nach ihrer Uebereinſtimmung ſchmachtet?","norm":"Frage dich also wohl, empfindsamer Freund der Natur, ob deine Trägheit nach ihrer Ruhe, ob deine beleidigte Sittlichkeit nach ihrer Übereinstimmung schmachtet?"} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":134,"orig":"Frage dich wohl, wenn die Kunſt dich aneckelt und die Mißbraͤuche in der Geſellſchaft dich zu der lebloſen Natur in die Einſamkeit treiben, ob es ihre Beraubungen, ihre Laſten, ihre Muͤhſeligkeiten, oder ob es ihre moraliſche Anarchie, ihre Willkuͤr, ihre Unordnungen ſind, die du an ihr verabſcheuſt?","norm":"Frage dich wohl, wenn die Kunst dich anekelt und die Missbräuche in der Gesellschaft dich zu der leblosen Natur in die Einsamkeit treiben, ob es ihre Beraubungen, ihre Lasten, ihre Mühseligkeiten, oder ob es ihre moralische Anarchie, ihre Willkür, ihre Unordnung sind, die du an ihr verabscheust?"} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":135,"orig":"In jene muß dein Muth ſich mit Freuden ſtuͤrzen und dein Erſatz muß die Freyheit ſelbſt ſeyn, aus der ſie flieſſen.","norm":"In jene muss dein Mut sich mit Freuden stürzen und dein Ersatz muss die Freiheit selbst sein, aus der sie fließen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":136,"orig":"Wohl darfſt du dir das ruhige Naturgluͤck zum Ziel in der Ferne auſſtecken, aber nur jenes, welches der Preiß deiner Wuͤrdigkeit iſt.","norm":"Wohl darfst du dir das ruhige Naturglück zum Ziel in der Ferne aufstecken, aber nur jenes, welches der Preis deiner Würdigkeit ist."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":137,"orig":"Alſo nichts von Klagen uͤber die Erſchwerung des Lebens, uͤber die Ungleichheit der Konditionen, uͤber den Druck der Verhaͤltniſſe, uͤber die Unſicherheit des Beſitzes, uͤber Undank, Unterdruͤckung, Verfolgung; allen Uebeln der Kultur mußt du mit freyer Reſignation dich unterwerfen, mußt ſie als die Naturbedingungen des Einzig guten reſpektieren; nur das Boͤſe derſelben mußt du, aber nicht bloß mit ſchlaffen Thraͤnen, beklagen.","norm":"Also nichts von Klagen über die Erschwerung des Lebens, über die Ungleichheit der Konditionen, über den Druck der Verhältnisse, über die Unsicherheit des Besitzes, über Undank, Unterdrückung, Verfolgung; allen Übeln der Kultur musst du mit freier Resignation dich unterwerfen, musst sie als die Naturbedingungen des Einzig Guten respektieren; nur das Böse derselben musst du, aber nicht bloß mit schlaffen Tränen, beklagen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":138,"orig":"Sorge vielmehr dafuͤr; daß du ſelbſt unter jenen Befleckungen rein, unter jener Knechtſchaft frey, unter jenem launiſchen Wechſel beſtaͤndig, unter jener Anarchie geſetzmaͤßig handelſt.","norm":"Sorge vielmehr dafür; dass du selbst unter jenen Befleckungen rein, unter jener Knechtschaft frei, unter jenem launischen Wechsel beständig, unter jener Anarchie gesetzmäßig handelst."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":139,"orig":"Fuͤrchte dich nicht vor der Verwirrung auſſer dir, aber vor der Verwirrung in dir; ſtrebe nach Einheit, aber ſuche ſie nicht in der Einfoͤrmigkeit; ſtrebe nach Ruhe, aber durch das Gleichgewicht, nicht durch den Stillſtand deiner Thaͤtigkeit.","norm":"Fürchte dich nicht vor der Verwirrung außer dir, aber vor der Verwirrung in dir; strebe nach Einheit, aber suche sie nicht in der Einförmigkeit; strebe nach Ruhe, aber durch das Gleichgewicht, nicht durch den Stillstand deiner Tätigkeit."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":140,"orig":"Jene Natur, die du dem Vernunftloſen beneideſt, iſt keiner Achtung, keiner Sehnſucht werth.","norm":"Jene Natur, die du dem Vernunftlosen beneidest, ist keiner Achtung, keiner Sehnsucht wert."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":141,"orig":"Sie liegt hinter dir, ſie muß ewig hinter dir liegen.","norm":"Sie liegt hinter dir, sie muss ewig hinter dir liegen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":142,"orig":"Verlaſſen von der Leiter, die dich trug, bleibt dir jetzt keine andere Wahl mehr, als mit freyem Bewußtſeyn und Willen das Geſetz zu ergreifen, oder rettungslos in eine bodenloſe Tiefe zu fallen.","norm":"Verlassen von der Leiter, die dich trug, bleibt dir jetzt keine andere Wahl mehr, als mit freiem Bewusstsein und Willen das Gesetz zu ergreifen, oder rettungslos in eine bodenlose Tiefe zu fallen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":143,"orig":"Aber wenn du uͤber das verlorene Gluͤck der Natur getroͤſtet biſt, ſo laß ihre Vollkommenheit deinem Herzen zum Muſter dienen.","norm":"Aber wenn du über das verlorene Glück der Natur getröstet bist, so lass ihre Vollkommenheit deinem Herzen zum Muster dienen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":144,"orig":"Trittſt du heraus zu ihr aus deinem kuͤnſtlichen Kreis, ſteht ſie vor dir in ihrer großen Ruhe, in ihrer naiven Schoͤnheit, in ihrer kindlichen Unſchuld und Einfalt; dann verweile bey dieſem Bilde, pflege dieſes Gefuͤhl, es iſt deiner herrlichſten Menſchheit wuͤrdig.","norm":"Trittst du heraus zu ihr aus deinem künstlichen Kreis, steht sie vor dir in ihrer großen Ruhe, in ihrer naiven Schönheit, in ihrer kindlichen Unschuld und Einfalt; dann verweile bei diesem Bilde, pflege dieses Gefühl, es ist deiner herrlichsten Menschheit würdig."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":145,"orig":"Laß dir nicht mehr einfallen, mit ihr tauſchen zu wollen, aber nimm ſie in dich auf und ſtrebe, ihren unendlichen Vorzug mit deinem eigenen unendlichen Praͤrogativ zu vermaͤhlen, und aus beydem das Goͤttliche zu erzeugen.","norm":"Lass dir nicht mehr einfallen, mit ihr tauschen zu wollen, aber nimm sie in dich auf und strebe, ihren unendlichen Vorzug mit deinem eigenen unendlichen Prärogativ zu vermählen, und aus beidem das Göttliche zu erzeugen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":146,"orig":"Sie umgebe dich wie eine liebliche Idylle, in der du dich ſelbſt immer wiederfindeſt, aus den Verirrungen der Kunſt, bey der du Muth und neues Vertrauen ſammelſt zum Laufe und die Flamme des Ideals, die in den Stuͤrmen des Lebens ſo leicht erliſcht, in deinem Herzen von neuem entzuͤndeſt.","norm":"Sie umgebe dich wie eine liebliche Idylle, in der du dich selbst immer wiederfindest, aus den Verirrungen der Kunst, bei der du Mut und neues Vertrauen sammelst zum Laufe und die Flamme des Ideals, die in den Stürmen des Lebens so leicht erlischt, in deinem Herzen von neuem entzündest."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":147,"orig":"Wenn man ſich der ſchoͤnen Natur erinnert, welche die alten Griechen umgab, wenn man nachdenkt, wie vertraut dieſes Volk unter ſeinem gluͤcklichen Himmel mit der freyen Natur leben konnte, wie ſehr viel naͤher ſeine Vorſtellungsart, ſeine Empfindungsweiſe, ſeine Sitten der einfaͤltigen Natur lagen, und welch ein treuer Abdruck derſelben ſeine Dichterwerke ſind, ſo muß die Bemerkung befremden, daß man ſo wenige Spuren von dem ſentimentaliſchen Intereſſe, mit welchem wir Neuere an Naturſcenen und an Naturcharaktere hangen koͤnnen, bey demſelben antrift.","norm":"Wenn man sich der schönen Natur erinnert, welche die alten Griechen umgab, wenn man nachdenkt, wie vertraut dieses Volk unter seinem glücklichen Himmel mit der freien Natur leben konnte, wie sehr viel näher seine Vorstellungsart, seine Empfindungsweise, seine Sitten der einfältigen Natur lagen, und welch ein treuer Abdruck derselben seine Dichterwerke sind, so muss die Bemerkung befremden, dass man so wenige Spuren von dem sentimentalischen Interesse, mit welchem wir Neuere an Naturszenen und an Naturcharaktere hangen können, bei demselben antrifft."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":148,"orig":"Der Grieche iſt zwar im hoͤchſten Grade genau, treu, umſtaͤndlich in Beſchreibung derſelben, aber doch gerade nicht mehr und mit keinem vorzuͤglicheren Herzensantheil, als er es auch in Beſchreibung eines Anzuges, eines Schildes, einer Ruͤſtung, eines Hausgeraͤthes oder irgend eines mechaniſchen Produktes iſt.","norm":"Der Grieche ist zwar im höchsten Grade genau, treu, umständlich in Beschreibung derselben, aber doch gerade nicht mehr und mit keinem vorzüglicheren Herzensanteil, als er es auch in Beschreibung eines Anzuges, eines Schildes, einer Rüstung, eines Hausgeräts oder irgendeines mechanischen Produktes ist."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":149,"orig":"Er ſcheint, in ſeiner Liebe fuͤr das Objekt, keinen Unterſchied zwiſchen demjenigen zu machen, was durch ſich ſelbſt und dem was durch die Kunſt und durch den menſchlichen Willen iſt.","norm":"Er scheint, in seiner Liebe für das Objekt, keinen Unterschied zwischen demjenigen zu machen, was durch sich selbst und dem was durch die Kunst und durch den menschlichen Willen ist."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":150,"orig":"Die Natur ſcheint mehr ſeinen Verſtand und ſeine Wißbegierde, als ſein moraliſches Gefuͤhl zu intereſſieren; er haͤngt nicht mit Innigkeit, mit Empfindſamkeit, mit ſuͤſſer Wehmuth an derſelben, wie wir Neuern.","norm":"Die Natur scheint mehr seinen Verstand und seine Wissbegierde, als sein moralisches Gefühl zu interessieren; er hängt nicht mit Innigkeit, mit Empfindsamkeit, mit süßer Wehmut an derselben, wie wir neueren."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":151,"orig":"Ja, indem er ſie in ihren einzelnen Erſcheinungen perſonifiziert und vergoͤttert, und ihre Wirkungen als Handlungen freyer Weſen darſtellt, hebt er die ruhige Nothwendigkeit in ihr auf, durch welche ſie fuͤr uns gerade ſo anziehend iſt.","norm":"Ja, indem er sie in ihren einzelnen Erscheinungen personifiziert und vergöttert, und ihre Wirkungen als Handlungen freier Wesen darstellt, hebt er die ruhige Notwendigkeit in ihr auf, durch welche sie für uns gerade so anziehend ist."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":152,"orig":"Seine ungedultige Phantaſie fuͤhrt ihn uͤber ſie hinweg zum Drama des menſchlichen Lebens.","norm":"Seine ungeduldige Phantasie führt ihn über sie hinweg zum Drama des menschlichen Lebens."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":153,"orig":"Nur das Lebendige und Freye, nur Charaktere, Handlungen, Schickſale, und Sitten befriedigen ihn, „und wenn wir in gewiſſen moraliſchen Stimmungen des Gemuͤths wuͤnſchen koͤnnen, den Vorzug unſerer Willensfreyheit, der uns ſo vielem Streit mit uns ſelbſt, ſo vielen Unruhen und Verirrungen ausſetzt, gegen die wahlloſe aber ruhige Nothwendigkeit des Vernunftloſen hinzugeben, ſo iſt, gerade umgekehrt, die Phantaſie des Griechen geſchaͤftig, die menſchliche Natur ſchon in der unbeſeclten Welt anzufangen, und da, wo eine blinde Nothwendigkeit herrſcht, dem Willen Einfluß zu geben.","norm":"Nur das Lebendige und Freie, nur Charaktere, Handlungen, Schicksale, und Sitten befriedigen ihn, „und wenn wir in gewissen moralischen Stimmungen des Gemüts wünschen können, den Vorzug unserer Willensfreiheit, der uns so vielem Streit mit uns selbst, so vielen Unruhen und Verirrungen aussetzt, gegen die wahllose aber ruhige Notwendigkeit des Vernunftlosen hinzugehen, so ist, gerade umgekehrt, die Phantasie des Griechen geschäftig, die menschliche Natur schon in der unbeseelten Welt anzufangen, und da, wo eine blinde Notwendigkeit herrscht, dem Willen Einfluss zu geben."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":154,"orig":"”","norm":"”"} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":155,"orig":"Woher wohl dieſer verſchiedene Geiſt?","norm":"Woher wohl dieser verschiedene Geist?"} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":156,"orig":"Wie kommt es, daß wir, die in allem was Natur iſt, von den Alten ſo unendlich weit uͤbertroffen werden, gerade hier der Natur in einem hoͤheren Grade huldigen, mit Innigkeit an ihr hangen, und ſelbſt die lebloſe Welt mit der waͤrmſten Empfindung umfaſſen koͤnnen?","norm":"Wie kommt es, dass wir, die in allem was Natur ist, von den Alten so unendlich weit übertroffen werden, gerade hier der Natur in einem höheren Grade huldigen, mit Innigkeit an ihr hangen, und selbst die leblose Welt mit der wärmsten Empfindung umfassen können?"} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":157,"orig":"Daher kommt es, weil die Natur bey uns aus der Menſchheit verſchwunden iſt, und wir ſie nur auſſerhalb dieſer, in der unbeſeelten Welt, in ihrer Wahrheit wieder antreffen.","norm":"Daher kommt es, weil die Natur bei uns aus der Menschheit verschwunden ist, und wir sie nur außerhalb dieser, in der unbeseelten Welt, in ihrer Wahrheit wieder antreffen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":158,"orig":"Nicht unſere groͤßere Naturmaͤßigkeit, ganz im Gegentheil die Naturwidrigkeit unſrer Verhaͤltniſſe, Zuſtaͤnde und Sitten treibt uns an, dem erwachenden Triebe nach Wahrheit und Simplicitaͤt, der, wie die moraliſche Anlage, aus welcher er flieſſet, unbeſtechlich und unaustilgbar in allen menſchlichen Herzen liegt, in der phyſiſchen Welt eine Befriedigung zu verſchaffen, die in der moraliſchen nicht zu hoffen iſt.","norm":"Nicht unsere größere Naturmäßigkeit, ganz im Gegenteil die Naturwidrigkeit unserer Verhältnisse, Zustände und Sitten treibt uns an, dem erwachenden Triebe nach Wahrheit und Simplizität, der, wie die moralische Anlage, aus welcher er fließet, unbestechlich und unaustilgbar in allen menschlichen Herzen liegt, in der physischen Welt eine Befriedigung zu verschaffen, die in der moralischen nicht zu hoffen ist."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":159,"orig":"Deßwegen iſt das Gefuͤhl, womit wir an der Natur hangen, dem Gefuͤhle ſo nahe verwandt, womit wir das entflohene Alter der Kindheit und der kindiſchen Unſchuld beklagen.","norm":"Deswegen ist das Gefühl, womit wir an der Natur hangen, dem Gefühle so nahe verwandt, womit wir das entflohene Alter der Kindheit und der kindischen Unschuld beklagen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":160,"orig":"Unſre Kindheit iſt die einzige unverſtuͤmmelte Natur, die wir in der kultivirten Menſchheit noch antreffen, daher es kein Wunder iſt, wenn uns jede Fußſtapfe der Natur auſſer uns auf unſre Kindheit zuruͤckfuͤhrt.","norm":"Unsere Kindheit ist die einzige unverstümmelte Natur, die wir in der kultivierten Menschheit noch antreffen, daher es kein Wunder ist, wenn uns jede Fußstapfe der Natur außer uns auf unsere Kindheit zurückführt."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":161,"orig":"Sehr viel anders war es mit den alten Griechen.","norm":"Sehr viel anders war es mit den alten Griechen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":162,"orig":"Bey dieſen artete die Kultur nicht ſo weit aus, daß die Natur daruͤber verlaſſen wurde.","norm":"Bei diesen artete die Kultur nicht so weit aus, dass die Natur darüber verlassen wurde."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":163,"orig":"Der ganze Bau ihres geſellſchaftlichen Lebens war auf Empfindungen, nicht auf einem Machwerk der Kunſt errichtet; ihre Goͤtterlehre ſelbſt war die Eingebung eines naiven Gefuͤhls, die Geburt einer froͤhlichen Einbildungskraft, nicht der gruͤbelnden Vernunft, wie der Kirchenglaube der neuern Nationen; da alſo der Grieche die Natur in der Menſchheit nicht verlohren hatte, ſo konnte er, auſſerhalb dieſer, auch nicht von ihr uͤberraſcht werden, und kein ſo dringendes Beduͤrfniß nach Gegenſtaͤnden haben, in denen er ſie wieder fand.","norm":"Der ganze Bau ihres gesellschaftlichen Lebens war auf Empfindungen, nicht auf einem Machwerk der Kunst errichtet; ihre Götterlehre selbst war die Eingebung eines naiven Gefühls, die Geburt einer fröhlichen Einbildungskraft, nicht der grübelnden Vernunft, wie der Kirchenglaube der neueren Nationen; da also der Grieche die Natur in der Menschheit nicht verloren hatte, so konnte er, außerhalb dieser, auch nicht von ihr überrascht werden, und kein so dringendes Bedürfnis nach Gegenständen haben, in denen er sie wiederfand."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":164,"orig":"Einig mit ſich ſelbſt, und gluͤcklich im Gefuͤhl ſeiner Menſchheit mußte er bey dieſer als ſeinem Maximum ſtille ſtehen, und alles andre derſelben zu naͤhern bemuͤht ſeyn; wenn wir, uneinig mit uns ſelbſt, und ungluͤcklich in unſern Erfahrungen von Menſchheit, kein dringenderes Intereſſe haben, als aus derſelben herauszufliehen, und eine ſo mislungene Form aus unſern Augen zu ruͤcken.","norm":"Einig mit sich selbst, und glücklich im Gefühl seiner Menschheit musste er bei dieser als seinem Maximum stille stehen, und alles andere derselben zu nähern bemüht sein; wenn wir, uneinig mit uns selbst, und unglücklich in unseren Erfahrungen von Menschheit, kein dringenderes Interesse haben, als aus derselben herauszufliehen, und eine so misslungene Form aus unseren Augen zu rücken."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":165,"orig":"Das Gefuͤhl, von dem hier die Rede iſt, iſt alſo nicht das, was die Alten hatten; es iſt vielmehr einerley mit demjenigen, welches wir fuͤr die Alten haben.","norm":"Das Gefühl, von dem hier die Rede ist, ist also nicht das, was die Alten hatten; es ist vielmehr einerlei mit demjenigen, welches wir für die Alten haben."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":166,"orig":"Sie empfanden natuͤrlich; wir empfinden das natuͤrliche.","norm":"Sie empfanden natürlich; wir empfinden das Natürliche."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":167,"orig":"Es war ohne Zweifel ein ganz anderes Gefuͤhl, was Homers Seele fuͤllte, als er ſeinen goͤttlichen Sauhirt den Ulyſſes bewirthen ließ, als was die Seele des jungen Werthers bewegte, da er nach einer laͤſtigen Geſellſchaft dieſen Geſang las.","norm":"Es war ohne Zweifel ein ganz anderes Gefühl, was Homers Seele füllte, als er seinen göttlichen Sauhirt den Ulysses bewirten ließ, als was die Seele des jungen Werthers bewegte, da er nach einer lästigen Gesellschaft diesen Gesang las."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":168,"orig":"Unſer Gefuͤhl fuͤr Natur gleicht der Empfindung des Kranken fuͤr die Geſundheit.","norm":"Unser Gefühl für Natur gleicht der Empfindung des Kranken für die Gesundheit."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":169,"orig":"So wie nach und nach die Natur anfieng, aus dem menſchlichen Leben als Erfahrung und als das (handelnde und empfindende) Subjekt zu verſchwinden, ſo ſehen wir ſie in der Dichterwelt als Idee und als Gegenſtand aufgehen.","norm":"So wie nach und nach die Natur anfing, aus dem menschlichen Leben als Erfahrung und als das (handelnde und empfindende) Subjekt zu verschwinden, so sehen wir sie in der Dichterwelt als Idee und als Gegenstand aufgehen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":170,"orig":"Diejenige Nation, welche es zugleich in der Unnatur und in der Reflexion daruͤber am weiteſten gebracht hatte, mußte zuerſt von dem Phaͤnomen des Naiven am ſtaͤrkſten geruͤhrt werden, und demſelben einen Nahmen geben.","norm":"Diejenige Nation, welche es zugleich in der Unnatur und in der Reflexion darüber am weitesten gebracht hatte, musste zuerst von dem Phänomen des Naiven am stärksten gerührt werden, und demselben einen Namen geben."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":171,"orig":"Dieſe Nation waren, ſo viel ich weiß die Franzoſen.","norm":"Diese Nation waren, soviel ich weiß die Franzosen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":172,"orig":"Aber die Empfindung des Naiven und das Intereſſe an demſelben iſt natuͤrlicherweiſe viel aͤlter, und datirt ſich ſchon von dem Anfang der moraliſchen und aͤſthetiſchen Verderbniß.","norm":"Aber die Empfindung des Naiven und das Interesse an demselben ist natürlicherweise viel älter, und datiert sich schon von dem Anfang der moralischen und ästhetischen Verderbnis."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":173,"orig":"Dieſe Veraͤnderung in der Empfindungsweiſe iſt zum Beyſpiel ſchon aͤuſſerſt auffallend im Euripides, wenn man dieſen mit ſeinen Vorgaͤngern beſonders dem Aeſchylus vergleicht, und doch war jener Dichter der Guͤnſtling ſeiner Zeit.","norm":"Diese Veränderung in der Empfindungsweise ist zum Beispiel schon äußerst auffallend im Euripides, wenn man diesen mit seinen Vorgängern besonders dem Aischylos vergleicht, und doch war jener Dichter der Günstling seiner Zeit."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":174,"orig":"Die nehmliche Revolution laͤßt ſich auch unter den alten Hiſtorikern nachweiſen.","norm":"Die nämliche Revolution lässt sich auch unter den alten Historikern nachweisen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":175,"orig":"Horatz, der Dichter eines kultivirten und verdorbenen Weltalters preißt die ruhige Gluͤckſeligkeit in ſeinem Tibur, und ihn koͤnnte man als den wahren Stifter dieſer ſentimentaliſchen Dichtungsart nennen, ſo wie er auch in derſelben ein noch nicht uͤbertroffenes Muſter iſt.","norm":"Horaz, der Dichter eines kultivierten und verdorbenen Weltalters preist die ruhige Glückseligkeit in seinem Tibur, und ihn könnte man als den wahren Stifter dieser sentimentalischen Dichtungsart nennen, so wie er auch in derselben ein noch nicht übertroffenes Muster ist."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":176,"orig":"Auch im Properz, Virgil u. a. findet man Spuren dieſer Empfindungsweiſe, weniger beym Ovid, dem es dazu an Fuͤlle des Herzens fehlte, und der in ſeinem Exil zu Tomi die Gluͤckſeligkeit ſchmerzlich vermißt, die Horaz in ſeinem Tibur ſo gern entbehrte.","norm":"Auch im Properz, Virgil u. a. findet man Spuren dieser Empfindungsweise, weniger beim Ovid, dem es dazu an Fülle des Herzens fehlte, und der in seinem Exil zu Tomi die Glückseligkeit schmerzlich vermisst, die Horaz in seinem Tibur so gern entbehrte."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":177,"orig":"Die Dichter ſind uͤberall, ſchon ihrem Begriffe nach, die Bewahrer der Natur.","norm":"Die Dichter sind überall, schon ihrem Begriffe nach, die Bewahrer der Natur."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":178,"orig":"Wo ſie dieſes nicht ganz mehr ſeyn koͤnnen, und ſchon in ſich ſelbſt den zerſtoͤrenden Einfluß willkuͤrlicher und kuͤnſtlicher Formen erfahren oder doch mit denſelben zu kaͤmpfen gehabt haben, da werden ſie als die Zeugen und als die Raͤcher der Natur auftreten.","norm":"Wo sie dieses nicht ganz mehr sein können, und schon in sich selbst den zerstörenden Einfluss willkürlicher und künstlicher Formen erfahren oder doch mit demselben zu kämpfen gehabt haben, da werden sie als die Zeugen und als die Rächer der Natur auftreten."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":179,"orig":"Sie werden alſo entweder Natur ſeyn, oder ſie werden die verlorene ſuchen.","norm":"Sie werden also entweder Natur sein, oder sie werden die verlorene suchen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":180,"orig":"Daraus entſpringen zwey ganz verſchiedene Dichtungsweiſen, durch welche das ganze Gebiet der Poeſie erſchoͤpft und ausgemeſſen wird.","norm":"Daraus entspringen zwei ganz verschiedene Dichtungsweisen, durch welche das ganze Gebiet der Poesie erschöpft und ausgemessen wird."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":181,"orig":"Alle Dichter, die es wirklich ſind, werden, je nachdem die Zeit beſchaffen iſt, in der ſie bluͤhen, oder zufaͤllige Umſtaͤnde auf ihre allgemeine Bildung und auf ihre voruͤbergehende Gemuͤthsſtimmnng Einfluß haben, entweder zu den naiven oder zu den ſentimentaliſchen gehoͤren.","norm":"Alle Dichter, die es wirklich sind, werden, je nachdem die Zeit beschaffen ist, in der sie blühen, oder zufällige Umstände auf ihre allgemeine Bildung und auf ihre vorübergehende Gemütsstimmung Einfluss haben, entweder zu den naiven oder zu den sentimentalischen gehören."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":182,"orig":"Der Dichter einer naiven und geiſtreichen Jugendwelt, ſo wie derjenige, der in den Zeitaltern kuͤnſtlicher Kultur ihm am naͤchſten kommt, iſt kalt, gleichguͤltig, verſchloſſen, ohne alle Vertraulichkeit.","norm":"Der Dichter einer naiven und geistreichen Jugendwelt, sowie derjenige, der in den Zeitaltern künstlicher Kultur ihm am nächsten kommt, ist kalt, gleichgültig, verschlossen, ohne alle Vertraulichkeit."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":183,"orig":"Streng und ſproͤde, wie die jungfraͤuliche Diana in ihren Waͤldern, entflieht er dem Herzen, das ihn ſucht, dem Verlangen, das ihn umfaſſen will.","norm":"Streng und spröde, wie die jungfräuliche Diana in ihren Wäldern, entflieht er dem Herzen, das ihn sucht, dem Verlangen, das ihn umfassen will."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":184,"orig":"Nichts erwiedert er, nichts kann ihn ſchmelzen, oder den ſtrengen Guͤrtel ſeiner Nuͤchternheit loͤſen.","norm":"Nichts erwidert er, nichts kann ihn schmelzen, oder den strengen Gürtel seiner Nüchternheit lösen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":185,"orig":"Die trockene Wahrheit, womit er den Gegenſtand behandelt, erſcheint nicht ſelten als Unempfindlichkeit.","norm":"Die trockene Wahrheit, womit er den Gegenstand behandelt, erscheint nicht selten als Unempfindlichkeit."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":186,"orig":"Das Objekt beſitzt ihn gaͤnzlich, ſein Herz liegt nicht wie ein ſchlechtes Metall gleich unter der Oberflaͤche, ſondern will wie das Gold in der Tiefe geſucht ſeyn.","norm":"Das Objekt besitzt ihn gänzlich, sein Herz liegt nicht wie ein schlechtes Metall gleich unter der Oberfläche, sondern will wie das Gold in der Tiefe gesucht sein."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":187,"orig":"Wie die Gottheit hinter dem Weltgebaͤude, ſo ſteht er hinter ſeinem Werk;","norm":"Wie die Gottheit hinter dem Weltgebäude, so steht er hinter seinem Werk;"} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":188,"orig":"Er iſt das Werk und das Werk iſt Er; man muß des erſtern ſchon nicht werth oder nicht maͤchtig oder ſchon ſatt ſeyn, um nach Ihm nur zu fragen.","norm":"Er ist das Werk und das Werk ist er; man muss des ersteren schon nicht wert oder nicht mächtig oder schon satt sein, um nach ihm nur zu fragen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":189,"orig":"So zeigt ſich z. B. Homer unter den Alten und Shakeſpeare unter den Neuern; zwey hoͤchſt verſchiedene, durch den unermeßlichen Abſtand der Zeitalter getrennte Naturen, aber gerade in dieſem Charakterzuge voͤllig eins.","norm":"So zeigt sich z. B. Homer unter den Alten und Shakespeare unter den Neueren; zwei höchst verschiedene, durch den unermesslichen Abstand der Zeitalter getrennte Naturen, aber gerade in diesem Charakterzuge völlig eins."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":190,"orig":"Als ich in einem ſehr fruͤhen Alter den letztern Dichter zuerſt kennen lernte, empoͤrte mich ſeine Kaͤlte, ſeine Unempfindlichkeit, die ihm erlaubte, im hoͤchſten Pathos zu ſcherzen, die Herzzerſchneidenden Auftritte im Hamlet, im Koͤnig Lear, im Makbeth u. ſ. f. durch einen Narren zu ſtoͤren, die ihn bald da feſt hielt, wo meine Empfindung forteilte, bald da kaltherzig fortriß, wo das Herz ſo gern ſtill geſtanden waͤre.","norm":"Als ich in einem sehr frühen Alter den letzteren Dichter zuerst kennenlernte, empörte mich seine Kälte, seine Unempfindlichkeit, die ihm erlaubte, im höchsten Pathos zu scherzen, die Herzzerschneidenden Auftritte im Hamlet, im König Lear, im Macbeth u. s. f. durch einen Narren zu stören, die ihn bald da festhielt, wo meine Empfindung forteilte, bald da kaltherzig fortriss, wo das Herz so gern stillgestanden wäre."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":191,"orig":"Durch die Bekanntſchaft mit neuern Poeten verleitet, in dem Werke den Dichter zuerſt aufzuſuchen, ſeinem Herzen zu begegnen, mit ihm gemeinſchaftlich uͤber ſeinen Gegenſtand zu reflektieren; kurz das Objekt in dem Subjekt anzuſchauen, war es mir unertraͤglich, daß der Poet ſich hier gar nirgends faſſen ließ und mir nirgends Rede ſtehen wollte.","norm":"Durch die Bekanntschaft mit neueren Poeten verleitet, in dem Werke den Dichter zuerst aufzusuchen, seinem Herzen zu begegnen, mit ihm gemeinschaftlich über seinen Gegenstand zu reflektieren; kurz das Objekt in dem Subjekt anzuschauen, war es mir unerträglich, dass der Poet sich hier gar nirgends fassen ließ und mir nirgends Rede stehen wollte."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":192,"orig":"Mehrere Jahre hatte er ſchon meine ganze Verchrung und war mein Studium, ehe ich ſein Individuum lieb gewinnen lernte.","norm":"Mehrere Jahre hatte er schon meine ganze Verehrung und war mein Studium, ehe ich sein Individuum liebgewinnen lernte."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":193,"orig":"Ich war noch nicht faͤhig, die Natur aus der erſten Hand zu verſtehen.","norm":"Ich war noch nicht fähig, die Natur aus der ersten Hand zu verstehen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":194,"orig":"Nur ihr durch den Verſtand reflektiertes und durch die Regel zurecht gelegtes Bild konnte ich ertragen, und dazu waren die ſentimentaliſchen Dichter der Franzoſen und auch der Deutſchen, von den Jahren 1750 bis etwa 1780, gerade die rechten Subjekte.","norm":"Nur ihr durch den Verstand reflektiertes und durch die Regel zurechtgelegtes Bild konnte ich ertragen, und dazu waren die sentimentalischen Dichter der Franzosen und auch der Deutschen, von den Jahren 1750 bis etwa 1780, gerade die rechten Subjekte."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":195,"orig":"Uebrigens ſchaͤme ich mich dieſes Kinderurtheils nicht, da die bejahrte Kritik ein aͤhnliches faͤllte, und naiv genug war, es in die Welt hineinzuſchreiben.","norm":"Übrigens schäme ich mich dieses Kinderurteils nicht, da die bejahrte Kritik ein ähnliches fällte, und naiv genug war, es in die Welt hineinzuschreiben."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":196,"orig":"Daſſelbe iſt mir auch mit dem Homer begegnet, den ich in einer noch ſpaͤtern Periode kennen lernte.","norm":"Dasselbe ist mir auch mit dem Homer begegnet, den ich in einer noch späteren Periode kennenlernte."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":197,"orig":"Ich erinnere mich jetzt der merkwuͤrdigen Stelle im VI Buch der Ilias, wo Glaukus und Diomed im Gefecht auf einander ſtoſſen, und nachdem ſie ſich als Gaſtfreunde erkannt, einander Geſchenke geben.","norm":"Ich erinnere mich jetzt der merkwürdigen Stelle im VI Buch der Ilias, wo Glaukus und Diomed im Gefecht aufeinanderstoßen, und nachdem sie sich als Gastfreunde erkannt, einander Geschenke geben."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":198,"orig":"Dieſem ruͤhrenden Gemaͤhlde der Pietaͤt, mit der die Geſetze des Gaſtrechts ſelbſt im Kriege beobachtet wurden, kann eine Schilderung des ritterlichen Edelmuths im Arioſt an die Seite geſtellt werden, wo zwey Ritter und Nebenbuler, Ferrau und Rinald, dieſer ein Chriſt, jener ein Saracene, nach einem heftigen Kampf und mit Wunden bedeckt, Friede machen, und um die fluͤchtige Angelika einzuhohlen, das nehmliche Pferd beſteigen.","norm":"Diesem rührenden Gemälde der Pietät, mit der die Gesetze des Gastrechts selbst im Kriege beobachtet wurden, kann eine Schilderung des ritterlichen Edelmuts im Ariost an die Seite gestellt werden, wo zwei Ritter und Nebenbuhler, Ferrau und Rinald, dieser ein Christ, jener ein Sarazene, nach einem heftigen Kampf und mit Wunden bedeckt, Friede machen, und um die flüchtige Angelika einzuholen, das nämliche Pferd besteigen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":199,"orig":"Beyde Beyſpiele, ſo verſchieden ſie uͤbrigens ſeyn moͤgen, kommen einander in der Wirkung auf unſer Herz beynahe gleich, weil beyde den ſchoͤnen Sieg der Sitten uͤber die Leidenſchaft mahlen, und uns durch Naivheit der Geſinnungen ruͤhren.","norm":"Beide Beispiele, so verschieden sie übrigens sein mögen, kommen einander in der Wirkung auf unser Herz beinahe gleich, weil beide den schönen Sieg der Sitten über die Leidenschaft malen, und uns durch Naivität der Gesinnungen rühren."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":200,"orig":"Aber wie ganz verſchieden nehmen ſich die Dichter bey Beſchreibung dieſer aͤhnlichen Handlung.","norm":"Aber wie ganz verschieden nehmen sich die Dichter bei Beschreibung dieser ähnlichen Handlung."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":201,"orig":"Arioſt, der Buͤrger einer ſpaͤteren und von der Einfalt der Sitten abgekommenen Welt kann bey der Erzaͤhlung dieſes Vorfalls, ſeine eigene Verwunderung, ſeine Ruͤhrung nicht verbergen.","norm":"Ariost, der Bürger einer späteren und von der Einfalt der Sitten abgekommenen Welt kann bei der Erzählung dieses Vorfalls, seine eigene Verwunderung, seine Rührung nicht verbergen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":202,"orig":"Das Gefuͤhl des Abſtandes jener Sitten von denjenigen, die Sein Zeitalter charakteriſieren, uͤberwaͤltigt ihn.","norm":"Das Gefühl des Abstandes jener Sitten von denjenigen, die Sein Zeitalter charakterisieren, überwältigt ihn."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":203,"orig":"Er verlaͤßt auf einmal das Gemaͤhlde des Gegenſtandes und erſcheint in eigener Perſon:","norm":"Er verlässt auf einmal das Gemälde des Gegenstandes und erscheint in eigener Person:"} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":204,"orig":"Man kennt die ſchoͤne Stanze und hat ſie immer vorzuͤglich bewundert:","norm":"Man kennt die schöne Stanze und hat sie immer vorzüglich bewundert:"} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":205,"orig":"O Edelmuth der alten Ritterſitten!","norm":"O Edelmut der alten Rittersitten!"} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":206,"orig":"Die Nebenbuler waren, die entzweyt Im Glauben waren, bittern Schmerz noch litten Am ganzen Leib von feindlich wilden Streit, Frey von Verdacht und in Gemeinſchaft ritten Sie durch des krummen Pfades Dunkelheit.","norm":"Die Nebenbuhler waren, die entzweit im Glauben waren, bitteren Schmerz noch litten am ganzen Leib von feindlich wilden Streit, frei von Verdacht und in Gemeinschaft ritten Sie durch des krummen Pfades Dunkelheit."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":207,"orig":"Das Roß, getrieben von vier Sporen, eilte Biß wo der Weg ſich in zwey Straßen theilte.","norm":"Das Ross, getrieben von vier Sporen, eilte bis wo der Weg sich in zwei Straßen teilte."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":208,"orig":"Und nun der alte Homer!","norm":"Und nun der alte Homer!"} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":209,"orig":"Kaum erfaͤhrt Diomed aus Glaukus ſeines Gegners Erzaͤhlung, daß dieſer von Vaͤterzeiten her ein Gaſtfreund ſeines Geſchlechts iſt, ſo ſteckt er die Lanze in die Erde, redet freundlich mit ihm, und macht mit ihm aus, daß ſie einander im Gefechte kuͤnftig ausweichen wollen.","norm":"Kaum erfährt Diomed aus Glaukus seines Gegners Erzählung, dass dieser von Väterzeiten her ein Gastfreund seines Geschlechts ist, so steckt er die Lanze in die Erde, redet freundlich mit ihm, und macht mit ihm aus, dass sie einander im Gefechte künftig ausweichen wollen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":210,"orig":"Doch man hoͤre den Homer ſelbſt:","norm":"Doch man höre den Homer selbst:"} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":211,"orig":"Alſo bin ich nunmehr dein Gaſtfreund mitten in Argos, Du in Lykia mir, wenn jenes Land ich beſuche.","norm":"Also bin ich nunmehr dein Gastfreund mitten in Argos, Du in Lykia mir, wenn jenes Land ich besuche."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":212,"orig":"Drum mit unſeren Lanzen vermeiden wir uns im Getuͤmmel.","norm":"Darum mit unseren Lanzen vermeiden wir uns im Getümmel."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":213,"orig":"Viel ja ſind der Troer mir ſelbſt und der ruͤhmlichen Helfer, Daß ich toͤdte, wen Gott mir gewaͤhrt, und die Schenkel erreichen;","norm":"Viel ja sind der Trojaner mir selbst und der rühmlichen Helfer, dass ich töte, wen Gott mir gewährt, und die Schenkel erreichen;"} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":214,"orig":"Viel auch dir der Achaier, daß, welchen du kannſt, du erlegeſt.","norm":"Viel auch dir der Achaier, dass, welchen du kannst, du erlegest."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":215,"orig":"Aber die Ruͤſtungen beide vertauſchen wir, daß auch die andern Schaun, wie wir Gaͤſte zu ſeyn aus Vaͤterzeiten uns ruͤhmen.","norm":"Aber die Rüstungen beide vertauschen wir, dass auch die anderen Schauen, wie wir Gäste zu sein aus Väterzeiten uns rühmen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":216,"orig":"Alſo redeten jene, herab von den Wagen ſich ſchwingend Faßten ſie beide einander die Haͤnd und gelobten ſich Freundſchaft.","norm":"Also redeten jene, herab von den Wagen sich schwingend Fassten sie beide einander die Hände und gelobten sich Freundschaft."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":217,"orig":"”","norm":"”"} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":218,"orig":"Schwerlich duͤrfte ein moderner Dichter (wenigſtens ſchwerlich einer, der es in der moraliſchen Bedeutung dieſes Worts iſt) auch nur biß hieher gewartet haben um ſeine Freude an dieſer Handlung zu bezeugen.","norm":"Schwerlich dürfte ein moderner Dichter (wenigstens schwerlich einer, der es in der moralischen Bedeutung dieses Worts ist) auch nur bis hierher gewartet haben um seine Freude an dieser Handlung zu bezeugen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":219,"orig":"Wir wuͤrden es ihm um ſo leichter verzeyhen, da auch unſer Herz beym Leſen einen Stillſtand macht, und ſich von dem Objekte gern entfernt, um in ſich ſelbſt zu ſchauen.","norm":"Wir würden es ihm um so leichter verzeihen, da auch unser Herz beim Lesen einen Stillstand macht, und sich von dem Objekte gern entfernt, um in sich selbst zu schauen."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":220,"orig":"Aber von allem dieſem keine Spur im Homer; als ob er etwas alltaͤgliches berichtet haͤtte, ja als ob er ſelbſt kein Herz in dem Buſen truͤge, faͤhrt er in ſeiner trockenen Wahrhaftigkeit fort:","norm":"Aber von allem diesem keine Spur im Homer; als ob er etwas Alltägliches berichtet hätte, ja als ob er selbst kein Herz in dem Busen trüge, fährt er in seiner trockenen Wahrhaftigkeit fort:"} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":221,"orig":"Doch den Glaukus erregete Zevs, daß er ohne Beſinnung Gegen den Held Diomedes die Ruͤſtungen, goldne mit ehrnen Wechſelte, hundert Farren werth, neun Farren die andern","norm":"Doch den Glaukus erregte Zeus, dass er ohne Besinnung gegen den Held Diomedes die Rüstungen, goldene mit ehernen wechselte, hundert Farren wert, neun Farren die anderen"} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":222,"orig":"Dichter von dieſer naiven Gattung ſind in einem kuͤnftlichen Weltalter nicht ſo recht mehr an ihrer Stelle.","norm":"Dichter von dieser naiven Gattung sind in einem künstlichen Weltalter nicht so recht mehr an ihrer Stelle."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":223,"orig":"Auch ſind ſie in demſelben kaum mehr moͤglich, wenigſtens auf keine andere Weiſe moͤglich als daß ſie in ihrem Zeitalter wild laufen, und durch ein guͤnſtiges Geſchick vor dem verſtuͤmmelnden Einfluß deſſelben geborgen werden.","norm":"Auch sind sie in demselben kaum mehr möglich, wenigstens auf keine andere Weise möglich als dass sie in ihrem Zeitalter wild laufen, und durch ein günstiges Geschick vor dem verstümmelnden Einfluss desselben geborgen werden."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":224,"orig":"Aus der Societaͤt ſelbſt koͤnnen ſie nie und nimmer hervorgehen; aber auſſerhalb derſelben erſcheinen ſie noch zuweilen, doch mehr als Fremdlinge die man anſtaunt, und als ungezogene Soͤhne der Natur, an denen man ſich aͤrgert.","norm":"Aus der Sozietät selbst können sie nie und nimmer hervorgehen; aber außerhalb derselben erscheinen sie noch zuweilen, doch mehr als Fremdlinge die man anstaunt, und als ungezogene Söhne der Natur, an denen man sich ärgert."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":225,"orig":"So wohlthaͤtige Erſcheinungen ſie fuͤr den Kuͤnſtler ſind, der ſie ſtudiert, und fuͤr den aͤchten Kenner, der ſie zu wuͤrdigen verſteht, ſo wenig Gluͤck machen ſie im Ganzen und bey ihrem Jahrhundert.","norm":"So wohltätige Erscheinungen sie für den Künstler sind, der sie studiert, und für den echten Kenner, der sie zu würdigen versteht, so wenig Glück machen sie im Ganzen und bei ihrem Jahrhundert."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":226,"orig":"Das Siegel des Herrſchers ruht auf ihrer Stirne; wir hingegen wollen von den Muſen gewiegt und getragen werden.","norm":"Das Siegel des Herrschers ruht auf ihrer Stirn; wir hingegen wollen von den Musen gewiegt und getragen werden."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":227,"orig":"Von den Kritikern, den eigentlichen Zaunhuͤtern des Geſchmacks, werden ſie als Grenzſtoͤrer gehaßt, die man lieber unterdruͤcken moͤchte; denn ſelbſt Homer duͤrfte es bloß der Kraft eines mehr als tauſendjaͤhrigen Zeugniſſes zu verdanken haben, daß ihn dieſe Geſchmacksrichter gelten laſſen; auch wird es ihnen ſauer genug, ihre Regeln gegen ſein Beyſpiel, und ſein Anſehen gegen ihre Regeln zu behaupten.","norm":"Von den Kritikern, den eigentlichen Zaunhütern des Geschmacks, werden sie als Grenzstörer gehasst, die man lieber unterdrücken möchte; denn selbst Homer dürfte es bloß der Kraft eines mehr als tausendjährigen Zeugnisses zu verdanken haben, dass ihn diese Geschmacksrichter gelten lassen; auch wird es ihnen sauer genug, ihre Regeln gegen sein Beispiel, und sein Ansehen gegen ihre Regeln zu behaupten."} {"basename":"schiller_naive01_1795","par_idx":228,"orig":"Im naͤchſten Stuͤck einige Worte uͤber die ſentimentaliſchen Dichter.","norm":"Im nächsten Stück einige Worte über die sentimentalischen Dichter."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":0,"orig":"Der dichteriſche Geiſt iſt unſterblich und unverlierbar in der Menſchheit; er kann nicht anders als zugleich mit derſelben und mit der Anlage zu ihr ſich verlieren.","norm":"Der dichterische Geist ist unsterblich und unverlierbar in der Menschheit; er kann nicht anders als zugleich mit derselben und mit der Anlage zu ihr sich verlieren."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":1,"orig":"Denn entfernt ſich gleich der Menſch durch die Freyheit ſeiner Phantaſie und ſeines Verſtandes von der Einfalt, Wahrheit und Nothwendigkeit der Natur, ſo ſteht ihm doch nicht nur der Pfad zu derſelben immer offen, ſondern ein maͤchtiger und unvertilgbarer Trieb, der moraliſche, treibt ihn auch unaufhoͤrlich zu ihr zuruͤck, und eben mit dieſem Triebe ſteht das Dichtungsvermoͤgen in der engſten Verwandtſchaft.","norm":"Denn entfernt sich gleich der Mensch durch die Freiheit seiner Phantasie und seines Verstandes von der Einfalt, Wahrheit und Notwendigkeit der Natur, so steht ihm doch nicht nur der Pfad zu derselben immer offen, sondern ein mächtiger und unvertilgbarer Trieb, der moralische, treibt ihn auch unaufhörlich zu ihr zurück, und eben mit diesem Triebe steht das Dichtungsvermögen in der engsten Verwandtschaft."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":2,"orig":"Dieſes verliert ſich alſo nicht auch zugleich mit der natuͤrlichen Einfalt, ſondern wirkt nur nach einer andern Richtung.","norm":"Dieses verliert sich also nicht auch zugleich mit der natürlichen Einfalt, sondern wirkt nur nach einer anderen Richtung."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":3,"orig":"Auch jetzt iſt die Natur noch die einzige Flamme, an der ſich der Dichtergeiſt naͤhret, aus ihr allein ſchoͤpft er ſeine ganze Macht, zu ihr allein ſpricht er auch in dem kuͤnſtlichen, in der Kultur begriffenen Menſchen.","norm":"Auch jetzt ist die Natur noch die einzige Flamme, an der sich der Dichtergeist nähret, aus ihr allein schöpft er seine ganze Macht, zu ihr allein spricht er auch in dem künstlichen, in der Kultur begriffenen Menschen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":4,"orig":"Jede andere Art zu wirken, iſt dem poetiſchen Geiſte fremd; daher, beilaͤufig zu ſagen, alle ſogenannten Werke des Witzes ganz mit Unrecht poetiſch heißen, ob wir ſie gleich lange Zeit, durch das Anſehen der franzoͤſiſchen Litteratur verleitet, damit vermenget haben.","norm":"Jede andere Art zu wirken, ist dem poetischen Geiste fremd; daher, beiläufig zu sagen, alle sogenannten Werke des Witzes ganz mit Unrecht poetisch heißen, ob wir sie gleich lange Zeit, durch das Ansehen der französischen Literatur verleitet, damit vermenget haben."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":5,"orig":"Die Natur, ſage ich, iſt es auch noch jetzt, in dem kuͤnſtlichen Zuſtande der Kultur, wodurch der Dichtergeiſt maͤchtig iſt, nur ſteht er jetzt in einem ganz andern Verhaͤltniß zu derſelben.","norm":"Die Natur, sage ich, ist es auch noch jetzt, in dem künstlichen Zustande der Kultur, wodurch der Dichtergeist mächtig ist, nur steht er jetzt in einem ganz anderen Verhältnis zu derselben."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":6,"orig":"So lange der Menſch noch reine, es verſteht ſich, nicht rohe Natur iſt, wirkt er als ungetheilte ſinnliche Einheit, und als ein harmonierendes Ganze.","norm":"Solange der Mensch noch reine, es versteht sich, nicht rohe Natur ist, wirkt er als ungeteilte sinnliche Einheit, und als ein harmonierendes Ganze."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":7,"orig":"Sinne und Vernunft, empfangendes und ſelbſtthaͤtiges Vermoͤgen, haben ſich in ihrem Geſchaͤfte noch nicht getrennt, vielweniger ſtehen ſie im Widerſpruch miteinander.","norm":"Sinne und Vernunft, empfangendes und selbsttätiges Vermögen, haben sich in ihrem Geschäfte noch nicht getrennt, viel weniger stehen sie im Widerspruch miteinander."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":8,"orig":"Seine Empfindungen ſind nicht das formloſe Spiel des Zufalls, ſeine Gedanken nicht das gehaltloſe Spiel der Vorſtellungskraft; aus dem Geſetz der Nothwendigkeit gehen jene, aus der Wirklichkeit gehen dieſe hervor.","norm":"Seine Empfindungen sind nicht das formlose Spiel des Zufalls, seine Gedanken nicht das gehaltlose Spiel der Vorstellungskraft; aus dem Gesetz der Notwendigkeit gehen jene, aus der Wirklichkeit gehen diese hervor."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":9,"orig":"Iſt der Menſch in den Stand der Kultur getreten, und hat die Kunſt ihre Hand an ihn gelegt, ſo iſt jene ſinnliche Harmonie in ihm aufgehoben, und er kann nur noch als moraliſche Einheit, d. h. als nach Einheit ſtrebend, ſich aͤußern.","norm":"Ist der Mensch in den Stand der Kultur getreten, und hat die Kunst ihre Hand an ihn gelegt, so ist jene sinnliche Harmonie in ihm aufgehoben, und er kann nur noch als moralische Einheit, d. h. als nach Einheit strebend, sich äußeren."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":10,"orig":"Die Uebereinſtimmung zwiſchen ſeinem Empfinden und Denken, die in dem erſten Zuſtande wirklich ſtatt fand, exiſtiert jetzt bloß idealiſch; ſie iſt nicht mehr in ihm, ſondern außer ihm; als ein Gedanke, der erſt realiſiert werden ſoll, nicht mehr als Thatſache ſeines Lebens.","norm":"Die Übereinstimmung zwischen seinem Empfinden und Denken, die in dem ersten Zustande wirklich stattfand, existiert jetzt bloß idealisch; sie ist nicht mehr in ihm, sondern außer ihm; als ein Gedanke, der erst realisiert werden soll, nicht mehr als Tatsache seines Lebens."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":11,"orig":"Wendet man nun den Begriff der Poeſie, der kein andrer iſt, als der Menſchheit ihren moͤglichſt vollſtaͤndigen Ausdruck zu geben, auf jene beyden Zuſtaͤnde an, ſo ergiebt ſich, daß dort in dem Zuſtande natuͤrlicher Einfalt, wo der Menſch noch, mit allen ſeinen Kraͤften zugleich, als harmoniſche Einheit wirkt, wo mithin das Ganze ſeiner Natur ſich in der Wirklichkeit vollſtaͤndig ausdruͤkt, die moͤglichſt vollſtaͤndige Nachahmung des Wirklichen — daß hingegen hier in dem Zuſtande der Kultur, wo jenes harmoniſche Zuſammenwirken ſeiner ganzen Natur bloß eine Idee iſt, die Erhebung der Wirklichkeit zum Ideal oder was auf eins hinauslaͤuft, die Darſtellung des Ideals den Dichter machen muß.","norm":"Wendet man nun den Begriff der Poesie, der kein anderer ist, als der Menschheit ihren möglichst vollständigen Ausdruck zu geben, auf jene beiden Zustände an, so ergibt sich, dass dort in dem Zustande natürlicher Einfalt, wo der Mensch noch, mit allen seinen Kräften zugleich, als harmonische Einheit wirkt, wo mithin das Ganze seiner Natur sich in der Wirklichkeit vollständig ausdrückt, die möglichst vollständige Nachahmung des Wirklichen — dass hingegen hier in dem Zustande der Kultur, wo jenes harmonische Zusammenwirken seiner ganzen Natur bloß eine Idee ist, die Erhebung der Wirklichkeit zum Ideal oder was auf eins hinausläuft, die Darstellung des Ideals den Dichter machen muss."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":12,"orig":"Und dieß ſind auch die zwey einzig moͤglichen Arten, wie ſich uͤberhaupt der poetiſche Genius aͤuſſern kann.","norm":"Und dies sind auch die zwei einzig möglichen Arten, wie sich überhaupt der poetische Genius äußeren kann."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":13,"orig":"Sie ſind, wie man ſieht, aͤuſſerſt von einander verſchieden, aber es giebt einen hoͤhern Begriff, der ſie beyde unter ſich faßt, und es darf gar nicht befremden, wenn dieſer Begriff mit der Idee der Menſchheit in eins zuſammentrifft.","norm":"Sie sind, wie man sieht, äußerst voneinander verschieden, aber es gibt einen höheren Begriff, der sie beide unter sich fasst, und es darf gar nicht befremden, wenn dieser Begriff mit der Idee der Menschheit in eins zusammentrifft."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":14,"orig":"Es iſt hier der Ort nicht, dieſen Gedanken, den nur eine eigene Ausfuͤhrung in ſein volles Licht ſetzen kann, weiter zu verfolgen.","norm":"Es ist hier der Ort nicht, diesen Gedanken, den nur eine eigene Ausführung in sein volles Licht setzen kann, weiterzuverfolgen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":15,"orig":"Wer aber nur irgend, dem Geiſte nach, und nicht bloß nach zufaͤlligen Formen eine Vergleichung zwiſchen alten und modernen Dichtern anzuſtellen verſteht, wird ſich leicht von der Wahrheit deſſelben uͤberzeugen koͤnnen.","norm":"Wer aber nur irgend, dem Geiste nach, und nicht bloß nach zufälligen Formen eine Vergleichung zwischen alten und modernen Dichteren anzustellen versteht, wird sich leicht von der Wahrheit desselben überzeugen können."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":16,"orig":"Jene ruͤhren uns durch Natur, durch ſinnliche Wahrheit, durch lebendige Gegenwart; dieſe ruͤhren uns durch Ideen.","norm":"Jene rühren uns durch Natur, durch sinnliche Wahrheit, durch lebendige Gegenwart; diese rühren uns durch Ideen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":17,"orig":"Dieſer Weg, den die neueren Dichter gehen, iſt uͤbrigens derſelbe, den der Menſch uͤberhaupt ſowohl im Einzelnen als im Ganzen einſchlagen muß.","norm":"Dieser Weg, den die neueren Dichter gehen, ist übrigens derselbe, den der Mensch überhaupt sowohl im Einzelnen als im Ganzen einschlagen muss."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":18,"orig":"Die Natur macht ihn mit ſich Eins, die Kunſt trennt und entzweyet ihn, durch das Ideal kehrt er zur Einheit zuruͤck.","norm":"Die Natur macht ihn mit sich Eins, die Kunst trennt und entzweiet ihn, durch das Ideal kehrt er zur Einheit zurück."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":19,"orig":"Weil aber das Ideal ein unendliches iſt, das er niemals erreicht, ſo kann der kultivierte Menſch in ſeiner Art niemals vollkommen werden, wie doch der natuͤrliche Menſch es in der ſeinigen zu werden vermag.","norm":"Weil aber das Ideal ein Unendliches ist, das er niemals erreicht, so kann der kultivierte Mensch in seiner Art niemals vollkommen werden, wie doch der natürliche Mensch es in der seinigen zu werden vermag."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":20,"orig":"Er muͤßte alſo dem letztern an Vollkommenheit unendlich nachſtehen, wenn bloß auf das Verhaͤltniß, in welchem beide zu ihrer Art und zu ihrem Maximum ſtehen, geachtet wird.","norm":"Er müsste also dem letzteren an Vollkommenheit unendlich nachstehen, wenn bloß auf das Verhältnis, in welchem beide zu ihrer Art und zu ihrem Maximum stehen, geachtet wird."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":21,"orig":"Vergleicht man hingegen die Arten ſelbſt mit einander, ſo zeigt ſich, daß das Ziel, zu welchem der Menſch durch Kultur ſtrebt, demjenigen, welches er durch Natur erreicht, unendlich vorzuziehen iſt.","norm":"Vergleicht man hingegen die Arten selbst miteinander, so zeigt sich, dass das Ziel, zu welchem der Mensch durch Kultur strebt, demjenigen, welches er durch Natur erreicht, unendlich vorzuziehen ist."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":22,"orig":"Der eine erhaͤlt alſo ſeinen Werth durch abſolute Erreichung einer endlichen, der andre erlangt ihn durch Annaͤherung zu einer unendlichen Groͤße.","norm":"Der eine erhält also seinen Wert durch absolute Erreichung einer endlichen, der andere erlangt ihn durch Annäherung zu einer unendlichen Größe."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":23,"orig":"Weil aber nur die letztere Grade und einen Fortſchritt hat, ſo iſt der relative Werth des Menſchen, der in der Kultur begriffen iſt, im Ganzen genommen, niemals beſtimmbar, obgleich derſelbe im einzelnen betrachtet ſich in einem nothwendigen Nachtheil gegen denjenigen befindet, in welchem die Natur in ihrer ganzen Vollkommenheit wirkt.","norm":"Weil aber nur die letztere Grade und einen Fortschritt hat, so ist der relative Wert des Menschen, der in der Kultur begriffen ist, im Ganzen genommen, niemals bestimmbar, obgleich derselbe im Einzelnen betrachtet sich in einem notwendigen Nachteil gegen denjenigen befindet, in welchem die Natur in ihrer ganzen Vollkommenheit wirkt."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":24,"orig":"Inſofern aber das letzte Ziel der Menſchheit nicht anders als durch jene Fortſchreitung zu erreichen iſt, und der letztere nicht anders fortſchreiten kann, als indem er ſich kultiviert und folglich in den erſtern uͤbergeht, ſo iſt keine Frage, welchem von beyden in Ruͤckſicht auf jenes letzte Ziel der Vorzug gebuͤhre.","norm":"Insofern aber das letzte Ziel der Menschheit nicht anders als durch jene Fortschreitung zu erreichen ist, und der letztere nicht anders fortschreiten kann, als indem er sich kultiviert und folglich in den ersteren übergeht, so ist keine Frage, welchem von beiden in Rücksicht auf jenes letzte Ziel der Vorzug gebühre."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":25,"orig":"Daſſelbe, was hier von den zwey verſchiedenen Formen der Menſchheit geſagt wird, laͤßt ſich auch auf jene beyden, ihnen entſprechenden, Dichterformen anwenden.","norm":"Dasselbe, was hier von den zwei verschiedenen Formen der Menschheit gesagt wird, lässt sich auch auf jene beiden, ihnen entsprechenden, Dichterformen anwenden."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":26,"orig":"Man haͤtte deßwegen alte und moderne — naive und ſentimentaliſche — Dichter entweder gar nicht, oder nur unter einem gemeinſchaftlichen hoͤhern Begriff (einen ſolchen giebt es wirklich) miteinander vergleichen ſollen.","norm":"Man hätte deswegen alte und moderne — naive und sentimentalische — Dichter entweder gar nicht, oder nur unter einem gemeinschaftlichen höheren Begriff (einen solchen gibt es wirklich) miteinander vergleichen sollen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":27,"orig":"Denn freylich, wenn man den Gattungsbegriff der Poeſie zuvor einſeitig aus den alten Poeten abſtrahiert hat, ſo iſt nichts leichter, aber auch nichts trivialer, als die modernen gegen ſie herabzuſetzen.","norm":"Denn freilich, wenn man den Gattungsbegriff der Poesie zuvor einseitig aus den alten Poeten abstrahiert hat, so ist nichts leichter, aber auch nichts trivialer, als die modernen gegen sie herabzusetzen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":28,"orig":"Wenn man nur das Poeſie nennt, was zu allen Zeiten auf die einfaͤltige Natur gleichfoͤrmig wirkte, ſo kann es nicht anders ſeyn, als daß man den neuern Poeten gerade in ihrer eigenſten und erhabenſten Schoͤnheit den Nahmen der Dichter wird ſtreitig machen muͤſſen, weil ſie gerade hier nur zu dem Zoͤgling der Kunſt ſprechen, und der einfaͤltigen Natur nichts zu ſagen haben.","norm":"Wenn man nur das Poesie nennt, was zu allen Zeiten auf die einfältige Natur gleichförmig wirkte, so kann es nicht anders sein, als dass man den neueren Poeten gerade in ihrer eigensten und erhabensten Schönheit den Namen der Dichter wird streitig machen müssen, weil sie gerade hier nur zu dem Zögling der Kunst sprechen, und der einfältigen Natur nichts zu sagen haben."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":29,"orig":"Weſſen Gemuͤth nicht ſchon zubereitet iſt, uͤber die Wirklichkeit hinaus ins Ideenreich zu gehen, fuͤr den wird der reichſte Gehalt leerer Schein und der hoͤchſte Dichterſchwung Ueberſpannung ſeyn.","norm":"Wessen Gemüt nicht schon zubereitet ist, über die Wirklichkeit hinaus ins Ideenreich zu gehen, für den wird der reichste Gehalt leerer Schein und der höchste Dichterschwung Überspannung sein."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":30,"orig":"Keinem Vernuͤnftigen kann es einfallen, in demjenigen, worinn Homer groß iſt, irgend einen Neuern ihm an die Seite ſtellen zu wollen, und es klingt laͤcherlich genug, wenn man einen Milton oder Klopſtock mit dem Nahmen eines neuern Homer beehrt ſieht.","norm":"Keinem Vernünftigen kann es einfallen, in demjenigen, worin Homer groß ist, irgendeinen Neueren ihm an die Seite stellen zu wollen, und es klingt lächerlich genug, wenn man einen Milton oder Klopstock mit dem Namen eines neueren Homer beehrt sieht."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":31,"orig":"Eben ſo wenig aber wird irgend ein alter Dichter und am wenigſten Homer in demjenigen, was den modernen Dichter charakteriſtiſch auszeichnet, die Vergleichung mit demſelben aushalten koͤnnen.","norm":"Ebensowenig aber wird irgendein alter Dichter und am wenigsten Homer in demjenigen, was den modernen Dichter charakteristisch auszeichnet, die Vergleichung mit demselben aushalten können."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":32,"orig":"Jener, moͤchte ich es ausdruͤcken, iſt maͤchtig durch die Kunſt der Begrenzung, dieſer iſt es durch die Kunſt des Unendlichen.","norm":"Jener, möchte ich es ausdrücken, ist mächtig durch die Kunst der Begrenzung, dieser ist es durch die Kunst des Unendlichen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":33,"orig":"Und eben daraus, daß die Staͤrke des alten Kuͤnſtlers (denn was hier von dem Dichter geſagt worden, kann unter den Einſchraͤnkungen, die ſich von ſelbſt ergeben, auch auf den ſchoͤnen Kuͤnſtler uͤberhaupt ausgedehnt werden) in der Begrenzung beſtehet, erklaͤrt ſich der hohe Vorzug, den die bildende Kunſt des Alterthums uͤber die der neueren Zeiten behauptet, und uͤberhaupt das ungleiche Verhaͤltniß des Werths, in welchem moderne Dichtkunſt und moderne bildende Kunſt zu beyden Kunſtgattungen im Alterthum ſtehen.","norm":"Und eben daraus, dass die Stärke des alten Künstlers (denn was hier von dem Dichter gesagt worden, kann unter den Einschränkungen, die sich von selbst ergeben, auch auf den schönen Künstler überhaupt ausgedehnt werden) in der Begrenzung bestehet, erklärt sich der hohe Vorzug, den die bildende Kunst des Altertums über die der neueren Zeiten behauptet, und überhaupt das ungleiche Verhältnis des Werts, in welchem moderne Dichtkunst und moderne bildende Kunst zu beiden Kunstgattungen im Altertum stehen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":34,"orig":"Ein Werk fuͤr das Auge findet nur in der Begrenzung ſeine Vollkommenheit; ein Werk fuͤr die Einbildungskraft kann ſie auch durch das Unbegrenzte erreichen.","norm":"Ein Werk für das Auge findet nur in der Begrenzung seine Vollkommenheit; ein Werk für die Einbildungskraft kann sie auch durch das Unbegrenzte erreichen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":35,"orig":"In plaſtiſchen Werken hilft daher dem Neuern ſeine Ueberlegenheit in Ideen wenig; hier iſt er genoͤthigt, das Bild ſeiner Einbildungskraft auf das genaueſte im Raum zu beſtimmen, und ſich folglich mit dem alten Kuͤnſtler gerade in derjenigen Eigenſchaft zu meſſen, worinn dieſer ſeinen unabſtreitbaren Vorzug hat.","norm":"In plastischen Werken hilft daher dem Neueren seine Überlegenheit in Ideen wenig; hier ist er genötigt, das Bild seiner Einbildungskraft auf das Genaueste im Raum zu bestimmen, und sich folglich mit dem alten Künstler gerade in derjenigen Eigenschaft zu messen, worin dieser seinen unabstreitbaren Vorzug hat."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":36,"orig":"In poetiſchen Werken iſt es anders, und ſiegen gleich die alten Dichter auch hier in der Einfalt der Formen und in dem was ſinnlich darſtellbar und koͤrperlich iſt, ſo kann der neuere ſie wieder im Reichthum des Stoffes, in dem was undarſtellbar und unausſprechlich iſt, kurz, in dem was man in Kunſtwerken Geiſt nennt, hinter ſich laſſen.","norm":"In poetischen Werken ist es anders, und siegen gleich die alten Dichter auch hier in der Einfalt der Formen und in dem was sinnlich darstellbar und körperlich ist, so kann der neuere sie wieder im Reichtum des Stoffes, in dem was undarstellbar und unaussprechlich ist, kurz, in dem was man in Kunstwerken Geist nennt, hinter sich lassen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":37,"orig":"Da der naive Dichter bloß der einfachen Natur und Empfindung folgt, und ſich bloß auf Nachahmung der Wirklichkeit beſchraͤnkt, ſo kann er zu ſeinem Gegenſtand auch nur ein einziges Verhaͤltniß haben, und es giebt, in dieſer Ruͤckſicht, fuͤr ihn keine Wahl der Behandlung.","norm":"Da der naive Dichter bloß der einfachen Natur und Empfindung folgt, und sich bloß auf Nachahmung der Wirklichkeit beschränkt, so kann er zu seinem Gegenstand auch nur ein einziges Verhältnis haben, und es gibt, in dieser Rücksicht, für ihn keine Wahl der Behandlung."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":38,"orig":"Der verſchiedene Eindruck naiver Dichtungen beruht, (vorausgeſetzt, daß man alles hinweg denkt, was daran dem Inhalt gehoͤrt und jenen Eindruck nur als das reine Werk der poetiſchen Behandlung betrachtet) beruht ſage ich bloß auf dem verſchiedenen Grad einer und derſelben Empſindungsweiſe; ſelbſt die Verſchiedenheit in den aͤuſern Formen kann in der Qualitaͤt jenes aeſthetiſchen Eindrucks keine Veraͤnderung machen.","norm":"Der verschiedene Eindruck naiver Dichtungen beruht, (vorausgesetzt, dass man alles hinwegdenkt, was daran dem Inhalt gehört und jenen Eindruck nur als das reine Werk der poetischen Behandlung betrachtet) beruht sage ich bloß auf dem verschiedenen Grad einer und derselben Empfindungsweise; selbst die Verschiedenheit in den äußeren Formen kann in der Qualität jenes ästhetischen Eindrucks keine Veränderung machen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":39,"orig":"Die Form ſey lyriſch oder epiſch, dramatiſch oder beſchreibend; wir koͤnnen wohl ſchwaͤcher und ſtaͤrker, aber (ſobald von dem Stoff abſtrahiert wird) nie verſchiedenartig geruͤhrt werden.","norm":"Die Form sei lyrisch oder episch, dramatisch oder beschreibend; wir können wohl schwächer und stärker, aber (sobald von dem Stoff abstrahiert wird) nie verschiedenartig gerührt werden."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":40,"orig":"Unſer Gefuͤhl iſt durchgaͤngig daſſelbe, ganz aus Einem Element, ſo daß wir nichts darinn zu unterſcheiden vermoͤgen.","norm":"Unser Gefühl ist durchgängig dasselbe, ganz aus einem Element, so dass wir nichts darin zu unterscheiden vermögen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":41,"orig":"Selbſt der Unterſchied der Sprachen und Zeitalter aͤndert hier nichts, denn eben dieſe reine Einheit ihres Urſprungs und ihres Effekts iſt ein Charakter der naiven Dichtung.","norm":"Selbst der Unterschied der Sprachen und Zeitalter ändert hier nichts, denn eben diese reine Einheit ihres Ursprungs und ihres Effekts ist ein Charakter der naiven Dichtung."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":42,"orig":"Ganz anders verhaͤlt es ſich mit dem ſentimentaliſchen Dichter.","norm":"Ganz anders verhält es sich mit dem sentimentalischen Dichter."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":43,"orig":"Dieſer reflektiert uͤber den Eindruck, den die Gegenſtaͤnde auf ihn machen und nur auf jene Reflexion iſt die Ruͤhrung gegruͤndet, in die er ſelbſt verſetzt wird, und uns verſetzt.","norm":"Dieser reflektiert über den Eindruck, den die Gegenstände auf ihn machen und nur auf jene Reflexion ist die Rührung gegründet, in die er selbst versetzt wird, und uns versetzt."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":44,"orig":"Der Gegenſtand wird hier auf eine Idee bezogen und nur auf dieſer Beziehung beruht ſeine dichteriſche Kraft.","norm":"Der Gegenstand wird hier auf eine Idee bezogen und nur auf dieser Beziehung beruht seine dichterische Kraft."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":45,"orig":"Der ſentimentaliſche Dichter hat es daher immer mit zwey ſtreitenden Vorſtellungen und Empfindungen, mit der Wirklichkeit als Grenze und mit ſeiner Idee als dem Unendlichen zu thun, und das gemiſchte Gefuͤhl, das er erregt, wird immer von dieſer doppelten Quelle zeugen.","norm":"Der sentimentalische Dichter hat es daher immer mit zwei streitenden Vorstellungen und Empfindungen, mit der Wirklichkeit als Grenze und mit seiner Idee als dem Unendlichen zu tun, und das gemischte Gefühl, das er erregt, wird immer von dieser doppelten Quelle zeugen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":46,"orig":"Da alſo hier eine Mehrheit der Principien ſtatt findet, ſo kommt es darauf an, welches von beyden in der Empfindung des Dichters und in ſeiner Darſtellung uͤberwiegen wird, und es iſt folglich eine Verſchiedenheit in der Behandlung moͤglich.","norm":"Da also hier eine Mehrheit der Prinzipien stattfindet, so kommt es darauf an, welches von beiden in der Empfindung des Dichters und in seiner Darstellung überwiegen wird, und es ist folglich eine Verschiedenheit in der Behandlung möglich."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":47,"orig":"Denn nun entſteht die Frage, ob er mehr bey der Wirklichkeit, ob er mehr bey dem Ideale verweilen — ob er jene als einen Gegenſtand der Abneigung, ob er dieſes als einen Gegenſtang der Zuneigung ausfuͤhren will.","norm":"Denn nun entsteht die Frage, ob er mehr bei der Wirklichkeit, ob er mehr bei dem Ideale verweilen — ob er jene als einen Gegenstand der Abneigung, ob er dieses als einen Gegenstand der Zuneigung ausführen will."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":48,"orig":"Seine Darſtellung wird alſo entweder ſatyriſch oder ſie wird (in einer weitern Bedeutung dieſes Worts, die ſich nachher erklaͤren wird) clegiſch ſeyn; an eine von dieſen beyden Empfindungsarten wird jeder ſentimentaliſche Dichter ſich halten.","norm":"Seine Darstellung wird also entweder satirisch oder sie wird (in einer weitern Bedeutung dieses Worts, die sich nachher erklären wird) elegisch sein; an eine von diesen beiden Empfindungsarten wird jeder sentimentalische Dichter sich halten."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":49,"orig":"Satyriſch iſt der Dichter, wenn er die Entfernung von der Natur und den Widerſpruch der Wirklichkeit mit dem Ideale (in der Wirkung auf das Gemuͤth kommt beydes auf eins hinaus) zu ſeinem Gegenſtande macht.","norm":"Satirisch ist der Dichter, wenn er die Entfernung von der Natur und den Widerspruch der Wirklichkeit mit dem Ideale (in der Wirkung auf das Gemüt kommt beides auf eins hinaus) zu seinem Gegenstande macht."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":50,"orig":"Dieß kann er aber ſowohl ernſthaft und mit Affekt, als ſcherzhaft und mit Heiterkeit ausfuͤhren; je nachdem er entweder im Gebiethe des Willens oder im Gebiethe des Verſtandes verweilt.","norm":"Dies kann er aber sowohl ernsthaft und mit Affekt, als scherzhaft und mit Heiterkeit ausführen; je nachdem er entweder im Gebiete des Willens oder im Gebiete des Verstandes verweilt."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":51,"orig":"Jenes geſchieht durch die ſtrafende, oder pathetiſche, dieſes durch die ſcherzhafte Satyre.","norm":"Jenes geschieht durch die strafende, oder pathetische, dieses durch die scherzhafte Satire."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":52,"orig":"Streng genommen vertraͤgt zwar der Zweck des Dichters weder den Ton der Strafe noch den der Beluſtigung.","norm":"Streng genommen verträgt zwar der Zweck des Dichters weder den Ton der Strafe noch den der Belustigung."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":53,"orig":"Jener iſt zu ernſt fuͤr das Spiel, was die Poeſie immer ſeyn ſoll; dieſer iſt zu frivol fuͤr den Ernſt, der allem poetiſchen Spiele zum Grund liegen ſoll.","norm":"Jener ist zu ernst für das Spiel, was die Poesie immer sein soll; dieser ist zu frivol für den Ernst, der allem poetischen Spiele zum Grund liegen soll."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":54,"orig":"Moraliſche Widerſpruͤche intereſſieren nothwendig unſer Herz, und rauben alſo dem Gemuͤth ſeine Freyheit; und doch ſoll aus poetiſchen Ruͤhrungen alles eigentliche Intereſſe, d. h. alle Beziehung auf ein Beduͤrfniß verbannt ſeyn.","norm":"Moralische Widersprüche interessieren notwendig unser Herz, und rauben also dem Gemüt seine Freiheit; und doch soll aus poetischen Rührungen alles eigentliche Interesse, d. h. alle Beziehung auf ein Bedürfnis verbannt sein."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":55,"orig":"VerſtandesWiderſpruͤche hingegen laſſen das Herz gleichguͤltig, und doch hat es der Dichter mit dem hoͤchſten Anliegen des Herzens, mit der Natur und dem Ideal, zu thun.","norm":"Verstandeswidersprüche hingegen lassen das Herz gleichgültig, und doch hat es der Dichter mit dem höchsten Anliegen des Herzens, mit der Natur und dem Ideal, zu tun."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":56,"orig":"Es iſt daher keine geringe Aufgabe fuͤr ihn, in der pathetiſchen Satyre nicht die poetiſche Form zu verletzen, welche in der Freyheit des Spiels beſteht, in der ſcherzhaften Satyre nicht den poetiſchen Gehalt zu verfehlen, welcher immer das Unendliche ſeyn muß.","norm":"Es ist daher keine geringe Aufgabe für ihn, in der pathetischen Satire nicht die poetische Form zu verletzen, welche in der Freiheit des Spiels besteht, in der scherzhaften Satire nicht den poetischen Gehalt zu verfehlen, welcher immer das Unendliche sein muss."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":57,"orig":"Dieſe Aufgabe kann nur auf eine einzige Art geloͤſet werden.","norm":"Diese Aufgabe kann nur auf eine einzige Art gelöst werden."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":58,"orig":"Die ſtrafende Satyre erlangt poetiſche Freyheit, indem ſie ins Erhabene uͤbergeht, die lachende Satyre erhaͤlt poetiſchen Gehalt, indem ſie ihren Gegenſtand mit Schoͤnheit behandelt.","norm":"Die strafende Satire erlangt poetische Freiheit, indem sie ins Erhabene übergeht, die lachende Satire erhält poetischen Gehalt, indem sie ihren Gegenstand mit Schönheit behandelt."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":59,"orig":"In der Satyre wird die Wirklichkeit als Mangel, dem Ideal als der hoͤchſten Realitaͤt gegenuͤber geſtellt.","norm":"In der Satire wird die Wirklichkeit als Mangel, dem Ideal als der höchsten Realität gegenübergestellt."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":60,"orig":"Es iſt uͤbrigens gar nicht noͤthig, daß das letztere ausgeſprochen werde, wenn der Dichter es nur im Gemuͤth zu erwecken weiß; diß muß er aber ſchlechterdings, oder er wird gar nicht poetiſch wirken.","norm":"Es ist übrigens gar nicht nötig, dass das letztere ausgesprochen werde, wenn der Dichter es nur im Gemüt zu erwecken weiß; dies muss er aber schlechterdings, oder er wird gar nicht poetisch wirken."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":61,"orig":"Die Wirklichkeit iſt alſo hier ein nothwendiges Objekt der Abneigung, aber worauf hier alles ankoͤmmt, dieſe Abneigung ſelbſt muß wieder nothwendig aus dem entgegenſtehenden Ideale entſpringen.","norm":"Die Wirklichkeit ist also hier ein notwendiges Objekt der Abneigung, aber worauf hier alles ankommt, diese Abneigung selbst muss wieder notwendig aus dem entgegenstehenden Ideale entspringen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":62,"orig":"Sie koͤnnte nehmlich auch eine bloß ſinnliche Quelle haben und lediglich in Beduͤrfniß gegruͤndet ſeyn, mit welchem die Wirklichkeit ſtreitet; und haͤuffig genug glauben wir einen moraliſchen Unwillen uͤber die Welt zu empfinden, wenn uns bloß der Widerſtreit derſelben mit unſerer Neigung erbittert.","norm":"Sie könnte nämlich auch eine bloß sinnliche Quelle haben und lediglich in Bedürfnis gegründet sein, mit welchem die Wirklichkeit streitet; und häufig genug glauben wir einen moralischen Unwillen über die Welt zu empfinden, wenn uns bloß der Widerstreit derselben mit unserer Neigung erbittert."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":63,"orig":"Dieſes materielle Intereſſe iſt es, was der gemeine Satyriker ins Spiel bringt, und weil es ihm auf dieſem Wege gar nicht fehl ſchlaͤgt, uns in Affekt zu verſetzen, ſo glaubt er unſer Herz in ſeiner Gewalt zu haben und im pathetiſchen Meiſter zu ſeyn.","norm":"Dieses materielle Interesse ist es, was der gemeine Satiriker ins Spiel bringt, und weil es ihm auf diesem Wege gar nicht fehlschlägt, uns in Affekt zu versetzen, so glaubt er unser Herz in seiner Gewalt zu haben und im pathetischen Meister zu sein."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":64,"orig":"Aber jedes Pathos aus dieſer Quelle iſt der Dichtkunſt unwuͤrdig, die uns nur durch Ideen ruͤhren und nur durch die Vernunft zu unſerm Herzen den Weg nehmen darf.","norm":"Aber jedes Pathos aus dieser Quelle ist der Dichtkunst unwürdig, die uns nur durch Ideen rühren und nur durch die Vernunft zu unserem Herzen den Weg nehmen darf."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":65,"orig":"Auch wird ſich dieſes unreine und materielle Pathos jederzeit durch ein Uebergewicht des Leidens und durch eine peinliche Befangenheit des Gemuͤths offenbaren, da im Gegentheil das wahrhaft poetiſche Pathos an einem Uebergewicht der Selbſtthaͤtigkeit und an einer, auch im Affekte noch beſtehenden Gemuͤthsfreyheit zu erkennen iſt.","norm":"Auch wird sich dieses unreine und materielle Pathos jederzeit durch ein Übergewicht des Leidens und durch eine peinliche Befangenheit des Gemüts offenbaren, da im Gegenteil das wahrhaft poetische Pathos an einem Übergewicht der Selbsttätigkeit und an einer, auch im Affekte noch bestehenden Gemütsfreiheit zu erkennen ist."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":66,"orig":"Entſpringt nehmlich die Ruͤhrung aus dem, der Wirklichkeit gegenuͤber ſtehenden Ideale, ſo verliert ſich in der Erhabenheit des letztern jedes einengende Gefuͤhl und die Groͤße der Idee, von der wir erfuͤllt ſind, erhebt uns uͤber alle Schranken der Erfahrung.","norm":"Entspringt nämlich die Rührung aus dem, der Wirklichkeit gegenüberstehenden Ideale, so verliert sich in der Erhabenheit des letzteren jedes einengende Gefühl und die Größe der Idee, von der wir erfüllt sind, erhebt uns über alle Schranken der Erfahrung."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":67,"orig":"Bey der Darſtellung empoͤrender Wirklichkeit kommt daher alles darauf an, daß das Nothwendige der Grund ſey, auf welchem der Dichter oder der Erzaͤhler das Wirkliche auftraͤgt, daß er unſer Gemuͤth fuͤr Ideen zu ſtimmen wiſſe.","norm":"Bei der Darstellung empörender Wirklichkeit kommt daher alles darauf an, dass das Notwendige der Grund sei, auf welchem der Dichter oder der Erzähler das Wirkliche aufträgt, dass er unser Gemüt für Ideen zu stimmen wisse."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":68,"orig":"Stehen wir nur hoch in der Beurtheilung, ſo hat es nichts zu ſagen, wenn auch der Gegenſtand tief und niedrig, unter uns zuruͤckbleibt.","norm":"Stehen wir nur hoch in der Beurteilung, so hat es nichts zu sagen, wenn auch der Gegenstand tief und niedrig, unter uns zurückbleibt."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":69,"orig":"Wenn uns der Geſchichtſchreiber Tacitus den tiefen Verfall der Roͤmer des erſten Jahrhunderts ſchildert, ſo iſt es ein hoher Geiſt, der auf das Niedrige herabblickt, und unſere Stimmung iſt wahrhaft poetiſch, weil nur die Hoͤhe, worauf er ſelbſt ſteht und zu der er uns zu erheben wußte, ſeinen Gegenſtand niedrig machte.","norm":"Wenn uns der Geschichtsschreiber Tacitus den tiefen Verfall der Römer des ersten Jahrhunderts schildert, so ist es ein hoher Geist, der auf das Niedrige herabblickt, und unsere Stimmung ist wahrhaft poetisch, weil nur die Höhe, worauf er selbst steht und zu der er uns zu erheben wusste, seinen Gegenstand niedrig machte."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":70,"orig":"Die pathetiſche Satyre muß alſo jederzeit aus einem Gemuͤthe flieſſen, welches von dem Ideale lebhaft durchdrungen iſt.","norm":"Die pathetische Satire muss also jederzeit aus einem Gemüte fließen, welches von dem Ideale lebhaft durchdrungen ist."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":71,"orig":"Nur ein herrſchender Trieb nach Uebereinſtimmung kann und darf jenes tiefe Gefuͤhl moraliſcher Widerſpruͤche und jenen gluͤhenden Unwillen gegen moraliſche Verkehrtheit erzeugen, welcher in einem Juvenal, Lucian, Dante, Swift, Young, Rouſſeau, Haller und andern zur Begeiſterung wird.","norm":"Nur ein herrschender Trieb nach Übereinstimmung kann und darf jenes tiefe Gefühl moralischer Widersprüche und jenen glühenden Unwillen gegen moralische Verkehrtheit erzeugen, welcher in einem Juvenal, Lucian, Dante, Swift, Young, Rousseau, Haller und anderen zur Begeisterung wird."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":72,"orig":"Die nehmlichen Dichter wuͤrden und muͤßten mit demſelben Gluͤck auch in den ruͤhrenden und zaͤrtlichen Gattungen gedichtet haben, wenn nicht zufaͤllige Urſachen ihrem Gemuͤth fruͤhe dieſe beſtimmte Richtung gegeben haͤtten; auch haben ſie es zum Theil wirklich gethan.","norm":"Die nämlichen Dichter würden und müssten mit demselben Glück auch in den rührenden und zärtlichen Gattungen gedichtet haben, wenn nicht zufällige Ursachen ihrem Gemüt frühe diese bestimmte Richtung gegeben hätten; auch haben sie es zum Teil wirklich getan."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":73,"orig":"Alle die hier genannten lebten entweder in einem ausgearteten Zeitalter und hatten eine ſchauderhafte Erfahrung moraliſcher Verderbniß vor Augen, oder eigene Schickſale hatten Bitterkeit in ihre Seele geſtreut.","norm":"Alle die hier genannten lebten entweder in einem ausgearteten Zeitalter und hatten eine schauderhafte Erfahrung moralischer Verderbnis vor Augen, oder eigene Schicksale hatten Bitterkeit in ihre Seele gestreut."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":74,"orig":"Auch der philoſophiſche Geiſt, da er mit unerbittlicher Strenge den Schein von dem Weſen trennt, und in die Tiefen der Dinge dringet, neigt das Gemuͤth zu dieſer Haͤrte und Auſteritaͤt, mit welcher Rouſſeau, Haller und andre die Wirklichkeit mahlen.","norm":"Auch der philosophische Geist, da er mit unerbittlicher Strenge den Schein von dem Wesen trennt, und in die Tiefen der Dinge dringet, neigt das Gemüt zu dieser Härte und Austerität, mit welcher Rousseau, Haller und andere die Wirklichkeit malen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":75,"orig":"Aber dieſe aͤuſern und zufaͤlligen Einfluͤſſe, welche immer einſchraͤnkend wirken, duͤrfen hoͤchſtens nur die Richtung beſtimmen, niemals den Innhalt der Begeiſterung hergeben.","norm":"Aber diese äußeren und zufälligen Einflüsse, welche immer einschränkend wirken, dürfen höchstens nur die Richtung bestimmen, niemals den Inhalt der Begeisterung hergeben."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":76,"orig":"Dieſer muß in allen derſelbe ſeyn, und, rein von jedem aͤuſern Beduͤrfniß, aus einem gluͤhenden Triebe fuͤr das Ideal hervorflieſſen, welcher durchaus der einzig wahre Beruf zu dem ſatyriſchen wie uͤberhaupt zu dem ſentimentaliſchen Dichter iſt.","norm":"Dieser muss in allen derselbe sein, und, rein von jedem äußeren Bedürfnis, aus einem glühenden Triebe für das Ideal hervorfließen, welcher durchaus der einzig wahre Beruf zu dem satirischen wie überhaupt zu dem sentimentalischen Dichter ist."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":77,"orig":"Wenn die pathetiſche Satyre nur erhabene Seelen kleidet, ſo kann die ſpottende Satyre nur einem ſchoͤnen Herzen gelingen.","norm":"Wenn die pathetische Satire nur erhabene Seelen kleidet, so kann die spottende Satire nur einem schönen Herzen gelingen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":78,"orig":"Denn jene iſt ſchon durch ihren ernſten Gegenſtand vor der Frivolitaͤt geſichert; aber dieſe, die nur einen moraliſch gleichguͤltigen Stoff behandeln darf, wuͤrde unvermeidlich darein verfallen, und jede poetiſche Wuͤrde verlieren, wenn hier nicht die Behandlung den Innhalt veredelte und das Subjekt des Dichters nicht ſein Objekt vertraͤte.","norm":"Denn jene ist schon durch ihren ernsten Gegenstand vor der Frivolität gesichert; aber diese, die nur einen moralisch gleichgültigen Stoff behandeln darf, würde unvermeidlich darein verfallen, und jede poetische Würde verlieren, wenn hier nicht die Behandlung den Inhalt veredelte und das Subjekt des Dichters nicht sein Objekt verträte."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":79,"orig":"Aber nur dem ſchoͤnen Herzen iſt es verliehen, unabhaͤngig von dem Gegenſtand ſeines Wirkens, in jeder ſeiner Aeußerungen ein vollendetes Bild von ſich ſelbſt abzupraͤgen.","norm":"Aber nur dem schönen Herzen ist es verliehen, unabhängig von dem Gegenstand seines Wirkens, in jeder seiner Äußerungen ein vollendetes Bild von sich selbst abzuprägen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":80,"orig":"Der erhabene Charakter kann ſich nur in einzelnen Siegen uͤber den Widerſtand der Sinne, nur in gewiſſen Momenten des Schwunges und einer augenblicklichen Anſtrengung kund thun; in der ſchoͤnen Seele hingegen wirkt das Ideal als Natur, alſo gleichfoͤrmig, und kann mithin auch in einem Zuſtand der Ruhe ſich zeigen.","norm":"Der erhabene Charakter kann sich nur in einzelnen Siegen über den Widerstand der Sinne, nur in gewissen Momenten des Schwunges und einer augenblicklichen Anstrengung kundtun; in der schönen Seele hingegen wirkt das Ideal als Natur, also gleichförmig, und kann mithin auch in einem Zustand der Ruhe sich zeigen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":81,"orig":"Es iſt mehrmals daruͤber geſtritten worden, welche von beyden, die Tragoͤdie oder die Comoͤdie vor der andern den Rang verdiene.","norm":"Es ist mehrmals darüber gestritten worden, welche von beiden, die Tragödie oder die Komödie vor der anderen den Rang verdiene."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":82,"orig":"Wird damit bloß gefragt, welche von beyden das wichtigere Objekt behandle, ſo iſt kein Zweifel, daß die erſtere den Vorzug behauptet; will man aber wiſſen, welche von beyden das wichtigere Subjekt erfodre, ſo muß der Ausſpruch eben ſo entſcheidend fuͤr die letztere ausfallen.","norm":"Wird damit bloß gefragt, welche von beiden das wichtigere Objekt behandle, so ist kein Zweifel, dass die erstere den Vorzug behauptet; will man aber wissen, welche von beiden das wichtigere Subjekt erfordre, so muss der Ausspruch ebenso entscheidend für die letztere ausfallen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":83,"orig":"In der Tragoͤdie geſchieht ſchon durch den Gegenſtand ſehr viel, in der Comoͤdie geſchieht durch den Gegenſtand nichts und alles durch den Dichter.","norm":"In der Tragödie geschieht schon durch den Gegenstand sehr viel, in der Komödie geschieht durch den Gegenstand nichts und alles durch den Dichter."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":84,"orig":"Da nun bey Urtheilen des Geſchmacks der Stoff nie in Betrachtung kommt, ſo muß natuͤrlicher weiſe der aͤſthetiſche Werth dieſer beyden Kunſtgattungen in umgekehrtem Verhaͤltniß zu ihrer materiellen Wichtigkeit ſtehen.","norm":"Da nun bei Urteilen des Geschmacks der Stoff nie in Betrachtung kommt, so muss natürlicherweise der ästhetische Wert dieser beiden Kunstgattungen in umgekehrtem Verhältnis zu ihrer materiellen Wichtigkeit stehen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":85,"orig":"Den tragiſchen Dichter traͤgt ſein Objekt, der komiſche hingegen muß durch ſein Subjekt das ſeinige in der aͤſthetiſchen Hoͤhe erhalten.","norm":"Den tragischen Dichter trägt sein Objekt, der komische hingegen muss durch sein Subjekt das seinige in der ästhetischen Höhe erhalten."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":86,"orig":"Jener darf einen Schwung nehmen, wozu ſoviel eben nicht gehoͤret; der andre muß ſich gleich bleiben, er muß alſo ſchon dort ſeyn und dort zu Hauſe ſeyn, wohin der andre nicht ohne einen Anlauf gelangt.","norm":"Jener darf einen Schwung nehmen, wozu soviel eben nicht gehört; der andere muss sich gleich bleiben, er muss also schon dort sein und dort zu Hause sein, wohin der andere nicht ohne einen Anlauf gelangt."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":87,"orig":"Und gerade das iſt es, worinn ſich der ſchoͤne Charakter von dem erhabenen unterſcheidet.","norm":"Und gerade das ist es, worin sich der schöne Charakter von dem erhabenen unterscheidet."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":88,"orig":"In dem erſten iſt jede Groͤße ſchon enthalten, ſie fließt ungezwungen und muͤhelos aus ſeiner Natur, er iſt, dem Vermoͤgen nach, ein Unendliches in jedem Punkte ſeiner Bahn; der andere kann ſich zu jeder Groͤße anſpannen und erheben, er kann durch die Kraft ſeines Willens aus jedem Zuſtande der Beſchraͤnkung ſich reiſſen.","norm":"In dem ersten ist jede Größe schon enthalten, sie fließt ungezwungen und mühelos aus seiner Natur, er ist, dem Vermögen nach, ein Unendliches in jedem Punkte seiner Bahn; der andere kann sich zu jeder Größe anspannen und erheben, er kann durch die Kraft seines Willens aus jedem Zustande der Beschränkung sich reißen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":89,"orig":"Dieſer iſt alſo nur ruckweiſe und nur mit Anſtrengung frey, jener iſt es mit Leichtigkeit und immer.","norm":"Dieser ist also nur ruckweise und nur mit Anstrengung frei, jener ist es mit Leichtigkeit und immer."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":90,"orig":"Dieſe Freyheit des Gemuͤths in uns hervorzubringen und zu naͤhren, iſt die ſchoͤne Aufgabe der Comoͤdie, ſo wie die Tragoͤdie beſtimmt iſt, die Gemuͤthsfreyheit, wenn ſie durch einen Affekt gewaltſam aufgehoben worden, auf aͤſthetiſchem Weg wieder herſtellen zu helfen.","norm":"Diese Freiheit des Gemüts in uns hervorzubringen und zu nähren, ist die schöne Aufgabe der Komödie, so wie die Tragödie bestimmt ist, die Gemütsfreiheit, wenn sie durch einen Affekt gewaltsam aufgehoben worden, auf ästhetischem Weg wiederherstellen zu helfen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":91,"orig":"In der Tragoͤdie muß daher die Gemuͤthsfreyheit kuͤnſtlicherweiſe und als Experiment kuͤnſtlich aufgehoben werden, weil ſie in Herſtellung derſelben ihre poetiſche Kraft beweißt; in der Comoͤdie hingegen muß verhuͤtet werden, daß es niemals zu jener Aufhebung der Gemuͤthsfreyheit komme.","norm":"In der Tragödie muss daher die Gemütsfreiheit künstlicherweise und als Experiment künstlich aufgehoben werden, weil sie in Herstellung derselben ihre poetische Kraft beweist; in der Komödie hingegen muss verhütet werden, dass es niemals zu jener Aufhebung der Gemütsfreiheit komme."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":92,"orig":"Daher behandelt der Tragoͤdiendichter ſeinen Gegenſtand immer praktiſch, der Comoͤdiendichter den ſeinigen immer theoretiſch; auch wenn jener (wie Leſſing in ſeinem Nathan) die Grille haͤtte einen theoretiſchen, dieſer, einen praktiſchen Stoff zu bearbeiten.","norm":"Daher behandelt der Tragödiendichter seinen Gegenstand immer praktisch, der Komödiendichter den seinigen immer theoretisch; auch wenn jener (wie Lessing in seinem Nathan) die Grille hätte einen theoretischen, dieser, einen praktischen Stoff zu bearbeiten."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":93,"orig":"Nicht das Gebieth aus welchem der Gegenſtand genommen, ſondern das Forum vor welches der Dichter ihn bringt, macht denſelben tragiſch oder komiſch.","norm":"Nicht das Gebiet aus welchem der Gegenstand genommen, sondern das Forum vor welches der Dichter ihn bringt, macht denselben tragisch oder komisch."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":94,"orig":"Der Tragiker muß ſich vor dem ruhigen Raiſonnement in Acht nehmen und immer das Herz intereſſieren, der Comiker muß ſich vor dem Pathos huͤten und immer den Verſtand unterhalten.","norm":"Der Tragiker muss sich vor dem ruhigen Räsonnement in Acht nehmen und immer das Herz interessieren, der Komiker muss sich vor dem Pathos hüten und immer den Verstand unterhalten."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":95,"orig":"Jener zeigt alſo durch beſtaͤndige Erregung, dieſer durch beſtaͤndige Abwehrung der Leidenſchaft ſeine Kunſt; und dieſe Kunſt iſt natuͤrlich auf beyden Seiten um ſo groͤſſer, je mehr der Gegenſtand des Einen abſtrakter Natur iſt, und der des Andern ſich zum pathetiſchen neigt.","norm":"Jener zeigt also durch beständige Erregung, dieser durch beständige Abwehrung der Leidenschaft seine Kunst; und diese Kunst ist natürlich auf beiden Seiten um so größer, je mehr der Gegenstand des Einen abstrakter Natur ist, und der des Anderen sich zum Pathetischen neigt."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":96,"orig":"Wenn alſo die Tragoͤdie von einem nichtigern Punkt ausgeht, ſo muß man auf der andern Seite geſtehen, daß die Comoͤdie einem wichtigern Ziel entgegen geht, und ſie wuͤrde, wenn ſie es erreichte, alle Tragoͤdie uͤberfluͤßig und unmoͤglich machen.","norm":"Wenn also die Tragödie von einem nichtigeren Punkt ausgeht, so muss man auf der anderen Seite gestehen, dass die Komödie einem wichtigeren Ziel entgegengeht, und sie würde, wenn sie es erreichte, alle Tragödie überflüssig und unmöglich machen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":97,"orig":"Ihr Ziel iſt einerley mit dem hoͤchſten, wornach der Menſch zu ringen hat, frey von Leidenſchaft zu ſeyn, immer klar immer ruhig um ſich und in ſich zu ſchauen, uͤberall mehr Zufall als Schickſal zu finden, und mehr uͤber Ungereimtheit zu lachen als uͤber Boßheit zu zuͤrnen oder zu weinen.","norm":"Ihr Ziel ist einerlei mit dem Höchsten, wonach der Mensch zu ringen hat, frei von Leidenschaft zu sein, immer klar immer ruhig um sich und in sich zu schauen, überall mehr Zufall als Schicksal zu finden, und mehr über Ungereimtheit zu lachen als über Bosheit zu zürnen oder zu weinen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":98,"orig":"Wie in dem handelnden Leben ſo begegnet es auch oft bey dichteriſchen Darſtellungen, den bloß leichten Sinn, das angenehme Talent, die froͤhliche Gutmuͤthigkeit mit Schoͤnheit der Seele zu verwechſeln, und da ſich der gemeine Geſchmack uͤberhaupt nie uͤber das Angenehme erhebt, ſo iſt es ſolchen niedlichen Geiſtern ein leichtes, jenen Ruhm zu uſurpieren, der ſo ſchwer zu verdienen iſt.","norm":"Wie in dem handelnden Leben so begegnet es auch oft bei dichterischen Darstellungen, den bloß leichten Sinn, das angenehme Talent, die fröhliche Gutmütigkeit mit Schönheit der Seele zu verwechseln, und da sich der gemeine Geschmack überhaupt nie über das Angenehme erhebt, so ist es solchen niedlichen Geistern ein leichtes, jenen Ruhm zu usurpieren, der so schwer zu verdienen ist."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":99,"orig":"Aber es giebt eine untruͤgliche Probe, vermittelſt deren man die Leichtigkeit des Naturells von der Leichtigkeit des Ideals, ſo wie die Tugend des Temperaments von der wahrhaften Sittlichkeit des Charakters unterſcheiden kann, und dieſe iſt, wenn beyde ſich an einem ſchwuͤrigen und großen Objekte verſuchen.","norm":"Aber es gibt eine untrügliche Probe, vermittels deren man die Leichtigkeit des Naturells von der Leichtigkeit des Ideals, sowie die Tugend des Temperaments von der wahrhaften Sittlichkeit des Charakters unterscheiden kann, und diese ist, wenn beide sich an einem schwierigen und großen Objekte versuchen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":100,"orig":"In einem ſolchen Fall geht das niedliche Genie unfehlbar in das Platte, ſo wie die Temperamentstugend in das Materielle, die wahrhaft ſchoͤne Seele hingegen geht eben ſo gewiß in die erhabene uͤber.","norm":"In einem solchen Fall geht das niedliche Genie unfehlbar in das Platte, so wie die Temperamentstugend in das Materielle, die wahrhaft schöne Seele hingegen geht ebenso gewiss in die erhabene über."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":101,"orig":"So lange Lucian bloß die Ungereimtheit zuͤchtigt, wie in den Wuͤnſchen, in den Lapithen, in dem Jupiter, Tragoͤdus u. a. bleibt er Spoͤtter, und ergoͤtzt uns mit ſeinem froͤhlichen Humor; aber es wird ein ganz anderer Mann aus ihm in vielen Stellen ſeines Nigrinus, ſeines Timons, ſeines Alexander, wo ſeine Satyre auch die moraliſche Verderbniß trift.","norm":"Solange Lucian bloß die Ungereimtheit züchtigt, wie in den Wünschen, in den Lapithen, in dem Jupiter, Tragödus u. a. bleibt er Spötter, und ergötzt uns mit seinem fröhlichen Humor; aber es wird ein ganz anderer Mann aus ihm in vielen Stellen seines Nigrinus, seines Timons, seines Alexander, wo seine Satire auch die moralische Verderbnis trifft."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":102,"orig":"„Ungluͤckſeliger ”, ſo beginnt er in ſeinem Nigrinus das empoͤrende Gemaͤhlde des damaligen Roms, „warum verlieſſeſt du das Licht der Sonne, Griechenland, und jenes gluͤkliche Leben der Freyheit, und kammſt hieher in dieß Getuͤmmel von prachtvoller Dienſtbarkeit, von Aufwartungen und Gaſtmaͤlern, von Sykophanten, Schmeichlern, Giftmiſchern, Erbſchleichern und falſchen Freunden?","norm":"„Unglückseliger ”, so beginnt er in seinem Nigrinus das empörende Gemälde des damaligen Roms, „warum verließest du das Licht der Sonne, Griechenland, und jenes glückliche Leben der Freiheit, und kamst hierher in dies Getümmel von prachtvoller Dienstbarkeit, von Aufwartungen und Gastmählern, von Sykophanten, Schmeichlern, Giftmischern, Erbschleichern und falschen Freunden?"} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":103,"orig":"u. ſ. w. ”Bey ſolchen und aͤhnlichen Anlaͤſſen muß ſich der hohe Ernſt des Gefuͤhls offenbaren, der allem Spiele, wenn es poetiſch ſeyn ſoll, zum Grunde liegen muß.","norm":"u s w. ”bei solchen und ähnlichen Anlässen muss sich der hohe Ernst des Gefühls offenbaren, der allem Spiele, wenn es poetisch sein soll, zum Grunde liegen muss."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":104,"orig":"Selbſt durch den boßhaften Scherz, womit ſowohl Lucian als Ariſtophanes den Sokrates mißhandeln, blickt eine ernſte Vernunft hervor, welche die Wahrheit an dem Sophiſten raͤcht, und fuͤr ein Ideal ſtreitet, das ſie nur nicht immer ausſpricht.","norm":"Selbst durch den boshaften Scherz, womit sowohl Lucian als Aristophanes den Sokrates misshandeln, blickt eine ernste Vernunft hervor, welche die Wahrheit an dem Sophisten rächt, und für ein Ideal streitet, das sie nur nicht immer ausspricht."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":105,"orig":"Auch hat der erſte von beyden in ſeinem Diogenes und Daͤmonax dieſen Charakter gegen alle Zweifel gerechtfertigt; unter den Neuern welchen großen und ſchoͤnen Charakter druͤckt nicht Cervantes bey jedem wuͤrdigen Anlaß in ſeinem Don Quixote aus, welch ein herrliches Ideal mußte nicht in der Seele des Dichters leben, der einen Tom Jones und eine Sophia erſchuf, wie kann der Lacher Yorik ſobald er will unſer Gemuͤth ſo groß und ſo maͤchtig bewegen.","norm":"Auch hat der erste von beiden in seinem Diogenes und Demonax diesen Charakter gegen alle Zweifel gerechtfertigt; unter den Neueren welchen großen und schönen Charakter drückt nicht Cervantes bei jedem würdigen Anlass in seinem Don Quijote aus, welch ein herrliches Ideal musste nicht in der Seele des Dichters leben, der einen Tom Jones und eine Sophia erschuf, wie kann der Lacher Yorik sobald er will unser Gemüt so groß und so mächtig bewegen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":106,"orig":"Auch in unſerm Wieland erkenne ich dieſen Ernſt der Empfindung; ſelbſt die muthwilligen Spiele ſeiner Laune beſeelt und adelt die Grazie des Herzens; ſelbſt in den Rhythmus ſeines Geſanges druͤckt ſie ihr Gepraͤg, und nimmer fehlt ihm die Schwungkraft, uns, ſobald es gilt, zu dem Hoͤchſten empor zu tragen.","norm":"Auch in unserem Wieland erkenne ich diesen Ernst der Empfindung; selbst die mutwilligen Spiele seiner Laune beseelt und adelt die Grazie des Herzens; selbst in den Rhythmus seines Gesanges drückt sie ihr Gepräge, und nimmer fehlt ihm die Schwungkraft, uns, sobald es gilt, zu dem Höchsten emporzutragen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":107,"orig":"Von der Voltairiſchen Satyre laͤßt ſich kein ſolches Urtheil faͤllen.","norm":"Von der Voltairischen Satire lässt sich kein solches Urteil fällen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":108,"orig":"Zwar iſt es auch bey dieſem Schriftſteller einzig nur die Wahrheit und Simplicitaͤt der Natur, wodurch er uns zuweilen poetiſch ruͤhrt; es ſey nun, daß er ſie in einem naiven Charakter wirklich erreiche, wie mehrmal in ſeinem Ingenu, oder daß er ſie, wie in ſeinem Candide u. a. ſuche und raͤche.","norm":"Zwar ist es auch bei diesem Schriftsteller einzig nur die Wahrheit und Simplizität der Natur, wodurch er uns zuweilen poetisch rührt; es sei nun, dass er sie in einem naiven Charakter wirklich erreiche, wie mehrmals in seinem Ingenu, oder dass er sie, wie in seinem Candide u. a. suche und räche."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":109,"orig":"Wo keines von beyden der Fall iſt, da kann er uns zwar als witziger Kopf beluſtigen, aber gewiß nicht als Dichter bewegen.","norm":"Wo keines von beiden der Fall ist, da kann er uns zwar als witziger Kopf belustigen, aber gewiss nicht als Dichter bewegen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":110,"orig":"Aber ſeinem Spott liegt uͤberall zu wenig Ernſt zum Grunde, und dieſes macht ſeinen Dichterberuf mit Recht verdaͤchtig.","norm":"Aber seinem Spott liegt überall zu wenig Ernst zum Grunde, und dieses macht seinen Dichterberuf mit Recht verdächtig."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":111,"orig":"Wir begegnen immer nur ſeinem Verſtande, nicht ſeinem Gefuͤhl.","norm":"Wir begegnen immer nur seinem Verstande, nicht seinem Gefühl."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":112,"orig":"Es zeigt ſich kein Ideal unter jener luftigen Huͤlle, und kaum etwas abſolut Feſtes in jener ewigen Bewegung.","norm":"Es zeigt sich kein Ideal unter jener luftigen Hülle, und kaum etwas absolut Festes in jener ewigen Bewegung."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":113,"orig":"Seine wunderbare Mannichfaltigkeit in aͤuſern Formen, weit entfernt fuͤr die innere Fuͤlle ſeines Geiſtes etwas zu beweiſen, legt vielmehr ein bedenkliches Zeugniß dagegen ab, denn ungeachtet aller jener Formen hat er auch nicht Eine gefunden, worinn er ein Herz haͤtte abdruͤcken koͤnnen.","norm":"Seine wunderbare Mannigfaltigkeit in äußeren Formen, weit entfernt für die innere Fülle seines Geistes etwas zu beweisen, legt vielmehr ein bedenkliches Zeugnis dagegen ab, denn ungeachtet aller jener Formen hat er auch nicht eine gefunden, worin er ein Herz hätte abdrücken können."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":114,"orig":"Beynahe muß man alſo fuͤrchten, es war in dieſem reichen Genius nur die Armuth des Herzens, die ſeinen Beruf zur Satyre beſtimmte.","norm":"Beinahe muss man also fürchten, es war in diesem reichen Genius nur die Armut des Herzens, die seinen Beruf zur Satire bestimmte."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":115,"orig":"Waͤre es anders, ſo haͤtte er doch irgend auf ſeinem weiten Weg aus dieſem engen Geleiſe treten muͤſſen.","norm":"Wäre es anders, so hätte er doch irgend auf seinem weiten Weg aus diesem engen Geleise treten müssen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":116,"orig":"Aber bey allem noch ſo groſen Wechſel des Stoffes und der aͤuſern Form ſehen wir dieſe innere Form in ewigem, duͤrftigem Einerley wiederkehren, und trotz ſeiner voluminoͤſen Laufbahn hat er doch den Kreis der Menſchheit in ſich ſelbſt nicht erfuͤllt, den man in den obenerwaͤhnten Satyrikern mit Freuden durchlaufen findet.","norm":"Aber bei allem noch so großen Wechsel des Stoffes und der äußeren Form sehen wir diese innere Form in ewigem, dürftigem Einerlei wiederkehren, und trotz seiner voluminösen Laufbahn hat er doch den Kreis der Menschheit in sich selbst nicht erfüllt, den man in den obenerwähnten Satirikern mit Freuden durchlaufen findet."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":117,"orig":"Setzt der Dichter die Natur der Kunſt und das Ideal der Wirklichkeit ſo entgegen, daß die Darſtellung des erſten uͤberwiegt, und das Wohlgefallen an demſelben herrſchende Empfindung wird, ſo nenne ich ihn elegiſch.","norm":"Setzt der Dichter die Natur der Kunst und das Ideal der Wirklichkeit so entgegen, dass die Darstellung des ersten überwiegt, und das Wohlgefallen an demselben herrschende Empfindung wird, so nenne ich ihn elegisch."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":118,"orig":"Auch dieſe Gattung hat wie die Satyre zwey Klaſſen unter ſich.","norm":"Auch diese Gattung hat wie die Satire zwei Klassen unter sich."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":119,"orig":"Entweder iſt die Natur und das Ideal ein Gegenſtand der Trauer, wenn jene als verloren, dieſes als unerreicht dargeſtellt wird.","norm":"Entweder ist die Natur und das Ideal ein Gegenstand der Trauer, wenn jene als verloren, dieses als unerreicht dargestellt wird."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":120,"orig":"Oder beyde ſind ein Gegenſtand der Freude, indem ſie als wirklich vorgeſtellt werden.","norm":"Oder beide sind ein Gegenstand der Freude, indem sie als wirklich vorgestellt werden."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":121,"orig":"Das erſte giebt die Elegie in engerer, das andre die Idylle in weiteſter Bedeutung.","norm":"Das erste gibt die Elegie in engerer, das andere die Idylle in weitester Bedeutung."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":122,"orig":"Wie der Unwille bey der pathetiſchen und wie der Spott bey der ſcherzhaften Satyre, ſo darf bey der Elegie die Trauer nur aus einer, durch das Ideal erweckten Begeiſterung fließen.","norm":"Wie der Unwille bei der pathetischen und wie der Spott bei der scherzhaften Satire, so darf bei der Elegie die Trauer nur aus einer, durch das Ideal erweckten Begeisterung fließen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":123,"orig":"Dadurch allein erhaͤlt die Elegie poetiſchen Gehalt, und jede andere Quelle derſelben iſt voͤllig unter der Wuͤrde der Dichtkunſt.","norm":"Dadurch allein erhält die Elegie poetischen Gehalt, und jede andere Quelle derselben ist völlig unter der Würde der Dichtkunst."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":124,"orig":"Der elegiſche Dichter fucht die Natur, aber in ihrer Schoͤnheit, nicht bloß in ihrer Annehmlichkeit, in ihrer Uebereinſtimmung mit Ideen, nicht bloß in ihrer Nachgiebigkeit gegen das Beduͤrfniß.","norm":"Der elegische Dichter sucht die Natur, aber in ihrer Schönheit, nicht bloß in ihrer Annehmlichkeit, in ihrer Übereinstimmung mit Ideen, nicht bloß in ihrer Nachgiebigkeit gegen das Bedürfnis."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":125,"orig":"Die Trauer uͤber verlorne Freuden, uͤber das der Welt verſchwundene goldene Alter, uͤber das entflohene Gluͤck der Jugend, der Liebe u. ſ. w. kann nur alsdann der Stoff zu einer elegiſchen Dichtung werden, wenn jene Zuſtaͤnde ſinnlichen Friedens zugleich als Gegenſtaͤnde moraliſcher Harmonie ſich vorſtellen laſſen.","norm":"Die Trauer über verlorene Freuden, über das der Welt verschwundene goldene Alter, über das entflohene Glück der Jugend, der Liebe u. s. w. kann nur alsdann der Stoff zu einer elegischen Dichtung werden, wenn jene Zustände sinnlichen Friedens zugleich als Gegenstände moralischer Harmonie sich vorstellen lassen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":126,"orig":"Ich kann deßwegen die Klaggeſaͤnge des Ovid, die er aus ſeinem Verbannungsort am Euxin anſtimmt, wie ruͤhrend ſie auch ſind, und wie viel Dichteriſches auch einzelne Stellen haben, im Ganzen nicht wohl als ein poetiſches Werk betrachten.","norm":"Ich kann deswegen die Klaggesänge des Ovid, die er aus seinem Verbannungsort am Euxin anstimmt, wie rührend sie auch sind, und wie viel Dichterisches auch einzelne Stellen haben, im Ganzen nicht wohl als ein poetisches Werk betrachten."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":127,"orig":"Es iſt viel zu wenig Energie, viel zu wenig Geiſt und Adel in ſeinem Schmerz.","norm":"Es ist viel zu wenig Energie, viel zu wenig Geist und Adel in seinem Schmerz."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":128,"orig":"Das Beduͤrfniß, nicht die Begeiſterung ſtieß jene Klagen aus; es athmet darinn, wenn gleich keine gemeine Seele, doch die gemeine Stimmung eines edleren Geiſtes, den ſein Schickſal zu Boden druͤckte.","norm":"Das Bedürfnis, nicht die Begeisterung stieß jene Klagen aus; es atmet darin, wenngleich keine gemeine Seele, doch die gemeine Stimmung eines edleren Geistes, den sein Schicksal zu Boden drückte."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":129,"orig":"Zwar wenn wir uns erinnern, daß es Rom, und das Rom des Auguſtus iſt, um das er trauert, ſo verzeyhen wir dem Sohn der Freude ſeinen Schmerz; aber ſelbſt das herrliche Rom mit allen ſeinen Gluͤckſeligkeiten iſt, wenn nicht die Einbildungkraft es erſt veredelt, bloß eine endliche Groͤße, mithin ein unwuͤrdiges Objekt fuͤr die Dichtkunſt, die erhaben uͤber alles, was die Wirklichkeit aufſtellt, nur das Recht hat, um das Unendliche zu trauern.","norm":"Zwar wenn wir uns erinnern, dass es Rom, und das Rom des Augustus ist, um das er trauert, so verzeihen wir dem Sohn der Freude seinen Schmerz; aber selbst das herrliche Rom mit allen seinen Glückseligkeiten ist, wenn nicht die Einbildungskraft es erst veredelt, bloß eine endliche Größe, mithin ein unwürdiges Objekt für die Dichtkunst, die erhaben über alles, was die Wirklichkeit aufstellt, nur das Recht hat, um das Unendliche zu trauern."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":130,"orig":"Der Inhalt der dichteriſchen Klage kann alſo niemals ein aͤußrer, jederzeit nur ein innerer idealiſcher Gegenſtand ſeyn; ſelbſt wenn ſie einen Verluſt in der Wirklichkeit betrauert, muß ſie ihn erſt zu einem idealiſchen umſchaffen.","norm":"Der Inhalt der dichterischen Klage kann also niemals ein äußerer, jederzeit nur ein innerer idealischer Gegenstand sein; selbst wenn sie einen Verlust in der Wirklichkeit betrauert, muss sie ihn erst zu einem idealischen umschaffen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":131,"orig":"In dieſer Reduktion des Beſchraͤnkten auf ein Unendliches beſteht eigentlich die poetiſche Behandlung.","norm":"In dieser Reduktion des Beschränkten auf ein Unendliches besteht eigentlich die poetische Behandlung."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":132,"orig":"Der aͤuſſere Stoff iſt daher an ſich ſelbſt immer gleichguͤltig, weil ihn die Dichtkunſt niemals ſo brauchen kann, wie ſie ihn findet, ſondern nur durch das, was ſie ſelbſt daraus macht, ihm die poetiſche Wuͤrde giebt.","norm":"Der äußere Stoff ist daher an sich selbst immer gleichgültig, weil ihn die Dichtkunst niemals so brauchen kann, wie sie ihn findet, sondern nur durch das, was sie selbst daraus macht, ihm die poetische Würde gibt."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":133,"orig":"Der elegiſche Dichter ſucht die Natur aber als eine Idee und in einer Vollkommenheit, in der ſie nie exiſtirt hat, wenn er ſie gleich als etwas da geweſenes und nun verlorenes beweint.","norm":"Der elegische Dichter sucht die Natur aber als eine Idee und in einer Vollkommenheit, in der sie nie existiert hat, wenn er sie gleich als etwas Dagewesenes und nun Verlorenes beweint."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":134,"orig":"Wenn uns Oſſian von den Tagen erzaͤhlt, die nicht mehr ſind, und von den Helden, die verſchwunden ſind, ſo hat ſeine Dichtungskraft jene Bilder der Erinnerung laͤngſt in Ideale, jene Helden in Goͤtter umgeſtaltet.","norm":"Wenn uns Ossian von den Tagen erzählt, die nicht mehr sind, und von den Helden, die verschwunden sind, so hat seine Dichtungskraft jene Bilder der Erinnerung längst in Ideale, jene Helden in Götter umgestaltet."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":135,"orig":"Die Erfahrungen eines beſtimmten Verluſtes haben ſich zur Idee der allgemeinen Vergaͤnglichkeit erweitert, und der geruͤhrte Barde, den das Bild des allgegenwaͤrtigen Ruins verfolgt, ſchwingt ſich zum Himmel auf, um dort in dem Sonnenlauf ein Sinnbild des Unvergaͤnglichen zu finden.","norm":"Die Erfahrungen eines bestimmten Verlustes haben sich zur Idee der allgemeinen Vergänglichkeit erweitert, und der gerührte Barde, den das Bild des allgegenwärtigen Ruins verfolgt, schwingt sich zum Himmel auf, um dort in dem Sonnenlauf ein Sinnbild des Unvergänglichen zu finden."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":136,"orig":"Ich wende mich ſogleich zu den neuern Poeten in der elegiſchen Gattung.","norm":"Ich wende mich sogleich zu den neueren Poeten in der elegischen Gattung."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":137,"orig":"Rouſſeau, als Dichter, wie als Philoſoph, hat keine andere Tendenz als die Natur entweder zu ſuchen, oder an der Kunſt zu raͤchen.","norm":"Rousseau, als Dichter, wie als Philosoph, hat keine andere Tendenz als die Natur entweder zu suchen, oder an der Kunst zu rächen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":138,"orig":"Je nachdem ſich ſein Gefuͤhl entweder bey der einen oder der andern verweilt, finden wir ihn bald elegiſch geruͤhrt, bald zu Juvenaliſcher Satyre begeiſtert, bald, wie in ſeiner Julie, in das Feld der Idylle entzuͤckt.","norm":"Je nachdem sich sein Gefühl entweder bei der einen oder der anderen verweilt, finden wir ihn bald elegisch gerührt, bald zu Juvenalischer Satire begeistert, bald, wie in seiner Julie, in das Feld der Idylle entzückt."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":139,"orig":"Seine Dichtungen haben unwiderſprechlich poetiſchen Gehalt, da ſie ein Ideal behandeln, nur weiß er denſelben nicht auf poetiſche Weiſe zu gebrauchen.","norm":"Seine Dichtungen haben unwidersprechlich poetischen Gehalt, da sie ein Ideal behandeln, nur weiß er denselben nicht auf poetische Weise zu gebrauchen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":140,"orig":"Sein ernſter Charakter laͤßt ihn zwar nie zur Frivolitaͤt herabſinken, aber erlaubt ihm auch nicht, ſich bis zum poetiſchen Spiel zu erheben.","norm":"Sein ernster Charakter lässt ihn zwar nie zur Frivolität herabsinken, aber erlaubt ihm auch nicht, sich bis zum poetischen Spiel zu erheben."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":141,"orig":"Bald durch Leidenſchaft, bald durch Abſtraktion angeſpannt, bringt er es ſelten oder nie zu der aͤſthetiſchen Freyheit, welche der Dichter ſeinem Stoff gegenuͤber behaupten, ſeinem Leſer mittheilen muß.","norm":"Bald durch Leidenschaft, bald durch Abstraktion angespannt, bringt er es selten oder nie zu der ästhetischen Freiheit, welche der Dichter seinem Stoff gegenüber behaupten, seinem Leser mitteilen muss."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":142,"orig":"Entweder es iſt ſeine kranke Empfindlichkeit, die uͤber ihn herrſchet, und ſeine Gefuͤhle bis zum Peinlichen treibt; oder es iſt ſeine Denkkraft, die ſeiner Imagination Feſſeln anlegt und durch die Strenge des Begriffs die Anmuth des Gemaͤhldes vernichtet.","norm":"Entweder es ist seine kranke Empfindlichkeit, die über ihn herrschet, und seine Gefühle bis zum Peinlichen treibt; oder es ist seine Denkkraft, die seiner Imagination Fesseln anlegt und durch die Strenge des Begriffs die Anmut des Gemäldes vernichtet."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":143,"orig":"Beyde Eigenſchaften, deren innige Wechſelwirkung und Vereinigung den Poeten eigentlich ausmacht, finden ſich bey dieſem Schriftſteller in ungewoͤhnlich hohem Grad, und nichts fehlt, als daß ſie ſich auch wirklich miteinander vereinigt aͤuſſerten, daß ſeine Selbſtthaͤtigkeit ſich mehr in ſein Empfinden, daß ſeine Empfaͤnglichkeit ſich mehr in ſein Denken miſchte.","norm":"Beide Eigenschaften, deren innige Wechselwirkung und Vereinigung den Poeten eigentlich ausmacht, finden sich bei diesem Schriftsteller in ungewöhnlich hohem Grad, und nichts fehlt, als dass sie sich auch wirklich miteinander vereinigt äußerten, dass seine Selbsttätigkeit sich mehr in sein Empfinden, dass seine Empfänglichkeit sich mehr in sein Denken mischte."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":144,"orig":"Daher iſt auch in dem Ideale, das er von der Menſchheit aufſtellt, auf die Schranken derſelben zu viel, auf ihr Vermoͤgen zu wenig Ruͤckſicht genommen, und uͤberall mehr ein Beduͤrfniß nach phyſiſcher Ruhe als nach moraliſcher Uebereinſtimmung darinn ſichtbar.","norm":"Daher ist auch in dem Ideale, das er von der Menschheit aufstellt, auf die Schranken derselben zu viel, auf ihr Vermögen zu wenig Rücksicht genommen, und überall mehr ein Bedürfnis nach physischer Ruhe als nach moralischer Übereinstimmung darin sichtbar."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":145,"orig":"Seine leidenſchaftliche Empfindlichkeit iſt Schuld, daß er die Menſchheit, um nur des Streits in derſelben recht bald los zu werden, lieber zu der geiſtloſen Einfoͤrmigkeit des erſten Standes zuruͤckgefuͤhrt, als jenen Streit in der geiſtreichen Harmonie einer voͤllig durchgefuͤhrten Bildung geendigt ſehen, daß er die Kunſt lieber gar nicht anfangen laſſen, als ihre Vollendung erwarten will, kurz, daß er das Ziel lieber niedriger ſteckt, und das Ideal lieber herabſetzt, um es nur deſto ſchneller, um es nur deſto ſicherer zu erreichen.","norm":"Seine leidenschaftliche Empfindlichkeit ist schuld, dass er die Menschheit, um nur des Streits in derselben recht bald loszuwerden, lieber zu der geistlosen Einförmigkeit des ersten Standes zurückgeführt, als jenen Streit in der geistreichen Harmonie einer völlig durchgeführten Bildung geendigt sehen, dass er die Kunst lieber gar nicht anfangen lassen, als ihre Vollendung erwarten will, kurz, dass er das Ziel lieber niedriger steckt, und das Ideal lieber herabsetzt, um es nur desto schneller, um es nur desto sicherer zu erreichen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":146,"orig":"Unter Deutſchlands Dichtern in dieſer Gattung will ich hier nur Hallers, Kleiſts und Klopſtocks erwaͤhnen.","norm":"Unter Deutschlands Dichteren in dieser Gattung will ich hier nur Hallers, Kleists und Klopstocks erwähnen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":147,"orig":"Der Charakter ihrer Dichtung iſt ſentimentaliſch; durch Ideen ruͤhren ſie uns, nicht durch ſinnliche Wahrheit, nicht ſowohl weil ſie ſelbſt Natur ſind, als weil ſie uns fuͤr Natur zu begeiſtern wiſſen.","norm":"Der Charakter ihrer Dichtung ist sentimentalisch; durch Ideen rühren sie uns, nicht durch sinnliche Wahrheit, nicht sowohl weil sie selbst Natur sind, als weil sie uns für Natur zu begeistern wissen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":148,"orig":"Was indeſſen von dem Charakter ſowohl dieſer als aller ſentimentaliſchen Dichter im Ganzen wahr iſt, ſchließt natuͤrlicherweiſe darum keineswegs das Vermoͤgen aus, im Einzelnen uns durch naive Schoͤnheit zu ruͤhren: ohne das wuͤrden ſie uͤberall keine Dichter ſeyn.","norm":"Was indessen von dem Charakter sowohl dieser als aller sentimentalischen Dichter im Ganzen wahr ist, schließt natürlicherweise darum keineswegs das Vermögen aus, im Einzelnen uns durch naive Schönheit zu rühren: ohne das würden sie überall keine Dichter sein."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":149,"orig":"Nur ihr eigentlicher und herrſchender Charakter iſt es nicht, mit ruhigem, einfaͤltigem und leichtem Sinn zu empfangen und das Empfangene eben ſo wieder darzuſtellen.","norm":"Nur ihr eigentlicher und herrschender Charakter ist es nicht, mit ruhigem, einfältigem und leichtem Sinn zu empfangen und das Empfangene ebenso wieder darzustellen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":150,"orig":"Unwillkuͤhrlich draͤngt ſich die Phantaſie der Anſchauung, die Denkkraft der Empfindung zuvor und man verſchließt Auge und Ohr, um betrachtend in ſich ſelbſt zu verſinken.","norm":"Unwillkürlich drängt sich die Phantasie der Anschauung, die Denkkraft der Empfindung zuvor und man verschließt Auge und Ohr, um betrachtend in sich selbst zu versinken."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":151,"orig":"Das Gemuͤth kann keinen Eindruck erleiden, ohne ſogleich ſeinem eigenen Spiel zuzuſehen, und was es in ſich hat, durch Reflexion ſich gegenuͤber und aus ſich herauszuſtellen.","norm":"Das Gemüt kann keinen Eindruck erleiden, ohne sogleich seinem eigenen Spiel zuzusehen, und was es in sich hat, durch Reflexion sich gegenüber und aus sich herauszustellen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":152,"orig":"Wir erhalten auf dieſe Art nie den Gegenſtand, nur was der reflektierende Verſtand des Dichters aus dem Gegenſtand machte, und ſelbſt dann, wenn der Dichter ſelbſt dieſer Gegenſtand iſt, wenn er uns ſeine Empfindungen darſtellen will, erfahren wir nicht ſeinen Zuſtand unmittelbar und aus der erſten Hand, ſondern wie ſich derſelbe in ſeinem Gemuͤth reflektiert, was er als Zuſchauer ſeiner ſelbſt daruͤber gedacht hat.","norm":"Wir erhalten auf diese Art nie den Gegenstand, nur was der reflektierende Verstand des Dichters aus dem Gegenstand machte, und selbst dann, wenn der Dichter selbst dieser Gegenstand ist, wenn er uns seine Empfindungen darstellen will, erfahren wir nicht seinen Zustand unmittelbar und aus der ersten Hand, sondern wie sich derselbe in seinem Gemüt reflektiert, was er als Zuschauer seiner selbst darüber gedacht hat."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":153,"orig":"Wenn Haller den Tod ſeiner Gattin betrauert (man kennt das ſchoͤne Lied) und folgendermaaßen anfaͤngt:","norm":"Wenn Haller den Tod seiner Gattin betrauert (man kennt das schöne Lied) und folgendermaßen anfängt:"} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":154,"orig":"Soll ich von deinem Tode ſingen O Mariane welch ein Lied!","norm":"Soll ich von deinem Tode singen O Mariane welch ein Lied!"} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":155,"orig":"Wenn Seufzer mit den Worten ringen Und ein Begriff den andern flieht ⁊ c.","norm":"Wenn Seufzer mit den Worten ringen und ein Begriff den anderen flieht et c."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":156,"orig":"ſo finden wir dieſe Beſchreibung genau wahr, aber wir fuͤhlen auch, daß uns der Dichter nicht eigentlich ſeine Empfindungen, ſondern ſeine Gedanken daruͤber mittheilt.","norm":"so finden wir diese Beschreibung genau wahr, aber wir fühlen auch, dass uns der Dichter nicht eigentlich seine Empfindungen, sondern seine Gedanken darüber mitteilt."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":157,"orig":"Er ruͤhrt uns deßwegen auch weit ſchwaͤcher, weil er ſelbſt ſchon ſehr viel erkaͤltet ſeyn mußte, um ein Zuſchauer ſeiner Ruͤhrung zu ſeyn.","norm":"Er rührt uns deswegen auch weit schwächer, weil er selbst schon sehr viel erkältet sein musste, um ein Zuschauer seiner Rührung zu sein."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":158,"orig":"Schon der groͤßtentheils uͤberſinnliche Stoff der Halleriſchen und zum Theil auch der Klopſtockiſchen Dichtungen ſchließt ſie von der naiven Gattung aus; ſobald daher jener Stoff uͤberhaupt nur poetiſch bearbeitet werden ſollte, ſo mußte er, da er keine koͤrperliche Ratur annehmen und folglich kein Gegenſtand der ſinnlichen Anſchauung werden konnte, ins Unendliche hinuͤbergefuͤhrt und zu einem Gegenſtand der geiſtigen Anſchauung erhoben werden.","norm":"Schon der größtenteils übersinnliche Stoff der Hallerischen und zum Teil auch der Klopstockischen Dichtungen schließt sie von der naiven Gattung aus; sobald daher jener Stoff überhaupt nur poetisch bearbeitet werden sollte, so musste er, da er keine körperliche Natur annehmen und folglich kein Gegenstand der sinnlichen Anschauung werden konnte, ins Unendliche hinübergeführt und zu einem Gegenstand der geistigen Anschauung erhoben werden."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":159,"orig":"Ueberhaupt laͤßt ſich nur in dieſem Sinne eine didaktiſche Poeſie ohne innern Widerſpruch denken; denn, um es noch einmal zu wiederhohlen, nur dieſe zwey Felder beſitzt die Dichtkunſt; entweder ſie muß ſich in der Sinnenwelt oder ſie muß ſich in der Ideenwelt aufhalten, da ſie im Reich der Begriffe oder in der Verſtandeswelt ſchlechterdings nicht gedeihen kann.","norm":"Überhaupt lässt sich nur in diesem Sinne eine didaktische Poesie ohne inneren Widerspruch denken; denn, um es noch einmal zu wiederholen, nur diese zwei Felder besitzt die Dichtkunst; entweder sie muss sich in der Sinnenwelt oder sie muss sich in der Ideenwelt aufhalten, da sie im Reich der Begriffe oder in der Verstandeswelt schlechterdings nicht gedeihen kann."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":160,"orig":"Noch, ich geſtehe es, kenne ich kein Gedicht in dieſer Gattung, weder aus aͤlterer noch neuerer Litteratur, welches den Begriff, den es bearbeitet, rein und vollſtaͤndig entweder bis zur Individualitaͤt herab oder bis zur Idee hinaufgefuͤhrt haͤtte.","norm":"Noch, ich gestehe es, kenne ich kein Gedicht in dieser Gattung, weder aus älterer noch neuerer Literatur, welches den Begriff, den es bearbeitet, rein und vollständig entweder bis zur Individualität herab oder bis zur Idee hinaufgeführt hätte."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":161,"orig":"Der gewoͤhnliche Fall iſt, wenn es noch gluͤcklich geht, daß zwiſchen beyden abgewechſelt wird, waͤhrend daß der abſtrakte Begriff herrſchet, und daß der Einbildungskraft, welche auf dem poetiſchen Felde zu gebieten haben ſoll, bloß verſtattet wird, den Verſtand zu bedienen.","norm":"Der gewöhnliche Fall ist, wenn es noch glücklich geht, dass zwischen beiden abgewechselt wird, während dass der abstrakte Begriff herrschet, und dass der Einbildungskraft, welche auf dem poetischen Felde zu gebieten haben soll, bloß verstattet wird, den Verstand zu bedienen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":162,"orig":"Dasjenige didaktiſche Gedicht, worinn der Gedanke ſelbſt poetiſch waͤre, und es auch bliebe, iſt noch zu erwarten.","norm":"Dasjenige didaktische Gedicht, worin der Gedanke selbst poetisch wäre, und es auch bliebe, ist noch zu erwarten."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":163,"orig":"Was hier im allgemeinen von allen Lehrgedichten geſagt wird, gilt auch von den Halleriſchen insbeſondere.","norm":"Was hier im Allgemeinen von allen Lehrgedichten gesagt wird, gilt auch von den Hallerschen insbesondere."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":164,"orig":"Der Gedanke ſelbſt iſt kein dichteriſcher Gedanke, aber die Ausfuͤhrung wird es zuweilen, bald durch den Gebrauch der Bilder bald durch den Aufſchwung zu Ideen.","norm":"Der Gedanke selbst ist kein dichterischer Gedanke, aber die Ausführung wird es zuweilen, bald durch den Gebrauch der Bilder bald durch den Aufschwung zu Ideen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":165,"orig":"Nur in der letztern Qualitaͤt gehoͤren ſie hieher.","norm":"Nur in der letzteren Qualität gehören sie hierher."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":166,"orig":"Kraft und Tiefe und ein pathetiſcher Ernſt charakteriſiren dieſen Dichter.","norm":"Kraft und Tiefe und ein pathetischer Ernst charakterisieren diesen Dichter."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":167,"orig":"Von einem Ideal iſt ſeine Seele entzuͤndet, und ſein gluͤhendes Gefuͤhl fuͤr Wahrheit ſucht in den ſtillen Alpenthaͤlern die aus der Welt verſchwundene Unſchuld.","norm":"Von einem Ideal ist seine Seele entzündet, und sein glühendes Gefühl für Wahrheit sucht in den stillen Alpentälern die aus der Welt verschwundene Unschuld."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":168,"orig":"Tiefruͤhrend iſt ſeine Klage, mit energiſcher, faſt bittrer Satyre zeichnet er die Verirrungen des Verſtandes und Herzens und mit Liebe die ſchoͤne Einfalt der Natur.","norm":"Tiefrührend ist seine Klage, mit energischer, fast bittrer Satire zeichnet er die Verirrungen des Verstandes und Herzens und mit Liebe die schöne Einfalt der Natur."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":169,"orig":"Nur uͤberwiegt uͤberall zu ſehr der Begriff in ſeinen Gemaͤhlden, ſo wie in ihm ſelbſt der Verſtand uͤber die Empfindung den Meiſter ſpielt.","norm":"Nur überwiegt überall zu sehr der Begriff in seinen Gemälden, so wie in ihm selbst der Verstand über die Empfindung den Meister spielt."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":170,"orig":"Daher lehrt er durchgaͤngig mehr als er darſtellt, und ſtellt durchgaͤngig mit mehr kraͤftigen als lieblichen Zuͤgen dar.","norm":"Daher lehrt er durchgängig mehr als er darstellt, und stellt durchgängig mit mehr kräftigen als lieblichen Zügen dar."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":171,"orig":"Er iſt groß, kuͤhn, feurig, erhaben; zur Schoͤnheit aber hat er ſich ſelten oder niemals erhoben.","norm":"Er ist groß, kühn, feurig, erhaben; zur Schönheit aber hat er sich selten oder niemals erhoben."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":172,"orig":"An Ideengehalt und an Tiefe des Geiſtes ſteht Kleiſt dieſem Dichter um vieles nach; an Anmuth moͤchte er ihn uͤbertreffen, wenn wir ihm anders nicht, wie zuweilen geſchieht, einen Mangel auf der einen Seite fuͤr eine Staͤrke auf der andern anrechnen.","norm":"An Ideengehalt und an Tiefe des Geistes steht Kleist diesem Dichter um vieles nach; an Anmut möchte er ihn übertreffen, wenn wir ihm anders nicht, wie zuweilen geschieht, einen Mangel auf der einen Seite für eine Stärke auf der anderen anrechnen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":173,"orig":"Kleiſts gefuͤhlvolle Seele ſchwelgt am liebſten im Anblick laͤndlicher Scenen und Sitten.","norm":"Kleists gefühlvolle Seele schwelgt am liebsten im Anblick ländlicher Szenen und Sitten."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":174,"orig":"Er flieht gerne das leere Geraͤuſch der Geſellſchaft und findet im Schooß der lebloſen Natur die Harmonie und den Frieden, den er in der moraliſchen Welt vermißt.","norm":"Er flieht gerne das leere Geräusch der Gesellschaft und findet im Schoß der leblosen Natur die Harmonie und den Frieden, den er in der moralischen Welt vermisst."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":175,"orig":"Wie ruͤhrend iſt ſeine Sehnſucht nach Ruhe!","norm":"Wie rührend ist seine Sehnsucht nach Ruhe!"} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":176,"orig":"Wie wahr und gefuͤhlt, wenn er ſingt:","norm":"Wie wahr und gefühlt, wenn er singt:"} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":177,"orig":"O Welt du biſt des wahren Lebens Grab.","norm":"O Welt du bist des wahren Lebens Grab."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":178,"orig":"Oft reitzet mich ein heiſſer Trieb zur Tugend, Fuͤr Wehmuth rollt ein Bach die Wang’ herab, Das Beyſpiel ſiegt und du o Feur der Jugend.","norm":"Oft reizet mich ein heißer Trieb zur Tugend, für Wehmut rollt ein Bach die Wange herab, das Beispiel siegt und du o Feuer der Jugend."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":179,"orig":"Ihr trocknet bald die edeln Thraͤnen ein.","norm":"Ihr trocknet bald die edlen Tränen ein."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":180,"orig":"Ein wahrer Menſch muß fern von Menſchen ſeyn.","norm":"Ein wahrer Mensch muss fern von Menschen sein."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":181,"orig":"“","norm":"“"} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":182,"orig":"Aber hat ihn ſein Dichtungstrieb aus dem einengenden Kreis der Verhaͤltniſſe heraus in die geiſtreiche Einſamkeit der Natur gefuͤhrt, ſo verfolgt ihn auch noch biß hieher das aͤngſtliche Bild des Zeitalters und leider auch ſeine Feſſeln.","norm":"Aber hat ihn sein Dichtungstrieb aus dem einengenden Kreis der Verhältnisse heraus in die geistreiche Einsamkeit der Natur geführt, so verfolgt ihn auch noch bis hierher das ängstliche Bild des Zeitalters und leider auch seine Fesseln."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":183,"orig":"Was er fliehet, iſt in ihm, was er ſuchet, iſt ewig auſſer ihm; nie kann er den uͤblen Einfluß ſeines Jahrhunderts verwinden.","norm":"Was er fliehet, ist in ihm, was er suchet, ist ewig außer ihm; nie kann er den üblen Einfluss seines Jahrhunderts verwinden."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":184,"orig":"Iſt ſein Herz gleich feurig, ſeine Phantaſie gleich energiſch genug, die todten Gebilde des Verſtandes durch die Darſtellung zu beſeelen, ſo entſeelt der kalte Gedanke eben ſo oft wieder die lebendige Schoͤpfung der Dichtungskraft, und die Reflexion ſtoͤrt das geheime Werk der Empfindung.","norm":"Ist sein Herz gleich feurig, seine Phantasie gleich energisch genug, die toten Gebilde des Verstandes durch die Darstellung zu beseelen, so entseelt der kalte Gedanke ebenso oft wieder die lebendige Schöpfung der Dichtungskraft, und die Reflexion stört das geheime Werk der Empfindung."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":185,"orig":"Bunt zwar und prangend wie der Fruͤhling, den er beſang, iſt ſeine Dichtung, ſeine Phantaſie iſt rege und thaͤtig, doch moͤchte man ſie eher veraͤnderlich als reich, eher ſpielend als ſchaffend, eher unruhig fortſchreitend als ſammelnd und bildend nennen.","norm":"Bunt zwar und prangend wie der Frühling, den er besang, ist seine Dichtung, seine Phantasie ist rege und tätig, doch möchte man sie eher veränderlich als reich, eher spielend als schaffend, eher unruhig fortschreitend als sammelnd und bildend nennen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":186,"orig":"Schnell und uͤppig wechſeln Zuͤge auf Zuͤge, aber ohne ſich zum Individuum zu concentrieren, ohne ſich zum Leben zu fuͤllen und zur Geſtalt zu runden.","norm":"Schnell und üppig wechseln Züge auf Züge, aber ohne sich zum Individuum zu konzentrieren, ohne sich zum Leben zu füllen und zur Gestalt zu runden."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":187,"orig":"Solange er bloß lyriſch dichtet und bloß bey landſchaftlichen Gemaͤhlden verweilt, laͤßt uns theils die groͤßere Freyheit der lyriſchen Form, theils die willkuͤhrlichere Beſchaffenheit ſeines Stoffs dieſen Mangel uͤberſehen, indem wir hier uͤberhaupt mehr die Gefuͤhle des Dichters als den Gegenſtand ſelbſt dargeſtellt verlangen.","norm":"Solange er bloß lyrisch dichtet und bloß bei landschaftlichen Gemälden verweilt, lässt uns teils die größere Freiheit der lyrischen Form, teils die willkürlichere Beschaffenheit seines Stoffs diesen Mangel übersehen, indem wir hier überhaupt mehr die Gefühle des Dichters als den Gegenstand selbst dargestellt verlangen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":188,"orig":"Aber der Fehler wird nur allzu merklich, wenn er ſich, wie in ſeinem Ciſſides und Paches, und in ſeinem Seneka, heraus nimmt, Menſchen und menſchliche Handlung darzuſtellen; weil hier die Einbildungskraft ſich zwiſchen feſten und nothwendigen Grenzen eingeſchloſſen ſieht, und der poetiſche Effekt nur aus dem Gegenſtand hervorgehen kann.","norm":"Aber der Fehler wird nur allzu merklich, wenn er sich, wie in seinem Cissides und Paches, und in seinem Seneca, herausnimmt, Menschen und menschliche Handlung darzustellen; weil hier die Einbildungskraft sich zwischen festen und notwendigen Grenzen eingeschlossen sieht, und der poetische Effekt nur aus dem Gegenstand hervorgehen kann."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":189,"orig":"Hier wird er duͤrftig, langweilig, mager und bis zum Unertraglichen froſtig: ein warnendes Beyſpiel fuͤr alle, die ohne innern Beruf aus dem Felde muſikaliſcher Poeſie in das Gebiet der bildenden ſich verſteigen.","norm":"Hier wird er dürftig, langweilig, mager und bis zum Unerträglichen frostig: ein warnendes Beispiel für alle, die ohne inneren Beruf aus dem Felde musikalischer Poesie in das Gebiet der bildenden sich versteigen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":190,"orig":"Einem verwandten Genie, dem Thomſon, iſt die nehmliche Menſchlichkeit begegnet.","norm":"Einem verwandten Genie, dem Thomson, ist die nämliche Menschlichkeit begegnet."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":191,"orig":"In der ſentimentaliſchen Gattung und beſonders in dem elegiſchen Theil derſelben moͤchten wenige aus den neuern und noch wenigere aus den aͤltern Dichtern mit unſerm Klopſtock zu vergleichen ſeyn.","norm":"In der sentimentalischen Gattung und besonders in dem elegischen Teil derselben möchten wenige aus den neueren und noch weniger aus den älteren Dichteren mit unserem Klopstock zu vergleichen sein."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":192,"orig":"Was nur immer, außerhalb den Grenzen lebendiger Form und außer dem Gebiete der Individualitaͤt, im Felde der Idealitaͤt zu erreichen iſt, iſt von dieſem muſikaliſchen Dichter geleiſtet.","norm":"Was nur immer, außerhalb den Grenzen lebendiger Form und außer dem Gebiete der Individualität, im Felde der Idealität zu erreichen ist, ist von diesem musikalischen Dichter geleistet."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":193,"orig":"Zwar wuͤrde man ihm großes Unrecht thun, wenn man ihm jene individuelle Wahrheit und Lebendigkeit, womit der naive Dichter ſeinen Gegenſtand ſchildert, uͤberhaupt abſprechen wollte.","norm":"Zwar würde man ihm großes Unrecht tun, wenn man ihm jene individuelle Wahrheit und Lebendigkeit, womit der naive Dichter seinen Gegenstand schildert, überhaupt absprechen wollte."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":194,"orig":"Viele ſeiner Oden, mehrere einzelne Zuͤge in ſeinen Dramen und in ſeinem Meſſias ſtellen den Gegenſtand mit treffender Wahrheit und in ſchoͤner Umgrenzung dar; da beſonders, wo der Gegenſtand ſein eigenes Herz iſt, hat er nicht ſelten eine große Natur, eine reitzende Naivetaͤt bewieſen.","norm":"Viele seiner Oden, mehrere einzelne Züge in seinen Dramen und in seinem Messias stellen den Gegenstand mit treffender Wahrheit und in schöner Umgrenzung dar; da besonders, wo der Gegenstand sein eigenes Herz ist, hat er nicht selten eine große Natur, eine reizende Naivität bewiesen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":195,"orig":"Nur liegt hierinn ſeine Staͤrke nicht, nur moͤchte ſich dieſe Eigenſchaft nicht durch das Ganze ſeines dichteriſchen Kreiſes durchfuͤhren laſſen.","norm":"Nur liegt hierin seine Stärke nicht, nur möchte sich diese Eigenschaft nicht durch das Ganze seines dichterischen Kreises durchführen lassen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":196,"orig":"So eine herrliche Schoͤpfung die Meſſiade in muſikaliſch poetiſcher Ruͤckſicht, nach der oben gegebenen Beſtimmung, iſt, ſo vieles laͤßt ſie in plaſtiſch poetiſcher noch zu wuͤnſchen uͤbrig, wo man beſtimmte und fuͤr die Anſchauung beſtimmte Formen erwartet.","norm":"So eine herrliche Schöpfung die Messiade in musikalisch poetischer Rücksicht, nach der oben gegebenen Bestimmung, ist, so vieles lässt sie in plastisch poetischer noch zu wünschen übrig, wo man bestimmte und für die Anschauung bestimmte Formen erwartet."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":197,"orig":"Beſtimmt genug moͤchten vielleicht noch die Figuren in dieſem Gedichte ſeyn, aber nicht fuͤr die Anſchauung; nur die Abſtraktion hat ſie erſchaffen, nur die Abſtraktion kann ſie unterſcheiden.","norm":"Bestimmt genug möchten vielleicht noch die Figuren in diesem Gedichte sein, aber nicht für die Anschauung; nur die Abstraktion hat sie erschaffen, nur die Abstraktion kann sie unterscheiden."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":198,"orig":"Sie ſind gute Exempel zu Begriffen, aber keine Individuen, keine lebende Geſtalten.","norm":"Sie sind gute Exempel zu Begriffen, aber keine Individuen, keine lebenden Gestalten."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":199,"orig":"Der Einbildungskraft, an die doch der Dichter ſich wenden, und die er durch die durchgaͤngige Beſtimmtheit ſeiner Formen beherrſchen ſoll, iſt es viel zu ſehr frey geſtellt, auf was Art ſie ſich dieſe Menſchen und Engel, dieſe Goͤtter und Satane, dieſen Himmel und dieſe Hoͤlle verſinnlichen will.","norm":"Der Einbildungskraft, an die doch der Dichter sich wenden, und die er durch die durchgängige Bestimmtheit seiner Formen beherrschen soll, ist es viel zu sehr freigestellt, auf was Art sie sich diese Menschen und Engel, diese Götter und Satane, diesen Himmel und diese Hölle versinnlichen will."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":200,"orig":"Es iſt ein Umriß gegeben, innerhalb deſſen der Verſtand ſie nothwendig denken muß, aber keine feſte Grenze iſt geſetzt, innerhalb deren die Phantaſie ſie nothwendig darſtellen muͤßte.","norm":"Es ist ein Umriss gegeben, innerhalb dessen der Verstand sie notwendig denken muss, aber keine feste Grenze ist gesetzt, innerhalb deren die Phantasie sie notwendig darstellen müsste."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":201,"orig":"Was ich hier von den Charakteren ſage, gilt von allem, was in dieſem Gedichte Leben und Handlung iſt oder ſeyn ſoll; und nicht bloß in dieſer Epopee, auch in den dramatiſchen Poeſien unſers Dichters.","norm":"Was ich hier von den Charakteren sage, gilt von allem, was in diesem Gedichte Leben und Handlung ist oder sein soll; und nicht bloß in dieser Epopöe, auch in den dramatischen Poesien unseres Dichters."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":202,"orig":"Fuͤr den Verſtand iſt alles treflich beſtimmt und begrenzet (ich will hier nur an ſeinen Judas, ſeinen Pilatus, ſeinen Philo, ſeinen Salomo, im Trauerſpiel dieſes Nahmens erinnern) aber es iſt viel zu formlos fuͤr die Einbildungskraft und hier, ich geſtehe es frey heraus, finde ich dieſen Dichter ganz und gar nicht in ſeiner Sphaͤre.","norm":"Für den Verstand ist alles trefflich bestimmt und begrenzet (ich will hier nur an seinen Judas, seinen Pilatus, seinen Philo, seinen Salomo, im Trauerspiel dieses Namens erinnern) aber es ist viel zu formlos für die Einbildungskraft und hier, ich gestehe es frei heraus, finde ich diesen Dichter ganz und gar nicht in seiner Sphäre."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":203,"orig":"Seine Sphaͤre iſt immer das Ideenreich, und ins Unendliche weiß er alles, was er bearbeitet, hinuͤber zu fuͤhren.","norm":"Seine Sphäre ist immer das Ideenreich, und ins Unendliche weiß er alles, was er bearbeitet, hinüberzuführen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":204,"orig":"Man moͤchte ſagen, er ziehe allem, was er behandelt, den Koͤrper aus, um es zu Geiſt zu machen, ſo wie andre Dichter alles geiſtige mit einem Koͤrper bekleiden.","norm":"Man möchte sagen, er ziehe allem, was er behandelt, den Körper aus, um es zu Geist zu machen, so wie andere Dichter alles Geistige mit einem Körper bekleiden."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":205,"orig":"Beynahe jeder Genuß, den ſeine Dichtungen gewaͤhren, muß durch eine Uebung der Denkkraft errungen werden; alle Gefuͤhle, die er, und zwar ſo innig und ſo maͤchtig in uns zu erregen weiß, ſtroͤmen aus uͤberſinnlichen Quellen hervor.","norm":"Beinahe jeder Genuss, den seine Dichtungen gewähren, muss durch eine Übung der Denkkraft errungen werden; alle Gefühle, die er, und zwar so innig und so mächtig in uns zu erregen weiß, strömen aus übersinnlichen Quellen hervor."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":206,"orig":"Daher dieſer Ernſt, dieſe Kraft, dieſer Schwung, dieſe Tiefe, die alles charakteriſieren, was von ihm kommt; daher auch dieſe immerwaͤhrende Spannung des Gemuͤths, in der wir bey Leſung deſſelben erhalten werden.","norm":"Daher dieser Ernst, diese Kraft, dieser Schwung, diese Tiefe, die alles charakterisieren, was von ihm kommt; daher auch diese immerwährende Spannung des Gemüts, in der wir bei Lesung desselben erhalten werden."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":207,"orig":"Kein Dichter (Young etwa ausgenommen, der darinn mehr fodert als Er, aber ohne es, wie er thut, zu verguͤten) duͤrfte ſich weniger zum Liebling und zum Begleiter durchs Leben ſchicken, als gerade Klopſtock, der uns immer nur aus dem Leben herausfuͤhrt, immer nur den Geiſt unter die Waffen ruft, ohne den Sinn mit der ruhigen Gegenwart eines Objekts zu erquicken.","norm":"Kein Dichter (Young etwa ausgenommen, der darin mehr fordert als Er, aber ohne es, wie er tut, zu vergüten) dürfte sich weniger zum Liebling und zum Begleiter durchs Leben schicken, als gerade Klopstock, der uns immer nur aus dem Leben herausführt, immer nur den Geist unter die Waffen ruft, ohne den Sinn mit der ruhigen Gegenwart eines Objekts zu erquicken."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":208,"orig":"Keuſch, uͤberirrdiſch, unkoͤrperlich, heilig wie ſeine Religion iſt ſeine dichteriſche Muſe, und man muß mit Bewunderung geſtehen, daß er, wiewohl zuweilen in dieſen Hoͤhen verirret, doch niemals davon herabgeſunken iſt.","norm":"Keusch, überirdisch, unkörperlich, heilig wie seine Religion ist seine dichterische Muse, und man muss mit Bewunderung gestehen, dass er, wiewohl zuweilen in diesen Höhen verirret, doch niemals davon herabgesunken ist."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":209,"orig":"Ich bekenne daher unverhohlen, daß mir fuͤr den Kopf desjenigen etwas bange iſt, der wirklich und ohne Affektation dieſen Dichter zu ſeinem Lieblingsbuche machen kann; zu einem Buche nehmlich, bey dem man zu jeder Lage ſich ſtimmen, zu dem man aus jeder Lage zuruͤckkehren kann; auch, daͤchte ich, haͤtte man in Deutſchland Fruͤchte genug von ſeiner gefaͤhrlichen Herrſchaft geſehen.","norm":"Ich bekenne daher unverhohlen, dass mir für den Kopf desjenigen etwas bange ist, der wirklich und ohne Affektation diesen Dichter zu seinem Lieblingsbuche machen kann; zu einem Buche nämlich, bei dem man zu jeder Lage sich stimmen, zu dem man aus jeder Lage zurückkehren kann; auch, dächte ich, hätte man in Deutschland Früchte genug von seiner gefährlichen Herrschaft gesehen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":210,"orig":"Nur in gewiſſen exaltierten Stimmungen des Gemuͤths kann er geſucht und empfunden werden; deswegen iſt er auch der Abgott der Jugend, obgleich bey weitem nicht ihre gluͤcklichſte Wahl.","norm":"Nur in gewissen exaltierten Stimmungen des Gemüts kann er gesucht und empfunden werden; deswegen ist er auch der Abgott der Jugend, obgleich bei weitem nicht ihre glücklichste Wahl."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":211,"orig":"Die Jugend, die immer uͤber das Leben hinausſtrebt, die alle Form fliehet, und jede Grenze zu enge findet, ergeht ſich mit Liebe und Luſt in den endloſen Raͤumen, die ihr von dieſem Dichter aufgethan werden.","norm":"Die Jugend, die immer über das Leben hinausstrebt, die alle Form fliehet, und jede Grenze zu enge findet, ergeht sich mit Liebe und Lust in den endlosen Räumen, die ihr von diesem Dichter aufgetan werden."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":212,"orig":"Wenn dann der Juͤngling Mann wird, und aus dem Reiche der Ideen in die Grenzen der Erfahrung zuruͤckkehrt, ſo verliert ſich vieles, ſehr vieles von jener enthuſiaſtiſchen Liebe, aber nichts von der Achtung, die man einer ſo einzigen Erſcheinung, einem ſo außerordentlichen Genius, einem ſo ſehr veredelten Gefuͤhl, die der Deutſche beſonders einem ſo hohen Verdienſte ſchuldig iſt.","norm":"Wenn dann der Jüngling Mann wird, und aus dem Reiche der Ideen in die Grenzen der Erfahrung zurückkehrt, so verliert sich vieles, sehr vieles von jener enthusiastischen Liebe, aber nichts von der Achtung, die man einer so einzigen Erscheinung, einem so außerordentlichen Genius, einem so sehr veredelten Gefühl, die der Deutsche besonders einem so hohen Verdienste schuldig ist."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":213,"orig":"Ich nannte dieſen Dichter vorzugsweiſe in der elegiſchen Gattung groß, und kaum wird es noͤthig ſeyn, dieſes Urtheil noch beſonders zu rechtfertigen.","norm":"Ich nannte diesen Dichter vorzugsweise in der elegischen Gattung groß, und kaum wird es nötig sein, dieses Urteil noch besonders zu rechtfertigen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":214,"orig":"Faͤhig zu jeder Energie und Meiſter auf dem ganzen Felde ſentimentaliſcher Dichtung kann er uns bald durch das hoͤchſte Pathos erſchuͤttern, bald in himmliſch ſuͤſſe Empfindungen wiegen; aber zu einer hohen geiſtreichen Wehmuth neigt ſich doch uͤberwiegend ſein Herz, und wie erhaben auch ſeine Harfe, ſeine Lyra toͤnt, ſo werden die ſchmelzenden Toͤne ſeiner Laute doch immer wahrer und tiefer und beweglicher klingen.","norm":"Fähig zu jeder Energie und Meister auf dem ganzen Felde sentimentalischer Dichtung kann er uns bald durch das höchste Pathos erschüttern, bald in himmlisch süße Empfindungen wiegen; aber zu einer hohen geistreichen Wehmut neigt sich doch überwiegend sein Herz, und wie erhaben auch seine Harfe, seine Lyra tönt, so werden die schmelzenden Töne seiner Laute doch immer wahrer und tiefer und beweglicher klingen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":215,"orig":"Ich berufe mich auf jedes rein geſtimmte Gefuͤhl, ob es nicht alles Kuͤhne und Starke, alle Fictionen, alle prachtvollen Beſchreibungen, alle Muſter oratoriſcher Beredtſamkeit im Meſſias, alle ſchimmernden Gleichniſſe, worinn unſer Dichter ſo vorzuͤglich gluͤcklich iſt, fuͤr die zarten Empfindungen hingeben wuͤrde, welche in der Elegie an Ebert, in dem herrlichen Gedicht Bardale, den fruͤhen Graͤbern, der Sommernacht, dem Zuͤrcher See und mehrere andere aus dieſer Gattung athmen.","norm":"Ich berufe mich auf jedes rein gestimmte Gefühl, ob es nicht alles Kühne und Starke, alle Fiktionen, alle prachtvollen Beschreibungen, alle Muster oratorischer Beredsamkeit im Messias, alle schimmernden Gleichnisse, worin unser Dichter so vorzüglich glücklich ist, für die zarten Empfindungen hingeben würde, welche in der Elegie an Ebert, in dem herrlichen Gedicht Bardale, den frühen Gräbern, der Sommernacht, dem Zürcher See und mehreren andere aus dieser Gattung atmen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":216,"orig":"So iſt mir die Meſſiade als ein Schatz elegiſcher Gefuͤhle und idealiſcher Schilderungen theuer, wie wenig ſie mich auch als Darſtellung einer Handlung und als ein epiſches Werk befriedigt.","norm":"So ist mir die Messiade als ein Schatz elegischer Gefühle und idealischer Schilderungen teuer, wie wenig sie mich auch als Darstellung einer Handlung und als ein episches Werk befriedigt."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":217,"orig":"Vielleicht ſollte ich, ehe ich dieſes Gebiet verlaſſe, auch noch an die Verdienſte eines Uz, Denis, Geßner (in ſeinem Tod Abels) Jacobi, von Gerſtenberg, eines Hoͤlty, von Goͤckingk, und mehrerer andern in dieſer Gattung erinnern, welche alle uns durch Ideen ruͤhren, und, in der oben feſtgeſetzten Bedeutung des Worts, ſentimentaliſch gedichtet haben.","norm":"Vielleicht sollte ich, ehe ich dieses Gebiet verlasse, auch noch an die Verdienste eines Uz, Denis, Geßner (in seinem Tod Abels) Jacobi, von Gerstenberg, eines Hölty, von Göckingk, und mehrerer anderen in dieser Gattung erinnern, welche alle uns durch Ideen rühren, und, in der oben festgesetzten Bedeutung des Worts, sentimentalisch gedichtet haben."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":218,"orig":"Aber mein Zweck iſt nicht, eine Geſchichte der deutſchen Dichtkunſt zu ſchreiben, ſondern das oben geſagte durch einige Beyſpiele aus unſrer Litteratur klar zu machen.","norm":"Aber mein Zweck ist nicht, eine Geschichte der deutschen Dichtkunst zu schreiben, sondern das oben Gesagte durch einige Beispiele aus unserer Literatur klarzumachen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":219,"orig":"Die Verſchiedenheit des Weges wollte ich zeigen, auf welchem alte und moderne, naive und ſentimentaliſche Dichter zu dem nehmlichen Ziele gehen — daß, wenn uns jene durch Natur, Individualitaͤt und lebendige Sinnlichkeit ruͤhren, dieſe durch Ideen und hohe Geiſtigkeit eine eben ſo große, wenn gleich keine ſo ausgebreitete, Macht uͤber unſer Gemuͤth beweiſen.","norm":"Die Verschiedenheit des Weges wollte ich zeigen, auf welchem alte und moderne, naive und sentimentalische Dichter zu dem nämlichen Ziele gehen — dass, wenn uns jene durch Natur, Individualität und lebendige Sinnlichkeit rühren, diese durch Ideen und hohe Geistigkeit eine ebenso große, wenngleich keine so ausgebreitete, Macht über unser Gemüt beweisen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":220,"orig":"An den bisherigen Beyſpielen hat man geſehen, wie der ſentimentaliſche Dichtergeiſt einen natuͤrlichen Stoff behandelt; man koͤnnte aber auch intereſſiert ſeyn zu wiſſen, wie der naive Dichtergeiſt mit einem ſentimentaliſchen Stoff verfaͤhrt.","norm":"An den bisherigen Beispielen hat man gesehen, wie der sentimentalische Dichtergeist einen natürlichen Stoff behandelt; man könnte aber auch interessiert sein zu wissen, wie der naive Dichtergeist mit einem sentimentalischen Stoff verfährt."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":221,"orig":"Voͤllig neu und von einer ganz eigenen Schwierigkeit ſcheint dieſe Aufgabe zu ſeyn, da in der alten und naiven Welt ein ſolcher Stoff ſich nicht vorfand, in der neuen aber der Dichter dazu fehlen moͤchte.","norm":"Völlig neu und von einer ganz eigenen Schwierigkeit scheint diese Aufgabe zu sein, da in der alten und naiven Welt ein solcher Stoff sich nicht vorfand, in der neuen aber der Dichter dazu fehlen möchte."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":222,"orig":"Dennoch hat ſich das Genie auch dieſe Aufgabe gemacht, und auf eine bewundernswuͤrdig gluͤckliche Weiſe aufgeloͤßt.","norm":"Dennoch hat sich das Genie auch diese Aufgabe gemacht, und auf eine bewunderungswürdig glückliche Weise aufgelöst."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":223,"orig":"Ein Charakter, der mit gluͤhender Empfindung ein Ideal umfaßt, und die Wirklichkeit fliehet, um nach einem weſenloſen Unendlichen zu ringen, der was er in ſich ſelbſt unaufhoͤrlich zerſtoͤrt, unaufhoͤrlich auſſer ſich ſuchet, dem nur ſeine Traͤume das Reelle, ſeine Erfahrungen ewig nur Schranken ſind, der endlich in ſeinem eigenen Daſeyn nur eine Schranke ſieht, und auch dieſe, wie billig iſt, noch einreißt, um zu der wahren Realitaͤt durchzudringen — dieſes gefaͤhrliche Extrem des ſentimentaliſchen Charakters iſt der Stoff eines Dichters geworden, in welchem die Natur getreuer und reiner als in irgend einem andern wirkt, und der ſich unter modernen Dichtern vielleicht am wenigſten von der ſinnlichen Wahrheit der Dinge entfernt.","norm":"Ein Charakter, der mit glühender Empfindung ein Ideal umfasst, und die Wirklichkeit fliehet, um nach einem wesenlosen Unendlichen zu ringen, der was er in sich selbst unaufhörlich zerstört, unaufhörlich außer sich suchet, dem nur seine Träume das Reelle, seine Erfahrungen ewig nur Schranken sind, der endlich in seinem eigenen Dasein nur eine Schranke sieht, und auch diese, wie billig ist, noch einreißt, um zu der wahren Realität durchzudringen — dieses gefährliche Extrem des sentimentalischen Charakters ist der Stoff eines Dichters geworden, in welchem die Natur getreuer und reiner als in irgendeinem anderen wirkt, und der sich unter modernen Dichteren vielleicht am wenigsten von der sinnlichen Wahrheit der Dinge entfernt."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":224,"orig":"Es iſt intereſſant zu ſehen, mit welchem gluͤcklichen Inſtinkt alles was dem ſentimentaliſchen Charakter Nahrung giebt, im Werther zuſammengedraͤngt iſt; ſchwaͤrmeriſche ungluͤckliche Liebe, Empfindſamkeit fuͤr Natur, Religionsgefuͤhle, philoſophiſcher Contemplationsgeiſt, endlich, um nichts zu vergeſſen, die duͤſtre, geſtaltloſe, ſchwermuͤthige Oſſianiſche Welt.","norm":"Es ist interessant zu sehen, mit welchem glücklichen Instinkt alles was dem sentimentalischen Charakter Nahrung gibt, im Werther zusammengedrängt ist; schwärmerische unglückliche Liebe, Empfindsamkeit für Natur, Religionsgefühle, philosophischer Kontemplationsgeist, endlich, um nichts zu vergessen, die düstre, gestaltlose, schwermütige Ossianische Welt."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":225,"orig":"Rechnet man dazu, wie wenig empfehlend, ja wie feindlich die Wirklichkeit dagegen geſtellt iſt, und wie von auſſen her alles ſich vereinigt, den Gequaͤlten in ſeine Idealwelt zuruͤckzudraͤngen, ſo ſieht man keine Moͤglichkeit, wie ein ſolcher Charakter aus einem ſolchen Kreiſe ſich haͤtte retten koͤnnen.","norm":"Rechnet man dazu, wie wenig empfehlend, ja wie feindlich die Wirklichkeit dagegen gestellt ist, und wie von außen her alles sich vereinigt, den Gequälten in seine Idealwelt zurückzudrängen, so sieht man keine Möglichkeit, wie ein solcher Charakter aus einem solchen Kreise sich hätte retten können."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":226,"orig":"In dem Taſſo des nehmlichen Dichters kehrt der nehmliche Gegenſatz, wiewohl in ganz verſchiedenen Charakteren; ſelbſt in ſeinem neueſten Roman ſtellt ſich, ſo wie in jenem erſten, der poetiſierende Geiſt dem nuͤchternen Gemeinſinn, das Ideale dem Wirklichen, die ſubjektive Vorſtellungsweiſe der objektiven — — aber mit welcher Verſchiedenheit!","norm":"In dem Tasso des nämlichen Dichters kehrt der nämliche Gegensatz, wiewohl in ganz verschiedenen Charakteren; selbst in seinem neuesten Roman stellt sich, so wie in jenem ersten, der poetisierende Geist dem nüchternen Gemeinsinn, das Ideale dem Wirklichen, die subjektive Vorstellungsweise der objektiven — — aber mit welcher Verschiedenheit!"} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":227,"orig":"entgegen: ſogar im Fauſt treffen wir den nehmlichen Gegenſatz, freylich wie auch der Stoff dieß erfoderte, auf beyden Seiten ſehr vergroͤbert und materialiſiert wieder an; es verlohnte wohl der Muͤhe, eine pſychologiſche Entwicklung dieſes auf vier ſo verſchiedene Arten ſpecificierten Charakters zu verſuchen.","norm":"entgegen: sogar im Faust treffen wir den nämlichen Gegensatz, freilich wie auch der Stoff dies erforderte, auf beiden Seiten sehr vergröbert und materialisiert wieder an; es verlohnte wohl der Mühe, eine psychologische Entwicklung dieses auf vier so verschiedene Arten spezifizierten Charakters zu versuchen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":228,"orig":"Es iſt oben bemerkt worden, daß die bloß leichte und joviale Gemuͤthsart, wenn ihr nicht eine innere Ideenfuͤlle zum Grund liegt, noch gar keinen Beruf zur ſcherzhaften Satyre abgebe, ſo freygebig ſie auch im gewoͤhnlichen Urtheil dafuͤr genommen wird; eben ſo wenig Beruf giebt die bloß zaͤrtliche Weichmuͤthigkeit und Schwermuth zur elegiſchen Dichtung.","norm":"Es ist oben bemerkt worden, dass die bloß leichte und joviale Gemütsart, wenn ihr nicht eine innere Ideenfülle zum Grund liegt, noch gar keinen Beruf zur scherzhaften Satire abgebe, so freigebig sie auch im gewöhnlichen Urteil dafür genommen wird; ebensowenig Beruf gibt die bloß zärtliche Weichmütigkeit und Schwermut zur elegischen Dichtung."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":229,"orig":"Beyden fehlt zu dem wahren Dichtertalente das energiſche Princip, welches den Stoff beleben muß, um das wahrhaft ſchoͤne zu erzeugen.","norm":"Beiden fehlt zu dem wahren Dichtertalente das energische Prinzip, welches den Stoff beleben muss, um das wahrhaft Schöne zu erzeugen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":230,"orig":"Produkte dieſer zaͤrtlichen Gattung koͤnnen uns daher bloß ſchmelzen und ohne das Herz zu erquicken und den Geiſt zu beſchaͤftigen, bloß der Sinnlichkeit ſchmeicheln.","norm":"Produkte dieser zärtlichen Gattung können uns daher bloß schmelzen und ohne das Herz zu erquicken und den Geist zu beschäftigen, bloß der Sinnlichkeit schmeicheln."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":231,"orig":"Ein fortgeſetzter Hang zu dieſer Empfindungsweiſe muß zuletzt nothwendig den Charakter entnerven und in einen Zuſtand der Paßivitaͤt verſenken, aus welchem gar keine Realitaͤt, weder fuͤr das aͤußre noch innre Leben, hervorgehen kann.","norm":"Ein fortgesetzter Hang zu dieser Empfindungsweise muss zuletzt notwendig den Charakter entnerven und in einen Zustand der Passivität versenken, aus welchem gar keine Realität, weder für das äußre noch innere Leben, hervorgehen kann."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":232,"orig":"Man hat daher ſehr Recht gethan, jenes Uebel der Empfindeley und weinerliche Weſen, welches durch Mißdeutung und Nachaͤffung einiger vortreflichen Werke, vor etwa achtzehn Jahren, in Deutſchland uͤberhand zu nehmen anfieng, mit unerbittlichem Spott zu verfolgen; obgleich die Nachgiebigkeit, die man gegen das nicht viel beßere Gegenſtuͤck jener elegiſchen Karrikatur, gegen das ſpaßhafte Weſen, gegen die herzloſe Satyre, und die geiſtloſe Laune zu beweiſen geneigt iſt, deutlich genug an den Tag legt, daß nicht aus ganz reinen Gruͤnden dagegen geeifert worden iſt.","norm":"Man hat daher sehr Recht getan, jenes Übel der Empfindelei und weinerliche Wesen, welches durch Missdeutung und Nachäffung einiger vortrefflichen Werke, vor etwa achtzehn Jahren, in Deutschland überhandzunehmen anfing, mit unerbittlichem Spott zu verfolgen; obgleich die Nachgiebigkeit, die man gegen das nicht viel bessere Gegenstück jener elegischen Karikatur, gegen das spaßhafte Wesen, gegen die herzlose Satire, und die geistlose Laune zu beweisen geneigt ist, deutlich genug an den Tag legt, dass nicht aus ganz reinen Gründen dagegen geeifert worden ist."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":233,"orig":"Auf der Wage des aͤchten Geſchmacks kann das eine ſo wenig als das andere etwas gelten, weil beyden der aeſthetiſche Gehalt fehlt, der nur in der innigen Verbindung des Geiſtes mit dem Stoff und in der vereinigten Beziehung eines Produktes auf das Gefuͤhlvermoͤgen und auf das Ideenvermoͤgen enthalten iſt.","norm":"Auf der Waage des echten Geschmacks kann das eine so wenig als das andere Etwas gelten, weil beiden der ästhetische Gehalt fehlt, der nur in der innigen Verbindung des Geistes mit dem Stoff und in der vereinigten Beziehung eines Produktes auf das Gefühlvermögen und auf das Ideenvermögen enthalten ist."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":234,"orig":"Ueber Siegwart und ſeine Kloſtergeſchichte hat man geſpottet, und die Reiſen nach dem mittaͤglichen Frankreich werden bewundert; dennoch haben beyde Produkte gleich großen Anſpruch auf einen gewiſſen Grad von Schaͤtzung, und gleich geringen auf ein unbedingtes Lob.","norm":"Über Siegwart und seine Klostergeschichte hat man gespottet, und die Reisen nach dem mittäglichen Frankreich werden bewundert; dennoch haben beide Produkte gleich großen Anspruch auf einen gewissen Grad von Schätzung, und gleich geringen auf ein unbedingtes Lob."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":235,"orig":"Wahre, obgleich uͤberſpannte Empfindung macht den erſtern Roman, ein leichter Humor und ein aufgeweckter feiner Verſtand macht den zweyten ſchaͤtzbar; aber ſo wie es dem einen durchaus an der gehoͤrigen Nuͤchternheit des Verſtandes fehlt, ſo fehlt es dem andern an aeſthetiſcher Wuͤrde.","norm":"Wahre, obgleich überspannte Empfindung macht den ersteren Roman, ein leichter Humor und ein aufgeweckter feiner Verstand macht den zweiten schätzbar; aber so wie es dem einen durchaus an der gehörigen Nüchternheit des Verstandes fehlt, so fehlt es dem anderen an ästhetischer Würde."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":236,"orig":"Der erſte wird der Erfahrung gegenuͤber ein wenig laͤcherlich, der andere wird dem Ideale gegenuͤber beynahe veraͤchtlich.","norm":"Der erste wird der Erfahrung gegenüber ein wenig lächerlich, der andere wird dem Ideale gegenüber beinahe verächtlich."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":237,"orig":"Da nun das wahrhafte Schoͤne einerſeits mit der Natur und andrerſeits mit dem Ideale uͤbereinſtimmend ſeyn muß, ſo kann der eine ſo wenig als der andre auf den Nahmen eines ſchoͤnen Werks Anſpruch machen.","norm":"Da nun das wahrhaft Schöne einerseits mit der Natur und andrerseits mit dem Ideale übereinstimmend sein muss, so kann der eine so wenig als der andere auf den Namen eines schönen Werks Anspruch machen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":238,"orig":"Indeſſen iſt es natuͤrlich und billig, und ich weiß es aus eigner Erfahrung, daß der Thuͤmmeliſche Roman mit großem Vergnuͤgen geleſen wird.","norm":"Indessen ist es natürlich und billig, und ich weiß es aus eigener Erfahrung, dass der Thümmelische Roman mit großem Vergnügen gelesen wird."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":239,"orig":"Da er nur ſolche Foderungen beleidigt, die aus dem Ideal entſpringen, die folglich von dem groͤßten Theil der Leſer gar nicht, und von den beßern gerade nicht in ſolchen Momenten, wo man Romanen ließt, aufgeworfen werden, die uͤbrigen Foderungen des Geiſtes und — des Koͤrpers hingegen in nicht gemeinem Grade erfuͤllt, ſo muß er und wird mit Recht ein Lieblingsbuch unſerer und aller der Zeiten bleiben, wo man aeſthetiſche Werke bloß ſchreibt, um zu gefallen, und bloß ließt, um ſich ein Vergnuͤgen zu machen.","norm":"Da er nur solche Forderungen beleidigt, die aus dem Ideal entspringen, die folglich von dem größten Teil der Leser gar nicht, und von den besseren gerade nicht in solchen Momenten, wo man Romane liest, aufgeworfen werden, die übrigen Forderungen des Geistes und — des Körpers hingegen in nicht gemeinem Grade erfüllt, so muss er und wird mit Recht ein Lieblingsbuch unserer und aller der Zeiten bleiben, wo man ästhetische Werke bloß schreibt, um zu gefallen, und bloß liest, um sich ein Vergnügen zu machen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":240,"orig":"Aber hat die poetiſche Litteratur nicht ſogar klaſſiſche Werke aufzuweiſen, welche die hohe Reinheit des Ideals auf aͤhnliche Weiſe zu beleidigen, und ſich durch die Materialitaͤt ihres Inhalts von jener Geiſtigkeit, die hier von jedem aeſthetiſchen Kunſtwerk verlangt wird, ſehr weit zu entfernen ſcheinen?","norm":"Aber hat die poetische Literatur nicht sogar klassische Werke aufzuweisen, welche die hohe Reinheit des Ideals auf ähnliche Weise zu beleidigen, und sich durch die Materialität ihres Inhalts von jener Geistigkeit, die hier von jedem ästhetischen Kunstwerk verlangt wird, sehr weit zu entfernen scheinen?"} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":241,"orig":"Was ſelbſt der Dichter, der keuſche Juͤnger der Muſe, ſich erlauben darf, ſollte das dem Romanſchreiber, der nur ſein Halbbruder iſt und die Erde noch ſo ſehr beruͤhrt, nicht geſtattet ſeyn?","norm":"Was selbst der Dichter, der keusche Jünger der Muse, sich erlauben darf, sollte das dem Romanschreiber, der nur sein Halbbruder ist und die Erde noch so sehr berührt, nicht gestattet sein?"} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":242,"orig":"Ich darf dieſer Frage hier um ſo weniger ausweichen, da ſowohl im elegiſchen als im ſatyriſchen Fache Meiſterſtuͤcke vorhanden ſind, welche eine ganz andre Natur, als diejenige iſt, von der dieſer Aufſatz ſpricht, zu ſuchen, zu empfehlen, und dieſelbe nicht ſowohl gegen die ſchlechten als gegen die guten Sitten zu vertheidigen das Anſehen haben.","norm":"Ich darf dieser Frage hier um so weniger ausweichen, da sowohl im elegischen als im satirischen Fache Meisterstücke vorhanden sind, welche eine ganz andere Natur, als diejenige ist, von der dieser Aufsatz spricht, zu suchen, zu empfehlen, und dieselbe nicht sowohl gegen die schlechten als gegen die guten Sitten zu verteidigen das Ansehen haben."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":243,"orig":"Entweder muͤßten alſo jene Dichterwerke zu verwerfen oder der hier aufgeſtellte Begriff elegiſcher Dichtung viel zu willkuͤhrlich angenommen ſeyn.","norm":"Entweder müssten also jene Dichterwerke zu verwerfen oder der hier aufgestellte Begriff elegischer Dichtung viel zu willkürlich angenommen sein."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":244,"orig":"Was der Dichter ſich erlauben darf, hieß es, ſollte dem proſaiſchen Erzaͤhler nicht nachgeſehen werden duͤrfen?","norm":"Was der Dichter sich erlauben darf, hieß es, sollte dem prosaischen Erzähler nicht nachgesehen werden dürfen?"} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":245,"orig":"Die Antwort iſt in der Frage ſchon enthalten: was dem Dichter verſtattet iſt, kann fuͤr den, der es nicht iſt, nichts beweiſen.","norm":"Die Antwort ist in der Frage schon enthalten: Was dem Dichter verstattet ist, kann für den, der es nicht ist, nichts beweisen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":246,"orig":"In dem Begriffe des Dichters ſelbſt und nur in dieſem ligt der Grund jener Freyheit, die eine bloß veraͤchtliche Licenz iſt, ſobald ſie nicht aus dem Hoͤchſten und Edelſten, was ihn ausmacht, kann abgeleitet werden.","norm":"In dem Begriffe des Dichters selbst und nur in diesem liegt der Grund jener Freiheit, die eine bloß verächtliche Lizenz ist, sobald sie nicht aus dem Höchsten und Edelsten, was ihn ausmacht, kann abgeleitet werden."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":247,"orig":"Die Geſetze des Anſtandes ſind der unſchuldigen Natur fremd; nur die Erfahrung der Verderbniß hat ihnen den Urſprung gegeben.","norm":"Die Gesetze des Anstandes sind der unschuldigen Natur fremd; nur die Erfahrung der Verderbnis hat ihnen den Ursprung gegeben."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":248,"orig":"Sobald aber jene Erfahrung einmal gemacht worden, und aus den Sitten die natuͤrliche Unſchuld verſchwunden iſt, ſo ſind es heilige Geſetze, die ein ſittliches Gefuͤhl nicht verletzen darf.","norm":"Sobald aber jene Erfahrung einmal gemacht worden, und aus den Sitten die natürliche Unschuld verschwunden ist, so sind es heilige Gesetze, die ein sittliches Gefühl nicht verletzen darf."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":249,"orig":"Sie gelten in einer kuͤnſtlichen Welt mit demſelben Rechte, als die Geſetze der Natur in der Unſchuldwelt regieren.","norm":"Sie gelten in einer künstlichen Welt mit demselben Rechte, als die Gesetze der Natur in der Unschuldwelt regieren."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":250,"orig":"Aber eben das macht ja den Dichter aus, daß er alles in ſich aufhebt, was an eine kuͤnſtliche Welt erinnert, daß er die Natur in ihrer urſpruͤnglichen Einfalt wieder in ſich herzuſtellen weiß.","norm":"Aber eben das macht ja den Dichter aus, dass er alles in sich aufhebt, was an eine künstliche Welt erinnert, dass er die Natur in ihrer ursprünglichen Einfalt wieder in sich herzustellen weiß."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":251,"orig":"Hat er aber dieſes gethan, ſo iſt er auch eben dadurch von allen Geſetzen losgeſprochen, durch die ein verfuͤhrtes Herz ſich gegen ſich ſelbſt ſicher ſtellt.","norm":"Hat er aber dieses getan, so ist er auch eben dadurch von allen Gesetzen losgesprochen, durch die ein verführtes Herz sich gegen sich selbst sicherstellt."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":252,"orig":"Er iſt rein, er iſt unſchuldig und was der unſchuldigen Natur erlaubt iſt, iſt es auch ihm; biſt du, der du ihn lieſeſt oder hoͤrſt, nicht mehr ſchuldlos, und kannſt du es nicht einmal momentweiſe durch ſeine reinigende Gegenwart werden, ſo iſt es dein Ungluͤck und nicht das ſeine; du verlaͤſſeſt ihn, er hat fuͤr dich nicht geſungen.","norm":"Er ist rein, er ist unschuldig und was der unschuldigen Natur erlaubt ist, ist es auch ihm; bist du, der du ihn liest oder hörst, nicht mehr schuldlos, und kannst du es nicht einmal momentweise durch seine reinigende Gegenwart werden, so ist es dein Unglück und nicht das seine; du verlässt ihn, er hat für dich nicht gesungen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":253,"orig":"Es laͤßt ſich alſo, in Abſicht auf Freyheiten dieſer Art folgendes feſtſetzen.","norm":"Es lässt sich also, in Absicht auf Freiheiten dieser Art folgendes festsetzen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":254,"orig":"Fuͤrs erſte: nur die Natur kann ſie rechtfertigen.","norm":"Fürs Erste: nur die Natur kann sie rechtfertigen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":255,"orig":"Sie duͤrfen mithin nicht das Werk der Wahl und einer abſichtlichen Nachahmung ſeyn, denn dem Willen, der immer nach moraliſchen Geſetzen gerichtet wird, koͤnnen wir eine Beguͤnſtigung der Sinnlichkeit niemals vergeben.","norm":"Sie dürfen mithin nicht das Werk der Wahl und einer absichtlichen Nachahmung sein, denn dem Willen, der immer nach moralischen Gesetzen gerichtet wird, können wir eine Begünstigung der Sinnlichkeit niemals vergeben."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":256,"orig":"Sie muͤſſen alſo Naivetaͤt ſeyn.","norm":"Sie müssen also Naivität sein."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":257,"orig":"Um uns aber uͤberzeugen zu koͤnnen, daß ſie dieſes wirklich ſind, muͤſſen wir ſie von allem uͤbrigen, was gleichfalls in der Natur gegruͤndet iſt, unterſtuͤtzt und begleitet ſehen, weil die Natur nur an der ſtrengen Conſequenz, Einheit und Gleichfoͤrmigkeit ihrer Wirkungen zu erkennen iſt.","norm":"Um uns aber überzeugen zu können, dass sie dieses wirklich sind, müssen wir sie von allem übrigen, was gleichfalls in der Natur gegründet ist, unterstützt und begleitet sehen, weil die Natur nur an der strengen Konsequenz, Einheit und Gleichförmigkeit ihrer Wirkungen zu erkennen ist."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":258,"orig":"Nur einem Herzen, welches alle Kuͤnſteley uͤberhaupt, und mithin auch da, wo ſie nuͤtzt, verabſcheut, erlauben wir, ſich da, wo ſie druͤckt und einſchraͤnkt, davon loszuſprechen; nur einem Herzen, welches ſich allen Feßeln der Natur unterwirft, erlauben wir, von den Freyheiten derſelben Gebrauch zu machen.","norm":"Nur einem Herzen, welches alle Künstelei überhaupt, und mithin auch da, wo sie nützt, verabscheut, erlauben wir, sich da, wo sie drückt und einschränkt, davon loszusprechen; nur einem Herzen, welches sich allen Fesseln der Natur unterwirft, erlauben wir, von den Freiheiten derselben Gebrauch zu machen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":259,"orig":"Alle uͤbrigen Empfindungen eines ſolchen Menſchen muͤſfen folglich das Gepraͤge der Natuͤrlichkeit an ſich tragen; er muß wahr, einfach, frey, offen, gefuͤhlvoll, gerade ſeyn; alle Verſtellung, alle Liſt, alle Willkuͤhr, alle kleinliche Selbſtſucht muß aus ſeinem Charakter, alle Spuren davon aus ſeinem Werke verbannt ſeyn.","norm":"Alle übrigen Empfindungen eines solchen Menschen müssen folglich das Gepräge der Natürlichkeit an sich tragen; er muss wahr, einfach, frei, offen, gefühlvoll, gerade sein; alle Verstellung, alle List, alle Willkür, alle kleinliche Selbstsucht muss aus seinem Charakter, alle Spuren davon aus seinem Werke verbannt sein."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":260,"orig":"Fuͤrs zweyte: nur die ſchoͤne Natur kann dergleichen Freyheiten rechtfertigen.","norm":"Fürs Zweite: nur die schöne Natur kann dergleichen Freiheiten rechtfertigen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":261,"orig":"Sie duͤrfen mithin kein einſeitiger Ausbruch der Begierde ſeyn, denn alles, was aus bloßer Beduͤrftigkeit entſpringt, iſt veraͤchtlich.","norm":"Sie dürfen mithin kein einseitiger Ausbruch der Begierde sein, denn alles, was aus bloßer Bedürftigkeit entspringt, ist verächtlich."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":262,"orig":"Aus dem Ganzen und aus der Fuͤlle menſchlicher Natur muͤſſen auch dieſe ſinnlichen Energien hervorgehen.","norm":"Aus dem Ganzen und aus der Fülle menschlicher Natur müssen auch diese sinnlichen Energien hervorgehen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":263,"orig":"Sie muͤſſen Humanitaͤt ſeyn.","norm":"Sie müssen Humanität sein."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":264,"orig":"Um aber beurtheilen zu koͤnnen, daß das Ganze menſchlicher Natur, und nicht bloß ein einſeitiges und gemeines Beduͤrfniß der Sinnlichkeit ſie fodert, muͤſſen wir das Ganze, von dem ſie einen einzelnen Zug ausmachen, dargeſtellt ſehen.","norm":"Um aber beurteilen zu können, dass das Ganze menschlicher Natur, und nicht bloß ein einseitiges und gemeines Bedürfnis der Sinnlichkeit sie fordert, müssen wir das Ganze, von dem sie einen einzelnen Zug ausmachen, dargestellt sehen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":265,"orig":"An ſich ſelbſt iſt die ſinnliche Empfindungsweiſe etwas unſchuldiges und gleichguͤltiges.","norm":"An sich selbst ist die sinnliche Empfindungsweise etwas Unschuldiges und Gleichgültiges."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":266,"orig":"Sie mißfaͤllt uns nur darum an einem Menſchen, weil ſie thieriſch iſt, und von einem Mangel wahrer vollkommener Menſchheit in ihm zeuget: ſie beleidigt uns nur darum an einem Dichterwerk, weil ein ſolches Werk Anſpruch macht, uns zu gefallen, mithin auch uns eines ſolchen Mangels faͤhig haͤlt.","norm":"Sie missfällt uns nur darum an einem Menschen, weil sie tierisch ist, und von einem Mangel wahrer vollkommener Menschheit in ihm zeuget: Sie beleidigt uns nur darum an einem Dichterwerk, weil ein solches Werk Anspruch macht, uns zu gefallen, mithin auch uns eines solchen Mangels fähig hält."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":267,"orig":"Sehen wir aber in dem Menſchen, der ſich dabey uͤberraſchen laͤßt, die Menſchheit in ihrem ganzen uͤbrigen Umfange wirken; finden wir in dem Werke, worinn man ſich Freyheiten dieſer Art genommen, alle Realitaͤten der Menſchheit ausgedruͤckt, ſo iſt jener Grund unſers Mißfallens weggeraͤumt, und wir koͤnnen uns mit unvergaͤllter Freude an dem naiven Ausdruck wahrer und ſchoͤner Natur ergoͤtzen.","norm":"Sehen wir aber in dem Menschen, der sich dabei überraschen lässt, die Menschheit in ihrem ganzen übrigen Umfange wirken; finden wir in dem Werke, worin man sich Freiheiten dieser Art genommen, alle Realitäten der Menschheit ausgedrückt, so ist jener Grund unseres Missfallens weggeräumt, und wir können uns mit unvergällter Freude an dem naiven Ausdruck wahrer und schöner Natur ergötzen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":268,"orig":"Derſelbe Dichter alſo, der ſich erlauben darf, uns zu Theilnehmern ſo niedrig menſchlicher Gefuͤhle zu machen, muß uns auf der andern Seite wieder zu allem, was groß und ſchoͤn und erhaben menſchlich iſt, empor zu tragen wiſſen.","norm":"Derselbe Dichter also, der sich erlauben darf, uns zu Teilnehmern so niedrig menschlicher Gefühle zu machen, muss uns auf der anderen Seite wieder zu allem, was groß und schön und erhaben menschlich ist, emporzutragen wissen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":269,"orig":"Und ſo haͤtten wir denn den Maaßſtab gefunden, dem wir jeden Dichter, der ſich etwas gegen den Anſtand herausnimmt, und ſeine Freyheit in Darſtellung der Natur biß zu dieſer Grenze treibt mit Sicherheit unterwerfen koͤnnen.","norm":"Und so hätten wir denn den Maßstab gefunden, dem wir jeden Dichter, der sich etwas gegen den Anstand herausnimmt, und seine Freiheit in Darstellung der Natur bis zu dieser Grenze treibt mit Sicherheit unterwerfen können."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":270,"orig":"Sein Produkt iſt gemein, niedrig, ohne alle Ausnahme verwerflich, ſobald es kalt und ſobald es leer iſt, weil dieſes einen Urſprung aus Abſicht und aus einem gemeinen Beduͤrfniß und einen heilloſen Anſchlag auf unſre Begierden beweißt.","norm":"Sein Produkt ist gemein, niedrig, ohne alle Ausnahme verwerflich, sobald es kalt und sobald es leer ist, weil dieses einen Ursprung aus Absicht und aus einem gemeinen Bedürfnis und einen heillosen Anschlag auf unsere Begierden beweist."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":271,"orig":"Es iſt hingegen ſchoͤn, edel, und ohne Ruͤckſicht auf alle Einwendungen einer froſtigen Decenz Beyfallswuͤrdig, ſobald es naiv iſt, und Geiſt mit Herz verbindet.","norm":"Es ist hingegen schön, edel, und ohne Rücksicht auf alle Einwendungen einer frostigen Dezenz Beifallswürdig, sobald es naiv ist, und Geist mit Herz verbindet."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":272,"orig":"Wenn man mir ſagt, daß unter dem hier gegebenen Maaßſtab die meiſten franzoͤſiſchen Erzaͤhlungen in dieſer Gattung, und die gluͤcklichſten Nachahmungen derſelben in Deutſchland nicht zum beſten beſtehen moͤchten — daß dieſes zum Theil auch der Fall mit manchen Produkten unſers anmuthigſten und geiſtreichſten Dichters ſeyn duͤrfte, ſeine Meiſterſtuͤcke ſogar nicht ausgenommen, ſo habe ich nichts darauf zu antworten.","norm":"Wenn man mir sagt, dass unter dem hier gegebenen Maßstab die meisten französischen Erzählungen in dieser Gattung, und die glücklichsten Nachahmungen derselben in Deutschland nicht zum besten bestehen möchten — dass dieses zum Teil auch der Fall mit manchen Produkten unseres anmutigsten und geistreichsten Dichters sein dürfte, seine Meisterstücke sogar nicht ausgenommen, so habe ich nichts darauf zu antworten."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":273,"orig":"Der Ausſpruch ſelbſt iſt nichts weniger als neu, und ich gebe hier nur die Gruͤnde von einem Urtheil an, welches laͤngſt ſchon von jedem feineren Gefuͤhle uͤber dieſe Gegenſtaͤnde gefaͤllt worden iſt.","norm":"Der Ausspruch selbst ist nichts weniger als neu, und ich gebe hier nur die Gründe von einem Urteil an, welches längst schon von jedem feineren Gefühle über diese Gegenstände gefällt worden ist."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":274,"orig":"Eben dieſe Principien aber, welche in Ruͤckſicht auf jene Schriften vielleicht allzu rigoriſtiſch ſcheinen, moͤchten in Ruͤckſicht auf einige andere Werke vielleicht zu liberal befunden werden; denn ich laͤugne nicht, daß die nehmlichen Gruͤnde, aus welchen ich die verfuͤhreriſchen Gemaͤhlde des roͤmiſchen und deutſchen Ovid, ſo wie eines Crebillon, Voltaire, Marmontels (der ſich einen moraliſchen Erzaͤhler nennt) Laclos und vieler andern, einer Entſchuldigung durchaus fuͤr unfaͤhig halte, mich mit den Elegien des roͤmiſchen und deutſchen Properz, ja ſelbſt mit manchem verſchrienen Produkt des Diderot verſoͤhnen; denn jene ſind nur witzig, nur proſaiſch, nur luͤſtern, dieſe ſind poetiſch, menſchlich und naiv.","norm":"Eben diese Prinzipien aber, welche in Rücksicht auf jene Schriften vielleicht allzu rigoristisch scheinen, möchten in Rücksicht auf einige andere Werke vielleicht zu liberal befunden werden; denn ich leugne nicht, dass die nämlichen Gründe, aus welchen ich die verführerischen Gemälde des römischen und deutschen Ovid, so wie eines Crebillon, Voltaire, Marmontels (der sich einen moralischen Erzähler nennt) Laclos und vieler anderen, einer Entschuldigung durchaus für unfähig halte, mich mit den Elegien des römischen und deutschen Properz, ja selbst mit manchem verschrienen Produkt des Diderot versöhnen; denn jene sind nur witzig, nur prosaisch, nur lüstern, diese sind poetisch, menschlich und naiv."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":275,"orig":"Es bleiben mir noch einige Worte uͤber dieſe dritte Species ſentimentaliſcher Dichtung zu ſagen uͤbrig, wenige Worte nur, denn eine ausfuͤhrlichere Entwicklung derſelben, deren ſie vorzuͤglich bedarf, bleibt einer andern Zeit vorbehalten.","norm":"Es bleiben mir noch einige Worte über diese dritte Spezies sentimentalischer Dichtung zu sagen übrig, wenige Worte nur, denn eine ausführlichere Entwicklung derselben, deren sie vorzüglich bedarf, bleibt einer anderen Zeit vorbehalten."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":276,"orig":"Die poetiſche Darſtellung unſchuldiger und gluͤcklicher Menſchheit iſt der allgemeine Begriff dieſer Dichtungsart.","norm":"Die poetische Darstellung unschuldiger und glücklicher Menschheit ist der allgemeine Begriff dieser Dichtungsart."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":277,"orig":"Weil dieſe Unſchuld und dieſes Gluͤck mit den kuͤnſtlichen Verhaͤltniſſen der groͤßern Societaͤt und mit einem gewiſſen Grad von Ausbildung und Verfeinerung unvertraͤglich ſchienen, ſo haben die Dichter den Schauplatz der Idylle aus dem Gedraͤnge des buͤrgerlichen Lebens heraus in den einfachen Hirtenſtand verlegt, und derſelben ihre Stelle vor dem Anfange der Kultur in dem kindlichen Alter der Menſchheit angewieſen.","norm":"Weil diese Unschuld und dieses Glück mit den künstlichen Verhältnissen der größeren Sozietät und mit einem gewissen Grad von Ausbildung und Verfeinerung unverträglich schienen, so haben die Dichter den Schauplatz der Idylle aus dem Gedränge des bürgerlichen Lebens heraus in den einfachen Hirtenstand verlegt, und derselben ihre Stelle vor dem Anfange der Kultur in dem kindlichen Alter der Menschheit angewiesen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":278,"orig":"Man begreift aber wohl, daß dieſe Beſtimmungen bloß zufaͤllig ſind, daß ſie nicht als der Zweck der Idylle, bloß als das natuͤrlichſte Mittel zu demſelben in Betrachtung kommen.","norm":"Man begreift aber wohl, dass diese Bestimmungen bloß zufällig sind, dass sie nicht als der Zweck der Idylle, bloß als das natürlichste Mittel zu demselben in Betrachtung kommen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":279,"orig":"Der Zweck ſelbſt iſt uͤberall nur der, den Menſchen im Stand der Unſchuld, d. h. in einem Zuſtand der Harmonie und des Friedens mit ſich ſelbſt und von auſſen darzuſtellen.","norm":"Der Zweck selbst ist überall nur der, den Menschen im Stand der Unschuld, d. h. in einem Zustand der Harmonie und des Friedens mit sich selbst und von außen darzustellen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":280,"orig":"Aber ein ſolcher Zuſtand findet nicht bloß vor dem Anfange der Kultur ſtatt, ſondern er iſt es auch, den die Kultur, wenn ſie uͤberal nur eine beſtimmte Tendenz haben ſoll, als ihr letztes Ziel beabſichtet.","norm":"Aber ein solcher Zustand findet nicht bloß vor dem Anfange der Kultur statt, sondern er ist es auch, den die Kultur, wenn sie überall nur eine bestimmte Tendenz haben soll, als ihr letztes Ziel beabsichtigt."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":281,"orig":"Die Idee dieſes Zuſtandes allein und der Glaube an die moͤgliche Realitaͤt derſelben kann den Menſchen mit allen den Uebeln verſoͤhnen, denen er auf dem Wege der Kultur unterworfen iſt, und waͤre ſie bloß Schimaͤre, ſo wuͤrden die Klagen derer, welche die groͤßere Societaͤt und die Anbauung des Verſtandes bloß als ein Uebel verſchreyen und jenen verlaſſenen Stand der Natur fuͤr den wahren Zweck des Menſchen ausgeben, vollkommen gegruͤndet ſeyn.","norm":"Die Idee dieses Zustandes allein und der Glaube an die mögliche Realität derselben kann den Menschen mit allen den Übeln versöhnen, denen er auf dem Wege der Kultur unterworfen ist, und wäre sie bloß Schimäre, so würden die Klagen derer, welche die größere Sozietät und die Anbauung des Verstandes bloß als ein Übel verschreien und jenen verlassenen Stand der Natur für den wahren Zweck des Menschen ausgeben, vollkommen gegründet sein."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":282,"orig":"Dem Menſchen der in der Kultur begriffen iſt, liegt alſo unendlich viel daran, von der Ausfuͤhrbarkeit jener Idee in der Sinnenwelt, von der moͤglichen Realitaͤt jenes Zuſtandes eine ſinnliche Bekraͤftigung zu erhalten, und da die wirkliche Erfahrung, weit entfernt dieſen Glauben zu naͤhren, ihn vielmehr beſtaͤndig widerlegt, ſo koͤmmt auch hier, wie in ſo vielen andern Faͤllen das Dichtungsvermoͤgen der Vernunft zu Huͤlfe, um jene Idee zur Anſchauung zu bringen und in einem einzelnen Fall zu verwirklichen.","norm":"Dem Menschen der in der Kultur begriffen ist, liegt also unendlich viel daran, von der Ausführbarkeit jener Idee in der Sinnenwelt, von der möglichen Realität jenes Zustandes eine sinnliche Bekräftigung zu erhalten, und da die wirkliche Erfahrung, weit entfernt diesen Glauben zu nähren, ihn vielmehr beständig widerlegt, so kommt auch hier, wie in so vielen anderen Fällen das Dichtungsvermögen der Vernunft zu Hilfe, um jene Idee zur Anschauung zu bringen und in einem einzelnen Fall zu verwirklichen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":283,"orig":"Zwar iſt auch jene Unſchuld des Hirtenſtandes eine poetiſche Vorſtellung, und die Einbildungskraft mußte ſich mithin auch dort ſchon ſchoͤpferiſch beweiſen; aber auſſerdem daß die Aufgabe dort ungleich einfacher und leichter zu loͤſen war, ſo fanden ſich in der Erfahrung ſelbſt ſchon die einzelnen Zuͤge vor, die ſie nur auszuwaͤhlen und in ein Ganzes zu verbinden brauchte.","norm":"Zwar ist auch jene Unschuld des Hirtenstandes eine poetische Vorstellung, und die Einbildungskraft musste sich mithin auch dort schon schöpferisch beweisen; aber außerdem dass die Aufgabe dort ungleich einfacher und leichter zu lösen war, so fanden sich in der Erfahrung selbst schon die einzelnen Züge vor, die sie nur auszuwählen und in ein Ganzes zu verbinden brauchte."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":284,"orig":"Unter einem gluͤcklichen Himmel, in den einfachen Verhaͤltniſſen des erſten Standes, bey einem beſchraͤnkten Wiſſen wird die Natur leicht befriedigt, und der Menſch verwildert nicht eher, als biß das Beduͤrfniß ihn aͤngſtiget.","norm":"Unter einem glücklichen Himmel, in den einfachen Verhältnissen des ersten Standes, bei einem beschränkten Wissen wird die Natur leicht befriedigt, und der Mensch verwildert nicht eher, als bis das Bedürfnis ihn ängstiget."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":285,"orig":"Alle Voͤlker, die eine Geſchichte haben, haben ein Paradies, einen Stand der Unſchuld, ein goldnes Alter; ja jeder einzelne Menſch hat ſein Paradies, ſein goldnes Alter, deſſen er ſich, je nachdem er mehr oder weniger poetiſches in ſeiner Natur hat, mit mehr oder weniger Begeiſterung erinnert.","norm":"Alle Völker, die eine Geschichte haben, haben ein Paradies, einen Stand der Unschuld, ein goldenes Alter; ja jeder einzelne Mensch hat sein Paradies, sein goldenes Alter, dessen er sich, je nachdem er mehr oder weniger Poetisches in seiner Natur hat, mit mehr oder weniger Begeisterung erinnert."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":286,"orig":"Die Erfahrung ſelbſt bietet alſo Zuͤge genug zu dem Gemaͤhlde dar, welches die Hirtenidylle behandelt.","norm":"Die Erfahrung selbst bietet also Züge genug zu dem Gemälde dar, welches die Hirtenidylle behandelt."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":287,"orig":"Deßwegen bleibt aber dieſe immer eine ſchoͤne, eine erhebende Fiction, und die Dichtungskraft hat in Darſtellung derſelben wirklich fuͤr das Ideal gearbeitet.","norm":"Deswegen bleibt aber diese immer eine schöne, eine erhebende Fiktion, und die Dichtungskraft hat in Darstellung derselben wirklich für das Ideal gearbeitet."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":288,"orig":"Denn fuͤr den Menſchen, der von der Einfalt der Natur einmal abgewichen und der gefaͤhrlichen Fuͤhrung ſeiner Vernunft uͤberliefert worden iſt, iſt es von unendlicher Wichtigkeit, die Geſetzgebung der Natur in einem reinen Exemplar wieder anzuſchauen, und ſich von den Verderbniſſen der Kunſt in dieſem treuen Spiegel wieder reinigen zu koͤnnen.","norm":"Denn für den Menschen, der von der Einfalt der Natur einmal abgewichen und der gefährlichen Führung seiner Vernunft überliefert worden ist, ist es von unendlicher Wichtigkeit, die Gesetzgebung der Natur in einem reinen Exemplar wieder anzuschauen, und sich von den Verderbnissen der Kunst in diesem treuen Spiegel wieder reinigen zu können."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":289,"orig":"Aber ein Umſtand findet ſich dabey, der den aͤſthetiſchen Werth ſolcher Dichtungen um ſehr viel vermindert.","norm":"Aber ein Umstand findet sich dabei, der den ästhetischen Wert solcher Dichtungen um sehr viel vermindert."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":290,"orig":"Vor den Anfang der Kultur gepflanzt ſchließen ſie mit den Nachtheilen zugleich alle Vortheile derſelben aus, und befinden ſich ihrem Weſen nach, in einem nothwendigen Streit mit derſelben.","norm":"Vor den Anfang der Kultur gepflanzt schließen sie mit den Nachteilen zugleich alle Vorteile derselben aus, und befinden sich ihrem Wesen nach, in einem notwendigen Streit mit derselben."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":291,"orig":"Sie fuͤhren uns alſo theoretiſch ruͤckwaͤrts, indem ſie uns praktiſch vorwaͤrts fuͤhren und veredeln.","norm":"Sie führen uns also theoretisch rückwärts, indem sie uns praktisch vorwärtsführen und veredeln."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":292,"orig":"Sie ſtellen ungluͤcklicherweiſe das Ziel hinter uns, dem ſie uns doch entgegen fuͤhren ſollten, und koͤnnen uns daher bloß das traurige Gefuͤhl eines Verluſtes, nicht das froͤhliche der Hofnung einfloͤßen.","norm":"Sie stellen unglücklicherweise das Ziel hinter uns, dem sie uns doch entgegenführen sollten, und können uns daher bloß das traurige Gefühl eines Verlustes, nicht das fröhliche der Hoffnung einflößen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":293,"orig":"Weil ſie nur durch Aufhebung aller Kunſt und nur durch Vereinfachung der menſchlichen Natur ihren Zweck ausfuͤhren, ſo haben ſie, bey dem hoͤchſten Gehalt fuͤr das Herz, allzuwenig fuͤr den Geiſt, und ihr einfoͤrmiger Kreis iſt zu ſchnell geendigt.","norm":"Weil sie nur durch Aufhebung aller Kunst und nur durch Vereinfachung der menschlichen Natur ihren Zweck ausführen, so haben sie, bei dem höchsten Gehalt für das Herz, allzu wenig für den Geist, und ihr einförmiger Kreis ist zu schnell geendigt."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":294,"orig":"Wir koͤnnen ſie daher nur lieben und aufſuchen, wenn wir der Ruhe beduͤrftig ſind, nicht wenn unſre Kraͤfte nach Bewegung und Thaͤtigkeit ſtreben.","norm":"Wir können sie daher nur lieben und aufsuchen, wenn wir der Ruhe bedürftig sind, nicht wenn unsere Kräfte nach Bewegung und Tätigkeit streben."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":295,"orig":"Sie koͤnnen nur dem kranken Gemuͤthe Heilung, dem geſunden keine Nahrung geben; ſie koͤnnen nicht beleben, nur beſaͤnftigen.","norm":"Sie können nur dem kranken Gemüte Heilung, dem gesunden keine Nahrung geben; sie können nicht beleben, nur besänftigen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":296,"orig":"Dieſen in dem Weſen der Hirtenidylle gegruͤndeten Mangel hat alle Kunſt der Poeten nicht gut machen koͤnnen.","norm":"Diesen in dem Wesen der Hirtenidylle gegründeten Mangel hat alle Kunst der Poeten nicht gutmachen können."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":297,"orig":"Zwar fehlt es auch dieſer Dichtart nicht an enthuſiaſtiſchen Liebhabern, und es giebt Leſer genug, die einen Amintas und einen Daphnis den groͤßten Meiſterſtuͤcken der epiſchen und dramatiſchen Muſe vorziehen koͤnnen; aber bey ſolchen Leſern iſt es nicht ſowohl der Geſchmack als das individuelle Beduͤrfniß, was uͤber Kunſtwerke richtet, und ihr Urtheil kann folglich hier in keine Betrachtung kommen.","norm":"Zwar fehlt es auch dieser Dichtart nicht an enthusiastischen Liebhabern, und es gibt Leser genug, die einen Amyntas und einen Daphnis den größten Meisterstücken der epischen und dramatischen Muse vorziehen können; aber bei solchen Lesern ist es nicht sowohl der Geschmack als das individuelle Bedürfnis, was über Kunstwerke richtet, und ihr Urteil kann folglich hier in keine Betrachtung kommen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":298,"orig":"Der Leſer von Geiſt und Empfindung verkennt zwar den Werth ſolcher Dichtungen nicht, aber er fuͤhlt ſich ſeltner zu denſelben gezogen und fruͤher davon geſaͤttigt.","norm":"Der Leser von Geist und Empfindung verkennt zwar den Wert solcher Dichtungen nicht, aber er fühlt sich seltener zu denselben gezogen und früher davon gesättigt."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":299,"orig":"In dem rechten Moment des Beduͤrfniſſes wirken ſie dafuͤr deſto maͤchtiger; aber auf einen ſolchen Moment ſoll das wahre Schoͤne niemals zu warten brauchen, ſondern ihn vielmehr erzeugen.","norm":"In dem rechten Moment des Bedürfnisses wirken sie dafür desto mächtiger; aber auf einen solchen Moment soll das wahre Schöne niemals zu warten brauchen, sondern ihn vielmehr erzeugen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":300,"orig":"Was ich hier an der Schaͤferidylle tadle, gilt uͤbrigens nur von der ſentimentaliſchen; denn der naiven kann es nie an Gehalt fehlen, da er hier in der Form ſelbſt ſchon enthalten iſt.","norm":"Was ich hier an der Schäferidylle tadle, gilt übrigens nur von der sentimentalischen; denn der naiven kann es nie an Gehalt fehlen, da er hier in der Form selbst schon enthalten ist."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":301,"orig":"Jede Poeſie nehmlich muß einen unendlichen Gehalt haben, dadurch allein iſt ſie Poeſie; aber ſie kann dieſe Foderung auf zwey verſchiedene Arten erfuͤllen.","norm":"Jede Poesie nämlich muss einen unendlichen Gehalt haben, dadurch allein ist sie Poesie; aber sie kann diese Forderung auf zwei verschiedene Arten erfüllen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":302,"orig":"Sie kann ein Unendliches ſeyn, der Form nach, wenn ſie ihren Gegenſtand mit allen ſeinen Grenzen darſtellt, wenn ſie ihn individualiſiert; ſie kann ein Unendliches ſeyn der Materie nach, wenn ſie von ihrem Gegenſtand alle Grenzen entfernt, wenn ſie ihn idealiſiert; alſo entweder durch eine abſolute Darſtellung oder durch Darſtellung eines Abſoluten.","norm":"Sie kann ein Unendliches sein, der Form nach, wenn sie ihren Gegenstand mit allen seinen Grenzen darstellt, wenn sie ihn individualisiert; sie kann ein Unendliches sein der Materie nach, wenn sie von ihrem Gegenstand alle Grenzen entfernt, wenn sie ihn idealisiert; also entweder durch eine absolute Darstellung oder durch Darstellung eines Absoluten."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":303,"orig":"Den erſten Weg geht der naive, den zweyten der ſentimentaliſche Dichter.","norm":"Den ersten Weg geht der naive, den zweiten der sentimentalische Dichter."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":304,"orig":"Jener kann alſo ſeinen Gehalt nicht verfehlen, ſo bald er ſich nur treu an die Natur haͤlt, welche immer durchgaͤngig begrenzt, d. h. der Form nach unendlich iſt.","norm":"Jener kann also seinen Gehalt nicht verfehlen, sobald er sich nur treu an die Natur hält, welche immer durchgängig begrenzt, d. h. der Form nach unendlich ist."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":305,"orig":"Dieſem hingegen ſteht die Natur mit ihrer durchgaͤngigen Begrenzung im Wege, da er einen abſoluten Gehalt in den Gegenſtand legen ſoll.","norm":"Diesem hingegen steht die Natur mit ihrer durchgängigen Begrenzung im Wege, da er einen absoluten Gehalt in den Gegenstand legen soll."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":306,"orig":"Der ſentimentaliſche Dichter verſteht ſich alſo nicht gut auf ſeinen Vortheil, wenn er dem naiven Dichter ſeine Gegenſtaͤnde abborgt, welche an ſich ſelbſt voͤllig gleichguͤltig ſind, und nur durch die Behandlung poetiſch werden.","norm":"Der sentimentalische Dichter versteht sich also nicht gut auf seinen Vorteil, wenn er dem naiven Dichter seine Gegenstände abborgt, welche an sich selbst völlig gleichgültig sind, und nur durch die Behandlung poetisch werden."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":307,"orig":"Er ſetzt ſich dadurch ganz unnoͤthiger Weiſe einerley Grenzen mit jenem, ohne doch die Begrenzung vollkommen durchfuͤhren und in der abſoluten Beſtimmtheit der Darſtellung mit demſelben wetteifern zu koͤnnen; er ſollte ſich alſo vielmehr gerade in dem Gegenſtand von dem naiven Dichter entfernen, weil er dieſem, was derſelbe in der Form vor ihm voraus hat, nur durch den Gegenſtand wieder abgewinnen kann.","norm":"Er setzt sich dadurch ganz unnötigerweise einerlei Grenzen mit jenem, ohne doch die Begrenzung vollkommen durchführen und in der absoluten Bestimmtheit der Darstellung mit demselben wetteifern zu können; er sollte sich also vielmehr gerade in dem Gegenstand von dem naiven Dichter entfernen, weil er diesem, was derselbe in der Form vor ihm voraus hat, nur durch den Gegenstand wieder abgewinnen kann."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":308,"orig":"Um hievon die Anwendung auf die Schaͤferidylle der ſentimentaliſchen Dichter zu machen, ſo erklaͤrt es ſich nun, warum dieſe Dichtungen bey allem Aufwand von Genie und Kunſt weder fuͤr das Herz noch fuͤr den Geiſt voͤllig befriedigend ſind.","norm":"Um hiervon die Anwendung auf die Schäferidylle der sentimentalischen Dichter zu machen, so erklärt es sich nun, warum diese Dichtungen bei allem Aufwand von Genie und Kunst weder für das Herz noch für den Geist völlig befriedigend sind."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":309,"orig":"Sie haben ein Ideal ausgefuͤhrt und doch die enge duͤrftige Hirtenwelt beybehalten, da ſie doch ſchlechterdings entweder fuͤr das Ideal eine andere Welt, oder fuͤr die Hirtenwelt eine andre Darſtellung haͤtten waͤhlen ſollen.","norm":"Sie haben ein Ideal ausgeführt und doch die enge dürftige Hirtenwelt beibehalten, da sie doch schlechterdings entweder für das Ideal eine andere Welt, oder für die Hirtenwelt eine andere Darstellung hätten wählen sollen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":310,"orig":"Sie ſind gerade ſo weit ideal, daß die Darſtellung dadurch an individueller Wahrheit verliert, und ſind wieder gerade um ſo viel individuel, daß der idealiſche Gehalt darunter leidet.","norm":"Sie sind gerade so weit ideal, dass die Darstellung dadurch an individueller Wahrheit verliert, und sind wieder gerade um so viel individuell, dass der idealische Gehalt darunter leidet."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":311,"orig":"Ein Geßneriſcher Hirte z. B. kann uns nicht als Natur, nicht durch Wahrheit der Nachahmung entzuͤcken, denn dazu iſt er ein zu ideales Weſen; eben ſo wenig kann er uns als ein Ideal durch das unendliche des Gedankens befriedigen, denn dazu iſt er ein viel zu duͤrftiges Geſchoͤpf.","norm":"Ein Geßnerscher Hirte z. B. kann uns nicht als Natur, nicht durch Wahrheit der Nachahmung entzücken, denn dazu ist er ein zu ideales Wesen; ebensowenig kann er uns als ein Ideal durch das unendliche des Gedankens befriedigen, denn dazu ist er ein viel zu dürftiges Geschöpf."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":312,"orig":"Er wird alſo zwar biß auf einen gewiſſen Punkt allen Klaſſen von Leſern ohne Ausnahme gefallen, weil er das Naive mit dem Sentimentalen zu vereinigen ſtrebt, und folglich den zwey entgegengeſetzten Foderungen, die an ein Gedicht gemacht werden koͤnnen, in einem gewiſſen Grade Genuͤge leiſtet; weil aber der Dichter, uͤber der Bemuͤhung, beydes zu vereinigen, keinem von beyden ſein volles Recht erweißt, weder ganz Natur noch ganz Ideal iſt, ſo kann er eben deßwegen vor einem ſtrengen Geſchmack nicht ganz beſtehen, der in aeſthetiſchen Dingen nichts halbes verzeyhen kann.","norm":"Er wird also zwar bis auf einen gewissen Punkt allen Klassen von Lesern ohne Ausnahme gefallen, weil er das Naive mit dem Sentimentalen zu vereinigen strebt, und folglich den zwei entgegengesetzten Forderungen, die an ein Gedicht gemacht werden können, in einem gewissen Grade Genüge leistet; weil aber der Dichter, über der Bemühung, beides zu vereinigen, keinem von beiden sein volles Recht erweist, weder ganz Natur noch ganz Ideal ist, so kann er eben deswegen vor einem strengen Geschmack nicht ganz bestehen, der in ästhetischen Dingen nichts Halbes verzeihen kann."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":313,"orig":"Es iſt ſonderbar, daß dieſe Halbheit ſich auch biß auf die Sprache des genannten Dichters erſtreckt, die zwiſchen Poeſie und Proſa unentſchieden ſchwankt, als fuͤrchtete der Dichter in gebundener Rede ſich von der wirklichen Natur zu weit zu entfernen, und in ungebundener den poetiſchen Schwung zu verlieren.","norm":"Es ist sonderbar, dass diese Halbheit sich auch bis auf die Sprache des genannten Dichters erstreckt, die zwischen Poesie und Prosa unentschieden schwankt, als fürchtete der Dichter in gebundener Rede sich von der wirklichen Natur zu weit zu entfernen, und in ungebundener den poetischen Schwung zu verlieren."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":314,"orig":"Eine hoͤhere Befriedigung gewaͤhrt Miltons herrliche Darſtellung des erſten Menſchenpaares und des Standes der Unſchuld im Paradieſe; die ſchoͤnſte, mir bekannte Idylle in der ſentimentaliſchen Gattung.","norm":"Eine höhere Befriedigung gewährt Miltons herrliche Darstellung des ersten Menschenpaares und des Standes der Unschuld im Paradiese; die schönste, mir bekannte Idylle in der sentimentalischen Gattung."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":315,"orig":"Hier iſt die Natur edel, geiſtreich, zugleich voll Flaͤche und voll Tiefe, der hoͤchſte Gehalt der Menſchheit iſt in die anmuthigſte Form eingekleidet.","norm":"Hier ist die Natur edel, geistreich, zugleich voll Fläche und voll Tiefe, der höchste Gehalt der Menschheit ist in die anmutigste Form eingekleidet."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":316,"orig":"Alſo auch hier in der Idylle wie in allen andern poetiſchen Gattungen, muß man einmal fuͤr allemal zwiſchen der Individualitaͤt und der Idealitaͤt eine Wahl treffen, denn beyden Foderungen zugleich Genuͤge leiſten wollen, iſt, ſolange man nicht am Ziel der Vollkommenheit ſtehet, der ſicherſte Weg, beyde zugleich zu verfehlen.","norm":"Also auch hier in der Idylle wie in allen anderen poetischen Gattungen, muss man einmal für allemal zwischen der Individualität und der Idealität eine Wahl treffen, denn beiden Forderungen zugleich Genüge leisten wollen, ist, solange man nicht am Ziel der Vollkommenheit steht, der sicherste Weg, beide zugleich zu verfehlen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":317,"orig":"Fuͤhlt ſich der Moderne griechiſchen Geiſtes genug, um bey aller Widerſpenſtigkeit ſeines Stoffs mit den Griechen auf ihrem eigenen Felde, nehmlich im Felde naiver Dichtung, zu ringen, ſo thue er es ganz, und thue es ausſchließend, und ſetze ſich uͤber jede Foderung des ſentimentaliſchen Zeitgeſchmacks hinweg.","norm":"Fühlt sich der Moderne griechischen Geistes genug, um bei aller Widerspenstigkeit seines Stoffs mit den Griechen auf ihrem eigenen Felde, nämlich im Felde naiver Dichtung, zu ringen, so tue er es ganz, und tue es ausschließend, und setze sich über jede Forderung des sentimentalischen Zeitgeschmacks hinweg."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":318,"orig":"Erreichen zwar duͤrfte er ſeine Muſter ſchwerlich; zwiſchen dem Original und dem gluͤcklichſten Nachahmer wird immer eine merkliche Diſtanz offen bleiben, aber er iſt auf dieſem Wege doch gewiß, ein aͤcht poetiſches Werk zu erzeugen.","norm":"Erreichen zwar dürfte er seine Muster schwerlich; zwischen dem Original und dem glücklichsten Nachahmer wird immer eine merkliche Distanz offenbleiben, aber er ist auf diesem Wege doch gewiss, ein echt poetisches Werk zu erzeugen."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":319,"orig":"Treibt ihn hingegen der ſentimentaliſche Dichtungstrieb zum Ideale, ſo verfolge er auch dieſes ganz, in voͤlliger Reinheit, und ſtehe nicht eher als bey dem Hoͤchſten ſtille, ohne hinter ſich zu ſchauen, ob auch die Wirklichkeit ihm nachkommen moͤchte.","norm":"Treibt ihn hingegen der sentimentalische Dichtungstrieb zum Ideale, so verfolge er auch dieses ganz, in völliger Reinheit, und stehe nicht eher als bei dem Höchsten stille, ohne hinter sich zu schauen, ob auch die Wirklichkeit ihm nachkommen möchte."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":320,"orig":"Er verſchmaͤhe den unwuͤrdigen Ausweg, den Gehalt des Ideals zu verſchlechtern, um es der menſchlichen Beduͤrftigkeit anzupaſſen, und den Geiſt auszuſchließen, um mit dem Herzen ein leichteres Spiel zu haben.","norm":"Er verschmähe den unwürdigen Ausweg, den Gehalt des Ideals zu verschlechtern, um es der menschlichen Bedürftigkeit anzupassen, und den Geist auszuschließen, um mit dem Herzen ein leichteres Spiel zu haben."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":321,"orig":"Er fuͤhre uns nicht ruͤckwaͤrts in unſre Kindheit, um uns mit den koſtbarſten Erwerbungen des Verſtandes eine Ruhe erkaufen zu laſſen, die nicht laͤnger dauren kann als der Schlaf unſrer Geiſteskraͤfte; ſondern fuͤhre uns vorwaͤrts zu unſrer Muͤndigkeit, um uns die hoͤhere Harmonie zu empfinden zu geben, die den Kaͤmpfer belohnet, die den Ueberwinder begluͤckt.","norm":"Er führe uns nicht rückwärts in unsere Kindheit, um uns mit den kostbarsten Erwerbungen des Verstandes eine Ruhe erkaufen zu lassen, die nicht länger dauern kann als der Schlaf unserer Geisteskräfte; sondern führe uns vorwärts zu unserer Mündigkeit, um uns die höhere Harmonie zu empfinden zu geben, die den Kämpfer belohnt, die den Überwinder beglückt."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":322,"orig":"Er mache ſich die Aufgabe einer Idylle, welche jene Hirtenunſchuld auch in Subjekten der Kultur und unter allen Bedingungen des ruͤſtigſten feurigſten Lebens, des ausgebreitetſten Denkens, der raffinirteſten Kunſt, der hoͤchſten geſellſchaftlichen Verfeinerung ausfuͤhrt, welche mit einem Wort, den Menſchen, der nun einmal nicht mehr nach Arkadien zuruͤckkan, bis nach Eliſium fuͤhrt.","norm":"Er mache sich die Aufgabe einer Idylle, welche jene Hirtenunschuld auch in Subjekten der Kultur und unter allen Bedingungen des rüstigsten feurigsten Lebens, des ausgebreitetsten Denkens, der raffiniertesten Kunst, der höchsten gesellschaftlichen Verfeinerung ausführt, welche mit einem Wort, den Menschen, der nun einmal nicht mehr nach Arkadien zurückkann, bis nach Elysium führt."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":323,"orig":"Der Begriff dieſer Idylle iſt der Begriff eines voͤllig aufgeloͤßten Kampfes ſowohl in dem einzelnen Menſchen, als in der Geſellſchaft, einer freyen Vereinigung der Neigungen mit dem Geſetze, einer zur hoͤchſten ſittlichen Wuͤrde hinaufgelaͤuterten Natur, kurz, er iſt kein andrer als das Ideal der Schoͤnheit auf das wirkliche Leben angewendet.","norm":"Der Begriff dieser Idylle ist der Begriff eines völlig aufgelösten Kampfes sowohl in dem einzelnen Menschen, als in der Gesellschaft, einer freien Vereinigung der Neigungen mit dem Gesetze, einer zur höchsten sittlichen Würde hinaufgeläuterten Natur, kurz, er ist kein anderer als das Ideal der Schönheit auf das wirkliche Leben angewendet."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":324,"orig":"Ihr Charakter beſteht alſo darinn, daß aller Gegenſatz der Wirklichkeit mit dem Ideale, der den Stoff zu der ſatyriſchen und elegiſchen Dichtung hergegeben hatte, vollkommen aufgehoben ſey, und mit demſelben auch aller Streit der Empfindungen aufhoͤre.","norm":"Ihr Charakter besteht also darin, dass aller Gegensatz der Wirklichkeit mit dem Ideale, der den Stoff zu der satirischen und elegischen Dichtung hergegeben hatte, vollkommen aufgehoben sei, und mit demselben auch aller Streit der Empfindungen aufhöre."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":325,"orig":"Ruhe waͤre alſo der herrſchende Eindruck dieſer Dichtungsart, aber Ruhe der Vollendung, nicht der Traͤgheit; eine Ruhe, die aus dem Gleichgewicht nicht aus dem Stillſtand der Kraͤfte, die aus der Fuͤlle nicht aus der Leerheit fließt, und von dem Gefuͤhl eines unendlichen Vermoͤgens begleitet wird.","norm":"Ruhe wäre also der herrschende Eindruck dieser Dichtungsart, aber Ruhe der Vollendung, nicht der Trägheit; eine Ruhe, die aus dem Gleichgewicht nicht aus dem Stillstand der Kräfte, die aus der Fülle nicht aus der Leerheit fließt, und von dem Gefühl eines unendlichen Vermögens begleitet wird."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":326,"orig":"Aber eben darum, weil aller Widerſtand hinwegfaͤllt, ſo wird es hier ungleich ſchwuͤriger, als in den zwey vorigen Dichtungsarten, die Bewegung hervorzubringen, ohne welche doch uͤberall keine poetiſche Wirkung ſich denken laͤßt.","norm":"Aber eben darum, weil aller Widerstand hinwegfällt, so wird es hier ungleich schwieriger, als in den zwei vorigen Dichtungsarten, die Bewegung hervorzubringen, ohne welche doch überall keine poetische Wirkung sich denken lässt."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":327,"orig":"Die hoͤchſte Einheit muß ſeyn, aber ſie darf der Mannichfaltigkeit nichts nehmen; das Gemuͤth muß befriedigt werden, aber ohne daß das Streben darum aufhoͤre.","norm":"Die höchste Einheit muss sein, aber sie darf der Mannigfaltigkeit nichts nehmen; das Gemüt muss befriedigt werden, aber ohne dass das Streben darum aufhöre."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":328,"orig":"Die Aufloͤſung dieſer Frage iſt es eigentlich, was die Theorie der Idylle zu leiſten hat.","norm":"Die Auflösung dieser Frage ist es eigentlich, was die Theorie der Idylle zu leisten hat."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":329,"orig":"(Der Beſchluß im naͤchſten Stuͤck.","norm":"(Der Beschluss im nächsten Stück."} {"basename":"schiller_naive02_1795","par_idx":330,"orig":")","norm":")"} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":0,"orig":"Ueber das Verhaͤltniß beyder Dichtungsarten zu einander und zu dem poetiſchen Ideale iſt in den vorhergehenden Unterſuchungen folgendes feſtgeſetzt worden.","norm":"Über das Verhältnis beider Dichtungsarten zueinander und zu dem poetischen Ideale ist in den vorhergehenden Untersuchungen Folgendes festgesetzt worden."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":1,"orig":"Dem naiven Dichter hat die Natur die Gunſt erzeigt, immer als eine ungetheilte Einheit zu wirken, in jedem Moment ein ſelbſtſtaͤndiges und vollendetes Ganze zu ſeyn und die Menſchheit, ihrem vollen Gehalt nach, in der Wirklichkeit darzuſtellen.","norm":"Dem naiven Dichter hat die Natur die Gunst erzeigt, immer als eine ungeteilte Einheit zu wirken, in jedem Moment ein selbstständiges und vollendetes Ganze zu sein und die Menschheit, ihrem vollen Gehalt nach, in der Wirklichkeit darzustellen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":2,"orig":"Dem ſentimentaliſchen hat ſie die Macht verliehen oder vielmehr einen lebendigen Trieb eingepraͤgt, jene Einheit, die durch Abſtraktion in ihm aufgehoben worden, aus ſich ſelbſt wieder herzuſtellen, die Menſchheit in ſich vollſtaͤndig zu machen, und aus einem beſchraͤnkten Zuſtand zu einem unendlichen uͤberzugehen.","norm":"Dem sentimentalischen hat sie die Macht verliehen oder vielmehr einen lebendigen Trieb eingeprägt, jene Einheit, die durch Abstraktion in ihm aufgehoben worden, aus sich selbst wiederherzustellen, die Menschheit in sich vollständig zu machen, und aus einem beschränkten Zustand zu einem unendlichen überzugehen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":3,"orig":"Der menſchlichen Natur ihren voͤlligen Ausdruck zu geben iſt aber die gemeinſchaftliche Aufgabe beyder, und ohne das wuͤrden ſie gar nicht Dichter heiſſen koͤnnen; aber der naive Dichter hat vor dem ſentimentaliſchen immer die ſinnliche Realitaͤt voraus, indem er dasjenige als eine wirkliche Thatſache ausfuͤhrt, was der andere nur zu erreichen ſtrebt.","norm":"Der menschlichen Natur ihren völligen Ausdruck zu geben ist aber die gemeinschaftliche Aufgabe beider, und ohne das würden sie gar nicht Dichter heißen können; aber der naive Dichter hat vor dem sentimentalischen immer die sinnliche Realität voraus, indem er dasjenige als eine wirkliche Tatsache ausführt, was der andere nur zu erreichen strebt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":4,"orig":"Und das iſt es auch, was jeder bey ſich erfaͤhrt, wenn er ſich beym Genuſſe naiver Dichtungen beobachtet.","norm":"Und das ist es auch, was jeder bei sich erfährt, wenn er sich beim Genusse naiver Dichtungen beobachtet."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":5,"orig":"Er fuͤhlt alle Kraͤfte ſeiner Menſchheit in einem ſolchen Augenblick thaͤtig, er bedarf nichts, er iſt ein Ganzes in ſich ſelbſt; ohne etwas in ſeinem Gefuͤhl zu unterſcheiden, freut er ſich zugleich ſeiner geiſtigen Thaͤtigkeit und ſeines ſinnlichen Lebens.","norm":"Er fühlt alle Kräfte seiner Menschheit in einem solchen Augenblick tätig, er bedarf nichts, er ist ein Ganzes in sich selbst; ohne etwas in seinem Gefühl zu unterscheiden, freut er sich zugleich seiner geistigen Tätigkeit und seines sinnlichen Lebens."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":6,"orig":"Eine ganz andre Stimmung iſt es, in die ihn der ſentimentaliſche Dichter verſetzt.","norm":"Eine ganz andere Stimmung ist es, in die ihn der sentimentalische Dichter versetzt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":7,"orig":"Hier fuͤhlt er bloß einen lebendigen Trieb, die Harmonie in ſich zu erzeugen, welche er dort wirklich empfand, ein Ganzes aus ſich zu machen, die Menſchheit in ſich zu einem vollendeten Ausdruck zu bringen.","norm":"Hier fühlt er bloß einen lebendigen Trieb, die Harmonie in sich zu erzeugen, welche er dort wirklich empfand, ein Ganzes aus sich zu machen, die Menschheit in sich zu einem vollendeten Ausdruck zu bringen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":8,"orig":"Daher iſt hier das Gemuͤth in Bewegung, es iſt angeſpannt, es ſchwankt zwiſchen ſtreitenden Gefuͤhlen; da es dort ruhig, aufgeloͤßt, einig mit ſich ſelbſt und vollkommen befriedigt iſt.","norm":"Daher ist hier das Gemüt in Bewegung, es ist angespannt, es schwankt zwischen streitenden Gefühlen; da es dort ruhig, aufgelöst, einig mit sich selbst und vollkommen befriedigt ist."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":9,"orig":"Aber wenn es der naive Dichter dem ſentimentaliſchen auf der einen Seite an Realitaͤt abgewinnt, und dasjenige zur wirklichen Exiſtenz bringt, wornach dieſer nur einen lebendigen Trieb erwecken kann, ſo hat letzterer wieder den großen Vortheil uͤber den erſtern, daß er dem Trieb einen groͤßeren Gegenſtand zu geben im Stand iſt, als jener geleiſtet hat und leiſten konnte.","norm":"Aber wenn es der naive Dichter dem sentimentalischen auf der einen Seite an Realität abgewinnt, und dasjenige zur wirklichen Existenz bringt, wonach dieser nur einen lebendigen Trieb erwecken kann, so hat letzterer wieder den großen Vorteil über den ersteren, dass er dem Trieb einen größeren Gegenstand zu geben imstand ist, als jener geleistet hat und leisten konnte."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":10,"orig":"Alle Wirklichkeit, wiſſen wir, bleibt hinter dem Ideale zuruͤck; alles exiſtierende hat ſeine Schranken, aber der Gedanke iſt grenzenlos.","norm":"Alle Wirklichkeit, wissen wir, bleibt hinter dem Ideale zurück; alles Existierende hat seine Schranken, aber der Gedanke ist grenzenlos."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":11,"orig":"Durch dieſe Einſchraͤnkung, der alles ſinnliche unterworfen iſt, leidet alſo auch der naive Dichter, da hingegen die unbedingte Freyheit des Ideenvermoͤgens dem ſentimentaliſchen zu ſtatten kommt.","norm":"Durch diese Einschränkung, der alles Sinnliche unterworfen ist, leidet also auch der naive Dichter, da hingegen die unbedingte Freiheit des Ideenvermögens dem sentimentalischen zustatten kommt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":12,"orig":"Jener erfuͤllt zwar alſo ſeine Aufgabe, aber die Aufgabe ſelbſt iſt etwas begrenztes; dieſer erfuͤllt zwar die ſeinige nicht ganz, aber die Aufgabe iſt ein unendliches.","norm":"Jener erfüllt zwar also seine Aufgabe, aber die Aufgabe selbst ist etwas Begrenztes; dieser erfüllt zwar die seinige nicht ganz, aber die Aufgabe ist ein Unendliches."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":13,"orig":"Auch hieruͤber kann einen jeden ſeine eigne Erfahrung belehren.","norm":"Auch hierüber kann einen jeden seine eigene Erfahrung belehren."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":14,"orig":"Von dem naiven Dichter wendet man ſich mit Leichtigkeit und Luſt zu der lebendigen Gegenwart; der ſentimentaliſche wird immer, auf einige Augenblicke, fuͤr das wirkliche Leben verſtimmen.","norm":"Von dem naiven Dichter wendet man sich mit Leichtigkeit und Lust zu der lebendigen Gegenwart; der sentimentalische wird immer, auf einige Augenblicke, für das wirkliche Leben verstimmen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":15,"orig":"Das macht, unſer Gemuͤth iſt hier durch das Unendliche der Idee gleichſam uͤber ſeinen natuͤrlichen Durchmeſſer ausgedehnt worden, daß nichts vorhandenes es mehr ausfuͤllen kann.","norm":"Das macht, unser Gemüt ist hier durch das Unendliche der Idee gleichsam über seinen natürlichen Durchmesser ausgedehnt worden, dass nichts Vorhandenes es mehr ausfüllen kann."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":16,"orig":"Wir verſinken lieber betrachtend in uns ſelbſt, wo wir fuͤr den aufgeregten Trieb in der Ideenwelt Nahrung finden; anſtatt daß wir dort aus uns heraus nach ſinnlichen Gegenſtaͤnden ſtreben.","norm":"Wir versinken lieber betrachtend in uns selbst, wo wir für den aufgeregten Trieb in der Ideenwelt Nahrung finden; anstatt dass wir dort aus uns heraus nach sinnlichen Gegenständen streben."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":17,"orig":"Die ſentimentaliſche Dichtung iſt die Geburt der Abgezogenheit und Stille, und dazu ladet ſie auch ein:","norm":"Die sentimentalische Dichtung ist die Geburt der Abgezogenheit und Stille, und dazu ladet sie auch ein:"} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":18,"orig":"Die naive iſt das Kind des Lebens, und in das Leben fuͤhrt ſie auch zuruͤck.","norm":"Die naive ist das Kind des Lebens, und in das Leben führt sie auch zurück."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":19,"orig":"Ich habe die naive Dichtung eine Gunſt der Natur genannt, um zu erinnern, daß die Reflexion keinen Antheil daran habe.","norm":"Ich habe die naive Dichtung eine Gunst der Natur genannt, um zu erinnern, dass die Reflexion keinen Anteil daran habe."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":20,"orig":"Ein gluͤcklicher Wurf iſt ſie; keiner Verbeßerung beduͤrftig, wenn er gelingt, aber auch keiner faͤhig, wenn er verfehlt wird.","norm":"Ein glücklicher Wurf ist sie; keiner Verbesserung bedürftig, wenn er gelingt, aber auch keiner fähig, wenn er verfehlt wird."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":21,"orig":"In der Empfindung iſt das ganze Werk des naiven Genies abſolviert; hier ligt ſeine Staͤrke und ſeine Grenze.","norm":"In der Empfindung ist das ganze Werk des naiven Genies absolviert; hier liegt seine Stärke und seine Grenze."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":22,"orig":"Hat es alſo nicht gleich dichteriſch d. h. nicht gleich vollkommen menſchlich empfunden, ſo kann dieſer Mangel durch keine Kunſt mehr nachgehohlt werden.","norm":"Hat es also nicht gleich dichterisch d. h. nicht gleich vollkommen menschlich empfunden, so kann dieser Mangel durch keine Kunst mehr nachgeholt werden."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":23,"orig":"Die Critik kann ihm nur zu einer Einſicht des Fehlers verhelfen, aber ſie kann keine Schoͤnheit an deſſen Stelle ſetzen.","norm":"Die Kritik kann ihm nur zu einer Einsicht des Fehlers verhelfen, aber sie kann keine Schönheit an dessen Stelle setzen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":24,"orig":"Durch ſeine Natur muß das naive Genie alles thun, durch ſeine Freyheit vermag es wenig; und es wird ſeinen Begriff erfuͤllen, ſobald nur die Natur in ihm nach einer innern Nothwendigkeit wirkt.","norm":"Durch seine Natur muss das naive Genie alles tun, durch seine Freiheit vermag es wenig; und es wird seinen Begriff erfüllen, sobald nur die Natur in ihm nach einer inneren Notwendigkeit wirkt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":25,"orig":"Nun iſt zwar alles nothwendig, was durch Natur geſchieht, und das iſt auch jedes noch ſo verungluͤckte Produckt des naiven Genies, von welchem nichts mehr entfernt iſt als Willkuͤhrlichkeit; aber ein andres iſt die Noͤthigung des Augenblicks, ein andres die innre Nothwendigkeit des Ganzen.","norm":"Nun ist zwar alles notwendig, was durch Natur geschieht, und das ist auch jedes noch so verunglückte Produkt des naiven Genies, von welchem nichts mehr entfernt ist als Willkürlichkeit; aber ein anderes ist die Nötigung des Augenblicks, ein anderes die innere Notwendigkeit des Ganzen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":26,"orig":"Als ein Ganzes betrachtet iſt die Natur ſelbſtſtaͤndig und unendlich; in jeder einzelnen Wirkung hingegen iſt ſie beduͤrftig und beſchraͤnkt.","norm":"Als ein Ganzes betrachtet ist die Natur selbständig und unendlich; in jeder einzelnen Wirkung hingegen ist sie bedürftig und beschränkt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":27,"orig":"Dieſes gilt daher auch von der Natur des Dichters.","norm":"Dieses gilt daher auch von der Natur des Dichters."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":28,"orig":"Auch der gluͤcklichſte Moment, in welchem ſich derſelbe befinden mag, iſt von einem vorhergehenden abhaͤngig; es kann ihm daher auch nur eine bedingte Nothwendigkeit beygelegt werden.","norm":"Auch der glücklichste Moment, in welchem sich derselbe befinden mag, ist von einem vorhergehenden abhängig; es kann ihm daher auch nur eine bedingte Notwendigkeit beigelegt werden."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":29,"orig":"Nun ergeht aber die Aufgabe an den Dichter, einen einzelnen Zuſtand dem menſchlichen Ganzen gleich zu machen, folglich ihn abſolut und nothwendig auf ſich ſelbſt zu gruͤnden.","norm":"Nun ergeht aber die Aufgabe an den Dichter, einen einzelnen Zustand dem menschlichen Ganzen gleichzumachen, folglich ihn absolut und notwendig auf sich selbst zu gründen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":30,"orig":"Aus dem Moment der Begeiſterung muß alſo jede Spur eines zeitlichen Beduͤrfniſſes entfernt bleiben, und der Gegenſtand ſelbſt, ſo beſchraͤnkt er auch ſey, darf den Dichter nicht beſchraͤnken.","norm":"Aus dem Moment der Begeisterung muss also jede Spur eines zeitlichen Bedürfnisses entfernt bleiben, und der Gegenstand selbst, so beschränkt er auch sei, darf den Dichter nicht beschränken."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":31,"orig":"Man begreift wohl, daß dieſes nur in ſoferne moͤglich iſt, als der Dichter ſchon eine abſolute Freyheit und Fuͤlle des Vermoͤgens zu dem Gegenſtande mitbringt, und als er geuͤbt iſt, alles mit ſeiner ganzen Menſchheit zu umfaßen.","norm":"Man begreift wohl, dass dieses nur insoferne möglich ist, als der Dichter schon eine absolute Freiheit und Fülle des Vermögens zu dem Gegenstande mitbringt, und als er geübt ist, alles mit seiner ganzen Menschheit zu umfassen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":32,"orig":"Dieſe Uebung kann er aber nur durch die Welt erhalten, in der er lebt, und von der er unmittelbar beruͤhrt wird.","norm":"Diese Übung kann er aber nur durch die Welt erhalten, in der er lebt, und von der er unmittelbar berührt wird."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":33,"orig":"Das naive Genie ſteht alſo in einer Abhaͤngigkeit von der Erfahrung, welche das ſentimentaliſche nicht kennet.","norm":"Das naive Genie steht also in einer Abhängigkeit von der Erfahrung, welche das sentimentalische nicht kennet."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":34,"orig":"Dieſes wiſſen wir, faͤngt ſeine Operation erſt da an, wo jenes die ſeinige beſchließt; ſeine Staͤrke beſteht darinn, einen mangelhaften Gegenſtand aus ſich ſelbſt heraus zu ergaͤnzen, und ſich durch eigene Macht aus einem begrenzten Zuſtand in einen Zuſtand der Freyheit zu verſetzen.","norm":"Dieses wissen wir, fängt seine Operation erst da an, wo jenes die seinige beschließt; seine Stärke besteht darin, einen mangelhaften Gegenstand aus sich selbst heraus zu ergänzen, und sich durch eigene Macht aus einem begrenzten Zustand in einen Zustand der Freiheit zu versetzen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":35,"orig":"Das naive Dichtergenie bedarf alſo eines Beyſtandes von auſſen, da das ſentimentaliſche ſich aus ſich ſelbſt naͤhrt und reinigt; es muß eine formreiche Natur, eine dichteriſche Welt, eine naive Menſchheit um ſich her erblicken, da es ſchon in der Sinnenempfindung ſein Werk zu vollenden hat.","norm":"Das naive Dichtergenie bedarf also eines Beistandes von außen, da das sentimentalische sich aus sich selbst nährt und reinigt; es muss eine formreiche Natur, eine dichterische Welt, eine naive Menschheit um sich her erblicken, da es schon in der Sinnenempfindung sein Werk zu vollenden hat."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":36,"orig":"Fehlt ihm nun dieſer Beyſtand von auſſen, ſieht es ſich von einem geiſtloſen Stoff umgeben, ſo kann nur zweyerley geſchehen.","norm":"Fehlt ihm nun dieser Beistand von außen, sieht es sich von einem geistlosen Stoff umgeben, so kann nur zweierlei geschehen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":37,"orig":"Es tritt entweder, wenn die Gattung bey ihm uͤberwiegend iſt, aus ſeiner Art, und wird ſentimentaliſch, um nur dichteriſch zu ſeyn, oder, wenn der Artcharakter die Obermacht behaͤlt, es tritt aus ſeiner Gattung, und wird gemeine Natur, um nur Natur zu bleiben.","norm":"Es tritt entweder, wenn die Gattung bei ihm überwiegend ist, aus seiner Art, und wird sentimentalisch, um nur dichterisch zu sein, oder, wenn der Artcharakter die Obermacht behält, es tritt aus seiner Gattung, und wird gemeine Natur, um nur Natur zu bleiben."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":38,"orig":"Das erſte duͤrfte der Fall mit den vornehmſten ſentimentaliſchen Dichtern in der alten roͤmiſchen Welt und in neueren Zeiten ſeyn.","norm":"Das erste dürfte der Fall mit den vornehmsten sentimentalischen Dichteren in der alten römischen Welt und in neueren Zeiten sein."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":39,"orig":"In einem andern Weltalter gebohren, unter einem andern Himmel verpflanzt, wuͤrden ſie, die uns jetzt durch Ideen ruͤhren, durch individuelle Wahrheit und naive Schoͤnheit bezaubert haben.","norm":"In einem anderen Weltalter geboren, unter einem anderen Himmel verpflanzt, würden sie, die uns jetzt durch Ideen rühren, durch individuelle Wahrheit und naive Schönheit bezaubert haben."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":40,"orig":"Vor dem zweyten moͤchte ſich ſchwerlich ein Dichter vollkommen ſchuͤtzen koͤnnen, der in einer gemeinen Welt die Natur nicht verlaſſen kann.","norm":"Vor dem zweiten möchte sich schwerlich ein Dichter vollkommen schützen können, der in einer gemeinen Welt die Natur nicht verlassen kann."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":41,"orig":"Die wirkliche Natur nehmlich; aber von dieſer kann die wahre Natur, die das Subjekt naiver Dichtungen iſt, nicht ſorgfaͤltig genug unterſchieden werden.","norm":"Die wirkliche Natur nämlich; aber von dieser kann die wahre Natur, die das Subjekt naiver Dichtungen ist, nicht sorgfältig genug unterschieden werden."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":42,"orig":"Wirkliche Natur exiſtiert uͤberall, aber wahre Natur iſt deſto ſeltener, denn dazu gehoͤrt eine innere Nothwendigkeit des Daſeyns.","norm":"Wirkliche Natur existiert überall, aber wahre Natur ist desto seltener, denn dazugehört eine innere Notwendigkeit des Daseins."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":43,"orig":"Wirkliche Natur iſt jeder, noch ſo gemeine Ausbruch der Leidenſchaft, er mag auch wahre Natur ſeyn, aber eine wahre menſchliche iſt er nicht; denn dieſe erfodert einen Antheil des ſelbſtſtaͤndigen Vermoͤgens an jeder Aeuſſerung, deſſen Ausdruck jedesmal Wuͤrde iſt.","norm":"Wirkliche Natur ist jeder, noch so gemeine Ausbruch der Leidenschaft, er mag auch wahre Natur sein, aber eine wahre menschliche ist er nicht; denn diese erfordert einen Anteil des selbstständigen Vermögens an jeder Äußerung, dessen Ausdruck jedes Mal Würde ist."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":44,"orig":"Wirkliche menſchliche Natur iſt jede moraliſche Niedertraͤchtigkeit, aber wahre menſchliche Natur iſt ſie hoffentlich nicht; denn dieſe kann nie anders als edel ſeyn.","norm":"Wirkliche menschliche Natur ist jede moralische Niederträchtigkeit, aber wahre menschliche Natur ist sie hoffentlich nicht; denn diese kann nie anders als edel sein."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":45,"orig":"Es iſt nicht zu uͤberſehen, zu welchen Abgeſchmaktheiten dieſe Verwechslung wirklicher Natur mit wahrer menſchlicher Natur in der Critik wie in der Ausuͤbung verleitet hat: welche Trivialitaͤten man in der Poeſie geſtattet, ja lobpreißt, weil ſie leider!","norm":"Es ist nicht zu übersehen, zu welchen Abgeschmacktheiten diese Verwechslung wirklicher Natur mit wahrer menschlicher Natur in der Kritik wie in der Ausübung verleitet hat: Welche Trivialitäten man in der Poesie gestattet, ja lobpreist, weil sie leider!"} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":46,"orig":"wirkliche Natur ſind: wie man ſich freuet, Karrikaturen, die einen ſchon aus der wirklichen Welt herausaͤngſtigen, in der dichteriſchen ſorgfaͤltig aufbewahrt, und nach dem Leben konterfeyt zu ſehen.","norm":"wirkliche Natur sind: wie man sich freuet, Karikaturen, die einen schon aus der wirklichen Welt herausängstigen, in der dichterischen sorgfältig aufbewahrt, und nach dem Leben konterfeit zu sehen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":47,"orig":"Freylich darf der Dichter auch die ſchlechte Natur nachahmen und bey dem ſatyriſchen bringt dieſes ja der Begriff ſchon mit ſich: aber in dieſem Fall muß ſeine eigne ſchoͤne Natur den Gegenſtand uͤbertragen, und der gemeine Stoff den Nachahmer nicht mit ſich zu Boden ziehen.","norm":"Freilich darf der Dichter auch die schlechte Natur nachahmen und bei dem satirischen bringt dieses ja der Begriff schon mit sich: aber in diesem Fall muss seine eigene schöne Natur den Gegenstand übertragen, und der gemeine Stoff den Nachahmer nicht mit sich zu Boden ziehen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":48,"orig":"Iſt nur Er ſelbſt, in dem Moment wenigſtens wo er ſchildert, wahre menſchliche Natur, ſo hat es nichts zu ſagen, was er uns ſchildert: aber auch ſchlechterdings nur von einem ſolchen koͤnnen wir ein treues Gemaͤhlde der Wirklichkeit vertragen.","norm":"Ist nur er selbst, in dem Moment wenigstens wo er schildert, wahre menschliche Natur, so hat es nichts zu sagen, was er uns schildert: aber auch schlechterdings nur von einem solchen können wir ein treues Gemälde der Wirklichkeit vertragen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":49,"orig":"Wehe uns Leſern; wenn die Fratze ſich in der Fratze ſpiegelt; wenn die Geißel der Satyre in die Haͤnde desjenigen faͤllt, dem die Natur eine viel ernſtlichere Peitſche zu fuͤhren beſtimmte; wenn Menſchen, die, entbloͤßt von allem, was man poetiſchen Geiſt nennt, nur das Affentalent gemeiner Nachahmung beſitzen, es auf Koſten unſers Geſchmacks graͤulich und ſchrecklich uͤben!","norm":"Wehe uns Lesern; wenn die Fratze sich in der Fratze spiegelt; wenn die Geißel der Satire in die Hände desjenigen fällt, dem die Natur eine viel ernstlichere Peitsche zu führen bestimmte; wenn Menschen, die, entblößt von allem, was man poetischen Geist nennt, nur das Affentalent gemeiner Nachahmung besitzen, es auf Kosten unseres Geschmacks gräulich und schrecklich üben!"} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":50,"orig":"Aber ſelbſt dem wahrhaft naiven Dichter, ſagte ich, kann die gemeine Natur gefaͤhrlich werden; denn endlich iſt jene ſchoͤne Zuſammenſtimmung zwiſchen Empfinden und Denken, welche den Charakter deſſelben ausmacht, doch nur eine Idee, die in der Wirklichkeit nie ganz erreicht wird, und auch bey den gluͤcklichſten Genies aus dieſer Klaſſe wird die Empfaͤnglichkeit die Selbſtthaͤtigkeit immer um etwas uͤberwiegen.","norm":"Aber selbst dem wahrhaft naiven Dichter, sagte ich, kann die gemeine Natur gefährlich werden; denn endlich ist jene schöne Zusammenstimmung zwischen Empfinden und Denken, welche den Charakter desselben ausmacht, doch nur eine Idee, die in der Wirklichkeit nie ganz erreicht wird, und auch bei den glücklichsten Genies aus dieser Klasse wird die Empfänglichkeit die Selbsttätigkeit immer um etwas überwiegen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":51,"orig":"Die Empfaͤnglichkeit aber iſt immer mehr oder weniger von dem aͤuſſern Eindruck abhaͤngig, und nur eine anhaltende Regſamkeit des produktiven Vermoͤgens, welche von der menſchlichen Natur nicht zu erwarten iſt, wuͤrde verhindern koͤnnen, daß der Stoff nicht zuweilen eine blinde Gewalt uͤber die Empfaͤnglichkeit ausuͤbte.","norm":"Die Empfänglichkeit aber ist immer mehr oder weniger von dem äußeren Eindruck abhängig, und nur eine anhaltende Regsamkeit des produktiven Vermögens, welche von der menschlichen Natur nicht zu erwarten ist, würde verhindern können, dass der Stoff nicht zuweilen eine blinde Gewalt über die Empfänglichkeit ausübte."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":52,"orig":"So oft aber dieß der Fall iſt wird aus einem dichteriſchen Gefuͤhl ein gemeines.","norm":"Sooft aber dies der Fall ist wird aus einem dichterischen Gefühl ein gemeines."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":53,"orig":"Kein Genie aus der naiven Klaſſe, von Homet biß auf Bodmer herab, hat dieſe Klippe ganz vermieden; aber freylich iſt ſie denen am gefaͤhrlichſten, die ſich einer gemeinen Natur von auſſen zu erwehren haben, oder die durch Mangel an Diſciplin von innen verwildert ſind.","norm":"Kein Genie aus der naiven Klasse, von Homer bis auf Bodmer herab, hat diese Klippe ganz vermieden; aber freilich ist sie denen am gefährlichsten, die sich einer gemeinen Natur von außen zu erwehren haben, oder die durch Mangel an Disziplin von innen verwildert sind."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":54,"orig":"Jenes iſt Schuld, daß ſelbſt gebildete Schriftſteller nicht immer von Plattheiten frey bleiben, und dieſes verhinderte ſchon manches herrliche Talent, ſich des Platzes zu bemaͤchtigen, zu dem die Natur es berufen hatte.","norm":"Jenes ist schuld, dass selbst gebildete Schriftsteller nicht immer von Plattheiten frei bleiben, und dieses verhinderte schon manches herrliche Talent, sich des Platzes zu bemächtigen, zu dem die Natur es berufen hatte."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":55,"orig":"Der Komoͤdiendichter, deſſen Genie ſich am meiſten von dem wirklichen Leben naͤhrt, iſt eben daher auch am meiſten der Plattheit ausgeſetzt, wie auch das Beyſpiel des Ariſtophanes und Plautus, und faſt aller der ſpaͤtern Dichter lehret, die in die Fußtapfen derſelben getreten ſind.","norm":"Der Komödiendichter, dessen Genie sich am meisten von dem wirklichen Leben nährt, ist eben daher auch am meisten der Plattheit ausgesetzt, wie auch das Beispiel des Aristophanes und Plautus, und fast aller der späteren Dichter lehrt, die in die Fußstapfen derselben getreten sind."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":56,"orig":"Wie tief laͤßt uns nicht der erhabene Shakeſpeare zuweilen ſinken, mit welchen Trivialitaͤten quaͤlen uns nicht Lope de Vega, Moliere, Regnard, Goldoni, in welchen Schlamm zieht uns nicht Holberg hinab.","norm":"Wie tief lässt uns nicht der erhabene Shakespeare zuweilen sinken, mit welchen Trivialitäten quälen uns nicht Lope de Vega, Molière, Regnard, Goldoni, in welchen Schlamm zieht uns nicht Holberg hinab."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":57,"orig":"Schlegel, einer der geiſtreichſten Dichter unſers Vaterlands, an deſſen Genie es nicht lag, daß er nicht unter den erſten in dieſer Gattung glaͤnzt, Gellert, ein wahrhaft naiver Dichter, ſo wie auch Rabener, Leſſing ſelbſt, wenn ich ihn anders hier nennen darf, Leſſing der gebildete Zoͤgling der Critik, und ein ſo wachſamer Richter ſeiner ſelbſt — wie buͤßen ſie nicht alle, mehr oder weniger, den geiſtloſen Charakter der Natur, die ſie zum Stoff ihrer Satyre erwaͤhlten.","norm":"Schlegel, einer der geistreichsten Dichter unseres Vaterlands, an dessen Genie es nicht lag, dass er nicht unter den ersten in dieser Gattung glänzt, Gellert, ein wahrhaft naiver Dichter, sowie auch Rabener, Lessing selbst, wenn ich ihn anders hier nennen darf, Lessing der gebildete Zögling der Kritik, und ein so wachsamer Richter seiner selbst — wie büßen sie nicht alle, mehr oder weniger, den geistlosen Charakter der Natur, die sie zum Stoff ihrer Satire erwählten."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":58,"orig":"Von den neueſten Schriftſtellern in dieſer Gattung nenne ich keinen, da ich keinen ausnehmen kann.","norm":"Von den neuesten Schriftstellern in dieser Gattung nenne ich keinen, da ich keinen ausnehmen kann."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":59,"orig":"Und nicht genug, daß der naive Dichtergeiſt in Gefahr iſt, ſich einer gemeinen Wirklichkeit allzuſehr zu naͤhern — durch die Leichtigkeit, mit der er ſich aͤuſert, und durch eben dieſe groͤßere Annaͤherung an das wirkliche Leben macht er noch dem gemeinen Nachahmer Muth, ſich im poetiſchen Felde zu verſuchen.","norm":"Und nicht genug, dass der naive Dichtergeist in Gefahr ist, sich einer gemeinen Wirklichkeit allzu sehr zu nähern — durch die Leichtigkeit, mit der er sich äußert, und durch eben diese größere Annäherung an das wirkliche Leben macht er noch dem gemeinen Nachahmer Mut, sich im poetischen Felde zu versuchen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":60,"orig":"Die ſentimentaliſche Poeſie, wiewohl von einer andern Seite gefaͤhrlich genug, wie ich hernach zeigen werde, haͤlt wenigſtens dieſes Volk in Entfernung, weil es nicht jedermanns Sache iſt, ſich zu Ideen zu erheben; die naive Poeſie aber bringt es auf den Glauben, als wenn ſchon die bloße Empfindung, der bloße Humor, die bloße Nachahmung wirklicher Natur den Dichter ausmache.","norm":"Die sentimentalische Poesie, wiewohl von einer anderen Seite gefährlich genug, wie ich hernach zeigen werde, hält wenigstens dieses Volk in Entfernung, weil es nicht jedermanns Sache ist, sich zu Ideen zu erheben; die naive Poesie aber bringt es auf den Glauben, als wenn schon die bloße Empfindung, der bloße Humor, die bloße Nachahmung wirklicher Natur den Dichter ausmache."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":61,"orig":"Nichts aber iſt widerwaͤrtiger, als wenn der platte Charakter ſich einfallen laͤßt, liebenswuͤrdig und naiv ſeyn zu wollen; er, der ſich in alle Huͤllen der Kunſt ſtecken ſollte, um ſeine eckelhafte Natur zu verbergen.","norm":"Nichts aber ist widerwärtiger, als wenn der platte Charakter sich einfallen lässt, liebenswürdig und naiv sein zu wollen; er, der sich in alle Hüllen der Kunst stecken sollte, um seine ekelhafte Natur zu verbergen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":62,"orig":"Daher denn auch die unſaͤglichen Platituden, welche ſich die Deutſchen unter dem Titel von naiven und ſcherzhaften Liedern vorſingen laſſen, und an denen ſie ſich bey einer wohlbeſetzten Tafel ganz unendlich zu beluſtigen pflegen.","norm":"Daher denn auch die unsäglichen Platituden, welche sich die Deutschen unter dem Titel von naiven und scherzhaften Liedern vorsingen lassen, und an denen sie sich bei einer wohlbesetzten Tafel ganz unendlich zu belustigen pflegen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":63,"orig":"Unter dem Freybrief der Laune, der Empfindung dultet man dieſe Armſeligkeiten — aber einer Laune, einer Empfindung, die man nicht ſorgfaͤltig genug verbannen kann.","norm":"Unter dem Freibrief der Laune, der Empfindung duldet man diese Armseligkeiten — aber einer Laune, einer Empfindung, die man nicht sorgfältig genug verbannen kann."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":64,"orig":"Die Muſen an der Pleiſſe bilden hier beſonders einen eigenen klaͤglichen Chor, und ihnen wird von den Camoͤnen an der Leine und Elbe in nicht beſſern Akkorden geantwortet.","norm":"Die Musen an der Pleiße bilden hier besonders einen eigenen kläglichen Chor, und ihnen wird von den Kamönen an der Leine und Elbe in nicht besseren Akkorden geantwortet."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":65,"orig":"So inſipid dieſe Scherze ſind, ſo klaͤglich laͤßt ſich der Affekt auf unſern tragiſchen Buͤhnen hoͤren, welcher, anſtatt die wahre Natur nachzuahmen, nur den geiſtloſen und unedeln Ausdruck der wirklichen erreicht; ſo daß es uns nach einem ſolchen Thraͤnenmahle gerade zu Muth iſt, als wenn wir einen Beſuch in Spitaͤlern abgelegt oder Salzmanns menſchliches Elend geleſen haͤtten.","norm":"So insipid diese Scherze sind, so kläglich lässt sich der Affekt auf unseren tragischen Bühnen hören, welcher, anstatt die wahre Natur nachzuahmen, nur den geistlosen und unedlen Ausdruck der wirklichen erreicht; so dass es uns nach einem solchen Tränenmahle gerade zumute ist, als wenn wir einen Besuche in Spitälern abgelegt oder Salzmanns menschliches Elend gelesen hätten."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":66,"orig":"Noch viel ſchlimmer ſteht es um die ſatyriſche Dichtkunſt, und um den komiſchen Roman insbeſondre, die ſchon ihrer Natur nach dem gemeinen Leben ſo nahe liegen, und daher billig, wie jeder Grenzpoſten, gerade in den beßten Haͤnden ſeyn ſollten.","norm":"Noch viel schlimmer steht es um die satirische Dichtkunst, und um den komischen Roman insbesondere, die schon ihrer Natur nach dem gemeinen Leben so nahe liegen, und daher billig, wie jeder Grenzposten, gerade in den besten Händen sein sollten."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":67,"orig":"Derjenige hat wahrlich den wenigſten Beruf der Mahler ſeiner Zeit zu werden, der das Geſchoͤpf und die Karrikatur derſelben iſt; aber da es etwas ſo leichtes iſt, irgend einen luſtigen Charakter, waͤr es auch nur einen dicken Mann unter ſeiner Bekanntſchaft aufzujagen, und die Fratze mit einer groben Feder auf dem Papier abzureiſſen, ſo fuͤhlen zuweilen auch die geſchworenen Feinde alles poetiſchen Geiſtes den Kitzel, in dieſem Fache zu ſtuͤmpern, und einen Zirkel von wuͤrdigen Freunden mit der ſchoͤnen Geburt zu ergoͤzen.","norm":"Derjenige hat wahrlich den wenigsten Beruf der Maler seiner Zeit zu werden, der das Geschöpf und die Karikatur derselben ist; aber da es etwas so Leichtes ist, irgendeinen lustigen Charakter, wäre es auch nur einen dicken Mann unter seiner Bekanntschaft aufzujagen, und die Fratze mit einer groben Feder auf dem Papier abzureißen, so fühlen zuweilen auch die geschworenen Feinde alles poetischen Geistes den Kitzel, in diesem Fache zu stümpern, und einen Zirkel von würdigen Freunden mit der schönen Geburt zu ergötzen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":68,"orig":"Ein rein geſtimmtes Gefuͤhl freylich wird nie in Gefahr ſeyn, dieſe Erzeugniße einer gemeinen Natur mit den geiſtreichen Fruͤchten des naiven Genies zu verwechſeln; aber an dieſer reinen Stimmung des Gefuͤhls fehlt es eben, und in den meiſten Faͤllen will man bloß ein Beduͤrfniß befriedigt haben, ohne daß der Geiſt eine Foderung machte.","norm":"Ein rein gestimmtes Gefühl freilich wird nie in Gefahr sein, diese Erzeugnisse einer gemeinen Natur mit den geistreichen Früchten des naiven Genies zu verwechseln; aber an dieser reinen Stimmung des Gefühls fehlt es eben, und in den meisten Fällen will man bloß ein Bedürfnis befriedigt haben, ohne dass der Geist eine Forderung machte."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":69,"orig":"Der ſo falſch verſtandene, wiewohl an ſich wahre Begriff, daß man ſich bey Werken des ſchoͤnen Geiſtes erhohle, traͤgt das ſeinige redlich zu dieſer Nachſicht bey; wenn man es anders Nachſicht nennen kann, wo nichts hoͤheres geahnet wird, und der Leſer wie der Schriftſteller auf gleiche Art ihre Rechnung finden.","norm":"Der so falsch verstandene, wiewohl an sich wahre Begriff, dass man sich bei Werken des schönen Geistes erhole, trägt das Seinige redlich zu dieser Nachsicht bei; wenn man es anders Nachsicht nennen kann, wo nichts Höheres geahnt wird, und der Leser wie der Schriftsteller auf gleiche Art ihre Rechnung finden."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":70,"orig":"Die gemeine Natur nehmlich, wenn ſie angeſpannt worden, kann ſich nur in der Leerheit erhohlen, und ſelbſt ein hoher Grad von Verſtand, wenn er nicht von einer gleichmaͤßigen Kultur der Empfindungen unterſtuͤtzt iſt, ruht von ſeinem Geſchaͤfte nur in einem geiſtloſen Sinnengenuß aus.","norm":"Die gemeine Natur nämlich, wenn sie angespannt worden, kann sich nur in der Leerheit erholen, und selbst ein hoher Grad von Verstand, wenn er nicht von einer gleichmäßigen Kultur der Empfindungen unterstützt ist, ruht von seinem Geschäfte nur in einem geistlosen Sinnengenuss aus."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":71,"orig":"Wenn ſich das dichtende Genie uͤber alle zufaͤlligen Schranken, welche von jedem beſtimmten Zuſtande unzertrennlich ſind, mit freyer Selbſtthaͤtigkeit muß erheben koͤnnen, um die menſchliche Natur in ihrem abſoluten Vermoͤgen zu erreichen, ſo darf es ſich doch auf der andern Seite nicht uͤber die nothwendigen Schranken hinwegſetzen, welche der Begriff einer menſchlichen Natur mit ſich bringt; denn das Abſolute aber nur innerhalb der Menſchheit iſt ſeine Aufgabe und ſeine Sphaͤre.","norm":"Wenn sich das dichtende Genie über alle zufälligen Schranken, welche von jedem bestimmten Zustande unzertrennlich sind, mit freier Selbsttätigkeit muss erheben können, um die menschliche Natur in ihrem absoluten Vermögen zu erreichen, so darf es sich doch auf der anderen Seite nicht über die notwendigen Schranken hinwegsetzen, welche der Begriff einer menschlichen Natur mit sich bringt; denn das Absolute aber nur innerhalb der Menschheit ist seine Aufgabe und seine Sphäre."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":72,"orig":"Wir haben geſehen, daß das naive Genie zwar nicht in Gefahr iſt, dieſe Sphaͤre zu uͤberſchreiten, wohl aber ſie nicht ganz zu erfuͤllen, wenn es einer aͤuſſern Nothwendigkeit oder dem zufaͤlligen Beduͤrfniß des Augenblicks zu ſehr auf Unkoſten der innern Nothwendigkeit Raum giebt.","norm":"Wir haben gesehen, dass das naive Genie zwar nicht in Gefahr ist, diese Sphäre zu überschreiten, wohl aber sie nicht ganz zu erfüllen, wenn es einer äußeren Notwendigkeit oder dem zufälligen Bedürfnis des Augenblicks zu sehr auf Unkosten der inneren Notwendigkeit Raum gibt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":73,"orig":"Das ſentimentaliſche Genie hingegen iſt der Gefahr ausgeſetzt, uͤber dem Beſtreben, alle Schranken von ihr zu entfernen, die menſchliche Natur ganz und gar aufzuheben, und ſich nicht bloß, was es darf und ſoll, uͤber jede beſtimmte und begrenzte Wirklichkeit hinweg zu der abſoluten Moͤglichkeit zu erheben oder zu idealiſiren, ſondern uͤber die Moͤglichkeit ſelbſt noch hinauszugehen oder zu ſchwaͤrmen.","norm":"Das sentimentalische Genie hingegen ist der Gefahr ausgesetzt, über dem Bestreben, alle Schranken von ihr zu entfernen, die menschliche Natur ganz und gar aufzuheben, und sich nicht bloß, was es darf und soll, über jede bestimmte und begrenzte Wirklichkeit hinweg zu der absoluten Möglichkeit zu erheben oder zu idealisieren, sondern über die Möglichkeit selbst noch hinauszugehen oder zu schwärmen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":74,"orig":"Dieſer Fehler der Ueberſpannung iſt eben ſo in der ſpecifiſchen Eigenthuͤmlichkeit ſeines Verfahrens wie der entgegengeſetzte der Schlaffheit, in der eigenthuͤmlichen Handlungsweiſe des naiven gegruͤndet.","norm":"Dieser Fehler der Überspannung ist ebenso in der spezifischen Eigentümlichkeit seines Verfahrens wie der entgegengesetzte der Schlaffheit, in der eigentümlichen Handlungsweise des naiven gegründet."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":75,"orig":"Das naive Genie nehmlich laͤßt die Natur in ſich unumſchraͤnkt walten, und da die Natur, in ihren einzelnen zeitlichen Aeuſſerungen immer abhaͤngig und beduͤrftig iſt, ſo wird das naive Gefuͤhl nicht immer exaltiert genug bleiben, um den zufaͤlligen Beſtimmungen des Augenblicks widerſtehen zu koͤnnen.","norm":"Das naive Genie nämlich lässt die Natur in sich unumschränkt walten, und da die Natur, in ihren einzelnen zeitlichen Äußerungen immer abhängig und bedürftig ist, so wird das naive Gefühl nicht immer exaltiert genug bleiben, um den zufälligen Bestimmungen des Augenblicks widerstehen zu können."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":76,"orig":"Das ſentimentaliſche Genie hingegen verlaͤßt die Wirklichkeit, um zu Ideen aufzuſteigen und mit freyer Selbſtthaͤtigkeit ſeinen Stoff zu beherrſchen; da aber die Vernunft ihrem Geſetze nach immer zum Unbedingten ſtrebt, ſo wird das ſentimentaliſche Genie nicht immer nuͤchtern genug bleiben, um ſich ununterbrochen und gleichfoͤrmig innerhalb der Bedingungen zu halten, welche der Begriff einer menſchlichen Natur mit ſich fuͤhrt, und an welche die Vernunft auch in ihrem freyeſten Wirken hier immer gebunden bleiben muß.","norm":"Das sentimentalische Genie hingegen verlässt die Wirklichkeit, um zu Ideen aufzusteigen und mit freier Selbsttätigkeit seinen Stoff zu beherrschen; da aber die Vernunft ihrem Gesetze nach immer zum Unbedingten strebt, so wird das sentimentalische Genie nicht immer nüchtern genug bleiben, um sich ununterbrochen und gleichförmig innerhalb der Bedingungen zu halten, welche der Begriff einer menschlichen Natur mit sich führt, und an welche die Vernunft auch in ihrem freiesten Wirken hier immer gebunden bleiben muss."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":77,"orig":"Dieſes koͤnnte nur durch einen verhaͤltnißmaͤßigen Grad von Empfaͤnglichkeit geſchehen, welche aber in dem ſentimentaliſchen Dichtergeiſte von der Selbſtthaͤtigkeit eben ſo ſehr uͤberwogen wird, als ſie in dem Naiven die Selbſtthaͤtigkeit uͤberwiegt.","norm":"Dieses könnte nur durch einen verhältnismäßigen Grad von Empfänglichkeit geschehen, welche aber in dem sentimentalischen Dichtergeiste von der Selbsttätigkeit ebenso sehr überwogen wird, als sie in dem Naiven die Selbsttätigkeit überwiegt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":78,"orig":"Wenn man daher an den Schoͤpfungen des naiven Genies zuweilen den Geiſt vermißt, ſo wird man bey den Geburten des ſentimentaliſchen oft vergebens nach dem Gegenſtande fragen.","norm":"Wenn man daher an den Schöpfungen des naiven Genies zuweilen den Geist vermisst, so wird man bei den Geburten des sentimentalischen oft vergebens nach dem Gegenstande fragen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":79,"orig":"Beyde werden alſo, wiewohl auf ganz entgegengeſetzte Weiſe in den Fehler der Leerheit verfallen; denn ein Gegenſtand ohne Geiſt und ein Geiſtesſpiel ohne Gegenſtand ſind beyde ein Nichts in dem aͤſthetiſchen Urtheil.","norm":"Beide werden also, wiewohl auf ganz entgegengesetzte Weise in den Fehler der Leerheit verfallen; denn ein Gegenstand ohne Geist und ein Geistesspiel ohne Gegenstand sind beide ein Nichts in dem ästhetischen Urteil."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":80,"orig":"Alle Dichter, welche ihren Stoff zu einſeitig aus der Gedankenwelt ſchoͤpfen, und mehr durch eine innre Ideenfuͤlle als durch den Drang der Empfindung zum poetiſchen Bilden getrieben werden, ſind mehr oder weniger in Gefahr, auf dieſen Abweg zu gerathen.","norm":"Alle Dichter, welche ihren Stoff zu einseitig aus der Gedankenwelt schöpfen, und mehr durch eine innere Ideenfülle als durch den Drang der Empfindung zum poetischen Bilden getrieben werden, sind mehr oder weniger in Gefahr, auf diesen Abweg zu geraten."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":81,"orig":"Die Vernunft zieht bey ihren Schoͤpfungen die Grenzen der Sinnenwelt viel zu wenig zu Rath und der Gedanke wird immer weiter getrieben, als die Erfahrung ihm folgen kann.","norm":"Die Vernunft zieht bei ihren Schöpfungen die Grenzen der Sinnenwelt viel zu wenig zu Rat und der Gedanke wird immer weiter getrieben, als die Erfahrung ihm folgen kann."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":82,"orig":"Wird er aber ſo weit getrieben, daß ihm nicht nur keine beſtimmte Erfahrung mehr entſprechen kann, (denn bis dahin darf und muß das Idealſchoͤne gehen) ſondern daß er den Bedingungen aller moͤglichen Erfahrung uͤberhaupt widerſtreitet, und daß folglich um ihn wirklich zu machen, die menſchliche Natur ganz und gar verlaſſen werden muͤßte, dann iſt es nicht mehr ein poetiſcher, ſondern ein uͤberſpannter Gedanke: vorausgeſetzt nehmlich, daß er ſich als darſtellbar und dichteriſch angekuͤndiget habe; denn hat er dieſes nicht, ſo iſt es ſchon genug, wenn er ſich nur nicht ſelbſt widerſpricht.","norm":"Wird er aber so weit getrieben, dass ihm nicht nur keine bestimmte Erfahrung mehr entsprechen kann, (denn bis dahin darf und muss das Idealschöne gehen) sondern dass er den Bedingungen aller möglichen Erfahrung überhaupt widerstreitet, und dass folglich um ihn wirklich zu machen, die menschliche Natur ganz und gar verlassen werden müsste, dann ist es nicht mehr ein poetischer, sondern ein überspannter Gedanke: vorausgesetzt nämlich, dass er sich als darstellbar und dichterisch angekündigt habe; denn hat er dieses nicht, so ist es schon genug, wenn er sich nur nicht selbst widerspricht."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":83,"orig":"Widerſpricht er ſich ſelbſt, ſo iſt er nicht mehr Ueberſpannung, ſondern Unſinn; denn was uͤberhaupt nicht iſt, das kann auch ſein Maaß nicht uͤberſchreiten.","norm":"Widerspricht er sich selbst, so ist er nicht mehr Überspannung, sondern Unsinn; denn was überhaupt nicht ist, das kann auch sein Maß nicht überschreiten."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":84,"orig":"Kuͤndigt er ſich aber gar nicht als ein Objekt fuͤr die Einbildungskraft an, ſo iſt er eben ſo wenig Ueberſpannung; denn das bloße Denken iſt grenzenlos und was keine Grenze hat, kann auch keine uͤberſchreiten.","norm":"Kündigt er sich aber gar nicht als ein Objekt für die Einbildungskraft an, so ist er ebenso wenig Überspannung; denn das bloße Denken ist grenzenlos und was keine Grenze hat, kann auch keine überschreiten."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":85,"orig":"Ueberſpannt kann alſo nur dasjenige genannt werden, was zwar nicht die logiſche aber die ſinnliche Wahrheit verletzt, und auf dieſe doch Anſpruch macht.","norm":"Überspannt kann also nur dasjenige genannt werden, was zwar nicht die logische aber die sinnliche Wahrheit verletzt, und auf diese doch Anspruch macht."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":86,"orig":"Wenn daher ein Dichter den ungluͤcklichen Einfall hat, Naturen, die ſchlechthin uͤbermenſchlich ſind, und auch nicht anders vorgeſtellt werden duͤrfen, zum Stoff ſeiner Schilderung zu erwaͤhlen, ſo kann er ſich vor dem Ueberſpannten nur dadurch ſicher ſtellen, daß er das Poetiſche aufgiebt und es gar nicht einmal unternimmt, ſeinen Gegenſtand durch die Einbildungskraft ausfuͤhren zu laſſen.","norm":"Wenn daher ein Dichter den unglücklichen Einfall hat, Naturen, die schlechthin übermenschlich sind, und auch nicht anders vorgestellt werden dürfen, zum Stoff seiner Schilderung zu erwählen, so kann er sich vor dem Überspannten nur dadurch sicherstellen, dass er das Poetische aufgibt und es gar nicht einmal unternimmt, seinen Gegenstand durch die Einbildungskraft ausführen zu lassen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":87,"orig":"Denn thaͤte er dieſes, ſo wuͤrde entweder dieſe ihre Grenzen auf den Gegenſtand uͤbertragen, und aus einem abſoluten Objekt ein beſchraͤnktes menſchliches machen (was z. B. alle griechiſchen Gottheiten ſind und auch ſeyn ſollen); oder der Gegenſtand wuͤrde der Einbildungskraft ihre Grenzen nehmen, d. h. er wuͤrde ſie aufheben, worinn eben das Ueberſpannte beſteht.","norm":"Denn täte er dieses, so würde entweder diese ihre Grenzen auf den Gegenstand übertragen, und aus einem absoluten Objekt ein beschränktes menschliches machen (was z. B. alle griechischen Gottheiten sind und auch sein sollen); oder der Gegenstand würde der Einbildungskraft ihre Grenzen nehmen, d. h. er würde sie aufheben, worin eben das Überspannte besteht."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":88,"orig":"Man muß die uͤberſpannte Empfindung von dem Ueberſpannten in der Darſtellung unterſcheiden; nur von der erſten iſt hier die Rede.","norm":"Man muss die überspannte Empfindung von dem Überspannten in der Darstellung unterscheiden; nur von der ersten ist hier die Rede."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":89,"orig":"Das Objekt der Empfindung kann unnatuͤrlich ſeyn, aber ſie ſelbſt iſt Natur, und muß daher auch die Sprache derſelben fuͤhren.","norm":"Das Objekt der Empfindung kann unnatürlich sein, aber sie selbst ist Natur, und muss daher auch die Sprache derselben führen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":90,"orig":"Wenn alſo das Ueberſpannte in der Empfindung aus Waͤrme des Herzens und einer wahrhaft dichteriſchen Anlage fließen kann, ſo zeugt das Ueberſpannte in der Darſtellung jederzeit von einem kalten Herzen und ſehr oft von einem poetiſchen Unvermoͤgen.","norm":"Wenn also das Überspannte in der Empfindung aus Wärme des Herzens und einer wahrhaft dichterischen Anlage fließen kann, so zeugt das Überspannte in der Darstellung jederzeit von einem kalten Herzen und sehr oft von einem poetischen Unvermögen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":91,"orig":"Es iſt alſo kein Fehler, vor welchem das ſentimentaliſche Dichtergenie gewarnt werden muͤßte, ſondern der bloß dem unberufenen Nachahmer deſſelben drohet, daher er auch die Begleitung des Platten, Geiſtloſen, ja des Niedrigen keineswegs verſchmaͤht.","norm":"Es ist also kein Fehler, vor welchem das sentimentalische Dichtergenie gewarnt werden müsste, sondern der bloß dem unberufenen Nachahmer desselben drohet, daher er auch die Begleitung des Platten, Geistlosen, ja des Niedrigen keineswegs verschmäht."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":92,"orig":"Die uͤberſpannte Empfindung iſt gar nicht ohne Wahrheit, und als wirkliche Empfindung muß ſie auch nothwendig einen realen Gegenſtand haben.","norm":"Die überspannte Empfindung ist gar nicht ohne Wahrheit, und als wirkliche Empfindung muss sie auch notwendig einen realen Gegenstand haben."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":93,"orig":"Sie laͤßt daher auch, weil ſie Natur iſt, einen einfachen Ausdruck zu, und wird vom Herzen kommend auch das Herz nicht verfehlen.","norm":"Sie lässt daher auch, weil sie Natur ist, einen einfachen Ausdruck zu, und wird vom Herzen kommend auch das Herz nicht verfehlen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":94,"orig":"Aber da ihr Gegenſtand nicht aus der Natur geſchoͤpft, ſondern durch den Verſtand einſeitig und kuͤnſtlich hervorgebracht iſt, ſo hat er auch bloß logiſche Realitaͤt, und die Empfindung iſt alſo nicht rein menſchlich.","norm":"Aber da ihr Gegenstand nicht aus der Natur geschöpft, sondern durch den Verstand einseitig und künstlich hervorgebracht ist, so hat er auch bloß logische Realität, und die Empfindung ist also nicht rein menschlich."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":95,"orig":"Es iſt keine Taͤuſchung, was Heloiſe fuͤr Abelard, was Petrarch fuͤr ſeine Laura, was S. Preux fuͤr ſeine Julie, was Werther fuͤr ſeine Lotte fuͤhlt, und was Agathon, Phanias, Peregrinus Proteus (den Wielandiſchen meyne ich) fuͤr ihre Ideale empfinden; die Empfindung iſt wahr, nur der Gegenſtand iſt ein gemachter und liegt auſſerhalb der menſchlichen Natur.","norm":"Es ist keine Täuschung, was Heloise für Abelard, was Petrarca für seine Laura, was S. Preux für seine Julie, was Werther für seine Lotte fühlt, und was Agathon, Phainias, Peregrinus Proteus (den Wielandischen meine ich) für ihre Ideale empfinden; die Empfindung ist wahr, nur der Gegenstand ist ein gemachter und liegt außerhalb der menschlichen Natur."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":96,"orig":"Haͤtte ſich ihr Gefuͤhl bloß an die ſinnliche Wahrheit der Gegenſtaͤnde gehalten, ſo wuͤrde es jenen Schwung nicht haben nehmen koͤnnen; hingegen wuͤrde ein bloß willkuͤhrliches Spiel der Phantaſie ohne allen innern Gehalt auch nicht im Stande geweſen ſeyn, das Herz zu bewegen, denn das Herz wird nur durch Vernunft bewegt.","norm":"Hätte sich ihr Gefühl bloß an die sinnliche Wahrheit der Gegenstände gehalten, so würde es jenen Schwung nicht haben nehmen können; hingegen würde ein bloß willkürliches Spiel der Phantasie ohne allen inneren Gehalt auch nicht imstande gewesen sein, das Herz zu bewegen, denn das Herz wird nur durch Vernunft bewegt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":97,"orig":"Dieſe Ueberſpannung verdient alſo Zurechtweiſung, nicht Verachtung, und wer daruͤber ſpottet, mag ſich wohl pruͤfen, ob er nicht vielleicht aus Herzloſigkeit ſo klug, aus Vernunftmangel ſo verſtaͤndig iſt.","norm":"Diese Überspannung verdient also Zurechtweisung, nicht Verachtung, und wer darüber spottet, mag sich wohl prüfen, ob er nicht vielleicht aus Herzlosigkeit so klug, aus Vernunftmangel so verständig ist."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":98,"orig":"So iſt auch die uͤberſpannte Zaͤrtlichkeit im Punkt der Galanterie und der Ehre, welche die Ritterromane, beſonders die ſpaniſchen charakteriſiert, ſo iſt die ſkrupuloſe, bis zur Koſtbarkeit getriebene Delikateſſe in den franzoͤſiſchen und engliſchen ſentimentaliſchen Romanen (von der beſten Gattung) nicht nur ſubjektiv wahr, ſondern auch in objektiver Ruͤckſicht nicht gehaltlos; es ſind aͤchte Empfindungen, die wirklich eine moraliſche Quelle haben, und die nur darum verwerflich ſind, weil ſie die Grenzen menſchlicher Wahrheit uͤberſchreiten.","norm":"So ist auch die überspannte Zärtlichkeit im Punkt der Galanterie und der Ehre, welche die Ritterromane, besonders die spanischen charakterisiert, so ist die skrupellose, bis zur Kostbarkeit getriebene Delikatesse in den französischen und englischen sentimentalischen Romanen (von der besten Gattung) nicht nur subjektiv wahr, sondern auch in objektiver Rücksicht nicht gehaltlos; es sind echte Empfindungen, die wirklich eine moralische Quelle haben, und die nur darum verwerflich sind, weil sie die Grenzen menschlicher Wahrheit überschreiten."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":99,"orig":"Ohne jene moraliſche Realitaͤt — wie waͤre es moͤglich, daß ſie mit ſolcher Staͤrke und Innigkeit koͤnnten mitgetheilt werden, wie doch die Erfahrung lehrt.","norm":"Ohne jene moralische Realität — wie wäre es möglich, dass sie mit solcher Stärke und Innigkeit könnten mitgeteilt werden, wie doch die Erfahrung lehrt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":100,"orig":"Daſſelbe gilt auch von der moraliſchen und religioͤſen Schwaͤrmerey, und von der exaltierten Freyheits- und Vaterlandsliebe.","norm":"Dasselbe gilt auch von der moralischen und religiösen Schwärmerei, und von der exaltierten Freiheits- und Vaterlandsliebe."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":101,"orig":"Da die Gegenſtaͤnde dieſer Empfindungen immer Ideen ſind und in der aͤuſſern Erfahrung nicht erſcheinen, (denn was z. B. den politiſchen Enthuſiaſten bewegt, iſt nicht was er ſiehet, ſondern was er denkt) ſo hat die ſelbſtthaͤtige Einbildungskraft eine gefaͤhrliche Freyheit und kann nicht, wie in andern Faͤllen, durch die ſinnliche Gegenwart ihres Objekts in ihre Grenzen zuruͤckgewieſen werden.","norm":"Da die Gegenstände dieser Empfindungen immer Ideen sind und in der äußeren Erfahrung nicht erscheinen, (denn was z. B. den politischen Enthusiasten bewegt, ist nicht was er sieht, sondern was er denkt) so hat die selbsttätige Einbildungskraft eine gefährliche Freiheit und kann nicht, wie in anderen Fällen, durch die sinnliche Gegenwart ihres Objekts in ihre Grenzen zurückgewiesen werden."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":102,"orig":"Aber weder der Menſch uͤberhaupt noch der Dichter insbeſondre darf ſich der Geſetzgebung der Natur anders entziehen, als um ſich unter die entgegengeſetzte der Vernunft zu begeben; nur fuͤr das Ideal darf er die Wirklichkeit verlaſſen, denn an einem von dieſen beyden Ankern muß die Freyheit beveſtiget ſeyn.","norm":"Aber weder der Mensch überhaupt noch der Dichter insbesondere darf sich der Gesetzgebung der Natur anders entziehen, als um sich unter die entgegengesetzte der Vernunft zu begeben; nur für das Ideal darf er die Wirklichkeit verlassen, denn an einem von diesen beiden Ankern muss die Freiheit befestiget sein."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":103,"orig":"Aber der Weg von der Erfahrung zum Ideale iſt ſo weit, und dazwiſchen liegt die Phantaſie mit ihrer zuͤgelloſen Willkuͤhr.","norm":"Aber der Weg von der Erfahrung zum Ideale ist so weit, und dazwischen liegt die Phantasie mit ihrer zügellosen Willkür."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":104,"orig":"Es iſt daher unvermeidlich, daß der Menſch uͤberhaupt wie der Dichter insbeſondere, wenn er ſich durch die Freyheit ſeines Verſtandes aus der Herrſchaft der Gefuͤhle begiebt, ohne durch Geſetze der Vernunft dazu getrieben zu werden, d. h. wenn er die Natur aus bloßer Freyheit verlaͤßt, ſolang ohne Geſetz iſt, mithin der Phantaſterey zum Raube dahingegeben wird.","norm":"Es ist daher unvermeidlich, dass der Mensch überhaupt wie der Dichter insbesondere, wenn er sich durch die Freiheit seines Verstandes aus der Herrschaft der Gefühle begibt, ohne durch Gesetze der Vernunft dazu getrieben zu werden, d. h. wenn er die Natur aus bloßer Freiheit verlässt, solang ohne Gesetz ist, mithin der Phantasterei zum Raube dahingegeben wird."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":105,"orig":"Daß ſowohl ganze Voͤlker als einzelne Menſchen, welche der ſichern Fuͤhrung der Natur ſich entzogen haben, ſich wirklich in dieſem Falle befinden, lehrt die Erfahrung, und eben dieſe ſtellt auch Beyſpiele genug von einer aͤhnlichen Verirrung in der Dichtkunſt auf.","norm":"Dass sowohl ganze Völker als einzelne Menschen, welche der sichern Führung der Natur sich entzogen haben, sich wirklich in diesem Falle befinden, lehrt die Erfahrung, und eben diese stellt auch Beispiele genug von einer ähnlichen Verirrung in der Dichtkunst auf."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":106,"orig":"Weil der aͤchte ſentimentaliſche Dichtungstrieb, um ſich zum idealen zu erheben, uͤber die Grenzen wirklicher Natur hinausgehen muß, ſo geht der unaͤchte uͤber jede Grenze uͤberhaupt hinaus, und uͤberredet ſich, als wenn ſchon das wilde Spiel der Imagination die poetiſche Begeiſterung ausmache.","norm":"Weil der echte sentimentalische Dichtungstrieb, um sich zum Idealen zu erheben, über die Grenzen wirklicher Natur hinausgehen muss, so geht der unechte über jede Grenze überhaupt hinaus, und überredet sich, als wenn schon das wilde Spiel der Imagination die poetische Begeisterung ausmache."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":107,"orig":"Dem wahrhaften Dichtergenie, welches die Wirklichkeit nur um der Idee willen verlaͤſſet, kann dieſes nie oder doch nur in Momenten begegnen, wo es ſich ſelbſt verloren hat; da es hingegen durch ſeine Natur ſelbſt zu einer uͤberſpannten Empfindungsweiſe verfuͤhrt werden kann.","norm":"Dem wahrhaften Dichtergenie, welches die Wirklichkeit nur um der Idee willen verlässt, kann dieses nie oder doch nur in Momenten begegnen, wo es sich selbst verloren hat; da es hingegen durch seine Natur selbst zu einer überspannten Empfindungsweise verführt werden kann."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":108,"orig":"Es kann aber durch ſein Beyſpiel andre zur Phantaſterey verfuͤhren, weil Leſer von reger Phantaſie und ſchwachem Verſtand ihm nur die Freyheiten abſehen, die es ſich gegen die wirkliche Natur herausnimmt, ohne ihm bis zu ſeiner hohen innern Nothwendigkeit folgen zu koͤnnen.","norm":"Es kann aber durch sein Beispiel andere zur Phantasterei verführen, weil Leser von reger Phantasie und schwachem Verstand ihm nur die Freiheiten absehen, die es sich gegen die wirkliche Natur herausnimmt, ohne ihm bis zu seiner hohen inneren Notwendigkeit folgen zu können."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":109,"orig":"Es geht dem ſentimentaliſchen Genie hier, wie wir bey dem naiven geſehen haben.","norm":"Es geht dem sentimentalischen Genie hier, wie wir bei dem naiven gesehen haben."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":110,"orig":"Weil dieſes durch ſeine Natur alles ausfuͤhrte, was es thut, ſo will der gemeine Nachahmer an ſeiner eigenen Natur keine ſchlechtere Fuͤhrerinn haben.","norm":"Weil dieses durch seine Natur alles ausführte, was es tut, so will der gemeine Nachahmer an seiner eigenen Natur keine schlechtere Führerin haben."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":111,"orig":"Meiſterſtuͤcke aus der naiven Gattung werden daher gewoͤhnlich die platteſten und ſchmutzigſten Abdruͤcke gemeiner Natur, und Hauptwerke aus der ſentimentaliſchen ein zahlreiches Heer phantaſtiſcher Produktionen zu ihrem Gefolge haben, wie dieſes in der Litteratur eines jeden Volks leichtlich nachzuweiſen iſt.","norm":"Meisterstücke aus der naiven Gattung werden daher gewöhnlich die plattesten und schmutzigsten Abdrücke gemeiner Natur, und Hauptwerke aus der sentimentalischen ein zahlreiches Heer phantastischer Produktionen zu ihrem Gefolge haben, wie dieses in der Literatur eines jeden Volks leichtlich nachzuweisen ist."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":112,"orig":"Es ſind in Ruͤckſicht auf Poeſie zwey Grundſaͤtze im Gebrauch, die an ſich voͤllig richtig ſind, aber in der Bedeutung, worinn man ſie gewoͤhnlich nimmt, einander gerade aufheben.","norm":"Es sind in Rücksicht auf Poesie zwei Grundsätze im Gebrauch, die an sich völlig richtig sind, aber in der Bedeutung, worin man sie gewöhnlich nimmt, einander gerade aufheben."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":113,"orig":"Von dem erſten, „daß die Dichtkunſt zum Vergnuͤgen und zur Erhohlung diene ”iſt ſchon oben geſagt worden, daß er der Leerheit und Platituͤde in poetiſchen Darſtellungen nicht wenig guͤnſtig ſey; durch den andern Grundſatz „daß ſie zur moraliſchen Veredlung des Menſchen diene ”wird das Ueberſpannte in Schutz genommen.","norm":"Von dem ersten, „dass die Dichtkunst zum Vergnügen und zur Erholung diene ”ist schon oben gesagt worden, dass er der Leerheit und Plattitüde in poetischen Darstellungen nicht wenig günstig sei; durch den anderen Grundsatz „dass sie zur moralischen Veredlung des Menschen diene ”wird das Überspannte in Schutz genommen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":114,"orig":"Es iſt nicht uͤberfluͤßig beyde Principien, welche man ſo haͤufig im Munde fuͤhrt, oft ſo ganz unrichtig auslegt und ſo ungeſchickt anwendet, etwas naͤher zu beleuchten.","norm":"Es ist nicht überflüssig beide Prinzipien, welche man so häufig im Munde führt, oft so ganz unrichtig auslegt und so ungeschickt anwendet, etwas näher zu beleuchten."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":115,"orig":"Wir nennen Erhohlung den Uebergang von einem gewaltſamen Zuſtand zu demjenigen, der uns natuͤrlich iſt.","norm":"Wir nennen Erholung den Übergang von einem gewaltsamen Zustand zu demjenigen, der uns natürlich ist."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":116,"orig":"Es kommt mithin hier alles darauf an, worin wir unſern natuͤrlichen Zuſtand ſetzen, und was wir unter einem gewaltſamen verſtehen.","norm":"Es kommt mithin hier alles darauf an, worin wir unseren natürlichen Zustand setzen, und was wir unter einem gewaltsamen verstehen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":117,"orig":"Setzen wir jenen lediglich in ein ungebundenes Spiel unſrer phyſiſchen Kraͤfte und in eine Befreyung von jedem Zwang, ſo iſt jede Vernunftthaͤtigkeit, weil jede einen Widerſtand gegen die Sinnlichkeit ausuͤbt, eine Gewalt, die uns geſchieht, und Geiſtesruhe mit ſinnlicher Bewegung verbunden, iſt das eigentliche Ideal der Erhohlung.","norm":"Setzen wir jenen lediglich in ein ungebundenes Spiel unserer physischen Kräfte und in eine Befreiung von jedem Zwang, so ist jede Vernunfttätigkeit, weil jede einen Widerstand gegen die Sinnlichkeit ausübt, eine Gewalt, die uns geschieht, und Geistesruhe mit sinnlicher Bewegung verbunden, ist das eigentliche Ideal der Erholung."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":118,"orig":"Setzen wir hingegen unſern natuͤrlichen Zuſtand in ein unbegrenztes Vermoͤgen zu jeder menſchlichen Aeuſſerung und in die Faͤhigkeit uͤber alle unſre Kraͤfte mit gleicher Freyheit diſponiren zu koͤnnen, ſo iſt jede Trennung und Vereinzelung dieſer Kraͤfte ein gewaltſamer Zuſtand, und das Ideal der Erhohlung iſt die Wiederherſtellung unſeres Naturganzen nach einſeitigen Spannungen.","norm":"Setzen wir hingegen unseren natürlichen Zustand in ein unbegrenztes Vermögen zu jeder menschlichen Äußerung und in die Fähigkeit über alle unsere Kräfte mit gleicher Freiheit disponieren zu können, so ist jede Trennung und Vereinzelung dieser Kräfte ein gewaltsamer Zustand, und das Ideal der Erholung ist die Wiederherstellung unseres Naturganzen nach einseitigen Spannungen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":119,"orig":"Das erſte Ideal wird alſo lediglich durch das Beduͤrfniß der ſinnlichen Natur, das zweyte wird durch die Selbſtſtaͤndigkeit der menſchlichen aufgegeben.","norm":"Das erste Ideal wird also lediglich durch das Bedürfnis der sinnlichen Natur, das zweite wird durch die Selbstständigkeit der menschlichen aufgegeben."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":120,"orig":"Welche von dieſen beyden Arten der Erhohlung die Dichtkunſt gewaͤhren duͤrfe und muͤſſe, moͤchte in der Theorie wohl keine Frage ſeyn; denn niemand wird gerne das Anſehen haben wollen, als ob er das Ideal der Menſchheit dem Ideale der Thierheit nachzuſetzen verſucht ſeyn koͤnne.","norm":"Welche von diesen beiden Arten der Erholung die Dichtkunst gewähren dürfe und müsse, möchte in der Theorie wohl keine Frage sein; denn niemand wird gerne das Ansehen haben wollen, als ob er das Ideal der Menschheit dem Ideale der Tierheit nachzusetzen versucht sein könne."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":121,"orig":"Nichts deſtoweniger ſind die Foderungen, welche man im wirklichen Leben an poetiſche Werke zu machen pflegt, vorzugsweiſe von dem ſinnlichen Ideal hergenommen, und in den meiſten Faͤllen wird nach dieſem — zwar nicht die Achtung beſtimmt, die man dieſen Werken erweißt, aber doch die Neigung entſchieden und der Liebling gewaͤhlt.","norm":"Nichtsdestoweniger sind die Forderungen, welche man im wirklichen Leben an poetische Werke zu machen pflegt, vorzugsweise von dem sinnlichen Ideal hergenommen, und in den meisten Fällen wird nach diesem — zwar nicht die Achtung bestimmt, die man diesen Werken erweist, aber doch die Neigung entschieden und der Liebling gewählt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":122,"orig":"Der Geiſteszuſtand der mehreſten Menſchen iſt auf Einer Seite anſpannende und erſchoͤpfende Arbeit, auf der andern erſchlaffender Genuß.","norm":"Der Geisteszustand der meisten Menschen ist auf Einer Seite anspannende und erschöpfende Arbeit, auf der anderen erschlaffender Genuss."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":123,"orig":"Jene aber, wiſſen wir, macht das ſinnliche Beduͤrfniß nach Geiſtes Ruhe und nach einem Stillſtand des Wirkens ungleich dringender als das moraliſche Beduͤrfniß nach Harmonie und nach einer abſoluten Freyheit des Wirkens, weil vor allen Dingen erſt die Natur befriediget ſeyn muß, ehe der Geiſt eine Foderung machen kann; dieſer bindet und laͤhmt die moraliſchen Triebe ſelbſt, welche jene Foderung aufwerfen mußten.","norm":"Jene aber, wissen wir, macht das sinnliche Bedürfnis nach Geistesruhe und nach einem Stillstand des Wirkens ungleich dringender als das moralische Bedürfnis nach Harmonie und nach einer absoluten Freiheit des Wirkens, weil vor allen Dingen erst die Natur befriedigt sein muss, ehe der Geist eine Forderung machen kann; dieser bindet und lähmt die moralischen Triebe selbst, welche jene Forderung aufwerfen mussten."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":124,"orig":"Nichts iſt daher der Empfaͤnglichkeit fuͤr das wahre Schoͤne nachtheiliger als dieſe beyden nur allzugewoͤhnlichen Gemuͤthsſtimmungen unter den Menſchen, und es erklaͤrt ſich daraus, warum ſo gar wenige, ſelbſt von den Beßern ja den Beßten, in aeſthetiſchen Dingen ein Urtheil haben.","norm":"Nichts ist daher der Empfänglichkeit für das wahre Schöne nachteiliger als diese beiden nur allzu gewöhnlichen Gemütsstimmungen unter den Menschen, und es erklärt sich daraus, warum so gar wenige, selbst von den Besseren ja den Besten, in ästhetischen Dingen ein Urteil haben."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":125,"orig":"Die Schoͤnheit iſt das Produkt der Zuſammenſtimmung zwiſchen dem Geiſt und den Sinnen, es ſpricht zu allen Vermoͤgen des Menſchen zugleich, und kann daher nur unter der Vorausſetzung eines vollſtaͤndigen und freyen Gebrauchs aller ſeiner Kraͤfte empfunden und gewuͤrdiget werden.","norm":"Die Schönheit ist das Produkt der Zusammenstimmung zwischen dem Geist und den Sinnen, es spricht zu allen Vermögen des Menschen zugleich, und kann daher nur unter der Voraussetzung eines vollständigen und freien Gebrauchs aller seiner Kräfte empfunden und gewürdigt werden."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":126,"orig":"Einen offenen Sinn, ein erweitertes Herz, einen friſchen und ungeſchwaͤchten Geiſt muß man dazu mitbringen, ſeine ganze Natur muß man beyſammen haben; welches keineswegs der Fall derjenigen iſt, die durch abſtraktes Denken in ſich ſelbſt getheilt, durch kleinliche Geſchaͤftsformeln eingeenget, durch anſtrengendes Aufmerken ermattet ſind.","norm":"Einen offenen Sinn, ein erweitertes Herz, einen frischen und ungeschwächten Geist muss man dazu mitbringen, seine ganze Natur muss man beisammen haben; welches keineswegs der Fall derjenigen ist, die durch abstraktes Denken in sich selbst geteilt, durch kleinliche Geschäftsformeln eingeengt, durch anstrengendes Aufmerken ermattet sind."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":127,"orig":"Dieſe verlangen zwar nach einem ſinnlichen Stoff, aber nicht um das Spiel der Denkkraͤfte daran fortzuſetzen, ſondern um es einzuſtellen.","norm":"Diese verlangen zwar nach einem sinnlichen Stoff, aber nicht um das Spiel der Denkkräfte daran fortzusetzen, sondern um es einzustellen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":128,"orig":"Sie wollen frey ſeyn, aber nur von einer Laſt, die ihre Traͤgheit ermuͤdete, nicht von einer Schranke, die ihre Thaͤtigkeit hemmte.","norm":"Sie wollen frei sein, aber nur von einer Last, die ihre Trägheit ermüdete, nicht von einer Schranke, die ihre Tätigkeit hemmte."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":129,"orig":"Darf man ſich alſo noch uͤber das Gluͤk der Mittelmaͤßigkeit und Leerheit in aeſthetiſchen Dingen, und uͤber die Rache der ſchwachen Geiſter an dem wahren und energiſchen Schoͤnen verwundern?","norm":"Darf man sich also noch über das Glück der Mittelmäßigkeit und Leerheit in ästhetischen Dingen, und über die Rache der schwachen Geister an dem wahren und energischen Schönen verwundern?"} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":130,"orig":"Auf Erhohlung rechneten ſie bey dieſem, aber auf eine Erhohlung nach ihrem Beduͤrfniß und nach ihrem armen Begriff, und mit Verdruß entdecken ſie, daß ihnen jetzt erſt eine Kraftaͤuſerung zugemuthet wird, zu der ihnen auch in ihrem beßten Moment das Vermoͤgen fehlen moͤchte.","norm":"Auf Erholung rechneten sie bei diesem, aber auf eine Erholung nach ihrem Bedürfnis und nach ihrem armen Begriff, und mit Verdruss entdecken sie, dass ihnen jetzt erst eine Kraftäußerung zugemutet wird, zu der ihnen auch in ihrem besten Moment das Vermögen fehlen möchte."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":131,"orig":"Dort hingegen ſind ſie willkommen, wie ſie ſind, denn ſo wenig Kraft ſie auch mitbringen, ſo brauchen ſie doch noch viel weniger, um den Geiſt ihres Schriftſtellers auszuſchoͤpfen.","norm":"Dort hingegen sind sie willkommen, wie sie sind, denn so wenig Kraft sie auch mitbringen, so brauchen sie doch noch viel weniger, um den Geist ihres Schriftstellers auszuschöpfen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":132,"orig":"Der Laſt des Denkens ſind ſie hier auf einmal entledigt, und die losgeſpannte Natur darf ſich im ſeligen Genuß des Nichts, auf dem weichen Polſter der Platituͤde pflegen.","norm":"Der Last des Denkens sind sie hier auf einmal entledigt, und die losgespannte Natur darf sich im seligen Genuss des Nichts, auf dem weichen Polster der Plattitüde pflegen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":133,"orig":"In dem Tempel Thaliens und Melpomenens, ſo wie er bey uns beſtellt iſt, thront die geliebte Goͤttinn, empfaͤngt in ihrem weiten Schooß den ſtumpfſinnigen Gelehrten und den erſchoͤpften Geſchaͤftsmann, und wiegt den Geiſt in einen magnetiſchen Schlaf, indem ſie die erſtarrten Sinne erwaͤrmt, und die Einbildungskraft in einer ſuͤßen Bewegung ſchaukelt.","norm":"In dem Tempel Thaliens und Melpomenes, so wie er bei uns bestellt ist, thront die geliebte Göttin, empfängt in ihrem weiten Schoß den stumpfsinnigen Gelehrten und den erschöpften Geschäftsmann, und wiegt den Geist in einen magnetischen Schlaf, indem sie die erstarrten Sinne erwärmt, und die Einbildungskraft in einer süßen Bewegung schaukelt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":134,"orig":"Und warum wollte man den gemeinen Koͤpfen nicht nachſehen, was ſelbſt den Beßten oft genug zu begegnen pflegt.","norm":"Und warum wollte man den gemeinen Köpfen nicht nachsehen, was selbst den Besten oft genug zu begegnen pflegt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":135,"orig":"Der Nachlaß, welchen die Natur nach jeder anhaltenden Spannung fodert und ſich auch ungefodert nimmt, (und nur fuͤr ſolche Momente pflegt man den Genuß ſchoͤner Werke aufzuſparen) iſt der aeſthetiſchen Urtheilskraft ſo wenig guͤnſtig, daß unter den eigentlich beſchaͤftigten Klaſſen nur aͤuſerſt wenige ſeyn werden, die in Sachen des Geſchmacks mit Sicherheit und, worauf hier ſo viel ankommt, mit Gleichfoͤrmigkeit urtheilen koͤnnen.","norm":"Der Nachlass, welchen die Natur nach jeder anhaltenden Spannung fordert und sich auch ungefordert nimmt, (und nur für solche Momente pflegt man den Genuss schöner Werke aufzusparen) ist der ästhetischen Urteilskraft so wenig günstig, dass unter den eigentlich beschäftigten Klassen nur äußerst wenige sein werden, die in Sachen des Geschmacks mit Sicherheit und, worauf hier so viel ankommt, mit Gleichförmigkeit urteilen können."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":136,"orig":"Nichts iſt gewoͤhnlicher als daß ſich die Gelehrten, den gebildeten Weltleuten gegenuͤber, in Urtheilen uͤber die Schoͤnheit die laͤcherlichſten Bloͤßen geben, und daß beſonders die Kunſtrichter von Handwerk der Spott aller Kenner ſind.","norm":"Nichts ist gewöhnlicher als dass sich die Gelehrten, den gebildeten Weltleuten gegenüber, in Urteilen über die Schönheit die lächerlichsten Blößen geben, und dass besonders die Kunstrichter von Handwerk der Spott aller Kenner sind."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":137,"orig":"Ihr verwahrloßtes, bald uͤberſpanntes bald rohes Gefuͤhl leitet ſie in den mehreſten Faͤllen falſch, und wenn ſie auch zu Vertheidigung deſſelben in der Theorie etwas aufgegriffen haben, ſo koͤnnen ſie daraus nur techniſche (die Zweckmaͤßigkeit eines Werks betreffende) nicht aber aeſthetiſche Urtheile bilden, welche immer das Ganze umfaſſen muͤſſen, und bey denen alſo die Empfindung entſcheiden muß.","norm":"Ihr verwahrlostes, bald überspanntes bald rohes Gefühl leitet sie in den meisten Fällen falsch, und wenn sie auch zu Verteidigung desselben in der Theorie etwas aufgegriffen haben, so können sie daraus nur technische (die Zweckmäßigkeit eines Werks betreffende) nicht aber ästhetische Urteile bilden, welche immer das Ganze umfassen müssen, und bei denen also die Empfindung entscheiden muss."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":138,"orig":"Wenn ſie endlich nur gutwillig auf die letztern Verzicht leiſten und es bey den erſtern bewenden laſſen wollten, ſo moͤchten ſie immer noch Nutzen genug ſtiften, da der Dichter in ſeiner Begeiſterung und der empfindende Leſer im Moment des Genuſſes das Einzelne gar leicht vernachlaͤßigen.","norm":"Wenn sie endlich nur gutwillig auf die letzteren Verzicht leisten und es bei den ersteren bewenden lassen wollten, so möchten sie immer noch Nutzen genug stiften, da der Dichter in seiner Begeisterung und der empfindende Leser im Moment des Genusses das Einzelne gar leicht vernachlässigen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":139,"orig":"Ein deſto laͤcherlicheres Schauſpiel iſt es aber, wenn dieſe rohen Naturen, die es mit aller peinlichen Arbeit an ſich ſelbſt hoͤchſtens zu Ausbildung einer einzelnen Fertigkeit bringen, ihr duͤrftiges Individuum zum Repraͤſentanten des allgemeinen Gefuͤhls aufſtellen, und im Schweiß ihres Angeſichts — uͤber das Schoͤne richten.","norm":"Ein desto lächerlicheres Schauspiel ist es aber, wenn diese rohen Naturen, die es mit aller peinlichen Arbeit an sich selbst höchstens zu Ausbildung einer einzelnen Fertigkeit bringen, ihr dürftiges Individuum zum Repräsentanten des allgemeinen Gefühls aufstellen, und im Schweiß ihres Angesichts — über das Schöne richten."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":140,"orig":"Dem Begriff der Erhohlung, welche die Poeſie zu gewaͤhren habe, werden, wie wir geſehen, gewoͤhnlich viel zu enge Grenzen geſetzt, weil man ihn zu einſeitig auf das bloße Beduͤrfniß der Sinnlichkeit zu beziehen pflegt.","norm":"Dem Begriff der Erholung, welche die Poesie zu gewähren habe, werden, wie wir gesehen, gewöhnlich viel zu enge Grenzen gesetzt, weil man ihn zu einseitig auf das bloße Bedürfnis der Sinnlichkeit zu beziehen pflegt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":141,"orig":"Gerade umgekehrt wird dem Begriff der Veredlung, welche der Dichter beabſichten ſoll, gewoͤhnlich ein viel zu weiter Umfang gegeben, weil man ihn zu einſeitig nach der bloßen Idee beſtimmt.","norm":"Gerade umgekehrt wird dem Begriff der Veredlung, welche der Dichter beabsichtigen soll, gewöhnlich ein viel zu weiter Umfang gegeben, weil man ihn zu einseitig nach der bloßen Idee bestimmt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":142,"orig":"Der Idee nach geht nehmlich die Veredlung immer ins Unendliche, weil die Vernunft in ihren Foderungen ſich an die nothwendigen Schranken der Sinnenwelt nicht bindet, und nicht eher als bey dem abſolut Vollkommenen ſtille ſteht.","norm":"Der Idee nach geht nämlich die Veredlung immer ins Unendliche, weil die Vernunft in ihren Forderungen sich an die notwendigen Schranken der Sinnenwelt nicht bindet, und nicht eher als bei dem absolut Vollkommenen stillesteht."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":143,"orig":"Nichts, woruͤber ſich noch etwas hoͤheres denken laͤßt, kann ihr Genuͤge leiſten; vor ihrem ſtrengen Gerichte entſchuldigt kein Beduͤrfniß der endlichen Natur: ſie erkennt keine andern Grenzen an, als des Gedankens, und an dieſem wiſſen wir, daß er ſich uͤber alle Grenzen der Zeit und des Raumes ſchwingt.","norm":"Nichts, worüber sich noch etwas Höheres denken lässt, kann ihr Genüge leisten; vor ihrem strengen Gerichte entschuldigt kein Bedürfnis der endlichen Natur: Sie erkennt keine anderen Grenzen an, als des Gedankens, und an diesem wissen wir, dass er sich über alle Grenzen der Zeit und des Raumes schwingt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":144,"orig":"Ein ſolches Ideal der Veredlung, welches die Vernunft in ihrer reinen Geſetzgebung vorzeichnet darf ſich alſo der Dichter eben ſo wenig als jenes niedrige Ideal der Erhohlung, welches die Sinnlichkeit aufſtellt, zum Zwecke ſetzen, da er die Menſchheit zwar von allen zufaͤlligen Schranken befreyen ſoll, aber ohne ihren Begriff aufzuheben und ihre nothwendigen Grenzen zu verruͤcken.","norm":"Ein solches Ideal der Veredlung, welches die Vernunft in ihrer reinen Gesetzgebung vorzeichnet darf sich also der Dichter ebensowenig als jenes niedrige Ideal der Erholung, welches die Sinnlichkeit aufstellt, zum Zwecke setzen, da er die Menschheit zwar von allen zufälligen Schranken befreien soll, aber ohne ihren Begriff aufzuheben und ihre notwendigen Grenzen zu verrücken."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":145,"orig":"Was er uͤber dieſe Linien hinaus ſich erlaubt, iſt Ueberſpannung, und zu dieſer eben wird er nur allzuleicht durch einen falſch verſtandenen Begriff von Veredlung verleitet.","norm":"Was er über diese Linien hinaus sich erlaubt, ist Überspannung, und zu dieser eben wird er nur allzu leicht durch einen falsch verstandenen Begriff von Veredlung verleitet."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":146,"orig":"Aber das ſchlimme iſt, daß er ſich ſelbſt zu dem wahren Ideal menſchlicher Veredlung nicht wohl erheben kann, ohne noch einige Schritte uͤber daſſelbe hinaus zu gerathen.","norm":"Aber das Schlimme ist, dass er sich selbst zu dem wahren Ideal menschlicher Veredlung nicht wohl erheben kann, ohne noch einige Schritte über dasselbe hinaus zu geraten."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":147,"orig":"Um nehmlich dahin zu gelangen, muß er die Wirklichkeit verlaſſen, denn er kann es, wie jedes Ideal, nur aus innern und moraliſchen Quellen ſchoͤpfen.","norm":"Um nämlich dahin zu gelangen, muss er die Wirklichkeit verlassen, denn er kann es, wie jedes Ideal, nur aus inneren und moralischen Quellen schöpfen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":148,"orig":"Nicht in der Welt die ihn umgiebt und im Geraͤuſch des handelnden Lebens, in ſeinem Herzen nur trift er es an, und nur in der Stille einſamer Betrachtung findet er ſein Herz.","norm":"Nicht in der Welt die ihn umgibt und im Geräusch des handelnden Lebens, in seinem Herzen nur trifft er es an, und nur in der Stille einsamer Betrachtung findet er sein Herz."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":149,"orig":"Aber dieſe Abgezogenheit vom Leben wird nicht immer bloß die zufaͤlligen — ſie wird oͤfters auch die nothwendigen und unuͤberwindlichen Schranken der Menſchheit aus ſeinen Augen ruͤcken, und indem er die reine Form ſucht, wird er in Gefahr ſeyn, allen Gehalt zu verlieren.","norm":"Aber diese Abgezogenheit vom Leben wird nicht immer bloß die zufälligen — sie wird öfters auch die notwendigen und unüberwindlichen Schranken der Menschheit aus seinen Augen rücken, und indem er die reine Form sucht, wird er in Gefahr sein, allen Gehalt zu verlieren."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":150,"orig":"Die Vernunft wird ihr Geſchaͤft viel zu abgeſondert von der Erfahrung treiben, und was der contemplative Geiſt auf dem ruhigen Wege des Denkens aufgefunden, wird der handelnde Menſch auf dem drangvollen Wege des Lebens nicht in Erfuͤllung bringen koͤnnen.","norm":"Die Vernunft wird ihr Geschäft viel zu abgesondert von der Erfahrung treiben, und was der kontemplative Geist auf dem ruhigen Wege des Denkens aufgefunden, wird der handelnde Mensch auf dem drangvollen Wege des Lebens nicht in Erfüllung bringen können."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":151,"orig":"So bringt gewoͤhnlich eben das den Schwaͤrmer hervor, was allein im Stande war, den Weiſen zu bilden, und der Vorzug des letztern moͤchte wohl weniger darinn beſtehen, daß er das erſte nicht geworden, als darinn, daß er es nicht geblieben iſt.","norm":"So bringt gewöhnlich eben das den Schwärmer hervor, was allein imstande war, den Weisen zu bilden, und der Vorzug des letzteren möchte wohl weniger darin bestehen, dass er das erste nicht geworden, als darin, dass er es nicht geblieben ist."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":152,"orig":"Da es alſo weder dem arbeitenden Theile der Menſchen uͤberlaſſen werden darf, den Begriff der Erhohlung nach ſeinem Beduͤrfniß, noch dem contemplativen Theile, den Begriff der Veredlung nach ſeinen Speculationen zu beſtimmen, wenn jener Begriff nicht zu phyſiſch und der Poeſie zu unwuͤrdig, dieſer nicht zu hyperphyſiſch und der Poeſie zu uͤberſchwenglich ausfallen ſoll — dieſe beyden Begriffe aber, wie die Erfahrung lehrt, das allgemeine Urtheil uͤber Poeſie und poetiſche Werke regieren, ſo muͤſſen wir uns, um ſie auslegen zu laſſen, nach einer Klaſſe von Menſchen umſehen, welche ohne zu arbeiten thaͤtig iſt, und idealiſiren kann, ohne zu ſchwaͤrmen; welche alle Realitaͤten des Lebens mit den wenigſtmoͤglichen Schranken deſſelben in ſich vereiniget, und vom Strome der Begebenheiten getragen wird, ohne der Raub deſſelben zu werden.","norm":"Da es also weder dem arbeitenden Teile der Menschen überlassen werden darf, den Begriff der Erholung nach seinem Bedürfnis, noch dem kontemplativen Teile, den Begriff der Veredlung nach seinen Spekulationen zu bestimmen, wenn jener Begriff nicht zu physisch und der Poesie zu unwürdig, dieser nicht zu hyperphysisch und der Poesie zu überschwänglich ausfallen soll — diese beiden Begriffe aber, wie die Erfahrung lehrt, das allgemeine Urteil über Poesie und poetische Werke regieren, so müssen wir uns, um sie auslegen zu lassen, nach einer Klasse von Menschen umsehen, welche ohne zu arbeiten tätig ist, und idealisieren kann, ohne zu schwärmen; welche alle Realitäten des Lebens mit den wenigstmöglichen Schranken desselben in sich vereiniget, und vom Strome der Begebenheiten getragen wird, ohne der Raub desselben zu werden."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":153,"orig":"Nur eine ſolche Klaſſe kann das ſchoͤne Ganze menſchlicher Natur, welches durch jede Arbeit augenblicklich, und durch ein arbeitendes Leben anhaltend zerſtoͤrt wird, aufbewahren, und in allem was rein menſchlich iſt durch ihre Gefuͤhle dem allgemeinen Urtheil Geſetze geben.","norm":"Nur eine solche Klasse kann das schöne Ganze menschlicher Natur, welches durch jede Arbeit augenblicklich, und durch ein arbeitendes Leben anhaltend zerstört wird, aufbewahren, und in allem was rein menschlich ist durch ihre Gefühle dem allgemeinen Urteil Gesetze geben."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":154,"orig":"Ob eine ſolche Klaſſe wirklich exiſtiere, oder vielmehr ob diejenige, welche unter aͤhnlichen aͤuſern Verhaͤltniſſen wirklich exiſtiert, dieſem Begriffe auch im innern entſpreche, iſt eine andre Frage, mit der ich hier nichts zu ſchaffen habe.","norm":"Ob eine solche Klasse wirklich existiere, oder vielmehr ob diejenige, welche unter ähnlichen äußeren Verhältnissen wirklich existiert, diesem Begriffe auch im Inneren entspreche, ist eine andere Frage, mit der ich hier nichts zu schaffen habe."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":155,"orig":"Entſpricht ſie demſelben nicht, ſo hat ſie bloß ſich ſelbſt anzuklagen, da die entgegengeſetzte arbeitende Klaſſe wenigſtens die Genugthuung hat, ſich als ein Opfer ihres Berufs zu betrachten.","norm":"Entspricht sie demselben nicht, so hat sie bloß sich selbst anzuklagen, da die entgegengesetzte arbeitende Klasse wenigstens die Genugtuung hat, sich als ein Opfer ihres Berufs zu betrachten."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":156,"orig":"In einer ſolchen Volksklaſſe (die ich aber hier bloß als Idee aufſtelle, und keineswegs als ein Faktum bezeichnet haben will) wuͤrde ſich der naive Charakter mit dem ſentimentaliſchen alſo vereinigen, daß jeder den andern vor ſeinem Extreme bewahrte, und indem der erſte das Gemuͤth vor Ueberſpannung ſchuͤtzte, der andere es vor Erſchlaffung ſicher ſtellte.","norm":"In einer solchen Volksklasse (die ich aber hier bloß als Idee aufstelle, und keineswegs als ein Faktum bezeichnet haben will) würde sich der naive Charakter mit dem sentimentalischen also vereinigen, dass jeder den anderen vor seinem Extreme bewahrte, und indem der erste das Gemüt vor Überspannung schützte, der andere es vor Erschlaffung sicherstellte."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":157,"orig":"Denn endlich muͤſſen wir es doch geſtehen, daß weder der naive noch der ſentimentaliſche Charakter fuͤr ſich allein betrachtet, das Ideal ſchoͤner Menſchlichkeit ganz erſchoͤpfen, das nur aus der innigen Verbindung beyder hervorgehen kann.","norm":"Denn endlich müssen wir es doch gestehen, dass weder der naive noch der sentimentalische Charakter für sich allein betrachtet, das Ideal schöner Menschlichkeit ganz erschöpfen, das nur aus der innigen Verbindung beider hervorgehen kann."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":158,"orig":"Zwar ſolange man beyde Charaktere biß zum dichteriſchen exaltiert, wie wir ſie auch bißher betrachtet haben, verliert ſich vieles von den ihnen adhaͤrierenden Schranken und auch ihr Gegenſatz wird immer weniger merklich, in einem je hoͤhern Grad ſie poetiſch werden; denn die poetiſche Stimmung iſt ein ſelbſtſtaͤndiges Ganze, in welchem alle Unterſchiede und alle Maͤngel verſchwinden.","norm":"Zwar so lange man beide Charaktere bis zum dichterischen exaltiert, wie wir sie auch bisher betrachtet haben, verliert sich vieles von den ihnen adhärierenden Schranken und auch ihr Gegensatz wird immer weniger merklich, in einem je höheren Grad sie poetisch werden; denn die poetische Stimmung ist ein selbstständiges Ganze, in welchem alle Unterschiede und alle Mängel verschwinden."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":159,"orig":"Aber eben darum, weil es nur der Begriff des poetiſchen iſt, in welchem beyde Empfindungsarten zuſammentreffen koͤnnen, ſo wird ihre gegenſeitige Verſchiedenheit und Beduͤrftigkeit in demſelben Grade merklicher, als ſie den poetiſchen Charakter ablegen; und dieß iſt der Fall im gemeinen Leben.","norm":"Aber eben darum, weil es nur der Begriff des Poetischen ist, in welchem beide Empfindungsarten zusammentreffen können, so wird ihre gegenseitige Verschiedenheit und Bedürftigkeit in demselben Grade merklicher, als sie den poetischen Charakter ablegen; und dies ist der Fall im gemeinen Leben."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":160,"orig":"Je tiefer ſie zu dieſem herabſteigen, deſto mehr verlieren ſie von ihrem generiſchen Charakter der ſie einander naͤher bringt, biß zuletzt in ihren Karrikaturen nur der Artcharakter uͤbrig bleibt, der ſie einander entgegen ſetzt.","norm":"Je tiefer sie zu diesem herabsteigen, desto mehr verlieren sie von ihrem generischen Charakter der sie einander näherbringt, bis zuletzt in ihren Karikaturen nur der Artcharakter übrigbleibt, der sie einander entgegensetzt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":161,"orig":"Dieſes fuͤhrt mich auf einen ſehr merkwuͤrdigen pſychologiſchen Antagonism unter den Menſchen in einem ſich kultivierenden Jahrhundert: einen Antagonism, der, weil er radikal und in der innern Gemuͤthsform gegruͤndet iſt, eine ſchlimmere Trennung unter den Menſchen anrichtet, als der zufaͤllige Streit der Intereſſen je hervorbringen koͤnnte; der dem Kuͤnſtler und Dichter alle Hofnung benimmt, allgemein zu gefallen und zu ruͤhren, was doch ſeine Aufgabe iſt, der es dem Philoſophen auch wenn er alles gethan hat, unmoͤglich macht, allgemein zu uͤberzeugen, was doch der Begriff einer Philoſophie mit ſich bringt, der es endlich dem Menſchen im praktiſchen Leben niemals vergoͤnnen wird, ſeine Handlungsweiſe allgemein gebilliget zu ſehen: kurz einen Gegenſatz, welcher Schuld iſt, daß kein Werk des Geiſtes und keine Handlung des Herzens bey Einer Klaſſe ein entſcheidendes Gluͤck machen kann, ohne eben dadurch bey der andern ſich einen Verdammungsſpruch zuzuziehen.","norm":"Dieses führt mich auf einen sehr merkwürdigen psychologischen Antagonism unter den Menschen in einem sich kultivierenden Jahrhundert: einen Antagonism, der, weil er radikal und in der inneren Gemütsform gegründet ist, eine schlimmere Trennung unter den Menschen anrichtet, als der zufällige Streit der Interessen je hervorbringen könnte; der dem Künstler und Dichter alle Hoffnung benimmt, allgemein zu gefallen und zu rühren, was doch seine Aufgabe ist, der es dem Philosophen auch wenn er alles getan hat, unmöglich macht, allgemein zu überzeugen, was doch der Begriff einer Philosophie mit sich bringt, der es endlich dem Menschen im praktischen Leben niemals vergönnen wird, seine Handlungsweise allgemein gebilligt zu sehen: kurz einen Gegensatz, welcher Schuld ist, dass kein Werk des Geistes und keine Handlung des Herzens bei Einer Klasse ein entscheidendes Glück machen kann, ohne eben dadurch bei der anderen sich einen Verdammungsspruch zuzuziehen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":162,"orig":"Dieſer Gegenſatz iſt ohne Zweifel ſo alt, als der Anfang der Kultur und duͤrfte vor dem Ende derſelben ſchwerlich anders als in einzelnen ſeltenen Subjekten, deren es hoffentlich immer gab und immer geben wird, beygelegt werden; aber obgleich zu ſeinen Wirkungen auch dieſe gehoͤrt, daß er jeden Verſuch zu ſeiner Beylegung vereitelt, weil kein Theil dahin zu bringen iſt, einen Mangel auf ſeiner Seite und eine Realitaͤt auf der andern einzugeſtehen, ſo iſt es doch immer Gewinn genug, eine ſo wichtige Trennung bis zu ihrer letzten Quelle zu verfolgen, und dadurch den eigentlichen Punkt des Streits wenigſtens auf eine einfachere Formel zu bringen.","norm":"Dieser Gegensatz ist ohne Zweifel so alt, als der Anfang der Kultur und dürfte vor dem Ende derselben schwerlich anders als in einzelnen seltenen Subjekten, deren es hoffentlich immer gab und immer geben wird, beigelegt werden; aber obgleich zu seinen Wirkungen auch diese gehört, dass er jeden Versuch zu seiner Beilegung vereitelt, weil kein Teil dahin zu bringen ist, einen Mangel auf seiner Seite und eine Realität auf der anderen einzugestehen, so ist es doch immer Gewinn genug, eine so wichtige Trennung bis zu ihrer letzten Quelle zu verfolgen, und dadurch den eigentlichen Punkt des Streits wenigstens auf eine einfachere Formel zu bringen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":163,"orig":"Man gelangt am beßten zu dem wahren Begriff dieſes Gegenſatzes, wenn man, wie ich eben bemerkte, ſowohl von dem naiven als von dem ſentimentaliſchen Charakter abſondert, was beyde poetiſches haben.","norm":"Man gelangt am besten zu dem wahren Begriff dieses Gegensatzes, wenn man, wie ich eben bemerkte, sowohl von dem naiven als von dem sentimentalischen Charakter absondert, was beide Poetisches haben."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":164,"orig":"Es bleibt alsdann von dem erſtern nichts uͤbrig, als, in Ruͤckſicht auf das theoretiſche, ein nuͤchterner Beobachtungsgeiſt und eine feſte Anhaͤnglichkeit an das gleichfoͤrmige Zeugniß der Sinne; in Ruͤckſicht auf das praktiſche eine reſignirte Unterwerfung unter die Nothwendigkeit (nicht aber unter die blinde Noͤthigung) der Natur: eine Ergebung alſo in das, was iſt und was ſeyn muß.","norm":"Es bleibt alsdann von dem ersteren nichts übrig, als, in Rücksicht auf das Theoretische, ein nüchterner Beobachtungsgeist und eine feste Anhänglichkeit an das gleichförmige Zeugnis der Sinne; in Rücksicht auf das Praktische eine resignierte Unterwerfung unter die Notwendigkeit (nicht aber unter die blinde Nötigung) der Natur: eine Ergebung also in das, was ist und was sein muss."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":165,"orig":"Es bleibt von dem ſentimentaliſchen Charakter nichts uͤbrig, als (im theoretiſchen) ein unruhiger Speculationsgeiſt, der auf das Unbedingte in allen Erkenntniſſen dringt, im praktiſchen ein moraliſcher Rigorism, der auf dem Unbedingten in Willenshandlungen beſtehet.","norm":"Es bleibt von dem sentimentalischen Charakter nichts übrig, als (im Theoretischen) ein unruhiger Spekulationsgeist, der auf das Unbedingte in allen Erkenntnissen dringt, im Praktischen ein moralischer Rigorismus, der auf dem Unbedingten in Willenshandlungen bestehet."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":166,"orig":"Wer ſich zu der erſten Klaſſe zaͤhlt, kann ein Realiſt, und wer zur andern, ein Idealiſt genannt werden; bey welchen Namen man ſich aber weder an den guten noch ſchlimmen Sinn, den man in der Metaphyſik damit verbindet, erinnern darf.","norm":"Wer sich zu der ersten Klasse zählt, kann ein Realist, und wer zur anderen, ein Idealist genannt werden; bei welchen Namen man sich aber weder an den guten noch schlimmen Sinn, den man in der Metaphysik damit verbindet, erinnern darf."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":167,"orig":"Da der Realiſt durch die Nothwendigkeit der Natur ſich beſtimmen laͤßt, der Idealiſt durch die Nothwendigkeit der Vernunft ſich beſtimmt, ſo muß zwiſchen beyden daſſelbe Verhaͤltniß Statt finden, welches zwiſchen den Wirkungen der Natur und den Handlungen der Vernunft angetroffen wird.","norm":"Da der Realist durch die Notwendigkeit der Natur sich bestimmen lässt, der Idealist durch die Notwendigkeit der Vernunft sich bestimmt, so muss zwischen beiden dasselbe Verhältnis stattfinden, welches zwischen den Wirkungen der Natur und den Handlungen der Vernunft angetroffen wird."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":168,"orig":"Die Natur, wiſſen wir, obgleich eine unendliche Groͤße im Ganzen, zeigt ſich in jeder einzelnen Wirkung abhaͤngig und beduͤrftig; nur in dem All ihrer Erſcheinungen druͤckt ſie einen ſelbſtſtaͤndigen großen Charakter aus.","norm":"Die Natur, wissen wir, obgleich eine unendliche Größe im Ganzen, zeigt sich in jeder einzelnen Wirkung abhängig und bedürftig; nur in dem All ihrer Erscheinungen drückt sie einen selbstständigen großen Charakter aus."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":169,"orig":"Alles individuelle in ihr iſt nur deßwegen, weil etwas anderes iſt; nichts ſpringt aus ſich ſelbſt, alles nur aus dem vorhergehenden Moment hervor, um zu einem folgenden zu fuͤhren.","norm":"Alles Individuelle in ihr ist nur deswegen, weil etwas anderes ist; nichts springt aus sich selbst, alles nur aus dem vorhergehenden Moment hervor, um zu einem folgenden zu führen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":170,"orig":"Aber eben dieſe gegenſeitige Beziehung der Erſcheinungen auf einander ſichert einer jeden das Daſeyn durch das Daſeyn der andern, und von der Abhaͤngigkeit ihrer Wirkungen iſt die Staͤtigkeit und Nothwendigkeit derſelben unzertrennlich.","norm":"Aber eben diese gegenseitige Beziehung der Erscheinungen aufeinander sichert einer jeden das Dasein durch das Dasein der anderen, und von der Abhängigkeit ihrer Wirkungen ist die Stetigkeit und Notwendigkeit derselben unzertrennlich."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":171,"orig":"Nichts iſt frey in der Natur aber auch nichts iſt willkuͤhrlich in derſelben.","norm":"Nichts ist frei in der Natur aber auch nichts ist willkürlich in derselben."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":172,"orig":"Und gerade ſo zeigt ſich der Realiſt, ſowohl in ſeinem Wiſſen als in ſeinem Thun.","norm":"Und gerade so zeigt sich der Realist, sowohl in seinem Wissen als in seinem Tun."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":173,"orig":"Auf alles, was bedingungsweiſe exiſtiert, erſtreckt ſich der Kreis ſeines Wiſſens und Wirkens, aber nie bringt er es auch weiter als zu bedingten Erkenntniſſen, und die Regeln, die er ſich aus einzelnen Erfahrungen bildet, gelten in ihrer ganzen Strenge genommen, auch nur Einmal; erhebt er die Regel des Augenblicks zu einem allgemeinen Geſetz, ſo wird er ſich unausbleiblich in Irrthum ſtuͤrzen.","norm":"Auf alles, was bedingungsweise existiert, erstreckt sich der Kreis seines Wissens und Wirkens, aber nie bringt er es auch weiter als zu bedingten Erkenntnissen, und die Regeln, die er sich aus einzelnen Erfahrungen bildet, gelten in ihrer ganzen Strenge genommen, auch nur einmal; erhebt er die Regel des Augenblicks zu einem allgemeinen Gesetz, so wird er sich unausbleiblich in Irrtum stürzen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":174,"orig":"Will daher der Realiſt in ſeinem Wiſſen zu etwas unbedingten gelangen, ſo muß er es auf dem nehmlichen Wege verſuchen, auf dem die Natur ein unendliches wird, nehmlich auf dem Wege des Ganzen und in dem All der Erfahrung.","norm":"Will daher der Realist in seinem Wissen zu etwas Unbedingtem gelangen, so muss er es auf dem nämlichen Wege versuchen, auf dem die Natur ein Unendliches wird, nämlich auf dem Wege des Ganzen und in dem All der Erfahrung."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":175,"orig":"Da aber die Summe der Erfahrung nie voͤllig abgeſchloſſen wird, ſo iſt eine comparative Allgemeinheit das hoͤchſte, was der Realiſt in ſeinem Wiſſen erreicht.","norm":"Da aber die Summe der Erfahrung nie völlig abgeschlossen wird, so ist eine komparative Allgemeinheit das Höchste, was der Realist in seinem Wissen erreicht."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":176,"orig":"Auf die Wiederkehr aͤhnlicher Faͤlle baut er ſeine Einſicht, und wird daher richtig urtheilen in allem, was in der Ordnung iſt; in allem hingegen, was zum erſtenmal ſich darſtellt, kehrt ſeine Weißheit zu ihrem Anfang zuruͤck.","norm":"Auf die Wiederkehr ähnlicher Fälle baut er seine Einsicht, und wird daher richtig urteilen in allem, was in der Ordnung ist; in allem hingegen, was zum ersten Mal sich darstellt, kehrt seine Weisheit zu ihrem Anfang zurück."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":177,"orig":"Was von dem Wiſſen des Realiſten gilt, das gilt auch von ſeinem (moraliſchen) Handeln.","norm":"Was von dem Wissen des Realisten gilt, das gilt auch von seinem (moralischen) Handeln."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":178,"orig":"Sein Charakter hat Moralitaͤt, aber dieſe liegt, ihrem reinen Begriffe nach, in keiner einzelnen That, nur in der ganzen Summe ſeines Lebens.","norm":"Sein Charakter hat Moralität, aber diese liegt, ihrem reinen Begriffe nach, in keiner einzelnen Tat, nur in der ganzen Summe seines Lebens."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":179,"orig":"In jedem beſondern Fall wird er durch aͤuſre Urſachen und durch aͤuſre Zwecke beſtimmt werden; nur daß jene Urſachen nicht zufaͤllig, jene Zwecke nicht augenblicklich ſind, ſondern aus dem Naturganzen ſubjektiv fließen, und auf daſſelbe ſich objektiv beziehen.","norm":"In jedem besonderen Fall wird er durch äußere Ursachen und durch äußere Zwecke bestimmt werden; nur dass jene Ursachen nicht zufällig, jene Zwecke nicht augenblicklich sind, sondern aus dem Naturganzen subjektiv fließen, und auf dasselbe sich objektiv beziehen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":180,"orig":"Die Antriebe ſeines Willens ſind alſo zwar in rigoriſtiſchem Sinne weder frey genug, noch moraliſch lauter genug, weil ſie etwas anders als den bloſſen Willen zu ihrer Urſache und etwas anders als das bloſſe Geſetz zu ihrem Gegenſtand haben; aber es ſind eben ſo wenig blinde und materialiſtiſche Antriebe, weil dieſes andre das abſolute Ganze der Natur, folglich etwas ſelbſtſtaͤndiges und nothwendiges iſt.","norm":"Die Antriebe seines Willens sind also zwar in rigoristischem Sinne weder frei genug, noch moralisch lauter genug, weil sie etwas anders als den bloßen Willen zu ihrer Ursache und etwas anders als das bloße Gesetz zu ihrem Gegenstand haben; aber es sind ebensowenig blinde und materialistische Antriebe, weil dieses andere das absolute Ganze der Natur, folglich etwas Selbstständiges und Notwendiges ist."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":181,"orig":"So zeigt ſich der gemeine Menſchenverſtand, der vorzuͤgliche Antheil des Realiſten, durchgaͤngig im Denken und im Betragen.","norm":"So zeigt sich der gemeine Menschenverstand, der vorzügliche Anteil des Realisten, durchgängig im Denken und im Betragen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":182,"orig":"Aus dem einzelnen Falle ſchoͤpft er die Regel ſeines Urtheils, aus einer innern Empfindung die Regel ſeines Thuns; aber mit gluͤcklichem Inſtinkt weiß er von beyden alles Momentane und Zufaͤllige zu ſcheiden.","norm":"Aus dem einzelnen Falle schöpft er die Regel seines Urteils, aus einer inneren Empfindung die Regel seines Tuns; aber mit glücklichem Instinkt weiß er von beiden alles Momentane und Zufällige zu scheiden."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":183,"orig":"Bey dieſer Methode faͤhrt er im Ganzen vortreflich und wird ſchwerlich einen bedeutenden Fehler ſich vorzuwerfen haben; nur auf Groͤße und Wuͤrde moͤchte er in keinem beſondern Fall Anſpruch machen koͤnnen.","norm":"Bei dieser Methode fährt er im Ganzen vortrefflich und wird schwerlich einen bedeutenden Fehler sich vorzuwerfen haben; nur auf Größe und Würde möchte er in keinem besonderen Fall Anspruch machen können."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":184,"orig":"Dieſe iſt nur der Preiß der Selbſtſtaͤndigkeit und Freyheit, und davon ſehen wir in ſeinen einzelnen Handlungen zu wenige Spuren.","norm":"Diese ist nur der Preis der Selbstständigkeit und Freiheit, und davon sehen wir in seinen einzelnen Handlungen zu wenige Spuren."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":185,"orig":"Ganz anders verhaͤlt es ſich mit dem Idealiſten, der aus ſich ſelbſt und aus der bloſſen Vernunft ſeine Erkenntniſſe und Motive nimmt.","norm":"Ganz anders verhält es sich mit dem Idealisten, der aus sich selbst und aus der bloßen Vernunft seine Erkenntnisse und Motive nimmt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":186,"orig":"Wenn die Natur in ihren einzelnen Wirkungen immer abhaͤngig und beſchraͤnkt erſcheint, ſo legt die Vernunft den Charakter der Selbſtſtaͤndigkeit und Vollendung gleich in jede einzelne Handlung.","norm":"Wenn die Natur in ihren einzelnen Wirkungen immer abhängig und beschränkt erscheint, so legt die Vernunft den Charakter der Selbstständigkeit und Vollendung gleich in jede einzelne Handlung."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":187,"orig":"Aus ſich ſelbſt ſchoͤpft ſie alles, und auf ſich ſelbſt bezieht ſie alles.","norm":"Aus sich selbst schöpft sie alles, und auf sich selbst bezieht sie alles."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":188,"orig":"Was durch ſie geſchieht, geſchieht nur um ihrentwillen; eine abſolute Groͤße iſt jeder Begriff den ſie aufſtellt, und jeder Entſchluß den ſie beſtimmt.","norm":"Was durch sie geschieht, geschieht nur um ihretwillen; eine absolute Größe ist jeder Begriff den sie aufstellt, und jeder Entschluss den sie bestimmt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":189,"orig":"Und eben ſo zeigt ſich auch der Idealiſt, ſoweit er dieſen Nahmen mit Recht fuͤhrt, in ſeinem Wiſſen, wie in ſeinem Thun.","norm":"Und ebenso zeigt sich auch der Idealist, soweit er diesen Namen mit Recht führt, in seinem Wissen, wie in seinem Tun."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":190,"orig":"Nicht mit Erkenntniſſen zufrieden, die bloß unter beſtimmten Vorausſetzungen guͤltig ſind, ſucht er biß zu Wahrheiten zu dringen, die nichts mehr vorausſetzen und die Vorausſetzung von allem andern ſind.","norm":"Nicht mit Erkenntnissen zufrieden, die bloß unter bestimmten Voraussetzungen gültig sind, sucht er bis zu Wahrheiten zu dringen, die nichts mehr voraussetzen und die Voraussetzung von allem anderen sind."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":191,"orig":"Ihn befriedigt nur die philoſophiſche Einſicht, welche alles bedingte Wiſſen auf ein unbedingtes zuruͤckfuͤhrt, und an dem Nothwendigen in dem menſchlichen Geiſt alle Erfahrung beveſtiget; die Dinge, denen der Realiſt ſein Denken unterwirft, muß Er Sich, ſeinem Denkvermoͤgen unterwerfen.","norm":"Ihn befriedigt nur die philosophische Einsicht, welche alles bedingte Wissen auf ein unbedingtes zurückführt, und an dem Notwendigen in dem menschlichen Geist alle Erfahrung befestiget; die Dinge, denen der Realist sein Denken unterwirft, muss er sich, seinem Denkvermögen unterwerfen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":192,"orig":"Und er verfaͤhrt hierinn mit voͤlliger Befugniß, denn wenn die Geſetze des menſchlichen Geiſtes nicht auch zugleich die Weltgeſetze waͤren, wenn die Vernunft endlich ſelbſt unter der Erfahrung ſtuͤnde, ſo wuͤrde auch keine Erfahrung moͤglich ſeyn.","norm":"Und er verfährt hierin mit völliger Befugnis, denn wenn die Gesetze des menschlichen Geistes nicht auch zugleich die Weltgesetze wären, wenn die Vernunft endlich selbst unter der Erfahrung stünde, so würde auch keine Erfahrung möglich sein."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":193,"orig":"Aber er kann es biß zu abſoluten Wahrheiten gebracht haben, und dennoch in ſeinen Kenntniſſen dadurch nicht viel gefoͤrdert ſeyn.","norm":"Aber er kann es bis zu absoluten Wahrheiten gebracht haben, und dennoch in seinen Kenntnissen dadurch nicht viel gefördert sein."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":194,"orig":"Denn alles freylich ſteht zuletzt unter nothwendigen und allgemeinen Geſetzen, aber nach zufaͤlligen und beſondern Regeln wird jedes einzelne regiert; und in der Natur iſt alles einzeln.","norm":"Denn alles freilich steht zuletzt unter notwendigen und allgemeinen Gesetzen, aber nach zufälligen und besonderen Regeln wird jedes Einzelne regiert; und in der Natur ist alles einzeln."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":195,"orig":"Er kann alſo mit ſeinem philoſophiſchen Wiſſen das Ganze beherrſchen, und fuͤr das Beſondre, fuͤr die Ausuͤbung, dadurch nichts gewonnen haben: ja, indem er uͤberal auf die oberſten Gruͤnde dringt, durch die alles moͤglich wird, kann er die naͤchſten Gruͤnde, durch die alles wirklich wird, leicht verſaͤumen; indem er uͤberal auf das Allgemeine ſein Augenmerk richtet, welches die verſchiedenſten Faͤlle einander gleich macht, kann er leicht das beſondre vernachlaͤßigen, wodurch ſie ſich von einander unterſcheiden.","norm":"Er kann also mit seinem philosophischen Wissen das Ganze beherrschen, und für das Besondere, für die Ausübung, dadurch nichts gewonnen haben: ja, indem er überall auf die obersten Gründe dringt, durch die alles möglich wird, kann er die nächsten Gründe, durch die alles wirklich wird, leicht versäumen; indem er überall auf das Allgemeine sein Augenmerk richtet, welches die verschiedensten Fälle einander gleichmacht, kann er leicht das besondere vernachlässigen, wodurch sie sich voneinander unterscheiden."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":196,"orig":"Er wird alſo ſehr viel mit ſeinem Wiſſen umfaſſen koͤnnen, und vielleicht eben deßwegen wenig faſſen, und oft an Einſicht verlieren, was er an Ueberſicht gewinnt.","norm":"Er wird also sehr viel mit seinem Wissen umfassen können, und vielleicht eben deswegen wenig fassen, und oft an Einsicht verlieren, was er an Übersicht gewinnt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":197,"orig":"Daher kommt es daß, wenn der ſpeculative Verſtand den gemeinen um ſeiner Beſchraͤnktheit willen verachtet, der gemeine Verſtand den ſpeculativen ſeiner Leerheit wegen verlacht; denn die Erkenntniſſe verlieren immer an beſtimmten Gehalt, was ſie an Umfang gewinnen.","norm":"Daher kommt es dass, wenn der spekulative Verstand den gemeinen um seiner Beschränktheit Willen verachtet, der gemeine Verstand den spekulativen seiner Leerheit wegen verlacht; denn die Erkenntnisse verlieren immer an bestimmtem Gehalt, was sie an Umfang gewinnen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":198,"orig":"In der moraliſchen Beurtheilung wird man bey dem Idealiſten eine reinere Moralitaͤt in einzelnen, aber weit weniger moraliſche Gleichfoͤrmigkeit im Ganzen, finden.","norm":"In der moralischen Beurteilung wird man bei dem Idealisten eine reinere Moralität im Einzelnen, aber weit weniger moralische Gleichförmigkeit im Ganzen, finden."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":199,"orig":"Da er nur in ſo fern Idealiſt heißt, als er aus reiner Vernunft ſeine Beſtimmungsgruͤnde nimmt, die Vernunft aber in jeder ihrer Aeuſerungen ſich abſolut beweißt, ſo tragen ſchon ſeine einzelnen Handlungen, ſobald ſie uͤberhaupt nur moraliſch ſind, den ganzen Charakter moraliſcher Selbſtſtaͤndigkeit und Freyheit, und giebt es uͤberhaupt nur im wirklichen Leben eine wahrhaft ſittliche That, die es auch vor einem rigoriſtiſchen Urtheil bliebe, ſo kann ſie nur von dem Idealiſten ausgeuͤbt werden.","norm":"Da er nur insofern Idealist heißt, als er aus reiner Vernunft seine Bestimmungsgründe nimmt, die Vernunft aber in jeder ihrer Äußerungen sich absolut beweist, so tragen schon seine einzelnen Handlungen, sobald sie überhaupt nur moralisch sind, den ganzen Charakter moralischer Selbstständigkeit und Freiheit, und gibt es überhaupt nur im wirklichen Leben eine wahrhaft sittliche Tat, die es auch vor einem rigoristischen Urteil bliebe, so kann sie nur von dem Idealisten ausgeübt werden."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":200,"orig":"Aber je reiner die Sittlichkeit ſeiner einzelnen Handlungen iſt, deſto zufaͤlliger iſt ſie auch; denn Staͤtigkeit und Nothwendigkeit iſt zwar der Charakter der Natur aber nicht der Freyheit.","norm":"Aber je reiner die Sittlichkeit seiner einzelnen Handlungen ist, desto zufälliger ist sie auch; denn Stetigkeit und Notwendigkeit ist zwar der Charakter der Natur aber nicht der Freiheit."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":201,"orig":"Nicht zwar, als ob der Idealism mit der Sittlichkeit je in Streit gerathen koͤnnte, welches ſich widerſpricht; ſondern weil die menſchliche Natur eines conſequenten Idealism gar nicht faͤhig iſt.","norm":"Nicht zwar, als ob der Idealism mit der Sittlichkeit je in Streit geraten könnte, welches sich widerspricht; sondern weil die menschliche Natur eines konsequenten Idealism gar nicht fähig ist."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":202,"orig":"Wenn ſich der Realiſt, auch in ſeinem moraliſchen Handeln, einer phyſiſchen Nothwendigkeit ruhig und gleichfoͤrmig unterordnet, ſo muß der Idealiſt einen Schwung nehmen, er muß augenblicklich ſeine Natur exaltieren, und er vermag nichts, als inſofern er begeiſtert iſt.","norm":"Wenn sich der Realist, auch in seinem moralischen Handeln, einer physischen Notwendigkeit ruhig und gleichförmig unterordnet, so muss der Idealist einen Schwung nehmen, er muss augenblicklich seine Natur exaltieren, und er vermag nichts, als insofern er begeistert ist."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":203,"orig":"Alsdann freylich vermag er auch deſto mehr, und ſein Betragen wird einen Charakter von Hoheit und Groͤße zeigen, den man in den Handlungen des Realiſten vergeblich ſucht.","norm":"Alsdann freilich vermag er auch desto mehr, und sein Betragen wird einen Charakter von Hoheit und Größe zeigen, den man in den Handlungen des Realisten vergeblich sucht."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":204,"orig":"Aber das wirkliche Leben iſt keineswegs geſchickt, jene Begeiſterung in ihm zu wecken und noch viel weniger ſie gleichfoͤrmig zu naͤhren.","norm":"Aber das wirkliche Leben ist keineswegs geschickt, jene Begeisterung in ihm zu wecken und noch viel weniger sie gleichförmig zu nähren."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":205,"orig":"Gegen das Abſolutgroße, von dem er jedesmal ausgeht, macht das Abſolutkleine des einzelnen Falles, auf den er es anzuwenden hat, einen gar zu ſtarken Abſatz.","norm":"Gegen das Absolutgroße, von dem er jedes Mal ausgeht, macht das Absolutkleine des einzelnen Falles, auf den er es anzuwenden hat, einen gar zu starken Absatz."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":206,"orig":"Weil ſein Wille der Form nach immer auf das Ganze gerichtet iſt, ſo will er ihn, der Materie nach, nicht auf Bruchſtuͤcke richten, und doch ſind es mehrentheils nur geringfuͤgige Leiſtungen, wodurch er ſeine moraliſche Geſinnung beweiſen kann.","norm":"Weil sein Wille der Form nach immer auf das Ganze gerichtet ist, so will er ihn, der Materie nach, nicht auf Bruchstücke richten, und doch sind es mehrenteils nur geringfügige Leistungen, wodurch er seine moralische Gesinnung beweisen kann."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":207,"orig":"So geſchieht es denn nicht ſelten, daß er uͤber dem unbegrenzten Ideale den begrenzten Fall der Anwendung uͤberſiehet, und von einem Maximum erfuͤllt, das Minimum verabſaͤumt, aus dem allein doch alles Große in der Wirklichkeit erwaͤchst.","norm":"So geschieht es denn nicht selten, dass er über dem unbegrenzten Ideale den begrenzten Fall der Anwendung übersieht, und von einem Maximum erfüllt, das Minimum verabsäumt, aus dem allein doch alles Große in der Wirklichkeit erwächst."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":208,"orig":"Will man alſo dem Realiſten Gerechtigkeit wiederfahren laſſen, ſo muß man ihn nach dem ganzen Zuſammenhang ſeines Lebens richten; will man ſie dem Idealiſten erweiſen, ſo muß man ſich an einzelne Aeuſſerungen deſſelben halten, aber man muß dieſe erſt herauswaͤhlen.","norm":"Will man also dem Realisten Gerechtigkeit widerfahren lassen, so muss man ihn nach dem ganzen Zusammenhang seines Lebens richten; will man sie dem Idealisten erweisen, so muss man sich an einzelne Äußerungen desselben halten, aber man muss diese erst herauswählen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":209,"orig":"Das gemeine Urtheil, welches ſo gern nach dem einzelnen entſcheidet, wird daher uͤber dem Realiſten gleichguͤltig ſchweigen, weil ſeine einzelnen Lebensakte gleich wenig Stoff zum Lob und zum Tadel geben; uͤber den Idealiſten hingegen wird es immer Parthey ergreifen, und zwiſchen Verwerfung und Bewunderung ſich theilen, weil in dem einzelnen ſein Mangel und ſeine Staͤrke liegt.","norm":"Das gemeine Urteil, welches so gern nach dem Einzelnen entscheidet, wird daher über den Realisten gleichgültig schweigen, weil seine einzelnen Lebensakte gleich wenig Stoff zum Lob und zum Tadel geben; über den Idealisten hingegen wird es immer Partei ergreifen, und zwischen Verwerfung und Bewunderung sich teilen, weil in dem Einzelnen sein Mangel und seine Stärke liegt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":210,"orig":"Es iſt nicht zu vermeiden, daß bey einer ſo großen Abweichung in den Principien beyde Partheyen in ihren Urtheilen einander nicht oft gerade entgegengeſetzt ſeyn, und, wenn ſie ſelbſt in den Objekten und Reſultaten uͤbereintraͤfen, nicht in den Gruͤnden auseinander ſeyn ſollten.","norm":"Es ist nicht zu vermeiden, dass bei einer so großen Abweichung in den Prinzipien beide Parteien in ihren Urteilen einander nicht oft gerade entgegengesetzt sein, und, wenn sie selbst in den Objekten und Resultaten übereinträfen, nicht in den Gründen auseinander sein sollten."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":211,"orig":"Der Realiſt wird fragen, wozu eine Sache gut ſey?","norm":"Der Realist wird fragen, wozu eine Sache gut sei?"} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":212,"orig":"und die Dinge nach dem, was ſie werth ſind, zu taxiren wiſſen: der Idealiſt wird fragen, ob ſie gut ſey?","norm":"und die Dinge nach dem, was sie wert sind, zu taxieren wissen: Der Idealist wird fragen, ob sie gut sei?"} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":213,"orig":"und die Dinge nach dem taxiren, was ſie wuͤrdig ſind.","norm":"und die Dinge nach dem Taxieren, was sie würdig sind."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":214,"orig":"Von dem was ſeinen Werth und Zweck in ſich ſelbſt hat (das Ganze jedoch immer ausgenommen) weiß und haͤlt der Realiſt nicht viel; in Sachen des Geſchmacks wird er dem Vergnuͤgen, in Sachen der Moral wird er der Gluͤckſeligkeit das Wort reden, wenn er dieſe gleich nicht zur Bedingung des ſittlichen Handelns macht; auch in ſeiner Religion vergißt er ſeinen Vortheil nicht gern, nur daß er denſelben in dem Ideale des hoͤchſten Guts veredelt und heiligt.","norm":"Von dem was seinen Wert und Zweck in sich selbst hat (das Ganze jedoch immer ausgenommen) weiß und hält der Realist nicht viel; in Sachen des Geschmacks wird er dem Vergnügen, in Sachen der Moral wird er der Glückseligkeit das Wort reden, wenn er diese gleich nicht zur Bedingung des sittlichen Handelns macht; auch in seiner Religion vergisst er seinen Vorteil nicht gern, nur dass er denselben in dem Ideale des höchsten Gutes veredelt und heiligt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":215,"orig":"Was er liebt wird er zu begluͤcken, der Idealiſt wird es zu veredeln ſuchen.","norm":"Was er liebt wird er zu beglücken, der Idealist wird es zu veredeln suchen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":216,"orig":"Wenn daher der Realiſt in ſeinen poetiſchen Tendenzen den Wohlſtand bezweckt, geſetzt daß es auch von der moraliſchen Selbſtſtaͤndigkeit des Volks etwas koſten ſollte, ſo wird der Idealiſt, ſelbſt auf Gefahr des Wohlſtandes, die Freyheit zu ſeinem Augenmerk machen.","norm":"Wenn daher der Realist in seinen poetischen Tendenzen den Wohlstand bezweckt, gesetzt dass es auch von der moralischen Selbstständigkeit des Volks etwas kosten sollte, so wird der Idealist, selbst auf Gefahr des Wohlstandes, die Freiheit zu seinem Augenmerk machen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":217,"orig":"Unabhaͤngigkeit des Zuſtandes iſt jenem, Unabhaͤngigkeit von dem Zuſtand iſt dieſem das hoͤchſte Ziel, und dieſer charakteriſtiſche Unterſchied laͤßt ſich durch ihr beyderſeitiges Denken und Handeln verfolgen.","norm":"Unabhängigkeit des Zustandes ist jenem, Unabhängigkeit von dem Zustand ist diesem das höchste Ziel, und dieser charakteristische Unterschied lässt sich durch ihr beiderseitiges Denken und Handeln verfolgen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":218,"orig":"Daher wird der Realiſt ſeine Zuneigung immer dadurch beweiſen, daß er giebt, der Idealiſt dadurch, daß er empfaͤngt; durch das, was er in ſeiner Großmuth aufopfert, verraͤth jeder, was er am hoͤchſten ſchaͤtzt.","norm":"Daher wird der Realist seine Zuneigung immer dadurch beweisen, dass er gibt, der Idealist dadurch, dass er empfängt; durch das, was er in seiner Großmut aufopfert, verrät jeder, was er am höchsten schätzt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":219,"orig":"Der Idealiſt wird die Maͤngel ſeines Syſtems mit ſeinem Individuum und ſeinem zeitlichen Zuſtand bezahlen, aber er achtet dieſes Opfer nicht; der Realiſt buͤßt die Maͤngel des ſeinigen mit ſeiner perſoͤnlichen Wuͤrde, aber er erfaͤhrt nichts von dieſem Opfer.","norm":"Der Idealist wird die Mängel seines Systems mit seinem Individuum und seinem zeitlichen Zustand bezahlen, aber er achtet dieses Opfer nicht; der Realist büßt die Mängel des seinigen mit seiner persönlichen Würde, aber er erfährt nichts von diesem Opfer."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":220,"orig":"Sein Syſtem bewaͤhrt ſich an allem, wovon er Kundſchaft hat, und wornach er ein Beduͤrfniß empfindet — was bekuͤmmern ihn Guͤter, von denen er keine Ahnung und an die er keinen Glauben hat?","norm":"Sein System bewährt sich an allem, wovon er Kundschaft hat, und wonach er ein Bedürfnis empfindet — was bekümmern ihn Güter, von denen er keine Ahnung und an die er keinen Glauben hat?"} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":221,"orig":"Genug fuͤr ihn, er iſt im Beſitze, die Erde iſt ſein, und es iſt Licht in ſeinem Verſtande, und Zufriedenheit wohnt in ſeiner Bruſt.","norm":"Genug für ihn, er ist im Besitze, die Erde ist sein, und es ist Licht in seinem Verstande, und Zufriedenheit wohnt in seiner Brust."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":222,"orig":"Der Idealiſt hat lange kein ſo gutes Schickſal.","norm":"Der Idealist hat lange kein so gutes Schicksal."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":223,"orig":"Nicht genug, daß er oft mit dem Gluͤcke zerfaͤllt, weil er verſaͤumte, den Moment zu ſeinem Freunde zu machen, er zerfaͤllt auch mit ſich ſelbſt, weder ſein Wiſſen, noch ſein Handeln kann ihm Genuͤge thun.","norm":"Nicht genug, dass er oft mit dem Glücke zerfällt, weil er versäumte, den Moment zu seinem Freunde zu machen, er zerfällt auch mit sich selbst, weder sein Wissen, noch sein Handeln kann ihm Genüge tun."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":224,"orig":"Was er von ſich fodert, iſt ein Unendliches, aber beſchraͤnkt iſt alles, was er leiſtet.","norm":"Was er von sich fordert, ist ein Unendliches, aber beschränkt ist alles, was er leistet."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":225,"orig":"Dieſe Strenge, die er gegen ſich ſelbſt beweißt, verlaͤugnet er auch nicht in ſeinem Betragen gegen andre.","norm":"Diese Strenge, die er gegen sich selbst beweist, verleugnet er auch nicht in seinem Betragen gegen andere."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":226,"orig":"Er iſt zwar großmuͤthig, weil er ſich Andern gegenuͤber, ſeines Individuums weniger erinnert, aber er iſt oͤfters unbillig, weil er das Individuum eben ſo leicht in andern uͤberſieht.","norm":"Er ist zwar großmütig, weil er sich Anderen gegenüber, seines Individuums weniger erinnert, aber er ist öfters unbillig, weil er das Individuum ebenso leicht in anderen übersieht."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":227,"orig":"Der Realiſt hingegen iſt weniger großmuͤthig, aber er iſt billiger, da er alle Dinge mehr in ihrer Begrenzung beurtheilt.","norm":"Der Realist hingegen ist weniger großmütig, aber er ist billiger, da er alle Dinge mehr in ihrer Begrenzung beurteilt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":228,"orig":"Das Gemeine, ja ſelbſt das Niedrige im Denken und Handeln kann er verzeyhen, nur das Willkuͤhrliche, das Eccentriſche nicht; der Idealiſt hingegen iſt ein geſchworner Feind alles Kleinlichen und Platten, und wird ſich ſelbſt mit dem Extravaganten und Ungeheuren verſoͤhnen, wenn es nur von einem großen Vermoͤgen zeugt.","norm":"Das Gemeine, ja selbst das Niedrige im Denken und Handeln kann er verzeihen, nur das Willkürliche, das Exzentrische nicht; der Idealist hingegen ist ein geschworener Feind alles Kleinlichen und Platten, und wird sich selbst mit dem Extravaganten und Ungeheuren versöhnen, wenn es nur von einem großen Vermögen zeugt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":229,"orig":"Jener beweißt ſich als Menſchenfreund, ohne eben einen ſehr hohen Begriff von den Menſchen und der Menſchheit zu haben; dieſer denkt von der Menſchheit ſo groß, daß er daruͤber in Gefahr kommt, die Menſchen zu verachten.","norm":"Jener beweist sich als Menschenfreund, ohne eben einen sehr hohen Begriff von den Menschen und der Menschheit zu haben; dieser denkt von der Menschheit so groß, dass er darüber in Gefahr kommt, die Menschen zu verachten."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":230,"orig":"Der Realiſt fuͤr ſich allein wuͤrde den Kreis der Menſchheit nie uͤber die Grenzen der Sinnenwelt hinaus erweitert, nie den menſchlichen Geiſt mit ſeiner ſelbſtſtaͤndigen Groͤße und Freyheit bekannt gemacht haben; alles Abſolute in der Menſchheit iſt ihm nur eine ſchoͤne Schimaͤre und der Glaube daran nicht viel beſſer als Schwaͤrmerey, weil er den Menſchen niemals in ſeinem reinen Vermoͤgen, immer nur in einem beſtimmten und, eben darum begrenzten Wirken erblickt.","norm":"Der Realist für sich allein würde den Kreis der Menschheit nie über die Grenzen der Sinnenwelt hinaus erweitert, nie den menschlichen Geist mit seiner selbstständigen Größe und Freiheit bekannt gemacht haben; alles Absolute in der Menschheit ist ihm nur eine schöne Schimäre und der Glaube daran nicht viel besser als Schwärmerei, weil er den Menschen niemals in seinem reinen Vermögen, immer nur in einem bestimmten und, eben darum begrenzten Wirken erblickt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":231,"orig":"Aber der Idealiſt fuͤr ſich allein wuͤrde eben ſo wenig die ſinnlichen Kraͤfte cultiviert und den Menſchen als Naturweſen ausgebildet haben, welches doch ein gleich weſentlicher Theil ſeiner Beſtimmung, und die Bedingung aller moraliſchen Beredlung iſt.","norm":"Aber der Idealist für sich allein würde ebensowenig die sinnlichen Kräfte kultiviert und den Menschen als Naturwesen ausgebildet haben, welches doch ein gleich wesentlicher Teil seiner Bestimmung, und die Bedingung aller moralischen Veredlung ist."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":232,"orig":"Das Streben des Idealiſten geht viel zu ſehr uͤber das ſinnliche Leben und uͤber die Gegenwart hinaus; fuͤr das Ganze nur, fuͤr die Ewigkeit will er ſaͤen und pflanzen; und vergißt daruͤber, daß das Ganze nur der vollendete Kreis des Individuellen, daß die Ewigkeit nur eine Summe von Augenblicken iſt.","norm":"Das Streben des Idealisten geht viel zu sehr über das sinnliche Leben und über die Gegenwart hinaus; für das Ganze nur, für die Ewigkeit will er säen und pflanzen; und vergisst darüber, dass das Ganze nur der vollendete Kreis des Individuellen, dass die Ewigkeit nur eine Summe von Augenblicken ist."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":233,"orig":"Die Welt wie der Realiſt ſie um ſich herum bilden moͤchte, und wirklich bildet, iſt ein wohlangelegter Garten, worinn alles nuͤtzt, alles ſeine Stelle verdient, und was nicht Fruͤchte traͤgt verbannt iſt; die Welt unter den Haͤnden des Idealiſten iſt eine weniger benutzte aber in einem groͤßeren Charakter ausgefuͤhrte Natur.","norm":"Die Welt wie der Realist sie um sich herum bilden möchte, und wirklich bildet, ist ein wohlangelegter Garten, worin alles nützt, alles seine Stelle verdient, und was nicht Früchte trägt verbannt ist; die Welt unter den Händen des Idealisten ist eine weniger benutzte aber in einem größeren Charakter ausgeführte Natur."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":234,"orig":"Jenem faͤllt es nicht ein, daß der Menſch noch zu etwas andern da ſeyn koͤnne, als wohl und zufrieden zu leben; und daß er nur deßwegen Wurzeln ſchlagen ſoll, um ſeinen Stamm in die Hoͤhe zu treiben.","norm":"Jenem fällt es nicht ein, dass der Mensch noch zu etwas anderen da sein könne, als wohl und zufrieden zu leben; und dass er nur deswegen Wurzeln schlagen soll, um seinen Stamm in die Höhe zu treiben."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":235,"orig":"Dieſer denkt nicht daran, daß er vor allen Dingen wohl leben muß, um gleichfoͤrmig gut und edel zu denken, und daß es auch um den Stamm gethan iſt, wenn die Wurzeln fehlen.","norm":"Dieser denkt nicht daran, dass er vor allen Dingen wohl leben muss, um gleichförmig gut und edel zu denken, und dass es auch um den Stamm getan ist, wenn die Wurzeln fehlen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":236,"orig":"Wenn in einem Syſtem etwas ausgelaſſen iſt, wornach doch ein dringendes und nicht zu umgehendes Beduͤrfniß in der Natur ſich vorfindet, ſo iſt die Natur nur durch eine Inconſequenz gegen das Syſtem zu befriedigen.","norm":"Wenn in einem System etwas ausgelassen ist, wonach doch ein dringendes und nicht zu umgehendes Bedürfnis in der Natur sich vorfindet, so ist die Natur nur durch eine Inkonsequenz gegen das System zu befriedigen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":237,"orig":"Einer ſolchen Inconſequenz machen auch hier beyde Theile ſich ſchuldig, und ſie beweißt, wenn es bis jetzt noch zweifelhaft geblieben ſeyn koͤnnte, zugleich die Einſeitigkeit beyder Syſteme und den reichen Gehalt der menſchlichen Natur.","norm":"Einer solchen Inkonsequenz machen auch hier beide Teile sich schuldig, und sie beweist, wenn es bis jetzt noch zweifelhaft geblieben sein könnte, zugleich die Einseitigkeit beider Systeme und den reichen Gehalt der menschlichen Natur."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":238,"orig":"Von dem Idealiſten brauch ich es nicht erſt insbeſondere darzuthuu, daß er nothwendig aus ſeinem Syſtem treten muß, ſobald er eine beſtimmte Wirkung bezweckt; denn alles beſtimmte Daſeyn ſteht unter zeitlichen Bedingungen und erfolgt nach empiriſchen Geſetzen.","norm":"Von dem Idealisten brauche ich es nicht erst insbesondere darzutun, dass er notwendig aus seinem System treten muss, sobald er eine bestimmte Wirkung bezweckt; denn alles bestimmte Dasein steht unter zeitlichen Bedingungen und erfolgt nach empirischen Gesetzen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":239,"orig":"In Ruͤckſicht auf den Realiſten hingegen koͤnnte es zweifelhafter ſcheinen, ob er nicht auch ſchon innerhalb ſeines Syſtems allen nothwendigen Foderungen der Menſchheit Genuͤge leiſten kann.","norm":"In Rücksicht auf den Realisten hingegen könnte es zweifelhafter scheinen, ob er nicht auch schon innerhalb seines Systems allen notwendigen Forderungen der Menschheit Genüge leisten kann."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":240,"orig":"Wenn man den Realiſten fragt: warum thuſt du was recht iſt und leideſt was nothwendig iſt?","norm":"Wenn man den Realisten fragt: warum tust du was recht ist und leidest was notwendig ist?"} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":241,"orig":"ſo wird er im Geiſt ſeines Syſtems darauf antworten: weil es die Natur ſo mit ſich bringt, weil es ſo ſeyn muß.","norm":"so wird er im Geist seines Systems darauf antworten: weil es die Natur so mit sich bringt, weil es so sein muss."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":242,"orig":"Aber damit iſt die Frage noch keineswegs beantwortet, denn es iſt nicht davon die Rede, was die Natur mit ſich bringt, ſondern was der Menſch will, denn er kann ja auch nicht wollen, was ſeyn muß.","norm":"Aber damit ist die Frage noch keineswegs beantwortet, denn es ist nicht davon die Rede, was die Natur mit sich bringt, sondern was der Mensch will, denn er kann ja auch nicht wollen, was sein muss."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":243,"orig":"Man wird ihn alſo wieder fragen koͤnnen: warum willſt du denn, was ſeyn muß?","norm":"Man wird ihn also wieder fragen können: Warum willst du denn, was sein muss?"} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":244,"orig":"Warum unterwirft ſich dein freyer Wille dieſer Naturnothwendigkeit, da er ſich ihr eben ſo gut, (wenn gleich ohne Erfolg, von dem hier auch gar nicht die Rede iſt) entgegenſetzen koͤnnte, und ſich in Millionen deiner Bruͤder derſelben wirklich entgegenſetzt?","norm":"Warum unterwirft sich dein freier Wille dieser Naturnotwendigkeit, da er sich ihr ebenso gut, (wenngleich ohne Erfolg, von dem hier auch gar nicht die Rede ist) entgegensetzen könnte, und sich in Millionen deiner Brüder derselben wirklich entgegensetzt?"} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":245,"orig":"Du kannſt nicht ſagen, weil alle andern Naturweſen ſich derſelben unterwerfen, denn du allein haſt einen Willen, ja du fuͤhlſt, daß deine Unterwerfung eine freywillige ſeyn ſoll.","norm":"Du kannst nicht sagen, weil alle anderen Naturwesen sich derselben unterwerfen, denn du allein hast einen Willen, ja du fühlst, dass deine Unterwerfung eine freiwillige sein soll."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":246,"orig":"Du unterwirfſt dich alſo, wenn es freywillig geſchieht, nicht der Naturnothwendigkeit ſelbſt, ſondern der Idee derſelben; denn jene zwingt dich bloß blind, wie ſie den Wurm zwingt, deinem Willen aber kann ſie nichts anhaben, da du, ſelbſt von ihr zermalmt, einen andern Willen haben kannſt.","norm":"Du unterwirfst dich also, wenn es freiwillig geschieht, nicht der Naturnotwendigkeit selbst, sondern der Idee derselben; denn jene zwingt dich bloß blind, wie sie den Wurm zwingt, deinem Willen aber kann sie nichts anhaben, da du, selbst von ihr zermalmt, einen anderen Willen haben kannst."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":247,"orig":"Woher bringſt du aber jene Idee der Naturnothwendigkeit; aus der Erfahrung doch wohl nicht, die dir nur einzelne Naturwirkungen aber keine Natur (als Ganzes) und nur einzelne Wirklichkeiten aber keine Nothwendigkeit liefert.","norm":"Woher bringst du aber jene Idee der Naturnotwendigkeit; aus der Erfahrung doch wohl nicht, die dir nur einzelne Naturwirkungen aber keine Natur (als Ganzes) und nur einzelne Wirklichkeiten aber keine Notwendigkeit liefert."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":248,"orig":"Du gehſt alſo uͤber die Natur hinaus, und beſtimmſt dich idealiſch, ſo oft du entweder moraliſch handeln oder nur nicht blind leiden willſt.","norm":"Du gehst also über die Natur hinaus, und bestimmst dich idealisch, sooft du entweder moralisch handeln oder nur nicht blind leiden willst."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":249,"orig":"Es iſt alſo offenbar, daß der Realiſt wuͤrdiger handelt, als er ſeiner Theorie nach zugiebt, ſo wie der Realiſt erhabener denkt, als er handelt.","norm":"Es ist also offenbar, dass der Realist würdiger handelt, als er seiner Theorie nach zugibt, so wie der Realist erhabener denkt, als er handelt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":250,"orig":"Ohne es ſich ſelbſt zu geſtehen, beweißt jener durch die ganze Haltung ſeines Lebens die Selbſtſtaͤndigkeit, dieſer durch einzelne Handlungen die Beduͤrftigkeit der menſchlichen Natur.","norm":"Ohne es sich selbst zu gestehen, beweist jener durch die ganze Haltung seines Lebens die Selbstständigkeit, dieser durch einzelne Handlungen die Bedürftigkeit der menschlichen Natur."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":251,"orig":"Einem aufmerkſamen und partheyloſen Leſer werde ich nach der hier gegebenen Schilderung (deren Wahrheit auch derjenige eingeſtehen kann, der das Reſultat nicht annimmt) nicht erſt zu beweiſen brauchen, daß das Ideal menſchlicher Natur unter beyde vertheilt; von keinem aber voͤllig erreicht iſt.","norm":"Einem aufmerksamen und parteilosen Leser werde ich nach der hier gegebenen Schilderung (deren Wahrheit auch derjenige eingestehen kann, der das Resultat nicht annimmt) nicht erst zu beweisen brauchen, dass das Ideal menschlicher Natur unter beide verteilt; von keinem aber völlig erreicht ist."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":252,"orig":"Erfahrung und Vernunft haben beyde ihre eigene Gerechtſame, und keine kann in das Gebiet der andern einen Eingriff thun, ohne entweder fuͤr den innern oder aͤuſſern Zuſtand des Menſchen ſchlimme Folgen anzurichten.","norm":"Erfahrung und Vernunft haben beide ihre eigene Gerechtsame, und keine kann in das Gebiet der anderen einen Eingriff tun, ohne entweder für den inneren oder äußeren Zustand des Menschen schlimme Folgen anzurichten."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":253,"orig":"Die Erfahrung allein kann uns lehren, was unter gewiſſen Bedingungen iſt, was unter beſtimmten Vorausſetzungen erfolgt, was zu beſtimmten Zwecken geſchehen muß.","norm":"Die Erfahrung allein kann uns lehren, was unter gewissen Bedingungen ist, was unter bestimmten Voraussetzungen erfolgt, was zu bestimmten Zwecken geschehen muss."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":254,"orig":"Die Vernunft allein kann uns hingegen lehren, was ohne alle Bedingung gilt, und was nothwendig ſeyn muß.","norm":"Die Vernunft allein kann uns hingegen lehren, was ohne alle Bedingung gilt, und was notwendig sein muss."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":255,"orig":"Maſſen wir uns nun an, mit unſerer bloßen Vernunft uͤber das aͤußre Daſeyn der Dinge etwas ausmachen zu wollen, ſo treiben wir bloß ein leeres Spiel und das Reſultat wird auf Nichts hinauslaufen; denn alles Daſeyn ſteht unter Bedingungen und die Vernunft beſtimmt unbedingt.","norm":"Maßen wir uns nun an, mit unserer bloßen Vernunft über das äußre Dasein der Dinge etwas ausmachen zu wollen, so treiben wir bloß ein leeres Spiel und das Resultat wird auf Nichts hinauslaufen; denn alles Dasein steht unter Bedingungen und die Vernunft bestimmt unbedingt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":256,"orig":"Laſſen wir aber ein zufaͤlliges Ereigniß uͤber dasjenige entſcheiden, was ſchon der bloße Begriff unſers eigenen Seyns mit ſich bringt, ſo machen wir uns ſelber zu einem leeren Spiele des Zufalls und unſre Perſoͤnlichkeit wird auf nichts hinauslaufen.","norm":"Lassen wir aber ein zufälliges Ereignis über dasjenige entscheiden, was schon der bloße Begriff unseres eigenen Seins mit sich bringt, so machen wir uns selber zu einem leeren Spiele des Zufalls und unsere Persönlichkeit wird auf nichts hinauslaufen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":257,"orig":"In dem erſten Fall iſt es alſo um den Werth (den zeitlichen Gehalt) unſers Lebens, in dem zweyten um die Wuͤrde (den moraliſchen Gehalt) unſers Lebens gethan.","norm":"In dem ersten Fall ist es also um den Wert (den zeitlichen Gehalt) unseres Lebens, in dem zweiten um die Würde (den moralischen Gehalt) unseres Lebens getan."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":258,"orig":"Zwar haben wir in der bißherigen Schilderung dem Realiſten einen moraliſchen Werth und dem Idealiſten einen Erfahrungsgehalt zugeſtanden, aber bloß inſofern beyde nicht ganz conſequent verfahren und die Natur in ihnen maͤchtiger wirkt als das Syſtem.","norm":"Zwar haben wir in der bisherigen Schilderung dem Realisten einen moralischen Wert und dem Idealisten einen Erfahrungsgehalt zugestanden, aber bloß insofern beide nicht ganz konsequent verfahren und die Natur in ihnen mächtiger wirkt als das System."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":259,"orig":"Obgleich aber beyde gegen das Ideal vollkommener Menſchheit verlieren, ſo iſt zwiſchen beyden doch der wichtige Unterſchied, daß der Realiſt zwar dem Vernunftbegriff der Menſchheit in keinem einzelnen Falle Genuͤge leiſtet, dafuͤr aber dem Verſtandesbegriff derſelben auch niemals widerſpricht, der Idealiſt hingegen zwar in einzelnen Faͤllen dem hoͤchſten Begriff der Menſchheit naͤher kommt, dagegen aber nicht ſelten ſogar unter dem niedrigſten Begriffe derſelben bleibet.","norm":"Obgleich aber beide gegen das Ideal vollkommener Menschheit verlieren, so ist zwischen beiden doch der wichtige Unterschied, dass der Realist zwar dem Vernunftbegriff der Menschheit in keinem einzelnen Falle Genüge leistet, dafür aber dem Verstandesbegriff derselben auch niemals widerspricht, der Idealist hingegen zwar in einzelnen Fällen dem höchsten Begriff der Menschheit näher kommt, dagegen aber nicht selten sogar unter dem niedrigsten Begriffe derselben bleibt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":260,"orig":"Nun kommt es aber in der Praxis des Lebens weit mehr darauf an, daß das Ganze gleich foͤrmig menſchlich gut als daß das Einzelne zufaͤllig goͤttlich ſey — und wenn alſo der Idealiſt ein geſchikteres Subjekt iſt, uns von dem was der Menſchheit moͤglich iſt, einen großen Begriff zu erwecken und Achtung fuͤr ihre Beſtimmung einzufloͤßen, ſo kann nur der Realiſt ſie mit Staͤtigkeit in der Erfahrung ausfuͤhren, und die Gattung in ihren ewigen Grenzen erhalten.","norm":"Nun kommt es aber in der Praxis des Lebens weit mehr darauf an, dass das Ganze gleichförmig menschlich gut als dass das Einzelne zufällig göttlich sei — und wenn also der Idealist ein geschickteres Subjekt ist, uns von dem was der Menschheit möglich ist, einen großen Begriff zu erwecken und Achtung für ihre Bestimmung einzuflößen, so kann nur der Realist sie mit Stetigkeit in der Erfahrung ausführen, und die Gattung in ihren ewigen Grenzen erhalten."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":261,"orig":"Jener iſt zwar ein edleres aber ein ungleich weniger vollkommenes Weſen; dieſer erſcheint zwar durchgaͤngig weniger edel, aber er iſt dagegen deſto vollkommener; denn das Edle liegt ſchon in dem Beweis eines großen Vermoͤgens, aber das Vollkommene liegt in der Haltung des Ganzen und in der wirklichen That.","norm":"Jener ist zwar ein edleres aber ein ungleich weniger vollkommenes Wesen; dieser erscheint zwar durchgängig weniger edel, aber er ist dagegen desto vollkommener; denn das Edle liegt schon in dem Beweis eines großen Vermögens, aber das Vollkommene liegt in der Haltung des Ganzen und in der wirklichen Tat."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":262,"orig":"Was von beyden Charakteren in ihrer beßten Bedentung gilt, das wird noch merklicher in ihren beyderſeitigen Karrikaturen.","norm":"Was von beiden Charakteren in ihrer besten Bedeutung gilt, das wird noch merklicher in ihren beiderseitigen Karikaturen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":263,"orig":"Der wahre Realism iſt wohlthaͤtiger in ſeinen Wirkungen und nur weniger edel in ſeiner Quelle; der falſche iſt in ſeiner Quelle veraͤchtlich und in ſeinen Wirkungen nur etwas weniger verderblich.","norm":"Der wahre Realismus ist wohltätiger in seinen Wirkungen und nur weniger edel in seiner Quelle; der falsche ist in seiner Quelle verächtlich und in seinen Wirkungen nur etwas weniger verderblich."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":264,"orig":"Der wahre Realiſt nehmlich unterwirft ſich zwar der Natur und ihrer Nothwendigkeit; aber der Natur als einem Ganzen, aber ihrer ewigen und abſoluten Nothwendigkeit nicht ihren blinden und augenblicklichen Noͤthigungen.","norm":"Der wahre Realist nämlich unterwirft sich zwar der Natur und ihrer Notwendigkeit; aber der Natur als einem Ganzen, aber ihrer ewigen und absoluten Notwendigkeit nicht ihren blinden und augenblicklichen Nötigungen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":265,"orig":"Mit Freyheit umfaßt und befolgt er ihr Geſetz, und immer wird er das individuelle dem allgemeinen unterordnen; daher kann es auch nicht fehlen, daß er mit dem aͤchten Idealiſten in dem endlichen Reſultat uͤbereinkommen wird, wie verſchieden auch der Weg iſt, welchen beyde dazu einſchlagen.","norm":"Mit Freiheit umfasst und befolgt er ihr Gesetz, und immer wird er das Individuelle dem Allgemeinen unterordnen; daher kann es auch nicht fehlen, dass er mit dem echten Idealisten in dem endlichen Resultat übereinkommen wird, wie verschieden auch der Weg ist, welchen beide dazu einschlagen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":266,"orig":"Der gemeine Empiriker hingegen unterwirft ſich der Natur als einer Macht, und mit wahlloſer blinder Ergebung.","norm":"Der gemeine Empiriker hingegen unterwirft sich der Natur als einer Macht, und mit wahlloser blinder Ergebung."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":267,"orig":"Auf das Einzelne ſind ſeine Urtheile, ſeine Beſtrebungen beſchraͤnkt; er glaubt und begreift nur was er betaſtet, er ſchaͤtzt nur, was ihn ſinnlich verbeſſert.","norm":"Auf das Einzelne sind seine Urteile, seine Bestrebungen beschränkt; er glaubt und begreift nur was er betastet, er schätzt nur, was ihn sinnlich verbessert."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":268,"orig":"Er iſt daher auch weiter nichts, als was die aͤuſern Eindruͤcke zufaͤllig aus ihm machen wollen, ſeine Selbſtheit iſt unterdruͤckt, und als Menſch hat er abſolut keinen Werth und keine Wuͤrde.","norm":"Er ist daher auch weiter nichts, als was die äußeren Eindrücke zufällig aus ihm machen wollen, seine Selbstheit ist unterdrückt, und als Mensch hat er absolut keinen Wert und keine Würde."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":269,"orig":"Aber als Sache iſt er noch immer etwas, er kann noch immer zu etwas gut ſeyn.","norm":"Aber als Sache ist er noch immer etwas, er kann noch immer zu etwas gut sein."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":270,"orig":"Eben die Natur, der er ſich blindlings uͤberliefert, laͤßt ihn nicht ganz ſinken; ihre ewigen Grenzen ſchuͤtzen ihn, ihre unerſchoͤpflichen Huͤlfsmittel retten ihn, ſobald er ſeine Freyheit nur ohne allen Vorbehalt aufgiebt.","norm":"Eben die Natur, der er sich blindlings überliefert, lässt ihn nicht ganz sinken; ihre ewigen Grenzen schützen ihn, ihre unerschöpflichen Hilfsmittel retten ihn, sobald er seine Freiheit nur ohne allen Vorbehalt aufgibt."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":271,"orig":"Obgleich er in dieſem Zuſtand von keinen Geſetzen weiß, ſo walten dieſe doch unerkannt uͤber ihm, und wie ſehr auch ſeine einzelnen Beſtrebungen mit dem Ganzen im Streit liegen moͤgen, ſo wird ſich dieſes doch unfehlbar dagegen zu behaupten wiſſen.","norm":"Obgleich er in diesem Zustand von keinen Gesetzen weiß, so walten diese doch unerkannt über ihm, und wie sehr auch seine einzelnen Bestrebungen mit dem Ganzen im Streit liegen mögen, so wird sich dieses doch unfehlbar dagegen zu behaupten wissen."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":272,"orig":"Es giebt Menſchen genug, ja wohl ganze Voͤlker, die in dieſem veraͤchtlichen Zuſtande leben, die bloß durch die Gnade des Naturgeſetzes, ohne alle Selbſtheit beſtehen, und daher auch nur zu etwas gut ſind, aber daß ſie auch nur leben und beſtehen beweißt, daß dieſer Zuſtand nicht ganz gehaltlos iſt.","norm":"Es gibt Menschen genug, ja wohl ganze Völker, die in diesem verächtlichen Zustande leben, die bloß durch die Gnade des Naturgesetzes, ohne alle Selbstheit bestehen, und daher auch nur zu etwas gut sind, aber dass sie auch nur leben und bestehen beweist, dass dieser Zustand nicht ganz gehaltlos ist."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":273,"orig":"Wenn dagegen ſchon der wahre Idealism in ſeinen Wirkungen unſicher und oͤfters gefaͤhrlich iſt, ſo iſt der falſche in den ſeinigen ſchrecklich.","norm":"Wenn dagegen schon der wahre Idealism in seinen Wirkungen unsicher und öfters gefährlich ist, so ist der falsche in den seinigen schrecklich."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":274,"orig":"Der wahre Idealiſt verlaͤßt nur deßwegen die Natur und Erfahrung, weil er hier das unwandelbare und unbedingt nothwendige nicht findet, wornach die Vernunft ihn doch ſtreben heißt; der Phantaſt verlaͤßt die Natur aus bloßer Willkuͤhr, um dem Eigenſinne der Begierden und den Launen der Einbildungskraft deſto ungebundener nachgeben zu koͤnnen.","norm":"Der wahre Idealist verlässt nur deswegen die Natur und Erfahrung, weil er hier das Unwandelbare und unbedingt notwendige nicht findet, wonach die Vernunft ihn doch streben heißt; der Phantast verlässt die Natur aus bloßer Willkür, um dem Eigensinne der Begierden und den Launen der Einbildungskraft desto ungebundener nachgeben zu können."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":275,"orig":"Nicht in die Unabhaͤngigkeit von phyſiſchen Noͤthigungen, in die Losſprechung von moraliſchen ſetzt er ſeine Freyheit.","norm":"Nicht in die Unabhängigkeit von physischen Nötigungen, in die Lossprechung von moralischen setzt er seine Freiheit."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":276,"orig":"Der Phantaſt verlaͤugnet alſo nicht bloß den menſchlichen — er verlaͤugnet allen Charakter, er iſt voͤllig ohne Geſetz, er iſt alſo gar nichts und dient auch zu gar nichts.","norm":"Der Phantast verleugnet also nicht bloß den menschlichen — er verleugnet allen Charakter, er ist völlig ohne Gesetz, er ist also gar nichts und dient auch zu gar nichts."} {"basename":"schiller_naive03_1796","par_idx":277,"orig":"Aber eben darum, weil die Phantaſterey keine Ausſchweifung der Natur ſondern der Freyheit iſt, alſo aus einer an ſich achtungswuͤrdigen Anlage entſpringt, die ins unendliche perfektibel iſt, ſo fuͤhrt ſie auch zu einem unendlichen Fall in eine bodenloſe Tiefe, und kann nur in einer voͤlligen Zerſtoͤrung ſich endigen.","norm":"Aber eben darum, weil die Phantasterei keine Ausschweifung der Natur sondern der Freiheit ist, also aus einer an sich achtungswürdigen Anlage entspringt, die ins Unendliche perfektibel ist, so führt sie auch zu einem unendlichen Fall in eine bodenlose Tiefe, und kann nur in einer völligen Zerstörung sich endigen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":0,"orig":"Noch war die Jugend mein, die ſchöne, ganze, Ein Morgen nur, ein Geſtern gab es nicht;","norm":"Noch war die Jugend mein, die schöne, ganze, ein Morgen nur, ein Gestern gab es nicht;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":1,"orig":"Da ſah der Tod im hellſten Sonnenglanze, Mein Haar berührend, mir in's Angeſicht.","norm":"Da sah der Tod im hellsten Sonnenglanze, Mein Haar berührend, mir ins Angesicht."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":2,"orig":"Die Welt erloſch, der Himmel brannte trübe;","norm":"Die Welt erlosch, der Himmel brannte trübe;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":3,"orig":"Ich ſprang empor entſetzt und ungeſtüm.","norm":"Ich sprang empor entsetzt und ungestüm."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":4,"orig":"Doch er verſchwand.","norm":"Doch er verschwand."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":5,"orig":"Die Ewigkeit der Liebe Lag vor mir noch, und trennte mich von ihm.","norm":"Die Ewigkeit der Liebe Lag vor mir noch, und trennte mich von ihm."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":6,"orig":"Und heute nun — im ſonnigen Gemache Zur Rechten und zur Linken ſchlief mein Kind;","norm":"Und heute nun — im sonnigen Gemache zur Rechten und zur Linken schlief mein Kind;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":7,"orig":"Des zarten Athems lauſchend hielt ich Wache, Und an den Fenſtern ging der Sommerwind.","norm":"Des zarten Atems lauschend hielt ich wache, und an den Fenstern ging der Sommerwind."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":8,"orig":"Da ſanken Nebelſchleier dicht und dichter Auf mich herab; kaum ſchienen noch hervor Der Kinder ſchlummerſelige Geſichter, Und nicht mehr drang ihr Athem an mein Ohr.","norm":"Da sanken Nebelschleier dicht und dichter auf mich herab; kaum schienen noch hervor der Kinder schlummerselige Gesichter, und nicht mehr drang ihr Atem an mein Ohr."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":9,"orig":"Ich wollte rufen; doch die Stimme keuchte, Bis hell die Angſt aus meinem Herzen ſchrie.","norm":"Ich wollte rufen; doch die Stimme keuchte, bis hell die Angst aus meinem Herzen schrie."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":10,"orig":"Vergebens doch; kein Schrei der Angſt erreichte, Kein Laut der Liebe mehr erreichte ſie.","norm":"Vergebens doch; kein Schrei der Angst erreichte, kein Laut der Liebe mehr erreichte sie."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":11,"orig":"In grauer Finſterniß ſtand ich verlaſſen, Bewegungslos und ſchauernden Gebeins;","norm":"In grauer Finsternis stand ich verlassen, Bewegungslos und schauernden Gebeins;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":12,"orig":"Ich fühlte kalt mein ſchlagend Herz erfaſſen, Und ein entſetzlich Auge ſank in meins.","norm":"Ich fühlte kalt mein schlagend Herz erfassen, und ein entsetzlich Auge sank in meins."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":13,"orig":"Ich floh nicht mehr; ich feſſelte das Grauen, Und faßte mühſam meines Auges Kraft;","norm":"Ich floh nicht mehr; ich fesselte das Grauen, und fasste mühsam meines Auges Kraft;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":14,"orig":"Dann überkam vorahnend mich Vertrauen Zu dem, der meine Sinne hielt in Haft.","norm":"Dann überkam vorahnend mich Vertrauen zu dem, der meine Sinne hielt in Haft."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":15,"orig":"Und als ich feſt den Blick zurückgegeben, Lag plötzlich tief zu Füßen mir die Welt;","norm":"Und als ich fest den Blick zurückgegeben, lag plötzlich tief zu Füßen mir die Welt;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":16,"orig":"Ich ſah mich hoch und frei ob allem Leben An deiner Hand, furchtbarer Fürſt, geſtellt.","norm":"Ich sah mich hoch und frei ob allem Leben an deiner Hand, furchtbarer Fürst, gestellt."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":17,"orig":"Den Dampf der Erde ſah empor ich ſtreben, Und ballen ſich zu Menſch- und Thiergeſtalt;","norm":"Den Dampf der Erde sah empor ich streben, und ballen sich zu Mensch- und Tiergestalt;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":18,"orig":"Sah es ſich ſchütteln, taſten, ſah es leben, Und taumeln dann, und ſchwinden alſobald.","norm":"Sah es sich schütteln, tasten, sah es leben, und taumeln dann, und schwinden alsobald."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":19,"orig":"Im fahlen Schein im Abgrund ſah ich's liegen, Und ſah ſich's regen in der Städte Rauch;","norm":"Im fahlen Schein im Abgrund sah ich es liegen, und sah sich es regen in der Städte Rauch;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":20,"orig":"Ich ſah es wimmeln, haſten, ſich bekriegen, Und ſah mich ſelbſt bei den Geſtalten auch.","norm":"Ich sah es wimmeln, hasten, sich bekriegen, und sah mich selbst bei den Gestalten auch."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":21,"orig":"Und niederſchauend von des Todes Warte Kam mir der Drang, das Leben zu beſtehn, Die Luſt, dem Feind, der unten meiner harrte, Mit vollem Aug' in's Angeſicht zu ſehn.","norm":"Und niederschauend von des Todes Warte kam mir der Drang, das Leben zu bestehen, die Lust, dem Feind, der unten meiner harrte, mit vollem Auge ins Angesicht zu sehen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":22,"orig":"Und kühlen Hauches durch die Adern rinnen Fühlt' ich die Kraft, entgegen Luſt und Schmerz Vom Leben feſt mich ſelber zu gewinnen, Wenn Andres nicht, ſo doch ein ganzes Herz.","norm":"Und kühlen Hauches durch die Adern rinnen fühlte ich die Kraft, entgegen Lust und Schmerz vom Leben fest mich selber zu gewinnen, wenn anderes nicht, so doch ein ganzes Herz."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":23,"orig":"— Da fühlt' ich mich im Sonnenlicht erwachen;","norm":"— Da fühlte ich mich im Sonnenlicht erwachen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":24,"orig":"Es dämmerte, verſchwebte und zerrann;","norm":"Es dämmerte, verschwebte und zerrann;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":25,"orig":"In meine Ohren klang der Kinder Lachen, Und friſche, blaue Augen ſahn mich an.","norm":"In meine Ohren klang der Kinder Lachen, und frische, blaue Augen sahen mich an."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":26,"orig":"O ſchöne Welt!","norm":"O schöne Welt!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":27,"orig":"So ſei in ernſtem Zeichen Begonnen denn der neue Lebenstag!","norm":"So sei in ernstem Zeichen begonnen denn der neue Lebenstag!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":28,"orig":"Es wird die Stirn nicht allzuſehr erbleichen, Auf der, o Tod, dein dunkles Auge lag.","norm":"Es wird die Stirn nicht allzu sehr erbleichen, auf der, o Tod, dein dunkles Auge lag."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":29,"orig":"Ich fühle tief, du gönneteſt nicht Allen Dein Angeſicht; ſie ſchauen dich ja nur, Wenn ſie dir taumelnd in die Arme fallen, Ihr Loos erfüllend gleich der Creatur.","norm":"Ich fühle tief, du gönntest nicht allen Dein Angesicht; sie schauen dich ja nur, wenn sie dir taumelnd in die Arme fallen, Ihr Los erfüllend gleich der Kreatur."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":30,"orig":"Mich aber laß unirren Augs erblicken, Wie ſie, von keiner Ahnung angeweht, Brutalen Sinns ihr nichtig Werk beſchicken, Unkundig deiner ſtillen Majeſtät.","norm":"Mich aber lass unirren Auges erblicken, wie sie, von keiner Ahnung angeweht, brutalen Sinns ihr nichtig Werk beschicken, unkundig deiner stillen Majestät."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":31,"orig":"Der Nebel ſteigt, es fällt das Laub;","norm":"Der Nebel steigt, es fällt das Laub;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":32,"orig":"Schenk' ein den Wein, den holden!","norm":"Schenke ein den Wein, den holden!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":33,"orig":"Wir wollen uns den grauen Tag Vergolden, ja vergolden.","norm":"Wir wollen uns den grauen Tag Vergolden, ja vergolden."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":34,"orig":"Und geht es draußen noch ſo toll, Unchriſtlich oder chriſtlich, Iſt doch die Welt, die ſchöne Welt, So gänzlich unverwüſtlich!","norm":"Und geht es draußen noch so toll, unchristlich oder christlich, ist doch die Welt, die schöne Welt, so gänzlich unverwüstlich!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":35,"orig":"Und wimmert auch einmal das Herz, — Stoß' an, und laß es klingen!","norm":"Und wimmert auch einmal das Herz, — Stoße an, und lass es klingen!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":36,"orig":"Wir wiſſen's doch, ein rechtes Herz Iſt gar nicht umzubringen.","norm":"Wir wissen es doch, ein rechtes Herz ist gar nicht umzubringen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":37,"orig":"Der Nebel ſteigt, es fällt das Laub;","norm":"Der Nebel steigt, es fällt das Laub;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":38,"orig":"Schenk' ein den Wein, den holden!","norm":"Schenke ein den Wein, den holden!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":39,"orig":"Wir wollen uns den grauen Tag Vergolden, ja vergolden.","norm":"Wir wollen uns den grauen Tag Vergolden, ja vergolden."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":40,"orig":"Wohl iſt es Herbſt; doch warte nur, Doch warte nur ein Weilchen!","norm":"Wohl ist es Herbst; doch warte nur, doch warte nur ein Weilchen!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":41,"orig":"Der Frühling kommt, der Himmel lacht, Es ſteht die Welt in Veilchen.","norm":"Der Frühling kommt, der Himmel lacht, es steht die Welt in Veilchen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":42,"orig":"Die blauen Tage brechen an;","norm":"Die blauen Tage brechen an;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":43,"orig":"Und ehe ſie verfließen, Wir wollen ſie, mein wackrer Freund, Genießen, ja genießen!","norm":"Und ehe sie verfließen, wir wollen sie, mein wackerer Freund, Genießen, ja genießen!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":44,"orig":"Es iſt ſo ſtill; die Haide liegt Im warmen Mittagsſonnenſtrahle, Ein roſenrother Schimmer fliegt Um ihre alten Gräbermale;","norm":"Es ist so still; die Heide liegt im warmen Mittagssonnenstrahl, ein rosenroter Schimmer fliegt um ihre alten Gräbermale;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":45,"orig":"Die Kräuter blühn; der Haideduft Steigt in die blaue Sommerluft.","norm":"Die Kräuter blühen; der Heideduft steigt in die blaue Sommerluft."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":46,"orig":"Laufkäfer haſten durch's Geſträuch In ihren gold'nen Panzerröckchen, Die Bienen hängen Zweig um Zweig Sich an der Edelhaide Glöckchen;","norm":"Laufkäfer hasten durchs Gesträuch in ihren goldenen Panzerröckchen, die Bienen hängen Zweig um Zweig sich an der Edelheide Glöckchen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":47,"orig":"Die Vögel ſchwirren aus dem Kraut — Die Luft iſt voller Lerchenlaut.","norm":"Die Vögel schwirren aus dem Kraut — die Luft ist voller Lerchenlaut."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":48,"orig":"Ein halbverfallen Schindelhaus Steht einſam hier und ſonnbeſchienen;","norm":"Ein halbverfallen Schindelhaus steht einsam hier und sonnbeschienen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":49,"orig":"Der Käthner lehnt zur Thür hinaus, Behaglich blinzelnd nach den Bienen;","norm":"Der Kätner lehnt zur Tür hinaus, behaglich blinzelnd nach den Bienen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":50,"orig":"Sein Junge auf dem Stein davor Schnitzt Pfeifen ſich aus Kälberrohr.","norm":"Sein Junge auf dem Stein davor schnitzt Pfeifen sich aus Kälberrohr."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":51,"orig":"Kaum zittert durch die Mittagsruh Ein Schlag der Dorfuhr, der entfernten;","norm":"Kaum zittert durch die Mittagsruhe ein Schlag der Dorfuhr, der entfernten;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":52,"orig":"Dem Alten fällt die Wimper zu, Er träumt von ſeinen Honigerndten.","norm":"Dem Alten fällt die Wimper zu, er träumt von seinen Honigernten."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":53,"orig":"— Kein KIang der aufgeregten Zeit Drang noch in dieſe Einſamkeit.","norm":"— Kein Klang der aufgeregten Zeit Drang noch in diese Einsamkeit."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":54,"orig":"Vom Himmel in die tiefſten Klüfte Ein milder Stern hernieder lacht;","norm":"Vom Himmel in die tiefsten Klüfte ein milder Stern herniederlacht;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":55,"orig":"Ein weihrauchſüßes Harzgedüfte Durchſchwimmet träumeriſch die Lüfte, Und kerzenhelle wird die Nacht.","norm":"Ein weihrauchsüßes Harzgedufte Durchschwimmet träumerisch die Lüfte, und kerzenhelle wird die Nacht."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":56,"orig":"Mir iſt das Herz ſo froh erſchrocken, Das iſt die liebe Weihnachtszeit!","norm":"Mir ist das Herz so froh erschrocken, das ist die liebe Weihnachtszeit!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":57,"orig":"Ich höre fernher Kirchenglocken Mich lieblich heimathlich verlocken In märchenſtille Herrlichkeit.","norm":"Ich höre fernher Kirchenglocken mich lieblich heimatlich verlocken in märchenstille Herrlichkeit."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":58,"orig":"Ein frommer Zauber hält mich wieder Anbetend, ſtaunend muß ich ſtehn;","norm":"Ein frommer Zauber hält mich wieder anbetend, staunend muss ich stehen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":59,"orig":"Es ſinkt auf meine Augenlider Ein goldner Kindertraum hernieder, Ich fühl's, ein Wunder iſt geſchehn.","norm":"Es sinkt auf meine Augenlider ein goldener Kindertraum hernieder, Ich fühle es, ein Wunder ist geschehen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":60,"orig":"Hier an der Bergeshalde Verſtummet ganz der Wind;","norm":"Hier an der Bergeshalde Verstummet ganz der Wind;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":61,"orig":"Die Zweige hängen nieder, Darunter ſitzt das Kind.","norm":"Die Zweige hängen nieder, darunter sitzt das Kind."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":62,"orig":"Sie ſitzt in Thymiane, Sie ſitzt in lauter Duft;","norm":"Sie sitzt in Thymiane, Sie sitzt in lauter Duft;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":63,"orig":"Die blauen Fliegen ſummen Und blitzen durch die Luft.","norm":"Die blauen Fliegen summen und blitzen durch die Luft."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":64,"orig":"Es ſteht der Wald ſo ſchweigend, Sie ſchaut ſo klug darein;","norm":"Es steht der Wald so schweigend, Sie schaut so klug darein;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":65,"orig":"Um ihre braunen Locken Hinfließt der Sonnenſchein.","norm":"Um ihre braunen Locken Hinfließt der Sonnenschein."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":66,"orig":"Der Kuckuck lacht von ferne, Es geht mir durch den Sinn:","norm":"Der Kuckuck lacht von ferne, es geht mir durch den Sinn:"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":67,"orig":"Sie hat die goldnen Augen Der Waldeskönigin.","norm":"Sie hat die goldenen Augen der Waldeskönigin."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":68,"orig":"Meine Mutter hat's gewollt, Den Andern ich nehmen ſollt';","norm":"Meine Mutter hat es gewollt, den anderen ich nehmen sollte;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":69,"orig":"Was ich zuvor beſeſſen, Mein Herz ſollt' es vergeſſen;","norm":"Was ich zuvor besessen, Mein Herz sollte es vergessen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":70,"orig":"Das hat es nicht gewollt.","norm":"Das hat es nicht gewollt."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":71,"orig":"Meine Mutter klag' ich an, Sie hat nicht wohlgethan;","norm":"Meine Mutter klage ich an, sie hat nicht wohlgetan;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":72,"orig":"Was ſonſt in Ehren ſtünde, Nun iſt es worden Sünde.","norm":"Was sonst in Ehren stünde, nun ist es worden Sünde."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":73,"orig":"Was fang' ich an!","norm":"Was fange ich an!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":74,"orig":"Für all' mein Stolz und Freud' Gewonnen hab' ich Leid.","norm":"Für alle mein Stolz und Freude gewonnen habe ich Leid."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":75,"orig":"Ach, wär' das nicht geſchehen, Ach, könnt' ich betteln gehen Ueber die braune Haid'!","norm":"Ach, wäre das nicht geschehen, ach, könnte ich betteln gehen über die braune Heide!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":76,"orig":"Heute, nur heute Bin ich ſo ſchön;","norm":"Heute, nur heute bin ich so schön;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":77,"orig":"Morgen, ach morgen Muß Alles vergehn!","norm":"Morgen, ach morgen muss alles vergehen!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":78,"orig":"Nur dieſe Stunde Biſt du noch mein;","norm":"Nur diese Stunde bist du noch mein;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":79,"orig":"Sterben, ach ſterben Soll ich allein.","norm":"Sterben, ach sterben Soll ich allein."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":80,"orig":"Du biſſeſt die zarten Lippen wund, Das Blut iſt danach gefloſſen;","norm":"Du bissest die zarten Lippen wund, das Blut ist danach geflossen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":81,"orig":"Du haſt es gewollt, ich weiß es wohl, Weil einſt mein Mund ſie verſchloſſen.","norm":"Du hast es gewollt, ich weiß es wohl, weil einst mein Mund sie verschlossen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":82,"orig":"Entfärben ließ'ſt du dein braunes Haar In Sonnenbrand und Regen;","norm":"Entfärben ließest du dein braunes Haar in Sonnenbrand und Regen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":83,"orig":"Du haſt es gewollt, weil meine Hand Liebkoſend darauf gelegen.","norm":"Du hast es gewollt, weil meine Hand liebkosend darauf gelegen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":84,"orig":"Du ſtehſt am Heerd in Flammen und Rauch, Daß die feinen Hände dir ſprangen;","norm":"Du stehst am Herd in Flammen und Rauch, dass die feinen Hände dir sprangen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":85,"orig":"Du haſt es gewollt, ich weiß es wohl, Weil mein Auge daran gehangen.","norm":"Du hast es gewollt, ich weiß es wohl, weil mein Auge daran gehangen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":86,"orig":"Du gehſt an meiner Seite hin Und achteſt meiner nicht;","norm":"Du gehst an meiner Seite hin und achtest meiner nicht;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":87,"orig":"Nun ſchmerzt mich deine weiße Hand, Dein ſüßes Angeſicht.","norm":"Nun schmerzt mich deine weiße Hand, Dein süßes Angesicht."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":88,"orig":"O ſprich wie ſonſt ein liebes Wort, Ein einzig Wort mir zu!","norm":"O sprich wie sonst ein liebes Wort, ein einzig Wort mir zu!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":89,"orig":"Die Wunden bluten heimlich fort, Auch du haſt keine Ruh'.","norm":"Die Wunden bluten heimlich fort, auch du hast keine Ruhe."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":90,"orig":"Der Mund, der jetzt zu meiner Qual Sich ſtumm vor mir verſchließt, Ich hab' ihn ja ſo tauſend mal, Viel tauſend mal geküßt.","norm":"Der Mund, der jetzt zu meiner Qual sich stumm vor mir verschließt, Ich habe ihn ja so tausendmal, Vieltausendmal geküsst."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":91,"orig":"Was einſt ſo überſelig war, Bricht nun das Herz entzwei;","norm":"Was einst so überselig war, bricht nun das Herz entzwei;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":92,"orig":"Das Aug', das meine Seele trank, Sieht fremd an mir vorbei.","norm":"Das Auge, das meine Seele trank, sieht fremd an mir vorbei."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":93,"orig":"So dunkel ſind die Straßen, So herbſtlich geht der Wind;","norm":"So dunkel sind die Straßen, so herbstlich geht der Wind;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":94,"orig":"Leb' wohl, meine weiße Roſe, Mein Herz, mein Weib, mein Kind!","norm":"Lebe wohl, meine weiße Rose, Mein Herz, mein Weib, mein Kind!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":95,"orig":"So ſchweigend ſteht der Garten, Ich wandre weit hinaus;","norm":"So schweigend steht der Garten, Ich wandre weit hinaus;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":96,"orig":"Er wird dir nicht verrathen, Daß ich nimmer kehr' nach Haus.","norm":"Er wird dir nicht verraten, dass ich nimmer kehre nach Haus."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":97,"orig":"Der Weg iſt gar ſo einſam, Es reiſ't ja Niemand mit;","norm":"Der Weg ist gar so einsam, es reiset ja niemand mit;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":98,"orig":"Die Wolken nur am Himmel Halten gleichen Schritt.","norm":"Die Wolken nur am Himmel Halten gleichen Schritt."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":99,"orig":"Ich bin ſo müd' zum Sterben;","norm":"Ich bin so müde zum Sterben;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":100,"orig":"D'rum blieb' ich gern zu Haus, Und ſchliefe gern das Leben Und Luſt und Leiden aus.","norm":"Darum blieb ich gern zu Haus, und schliefe gern das Leben und Lust und Leiden aus."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":101,"orig":"Der einſt er ſeine junge Sonnige Liebe gebracht, Die hat ihn gehen heißen, Nicht weiter ſein gedacht.","norm":"Der einst er seine junge sonnige Liebe gebracht, die hat ihn gehen heißen, nicht weiter sein gedacht."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":102,"orig":"D'rauf hat er heimgeführet Ein Mädchen ſtill und hold;","norm":"Drauf hat er heimgeführt ein Mädchen still und hold;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":103,"orig":"Die hat aus allen Menſchen Nur einzig ihn gewollt.","norm":"Die hat aus allen Menschen nur einzig ihn gewollt."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":104,"orig":"Und ob ſein Herz in Liebe Niemals für ſie gebebt, Sie hat um ihn gelitten Und nur für ihn gelebt.","norm":"Und ob sein Herz in Liebe Niemals für sie gebebt, sie hat um ihn gelitten Und nur für ihn gelebt."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":105,"orig":"Noch einmal fällt in meinen Schooß Die rothe Roſe Leidenſchaft;","norm":"Noch einmal fällt in meinen Schoß die rote Rose Leidenschaft;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":106,"orig":"Noch einmal hab' ich ſchwärmeriſch In Mädchenaugen mich vergafft;","norm":"Noch einmal habe ich schwärmerisch in Mädchenaugen mich vergafft;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":107,"orig":"Noch einmal legt ein junges Herz An meines ſeinen ſtarken Schlag;","norm":"Noch einmal legt ein junges Herz an meines seinen starken Schlag;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":108,"orig":"Noch einmal weht an meine Stirn' Ein juniheißer Sommertag.","norm":"Noch einmal weht an meine Stirn ein juniheißer Sommertag."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":109,"orig":"Die Stunde ſchlug, und deine Hand Liegt zitternd in der meinen;","norm":"Die Stunde schlug, und deine Hand liegt zitternd in der meinen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":110,"orig":"An meine Lippen ſtreiften ſchon Mit ſcheuem Druck die deinen;","norm":"An meine Lippen streiften schon mit scheuem Druck die deinen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":111,"orig":"Es zuckten aus dem vollen Kelch Electriſch ſchon die Funken — O faſſe Muth, und fliehe nicht, Bevor wir ganz getrunken!","norm":"Es zuckten aus dem vollen Kelch elektrisch schon die Funken — O fasse Mut, und fliehe nicht, bevor wir ganz getrunken!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":112,"orig":"Die Lippen, die mich ſo berührt, Sind nicht mehr deine eignen, Sie können doch, ſo lang' du lebſt, Die meinen nicht verleugnen;","norm":"Die Lippen, die mich so berührt, sind nicht mehr deine eigenen, Sie können doch, solange du lebst, die meinen nicht verleugnen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":113,"orig":"Die Lippen, die ſich ſo berührt, Sind rettungslos gefangen;","norm":"Die Lippen, die sich so berührt, sind rettungslos gefangen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":114,"orig":"Spät oder früh, ſie müſſen doch Sich tödtlich heimverlangen.","norm":"Spät oder früh, sie müssen doch sich tödlich heimverlangen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":115,"orig":"Warum duften die Levkojen ſo viel ſchöner bei der Nacht?","norm":"Warum duften die Levkojen soviel schöner bei der Nacht?"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":116,"orig":"Warum brennen deine Lippen ſo viel röther bei der Nacht?","norm":"Warum brennen deine Lippen soviel röter bei der Nacht?"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":117,"orig":"Warum iſt in meinem Herzen ſo die Sehnſucht auferwacht, Dieſe brennend rothen Lippen dir zu küſſen bei der Nacht?","norm":"Warum ist in meinem Herzen so die Sehnsucht erwacht, diese brennend roten Lippen dir zu küssen bei der Nacht?"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":118,"orig":"Wohl fühl' ich, wie das Leben rinnt, Und daß ich endlich ſcheiden muß, Daß endlich doch das letzte Lied Und endlich kommt der letzte Kuß.","norm":"Wohl fühle ich, wie das Leben rinnt, und dass ich endlich scheiden muss, dass endlich doch das letzte Lied und endlich kommt der letzte Kuss."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":119,"orig":"Noch häng' ich feſt an deinem Mund' In ſchmerzlich bangender Begier;","norm":"Noch hänge ich fest an deinem Mund in schmerzlich bangender Begier;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":120,"orig":"Du giebſt der Jugend letzten Kuß, Die letzte Roſe giebſt du mir.","norm":"Du gibst der Jugend letzten Kuss, die letzte Rose gibst du mir."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":121,"orig":"Du ſchenkſt aus jenem Zauberkelch Den letzten goldnen Trunk mir ein;","norm":"Du schenkst aus jenem Zauberkelch den letzten goldenen Trunk mir ein;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":122,"orig":"Du biſt aus jener Märchenwelt Mein allerletzter Abendſchein.","norm":"Du bist aus jener Märchenwelt Mein allerletzter Abendschein."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":123,"orig":"Am Himmel ſteht der letzte Stern, O halte nicht dein Herz zurück;","norm":"Am Himmel steht der letzte Stern, O halte nicht dein Herz zurück;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":124,"orig":"Zu deinen Füßen ſink ich hin, O fühl's, du biſt mein letztes Glück!","norm":"Zu deinen Füßen sinke ich hin, O fühle es, du bist mein letztes Glück!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":125,"orig":"Laß einmal noch durch meine Bruſt Des vollſten Lebens Schauer wehn, Eh ſeufzend in die große Nacht Auch meine Sterne untergehn.","norm":"Lass einmal noch durch meine Brust des vollsten Lebens Schauer wehn, Ehe seufzend in die große Nacht auch meine Sterne untergehen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":126,"orig":"Fern hallt Muſik; doch hier iſt ſtille Nacht, Mit Schlummerduft anhauchen mich die Pflanzen;","norm":"Fern hallt Musik; doch hier ist stille Nacht, mit Schlummerduft anhauchen mich die Pflanzen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":127,"orig":"Ich habe immer, immer dein gedacht, Ich möchte ſchlafen; aber du mußt tanzen.","norm":"Ich habe immer, immer dein gedacht, Ich möchte schlafen; aber du musst tanzen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":128,"orig":"Es hört nicht auf, es raſ't ohn' Unterlaß;","norm":"Es hört nicht auf, es rast ohne Unterlass;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":129,"orig":"Die Kerzen brennen und die Geigen ſchreien, Es theilen und es ſchließen ſich die Reihen, Und Alle glühen; aber du biſt blaß.","norm":"Die Kerzen brennen und die Geigen schreien, es teilen und es schließen sich die Reihen, und alle glühen; aber du bist blass."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":130,"orig":"Und du mußt tanzen; fremde Arme ſchmiegen Sich an dein Herz; o leide nicht Gewalt!","norm":"Und du musst tanzen; fremde Arme schmiegen sich an dein Herz; o leide nicht Gewalt!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":131,"orig":"Ich ſeh' dein weißes Kleid vorüberfliegen Und deine leichte, zärtliche Geſtalt.","norm":"Ich sehe dein weißes Kleid vorüberfliegen und deine leichte, zärtliche Gestalt."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":132,"orig":"— — Und ſüßer ſtrömend quillt der Duft der Nacht Und träumeriſcher aus dem Kelch der Pflanzen.","norm":"— — und süßer strömend quillt der Duft der Nacht und träumerischer aus dem Kelch der Pflanzen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":133,"orig":"Ich habe immer, immer dein gedacht;","norm":"Ich habe immer, immer dein gedacht;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":134,"orig":"Ich möchte ſchlafen; aber du mußt tanzen.","norm":"Ich möchte schlafen; aber du musst tanzen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":135,"orig":"Du willſt es nicht in Worten ſagen;","norm":"Du willst es nicht in Worten sagen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":136,"orig":"Doch legſt du's brennend Mund auf Mund, Und deiner Pulſe tiefes Schlagen Thut liebliches Geheimniß kund.","norm":"Doch legst du es brennend Mund auf Mund, und deiner Pulse tiefes Schlagen tut liebliches Geheimnis kund."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":137,"orig":"Du fliehſt vor mir, du ſcheue Taube, Und drückſt dich feſt an meine Bruſt;","norm":"Du fliehst vor mir, du scheue Taube, und drückst dich fest an meine Brust;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":138,"orig":"Du biſt der Liebe ſchon zum Raube, Und biſt dir kaum des Worts bewußt.","norm":"Du bist der Liebe schon zum Raube, und bist dir kaum des Worts bewusst."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":139,"orig":"Du biegſt den ſchlanken Leib mir ferne, Indeß dein rother Mund mich küßt;","norm":"Du biegst den schlanken Leib mir ferne, indes dein roter Mund mich küsst;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":140,"orig":"Behalten möchteſt du dich gerne, Da du doch ganz verloren biſt.","norm":"Behalten möchtest du dich gerne, da du doch ganz verloren bist."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":141,"orig":"Du fühlſt, wir können nicht verzichten;","norm":"Du fühlst, wir können nicht verzichten;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":142,"orig":"Warum zu geben ſcheuſt du noch?","norm":"Warum zu geben scheust du noch?"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":143,"orig":"Du mußt die ganze Schuld entrichten, Du mußt, gewiß, du mußt es doch.","norm":"Du musst die ganze Schuld entrichten, Du musst, gewiss, du musst es doch."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":144,"orig":"In Sehnen halb und halb in Bangen, Am Ende rinnt die Schaale voll;","norm":"In Sehnen halb und halb in Bangen, am Ende rinnt die Schale voll;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":145,"orig":"Die holde Schaam iſt nur empfangen, Daß ſie in Liebe ſterben ſoll.","norm":"Die holde Scham ist nur empfangen, dass sie in Liebe sterben soll."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":146,"orig":"Im Seſſel du, und ich zu deinen Füßen Das Haupt zu dir gewendet, ſaßen wir;","norm":"Im Sessel du, und ich zu deinen Füßen das Haupt zu dir gewendet, saßen wir;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":147,"orig":"Und ſanfter fühlten wir die Stunden fließen, Und ſtiller ward es zwiſchen mir und dir;","norm":"Und sanfter fühlten wir die Stunden fließen, und stiller wurde es zwischen mir und dir;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":148,"orig":"Bis unſre Augen in einander ſanken Und wir berauſcht der Seele Athmen tranken.","norm":"Bis unsere Augen ineinandersanken und wir berauscht der Seele Atem tranken."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":149,"orig":"Ich weiß es wohl, kein klagend Wort Wird über deine Lippen gehen;","norm":"Ich weiß es wohl, kein klagend Wort wird über deine Lippen gehen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":150,"orig":"Doch, was ſo ſanft dein Mund verſchweigt, Muß deine blaſſe Hand geſtehen.","norm":"Doch, was so sanft dein Mund verschweigt, muss deine blasse Hand gestehen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":151,"orig":"Die Hand, an der mein Auge hängt, Zeigt jenen feinen Zug der Schmerzen, Und daß in ſchlummerloſer Nacht Sie lag auf einem kranken Herzen.","norm":"Die Hand, an der mein Auge hängt, zeigt jenen feinen Zug der Schmerzen, und dass in schlummerloser Nacht Sie lag auf einem kranken Herzen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":152,"orig":"Die Zeit iſt hin; du löſ't dich unbewußt Und leiſe mehr und mehr von meiner Bruſt;","norm":"Die Zeit ist hin; du löst dich unbewusst Und leise mehr und mehr von meiner Brust;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":153,"orig":"Ich ſuche dich mit ſanftem Druck zu faſſen, Doch fühl' ich wohl, ich muß dich gehen laſſen.","norm":"Ich suche dich mit sanftem Druck zu fassen, doch fühle ich wohl, ich muss dich gehen lassen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":154,"orig":"So laß mich denn, bevor du weit von mir Im Leben gehſt, noch einmal danken dir;","norm":"So lass mich denn, bevor du weit von mir im Leben gehst, noch einmal danken dir;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":155,"orig":"Und magſt du nie, was rettungslos vergangen, In ſchlummerloſen Nächten heim verlangen.","norm":"Und magst du nie, was rettungslos vergangen, in schlummerlosen Nächten heimverlangen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":156,"orig":"Hier ſteh' ich nun und ſchaue bang zurück;","norm":"Hier stehe ich nun und schaue bang zurück;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":157,"orig":"Vorüber rinnt auch dieſer Augenblick, Und wie viel Stunden dir und mir gegeben, Wir werden keine mehr zuſammen leben.","norm":"Vorüber rinnt auch dieser Augenblick, und wie viel Stunden dir und mir gegeben, wir werden keine mehr zusammen leben."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":158,"orig":"Wohl rief ich ſanft dich an mein Herz, Doch blieben meine Arme leer;","norm":"Wohl rief ich sanft dich an mein Herz, doch blieben meine Arme leer;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":159,"orig":"Der Stimme Zauber, der du ſonſt Nie widerſtandeſt, galt nicht mehr.","norm":"Der Stimme Zauber, der du sonst Nie widerstandest, galt nicht mehr."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":160,"orig":"Was jetzt dein Leben füllen wird, Wohin du gehſt, wohin du irrſt, Ich weiß es nicht; ich weiß allein, Daß du mir nie mehr lächeln wirſt.","norm":"Was jetzt dein Leben füllen wird, wohin du gehst, wohin du irrst, Ich weiß es nicht; ich weiß allein, dass du mir nie mehr lächeln wirst."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":161,"orig":"Doch kommt erſt jene ſtille Zeit, Wo uns das Leben läßt allein, Dann wird, wie in der Jugend einſt, Nur meine Liebe bei dir ſein.","norm":"Doch kommt erst jene stille Zeit, wo uns das Leben lässt allein, dann wird, wie in der Jugend einst, nur meine Liebe bei dir sein."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":162,"orig":"Dann wird, was jetzt geſchehen mag, Wie Schatten dir vorübergehn, Und nur die Zeit, die nun dahin, Die uns gehörte, wird beſtehn.","norm":"Dann wird, was jetzt geschehen mag, wie Schatten dir vorübergehen, und nur die Zeit, die nun dahin, die uns gehörte, wird bestehen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":163,"orig":"Und wenn dein letztes Kiſſen einſt Beglänzt ein Abendſonnenſtrahl, Es iſt die Sonne jenes Tages, Da ich dich küßte zum erſten Mal.","norm":"Und wenn dein letztes Kissen einst Beglänzt ein Abendsonnenstrahl, es ist die Sonne jenes Tages, da ich dich küsste zum ersten Mal."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":164,"orig":"Du ſchläfſt — So will ich leiſe flehen:","norm":"Du schläfst — so will ich leise flehen:"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":165,"orig":"O ſchlafe ſanft!","norm":"O schlafe sanft!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":166,"orig":"und leiſe will ich gehen, Daß dich nicht ſtöre meiner Tritte Gang, Daß du nicht höreſt meiner Stimme Klang.","norm":"und leise will ich gehen, dass dich nicht störe meiner Tritte Gang, dass du nicht hörest meiner Stimme Klang."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":167,"orig":"Ein Grab ſchon weiſet manche Stelle, Und Manches liegt in Traum und Duft;","norm":"Ein Grab schon weist manche Stelle, und manches liegt in Traum und Duft;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":168,"orig":"Nun ſprudle, friſche Lebensquelle, Und rauſche über Grab und Kluft!","norm":"Nun sprudle, frische Lebensquelle, und rausche über Grab und Kluft!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":169,"orig":"Ich ſeh ſie noch, ihr Büchlein in der Hand, Nach jener Bank dort an der Gartenwand Vom Spiel der andern Kinder ſich entfernen;","norm":"Ich sehe sie noch, ihr Büchlein in der Hand, nach jener Bank dort an der Gartenwand vom Spiel der anderen Kinder sich entfernen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":170,"orig":"Sie wußte wohl, es mühte ſie das Lernen.","norm":"Sie wusste wohl, es mühte sie das Lernen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":171,"orig":"Richt war ſie klug, nicht ſchön; mir aber war Ihr blaß Geſichtchen und ihr blondes Haar, Mir war es lieb; aus der Erinnrung Düſter Schaut es mich an; wir waren recht Geſchwiſter.","norm":"Richtet war sie klug, nicht schön; mir aber war Ihr blass Gesichtchen und ihr blondes Haar, mir war es lieb; aus der Erinnerung düster schaut es mich an; wir waren recht Geschwister."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":172,"orig":"Ihr ſchmales Bettchen theilte ſie mit mir, Und Nächtens Wang' an Wange ſchliefen wir;","norm":"Ihr schmales Bettchen teilte sie mit mir, und Nächtens Wange an Wange schliefen wir;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":173,"orig":"Das war ſo ſchön!","norm":"Das war so schön!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":174,"orig":"Noch weht ein Kinderfrieden Mich an aus jenen Zeiten, die geſchieden.","norm":"Noch weht ein Kinderfrieden mich an aus jenen Zeiten, die geschieden."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":175,"orig":"Ein Ende kam, — ein Tag, ſie wurde krank, Und lag im Fieber viele Wochen lang;","norm":"Ein Ende kam, — ein Tag, sie wurde krank, und lag im Fieber viele Wochen lang;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":176,"orig":"Ein Morgen dann, wo ſanft die Winde gingen, Da ging ſie heim; es blühten die Syringen.","norm":"Ein Morgen dann, wo sanft die Winde gingen, da ging sie heim; es blühten die Syringen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":177,"orig":"Die Sonne ſchien; ich lief in's Feld hinaus Und weinte laut; dann kam ich ſtill nach Haus.","norm":"Die Sonne schien; ich lief ins Feld hinaus und weinte laut; dann kam ich still nach Haus."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":178,"orig":"Wohl zwanzig Jahr, und drüber ſind vergangen — An wie viel Andrem hat mein Herz gehangen!","norm":"Wohl zwanzig Jahr, und drüber sind vergangen — an wie viel Anderem hat mein Herz gehangen!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":179,"orig":"Was hab' ich heute denn nach dir gebangt?","norm":"Was habe ich heute denn nach dir gebangt?"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":180,"orig":"Biſt du mir nah, und haſt nach mir verlangt?","norm":"Bist du mir nah, und hast nach mir verlangt?"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":181,"orig":"Willſt du, wie einſt nach unſren Kinderſpielen, Mein Knabenhaupt an deinem Herzen fühlen?","norm":"Willst du, wie einst nach unseren Kinderspielen, Mein Knabenhaupt an deinem Herzen fühlen?"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":182,"orig":"Du glaubteſt nicht an frohe Tage mehr, Verjährtes Leid ließ nimmer dich geneſen;","norm":"Du glaubtest nicht an frohe Tage mehr, verjährtes Leid ließ nimmer dich genesen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":183,"orig":"Die Mutterfreude war für dich zu ſchwer, Das Leben war dir gar zu hart geweſen.","norm":"Die Mutterfreude war für dich zu schwer, das Leben war dir gar zu hart gewesen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":184,"orig":"— Er ſaß bei dir in letzter Liebespflicht;","norm":"— Er saß bei dir in letzter Liebespflicht;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":185,"orig":"Noch eine Nacht, noch eine war gegeben!","norm":"Noch eine Nacht, noch eine war gegeben!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":186,"orig":"Auch die verrann; dann kam das Morgenlicht.","norm":"Auch die verrann; dann kam das Morgenlicht."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":187,"orig":"Mein guter Mann, wie gerne wollt' ich leben!","norm":"Mein guter Mann, wie gerne wollte ich leben!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":188,"orig":"Er hörte ſtill die ſanften Worte an, Wie ſie ſein Ohr in bangen Pauſen trafen:","norm":"Er hörte still die sanften Worte an, wie sie sein Ohr in bangen Pausen trafen:"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":189,"orig":"Sorg' für das Kind — ich ſterbe, ſüßer Mann.","norm":"Sorg für das Kind — ich sterbe, süßer Mann."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":190,"orig":"Dann halbverſtändlich noch:","norm":"Dann halbverständlich noch:"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":191,"orig":"Nun will ich ſchlafen.","norm":"Nun will ich schlafen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":192,"orig":"Und dann nichts mehr; — du wurdeſt nimmer wach, Dein Auge brach, die Welt ward immer trüber;","norm":"Und dann nichts mehr; — du wurdest nimmer wach, Dein Auge brach, die Welt wurde immer trüber;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":193,"orig":"Der Athem Gottes wehte durch's Gemach, Dein Kind ſchrie auf, und dann warſt du hinüber.","norm":"Der Atem Gottes wehte durchs Gemach, Dein Kind schrie auf, und dann warst du hinüber."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":194,"orig":"Das aber kann ich nicht ertragen, Daß ſo wie ſonſt die Sonne lacht;","norm":"Das aber kann ich nicht ertragen, dass so wie sonst die Sonne lacht;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":195,"orig":"Daß wie in deinen Lebenstagen Die Uhren gehn, die Glocken ſchlagen, Einförmig wechſeln Tag und Nacht;","norm":"Dass wie in deinen Lebenstagen die Uhren gehen, die Glocken schlagen, Einförmig wechseln Tag und Nacht;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":196,"orig":"Daß, wenn des Tages Lichter ſchwanden, Wie ſonſt der Abend uns vereint;","norm":"Dass, wenn des Tages Lichter schwanden, wie sonst der Abend uns vereint;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":197,"orig":"Und daß, wo ſonſt dein Stuhl geſtanden, Schon Andre ihre Plätze fanden, Und nichts dich zu vermiſſen ſcheint; Indeſſen von den Gitterſtäben Die Mondesſtreifen ſchmal und karg In deine Gruft hinunterweben, Und mit geſpenſtiſch trübem Leben Hinwandeln über deinen Sarg.","norm":"Und dass, wo sonst dein Stuhl gestanden, schon andere ihre Plätze fanden, und nichts dich zu vermissen scheint; indessen von den Gitterstäben die Mondesstreifen schmal und karg in deine Gruft hinunterweben, und mit gespenstisch trübem Leben Hinwandeln über deinen Sarg."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":198,"orig":"Sie ſaß in unſrem Mädchenkreiſe, Ein Stern am Frauen-Firmament;","norm":"Sie saß in unserem Mädchenkreise, ein Stern am Frauen-Firmament;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":199,"orig":"Sie ſprach in unſres Volkes Weiſe, Nur leis mit klagendem Accent.","norm":"Sie sprach in unseres Volkes Weise, nur leis mit klagendem Akzent."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":200,"orig":"Du hörteſt niemals heim verlangen Den ſtolzen Mund der ſchönen Frau;","norm":"Du hörtest niemals heimverlangen den stolzen Mund der schönen Frau;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":201,"orig":"Nur auf den ſüdlich blaſſen Wangen Und über der gewölbten Brau Lag noch Granadas Mondenſchimmer, Den ſie vertauſcht um unſern Strand;","norm":"Nur auf den südlich blassen Wangen und über der gewölbten Brau lag noch Granadas Mondschimmer, den sie vertauscht um unseren Strand;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":202,"orig":"Und ihre Augen dachten immer An ihr beglänztes Heimathland.","norm":"Und ihre Augen dachten immer an ihr beglänztes Heimatland."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":203,"orig":"Denn Liebe gleicht der ſcheueſten der Frauen;","norm":"Denn Liebe gleicht der scheuesten der Frauen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":204,"orig":"Ihr eigen Antlitz ſchämt ſie ſich zu ſchauen, Ein Räthſel will ſie bleiben, oder ſterben.","norm":"Ihr eigen Antlitz schämt sie sich zu schauen, ein Rätsel will sie bleiben, oder sterben."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":205,"orig":"Doch wenn der Abend ſtill hernieder gleitet, Dann naht das Reich der zärtlichen Gedanken;","norm":"Doch wenn der Abend still herniedergleitet, dann naht das Reich der zärtlichen Gedanken;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":206,"orig":"Wenn Dämmrung ſüß verwirrend ſich verbreitet, Und alle Formen in einander ſchwanken, Dann irrt die Hand, dann irrt der Mund gar leicht, Und halb gewagt wird Alles ganz erreicht.","norm":"Wenn Dämmerung süß verwirrend sich verbreitet, und alle Formen ineinander schwanken, dann irrt die Hand, dann irrt der Mund gar leicht, und halb gewagt wird alles ganz erreicht."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":207,"orig":"Und plaudernd hing ſie mir am Arm;","norm":"Und plaudernd hing sie mir am Arm;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":208,"orig":"Sie halberſchloſſen nur dem Leben, Ich zwar nicht alt, doch aber dort, Wo uns verläßt die Jugend eben.","norm":"Sie halb erschlossen nur dem Leben, Ich zwar nicht alt, doch aber dort, wo uns verlässt die Jugend eben."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":209,"orig":"Wir wandelten hinauf, hinab Im dämmergrünen Gang der Linden;","norm":"Wir wandelten hinauf, hinab im dämmergrünen Gang der Linden;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":210,"orig":"Sie ſah mich froh und leuchtend an, Sie wußte nicht, es könne zünden;","norm":"Sie sah mich froh und leuchtend an, Sie wusste nicht, es könne zünden;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":211,"orig":"Ihr ahnte keine Möglichkeit, Kein Wort von ſo verwegnen Dingen, Wodurch, es ſelbſt die tiefſte Kluft Verlockend wird zu überſpringen.","norm":"Ihr ahnte keine Möglichkeit, kein Wort von so verwegenen Dingen, Wodurch, es selbst die tiefste Kluft verlockend wird zu überspringen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":212,"orig":"O ſüßes Nichtsthun, an der Liebſten Seite Zu ruhen auf des Bergs beſonnter Kuppe;","norm":"O süßes Nichtstun, an der liebsten Seite zu ruhen auf des Bergs besonnter Kuppe;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":213,"orig":"Bald abwärts zu des Städtchens Häuſergruppe Den Blick zu ſenden, bald in ferne Weite!","norm":"Bald abwärts zu des Städtchens Häusergruppe den Blick zu senden, bald in ferne Weite!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":214,"orig":"O ſüßes Nichtsthun, lieblich ſo gebannt Zu athmen in den neubefreiten Düften;","norm":"O süßes Nichtstun, lieblich so gebannt zu atmen in den neubefreiten Düften;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":215,"orig":"Sich locken laſſen von den Frühlingslüften, Hinab zu ziehn in das beglänzte Land;","norm":"Sich locken lassen von den Frühlingslüften, Hinabzuziehn in das beglänzte Land;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":216,"orig":"Und müßt' er ſterben fern, allein, Er fühlte noch die ſel'ge Stunde, Wo er gelebt an ihrem Munde, Und noch im Tode iſt ſie ſein.","norm":"Und müsste er sterben fern, allein, er fühlte noch die selige Stunde, wo er gelebt an ihrem Munde, und noch im Tode ist sie sein."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":217,"orig":"Nun ſei mir heimlich zart und lieb;","norm":"Nun sei mir heimlich zart und lieb;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":218,"orig":"Setz' deinen Fuß auf meinen nun!","norm":"Setze deinen Fuß auf meinen nun!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":219,"orig":"Mir ſagt es: ich verließ die Welt, Um ganz allein auf dir zu ruhn;","norm":"Mir sagt es: Ich verließ die Welt, um ganz allein auf dir zu ruhen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":220,"orig":"Und dir: o ließe mich die Welt, Und könnt' ich friedlich und allein, Wie deines leichten Fußes jetzt, So deines Lebens Träger ſein!","norm":"Und dir: o ließe mich die Welt, und könnte ich friedlich und allein, wie deines leichten Fußes jetzt, so deines Lebens Träger sein!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":221,"orig":"Schließe mir die Augen beide Mit den lieben Händen zu!","norm":"Schließe mir die Augen beide Mit den lieben Händen zu!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":222,"orig":"Geht doch Alles, was ich leide, Unter deiner Hand zur Ruh'.","norm":"Geht doch alles, was ich leide, unter deiner Hand zur Ruhe."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":223,"orig":"Und wie leiſe ſich der Schmerz Well' um Welle ſchlafen leget, Wie der letzte Schlag ſich reget, Fülleſt du mein ganzes Herz.","norm":"Und wie leise sich der Schmerz Welle um Welle schlafen leget, wie der letzte Schlag sich reget, Füllest du mein ganzes Herz."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":224,"orig":"Hör' mir nicht auf ſolch' Geſchwätze, Liebes Herz, daß wir Poeten Schon genug der Liebeslieder, Ja, zu viel gedichtet hätten.","norm":"Höre mir nicht auf solch Geschwätze, liebes Herz, dass wir Poeten schon genug der Liebeslieder, Ja, zu viel gedichtet hätten."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":225,"orig":"Ach, es ſind ſo kläglich wenig, Denn ich zählte ſie im Stillen, Kaum genug, dein Nadelbüchlein Schicklich damit anzufüllen.","norm":"Ach, es sind so kläglich wenig, denn ich zählte sie im Stillen, kaum genug, dein Nadelbüchlein schicklich damit anzufüllen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":226,"orig":"Lieder, die von Liebe reimen, Kommen Tag für Tage wieder;","norm":"Lieder, die von Liebe reimen, Kommen Tag für Tage wieder;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":227,"orig":"Doch wir zwei Verliebte ſprechen:","norm":"Doch wir zwei Verliebte sprechen:"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":228,"orig":"Du haſt genug der Ruh';","norm":"Du hast genug der Ruhe;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":229,"orig":"Und ſetz' dein zierlich Füßchen Behende in den Schuh!","norm":"Und setze dein zierlich Füßchen Behende in den Schuh!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":230,"orig":"Nun ſchüttle von der Stirne Der Träume blaſſe Spur!","norm":"Nun schüttle von der Stirn der Träume blasse Spur!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":231,"orig":"Das goldene Geſtirne Erleuchtet längſt die Flur.","norm":"Das goldene Gestirne erleuchtet längst die Flur."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":232,"orig":"Die Roſen in deinem Garten Sprangen im Sonnenlicht;","norm":"Die Rosen in deinem Garten sprangen im Sonnenlicht;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":233,"orig":"Sie können kaum erwarten, Daß deine Hand ſie bricht.","norm":"Sie können kaum erwarten, dass deine Hand sie bricht."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":234,"orig":"Vorbei der Tag!","norm":"Vorbei der Tag!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":235,"orig":"Nun laß mich unverſtellt Genießen dieſer Stunde vollen Frieden!","norm":"Nun lass mich unverstellt Genießen dieser Stunde vollen Frieden!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":236,"orig":"Nun ſind wir unſer; von der frechen Welt Hat endlich uns die heilige Nacht geſchieden.","norm":"Nun sind wir unser; von der frechen Welt hat endlich uns die heilige Nacht geschieden."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":237,"orig":"Laß einmal noch, eh' ſich dein Auge ſchließt, Der Liebe Strahl ſich rückhaltlos entzünden;","norm":"Lass einmal noch, ehe sich dein Auge schließt, der Liebe Strahl sich rückhaltlos entzünden;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":238,"orig":"Noch einmal, eh' im Traum' ſie ſich vergißt, Mich deiner Stimme lieben Laut empfinden!","norm":"Noch einmal, ehe im Traum sie sich vergisst, mich deiner Stimme lieben Laut empfinden!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":239,"orig":"Was giebt es mehr?","norm":"Was gibt es mehr?"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":240,"orig":"der ſtille Knabe winkt Zu ſeinem Strande lockender und lieber;","norm":"der stille Knabe winkt zu seinem Strande lockender und lieber;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":241,"orig":"Und wie die Bruſt dir athmend ſchwellt und ſinkt, Trägt uns des Schlummers Welle ſanft hinüber.","norm":"Und wie die Brust dir atmend schwellt und sinkt, trägt uns des Schlummers Welle sanft hinüber."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":242,"orig":"Abends.","norm":"Abends."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":243,"orig":"Auf meinem Schooße ſitzet nun Und ruht der kleine Mann;","norm":"Auf meinem Schoß sitzt nun Und ruht der kleine Mann;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":244,"orig":"Mich ſchauen aus der Dämmerung Die zarten Augen an.","norm":"Mich schauen aus der Dämmerung die zarten Augen an."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":245,"orig":"Er ſpielt nicht mehr, er iſt bei mir, Will nirgend anders ſein;","norm":"Er spielt nicht mehr, er ist bei mir, will nirgend anders sein;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":246,"orig":"Die kleine Seele tritt heraus Und will zu mir herein.","norm":"Die kleine Seele tritt heraus und will zu mir herein."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":247,"orig":"Mein Häwelmann, mein Burſche klein, Du biſt des Hauſes Sonnenſchein;","norm":"Mein Häwelmann, mein Bursche klein, Du bist des Hauses Sonnenschein;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":248,"orig":"Die Vögel ſingen, die Kinder lachen, Wenn deine ſtrahlenden Augen lachen.","norm":"Die Vögel singen, die Kinder lachen, wenn deine strahlenden Augen lachen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":249,"orig":"Es rauſcht, die gelben Blätter fliegen, Am Himmel ſteht ein falber Schein;","norm":"Es rauscht, die gelben Blätter fliegen, am Himmel steht ein falber Schein;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":250,"orig":"Du ſchauerſt leis, und drückſt dich feſter In deines Mannes Arm hinein.","norm":"Du schauerst leis, und drückst dich fester In deines Mannes Arm hinein."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":251,"orig":"Was nun von Halm zu Halme wandelt, Was nach den letzten Blumen greift, Hat heimlich im Vorübergehen Auch dein geliebtes Haupt geſtreift.","norm":"Was nun von Halm zu Halme wandelt, was nach den letzten Blumen greift, hat heimlich im Vorübergehen auch dein geliebtes Haupt gestreift."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":252,"orig":"Doch reißen auch die zarten Fäden, Die warme Nacht auf Wieſen ſpann — Es iſt der Sommer nur, der ſcheidet;","norm":"Doch reißen auch die zarten Fäden, die warme Nacht auf Wiesen spann — es ist der Sommer nur, der scheidet;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":253,"orig":"Was geht denn uns der Sommer an!","norm":"Was geht denn uns der Sommer an!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":254,"orig":"Du legſt die Hand an meine Stirne, Und ſchauſt mir prüfend in's Geſicht;","norm":"Du legst die Hand an meine Stirn, und schaust mir prüfend ins Gesicht;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":255,"orig":"Aus deinen milden Frauenaugen Bricht gar zu melancholiſch Licht.","norm":"Aus deinen milden Frauenaugen bricht gar zu melancholisch Licht."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":256,"orig":"Erloſch auch hier ein Duft, ein Schimmer, Ein Räthſel, das dich einſt bewegt, Daß du in meine Hand gefangen Die freie Mädchenhand gelegt?","norm":"Erlosch auch hier ein Duft, ein Schimmer, ein Rätsel, das dich einst bewegt, dass du in meine Hand gefangen die freie Mädchenhand gelegt?"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":257,"orig":"O ſchaudre nicht!","norm":"O schaudre nicht!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":258,"orig":"Ob auch unmerklich Der ſchönſte Sonnenſchein verrann — Es iſt der Sommer nur, der ſcheidet;","norm":"Ob auch unmerklich der schönste Sonnenschein verrann — es ist der Sommer nur, der scheidet;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":259,"orig":"Was geht denn uns der Sommer an!","norm":"Was geht denn uns der Sommer an!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":260,"orig":"O bleibe treu den Todten, Die lebend du betrübt;","norm":"O bleibe treu den Toten, die lebend du betrübt;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":261,"orig":"O bleibe treu den Todten, Die lebend dich geliebt!","norm":"O bleibe treu den Toten, die lebend dich geliebt!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":262,"orig":"Sie ſtarben, doch ſie blieben Auf Erden weſenlos, Bis allen ihren Lieben Der Tod die Augen ſchloß.","norm":"Sie starben, doch sie blieben auf Erden wesenlos, bis allen ihren Lieben der Tod die Augen schloss."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":263,"orig":"Indeſſen du dich herzlich In Lebensluſt verſenkſt, Wie ſehnen ſie ſich ſchmerzlich, Daß ihrer du gedenkſt!","norm":"Indessen du dich herzlich in Lebenslust versenkst, wie sehnen sie sich schmerzlich, dass ihrer du gedenkst!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":264,"orig":"Sie nahen dir in Liebe, Allein du fühlſt es nicht;","norm":"Sie nahen dir in Liebe, allein du fühlst es nicht;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":265,"orig":"Sie ſchaun dich an ſo trübe, Du aber ſiehſt es nicht.","norm":"Sie schauen dich an so trübe, Du aber siehst es nicht."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":266,"orig":"Die Brücke iſt zerfallen;","norm":"Die Brücke ist zerfallen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":267,"orig":"Nun mühen ſie ſich bang, Ein Liebeswort zu lallen, Das nie hinüber drang.","norm":"Nun mühen sie sich bang, ein Liebeswort zu lallen, das nie hinüberdrang."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":268,"orig":"In ihrem Schattenleben Quält Eins ſie gar zu ſehr:","norm":"In ihrem Schattenleben quält Eins sie gar zu sehr:"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":269,"orig":"Ihr Herz will dir vergeben, Ihr Mund vermag's nicht mehr.","norm":"Ihr Herz will dir vergeben, Ihr Mund vermag es nicht mehr."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":270,"orig":"O bleibe treu den Todten, Die lebend du betrübt;","norm":"O bleibe treu den Toten, die lebend du betrübt;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":271,"orig":"O bleibe treu den Todten, Die lebend dich geliebt!","norm":"O bleibe treu den Toten, die lebend dich geliebt!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":272,"orig":"Ein ſchwaches Stäbchen iſt die Liebe, Das deiner Jugend Rebe trägt, Das wachſend bald der Baum des Lebens Mit ſeinen Aeſten ſelbſt zerſchlägt.","norm":"Ein schwaches Stäbchen ist die Liebe, das deiner Jugend Rebe trägt, das wachsend bald der Baum des Lebens mit seinen Ästen selbst zerschlägt."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":273,"orig":"Und drängteſt du mit ganzer Seele Zu allerinnigſtem Verein, Du wirſt am Ende doch, am Ende Nur auf dir ſelbſt gelaſſen ſein.","norm":"Und drängtest du mit ganzer Seele zu allerinnigstem Verein, Du wirst am Ende doch, am Ende nur auf dir selbst gelassen sein."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":274,"orig":"Und war es auch ein großer Schmerz, Und wär's vielleicht gar eine Sünde, Wenn es noch einmal vor dir ſtünde, Du thät'ſt es noch einmal, mein Herz.","norm":"Und war es auch ein großer Schmerz, und wäre es vielleicht gar eine Sünde, wenn es noch einmal vor dir stünde, Du tätest es noch einmal, mein Herz."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":275,"orig":"Meine ausgelaßne Kleine, Ach, ich kenne ſie nicht mehr;","norm":"Meine ausgelaßne Kleine, Ach, ich kenne sie nicht mehr;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":276,"orig":"Nur mit Tanten und Paſtoren Hat das liebe Herz Verkehr.","norm":"Nur mit Tanten und Pastoren hat das liebe Herz Verkehr."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":277,"orig":"Jene ſüße Himmelsdemuth, Die der Sünder Hoffart ſchilt, Hat das ganze Schelmenantlitz Wie mit grauem Flor verhüllt.","norm":"Jene süße Himmelsdemut, die der Sünder Hoffart scheltet, hat das ganze Schelmenantlitz wie mit grauem Flor verhüllt."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":278,"orig":"Ja, die brennend rothen Lippen Predigen Entſagung euch;","norm":"Ja, die brennend roten Lippen Predigen Entsagung euch;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":279,"orig":"Dieſe gar zu ſchwarzen Augen Schmachten nach dem Himmelreich.","norm":"Diese gar zu schwarzen Augen Schmachten nach dem Himmelreich."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":280,"orig":"Auf die Titianſche Venus Iſt ein Heilgenbild gemalt;","norm":"Auf die Tiziansche Venus ist ein Heiligenbild gemalt;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":281,"orig":"Ach, ich kenne ſie nicht wieder, Die ſo ſchön mit uns gedahlt.","norm":"Ach, ich kenne sie nicht wieder, die so schön mit uns gedahlt."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":282,"orig":"Nirgends mehr für blaue Märchen Iſt ein einzig' Plätzchen leer;","norm":"Nirgends mehr für blaue Märchen ist ein einzig Plätzchen leer;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":283,"orig":"Nur Tractätlein und Asceten Liegen haufenweis umher.","norm":"Nur Traktätlein und Asketen Liegen haufenweise umher."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":284,"orig":"Wahrlich, zum Verzweifeln wär' es — Aber, Schatz, wir wiſſen ſchon, Deinen ganzen Götzenplunder Wirft ein einzger Mann vom Thron.","norm":"Wahrlich, zum Verzweifeln wäre es — Aber, Schatz, wir wissen schon, Deinen ganzen Götzenplunder wirft ein einziger Mann vom Thron."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":285,"orig":"Die Tochter ſpricht:","norm":"Die Tochter spricht:"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":286,"orig":"Ach, die kleine Kaufmannstochter, Wie das Ding ſich immer putzt!","norm":"Ach, die kleine Kaufmannstochter, wie das Ding sich immer putzt!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":287,"orig":"Fehlt nur, daß mit unſer Einem Sie ſich noch vertraulich duzt.","norm":"Fehlt nur, dass mit unsereinem Sie sich noch vertraulich duzt."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":288,"orig":"Setzt ſich, wo wir auch erſcheinen, Wie von ſelber nebenbei;","norm":"Setzt sich, wo wir auch erscheinen, wie von selber nebenbei;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":289,"orig":"Präſidentens könnten meinen, Daß es heiße Freundſchaft ſei.","norm":"Präsidenten könnten meinen, dass es heiße Freundschaft sei."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":290,"orig":"Und es will ſich doch nicht ſchicken, Daß man ſo mit Jeder geht, Seit Papa im Staatskalender In der dritten Claſſe ſteht.","norm":"Und es will sich doch nicht schicken, Dass man so mit Jeder geht, seit Papa im Staatskalender in der dritten Klasse steht."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":291,"orig":"Hat Mama doch auch den Dienſten Anbefohlen klar und hell, Fräulein hießen wir jetzunder, Fräulein, und nicht mehr Mamſell!","norm":"Hat Mama doch auch den Diensten anbefohlen klar und hell, Fräulein hießen wir jetzt, Fräulein, und nicht mehr Mamsell!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":292,"orig":"Ach, ein kleines Bischen adlich, So ein Bischen — glaub', wir ſind's!","norm":"Ach, ein kleines Bisschen adlig, so ein bisschen — glaube, wir sind es!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":293,"orig":"Morgen in der goldnen Kutſche Holt uns ein verwünſchter Prinz!“","norm":"Morgen in der goldenen Kutsche holt uns ein verwünschter Prinz!“"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":294,"orig":"Ein Golem.","norm":"Ein Golem."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":295,"orig":"Ihr ſagt, es ſei ein Kämmerer, Ein ſchöner Staatskalenderer;","norm":"Ihr sagt, es sei ein Kämmerer, ein schöner Staatskalenderer;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":296,"orig":"Doch ſieht denn nicht ein Jeder, Daß er genäht aus Leder?","norm":"Doch sieht denn nicht ein Jeder, dass er genäht aus Leder?"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":297,"orig":"Kommt nur der rechte Regentropf, Und wäſcht die Nummer ihm vom Kopf, So ruft gewiß ein Jeder:","norm":"Kommt nur der rechte Regentropf, und wäscht die Nummer ihm vom Kopf, so ruft gewiss ein Jeder:"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":298,"orig":"Herr Gott, ein Kerl von Leder!","norm":"Herrgott, ein Kerl von Leder!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":299,"orig":"Sie haben wundervoll dinirt;","norm":"Sie haben wundervoll diniert;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":300,"orig":"Warm und behaglich rollt ihr Blut, Voll Menſchenliebe iſt ihr Herz, Sie ſind der ganzen Welt ſo gut!","norm":"Warm und behaglich rollt ihr Blut, voll Menschenliebe ist ihr Herz, Sie sind der ganzen Welt so gut!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":301,"orig":"Sie ſchütteln zärtlich ſich die Hand, Umwandelnd den geleerten Tiſch, Und wünſchen, daß geſegnet ſei Der Wein, der Braten und der Fiſch.","norm":"Sie schütteln zärtlich sich die Hand, umwandelnd den geleerten Tisch, und wünschen, dass gesegnet sei der Wein, der Braten und der Fisch."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":302,"orig":"Die Geiſtlichkeit, die Weltlichkeit, Wie ſie ſo ganz verſtehen ſich!","norm":"Die Geistlichkeit, die Weltlichkeit, wie sie so ganz verstehen sich!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":303,"orig":"Ich glaube, Gott verzeihe mir, Sie lieben ſich herzinniglich.","norm":"Ich glaube, Gott verzeihe mir, Sie lieben sich herzinniglich."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":304,"orig":"Vergangnen Maitag brachte meine Katze Zur Welt ſechs allerliebſte kleine Kätzchen, Maikätzchen, alle weiß mit ſchwarzen Schwänzchen.","norm":"Vergangenen Maitag brachte meine Katze zur Welt sechs allerliebste kleine Kätzchen, Maikätzchen, alle weiß mit schwarzen Schwänzchen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":305,"orig":"Fürwahr, es war ein zierlich Wochenbettchen!","norm":"Fürwahr, es war ein zierlich Wochenbettchen!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":306,"orig":"Die Köchin aber — Köchinnen ſind grauſam, Und Menſchlichkeit wächſt nicht in einer Küche — Die wollte von den Sechſen fünf ertränken, Fünf weiße, ſchwarzgeſchwänzte Maienkätzchen Ermorden wollte dies verruchte Weib.","norm":"Die Köchin aber — Köchinnen sind grausam, und Menschlichkeit wächst nicht in einer Küche — die wollte von den Sechsen fünf ertränken, Fünf weiße, schwarzgeschwänzte Maikätzchen Ermorden wollte dies verruchte Weib."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":307,"orig":"Ich half ihr heim!","norm":"Ich half ihr heim!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":308,"orig":"— der Himmel ſegne Mir meine Menſchlichkeit!","norm":"— der Himmel segne mir meine Menschlichkeit!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":309,"orig":"Die lieben Kätzchen, Sie wuchſen auf und ſchritten binnen Kurzem Erhobenen Schwanzes über Hof und Heerd;","norm":"Die lieben Kätzchen, Sie wuchsen auf und schritten binnen Kurzem erhobenen Schwanzes über Hof und Herd;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":310,"orig":"Ja, wie die Köchin auch ingrimmig drein ſah, Sie wuchſen auf, und Nachts vor ihrem Fenſter Probirten ſie die allerliebſten Stimmchen.","norm":"Ja, wie die Köchin auch ingrimmig dreinsah, Sie wuchsen auf, und Nachts vor ihrem Fenster probierten sie die allerliebsten Stimmchen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":311,"orig":"Ich aber, wie ich ſie ſo wachſen ſahe, Ich pries mich ſelbſt und meine Menſchlichkeit.","norm":"Ich aber, wie ich sie so wachsen sah, Ich pries mich selbst und meine Menschlichkeit."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":312,"orig":"— Ein Jahr iſt um, und Katzen ſind die Kätzchen, Und Maitag iſt's!","norm":"— Ein Jahr ist um, und Katzen sind die Kätzchen, und Maitag ist es!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":313,"orig":"— Wie ſoll ich es beſchreiben, Das Schauſpiel, das ſich jetzt vor mir entfaltet!","norm":"— Wie soll ich es beschreiben, das Schauspiel, das sich jetzt vor mir entfaltet!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":314,"orig":"Mein ganzes Haus, vom Keller bis zum Giebel, Ein jeder Winkel iſt ein Wochenbettchen!","norm":"Mein ganzes Haus, vom Keller bis zum Giebel, ein jeder Winkel ist ein Wochenbettchen!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":315,"orig":"Hier liegt das eine, dort das andre Kätzchen, In Schränken, Körben, unter Tiſch und Treppen, Die Alte gar — nein, es iſt unausſprechlich, Liegt in der Köchin jungfräulichem Bette!","norm":"Hier liegt das eine, dort das andere Kätzchen, in Schränken, Körben, unter Tisch und Treppen, die Alte gar — nein, es ist unaussprechlich, liegt in der Köchin jungfräulichem Bette!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":316,"orig":"Und jede, jede von den ſieben Katzen Hat ſieben, denkt euch!","norm":"Und jede, jede von den sieben Katzen hat sieben, denkt euch!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":317,"orig":"ſieben junge Kätzchen, Maikätzchen, alle weiß mit ſchwarzen Schwänzchen.","norm":"sieben junge Kätzchen, Maikätzchen, alle weiß mit schwarzen Schwänzchen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":318,"orig":"Die Köchin raſ't, ich kann der blinden Wuth Nicht Schranken ſetzen dieſes Frauenzimmers;","norm":"Die Köchin rast, ich kann der blinden Wut nicht Schranken setzen dieses Frauenzimmers;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":319,"orig":"Erſäufen will ſie alle neun und vierzig!","norm":"Ersäufen will sie alle neunundvierzig!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":320,"orig":"Mir ſelber, ach, mir läuft der Kopf davon — O Menſchlichkeit, wie ſoll ich dich bewahren!","norm":"Mir selber, ach, mir läuft der Kopf davon — O Menschlichkeit, wie soll ich dich bewahren!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":321,"orig":"Was fang' ich an mit ſechs und funfzig Katzen!","norm":"Was fange ich an mit sechsundfünfzig Katzen!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":322,"orig":"—","norm":"—"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":323,"orig":"Am Weihnachtſonntag kam er zu mir, In Jack' und Schurzfell und roch nach Bier, Und ſprach zwei Stunden zu meiner Qual Von Zinſen und von Capital;","norm":"Am Weihnachtsonntag kam er zu mir, in Jacke und Schurzfell und roch nach Bier, und sprach zwei Stunden zu meiner Qual von Zinsen und von Kapital;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":324,"orig":"Ein Kerl, vor dem mich Gott bewahr'!","norm":"Ein Kerl, vor dem mich Gott bewahre!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":325,"orig":"Hat keinen Feſttag im ganzen Jahr.","norm":"Hat keinen Festtag im ganzen Jahr."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":326,"orig":"Goldſtrahlen ſchießen über's Dach, Die Hähne krähn den Morgen wach;","norm":"Goldstrahlen schießen übers Dach, die Hähne krähen den Morgen wach;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":327,"orig":"Nun einer hier, nun einer dort, So kräht es nun von Ort zu Ort.","norm":"Nun einer hier, nun einer dort, so kräht es nun von Ort zu Ort."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":328,"orig":"Und in der Ferne ſtirbt der Klang — Ich höre nichts, ich horche lang'.","norm":"Und in der Ferne stirbt der Klang — Ich höre nichts, ich horche lange."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":329,"orig":"Ihr wackern Hähne, krähet doch!","norm":"Ihr wackeren Hähne, krähet doch!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":330,"orig":"Sie ſchlafen immer, immer noch.","norm":"Sie schlafen immer, immer noch."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":331,"orig":"Im Hinterhaus im Flieſenſaal Ueber Urgroßmutters Tiſch und Bänke, Ueber die alten Schatullen und Schränke Wandelt der zitternde Mondenſtrahl.","norm":"Im Hinterhaus im Fliesensaal über Urgroßmutters Tisch und Bänke, über die alten Schatullen und Schränke Wandelt der zitternde Mondstrahl."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":332,"orig":"Vom Wald kommt der Wind, Und fährt an die Scheiben;","norm":"Vom Wald kommt der Wind, und fährt an die Scheiben;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":333,"orig":"Und geſchwind, geſchwind Schwatzt er ein Wort, Und dann wieder fort Zum Wald über Föhren und Eiben.","norm":"Und geschwind, geschwind schwatzt er ein Wort, und dann wieder fort zum Wald über Föhren und Eiben."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":334,"orig":"Da wird auch das alte verzauberte Holz Da drinnen lebendig;","norm":"Da wird auch das alte verzauberte Holz da drinnen lebendig;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":335,"orig":"Wie ſonſt im Walde will es ſtolz Die Kronen ſchütteln unbändig, Mit den Aeſten greifen hinaus in die Nacht, Mit dem Sturm ſich ſchaukeln in brauſender Jagd, Mit den Blättern im Uebermuth rauſchen;","norm":"Wie sonst im Walde will es stolz die Kronen schütteln unbändig, mit den Ästen greifen hinaus in die Nacht, mit dem Sturm sich schaukeln in brausender Jagd, mit den Blättern im Übermut rauschen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":336,"orig":"Beim Tanz im Flug Durch Wolkenzug Mit dem Mondlicht ſilberne Blicke tauſchen.","norm":"Beim Tanz im Flug durch Wolkenzug mit dem Mondlicht silberne Blicke tauschen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":337,"orig":"Da müht ſich der Lehnſtuhl die Arme zu recken, Den Roccocofuß will das Kanapee ſtrecken, In der Kommode die Schubfächer drängen Und wollen die roſtigen Schlöſſer ſprengen;","norm":"Da müht sich der Lehnstuhl die Arme zu recken, den Rokokofuß will das Kanapee strecken, in der Kommode die Schubfächer drängen und wollen die rostigen Schlösser sprengen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":338,"orig":"Der Eichſchrank unter dem kleinen Troß Steht da, ein finſterer Koloß.","norm":"Der Eichschrank unter dem kleinen Tross steht da, ein finsterer Koloss."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":339,"orig":"Traumhaft regt er die Klauen an, Ihm zuckt's in der verlornen Krone;","norm":"Traumhaft regt er die Klauen an, ihm zuckt es in der verlorenen Krone;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":340,"orig":"Doch bricht er nicht den ſchweren Bann.","norm":"Doch bricht er nicht den schweren Bann."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":341,"orig":"Und draußen pfeift ihm der Wind zum Hohne, Und fährt an die Läden und rüttelt mit Macht, Bläſ't durch die Ritzen, grunzt und lacht, Schmeißt die Fledermäuſe, die kleinen Geſpenſter Klitſchend gegen die raſſelnden Fenſter.","norm":"Und draußen pfeift ihm der Wind zum Hohne, und fährt an die Läden und rüttelt mit Macht, bläst durch die Ritzen, grunzt und lacht, schmeißt die Fledermäuse, die kleinen Gespenster Klitschend gegen die rasselnden Fenster."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":342,"orig":"Die glupen dumm neugierig hinein — Da drinn' ſteht voll der Mondenſchein.","norm":"Die glupen dumm neugierig hinein — da drinnen steht voll der Mondenschein."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":343,"orig":"Aber droben im Haus Im behaglichen Zimmer Beim Sturmgebraus Saßen und ſchwatzten die Alten noch immer, Nicht hörend, wie drunten die Saalthür ſprang, Wie ein Klang war erwacht Aus der lautloſen Nacht, Der ſchollernd drang Ueber Trepp' und Gang, Daß dran in der Kammer die Kinder mit Schrecken Auffuhren und ſchlüpften unter die Decken.","norm":"Aber droben im Haus im behaglichen Zimmer beim Sturmgebraus saßen und schwatzten die Alten noch immer, nicht hörend, wie drunten die Saaltür sprang, wie ein Klang war erwacht aus der lautlosen Nacht, der schollernd drang über Treppe und Gang, dass drin in der Kammer die Kinder mit Schrecken auffuhren und schlüpften unter die Decken."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":344,"orig":"Fragment.","norm":"Fragment."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":345,"orig":"Durch einen Nachbarsgarten ging der Weg, Wo blaue Schleh'n im tiefen Graſe ſtanden;","norm":"Durch einen Nachbarsgarten ging der Weg, wo blaue Schlehen im tiefen Grase standen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":346,"orig":"Dann durch die Hecke über ſchmalen Steg Auf eine Wieſe, die an allen Randen Ein hoher Zaun vielfarbgen Laub's umzog;","norm":"Dann durch die Hecke über schmalen Steg auf eine Wiese, die an allen Randen ein hoher Zaun vielfarbigen Laubs umzog;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":347,"orig":"Buſcheichen unter wilden Roſenbüſchen, Um die ſich frei die Geißblattranke bog, Brombeergewirr und Hülſendorn dazwiſchen;","norm":"Buscheichen unter wilden Rosenbüschen, um die sich frei die Geißblattranke bog, Brombeergewirr und Hülsendorn dazwischen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":348,"orig":"Vorbei an Farrenkräutern wob der Eppich Entlang des Walles ſeinen dunklen Teppich.","norm":"Vorbei an Farnkräutern wob der Eppich entlang des Walles seinen dunklen Teppich."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":349,"orig":"Und vorwärts ſchreitend ſtörte bald mein Tritt Die Biene auf, die um die Diſtel ſchwärmte, Bald hörte ich, wie durch die Gräſer glitt Die Schlange, die am Sonnenſtrahl ſich wärmte.","norm":"Und vorwärtsschreitend störte bald mein Tritt die Biene auf, die um die Distel schwärmte, bald hörte ich, wie durch die Gräser glitt die Schlange, die am Sonnenstrahl sich wärmte."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":350,"orig":"Sonſt war es kirchenſtill in alle Weite, Kein Vogel hörbar; nur an meiner Seite Sprang ſchnaufend ab und zu des Oheims Hund;","norm":"Sonst war es kirchenstill in alle Weite, kein Vogel hörbar; nur an meiner Seite sprang schnaufend ab und zu des Oheims Hund;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":351,"orig":"Denn nicht allein wär' ich um ſolche Zeit Gegangen zum entlegnen Waldesgrund;","norm":"Denn nicht allein wäre ich um solche Zeit gegangen zum entlegenen Waldesgrund;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":352,"orig":"Mir graute vor der Mittagseinſamkeit.","norm":"Mir graute vor der Mittagseinsamkeit."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":353,"orig":"— Heiß war die Luft, und alle Winde ſchliefen;","norm":"— Heiß war die Luft, und alle Winde schliefen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":354,"orig":"Und vor mir lag ein ſonnig offner Raum, Wo quer hindurch ſchutzlos die Steige liefen.","norm":"Und vor mir lag ein sonnig offener Raum, wo quer hindurch schutzlos die Steige liefen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":355,"orig":"Wohl hatt' ich's ſauer und ertrug es kaum;","norm":"Wohl hatte ich es sauer und ertrug es kaum;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":356,"orig":"Doch raſcher ſchreitend überwand ich's bald.","norm":"Doch rascher schreitend überwand ich es bald."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":357,"orig":"Dann war ein Bach, ein Wall zu überſpringen, Dann noch ein Steg, und vor mir lag der Wald, In dem ſchon herbſtlich roth die Blätter hingen.","norm":"Dann war ein Bach, ein Wall zu überspringen, dann noch ein Steg, und vor mir lag der Wald, in dem schon herbstlich rot die Blätter hingen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":358,"orig":"Und drüber her, hoch in der blauen Luft, Stand beuteſüchtig ein gewaltger Weih', Die Flügel ſchlagend durch den Sonnenduft;","norm":"Und drüberher, hoch in der blauen Luft, Stand beutesüchtig ein gewaltiger Weih, die Flügel schlagend durch den Sonnenduft;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":359,"orig":"Tief aus der Holzung ſcholl des Hähers Schrei.","norm":"Tief aus der Holzung scholl des Hähers Schrei."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":360,"orig":"Himbeerenduft und Tannenharzgeruch Quoll mir entgegen ſchon auf meinem Wege, Und dort im Walle ſchimmerte der Bruch, Durch den ich meinen Pfad nahm in's Gehege.","norm":"Himbeerenduft und Tannenharzgeruch quoll mir entgegen schon auf meinem Wege, und dort im Walle schimmerte der Bruch, durch den ich meinen Pfad nahm ins Gehege."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":361,"orig":"Schon ſtreckten dort gleich Säulen der Kapelle An's Laubgewölb' die Tannenſtämme ſich;","norm":"Schon streckten dort gleich Säulen der Kapelle ans Laubgewölbe die Tannenstämme sich;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":362,"orig":"Dann war's erreicht, und wie an Kirchenſchwelle Umſchauerte die Schattenkühle mich.","norm":"Dann war es erreicht, und wie an Kirchenschwelle Umschauerte die Schattenkühle mich."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":363,"orig":"Im Zimmer drinnen iſt's ſo ſchwül;","norm":"Im Zimmer drinnen ist es so schwül;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":364,"orig":"Der Kranke liegt auf dem heißen Pfühl.","norm":"Der Kranke liegt auf dem heißen Pfühl."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":365,"orig":"Im Fieber hat er die Nacht verbracht;","norm":"Im Fieber hat er die Nacht verbracht;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":366,"orig":"Sein Herz iſt müde, ſein Auge verwacht.","norm":"Sein Herz ist müde, sein Auge verwacht."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":367,"orig":"Er lauſcht auf der Stunden rinnenden Sand;","norm":"Er lauscht auf der Stunden rinnenden Sand;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":368,"orig":"Er hält die Uhr in der weißen Hand.","norm":"Er hält die Uhr in der weißen Hand."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":369,"orig":"Er zählt die Schläge, die ſie pickt, Er forſchet, wie der Weiſer rückt;","norm":"Er zählt die Schläge, die sie pickt, er forschet, wie der Weiser rückt;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":370,"orig":"Es fragt ihn, ob er noch leb' vielleicht, Wenn der Weiſer die ſchwarze Drei erreicht.","norm":"Es fragt ihn, ob er noch lebe vielleicht, wenn der Weiser die schwarze Drei erreicht."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":371,"orig":"Die Wartfrau ſitzt geduldig dabei, Harrend bis Alles vorüber ſei.","norm":"Die Wartfrau sitzt geduldig dabei, harrend bis alles vorüber sei."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":372,"orig":"— Schon auf dem Herzen drückt ihn der Tod Und draußen dämmert das Morgenroth;","norm":"— Schon auf dem Herzen drückt ihn der Tod und draußen dämmert das Morgenrot;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":373,"orig":"An die Fenſter klettert der Frühlingstag, Mädchen und Vögel werden wach.","norm":"An die Fenster klettert der Frühlingstag, Mädchen und Vögel werden wach."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":374,"orig":"Die Erde lacht in Liebesſchein, Pfingſtglocken läuten daß Brautfeſt ein;","norm":"Die Erde lacht in Liebesschein, Pfingstglocken läuten dass Brautfest ein;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":375,"orig":"Singende Burſche ziehn über's Feld Hinein in die blühende, klingende Welt.","norm":"Singende Bursche ziehen übers Feld hinein in die blühende, klingende Welt."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":376,"orig":"— Und immer ſtiller wird es drin;","norm":"— Und immer stiller wird es drin;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":377,"orig":"Die Alte tritt zum Kranken hin.","norm":"Die Alte tritt zum Kranken hin."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":378,"orig":"Der hat die Hände gefaltet dicht;","norm":"Der hat die Hände gefaltet dicht;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":379,"orig":"Sie zieht ihm das Laken über's Geſicht.","norm":"Sie zieht ihm das Laken übers Gesicht."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":380,"orig":"Dann geht ſie fort.","norm":"Dann geht sie fort."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":381,"orig":"Stumm wird's und leer;","norm":"Stumm wird es und leer;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":382,"orig":"Und drinnen wacht kein Auge mehr.","norm":"Und drinnen wacht kein Auge mehr."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":383,"orig":"Und aus der Erde ſchauet nur Alleine noch Schneeglöckchen;","norm":"Und aus der Erde schauet nur alleine noch Schneeglöckchen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":384,"orig":"So kalt, ſo kalt iſt noch die Flur, Es friert im weißen Röckchen.","norm":"So kalt, so kalt ist noch die Flur, es friert im weißen Röckchen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":385,"orig":"Die Kinder ſchreien Vivat hoch!","norm":"Die Kinder schreien Vivat hoch!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":386,"orig":"In die blaue Luft hinein;","norm":"In die blaue Luft hinein;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":387,"orig":"Den Frühling ſetzen ſie auf den Thron, Der ſoll ihr König ſein.","norm":"Den Frühling setzen sie auf den Thron, der soll ihr König sein."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":388,"orig":"Schon in's Land der Pyramiden Flohn die Störche über's Meer;","norm":"Schon ins Land der Pyramiden flohen die Störche übers Meer;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":389,"orig":"Schwalbenflug iſt längſt geſchieden, Auch die Lerche ſingt nicht mehr.","norm":"Schwalbenflug ist längst geschieden, auch die Lerche singt nicht mehr."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":390,"orig":"Seufzend in geheimer Klage Streift der Wind das letzte Grün;","norm":"Seufzend in geheimer Klage Streift der Wind das letzte Grün;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":391,"orig":"Und die ſüßen Sommertage Ach ſie ſind dahin, dahin!","norm":"Und die süßen Sommertage ach sie sind dahin, dahin!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":392,"orig":"Nebel hat den Wald verſchlungen, Der dein ſtillſtes Glück geſehn;","norm":"Nebel hat den Wald verschlungen, der dein stillstes Glück gesehen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":393,"orig":"Ganz in Duft und Dämmerungen Will die ſchöne Welt vergehn.","norm":"Ganz in Duft und Dämmerungen will die schöne Welt vergehen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":394,"orig":"Nur noch einmal bricht die Sonne Unaufhaltſam durch den Duft, Und ein Strahl der alten Wonne Rieſelt über Thal und Kluft.","norm":"Nur noch einmal bricht die Sonne unaufhaltsam durch den Duft, und ein Strahl der alten Wonne rieselt über Tal und Kluft."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":395,"orig":"Und es leuchten Wald und Haide, Daß man ſicher glauben mag, Hinter allem Winterleide Lieg' ein ferner Frühlingstag.","norm":"Und es leuchten Wald und Heide, Dass man sicher glauben mag, hinter allem Winterleide Liege ein ferner Frühlingstag."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":396,"orig":"Die Senſe rauſcht, die Aehre fällt, Die Thiere räumen ſcheu das Feld, Der Menſch begehrt die ganze Welt.","norm":"Die Sense rauscht, die Ähre fällt, die Tiere räumen scheu das Feld, der Mensch begehrt die ganze Welt."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":397,"orig":"Und ſind die Blumen abgeblüht, So brecht der Aepfel goldne Bälle;","norm":"Und sind die Blumen abgeblüht, so brecht der Äpfel goldene Bälle;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":398,"orig":"Hin iſt die Zeit der Schwärmerei, So ſchätzt nun endlich das Reelle!","norm":"Hin ist die Zeit der Schwärmerei, so schätzt nun endlich das Reelle!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":399,"orig":"Sonnenſchein auf grünem Raſen, Krokus drinnen blau und blaß;","norm":"Sonnenschein auf grünem Rasen, Krokus drinnen blau und blass;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":400,"orig":"Und zwei Mädchenhände tauchen Blumen pflückend in das Gras.","norm":"Und zwei Mädchenhände tauchen Blumen pflückend in das Gras."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":401,"orig":"Und ein Junge kniet daneben, Gar ein übermüthig Blut, Und ſie ſchaun ſich an und lachen — O wie kenn' ich ſie ſo gut!","norm":"Und ein Junge kniet daneben, Gar ein übermütig Blut, und sie schauen sich an und lachen — O wie kenne ich sie so gut!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":402,"orig":"Hinter jenen Tannen war es, Jene Wieſe ſchließt es ein, Schöne Zeit der Blumenſträuße, Stiller Sommerſonnenſchein!","norm":"Hinter jenen Tannen war es, jene Wiese schließt es ein, schöne Zeit der Blumensträuße, stiller Sommersonnenschein!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":403,"orig":"Bedenk' es wohl, eh' du ſie taufſt!","norm":"Bedenk es wohl, ehe du sie taufst!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":404,"orig":"Bedeutſam ſind die Namen;","norm":"Bedeutsam sind die Namen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":405,"orig":"Und faſſe mir dein liebes Bild Nun in den rechten Rahmen.","norm":"Und fasse mir dein liebes Bild nun in den rechten Rahmen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":406,"orig":"Denn ob der Nam' den Menſchen macht, Ob ſich der Menſch den Namen, Das iſt, weßhalb mir oft, mein Freund, Beſcheidene Zweifel kamen;","norm":"Denn ob der Name den Menschen macht, ob sich der Mensch den Namen, das ist, weshalb mir oft, mein Freund, bescheidene Zweifel kamen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":407,"orig":"Eins aber weiß ich ganz gewiß, Bedeutſam ſind die Namen!","norm":"Eins aber weiß ich ganz gewiss, bedeutsam sind die Namen!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":408,"orig":"So ſchickt für Mädchen Lisbeth ſich, Eliſabeth für Damen;","norm":"So schickt für Mädchen Lisbeth sich, Elisabeth für Damen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":409,"orig":"Auch fing ſich oft ein Freier ſchon, Dem Fiſchlein gleich am Hamen, An einem ambraduftigem, Klanghaftem Mädchennamen.","norm":"Auch fing sich oft ein Freier schon, dem Fischlein gleich am Hamen, an einem ambraduftigem, Klanghaftem Mädchennamen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":410,"orig":"An regentrüben Sommertagen, Wenn Luft und Fluth zuſammenragen Und ohne Regung ſchläft die See, Dann ſteht an unſerm grauen Strande Das Wunder aus dem Morgenlande, Morgane, die berufne Fee.","norm":"An regentrüben Sommertagen, wenn Luft und Flut zusammenragen und ohne Regung schläft die See, dann steht an unserem grauen Strande das Wunder aus dem Morgenlande, Morgane, die berufene Fee."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":411,"orig":"Argliſtig halb und halb von Sinne, Verſchmachtend nach dem Kelch der Minne, Der ſtets an ihrem Mund verſiegt, Umgaukelt ſie des Wandrers Pfade, Und lockt ihn an ein Scheingeſtade, Das in des Todes Reichen liegt.","norm":"Arglistig halb und halb von Sinne, verschmachtend nach dem Kelch der Minne, der stets an ihrem Mund versiegt, Umgaukelt sie des Wandrers Pfade, und lockt ihn an ein Scheingestade, das in des Todes Reichen liegt."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":412,"orig":"Von ihrem Zauberſpiel geblendet Ruht manches Haupt in Nacht gewendet Begraben in der Wüſte Schlucht;","norm":"Von ihrem Zauberspiel geblendet ruht manches Haupt in Nacht gewendet Begraben in der Wüste Schlucht;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":413,"orig":"Denn ihre Liebe iſt Verderben, Ihr Hauch iſt Gift, ihr Kuß iſt Sterben, Die ſchönen Augen ſind verflucht.","norm":"Denn ihre Liebe ist Verderben, Ihr Hauch ist Gift, ihr Kuss ist Sterben, die schönen Augen sind verflucht."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":414,"orig":"So ſteht ſie jetzt im hohen Norden An unſres Meeres dunkeln Borden, So ſchreibt ſie fingernd in den Dunſt;","norm":"So steht sie jetzt im hohen Norden an unseres Meeres dunklen Borden, so schreibt sie fingernd in den Dunst;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":415,"orig":"Und quellend aus den luftgen Spuren Erſtehn in dämmernden Conturen Die Bilder ihrer argen Kunſt.","norm":"Und quellend aus den luftigen Spuren Erstehn in dämmernden Konturen die Bilder ihrer argen Kunst."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":416,"orig":"Doch hebt ſich nicht wie dort im Süden Auf roſigen Karyatiden Ein Wundermärchenſchloß in's Blau;","norm":"Doch hebt sich nicht wie dort im Süden auf rosigen Karyatiden ein Wundermärchenschloss ins Blau;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":417,"orig":"Nur eines Haubergs graues Bildniß Schwimmt einſam in der Nebelwildniß, Und keinen lockt der Hexenbau.","norm":"Nur eines Haubergs graues Bildnis schwimmt einsam in der Nebelwildnis, und keinen lockt der Hexenbau."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":418,"orig":"Bald wechſelt ſie die dunkle Küſte Mit Libyens ſonnengelber Wüſte Und mit der Tropenwälder Duft;","norm":"Bald wechselt sie die dunkle Küste mit Libyens sonnengelber Wüste und mit der Tropenwälder Duft;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":419,"orig":"Dann bläſ't ſie lachend durch die Hände, Dann ſchwankt das Haus, und Fach und Wände Verrinnen quirlend in die Luft.","norm":"Dann bläst sie lachend durch die Hände, dann schwankt das Haus, und Fach und Wände Verrinnen quirlend in die Luft."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":420,"orig":"Es war daheim auf unſrem Meeresdeich;","norm":"Es war daheim auf unserem Meeresdeich;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":421,"orig":"Ich ließ den Blick am Horizonte gleiten, Zu mir herüber ſcholl verheißungsreich Mit vollem Klang das Oſterglockenläuten.","norm":"Ich ließ den Blick am Horizonte gleiten, zu mir herüber scholl verheißungsreich mit vollem Klang das Osterglockenläuten."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":422,"orig":"Wie brennend Silber funkelte das Meer, Die Inſeln ſchwammen auf dem hohen Spiegel, Die Möven ſchoſſen blendend hin und her, Eintauchend in die Fluth die weißen Flügel.","norm":"Wie brennend Silber funkelte das Meer, die Inseln schwammen auf dem hohen Spiegel, die Möwen schossen blendend hin und her, eintauchend in die Flut die weißen Flügel."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":423,"orig":"Im tiefen Kooge bis zum Deichesrand War ſammetgrün die Wieſe aufgegangen;","norm":"Im tiefen Koog bis zum Deichsrand war samtgrün die Wiese aufgegangen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":424,"orig":"Der Frühling zog prophetiſch über Land, Die Lerchen jauchzten und die Knoſpen ſprangen.","norm":"Der Frühling zog prophetisch über Land, die Lerchen jauchzten und die Knospen sprangen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":425,"orig":"— Entfeſſelt iſt die urgewaltge Kraft, Die Erde quillt, die jungen Säfte tropfen, Und Alles treibt, und Alles webt und ſchafft, Des Lebens vollſte Pulſe hör' ich klopfen.","norm":"— Entfesselt ist die urgewaltige Kraft, die Erde quillt, die jungen Säfte tropfen, und alles treibt, und alles webt und schafft, des Lebens vollste Pulse höre ich klopfen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":426,"orig":"Der Fluth entſteigt der friſche Meeresduft, Vom Himmel ſtrömt die goldne Sonnenfülle;","norm":"Der Flut entsteigt der frische Meeresduft, vom Himmel strömt die goldene Sonnenfülle;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":427,"orig":"Der Frühlingswind geht klingend durch die Luft Und ſprengt im Flug des Schlummers letzte Hülle.","norm":"Der Frühlingswind geht klingend durch die Luft und sprengt im Flug des Schlummers letzte Hülle."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":428,"orig":"O wehe fort, bis jede Knoſpe bricht, Daß endlich uns ein ganzer Sommer werde;","norm":"O wehe fort, bis jede Knospe bricht, dass endlich uns ein ganzer Sommer werde;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":429,"orig":"Entfalte dich, du gottgebornes Licht, Und wanke nicht, du feſte Heimatherde!","norm":"Entfalte dich, du gottgeborenes Licht, und wanke nicht, du feste Heimaterde!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":430,"orig":"— Hier ſtand ich oft, wenn in Novembernacht Aufgohr das Meer zu giſchtbeſtäubten Hügeln, Wenn in den Lüften war der Sturm erwacht, Die Kappe peitſchend mit den Geierflügeln.","norm":"— Hier stand ich oft, wenn in Novembernacht Aufgor das Meer zu gischtbestäubten Hügeln, wenn in den Lüften war der Sturm erwacht, die Kappe peitschend mit den Geierflügeln."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":431,"orig":"Und jauchzend ließ ich an der feſten Wehr Den Wellenſchlag die grimmen Zähne reiben;","norm":"Und jauchzend ließ ich an der festen Wehr den Wellenschlag die grimmen Zähne reiben;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":432,"orig":"Denn machtlos, ziſchend ſchoß zurück das Meer — Das Land iſt unſer, unſer ſoll es bleiben!","norm":"Denn machtlos, zischend schoss zurück das Meer — das Land ist unser, unser soll es bleiben!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":433,"orig":"Vorwärts lieber laß uns ſchreiten Durch die deutſchen Nebelſchichten, Als auf alten Träumen reiten Und auf römiſchen Berichten!","norm":"Vorwärts lieber lass uns schreiten durch die deutschen Nebelschichten, als auf alten Träumen reiten und auf römischen Berichten!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":434,"orig":"Denn mir iſt, als ſäh' ich endlich Unter uns ein Bild entfalten;","norm":"Denn mir ist, als sähe ich endlich Unter uns ein Bild entfalten;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":435,"orig":"Dunkel erſt, doch bald verſtändlich Sich erheben die Geſtalten;","norm":"Dunkel erst, doch bald verständlich sich erheben die Gestalten;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":436,"orig":"Hauf' an Haufen im Getümmel, Nun zerriſſen, nun zuſammen;","norm":"Hauf an Haufen im Getümmel, nun zerrissen, nun zusammen;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":437,"orig":"An dem grau verhangnen Himmel Zuckt es wie von tauſend Flammen.","norm":"An dem grauverhangnen Himmel zuckt es wie von tausend Flammen."} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":438,"orig":"Hört ihr, wie die Büchſen knallen?","norm":"Hört ihr, wie die Büchsen knallen?"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":439,"orig":"Wuthgeſchrei durchfegt die Lüfte;","norm":"Wutgeschrei durchfegt die Lüfte;"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":440,"orig":"Und die weißen Nebel wallen, Und die Brüder ſtehn und fallen — Hoher Tag und tiefe Grüfte!","norm":"Und die weißen Nebel wallen, und die Brüder stehen und fallen — hoher Tag und tiefe Grüfte!"} {"basename":"storm_gedichte_1852","par_idx":441,"orig":"Fragment.","norm":"Fragment."}