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VG Schwerin 4. Kammer
Mecklenburg-Vorpommern
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16.05.2017
1
Randnummer 1 Die Klägerin begehrt im Wesentlichen das Wiederaufgreifen der Verwaltungsverfahren bzw. eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Rücknahme von acht bestandskräftigen Anschlussbeitragsbescheiden. A) Randnummer 2 I. Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Mietswohnhaus bebauten Grundstücks in der H.straße q in B., bestehend aus dem Flurstück a der Flur b, Gemarkung B.. Randnummer 3 Mit Bescheid über den Beitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung vom 19. April 2006, Bescheidnummer B2006000146, zog der Beklagte die Klägerin für dieses Grundstück zu einem entsprechenden Beitrag in Höhe von 9.091,82 € heran. Randnummer 4 Nach erfolglosem Vorverfahren hat die Klägerin gegen diesen Bescheid Klage erhoben, die das Gericht mit Urteil vom 13. Juni 2013 (Az. 4 A 1460/12, zuvor 4 A 1021/06) abgewiesen hat. Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern wies die vom erkennenden Gericht zugelassene Berufung mit Urteil vom 1. April 2014 zurück (Az. 1 L 207/13). Die vom OVG zugelassene Revision hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 15. April 2015 zurückgewiesen (Az. 9 C 19.14, juris). Die gegen die Urteile erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Nichtannahmebeschluss vom 3. November 2015 nicht zur Entscheidung angenommen (Az. 1 BvR 1766/15 –, juris). Randnummer 5 II. Die Klägerin ist weiterhin Eigentümerin des Grundstücks in der Straße K. D. Hausnummern … in der Gemeinde W., bestehend aus dem Flurstück c der Flur d, Gemarkung W.. Randnummer 6 Mit Bescheid über den Beitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung vom 19. April 2006, Bescheidnummer B2006000151, zog der Beklagte die Klägerin für dieses Grundstück zu einem entsprechenden Beitrag in Höhe von 4.758,80 € heran. Randnummer 7 Nach erfolglosem Vorverfahren hat die Klägerin gegen diesen Bescheid Klage erhoben, die das Gericht mit Urteil vom 13. Juni 2013 (Az. 4 A 1461/12, zuvor 4 A 1025/06) abgewiesen hat. Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern wies die vom erkennenden Gericht zugelassene Berufung mit Urteil vom 1. April 2014 zurück (Az. 1 L 208/13). Die vom OVG zugelassene Revision hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 15. April 2015 zurückgewiesen (Az. 9 C 20.14). Die gegen die Urteile erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Nichtannahmebeschluss vom 3. November 2015 nicht zur Entscheidung angenommen (Az. 1 BvR 1766/15 oder 1 BvR 1783/15 oder 1 BvR 1815/15, juris). Randnummer 8 III. Die Klägerin ist ebenso Eigentümerin des Grundstücks in der H.straße r in der Gemeinde B., bestehend aus dem Flurstück d der Flur e, Gemarkung B.. Randnummer 9 Mit Bescheid über den Beitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung vom 19. April 2006, Bescheidnummer B2006000147, zog der Beklagte die Klägerin für dieses Grundstück zu einem entsprechenden Beitrag in Höhe von 6.305,04 € heran. Randnummer 10 Nach erfolglosem Vorverfahren hat die Klägerin gegen diesen Bescheid Klage erhoben (Az. 4 A 1022/ 06), die mit einem Verfahrensvergleich gemäß Beschluss vom 15. Februar 2006 beendet wurde. Die Beteiligten vereinbarten, dass die Klägerin so gestellt werde, wie sie im Musterverfahren 4 A 1460/12 (damals 4 A 1021/06) nach dessen rechtskräftigem Abschluss bezüglich der Festsetzung des Anschlussbeitrags für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung der Schmutzwasserbeseitigung gestellt sei. Randnummer 11 IV. Die Klägerin ist außerdem Eigentümerin des Grundstücks in der H.straße s in der Gemeinde B., bestehend aus dem Flurstück f der Flur g, Gemarkung B.. Randnummer 12 Mit Bescheid über den Beitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung vom 19. April 2006, Bescheidnummer B2006000148, zog der Beklagte die Klägerin für dieses Grundstück zu einem entsprechenden Beitrag in Höhe von 3.657,92 € heran. Randnummer 13 Nach erfolglosem Vorverfahren hat die Klägerin gegen diesen Bescheid Klage erhoben (Az. 4 A 1023/ 06), die mit einem Verfahrensvergleich gemäß Beschluss vom 15. Februar 2006 beendet wurde. Die Beteiligten vereinbarten, dass die Klägerin so gestellt werde, wie sie im Musterverfahren 4 A 1460/12 (damals 4 A 1021/06) nach dessen rechtskräftigem Abschluss bezüglich der Festsetzung des Anschlussbeitrags für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung der Schmutzwasserbeseitigung gestellt sei. Randnummer 14 V. Die Klägerin ist darüber hinaus Eigentümerin des Grundstücks in der H.straße t in der Gemeinde B., bestehend aus dem Flurstück h der Flur i, Gemarkung B.. Randnummer 15 Mit Bescheid über den Beitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung vom 19. April 2006, Bescheidnummer B2006000149, zog der Beklagte die Klägerin für dieses Grundstück zu einem entsprechenden Beitrag in Höhe von 28.531,18 € heran. Randnummer 16 Nach erfolglosem Vorverfahren hat die Klägerin gegen diesen Bescheid Klage erhoben (Az. 4 A 1024/ 06), die mit einem Verfahrensvergleich gemäß Beschluss vom 15. Februar 2006 beendet wurde. Die Beteiligten vereinbarten, dass die Klägerin so gestellt werde, wie sie im Musterverfahren 4 A 1460/12 (damals 4 A 1021/06) nach dessen rechtskräftigem Abschluss bezüglich der Festsetzung des Anschlussbeitrags für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung der Schmutzwasserbeseitigung gestellt sei. Randnummer 17 VI. Die Klägerin ist ferner Eigentümerin des Grundstücks in der S.straße u in der heutigen Gemeinde (seit 2004) K.-W., bestehend aus den Flurstücken j und k der Flur l, Gemarkung W. Randnummer 18 Mit Bescheid über den Beitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung vom 24. Oktober 2001, Bescheidnummer B2001000508, zog der Beklagte die Klägerin für dieses Grundstück zu einem entsprechenden Beitrag in Höhe von 34.311,20 DM (= 17.543,04 €) heran. Randnummer 19 Nach erfolglosem Vorverfahren hat die Klägerin gegen diesen Bescheid Klage erhoben (Az. 4 A 1798/02). Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2005 hat der Beklagte den Beitrag auf 15.329,75 € reduziert. Das mit Aufnahme des zuvor ruhend gestellten Verfahrens neue Aktenzeichen der Klage wurde dann 4 A 1613/12. Mit Urteil vom 13. Juni 2013 hat das Gericht das Verfahren im Umfang der übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Das vom erkennenden Gericht zugelassene Berufungsverfahren wurde mit einem Verfahrensvergleich gemäß Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 3. Februar 2014 beendet (Az. 1 L 209/13). Die Beteiligten vereinbarten, dass die Klägerin so gestellt werde, wie sie im Musterverfahren 4 A 1628/12 nach dessen rechtskräftigem Abschluss bezüglich der Festsetzung des Anschlussbeitrags für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung der Schmutzwasserbeseitigung gestellt sei. Randnummer 20 VII. Die Klägerin ist überdies Eigentümerin des Grundstücks in der Straße K. D … in der Gemeinde W., bestehend aus dem Flurstück m der Flur n, Gemarkung W.. Randnummer 21 Mit Bescheid über den Beitrag für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung für die zentrale Schmutzwasserbeseitigung vom 19. April 2006, Bescheidnummer B2006000152, zog der Beklagte die Klägerin für dieses Grundstück zu einem entsprechenden Beitrag in Höhe von 5.319,25 € heran. Randnummer 22 Nach erfolglosem Vorverfahren hat die Klägerin gegen diesen Bescheid Klage erhoben (Az. 4 A 1026/ 06), die mit einem Verfahrensvergleich gemäß Beschluss vom 15. Februar 2006 beendet wurde. Die Beteiligten vereinbarten, dass die Klägerin so gestellt werde, wie sie im Musterverfahren 4 A 1461/12 (damals 4 A 1025/06) nach dessen rechtskräftigem Abschluss bezüglich der Festsetzung des Anschlussbeitrags für die Herstellung der öffentlichen Einrichtung der Schmutzwasserbeseitigung gestellt sei. Randnummer 23 VIII. Die Klägerin ist schließlich auch Eigentümerin des mit einem Mietswohnhaus bebauten Grundstücks in der S.straße …. in (seit 2004) K.-W., eingetragen im Grundbuch von W., Blatt o, bestehend aus dem Flurstück p der Flur q, Gemarkung W. Randnummer 24 Mit Bescheid über einen Anschlussbeitrag vom 24. Oktober 2001, Bescheidnummer B2001000509, zog der Beklagte die Klägerin (mit anderer Bezeichnung) für dieses Grundstück zu einem Schmutzwasseranschlussbeitrag in Höhe von 20.137,60 DM (= 10.296,19 €) heran. Randnummer 25 Nach erfolglosem Vorverfahren hat die Klägerin gegen diesen Bescheid Klage erhoben (4 A 1799/02). Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2005 hat der Beklagte zum einen den Bescheid vom 24. Oktober 2001 dahingehend „konkretisiert“, dass dessen Adressat die Klägerin sei, und zum anderen den Anschlussbeitrag unter Hinweis auf die Satzung vom 3. Dezember 2004 auf 8.997,19 € reduziert. Das mit Aufnahme des zuvor ruhend gestellten Verfahrens neue Aktenzeichen der Klage wurde dann 4 A 1628/12. Mit Urteil vom 13. Juni 2013 hat das Gericht das Verfahren im Umfang der übereinstimmenden Erledigungserklärungen eingestellt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Randnummer 26 Das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern wies die vom erkennenden Gericht zugelassene Berufung mit Urteil vom 1. April 2014 zurück (Az. 1 L 210/13). Die vom OVG zugelassene Revision hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 15. April 2015 zurückgewiesen (Az. 9 C 21.14). Die gegen die Urteile erhobene Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht mit Nichtannahmebeschluss vom 3. November 2015 nicht zur Entscheidung angenommen (Az. 1 BvR 1766/15 oder 1 BvR 1783/15 oder 1 BvR 1815/15, juris). B) Randnummer 27 Mit mehreren anwaltlichen Schreiben vom 10. Juni 2016 beantragte die Klägerin das Wiederaufgreifen der vorgenannten acht Verwaltungsverfahren und die Rücknahme der Anschlussbeitragsbescheide. Randnummer 28 Der Beklagte lehnte die Anträge sinngemäß mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 14. Juni 2016 ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die bestandskräftigen Bescheide rechtmäßig seien, wie die Gerichte übereinstimmend festgestellt hätten. Zweifel des Bundesverwaltungsgerichts an der Verfassungsgemäßheit des § 9 Abs. 3 KAG M-V hätten sich nicht auf die Rechtmäßigkeit der Bescheide ausgewirkt, da diese vor dem 31. Dezember 2008 erlassen worden seien. Randnummer 29 Die von der Klägerin angenommene Änderung der Rechtsprechung gehöre auch nicht zu einem Tatbestand, der nach der Abgabenordnung ein behördliches Ermessen zu einer Änderung oder Aufhebung von Beitragsbescheiden eröffne. Hinzu komme, dass eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu § 9 Abs. 3 KAG M-V auch dann keine Auswirkungen auf bestandskräftige Bescheide habe, wenn diese Norm für verfassungswidrig erklärt werden sollte. Auf § 79 Abs. 2 BVerfGG werde hingewiesen. Randnummer 30 Mit anwaltlichem Schreiben vom 15. Juli 2016 legte die Klägerin gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Zur Begründung verwies sie u. a. darauf, dass sie einen Anspruch auf Aufhebung der rechtswidrigen Anschlussbeitragsbescheide aus § 3 Abs. 1 des Staatshaftungsgesetzes habe. Das im Jahre 2009 aufgehobene Staatshaftungsgesetz bleibe auf einen vor Inkrafttreten des Aufhebungsgesetzes entstandenen Schadensersatzanspruch weiter anwendbar. Alle acht Anschlussbeitragsbescheide seien lange vor dem Jahr 2009 erlassen worden. Randnummer 31 Aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 (Az. 1 BvR 3051/14) zur gleichlautenden Regelung des Kommunalabgabengesetzes Brandenburg sei indes schon jetzt davon auszugehen, dass die damaligen Anschlussbeitragsbescheide rechtswidrig seien. Denn die Regelung des § 9 Abs. 3 KAG M-V sei verfassungswidrig. Randnummer 32 Die Klägerin stellte in diesem Widerspruchsschreiben zugleich Antrag auf Schadensersatz nach dem Staatshaftungsgesetz. Randnummer 33 Der Beklagte wies den Widerspruch mit am 8. August 2016 zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 2. August 2016 zurück. Randnummer 34 Die Klägerin hat am 8. September 2016 Klage erhoben, mit der sie vorträgt: Randnummer 35 Durch Beschluss vom 12. November 2015 habe das Bundesverfassungsgericht eine dem § 9 Abs. 3 KAG M-V gleichlautende Regelung des Kommunalabgabengesetzes Brandenburg für verfassungswidrig erklärt. Es spreche alles dafür, dass auch § 9 Abs. 3 KAG M-V verfassungswidrig sei. Randnummer 36 Dem Beklagten stehe nach § 3 Abs. 1 des Staatshaftungsgesetzes der ehemaligen DDR auch das Recht zu, den Schaden durch Wiederherstellung des Zustandes, der vor dem Schadensfall bestanden habe, auszugleichen. Randnummer 37 Die Bescheide seien ermessensfehlerhaft. Der Beklagte habe die Anträge auf Wiederaufgreifen und auf Rücknahme zurückgewiesen, ohne die zutreffenden Rechtsvorschriften anzuwenden und sein Ermessen auszuüben (Ermessensunterschreitung). Randnummer 38 Die Anwendbarkeit des § 51 VwVfG M-V , die grundsätzlich auch auf Beitragsbescheide anzuwenden sei (VG München, Urt. v. 6. Okt. 2015 - M 16 K 15.2780 -), werde verkannt. § 12 Abs. 1 KAG M-V enthalte keine Generalverweisung auf die Vorschriften der Abgabenordnung, sondern diese seien nur insoweit entsprechend anwendbar, soweit nicht andere Gesetze besondere Vorschriften enthielten. Denn die Abgabenordnung gelte trotz der Verweisung nach der Legaldefinition des § 3 AO nur für Steueransprüche. Da die gesamte Abgabenordnung insbesondere auf Steuern zugeschnitten sei, könne sie – was näher ausgeführt wird – nicht uneingeschränkt für Beitragsbescheide gelten. § 12 Abs. 1 KAG M-V müsse dahingehend verfassungskonform ausgelegt werden, dass nur diejenigen Vorschriften der Abgabenordnung auf Beitragsbescheide entsprechend anwendbar seien, die nicht steuerspezifisch seien, wie insbesondere die §§ 172 ff. AO. Zudem seien aufgrund des bereits hervorgehobenen Gesetzeswortlauts des § 12 Abs. 1 KAG M-V die Vorschriften des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes und die (sinngemäß anwendbaren) Vorschriften der Abgabenordnung nebeneinander anwendbar und insbesondere dann heranzuziehen, wenn Regelungslücken bestünden oder sich die rechtliche Ausgestaltung von rechtlichen Instrumentarien der Abgabenordnung nicht auf Beitragsbescheide übertragen lasse. § 51 VwVfG M-V sei eine besondere Vorschrift eines anderen Gesetzes i. S. des § 12 Abs. 1 KAG M-V. Randnummer 39 Der Beklagte gehe ferner rechtsirrig davon aus, dass eine Rücknahme von Beitragsbescheiden nur aufgrund von § 172 AO möglich sei und übersehe, dass auch § 130 Abs. 1 und 3 AO die Rücknahme rechtswidriger Beitragsbescheide regle. Randnummer 40 Die §§ 130 ff. AO würden hinsichtlich der (mittelbar) streitgegenständlichen Beitragsbescheide auch durch die Regelungen der §§ 172 ff. AO nicht verdrängt. Denn letztere Vorschriften enthielten ein steuerspezifisches Regelungsinstrumentarium, welches auf Beitragsbescheide auch sinngemäß nicht anwendbar sei. Randnummer 41 Im Übrigen könne der Landesgesetzgeber eine vom Bundesverfassungsgericht noch festzustellende Verfassungswidrigkeit des § 9 Abs. 3 KAG M-V nicht dadurch heilen, dass er den Rechtsmangel für unbeachtlich erkläre; § 22 Abs. 3 KAG M-V sei gleichermaßen verfassungswidrig. Dem Gesetzgeber fehle die Kompetenz, für verfassungswidrig erklärte Rechtslagen für „rechtmäßig“ zu erklären. Es werde auf § 31 Abs. 1 und 2 BVerfGG und Art. 31 GG verwiesen. Randnummer 42 Dass nach der Aufhebung des Vorlagebeschlusses eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu § 9 Abs. 3 KAG M-V mit Bindungswirkung nach § 31 BVerfGG jetzt nicht mehr zu erwarten sei, lasse den Anspruch der Klägerin auf ermessensfehlerfreie Entscheidung unberührt, zumal die Aufhebung ebenso wie die Gesetzesänderung erst nach Erlass des angefochtenen Verwaltungsakts erfolgt seien. Randnummer 43 Die Gesetzesänderung könne die Verfassungswidrigkeit des § 9 Abs. 3 (i. V. m. § 12) KAG M-V nicht rückwirkend bis zum Tag des Inkrafttretens der Neufassung am 30. Juli 2016 beseitigen. Andernfalls läge ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vor, Art. 2 Abs. 1, 20 Abs. 3 GG. Die Anträge vom 10. Juni 2016 seien daher jedenfalls als Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung begründet gewesen. Randnummer 44 Durch die mit dem Vorlagebeschluss dokumentierte Änderung der Rechtsprechung habe sich die Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen i. S. von § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG geändert und seien dem Beklagten damit auch Tatsachen bekannt geworden i. S. von § 130 Abs. 3 AO, die die Rücknahme rechtfertigen könnten. Der ablehnende Bescheid und der Widerspruchsbescheid seien rechtswidrig gewesen. Randnummer 45 Der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO bestehe insbesondere auch unabhängig davon, ob die Behörde den begehrten Verwaltungsakt ermessensfehlerfrei hätte ablehnen können. Randnummer 46 § 12 Abs. 2 Ziff. 1 KAG M-V n. F. sei im Übrigen verfassungswidrig und nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vereinbar, nach der der Vorteilsausgleich nicht zeitlich unbegrenzt zulässig sei. Es sei evident, dass allein die neue zeitliche Obergrenze des „§ 169 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 KAG M-V“ (gemeint ist offenbar § 12 Abs. 2 Nr. 1 KAG M-V ) von 20 Jahren nicht mehr mit dieser Rechtsprechung (vom 5. März 2013) in Einklang stehe, nach der bereits zwölf Jahre zu lang seien, wobei ja noch hinzu komme, dass diese Frist frühestens mit Ablauf des 31. Dezember 2000 zu laufen beginne. Der Vorteil könne aber bereits 1990 erlangt worden sei, so dass de facto eine Inanspruchnahme von bis zu 30 Jahren nach Erlangung des Vorteils ermöglicht werde. Dies sei evident verfassungswidrig. Randnummer 47 Werde der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung negiert und habe sie, die Klägerin, keinen Anspruch mehr auf eine solche Bescheidung, hätte sich der Verwaltungsakt infolge der späteren Gesetzesänderung sowie der darauffolgenden Aufhebung des Vorlagebeschlusses „anderweitig erledigt“ i. S. des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO. Denn zum Zeitpunkt der Antragstellung und bei Erlass des angefochtenen Verwaltungsakts habe der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Bescheidung der Anträge auf Wiederaufgreifen und Rücknahme bestanden. Randnummer 48 Das besondere Feststellungsinteresse an dem Hilfsantrag nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ergebe sich zum einen daraus, dass die Klägerin aufgrund des rechtswidrigen, da ermessensfehlerhaften Bescheids vom 14. Juni 2016 ihre Prozessbevollmächtigten mit der Durchführung eines Widerspruchs- und anschließenden Klageverfahrens hätten beauftragen müssen. Diese Kosten wären nicht entstanden, hätte der Beklagte ermessensfehlerfrei entschieden. Randnummer 49 Zum anderen ergebe sich dieses Interesse aus dem Umstand, dass die Klägerin Ansprüche nach dem Staatshaftungsgesetz erhoben habe. Es werde auf dessen § 2 hingewiesen. Randnummer 50 Die Klägerin beantragt, Randnummer 51 den Bescheid des Beklagten vom 14. Juni 2016 und seinen Widerspruchsbescheid vom 2. August 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Anträge auf Wiederaufgreifen der acht Anschlussbeitragsverfahren und auf Rücknahme dieser Bescheide gemäß Klageschrift vom 8. September 2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden, Randnummer 52 hilfsweise, Randnummer 53 festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 14. Juni 2016 und sein Widerspruchsbescheid vom 2. August 2016 rechtswidrig gewesen sind. Randnummer 54 Der Beklagte beantragt, Randnummer 55 die Klage abzuweisen, Randnummer 56 und trägt dazu vor: Randnummer 57 Er sei nicht verpflichtet, die bestandskräftigen Anschlussbeitragsbescheide gegen die Klägerin zurückzunehmen oder die Verfahren wieder aufzugreifen. Dafür existiere keine Rechtsgrundlage. Randnummer 58 Die Unanwendbarkeit des § 51 VwVfG M-V auf Kommunalabgabenverfahren ergebe sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 dieses Gesetzes. In Bayern gelte eine andere Rechtslage. Auch wenn einige Vorschriften der Abgabenordnung und des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes inhaltsgleich seien, so gelte dies für das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG M-V nicht. Randnummer 59 Der Anwendungsbereich der §§ 130, 131 AO sei nicht sonderlich groß, weil die §§ 172 ff. AO als Sonderregelungen für Abgabenbescheide gelten würden. Die §§ 130, 131 AO erfassten nur die „übrigen“ Verwaltungsakte wie z. B. Stundungsbescheide (Aussprung zu § 12 KAG M-V Punkt 35). Auf Beitragsbescheide seien diese Normen nicht anwendbar. Randnummer 60 Eine Aufhebung von kommunalen Abgabenbescheiden, die einer erhöhten Bestandskraft unterlägen, könne allenfalls erfolgen, soweit dies – was hier nicht der Fall sei - sonst gesetzlich zugelassen sei, § 172 Abs. 1 Ziff. 2 lit. d AO, oder gemäß 3 175 AO aufgrund eines Ereignisses, welches Wirkung für die Vergangenheit habe. Randnummer 61 Die Rechtmäßigkeit der hier (mittelbar) streitbefangenen Beitragsbescheide sei bis zum Bundesverwaltungsgericht bestätigt worden. Randnummer 62 Es sei auch kein Ereignis eingetreten, demgemäß die Beitragserhebung in der Vergangenheit nicht zulässig gewesen wäre. Randnummer 63 Die Rechtsprechung in Mecklenburg-Vorpommern zur Frage der Verfassungsgemäßheit des § 9 Abs. 3 KAG M-V habe sich nicht der Rechtsprechung in Brandenburg angeschlossen. Die Rechtslage in Brandenburg unterscheide sich grundlegend von der in Mecklenburg-Vorpommern. Randnummer 64 Das Anschlussbeitragsrecht sei hier durch die Neufassung des Kommunalabgabengesetzes vom 12. April 2005 nicht rückwirkend geändert worden. Randnummer 65 Auch die Änderung des Kommunalabgabengesetzes durch das Gesetz vom 14. Juli 2016 lasse die Beitragserhebung nicht nachträglich entfallen. Gemäß § 12 Abs. 2 Ziff. 1 KAG M-V n. F. sei für Beiträge, auch wenn der tatsächliche Anschluss vor 1990 erfolgt sei, noch keine Verjährung eingetreten. Randnummer 66 Ferner sei ein sich eventuell aus dem Fehlen einer zeitlichen Obergrenze für die Erhebung von kommunalen Beitragen ergebender Rechtsmangel in den Beitragssatzungen gemäß § 22 Abs. 3 KAG M-V n. F. unbeachtlich. Randnummer 67 Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 26. Oktober 2016 zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
0
AG Frankfurt Zivilabteilung
Hessen
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03.04.2018
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Vorn Verfassen eines Tatbestands wurde gemäß § 313a ZPO abgesehen, da gegen das Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben ist.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Entziehungszinsen in Höhe von 4% aus einem Betrag in Höhe von EUR 600,00 vom 24.02.2017 bis 17.05.2017 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Verwaltungsgericht des Saarlandes 6. Kammer
Saarland
0
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15.02.2012
1
Randnummer 1 Der Kläger begehrt die Löschung seiner durch erkennungsdienstliche Maßnahmen erhobenen personenbezogenen Daten. Randnummer 2 Gegen den Kläger wurde seitens der Staatsanwaltschaft B-Stadt unter dem Az. 33 Js 314/06 als Verantwortlichen der Firma … GmbH in A-Stadt wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung sowie unter dem Az. 33 Js 197/09 wegen des Verdachts der verspäteten Insolvenzanmeldung ermittelt. Das Verfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung wurde gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Das Verfahren wegen des Verdachts der verspäteten Insolvenzanmeldung wurde durch Erlass eines rechtskräftigen Strafbefehls des Amtsgerichts B-Stadt vom 27.05.2009 - 123 Cs 33 Js 197/09 (162/09) - abgeschlossen. Der Kläger wurde, weil er es unterlassen hatte, eine Bilanz für das Jahr 2003 aufzustellen und rechtzeitig die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen, zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu jeweils 180 €, zusammen 45.000 €, verurteilt. Im Zusammenhang mit dem zuvor durchgeführten Ermittlungsverfahren wurde der Kläger am 02.05.2007 durch den Beklagten erkennungsdienstlich behandelt. Dabei wurden von ihm Finger- und Handflächenabdrücke sowie Lichtbilder gefertigt. Zur Begründung der erkennungsdienstlichen Behandlung stützte sich der Beklagte darauf, dass es sich bei den vorgeworfenen Tathandlungen um solche der Wirtschaftskriminalität handele, die keine Bagatelldelikte darstellen würden. Allein in Bezug auf die dem Beschuldigten zur Last gelegten Insolvenzdelikte sei von einem Schaden in Höhe von ca. 250.000 € auszugehen. Hinzu träten noch vollendete (111.724 €) und versuchte Steuerhinterziehung (327.257 €). Eine Wiederholungsgefahr ergebe sich aus der Verschleierung der tatsächlichen Firmenverhältnisse, der gezeigten hohen kriminellen Energie insbesondere in der Schlussphase der Gesellschaft und auch bei dem fingierten Edelsteingeschäft, darüber hinaus aus seiner finanziellen Situation, seinem bisherigen Lebensstil sowie den zu erwartenden Konsequenzen aus dem Strafverfahren. Zudem lägen Anhaltspunkte vor, wonach er bei weiteren Gesellschaften (Firma … GmbH, A. GmbH) in ähnlicher Weise verfahre. Bei erneuter Straffälligkeit würden die erkennungsdienstlichen Unterlagen zur Förderung der dann zu führenden Ermittlungen geeignet erscheinen. Denn gerade bei Personen, die im Hintergrund unter Verbergung ihrer tatsächlichen Rolle agierten, könnten die Unterlagen die Ermittlungen wesentlich erleichtern. Mit Schreiben vom 11.12.2007 legte der Kläger Widerspruch gegen die erkennungsdienstliche Behandlung vom 02.05.2007 ein. Nachdem er seitens des Ministeriums für Inneres und Sport darauf hingewiesen wurde, dass ein Widerspruch gegen eine erkennungsdienstliche Behandlung ins Leere laufe, wenn die Maßnahme bereits durchgeführt worden sei, beantragte der Kläger am 06.08.2009, die ihn betreffenden erkennungsdienstlichen Unterlagen zu vernichten. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 25.09.2009 ab. Zur Begründung ist in dem Bescheid ausgeführt, durch den rechtskräftigen Strafbefehl sei belegt, dass der Kläger nicht nur einer Straftat verdächtig gewesen sei, sondern ihm die Taten der Insolvenzvergehen gemäß §§ 64, 84 GmbHG, 283 Abs. 1 Nr. 7 StGB nachgewiesen werden konnten. Die teilweise Verfahrenseinstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO im Bereich der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO mangels Nachweises sei hierbei unerheblich. Eine Speicherung der ED-Daten sei zulässig, wenn wegen der Art, Ausführung und Schwere der Tat und der Persönlichkeit des Betroffenen die Gefahr der Wiederholung bestehe. Die Gefahr der Wiederholung werde nach neuerlicher Prüfung angenommen. Aus dem Strafbefehl ergäben sich keine Anhaltspunkte, die gegen die Annahme der Wiederholungsgefahr vorzubringen wären. Gerade das Verhalten, das auf Verschleierung der Tätigkeiten und Absichten abzielte, rechtfertige die Prognose eines künftigen (strafbaren) Verhaltens. Bei Straftaten, die der Wirtschaftskriminalität zuzurechnen seien, handele es sich in der Regel um Delikte, die auf längere Zeit angelegt seien. Gelinge es den tatsächlich Verantwortlichen, die Zahlungsfähigkeit über Jahre hinweg im Rahmen einer tatsächlichen oder vorgetäuschten wirtschaftlichen Betätigung zu verschleiern, könne dies erst sehr spät festgestellt werden. Die darauf einsetzenden Ermittlungen würden sich aufgrund der Komplexität der Verfahren ebenfalls über längere Zeiträume hinziehen. Auch der Aufbau neuer Firmenstrukturen geschehe in der Regel nicht unmittelbar und zeitnah. Aus diesen Gründen würden die erkennungsdienstlichen Unterlagen zum Zwecke der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung weiterhin benötigt. Randnummer 3 Hiergegen legte der Kläger am 13.10.2009 Widerspruch ein. Diesen begründete er damit, nachdem der Strafbefehl des Amtsgerichts B-Stadt rechtskräftig geworden sei, bestehe zwar kein Rechtsanspruch auf Vernichtung der erkennungsdienstlichen Unterlagen. Es komme aber entscheidend darauf an, ob nach der Sachlage noch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die erkennungsdienstlich behandelte Person künftig strafrechtlich in Erscheinung treten werde. Diese prognostische Prüfung orientiere sich an kriminalistischen Daten, nicht an den - engeren - Normen der StPO. Eine sachverhalts- und persönlichkeitsbezogene Würdigung sei bisher nicht erfolgt. Die bisherigen Begründungsversuche, die über allgemeine Aussagen zur Wirtschaftskriminalität nicht hinausreichten, würden vor allem übersehen, dass die im Strafbefehl genannten Taten aus einer einmaligen personellen, sachlichen und zeitlichen Konstellation kriminologisch zu erklären seien, sein Wiedergutmachungsverhalten im steuerlichen Bereich als verantwortlich einzustufen sei, die im Strafbefehl erwähnten Taten annähernd sechs Jahre zurücklägen und er bei vorher und nachher strafrechtlich unauffälligem Lebenswandel schon seit langer Zeit seine Aktivitäten auf seine von hoher Verantwortung getragenen Aktivitäten im Rahmen seines Ingenieur- und Sachverständigenbüros beschränke. Randnummer 4 Mit Widerspruchsbescheid vom 07.01.2010 wies das Ministerium für Inneres und Europaangelegenheiten den Widerspruch gegen die Ablehnung des Antrags auf Löschung der durch die erkennungsdienstliche Maßnahme erhobenen personenbezogenen Daten zurück. Zur Begründung ist in dem Widerspruchsbescheid ausgeführt, ein Anspruch auf Löschung der erhobenen und gespeicherten Daten wäre dann gegeben, wenn die angeordnete erkennungsdienstliche Behandlung gegen geltendes Recht verstoßen hätte oder die Voraussetzungen für eine weitere Speicherung nicht mehr vorlägen. Rechtsgrundlage für die Anordnung der erkennungsdienstlichen Behandlung sei § 81 b 2. Alt. StPO. Demnach dürften Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen werden, wenn dies für Zwecke des Erkennungsdienstes erforderlich sei. Wesentlich für die Beurteilung der Zulässigkeit erkennungsdienstlicher Behandlungen sei die Wiederholungsgefahr. Das Landeskriminalamt habe in seinem Schreiben vom 25.09.2009 die Annahme der Wiederholungsgefahr bestätigt. Dies beruhe auf der Grundlage der kriminalistischen Erfahrung der Polizei. Auch die Verwaltungsgerichte würden diese Begründung für eine Wiederholungsgefahr anerkennen, es sei denn, es liege ein offensichtlicher Wertungsfehler vor. Sei die Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung rechtmäßig erfolgt und die Wiederholungsgefahr bewiesen, wie dies bei einem klassischen Wiederholungsdelikt wie Steuerhinterziehung der Fall sei, könne es für die Beurteilung eines Löschungsanspruchs nur darauf ankommen, ob die Tatbestandsvoraussetzungen nachträglich weggefallen seien und ob das Interesse des seinerzeit Beschuldigten an der Löschung seiner personenbezogenen Daten das Interesse an der weiteren Speicherung zu Zwecken der Verhinderung und Aufklärung von Straftaten überwiege. Eine so erforderlich werdende Neubewertung der relevanten Speicherungstatbestände setze die Kenntnis der Polizeidienststelle um fundierte neue Aspekte voraus, die einer Speicherung entgegenstünden. Ansonsten erfolge keine Relevanzprüfung, sondern entsprechend § 38 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a SPolG nach zehn Jahren eine Löschung. Die Widerspruchsbegründung bedinge keine rechtliche Neubewertung der weiteren Speicherung personenbezogener Daten des Widerspruchsführers. Die seinerzeit prognostizierte Wiederholungsgefahr und auch die mehrjährige Begehung stünden dem Argument der einmaligen, aus der Situation heraus erklärbaren Delinquenz entgegen. Hier sei aus Sicht der Widerspruchsbehörde auch nicht auszuschließen, dass eine vergleichbare Konstellation wieder zu einem vergleichbaren Handeln führen könne. Das Wohlverhalten alleine könne die seinerzeitige Prognose nicht nachhaltig widerlegen, da es lediglich auf einen Teilaspekt der seinerzeitigen Vorwürfe abstelle und keine Garantie für eine weitere Steuertreue biete. Die im Strafbefehl erwähnten Straftaten lägen zwar in der Zeit annähernd sechs Jahre zurück. Zu bewerten sei jedoch die Prognoseentscheidung des Landeskriminalamtes zu dem Zeitpunkt, als die erkennungsdienstliche Maßnahme angeordnet worden sei. Dies sei am 02.05.2007 erfolgt. Mithin seien zum Zeitpunkt des Antrags auf Löschung vom 06.08.2009 gerade zwei Jahre und drei Monate verstrichen gewesen. In Anbetracht der Anforderungen an die Langfristigkeit der Prognose sei dies sicherlich kein Zeitraum, der bereits per se zwingend die seinerzeitigen Entscheidungsgründe in Frage stelle. Der Hinweis auf den Lebenswandel relativiere sich allein schon durch die vorsätzlichen, über einen längeren Zeitraum begangenen Rechtsverletzungen vor der Einleitung der Strafverfahren. Insofern gehe der Hinweis auf das vorherige strafrechtlich unauffällige Verhalten fehl. Auch die bekundete Beschränkung auf die aktuellen Tätigkeiten vermöge die künftige deliktische Unauffälligkeit nicht überzeugend zu indizieren, jedenfalls nicht derart nachhaltig, dass die auf kriminalistischer Erfahrung beruhende Prognoseentscheidung des Landeskriminalamtes dahinter zurückstehen müsste. Randnummer 5 Mit der am 09.02.2010 bei Gericht eingegangenen Klage verfolgt der Kläger sein Löschungsbegehren weiter. Zur Begründung trägt er vor, eine Notwendigkeit der erkennungsdienstlichen Maßnahmen bestehe nach derzeitiger Sachlage nicht mehr. Es fehle an hinreichenden Anhaltspunkten für die Annahme, dass er gegenwärtig oder künftig mit guten Gründen in den Kreis potentieller Beteiligter an einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung - verglichen mit den in den Anlassverfahren behaupteten Straftaten - einbezogen werden könnte. Entgegen den floskelhaften Wendungen und Thesen des Beklagten könne in concreto allein aus allgemeinen Erfahrungssätzen nicht auf eine Wiederholungsgefahr geschlossen werden. Die „kriminalistische Erfahrung“ sei kein Sammelbecken, aus dem die Wiederholungsgefahr sprudele. Sie müsse sich auf valide wissenschaftliche kriminologische Erkenntnisse stützen. Aussagen über die Gefährlichkeit von Personen seien an verschiedenen Stellen des Strafverfahrens erforderlich, z.B. bei der Strafaussetzung zur Bewährung und im Allgemeinen Maßregelrecht. In der Praxis am Häufigsten dürfte hierbei die Suche nach einer Antwort auf die Frage sein, ob einer Person, die zu einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren verurteilt werde, noch Bewährung gewährt werden könne. Dafür mache das Gesetz in § 56 Abs. 1 Satz 1 StGB unter anderem zur Voraussetzung, dass „zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftat mehr begehen wird.“ Als Faktoren für die Beurteilung dieser Erwartung nenne das Gesetz „die Persönlichkeit des Verurteilten, sein Vorleben, die Umstände seiner Tat, sein Verhalten nach der Tat, seine Lebensverhältnisse und die Wirkungen …, die von der Aussetzung für ihn zu erwarten sind.“ Die genannte Vorschrift lege dem Richter in Form einer Prognose auf, zu prüfen, ob der Verurteilte „keine Straftaten mehr begehen wird“. Das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung sei in Ermangelung der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Insoweit fehle bereits der hinreichende Anlassverdacht. Erst recht scheide mangels Vortat die Annahme einer Wiederholungsgefahr aus. Das Verfahren wegen des Verdachts der Insolvenzvergehen sei durch den Erlass des Strafbefehls abgeschlossen worden. Daraus ergebe sich, dass ihm bei beiden Handlungen über die Rechtsfigur des faktischen Geschäftsführers Unterlassungen zugerechnet worden seien, und zwar deshalb, weil er den bereits verkauften Mantel der GmbH „für eine Übergangszeit“ für seinen „Bereich des Autohandels“ nach außen hin genutzt habe. Im Übrigen habe er nur eine Nebenrolle in der Wirtschaftsstrafsache 33 Js 314/06 eingenommen. Dies werde durch die Tatsache bestätigt, dass er selbst von dem Mitbeschuldigten … um rund 320.000 € betrogen worden sei, wie aus dem Urteil des Landgerichts B-Stadt vom 27.11.2009 hervorgehe. Ihm sei eine günstige Sozialprognose attestiert worden. Die im Strafbefehl erwähnten Taten reichten in die Jahre 2003 und 2004 hinein, lägen also sieben Jahre zurück. Ihm sei ein vorher und nachher strafrechtlich unauffälliger Lebenswandel bescheinigt worden. Er lebe in wirtschaftlich und sozial geordneten Verhältnissen und begrenze seit langer Zeit seine berufliche Tätigkeit auf sein Ingenieur- und Kfz-Sachverständigenbüro. Alles in allem lägen nur prognostisch günstige Faktoren vor. Kriterien, die auch nur entfernt für eine Wiederholungsgefahr sprechen könnten, seien nicht auszumachen. Randnummer 6 Der Kläger beantragt, Randnummer 7 den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 25.09.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2010 zu verpflichten, die durch die erkennungsdienstliche Maßnahme vom 02.05.2007 von ihm erhobenen personenbezogenen Daten zu löschen und die dazugehörigen Unterlagen zu vernichten. Randnummer 8 Der Beklagte beantragt, Randnummer 9 die Klage abzuweisen. Randnummer 10 Zur Begründung bezieht sich der Beklagte auf den angefochtenen Bescheid und auf den Widerspruchsbescheid. Die Voraussetzungen für die Durchführung der erkennungsdienstlichen Behandlung des Klägers hätten vorgelegen. Darüber hinaus seien die Voraussetzungen für die Speicherung seiner personenbezogenen Daten gegeben. Randnummer 11 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten und der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft B-Stadt - 33 (W) Js 197/09 und 33 Js 314/06 - Bezug genommen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
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Hessisches Landesarbeitsgericht 16. Kammer
Hessen
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27.10.2014
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer Kündigungen und einen Auflösungsantrag. Randnummer 2 Der am xxx geborene, verheiratete Kläger ist seit 1. September 2012 bei der Beklagten, die Flugzeugsitze in Stand setzt und regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, tätig. Randnummer 3 Nach § 2 das schriftlichen Arbeitsvertrages der Parteien vom 5. Juli 2012 (Bl. 19-22 d.A.) ist er als Chief of Office of Airworthiness nach den betrieblichen Erfordernissen als Design Engineer und Compliance Verification Engineer im Subpart 21J Betrieb tätig. Randnummer 4 Zu den von der Beklagten vorgenommenen Instandhaltungsmaßnahmen an Flugzeugsitzen gehört auch der Austausch von beschädigten Teilen an diesen. Hierfür bedarf es einer Freigabe durch die Europäische Agentur für Flugsicherheit. Diese erfolgt durch eine Musterzulassung. Voraussetzung hierfür ist, dass es sich bei dem Antragsteller um einen Entwicklungsbetrieb gem. EASA Part 21 Subpart J handelt. Randnummer 5 Um Ersatzteile selbst entwickeln, herstellen und bei der Instandhaltung verwenden zu dürfen unterhielt die Beklagte eine Abteilung, die intern und in § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrags des Klägers als Subpart 21 J bezeichnet wurde. Randnummer 6 Anfang Dezember 2013 beschlossen die Gesellschafter der Beklagten diese Tätigkeit als Entwicklungsbetriebe nur noch bis 31. März 2014 selbst zu erbringen und diese ab 1. April 2014 auf eine Tochtergesellschaft auszulagern. Im Hinblick darauf kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers am 17. Dezember 2013 ordentlich zum 31. März 2014; hiergegen wendet sich der Kläger mit der vorliegenden Klage. Am 28. Januar 2014 wurde die Aa gegründet. Unternehmensgegenstand ist die Erbringung von Ingenieurleistungen und Entwicklungstätigkeiten im Luftfahrtbereich. Alleinige Gesellschafterin ist die Beklagte. Am 25. März 2014 wurde der Kläger mit einem Informationsschreiben nach § 613a Abs. 5 BGB über den Übergang des Teilbetriebs „Subpart 21 J“ von der Beklagten auf die Aa ab 1. April 2014 informiert (Bl. 175ff d.A.). Mit Schreiben vom 25. April 2014 widersprach der Kläger dem Betriebsübergang. Randnummer 7 Nachdem er die Beklagte mit E-Mail vom 30. Dezember 2013 erfolglos zur Zahlung rückständiger Arbeitsvergütung aufgefordert hatte, erstattete der Kläger mit Schreiben vom 20. Januar 2014 (Bl. 95, 96 d.A.) Strafanzeige gegen die Beklagte. Die Beklagte kündigte deshalb das Arbeitsverhältnis der Parteien fristlos, hilfsweise ordentlich mit Schreiben vom 28. Januar 2014 (Bl. 81 d.A.). Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 4. Februar 2014 beim Arbeitsgericht erweiterten Klage. Randnummer 8 Wegen eines weiteren Schreibens an die Staatsanwaltschaft vom 3. Februar 2014 (Bl. 100,101 d.A.) kündigte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 10. Februar 2014 (Bl. 90 d.A.) fristlos hilfsweise ordentlich. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 13. Februar 2014 beim Arbeitsgericht erweiterten Klage. Randnummer 9 Mit einem am 17. Februar 2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag hat die Beklagte die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung, die 7750 € nicht überschreiten sollte, beantragt (Bl. 92-94 d.A.). Zur Begründung führt die Beklagte an, eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit sei nach den Strafanzeigen des Klägers nicht zu erwarten. Zudem habe er das Unternehmen mit einer Anzeige bei der L, einem wichtigen Kunden der Beklagten, an den Rand der Insolvenz gebracht, habe die Beklagte bzw. deren Geschäftsführer erpresst, möglicherweise sogar Insolvenzantrag gestellt und Mitarbeiterinnen bedrängt. Randnummer 10 Wegen der Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der Entscheidung des Arbeitsgerichts (Bl. 119-121R d.A.) Bezug genommen. Randnummer 11 Das Arbeitsgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigungen vom 28. Januar 2014 und 10. Februar 2014 seien unwirksam. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger bei der Erstattung der Strafanzeige wissentlich unwahre oder leichtfertig falsche Angaben gegenüber den Strafermittlungsbehörden gemacht habe. Die ordentliche Kündigung vom 17. Dezember 2013 sei nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt, da nicht erkennbar sei, dass im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung die Prognose gerechtfertigt war, dass das Bedürfnis zur Beschäftigung des Klägers zum Ablauf der Kündigungsfrist am 31. März 2014 entfallen werde. Es sei bereits nicht erkennbar, dass der Arbeitsplatz des Klägers in der Abteilung Konstruktion von der Maßnahme betroffen sei. Der Kläger habe nämlich angeführt, in einer Designabteilung tätig gewesen zu sein. Der Auflösungsantrag sei unbegründet. Es sei nicht ersichtlich, wann und in welcher Form der Kläger dem Kunden L einen Hinweis gegeben habe. Die Strafanzeigen seien durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers gestellt worden. Außerdem sei nicht ersichtlich, dass dies zum Zwecke der Schädigung der Beklagten erfolgt sei. Randnummer 12 Dieses Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 23. April 2014 zugestellt. Er hat dagegen am 16. Mai 2014 Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 23. Juli 2014 am 21. Juli 2014 begründet. Randnummer 13 Soweit der Kläger erstinstanzlich geäußert habe, ihm sei eine „Konstruktionsabteilung“ nicht bekannt, er sei in einer „Designabteilung“ beschäftigt, handele es sich dabei um dieselbe Abteilung. Der Wegfall des Arbeitsplatzes des Klägers bei der Beklagten zum 31. März 2014 sei bei Ausspruch der ordentlichen Kündigung konkret und greifbar gewesen. Die Kündigungen vom 28. Januar 2014 und 10. Februar 2014 seien aufgrund der von seinem Prozessbevollmächtigten erstatteten Strafanzeigen gerechtfertigt. Es habe sich um eine unverhältnismäßige Reaktion auf die zuvor ausgesprochenen Kündigungen und die Nichtzahlung des Gehaltes gehandelt. Durch die Strafanzeigen habe der Kläger die Beklagte bzw. deren Geschäftsführer leichtfertig beschuldigt und das Vertrauensverhältnis in unzumutbarer Weise belastet. Der Kläger hätte die Arbeitsgerichte anrufen müssen, um seine Lohnansprüche geltend zu machen, anstatt Strafanzeige zu erstatten. Die Strafanzeigen seien verfolgt, um Druck auf die Beklagte aufzubauen. Um die Erfüllung seiner staatsbürgerlichen Pflichten sei es dem Kläger zu keinem Zeitpunkt gegangen. Vielmehr habe er eine Zahlungswilligkeit auf Seiten der Beklagten herbeiführen wollen, wohl wissend dass die Ermittlungsbehörden insbesondere bei Steuerhinterziehung immer sehr schnell und heftig Ermittlungen bis hin zu Hausdurchsuchungen und zur Beschlagnahme von Geschäftsunterlagen einleiten. Das Verhalten seines Prozessbevollmächtigten sei dem Kläger zuzurechnen. Die Begründetheit ihres Auflösungsantrags ergebe sich daraus, dass der Kläger sich von den Strafanzeigen nicht distanziert, sondern diese im Gegenteil wenn nicht initiiert so doch zumindest geduldet und dadurch den Geschäftsführer der Beklagten diffamiert habe. Außerdem habe er die Beklagte bei deren größten Auftraggeberin in arge Bedrängnis gebracht und mehrfach mit der Stellung eines Insolvenzantrages gedroht. Daher sei eine den Betriebszwecken dienliche Zusammenarbeit nicht mehr möglich. Randnummer 14 Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 18. März 2014-3 Ca 517/13-teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen, hilfsweise das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, die 7750 € nicht überschreiten sollte, aufzulösen. Randnummer 15 Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 16 Der Kläger verteidigt die Entscheidung des Arbeitsgerichts als zutreffend. Randnummer 17 Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsprotokolle Bezug genommen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 18. März 2014 – 3 Ca 517/13 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Hessisches Finanzgericht 6. Senat
Hessen
1
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25.08.2010
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten um die Gewährung der Steuerbefreiung für die Veranstaltung von Theatervorführungen nach § 4 Nr. 20 lit. b UStG und um die Steuerbarkeit von im Ausland gewährten Verpflegungsleistungen (Hotelrestaurationsleistungen). Die Klägerin ist eine im Handelsregister des Amtsgerichts A unter HRB … eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Unternehmensgegenstand ist die Beratung von Hotels, Reisebüros und sonstigen Interessenten in allen Reiseangelegenheiten, die Buchung und Reservierung von Reisen einschließlich von Ferienwohnungen und aller damit im Zusammenhang stehender Angelegenheiten sowie die Herstellung von Reiseartikeln jeder Art. Als sog. Paketreiseveranstalterin erstellt die Klägerin Reiseprogramme für Busunternehmen und Reisebüros. Zur ihrem Angebotsprogramm zählen Rund- oder Studienreisen, Städte-, Theater- und Festspielreisen, Flugreisen, Flusskreuzfahrten, Pilgerreisen, Incentivereisen sowie Club- und Vereinsfahrten. Wegen der Darstellung des Unternehmens wird auf die Kategorie „X GmbH“ des Internetauftritts der Klägerin unter www….(Stand 12.08.2010) Bezug genommen (Ausdruck Bl. 88 der Klageakte). Randnummer 2 In den Streitjahren bot die Klägerin Reisen nach B verbunden mit dem Besuch einer Theateraufführung in der B Oper an. Bei den Kunden handelte es sich überwiegend um Busreiseunternehmen, die ihre Leistungen gegenüber Endverbrauchern anboten. Wegen des Beispiels einer von der Klägerin aktuell angebotenen Paketreise (mit Auswahlmöglichkeiten bezüglich einzelner Theateraufführungen in der B Oper) bestehend aus zwei Hotelübernachtungen mit Frühstück, einer Eintrittskarte Oper und einer Stadtführung wird auf das auf der Website abrufbare Angebot Bezug genommenen (Ausdruck Bl. 91 der Klageakte). Randnummer 3 Wegen der Gestaltung einer von der Klägerin verkauften Eintrittskarte nebst entsprechender Rechnung wird auf Bl. 112 bis 113 des Sonderbandes Rechtsbehelf § 4 Nr. 20 UStG Bezug genommen. Auf der in den Steuerakten abgelegten Kopie der Eintrittskarte zur Veranstaltung am 05.04.2008 ist das Logo der Oper sowie der Schriftzug „X GmbH präsentiert die Oper B mit ‚Die Zauberflöte’ von Wolfgang Amadeus Mozart“ und der Hinweis „Bitte zeigen Sie die Karte auf Verlangen vor. Es gelten die AGB des Veranstalters“ zu lesen. Auf der Rückseite der Eintrittskarte befinden sich die Werbung dreier Sponsoren sowie die Kontaktdaten des Besucherdienstes der Oper B mit Anschrift, zwei Telefonnummern („Bestellung“ und „Anrecht“), Faxnummer und Emailadresse. Zur Darstellung der von der Klägerin angebotenen Theateraufführung im Spielplan der Oper wird auf die in den Schriftsatz der Klägerin vom 11.07.2008 eingefügten Inhalte Bezug genommen (Bl. 48 der Klageakte). Dort findet sich der Eintrag „ Don Giovanni von Wolfgang Amadeus Mozart, Dramma giocoso in zwei Akten, geschlossene Veranstaltung, X GmbH “ nebst Kontaktdaten der Klägerin (Anschrift, Telefonnummer, Faxnummer und eine Emailadresse). Randnummer 4 Zum Zweck des Bezugs der angebotenen Leistungen schloss die Klägerin mit der Oper B für die jeweiligen Veranstaltungen privatschriftliche Vereinbarungen. Auf die im Verwaltungsverfahren herangezogene Vereinbarung für die Aufführung am 06.11.2004 (Bl. 6 bis 8 des Sonderbandes Rechtsbehelf § 4 Nr. 20 UStG) wird Bezug genommen. Danach „überlässt“ die Oper B der Klägerin die an einem bestimmten Tag stattfindende Vorstellung „als geschlossene Veranstaltung“, wofür die Klägerin der Oper einen Pauschalpreis zahlte. Darin waren Gebühren für Garderobe und Programmhefte nicht enthalten. Sofern seitens der Oper die Besetzung geändert oder aus dringenden Gründen eine Änderung der gesamten Vorstellung notwendig wurde, blieb die getroffene Vereinbarung gleichwohl bestehen. Die Eintrittkarten waren von der Oper zu erstellen und der Klägerin ohne Preisaufdruck auszuhändigen. Die Klägerin konnte die Karten nicht (auch nicht in Kommission) zurückgeben. Ihr war jedoch gestattet, die Karten „in Ausnahmefällen“ und mit Zustimmung der Oper an Einrichtungen weiterzugeben, die kommerziell Karten vertreiben. Maximal eine Stunde vor Beginn der Vorstellung war der Klägerin ein Restkartenverkauf in der Kassenhalle der Oper zu ermöglichen. Bei Ausfall der Vorstellung wegen höherer Gewalt sollten keine Ansprüche bestehen und der von der Klägerin gezahlte Preis zurückgewährt werden. Ergänzend galten die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Oper. Randnummer 5 Bezug genommen wird ferner auf die von der Klägerin im Aussetzungsverfahren 6 V 3503/06 vorgelegten Leistungsübersichten und Endabrechnungen der Klägerin an verschiedene Busreiseunternehmer (Bl. 82 bis 95 der Gerichtsakten des Verfahrens 6 V 3503/06). In diesen Unterlagen kommt dem Verkauf der nach Kategorien eingeteilten Eintrittskarten jeweils eine gesonderte Abrechnungsposition zu. Für organisatorische Fragen stellte die Klägerin vor Ort einen Mitarbeiter bereit, dessen Mobiltelefonnummer den Busreiseunternehmern bekannt war. Aus dem Verkauf der Eintrittskarten für die Aufführungen in der Oper erzielte die Klägerin in 2001 Bruttoentgelte von … DM, in 2002 von … Euro und in 2003 von … Euro. Randnummer 6 Darüber hinaus erbrachte die Klägerin im Rahmen ihrer Paketreiseleistungen in den Streitjahren an andere (Reise-) Unternehmer Restaurationsleistungen (Verpflegungsleistungen) anlässlich von im Ausland arrangierten Hotelübernachtungen. Gemessen an der jeweiligen Gesamtleistung machten diese Verpflegungsleistungen einen Anteil von ca. 4% bis 4,5% des Leistungspreises aus. In ihren für die Streitjahre beim Beklagten (dem Finanzamt, im Folgenden: ‚FA’) abgegebenen Jahresumsatzsteuererklärungen gab die Klägerin die folgenden Besteuerungsgrundlagen nebst hieraus resultierender Umsatzsteuer an, wobei sie eine „Anlage UR“ nur der Steuererklärung für 2003 beifügte, in der sie jedoch zu steuerbefreiten Ausgangsumsätzen ohne Vorsteuerabzug (Zeilen 43 bis 50) gleichwohl keine Angaben machte: Jahr Umsätze zum Regelsteuersatz Vorsteuerbeträge aus Rechnungen Umsatzsteuer 2001 (in DM) ,- 2002 (in Euro) ,- 2003 (in Euro) ,- Randnummer 7 Die Steuererklärungen für 2001, 2002 und 2003 enthielten jedoch eine erläuternde Aufstellung, aus der sich ergab, dass die Klägerin bestimmte Restaurationsumsätze im Rahmen der erklärten Umsätze zum Regelsteuersatz nicht berücksichtigt hatte. Das FA folgte den Angaben der Klägerin für 2001 und 2002 nicht und erließ am 26.06.2003 (für 2001) und am 03.03.2004 (für 2002) von den Steueranmeldungen abweichende Umsatzsteuerjahresbescheide unter Ansatz folgender Besteuerungsgrundlagen und folgender Festsetzung der Umsatzsteuer: Jahr Umsätze zum Regelsteuersatz Vorsteuerbeträge aus Rechnungen Umsatzsteuer 2001 (in DM) 2002 (in Euro) - Randnummer 8 Diese Abweichungen des FA resultierten aus einer Erhöhung der Umsätze zum Regelsteuersatz um die von der Klägerin als im Inland nicht steuerbar behandelten ausländischen Verpflegungs- bzw. Hotelrestaurationsumsätze, die das FA (aus Anlass der Erläuterungen der Klägerin in den Anlagen zur Steuererklärung) für 2001 i.H.v. … DM und für 2002 i.H.v. … Euro ansetzte. Randnummer 9 Gegen die beiden Bescheide legte die Klägerin am 17.07.2003 (für 2001) und 05.04.2004 (für 2002) Einspruch ein. Zur Begründung verwies sie auf ihre gegen die Änderungsbescheide für 1999 und 2000 eingelegten Rechtsbehelfe und führte aus, es handele sich bei den vom FA beanstandeten Leistungen um Leistungen der Hotels für die Gewährung von Abendessen in Verbindung mit einer Übernachtung, die als unselbständige Nebenleistungen zur Übernachtungsleistung nur am Ort des jeweiligen Hotels, d.h. im Ausland steuerbar seien. Hilfsweise sei nur der Mehrwert der Restaurationsleistung als Besteuerungsgrundlage heranzuziehen. Das gelte auch trotz des Umstandes, dass der deutsche Gesetzgeber die sog. Margenbesteuerung nur bei Leistungserbringung an Endverbraucher vorgesehen habe. Die geltende Rechtslage verstoße gegen EU-Recht. Randnummer 10 Vom 21.11.2005 bis zum 13.06.2006 führte das FA für die Streitjahre eine Betriebsprüfung durch. In ihrem abschließenden Bericht vom 26.06.2006 stellte die Betriebsprüfung fest, dass die Klägerin ihre Umsätze aus dem Verkauf von Eintrittskarten für die geschlossenen Veranstaltungen in der B Oper bei der Erstellung ihrer Umsatzsteuererklärungen als nach § 4 Nr. 20 lit. b UStG steuerbefreite Umsätze behandelt hatte. Die Betriebsprüfung vertrat die Auffassung, dass der Tatbestand dieser Befreiungsvorschrift nicht erfüllt sei, da die Klägerin nicht Veranstalterin der Theatervorführungen gewesen sei. Dementsprechend erhöhte sie die steuerpflichtigen Nettoumsätze zum Regelsteuersatz für 2001 um … DM, für 2002 um …,- Euro und für 2003 um … Euro. Randnummer 11 Darüber hinaus vertrat die Betriebsprüfung – wie bereits zuvor das FA in den Änderungsbescheiden für 2001 und 2002 vom 26.06.2003 und 03.03.2004 – die Auffassung, dass die von der Klägerin im Ausland erbrachten Restaurationsumsätze als selbständige sonstige Leistungen nach § 3a Abs. 1 UStG im Inland zu besteuern seien. Über die in den Änderungsbescheiden für 2001 und 2002 bereits berücksichtigten Umsatzerhöhungen hinaus setzte die Betriebsprüfung auf ausländische Restaurationsleistungen entfallende steuerpflichtige Umsätze zum Regelsteuersatz für 2001 von … DM und für 2002 von … Euro an. Hierbei handelte es sich – nach den Erläuterungen des FA in der mündlichen Verhandlung – ausschließlich um im Schätzwege angesetzte Umsätze in Skandinavien, die nicht bereits Gegenstand der Erhöhung durch die vorangegangenen Änderungsbescheide für 2001 und 2002 waren. Randnummer 12 Hinzu kamen weitere Prüfungsfeststellungen zu Sachzuwendungen an Arbeitnehmer, zur Höhe der innergemeinschaftlichen Erwerbe und zur Abzugsfähigkeit verschiedener Vorsteuerbeträge. Sämtliche Feststellungen der Betriebsprüfung wertete das FA in nach § 164 Abs. 2 AO für 2001, 2002 und 2003 geänderten Umsatzsteuerfestsetzungen vom 18.07.2006 unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung aus, in denen es die folgenden Besteuerungsgrundlagen zu Grunde legte und die folgende Umsatzsteuer festsetzte: Jahr Umsätze zum Regelsteuersatz Vorsteuerbeträge aus Rechnungen Umsatzsteuer 2001 (in DM) - 2002 (in Euro) - 2003 (in Euro) - Randnummer 13 Auch im Änderungsbescheid für 2003 berücksichtigte das FA lediglich die sich aus der Betriebsprüfung ergebenden Änderungen der Umsätze zum Regelsteuersatz. Anders als dies für die Jahre 2001 und 2002 bereits mit Bescheiden vom 26.06.2003 und 03.03.2004 geschehen war, erhöhte das FA insoweit die Umsätze für 2003 nicht auch um die von der Klägerin in der Anlage zur Steuererklärung erläuterten Restaurationsumsätze. Da auch die Betriebsprüfung für 2003 keinen Erhöhungsbedarf für im Ausland erbrachte Verpflegungsumsätze gesehen hatte, war Gegenstand der Änderung für 2003 lediglich die Erhöhung der Umsätze zum Regelsteuersatz um die auf die Überlassung der Theaterkarten entfallenden Entgelte abzüglich eines Betrags von 14,- Euro zur Position „Sachzuwendungen an Arbeitnehmer“ (vgl. Tz. 18 des Prüfungsberichts vom 26.06.2006, Bl. 20 des Sonderbandes Betriebsprüfungsberichte). Randnummer 14 Gegen die drei Bescheide vom 18.07.2006 legte die Klägerin am 17.08.2003 Einspruch ein. Die Einsprüche der Klägerin wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 22.10.2007 insgesamt als unbegründet zurück (Bl. 97 bis 102 des Sonderbandes Rechtsbehelf § 4 Nr. 20 UStG), führte dort allerdings nur ihre Rechtsauffassung zur Steuerpflicht der Überlassung von Theaterkarten aus, ohne auf die ebenfalls streitig gebliebene Steuerbarkeit der ausländischen Restaurationsumsätze einzugehen. Randnummer 15 Mit ihrer am 12.11.2007 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Rechtsbegehren weiter. Hinsichtlich der Theateraufführungen in der Oper sei die Klägerin als Veranstalterin i.S.d. § 4 Nr. 20 lit. b UStG anzusehen, weil die Aufführungen insbesondere nach außen als geschlossene Veranstaltungen der Klägerin präsentiert würden und sie für die jeweilige Aufführung das volle wirtschaftliche Vermarktungsrisiko trage. Ferner sei sie für die Einteilung der Sitzplätze und Sitzplatzkategorien allein verantwortlich. Sie sei insoweit weniger mit einem Tickethändler als vielmehr mit einem Tourneeveranstalter zu vergleichen. Im Übrigen würde der Zweck der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 20 lit. b UStG verfehlt, wenn diese bei einer Verlängerung der Leistungskette wie im Streitfall nicht zur Anwendung käme. Hinsichtlich der vom FA angesetzten Restaurationsleistungen trägt die Klägerin vor, dass es hierdurch zu einer unzulässigen Mehrfachbesteuerung desselben Sachverhaltes käme. Das FA habe das Urteil des BFH vom 15.01.2009 (V R 9/06) missachtet, wonach die fraglichen Leistungen als unselbständige Nebenleistungen zur Übernachtungsleistung im Inland nicht steuerbar seien. Randnummer 16 Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 22.10.2007 die angefochtenen Umsatzsteuerfestsetzungen für 2001, 2002 und 2003 dahingehend abzuändern, dass die Umsätze aus der Überlassung von Theaterkarten und Restaurationsumsätze im Ausland in der vom Finanzamt angesetzten Höhe nicht der Besteuerung unterworfen werden. Randnummer 17 Das FA beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 18 Das FA hält an der in der Einspruchsentscheidung vertretenen Rechtsauffassung fest und verweist auf den Beschluss des Senats vom 02.03.2007 über die Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung in dem Verfahren 6 V 3503/06. Zwar trage die Klägerin hinsichtlich der übernommenen Eintrittskarten das volle Vermarktungsrisiko. Da sie jedoch keinerlei weitere organisatorische Maßnahmen zur Realisierung der Theatervorführung treffe, könne sie nicht als Veranstalterin im Sinne der Befreiungsvorschrift angesehen werden. Sie könne weder den Inhalt der Darbietung noch deren Ort und Zeit bestimmen. Die gestalterische Einflussnahme sei ihr verwehrt. Letztlich kaufe die Klägerin ein fertiges Produkt (d.h. eine fertige Veranstaltung) ein. Ihr Wahlrecht beschränke sich auf die Auswahl zwischen einzelnen Aufführungsterminen. Ihre Tätigkeit unterscheide sich nicht von gewöhnlichen Tickethändlern. Nach dem äußeren Gesamteindruck sei allein die Oper B als Veranstalterin der Darbietungen anzusehen, zu der auch die Endverbraucher in einer Rechtsbeziehung gestanden hätten, weil die Eintrittskarten als Inhaberpapiere i.S.d. § 807 BGB anzusehen seien, bei denen das verbriefte Recht nach § 793 Abs. 1 BGB dem jeweiligen Inhaber zustehe und nur durch den Besitz der Urkunde geltend gemacht werden könne. Eine Begünstigung bloßer Tickethändler sei durch § 4 Nr. 20 UStG nicht gewollt. Randnummer 19 Zur inländischen Steuerbarkeit der Restaurationsumsätze beruft sich das FA auf das BMF-Schreiben vom 04.05.2010 (BStBl. I 2010, 490), wonach die im Urteil des BFH vom 15.01.2009 (V R 9/06, BStBl. II 2010, 433) entwickelten Grundsätze insoweit nicht anzuwenden seien, als der BFH der Auffassung sei, dass Verpflegungsleistungen als Nebenleistungen zur Übernachtungsleistung anzusehen seien und insoweit am Ort der Übernachtungsleistung erbracht würden. Randnummer 20 Auf die vorgelegten Steuerakten (1 Band Umsatzsteuerakten 2001 bis 2003, 1 Sonderband Betriebsprüfungsberichte, 1 Sonderband Rechtsbehelf § 4 Nr. 20 UStG, 1 dem Sonderband Rechtsbehelf § 4 Nr. 20 UStG vorgehefteter Halbhefter mit 21 Blatt Vorgängen zum Rechtsbehelf bezüglich der Restaurationsleistungen, 1 Vertragsakte) wird ergänzend Bezug genommen. Sie waren Gegenstand des Verfahrens. Das Gericht hat ferner die Akten des Verfahrens 6 V 3503/06 wegen Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide für 2001 bis 2003 beigezogen.
1. Die Umsatzsteuer wird unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 22.10.2007 für 2001 auf … Euro, für 2002 auf … Euro und für 2003 auf … Euro herabgesetzt. 2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. 4. Die Revision wird zugelassen.
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VG Schwerin 4. Kammer
Mecklenburg-Vorpommern
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06.05.2019
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Randnummer 1 Die Kläger fechten einen Bescheid über Abfallgebühren an. Randnummer 2 Sie sind Miteigentümer des Hausgrundstücks gemäß Rubrumsadresse. Das Grundstück ist an die öffentliche Einrichtung der Abfallentsorgung des beklagten Landkreises angeschlossen; dort steht eine 120 l-Restabfalltonne. Randnummer 3 Mit „Abgabenbescheid über Abfallgebühren Abrechnung 2017 / Vorauszahlung 2018“ vom 26. Januar 2018 setzte der Beklagte gegenüber den Klägern u. a. die Abfallgebühren für das Kalenderjahr 2017 auf 195,68 € fest. Randnummer 4 Gegen diesen Bescheid legten die Kläger mit Schreiben vom 28. Januar 2018 Widerspruch ein, den sie mit anwaltlichem Schreiben vom 9. Juli 2018 begründeten. Randnummer 5 Mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2018 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt dieses Bescheids Bezug genommen. Randnummer 6 Am 20. September 2018 haben die Kläger daraufhin Klage erhoben, mit der sie vortragen: Randnummer 7 Aus § 6 Abs. 2d KAG M-V ergebe sich, dass für die abgelaufenen Kalkulationszeiträume Nachkalkulationen vorzuhalten seien. Dies sei für die vorgelegte Kalkulation und die Kalkulationen zu den anderen bisher bekannten Zeiträumen – so der ursprüngliche Vortrag – nicht erfolgt. Insofern sei nicht geklärt, ob es zu Über-/Unterdeckungen gekommen sei. Randnummer 8 Eine Vor- oder Nachkalkulation sei auch nicht mit einer entsprechenden Gewinn- und Verlustrechnung zu vergleichen, da Letztere unter kaufmännischen Gesichtspunkten erstellt werde. Eine Nachkalkulation habe den Vorgaben des § 6 KAG M-V zu entsprechen. Randnummer 9 In der Kalkulation ab 2017 seien Nachkalkulationen für die Jahre 2015 bis 2017 „abgereicht“ worden. Es werde davon ausgegangen, dass sich die Nachkalkulation an der Kalkulation zu orientieren habe, allerdings dann mit „echten“ Zahlen zu rechnen sei. Dementsprechend sei bei einer Nachkalkulation hinsichtlich der einzelnen Gebührentatbestände auch jeweils zu unterscheiden. Diesem folge der Beklagte vorliegend nicht. In der Nachkalkulation 2015 würden unter der Position 34004 die Entleerungsentgelte für 60 l- bis 240 l-Tonnen zusammengefasst, während unter der Nummer 34005 die Entleerungsentgelte Abfallbehälter 1.100 l gesondert ausgewiesen würden. Hiermit komme es zu einer erheblichen Abweichung innerhalb der einzelnen Kalkulationsgrundlagen. Es könne hier nicht unterschieden werden, wie die ausgewiesene Überdeckung auf die einzelnen Tonnengrößen zu verteilen sein werde. Gleiches gelte für die Nachkalkulation 2016. Randnummer 10 Die Nachkalkulation 2016 sei im Übrigen am 5. April 2017 und damit nach Beginn des hiesigen Kalkulationszeitraums erstellt worden und habe keinen Einfluss mehr auf diese Kalkulation 2017/2018 haben können. Soweit diese hier als Anlage 3 in den Kalkulationsunterlagen „abgereicht“ werde, sei davon auszugehen, dass diese Unterlagen nachträglich erstellt worden seien. Es werde bestritten, dass die Nachkalkulationsunterlagen 2015 und 2016 dem Kreistag bei Beschlussfassung zur Gebührenkalkulation 2017/2018 vorgelegen hätten. Randnummer 11 Die Grundgebühren für die Müllentsorgung seien linear zu bemessen, was in den entsprechenden Gebührensätzen nicht der Fall sei. Randnummer 12 In der Kalkulation werde unter b) Prognose 2017 und 2018 aufgeführt, dass die Aufwendungen für die Bioabfallentsorgung erheblich gestiegen seien. Im Interesse einer erweiterten Nutzung (höhere Anschlussquote Biotonne-Holsystem) und einer hochwertigen Verwertung von Bioabfällen werde die Jahresgebühr Bioabfall nur geringfügig angepasst. Ein Teil der auf die Entsorgung der Bioabfälle entfallenden Aufwendungen werde deshalb über die Behältergebühr gedeckt. Randnummer 13 Es werde davon ausgegangen, dass eine Behältergebühr nur für die Restabfalltonnen kalkuliert worden sei. Dies werde aus § 3 der Abfallgebührensatzung nicht ganz klar. Darauf komme es jedoch nicht an. Randnummer 14 Da sich aus der Abfallsatzung ergebe, dass die zu entsorgenden Bioabfälle nicht dem Benutzungszwang unterlägen, sei davon auszugehen, dass nicht jeder Inhaber einer Restabfalltonne auch gleichzeitig eine Bioabfalltonne nutze/zu nutzen habe. Dementsprechend sei hier eine pauschale Vermischung von Kosten für Bioabfälle mit den Behältergebühren nicht zulässig. Randnummer 15 Aus der Kalkulation werde auch nicht ersichtlich, inwieweit die einzelnen Kostenpositionen den einzelnen Tonnen- und Abfalltypen zugeordnet würden. Randnummer 16 Bei den Abschreibungen seien reale Abschreibungen ausgewiesen worden, was gegen § 6 Abs. 2d KAG M-V verstoße. Randnummer 17 Es sei zulässig, von der Verzinsung des Eigenkapitals abzusehen. Nach Punkt 3. der Kalkulation 2017/2018 erfolge keine Verzinsung des Eigenkapitals, was zulässig sei. Allerdings seien Fremdkapitalkosten angefallen, was sich aus der Position nach 34100 ergebe. Diese seien als Ist-Kosten prognostiziert eingestellt worden. Dies verstoße gegen § 6 Abs. 2b KAG M-V. Randnummer 18 Nach § 6 Abs. 2 KAG M-V seien für Abschreibungen Anlagewerte zu ermitteln. Ob dies geschehen sei, lasse sich nicht erkennen. Randnummer 19 Die Kläger beantragen, Randnummer 20 den Bescheid vom 26. Januar 2018 und den Widerspruchsbescheid vom 6. September 2018 aufzuheben. Randnummer 21 Der Beklagte beantragt, Randnummer 22 die Klage abzuweisen, Randnummer 23 und trägt dazu unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid vor: Randnummer 24 Die Gebührenkalkulation berücksichtige die Ergebnisse der Nachkalkulationen für die zu berücksichtigenden abgeschlossenen Erhebungszeiträume. Randnummer 25 Anhand der Erläuterungen unter Ziff. 3 lit. a, der Kostenstellenrechnung und der Nebenrechnungen zu Ziff. IX sei erkennbar, dass die für den Erhebungszeitraum maßgebliche Gebührenunterdeckung 2015 in die Gebührenkalkulation eingeflossen sei. Randnummer 26 Es lägen Nachkalkulationen 2015, 2016 und 2017 vor. Randnummer 27 Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 26. Februar 2019 zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
Der „Abgabenbescheid über Abfallgebühren Abrechnung 2017 / Vorauszahlung 2018“ vom 26. Januar 2018, Kundennummer 04032752001, und der Widerspruchsbescheid vom 6. September 2018 werden aufgehoben, soweit darin Abfallgebühren für das Kalenderjahr 2017 festgesetzt werden. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
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Hessisches Landesarbeitsgericht 10. Kammer
Hessen
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19.05.2006
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Randnummer 1 Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagten verpflichtet sind, an den Kläger für den Zeitraum vom 01. Januar 1998 bis zum 08. Februar 1998 Beiträge nach den Sozialkassentarifverträgen des Baugewerbes zu zahlen. Randnummer 2 Der Kläger ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes nach näherer tariflicher Maßgabe die Einzugsstelle für die Beiträge zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Er nimmt auf der Grundlage des allgemeinverbindlichen Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe (VTV) die Beklagten auf Beitragszahlung in Anspruch. Die Höhe der Klageforderung basiert hinsichtlich des Monats Januar 1998 auf einer Berechnung des Klägers anhand des durchschnittlichen in der Baubranche nach den Angaben des statistischen Bundesamts erzielten Entgelts unter Zugrundelegung des Beitragssatzes für diesen Zeitraum für 4 gewerbliche Arbeitnehmer. Für den Zeitraum vom 01. bis zum 08. Februar 1998 beruht die Zahlungsforderung auf selbst gemeldeten Beiträgen der Beklagten. Randnummer 3 Der Kläger nimmt die Beklagten nach den Grundsätzen der Haftung einer Vorgründungsgesellschaft in Anspruch. Nachdem die Beklagten ihre Geschäftstätigkeit jedenfalls ab dem 01. Januar 1998 aufgenommen hatten, schlossen sie am 09. Februar 1998 einen Gesellschaftsvertrag zur Errichtung der Firma F; wegen des Inhalts dieses Gesellschaftsvertrages wird auf Bl. 53 - 59 d.A. Bezug genommen. Gegenstand des Unternehmens dieser Gesellschaft ist die Durchführung von Betonarbeiten, Betonsägearbeiten und Betonabbrucharbeiten. Darüber hinaus kann die Gesellschaft Diamantwerkzeuge herstellen und auch mit Wirtschaftsgütern jeder Art handeln und Dienstleistungen aller Art erbringen. Am 14. Juni 1999 führte ein Prüfbeauftragter des Arbeitsamts Karlsruhe bei der Firma F eine Betriebsprüfung durch und notierte als Tätigkeit des Betriebs Folgendes: „Bohren und Sägen von Mauerdurchbrüchen, Öffnungen u. a. und die dadurch anfallenden Abbrucharbeiten (z.B. nachträglich anfallende Tür- oder Fensteröffnungen, Schlitze für Versorgungsleitungen u. Ä.)“ Randnummer 4 Des Weiteren heißt es in diesem Prüfbericht: „Bei dieser Fa. handelt es sich um die Nachfolgefirma der Fa. G … Diese Fa. wurde von Amts wegen am 06.08.1997 aufgelöst …“ Randnummer 5 Wegen des gesamten Inhalts dieses Prüfberichts wird auf Bl. 68 - 71 d.A. Bezug genommen. Randnummer 6 Zwischen den Parteien ist nicht streitig, dass im Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich überwiegend Bohr- und Sägearbeiten verrichtet werden. Randnummer 7 Mit Einwurfeinschreiben und Telefax vom 06. Dezember 2002 machte der Kläger gegenüber den Beklagten Beiträge für die Monate Januar und Februar 1998 in Höhe von € 2.682,00 geltend. Randnummer 8 Mit am 17. Dezember 2002 bei Gericht eingegangener Klageschrift hat der Kläger die von ihm geltend gemachte Forderung weiterverfolgt. Randnummer 9 Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Beklagten schuldeten die tarifvertraglichen Beiträge. Er hat behauptet, im Betrieb der Beklagten seien im Kalenderjahr 1998 arbeitszeitlich gesehen überwiegend, d.h. zu mehr als 50% der persönlichen Gesamtarbeitszeit der beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer, die zusammengerechnet auch mehr als 50% der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausmache, folgende Arbeiten erbracht worden: - Bohren und Sägen von Öffnungen in Bauwerke zum Zweck der späteren Verlegung von Versorgungsleitungen und Kabeln oder zum Zweck des späteren Einbaus von Türen, Fenstern, Lichtkuppeln, Treppen, Aufzügen und Schächten; - mit den vorbezeichneten Tätigkeiten im Zusammenhang stehende Vor- und Nachbereitungsarbeiten einschließlich der Beförderung der Arbeitnehmer zu den Baustellen, des Be- und Entladens der Fahrzeuge und des Abtransports des Bauschutts. Randnummer 10 Den Arbeitnehmern sei der Zweck der von ihnen ausgeführten Bohr- und Sägearbeiten bekannt gewesen. Randnummer 11 Der Kläger hat beantragt, die Beklagten zu 1. und 2. als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger € 2.219,34 zu zahlen. Randnummer 12 Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 13 Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, dass ihr Betrieb im Klagezeitraum nicht dem Geltungsbereich der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes unterfallen sei. Sie haben behauptet, in ihrem Betrieb seien im Klagezeitraum zwischen 75% und 80% der gesamtbetrieblichen Arbeitszeit (Teil-)Abbrucharbeiten mit Substanzverlust unter Funktionsbeseitigung ohne Zusammenhangsarbeiten durchgeführt worden. Ihre Arbeitnehmer hätten mittels Hydraulikzylindern und hydraulisch angetriebenen Pressen und Keilen und unter Anwendung der Abbruchmethode des Quelldrückens komplette Bauteile entfernt und zerkleinert. Weiterhin seien mit Wandsägen und selbst fahrenden Fugenschneidern (Bodensägen), deren Sägescheiben mit Diamantsegmenten bestückt seien, Wände und Böden komplett entfernt und in zum Abtransport geeignete Teile zerteilt worden. Außerdem seien mit Seilsägen, deren Stahlseile ebenfalls mit Diamantsegmenten besetzt seien, komplette Bauteile aus Naturstein, Mauerwerk und Stahlbeton herausgeschnitten worden. Mit Diamantkernbohrsägen seien die zur Vermeidung von Überschnitten erforderlichen Hilfsbohrungen und die zum Ansatz von Hubwagen und Kränen erforderlichen Transportbohrungen gesetzt worden. Durchbrucharbeiten seien allenfalls zu 20% bis 25% der gesamtbetrieblichen Arbeitszeit angefallen. Randnummer 14 Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat mit Urteil vom 01. September 2003 - 4 Ca 3923/02 - die Klage abgewiesen. Es hat u. a. ausgeführt, dass der Betrieb der Beklagten im Klagezeitraum sowohl nach dem Vortrag des Klägers, wie auch nach dem Vorbringen der Beklagten dem betrieblichen Geltungsbereich des Verfahrenstarifvertrages unterfalle, weil in ihm arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten wie Beton- und Stahlbetonarbeiten, Bohrarbeiten und Abbrucharbeiten durchgeführt worden seien, welche bauliche Leistungen im Sinn von § 1 Abs. 2 Abschnitt V Nr. 5, 6, 29 bzw. im Sinn von § 1 Abs. 2 Abschnitt II und III VTV darstellten. Da die Beklagten jedoch nicht als Mitglied in einem der tarifvertragschließenden Verbände des Baugewerbes organisiert seien, könnten die Beklagten vom tariflichen Geltungsbereich nur kraft Allgemeinverbindlicherklärung erfasst werden. Insoweit enthalte allerdings die Allgemeinverbindlichkeitserklärung des VTV in der für den Klagezeitraum maßgeblichen Fassung die Einschränkung, dass Spreng-, Abbruch- und Enttrümmerungsarbeiten ausführende Betriebe und selbständige Betriebsabteilungen nur dann von der Allgemeinverbindlichkeitserklärung erfasst würden, wenn ihre Leistungen in einem unmittelbaren Zusammenhang mit anderen in den Betrieben oder in den selbständigen Betriebsabteilungen in erheblichem Umfang anfallenden baulichen Leistungen stünden. Der Kläger sei mit seiner Behauptung, dass im Klagezeitraum im Betrieb der Beklagten arbeitszeitlich gesehen überwiegend andere bauliche Leistungen als Abbrucharbeiten durchgeführt worden seien, beweisfällig geblieben. Soweit sich der Kläger auf das Zeugnis des Prüfbeauftragten des Arbeitsamts Karlsruhe beziehe, sei unklar, aufgrund welcher Tatsachen der Prüfer zu dem im Prüfbericht angegebenen Ergebnis gekommen sei. Auch soweit der Kläger sich auf das Zeugnis der bei den Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer beziehe, läge kein hinreichender Beweisantritt vor, da die auf den Zweck der Bohr- und Sägearbeiten und der hergestellten Öffnungen und Durchbrüche bezogenen Behauptungen des Klägers einer Beweisaufnahme nicht zugänglich seien. Der verfolgte Zweck sei eine innere Tatsache, die nur durch äußere Hilfstatsachen im Streitfall bewiesen werden könne. Erst mit der Herstellung des angestrebten Arbeitsergebnisses sei die zunächst innere Tatsache verdinglicht und zeige sich sodann verkörpert im endgültigen Arbeitsergebnis. Von daher sei es in einem Mischbetrieb, in welchem sowohl Abbruch- und Durchbrucharbeiten verrichtet würden, erforderlich, die Art der jeweiligen Baustellen und den arbeitszeitlichen Umfang der Tätigkeit der einzelnen Arbeitnehmer an jeder einzelnen Baustelle klägerseits vorzutragen, um unzulässige Ausforschung zu vermeiden. An einem entsprechenden Vortrag des Klägers fehle es. Soweit der Kläger behaupte, den Arbeitnehmern sei aufgrund der von ihnen auszuführenden Tätigkeit bekannt, welchem Zweck ihre Tätigkeit diene, stelle auch das keinen ausreichenden Tatsachenvortrag dar, da nicht erkennbar sei, welche Arten von Bohrungen, in welchem Umfang, mit welchem Format, mit welchen Materialien, in welchen Materialen den zwingenden Schluss zuließen, ob Abbruch- oder Durchbrucharbeiten durchgeführt würden. Randnummer 15 Dieses Urteil ist dem Kläger am 26. September 2003 zugestellt worden. Die Berufung ist am 23. Oktober 2003 und die Berufungsbegründung nach rechtzeitiger Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 20. Januar 2004 am selben Tag bei Gericht eingegangen. Randnummer 16 Der Kläger ist unter Aufrechterhaltung seines erstinstanzlichen Vortrags weiterhin der Ansicht, dass die Beklagten beitragspflichtig seien. Er behauptet, die von den Beklagten auf den einzelnen Baustellen eingesetzten Arbeitnehmer könnten erkennen, ob sie Abbruch- oder Durchbrucharbeiten ausführten. Die Beklagten hätten sie entsprechend informiert. Randnummer 17 Der Kläger beantragt, die Beklagten unter Abänderung des am 01. September 2003 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Wiesbaden, Az.: 4 Ca 3923/02, als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger € 2.219,34 zu zahlen. Randnummer 18 Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 19 Die Beklagten verteidigen das erstinstanzliche Urteil. Die Beklagten sind der Ansicht, dass der Kläger, da die Durchführung von Bohr- und Sägearbeiten im Betrieb der Beklagten unstreitig sei, zum Zweck dieser Tätigkeiten auf den einzelnen Baustellen konkret hätte vortragen müssen. Die Arbeitnehmer wüssten den Zweck ihrer Bohr- und Sägearbeiten nicht, da diese sowohl dem Abbruch wie dem Durchbruch dienen könnten. Sie würden auch über den Sinn der jeweiligen Bohrungen nicht informiert. Auch der zweitinstanzliche Vortrag des Klägers sei unzureichend, da der Kläger keine konkreten Kenntnisse der Tätigkeiten vor Ort habe. Soweit der Kläger sich auf das Zeugnis des Arbeitnehmers H berufe, könne dieser jedenfalls zu den Tätigkeiten anderer Arbeitnehmer nichts sagen; im Übrigen sei ihm wegen Trunkenheit gekündigt worden. Randnummer 20 Das Berufungsgericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 09. Mai 2005 Beweis erhoben durch Vernehmung sämtlicher bei den Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer, nämlich der Zeugen H, I, J und K im Wege der Rechtshilfe (vgl. Bl. 219 - 220 d.A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschriften (Bl. 250 - 254, 271 - 272 sowie 316 - 317 d.A.) Bezug genommen. Randnummer 21 Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze sowie auf die Sitzungsniederschriften vom 09. Mai 2005 und vom 19. Mai 2006 Bezug genommen.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 01.09.2003 - 4 Ca 3923/02 - abgeändert und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.219,34 EUR (in Worten: Zweitausendzweihundertneunzehn und 34/100 Euro) zu zahlen. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldner. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Hessisches Landesarbeitsgericht 18. Kammer
Hessen
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24.06.2015
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Die Parteien streiten über die zutreffende tarifliche Stufenzuordnung des Klägers, seitdem die beklagte Arbeitgeberin durch Verbandsbeitritt tarifgebunden ist. Über die für den Kläger aufgrund seiner Tätigkeit maßgebliche Entgeltgruppe besteht kein Streit. Der Kläger ist bei der Beklagten, einem als gemeinnützige GmbH organisierten Rettungsdienst, welcher dem Deutschen Roten Kreuz zugehört, seit 01. Dezember 1994 als Rettungsassistent beschäftigt. Er ist erst seit 01. Juli 2014 gewerkschaftlich organisiert. Die Beklagte war in der Vergangenheit nicht tarifgebunden. Die Mitarbeiter erhielten eine an den Tarifwerken des BAT orientierte Vergütung. Änderungen in der Vergütungsstruktur durch den TVöD wurden nicht übernommen. Seit dem 01. März 2013 ist die Beklagte durch Verbandsmitgliedschaft an die zwischen der Bundestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes und ver.di geschlossenen Tarifverträge gebunden. Der "DRK-Reformtarifvertrag (Teil A) über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende" (derzeit in der Fassung des 41. Änderungstarifvertrages vom 16. Juni 2014, folgend: DRK-RTV), welcher im Wesentlichen zum 01. Januar 2007 in Kraft trat, bestimmt zur Vergütung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter u.a. folgendes: "(...) § 19 Tabellenentgelt (1) Der Mitarbeiter erhält monatlich ein Tabellenentgelt. Die Höhe bestimmt sich nach der Entgeltgruppe, in die er eingruppiert ist, und nach der für ihn geltenden Stufe (....) § 20 Stufen der Entgelttabelle (1) Die Entgeltgruppen 9 bis 15 umfassen fünf Stufen und die Entgeltgruppen 2 bis 8 sechs Stufen. Die Abweichungen von Satz 1 sind im Anhang zu § 20 geregelt. (2) Bei Einstellung in eine der Entgeltgruppen 2 bis 15 werden die Mitarbeiter der Stufe 1 zugeordnet. Bei Einstellung von Mitarbeitern in unmittelbarem Anschluss an ein Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber, der Mitglied der Bundestarifgemeinschaft des Deutschen Roten Kreuzes oder einer Landestarifgemeinschaft ist, die der Bundestarifgemeinschaft angehört, ist mindestens die in dem vorherigen Arbeitsverhältnis erworbene Stufe und Stufenlaufzeit bei der Stufenzuordnung zu berücksichtigen. Hiervon ausgenommen sind die in dem vorherigen Arbeitsverhältnis vorweg gewährten Stufen gemäß Absatz 5. Protokollerklärung zu § 20 Abs. 2 Satz 2 Satz 2: Wird bei dem neuen Arbeitgeber nicht die gleiche Tätigkeit ausgeübt und demzufolge eine Eingruppierung in eine andere Entgeltgruppe vorgenommen, erfolgt die Stufenzuordnung analog § 21 Abs. 4. (3) Die Mitarbeiter erreichen die jeweils nächste Stufe - von Stufe 3 an in Abhängigkeit von ihrer Leistung gemäß § 21 Abs. 2 - nach folgenden Zeiten einer ununterbrochenen Tätigkeit innerhalb derselben Entgeltgruppe bei ihrem Arbeitgeber (Stufenlaufzeit): - Stufe 2 nach einem Jahr in Stufe 1, - Stufe 3 nach zwei Jahren in Stufe 2, - Stufe 4 nach drei Jahre in Stufe 3, - Stufe 5 nach vier Jahren in Stufe 4, - Stufe 6 nach fünf Jahren in Stufe 5. (...) Protokollerklärung zu § 20 Abs. 3 Satz 1: Die Verweildauer für den Aufstieg von Stufe 3 nach Stufe 4 wird für Mitarbeiter, die bis zum 31.12.2021 eingestellt werden, um zwei Jahre verlängert. § 21 Allgemeine Regelungen zu den Stufen (...) (4) Bei Eingruppierung in eine höhere Entgeltgruppe werden die Mitarbeiter derjenigen Stufen zugeordnet, in der sie mindestens ihr bisheriges Tabellenentgelt erhalten, mindestens jedoch der Stufe 2. Beträgt der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Tabellenentgelt und dem Tabellenentgelt nach Satz 1 (...) so erhält der Mitarbeiter während der betreffenden Stufenlaufzeit anstelle des Unterschiedsbetrages einen Garantiebetrag (...)." Vor dem 01. Januar 2007 vereinbarten die Tarifvertragsparteien zur Überleitung von Arbeitsverhältnissen in das neue Tarifrecht außerdem den "Tarifvertrag zur Überleitung der Mitarbeiter des DRK in die Entgeltgruppen des DRK-Reformtarifvertrages und zur Regelung des Übergangsrechts, Teil B (derzeit in der Fassung des 41. Änderungstarifvertrages vom 16. Juni 2014 sowie des 7. Änderungstarifvertrages zum vom 10. April 2013, folgend: TVÜ-DRK). Der TVÜ-DRK enthält auszugsweise folgende Regelungen: " (...) Abschnitt I Allgemeine Regelungen § 1 Geltungsbereich (1) Dieser Tarifvertrag gilt für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (im folgenden Mitarbeiter genannt) des Deutschen Roten Kreuzes, seiner Verbände (einschließlich deren Untergliederungen), Einrichtungen und Gesellschaften aller Art (im folgenden DRK genannt), die Mitglieder der Bundestarifgemeinschaft, einer Landestarifgemeinschaft, die der Bundestarifgemeinschaft angehört bzw. der vertragsschließenden Gewerkschaft sind, deren Arbeitsverhältnis über den 31.12.2006 hinaus fortbesteht, und die am 01.01.2007 unter den Geltungsbereich des DRK-Tarifvertrages i. d. F. des 27. ÄnderungsTV Teil A (im folgenden DRK-Reformtarifvertrag ) fallen, für die Dauer des ununterbrochen fortbestehenden Arbeitsverhältnisses (...) Protokollerklärung zu Absatz 1: Tritt ein Arbeitgeber erst nach dem 31.12.2006 einer der Bundestarifgemeinschaft angehörenden Landestarifgemeinschaft als ordentliches Mitglied bei, so ist Absatz 1 mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle des 31.12.2006 das Datum tritt, welches dem Tag der Begründung der Verbandsmitgliedschaft vorausgeht, während das Datum des Wirksamwerdens der Verbandsmitgliedschaft den 01.01.2007 ersetzt. (2) Nur soweit nachfolgend ausdrücklich bestimmt, gelten die Vorschriften dieses Tarifvertrages auch für Mitarbeiter, deren Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber im Sinne des Absatzes - nach dem 31.12.2006 beginnt und die unter den Geltungsbereich des DRK-Reformtarifvertrages fallen. (...) § 2 Überleitung in die Entgeltgruppen Die von § 1 Abs. 1 erfassten Mitarbeiter werden am 01.01.2007 gemäß den nachfolgenden Regelungen in die Entgeltgruppen übergeleitet. § 3 Zuordnung der Vergütungs- und Lohngruppen (1) Für die Überleitung der Mitarbeiter wird ihre Vergütungs- bzw. Lohn gruppe gemäß §§ 22 bzw. 33 (so im Original: gemeint ist § 23) DRK-TV i. d. F. des 36. ÄnderungsTV (im Folgenden "DRK-TV a.F.") (...) zugeordnet (...). (...) § 4 Stufenzuordnung der Mitarbeiter (1) Die Mitarbeiter werden entsprechend ihrer Beschäftigungszeit nach Absatz 5 der Stufe der gemäß § 3 bestimmten Entgeltgruppe zugeordnet, die der Stufe vorhergeht, die sie erreicht hätten, wenn die Entgelttabelle bereits seit Beginn ihrer Beschäftigungszeit gegolten hätte. Protokollerklärung zu § 4 Absatz 1: Ausschlaggebend ist nicht das Kalenderjahr, sondern die Beschäftigungsdauer (....) Stichtag für die Berechnung der Beschäftigungszeit ist der 31.12.2006. (...) (2) Die Verweildauer in der zugeordneten Stufe wird einmalig im Rahmen der Überleitung um zwei Jahre verlängert. Werden Mitarbeiter gemäß Abs. 1 der Stufe 1 oder der Stufe 2 zugeordnet, verlängert sich die Verweildauer erst beim Aufstieg von Stufe 3 nach Stufe 4. Der weitere Stufenaufstieg erfolgt nach den Regelungen des DRK-Reformtarifvertrages. (...) (4 ) Beschäftigungszeit ist die bei demselben Arbeitgeber in einem Arbeitsverhältnis ununterbrochen zurückgelegte Zeit. ( ...) § 12 Eingruppierung (gilt bis 31.12.2012) (1) Bis zum In-Kraft-Treten der Eingruppierungsvorschriften des DRK-Tarifvertrages (mit Entgeltordnung) gelten die §§ 22, 23 DRK-TV a. F. (...) über den 31. Dezember 2006 hinaus fort. (...) Diese Regelungen finden auf übergeleitete und ab dem 1. Januar 2007 neu eingestellte Mitarbeiter im jeweiligen bisherigen Geltungsbereich nach Maßgabe dieses Tarifvertrages Anwendung. An die Stelle der Begriffe Vergütung und Lohn tritt der Begriff Entgelt. (...) Abschnitt II Überleitung in die neue Entgeltordnung zum DRK-Reformtarifvertrag § 14 Überleitung in die Entgeltordnung zum 01.01.2013 (1) Für alle vom Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 erfassten Mitarbeiter, die in den DRK-Reformtarifvertrag übergeleitet wurden sowie für alle Mitarbeiter, die zwischen dem 01.01.2007 und 31.12.2012 neu eingestellt wurden, gelten ab dem 01.01.2013 die Eingruppierungsregelungen der §§ 17 und 18 des DRK-Reformtarifvertrages (...). (...) Anhang Niederschriftserklärungen (...) II) Niederschriftserklärung zu § 4 Abs. 2 TVÜ-DRK: Der weitere Stufenaufstieg richtet sich nach den Regelungen des DRK-TV. Die bisherige Beschäftigungszeit zählt für die Stufenzuordnung nur einmalig bei Überleitung. Nach der Zuordnung zu der regulären Stufe der neuen Entgeltgruppe ist die bisher erreichte Beschäftigungszeit nicht mehr relevant. Es ist allein die jeweilige Stufenlaufzeit (§ 20 DRK-TV) maßgeblich, die am 1.1.2007 beginnt. (...) (...)" Zum Eintritt der Tarifbindung vereinbarten die Beklagte und der für ihren Betrieb gebildete Betriebsrat am 01. März 2013 die Betriebsvereinbarung "Betriebliche Lohngestaltung", die auszugsweise wie folgt lautet (vgl. Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 17. November 2014 in dem Parallelrechtsstreit mit dem Az. Hess. LAG - 18 Sa 1756/14 , ArbG Kassel - 3 Ca 297/14, dort Bl. 73-80 d.A.): "(...) § 1 Geltungsbereich (1) Diese Betriebsvereinbarung gilt für alle derzeit in der DRK Rettungsdienst A gGmbH beschäftigten Mitarbeiter (2) Diese Betriebsvereinbarung regelt die Grundsätze der Lohngestaltung der im Rettungsdienst beschäftigten Mitarbeiter. (...) § 2 Grundsätze der Lohngestaltung (1) Die Parteien halten fest, dass der Betriebsrat durch diese Betriebsvereinbarung zu den Grundsätzen der Lohngestaltung sein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG ausübt. (2) Für die Eingruppierung der zum 01.03.2013 beim Arbeitgeber beschäftigten Mitarbeiter im Rettungsdienst, in die Entgelttabelle und jeweilige Stufe des DRK-Reformtarifvertrages, in seiner derzeit gültigen Fassung, gilt die Tabelle in Anhang 1 dieser Betriebsvereinbarung. (...)" Nach der Anlage 1 zu dieser Betriebsvereinbarung wird jeder Mitarbeiter u.a. der Stufe seiner Entgeltgruppe zugeordnet, die der Stufe vorhergeht, welche er bei Berücksichtigung der vollen Zeitspanne seiner Beschäftigung als Rettungsassistent bei der Beklagten erreichen würde. Ebenfalls mit Datum vom 01. März 2013 schloss die Beklagte mit dem Kläger - wie mit fast allen anderen Klägern der Parallelrechtsstreite um die zutreffende Einstufung - einen neuen Arbeitsvertrag. In diesem wurde u.a. bestimmt (vgl. Inhaltswiedergabe im Schriftsatz des Klägers vom 05. August 2014, Bl. 21 d.A.) "(...) § 1 Auf das Arbeitsverhältnis findet der "DRK-Reformtarifvertrag", abgeschlossen mit der Gewerkschaft ver.di, in seiner jeweils gültigen Fassung Anwendung, sowie diesen ersetzende Tarifverträge. Dieser Arbeitsvertrag ersetzt alle vorangegangenen zwischen dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer bestehenden Vereinbarungen. § 2 Der Arbeitnehmer wird eingestellt als Rettungsassistent. § 3 Der Arbeitnehmer wird eingruppiert gemäß der Betriebsvereinbarung zur betrieblichen Lohngestaltung vom 01.03.2013 in die Entgeltgruppe 8 Stufe 5. Als Eintrittsdatum gilt der 01.03.2013. (...)" Seit März 2013 vergütet die Beklagte den Kläger nach der Entgeltgruppe 8 Stufe 5 DRK-RTV. Unter dem 22. Mai 2014 (Anlage K 2 zur Klageschrift, Bl. 8 d.A.) machte der Kläger gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Vergütung nach der Entgeltgruppe 8 Stufe 6 mit Wirkung ab Dezember 2013 geltend. Mit Schreiben vom 26. Mai 2014 (Anlage K 3 zur Klageschrift, Bl. 9 d.A.) wies die Beklagte die geltend gemachten Ansprüche zurück. Der Kläger erhob folgend mit Schriftsatz vom 30. Juni 2014, welcher am selben Tage bei dem Arbeitsgericht Kassel einging, Klage auf die Differenz zwischen der Stufe 6 und der Stufe 5 seiner Entgeltgruppe 8 - bezogen auf die Monate Dezember 2013 bis Mai 2014 - sowie auf Feststellung, dass er entsprechend eingruppiert sei. Die Klage wurde der Beklagten am 07. Juli 2014 zugestellt. Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er habe Anspruch auf Einstufung in die Stufe 6 der Entgeltgruppe 8. Dies ergebe sich aus der auf sein Arbeitsverhältnis anzuwendenden Regelung in § 20 Abs. 3 DRK-RTV. Die Stufenlaufzeit des DRK-RTV sei an die ununterbrochene Tätigkeit des Mitarbeiters geknüpft. Aufgrund seiner Betriebszugehörigkeit sei er daher der Stufe 6 der Entgeltgruppe 8 zuzuordnen. Die Regelung in § 20 Abs. 2 DRK-RTV - nach der er ohnehin nur der Entgeltstufe 1 zuzuordnen wäre - finde keine Anwendung, da er nicht zum 01. März 2013 neu eingestellt worden sei. Bei der vertraglichen Abrede vom 01. März 2013 handele es sich lediglich um einen Änderungsvertrag, der auf seine Beschäftigungszeit keinen Einfluss habe. Auch die nachträglich eingetretene Geltung des DRK-RTV sei nicht als Einstellung zu qualifizieren. Schließlich scheide eine Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 2 DRK-RTV aus, da kein Arbeitgeberwechsel stattgefunden habe, sondern während des bestehenden Arbeitsverhältnisses eine Geltung des DRK-RTV eingetreten sei. Der Kläger hat weiter geltend gemacht, dass die Beklagte sich wegen der vorgenommen Stufenzuordnung auch nicht auf § 4 Abs. 1 TVÜ-DRK stützen könne. Diese Überleitungsregelung gelte nur für Arbeitgeber, die schon vor Inkrafttreten des DRK-RTV tarifgebunden gewesen seien und die Arbeitsverhältnisse mit ihren Arbeitnehmern nach altem DRK-Tarifrecht in das neue Tarifrecht übergeleitet hätten. Seinen Ansprüchen stehe auch die Betriebsvereinbarung "Betriebliche Lohngestaltung" vom 01. März 2013 nicht entgegen. Die Betriebsvereinbarung sei aufgrund Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksam. Schließlich werde sein Anspruch auf Vergütung nach der Stufe 6 seiner Entgeltgruppe auch nicht durch § 2 des Arbeitsvertrags vom 01. März 2013 ausgeschlossen. Wie sich aus § 1 des Arbeitsvertrages ergebe, solle sich das Arbeitsverhältnis insgesamt nach dem Inhalt des DRK-RTV richten, unabhängig von einer etwaigen Gewerkschaftsmitgliedschaft des Arbeitnehmers. Es handele sich daher um eine Gleichstellungsabrede. Die Regelung in § 3 des Arbeitsvertrages enthaltene vor diesem Hintergrund lediglich eine Mitteilung der Beklagten im Hinblick auf das von ihr für zutreffend gehaltene Ergebnis in Bezug auf die Eingruppierung und die Zuordnung zu einer Entgeltstufe. Dies belege auch der Hinweis auf die Betriebsvereinbarung vom 01. März 2013. Daher liege keine Individualvereinbarung vor, welche die umfassende Bezugnahme auf den DRK-RTV gemäß § 1 des Arbeitsvertrages zum Teil außer Kraft setze. Jedenfalls sei die Regelung in § 3 des Arbeitsvertrages intransparent bzw. unklar wegen der umfassenden Bezugnahmeklausel in § 1 des Arbeitsvertrags. Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 432,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen; es wird festgestellt, dass er in die Entgeltgruppe 8 Stufe 6 des DRK-Reformtarifvertrages eingruppiert ist. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Zuordnung des Klägers zur Stufe 5 der Entgeltgruppe 8 sei zutreffend erfolgt. Es bestehe kein Anspruch des Klägers auf Vergütung nach der Stufe 6, da der Kläger iSd. § 20 Abs. 2 DRK-RTV am 01. März 2013 eingestellt worden sei. Aus § 20 Abs. 2 DRK-RTV folge vielmehr, dass die erste Einstufung eines Arbeitnehmers - außerhalb der Entgeltgruppe 1 - in die Stufe 1 zu erfolgen habe. Bei dem Arbeitsvertrag vom 01. März 2013 handele es sich nicht nur um eine Vertragsänderung, sondern um die Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses. Der Kläger sei mit seiner (erneuten) Einstellung und der Zuordnung in die Stufe 5 einverstanden gewesen. Eine andere Stufenzuordnung des Klägers habe selbst dann nicht zu erfolgen, soweit man die Regelungen des TVÜ-DRK zugrunde legen wolle. Faktisch habe sie die Regelung in § 4 Abs. 1 des TVÜ-DRK umgesetzt. Das Begehren des Klägers würde vor diesem Hintergrund zu einer sachlich nicht zu rechtfertigenden Besserstellung gegenüber einem Arbeitnehmer führen, für den über die gesamte Dauer des Arbeitsverhältnisses DRK-Tarifrecht gegolten habe. Das Arbeitsgericht Kassel hat die Klageanträge zu 1. und 2. durch ein am 28. August 2014 verkündetes Teilurteil abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat verneint, dass die Einstufung des Klägers - bei unstreitiger Eingruppierung in eine tarifliche Entgeltgruppe - nach § 20 Abs. 3 DRK-RTV vorzunehmen sei. Die tarifliche Regelung könne nach Wortlaut und Systematik nicht so ausgelegt werden, dass von ihr auch die erste Einstufung eines schon länger beschäftigten Arbeitnehmers erfasst werde, wenn der Arbeitgeber zuvor nicht tarifgebunden gewesen sei. Es dürfe offenbleiben, ob eine "Einstellung" eines Arbeitnehmers iSd. § 20 Abs. 2 DRK-RTV anzunehmen sei, wenn sich die Frage der Einstufung in einem schon bestehenden Arbeitsverhältnis wegen des Verbandsbeitritts des Arbeitgebers stelle. Denn wann man zu Gunsten des Klägers § 20 Abs. 2 DRK-RTV für nicht anwendbar halte, scheide eine ergänzende Tarifauslegung aus, um die sich dann ergebende (unbewusste) Tariflücke zu füllen. Aus der Zusammenschau von DRK-RTV und TVÜ-DRK lasse sich nicht auf einen Willen der Tarifpartner schließen, dass Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber bisher nicht tarifgebunden war, innerhalb einer Entgeltgruppe höher eingestuft werden sollten, als solche, bei denen eine Tarifbindung auf Arbeitgeberseite schon bei der Überleitung bestand. Schließlich dürfe dahinstehen, ob die Regelung im Arbeitsvertrag der Parteien über die Stufenzuordnung des Klägers unwirksam sei. Der Kläger könne sich bei Unwirksamkeit der Vereinbarung nur auf einen tariflichen Anspruch stützen. § 20 Abs. 3 DRK-RTV sei jedoch, wie angeführt, nicht anwendbar. Nachdem der Kläger den - ruhenden - Klageantrag zu 3. für erledigt erklärte und die Beklagte dem unter den Voraussetzungen des § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht widersprach, hat das Arbeitsgericht am 28. Oktober 2014 ein Kostenschlussurteil erlassen. Zur vollständigen Wiedergabe der Entscheidungsgründe sowie des weiteren Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug wird auf das Teilurteil vom 28. August 2014 (Bl. 36-52 d.A.) und das Kostenschlussurteil vom 28. Oktober 2014 (Bl. 59-62 d.A.) Bezug genommen. Gegen das Teilurteil, welches dem Kläger am 20. Oktoberber 2014 zugestellt wurde, hat dieser mit am 05. November 2014 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Gegen das ihm am 03. November 2014 zugestellte Kostenschlussurteil legte er mit am 24. November 2014 eingegangenem Schriftsatz Berufung ein. Beide Berufungen hat der Kläger durch am 10. Dezember 2014 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet. Der Kläger wiederholt und vertieft zunächst seine Rechtsauffassung, dass er Anspruch auf eine tarifliche Vergütung habe. Die Regelung in § 1 des Arbeitsvertrages der Parteien lasse erkennen, dass die Beklagte eine umfassende Gleichstellung tarifgebundener und nicht tarifgebundener Arbeitnehmer erreichen wollte. § 3 des Arbeitsvertrages bezwecke keine von den tariflichen Voraussetzungen abweichende Eingruppierung und Einstufung, sondern solle nur deklaratorisch die als zutreffend angesehene Tarifanwendung wiedergeben. Zumindest sei § 3 des Arbeitsvertrages intrasparent und verstoße daher gegen § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Kläger rügt, das Arbeitsgericht habe § 20 Abs. 3 DRK-RTV falsch ausgelegt. Zutreffend sei das Arbeitsgericht noch davon ausgegangen, dass er nicht erst zum 01. März 2013 eingestellt wurde. Es bestehe aber keine Tariflücke für die Fälle, dass ein Arbeitgeber erst nach der Begründung vom Arbeitsverhältnissen durch Verbandsbeitritt tarifgebunden werde. Die Bestimmung in § 20 Abs. 3 DRK-RTV über die "ununterbrochene(n) Tätigkeit in derselben Entgeltgruppe" sei bei einer erst nachträglich hergestellten Tarifbindung als "innerhalb desselben Tätigkeitsbereichsoder "mit denselben Tarifmerkmalen" zu lesen. Die Notwendigkeit, die Regelung in § 20 Abs. 3 DRK-RTV bei nachträglicher Tarifbindung anzupassen, bestehe im Übrigen auch, wenn ein Arbeitnehmer durch Gewerkschaftsbeitritt erstmalig eine beidseitige Tarifbindung herstelle. Diese Konstellation müsse genauso gelöst werden. Hilfsweise ist der Kläger der Ansicht, dass § 20 Abs. 3 DRK-RTV auch bei einer angenommenen Tariflücke entsprechend anzuwenden sei. Das Arbeitsgericht habe fehlerhaft § 4 Abs. 1 TVÜ-DRK herangezogen. Der TVÜ-DRK sei jedoch nur auf übergeleitete Arbeitsverhältnisse anwendbar, nicht auf solche mit nachträglich herbeigeführter Tarifbindung. Die Protokollerklärung zu § 1 Abs. 1 TVÜ-DRK sei zu weit formuliert, sie solle nur diejenigen Arbeitgeber erfassen, welche früher die für das Deutsche Rote Kreuz maßgeblichen Tarifwerke angewandt hatten, ohne jedoch tarifgebunden gewesen zu sein. Andernfalls müssten Arbeitnehmern wie dem Kläger auch Ansprüche nach §§ 7, 8 TVÜ-DRK als Ausgleichsleistungen zustehen. Der TVÜ-DRK könne nicht lediglich auszugsweise und zum Nachteil der Arbeitnehmer angewandt werden. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass in § 1 des Arbeitsvertrages nur auf den DRK-RTV verwiesen worden sei, aber nicht auf den TVÜ-DRK. Schließlich sei die Prüfung einer Gleichbehandlung unter Arbeitnehmern verschiedener Arbeitgeber verfehlt, da den Arbeitgebern die Entscheidung vorbehalten sei, ob sie Tarifbindung zu den Tarifverträgen des DRK, des TVöD (VKA) oder gar nicht herstellten. Da den Klageanträgen zu 1. und 2. stattzugeben sei, müsse auch die Kostenentscheidung durch das Schlussurteil vom 28. Oktober 2014 abgeändert werden. Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 28. August 2014-9 Ca 213/14 -sowie das Kostenschlussurteil vom 28. Oktober 2014 - 9 Ca 213/14 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn 432,30 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen; festzustellen, dass der Kläger in die Entgeltgruppe 8 Stufe 6 des DRK-Reformtarifvertrages eingruppiert ist. Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung und wiederholt und ergänzt ihren Vortrag aus erster Instanz. Die Parteien hätten arbeitsvertraglich eine Neueinstellung vereinbart, eine Einstufung in die Stufe 6 sei im Arbeitsvertrag nicht vereinbart worden. Die Beklagte meint, dass § 20 Abs. 3 DRK-RTV fordere, dass die vorhergehenden Stufen durchlaufen werden müssten, die tarifliche Bestimmung sei auf erstmalige Einstufungen nicht anzuwenden. Dieses Auslegungsergebnis werde durch die Regelungen in § 21 Abs. 4 DRK-RTV und § 4 Abs. 1 TVÜ-DRK bestätigt. Der TVÜ-DRK seit nach der Protokollerklärung zu § 1 Abs. 1 TVÜ-DRK auch anwendbar, wenn die Tarifbindung durch einen Verbandsbeitritt des Arbeitgebers nach dem 31. Dezember 2006 hergestellt wurde. Deshalb sei § 4 Abs. 1 TVÜ-DRK anzuwenden, eine entsprechende Heranziehung des § 20 Abs. 3 DRK-RTV sei ausgeschlossen. Das Kostenschlussurteil vom 28. Oktober 2014 sei aufrechtzuerhalten. Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten und vorgetragenen Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 24. Juni 2015 (Bl. 141 d.A.) verwiesen. Die Kammer hat an diesem Tag wegen insgesamt 15 klageweise verfolgten Begehren wegen der Einstufung des Klägers und seiner Kollegen verhandelt.
Die Berufungen des Klägers gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 28. August 2014 - 9 Ca 213/14 - und das Kostenschlussurteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 28. Oktober 2014 - 9 Ca 213/14 - werden auf dessen Kosten zurückgewiesen. Die Revision wird zugelassen.
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Landessozialgericht Sachsen-Anhalt 3. Senat
Sachsen-Anhalt
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10.05.2022
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Randnummer 1 Zwischen den Beteiligten ist noch umstritten, ob die Beigeladenen zu 1. und 2. sowie zu 4. und 5. im Prüfzeitraum vom 1. September 2015 bis zum 31. Dezember 2016 - in jeweils unterschiedlichen Teilzeiträumen - für die Klägerin im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses tätig geworden sind und die Klägerin deshalb verpflichtet ist, Beiträge zur Kranken-/Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung zu entrichten. Randnummer 2 Die Klägerin ist 2010 in der Gesellschaftsform der GmbH gegründet und am 04. Oktober 2010 im Handelsregister eingetragen worden (HRB ......). Die Gesellschafterversammlung vom 2. Juli 2015 hat die Änderung des § 2 (Gegenstand des Unternehmens) der Satzung wie folgt beschlossen: Verkauf und Sicherstellung von Insolvenz- und Konkurswaren, Verkauf von neuen und gebrauchten Gastrogeräten, Ladenbau, Internethandel. Randnummer 3 Die Beklagte führte vom 25. Oktober bis zum 8. Dezember 2017 eine Betriebsprüfung bei der Klägerin durch. Dabei wertete sie die Rechnungen der Beigeladenen zu 1. bis 5. an die Klägerin aus. Randnummer 4 Der Beigeladene zu 1. hat die Rechnungen vom 1./20. September, 28. Oktober und 9. Dezember 2015 mit Beträgen i.H.v. 480,00 €, 720,00 €, 2.310,00 € und 5.145,00 € ausgestellt (insgesamt 8.655,00 €). Als erbrachte Leistungen werden u.a. Demontage, Verladung, Abladung und Lagerarbeiten in den Monaten August bis Dezember 2015 zu einem Stundenlohn von 30,00 € aufgeführt. Auf den Rechnungen vom 1./20. September 2015 ist vermerkt, dass die Beträge in bar gezahlt wurden, auf der Rechnung vom 28. Oktober 2015 ist vermerkt, es seien 1.000,00 € in bar als Anzahlung geleistet worden, die Rechnung vom 9. Dezember 2015 enthält den Stempel „gebucht“. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 36 bis 39 der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Randnummer 5 Der Beigeladene zu 2. hat im Zeitraum von Februar bis November 2016 Rechnungen über 1.331,61 €, 1.066,24 €, 3.459,33 €, 2.151,52 €, 6.117,51 €, 2.86,16 €, 1.942,31 €, 2.854,81 € und 3.227,28 € (insgesamt 24.236,7 €) gestellt. In den Rechnungen ist als „Position/Titel“ u.a. Lagerarbeiten, Umzug, Abholung, Büro und Verkauf, Abbau, Abladen, Auslieferung, Außenbereich und Gartenarbeiten aufgeführt. In den Rechnungen vom 7. Juni und vom 7. November 2016 ist jeweils die Position/Titel „Verkaufsprovision“ (766,00 € bzw. 600,00 €) und in der Rechnung vom 19. Juli 2016 ist die Position/Titel „Hotel“ enthalten. Auf einigen Rechnungen ist der Vermerk darüber, Teilbeträge in bar erhalten zu haben, angebracht. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 93 bis 101 der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Randnummer 6 Der Beigeladene zu 3. hat unter dem 21. Mai 2016 für 28 Stunden 280,00 € und unter dem 8. Dezember 2016 für 37 Stunden 370,00 € sowie für 16 Stunden 160,00 € für die Positionen „Abbau von Großküchen, Abbau B. Cuxhaven vom 29. bis 31. August und Abholung in B. am 26. Oktober“ in Rechnung gestellt (insgesamt 810,00 €). Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt 179 f der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Randnummer 7 Bezüglich des Beigeladenen zu 4. sind Rechnungen im Zeitraum von September bis Dezember 2015 mit den fortlaufenden Rechnungsnummern 2015-001 bis -009 und von Januar bis Dezember 2016 mit den fortlaufenden Rechnungsnummern 2016-001 bis 009, 011 bis 020, 024 bis 029, 031 bis 046, 048 bis 053 und 055 bis 060 aktenkundig, in denen Leistungen wie Auslieferung, Abholung, Rückbau, Transport, Logistik, Beratung/Innendienst, Hilfstätigkeiten, Lagerarbeiten sowie Rechtsberatung zu einem „Stundenpreis“ von zunächst 10,00 € und zuletzt ab Rechnungsnummer 2016-049 von 13,00 € mit Gesamtbeträgen zwischen 80,00 € und 1.170,00 € aufgeführt sind (19.855,00 € insgesamt). Einige Rechnungen enthalten die Position „Hotelzimmer“. Auch hier ist auf einigen Rechnungen der Vermerk darüber, Beträge in bar erhalten zu haben, angebracht. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Blatt 110 bis 171 der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Randnummer 8 Vom Beigeladenen zu 5. sind der Klägerin im Zeitraum vom 21. September 2015 bis zum 18. November 2016 Leistungen wie Demontage, Malerarbeiten, Lagerarbeiten, Entladen, Abholung, Abbau, Verladung, Auslieferung und Verpackungsarbeiten zu einem (rechnerischen) Stundenlohn von 10,00 € in Rechnung gestellt worden, wobei die Beträge zwischen 180,00 € und 1.130,00 € liegen und ebenfalls teilweise den Zusatz enthalten, Teilbeträge in bar erhalten zu haben (ca. 14.857,00 €). Im Rechnungsbetrag von 1.130,00 € sind Verkaufsprovisionen von 400,00 € bzw. 500,00 € enthalten. Zu den Einzelheiten wird auf Blatt 53 bis 83 der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Randnummer 9 Die Beigeladenen zu 2. bis 5. haben jeweils den Fragebogen zur Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status der Beklagten ausgefüllt. Insoweit wird auf Blatt 46 bis 52, 84 bis 90, 102 bis 108 und 172 bis 178 der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Der Beigeladene zu 2. hat die Anmeldung des Gewerbes „Behälter- und Apparatebau, Messebau (Dienstleistung) und Bühnenbau, Kauf und Verkauf von Artikeln aus Geschäftsauflösungen, Übersetzungen, Vermittlung von Arbeitskräften“ und der Beigeladene zu 4. die Anmeldung des Gewerbes „Demontage Gastro-Objekte, Logistik-Lagerung, Service-Beratung“ vorgenommen. Insoweit wird auf Blatt 91 und Blatt 109 der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Randnummer 10 Die Beklagte wies im Rahmen der Betriebsprüfung die Klägerin unter dem 13. Juni 2017 darauf hin, dass in den übersandten Fragebögen zur Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status alle Auftragnehmer angegeben hätten, als Kapitaleinsatz Materialkosten zu haben, auf den vorliegenden Rechnungen Materialkosten jedoch nie ausgewiesen worden seien, und warf die Frage auf, worin die Materialkosten bestanden hätten. Des Weiteren gehe aus den Fragebögen nicht hervor, mit welchem Fahrzeug die Auftragnehmer ihre Transporte durchgeführt hätten. Keiner habe ein Fahrzeug als eigenen Kapitaleinsatz angegeben. Es werde um Beantwortung der Fragen gebeten, wie der Transport erfolgt sei, ob der Auftraggeber die Fahrzeuge gestellt habe oder diese Fahrzeuge angemietet worden seien und wenn ja, von wem. Zudem werde um Mitteilung gebeten, ob es sich bei den in den Rechnungen ausgewiesenen diversen Lagerarbeiten um Lagerarbeiten beim Auftraggeber, gegebenenfalls in seinen Räumen, gehandelt habe. Schließlich werde um die Übersendung der Gewerbeanmeldungen für alle Auftragnehmer gebeten. Randnummer 11 Hierzu teilten die Steuerberater der Klägerin unter dem 21. Juli 2017 per Mail mit, die Materialkosten hätten aus Verpackungsmaterial und Arbeitskleidung bestanden. Zudem seien die Tätigkeiten der Unternehmer mit deren eigenen Werkzeugen ausgeführt worden. Für die Durchführung der Transporte seien durch die Klägerin Fahrzeuge angemietet worden. Die Beigeladenen hätten die Lagerarbeiten bei den Kunden durchgeführt. Gewerbeanmeldungen für die Beigeladenen zu 3. und 5. könnten nicht vorgelegt werden; dies könne nicht zu ihren - der Klägerin - Lasten gehen. Die Beigeladenen zu 2. und 5. seien freiwillig bei der AOK und der Beigeladene zu 4. privat bei der UKV versichert. Randnummer 12 Unter dem 25. Oktober 2017 hörte die Beklagte die Klägerin zur vorgenommenen sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung der Beigeladenen zu 1. bis 5. an. Es bestehe jeweils Versicherungspflicht in der Kranken-/Pflegeversicherung, in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung für die Tätigkeit „als Lagerarbeiter in der Zeit vom 1. September 2015 bis zum 31. Dezember 2016 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses“. Die sich aus der Prüfung ergebende Nachforderung betrage insgesamt 26.377,64 €. Davon entfielen für den Zeitraum vom 1. September bis zum 31. Dezember 2015 3.654,18 € auf den Beigeladenen zu 1., für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. November 2016 8.338,15 € auf den Beigeladenen zu 2., für den Zeitraum vom 21. bis 31. Mai und 29. bis 31. August 2016 und für den 26. Oktober 2016 331,80 € auf den Beigeladenen zu 3., für den Zeitraum vom 17. September bis zum 31. Dezember 2016 8.218,12 € auf den Beigeladenen zu 4. und für den Zeitraum vom 23. August 2015 bis zum 18. November 2016 5.835,39 € auf den Beigeladenen zu 5. Eine schriftliche vertragliche Vereinbarung zwischen den einzelnen Auftragnehmern und der Klägerin liege nicht vor. Für eine nichtselbstständige Beschäftigung im Sinne der Sozialversicherung spreche, dass für die Ausübung der Tätigkeit eines Kraftfahrers das Vorhandensein eines Kraftfahrzeuges sachlogisch zwingende Voraussetzung sei. Hier seien die Fahrzeuge von der Klägerin gemietet worden. Mietkosten seien nicht in Rechnung gestellt worden, sodass im Wesentlichen nur eine „Vermietung“ der Arbeitskraft stattgefunden habe. Zudem seien durch die Klägerin Hubwagen für die Lagertätigkeiten zur Verfügung gestellt worden. Die Auftragnehmer selbst hätten keine Mitarbeiter beschäftigt. Sie hätten im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Klägerin keinerlei Unternehmerrisiko getragen. Zudem hätten sie über keine eigenen Geschäfts- bzw. Büroräume, sondern lediglich über ein häusliches Arbeitszimmer verfügt (Wohnanschrift und Geschäftsanschrift seien identisch). Anhand der Rechnungen sei festzustellen, dass die Übernachtungskosten durch den Auftraggeber übernommen worden seien, da diese von einigen Auftragnehmern in Rechnung gestellt worden seien. Dies erscheine äußerst ungewöhnlich bei einer Auftragsvergabe eines Auftraggebers an externe, selbstständig tätige Auftragnehmer. Nachweise über das Tätigwerden für andere Auftraggeber seien nicht vorgelegt worden. Randnummer 13 Hierzu nahm die Klägerin am 22. November 2017 Stellung: Die Auftragnehmer hätten nicht die Tätigkeit eines Kraftfahrers ausgeübt, sondern Gastronomieeinrichtungen demontiert und montiert. Die Fahrten seien entweder durch die ihre - der Klägerin - Angestellten oder von einer Spedition durchgeführt worden. Bei ihr - der Klägerin - seien keine Arbeitnehmer beschäftigt, die mit Demontage- und Montagetätigkeiten betraut seien. Sie - die Klägerin - habe bei Geschäftsaufgabe Restauranteinrichtungen samt Einbaugeräten käuflich erworben und teilweise insgesamt oder einzeln weiterveräußert. Sie habe dann den Beigeladenen zu 2. damit beauftragt, die Demontage und Verladung vor Ort sowie die Entladung und Montage zu organisieren. Vorgaben hinsichtlich Ort, Zeit und Art und Weise der Ausführung seien nicht gemacht worden. Es sei lediglich auf das Ergebnis angekommen, nämlich dass die Geräte funktionstüchtig in ihrem Lager aufgebaut ankämen. Die Terminvereinbarungen bzw. zeitlichen Vorgaben sowie der Arbeits- und Werkzeugeinsatz sei durch den Beigeladenen zu 2. organisiert worden. Dieser sei weisungsbefugt gewesen. Bei Beschädigungen an den Geräten und Gegenständen sei ein Abzug vom zuvor vereinbarten Entgelt vorgenommen worden. Die Auftragnehmer seien sämtlich auch für andere Auftraggeber tätig geworden. Randnummer 14 Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 8. Dezember 2017 fest, dass für die Beigeladenen zu 1. bis 5. jeweils Versicherungspflicht in der Kranken-/Pflegeversicherung, in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung für die Tätigkeit als Lagerarbeiter in der Zeit vom 1. September 2015 bis zum 31. Dezember 2016 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses bestehe. Die sich aus der Prüfung ergebende Nachforderung betrage insgesamt 26.377,64 €. Davon entfielen 3.654,18 € auf den Beigeladenen zu 1., 8.338,15 € auf den Beigeladenen zu 2., 331,80 € auf den Beigeladenen zu 3., 8.218,12 € auf den Beigeladenen zu 4. und 5.835,39 € auf den Beigeladenen zu 5. Im Prüfzeitraum vom 1. September 2015 bis zum 31. Dezember 2016 seien die Beigeladenen zu 1. bis 5. als Lagerarbeiter beschäftigt gewesen und hätten folgende Tätigkeiten ausgeführt: Demontage, Abholung, Auslieferung von Gastronomiegeräten, Lager- und Verpackungsarbeiten in den Räumen der Klägerin sowie Lkw-Be- und Entladearbeiten. Nach § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) sei Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung seien eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setze eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig sei. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb sei dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert sei und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliege. Diese Weisungsgebundenheit könne vornehmlich bei Diensten höherer Art eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber sei eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft oder die im Wesentlichen freigestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig sei, hänge davon ab, welche Merkmale überwögen. Maßgebend sei stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Hier habe eine schriftliche vertragliche Vereinbarung zwischen den einzelnen Auftragnehmern und der Klägerin nicht vorgelegen. Die Gestaltungsmöglichkeit der Arbeitszeit sei faktisch durch die vorgegebenen Touren und die terminlichen Vorgaben begrenzt gewesen. Die Auftragnehmer hätten insoweit bezüglich der Arbeitszeit dem Weisungsrecht und Direktionsrecht des Auftraggebers unterlegen. Die Auftragnehmer seien auch hinsichtlich des Tätigkeitsortes an die Räumlichkeiten des Auftraggebers gebunden gewesen, im vorliegenden Fall das Lager, und auf die Nutzung der am Betriebssitz des Auftraggebers zur Verfügung stehenden Arbeitsmittel, wie zum Beispiel Hubwagen. Die Auftragnehmer hätten im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Klägerin keinerlei Unternehmerrisiko getragen. Sie hätten neben ihrer Arbeitskraft keinen nennenswerten Einsatz an Sachmitteln geboten. Sie hätten keine eigenen Geschäfts- bzw. Büroräume unterhalten. Zudem seien von ihnen Verkaufsprovisionen in Rechnung gestellt worden. Soweit die Auftragnehmer angegeben hätten, im genannten Zeitraum auch für andere Auftraggeber tätig geworden zu sein, seien hierüber Nachweise nicht vorgelegt worden. Dem Bescheid ist als Anlage die Berechnung der Beiträge nach § 28p Abs. 1 SGB IV über die Beigeladenen zu 1. bis 5. bezogen auf die jeweiligen Teilzeiträume in dem Zeitfenster vom 1. September 2015 bis zum 31. Dezember 2016 beigefügt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Blatt I 1 bis 16 der Verwaltungsakte Bezug genommen. Randnummer 15 Mit dem hiergegen am 9. Januar 2018 erhobenen Widerspruch wiederholte die Klägerin zum einen ihr Vorbringen aus der Stellungnahme zur Anhörung. Zum anderen führte sie aus, dass, soweit Übernachtungskosten übernommen worden seien, dies die Ausnahme und nicht die Regel gewesen sei. Die Übernahme von Übernachtungskosten komme auch bei selbstständig Tätigen vor; grundsätzlich seien jedoch die Fahrt- und Übernachtungskosten von den Auftragnehmern selbst getragen worden. Zu den Provisionszahlungen sei zu erläutern, dass die Auftragnehmer die Möglichkeit gehabt hätten, von ihr - der Klägerin - noch nicht erworbene Gegenstände beim Verkäufer zusätzlich zu erwerben und an sie - die Klägerin - oder andere Arbeitnehmer zu veräußern. Soweit sie die Gegenstände ihr - der Klägerin - angeboten hätten, sei eine „Provisionszahlung“ an die Auftragnehmer erfolgt. Ein Kaufangebot sei jedoch nicht zwingend gewesen. Sie hätten die zusätzlich mitgebrachten Gegenstände auch anderweitig veräußern und dadurch einen Gewinn erzielen können. Das Argument im angefochtenen Bescheid, es hätten keine Nachweise für weitere Auftraggeber der Auftragnehmer vorgelegen, sei unzutreffend. Weitere Auftraggeber seien benannt worden; hierbei handele es sich jedoch um Konkurrenzunternehmen von ihr - der Klägerin -, für die die Auftragnehmer tätig geworden seien. Am 24. Januar 2018 hat die Klägerin hierzu eine Stellungnahme des Beigeladenen zu 4. sowie von diesem erstellte Rechnungen an andere Auftraggeber übersandt. Wegen der Einzelheiten wird auf Blatt II 15 bis 44 der Verwaltungsakte verwiesen. Randnummer 16 Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 2018 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies sie zunächst auf die Ausführungen im Ausgangsbescheid. Zum anderen führte sie aus, dass das deutsche Recht den Typus eines universellen Selbstständigen, der in jeder Beziehung selbstständig tätig sei, nicht kenne. Das Sozialversicherungsrecht kenne Haupt- und Nebenbeschäftigungen, sodass die Selbstständigkeit in einem Beruf und die Aufnahme einer zusätzlichen Erwerbstätigkeit in abhängiger Beschäftigung nicht ausgeschlossen werde. Es komme nicht auf die Summe der selbstständig ausgeübten Tätigkeiten an, sondern es sei jede Tätigkeit gesondert zu beurteilen und daraufhin zu untersuchen, ob unter den konkreten Arbeitsbedingungen die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung oder einer selbstständigen Tätigkeit vorherrschend seien. Eine sich aus den tatsächlichen Verhältnissen ergebende Versicherungs- und Beitragspflicht in der Sozialversicherung könne auch nicht vertraglich ausgeschlossen werden. Hierüber bestehe kein Dispositionsrecht. Dass die Aufträge von der Klägerin zunächst an den Beigeladenen zu 2. zur Erledigung organisatorischer Aufgaben (Terminplanung, Arbeits- und Werkzeugeinsatz) weitergeleitet worden seien, ändere nichts daran, dass die Klägerin als maßgeblicher Auftraggeber in Erscheinung getreten sei und die Auftragnehmer dem Weisungs- und Direktionsrecht der Klägerin unterlegen hätten. Weitere Merkmale (als die im angefochtenen Bescheid bereits genannten) seien, dass die Auftragnehmer auf Stundenbasis abgerechnet hätten und eine Abgabe von Kalkulationsangeboten durch die Auftragnehmer nicht erfolgt sei. Randnummer 17 Hiergegen hat die Klägerin am 09. August 2018 Klage beim Sozialgericht Magdeburg erhoben und zur Begründung ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt. Sie hat bekräftigt, dass die Auftragnehmer jedenfalls nicht in ihr - der Klägerin - Unternehmen eingegliedert gewesen seien. Randnummer 18 Die Beklagte hat in ihrer Erwiderung zum einen ihre Rechtsauffassung in dem angefochtenen Bescheid erneut vorgetragen. Zum anderen hat sie herausgestellt, dass die betroffenen Monteure nach Angaben der Klägerin deren einzige Monteure im streitbefangenen Zeitraum gewesen seien. Insoweit erschließe sich nicht, wie ohne diese der „normale“ Geschäftsbetrieb hätte stattfinden sollen, da Hauptzweck des Unternehmens der An- und Verkauf von Konkurswaren (Gastronomiegeräte und Restauranteinrichtungen) gewesen sei. Ferner habe die Klägerin angegeben, den Beigeladenen zu 2. beauftragt zu haben, die Einrichtungsgegenstände beim jeweiligen Verkäufer abzubauen und beim jeweiligen Käufer innerhalb einer festen Zeitspanne wieder aufzubauen. Daraus ergebe sich bereits die zeitliche und örtliche Eingliederung der Monteure in den Betriebsablauf der Klägerin, da diese als die einzigen Außendienstmitarbeiter im streitigen Zeitraum aufgetreten seien. Nach ihren Angaben habe die Klägerin nur fest angestellte Fahrer beschäftigt, die die erworbenen Einrichtungsgegenstände und Geräte vom Verkäufer zum jeweiligen Käufer gefahren hätten; die Beförderung der Waren hätten die Monteure nach diesem Vorbringen nicht übernommen. Somit hätten zwangsläufig auch Absprachen zwischen den Monteuren und den fest angestellten Mitarbeitern der Klägerin bzw. der von der Klägerin mit dem Transport beauftragten Spedition erfolgen müssen. Eine vollkommen freie Zeiteinteilung, wie von der Klägerin behauptet, scheide somit aus. Der Beigeladene zu 2. habe somit im Ergebnis als ein Kolonnenführer der Klägerin fungiert, da dieser für die Klägerin die Koordination und Abarbeitung der vereinbarten Arbeitsaufträge übernommen habe und alle Monteure ihre Rechnungen nur bei der Klägerin selbst und nicht bei dem Beigeladenen zu 2. eingereicht hätten. Damit scheide auch eine reine Beauftragung der Monteure durch diesen - den Beigeladenen zu 2. - aus, da anderenfalls die von ihm beauftragten Monteure ihre Rechnungen an ihn - den Beigeladenen zu 2. - hätten stellen müssen. Randnummer 19 Die Klägerin hat hierzu repliziert, die Aufträge zur Demontage und Montage der Geräte fremd vergeben zu haben. Wie bei Bauaufträgen auch habe es einen zeitlichen und örtlichen Rahmen gegeben, innerhalb dessen die Auftragnehmer hätten frei entscheiden können, wie und wann sie den Auftrag hätten erledigen wollen. Wäre die Auffassung der Beklagten zutreffend, wären auch Bauunternehmer in den Betriebsablauf des Bauherrn eingegliedert. Die Auftragnehmer hätten auch teilweise Aufträge abgelehnt, sodass sie - die Klägerin - diese dann hätte anderweitig vergeben müssen. Auch arbeite sie inzwischen mit dem Beigeladenen zu 2. nur noch sporadisch zusammen und sei trotzdem nach wie vor in ihrem zentralen Tätigkeitsfeld erfolgreich. Randnummer 20 Hierzu hat die Beklagte eingewandt, dass die zu beurteilenden Personen nicht, wie von der Klägerin behauptet, ausschließlich für Montagearbeiten eingesetzt worden seien. Laut Rechnungslegung seien diese auch für Reparaturarbeiten und Reinigung der Gastrogeräte, Lagerarbeiten im Lager der Klägerin, Malerarbeiten, Gartenarbeiten und Hilfstätigkeiten eingesetzt worden. Ihnen hätten somit untergeordnete Arbeiten oblegen. Bei einfachen Tätigkeiten, insbesondere bei mechanischen Handarbeiten, bestünden schon von vornherein nur geringe Gestaltungsmöglichkeiten. Ein Indiz, das für eine abhängige Beschäftigung spreche, sei schließlich der Umstand, dass der Vertragsgegenstand derart unbestimmt sei, dass erst durch weitere Vorgaben eine Eingliederung in das Unternehmen konkretisiert worden sei. Randnummer 21 Mit Beschluss vom 13. Januar 2020 hat das Sozialgericht die Beiladungen zu 1. bis 5 veranlasst und auf die mündliche Verhandlung vom 11. November 2020 den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Die Klage sei zulässig und begründet. Die Beklagte habe zu Unrecht festgestellt, dass die Beigeladenen zu 1. bis 5. in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur Klägerin gestanden hätten und damit sozialversicherungspflichtig gewesen seien. Die Kammer gehe davon aus, dass die Beigeladenen zu 1. bis 5. zwar im Auftrag der Klägerin tätig geworden seien. Hierbei handele es sich jedoch um Werkverträge, welche für ihre Wirksamkeit nicht schriftlich abgeschlossen werden müssten. Als Erfolg sei geschuldet gewesen, die jeweils von der Klägerin erworbenen bzw. veräußerten Einrichtungsgegenstände und Gastrogeräte von den Monteuren auf- und abbauen zu lassen. Soweit dabei ggfs. eine Zwischenlagerung im Lager der Klägerin erfolgt sei, hindere dies nicht die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit. Ausweislich der vorliegenden Rechnungen der Beigeladenen zu 1. bis 5. ergebe sich, dass diese im streitigen Zeitraum offensichtlich diverse Aufträge für die Klägerin wahrgenommen hätten. Bei Betrachtung des gesamten Zeitraums und der Anzahl der Rechnungen sei davon auszugehen, dass durch die Beigeladenen zu 1. bis 5. auch noch andere Aufträge von anderen Firmen wahrgenommen worden seien. Der Beigeladene zu 4. habe auch entsprechend dargelegt, für welche anderen Firmen er tätig geworden sei. Dem von der Beklagten angeführten Merkmal des fehlenden Unternehmerrisikos sei entgegenzuhalten, dass offensichtlich eine Bezahlung der jeweiligen Aufträge nur erfolgt sei, soweit der Auftrag erfolgreich, sachgerecht und ohne Beanstandungen durchgeführt worden sei. Auch sei nach Auffassung der Kammer nicht maßgebend, dass die Beigeladenen zu 1. bis 5. nicht im eigenen Namen aufgetreten seien, da die Außenwirkung auf Dritte insoweit nicht entscheidend sein könne. Schließlich hätten die Beigeladenen zu 1. bis 5. in den Fragebögen auch jeweils ausgeführt, dass sie in Art und Weise der Ausführung und der Zeiteinteilung im Wesentlichen unabhängig gewesen seien und im Übrigen jeweils eigene Werkzeuge für die Ausführung der Aufträge benutzt hätten. Randnummer 22 Die Beklagte hat gegen das ihr am 19. November 2020 zugestellte Urteil am 11. Dezember 2020 Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung hat sie die im Klageverfahren von ihr vorgetragenen Argumente wiederholt. Sie hat herausgestellt, dass ein unternehmerisches Risiko im Hinblick auf die Bezahlung nach Arbeitsstunden i.H.v. 10,00 € bzw. 13,00 € nicht erkennbar sei. Auch schließe der Umstand, dass die Beigeladenen zu 1. bis 5. auch für andere Auftraggeber tätig geworden seien, das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses im Verhältnis zur Klägerin nicht zwangsläufig aus. Vielmehr sei grundsätzlich jede Tätigkeit gesondert zu beurteilen und daraufhin zu untersuchen, ob unter den konkreten Arbeitsbedingungen die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung oder einer selbstständigen Tätigkeit vorherrschend seien. Im vorliegenden Fall sei ausschließlich auf die Tätigkeiten der Beigeladenen zu 1. bis 5. bei der Klägerin abzustellen. Randnummer 23 Im Termin zur mündlichen Verhandlung beim Senat hat die Beklagte anerkannt, dass der angefochtene Bescheid in Bezug auf die für den Beigeladenen zu 3. erhobenen Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 331,80 € rechtswidrig ist. Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin angenommen. Randnummer 24 Darüber hinaus beantragt die Beklagte, Randnummer 25 das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. November 2020 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Randnummer 26 Die Klägerin beantragt, Randnummer 27 die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. November 2020 zurückzuweisen. Randnummer 28 Sie hat ebenfalls ihre Argumente aus dem Klageverfahren wiederholt und der Berufungsbegründung entgegengehalten, eine nichtselbstständige Tätigkeit setze voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig sei. Hiervon sei jedoch nicht auszugehen, wenn der Beschäftigte mehrere Auftraggeber habe und so selbst entscheiden könne, welchen Auftrag er ausführen wolle und welchen nicht. Schließlich seien die - beigeladenen - Monteure nicht in ihrem - der Klägerin - Namen aufgetreten. Randnummer 29 Mit dem Beschluss des Senats vom 14. April 2022 sind die Beiladungen zu 6. bis 12. bewirkt worden. Die Beigeladenen zu 1. bis 3. und zu 5. bis 12. haben sich im Berufungsverfahren nicht geäußert. Der Beigeladene zu 4., der im Verhandlungstermin beim Senat erschienen ist, hat sich der Rechtsauffassung der Klägerin angeschlossen. Einen eigenen Antrag hat er nicht gestellt. Randnummer 30 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 11. November 2020 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Den Beigeladenen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 7. Senat
Berlin
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15.12.2010
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Randnummer 1 Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen (im Folgenden: Kläger) wendet sich gegen Beschlüsse des Erweiterten Bewertungsausschusses für die vertragsärztliche Versorgung (im Folgenden: Beklagter) zur Verhinderung ungewollter Honorarverluste für besonders forderungswürdige Leistungen. Randnummer 2 Durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 378) führte der Gesetzgeber mit Wirkung vom 1. Januar 2009 eine neues Vergütungssystem für den vertragsärztlichen Bereich ein. Ein zentrales Element dieser Neuregelung bestand in der Schaffung einer Gebührenordnung mit festen Preisen in Euro (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf, BT-Drs. 16/3100, Seite 119). In diesem Zusammenhang werden auf Landesebene jährlich die regional geltenden Punktwerte für das Folgejahr vereinbart (§ 87a Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch [SGB V]). Grundlage der Vereinbarung der Punktwerte sind die bundeseinheitlichen Orientierungswerte, die der von dem Kläger und der beigeladenen Kassenärztlichen Bundesvereinigung zu bildende Bewertungsausschuss festlegt (§ 87 Abs. 2e Satz 1 Nr. 1 bis 3 SGB V). Auf diese bundeseinheitlichen Orientierungswerte kann auf der Landesebene entweder ein Zuschlag oder ein Abschlag vereinbart werden, um insbesondere regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur Rechnung zu tragen (§ 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V). Bei der Beurteilung dieser Besonderheiten sind die Vertragspartner an die Indikatoren gebunden, die der Bewertungsausschuss jährlich festlegt (§ 87 Abs. 2f i.V.m. § 87a Abs. 2 Satz 3 SGB V). Zuschlag oder Abschlag dürfen nicht nach Arztgruppen oder Kassenarten differenzieren (§ 87a Abs. 2 Satz 4 SGB V). Damit wollte der Gesetzgeber insgesamt erreichen, regionale Preisunterschiede, für die es keine sachliche Rechtfertigung gibt, abzubauen (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf, a.a.O.). Randnummer 3 Zu den vom Beklagten mit Beschluss vom 27./28. August 2008 getroffenen Regelungen zählte unter anderem die erstmalige Festlegung des Orientierungswerts nach § 87 Abs. 2e Satz 1 Nr. 1 SGB V für das Jahr 2009 (Beschlussteil A). Der Orientierungswert wurde auf 3,5058 Cent festgesetzt, mit Beschluss vom 23. Oktober 2008 korrigiert auf 3,5001 Cent („Regelfallpunktwert der Euro-Gebührenordnung“). Randnummer 4 Teil H Nr. 5 des Beschlusses vom 27./28. August 2008 ermöglichte die Vereinbarung leistungsbezogener Zuschläge zum Orientierungswert: Randnummer 5 Den Partnern der Gesamtverträge wird empfohlen, die Höhe der nach der Neubewertung dieser Leistungen zu zahlenden Vergütung auch unter Berücksichtigung der bisherigen gesamtvertraglichen Regelungen zu überprüfen und festzustellen, ob zur Sicherung einer angemessenen Vergütung ergänzende Regelungen erforderlich sind. Hierfür können leistungsbezogene Zuschläge zum Orientierungswert vereinbart werden. Randnummer 6 In seiner Nichtbeanstandungsverfügung vom 3. November 2008 wies das Bundesministerium für Gesundheit darauf hin, dass die leistungsbezogenen Zuschläge zum Orientierungswert allein aus Rückstellungen gemäß § 87b Abs. 3 Satz 5 SGB V zu finanzieren seien. In einem Schreiben vom 24. November 2008 präzisierte das Bundesministerium dies: § 87a Abs. 3 SGB V sehe ausdrücklich vor, dass alle Leistungen mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung zu vergüten seien. Der einzige Weg zur Finanzierung von Zuschlägen zu dem sich aus der der Euro-Gebührenordnung ergebenden Preis führe über Rückstellungen aus den Gesamtvergütungen. Randnummer 7 In der Folgezeit kam es zwischen den Beteiligten zu einer Kontroverse über die Notwendigkeit von leistungsbezogenen Zuschlägen zum Orientierungswert. Randnummer 8 Auf Antrag der „Ärzteseite“ vom 12. März 2009 traf der Beklagte am 17. März 2009 einen „Beschluss zur Verhinderung ungewollter Honorarverluste für besonders förderungswürdige Leistungen mit Wirkung vom 1. April 2009“. Die Partner der Gesamtverträge wurden dazu verpflichtet, durch leistungsbezogene Zuschläge zum Punktwert sicherzustellen, dass die Vergütung der belegärztlichen Leistungen sowie der Leistungen des ambulanten Operierens mindestens die Vergütung des Jahres 2008 erreicht. Dem lagen Berechnungen des Instituts des Bewertungsausschusses zugrunde, wonach die durch den Beschluss gegenüber den Krankenkassen im Jahr 2009 bundesweit entstehenden Mehrkosten für den Bereich der belegärztlichen Leistungen 19 Mio. Euro und für die Leistungen des ambulanten Operierens 9,9 Mio. Euro betrugen; davon entfielen allein 10,8 Mio. Euro bzw. 6,8 Mio. Euro auf die Kassenärztlichen Vereinigungen Bayerns bzw. Baden-Württembergs. Randnummer 9 Teil H Nr. 5 des Beschlusses vom 27./28. August 2008 wurde wie folgt neu gefasst: Randnummer 10 Die Partner der Gesamtverträge überprüfen zur Sicherstellung einer ausreichenden und bedarfsgerechten Versorgung der Versicherten der GKV je Gebührenordnungsposition die Höhe der für die besonders förderungswürdigen Leistungen nach Beschluss Teil A 2.4 und Beschluss Teil B 1.3 zu zahlenden Vergütung unter Berücksichtigung der gesamtvertraglichen Regelungen im Jahr 2008. Unterschreitet die für das Jahr 2009 ermittelte zu zahlende Vergütung je Gebührenordnungsposition für belegärztliche (kurativ-stationäre) Leistungen (Leistungen des Kapitels 36, die Gebührenordnungspositionen 13311, 17370 und Geburtshilfe), Leistungen des Kapitels 31.2 und 31.5, die Gebührenordnungspositionen 13421 bis 13431, 04514, 04515, 04518 und 04520, die gemäß den gesamtvertraglichen Regelungen im Jahr 2008 hierfür zu zahlende Vergütung, vereinbaren die Partner der Gesamtverträge zum Ausgleich der festgestellten Unterschreitungen für die betroffenen Gebührenordnungspositionen leistungsbezogene Zuschläge zum Regelfallpunktwert der Euro-Gebührenordnung. Randnummer 11 Für sonstige Leistungen nach Beschlussteil B, 1.3, und Leistungen nach Beschluss Teil A 2.4 wird den Partnern der Gesamtverträge empfohlen festzustellen, ob zur Sicherung einer angemessenen Vergütung ergänzende Regelungen erforderlich sind. Sie können hierfür leistungsbezogene Zuschläge zum Orientierungswert vereinbaren. Randnummer 12 Die Vergütung der nach Satz 2 vereinbarten Zuschläge erfolgt aus den Rückstellungen zur Verhinderung überproportionaler Honorarverluste nach Beschluss Teil G 1. Die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung und diese Rückstellungen sind durch die betroffenen Krankenkassen hierzu zweckgebunden fortlaufend um das Vergütungsvolumen für die je abgerechneter Gebührenordnungsposition für besonders förderungswürdige Leistungen nach Satz 2 zum Ansatz kommende Zuschläge nach Satz 2 zusätzlich zu erhöhen. Randnummer 13 Mit Verfügung vom 13. Mai 2009 ließ das Bundesministerium für Gesundheit den Beschluss des Beklagten vom 17. März 2009 unbeanstandet, erteilte jedoch die Auflage, die aus Sicherstellungsgründen vorgesehenen regionalen leistungsbezogenen Zuschläge zum Regelfallpunktwert der Euro-Gebührenordnung als Übergangsregelung zunächst bis zum 31. Dezember 2009 zu befristen und die Regelung auf Grundlage von Abrechnungsdaten zur Vergütungs- und Leistungsentwicklung der entsprechenden Gebührenpositionen aller betroffenen Kassenärztlichen Vereinigungen, die mindestens ein Quartal aus dem Jahr 2009 umfassen, zu überprüfen. Randnummer 14 Am 20. Mai 2009 beschloss der Beklagte daraufhin, seinen Beschluss vom 17. März 2009 bis zum 31. Dezember 2009 zu befristen, ihn zu überprüfen und bis zum 31. Oktober 2009 zur Notwendigkeit der Verlängerung und ggf. Änderung des Beschlusses mit Wirkung zum 01. Januar 2010 zu entscheiden. Außerdem erklärte der Beklagte den so geänderten Beschluss vom 17. März 2009 für sofort vollziehbar. Die aufschiebende Wirkung einer Anfechtungsklage könne angesichts drohender Honorarverluste und damit einhergehender Versorgungsprobleme nicht hingenommen werden; außerdem drohten beträchtliche Mehrkosten durch ersatzweise veranlasste höherpreisige Behandlungen in Krankenhaushauptabteilungen. Randnummer 15 Bereits am 15. April 2009 hat der Kläger gegen den Beschluss des Beklagten vom 17. März 2009 Klage erhoben (L 7 KA 62/09 KL). Randnummer 16 Am 2. September 2009 fasste der Beklagte einen Gesamtbeschluss „zur Weiterentwicklung der vertragsärztlichen Vergütung im Jahr 2010“. Im Beschlussteil C wurden gemäß § 87 Abs. 2f SGB V Indikatoren zur Messung regionaler Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur für das Jahr 2010 mit Wirkung zum 01. Januar 2010 festgelegt. Damit wurden die oben erwähnten Beschlüsse des Beklagten fortgeschrieben. Unter Ziffer 3.1 (Leistungsbezogene Indikatoren für regionale Besonderheiten der Versorgungsstrukturen) heißt es dort: Randnummer 17 Die Partner der Gesamtverträge überprüfen zur Sicherstellung einer ausreichenden und bedarfsgerechten Versorgung der Versicherten der GKV je Gebührenordnungsposition die Höhe der im Jahr 2010 für die nachfolgend aufgeführten besonders förderungswürdigen Leistungen zu zahlenden Vergütung unter Berücksichtigung der gesamtvertraglichen Regelungen im Jahr 2008. Randnummer 18 Unterschreitet die für das Jahr 2010 ermittelte zu zahlende Vergütung je Gebührenordnungsposition für belegärztliche (kurativ-stationäre) Leistungen (Leistungen des Kapitels 36, die Gebührenordnungspositionen 13311, 17370 und Geburtshilfe) und Leistungen der Abschnitte 31.2 und 31.5, die Gebührenordnungspositionen 13421 bis 13431, 04514, 04515, 04518 und 04520, die gemäß den gesamtvertraglichen Regelungen im Jahr 2008 hierfür zu zahlende Vergütung (leistungsbezogener Indikator für regionale Besonderheiten der Versorgungsstruktur bei der Vergütung besonders förderungswürdiger Leistungen), vereinbaren die Partner der Gesamtverträge zum Ausgleich der festgestellten Unterschreitungen für die betroffenen Gebührenordnungspositionen leistungsbezogene Zuschläge zum Orientierungswert der Euro-Gebührenordnung. Randnummer 19 Für nachfolgende Leistungen Randnummer 20 - Leistungen der Abschnitte 1.7.1 bis 1.7.4, - Früherkennungsuntersuchung U 7a, - Substitutionsbehandlung bei Drogenabhängigkeit, - Hautkrebsscreening, - Durchführung von Vakuumstanzbiopsien, - Leistungen der künstlichen Befruchtung, - Strahlentherapie, - Versorgung chronisch schmerzkranker Patienten, - Polysomnographie, - MRT- Angiographie Randnummer 21 wird den Partnern der Gesamtverträge empfohlen festzustellen, ob zur Sicherung einer angemessenen Vergütung analoge Regelungen nach Satz 2 erforderlich sind. Über die in Satz 2 und 3 genannten Leistungen hinaus können die Partner der Gesamtverträge weitere besonders förderungswürdige Leistungen bestimmen und für diese Zuschläge zum Orientierungswert festlegen. Randnummer 22 Die Vergütung der nach Satz 2 bis 4 vereinbarten Zuschläge für außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung finanzierten Leistungen erfolgt aus den Rückstellungen zur Verhinderung überproportionaler Honorarverluste nach Beschluss Teil G 1. Die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung und diese Rückstellungen sind durch die betroffenen Krankenkassen hierzu zweckgebunden fortlaufend um das Vergütungsvolumen für die je abgerechneter Gebührenordnungsposition für besonders förderungswürdige Leistungen nach Satz 2 zum Ansatz kommende Zuschläge nach Satz 2 zusätzlich zu erhöhen. Randnummer 23 Der Bewertungsausschuss konnte die Auswirkungen der regionalen Vereinbarungen zur Vermeidung von Honorarverlusten für besonders förderungswürdige Leistungen im Jahr 2009 bis zum Zeitpunkt dieser Beschlussfassung noch nicht überprüfen, geht aber von der Notwendigkeit einer Fortschreibung der hierzu für das Jahr 2009 getroffenen Regelungen mit diesem Beschluss für das Jahr 2010 aus. Der Bewertungsausschuss wird bis zum 31. August 2010 kritisch prüfen, ob ein Fortbestand dieser Regelung im Jahr 2011 erforderlich ist. Das Institut des Bewertungsausschusses wird damit beauftragt, die Auswirkungen der regionalen Vereinbarungen zur Vermeidung von Honorarverlusten für besonders förderungswürdige Leistungen im Jahr 2009 zu analysieren und dem Bewertungsausschuss das Ergebnis der Untersuchung bis zum 31. Juli 2010 vorzulegen. Im Bereich des ambulanten Operierens ist insbesondere zu überprüfen, ob eine Differenzierung der Regelungen nach der Komplexität des Eingriffs sinnvoll wäre. Der Prüfauftrag aus dem Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 20. Mai 2009 bleibt unberührt. Der sofortige Vollzug gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 5 SGG der Regelung gemäß 3.1 wird beschlossen. Randnummer 24 Der Beschluss des Beklagten vom 2. September 2009 ist vom Bundesministerium für Gesundheit nicht beanstandet worden (Verfügung vom 26. Oktober 2009). Randnummer 25 Am 11. September 2009 hat der Kläger auch gegen die Regelungen in Ziffer 3.1 in Teil C des Beschlusses des Beklagten vom 2. September 2009 Klage erhoben (L 7 KA 135/09 KL). Der Senat hat die Klagen L 7 KA 62/09 KL und L 7 KA 135/09 KL am 15. Dezember 2010 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem erstgenannten Aktenzeichen verbunden. Randnummer 26 Zur Begründung seiner Klagen hat der Kläger im Wesentlichen vorgebracht: Die Vereinbarung leistungsbezogener regionaler Zuschläge entspreche grundsätzlich nicht den gesetzlichen Vorgaben. Leistungsbezogene Differenzierungen verstießen gegen § 87a SGB V. Der Gesetzgeber habe gerade zum Abbau regionaler leistungsbezogener Preisunterschiede beitragen wollen; alle Leistungen seien mit den Preisen der Euro-Gebührenordnung zu vergüten. Auch fehle es an einer Rechtsgrundlage für die bindende Vorgabe leistungsbezogener Zuschläge durch den Beklagten; die Vereinbarung regionaler Zu- und Abschläge vom Orientierungswert sei in Gestalt der nicht schiedsfähigen Kann-Bestimmung in § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V den Partnern der Gesamtverträge vorbehalten. Zudem griffen die angefochtenen Beschlüsse unzulässig in die bereits durch die Partner der Gesamtverträge getroffenen bzw. durch Schiedsamt festgesetzten, landesweise teils sehr unterschiedlichen Vereinbarungen ein. Eine pauschale Anhebung der Vergütungen auf das Niveau des Jahres 2008 sei auch nicht aus Sicherstellungsgründen erforderlich; Versorgungsprobleme seien weder belegt noch zu befürchten. Im Übrigen seien die angefochtenen Beschlüsse auch im Hinblick auf die finanzielle Situation der gesetzlichen Krankenversicherung unvertretbar. Die Finanzierung erfolge ausschließlich durch die Krankenkassen, die zu diesem Zweck nachträglich ihre Rückstellungen erhöhen müssten. Schließlich mache auch die Einführung von § 136 Abs. 4 SGB V deutlich, dass der Gesetzgeber leistungsbezogene Zuschläge nach der Grundidee der §§ 87a bis 87c SGB V habe ausschließen wollen. Randnummer 27 Der Kläger beantragt, Randnummer 28 1. den Beschluss des Beklagten vom 17. März 2009, Sätze 2, 5 und 6 („Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Verhinderung ungewollter Honorarverluste für besonders förderungswürdige Leistungen“) in der Fassung des Beschlusses vom 20. Mai 2009 („Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Anpassung und Anordnung der sofortigen Vollziehung seines Beschlusses vom 17. März 2009“) aufzuheben, Randnummer 29 hilfsweise, Randnummer 30 die gesamten Beschlüsse vollständig aufzuheben, Randnummer 31 weiter hilfsweise, Randnummer 32 den Beklagten unter Aufhebung der genannten Beschlüsse zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über eine Änderung von Teil 2 und 5 des Beschlusses des Beklagten vom 27./28. August 2008 mit Wirkung vom 01. April 2009 erneut zu entscheiden, Randnummer 33 2. den Beschluss des Beklagten vom 02. September 2009 Teil C, Ziffer 3.1. Sätze 2 und 6 sowie Satz 5, soweit dieser die Vergütung nach Satz 2 betrifft, aufzuheben, Randnummer 34 hilfsweise, Randnummer 35 den vorgenannten Beschluss Teil C Ziffer 3.1. vollständig aufzuheben, Randnummer 36 weiter hilfsweise, Randnummer 37 den vorgenannten Beschluss unter Ziffer 3.1. aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Festlegung von Indikatoren zur Messung regionaler Besonderheiten für das Jahr 2010 zu entscheiden, Randnummer 38 weiter hilfsweise, Randnummer 39 den vorgenannten Beschluss vollständig aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts im Sinne des zuletzt genannten Hilfsantrages zu entscheiden. Randnummer 40 Der Beklagte und die Beigeladene beantragen, Randnummer 41 die Klagen abzuweisen. Randnummer 42 Der Beklagte trägt vor: Es gehe darum, ungewollte regionale Honorarverluste für besonders förderungswürdige Leistungen zu vermeiden und so die Versorgung der Versicherten sicherzustellen. Zuschläge auf den Regelfallpunktwert seien nach der Systematik der §§ 87a bis 87c SGB V statthaft. Die Rechtsgrundlage der angefochtenen Beschlüsse liege in § 87b Abs. 4 Satz 2 SGB V. Randnummer 43 Die Beigeladene ist der Auffassung, dass § 87 Abs. 2e SGB V eine Differenzierung der Orientierungswerte nach Regelfall, Unter- und Überversorgung ermögliche. § 87 Abs. 2f SGB V i.V.m. § 87a Abs. 2 SGB V ließen Zuschläge auf die Orientierungswerte zu, um regionalen Besonderheiten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur Rechnung tragen zu können. Darin komme zum Ausdruck, dass es nach den Vorstellungen des Gesetzgebers weiterhin Gründe für regionale Preisunterschiede gebe. Schon die Formulierung in § 87a Abs. 2 Satz 2 SGB V zeige, dass Zuschläge zum Orientierungswert insbesondere dann möglich seien, wenn sie zur Gewährleistung einer ausreichenden Sicherstellung der Versorgung erforderlich würden. Ohne die angefochtenen Entscheidungen wäre es zu starken Verwerfungen des Honorars vor allem bei den Belegärzten insbesondere in Bayern gekommen. Die angegriffenen Zuschläge fänden ihre Rechtsgrundlage in § 87b Abs. 4 Satz 2 SGB V. Danach dürfe der Beklagte u.a. Vorgaben zur Umsetzung von § 87b Abs. 2 Satz 7 SGB V sowie Grundsätze zur Bildung von Rückstellungen nach § 87b Absatz 3 Satz 5 SGB V bestimmen. Er habe die streitigen Beschlüsse gefasst, um ungewollte Honorarverluste für besonders förderungswürdige Leistungen zu vermeiden, die vor Inkrafttreten des einheitlichen Orientierungswertes mit Punktwerten vergütet worden seinen, die über diesem Wert gelegen hätten. Dazu habe er die Beschlüsse über die vorzusehenden Zuschläge mit einer Regelung über die erforderliche Dotierung der Rücklagen verknüpft. Damit halte sich der Beklagte im Rahmen der oben angegebenen Rechtsgrundlage; diese ermögliche nämlich durch die Bezugnahmen auf §§ 87b Abs. 2 Satz 7 und 87b Absatz 3 Satz SGB V die Vergütung von besonders förderungswürdigen Leistungen außerhalb der Regelleistungsvolumina, ohne Bestimmungen zur Höhe der Vergütung zu treffen, und sehe darüber hinaus die Bildung von Rückstellungen für Sicherstellungsaufgaben und zum Ausgleich von überproportionalen Honorarverlusten vor. Ein unzulässiger Eingriff in die Kompetenzen der Vertragspartner auf Landesebene sei damit nicht verbunden, auch wenn sich in Folge der Beschlüsse durch den Beklagten auf Landesebene ein Anpassungsbedarf in Bezug auf dort bereits gefasste Beschlüsse ergeben habe. Dies führe jedoch nicht zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Beschlüsse des Beklagten. Randnummer 44 Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakten und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
1. Der Beschluss des Beklagten vom 17. März 2009, Sätze 2, 5 und 6 („Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Verhinderung ungewollter Honorarverluste für besonders forderungswürdige Leistungen“) in der Fassung des Beschlusses vom 20. Mai 2009 („Beschluss des Erweiterten Bewertungsausschusses zur Anpassung und Anordnung der sofortigen Vollziehung seines Beschlusses vom 17. März 2009“) wird aufgehoben. 2. Der Beschluss des Beklagten vom 2. September 2009, Teil C, Ziffer 3.1, Sätze 2 und 6 sowie Satz 5, soweit dieser die Vergütung nach Satz 2 betrifft, wird aufgehoben. 3. Der Beklagte und die Beigeladene tragen die Kosten des Rechtsstreits je zur Hälfte. 4. Die Revision wird zugelassen.
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Hessisches Landessozialgericht 5. Senat
Hessen
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23.05.2014
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten (noch) um die rückwirkende Aufhebung der Entscheidung über die Bewilligung eines Beitragszuschusses zu den Aufwendungen für die (freiwillige) Kranken- und Pflegeversicherung sowie um die Rückforderung der insoweit für die Zeit vom 1. April 2002 bis zum 31. Oktober 2008 erbrachten Leistungen in Höhe von insgesamt 7.607,56 €. Randnummer 2 Der 1937 geborene Kläger war bei der C.bank beschäftigt und bezieht seit dem 1. Januar 2001 eine Altersrente für langjährig Versicherte. Zu dieser Rente bewilligte die Beklagte ihm auf entsprechenden Antrag durch in der Sache bindend gewordenen Neuberechnungsbescheid vom 26. Februar 2001 für die Zeit ab 1. Januar 2001 einen Beitragszuschuss zur freiwilligen Kranken- und Pflegeversicherung in gesetzlicher Höhe. Randnummer 3 Im Bescheid vom 26. Februar 2001 (Bl. 35 Rentenakten) heißt es unter der Überschrift "Mitteilungspflichten" unter anderem: Randnummer 4 "Der Anspruch auf Beitragszuschuss für die freiwillige oder private Krankenversicherung entfällt mit der Aufgabe oder dem Ruhen dieser Krankenversicherung und bei Eintritt von Krankenversicherungspflicht. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns jede Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses unverzüglich mitzuteilen… Randnummer 5 Der Anspruch auf Beitragszuschuss für die Pflegeversicherung entfällt bei Eintritt von Versicherungspflicht in der Krankenversicherung sowie bei Eintritt von Beitragsfreiheit in der Pflegeversicherung. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns jede Änderung des Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisses unverzüglich mitzuteilen. Randnummer 6 Soweit Änderungen Einfluss auf den Rentenanspruch oder die Rentenhöhe haben, werden wir den Bescheid – auch rückwirkend – ganz oder teilweise aufheben und zu Unrecht erbrachte Leistungen zurückfordern. Randnummer 7 Größere Überzahlungen können vermieden werden, wenn Sie uns entsprechend den Mitteilungspflichten umgehend benachrichtigen." Randnummer 8 In der Folge der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. März 2000 (1 BvL 16/96 = SozR 3-2500 § 5 Nr. 42 = BVerfGE 102, 68) gelangte der Kläger zum 1. April 2002 als Pflichtversicherter in die gesetzliche Krankenversicherung der Rentner. Ob der Kläger hierüber seinerzeit durch ein Schreiben der Barmer Ersatzkasse (jetzt Barmer GEK) unterrichtet wurde, ist streitig. Randnummer 9 Die Beklagte erlangte von der seit dem 1. April 2002 bestehenden Pflichtversicherung des Klägers erstmals Kenntnis aufgrund einer entsprechenden Mitteilung der Barmer Ersatzkasse vom 25. August 2008. Randnummer 10 Durch Bescheid vom 5. September 2008 (Bl. 14 Rentenakten) hob die Beklagte daraufhin zunächst unter Berufung auf § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) den "Bescheid über die Bewilligung des Zuschusses zur Krankenversicherung … mit Wirkung für die Zukunft ab 1. November 2008" auf und teilte dem Kläger zugleich mit, dass im Hinblick auf die ab 1. April 2002 bestehende Pflichtversicherung bei der Zahlung der Rente der gesetzliche Eigenanteil zur Kranken- und Pflegeversicherung einzubehalten sei. Bei der rückwirkenden Einbehaltung der Beiträge wurde von Amts wegen die hinsichtlich der Ansprüche für die Zeit bis zum 31. Dezember 2003 eingetretene Verjährung berücksichtigt. Bezüglich der Zeit vom 1. Januar 2004 bis zum 31. Oktober 2008 ermittelte die Beklagte einen Nachforderungsbetrag in Höhe von insgesamt 7.295,23 €. Der gegen diesen Bescheid am 25. September 2008 erhobene Widerspruch des Klägers wurde durch Widerspruchsbescheid vom 24. Februar 2009 unter Hinweis auf die Einbehaltungsvorschrift des § 255 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) als unbegründet zurückgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht Gießen die betreffenden Bescheide durch rechtskräftig gewordenes Urteil vom 19. April 2011 (Az. S 19 R 398/11) mit der Begründung aufgehoben, dass es an einer Rechtsgrundlage für die in einem Betrag erfolgte Nachforderung der rückständigen Beiträge fehle. Die rückständigen Beiträge sind zwischenzeitlich vom Kläger nachentrichtet worden. Randnummer 11 Durch – den hier maßgeblichen – weiteren Bescheid vom 28. November 2008 (Bl. 26 Rentenakten) hob die Beklagte ferner nach entsprechender Anhörung unter Berufung auf § 48 SGB X "den Bescheid vom 26. Februar 2001 über die Bewilligung des Zuschusses zu den Aufwendungen für die Krankenversicherung nach § 106 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) und für die Pflegeversicherung nach § 106a SGB VI" für die Zeit ab 1. April 2002 auf und forderte vom Kläger die Erstattung der hinsichtlich des Zeitraums vom 1. April 2002 bis zum 31. Oktober 2008 entstandenen Überzahlung in Höhe von insgesamt 7.607,56 €. Auf Vertrauen in den Bestand der Bewilligungsentscheidung könne der Kläger sich nicht berufen, weil ein Tatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 oder Nr. 4 SGB X gegeben sei und die Fristen des § 48 Abs. 4 SGB X noch nicht abgelaufen seien. Randnummer 12 Der Kläger erhob am 5. Dezember 2008 auch gegen diesen Bescheid Widerspruch (Bl. 29 Rentenakten) und machte geltend, dass er während seiner Tätigkeit bei der C.bank und auch während des Vorruhestandes freiwillig bei der Barmer Ersatzkasse krankenversichert gewesen sei. Zum Zeitpunkt des Renteneintritts sei er davon ausgegangen, dass diese freiwillige Krankenversicherung weiterbestehe. Ihm sei zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt worden, dass nunmehr eine gesetzliche Krankenversicherung bestehe und dass daher der Zuschuss zur Krankenversicherung wegfalle. Dass bei Beendigung der freiwilligen Krankenversicherung die Voraussetzungen für einen Zuschuss entfallen, sei ihm nicht bekannt gewesen. Im Übrigen treffe die Krankenkasse bzw. den Rentenversicherungsträger ein Mitverschulden, welches ihm nicht angelastet werden könne. Randnummer 13 Der Widerspruch wurde seitens der Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 1. April 2009 (Bl. 49 Rentenakten) mit der Begründung zurückgewiesen, dass das Vertrauen des Klägers in den Bestand der Bewilligung der Beitragszuschüsse nicht geschützt sei, weil ein Fall des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB X vorliege. Der Kläger habe die ihm obliegenden Mitteilungspflichten verletzt und außerdem auch gewusst bzw. wissen müssen, dass der Anspruch auf die Beitragszuschüsse mit Beginn der Versicherungspflicht entfalle. Das Verhalten des Klägers sei vorsätzlich bzw. zumindest grob fahrlässig. Es sei wegen des Mitverschuldens der Krankenkasse an der entstandenen Überzahlung zwar ein sog. atypischer Fall gegeben; gleichwohl könne jedoch im Wege des Ermessens von einer rückwirkenden Aufhebung des Bescheides vom 26. Februar 2001 nicht abgesehen werden, weil das Verschulden des Klägers am Entstehen der Überzahlung deutlich überwiege. Randnummer 14 Der Kläger erhob daraufhin am 27. April 2009 Klage bei dem Sozialgericht Gießen und vertiefte seine bereits zur Widerspruchsbegründung gemachten Ausführungen. Er behauptete, sowohl vor als auch nach der Beendigung seiner freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung keine Beiträge direkt an die Barmer Ersatzkasse gezahlt zu haben. Er habe der Barmer Ersatzkasse auch keine entsprechende Einzugsermächtigung erteilt. Anfangs sei der Beitrag an die Krankenkasse von seinem Arbeitgeber abgeführt worden, und nach der Berentung habe es die Barmer Ersatzkasse offenbar versäumt, die freiwilligen Beiträge von ihm einzufordern. Da hinsichtlich der Zeit ab 1. April 2002 keine Abbuchungen des freiwilligen Krankenversicherungsbeitrags weggefallen seien, habe er den Wechsel zur gesetzlichen Krankenversicherung der Rentner nicht bemerken können. Randnummer 15 Die Beklagte verteidigte demgegenüber die angefochtenen Bescheide und berief sich unter Vorlage eines entsprechenden Musterschreibens (Bl. 83 Gerichtsakten) darauf, dass die Versicherten regelmäßig schriftlich über die Änderung des Kranken- und Pflegeversicherungsverhältnisses zum 1. April 2002 unterrichtet worden seien. Randnummer 16 Das Sozialgericht hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts schriftliche Auskünfte der Barmer Ersatzkasse vom 30. Juli 2010, vom 30. März 2011, vom 18. Mai 2011 sowie vom 7. Juni 2011 eingeholt und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des bei der Barmer Ersatzkasse tätigen Sozialversicherungsangestellten D. als Zeuge. Wegen des Gegenstands sowie wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 2. April 2012. Randnummer 17 Durch Urteil vom 2. April 2012 hat das Sozialgericht schließlich die angefochtenen Bescheide der Beklagten aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, es könne nach den glaubhaften Angaben des Klägers nicht als erwiesen angesehen werden, dass er vom Wechsel seines Krankenversicherungsverhältnisses Kenntnis gehabt habe. Angesichts dessen könne ihm auch ein Verstoß gegen die ihm obliegenden Mitteilungspflichten nicht vorgeworfen werden. Randnummer 18 Die Beklagte hat gegen das ihr am 26. April 2002 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 29. Mai 2012 ("Pfingstdienstag") fristgerecht Berufung eingelegt. Sie macht geltend, dass die Angabe des Klägers, er habe zu keinem Zeitpunkt Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung an die Barmer Ersatzkasse entrichtet, nicht glaubhaft sei. Dem stehe die Aussage des Zeugen D. im Termin vom 2. April 2012 entgegen. Wenn man die Angaben des Klägers als wahr unterstelle, dann ergebe sich daraus im Übrigen, dass er nicht erst ab 1. April 2002, sondern bereits von Beginn an die Beitragszuschüsse zu Unrecht in Empfang genommen habe und deshalb erst recht grob fahrlässig, wenn nicht sogar vorsätzlich gehandelt habe. Randnummer 19 Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 2. April 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Randnummer 20 Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 21 Er sieht sich in seiner Auffassung durch die erstinstanzliche Entscheidung bestätigt. Randnummer 22 Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie zur Ergänzung des Sach- und Streitstands im Übrigen wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf den Inhalt der den Kläger betreffenden Rentenakten der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 2. April 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen. II. Die Beteiligten haben einander für beide Instanzen keine Kosten zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
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VG Berlin 24. Kammer
Berlin
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10.09.2014
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten über die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug. Randnummer 2 Die im Jahr 1992 geborene Klägerin ist pakistanische Staatsangehörige und beantragte am 12. Januar 2012 bei der zuständigen Botschaft in Islamabad die Erteilung eines nationalen Visums zum Ehegattennachzug zu dem in Deutschland lebenden Beigeladenen zu 2., der die deutsche Staatsangehörigkeit hat. Randnummer 3 Die Eheschließung zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 2. fand am 11. November 2011 in Sialkot in Pakistan in der Form der sogenannten Ahmadiyya-Ehe, einer sogenannten Handschuh-Ehe, statt. Dem Antrag der Klägerin auf Erteilung des Visums war eine Heiratsurkunde (NIKAH) vom 30. November 2011 beigefügt. Danach ließ sich die Klägerin durch ihren Vater, Herrn E... als Wali vertreten. Der Beigeladene zu 2. unterschrieb die Heiratsurkunde am 29. September 2011 und ließ sich durch Herrn M... als Wakil vertreten. Der Wakil stimmte am 11. November 2011 der Vertretung zu und unterschrieb die Heiratsurkunde am selben Tage. Die Klägerin und ihr Vater als Vertreter unterschrieben die Heiratsurkunde, ohne jedoch ein Datum einzutragen. Randnummer 4 Mit Bescheid der Botschaft Islamabad vom 5. Februar 2014 lehnte die Beklagte die Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug ab. Zur Begründung machte sie geltend, dass Zweifel an der Wirksamkeit der Ehe bestünden. Zwar könnten sich die Eheleute nach pakistanischem Ortsrecht jeweils vertreten lassen, erforderlich sei aber die gleichzeitige Anwesenheit der Vertreter, um zu gewährleisten, dass nur eine Vertretung in den Erklärungen, nicht aber im Willen der Vertretenden vorliege. Die gleichzeitige Anwesenheit der Vertreter gehe aus der Urkunde nicht hervor, da das Datum der Unterschrift der Klägerin und ihres Vertreters fehle. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass der Beigeladene zu 2. die Heiratsurkunde „blanko“ unterschrieben habe. Randnummer 5 Mit Mail vom 27. März 2014 legte die Klägerin gegenüber der Botschaft eine Erklärung des Ahmadiyya-Heiratsbüros vom 20. März 2014 vor. In dieser Erklärung wird bestätigt, dass bei dem Eheschließungstermin am 11. November 2011 beide Vertreter gleichzeitig unter Anwesenheit zweier Zeugen die Ehe zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 2. geschlossen haben. Randnummer 6 Mit Remonstrationsbescheid der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Islamabad vom 2. April 2014 hob die Beklagte den Bescheid vom 5. Februar 2014 auf und lehnte den Antrag auf Erteilung eines Visums zum Zwecke des Familiennachzugs erneut ab. Zur Begründung führte sie aus, dass die Klägerin nicht nachgewiesen habe, dass die jeweiligen Vertreter gleichzeitig die Eheschließung erklärt hätten. Die Bescheinigung der Ahmadiyya Glaubensgemeinschaft vom 20. März 2014 sei nicht geeignet, den erforderlichen Nachweis über die gleichzeitige Anwesenheit der jeweiligen Vertreter zu führen. Es sei auch unerheblich, dass der Zeuge I... bestätigt habe, dass alle erforderlichen Personen gleichzeitig anwesend gewesen seien. Es stehe der Klägerin frei, einen Antrag auf Anerkennung der Ehe in Deutschland zu stellen oder in Deutschland zu heiraten. Eine erneute Eheschließung in Pakistan sei allerdings nicht möglich. Randnummer 7 Die Klägerin hat am 5. Juni 2014 Klage erhoben. Randnummer 8 Zur Begründung trägt sie vor, dass die nach der Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 22. April 2013 erforderlichen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Amadiyya-Ehe vorgelegen haben. Insbesondere waren die Vertreter der Eheleute auch gleichzeitig anwesend gewesen. Die Klägerin habe es lediglich versäumt auf der Heiratsurkunde ein Datum einzutragen. Dies schließe die Wirksamkeit der Ehe nicht aus, da anderweitig nachgewiesen worden sei, dass die gleichzeitige Anwesenheit der jeweiligen Vertreter vorgelegen habe. Randnummer 9 Die Klägerin beantragt, Randnummer 10 die Beklagte unter Aufhebung des Remonstrationsbescheides vom 2. April 2014 zu verpflichten, ihr ein Visum zum Ehegattennachzug zu ihrem Ehemann, dem Beigeladenen zu 2., zu erteilen. Randnummer 11 Die Beklagte beantragt, Randnummer 12 die Klage abzuweisen. Randnummer 13 Die Beklagte nimmt Bezug auf den angefochtenen Remonstrationsbescheid und macht ergänzend geltend, dass die Ehe der Klägerin nicht nach den Vorschriften des pakistanischen Ortsrechts zustande gekommen sei. Die Klägerin habe nicht nachgewiesen, dass die übereinstimmenden Erklärungen der Vertreter der Braut und des Bräutigams gleichzeitig vorgelegen hätten. Zudem habe der Beigeladene zu 1. der Erteilung des Visums nicht zugestimmt. Die Klägerin könne auf eine erneute Eheschließung in Deutschland oder auf ein Verfahren nach § 121 Nr. 3 FamFG verwiesen werden. Randnummer 14 Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Remonstrationsbescheides vom 2. April 2014 der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Islamabad verpflichtet, der Klägerin ein Visum zum Zwecke der Familienzusammenführung zu erteilen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages leistet.
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SG Frankfurt 18. Kammer
Hessen
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08.11.2006
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten um die beitragsfreie Fortführung einer Pflichtmitgliedschaft während der Elternzeit nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Randnummer 2 Die Klägerin war und ist bei der C. K. AG abhängig beschäftigt. 2003 gebar sie ein Kind. Seit 01.09.2003 war sie bei der Beklagten wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze freiwillig krankenversichert. Ihr Ehemann ist nicht gesetzlich krankenversichert. Ab dem 01.11.2003 nahm die Klägerin Elternzeit in Anspruch. Am selben Tag nahm sie eine Teilzeitbeschäftigung bei ihrem Schwager auf, die sie am 30.11.2004 beendete. In dieser Beschäftigung war sie versicherungspflichtig. Dies ist mit bestandskräftigem Bescheid vom 25.02.2005 (Bl. 6 Verwaltungsakte), abgeändert durch den Bescheid vom 28.02.2005 (Bl. 7 Verwaltungsakte) festgestellt worden. Ab dem 01.12.2004 befand sich die Klägerin ausschließlich in Elternzeit, bis sie am 25.08.2005 ihre Beschäftigung bei der C. K. AG wieder aufnahm. Seit diesem Tag ist die Klägerin bei der Beklagten pflichtversichert (keine Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze). Randnummer 3 In dem Bescheid vom 28.02.2005 bat die Beklagte die Klägerin zusätzlich um die Beantwortung einer Einkommensanfrage für die Zeit nach dem 30.11.2004. Randnummer 4 Im Schreiben vom 27.04.2005 (Bl. 12 Verwaltungsakte) zeigte sich die Klägerin verwundert über die Einkommensanfrage, da sie keine freiwillige Versicherung beantragen wolle. Sie sei vielmehr der Rechtsauffassung, dass die bestehende Pflichtversicherung fortgeführt werden müsse. Randnummer 5 Mit Bescheid vom 02.05.2005 (Bl. 22 Verwaltungsakte) lehnte die Beklagte es ab, die Klägerin ab dem 01.12.2004 als Pflichtmitglied zu führen. Vielmehr bestehe, so die Rechtsauffassung der Beklagten, ab diesem Zeitpunkt eine freiwillige Mitgliedschaft. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Klägerin nicht im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in die Elternzeit gewechselt sei. Ab Beginn der Elternzeit sei die Klägerin grundsätzlich dem Personenkreis der „sonstig freiwillig Versicherten“ zuzuordnen, da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 26.05.2004, B 12 P 6/03 R) auch während des Erziehungsgeldbezugs bzw. während der Elternzeit Beiträge von Mitgliedern zu zahlen seien, die davor wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze versicherungsfrei und freiwillig versichert gewesen seien. Die Spitzenverbände der Krankenkassen verträten die Auffassung, dass diesem Personenkreis nur dann Beitragsfreiheit eingeräumt werden könne, wenn der oder die freiwillig Versicherte bei Nutzung der Elternzeit über keine weiteren beitragspflichtigen Einnahmen verfüge und ohne die freiwillige Versicherung dem Grunde nach Anspruch auf Familienversicherung bestünde. Demnach könne freiwillig versicherten Mitgliedern, deren Ehegatte nicht der gesetzlichen Krankenversicherung angehöre, keine Beitragsfreiheit während des Erziehungsgeldbezugs bzw. der Elternzeit eingeräumt werden. Das Einkommen des nicht gesetzlich versicherten Ehegatten sei während dieser Zeit bei dem freiwillig versicherten Mitglied zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 26.03.1998, B 12 KR 45/96 R). Der bisher freiwillig versicherte Arbeitnehmer müsse sich während der Elternzeit wie alle anderen freiwillig Versicherten behandeln lassen. Aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses werde die freiwillige Versicherung nicht beendet, sondern lediglich verdrängt, da nach § 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) ein Beschäftigungsverhältnis für die Dauer des Erziehungsgeldbezugs bzw. der Elternzeit fortbestehe. Somit lebe die freiwillige Versicherung der Klägerin zum 01.12.2004 wieder auf, mit der Folge, dass ab diesem Zeitpunkt Beiträge von der Klägerin zu zahlen seien. Randnummer 6 Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 11.05.2005 (Bl. 23 Verwaltungsakte) Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2005 (Bl. 40 Verwaltungsakte) zurückgewiesen wurde. Randnummer 7 Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass der Normzweck des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V darin bestehe, die Mitgliedschaft versicherungspflichtiger Personen noch für eine gewisse Zeit über das nach den allgemeinen Regeln an sich eintretende Ende der Mitgliedschaft hinaus fortbestehen zu lassen. Die Mitgliedschaft bleibe dann erhalten, wenn der Versicherte während eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in die Schutzfrist gehe, Mutterschaftsgeld erhalte und in der späteren zeitlichen Folge Erziehungsgeld gezahlt oder Elternzeit in Anspruch genommen werde. Diese Aufzählung sei nicht einzeln zu bewerten. Vielmehr werde die Regelung des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V durch das erste Ereignis dieser Kette ausgelöst. Die Klägerin sei zum Eintritt des Ereignisses, das die Wirkung des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V ausgelöst habe, bei der Beklagten freiwillig versichert gewesen. Die Wirkung des § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V komme deshalb nicht zum Tragen. Es sei deshalb ohne Bedeutung, dass die Klägerin im Anschluss an ihre Schutzfrist während der Elternzeit in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Randnummer 8 Die Klägerin hat am 29.12.2005 (Bl. 1 Gerichtsakte) zum Sozialgericht Frankfurt/Main Klage erhoben. Randnummer 9 Sie vertritt weiterhin die Rechtsauffassung, dass sie über den 30.11.2004 hinaus Pflichtmitglied bei der Beklagten ist. Randnummer 10 Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 02.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin ab dem 01.12.2004 bis einschließlich 24.08.2005 als Pflichtmitglied beitragsfrei zu versichern. Randnummer 11 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 12 Die Beklagte hält an ihrer Rechtsauffassung fest. Randnummer 13 Das Gericht hat im Rahmen der Sachverhaltsermittlungen die bei der Beklagten geführte Verwaltungsakte zu dem Rechtsstreit beigezogen.
Der Bescheid vom 02.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2005 wird aufgehoben und die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin im Zeitraum vom 01.12.2004 bis 24.08.2005 als versicherungspflichtiges Mitglied beitragsfrei zu versichern. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.
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Hessisches Landesarbeitsgericht 17. Kammer
Hessen
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16.11.2009
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Randnummer 1 Die Parteien streiten auch im Berufungsrechtszug darüber, ob vom Kläger bei der A Fluggesellschaft (in der Folge: A) verbrachte Beschäftigungszeiten bei der Berechnung von Leistungen aus einer Fluguntauglichkeitsversicherung und der Firmenrente zu berücksichtigen sind. Randnummer 2 Der am 13. März 1964 geborene Kläger war vom 26. September 1988 bis 31. Dezember 1993 bei der A als Flugbegleiter beschäftigt. Seit dem 01. Januar 1994 ist er aufgrund Arbeitsvertrags vom 22. Dezember 1993 (Bl. 5 f d. A.) bei der Beklagten als Flugbegleiter beschäftigt. Der von der Beklagten für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte und gestellte Arbeitsvertrag lautet auszugsweise: 2. Rechte und Pflichten (1) Die gegenseitigen Rechte und Pflichten ergeben sich aus den für Lufthansa Express geltenden Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen in ihrer jeweils geltenden Fassung, sowie aus den für B gültigen Dienstvorschriften und Arbeitsanweisungen und aus den Bestimmungen dieses Vertrages. ... 4. Vergütung (1) Im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit und unter Anrechnung der bei der A Fluggesellschaft vollendeten Dienstjahre wird Herr C in die Beschäftigungsgruppe der Stewardessen/Stewards/B Stufe 04 des Vergütungstarifvertrages eingruppiert. ... 5. Zusätzliche Altersversorgung D hat für die Mitarbeiter der Division B eine Zusatzversorgung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) geschaffen. Der entsprechende Versorgungstarifvertrag und die VBL-Satzung finden in ihrer jeweils gültigen Fassung Anwendung. 6. Sonstiges (1) Vordienstzeiten bei der A Fluggesellschaft werden für die Berechnung – der Dauer der Zahlung von Krankenbezügen gemäß MTV – von Jubiläen und Fristen für Firmenleistungen – der Seniorität – der Kündigungsfrist – hinsichtlich der Gewährung von Flugpreisermäßigungen (ohne Rechtsanspruch) in vollem Umfang angerechnet. Maßgeblich ist das Eintrittsdatum bei der A Fluggesellschaft, also der 26.09.1988. (2) Maßgeblich für die Festlegung des Datums für die Stufensteigerungen gemäß VTV Bord (max. Stufe 4) ist das Datum der ersten Einstellung eines A Mitarbeiters bei der D, also der 01.01.1994. ... Randnummer 3 § 2 des für die Beklagte geltenden Tarifvertrags Übergangsversorgung für Flugbegleiter in der Neufassung vom 01.07.2003 (TV ÜV 2003, Bl. 45 f d. A.) lautet auszugsweise: § 2 Firmenrente (1) Flugbegleiter haben einen Anspruch auf Zahlung der Firmenrente, wenn sie wegen Erreichens der tarifvertraglichen Altersgrenze (§ 19 MTV Kabine) mit dem 55. oder ggf. einem späteren Lebensjahr aus dem fliegerischen Arbeitsverhältnis ausscheiden, ohne dass sie bereits Anspruch auf Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Tarifvertrag D-Betriebsrente haben. (2) Die Zahlung der Firmenrente beginnt in dem Monat nach dem altersbedingten Ausscheiden aus dem fliegerischen Arbeitsverhältnis und endet im Zeitpunkt der frühestmöglichen Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente, spätestens mit dem vollendeten 63. Lebensjahr. ... (3) Die Firmenrente besteht aus einem Grundbetrag und aus einem Zusatzbetrag. Der Grundbetrag beträgt nach einer Gesamtbeschäftigungszeit vom 23 Jahren 60 % der vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuletzt bezogenen und mit dem Umstellungsfaktor 0,9717 (100 : 95 : 13 x 12) multiplizierten Gesamtvergütung (Grundvergütung, Purserzulage, Schichtzulage). ... (4) Der Anspruch auf Firmenrente entsteht bereits vorzeitig, wenn der/die Flugbegleiterin(in) nach dem vollendeten 45. Lebensjahr dauernd flugdienstuntauglich im Sinne von § 20 MTV Kabine geworden ist. Die Zahlung der Firmenrente beginnt am Ersten des Monats nach Beendigung des fliegerischen Arbeitsverhältnisses. ... Randnummer 4 § 17 TV ÜV 2003 lautet auszugsweise: § 17 Flugdienstuntauglichkeitsversicherung (1) D verpflichtet sich, für Flugbegleiter ab Beginn ihres 6. fliegerischen Dienstjahres im Konzern eine Flugdienstuntauglichkeitsversicherung abzuschließen. Anspruch auf die Versicherungssumme besteht nur, wenn das fliegerische Arbeitsverhältnis deshalb vorzeitig endet, weil der Flugbegleiter im Sinne vom § 20 MTV Kabine dauernd flugdienstuntauglich geworden ist. (2) Ab 01.01.2006 betragen die Versicherungssummen in Abhängigkeit von Dienstalter und Beschäftigtengruppe: ... Randnummer 5 Protokollnotiz II zum TV ÜV 2003 lautet auszugsweise: (1) Beträgt die Gesamtbeschäftigungszeit bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres infolge Teilzeit nach dem 30.12.1989 rechnerisch weniger als 276 volle Beschäftigungsmonate, wird die Firmenrente gemäß § 2 Abs. (3) je fehlendem Beschäftigungsmonat um 1/276 gekürzt. ... (2) Für Flugbegleiter, die bei ihrer Einstellung/Wiedereinstellung das 32. Lebensjahr vollendet hatten, gilt § 2 Abs. (3) mit folgender Maßgabe: Beträgt die Gesamtbeschäftigungszeit bis zur Vollendung des 55. Lebensjahres rechnerisch weniger als 276 volle Beschäftigungsmonate, wird die Firmenrente gemäß § 2 Abs. 83) je fehlendem Beschäftigungsmonat um 1/276 gekürzt. Randnummer 6 Der im Zeitpunkt des Wechsels des Klägers zu Beklagten geltende Tarifvertrag Übergangsversorgung Flugbegleiter, gültig ab 01. Januar 1986 (TV ÜV 1986, Bl. 69 f d. A.) lautete auszugsweise: § 1 Geltungsbereich und Gegenstand ... (2) Leistungen nach diesem Tarifvertrag werden gewährt als: a) Firmenrente, b) Versichertenrente, c) Leistungen aus der Berufsuntauglichkeitsversicherung Die Vorschriften über die Firmenrente und die Versichertenrente (§ 2 ff) gelten nur für Flugbegleiter, die das 32. Lebensjahr vollendet haben und in einem ungekündigten fliegerischen Arbeitsverhältnis stehen. Die Zusage der Firmenrente gilt von dem Zeitpunkt an, in dem der Flugbegleiter vom Geltungsbereich des Satzes 2 erfasst wird. ... § 2 Firmenrente (1) Der Flugbegleiter hat einen Anspruch auf Zahlung der Firmenrente, wenn er wegen Erreichens der tarifvertraglichen Altersgrenze mit dem 55. oder ggf. einem späteren Lebensjahr aus dem fliegerischen Arbeitsverhältnis ausscheidet, ohne dass er bereits Anspruch auf Versorgungsleistungen der VBL/AV hat. ... (3) Die Firmenrente besteht aus einem Grundbetrag und aus einem Zusatzbetrag. Der Grundbetrag beträgt 60 % der vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses zuletzt bezogenen Gesamtvergütung (Grundvergütung, Purserzulage, Schichtzulage). ... (5) Der Anspruch auf Firmenrente entsteht bereits vorzeitig, wenn das fliegerische Arbeitsverhältnis nach vollendetem 45. Lebensjahr deshalb vorzeitig endet, weil der Flugbegleiter dauernd fluguntauglich i. S. von § 20 (1) a und b MTV BO geworden ist. Der Anspruch auf Firmenrente entsteht jedoch nicht, wenn die Fluguntauglichkeit zugleich Versorgungsleistungen der VBL/AV auslöst. (6) Soweit nach den Vorschriften dieses Tarifvertrages Firmenleistungen von der Fälligkeit oder Nichtfälligkeit von Versorgungsleistungen der VBL/AV abhängig sind, treten für Flugbegleiter, die nicht in der VBL oder der AV versichert sind, etwaige sonstige Versorgungsleistungen an diese Stelle. ... § 7 Berufsuntauglichkeitsversicherung (1) D/CFG verpflichten sich, für die Flugbegleiter ab Beginn ihres 4. fliegerischen Dienstjahres im Konzern eine Berufsuntauglichkeitsversicherung abzuschließen. Anspruch auf die Versicherungssumme besteht nur, wenn das fliegerische Arbeitsverhältnis deshalb vorzeitig endet, weil der Flugbegleiter i. S. von § 20 (1) a und b MTV BO dauernd fluguntauglich geworden ist. (2) Die Versicherungssummen betragen: bis zum vollendeten 30. Lebensjahr ... im 31. Lebensjahr bis zum vollendeten 32. Lebensjahr ... im 33. Lebensjahr bis zum vollendeten 40. Lebensjahr ... im 41. Lebensjahr ... im 42. Lebensjahr ... im 43. Lebensjahr ... im 44. Lebensjahr ... im 45. Lebensjahr .... Randnummer 7 Anlässlich zwischen der Beklagten, der damaligen Gewerkschaft ÖTV und dem bei der A gebildeten Betriebsrat geführter Verhandlungen hatte der Mitarbeiter E der Beklagten den hiermit in Bezug genommenen Vermerk vom 26. Mai 1993 (Bl. 7 d. A.) verfasst, der auszugsweise wie folgt lautet: 3. Vordienstzeiten werden zu 100 % angerechnet. Bezüglich der Seniorität wurde keine Einigung erzielt. Randnummer 8 Am 22. Juni 1993 hatten die Beklagte und die ÖTV Verhandlungen zur Einstellung der A-Kabinenmitarbeiter geführt. Das hierüber erstellte Ergebnisprotokoll (Bl. 8 f d. A.) lautet auszugsweise: 3. Der Eintritt bei der D erfolgt ohne Probezeit und Eignungsuntersuchung. Die Mitarbeiter werden nach dem sogenannten "Ready-Entry-Prinzip" umgeschult. 4. Die Vergütung des Kabinenpersonals als (CdC und FB) bei Einstellung richtet sich nach der B-Vergütungstabelle. Die Mitarbeiter werden entsprechend der Anzahl der vollendeten Dienstjahre eingestuft, maximal jedoch in Stufe vier. Mitarbeiter, die zum Zeitpunkt der ersten Einstellung eines A-Mitarbeiters bei der D tatsächlich in einem Beschäftigungsverhältnis bei der A standen, aber später bei D eintreten, erhalten über Ziffer 4 hinaus bei ihrer Einstufung das Datum der ersten Einstellung eines A-Mitarbeiters bei der D (technisches Eintrittsdatum) zugrunde gelegt. Das technische Eintrittsdatum gilt für die zu diesem Zeitpunkt eingestellten Mitarbeiter sowie die im obigen Sinne kollektiv Gleichbehandelten, also folgende Tatbestände: a) Stufensteigerungen b) Seniorität c) Krankengeldzahlungsfristen d) Kündigungsfristen e) Jubiläen. Für alle übrigen Tatbestände gilt das arbeitsrechtliche Eintrittsdatum, d. h., dass z. B. der Zuschlag zum Urlaubsgeld und das 13. Gehalt nach Einstellung bei der D anteilig berechnet werden. Vordienstzeiten bei der A werden den Mitarbeitern bezüglich folgender Tatbestände angerechnet: a) Krankengeldzahlungsfristen b) Kündigungsfristen c) Jubiläen d) Seniorität. ... Die auf das Einstellungsdatum bezogenen Vereinbarungen werden in der Form einer obligatorischen Zusage an die ÖTV geregelt. Randnummer 9 Mit Schreiben vom 10. Juli 1995 (Bl. 15 d. A.) teilte der Leiter Tarifpolitik Konzern der Beklagten der ÖTV mit: ... auf Ihre Bitte bestätigen wir, dass zu Gunsten der in den Kabinendienst der Lufthansa übernommenen ehemaligen A-Mitarbeiter dort verbrachte Beschäftigungsjahre im Rahmen der Wartezeit der sogenannten Loss-of-Licence Versicherung angerechnet werden. Randnummer 10 Mit Schreiben vom Dezember 1995 an die ehemaligen A-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (Bl. 86 d. A.) teilte die Beklagte mit: ... im Sommer dieses Jahres sicherte D gelegentlich einer Tarifverhandlung zu, Ihnen die bei A verbrachten Beschäftigungsjahre im Rahmen der Wartezeit für die Berufsuntauglichkeitsversicherung anzurechnen. Konkret bedeutet dies, dass Sie im Falle von dauernder Flugdienstuntauglichkeit Anspruch auf Versicherungsleistungen haben. Die gemäß Tarifvertrag Übergangsversorgung für Flugbegleiter erforderliche Wartezeit von drei Jahren sieht die D durch Ihre frühere Tätigkeit bei A als erfüllt an. Randnummer 11 Der Kläger hat im Gegensatz zur Beklagten die Auffassung vertreten, seine bei der A verbrachten Beschäftigungsjahre seien bei der Berechnung der Firmenrente und der Versicherungssummen der Fluguntauglichkeitsversicherung nach dem TV ÜV 2003 zu berücksichtigen. Wegen der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts, des Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 109 bis 116 d. A.) Bezug genommen. Randnummer 12 Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat der Klage durch am 03. März 2009 verkündetes Urteil, 12/15 Ca 5598/08, stattgegeben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, Ziffer 6 des Arbeitsvertrags der Parteien sei dahin auszulegen, dass bei der A verbrachte Vordienstzeiten des Klägers bei der Berechnung der Ansprüche auf Zahlung der Firmenrente gemäß § 2 TV ÜV 2003 und der Versicherungssumme gemäß § 17 TV ÜV 2003 zu berücksichtigen seien. Nach Ausschöpfung der Auslegungsmethoden verblieben jedenfalls Zweifel, ob nach Ziffer 6 des Arbeitsvertrags eine Anrechnung der Vordienstzeiten nicht auch für diese Fragestellungen habe erfolgen sollen. Gemäß § 305 c Abs. 2 BGB gingen diese Zweifel zu Lasten der Beklagten als des Verwenders. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 116 bis 123 d. A.). Randnummer 13 Gegen dieses ihr am 17. März 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 03. April 2009 Berufung eingelegt und diese nach aufgrund am 14. Mai 2009 eingegangenen Antrags erfolgter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 18. Juni 2009 am 17. Juni 2009 begründet. Randnummer 14 Sie wiederholt und vertieft ihren Vortrag und vertritt die Auffassung, das Arbeitsgericht habe die vorhandenen Auslegungsmethoden nicht ausreichend ausgeschöpft. Unter Berücksichtigung des Vertragswillens verständiger und redlicher Vertragspartner ergebe sich ein klarer Vorzug für die von ihr vertretene Auslegung der Ziffer 6 des Arbeitsvertrages und verblieben hieran auch keine erheblichen Zweifel, so dass die Unklarheitenregelung des § 305 c Abs. 2 BGB keine Anwendung finde. Ein Verpflichtungswille, mit der Formulierung "Jubiläen und Fristen für Firmenleistungen" auch Leistungen der Übergangsversorgung zu meinen, könne schon deshalb nicht bestehen, da die tarifvertragliche Regelung keine Anrechnung der Vordienstzeiten bei der Übergangsversorgung vorsehe. Die Beklagte meint, aus dem Handbuch Personal werde deutlich, was sie unter Jubiläen und Firmenleistungen verstanden habe und bis heute verstehe. Im Hinblick auf die finanzielle Bedeutung der Übergangsversorgung könne eine andere Auslegung auch keinen Sinn machen und habe sich auch keiner der Mitarbeiter im Personalbereich, die den Vertrag erstellt haben, auch nur vorstellen können, dass in den unter "Sonstiges" geregelten Tatbeständen mit der Bezeichnung "Jubiläen und Fristen für Firmenleistungen" die Anerkennung von Vordienstzeiten bei der Übergangsversorgung hätte gemeint sein sollen. Aber auch den typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreisen, nämlich dem fliegenden Personal, sei die Bedeutung der Übergangsversorgung bewusst gewesen. Mit der vom Arbeitsgericht vertretenen Auslegung würde letztlich auch jede Leistung der Beklagten unter den Begriff der "Firmenleistung" fallen, so dass die gewählte Darstellung unter der Bezeichnung "Sonstiges" mit dezidierten Spiegelstrichen nicht nur systemwidrig, sondern völlig sinnwidrig wäre. Dies zeige, dass der Begriff der "Firmenleistung" im Zusammenhang mit den "Jubiläen" stehe und eine Vergleichbarkeit mit im Rahmen von Jubiläen erbrachten Leistungen bestehen müsse, es sich also um Firmenleistungen geringerer Bedeutung handeln müsse. Dies wiederum zeige, dass angesichts ihrer finanziellen Bedeutung jedenfalls nicht die zentralen Leistungen der Aktivvergütung, der Übergangsversorgung und der betrieblichen Altersversorgung gemeint sein könnten, was auch jedem den Arbeitsvertrag unterzeichnendem Mitarbeiter bewusst gewesen sein müsse. Durch die Zusammenfassung der Begriffe "Jubiläen und Fristen für Firmenleistungen" und das Verhältnis zu den übrigen Spiegelstrichen in Ziffer 6 des Arbeitsvertrags werde deutlich, dass es sich um untergeordnete und vergleichbare Leistungen handele. Im Übrigen stelle die Anrechnung einer Vorbeschäftigungszeit zur Bestimmung der Höhe einer Leistung auch nicht die Anrechnung auf eine Frist dar. Soweit der Kläger ausführe, in Betriebsversammlungen sei zugesagt worden, auch die ehemaligen Mitarbeiter der A würden in das System der Übergangsversorgung einbezogen, so sei diese Aussage zutreffend gewesen. Denn mit der Übernahme hätten sie entsprechend den Tarifverträgen zur Übergangsversorgung und zur betrieblichen Altersversorgungen Leistungen erworben. Eine Anrechnung von Vordienstzeiten sei in diesem Zusammenhang jedoch nicht erfolgt und habe auch nicht erfolgen sollen. Hiervon seien offensichtlich auch die Tarifvertragsparteien ausgegangen, denn sonst hätte es keinen Sinn gemacht, im Sommer 1995 einen Verzicht auf die Wartezeit bei der Berufsuntauglichkeitsversicherung gesondert zu vereinbaren. Der Verzicht sei erklärt worden, da die der internen Gesprächsnotiz des Mitarbeiters Gerber, die keine Anspruchsgrundlage darstelle, nachfolgende tarifvertragliche Einigung gerade keine Anrechnung von Vordienstzeiten bei der Übergangsversorgung vorgesehen habe. Randnummer 15 Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 03. März 2009, 12/15 Ca 5598/08, abzuändern und die Klage abzuweisen. Randnummer 16 Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 17 Er verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung seines Vortrags und meint, bei den seinerzeitigen Übernahmeverhandlungen sei nicht nur erörtert, sondern von den Tarifvertragsparteien verbindlich vereinbart worden, dass Vordienstzeiten zu 100 % angerechnet würden; er verweist insoweit auf die Gesprächsnotiz des Mitarbeiters der Beklagten E vom 28. Mai 1993. Randnummer 18 Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 03. März 2009, Az.: 12/15 Ca 5598/08 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen. Die Revision wird zugelassen.
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ArbG Nordhausen 2. Kammer
Thüringen
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19.07.2023
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Randnummer 1 Die Parteien streiten um einen Resturlaubsanspruch von 5 Tagen aus dem Jahr 2021 und eine Abmahnung vom 08.01.2023. Randnummer 2 Die Klägerin ist eine langjährige Beschäftigte bei der Beklagten. Das Arbeitsverhältnis besteht noch. Die Klägerin ist bereits seit 04.10.2021 ununterbrochen erkrankt, weshalb sie 5 Urlaubstage aus diesem Jahr nicht nehmen konnte. Alle Arbeitnehmer wurden durch die Beklagte stets angehalten, den Urlaub im bestehenden Jahr zu nehmen. Ein Hinweis auf den Verfall erfolgte jedoch erst mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2022. Randnummer 3 Ursprünglich sah die Urlaubsplanung der Klägerin vor, die 5 Urlaubstage vom 28.10. – 29.10.2021, vom 04.11. – 05.11.2021 und am 17.12.2021 in Anspruch zu nehmen, was jedoch wegen der vorher eintretenden dauerhaften Erkrankung nicht mehr möglich war. Randnummer 4 Mit Schreiben vom 07.10.2022 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Bestätigung einer Übernahme von u.a. 5 Resturlaubstagen aus dem Jahr 2021 in das Jahr 2023. Randnummer 5 Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 12.10.2022 die Übernahme der 5 Resturlaubstage aus 2021 ab und begründete dies mit dem Verfall der Urlaubstage nach den AVR-Regelungen. Randnummer 6 In § 28 VII AVR ist eine Regelung zu Ausschlussfristen aufgeführt: Randnummer 7 Der Urlaub ist spätestens bis zum Ende des Urlaubsjahres anzutreten. Kann der Urlaub bis zum Ende des Urlaubsjahres nicht angetreten werden, ist er bis zum 30. April des folgenden Urlaubsjahres anzutreten. Kann der Urlaub aus dienstlichen oder betrieblichen Gründen oder wegen Dienstunfähigkeit nicht bis zum 30. April angetreten werden, ist er bis zum 30. Juni anzutreten. War ein innerhalb des Urlaubsjahres für dieses Urlaubsjahr festgelegter Urlaub auf Veranlassung der Dienstgeberin bzw. des Dienstgebers in die Zeit nach dem 31. Dezember des Urlaubsjahres verlegt worden und konnte er wegen Dienstunfähigkeit nicht nach Satz 2 bis zum 30. Juni angetreten werden, ist er bis zum 30. September anzutreten. Wird die Wartezeit (Absatz 4) erst nach Ablauf des Urlaubsjahres erfüllt, ist der Urlaub spätestens bis zum Ende des folgenden Urlaubsjahres anzutreten. Urlaub, der nicht innerhalb der genannten Fristen angetreten ist, verfällt. Randnummer 8 In § 28a AVR steht wiederum die Dauer des Erholungsurlaubs geregelt: Randnummer 9 Bei Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit auf fünf Tage in der Kalenderwoche beträgt der Urlaubsanspruch in jedem Kalenderjahr 30 Arbeitstage. Randnummer 10 Nach der Ablehnung der Forderungen durch die anwaltliche Vertretung der Beklagten am 22.12.2022 forderte die Klägerin die Beklagte mit Schreiben vom 31.12.2022 erneut hierzu auf und beantragte Urlaubsgewährung ab Januar 2023, was unbeantwortet blieb. Randnummer 11 Mit Schreiben vom 14.02.2023 wurde erneut eine Urlaubsgewährung ab 01.03.2023 beantragt, was ebenfalls abgelehnt wurde. Hierzu führte die Beklagte aus, dass Voraussetzung für eine Urlaubsgewährung eine vollständige Genesung sei. Randnummer 12 Dennoch beantragte die Klägerin mit Schreiben vom 21.03.2023 weiterhin eine Urlaubsgewährung ab 01.04.2023. Randnummer 13 Die Klägerin befand sich zudem vom 20.12.2022 bis 10.01.2023 auf einer Mutter-Kind-Kur. Randnummer 14 Dies war der Beklagten bekannt. Danach war sie bis 31.01.2023 auf die Tochter krankgeschrieben. Ab dem 01.02.2022 – 28.02.2023 war die Klägerin selbst erkrankt. Randnummer 15 Mit Schreiben 08.01.2023, wobei die Beklagte später vortrug, dass ein Schreibfehler vorliege und vielmehr der 08.02.2023 gemeint gewesen sei, erhielt die Klägerin postalisch eine Abmahnung der Beklagten, weil sie die neue Dienstanweisung vom 22.12.2022, welche zum 01.01.2023 in Kraft getreten sei, nicht eingehalten habe. Diese lag der Abmahnung bei. Randnummer 16 In der Dienstanweisung wurde eine Pflicht der Arbeitnehmer im Zusammenhang mit einer Arbeitsunfähigkeit infolge von Krankheit vorgeschrieben. Randnummer 17 Im Wesentlichen zusammengefasst wurde darin geregelt, dass die Arbeitnehmer eine Arbeitsunfähigkeit vor Dienstbeginn unverzüglich persönlich an den direkten Vorgesetzten telefonisch zu melden hätten. Zudem müsse unverzüglich ab dem 1. Tag der Arbeitsunfähigkeit der Nachweis der Arbeitsunfähigkeit und die Bekanntgabe der Dauer durch eine E-Mail an krankheit@n...di....de erfolgen. Randnummer 18 In der Abmahnung wurde als Grund angegeben, dass die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, sich unverzüglich vor Dienstbeginn telefonisch zu melden, was sie mit der E-Mail am 01.02.2023 nicht getan habe. Randnummer 19 Die Klägerin behauptet, sie habe die Dienstanweisung im Zeitraum von Dezember 2022 bis 01.02.2023 nicht zur Kenntnis nehmen können, weil diese nicht postalisch zugestellt worden sei. Ihr sei vielmehr anderweitig die neu eingerichtete E-Mailadresse bekanntgegeben worden. Randnummer 20 Die Klägerin ist der Ansicht, dass die 5 Urlaubstage aus dem Jahr 2021 nicht verfallen oder verjährt seien und beruft sich u.a. auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 22.09.2022, C-120/21 und die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes. Denn es liege auch schon keine Unterscheidung zwischen Mindesturlaub und vertraglichem Urlaub vor. Randnummer 21 Da infolge des bestehenden Arbeitsverhältnisses kein Abgeltungsanspruch bestehe, sei die Feststellung der Urlaubstage infolge der Ablehnung statthaft. Randnummer 22 Sie meint zudem, dass die Dienstanweisung unzulässig sei, da keine ausreichende Übergangs- und Eingewöhnungsfrist vorhanden war. Randnummer 23 Die Klägerin ist der Ansicht, dass eine Arbeitsfähigkeit für die Gewährung von Urlaub nicht Voraussetzung sei. Auch § 9 BurlG sei zwischen den Vertragsparteien disponibel und damit ausschließbar. Randnummer 24 Die Klägerin ist zudem der Ansicht, dass die in Abwesenheit der Klägerin in Kraft getretene Dienstanweisung und die darauf begründete Abmahnung infolge der Kenntnis über die Abwesenheit der Beklagten treuwidrig sei. Es läge hierdurch bereits kein pflichtwidriges Verhalten der Klägerin vor. Randnummer 25 Die Klägerin sei auch nicht verpflichtet gewesen, sich wiederholt bei der Beklagten für eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit zu erklären. Randnummer 26 Die Klägerin bestreitet mit Nichtwissen das ordnungsgemäße und rechtswirksame Zustandekommen der Dienstanweisung sowie die ordnungsgemäße Anhörung und Zustimmungserteilung. Randnummer 27 Die Klägerin beantragte zunächst, Randnummer 28 1. Es wird festgestellt, dass der Klägerin aus ihrem Arbeitsverhältnis ein Resturlaubsanspruch für das Jahr 2021 von 5 Urlaubstagen zusteht. Randnummer 29 Mit Klageerweiterung vom 21.03.2023 beantragt sie zusätzlich: Randnummer 30 2. Die Beklagte wird verpflichtet, die Abmahnung vom 08.01.2023 zurückzunehmen und aus den Personalunterlagen der Klägerin zu streichen. Randnummer 31 Die Beklagte beantragt jeweils, Randnummer 32 die Klage abzuweisen. Randnummer 33 Die Beklagte behauptet, dass die Dienstanweisung der Klägerin zugegangen sei, weil der Brief nicht zurückgekommen sei. Es sei daher von einer ordnungsgemäßen Zustellung auszugehen. Außerdem sei in der Dienstanweisung vom 22.12.2022 erstmals eine neu eingerichtete E-Mailadresse angegeben worden, über die sich die Klägerin „ab diesem Zeitpunkt“ krankgemeldet habe. Hieraus sei zwingend zu schlussfolgern, dass die Klägerin die Dienstanweisung erhalten habe, da ihr die E-Mailadresse sonst nicht bekannt gegeben worden sei. Die Klägerin habe keine andere Möglichkeit gehabt, von der neu eingerichteten E-Mailadresse Kenntnis zu nehmen. Randnummer 34 Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Urlaubsanspruch aus 2021 infolge der Rechtsprechung des BAG mit Urteil v. 01.03.2022, 9 AZR 351/21, sowie durch die Klausel § 28 VII AVR zum 30.06.2022 verfallen sei. Die Entscheidungen des BAG und des EuGH bezögen sich lediglich auf den gesetzlichen Mindesturlaub, den die Klägerin aber vollständig in Anspruch genommen habe. Der Zusatzurlaub wäre gemäß der AVR-Regelungen verfallen. Eine gesetzliche Verjährung würde auch nach 3 Jahren eintreten. § 28 AVR sähe vor, dass zuerst der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch verrechnet werden würde. Eines weiteren Hinweises auf den Verfall des Urlaubs habe es nicht bedurft, da durch die Vorplanung des Urlaubs bereits vereinbart worden sei, dass der Urlaub im Jahr 2021 zu nehmen sei. Die Beklagte habe die Arbeitnehmer auch angehalten, ihren Urlaub im jeweiligen Urlaubsjahr in Anspruch zu nehmen. Zudem sei die Klägerin seit dem 04.10.2021 dauerhaft arbeitsunfähig erkrankt. Ein Hinweis wäre daher ins Leere gegangen, weil die Arbeitnehmerin sowieso nicht mehr in der Lage gewesen wäre, den Urlaub zu nehmen. Deshalb fehle es an der erforderlichen Kausalität zwischen unterlassener Belehrung und dem Verfall des Urlaubsanspruchs. Randnummer 35 Weiterhin meint die Beklagte, dass nur Urlaub nehmen könne, wer arbeitsfähig sei, was die Klägerin bis zum heutigen Tag nicht sei. Dies ergebe sich aus der Wiedergutschreibung der beantragten Urlaubstage bei Krankheit aus § 9 BurlG und der Rechtsprechung des EuGH. Randnummer 36 Es fand eine mündliche Verhandlung am 31.05.2023 statt.
1. Es wird festgestellt, dass der Klägerin aus ihrem Arbeitsverhältnis ein Resturlaubsanspruch von 5 Urlaubstagen für das Jahr 2021 zusteht. 2. Die Beklagte wird verurteilt, die Abmahnung vom 08.01.2023 zurückzunehmen und aus den Personalunterlagen der Klägerin zu streichen. 3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. 4. Der Streitwert wird festgesetzt auf 4.867,99 Euro.
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VG Magdeburg 4. Kammer
Sachsen-Anhalt
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11.10.2022
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Randnummer 1 Die Klägerin wendet sich gegen einen Widerspruchsbescheid des Beklagten, mit dem eine von der Ausgangsbehörde zugunsten der Klägerin erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an die Ausgangsbehörde zurückverwiesen wurde. Randnummer 2 Die Klägerin ist Betreiberin einer Rinderhaltungsanlage, die bereits in den 1970iger Jahren errichtet und in Betrieb genommen wurde. Der Standort dieser Anlage liegt im Außenbereich, westlich der Ortslage A-Stadt und angrenzend an Landschaftsschutzgebiete und geschützte Biotope. Auf einem gesonderten Betriebsgelände neben der Milchviehanlage betreibt die GmbH eine Biogasanlage. Auf Grundlage von Abnahmeverträgen wird die Gülle aus der Milchviehanlage zum wesentlichen Teil in der Biogasanlage vergoren. Randnummer 3 Die Beigeladenen zu 1. bis 3. sind die Kinder und Rechtsnachfolger des am 14.02.2022 verstorbenen und vormals beigeladenen Herrn D.. Dieser war Eigentümer eines Hausgrundstückes, das etwa 190 m östlich der Rinderhaltungsanlage liegt. Der Beigeladene zu 1. wohnt seit mehreren Jahren ebenfalls auf diesem Grundstück. Die Beigeladene zu 2. wohnt mittlerweile ebenfalls auf dem Grundstück ihres verstorbenen Vaters. Die Beigeladene zu 3. wohnt in der H-Straße in A-Stadt. Die Beigeladenen zu 1. bis 3. haben den hiesigen Rechtsstreit aufgenommen und führen diesen weiter. Die vormals Beigeladene zu 4. ist ebenfalls Eigentümerin eines Grundstückes in A-Stadt. Randnummer 4 Voreigentümerin der Rinderhaltungsanlage war die L-GmbH. Diese erwarb 1997 die Rinderhaltungsanlage, die bereits zum damaligen Zeitpunkt aus mehreren Ställen bestand und in der Folgezeit mehrfach umstrukturiert wurde. Die Anlagenbetreiberin zeigte die Anlage mit Schreiben vom 30.10.2001 und 04.07.2002 als Altanlage gemäß § 67 Abs. 2 BImSchG entsprechend der damals geltenden Rechtslage an. Aus der beigefügten Aufstellung der Betriebseinheiten ergab sich seinerzeit ein Tierbestand von 876 Rindern und 130 Kälbern. Die Unterlagen wiesen daneben einen Güllehochbehälter mit einer Kapazität von 2.471 m 3 , zwei Güllekeller unter den Ställen 1 und 2 (allerdings ohne Lagervolumenangaben) sowie ein angemietetes externes Güllezwischenlager mit einer Lagerkapazität von 6.000 m 3 aus. Die Anlage und der Tierbestand wurden auch in den folgenden Jahren mehrfach geändert und erweitert. Der Anlagenbetreiber zeigte dies jeweils nach § 15 BImSchG gegenüber der zuständigen Behörde an. Aufgrund einer dieser Anzeigen wurde durch den Landkreis Börde mit Bescheid vom 18.12.2013 festgestellt, dass die Rinderanlage bestimmungsgemäß im Sinne des Bundesimmissionsschutzgesetzes betrieben werde, wenn nicht mehr als 929 Rinder und 130 Kälber gehalten würden. Randnummer 5 Mit Schreiben vom 05.03.2015 beantragte die Klägerin gemäß § 16 Abs. 1 BImSchG i. V. m. Nr. 7.1.5 und 9.36 des Anhanges 1 zur 4. BImSchV beim Landkreis Börde die Genehmigung der wesentlichen Änderung der Rinderanlage. Beantragt wurde die Genehmigung eines zusätzlichen Rinderstalls mit 386 Plätzen für Milchkühe. Die Kapazität der Anlage sollte erhöht werden auf 1.315 Rinderplätze und 130 Kälberplätze. Das neue Stallgebäude (Stall 5) sollte eine Fläche von 3.400 m 2 aufweisen. Ferner wollte die Klägerin die Güllelagerkapazität von 8.471 m 3 um 1.726 m 3 auf nunmehr 10.197 m 3 erhöhen. Dem Antrag war ein unbefristeter Mietvertrag vom 06.05.2015 zwischen der Klägerin (Mieterin) und der A-GmbH & Co. P-KG (Vermieterin) beigefügt. Vertragsgegenstand war die Lagerung von 2.000 m 3 Rindergülle pro Jahr. Als Vertragsdauer war eine Laufzeit vom 30.04.2015 „bis auf Widerruf“ angegeben. Randnummer 6 Am 06.05.2015 änderte die Klägerin ihren Antrag dergestalt, dass die vorhandene Gülleanlage mit der Kapazität von 8.471 m 3 nicht mehr der Nr. 9.36 des Anhang 1 der 4. BImschV zugeordnet werde. Aus diesem Grund seien der Rinderhaltungsanlage nur die Lagermöglichkeiten in den Güllekellern mit einem Volumen von 3.471 m 3 zuzurechnen. Die Güllelagerkapazität erhöhe sich unter Berücksichtigung des Lagervolumens der Güllekeller des beantragen Stalles 5 um 1.726 m 3 auf (3.471 m 3 + 1.726 m 3 =) 5.197 m 3 . Randnummer 7 Mit dem Genehmigungsantrag vom 05.03.2015 reichte die Klägerin u.a. einen Bericht der öko-control GmbH vom 19.12.2014 über die Ermittlung von Gerüchen und Ammoniak im Umfeld der Rinderanlage (später als aktualisierte Fassung vom 25.08.2015 nochmals eingereicht) sowie einen weiteren Bericht der öko-control GmbH vom 20.01.2015 zur Ermittlung der Ausbreitung von Lärmbelästigungen durch Erweiterung der Rinderanlage in A-Stadt ein. Der erste Bericht (in der aktualisierten Fassung) kam zu dem Ergebnis, dass an den gewählten Immissionsorten die Gesamtbelastung von 15 % der Jahresstunden nicht überschritten werde. Die Belastung mit Ammoniak wurde als gering eingeschätzt. Der zweite Bericht gelangte zu der Einschätzung, dass die Lärmbelastungen durch den zusätzlichen Stall „weit unterhalb der Irrelevanzgrenze“ liegen und nicht zur Erhöhung der bereits bestehenden Geräuschbelastung beitragen würden. Randnummer 8 Auf dieser Basis gelangte der Landkreis Börde zu der Feststellung, dass eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterbleiben soll. Dieses Ergebnis wurde im Amtsblatt für den Landkreis Börde vom 15.10.2016 bekannt gemacht. Randnummer 9 Mit Bescheid vom 01.12.2016 genehmigte der Landkreis die Änderung und den Betrieb einer Anlage zum Halten von Rindern mit 1.315 Rinderstellplätzen und 130 Kälberstellplätzen mit einer Güllelagerkapazität von 5.197 m 3 . Unter Ziffer II. des Bescheides hieß es, dass dieser Genehmigung die in Anlage 1 des Bescheides genannten Unterlagen und Pläne zugrunde liegen würden; diese seien Bestandteile dieses Bescheides. Auf der Grundlage dieser Genehmigung wurden die baulichen Änderungen am 28.08.2018 fertiggestellt und die zusätzlichen Tiere später auch eingestallt. Randnummer 10 Im Zeitraum vom 07.06.2017 bis 14.12.2018 folgten weitere Anzeigen der Klägerin auf der Basis des § 15 BImSchG. Mit Bescheid des Landkreises Börde vom 07.01.2019 wurde festgestellt, dass die zuletzt beantragte Änderung (die Erhöhung der Kälberplatzzahl von 130 auf 250) keiner Genehmigung bedürfe. Randnummer 11 Der Bescheid vom 01.12.2016 wurde ausschließlich der Klägerin zugestellt. Der Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu 1. bis 3. erhielt von der Existenz dieses Bescheides erst im September 2017 Kenntnis. Der Bescheid selbst wurde seiner Prozessbevollmächtigten am 04.06.2018 übersandt. Randnummer 12 Der Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu 1. bis 3. und die vormals Beigeladene zu 4. erhoben am 26.06.2018 Widerspruch gegen den Bescheid vom 01.12.2016. Zur Begründung trugen sie im Wesentlichen vor, dass es zu Geruchs- und Geräuschbelästigungen auf ihren Grundstücken komme und sie deshalb erheblich in ihrem Wohlbefinden, ihrer Gesundheit sowie der Nutzung ihres Eigentums beeinträchtigt seien. Der Anlagenbetrieb sei zudem mit schädlichen Umweltauswirkungen auf die Schutzgüter Wasser und Boden verbunden. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung sei erforderlich. Randnummer 13 Am 13.12.2018 beantragte der Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu 1. bis 3. beim Verwaltungsgericht Magdeburg die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 26.06.2018 gegen den Genehmigungsbescheid vom 01.12.2016 (Az.: 4 B 358/18 MD). Am 21.03.2019 erhob er Untätigkeitsklage (4 A 76/19 MD), die auf die Aufhebung des Bescheides vom 01.12.2016 gerichtet war. Mit Schriftsatz vom 21.10.2019 legte die Klägerin im Verfahren 4 B 358/18 MD mehrere Gutachten der IBE - Ingenieurbüro Dr. Eckhof GmbH vor, und zwar eine „Ermittlung der Ammoniakimmissionen und den daraus resultierenden Stickstoffdepositionen“ vom 30.09.2019, eine „Beurteilung der Schallimmissionen“ vom 24.09.2019, eine „Beurteilung der Staub- und Bioaerosolimmissionen“ vom 27.09.2019, eine „Beurteilung der Geruchsimmissionen“ vom 27.09.2019, eine Umweltverträglichkeitsvorprüfung aus Oktober 2019 und schließlich eine „Prüfung der erheblichen Beeinträchtigungen von FFH-LRT und geschützten Biotopen im Rahmen der Änderung der Rinderhaltungsanlage am Standort A-Stadt“ vom 17.10.2019. Ausweislich dieser Gutachten - so die Klägerin - sei eine unzumutbare Geruchs- oder Geräuschbelastung durch das verfahrensgegenständliche Vorhaben nicht gegeben und etwaige Fehler innerhalb der UVP-Vorprüfung könnten geheilt werden. Randnummer 14 Auf den Widerspruch des Rechtsvorgängers der Beigeladenen zu 1. bis 3. erging am 24.02.2020 ein Widerspruchsbescheid des Beklagten. Darin wurde festgestellt, dass die Genehmigung vom 01.12.2016 rechtswidrig und nicht vollziehbar sei. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte er u.a. aus: Die von der Ausgangsbehörde durchgeführte UVP-Vorprüfung sei fehlerhaft erfolgt. Dies betreffe insbesondere die Berechnung der durch die Anlage verursachten Ammoniakemissionen und den Biotopschutz. Der angegriffene Bescheid könne im Widerspruchsverfahren gleichwohl nicht aufgehoben werden. Dies folge aus der Regelung in § 4 Abs. 1b Satz 1 UmwRG. Die mangelhaft durchgeführte allgemeinen UVP-Vorprüfung könne hier allerdings durch die Ausgangsbehörde in einem ergänzenden Verfahren nachgeholt werden. Der Genehmigungsbescheid vom 01.12.2016 sei deshalb für rechtswidrig und nicht vollziehbar zu erklären. Bei der erneuten Entscheidung habe die Ausgangsbehörde die mit Schreiben der Klägerin vom 21.10.2019 eingereichten Unterlagen sowie Folgendes zu berücksichtigen: Maßgeblicher Bezugspunkt für die Ermittlung des Umfangs der beantragten wesentlichen Änderungen sei die Anzeige vom 04.07.2002 (876 Rinder, 130 Kälber). Da der Zielbestand der Änderungsgenehmigung bei 1.315 Rindern und 130 Kälbern liege, gehe mit der geplanten Anlagenänderung auch eine deutliche Veränderung des Güllesystems einher. Deshalb handele es sich nicht nur um eine quantitative, sondern zugleich auch um eine qualitative Änderung. In einem solchen Fall seien auch die unveränderten Anlagenteile Gegenstand der Änderungsgenehmigung. Dies gelte hier im Übrigen schon deshalb, weil Umfang und Inhalt der Altanlagenanzeige vom 04.07.2002 nicht die Qualität von Antragsunterlagen eines Änderungsgenehmigungsverfahrens gehabt hätten . Es komme hier also darauf an, die bestehende Anlage und im speziellen Fall die Änderungsmaßnahmen anhand der erforderlichen Antragsunterlagen gemäß § 10 BImSchG i. V. m. den Regelungen der 9. BImSchV zu beschreiben. Randnummer 15 Gegen diesen Widerspruchsbescheid erhob die Klägerin Klage (4 A 225/20 MD). Nachdem das Gericht den Beklagten darauf hingewiesen hatte, dass die an § 4 Abs. 1b Satz 1 UmwRG angelehnte Tenorierung im Bescheid vom 24.02.2020 unzulässig sein dürfte, änderte der Beklagte seinen Widerspruchsbescheid durch weiteren Bescheid vom 28.04.2020. Er fasste darin den Tenor seines Widerspruchsbescheides neu, indem er die Änderungsgenehmigung vom 01.12.2016 aufhob und die Sache zur erneuten Entscheidung an die Ausgangsbehörde zurückverwies. Zur Begründung führte er aus, er mache sich die Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts zu eigen und fasse den Tenor des Widerspruchsbescheides, soweit betroffen, neu. Die Ausführungen zur „Fehlerbehebung durch ergänzendes Verfahren“ unter Abschnitt II, S. 24 bis 26 des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2020 seien damit gegenstandslos. Im Übrigen bleibe es bei dem Inhalt des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2020. Daraufhin erklärten die Beteiligten die bei Gericht anhängigen Eil- und Klageverfahren (4 B 358/18 MD, 4 A 76/19 MD und 4 A 225/20 MD) übereinstimmend für erledigt. Die Verfahren wurden jeweils mit Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 15.07.2020 eingestellt. Randnummer 16 Gegen den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 24.02.2020 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 28.04.2020 hat die Klägerin am 14.05.2020 Klage erhoben. Sie trägt vor: Randnummer 17 Ihre Klage habe schon deshalb Erfolg, weil sich der Widerspruch des Rechtsvorgängers der Beigeladenen zu 1. bis 3. mit dessen Tod erledigt habe. Denn maßgeblich sei vorliegend die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das Gericht. Zu diesem Zeitpunkt hätte ein Widerspruchsbescheid nicht mehr ergehen dürfen. Das Verfahren sei vielmehr nach Aufhebung des (sie weiter beschwerenden Widerspruchsbescheides) einzustellen. Dies folge daraus, dass die Beigeladenen zu 1. bis 3. nicht in die Rechtsposition ihres verstorbenen Vaters eingerückt seien. Der Gesetzgeber knüpfe in § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG für die „Nachbarschaft“ an den Einwirkungsbereich einer Anlage an. Der Begriff der Nachbarschaft werde gerade nicht durch die Eigentumsstellung der angrenzenden Grundstücke definiert. Als mögliche Rechtsverletzung komme allein in Betracht, dass der Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu 1. bis 3. im Einwirkungsbereich der Anlage gewohnt habe. Geschütztes Rechtsgut sei mithin die Gesundheit des Betroffenen gewesen. Sowohl die Wohnlage als auch die Gesundheit seien höchstpersönliche Eigenschaften, die nicht vererblich seien. Die Rechtsnachfolge jedenfalls des Beigeladenen zu 1. scheide im Übrigen auch deswegen aus, weil dieser seine Rechte verwirkt habe. Dies folge aus einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 16.01.1995. Der Beigeladene zu 1. lebe seit Jahren im Haus seines verstorbenen Vaters und habe dort selbst seinen Lebensmittelpunkt. Wenn der Erbe aber bereits vor Eintritt des Erbfalls von den vermeintlichen Auswirkungen der Anlage selbst betroffen gewesen sei, so hätte dieser im Rahmen eines eigenen Rechtsbehelfs seine ihm zustehenden Abwehrrechte geltend machen müssen. Dies habe er nicht getan. Randnummer 18 Selbst wenn man dies anders sehen wollte, sei der Widerspruchsbescheid des Beklagten als rechtswidrig anzusehen. Denn der Widerspruch des Rechtsvorgängers der Beigeladenen zu 1. bis 3. sei unzulässig und unbegründet gewesen. Der Widerspruchsbescheid sei deshalb aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Widersprüche der Beigeladenen zu 1. bis 3. zurückzuweisen. Der Widerspruch sei verfristet gewesen. Der Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu 1. bis 3. habe spätestens seit dem 05.10.2016 Kenntnis davon gehabt, dass die Erteilung des Genehmigungsbescheides bevorstehe. Die Jahresfrist sei demnach spätestens am 31.12.2016 in Gang gesetzt worden und am 31.12.2017 abgelaufen. Darüber hinaus habe sich der Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu 1. bis 3. im November 2017 mit anderen Bürgern mit einer Beschwerde über die Erweiterung an die Stadt Oebisfelde-Weferlingen gewandt. In einem am 23.11.2017 geführten Gespräch sei auch die Genehmigung zur Erweiterung der Anlage der Beigeladenen Gegenstand gewesen. Weiter sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin in einer Vielzahl von Fällen „nachbarschaftliche Hilfe“ geleistet habe. Hieraus resultiere in rechtlicher Hinsicht, dass sich der Rechtsvorgänger der Beigeladenen so behandeln lassen müsse, wie wenn ihm der Bescheid bekannt gemacht worden wäre. Randnummer 19 Der Widerspruch sei aber auch unbegründet. Dies gelte schon deshalb, weil ein etwaiger Verfahrensfehler i.S.d. § 4 UmwRG nur dann zur Aufhebung führe, wenn eine Rechtsverletzung des Dritten vorliege. Der Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu 1. bis 3. habe aber nur gerügt, dass die Erweiterung der Milchviehanlage zu Beeinträchtigungen durch Gerüche oder Lärm führen könne. Verstöße gegen das Umweltverfahrensrecht habe er nicht gerügt. Aus dem Wortlaut des § 4 Abs. 1, Abs. 3 UmwRG folge jedoch, dass die Aufhebung eines Bescheides auf dieser Rechtsgrundlage „verlangt“ werden müsse. Im Übrigen sei der Beklagte in seiner Prüfungs- und Entscheidungskompetenz auf drittschützende Vorschriften und den Vortrag des Dritten beschränkt. Eine generelle objektive Überprüfung erfolge nicht. Schließlich folge aus dem Rechtsgedanken des § 6 UmwRG eine Präklusion der hier geltend gemachten Einwände. Randnummer 20 Tatsächlich sei die UVVP inzwischen auch durch die Ausgangsbehörde geheilt worden. Die rechtliche Möglichkeit einer Heilung folge jedenfalls aus § 45 Abs. 2 VwVfG. Der Landkreis Börde habe am 14.07.2021 das Ergebnis der von ihm nochmals durchgeführten UVP-Vorprüfung öffentlich bekannt. Deshalb seien die im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen und durchgeführten Verfahrensschritte zu berücksichtigen. Im Hinblick auf den gesetzlichen Biotopschutz sei zu Gunsten der Klägerin auch die zwischenzeitlich in Kraft getretene Änderung der TA Luft zu berücksichtigen. Randnummer 21 Die von dem Landkreis Börde wiederholte UVVP sei formell und materiell-rechtlich rechtmäßig. In der nochmals durchgeführten UVP-Vorprüfung seien die Beanstandungen des Beklagten berücksichtigt worden. Dabei sei es streitentscheidend nur auf die Prüfung der Auswirkungen auf FFH-Gebiete und gesetzlich geschützte Biotope angekommen. Bei dieser Überprüfung habe der Landkreis die von der Klägerin vorgelegten Fachgutachten aus dem Jahr 2019 (in der teils aktualisierten Fassung aus dem Jahr 2021) zu Grunde legen dürfen. Das von der Klägerin vorgelegte Fachgutachten zu den Biotopen, sei u.a. zu dem Ergebnis gelangt, dass die hier in Rede stehenden Biotope nicht stickstoffempfindlich seien. Randnummer 22 Der Beklagte gehe auch zu Unrecht davon aus, dass die vorgelegten Antragsunterlagen unvollständig oder widersprüchlich gewesen seien. Dabei habe der Beklagte in Bezug auf die erforderlichen Antragsunterlagen schon den Gegenstand und Prüfungsmaßstab im Rahmen eines Änderungsgenehmigungsverfahrens nach § 16 BImSchG verkannt. Gegenstand des vorliegenden Genehmigungsverfahrens sei nur der Teil der Anlage, der geändert werde. Dies gelte jedenfalls dann, wenn es - wie hier - nur um eine quantitative Erweiterung einer Anlage gehe. Die vom Beklagten geforderte einheitliche Betriebs- und Verfahrensbeschreibung für die gesamte Anlage gehe deshalb zu weit. Für den Stallneubau habe der Maschinenpark nicht erweitert werden müssen. Auch die Betriebsabläufe hätten sich nicht geändert. Ungeachtet dessen seien die vom Beklagten geforderten Angaben sämtlich in den ursprünglich vorgelegten Antragsunterlagen, jedenfalls aber in den Unterlagen enthalten gewesen, die im Jahr 2019 bzw. im Jahr 2021 vorgelegt worden seien. Im Einzelnen gelte: Randnummer 23 Eine Darstellung der einzelnen Anlagenteile sei in Kapitel 2 des Antrages zu finden. Im Formular 2.2 seien die einzelnen Anlagenteile aufgeführt. Die zum Betrieb des verfahrensgegenständlichen Stallneubaus notwendigen Betriebseinrichtungen (Futterlager, Gülle-Endlager, Melkstand) seien in ihrer Dimensionierung ausreichend, um auch den erhöhten Tierbestand bewirtschaften zu können. Die Betriebsabläufe einschließlich Art und Menge der Einsatzstoffe und Abfälle seien im Kapitel 3, dort Formular 3.1a beschrieben. Hier seien alle Einsatzstoffe und Endprodukte aufgeführt. Als Anlage zum Formular 3.1a sei eine Berechnung der Einsatzstoffe und Endprodukte enthalten. Hier finde sich unter anderem auch die Berechnung des Anfalls der Exkremente für die Gesamtanlage nach den Vorgaben der Düngeverordnung. Die vorgesehenen Betriebszeiten seien im Formular 9, Blatt 1/4, aufgeführt. Die Benennung aller Betriebseinheiten ergebe sich aus dem Formular 2.2, aus den Gutachten der öko-control GmbH und den Gutachten der IBE GmbH. Ein Lageplan sei in Kapitel 1 des Antrages enthalten. Die von dem Beklagten geforderte Darstellung und Zuordnung aller vorhandenen Immissionsquellen sei zwar nicht erforderlich. Gleichwohl sei sie in den Immissionsprognosen aus dem Jahr 2019 (dort jeweils im Anhang 3) enthalten. Eine nachvollziehbare Zuordnung der Tierplätze und Tierkategorien sei als Anlage zum Formular 3.1a enthalten. Des Weiteren sei durchweg die Zuordnung der einzelnen Tierplätze zu den vorhandenen Betriebseinheiten beschrieben. Die Lage der Kälberiglus sei jedenfalls in den Anhängen 2 der Geruchs-, Staub, Schall- und Ammoniakimmissionsprognosen der IBE GmbH aus dem Jahr 2019 erkennbar dargelegt. Randnummer 24 Die Berechnung des Anfalls der Exkremente und die zur Verfügung stehenden Lagerkapazitäten seien ebenfalls eindeutig und widerspruchsfrei in den Antragsunterlagen zu finden. Die im Fließbild als Anhang zum Formular 2.2 angegebene Menge der Exkremente von 27.238 m 3 beschreibe den Gesamtexkrementeanfall auf der Anlage (Gülle 26.124 m 3 + Festmist 892 m + Jauche 222 m 3 = 27.238 m 3 ). Somit errechne sich ein Bedarf für die Lagerkapazität über 6 Monate von 13.173 m 3 . Dem sei in den Antragsunterlagen durchgängig eine vorhandene Lagerkapazität von 13.197 m 3 gegenübergestellt. Ein wesentlicher Anteil der in dem Stallneubau anfallenden Gülle werde an die benachbarte Biogasanlage zur Vergärung übergeben. Die übrige Lagerung der Gülle habe nach damaliger Anlagenplanung so erfolgen sollen, dass ein wesentlicher Teil - im Umfang von 5.197 m 3 - in der Rinderanlage gelagert werde und ein weiterer Anteil von halbjährlich 1.000 m 3 an die Agrar D. abgegeben werde. Die im ursprünglichen Antrag vorgesehene Abgabe von Gülle/Jauche an die Agrar D. sei zwischenzeitlich allerdings eingestellt worden. Der Klägerin stehe inzwischen ein eigener Lagerbehälter östlich des Ortes A-Stadt zur Verfügung. Randnummer 25 Eine Auflistung der verwendeten Maschinen sei nicht erforderlich gewesen. Eine Änderung des Maschinenparks sei mit dem Vorhaben nicht einhergegangen. Ungeachtet dessen lasse sich den vorgelegten immissionsschutzfachlichen Gutachten entnehmen, welche Emissionsquellen im Rahmen der Schallimmissionsprognose in Ansatz gebracht worden seien. Diese gäben zugleich Aufschluss über die eingesetzten Maschinen. Die Produktionsabläufe seien der Ausgangsbehörde im Übrigen bekannt gewesen. Sofern der Beklagte eine „schematische Darstellung der Anlage (Fließbild)“ fordere, sei schon nicht ersichtlich, aus welcher gesetzlichen Vorschrift die Pflicht zur Vorlage einer entsprechenden Darstellung - insbesondere „unter Verwendung von Symbolen“ - folgen solle. Ungeachtet dessen habe die Klägerin im Antragsverfahren eine entsprechende schematische Darstellung vorgelegt. Randnummer 26 Entgegen der Behauptung des Beklagten seien die Angaben der Tierplatzzahlen in den Antragsunterlagen nicht widersprüchlich. Der Unterschied in der Gegenüberstellung des Beklagten bestehe lediglich darin, dass einerseits die Jungviehplätze separat ausgewiesen worden seien, andererseits das Jungvieh zu den Rinderplätzen gezählt worden sei. Dies sei nicht zu beanstanden. Die Einordnung der Jungviehplätze als Rinderplätze bei der Beschreibung der Anlagenkapazität entspreche der immissionsschutzrechtlichen Differenzierung der Tierarten. Das BImSchG, insbesondere die 4. BImSchV, kenne als Tierart nur Rinder bzw. Kälber. Zur Bemessung der Kapazität einer Anlage sei danach maßgeblich auf die Rinder- und die Kälberplätze abzustellen. Wenn demgegenüber im Rahmen von Immissionsprognosen zwischen Rindern und Jungvieh differenziert worden sei, so habe dies seinen Grund darin, dass für die unterschiedlichen Altersgruppen unterschiedliche Emissionsfaktoren anzusetzen seien. Randnummer 27 Die Klägerin hat ursprünglich beantragt, den Beklagten unter Aufhebung seines Widerspruchsbescheides vom 28.04.2020 zu verpflichten, den gegen die Änderungsgenehmigung des Landkreises Börde vom 01.12.2016 gerichteten Drittwiderspruch des Rechtsvorgängers der Beigeladenen zu 1. bis 3. zurückzuweisen. Mit Schriftsatz vom 31.12.2020 hat sie beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2020 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 28.04.2020 zu verpflichten, den Widerspruch des Rechtsvorgängers der Beigeladenen zu 1. bis 3. unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu und den Widerspruch der vormals Beigeladenen zu 4. entsprechend zu bescheiden. Randnummer 28 Mit Schriftsatz vom 11.03.2022 hat die Klägerin den Antrag auf Verpflichtung zur Verbescheidung des Widerspruchs der Beigeladenen zu 4. zurückgenommen. Randnummer 29 Die Klägerin beantragt nunmehr, Randnummer 30 den Beklagten unter Aufhebung seines Widerspruchsbescheides vom 24.02.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2020 zu verpflichten, das Widerspruchsverfahren einzustellen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren auf Seiten der Klägerin für notwendig zu erklären, Randnummer 31 hilfsweise den Beklagten unter Aufhebung seines Widerspruchsbescheides vom 24.02.2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2020 zu verpflichten, den gegen die Änderungsgenehmigung des Landkreises Börde vom 01.12.2016 gerichteten Drittwiderspruch der Beigeladenen zu 1. bis 3. zurückzuweisen. Randnummer 32 Der Beklagte beantragt, Randnummer 33 die Klage abzuweisen. Randnummer 34 Zur Begründung trägt er vor: Randnummer 35 Es habe keine Pflicht zur Entscheidung in der Sache für die Widerspruchsbehörde bestanden. Es bestehe vielmehr die Möglichkeit, in der Sache selbst zu entscheiden oder die Entscheidung der Ausgangsbehörde aufzuheben und diese anzuweisen, in der Sache neu zu entscheiden. So sei u. a. bei erheblichen Ermittlungsdefiziten der Ausgangsbehörde zu verfahren. Hier seien die Antragsunterlagen sowohl unvollständig als auch widersprüchlich gewesen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass hier nicht nur eine quantitative, sondern auch eine qualitative Änderung der Anlage vorliege. Im konkreten Fall seien mit dem Schaffen von zusätzlich 386 Plätzen für Milchkühe wenigstens folgende, den gesamten Anlagenbetrieb betreffende Änderungen verbunden: (1.) eine Erhöhung der Transportfahrten (Gülle, Futtertransporte, Tiertransporte), (2.) eine Erhöhung der Anzahl der geborenen Kälber, die Stellplätze benötigen, (3.) eine Ausweitung der Fütterungszeit sowie (4.) eine Erhöhung der notwendigen Futterlagerkapazität. Die Tierplatzverteilung sei von Bedeutung zur Bestimmung der Immissionsschwerpunkte. Es müssten mithin die zum Betrieb erforderlichen Anlagen einschließlich der Nebeneinrichtungen, die aus betriebstechnischen Gründen in einem räumlichen Zusammenhang errichtet und betrieben werden sollen, einschließlich der Verfahrensschritte in den Antragsunterlagen angegeben und dargestellt werden. Das geschehe in der Regel durch die Bauvorlagen, die Anlagen- und Betriebsbeschreibung und den Maschinenaufstellplan. Die in den Antragsunterlagen enthaltene „Beschreibung des Vorhabens“ und die übrigen von ihr vorgelegten Unterlagen genügten diesen Anforderungen nicht. Randnummer 36 Auch bei der Prüfung der Schallprognose hätten sich Zweifel an der richtigen Darstellung von Betriebsabläufen, eingesetzten Maschinen und deren Einwirkungsdauern ergeben. Am 07.03.2019 habe die Klägerin während eines Ortstermins zu Protokoll erklärt, dass die Hauptlärmimmissionen ausschließlich in der Tagzeit erfolgen würden und auch die Milchabholung tagsüber zwischen 15 und 16 Uhr stattfinde. Während eines weiteren Ortstermins am 22.11.2021 habe der Anlagenbetreiber dagegen darüber informiert, dass das Futternachschieben und Säubern in den Ställen mit Stallarbeitsmaschinen auch nachts durchgeführt werden müsse und dass die Milchabholung tags und nachts möglich sei und von der Molkerei bestimmt werde. Entsprechend habe die Klägerin in einem Schreiben vom 28.02.2022 an den Landkreis Börde (Stellungnahme zur Anhörung im Verfahren zur beabsichtigten Untersagung des Nachtbetriebs) eingeräumt, dass als Schichtmodell ein Betrieb in zwei Schichten durchgeführt werde. Die Frühschicht beginne um 3:45 Uhr mit den vorbereitenden Arbeiten für das Melken, das dann gegen 4 Uhr beginne. Die Frühschicht ende um 14 Uhr. Die Spätschicht beginne um 16 Uhr und ende zwischen 2 Uhr und 2:30 Uhr. Der Betrieb einer Milchviehanlage - so in dem Schreiben der Klägerin vom 28.02.2022 weiter - erfordere eine durchgehende Pflege und Fürsorge für die dort gehaltenen Tiere. Ein Rind lebe nicht nur im Zeitraum zwischen 6:00 und 22:00 Uhr, sondern auch zwischen 22:00 und 06:00 Uhr. Dementsprechend sei die Durchführung von Arbeiten zum Melken, zum Treiben der Tiere, zum Anschieben des Futters und insbesondere Abkalbungen, die sich nach der Uhrzeit nicht planen ließen, erforderlich. Das Futteranschieben erfolge mit dem kleinen Radlader (Schäffer). Zur abschließenden Beurteilung der Geräuschimmissionen seien deshalb - so die Schlussfolgerung des Beklagten - folgende Angaben bzw. Unterlagen erforderlich: Geräuschimmissionen durch den nächtlichen Einsatz der Stallarbeitsmaschinen Bobmann und Schäffer; Geräuschimmissionen, die tags und nachts beim Transport der Kälberiglus zum Waschplatz und zurück sowie durch das Säubern der Kälberiglus mit Hochdruckreiniger entstehen; Geräuschimmissionen durch nächtlichen Milchtransport. Randnummer 37 Die aktualisierte Immissionsprognose zu den Gerüchen sei grundsätzlich sachgerecht. Vorausgesetzt sei allerdings, dass die angesetzten Emissionsfaktoren für die Gärrest- und Festmistlagerung sowie den Schmutzwasserbehälter den Tatsachen entsprechen würden. Was den Biotopschutz anbelange, so bestünden jedenfalls hinsichtlich des Biotops 6 („Strauch-Baumhecke aus überwiegend heimischen Arten“) ausweislich der vorgelegten Gutachten weiter Anhaltspunkte dafür, dass die maßgeblichen Grenzwerte überschritten werden. Randnummer 38 Die Beigeladenen zu 1. bis 3. beantragen, Randnummer 39 die Klage abzuweisen und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären. Randnummer 40 Sie schließen sich den Ausführungen des Beklagten an und tragen ergänzend vor: Randnummer 41 Sie seien als Rechtsnachfolger ihres verstorbenen Vaters in den Prozess eingetreten. Dessen Rechtsposition sei auch vererblich gewesen. Sie würden auf dem Hausgrundstück wohnen bzw. ihren Lebensmittelpunkt in unmittelbarer Nähe zu diesem haben. Die in Rede stehenden materiellen Rechte auf Schutz von Leben, Gesundheit und Eigentum seien sachlich und nicht (nur) persönlich bestimmt. Es gehe um die immissionsschutzrechtlichen Abwehrrechte einer Person, und zwar in Ansehung seines Grundstücks, vor allem wegen seiner Eigenschaften und seiner Belegenheit. Durch die mit dem Anlagenbetrieb einhergehenden erheblichen Beeinträchtigungen, insbesondere durch Lärm- und Geruchsimmissionen, würden Wert und Nutzbarkeit des Grundstücks gemindert. Randnummer 42 Der Beklagte habe den Bescheid vom 01.12.2016 zu Recht aufgehoben. Auch die zweite Umweltverträglichkeitsvorprüfung könne nicht verwertet werden. Ihr lägen unverändert die alten, in hohem Maße fehlerhaften Antragsunterlagen zugrunde. Die seitens der Klägerin eingereichten Antragsunterlagen stimmten nicht mit dem tatsächlichen Betrieb überein. Anlagenbetrieb und Anlagenbeschaffenheit seien von der Klägerin nie vollständig und seit 2016 in immer wieder unterschiedlichen Variationen dargestellt worden. Es sei nicht ersichtlich, in welchem Umfang Gülle tatsächlich anfalle und Güllelagerkapazität tatsächlich vorhanden sei. Der Nachweis, dass und wie Gülle in die Biogasanlage gelange oder auch nur gelangen könne, sei nicht ansatzweise erbracht worden. Das Verhältnis von Rinderanlage zur Biogasanlage und die damit verbundenen immissionsschutzrechtlichen Implikationen seien ebenfalls ungeklärt. Im Zuge der Anlagenerweiterung seit 2016 seien überdies größere Maschinen angeschafft worden. Das gelte nicht nur, aber insbesondere auch für den Futtermischwagen. Es sei im Zuge der Anlagenerweiterung von 2016 ferner ein neues Güllesilo am östlichen Ortsrand von A-Stadt mit einer 5.000 m 3 -Kapazität für Gülle-Gärreste errichtet worden. Die mit der Befüllung und Entleerung dieses Silos verbundenen vielfachen LKW-Fahrten mit Gülle mitten durch A-Stadt hätten bisher nirgendwo Berücksichtigung gefunden. Folge der Anlagenerweiterung sei überdies eine Flächenerweiterung für Gras- und Maissilage mit entsprechendem Schnitt über Wochen mit dann täglich über 200 Fahrten durch den Ort. Dies sei bisher ebenfalls nicht berücksichtigt worden. Schließlich seien für die Schallimmissionsprognose Immissionsorte an den Häusern gewählt worden, die auf der der Anlage abgewandten Hausseite gelegen hätten. Das sei grob fehlerhaft gewesen. Maßgeblich sei der Immissionsort, an dem die höchste Belastung zu erwarten sei. Randnummer 43 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren durch den Rechtsvorgänger der Beigeladenen zu 1. bis 3. und die Beigeladene zu 4. wird für notwendig erklärt. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar, für die Beigeladenen jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 2. Senat
Berlin
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27.05.2021
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Randnummer 1 Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger, wendet sich im Wesentlichen gegen die Ablehnung seines Asylantrages als unzulässig durch die Beklagte und gegen die Anordnung seiner Abschiebung nach Italien. Randnummer 2 Nach eigenen Angaben reiste der Kläger am 1. Mai 2018 in das Bundesgebiet ein. Im September 2019 stellte er einen Asylantrag. Eine Abfrage bei der EURODAC-Datenbank durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) ergab Anhaltspunkte dafür, dass Italien gemäß der Dublin-III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig sein könnte. Auf ein Wiederaufnahmegesuch des Bundesamtes erklärten sich die italienischen Behörden mit Schreiben vom 25. September 2019 nach Art. 18 Abs. 1 Buchstabe b) Dublin III-VO zur Wiederaufnahme des Klägers bereit. Randnummer 3 Mit Bescheid vom 26. September 2019, der dem Kläger am 22. Oktober 2019 zugestellt wurde, lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 AsylG), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen, ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an und sprach ein auf 15 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG aus. Randnummer 4 Der Kläger hat am 28. Oktober 2019 Klage erhoben. Den am selben Tag gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes lehnte das Verwaltungsgericht Potsdam mit Beschluss vom 27. November 2019 (VG 2 L 292/19.A) ab. Randnummer 5 Mit Schreiben vom 7. April 2020 teilte das Bundesamt dem Kläger mit, dass die Vollziehung der Abschiebungsanordnung in seinem Dublin-Verfahren gemäß § 80 Abs. 4 VwGO i. V. m. Art. 27 Abs. 4 Dublin-III-VO bis auf weiteres ausgesetzt werde. Im Hinblick auf die Entwicklung der Corona-Krise seien derzeit Dublin-Überstellungen nicht zu vertreten. Die abgegebene Erklärung gelte unter dem Vorbehalt des Widerrufs. Mit Schreiben vom selben Tag informierte das Bundesamt die italienischen Behörden darüber, dass die Überstellung des Klägers derzeit wegen eines Rechtsmittels mit aufschiebender Wirkung nicht möglich sei. Randnummer 6 Mit Gerichtsbescheid vom 17. Juli 2020 hat das Verwaltungsgericht Potsdam den Bescheid des Bundesamtes vom 26. September 2019 aufgehoben. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die Ablehnung des Asylantrages als unzulässig sei im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung rechtswidrig. Der Asylantrag des Klägers könne nicht aufgrund § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a AsylG als unzulässig abgelehnt werden. Eine etwaige Zuständigkeit Italiens sei jedenfalls nach Art. 29 Abs. 2 Satz 1 und 2 Dublin-III-VO auf die Beklagte übergegangen. Die hier maßgebliche sechsmonatige Überstellungsfrist sei nach Ablehnung des Eilantrages mit Beschluss vom 27. November 2019 inzwischen abgelaufen. Die von der Beklagten gegenüber dem Kläger erklärte (pandemiebedingte) Aussetzung der Vollziehung der Abschiebungsanordnung führe nicht zur Unterbrechung der Überstellungsfrist. Die behördliche Aussetzung sei im vorliegenden Fall nicht mit Unionsrecht vereinbar. Eine Aussetzungsentscheidung nach Art. 27 Abs. 4 Dublin III-VO, die den Frist-beginn nach Art. 29 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO verzögere, könne nur im Sinne der Randnummer 7 Gewährung effektiven Rechtsschutzes, d.h. mit der Zielsetzung einer rechtlichen Prüfung der Überstellungsentscheidung ergehen. Zur Begründung dieser Ansicht nehme die Kammer Bezug auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Schleswig im Urteil vom 15. Mai 2020 (- 10 A 596/19 -, juris Rdn. 19 ff.), die sie sich zu eigen mache. Randnummer 8 Die Beklagte bezieht sich zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung zunächst auf ihren Bescheid vom 26. September 2019 und führt darüber hinaus im Wesentlichen aus, es sprächen gute Gründe dafür, jedenfalls die behördlich verfügte Vollzugsaussetzung, die der aufgrund der Corona-Pandemie erfolgten faktischen Aussetzung des Dublin-Verfahrens Rechnung trage, als rechtmäßig einzustufen und ihr eine damit bewirkte Unterbrechung der laufenden Überstellungsfristen zuzusprechen. Randnummer 9 Die Beklagte beantragt sinngemäß, Randnummer 10 die Klage unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 17. Juli 2020 abzuweisen. Randnummer 11 Der Kläger hat sich in der Sache zur Berufung nicht geäußert. Randnummer 12 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Der Beschluss ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Revision wird zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Die Klägerin fordert von der Beklagten die Erstattung von Rechtsanwaltskosten. 2 Beide Parteien sind im Transportgewerbe tätig, die Klägerin war von der Beklagten, welche als Zwischenspedition tätig ist, am 11.08.2014 mit einem am 12.08.2014 durchgeführten Transport beauftragt worden (Anl. B1, Bl. 28-29). Die Beklagte verwendet regelmäßig Allgemeine Geschäftsbedingungen, unter Nr. 8 u.a. mit der Klausel: „Forderungen des AN sind am letzten Tag des zweiten Folgemonats nach Rechnungseingang fällig“. Den Transport rechnete die Klägerin in Höhe von 595,00 EUR ab am 18.08.2014 (Anl. K1, Bl. 9), fällig zum 19.09.2014. Danach wurde die Beklagte zweifach mit Fristsetzung zur Zahlung gemahnt. Danach beauftragte die Klägerin ihre (jetzigen) Prozessbevollmächtigten, welche mit Schreiben vom 21.10.2014 die Beklagte mit Fristsetzung zur Zahlung aufforderten, einschließlich der angefallenen Rechtsanwaltskosten auf Basis einer 1,3 Geschäftsgebühr (Anl. K2, Bl. 10, 11) zu. Erst danach zahlte die Beklagte am 27.10.2014 einen Teilbetrag von 500,00 EUR und mit Datum vom 28.10.2014 weitere 95,00 EUR. 3 Die Klägerin trägt vor: 4 Geschäftsbedingungen mit (längeren) Zahlungsfristen seien bei ihr nicht angekommen (Bl. 8), der Teilbetrag von 95,00 EUR sei erst am 04.11.2014 bei der Klägerin eingegangen, die Klausel der Beklagtenseite zur Fälligkeit unwirksam, da gegen maßgebliche gesetzliche Bestimmungen verstoßend (Bl. 34). 5 Die Klägerin beantragt : 6 Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Betrag in Höhe von 124,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. 7 Die Beklagte beantragt , 8 die Klage kostenpflichtig abzuweisen. 9 Die Beklagte trägt vor: 10 ihre AGB seien der Klägerin übermittelt worden (Bl. 25), die Regelung zur Fälligkeit sei wirksam, weshalb die Forderung der Klägerin erst zum 31.10.2014 fällig geworden sei, auch vor dem Hintergrund dass die Beklagte nur mit äußerst geringen Gewinnspannen arbeite und darauf angewiesen sei, dass sie zuerst von ihrem eigenen Auftraggeber die Frachtvergütung erhalte (Bl. 47-49). 11 Die ursprünglich bei dem Amtsgericht W. erhobene Klage wurde mit Beschluss vom 02.02.2015 das Amtsgericht Mannheim verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze samt Anlagen Bezug genommen.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 124,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16.12.2014 zu zahlen.
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Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern 2. Kammer
Mecklenburg-Vorpommern
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01.12.2010
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Randnummer 1 Hinsichtlich des Sachverhaltes heißt es in dem unstreitigen Teil des Tatbestandes des klageabweisenden Urteils des Arbeitsgerichtes Rostock vom 23.02.2010 - 3 Ca 1971/09 - wie folgt: Randnummer 2 Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitig ausgesprochenen fristgemäßen Kündigung. Dabei ist insbesondere die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes auf das streitgegenständliche Arbeitsverhältnis im Streit. Randnummer 3 Darüber hinaus begehrt der Kläger die Entfernung einer Abmahnung aus seiner Personalakte. Randnummer 4 Der am ...1961 geborene, verheiratete und einem Kind unterhaltspflichtige Kläger war seit dem 01.01.1995 bei der Beklagten zunächst als Niederlassungsleiter, seit November 2008 als Bauleiter tätig. Das monatliche Einkommen des Klägers lag zuletzt bei 3.973,52 EUR brutto zzgl. Sachbezügen (Firmenwagen) in Höhe von 489,72 EUR. Randnummer 5 Die Beklagte betreibt ein Trockenbauunternehmen. Randnummer 6 Mit Schreiben vom 08.10.2009, dem Kläger am 12.10.2009 übergeben, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis. Das Kündigungsschreiben, Bl. 12 der Akte, wird zum Inhalt des Tatbestandes gemacht. Randnummer 7 Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung beschäftigte die Beklagte sechs Arbeitnehmer. Randnummer 8 In den Entscheidungsgründen hat das Gericht ausgeführt, der erste und der zweite Absatz des Kündigungsschutzgesetzes fänden gemäß § 23 KSchG auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung. Bei der Beklagten seien zum einen am 31.12.2003 mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigt gewesen. Zum Kündigungszeitpunkt seien aber nicht mehr als fünf Alt-Arbeitnehmer, die bereits am 31.12.2003 im Betrieb beschäftigt gewesen waren, beschäftigt worden. Die Beklagte bilde auch mit anderen Gesellschaften keinen gemeinsamen Betrieb. Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Treu und Glauben hinsichtlich der Kündigung seien nicht ersichtlich. Ein Entfernungsanspruch hinsichtlich der Abmahnung habe der Kläger nicht, da die Abmahnung zutreffe. Im Übrigen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen. Randnummer 9 Dieses Urteil ist dem Kläger am 12.05.2010 zugestellt worden. Er hat dagegen Berufung eingelegt, die an einem Montag, dem 14.06.2010, beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist. Randnummer 10 Nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf Grund eines fristgerecht eingegangenen Antrages bis zum 12.08.2010 verlängert worden ist, ist die Berufungsbegründung am 12.08.2010 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Randnummer 11 Hinsichtlich der Abmahnung trägt der Kläger vor, er habe eine schriftliche Behinderungsanzeige verfasst. Hiervon habe die Beklagte auch Kenntnis gehabt. Die Kündigung verstoße gegen Treu und Glauben. Ein betriebsbedingter Grund habe nicht bestanden. Anstelle des Klägers sei kurz nach Ausspruch der Kündigung ein neuer Bauleiter eingestellt worden. Auch sei das durch langjährige Zusammenarbeit verdiente Vertrauen unberücksichtigt geblieben. Randnummer 12 Der Kläger beantragt, Randnummer 13 das Urteil des Arbeitsgerichtes Rostock vom 23.02.2010, dem Kläger zugestellt am 12.05.2010 (3 Ca 1971/09) abzuändern und Randnummer 14 1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 08.10.2009 nicht aufgelöst worden ist und Randnummer 15 2. die Beklagte zu verurteilen, die Abmahnung vom 25.08.2009 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen. Randnummer 16 Die Beklagte beantragt, Randnummer 17 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 18 Sie habe am 12.10.2009 nicht mehr als fünf sogenannte Alt-Arbeitnehmer beschäftigt. Die Kündigung verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben. Neu besetzt worden sei nicht die Position eines Bauleiters, sondern die Position des Betriebsleiters. Randnummer 19 Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
I. Die Berufung des Klägers wird auf seine Kosten zurückgewiesen. II. Die Revision wird nicht zugelassen.
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LG Hamburg 14. Zivilkammer
Hamburg
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09.10.2015
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Randnummer 1 Die Kläger nehmen die Beklagte auf Rückabwicklung zweier Darlehensverträge zur Immobilienfinanzierung in Anspruch. Randnummer 2 Unter dem 22.09.2009/27.9.2009 schlossen die Parteien über einen Betrag von € 180.000,00 einen Darlehensvertrag zur Nr. 7...2 mit Zinsbindung bis zum 30.09.2019 (Anl. K1), sowie unter dem 28.09.2009/2.10.2009 über einen Betrag von € 100.000,00 zur Nr. 7...0 ebenfalls mit Zinsbindung bis zum 30.09.2019 (Anl. K2). Den Verträgen waren folgende Widerrufsbelehrungen beigefügt: Randnummer 3 „Widerrufsbelehrung zu² Randnummer 4 Sie könne Ihre Vertragserklärung innerhalb von zwei Wochen ------ ohne Angabe von Gründen in Textform (z.B. Brief, Fax, E-Mail) widerrufen. Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform, jedoch nicht, bevor Ihnen auch eine Vertragsurkunde, Ihr schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt worden ist. Zur Wahrung der Widerrufsfrist genügt die rechtzeitige Absendung des Widerrufs. Randnummer 5 Der Widerruf ist zu richten an: (Name, Firma und ladungsfähige Anschrift des Kreditinstituts, ggf. Fax-Nr., E-Mail-Adresse und/oder wenn der Verbraucher eine Bestätigung seiner Widerrufserklärung erhält, auch eine Internet-Adresse). Randnummer 6 H..S... Kasse AG, E. A./ G. B., (PLZ)H. Fax:, E-Mail: h. @ h. .de Internet-Adresse: www. h. .de . Randnummer 7 Widerrufsfolgen Randnummer 8 Im Falle eines wirksamen Widerrufs sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggf . gezogene Nutzungen (z.B. Zinsen) herauszugeben. Können Sie uns die empfangene Leistung ganz oder teilweise nicht oder nur in verschlechtertem Zustand zurückgewähren, müssen Sie uns insoweit ggf. Wertersatz leisten. Verpflichtungen zur Erstattung von Zahlungen müssen innerhalb von 30 Tagen erfüllt werden. Die Frist beginnt für Sie mit der Absendung Ihrer Widerrufserklärung, für uns mit deren Empfang.“ Randnummer 9 Weiter angefügt war eine Erklärung zur Widerrufsmöglichkeit bei sogenannten finanzierten Geschäften. Randnummer 10 Die Darlehen wurden abgesichert über eine Grundschuld auf dem Grundstück T..K... Weg in H. über € 280.000,00 mit einem Zinssatz von 15%. Die Darlehen dienten der Finanzierung eines Kaufpreises über die betreffende Immobilie gem. Vertrag vom 10.9.2009, der Kaufpreis war bis zum 30.10.2009 zu zahlen (Anl. B4). Das Darlehen valutierte am 26.10.2009. auf die Zahlungsaufträge (Anl. B 5) im Einzelnen wird Bezug genommen. Randnummer 11 Mit Schreiben vom 01.12.2014 (Anl. K3) erklärten die Kläger den Widerruf der beiden Darlehensverträge, welchen die Beklagte mit Schreiben vom 5.12.2014 (Anlage K 4) und 30.12.2014 (Anlage K 5) zurückwies. Randnummer 12 Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 09.02.2015 (Anl. K6) forderten die Kläger die Beklagte nochmals zur Rückabwicklung unter Hinweis auf den erklärten Widerruf auf. Randnummer 13 Die Kläger sind der Auffassung, ihnen habe auch am 01.12.2014 noch ein Recht auf Widerruf der streitgegenständlichen Verträge zugestanden, da die seinerzeit beigefügte Widerspruchsbelehrung falsch gewesen sei. Die Beklagte könne sich auch nicht auf einen Vertrauensschutz unter Hinweis auf die exakte Übernahme der Musterbelehrung in der BGB Info-VO berufen, weil die Beklagte sich mit ihrem Wortlaut hieran gerade nicht gehalten habe. Randnummer 14 Die Kläger verweisen auf eine Abrechnung der beiden Darlehensverträge zum 31.12.2014 (Anl. K8 und K9), wonach sowohl die geleisteten Tilgungen als auch Zinsen in Höhe von € 18.732,00 auf den Vertrag Nr. ...2 sowie € 5.578,20 auf den Vertrag Nr. ...0 erstattet werden müssten. Für den Zeitraum von Januar 2015 bis April 2015 seien weitere Zinsen in Höhe von € 15.033,10 zu erstatten, insgesamt ein Betrag in Höhe von € 39.343,30 (vgl. hierzu Anl. K10). Derzeit valutiere die Grundschuld mit insgesamt noch € 237.988,78. Randnummer 15 Die Kläger nehmen die Beklagte außerdem auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltsgebühren entsprechend der Abrechnung Anl. K11 auf einen Gegenstandswert von € 200.861,00, hier eine 1,3 Geschäftsgebühr nebst 0,3 Erhöhungsgebühr, Postpauschale und MwSt., insgesamt € 4.313,51 in Anspruch. Dieses Schreiben soll nach Auffassung der Kläger auch deren Angebot zur Leistung der nach Widerruf fälligen Restschuld gegenüber der Beklagten enthalten. Randnummer 16 Die Kläger beantragen, Randnummer 17 1. Die Beklagte zu verurteilen, die Löschung der im Grundbuch von R.., Band ...5, Blatt ...0, eingetragenen Grundschuld von € 280.000,00 betreffend das Grundstück T..K... Weg, (PLZ)H., zu bewilligen, Zug um Zug gegen Zahlung von derzeitig noch € 237.988,78, Stand 8. September 2015; Randnummer 18 2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der unter 1. angebotenen Gegenleistung in Annahmeverzug befindet; Randnummer 19 3. festzustellen, dass der Beklagten aus den Darlehensverträgen zur Kontonummer 7...2 und der Darlehensnummer 7...0 gegen die Kläger nach Zahlung gemäß Ziffer 1. keinerlei Ansprüche mehr zustehen; Randnummer 20 4. die Beklagte weiter zu verurteilen, an die Kläger als Gesamthandgläubiger € 4.313,51 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Randnummer 21 Die Beklagte beantragt, Randnummer 22 die Klage abzuweisen. Randnummer 23 Sie ist der Auffassung, der Widerruf der Kläger sei verspätet, die Darlehensverträge damit weiterhin wirksam. Die Widerrufsbelehrung habe in ihrem Wortlaut dem damaligen Gesetzestext des § 355 BGB entsprochen. Der Zusatz über die finanzierten Geschäfte sei insofern nicht schädlich, als für die Darlehensnehmer offensichtlich gewesen sei, dass dieser Zusatz im vorliegenden Fall nicht relevant sei. Randnummer 24 Die Beklagte hält einem möglichen Rückabwicklungsanspruch der Kläger außerdem den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegen. Einziges Motiv für den Widerruf der Kläger sei die Ausnutzung der Niedrigzinsphase gewesen. Dies müsse im Rahmen des § 242 BGB berücksichtigt werden. Im Übrigen sei die Auszahlung des Darlehens erst nach Verstreichen der ursprünglichen Widerrufsfrist erfolgt, zudem hätten die Kläger Sondertilgungen vorgenommen (vgl. hierzu Anl. K10). Schließlich seien die Kläger auch bei der Einräumung der Grundschuld notariell beraten und aufgeklärt gewesen. Randnummer 25 Die Kläger hätten die Rückzahlung des Darlehens zu keinem Zeitpunkt gegenüber der Beklagten angeboten, so dass kein Annahmeverzug ihrerseits vorläge. Randnummer 26 Zur Ergänzung des Sachverhalts im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
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VG Wiesbaden 3. Kammer
Hessen
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03.05.2022
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Randnummer 1 Der Kläger ist Polizeibeamter im Dienst des Beklagten. Im März 2021 ließ er bei sich zwecks Empfängnisverhütung eine Vasektomie durchführen. Gemäß der Arztrechnung vom 10.03.2021 wurden dem Kläger hierfür Kosten in Höhe von 564,52 EUR in Rechnung gestellt. Randnummer 2 Mit Formular vom 09.04.2021 beantragte der Kläger Beihilfe in Höhe des für ihn geltenden Bemessungssatzes von 50% für diesen (Beleg 004) und andere Posten. Randnummer 3 Mit Beihilfebescheid vom 30.04.2021 wurde der Beihilfeantrag hinsichtlich der Vasektomie abgelehnt. In der Anlage zum Bescheid führte der Beklagte aus, gemäß § 11 der HBeihVO seien die Aufwendungen für eine Sterilisation beihilfefähig, sofern diese nicht rechtswidrig sei. Hinsichtlich der Notwendigkeit der Sterilisation werde auf § 6 der Berufsordnung für die deutschen Ärzte verwiesen, wonach eine Sterilisation nur aus medizinischen, genetischen oder schwerwiegenden sozialen Gründen zulässig sei. Die Notwendigkeit sei durch eine entsprechende ärztliche Bescheinigung nachzuweisen. Der Bescheid ist mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Randnummer 4 Mit Schreiben, datiert auf den 29.04.2021, legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid ein. Im Verfahren legte er eine Bescheinigung seines Urologen vom 10.06.2021 vor, in der es heißt: „mit diesem Schreiben bestätigen wir, dass die Vasektomie bei Ihnen aus medizinischen Gründen notwendig war.“ Randnummer 5 Mit Schreiben vom 08.06.2021 bestätigte der Beklagte den Eingang des Widerspruchs, der aber nicht statthaft sei, weil noch nicht abschließend über die Beihilfefähigkeit der Arztrechnungen entschieden worden sei. Randnummer 6 Mit Schreiben vom 29.07.2021 forderte der Beklagte einen ausführlichen Befundbericht an, aus dem die medizinischen Gründe für den Eingriff nachvollziehbar hervorgingen. Randnummer 7 Auf die Mahnung der Bevollmächtigten des Klägers wies der Beklagte den Beihilfeantrag (erneut) mit Schreiben vom 02.11.2021 zurück. Die Aufwendungen seien nicht beihilfefähig. Randnummer 8 Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.11.2021 legte der Kläger Widerspruch ein. Die Beihilfefähigkeit ergebe sich aus dem klaren Wortlaut des § 11 HBeihVO . Das OVG des Saarlandes habe die Beihilfefähigkeit der Vasektomie mit Urteil vom 23.11.2005 (1 R 22/05) anerkannt. Auf die Notwendigkeit komme es nicht an; es genüge die Freiwilligkeit der Entscheidung. § 11 Abs. 2 HBeihVO sei lex specialis zu §§ 5 , 6 HBeihVO . Randnummer 9 Mit Bescheid vom 26.11.2021, zugestellt am 27.11.2021, wies der Beklagte den Widerspruch zurück. § 5 HBeihVO verlange die Notwendigkeit der ärztlichen Behandlung. Die medizinische Notwendigkeit habe der Kläger nicht dargelegt. Die Leistung gehe damit über das Maß einer medizinisch notwendigen Versorgung hinaus. Die ärztliche Bescheinigung weise keine medizinische Indikation nach. Verhütungsgründe stellten keine medizinische Indikation dar. Im Beihilferecht gelte der Notwendigkeitsgrundsatz des § 5 Abs. 1 HBeihVO , welcher für alle nachstehenden Regelungen gelte. Die Frage der Rechtmäßigkeit der Sterilisation sei im Hinblick auf den Notwendigkeitsgrundsatz bzw. den Krankheitsbegriff nachrangig. Randnummer 10 Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 22.12.2021, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, hat der Kläger erhoben. Er wiederholt sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Anders als der Beklagte meine, folge aus § 11 Abs. 2 HBeihVO gerade, dass eine Notwendigkeitsprüfung nicht erforderlich sei. Eingeklagt werde nach dem geltenden Bemessungssatz der Betrag von 282,26 EUR. Randnummer 11 Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Abänderung des Beihilfebescheids vom 02.11.2021 und des Widerspruchsbescheids vom 26.11.2021 zu verpflichten, dem Kläger zu den ihm aus Anlass seiner Sterilisation gemäß Rechnung vom 10.03.2021 entstandenen Aufwendungen in Höhe von 564,52 EUR eine Beihilfe in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Randnummer 12 Der Beklagte beantragt, Randnummer 13 die Klage abzuweisen. Randnummer 14 Er bezieht sich auf seine Ausführungen im Vorverfahren und die Entscheidung des VG des Saarlandes vom 28.01.2005 (3 K 122/04). Die Begrenzung der Beihilfe auf notwendige Behandlungen sei Ausprägung der Nachrangigkeit der Beihilfe gegenüber der mit eigenen Mitteln zu betreibenden Eigenvorsorge des Beamten.
Der Bescheid des Beklagten vom 02.11.2021 und der Widerspruchsbescheid vom 26.11.2021 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger Beihilfe in Höhe von 282,26 EUR zu den ihm aus Anlass seiner Sterilisation entstandenen Aufwendungen zu gewähren. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
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LG Hamburg 25. Zivilkammer
Hamburg
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16.06.2010
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Randnummer 1 Die Beklagte betreibt unter der Internetadresse www. ...p...de eine Personensuchmaschine, die öffentlich im Internet verfügbare Informationen zu Menschen, u.a. auch Fotografien, findet. Randnummer 2 Im Rahmen des von der Beklagten betriebenen Internet-Angebotes wurde, wenn man als Nutzer die Suchmaschine der Beklagten aufrief und dort den Suchbegriff /Suchnamen „P...“ eingab und die Suchfunktion betätigte, im Rahmen des dann erscheinenden Suchergebnisses u.a. eine Fotografie gezeigt, auch welcher die Klägerin abgebildet ist (Anl. K 2). Diese Fotografie stammte von der Firmen-Homepage www. w...de (Anl. K 3). Die Klägerin hatte zuvor die Einwilligung für die Veröffentlichung ihres Fotos auf der Firmenhomepage www. w...de erklärt. Randnummer 3 Mit Anwaltsschreiben vom 13.10.2009 (Anlage K 4) forderte die Klägerin die Beklagte auf, es zu unterlassen, Bildnisse der Klägerin ohne Zustimmung der Klägerin zu veröffentlichen/und oder zu verbreiten, und eine entsprechende strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben. Die Funktion der von der Beklagten betriebenen Suchmaschine wurde daraufhin so eingestellt, dass das die Klägerin zeigende Foto im Rahmen des Internet-Angebotes der Beklagten nicht mehr erschien. Die Beklagte lehnte es jedoch ab, die von der Klägerin geforderte Unterlassungserklärung abzugeben. Randnummer 4 Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe gemäß § 22 KUG in Verbindung mit §§ 823,1004 BGB (analog) ein durch ein gerichtliches ordnungsmittelbewehrtes Verbot zu sichernder Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte zu, weil sie gegenüber der Beklagten nicht eingewilligt habe, dass ihr Foto unter der Internetadresse www. ...p...de veröffentlicht werde. Sie (die Klägerin) sei nicht Host-Provider und könne daher auch keine technischen Sperren errichten, um die Veröffentlichung ihres Fotos zu verhindern. Randnummer 5 Die Beklagte habe ihr auch den auf Grund der Verletzung ihres Persönlichkeitsrechts entstandenen Schaden zu ersetzen. Die Beklagte hätte wissen müssen, dass die Verwendung des Bildes nicht rechtmäßig sei. In diesem Bewusstsein habe sich die Beklagte über das ihr (der Klägerin) zustehende Recht am eigenen Bild hinweggesetzt. Randnummer 6 Des Weiteren habe die Beklagte auch die Kosten der Abmahnung in Höhe von EUR 775,64 brutto (1,3 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von EUR 10.000,00) aus den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag bzw. bei Verschulden aus § 823 BGB zu erstatten. Randnummer 7 Die Klägerin beantragt, Randnummer 8 1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, Randnummer 9 Bildnisse auf der Personensuchmaschine ...p.. zu veröffentlichen und/oder zu verbreiten, auf denen die Klägerin zu erkennen ist, ohne ihre Genehmigung eingeholt zu haben, wenn dies wie aus der Anlage K2 ersichtlich geschieht; Randnummer 10 2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen aus den unter Ziffer 1. bezeichneten Handlungen entstanden und noch entstehenden Schaden zu ersetzen; Randnummer 11 3. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 775,64 zu bezahlen. Randnummer 12 Die Beklagte beantragt, Randnummer 13 die Klage abzuweisen. Randnummer 14 Die Beklagte macht geltend, bei den Darstellungen von Bildnissen in den Suchergebnissen der von ihr (der Beklagten) betriebenen Suchmaschine handele es sich ausschließlich um visualisierte Links, auf dessen Bestehen sie zu keinem Zeitpunkt unmittelbar oder mittelbaren Einfluss habe oder nehmen könne. Bilder würden weder auf ihren Servern gespeichert noch zwischengespeichert (Cache-Funktion). Eine Archivierung der Bilddateien findet nicht statt. Sobald ein Bild an der Quelle nicht mehr verfügbar sei, könne es auch nicht mehr über ihr (der Beklagten) Angebot angesehen bzw. gefunden werden. Randnummer 15 Die im Rahmen ihres (der Beklagten) Angebotes gefundenen Suchergebnisse beruhten ausschließlich auf frei im Netz verfügbaren Inhalten und würden anhand eines automatisierten Suchprozesses generiert. Alle Bilder, die auf ihrem Internet-Angebot zu sehen seien, seien ausdrücklich mit der jeweiligen externen Quelle gekennzeichnet und seien auch mit der externen Quelle verlinkt. Es werde daher insbesondere auf Seiten der Nutzer nicht der Eindruck erweckt, dass sie (die Beklagte) Bilder selbst veröffentlichen oder sich auf anderer Weise selbst zu Eigen machen würde. Vielmehr handele es sich bei dem Angebot von ...p.. erkennbar um eine reine Suchmaschine. Es bestehe zu jedem Zeitpunkt durch die genannte Verlinkung auch die Möglichkeit, die jeweiligen im Suchergebnis gefundenen Bilder auch direkt auf den jeweiligen Ursprungsseiten anzusehen. Hierbei sei auch die Ursprungs-URL jederzeit einsehbar. Randnummer 16 Es sei für Internetseitenbetreiber mit einfachsten technischen Mitteln möglich, selbst veröffentlichte und auf eigenen Servern gespeicherte Bilder einer visuellen Verlinkung auf anderen Webseiten zu entziehen. Selbst für den privaten Betreiber einer Homepage lasse sich diese Funktion leicht aktivieren, meist böten Host-Provider diese Funktionen bereits standardmäßig als optional aktivierbare Option an. Durch Einfügen beispielsweise eines simplen vierzeiligen Codes könne innerhalb weniger Minuten ohne nennenswerten technischen Aufwand eine visualisierte Verlinkung verhindert werden. Andere Maßnahmen, die gegenüber „Crawlern“ eingesetzt würden, seien ebenso einfach zu bewerkstelligen. Soweit die Klägerin behaupte, das streitgegenständliche Bild sei nur zum Zwecke der Abbildung auf der Firmenwebseite von W...de erstellt worden, müsse sie sich entgegenhalten lassen, warum eine technisch mögliche und übliche Deaktivierung von visuellen Links nicht vorgenommen worden sei. Es obliege nämlich jedem Internetanbieter selbst, zu entscheiden, ob visualisierte Links gestattet werden sollten oder nicht. Das Internet-Angebot von w...de, auf dem das Bildnis der Klägerin veröffentlicht worden sei, sei ein gewerbliches Angebot und verfolge den Zweck, eine Vielzahl von Nutzern auf die Seite aufmerksam zu machen. Dem Quelltext der Internetseite sei zu entnehmen, dass das Angebot ausdrücklich für Suchmaschinen, insbesondere auch durch die Verwendung von META Tags optimiert worden sei. Bei dem Angebot von w...de handele es sich mithin um eine öffentliche Plattform, auf der Inhalte bewusst unbeschränkt öffentlich zum Abruf bereitgestellt würden. Anders als das bei reinen privaten Homepages der Fall sein möge, sei es gerade die Absicht der Betreiber, ihre Inhalte einer möglichst breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dies werde vorrangig und insbesondere durch die erlaubte Indexierung der Inhalte durch Suchmaschinen gewährleistet. Als Mitarbeiterin des Unternehmens trete die Klägerin mit der Veröffentlichung ihres Bildes auch bewusst als öffentliche und gerade nicht als Privatperson in Erscheinung. Ihr sei bewusst, dass ihr Bildnis nicht nur für die gesamte und weltweite Internetöffentlichkeit zum Abruf bereit stehe, sondern ein Auffinden gerade auch in Suchmaschinen ermöglicht worden sei. Außerdem werde die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, Urheberin des streitgegenständlichen Bildes zu sein. Randnummer 17 Sie, die Beklagte, habe das streitgegenständliche Bild nicht im Sinne von § 22 KUG bzw. § 19a UrhG öffentlich zugänglich gemacht bzw. öffentlich zur Schau gestellt. Es erfolge keine Einbindung des Bildes in der Art, dass die Darstellung ihrer (der Beklagten) Webseite den Eindruck erwecken würde, das Bild würde von ihr veröffentlicht oder verbreitet werden. Durch die fehlende physikalische Speicherung des Bildes sei bereits keine Veröffentlichung oder Verbreitung des Bildes durch sie (die Beklagte) erfolgt. Zu keinem Zeitpunkt habe sie die Kontrolle über das betroffene Werk gehabt. Randnummer 18 Die Geltendmachung der von der Klägerin bezeichneten Ansprüche erscheine überdies rechtsmissbräuchlich. Die Optimierung der Quellseite http://www. w...de für die Suchmaschinendienste verfolge den Zweck, dass Inhalte und somit auch Bilder leicht und vorrangig gefunden werden könnten. Mithin werde durch diese gewollte Darstellung in Suchmaschinen ein Werbezweck verfolgt, so dass Dritte unbeschränkt Kenntnis von den Inhalten des eigenen Angebots nehmen und auf dies zugreifen könnten. Das Berufen auf die geltend gemachten Ansprüche widerspreche daher dem Grundsatz von Treu und Glauben. Es komme dem Anbieter von derart optimierten Suchen gerade darauf an, dass Inhalte wie z.B. Bilder gefunden und auch dargestellt werden könnten. Sollte dies unerwünscht sein, wäre es ein Leichtes, dies zu unterbinden. Die Klägerin müsse sich daher den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen halten lassen, könnte w...de doch jederzeit ein Auffinden des Bildes in ihrem (der Beklagten ) Angebot unterbinden. Randnummer 19 Das Abbilden des Bildes sei auch nicht ohne Einwilligung erfolgt. In dem Einstellen von Bildnissen im Internet sei regelmäßig die zumindest stillschweigend erteilte Einwilligung des Betroffenen zu sehen, dass auch andere Teilnehmer (z. B. durch Hyperlinks) auf die Inhalte verweisen und diese auch darstellen könnten. Die Klägerin habe auch gewusst, dass ihr Bildnis ausdrücklich für einen öffentlich und frei abrufbaren Internetauftritt – nämlich für die Unternehmensseite www. w...de – genutzt werde. Für die Veröffentlichung des Bildnisses im Internet habe mithin ein Einverständnis der abgebildeten Personen auch in die Darstellung von Suchmaschinen bestanden. Randnummer 20 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.05.2010 Bezug genommen.
I. Die Klage wird abgewiesen. II. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. und beschließt: Der Streitwert wird auf € 10.000,00 festgesetzt.
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AG Kassel Einzelrichter
Hessen
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04.05.2017
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Der Kläger verfolgt die Anfechtung eines Beschlusses der Wohnungseigentümerversammlung. Die Parteien sind die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft Y. Zwischen den Eigentümern einerseits und der Unternehmung, welche das Gebäude errichtet hatte, der A, herrscht Streit über Mängelgewährleistungsrechte. Nach einem Gutachten des Bausachverständigen B beschlossen die Eigentümer in der Versammlung vom 27.08.2015, deswegen ein selbständiges Beweisverfahren gegen die Bauunternehmung C einzuleiten. Auf den entsprechenden Antrag vom 14.10.2015 beschloss das Landgericht Kassel im Verfahren 4 OH 117/15 am 29.02.2016 antragsgemäß u.a. die Einholung eines Sachverständigengutachtens u.a. zu Frage, ob "das Objekt Y aktuellen Schallschutzanforderungen [entspreche] oder [ob] es hellhörig [sei, ...] insbesondere [ob] Klappergeräusche von Spülkästen, Fließgeräusche, sowie Musik und Gespräche aus Nachbarwohnungen gut vernehmbar [seien]" (auf die im Termin vom 04.05.2017 überreichte Beschlusskopie wird Bezug genommen). Der gerichtlich beauftragte Bausachverständige D schaltete für die vorgenannte Beweisfrage den Akustiksachverständigen E aus F ein. Dieser wiederum führte zur Vorbereitung der Begutachtung am 10.05.2016 einen Ortstermin mit einigen der Beteiligten durch, dessen Ergebnis er in einem Anschreiben nebst Skizze vom 19.05.2016 festhielt (auf D. 30 ff. d.A. wird Bezug genommen). U.a. nannte er darin elf Messpunkte und geschätzte Gutachtenkosten insoweit in Höhe von 7.500,00 €. In der Eigentümerversammlung vom 22.08.2016 beschlossen die Eigentümer zum TOP 1 weiter, von den im Schreiben des Sachverständigen E vom 19.05.2016 genannten 11 Punkten solle lediglich die Messung zum Punkt Nr. 7, nicht aber diejenigen zu den anderen zehn Punkten erfolgen. Hiergegen richtet sich die am selben Tag eingegangene Anfechtungsklage vom 20.09.2016. Der Kläger ist der Ansicht, die Eigentümergemeinschaft habe die Ansprüche auf Nacherfüllung bzw. Gewährleistungen gegen den Bauunternehmer an sich gezogen. Das beim Landgericht Kassel eingeleitete Beweissicherungsverfahren habe verjährungshemmende Wirkung bezüglich jener Ansprüche. Würde nunmehr das Beweissicherungsverfahren nur noch eingeschränkt durchgeführt, könne der Kläger ihn betreffende derartige Ansprüche gegen den Bauunternehmer nicht mehr ohne das Risiko der Verjährungseinrede weiterverfolgen. Daher verstoße die angegriffene Beschlussfassung gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung. Der Kläger beantragt, wie erkannt. Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen. Sie sind der Ansicht, die Eigentümergemeinschaft könne auch im laufenden Beweissicherungsverfahren auf die Begutachtung der Gestalt Einfluss nehmen, das nur die notwendigen Maßnahmen im Rahmen der angeordneten Begutachtung durchgeführt werden müssen. Hinsichtlich der Lärmschutzfrage handele es sich im Wesentlichen nur um Beanstandungen des Klägers gegenüber dem Bauunternehmer. Da mit der Beweiserhebung in dem vom Sachverständigen E vorgeschlagenen Umfang erhebliche Kosten entstehen würden, entspreche es ordnungsgemäßer Verwaltung, diese Kostenlast zu beschränken. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des sachverständigen Zeugen E. Auf die Sitzungsniederschrift vom 04.05.2017 wird Bezug genommen.
Der Beschluss zu TOP 1 der Eigentümerversammlung vom 22.08.2016 wird für ungültig erklärt, soweit die Durchführung einer Schalluntersuchung durch den Sachverständigen E (Akustikbüro F) abgelehnt worden ist. Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten dürfen die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
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Baden-Württemberg
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1 Die Parteien streiten um Entschädigungsansprüche wegen Benachteiligung. 2 Die 1961 geborene Klägerin, die bereits 1988 aus dem Gebiet der damaligen DDR in die Bundesrepublik Deutschland umsiedelte und die seit 1991 im Großraum S. für verschiedene Unternehmen als Buchhalterin tätig wurde, bewarb sich Mitte Juli 2009 auf eine von der Beklagten ausgeschriebene Buchhalterinnenstelle. Mit Schreiben vom 03.08.2009 reichte die Beklagte, für das Interesse der Klägerin dankend, gleichwohl ihr absagend die Bewerbungsunterlagen und dabei auch den von der Klägerin erstellten Lebenslauf zurück. Auf Letzterem hatte eine Mitarbeiterin der Beklagten den Vermerk „Ossi“ mit einem daneben eingekreisten Minuszeichen angebracht und im Übrigen zu Tätigkeitszeiten der Klägerin vor 1988 an 2 Stellen „DDR“ vermerkt. 3 Die Klägerin ist der Auffassung, durch diese angebrachten Vermerke werde dokumentiert, dass ihre Bewerbung nur wegen ihrer Herkunft erfolglos geblieben sei. Diese Herkunft sei im Sinne des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes eine ethnische Herkunft, weshalb ihre Benachteiligung gemäß § 15 AGG nicht entschädigungslos bleiben könne, zumal die angebrachten Vermerke sie persönlich sehr betroffen hätten. 4 Die Klägerin beantragt: 5 Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin eine Entschädigung nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen. Die Höhe der Entschädigung wird in das Ermessen des Gerichts gestellt, sollte aber EUR 5.000,00 brutto nicht unterschreiten. 6 Die Beklagte beantragt, 7 die Klage abzuweisen. 8 Sie ist der Auffassung, die Bezeichnung „Ossi“ sei nicht diskriminierend und ihre Ablehnungsentscheidung sei nicht auf die Herkunft der Klägerin, sondern auf berufliche, qualitative Bedenken gestützt. Der Begriff des Gesetzes stehe im Übrigen im Zusammenhang mit dem Verbot der Rassendiskriminierung, weshalb die Voraussetzungen der §§ 1, 15 AGG nicht erfüllt seien. 9 Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, insbesondere wird auf ABl. 11 (Lebenslauf der Klägerin) Bezug genommen. Auf die Protokolle vom 13.10.2009 und 15.04.2010 wird verwiesen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Der Streitwert wird auf EUR 5.000,00 festgesetzt.
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Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht 1. Senat
Schleswig-Holstein
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21.02.2017
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten darüber, ob die in einer Pensionszusage enthaltene Abfindungsklausel das Eindeutigkeitsgebot des § 6a Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch ohne konkrete Festlegung der für die Berechnung der Abfindungshöhe anzuwendenden Sterbetafel erfüllt. Randnummer 2 Die Klägerin ist eine mit notariellem Gesellschaftsvertrag vom 12. Januar 1998 gegründete GmbH, deren Gegenstand der Betrieb einer Agentur für die Vermittlung von … ist. Gesellschafter und Geschäftsführer der Klägerin sind A und B. Die Klägerin schloss mit den Geschäftsführern am 1. April 1998 jeweils einen Geschäftsführervertrag, eine Tantiemevereinbarung und einen Kraftfahrzeugüberlassungsvertrag. Mit Gesellschafterbeschluss vom 19. November 1998 wurden die Geschäftsführerverträge um eine Pensionszusage vom 19. November 1998 ergänzt. Mit den Pensionszusagen wurde den Geschäftsführern eine jährliche Altersrente ab dem 65. Lebensjahr in Höhe von 40.000 DM (A) bzw. 60.000 DM (B) sowie eine vorgezogene Altersrente, eine Berufsunfähigkeitsrente und eine Witwen- und Waisenrente zugesagt. Im Hinblick auf die Zahlung der Versorgungsbezüge sahen die Pensionszusagen folgende Abfindungsklausel vor: Randnummer 3 „Das Unternehmen behält sich vor, bei Eintritt des Versorgungsfalles wegen Erreichens der Altersgrenze bzw. Inanspruchnahme des vorgezogenen Altersruhegeldes anstelle der Rente eine einmalige Kapitalabfindung in Höhe des Barwerts der Rentenverpflichtung zu gewähren. Hierdurch erlöschen sämtliche Ansprüche aus der Pensionszusage einschließlich einer etwaigen Hinterbliebenenrente. […] Bei der Ermittlung des Kapitalbetrages sind ein Rechnungszinsfuß von 6 vom Hundert und die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik anzuwenden […].“ Randnummer 4 Für die den Geschäftsführern erteilten Pensionszusagen bildete die Klägerin in der Bilanz Pensionsrückstellungen, die sich zum 31. Dezember 2009 auf 229.330 € beliefen und in den Streitjahren 2010 um 24.923 € auf 254.253 € und 2011 um 26.180 € auf 280.433 € erhöht wurden. Die Höhe der Rückstellungen wurde mit einem Rechnungszins von 6% auf der Grundlage der Richttafeln 2005G von Prof. Dr. Klaus Heubeck ermittelt. Die Klägerin wurde in den Streitjahren 2009 bis 2011 erklärungsgemäß veranlagt. Randnummer 5 Im Rahmen einer für die Streitjahre 2009 bis 2011 bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung stellte die Fachprüferin für betriebliche Altersversorgung der Groß- und Konzernbetriebsprüfungsstelle des Finanzamts E fest, dass die in den Pensionszusagen enthaltene Abfindungsklausel keine Angaben dazu enthalte, welche Sterbetafel für die Berechnung des Barwerts der Rentenverpflichtung zu verwenden sei. Das Schriftformerfordernis des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG sei nur erfüllt, wenn das Berechnungsverfahren zur Ermittlung der Abfindungshöhe, das auch die zu verwendende Sterbetafel beinhalte, eindeutig und präzise fixiert sei (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen -BMF- vom 6. April 2005, Bundessteuerblatt -BStBl- I 2005, 619, Tz. 3). Die Bildung der Pensionsrückstellungen scheide daher in den Streitjahren aus, so dass die Pensionsrückstellungen wie folgt aufzulösen seien: Randnummer 6 Stichtag Auflösungsbetrag Gewinnänderung 31.12.2009 - 229.330 € + 229.330 € 31.12.2010 - 254.253 € + 24.923 € 31.12.2011 - 280.433 € + 26.180 € Randnummer 7 Der Beklagte schloss sich den Feststellungen der Außenprüfung an und setzte mit Änderungsbescheiden vom 25. Februar 2014 die Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag für die Streitjahre 2009 bis 2011 in folgender Höhe fest: Randnummer 8 Körperschaftsteuer Gewerbesteuermessbetrag 2009 74.671 € 17.423 € 2010 40.679 € 9.492 € 2011 51.311 € 11.970 € Randnummer 9 Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 25. März 2014 beim Finanzgericht eingegangenen Sprungklage, der der Beklagte mit dem am 25. April 2014 eingegangenen Schriftsatz vom 23. April 2014 zugestimmt hat. Die Klägerin trägt zur Begründung ihrer Klage vor, dass die Pensionszusage im Hinblick auf die Abfindungsklausel dem Schriftformerfordernis des § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG genüge, da es nach dem BMF-Schreiben vom 28. August 2001 (BStBl. I 2001, 594) für die eindeutige Ermittlung der Kapitalbetrages nur einer alternativen Festlegung von Rechnungszinsfuß oder anzuwendender Sterbetafel bedürfe. Die den Geschäftsführen der Klägerin erteilten Versorgungszusagen beinhalteten neben dem Hinweis auf die Anwendung der anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik auch den Rechnungszinsfuß. Für die Berechnung der Pensionsrückstellungen habe die Klägerin die Heubeck-Tafeln verwendet, bei denen es sich um die einzigen von der Finanzverwaltung anerkannten Sterbetafeln für die Ermittlung von Teilwerten gemäß § 6a EStG handele. Die Klägerin stützt sich für die Anwendung der Richttafeln von Heubeck ergänzend auf den Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Finanzgerichts vom 24. Juni 2004 1 V 61/03 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 1756), nach dem bei fehlenden Angaben über die biometrischen Rechnungsgrundlagen die Richttafeln von Heubeck heranzuziehen seien. Randnummer 10 Die Klägerin beantragt, die geänderten Bescheide für 2009 bis 2011 über Körperschaftsteuer und über den Gewerbesteuermessbetrag vom 25. Februar 2014 aufzuheben. Randnummer 11 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 12 Zur Begründung trägt der Beklagte unter Bezugnahme auf Stellungnahmen der Fachprüferin für betriebliche Altersversorgung der Groß- und Konzernbetriebsprüfung vor, dass es für die steuerliche Anerkennung der Pensionszusage erforderlich sei, in der Abfindungsklausel klar und eindeutig das Berechnungsverfahren zur Ermittlung des Abfindungsbetrags festzulegen. Hierzu gehöre auch die Festlegung der zu verwendenden Sterbetafel. Für die Berechnung der steuerlichen Pensionsrückstellungen seien zwar nur die Heubeck-Tafeln anerkannt. Für die Frage, wie der Zusagende und der Pensionsberechtigte bei einer Kapitalabfindung den zivilrechtlichen Abfindungsbetrag bemessen, sei aus steuerlicher Sicht aber jede Sterbetafel zulässig. Aus dem BMF-Schreiben vom 28. August 2001 (BStBl I 2001, 594) ergebe sich, dass alle Parameter, die für die versicherungsmathematische Ermittlung der Höhe der Versorgungspflichten erforderlich seien, schriftlich festgelegt werden müssten. Im Falle der vereinbarten Kapitalabfindung seien danach zur Ermittlung der Höhe der Abfindung die Angabe des Rechnungszinses und der Sterbetafel erforderlich. Hieran fehle es in den streitigen Pensionszusagen, da diese nur auf die anerkannten Regeln der Versicherungsmathematik verwiesen. Die nach § 6a Abs. 1 Nr. 3 EStG erforderlichen eindeutigen Angaben zur Höhe der in Aussicht gestellten künftigen Leistungen bezögen sich nicht nur auf die Leistungen, die in die Ermittlung der Höhe der Pensionsrückstellung einflössen, sondern auf alle in Aussicht gestellten Leistungen. Die Höhe der in Aussicht gestellten Kapitalabfindung spiele zwar keine Rolle bei der Bemessung der Pensionsrückstellung. Es bestehe aber gleichwohl Unklarheit über die Höhe der in Aussicht gestellten Abfindungsleistung, da die für deren Berechnung zu verwendende Sterbetafel in der Zusage nicht genannt werde. Hieraus könne bei Geltendmachung der Abfindung Streit über die Höhe der zu leistenden Abfindung entstehen, der nach der Gesetzesbegründung vermieden werden solle. Soweit in der Gesetzesbegründung und in R 41 Abs. 7 EStR 2001 von Unklarheiten über den Inhalt der Pensionszusage, insbesondere über die Faktoren, die für die Bemessung der Pensionsrückstellung wesentlich sind, die Rede sei, stelle dies nur eine beispielhafte Nennung von Faktoren dar, für die Eindeutigkeit gefordert werde. Das Gericht habe daher darüber zu entscheiden, ob eine Auslegung der Pensionszusage im Hinblick auf die dort für die Ermittlung der Kapitalabfindung nicht eindeutig festgelegte zu verwendende Sterbetafel zulässig sei und ob diese Auslegung dann zu der geforderten Eindeutigkeit führe.
Die geänderten Bescheide für 2009 bis 2011 über Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag vom 25. Februar 2014 werden aufgehoben. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. Die Revision wird zugelassen.
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Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt 4. Senat
Sachsen-Anhalt
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12.11.2013
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Randnummer 1 Der Kläger begehrt die Berücksichtigung weiterer Verpflegungsmehraufwendungen im Rahmen einer Auswärtstätigkeit. Randnummer 2 In seiner Einkommensteuererklärung 2009 machte er 2 Tage Abwesenheit mit mindestens 8 Stunden, 92 Tage Abwesenheit mit mindestens 14 Stunden und 123 Tage mit Abwesenheit von 24 Stunden und damit insgesamt Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 4.068 € bei einer Arbeitgebererstattung in Höhe von 1.937 € geltend. Randnummer 3 Im Einkommensteuerbescheid vom 01. März 2011 berücksichtigte der Beklagte Mehraufwendungen nur in Höhe der Arbeitgebererstattung und erläuterte, dass Verpflegungsmehraufwendungen bei einer doppelten Haushaltsführung nur für drei Monate nach Aufnahme der Beschäftigung am neuen Beschäftigungsort berücksichtigt werden können. Randnummer 4 Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 07. März 2011, in dem der Kläger angab, dass er in A wohne, als Außendienstmitarbeiter beschäftigt sei und an seinem Übernachtungsort in B kein Firmensitz des Arbeitgebers vorhanden sei. Den Firmensitz seines Arbeitgebers in C suche er maximal fünfmal im Jahr auf. Er habe in B keine regelmäßige Arbeitsstätte, so dass es an einer doppelten Haushaltsführung fehle. Er gehe seiner Auswärtstätigkeit in Form einer Tätigkeit an ständig wechselnden Arbeitsstätten nach und mit dem Verlassen der Wohnung am heimischen Wohnort A beginne immer eine neue Auswärtstätigkeit. Randnummer 5 Der Beklagte erkannte daraufhin das Außendienstverhältnis an und vertrat die Auffassung, dass Verpflegungsmehraufwendungen nicht ab Abwesenheit vom Wohnort in A, sondern nur ab Abwesenheit vom Zweitwohnsitz in B berücksichtigt werden könnten und insoweit der Dreimonatzeitraum zu berücksichtigen sei. In B habe der Kläger nach Auffassung des Beklagten eine Zweitwohnung inne. Nach den vorliegenden Reisekostenabrechnungen wären somit 10 Tage mit 12 € und 210 Tage mit 6 € Verpflegungsmehraufwendungen zu berücksichtigen und von diesen die Arbeitgebererstattungen in Höhe von 1.329 € in Abzug zu bringen. Randnummer 6 Mit Einspruchsentscheidung vom 15. November 2011 berücksichtigte der Beklagte weitere 51 € als Werbungskosten und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Randnummer 7 Hiergegen richtet sich die am 19. Dezember 2011 fristgemäß erhobene Klage, in der der Kläger die Berücksichtigung weiterer Verpflegungsmehraufwendungen in Höhe von 2.079 € begehrt. Er fahre montags von seinem Wohnort A in den Raum B und freitags wieder zurück. Während der Woche bewohne er in B ein Zimmer in einer Pension. Insoweit seien die Übernachtungskosten zutreffend von dem Beklagten berücksichtigt worden. Der Kläger befinde sich montags bis freitags auf Auswärtstätigkeit, da er keine regelmäßige Arbeitsstätte als feste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers mit zentraler Bedeutung in B habe. Die Auswärtstätigkeit beginne montags mit dem Verlassen des Wohnorts des Klägers und ende freitags mit der Rückkehr in die heimatliche Wohnung. Die Auswärtstätigkeit werde nicht arbeitstäglich unter der Woche durch Aufsuchen der Pension in B unterbrochen, da das Zimmer in der Pension weder seine Wohnung noch seinen Tätigkeitsmittelpunkt darstelle. Randnummer 8 Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 29. Januar 2013 führte der Kläger aus, dass er immer das gleiche Zimmer in der Pension bewohne und er in der Regel über das Wochenende seine Sachen dort lasse. Soweit er am Wochenende nicht dort sei, vermiete der Inhaber der Pension das Zimmer an andere Personen weiter. Persönliche Gegenstände seien in diesem Zimmer nicht eingebracht worden. Lediglich sein persönliches Bettzeug und seine Handtücher bringe er selbst mit bzw. nehme diese am Wochenende mit nach Hause. Ursprünglich seien wochenweise Absprachen mit dem Vermieter und eine Anmietung jeweils für eine Woche erfolgt, um z. B. auch Urlaubszeiten zu berücksichtigen. Da dies zur Folge gehabt habe, dass wochenweise Abrechnungen erfolgten, habe er mit dem Vermieter eine Absprache getroffen, dass zukünftig die Zimmeranmietung für einen ganzen Monat gelte. Nur in den Zeiten, in denen Urlaub anstehe oder bekannt sei, dass nicht der ganze Monat das Zimmer belegt werde, seien Absprachen hinsichtlich einer anderweitigen Wochennutzung vereinbart worden. Randnummer 9 Der Kläger gab des Weiteren an, dass in der in der Pension vorhandenen Gästeküche ein Herd, eine Mikrowelle und ein Kühlschrank vorhanden seien, er jedoch in diesen Kühlschrank keine Lebensmittel einlagere, da auch noch andere Gäste, vor allem Monteure, in der Pension untergebracht seien und nicht immer sichergestellt sei, dass der Kühlschrank nicht anderweitig geleert werde. Gelegentlich lagere er in den Kühlschrank Getränke ein. Da andere Gäste vorhanden seien, werde die Küche manchmal auch nicht aufgeräumt, entsprechend würden sich die hygienischen Verhältnisse darstellen. Seine Lebensmittel für Frühstück und Abendbrot kaufe er selbst und verzehre diese in der Regel auch am gleichen Tage. Randnummer 10 Der Kläger gibt an, dass er in der Regel das Pensionszimmer um 07.15 Uhr verlasse und je nach Verkehrslage zwischen 17.00 Uhr bis 18.00 Uhr wieder in die Pension zurückkehre. Er pendle von B aus in die verschiedenen Bereiche seines Vertriebsbezirkes (z. B. D, E, F). Er fahre jeweils an einem Tag immer zu einem Bereich und dann sternförmig wieder zurück zur Unterkunft nach B. Dies sei die übliche Art und Weise, wie in seiner Firma vorgegangen werde. Randnummer 11 Nach Rückkehr in die Pension erfolge sodann die Abarbeitung der täglichen Arbeiten am PC. So würden Berichte geschrieben und die Aufträge verarbeitet. Der Kläger gibt an, dass er insoweit immer darauf achte, dass seine angemieteten Zimmer einen WLan-Anschluss haben, damit er mit dem PC abends arbeiten könne. Die Arbeiten würden in der Regel gegen 21.30 Uhr beendet. Randnummer 12 Der Kläger ist der Ansicht, dass bei ihm keine selbe Tätigkeitsstätte vorliege, er arbeitstäglich seine Tätigkeitsbereiche als Außendienstmitarbeiter wechsele und unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BFH, Urteil vom 24.02.2011 - VI R 66/10, eine vergleichbare Fahrtätigkeit vorliege, so dass ein 3-Monats-Zeitraum für den Abzug der Verpflegungsmehraufwendungen nicht in Betracht komme. Der Schwerpunkt seiner Tätigkeit liege nicht in der Abarbeitung der Aufträge am PC in der Pension, sondern in der Fahrtätigkeit und in dem Aufsuchen der Kunden vor Ort. Hier werde auch die meiste Zeit der Arbeitstätigkeit verbracht. Eine längerfristige Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte liege im Streitfall nicht vor, auch nicht arbeitswöchentlich von dienstags bis donnerstags in B. Randnummer 13 Der Kläger beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 01. März 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. November 2011 dahingehend zu ändern, dass als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit des Klägers für 2009 weitere 2.079,00 € als Verpflegungsmehraufwendungen steuermindernd in Abzug gebracht werden und die Einkommensteuer 2009 entsprechend herabgesetzt wird und hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen. Randnummer 14 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und hilfsweise für den Fall des Unterliegens die Revision zuzulassen. Randnummer 15 Der Beklagte ist der Ansicht, dass der Kläger in B eine dauerhafte Unterkunft als Zweitwohnung inne habe, die innerhalb des Bereichs der von ihm aufgesuchten Tätigkeitsstätten liege und von der er unter der Woche seiner Einsatzwechseltätigkeit nachgehe. Mangels Verlegung zur jeweiligen Tätigkeitsstätte begründe eine solche dauerhafte Unterkunft eine doppelte Haushaltsführung und sei als Wohnung im Sinne von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 Satz 3 Einkommensteuergesetz i.d.F. des Streitjahres (EStG) anzusehen. Dies erscheine auch angesichts des mit dem Bezug von Verpflegungsmehraufwendungen verfolgten Zweckes gerechtfertigt. Die in der Wohnung verbrachte Zeit unterscheide sich nicht von dem Fall des Bezugs einer Zweitwohnung an einer langfristig und dauerhaft angelegten Arbeitsstätte, die von dort aus täglich in gleicher Weise aufgesucht werde. In beiden Fällen sei die typisierende Vermutung der gesetzlichen Regelung gerechtfertigt, so dass nach einer Eingewöhnungszeit von drei Monaten ein Verpflegungsmehraufwand lediglich für außerhalb der Zweitwohnung verbrachte Auswärtstätigkeiten anfalle. Nach Ablauf von drei Monaten seien die Auswärtszeiten daher nach den Abwesenheitszeiten von der Wohnung in B zu bestimmen und die möglicherweise berücksichtigungsfähigen drei Monate seien bereits in 2008 abgelaufen, so dass keine weiteren Verpflegungsmehraufwendungen berücksichtigt werden könnten. Randnummer 16 Der Beklagte meint weiterhin, dass ein Teil der Tätigkeit immer an derselben Stelle, nämlich in der Pension, erbracht werde und schon von daher von einer Tätigkeit an einer selben Stelle ausgegangen werden müsse. Im Streitfalle dränge sich die Ähnlichkeit zu einer eigenen Wohnung auf. Randnummer 17 Dem Senat hat die Einkommensteuerakte des Beklagten vorgelegen.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. Die Revision wird zugelassen.
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VG Frankfurt 8. Kammer
Hessen
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08.10.2008
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Randnummer 1 Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks Flur ###, Flurstück ###/# in der Gemarkung Frankfurt am Main. Randnummer 2 Das Grundstück grenzt mit seiner östlichen Längsseite an die bebauten Grundstücke Flurstücke x und y, im Norden an den Strahlenberger Weg - dahinter liegt die Eisenbahntrasse -, im Westen an die mit drei Baumreihen à neun Bäumen bestandenen Wiesengrundstücke Flurstücke , an die im Westen die bebauten Grundstücke angrenzen. Richtung Süden gehen die vorgenannten Wiesengrundstücke und das Grundstück des Klägers mit zusammen einer Fläche von etwa 40 m mal 100 m nahtlos in den Grüngürtel über und reicht der Blick von ihnen aus bis zu dem im Frankfurter Stadtwald befindlichen Goetheturm. Randnummer 3 Das Grundstück des Klägers und die vorgenannten Wiesengrundstücke liegen im Geltungsbereich der durch das Regierungspräsidium Darmstadt erlassenen Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet „Grüngürtel und Grünzüge in der Stadt Frankfurt am Main“ vom 28.09.1998 (StAnz. 1998 S. 3158) - im Folgenden: LSVO -. Randnummer 4 Bei einer durch eine Eingabe an die Beklagte veranlassten Ortsbesichtigung am 11.10.2006 stellte die Untere Naturschutzbehörde der Beklagten fest, dass der Kläger auf seinem vorgenannten Grundstück eine Gartenhütte mit den Maßen 3 m mal 2 m mal 2,50 m sowie eine Holzvorrichtung mit den Maßen 0,80 m mal 0,80 m mal 3 m errichtet hatte. Randnummer 5 Nach vorheriger Anhörung gab die Beklagte (Magistrat, Untere Naturschutzbehörde) dem Kläger mit diesem zugestellter Verfügung vom 03.11.2006, auf die Bezug genommen wird, auf, bis zum 13.12.2006 die vorgenannte Hütte (Punkt 1.) und die vorgenannte Holzvorrichtung (Punkt 2.) zu beseitigen bzw. beseitigen zu lassen sowie nach der Beseitigung dieser beiden Aufbauten die Fläche der zulässigen Nutzung zuzuführen, d.h. entweder der natürlichen Sukzession zu überlassen oder als Streuobstwiese anzulegen und zu nutzen oder als landwirtschaftliche Fläche zu nutzen (Punkt 3.). Zudem setzte sie Verwaltungsgebühren in Höhe von 825,60 € fest. Randnummer 6 Gegen diese Verfügung legte der Kläger mit anwaltlichem Schreiben vom 13.11.2006 Widerspruch ein und führte zur Begründung ohne nähere Darlegung aus, dass die in der LSVO vorgenommene Einstufung der betroffenen Flächen in Schutzzone I gegen EU-Recht verstoße. Zudem sei diese Fläche über 30 Jahre lang als Gewerbefläche genutzt und mit einer 10 cm dicken Betonplatte versehen gewesen sei, bevor diese 2003 durch den Kläger entfernt und die Fläche einer gärtnerischen Nutzung zugeführt worden sei. Dadurch seien die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes und das Landschaftsbild gefördert worden; ein Eingriff in Natur und Landschaft liege nicht vor. Ein Pächter habe sodann anstelle einer baufälligen Hütte eine kleinere Gartenhütte errichtet. Randnummer 7 Den Widerspruch wies die Beklagte mit am 26.03.2008 zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 20.03.2008, auf den Bezug genommen wird, zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Errichten der Gartenhütte und der Holzvorrichtung das Herstellen von baulichen Anlagen i.S.d. § 2 Abs. 1 HBO seien und deshalb i.S.d. § 12 Abs. 2 Nr. 1 HENatG Eingriffe in Natur und Landschaft darstellten. Da kein Ausschlusstatbestand gemäß § 13 HENatG vorliege, sei der Eingriff nach § 17 Abs. 2 HENat genehmigungspflichtig. Die Gartenhütte und die Holzvorrichtung seien nicht genehmigfähig, da es sich um nicht nach § 35 Abs. 1 BauGB privilegierte Außenbereichsvorhaben handele, die nach § 35 Abs. 2 BauGB unzulässig seien, da sie öffentliche Belange beeinträchtigten. Diese Beeinträchtigung - sie bestehe auch bei der nur teilweisen Inanspruchnahme des Grundstücks mit den Aufbauten - ergebe sich aus dem Widerspruch zu dem eigentlichen Zweck der Nutzung, nämlich dem Anbau landwirtschaftlicher Erzeugnisse und der Sicherstellung der allgemeinen, freiraumgebundenen Erholungswirkung. Zudem sollten nach der vorgenannten LSVO die Flächen der Zone I, in der das Grundstück liege, dem Erhalt des Charakters der Fläche zum Wohle der Allgemeinheit dienen, der Entwicklung von Nutzungsstrukturen zur Verfügung stehen oder als freiraumgebender Erholungsraum der Allgemeinheit zugute kommen; dies stehe einer Bebauung entgegen. Zudem dürften die Lebensbedingungen für die Tier- und Pflanzenwelt nicht durch Bodenversiegelung eingeschränkt werden (§ 2 LSVO). Aus einem von dem Kläger vorgelegten Bauvorbescheid vom 29.09.2000 könne nichts hergeleitet werden, da dieser abgelaufen sei, vornehmlich das benachbarte Grundstück Flurstück 662/9 betreffe und da nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 LSVO Genehmigungen, die nach anderen Vorschriften erlassen worden seien, nicht die Genehmigung nach § 3 LSVO ersetzten. Randnummer 8 Mit bei Gericht am 25.04.2008 eingegangenen anwaltlichen Telefax vom gleichen Tag hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt er im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Randnummer 9 Der Kläger beantragt, die Verfügung der Beklagten vom 03.11.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 20.03.2008 aufzuheben. Randnummer 10 Der Beklagte tritt der Klage mit Schreiben vom 27.05.2008, auf das Bezug genommen wird, unter Vertiefung der Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden entgegen und beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 11 Mit Beschluss vom 03.09.2008 ist der Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter übertragen worden. Randnummer 12 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte der Beklagten (ein Hefter).
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen. 3. Das Urteil ist im Kostenausspruch vorläufig vollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Hessisches Landessozialgericht 9. Senat
Hessen
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12.06.2006
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Randnummer 1 Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von Arbeitslosenhilfe durch die Beklagte. Randnummer 2 Der 1971 geborene Kläger beantragte am 16. Januar 2003 die Fortzahlung von Arbeitslosenhilfe, die die Beklagte mit Verfügung vom 17. Januar 2003 ab 8. Februar 2003 bewilligte. Bei einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten am 13. Juni 2003 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass eine laufende Verpflichtung zur Beschäftigungssuche bestehe. Dem Kläger wurde mündlich und schriftlich mit Rechtsfolgenbelehrung aufgegeben, bis zum 28. Juli 2003 acht schriftliche Nachweise seiner Bemühungen zur Beschäftigungssuche vorzulegen. Bei seiner Vorsprache bei der Beklagten am 28. Juli 2003 legte der Kläger eine Visitenkarte der Fa. A. C. und darüber hinaus Zeitungsannoncen vor. Ihm wurde erklärt, dass die Auflage somit nicht erfüllt sei. Gleichzeitig wurde er erneut aufgefordert, Nachweise bis zum 9. September 2003 zu erbringen. Randnummer 3 Mit E-Mail vom 1. August 2003 teilte Fa. A. C. GmbH der Beklagten mit, der Kläger habe sich dort beworben und hätte für einfache Tätigkeiten eingestellt werden können. Er habe dies aber mit der Begründung abgelehnt, er wolle in eine feste Beschäftigung bei einem Kunden und nicht als sog. Springer arbeiten, zudem wolle er sowieso nicht bei einer Zeitarbeitsfirma arbeiten. Randnummer 4 Mit Schreiben vom 7. August 2003 hörte die Beklagte den Kläger zu der beabsichtigten Rückforderung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 13. Juni 2003 bis zum 28. Juli 2003 an, da der Kläger die geforderten Eigenbemühungen nicht nachgewiesen habe. Mit Schreiben vom 20. August 2003 teilte der Kläger mit, es stimme nur zum Teil, dass er seine von der Beklagten geforderten Eigenbemühungen nicht nachgewiesen habe. Da seine Unterlagen mittlerweile fast komplett seien, halte er eine Sperre von sechs Wochen nicht für gerechtfertigt. Randnummer 5 Am 9. September 2003 legte der Kläger sieben Nachweise über erfolgte Bewerbungen vor. Randnummer 6 Mit Bescheid vom 4. November 2003 hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Zeit vom 13. Juni 2003 bis zum 28. Juli 2003 auf und forderte die Erstattung zu Unrecht gezahlter Leistungen in Höhe von 1.029,48 EUR. Zur Begründung führte die Beklagte aus, der Kläger habe die geforderten Eigenbemühungen nicht nachgewiesen. Er sei nach § 60 SGB I verpflichtet gewesen, alle für die Leistung erheblichen Änderungen in seinen Verhältnissen dem Arbeitsamt mitzuteilen. Dieser Verpflichtung sei er zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Den gegen diesen Bescheid am 12. November 2003 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. November 2003 als unbegründet zurück. Der Kläger sei unter Belehrung über die Rechtsfolgen am 13. Juni 2003 aufgefordert worden, bis zum 28. Juli 2003 acht gezielte Initiativbewerbungen und –vorsprachen bei Arbeitgebern sowie die Kontaktaufnahme zu privaten Vermittlern schriftlich nachzuweisen. Unstreitig sei ihm dies bis zum 28. Juli 2003 nicht möglich gewesen und auch im Rahmen des Widerspruchsverfahrens für den Zeitraum vom 13. Juni 2003 bis zum 28. Juli 2003 nicht von ihm in dem geforderten Umfang nachgeholt worden. Die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosenhilfe seien damit ab 13. Juni 2003 weggefallen. Über die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosenhilfe sei der Kläger u.a. durch das Merkblatt für Arbeitslose in ausreichender Weise informiert worden. Bei einiger Sorgfalt und gewissenhafter Kenntnisnahme habe er deshalb durchaus erkennen können, dass fehlende Eigenbemühungen den Wegfall des Leistungsanspruches zur Folge habe. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X für die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung seien daher gegeben. Ein Ermessensspielraum stehe dem Arbeitsamt wegen der Regelung des § 330 Abs. 3 SGB III nicht zu. Randnummer 7 Der Kläger hat am 8. Dezember 2003 beim Sozialgericht Wiesbaden Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, er habe dem Arbeitsamt seine Bewerbungsunterlagen vorgelegt, aber erst zu einem späteren Zeitpunkt. Er wisse nicht, wie er nachweisen könne, wann er sie abgeschickt habe. Die Post gebe ihm keinen Eingangsstempel. Randnummer 8 Das Sozialgericht Wiesbaden hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 1. März 2004 abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die zulässige Klage sei nicht begründet. Die Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung habe Bestand. Das Gericht folge der angefochtenen Verwaltungsentscheidung in Ergebnis wie Begründung und sehe insoweit von Wiederholungen ab. Ergänzend hat das Sozialgericht ausgeführt, vorliegend seien die Eigenbemühungen des Klägers im streitbefangenen Zeitraum nicht ausreichend gewesen. Denn er habe die Beschäftigungsangebote der Firma A. C. Personaldienstleistungen GmbH vom 24. Juli 2003 sowie der Fa. R. Deutschland GmbH und Co. KG vom 28. Juli 2003 nicht angenommen. Die Beschäftigungssuche beinhalte naturgemäß jenseits des Suchens das Aufnehmen einer gefundenen Beschäftigungsmöglichkeit. Danach komme es nicht darauf an, dass der Kläger sieben Bewerbungen nachgewiesen habe. Die Arbeitsablehnung führe zum Wegfall der Arbeitslosigkeit als wesentliche Änderung i.S.d. § 48 SGB X sowie zur Erstattungsforderung nach § 50 SGB X. Diese Rechtsfolgen habe der Kläger auch nicht übersehen können, denn in dem ihm am 13. Juni 2003 ausgehändigten Schreiben sei eine entsprechende ausdrückliche Rechtsfolgenbelehrung enthalten. Danach sei der Einwand des Klägers, er sei auf die Nachweispflicht nicht hingewiesen worden, widerlegt. Selbst wenn die Eigenbemühungen des Klägers bis zum 28. Juli 2003 ausreichend gewesen wären, wäre ihr Nachweis bis zum 28. Juli 2003 ungenügend gewesen. Im Übrigen sei nicht einmal die Nachholung des Nachweises nach dem 28. Juli 2003 erfolgt, weil der Kläger am 9. September 2003 lediglich sieben von acht geforderten Nachweisen vorgelegt habe. Randnummer 9 Gegen den am 8. März 2004 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 2. April 2004 sinngemäß Berufung erhoben. Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt, die Fa. A. C. Personaldienstleistungen GmbH habe ihm erst eine Stelle angeboten, nachdem er schon bei der Fa. Z. eine Arbeitsstelle angetreten habe. Bei der Firma R. Deutschland GmbH und Co. KG sei ihm eine Stelle zur Be-und Entladung von Lastkraftwagen angeboten worden. Diese Stelle habe er nicht annehmen können, da er anerkannter Schwerbehinderter sei. Randnummer 10 Der Kläger beantragt, Randnummer 11 den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 1. März 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 4. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. November 2003 aufzuheben. Randnummer 12 Die Beklagte beantragt, Randnummer 13 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 14 Sie hält die Berufung für nicht begründet und schließt sich den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Gerichtsbescheides an. Darüber hinaus verweist sie auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid und im Klageverfahren. Randnummer 15 Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Wiesbaden vom 1. März 2004 wird zurückgewiesen. II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
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LG Kiel 1. Kammer für Handelssachen Entscheidungsname: kostenlose Implantatberatung
Schleswig-Holstein
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07.12.2012
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Randnummer 1 Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung und Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch. Er ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder gehört, insbesondere die Achtung darauf, dass die Regeln des lauteren Wettbewerbs eingehalten werden. Zu seinen Mitgliedern gehört die Zahnärztekammer .... Randnummer 2 Die Beklagte befasst sich mit Zahntechnik. Ihr Mitgeschäftsführer ... ist Zahntechnikermeister. Keiner der Geschäftsführer ist approbierter Zahnarzt. Randnummer 3 Die Beklagte warb im November 2011 in der Zeitschrift „...“ wie aus dem Tenor ersichtlich. Dies mahnte der Kläger im April 2012 unter Forderung einer strafbewehrten Unterlassungserklärung vergeblich ab. Randnummer 4 Der Kläger vertritt die Auffassung, die Beklagte habe durch das Angebot, eine individuelle Implantatberatung durchzuführen, gegen § 1 Abs. 1, Abs. 3 Zahnheilkundegesetz (ZHG) verstoßen. Er behauptet, die Zahnärztekammer ... habe ihn aufgefordert, gegen die Werbung der Beklagten vorzugehen. Randnummer 5 Der Kläger beantragt Randnummer 6 - wie erkannt-. Randnummer 7 Die Beklagte beantragt, Randnummer 8 die Klage abzuweisen. Randnummer 9 Sie bestreitet die Klagebefugnis des Klägers. Die Förderung gewerblicher Interessen ihrer Mitglieder gehöre nicht zu den Aufgaben der Zahnärztekammer ... Es liege auch keine Wiederholungsgefahr vor, weil sie nach der Abmahnung erklärt habe, den Text zu ändern. Sie habe nicht geplant, die Werbung mehrfach oder in einer anderen Zeitschrift zu verwenden. Die Werbung stelle aber auch keinen Verstoß gegen § 1 ZHG dar. Sie habe nur mit individuellen Beratungsgesprächen, nicht aber mit zahnärztlichen Leistungen geworben. Randnummer 10 Wegen aller Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs eine "kostenlose Implantatberatung" anzukündigen und/oder durchzuführen, wenn dies geschieht, wie nachstehend wiedergegeben: Kostenlose Implantatberatung: Was passt in meine Zahnlücke? Ein Zahn ist hin - und die Zahnlücke ist da. Gründe gibt es viele dafür: Karies, Parodontitis oder andere Erkrankungen. Aber auch Unfälle beim Sport oder im Alltag können Ursache für eine Zahnlücke sein. Gerade bei größeren Zahnlücken, stehen viele Menschen vor der Frage: Wie soll der Zahn ersetzt werden - mit einem klassisch herausnehmbaren Zahnersatz oder mit ästhetisch hochwertigen fest sitzenden implantatgetragenen Zähnen? Zur Beantwortung dieser Frage müssen bei dem Betroffenen die ästhetischen Bedürfnisse und funktionellen Gegebenheiten geklärt werden. Aufschluss darüber gibt A S in kostenfreien individuellen Patientenberatungsgesprächen. Interessierte können sich unverbindlich über implantatgetragenen Zahnersatz unter Berücksichtigung ihrer individuellen Bedürfnisse bei dem implantologischen Fachberater von ... informieren. - Anmeldung unter Telefonnummer ... www.....de Individuelle Patientenberatung bei Gebr. ... 2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 166,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.06.2012 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Das Urteil ist wegen des Ausspruchs zu Ziffer 1. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000,00 €, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollsteckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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Baden-Württemberg
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1 Die Klägerin begehrt von die Beklagten die Erstattung der Kosten für Behandlungen ihres verstorbenen Ehemannes. 2 Die Klägerin ist die Witwe des am 13.04.2019 verstorbenen W, der bis zu seinem Tod bei der Beklagten krankenversichert war (im Folgenden: der Versicherte). Zur Zeit seines Todes lebte der Versicherte mit der Klägerin in einem gemeinsamen Haushalt. Der Versicherte hatte ab dem Jahr 2004 Kostenerstattung gemäß § 13 Abs 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) anstelle der Sach- oder Dienstleistungen gewählt und diese Wahl nicht mehr geändert. Anlässlich einer Satzungsänderung zum 01.07.2017 wurde der Versicherte mit Schreiben der Beklagten vom 07.06.2017 um Rückmeldung gebeten, ob er an der gewählten Kostenerstattung festhalte. Dies wurde von ihm mit Unterschrift unter das entsprechende Formular der Beklagten am 17.06.2017 bestätigt. Mit Schreiben vom 12.10.2018 wurde der Versicherte durch die Beklagte zudem darüber informiert, dass die Kostenerstattung im stationären Bereich lediglich 30% der DRG-Fallpauschale abdecke. Sollte sich seine Zusatzversicherung nicht an den Kosten der DRG-Fallpauschale beteiligen, würde ein finanzielles Restrisiko iHv 70% für den Versicherten verbleiben. Das finanzielle Restrisiko könne er vermeiden, indem er die Kostenerstattung für den stationären Bereich abwähle. 3 Wegen akuter Beschwerden wurde der Versicherte am 05.04.2019 stationär in die SLK Kliniken, Klinikum G, H, zur Behandlung aufgenommen. Der Versicherte ist dort am 13.04.2019 verstorben. 4 Mit Schreiben vom 14.06.2019 legte die Klägerin Rechnungsbelege für verauslagte Behandlungskosten des Versicherten für die Zeit ab Oktober 2018 (insgesamt 19 Belege mit einem Gesamtbetrag von 23.956,04 EUR) vor und beantragte die Erstattung. Unter den Belegen waren auch die Rechnungen für den stationären Aufenthalt in den SLK Kliniken. Ein Teil der Rechnungen ist erst nach dem Tod des Versicherten ausgestellt worden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf Bl 4 ff der Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Mit Bescheid vom 28.06.2019 lehnte die Beklagte die beantragte Erstattung ab. Nach den gesetzlichen Bestimmungen würden Ansprüche auf Geldleistungen mit dem Tod des Versicherten erlöschen, es sei denn, es sei vor dem Tod bereits ein Verwaltungsverfahren anhängig gewesen. Da der Versicherte am 13.04.2019 verstorben sei und der Antrag auf Erstattung der Arztkosten erst am 19.06.2019 eingegangen sei, könne keine Erstattung erfolgen. 5 Den hiergegen mit Schreiben vom 16.07.2019 erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin damit, ein anhängiges Verwaltungsverfahren sei anfänglich und objektiv unmöglich, wenn wie hier eine kurze, schwere Krankheit zu einer im Interesse der Lebenserhaltung notwendigen Operation führe und diese scheitere. Ein Verwaltungsverfahren hätte der Versicherte nicht anhängig machen können. Es sei sicher nicht der Wille des Gesetzgebers, Hinterbliebene in Fällen wie dem vorliegenden mit immensen Kosten zu belasten. 6 Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.09.2019 zurück. Versicherte, die das Kostenerstattungsverfahren gewählt hätten, verschafften sich die Leistung durch Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages mit dem Leistungserbringer. Diese Leistung bleibe zwar nach Art und Umfang mit der Sachleistung verknüpft, der eigentliche Sachleistungsanspruch gehe jedoch insoweit unter. Es entstehe ein Kostenerstattungsanspruch, der den Geldleistungen zuzurechnen sei. Für beide Abrechnungsverfahren gelte, dass die im Rahmen der ambulanten ärztlichen Behandlung in Anspruch genommenen Ärzte bzw Einrichtungen über eine Zulassung oder Ermächtigung zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung verfügen müssten. Liege eine derartige Zulassung bzw Ermächtigung nicht vor, handele es sich um sogenannte Nichtvertragsärzte. Diese bedeute, dass die von diesen Ärzten erbrachten und veranlassten Leistungen nicht von der Beklagten erstattet werden könnten. Selbst wenn ein Versicherter aus gesundheitlichen oder anderen Gründen nicht dazu in der Lage gewesen sein sollte, wäre es jedoch möglich gewesen, gegebenenfalls rechtzeitig andere Personen wie Verwandte oder Bevollmächtigte zu beauftragen, die jeweilige Krankenkasse in Kenntnis zu setzen. Damit wäre zumindest ein Verwaltungsverfahren über die Angelegenheit in Gang gesetzt worden und somit anhängig. Geschehe dies nicht, bestehe das Kostenrisiko in letzter Konsequenz für die Erben, denn weder § 13 Abs 2 SGB V noch § 59 Satz 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) diene dem Erbenschutz. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei in diesem Fall nicht möglich. Die Beklagte habe auch nicht durch das Krankenhaus eine Meldung über die stationäre Krankenhausbehandlung erhalten, weil das Kostenerstattungsverfahren gewählt worden sei. Rechnungen, die bereits im Jahr 2018 oder Anfang 2019 ausgestellt worden seien, hätten auch schon zu einem früheren Zeitpunkt zur Erstattung eingereicht werden können. 7 Am 14.10.2019 hat die Klägerin beim Sozialgericht Heilbronn (SG) Klage erhoben und vorgetragen, sie klage in ihrer Eigenschaft als Sonderrechtsnachfolgerin gemäß § 56 Abs 1 Nr 1 SGB I. Sie sei aber auch nach bürgerlichem Recht alleinige Erbin, so dass für den Fall, dass keine Sonderrechtsnachfolge gegeben sei, gemäß § 58 Abs 1 SGB I eine Vererbung eingetreten sei. Im Zuge der Beratung im Jahr 2018 sei der damals bereits 85 Jahre alte Versicherte ersichtlich nicht darüber beraten worden, dass im Falle seines Todes unter Umständen eine Erstattung von nach seinem Tod eingereichten Rechnungen wegen § 59 SGB I nicht mehr möglich sei. Eine entsprechende Beratung hierzu sei jedoch geboten gewesen, so dass der Versicherte dafür habe Sorge tragen können, dass Rechnungen umgehend zur Erstattung eingereicht werden. Der geltend gemachte Anspruch finde damit seine Stütze im sozialrechtlichen Herstellungsanspruch. Zudem sei § 59 Satz 2 SGB I in Fällen der Kostenerstattung nach § 13 Abs 2 SGB V aus systematischen Gründen dahingehend einschränkend auszulegen, dass zu Lebzeiten des Versicherten überhaupt die Möglichkeit bestanden haben müsse, Kostenerstattung zu beantragen. Dies setze beim Versicherten entstandene Kosten voraus, indem er die Rechnungen beglichen und damit die Leistung vorfinanziert habe. In jedem Fall sei es für die Entstehung des Kostenerstattungsanspruchs erforderlich, dass ein wirksamer Zahlungsanspruch entstanden sei, was zumindest eine Rechnungstellung erfordere. Der Gesetzgeber habe bei Einführung der wahlmäßigen Kostenerstattung übersehen, dass durch § 59 SGB I im Falle einer unmittelbar vor dem Tod des Versicherten vorausgegangenen ärztlichen Behandlung immer Kosten verblieben, die nicht erstattet würden. Hierbei sei von einer planwidrigen Regelungslücke auszugehen, zumal im Fall der Erbringung von Sachleistungen durch die Leistungserbringer im Gesundheitssystem auch beim Tod des Versicherten für die zuvor erbrachten Leistungen ein entsprechendes Entgelt durch die gesetzliche Krankenversicherung geleistet werde. Die Leistung sei auch fällig gewesen. Fälligkeit im Sinne von § 41 SGB I trete ein, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die begehrte Leistung gegeben seien. Von einer Fälligkeit des Kostenerstattungsanspruchs sei auszugehen, wenn die Sachleistung erbracht worden sei, da zwar dann noch kein Anspruch auf Erstattung der Kosten, aber ein Anspruch auf Freistellung entstanden sei, der ein wesensgleiches Minus darstelle. 8 Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat ausgeführt, eine Sonderrechtsnachfolge sei nicht eingetreten. Die Sonderrechtsnachfolge des § 56 SGB I greife nur ein bei im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten bereits fälligen Ansprüchen auf laufende Geldleistungen. Der Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs 2 SGB V sei beim Tod des Versicherten noch nicht fällig gewesen. Der Kostenerstattungsanspruch setze zwangsläufig die Fälligkeit der Vergütung der privatärztlichen Leistung voraus. Solange die Vergütung nicht fällig sei, sei auch der Kostenerstattungsanspruch nicht fällig. Gemäß § 12 Abs 1 Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) werde die Vergütung erst fällig, wenn dem Zahlungspflichtigen eine der GOÄ entsprechende Rechnung erteilt worden sei. Gemäß § 23 Abs 2 ihrer Satzung seien der Kasse zur Erstattung die Rechnungen der Leistungserbringer und die Verordnungen vorzulegen. Der Kostenerstattungsanspruch gegenüber der Krankenkasse werde somit erst mit Vorlage der ärztlichen Rechnung fällig. Ungeachtet dessen sei der Anspruch der Klägerin gemäß § 59 Satz 2 SGB I erloschen. Bezüglich der streitgegenständlichen Kostenerstattungsansprüche sei noch kein Verwaltungsverfahren eingeleitet worden. Dies sei insbesondere nicht durch die Wahl der Kostenerstattung erfolgt. Durch die Ablehnung der nach dem Tod des Versicherten geltend gemachten Kostenerstattung könne ein Verstorbener ohnehin nicht schlechter gestellt werden als ein Versicherter, der Sachleistungen in Anspruch nehme. Die Kostenerstattung käme hier nämlich nur noch dem Erben zugute. Die Kostenerstattung würde nur noch dem Zweck dienen, die Nachlassmasse zu mehren. Der Gesetzgeber halte den Übergang von Geldleistungen auf Rechtsnachfolger aus rechtssystematischen und verwaltungspraktischen Gründen nur dann für angebracht, wenn die Ansprüche verfahrensmäßig schon gefestigt seien. Die Vorschrift des § 59 Satz 2 SGB I sei auch nicht verfassungsrechtlich bedenklich. Insbesondere bestehe kein Verstoß gegen Art 14 Grundgesetz (GG), der neben dem Eigentum auch das Erbrecht gewährleiste. Es werde das Erbrecht als Institution garantiert. Wie für das Eigentum würden dabei auch für das Erbrecht Inhalt und Schranken durch die Gesetze bestimmt, die ihrerseits den Wesensgehalt der durch Art 14 Abs 2 Satz 1 GG geschützten Privatrechtsfolge und Testierfreiheit als Rechtseinrichtung beachten müssten. Die Erbrechtsgarantie besage insbesondere nicht, dass sämtliche vom Erblasser erworbenen Ansprüche als vererblich gestaltet werden müssten. Eine Verletzung behördlicher Auskunfts-, Beratungs- und Betreuungspflichten habe die Beklagte nicht begangen. Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch bestehe nicht. 9 Mit Urteil vom 30.04.2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Dem geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch stehe die Regelung in § 59 Satz 2 SGB I entgegen. Hinsichtlich der mit Antrag vom 14.06.2019 eingereichten Rechnungsbelege sei bis zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten am 13.04.2019 kein Verwaltungsverfahren über deren Kostenerstattung anhängig gewesen; entsprechende Kostenerstattungsansprüche seien bis zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht festgestellt. § 59 Satz 2 SGB I sei nicht einschränkend auszulegen. Ein etwaiger Erbenschutz sei weder mit der Regelung des § 13 Abs 2 SGB V noch mit der des § 59 SGB I verfolgt worden. Insbesondere solle § 59 SGB I nicht der Vermehrung des Vermögens des Erben dienen. Auch aus dem Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs lasse sich kein Anspruch ableiten. Unabhängig von der Frage, ob ein gegenüber dem Berechtigten erfolgtes fehlerhaftes Verwaltungshandeln im Rahmen der Erbfolge oder Sonderrechtsnachfolge überhaupt auf den Erben oder Sonderrechtsnachfolger übergehe, sei kein fehlerhaftes Verwaltungshandeln der Beklagten gegeben. Es liege keine Beratungspflichtverletzung vor. Der Leistungsträger sei nicht verpflichtet, auf alle irgendwie gearteten Umstände hinzuweisen. 10 Hiergegen richtet sich die am 25.05.2020 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegte Berufung der Klägerin. Sie verweist auf ihre bisherigen Ausführungen und macht ergänzend geltend, dass die Regelung des § 59 SGB I in Fällen der Kostenerstattung gemäß § 13 Abs 2 SGB V einschränkend in der Form auszulegen sei, dass § 59 SGB I, wenn überhaupt, nur dann greifen könne, wenn für den Versicherten zu Lebzeiten die tatsächliche Möglichkeit bestanden habe, ein entsprechendes Verwaltungsverfahren einzuleiten. Es könne entgegen der Auffassung des SG nicht angenommen werden, dass der Bundesgesetzgeber bei Schaffung des § 13 Abs 2 SGB V den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung dahingehend habe aushöhlen wollen, als dass praktisch kein Versicherungsschutz im Falle der Kostenerstattung in der gesetzlichen Krankenversicherung für unmittelbar bzw relativ unmittelbar vor dem Tod durchgeführte medizinische Heilbehandlungen bestehe, zumal es gerade nichts Ungewöhnliches sei, dass Menschen im Krankenhaus oder gerade bei und trotz erfolgter ärztlicher Behandlung verstürben. Der Umstand, dass die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin bzw bürgerlich-rechtliche Erbin das Verfahren führe, vermöge den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch nicht zu Fall zu bringen. § 14 SGB I werde im konkreten Fall nicht dadurch überspannt, dass man von der Beklagten, als sie den Versicherten 2017/2018 wegen der Satzungsänderung beraten habe, einen Hinweis auf § 59 SGB I und den Umstand erwartet hätte, dass im Falle des Todes etwaige Kostenerstattungsansprüche „untergehen", wenn kein diesbezügliches Verwaltungsverfahren eingeleitet sei. 11 Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 21.12.2021 umfassend dargelegt, dass nach den eingereichten Rechnungen ein Betrag von 6.542,36 EUR erstattungsfähig wäre. Die Klägerin hat sich dem nach eigener Prüfung angeschlossen und mit Schriftsatz vom 05.01.2022 die geltend gemachte Forderung auf diesen Betrag reduziert. 12 Die Klägerin beantragt, 13 die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Heilbronn vom 30.04.2020 und des Bescheides der Beklagten vom 28.06.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2019 zu verurteilen, der Klägerin eine Kostenerstattung in Höhe von 6.542,36 EUR zu gewähren. 14 Die Beklagte beantragt, 15 die Berufung zurückzuweisen. 16 Sie verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil und ihre bisherigen Schriftsätze. 17 Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 30.04.2020 abgeändert. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 28.06.2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.09.2019 verurteilt, der Klägerin einen Betrag in Höhe von 6.542,36 EUR für die Behandlungskosten ihres verstorbenen Ehemanns zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert wird für das Klage- und das Berufungsverfahren endgültig auf jeweils 6.787,19 EUR festgesetzt.
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VG Trier 6. Kammer
Rheinland-Pfalz
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19.03.2019
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Randnummer 1 Der etwa im Jahr ... geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, paschtunischer Volks- und sunnitischer Religionszugehörigkeit. Er stammt aus der Provinz L.... Von dort aus reiste er etwa im April 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 21. Mai 2015 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge einen Asylantrag stellte. Randnummer 2 Im Rahmen der persönlichen Anhörung vom 2. März 2017 gab der Kläger im Wesentlichen zu seinen persönlichen Verhältnissen an, er habe in seiner Heimat mit seinen Eltern, zwei Brüdern und zwei Schwestern gelebt. Einer seiner Brüder sei bereits verheiratet. Auch dessen Ehefrau habe dort gelebt. Alle zwei bis drei Monate habe er Kontakt zu seinem Onkel in Afghanistan. Eine Schule habe er nicht besucht. Seine Familie hätte eigenes Land besessen. Er selbst sei Bauer gewesen. Sein Vater habe Kühe und Schafe verkauft, zudem die eigene Ernte. Randnummer 3 Zu seinem Verfolgungsschicksal trug der Kläger im Wesentlichen vor, die Leute des IS hätten das Dorf angegriffen. Dabei seien viele Leute getötet worden. Die Ernte der Familie sei zerstört und viel Schaden angerichtet worden. Ein paar Tage lang habe die Polizei nicht ins Dorf kommen können. Nach ein paar Tagen sei die Polizei gekommen. Der Vater des Klägers sei der Älteste im Dorf gewesen und die Polizei habe zu ihm gesagt, er solle es einrichten, dass jemand die Polizei in solchen Fällen schnell informieren könne. Auf den Wunsch des Vaters sollte der Kläger die Rolle als Beobachter übernehmen. Dazu habe er sich auch bereit erklärt. In dem Dorf habe es einen Mullah gegeben, der gegen die Regierung gewesen sei, was der Kläger der Polizei mitgeteilt habe. Diese habe ihn geheißen, weiter in dem Kontakt zu dem Mullah zu stehen. Er habe dem Mullah seine Telefonnummer gegeben. Dieser habe ihm vorgeschlagen, mit ihnen gegen die Regierung zusammenzuarbeiten, worauf er sich eingelassen habe. Der Mullah habe angekündigt, die Telefonnummer des Klägers an Gruppen weiterzugeben, denen sich der Kläger zum Kampf anschließen sollte. Dies habe er verweigert, aber gesagt, er könne helfen. Der Mullah habe dem Kläger Fragen zu den Polizeiposten im Dorf gestellt, welche der Kläger der Polizei mitgeteilt habe. Bei einem weiteren Angriff, bei dem es viele Tote und Verletzte gegeben habe, sei ein anderer Mullah getötet worden. Der Kläger habe einen Anruf von der Gruppe des Verstorbenen Mullahs erhalten. Sie hätten sich mit ihm treffen wollen, was der Kläger jedoch nicht gewollt habe. Er sei daraufhin zur Polizei gegangen und habe von dem Anruf erzählt. Diese habe ihm mitgeteilt, er solle keine Angst haben und nach Hause gehen. Er sei jedoch zu einem Freund gegangen, wo er sich zwei Tage lang aufgehalten habe. Dann habe er erfahren, dass das Haus der Familie angegriffen worden sei. Dabei seien sein Vater, seine Nichte und sein Neffe verletzt sowie ein Bruder getötet worden. Die Verletzten seien ins Krankenhaus gebracht worden. Zehn Tage später seien sie zu einem Onkel nach Kabul gefahren, wo sein Vater und sein Onkel ihm vorgeschlagen hätten, das Land zu verlassen. Randnummer 4 Durch Bescheid der Beklagten vom 25. April 2017 wurden die Anträge des Klägers auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung und auf Zuerkennung subsidiären Schutzes abgelehnt sowie festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen. Der Kläger wurde unter Androhung der Abschiebung nach Afghanistan aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Randnummer 5 Der Bescheid sollte dem Kläger am 28. April 2017 unter der Adresse „R...“ zugestellt werden. Ausweislich der Postzustellungsurkunde sei der Kläger jedoch unbekannt verzogen (Bl. 135, 136 der Asylakte). Randnummer 6 Dass der Kläger unter der genannten Anschrift wohne, teilte die Ausländerbehörde der Kreisverwaltung A... bereits mit Schreiben vom 12. August 2015 der Beklagten mit (Bl. 46 der Asylakte). Randnummer 7 Am 11 August 2017 teilte der Kläger mit Unterstützung der Flüchtlingshilfe ... der Beklagten mit, dass sich seine Adresse geändert habe. Statt unter der im Bescheid genannten Anschrift, die er im Schreiben vom 11. August 2017 als „bisherige Adresse“ angab, sei er danach in der „S...“ wohnhaft. Das Schreiben wurde vom Kläger unterschrieben (zu alledem Bl. 154 der Asylakte). Ausweislich der ergänzenden Angaben zu der Adressmitteilung durch die Flüchtlingshilfe ... habe der Kläger bereits seit dem 20. Januar 2017 unter der neuen Adresse gewohnt. Möglicherweise habe er es versäumt, die Änderung seiner Anschrift dem Bundesamt mitzuteilen. Er hätte große Sorge, dass ihn wichtige Schreiben nicht erreicht hätten und er sie deswegen nicht habe beantworten können (Bl. 155 der Asylakte). Randnummer 8 Der Bescheid wurde daraufhin den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 22. August 2017 bekanntgegeben. Randnummer 9 Am 23. August 2017 wurde Klage gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 25. April 2017 erhoben. Zur Begründung der Klage trägt der Kläger im Wesentlichen vor, die Klage sei erstmals am 22. August 2017 zugestellt worden, wodurch die Klagefrist in Gang gesetzt worden sei. Eine vorherige fiktive Zustellung sei nicht erfolgt. Dies setze voraus, dass der Kläger zum Zeitpunkt der Zustellung noch unter der mitgeteilten Adresse wohne, was hier nicht der Fall sei. Aufgrund der Tätigkeit des Klägers für die Polizei hätten die Taliban ein erhebliches Interesse daran, den Kläger zur Rechenschaft zu ziehen. Die Taliban seien in der Lage, Personen landesweit aufzuspüren. Jedenfalls sei dem Kläger ein Abschiebungsverbot zuzuerkennen, da er Analphabet sei und bislang lediglich seinen Vater bei landwirtschaftlichen Arbeiten unterstützt habe. Ohne die Hilfe seiner Familie wäre er außerstande, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Randnummer 10 Der Kläger beantragt, Randnummer 11 die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 25. April 2017 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, Randnummer 12 hilfsweise, ihm subsidiären Schutz zuzuerkennen, Randnummer 13 weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG vorliegen. Randnummer 14 Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt, Randnummer 15 die Klage abzuweisen. Randnummer 16 Zur Begründung nimmt sie auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid Bezug. Randnummer 17 Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Vorsitzenden bzw. den Berichterstatter erklärt. Randnummer 18 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten und Unterlagen verwiesen. Ferner wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
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VG Gießen 9. Kammer
Hessen
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18.07.2022
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Der Kläger begehrt die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht wegen geringen Einkommens. Der Kläger wurde in der Vergangenheit wiederholt – und zuletzt durch Bescheid vom 27.05.2014 bis zum 31.05.2017 – von der Rundfunkbeitragspflicht befreit. Dies geschah im Hinblick auf den Umstand, dass dem Kläger Grundsicherung für das Alter und bei Erwerbsminderung nach dem vierten Kapitel des zwölften Buches des Sozialgesetzbuchs gewährt wurde. Des Weiteren bezieht der Kläger Wohngeld, das ihm mit Bescheid vom 27.02.2019 (Bl. 62 der Verwaltungsakte) für den Zeitraum vom 01.02.2019 bis zum 31.01.2020 in monatlicher Höhe von 78,00 Euro gewährt wurde und zuletzt mit Bescheid vom 26.01.2022 (Bl. 85 d.A.) in monatlicher Höhe von 96,00 Euro gewährt wird. Der Kläger beantragte am 20.03.2019 die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht, wobei darauf verwiesen wurde, dass sich aus dem Wohngeldbescheid die Berechnung des Gesamteinkommens und daraus wiederum die Bedürftigkeit des Klägers ergebe. Mit Bescheid vom 20.03.2019 wurde der Antrag auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Bewilligung von Wohngeld nicht auf einer gesetzlichen Grundlage beruhe, die der Gesetzgeber als Befreiungsvoraussetzung festgelegt habe. Im Gegensatz zu den in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Sozialleistungen diene das Wohngeld nicht der Bedarfsdeckung, sondern werde als Zuschuss zu den Aufwendungen für den Wohnraum zur wirtschaftlichen Sicherung angemessenen Wohnens gewährt. Einem befreiungsberechtigten Personenkreis nach § 4 Abs. 1 RBStV sei der Kläger insoweit nicht zuzuordnen. Mit Schreiben vom 26.03.2019 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 20.03.2019. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.03.2019 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, es gelte das Grundprinzip, dass nur demjenigen ein Anspruch auf Befreiung zustehe, dessen Bedürftigkeit durch eine staatliche Sozialbehörde geprüft worden sei. Ein Nachweis, dass dem Kläger eine der in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Leistungen gewährt werde, sei nicht erbracht. Bei den in § 4 Abs. 1 RBStV angegebenen Befreiungsvoraussetzungen handele es sich um eine abschließende Aufzählung. Eine analoge Anwendung der Vorschriften auf andere, dort nicht genannte Leistungen sei mangels einer Regelungslücke nicht zulässig. Insbesondere sei eine analoge Anwendung in Bezug auf Wohngeld ausgeschlossen. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 04.04.2019 zugestellt (Bl. 44 der Verwaltungsakte). Mit Schreiben vom 05.04.2019 bat der Beklagte den Kläger um Zahlung von Rundfunkbeiträgen in Höhe von 420,00 Euro (Bl. 79 der Verwaltungsakte). Der Kläger hat am 30.04.2019 Klage erhoben. Zur Begründung führt der Kläger aus, dass der Landkreis E. die Bedürftigkeit des Klägers durch sein geringes Einkommen auf Wohngeld amtlich festgestellt habe. Es erscheine als unerträgliche Anmaßung des Beklagten, die Bedürftigkeit des Klägers hinsichtlich der Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht auf weitere Voraussetzungen stellen zu wollen. Weiter trägt der Kläger vor, dass sein monatliches Gesamteinkommen ausweislich des Wohngeldbescheides vom 27.01.2021 insgesamt 733,54 Euro betrage; zusätzlich würden 91 Euro monatliches Wohngeld bewilligt. Somit verfüge der Kläger über ein Gesamteinkommen von 824,54 Euro. Davon abzuziehen sei die monatliche Gesamtmiete von 380,00 Euro, sodass dem Kläger zum Leben monatlich 444,54 Euro verblieben. Darauf entfielen weitere monatlich notwendige Telefonkosten, Zuzahlungen zu ärztlichen Leistungen, die bei dem erkrankten Kläger regelmäßig anfielen. Auch habe er wegen der an seinem Wohnort verkehrstechnisch ungünstigen Situation einen PKW sowie entsprechende Versicherungsprämien zu finanzieren, um damit Ärzte und Apotheken regelmäßig aufsuchen zu können. Ein Rundfunkbeitrag sei ihm daher in keiner Weise zumutbar. Soweit der Beklagte auf die Beitragsentrichtung bestehe, so stelle der Kläger ihm die erfolglose Beitreibung durch Zwangsvollstreckung anheim. Der Kläger trägt unter Vorlage des Wohngeldbescheides vom 26.01.2022 weiter vor, dass sich aus diesem Wohngeldbescheid seine behördlich festgestellte Einkommenssituation dergestalt ergebe, dass er ein monatliches Gesamteinkommen von 734,14 Euro habe. Der Kläger ist ferner der Auffassung, dass hinsichtlich des Klageantrags zu 2.) sein Rechtsschutzbedürfnis gegeben sei, denn auch insoweit verfolge der Beklagte eine unrechtmäßige Eintreibung von Rundfunkgebühren. Der Kläger beantragt, 1. den Bescheid des Beklagten vom 20.03.2019 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 27.03.2019 (Beitrags-Nr. …) aufzuheben und dem Kläger die Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht durch den Beklagten zu gewähren, 2. die Beklagte zu verurteilen, die Forderung auf Zahlung von Rundfunkbeiträgen durch den Kläger vom 05.04.2019 zurückzunehmen und den Kläger auch insoweit beitragsfrei zu stellen. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Zur Begründung führt der Beklagte aus, dass der Kläger lediglich einen Wohngeldbescheid vorgelegt habe. Allein der Bezug von Wohngeld führe nicht automatisch zu einer Bejahung der Bedürftigkeit und folglich zu einer Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht. Dies folge daraus, dass die Vermögensprüfung im Wohngeldrecht nach anderen Maßstäben als den für § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV anzulegenden erfolge. Auch die Einkommensberechnung nach dem Wohngeldgesetz müsse nicht zwangsläufig mit derjenigen nach §§ 27 ff. SGB XII identisch sein. Nur letzteres sei für die Bedürftigkeitsprüfung im Rahmen des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV maßgeblich. Zur Überprüfung der Bedürftigkeit bedürfe es daher der Vorlage eines Bescheides oder einer Bestätigung über das Fehlen der Voraussetzungen des Bezugs der Leistungen nach dem SGB I oder dem SGB XII. Darüber hinaus lägen andere Tatbestände, die zu einer Befreiung führten könnten, nicht vor. Mit Beschluss vom 23.05.2019 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen (Bl. 29 d.A.). Mit Schriftsatz vom 16.05.2022 hat der Kläger sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt (Bl. 61 d.A.). Mit Schriftsatz vom 18.05.2022 hat der Beklagte sein Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt (Bl. 65 d.A.). Mit gerichtlicher Verfügung vom 25.05.2022 hat das Gericht die Beteiligten auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19.01.2022 (1 BvR 1089/18 = NJW 2022, 481) hingewiesen und ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben. Hinsichtlich der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (ein Hefter) Bezug genommen, die Gegenstand der gerichtlichen Entscheidung gewesen sind.
Der Bescheid des Beklagten vom 20.03.2019 und der Widerspruchsbescheid vom 27.03.2019 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
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VG Trier 5. Kammer
Rheinland-Pfalz
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27.10.2010
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten darum, ob es zulässig ist, in Deutschland italienische IGT-Weine zu verschneiden, zu verperlen und anschließend als "Vino frizzante IGT" zu vermarkten. Randnummer 2 Die Klägerin hat ihren Angaben zufolge in der Zeit vor dem 1. August 2009 in nicht unerheblicher Menge in Italien Tafelwein unterschiedlicher Rebsorten und Herkunft mit der Angabe "Indicazione Geografica Tipica" = IGT gekauft, von denen im Mai dieses Jahres nach Angabe des Landesuntersuchungsamts Rheinland-Pfalz 1.960.596 Liter gelagert wurden. Sie hat diese Weine in Deutschland verschnitten und verperlt und als "Vino frizzante IGT" in Verkehr gebracht. Randnummer 3 Die Klägerin hat insoweit in umfangreichem Schriftverkehr mit dem Beklagten die Zulässigkeit ihrer Verfahrensweise zur Herstellung von Perlwein bejaht, während der Beklagte dem entgegengetreten ist und die Auffassung vertreten hat, dass das Produkt nicht unter Nennung der Angabe IGT in Verkehr gebracht werden dürfe. Randnummer 4 Mit ihrer am 30. Juni 2010 erhobenen Klage begehrt die Klägerin nun die Feststellung, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, ihr das Herstellen (Verschnitt und Verperlung) und Inverkehrbringen derartiger Produkte des Weinjahrgangs 2009 in Deutschland zu untersagen. Randnummer 5 Die Klägerin ist der Ansicht, dass es zwar grundsätzlich zutreffe, dass nach Art. 118b Abs. 1 b, iii der Verordnung ( EG) Nr. 1234/2007 eine "geografische Angabe" nur dann zur Bezeichnung eines Erzeugnisses im Sinne des Artikels 118a Absatz 1 der Bestimmung verwandt werden dürfe, wenn das Erzeugnis in dem betreffenden geografischen Gebiet hergestellt worden sei. Insoweit handele es sich bei dem von ihr hergestellten Perlwein um ein Erzeugnis im Sinne des Art. 118a Absatz 1 in Verbindung mit Nr. 8 des Anhangs XI b der Verordnung (EG) Nr. 1234/2007. Auch beinhalte die Angabe IGT als Abkürzung für "Indicazione Geografica Tipica" gemäß Art. 7 Abs. 3, 40 Abs. 2 in Verbindung mit Anhang XII der Verordnung (EG) Nr. 607/2009 in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 401/2010 der Kommission vom 7. Mai 2010 einen geschützten traditionellen italienischen Begriff, der im Gesetz Nr. 164 vom 10. Februar 1992 festgelegt wurde, um italienische Weine mit geografischer Angabe zu bezeichnen, deren besondere Beschaffenheit und Qualitätsstufe sich aus dem geografischen Gebiet ergeben, in dem die Trauben angebaut wurden. Randnummer 6 Allerdings liege bei ihrer Produktionsweise keine "Herstellung" im Sinne der einschlägigen Normen vor. Gemäß Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 607/2009 beziehe sich der Begriff der Herstellung im Sinne des Norm nämlich nur auf alle Arbeitsgänge von der Traubenernte bis zum Abschluss des Weinbereitungsverfahrens, nicht aber auf nachgelagerte Verfahren. Dies bedeute, dass das Herstellungsverfahren mit der Herstellung der für den Perlwein verwandten IGT-Weine abgeschlossen sei, so dass der anschließende Verschnitt und die Verperlung als nachgelagerte Verfahren im Sinne des Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 607/2009 nicht mehr unter den Herstellungsbegriff der Norm fielen. Randnummer 7 Im Übrigen greife jedenfalls derzeit eine Ausnahmebestimmung ein, die die Herstellung des Perlweins auch außerhalb Italiens zulasse. Nach Art. 6 Abs. 4 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 607/2009 sei es nämlich jedenfalls bis zum 31. Dezember 2012 zulässig, das von ihr hergestellte Erzeugnis außerhalb der Anbauzone, aus der der verwandte Wein stammt, durch Verschnitt und Verperlung herzustellen, weil nach italienischem Recht, dem Ministerialdekret vom 24. Juli 2009 (GU/Amtsblatt 184), die Weinverarbeitung auch außerhalb des IGT-Gebiets und dessen unmittelbarer Nachbarschaft erfolgen dürfe. Soweit die deutsche Fassung von Art. 6 Abs. 4 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 607/2009 eine Anwendung der Norm für "Weine mit geschützter Ursprungsbezeichnung" vorsehe, stehe dies in Widerspruch zur französischen, italienischen und englischen Textfassung und zu dem in der Norm in Bezug genommenen Art. 34 Abs. 1b, iii der Verordnung (EG) Nr. 479/2008, von der eine Abweichung ermöglicht werden solle. Der europäische Verordnungsgeber unterscheide nämlich bei den Begriffsbestimmungen in Art. 34 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 479/2008 zwischen der in Unterabsatz a) geregelten "Ursprungsbezeichnung" und der in Unterabsatz b) geregelten "geografischen Angabe". Von daher betreffe Art. 6 Abs. 4 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 607/2009 - entgegen dem Wortlaut der deutschen Fassung der Norm - Weine mit geschützten geografischen Angaben und sei daher einschlägig. Randnummer 8 Soweit Art. 6 Abs. 4 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 607/2009 auf "Wein", nicht aber auf "Perlwein" abstelle, der ausdrücklich nur in Satz 3 der Norm in Bezug auf Perlwein mit geschützter Ursprungsbezeichnung erwähnt werde, sei dies unerheblich, denn "Wein" im Sinne des Art. 6 Abs. 4 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 607/2009 sei der Obergriff, der auch "Perlwein" umfasse. Dies werde an zahlreichen Stellen des europäischen Gemeinschaftsrechts deutlich. Randnummer 9 Von daher sei es aufgrund der Übergangsvorschrift des nach Art. 6 Abs. 4 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 607/2009 jedenfalls bis zum 31. Dezember 2012 zulässig, das Produkt außerhalb Italiens durch Verschnitt und Verperlung fertigzustellen. Randnummer 10 Dem stehe schließlich auch die in Art. 118p Verordnung (EG) Nr. 1234/1007 hinsichtlich geschützter geografischer Angaben vorgesehene Kontrolle der Einhaltung der Spezifikation nicht entgegen, denn diese Vorschrift finde in den Übergangsfällen des Art. 6 Abs. 4 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 607/2009 keine Anwendung. Soweit der Beklagte insoweit geltend mache, dass es an einer zuständigen Kontrollbehörde fehle, werde diese Auffassung nicht geteilt. Die italienischen Behörden seien nur dafür zuständig, dass der dem Perlwein zugrunde liegende IGT-Wein ordnungsgemäß hergestellt worden sei. In Bezug auf das Endprodukt sei dann eine Zuständigkeit der deuten Kontrollbehörden gegeben. Im Hinblick darauf, dass Art. 1 des italienischen Dekrets vom 31. Juli 2009 bestimme, dass die zentrale Aufsichtsbehörde des Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft für die Weinkampagne 2009/2010 beauftragt werde, die Einhaltung der Produktionsspezifikationen der Weine mit geschützter geografischer Angabe gemäß Art. 48 der Verordnung (EG) Nr. 479/2008 zu überprüfen, sei rein vorsorglich unter Bezugnahme auf Art. 118o Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 in Italien ein Antrag auf Aufnahme in das italienische Kontrollsystem gestellt worden. Obwohl die genannte Norm einen Anspruch auf Aufnahme in das Kontrollsystem festschreibe, hätten die italienischen Behörden den diesbezüglichen Antrag abgelehnt. Insoweit sei derzeit bei dem italienischen Verwaltungsgericht für die Region Latium in Rom unter der Register-Nr. 11018/09 ein Rekurs anhängig, über den allerdings noch keine Entscheidung ergangen sei; in der Regel vergingen von der Einlegung des Rekurses bis zur Entscheidung drei bis vier Jahre. Randnummer 11 Schließlich existiere auch keine Vorschrift, die es untersage, verschiedene IGT-Weine zu verschneiden und das Produkt unter Nennung des Zusatzes IGT zu vermarkten. Die insoweit von dem Beklagten zitierten Bestimmungen seien nicht einschlägig, da sie sich nur auf den Verschnitt im Zusammenhang mit der Herstellung von Tafelweinen bezögen, nicht aber auf einen Verschnitt von bereits hergestellten Tafelweinen. Randnummer 12 Letztlich ergebe sich die Zulässigkeit von Verschnitt und Verperlung auch aus der Übergangsbestimmung des Art. 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 606/2009, weil dies jedenfalls bis zum 1. August 2009 rechtmäßig gewesen sei. Randnummer 13 Die Klägerin beantragt, Randnummer 14 festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, ihr das Herstellen (Verschnitt und Verperlung) und Inverkehrbringen eines "Vino frizzante IGT" aus italienischen IGT-Wein des Weinjahrgangs 2009 in Deutschland zu untersagen. Randnummer 15 Der Beklagte beantragt, Randnummer 16 die Klage abzuweisen. Randnummer 17 Er ist der Auffassung, dass der Verschnitt und das Verperlen verschiedener IGT-Weine der Herstellung von IGT-Perlwein zuzurechnen sei, die nach Art. 118p Abs. 1 b iii) Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 nur in dem jeweiligen geografischen Gebiet erfolgen dürfe. Dabei werde IGT als traditioneller Begriff durch Art. 118u Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 geschützt. Durch die von der Klägerin zitierte Übergangsbestimmung werde nicht auf die nach Art. 118p Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 erforderlichen Kontrollen der Einhaltung der Produktspezifikation verzichtet, die vorrangig Sache der jeweiligen nationalen Behörden sei. Randnummer 18 Ein Vertrieb der von der Klägerin hergestellten Produkte sei auch nicht nach Art 10 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 606/2009 zulässig, da der Verschnitt nicht bezeichnungsgleicher Erzeugnisse auch vor dem 1. August 2009 nicht zulässig gewesen sei. Dies ergebe sich aus der bis zum 3. Juni 2008 geltenden Vorschrift der Art. 35 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1622/2000 und der nachfolgend geltenden Bestimmung des Art. 39 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 433/2008.
1. Es wird festgestellt, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, der Klägerin das Herstellen (Verschnitt und Verperlung) und Inverkehrbringen eines "Vino frizzante IGT" aus italienischen IGT-Wein des Weinjahrgangs 2009 in Deutschland zu untersagen. 2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. 4. Die Berufung wird zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Die Kläger begehren die Feststellung, dass die von der Beklagten verfügte Auflösung eines am 21.01.2006 durchgeführten Skinheadkonzerts rechtswidrig war. 2 In den Abendstunden des 21.01.2006 fand in ... im Ortsteil ... in einem Kellerraum auf dem Fabrikgelände der ehemaligen Firma ... in der ...straße ... ein Skinheadkonzert mit den zur rechten Skinheadszene gehörenden Musikbands „Breakdown“, „Tobsucht“ und „Blue Max“ statt. Als Eintrittsgeld wurden 7 EUR verlangt. Das Konzert wurde nicht öffentlich angekündigt, sondern einem ausgewählten Kreis von Interessierten über Mobiltelefon und per E-Mail mitgeteilt. Des Weiteren bestand die Möglichkeit, über ein sog. „nationales Infotelefon“ von dem Konzert Kenntnis zu erlangen. Der ca. 80 qm große Veranstaltungsraum war von den Klägern zu 2 bis 4, die ihn schon seit längerer Zeit als Probenraum für die Skinheadband „Division Staufen“ gemietet hatten, für die Veranstaltung bereitgestellt worden. 3 Die Polizei erhielt trotz der konspirativen Vorbereitung Kenntnis von der Veranstaltung und ermittelte am 21.01.2006 den Ort und den mutmaßlichen, sich aus der Skinheadszene rekrutierenden Teilnehmerkreis. Sie hatte feuerpolizeiliche und baurechtliche Sicherheitsbedenken und erwartete im Hinblick auf die beteiligten Personen und die Skinheadbands die Begehung von Straftaten nach den §§ 86 und 86 a StGB (Verbreiten von Propagandamitteln und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen) sowie die Begehung von Ordnungswidrigkeiten nach jugendschutz- und gaststättenrechtlichen Bestimmungen während und nach der Veranstaltung. Der verantwortliche Einsatzleiter der Polizeidirektion ... informierte daher den Leiter des Ordnungsamtes der Beklagten am 21.01.2006 gegen 18:50 Uhr über den Sachverhalt. Dieser verfügte daraufhin mündlich unter Hinweis auf Gefahr im Verzug die Auflösung der Veranstaltung als erforderliche Maßnahme zur Gefahrenabwehr und die Erteilung von Platzverweisen nach den §§ 1, 3 PolG. 4 Nach Einholung einer durch das Amtsgericht ... verfügten richterlichen Anordnung zum Betreten der Örtlichkeit gingen einige der vor Ort befindlichen ca. 100 Polizeikräfte um 21:57 Uhr in den Veranstaltungsraum, in dem sich - wie sich später herausstellte - 118 zum Teil minderjährige Personen befanden. Der am … 1983 geborene Kläger zu 1 gab sich gegenüber dem Einsatzleiter als für die Veranstaltung Verantwortlicher zu erkennen und teilte mit, dass sein Geburtstag gefeiert werde. Daraufhin wurden ihm und dem Kläger zu 4, der sich gegenüber der Polizei ebenfalls als Verantwortlicher bezeichnet hatte, die von der Polizei beabsichtigten Maßnahmen erläutert. In den Räumlichkeiten traf die Polizei auch einen überörtlich tätigen gewerblichen Händler an, der z. T. strafrechtlich relevante rechtsextremistische CDs und T-Shirts zum Kauf anbot und deswegen später wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86 a StGB), Volksverhetzung (§ 130 StGB) sowie wegen Ordnungswidrigkeiten nach dem Jugendschutzgesetz und der Gewerbeordnung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen verurteilt wurde. In Verwahrung genommen wurden auch Tonträger der Skinheadband „Blue Max“, deren strafrechtliche Bewertung durch die Staatsanwaltschaft jedoch zu keinen weiteren Maßnahmen führte. 5 Im Anschluss an die Auflösung der Veranstaltung wurde auf Anordnung des Polizeivollzugsdienstes die Identität der angetroffenen Personen festgestellt; außerdem wurden körperliche Durchsuchungsmaßnahmen durchgeführt und mündliche Platzverweise für den Veranstaltungsort und den Stadtbezirk ... erteilt. 6 Über den Polizeieinsatz wurde sowohl in der örtlichen wie auch in der über-örtlichen Presse berichtet. 7 In der schriftlich abgefassten Auflösungsverfügung der Beklagten vom 31.01.2006, die dem Kläger zu 4 am 01.02.2006 zugestellt wurde, hieß es im verfügenden Teil, dass die Konzertveranstaltung gemäß §§ 1, 3, 49 und 50 PolG aufzulösen und der Veranstaltungsort gemäß §§ 18, 19, 26 und 27 LVwVG zu räumen sei. Gemäß §§ 1, 3 und 6 PolG seien gegen die Teilnehmer der Konzertveranstaltung Platzverweise auszusprechen gewesen. Zur Begründung bezog sich die Beklagte zunächst auf allgemeine polizeiliche Erkenntnisse, nach denen es bei den Zusam-menkünften rechtsextremer Gruppierungen im Landkreis ... zu Ordnungsstörungen gekommen sei. Ortsansässige Angehörige der rechtsextremen Szene hätten politisch motivierte Straf- und Gewalttaten begangen, unter anderem sei im Jahr 2000 ein Brandanschlag auf eine Moschee in ... verübt worden. Am 21.01.2006 sei gegen 18:00 Uhr an der Tank- und Rastanlage ... ein mit zwei Personen besetzter PKW aufgefallen, dessen Halter bereits rechtsextrem motivierte Straftaten begangen habe. Von diesen Personen sei ein weiterer PKW, der einem Mitglied der Skinheadband „Blue Max“ habe zugeordnet werden können, zum Veranstaltungsort in die ...straße gelotst worden. Dort habe bereits am 09.07.2005 eine sogenannte „private Geburtstagsfeier“ stattgefunden, bei der der Kläger zu 4 und ein weiteres Mitglied der Skinheadband „Division Staufen“ festgestellt worden seien. Auf der Rastanlage ... sei die zweite Person als N. H. identifiziert worden, dessen Wohnsitz mit dem des Klägers zu 4 identisch sei. In Verbindung mit Anrufen von Einwohnern beim Polizeirevier ... hätten die Umstände eindeutig auf die Durchführung eines Skinhead-Konzerts mit überregionalem Besuch schließen lassen. Die Veranstaltung sei von einer großen Zahl von Besuchern frequentiert worden, die nach ihrem Äußeren der Skinhead- bzw. rechten Szene hätten zugeordnet werden können. Bei den im Zusammenhang mit der Organisation der Veranstaltung bis zu diesem Zeitpunkt bekannt gewordenen Personen habe es sich um rechtsextreme politisch motivierte Straftäter gehandelt. Auch ein Teil der Besucher sei bereits einschlägig polizeilich bekannt gewesen. Aufgrund der bekannt gewordenen Personenbeziehungen sei zu vermuten gewesen, dass Angehörige der Band „Division Staufen“ für die Veranstaltung verantwortlich gewesen seien. Aufgrund aller Umstände habe darauf geschlossen werden können, dass es sich um eine für die rechte Szene typische, konspirativ organisierte Konzertveranstaltung gehandelt habe. Veranstaltungen dieser Art würden nach polizeilichen Erkenntnissen regelmäßig als „private Geburtstagsfeier“ deklariert, obwohl durch die Erhebung von Eintrittsgeld und den Verkauf von Getränken ein kommerzieller Charakter gegeben sei. Teilnehmer würden dabei durch Liedtexte eine gewalttätige und menschenverachtende Einstellung ausdrücken. Rassismus, Antisemitismus, übersteigertes Nationalbewusstsein und die Glorifizierung des Nationalsozialismus würden in solcher Weise propagiert, dass zwangsläufig Straftaten wie z. B. Volksverhetzung oder Aufruf zum Rassenhass vorlägen. Des Weiteren seien die Straftaten des Tragens oder Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole, Skandierens von nationalsozialistischen Parolen und sonstige Propagandadelikte zu erwarten. Damit verbunden sei ein übermäßiger Alkoholgenuss, der zu einer aufgeheizten Atmosphäre und einem hohen Aggressionspotenzial mit entsprechenden Folgen auch im Umfeld des Veranstaltungsortes bzw. bei der Abreise der Teilnehmer und damit Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen könne. Vorschriften des Jugendschutzes, der Gaststättenverordnung und vor allem der bau- und feuerpolizeilichen Bestimmungen fänden bei dieser Art konspirativ durchgeführter Musikveranstaltungen keinerlei Beachtung und stellten somit zumindest Gefahren, regelmäßig jedoch bereits eingetretene Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dar. Die Mitglieder der Skinheadband „Blue Max“ seien als rechtsmotivierte Straftäter polizeilich erfasst und im Zusammenhang mit Konzerten einschlägig aufgefallen. Auch ein Mitglied der „Division Staufen“ sei rechtskräftig verurteilt worden, weil es die Verabredung zu dem genannten Brandanschlag auf die Moschee in ... mitgehört und nicht gemeldet habe. Der Kläger zu 4 selbst sei bis in die jüngste Vergangenheit wiederholt strafrechtlich in Erscheinung getreten. Durch die Ortskenntnisse des Polizeireviers ... sei eindeutig belegt, dass der Veranstaltungsort in keiner Weise den Sicherheitsanforderungen an eine Musikveranstaltung mit dem erwarteten Besucheraufkommen entspreche. In der Gesamtbewertung habe die Prognose schlüssig und zwingend ergeben, dass durch die Veranstaltung Gefahren bzw. bereits Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in erheblichem, nicht tolerierbarem Ausmaß vorgelegen bzw. unmittelbar bevorgestanden hätten, deren Verhinderung bzw. Beseitigung im öffentlichen Interesse geboten gewesen sei. Mit fast an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hätten Gefahren für Einzelne unter anderem durch die Verletzung bau- und feuerpolizeilicher Vorschriften angenommen werden können. Die Auflösung der Veranstaltung sei erforderlich gewesen, da andere polizeiliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr nicht erreichbar gewesen seien. Die Auflösung sei auch geeignet und das mildeste Mittel gewesen. Als Zwangsmittel habe nur der unmittelbare Zwang zur Verfügung gestanden, da andere Zwangsmittel nicht geeignet gewesen seien. Die Ortspolizeibehörde habe nicht früher unterrichtet werden können und wegen der Dringlichkeit der Maßnahme sei auch nur eine mündliche Auflösungsverfügung möglich gewesen. Die Erteilung von Platzverweisen sei geboten gewesen, da sonst das Ziel des Einsatzes stark gefährdet oder sogar vereitelt worden wäre. Es sei zu vermuten, dass nach Abzug der Polizeikräfte ohne diese Maßnahme die Veranstaltung - mit allen prognostizierten Gefahren und Störungen - weitergeführt worden wäre. Wegen der Gefahrenprognose und der Personenerkenntnisse habe eine hohe Notwendigkeit für ein polizeiliches Einschreiten bestanden. Es sei zu vermuten gewesen, dass von den genannten Personen Straftaten begangen oder solche zumindest geduldet würden. 8 Am 03.02.2006 haben die Kläger Fortsetzungsfeststellungsklage zum Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben und zur Begründung vorgetragen: Das erforderliche Feststellungsinteresse folge zum einen aus einer bestehenden Wiederholungsgefahr, da sie beabsichtigten, solche Veranstaltungen auch in Zukunft durchzuführen. Zum anderen bestehe ein Rehabilitationsinteresse sowie ein Feststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der nachhaltigen Grundrechtsbetroffenheit. Die Auflösung der Versammlung sei schon deshalb rechtswidrig gewesen, weil die formellen Anforderungen nicht beachtet worden seien. Es sei von einer öffentlichen Versammlung i. S. des Versammlungsgesetzes auszugehen, so dass die Maßnahme nicht auf §§ 1, 3 PolG habe gestützt werden können. Das Konzert habe für jeden, der von ihm erfahren habe, offen gestanden; keiner einzigen Person sei der Zutritt verweigert worden. Das gemeinsame geistige Band habe in der Zuordnung zu einer bestimmten politischen Richtung bestanden. Durch den Besuch des Konzerts hätten die Teilnehmer einen bestimmten Standpunkt eingenommen und auch nach außen bekräftigt. Es habe sich nicht um eine kommerzielle Veranstaltung gehandelt. Der Eintrittspreis und der für die Getränke erhobene Betrag habe lediglich die Unkosten, wie etwa die Mietkosten für die Musikanlage bzw. den Einkaufspreis der Getränke und Speisen, abdecken sollen. Ein Gewinn sei nicht angefallen. Materiell sei die Auflösung rechtswidrig gewesen, weil keiner der in § 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 VersammlG genannten Gründe vorgelegen habe. Auch die Voraussetzungen für ein Einschreiten auf der Grundlage des Polizeigesetzes hätten nicht vorgelegen. 9 Die Beklagte ist den Klagen entgegengetreten. Sie hat geltend gemacht, die Fortsetzungsfeststellungsklagen seien unzulässig. Eine Wiederholungsgefahr bestehe nicht, weil der Mietvertrag für den Kellerraum gekündigt worden sei. Ein Rehabilitationsinteresse sei zu verneinen, weil keine Diskriminierung der Kläger vorliege; diese seien nicht in ihrer Persönlichkeit oder Menschenwürde schwerwiegend beeinträchtigt worden. Die Klagen seien auch unbegründet. Die Auflösung der Veranstaltung sei zu Recht auf die §§ 1, 3 PolG gestützt worden, da es sich nicht um eine Versammlung gehandelt habe. Die vermeintliche „Geburtstagsfeier“ mit musikalischen Darbietungen und dem Verkauf von Tonträgern und anderen Artikeln habe unter zeitlichen, räumlichen und kommerziellen Aspekten nicht als Versammlung i. S. des Versammlungsrechts angesehen werden können. Die Feier sei eine auf Spaß und Unterhaltung ausgerichtete „große Party“ gewesen, die kommerziell veranstaltet worden sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Teilnehmer ähnliche politische Einstellungen gehabt hätten. Das Schwergewicht der Musikveranstaltung sei auf dem Gebiet der Unterhaltung zu sehen. Eine gezielte Einflussnahme einzelner Redner auf die Gesamtheit der Anwesenden durch allgemeine Ansprachen oder ähnliche Bekundungen sei nach dem geplanten und faktisch auch realisierten Ablauf der Veranstaltung auf sehr beengten Verhältnissen kaum möglich gewesen. Die Veranstaltung sei auch nicht öffentlich gewesen. Die Einladungen seien verdeckt über ein Info-Telefon erfolgt; die Veranstaltung sei konspirativ durchgeführt worden; alle Teilnehmer seien der rechtsextremistischen Szene zuzuordnen gewesen. Das Konzert sei nicht als politische Veranstaltung erkennbar gewesen; es seien auch keine Funktionäre oder Personen mit bestimmter Parteizugehörigkeit oder Vertreter politischer Interessenverbände anwesend gewesen und es habe keine gezielte Einflussnahme in politischer Hinsicht und auch keine Rekrutierungsversuche seitens politisch Interessierter gegeben. Es habe somit keine Versammlung, jedenfalls aber keine öffentliche Versammlung vorgelegen. Die Auflösung der Veranstaltung sei von Kriminaloberrat ... über das Mikrofon der Veranstaltungsbühne allen Veranstaltungsteilnehmern bekannt gegeben worden. Anschließend habe er auch die geplanten polizeilichen Maßnahmen angekündigt. Der Kläger zu 1 habe daraufhin über das Mikrofon die Veranstaltung für beendet erklärt; der Kläger zu 4 habe als Veranstalter über das Mikrofon nochmals die geplanten polizeilichen Maßnahmen wiederholt. Es habe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit hinsichtlich Leib, Leben und Gesundheit aller Veranstaltungsteilnehmer und auch hinsichtlich der Verwirklichung von Straftatbeständen, z.B. nach § 86 a StGB, bestanden. Zum anderen sei die Rechtsordnung durch Ordnungswidrigkeiten und Straftaten verletzt gewesen. Die Mitglieder der Band „Blue Max“ seien als gewalttätige rechtsmotivierte Straftäter bekannt. Gleiches gelte für den Gitarristen der Band „Tobsucht“. Auf deren Homepage seien Bilder veröffentlicht, auf denen eine große Triskele (Sonnensymbol) erkennbar sei. Ein Mitglied der Band „Division Staufen“ sei rechtskräftig wegen der Nichtanzeige eines geplanten Verbrechens verurteilt. Der Kläger zu 4 sei als rechtsmotivierter Straftäter 14-mal polizeilich in Erscheinung getreten. Der Veranstaltungsraum sei für die angenommenen 150 Personen räumlich ungeeignet gewesen. Es sei bekannt gewesen, dass er in keiner Weise den Sicherheitsanforderungen an eine Veranstaltung dieses Ausmaßes gerecht werden könne. Der davorliegende Hofraum sei stark vereist gewesen, sodass ein rascher Zugang für mögliche Retter bzw. eine schnelle Evakuierung der im Raum befindlichen Personen nur in stark eingeschränktem Umfang möglich gewesen wäre. Außer einem beschränkten Zugang über eine Steintreppe habe es keine weiteren Fluchtmöglichkeiten gegeben. Die Deckenabhängung aus einer Art Vorhangstoff sei leicht entflammbar gewesen. Im Fall eines Feuers hätte dies für einen Großteil der im Raum befindlichen Personen tödliche Folgen gehabt. Somit sei gegen bau- und feuerpolizeiliche Bestimmungen verstoßen worden. Ende des Jahres 2000 habe es in ... im Anschluss an eine vergleichbare Veranstaltung einen Brandanschlag gegeben. Es sei auch damit zu rechnen gewesen, dass durch Liedtexte eine gewalttätige und menschenverachtende Einstellung ausgedrückt werde. Rassismus, Antisemitismus, übersteigertes Nationalbewusstsein und die Glorifizierung des Nationalsozialismus würden in solcher Weise propagiert, dass zwangsläufig Straftaten wie z. B. Volksverhetzung oder Aufruf zum Rassenhass begangen würden. Wegen der teilnehmenden Kinder und Jugendlichen habe auch die Gefahr bestanden, dass Straftaten nach dem Jugendschutzgesetz begangen würden. Zudem habe es Verstöße gegen das Gaststättengesetz gegeben. Die Auflösung der Veranstaltung sei geeignet, erforderlich und angemessen gewesen und ermessensfehlerfrei erfolgt. Adressaten seien zunächst die Kläger zu 1 und zu 4 gewesen. Zunächst habe der Kläger zu 1 sich als Verantwortlicher ausgegeben, da sein Geburtstag gefeiert werde. Kurz darauf habe der Kläger zu 4 mitgeteilt, dass er den Raum angemietet habe. Der Kläger zu 4 sei als Organisator und Veranstalter Handlungsstörer; er habe aktiv den polizeipflichtigen Zustand herbeigeführt. Wegen der bestehenden Gefahr im Verzug habe die Auflösungsverfügung sogleich vollstreckt werden können. 10 Mit Urteil vom 18.12.2008 - 1 K 754/06 - hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die Auflösung der am 21.01.2006 in den Kellerräumlichkeiten in der ... ...straße ... in ... durchgeführten Veranstaltung rechtswidrig war. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Fortsetzungsfeststellungsklagen seien gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog statthaft und auch im Übrigen zulässig. Das erforderliche Feststellungsinteresse sei unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation und der Wiederholungsgefahr zu bejahen. Die auf §§ 1, 3 PolG gestützte Auflösungsverfügung sei rechtswidrig gewesen, weil es sich bei der aufgelösten Veranstaltung um eine öffentliche Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gehandelt habe, deren Auflösung allein auf dieses Gesetz gestützt werden könne. Die Voraussetzungen des einschlägigen § 13 Abs. 1 Satz 1 VersammlG hätten jedoch nicht vorgelegen. Um die Abwehr bau- und feuerpolizeilicher Gefahren sei es - wie sich aus der schriftlichen Begründung der Auflösungsverfügung und der Art des Vorgehens der Polizeikräfte ergebe - ersichtlich nicht - jedenfalls nicht ausschließlich - gegangen. 11 Zur Begründung ihrer vom Senat mit Beschluss vom 19.02.2010 - 1 S 677/09 - zugelassenen Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor: Die Auflösung der am 21.01.2006 durchgeführten Veranstaltung sei rechtmäßig gewesen. Es habe sich bei dieser Veranstaltung nicht um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes gehandelt. Unter den Schutzbereich der Versammlungsfreiheit fielen nur solche Veranstaltungen und Aktionen, die durch gemeinschaftliche Kommunikation geprägt seien und die auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung zielten. Eine Musik- bzw. Tanzveranstaltung werde nicht allein dadurch zur geschützten Versammlung, dass bei ihrer Gelegenheit auch Meinungen bekundet würden. Die hier im Streit stehende Veranstaltung habe ihrem Gesamtgepräge nach einen ganz überwiegend unterhaltenden Schwerpunkt gehabt. Sie habe sich weitgehend auf den Konsum des Konzerts und das entsprechende Vergnügen unter Gleichgesinnten beschränkt. Selbst wenn man davon ausgehe, dass bei Skinheadkonzerten die Festigung und Verbreitung rechtsextremer Orientierungen bei Jugendlichen einen gewünschten Nebeneffekt darstelle, führe dies nicht dazu, dass eine solche Veranstaltung ihrem Gesamtgepräge nach ihren Unterhaltungscharakter verliere. Unabhängig vom Versammlungscharakter der Veranstaltung habe die Auflösung aufgrund der konkret vorliegenden bau- und feuerpolizeilichen Gefahren auf die §§ 1, 3 PolG gestützt werden können. Die Polizeibehörde habe ihre Maßnahmen ausdrücklich auch mit bau- und feuerpolizeilichen Gefahren begründet. Da der fensterlose Veranstaltungsraum lediglich über einen schwer begehbaren Aus-/Eingang verfügt habe, sei die Beklagte am 21.01.2006 wegen ihrer Kenntnisse um die räumlichen Verhältnisse und die erhebliche Teilnehmerzahl zum Schutz von Leben und Gesundheit der Veranstaltungsteilnehmer sogar verpflichtet gewesen, die Veranstaltung aufzulösen. Die auf der Auflösung beruhende Beeinträchtigung der Versammlung stelle lediglich eine Nebenfolge dar, so dass die aus bau- und feuerpolizeilichen Gründen notwendig gewesenen Maßnahmen auf das allgemeine Polizeirecht gestützt werden dürften. 12 Die Beklagte beantragt, 13 das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2008 - 1 K 754/06 - zu ändern und die Klagen abzuweisen. 14 Die Kläger beantragen, 15 die Berufung zurückzuweisen. 16 Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Ergänzend führen sie aus, die Auflösung der Versammlung habe auch nicht wegen angeblich vorliegender bau- oder feuerpolizeilicher Gefahren auf die §§ 1, 3 PolG gestützt werden können. Sofern mit solchen Maßnahmen mittelbar Einschränkungen des Versammlungsrechts verbunden seien, dürften diese allenfalls eine zwangsläufige Nebenfolge, nie jedoch (auch nur teilweise) ihr eigentlicher Zweck sein. Vorliegend sei jedoch eine Einschränkung des Versammlungsrechts bezweckt gewesen. Die bau- bzw. feuerpolizeilichen Gründe für die Auflösung der Versammlung seien lediglich vorgeschoben gewesen. 17 In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat wurde der als amtliche Auskunftsperson geladene Einsatzleiter, Herr POR ..., informatorisch angehört. Er gab an, dass er nach den ihm vorliegenden Erkenntnissen davon ausgegangen sei, dass das Konzert in einem Kellerraum stattfinden werde. Er habe den Leiter des Ordnungsamts der Beklagten entsprechend unterrichtet. Dieser erklärte, die örtlichen Verhältnisse auf dem Grundstück ...straße ... seien ihm bekannt gewesen. 18 Dem Senat liegen die einschlägigen Akten der Beklagten, der Polizeidirektion ... und des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor. Hierauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. Dezember 2008 - 1 K 754/06 - geändert. Die Klagen werden abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die Revision wird nicht zugelassen.
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VG Trier Disziplinarkammer
Rheinland-Pfalz
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01.04.2014
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Randnummer 1 Die Klägerin betreibt die Zurückstufung des Beklagten um zwei Endgrundgehaltstufen. Randnummer 2 Der am ... Juni 1949 geborene Beklagte steht als Amtsrat im Dienst der klagenden Verbandsgemeinde. Nach der Volksschule besuchte er von 1964 bis 1966 die Handelsschule in ... Am 15. Juni 1966 begann er eine Verwaltungslehre bei der Bezirksregierung ... und wurde beim Landratsamt ... ausgebildet. Die Lehrabschlussprüfung legte er am 14. März 1968 ab. Mit Wirkung vom 16. April 1968 wurde der Beklagte zum Regierungsinspektorenanwärter auf Widerruf der Bezirksregierung ernannt. Am 15. März 1971 bestand er die Prüfung für den gehobenen nichttechnischen Dienst in der Kommunalverwaltung und in der staatlichen inneren Verwaltung. Mit Wirkung vom 16. April 1971 wurde er zum Regierungsinspektor z.A. ernannt. Zum 1. September 1972 trat er in den Dienst der Verbandsgemeinde B... als Verbandsgemeindeinspektor z.A. ein. Nachfolgend wurde der Beklagte zum 15. Oktober 1973 zum Verbandsgemeindeinspektor, zum 1. Januar 1975 zum Verbandsgemeindeoberinspektor, zum 26. Februar 1981 zum Verbandsgemeindeamtmann und zum 1. Oktober 1986 zum Amtsrat bei der Verbandsgemeinde B... ernannt. Die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit erfolgte zum 1. August 1976. Randnummer 3 Seit dem 3. März 1982 wurde der Beamte als Ausbilder eingesetzt und seit dem 1. Juli 1986 ist er Leiter der Zentralabteilung. Zum 1. April 2007 wurde er Leiter der Sachgebietsgruppe Organisation. Randnummer 4 In der letzten Anlassbeurteilung vom 3. November 2006 bezüglich der Bewerbung um die Stelle des Büroleiters wurde der Beklagte mit der Gesamtbewertung „C“ (entspricht den Anforderungen) beurteilt. Randnummer 5 Der Beamte ist seit dem 9. März 1973 verheiratet und hat zwei in den Jahren 1974 und 1975 geborene Kinder. Randnummer 6 Disziplinar- und strafrechtlich ist er bislang nicht in Erscheinung getreten. Randnummer 7 Nach Durchführung von Vorermittlungen wegen des Verdachts des Erschleichens von Arbeitszeit bzw. unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst und Anhörung des Beklagten wurde mit Verfügung vom 6. Juni 2013 ein Disziplinarverfahren eingeleitet mit dem Vorwurf, der Beamte habe seit dem 2. August 2005 an mindestens 478 Tagen eine Gehen-Dokumentation unterlassen, um diese zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen. Der Beklagte wurde über seine Rechte belehrt und ihm wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Hiervon machte er unter dem 16. August 2013 Gebrauch. Er räumte den Vorwurf vollumfänglich ein und bedauerte sein Verhalten. Randnummer 8 Das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen wurde unter dem 17. September 2013 erstellt und dem Beklagten wurde Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme gegeben. Randnummer 9 Mit Schreiben vom 15. Oktober 2013 machte der Beamte geltend, dass nicht geklärt sei, ob tatsächlich der Vorwurf bis in das Jahr 2005 zurückreichen dürfe. Es stelle sich die Frage, ob aufgrund der vorliegenden möglichen Datenschutzvereinbarungen eine derart lange Speicherung der Daten aus datenschutzrechtlichen Gründen versagt sei. Auch seien sein Verhalten während des Disziplinarverfahrens und seine persönliche Situation nicht ausreichend gewürdigt. Randnummer 10 Nach Mitteilung, dass beabsichtigt sei, Disziplinarklage zu erheben, fand eine weitere abschließende Anhörung am 12. November 2013 statt. Randnummer 11 Am 2. Dezember 2013 hat die Klägerin die vorliegende Disziplinarklage erhoben, mit der sie die Zurückstufung des Beklagten in das Amt eines Verbandsgemeindeoberinspektors betreibt. Dem Beklagten wird vorgeworfen, in der Zeit vom 2. August 2005 bis einschließlich 25. Januar 2013 an 478 Arbeitstagen nach Dienstende die Dienststelle verlassen zu haben, ohne dies am Zeiterfassungsgerät mit einer „Gehen-Buchung“ zu dokumentieren. Nach einiger Zeit, überwiegend gegen Ende der Nachmittagsgleitzeit (Ausnahme: freitags) habe er die Verwaltung wieder aufgesucht, sich Zutritt mit seinem persönlichen Chip ermöglicht und am Zeiterfassungsgerät die „Gehen-Buchung“ nachgeholt. Die Zutrittszeiten an der Haupteingangstür seien sekundengenau bei der Auslösung erfasst. Am Zeiterfassungsgerät, das sich von der Eingangstür nur wenige Meter entfernt befinde, sei von ihm fast immer in der gleichen Minute die „Gehen-Dokumentation“ erfolgt. Die Zeiten ab Verlassen der Dienststelle bis zum Ende der Gleitzeit seien ihm auf seinem Arbeitszeitkonto als geleistete Arbeitszeit gutgeschrieben. Der Sachverhalt sei belegt durch die Aufzeichnungen des Zeiterfassungsgeräts und die Zutrittschronik der Eingangstür. Der Beamte habe den Vorwurf im Disziplinarverfahren zudem eingeräumt. Randnummer 12 In disziplinarrechtlicher Hinsicht habe er gegen seine Anwesenheitspflicht und seine Pflicht zur ordnungsgemäßen Registrierung der Anwesenheitszeiten verstoßen. Ihm sei ein unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst vorzuhalten. Der Verstoß gegen die Dienstvereinbarung über die gleitende Arbeitszeit, mit der er sich ungerechtfertigte Arbeitszeitgutschriften verschafft habe, stelle zudem einen Verstoß gegen die Gehorsamspflicht dar. Da der Beklagte seit dem 1. Juli 1986 Leiter der Zentralabteilung sei und seit dem 1. April 2007 Leiter der Sachgebietsgruppe Organisation und als solcher maßgeblich für die Einführung der gleitenden Arbeitszeit im Jahr 1997 verantwortlich gewesen sei, habe er zudem in besonderem Maße gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten verstoßen. Er habe die seit dem 15. Juni 2002 geltende Dienstvereinbarung selbst erstellt und sei über Jahrzehnte auch Ausbilder bei der Verbandsgemeindeverwaltung B... gewesen. Diese herausgehobene Vertrauens- und Vorbildstellung habe er in besonderem Maße missbraucht. Randnummer 13 Im Rahmen der Bemessung der Disziplinarmaßnahme sei zu berücksichtigen, dass er die vorsätzlichen Dienstpflichtverletzungen über mehrere Jahre begangen habe. Der materielle Schaden könne zwar nicht genau beziffert werden, dürfte jedoch aufgrund der vielen Verfehlungen erheblich sein. In Anbetracht des Eingeständnisses, des unmittelbar bevorstehenden Ruhestandes und der Erkrankung seiner Ehefrau sei die Zurückstufung des Beklagten um zwei Endgrundgehaltstufen angemessen. Randnummer 14 Die Klägerin beantragt, Randnummer 15 den Beklagten in das Amt eines Verbandsgemeindeoberinspektors zurückzustufen. Randnummer 16 Der Beklagte beantragt, Randnummer 17 auf eine mildere Disziplinarmaßnahme zu erkennen. Randnummer 18 Er trägt vor, im Rahmen der Bestimmung der Disziplinarmaßnahme müsse sein Verhalten während des Disziplinarverfahrens angemessen gewürdigt werden. Er habe zu keinem Zeitpunkt dem Vorwurf widersprochen. Er habe sein größtes Bedauern zum Ausdruck gebracht und gleichzeitig angeboten, den entstandenen Schaden großzügig zu beheben. Er sei unsagbar beschämt darüber, dass er über einen langen Zeitraum seine Dienstpflichten verletzt habe. Auch wenn die schwere Erkrankung seiner Ehefrau sein Verhalten nicht rechtfertigen könne, so verweise er dennoch auf die besondere psychische Belastung in den letzten Jahren. Auch der Versuch, die Fassade gegenüber den Kindern als auch der Allgemeinheit aufrechtzuerhalten, habe von ihm vieles abverlangt. Bei seiner Ehefrau sei im Jahr 1977 Multiple Sklerose mit sekundär-chronisch-progredientem Verlauf festgestellt worden. Aufgrund der Erkrankung an der Wirbelsäule seien in den Jahren 2001, 2008, 2009 und 2011 Operationen erforderlich geworden. Seit dem Jahr 2008 bestehe bei der Ehefrau ein GdB von 100, der sich seit 1981 stetig erhöht habe. Ab Juli 2010 sei ihr die Pflegestufe 1 gewährt worden. Er allein sei für die häusliche Pflege zuständig. Wegen der erheblichen Mengen an Cortison, die die Ehefrau gegen die Erkrankung erhalten habe, sei sie inzwischen auch an Osteoporose erkrankt. Daneben sei das nunmehr geführte Disziplinarverfahren besonders belastend für ihn, insbesondere, da er zu Hause in seiner Ehefrau kein Gegenüber finde, mit dem er diese besondere Situation aufarbeiten könne. Gleichzeitig habe er dennoch auch nach Einleitung des Disziplinarverfahrens unverändert seinen Dienst für die Verbandsgemeindeverwaltung verrichtet. Er habe zu keinem Zeitpunkt komplett das Vertrauen des Dienstherrn verloren und sei seither bemüht, den entstandenen Vertrauensschaden wiedergutzumachen. Randnummer 19 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie die Personal- und Disziplinarakten verwiesen. Diese lagen dem Gericht vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.
Der Beklagte wird in das Amt eines Verbandsgemeindeoberinspektors zurückgestuft. Die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen des behördlichen Disziplinarverfahrens trägt der Beklagte. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner bleibt nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Vollstreckungsgläubigerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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VG Berlin 21. Kammer
Berlin
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26.10.2021
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Randnummer 1 Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Bestattungskosten. Randnummer 2 Er ist 57 Jahre alt und betreibt in Berlin eine Arztpraxis. Er ist der Sohn des aus Rumänien stammenden, zuletzt geschiedenen und im Februar 2018 verstorbenen Herrn C ... (*6 ... ). Nachdem der Betreuer des Verstorbenen dem Gesundheitsamt des Bezirksamts Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin mitgeteilt hatte, Angehörige seien nicht bekannt, und auch weitere Ermittlungen des Gesundheitsamtes ergebnislos geblieben waren, gab es die Bestattung des Verstorbenen auf einem landeseigenen Friedhof in Berlin in Auftrag. Ende 2018 hörte das Gesundheitsamt den nunmehr bekannt gewordenen Kläger zur Kostenerstattung an. Dieser teilte zunächst mit, er beabsichtige, beim Sozialamt einen Kostenübernahmeantrag zu stellen, und erklärte schließlich mit anwaltlichem Schreiben, es bestehe nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches zum Elternunterhalt von Kindern keine Pflicht zur Kostenerstattung, weil der Verstorbene, als er ihm noch unterhaltspflichtig gewesen sei, seine Unterhaltspflicht wie auch seine Fürsorgepflicht gröblich verletzt habe. Kurz darauf teilte der Kläger mit, er habe das Erbe ausgeschlagen, außerdem existiere noch eine Tochter C ... und natürlich die Erbin seiner verstorbenen Schwester. In der Folge ermittelte das Gesundheitsamt, dass der Verstorbene nur eine Tochter hatte (N ... , geb. G ... *1 ... ) und diese 2010 verstorben war, und zog den Kläger mit Bescheid vom 12. Juni 2019 zur Erstattung der Bestattungskosten von insgesamt 1.198,51 € heran. Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, sein Vater sei in keiner Weise seinen Pflichten gerecht geworden. Er habe zum Beispiel 1970 versucht, ihn und seine Schwester ohne das Wissen der Mutter nach Rumänien in ein Internat zu verbringen. Erst am Flughafen sei das Vorhaben verhindert worden. Außerdem habe er in den 80er Jahren absichtlich auf seinen (des Klägers) Namen Getränke und Flugreisen bestellt, so dass er mit unberechtigten Forderungen überzogen worden sei. Unterlagen seien hierzu aber nicht mehr vorhanden. Das Gesundheitsamt wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2020 zurück. Der Bescheid wurde ausweislich der Postzustellungsurkunde dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 15. Mai 2020 zugestellt. Randnummer 3 Mit der am 19. Juni 2020 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren unter Wiederholung seines Vorbringens im Verwaltungsverfahren weiter. Er trägt zudem vor, der Widerspruchsbescheid sei in der Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten erst am 19. Mai 2020 zugestellt worden. Randnummer 4 Der Kläger beantragt, Randnummer 5 den Bescheid des Bezirksamtes Charlottenburg-Wilmersdorf von Berlin vom 12. Juni 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2020 aufzuheben. Randnummer 6 Der Beklagte beantragt, Randnummer 7 die Klage abzuweisen. Randnummer 8 Er trägt vor, die Klage sei wegen Verfristung bereits unzulässig, zudem unbegründet. Randnummer 9 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte des Gerichts einschließlich des Verwaltungsvorganges des Beklagten Bezug genommen. Die genannten Unterlagen haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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LG Wiesbaden 4. Zivilkammer
Hessen
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07.06.2022
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Der Kläger nimmt den Beklagten mit der am 9.1.2021 zugestellten Klage als Miterben und Rechtsnachfolger des Erblassers XXX aus Insolvenzanfechtung in Anspruch. Am 2.1.2017 wurde über das Vermögen der XXX(Schuldnerin) das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Konzeptgemäß bestand die Tätigkeit der Schuldnerin allein darin, von Anlegern Gelder einzuwerben und diese auf der Grundlage eines Rahmenkreditvertrags in Tranchen an die XXX GmbH & Co. KG ( nachfolgend: XXX) auszuleihen. Zu diesem Zweck schloss die Schuldnerin mit den Anlegern jeweils so genannte zweigliedrige stille Gesellschaftsverträge. Auch der Erblasser beteiligte sich auf diese Weise aufgrund Beitrittserklärung im Rahmen des Angebots XXX vom 27.2.2011 mit einer Einlage i.H.v 15.000 Euro zuzüglich Agio an der Schuldnerin. Der Erblasser erhielt die Anlegernummer 20113823. Die Laufzeit endete am 31.3.2014. Gemäß § 3.1 des Beteiligungsvertrags (nachfolgend: SGV) werden für den stillen Gesellschafter – und so auch für den Erblasser – bei der Beteiligungsgesellschaft ein Kapitalkonto und ein Verrechnungskonto geführt, wobei gem. § 3.2 SGV auf dem Kapitalkonto die Einlage des stillen Gesellschafters verbucht wird und gem. § 3.3 SGV alle Buchungen, die nach den nachstehenden Vorschriften nicht die Einlage des stillen Gesellschafters betreffen, über das Verrechnungskonto erfolgen. Für die Ergebnisbeteiligung des stillen Gesellschafters sieht § 6.1 SGV vor, dass von dem Ergebnis der Beteiligungsgesellschaft auszugehen ist, das sich aus dem Jahresabschluss der Beteiligungsgesellschaft gem. § 5.2 SGV vor Berücksichtigung des auf den stillen Gesellschafter und gegebenenfalls weitere stille Gesellschafter entfallenden Ergebnisanteils ergibt. § 5 2. S.1 SGV bestimmt, dass die Beteiligungsgesellschaft ihren Jahresabschluss innerhalb der gesetzlichen Fristen aufstellt, diesen durch einen Abschlussprüfer prüfen lässt und dem stillen Gesellschafter den Jahresabschluss sowie den Bericht des Abschlussprüfers unverzüglich nach dessen Vorliegen zuleitet. Der festgestellte Jahresabschluss der Beteiligungsgesellschaft ist gem. § 5 2. S 2. SGV für den stillen Gesellschafter verbindlich. Der Nominalbetrag von 15.000 Euro wurde am 1.1.2013 dem Kapitalkonto des Erblassers gutgeschrieben. Am 28.5.2014 erfolgte die Rückzahlung des Nominalbetrags von 15.000 Euro an den Erblasser.Vom Verrechnungskonto des Erblassers erfolgten im Zeitraum vom 27.6.2013 bis 8.1.2015 Auszahlungen iHv insgesamt 1.650,84 Euro an den Erblasser. Auf der Grundlage der ursprünglich von der Schuldnerin festgestellten Jahresabschlüsse der Geschäftsjahre 2013 bis 2016 – deren Richtigkeit vom Kläger in Abrede gestellt wird – wären diese Auszahlungen berechtigt gewesen. Im Auftrag des Klägers erstellte die XXX GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft neue Jahresabschlüsse der Schuldnerin zum 31.12.2013, 31.12.2014, 31.12.2015 und 31.12.2016 auf, welche sämtlich ein negatives Ergebnis aufweisen und auf deren Grundlage die Auszahlungen an die Beklagte nicht hätten erfolgen dürfen. Diese Jahresabschlüsse wurden gemäß 5.2 SGV durch die XXX GmbH und Co.KG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft als Abschlussprüfer geprüft und testiert. Die Richtigkeit dieser Jahresabschlüsse ist streitig. Die alten Jahresabschlüsse wurden keiner Abschlussprüfung unterzogen. Der Kläger behauptet, die Schuldnerin habe an die Anleger Scheingewinne und Scheinauseinandersetzungsguthaben auf der Grundlage falscher Jahresabschlüsse ausgezahlt. Für die Anleger verbindlich seien die neu und richtig aufgestellten Jahresabschlüsse der Geschäftsjahre 2013 bis 2016. Diese hätten vertrags- und prospektgemäß eine Verlustbeteiligung des jeweiligen Anlegers zur Folge. Entscheidend sei aber die objektive Ertragslage. Damit hätten weder unterjährig Gewinnbeteiligungen noch bei Beendigung der stillen Gesellschaften (jeweils nach 36 Monaten) Guthaben an die Anleger ausbezahlt werden dürfen. Dies gelte auch für die mit der Klage verfolgten Zahlungen an den Erblasser. Hintergrund dessen sei, dass die von der Schuldnerin investierten Anlegergelder trotz vorgesehener Mittelverwendungskontrolle zweckwidrig für Darlehen innerhalb der Gruppe verwendet worden seien. Das Pfandleihgeschäft der XXX sei im großen Stil vorgetäuscht worden. Die Schuldnerin habe umfassend Gelder ausgereicht, welche nicht dem Anlagezweck entsprochen hätten und auch nicht gemäß den jeweiligen Rahmenkreditverträgen für die einzelnen Anlageprodukte ausgezahlt worden seien. Dies gelte u.a. für sogenannte Zwischenkredite, die die Insolvenzschuldnerin nach den Angaben ihres damaligen geschäftsführenden Kommanditisten XXX zwischen dem 7.7.2011 und 5.8.2013 i.H.v. insgesamt 46.268.582,80 € als gesonderte Darlehen (Zwischenfinanzierungsdarlehen oder Zwischenkredite) ausgereicht habe. Tatsächlich seien im Zeitraum 14.2.2011 bis 5.8.2013 sogar 47.193.582,80 € als Zwischenkredite ausgezahlt worden. Weder Kapital noch Zinsen seien zurückgezahlt worden. Die Verträge über diese Zwischenkredite seien von Herrn XXX und Herrn XXX unterzeichnet worden. Hierbei habe es sich nicht um tranchenweise Pfanddarlehen gehandelt, welche die Schuldnerin entsprechend dem jeweiligen Prospekt an die XXX habe ausreichen und dafür Pfänder als Sicherheit erhalten sollen. Es habe kein Grund bestanden, neben dem jeweiligen bestehenden Rahmenkreditvertrag gesonderte Verträge über „Zwischenkredite“ abzuschließen. Die über diese Zwischenkredite ausgezahlten Gelder seien nicht abgesichert gewesen. Sie seien auch nicht zum Betrieb des Pfandleihgeschäfts ausgereicht oder von dieser dazu eingesetzt worden. Die ursprünglichen Jahresabschlüsse der Schuldnerin zum 31.12.2013 sowie die von ihr erstellten Folgeabschlüsse zum 31.12.2014, 31.12.2015 und 31.12.2016 seien daher nichtig und durch neue zu ersetzen gewesen. Herr XXX habe ausweislich der Veröffentlichung im Bundesanzeiger den Jahresabschluss der Schuldnerin für 2013 am 4.9.2014 aufgestellt. Den Jahresabschluss für 2014 habe die XXX auf- und festgestellt. Soweit Bewertungsfehler wie eine Überbewertung in einem Jahresabschluss zu einer über den einzelnen Bilanzposten hinausgehenden erheblichen Beeinträchtigung führten, begründeten die Mängel die Nichtigkeit des Jahresabschlusses nach den §§ 134,138 BGB (analog). Aufgrund der evidenten Verletzung insbesondere der für das Anlagevermögen einschlägigen allgemeinen und besonderen Bewertungsvorschriften seien mindestens seit dem Geschäftsjahr 2013 die Jahresabschlüsse der Schuldnerin nichtig und somit unwirksam gewesen. Ein nichtiger Jahresabschluss entfalte keine Wirkung und könne daher auch keine Grundlage für darauf aufbauende Handlungen oder Entscheidungen sein. Ein nichtiger Jahresabschluss müsse somit durch einen wirksamen ersetzt werden. Die Ersetzung eines nichtigen Jahresabschlusses durch einen ordnungsgemäßen gelte auch nicht als Änderung, da einem nichtigen Jahresabschluss keine Rechtswirksamkeit zukomme. Wegen des Grundsatzes der Bilanzverknüpfung (§ 252 Abs.1 Nr. 1 HGB) hätten aufgrund der Nichtigkeit des Jahresabschlusses zum 31.12.2013 auch alle folgenden Jahresabschlüsse auch ungeachtet ihrer Nichtigkeit zwingend korrigiert werden müssen. Hieraus ergebe sich, dass es sich iHv 12.644,24 Euro bei der Rückzahlung des Nominalbetrags der Einlage an den Erblasser um die Auszahlung von Scheinguthaben gehandelt habe. Sämtliche Gewinnauszahlungen an den Erblasser ( 1.650,84 €) seien tatsächlich bloße Scheingewinnauszahlungen gewesen ( vgl. Aufstellung Bl. 69,70 d.A.). Sowohl Herrn XXX als auch Herrn XXX sei hinreichend bekannt gewesen, dass die Schuldnerin zusammen mit der XXX ein kriminelles Schneeballsystem betrieben habe. Der Schuldnerin sei insbesondere zurechenbar bekannt gewesen, dass alle Geschäfts- und Bilanzzahlen für 2013, aus denen der alte Jahresabschluss entwickelt worden sei, unzutreffend seien, da hierin der Verlust über 47 Millionen € (Zwischenkredite) nicht ausgewiesen worden sei, die XXX ein reales Pfandleihgeschäft betrieben habe und die an sie ausgereichten Ausleihungen nicht werthaltig gewesen sein, sowie der Umstand, dass an die stillen Gesellschafter mangels erwirtschafteter Gewinne nur Gelder der neu hinzugekommenen Anleger ausgezahlt worden seien. Kopf, Organisator, maßgeblicher Lenker und Entscheider in der XXX Gruppe einschließlich der Schuldnerin sei der mehrfach vorbestrafte Herr XXX gewesen. Das Wissen von Herrn XXX und Herrn XXX sei der Schuldnerin auch fortgesetzt zuzurechnen, da dieses Wissen in der Gesellschaft verblieben sei. Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze des Klägers vom 16.12.2020 2020,16.3. 2021, 28.9.2021, 7.2.2022 und 9.2.2022, und 15.3.3022,16.3.2022,25.4.2022 und 18.5.2022 Bezug genommen (Bl. 1 ff., 126 ff., 202 ff., 313 ff.,345 ff.,470 ff.,476 ff.,498 ff. und 539 ff.der Akte). Der Kläger ist der Auffassung, dass sämtliche streitgegenständliche Zahlungen (insgesamt 14.295,08 Euro) der Insolvenzanfechtung gemäß § 134 InsO unterlägen. Soweit der Beklagte meine, dass die Insolvenzmasse bereits zur Befriedigung der Insolvenzforderungen ausreiche („keine Deckungslücke“), werde darauf verwiesen, dass grundsätzlich schon der Anscheinsbeweis dafür spreche, dass in einem eröffneten Insolvenzverfahren die Insolvenzmasse nicht ausreiche, alle Gläubigeransprüche zu erfüllen. Der Kläger beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 14.295,08 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte ist das Ansicht, dass sämtlichen Leistungen der Schuldnerin an den Erblasser feste Zahlungsvereinbarungen zugrunde lägen, die der Annahme der Auszahlung von Scheingewinnen und Scheinguthaben entgegenstünden. Bei den Auszahlungen habe es sich um zwischen den Vertragsparteien fest vereinbarte Zinszahlungen gehandelt. Die von dem Kläger vorgetragene Behauptung, zwischen der Schuldnerin und dem Erblasser seien gewinnabhängige Ausschüttungszahlungen vereinbart worden, bestätigten weder die Angaben des Verkaufsprospekts noch die Erklärungen der Schuldnerin im Nachgang des Beitritts des Erblassers. Sowohl mittels Angaben mit Flyer, Kurzprospekt ( Anlage B 6) und Verkaufsprospekt ( Anlage B 7 Seiten 4 und 8) als auch im Wege mehrfacher schriftlicher Erklärungen im Nachgang der Zeichnung des Erblassers ( Anlagen B 1-B 3) habe die Schuldnerin anerkannt, dass es sich bei den von ihr jährlich zu entrichtenden Zahlungen um feste Zinsansprüche des Erblassers von 7 % p.a. handele. Gleichfalls habe die Schuldnerin mittels Prospektangaben eingeräumt, dass der beklagten Partei am Ende der Laufzeit von 36 Monaten ein Anspruch auf Rückerstattung der von ihr entrichteten Einlage zu 100 % zustehe. Dies gelte ebenso für die im Jahr 2014 an den Erblasser geleistete Kapitalrückzahlung. Dem stünden die Regelungen des stillen Gesellschaftsvertrags nicht entgegen. Zumindest gingen Zweifel bei der Auslegung der Angaben des Verkaufsprospekts sowie widersprüchliche Angaben des Verkaufsprospekts zulasten des Verwenders, der Insolvenzschuldnerin. Die Beklagtenpartei habe daher darauf vertrauen dürfen, dass gemäß den Angaben im Flyer, Kurzprospekt und Seiten 4 und 8 des Verkaufsprospekts feste Zinszahlungen von 7 % geschuldet sein. Hieran ändere nichts, dass die Beitrittserklärung einen Hinweis enthalte, dass zwischen der Insolvenzschuldnerin und dem Anleger ein stiller Gesellschaftsvertrag zustande komme. Der von dem Kläger zitierte Hinweis der Beitrittserklärung befinde sich mitten im Fließtext und sei nicht hervorgehoben. Aus Sicht des Erblassers habe keine Veranlassung bestanden, davon auszugehen, dass die Beitrittserklärung Erklärungen enthalte, die von den Angaben des Vertriebspartners der Insolvenzschuldnerin abweichen. Die Beklagtenpartei habe die Angaben mit Anlage zur Beitrittserklärung im Zeitpunkt der Zeichnung auch nicht zur Kenntnis genommen. Daher seien seiner Meinung nach die von der Klägerseite zitierten Klauseln des stillen Gesellschaftsvertrags nicht wirksam vereinbart worden. Zwischen den Vertragsparteien sei auch bezogen auf den Kapitalrückerstattungsanspruch des Erblassers keine erfolgsabhängige Vergütung vereinbart worden. Die Schuldnerin habe in den Zeitpunkten der Auszahlungen keine Kenntnis von den von dem Kläger behaupteten Umständen gehabt, dass es sich bei den Zahlungen um Ausschüttungen von Scheingewinnen bzw. Scheinguthaben handelte. In den Zeitpunkten der jährlichen Ausschüttungen an den Erblasser hätten die Schuldnerin bzw. die für die Schuldnerin handelnden Geschäftsführer keine Kenntnis von dem behaupteten Umstand gehabt, dass die gemachten Auszahlungen der Höhe nach nicht durch Gewinne der Schuldnerin gedeckt seien. Auch im Zeitpunkt der Rückzahlung der Nominaleinlage an den Erblasser sei der Schuldnerin bzw. den Geschäftsführern der Schuldnerin nicht bekannt gewesen, dass der Wert der stillen Beteiligung des Erblassers den Wert der Nominalbeteiligung des Erblassers unterschreite, wie von dem Kläger behauptet. Maßgeblich sei insoweit nicht die Kenntnis von einem fehlerhaften, unter Umständen auf Betrug basierenden Geschäftsmodell der Schuldnerin, sondern die Kenntnis von dem Umstand, dass ein Verstoß gegen Anlagerichtlinien zu einem anderen wirtschaftlichen Ergebnis der Schuldnerin geführt habe als in dem die Ausschüttung betreffenden Jahresabschluss ausgewiesen. Vorsorglich werde der gesamte Sachvortrag des Klägers hinsichtlich der Vorgänge innerhalb der Schuldnerin in den Jahren 2011 bis 2015 sowie die behauptete Kenntnis der verschiedenen Geschäftsführer der Schuldnerin über diese Vorgänge in den Zeitpunkten der streitgegenständlichen Auszahlungen an den Erblasser bestritten. Bestritten werde auch, dass die von dem Kläger für die Geschäftsjahre 2013, 2014, 2015 und 2016 neu erstellten Jahresabschlüsse die Geschäftsvorfälle der Schuldnerin in den Jahren 2013 bis 2016 richtig und vollständig wiedergäben. Die Verlustausweise in den neu erstellten Jahresabschlüssen seien unzutreffend, die Rückstellungsbildung 2014 sei fehlerhaft, die Wertberichtigungen 2013 seien ebenfalls fehlerhaft. Wertberichtigungen hätten frühestens im Geschäftsjahr 2017 bilanziert werden können. In diesem Zusammenhang gelte es auch zu berücksichtigen, dass die ursprünglichen Jahresabschlüsse 2013, 2014 und 2015 im Verhältnis zu dem Erblasser und den anderen stillen Gesellschaftern bereits wirksam festgestellt worden seien. Sollten die Feststellungen der Jahresabschlüsse seitens der ehemaligen Geschäftsführer der Schuldnerin fehlerhaft sein, so sei es dem Kläger jedenfalls nach den Grundsätzen gemäß § 242 BGB verwehrt, sich auf diese Unrichtigkeiten zu berufen. Nach Maßgabe des § 242 BGB sei es demjenigen, der für eine fehlerhafte Beschlussfassung verantwortlich sei, verwehrt, sich auf eine von ihm selbst verschuldete Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses zu berufen. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 134 Insolvenzordnung InsO seien somit nicht erfüllt. Der Beklagte bestreitet, dass Forderungen von Gläubigern der Schuldnerin in Höhe des geltend gemachten Zahlungsbetrags bestünden. Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Schriftsätze des Beklagten vom 15.2.2021 (Bl. 92 ff. der Akte) und 29.8.2021 (Bl. 237 ff. der Akte),15.2.2022 ( Bl. 397 ff.d.A.) und 25.2.2022 ( Bl. 441 ff.d.A.) und 28.4.2022 ( Bl. 529 ff. d.A.) Bezug genommen.
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 14.295,08 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.1.2021 zu zahlen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen. 3. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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Verwaltungsgericht des Saarlandes 3. Kammer
Saarland
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25.06.2015
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Randnummer 1 Die die 1977 in Skopje geborene Klägerin zu 1. ist mazedonische Staatsangehörige und rechnet sich dem Volk der Roma zu. Sie ist die Mutter der 2003 in Taranto/Italien geborenen Klägerin zu 2.. Nach ihrer eigenen Angaben zufolge am 30.01.2014 erfolgten Einreise wurden am 04.02.2014 vom Ordnungsamt … persönliche Papiere, darunter ein Reisepass und ein Auszug aus dem Eheregister einbehalten und an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weitergeleitet. Am 05.02.2014 erfolgte die Meldung als Asylsuchende. Am 06.03.2014 wurden die Asylanträge gestellt. Randnummer 2 Zur Begründung ihres Asylbegehrens trug die Klägerin zu 1. im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung am 14.03.2014 vor, sie habe sich früher bereits mehrfach in Italien aufgehalten, um zu arbeiten. Deshalb seien die Klägerin zu 2. und ein im Heimatland verbliebener sechsjähriger Sohn in Italien geboren. Sie, die Klägerin zu 1., sei seinerzeit mit ihrem damaligen Ehemann dort gewesen, von dem sie aber im September 2012 geschieden worden sei. Er habe sie wegen einer anderen Frau verlassen. Sie habe noch einen 19 Jahre alten Sohn und eine fast siebzehnjährige Tochter, die sich ebenfalls noch in Mazedonien aufhielten. Wo sie dort derzeit genau lebten, wisse sie nicht. Sie sei auch schon in Frankreich gewesen. Sie habe auch dort arbeiten wollen, weil sie nach ihrer Scheidung alleinstehend sei und Geld gebraucht habe. Eine Schulausbildung habe sie nicht. In Frankreich habe sie auch einen Asylantrag gestellt. Schließlich habe sie jedoch ihren Pass zurückverlangt und sei freiwillig nach Mazedonien zurückgekehrt. Sie sei etwa vier Monate lang in Frankreich geblieben, bis wann genau, könne sie nicht mehr sagen. Ihre Eltern seien schon tot. Geschwister habe sie nicht. Die Eltern hätten auch keine Geschwister gehabt. Auch Freunde und Bekannte habe sie im Heimatland keine. In Wuppertal lebe eine Freundin. Nach ihrer Scheidung habe sie zunächst mit ihren Kindern in einer kleinen Mietwohnung in Skopje gewohnt. Sie habe dann sogleich eine Putzstelle in einem nahe gelegenen Geschäft eines Albaners angenommen. Nach etwa einer Woche seien drei andere Albaner dorthin gekommen, die sie unter dem Vorwand, eine bessere Putzstelle für sie zu haben, mitgenommen hätten. Danach sei sie von den Albanern aber festgehalten und zur Prostitution gezwungen worden. Sie hätten sie ab September 2012 bis zu ihrer Ausreise aus Mazedonien im Februar 2014, insgesamt zwei Jahre lang, in ihrer Gewalt gehabt. In Mazedonien habe sie sich in dieser Zeit immer an verschiedenen Orten aufgehalten, meistens außerhalb von Ortschaften. Dort habe man ihr dann die Kundschaft zugeführt. Zuletzt sei sie noch für eine Woche nach Kosovo verbracht worden. Mindestens einer der drei Albaner sei immer in der Nähe gewesen und habe auch das Geld kassiert. So habe sie nie Gelegenheit gehabt, den Albanern zu entkommen. Sie selbst habe kein Geld erhalten, sondern man habe sie sogar geschlagen und ihr bis zu zwei Tage lang nichts zu essen gegeben. Sie habe immer nur geweint. Eines Tages sei eine Frau zu ihr gekommen, die ebenfalls für diese Albaner als Prostituierte gearbeitet habe. Weil sie immer nur geweint habe, müsse sie Mitleid mit ihr gehabt haben. Sie habe ihr geholfen. Sie habe diese Frau allerdings insgesamt nur zweimal für jeweils 10 Minuten gesehen. Beim zweiten Mal habe diese zwei Männer mitgebracht. Es sei nachts gewesen. Man habe sich in einem abgelegenen Haus aufgehalten. Einer der Männer habe sich als Kunde ausgegeben. Sie sei dann durch eine Hintertür des Hauses zu einem wartenden Kombi geflüchtet. In diesem Fahrzeug sei sie sofort auf einem ihr nicht bekannten Reiseweg nach Deutschland gebracht worden. Die Fahrt habe zwei Tage lang gedauert. Während dieser Zeit habe sie den Kombi nicht verlassen können. Sie habe das Fahrzeug nicht einmal verlassen, um zur Toilette zu gehen. Anlässlich der Reise nach Deutschland habe die Frau, die ihr geholfen habe, die Klägerin zu 2. zu ihr gebracht, so dass man habe gemeinsam ausreisen können. Wegen des damit verbundenen Aufwandes sei es nicht möglich gewesen, auch die anderen drei Kinder zu ihr zu bringen. Im Falle einer Rückkehr nach Mazedonien befürchte sie, von den Albanern umgebracht zu werden. Sie befürchte auch eventuell in Haft genommen zu werden, weil sie in Mazedonien einmal Probleme mit dem Gericht gehabt habe. Weil sie ihre Kinder nicht zur Schule geschickt habe, sei ihr eine Geldstrafe auferlegt worden, die sie nicht habe bezahlen können, so dass ihr Gefängnis angedroht worden sei. Außerdem komme es in Mazedonien generell immer wieder zu Problemen mit Albanern, die ganz Mazedonien beherrschten. Randnummer 3 Eine Überstellung der Klägerinnen nach Frankreich gemäß Dublin-Verordnung war nicht möglich. Mit Schreiben vom 17.4.2014 teilte die zuständige französische Behörde mit, dass die Klägerin zu 1., die dort laut Eurodac-Abgleich am 07.12.2012 Asyl beantragt hatte, am 12.3.2013 nach Ablehnung des Asylantrages und unter Inanspruchnahme dazu bereitgestellter Rückkehrhilfen freiwillig in ihr Herkunftsland zurückgekehrt sei. Randnummer 4 Mit Bescheid vom 17.06.2014 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerinnen auf Anerkennung als Asylberechtigte ab und verweigerte die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Zudem wurde der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG nicht vorliegen. Zugleich wurden die Klägerinnen unter Androhung der Abschiebung nach Mazedonien zur Ausreise aufgefordert. Zur Begründung wird ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte lägen nicht vor. Randnummer 5 Die Klägerinnen seien keine Flüchtlinge im Sinne der gesetzlichen Definition des § 3 AsylVfG. Randnummer 6 Bei einer Rückkehr nach Mazedonien hätten sie keine Verfolgungsmaßnahmen im Sinne der genannten Vorschrift durch den Staat zu befürchten. Eine gezielte und systematische politische Verfolgung bestimmter Gruppen wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit, Religion, Nationalität oder politischen Überzeugung finde nicht statt. Bei den Menschen- und Minderheitenrechten setze die Verfassung hohe Standards und diese würden im Allgemeinen respektiert. Randnummer 7 Die Klägerinnen hätten auch keine im Rahmen der Prüfung des § 3c Nr. 3 AsylVfG zu berücksichtigenden schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen seitens nichtstaatlicher Dritter zu befürchten. Vorkommende Benachteiligungen drohten im Allgemeinen nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Diskriminierungen erreichten, wenn es dazu komme, in aller Regel nicht das für eine Schutzgewährung erforderliche Maß an Intensität, wie es in § 3a Abs. 1 und 2 AsylVfG umschrieben werde. Randnummer 8 Aus dem Vortrag der Klägerinnen ergäben sich keine Anhaltspunkte, wonach sie dennoch persönlich bei Rückkehr mit staatlichen oder relevanten nichtstaatlichen Repressionsmaßnahmen zu rechnen hätten. Randnummer 9 Die Klägerinnen hätten auch keine im Rahmen der Prüfung des § 3c Nr. 3 AsylVfG zu berücksichtigenden schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen seitens nichtstaatlicher Dritter zu befürchten. Vorkommende Benachteiligungen drohten im Allgemeinen nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit. Diskriminierungen erreichten, wenn es dazu komme, in aller Regel nicht das für eine Schutzgewährung erforderliche Maß an Intensität, wie es in § 3a Abs. 1 und 2 AsylVfG umschrieben werde. Randnummer 10 Aus dem Vortrag der Klägerinnen ergäben sich keine Anhaltspunkte, wonach sie dennoch persönlich bei Rückkehr mit staatlichen oder relevanten nichtstaatlichen Repressionsmaßnahmen zu rechnen hätten. Randnummer 11 Insbesondere aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der Roma oder aus sonstigen individuellen Gründen hätten die Klägerinnen keine Verfolgungsmaßnahmen bei einer Rückkehr nach Mazedonien zu befürchten. Randnummer 12 Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass Diskriminierungen von ihrer Art, Intensität und Kumulation her einen echten Vertreibungsdruck durch Schaffung einer ausweglosen Lage erzeugen und damit flüchtlingsschutzrechtlich das für eine Schutzgewährung zu fordernde Maß an Schwere erreichen. Randnummer 13 Das gelte hier insbesondere für die Behauptung der Klägerin zu 1., sie befürchte im Falle einer Rückkehr nach Mazedonien unter anderem eine Inhaftierung, weil sie dort wegen Verstoßes gegen die Schulpflicht bezüglich der Kinder gerichtlich zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei, die sie aber nicht habe zahlen können. Randnummer 14 Abgesehen davon, dass mangels entsprechender Substantiierung nicht nachvollziehbar sei, ob und unter welchen konkreten Umständen die Klägerin zu 1. in Mazedonien mit einer solchen Maßnahme überzogen worden sein sollte, lägen schon unter Berücksichtigung oben gemachten Ausführungen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass sie in diesem Zusammenhang in ihrem Heimatland einer nach Art und Ausmaß hier beachtlichen Beeinträchtigung, etwa im Sinne einer Betroffenheit in asylerheblichen Merkmalen, unterworfen gewesen sein könne oder im Falle einer Rückkehr dorthin eine solche befürchten müsse. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass es in diesem Zusammenhang zu hier beachtlichen Übermaßreaktionen seitens staatlicher Stellen käme. Im Bereich des Schulzugangs sei nach den Erkenntnissen des Bundesamtes nicht von einer Benachteiligung von Roma auszugehen. Randnummer 15 Soweit die Klägerinnen vorgetragen hätten, sie hätten wegen ihrer Roma-Volkszugehörigkeit generell mit albanischen Volkszugehörigen in Mazedonien Probleme gehabt, könne dieses Vorbringen nicht zu Flüchtlingsschutz oder Asyl führen. Randnummer 16 Als ärmste ethnische Gruppe in der ohnehin überwiegend ärmlichen Gesamtbevölkerung seien die Roma in ihrer Alltagserfahrung Vorurteilen bzw. Diskriminierungen ausgesetzt. Diese seien nach allgemeiner Auffassung im Lande primär sozial und nicht rassistisch motiviert. Insbesondere im ländlichen Bereich, weniger in der Hauptstadt oder anderen größeren Städten, stießen Roma auch auf gesellschaftliche Ablehnung. Organisierte Gewalt-Aktionen oder gar Pogrome gegen Roma gebe es nicht. Fälle krimineller Bedrohungen und Gewalt sind in der Regel ohne ethnischen Bezug. Randnummer 17 Davon sei im vorliegenden Fall auch hinsichtlich des Vorbringens auszugehen, dass die Klägerin zu 1. durch drei Albaner in Mazedonien zwei Jahre lang festgehalten und zur Prostitution gezwungen worden sei. Randnummer 18 Auch nach ihrem eigenen Vorbingen handele es sich dabei allenfalls um eine rein kriminalrechtlich zu beurteilende Tat durch die eine wirtschaftliche Notlage der Klägerin zu 1. nach ihrer Scheidung ausgenutzt worden sei, ohne dass ihre ethnische Zugehörigkeit dabei ausschlaggebend gewesen sei. Randnummer 19 Allerdings sei hier insgesamt schon nicht glaubhaft, dass es überhaupt in dem durch die Klägerin zu 1. beschriebenen Sinne zu einer zweijährigen Freiheitsberaubung und dem Zwang zur Prostitution gekommen sein könne. Randnummer 20 Die Klägerin zu 1. habe bei ihrer Anhörung erklärt, sie sei ca. zwei Jahre lang, aber jedenfalls seit einem Zeitpunkt kurz nach ihrer Scheidung im September 2012 bis zum Februar 2014, in der Gewalt von drei Albanern gewesen. Dies könne schon deshalb nicht stimmen, weil sie nachweislich am 7.12.2012 in Frankreich einen Asylantrag gestellt und sich bis zu ihrer freiwilligen Rückkehr nach Mazedonien am 12.3.2013 dort aufgehalten habe. Sie habe diesen Aufenthalt auch selbst eingeräumt und erklärt, sie sei nach Frankreich gereist, um dort Arbeit zu suchen. Die Klägerin zu 1. hatte sich nach ihren eigenen Angaben zu Arbeitszwecken auch früher schon im Ausland aufgehalten und etwa größere Zeiträume in Italien verbracht, wo die Klägerin zu 2. und ein jüngerer Bruder von ihr geboren worden seien. Randnummer 21 Für die behauptete Freiheitsberaubung durch drei Albaner bliebe somit allenfalls ein Zeitraum von ca. 10 Monaten. Randnummer 22 Es könne aber auch nicht stimmen, dass die Klägerin zu 1., unmittelbar vor ihrer Reise nach Deutschland noch ca. eine Woche lang im Kosovo festgehalten worden sein wolle, bevor sie von dort habe fliehen können. Sie habe selbst angegeben, am 8.2.2014 in Deutschland eingereist zu sein. Im Ausländerzentralregister sei allerdings eine Einreise bereits am 30.1.2014 vermerkt. Letzteres stimme mit Stempelabdrücken in ihrem Reisepass und dem Reisepass der Klägerin zu 2. überein, wonach sie gemeinsam am 29.1.2014 von Mazedonien aus nach Kosovo eingereist und die Reise dann am 30.1.2014 über Serbien und Ungarn fortsetzt hätten. Randnummer 23 Dann könne die Klägerin zu 2. aber auch nicht, wie von ihrer Mutter behauptet, erst im Kosovo zu ihr gestoßen sein. Beide hätten ihre Reise laut ihren Reisepässen gemeinsam in Mazedonien begonnen. Randnummer 24 Unglaubhaft sei insbesondere auch die Behauptung der Klägerin zu 1., ihre Flucht aus der Gewalt der drei Albaner sei gelungen, weil ihr eine Frau, die ebenfalls für die Albaner als Prostituierte gearbeitet habe, dabei geholfen habe. Dabei soll es lediglich zweimal und jeweils für ca. 10 Minuten zu einer Begegnung mit dieser Frau gekommen sein. Randnummer 25 Es sei schon abwegig, dass eine Frau, die sich in vergleichbarer Situation wie Klägerin zu 1. befunden haben soll, das Risiko eingegangen wäre, angesichts der von der Klägerin zu 1. erklärten Gewalttätigkeit der Albaner ihre Gesundheit und eventuell sogar ihr Leben zu riskieren, um der Klägerin zu 1. die Flucht zu ermöglichen. Randnummer 26 Es sei auch nicht davon auszugehen, dass die Albaner, von denen mindestens einer ständig in unmittelbarer Nähe der Klägerin zu 1. gewesen sei, den Fluchtversuch nicht rechtzeitig bemerkt und verhindert haben sollte, zumal eine Hintertür in dem Gebäude, in dem man sich zuletzt befunden habe, auch den Albanern als Fluchtmöglichkeit bekannt gewesen sein dürfte. Randnummer 27 Es sei auch nicht davon auszugehen, dass die Klägerin zu 1. zum Zeitpunkt ihrer Flucht aus der „Gefangenschaft" durch drei Albaner im Besitz ihres Reisepasses gewesen wäre. Randnummer 28 Schwer vorstellbar sei auch, dass die Klägerin zu 1. dann mit ihrer Tochter von dort aus sofort nach Deutschland gebracht worden sei, wobei man während der zweitägigen Fahrtdauer nicht ein einziges Mal das Fahrzeug verlassen habe, etwa auch nur, um zur Toilette zu gehen, zumal nach den Einträgen in den Reisepässen mehrere Grenzkontrollen ordnungsgemäß passiert worden seien. Randnummer 29 Unklar sei dabei auch geblieben, wie und wo die Zusammenführung der Klägerin zu 1. und ihrer Tochter, der Klägerin zu 2., genau erfolgt sein soll. Randnummer 30 Aber auch bei Wahrunterstellung des weitere Ungereimtheiten enthaltenden Sachvortrages sei nicht ersichtlich, wieso es nicht innerhalb Mazedoniens möglich gewesen sein sollte, einer Wiederholung der behaupteten Zwangslage nach der gelungenen Flucht zu entgehen, etwa auch in Landesteilen, in denen die slawische Bevölkerung überwiege, zumal man nachweislich zuletzt in Mazedonien gewesen sei, bevor man die Reise nach Deutschland angetreten habe. Die Behauptung der Klägerin zu 1., dass Mazedonien mittlerweile vollständig von der Volksgruppe der Albaner beherrscht sei, sei nicht stichhaltig. Randnummer 31 Abgesehen davon hätten auch innerhalb Mazedoniens ausreichende Möglichkeiten bestanden, für den Fall, dass die Klägerin zu 1. tatsächlich Opfer von kriminellen Machenschaften der von ihr behaupteten Art geworden sein sollte, bei den zuständigen Sicherheitskräften Schutz und Hilfe zu finden. Randnummer 32 Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 Abs. 1 Nrn. 1-3 AsylVfG) lägen nicht vor. Randnummer 33 Wie bereits im Rahmen der Prüfung zum Asyl und Flüchtlingsschutz festgestellt, konnten die Klägerinnen die vorgetragenen Befürchtungen nicht glaubhaft machen. Randnummer 34 Abschiebungsverbote im Sinne von § 60 Abs. 5 und/oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor. Eine Abschiebung sei gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG unzulässig sei, wenn sich dies aus der Anwendung der Konvention vom 04. November 1950 zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergebe. Da in Bezug auf Art. 3 EMRK eine andere Bewertung als bei der Prüfung des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG (§ 60 Abs. 2 AufenthG 2008) kaum denkbar sei, könne auf die Begründung zur Ablehnung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylVfG verwiesen werden. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse könne nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 WMRK erfüllen. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Mazedonien führten nicht zu der Annahme, dass eine Abschiebung der Klägerin eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstelle. Randnummer 35 Von einer Abschiebung gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in einen anderen Staat solle abgesehen werden, wenn für die Ausländer eine erhebliche und konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit bestehe. Eine auf die Person der Klägerinnen zu beziehende individuelle und konkrete Gefahrenlage im genannten Sinne lasse sich nicht feststellen. Randnummer 36 Die Abschiebungsandrohung beruhe auf § 34 Abs. 1 AsylVfG i.V.m. § 59 AufenthG, die Ausreisefrist von 30 Tagen ergebe sich aus § 38 Abs. 1 AsylVfG. Randnummer 37 Der Bescheid wurde den Klägerinnen persönlich am 27.06.2014 zustellt. Randnummer 38 Am 02.07.2014 haben sie die vorliegende Klage erhoben. Randnummer 39 Zur Begründung machen sie geltend, die Volksgruppe der Roma sei in Mazedonien einer weit verbreiteten Diskriminierung ausgesetzt. Im Falle einer zwangsweisen Rückführung kämen sie in eine gänzlich ausweglose Lage. Außerdem drohe ihnen geschlechtsspezifische Verfolgung. Randnummer 40 Die Klägerinnen beantragen, Randnummer 41 die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 17.06.2014 zu verpflichten, ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, Randnummer 42 hilfsweise Randnummer 43 ihnen subsidiären Schutz gemäß § 4 Abs. 1 AsylVfG zuzuerkennen Randnummer 44 hilfsweise, Randnummer 45 festzustellen, dass einer Abschiebung nach Mazedonien Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG entgegenstehen. Randnummer 46 Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid schriftsätzlich beantragt, Randnummer 47 die Klage abzuweisen. Randnummer 48 Die Kammer hat den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerinnen durch Beschluss vom 29.05.2015 zurückgewiesen. Randnummer 49 Die Klägerin zu 1. wurde im Rahmen der mündlichen Verhandlung zu ihrem Verfolgungsschicksal informatorisch befragt. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Randnummer 50 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten. Dieser war ebenso wie die Dokumentation Mazedonien Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens tragen die Klägerinnen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
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Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 80. Senat
Berlin
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12.02.2015
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Randnummer 1 Der im Jahre 1955 in Berlin geborene Beklagte besuchte von 1961 bis 1971 eine Grund- bzw. Hauptschule und absolvierte bis 1974 eine Berufsausbildung zum Kfz-Schlosser. Nach Tätigkeiten bei verschiedenen Unternehmen u.a. im EDV-Bereich und einer kurzen Zeit der Arbeitslosigkeit wurde er mit Wirkung vom 1. April 1986 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Justizvollzugsassistenten ernannt. Nachdem der Beklagte die Laufbahnprüfung für den allgemeinen Vollzugsdienst an Justizvollzugsanstalten bestanden hatte, wurde er mit Wirkung vom 1. Oktober 1987 zum Beamten auf Probe ernannt. Am 2. Oktober 1989 wurde der Beklagte zum Beamten auf Lebenszeit ernannt. Zuletzt wurde er mit Wirkung vom 1. März 2001 zum Justizvollzugsamtsinspektor befördert. Seit Januar 2000 verrichtete der Beklagte seinen Dienst in der Zentralen IT-Stelle der Berliner Justizvollzugsanstalten in der Justizvollzugsanstalt X. Im Januar 2009 wurde er in die Serviceeinheit Finanzen der Justizvollzugsanstalt X umgesetzt. In der bisher letzten dienstlichen Beurteilung vom 19. Februar 2008 sind die dienstlichen Leistungen des Beklagten mit „C“ („Der Beamte zeigt Leistungen, die den Anforderungen entsprechen“) beurteilt worden. In der Zeit von Anfang August 2010 bis Ende Juli 2014 war er dienstunfähig erkrankt. Seit dem 1. Oktober 2014 verrichtet der Beklagte seinen Dienst in der Justizvollzugsanstalt Y an der ... . Randnummer 2 Der Beklagte ist seit 1975 verheiratet. Mit seiner Ehefrau hat er eine gemeinsame Tochter, die im Jahre 1974 geboren worden ist. Der Beklagte erhält Dienstbezüge nach der Besoldungsgruppe A 9 S. Er ist disziplinarrechtlich nicht vorbelastet. Randnummer 3 Mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 10. Juni 2009 [(...] setzte das Amtsgericht Tiergarten gegen den Beklagten wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften gemäß § 184b Abs. 4 StGB eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten fest, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. In der strafgerichtlichen Entscheidung wird dem Beklagten zur Last gelegt: Am 20. November 2008 seien anlässlich einer polizeilichen Durchsuchung seiner Wohnung ein PC mit zwei Festplatten und eine externe Festplatte aufgefunden worden. Diese Festplatten hätten insgesamt mindestens 3.434 Bild- und Videodateien enthalten, die ohne Bezug zu anderen Lebenssachverhalten in einer den Menschen zum bloßen Objekt geschlechtlicher Begierde degradierenden Weise vor und an Kindern vorgenommene sexuelle Handlungen und dabei insbesondere Kinder und Kleinkinder beim Vaginal-, Anal-, Oral- und Handverkehr sowie das Ejakulieren auf deren Körper und in deren Gesichter zeigten. Randnummer 4 Das Amtsgericht Tiergarten setzte die Bewährungszeit für den Beklagten mit Beschluss vom 10. Juni 2009 auf zwei Jahre fest und gab ihm zudem auf, binnen sechs Monaten nach Rechtskraft des Strafbefehls 2.100,00 EUR an die Justizkasse zu zahlen. Randnummer 5 Bereits am 15. Januar 2009 wurde von dem Leiter der Zentralen IT-Stelle bei einer mit Einverständnis des Beklagten geschehenen Untersuchung seines dienstlichen PC festgestellt, dass der Beklagte am 6. Mai 2008 die Internetseiten www.y...n.com und www.y...s.com aufgerufen hatte, auf denen sich pornographische Inhalte befanden. Entsprechende Cookies der beiden Seiten konnten auf der Festplatte aufgefunden werden. Randnummer 6 Ebenfalls zuvor, mit Verfügung vom 19. Januar 2009, hatte der Leiter der Justizvollzugsanstalt X gegen den Beklagten wegen des Verdachts, kin-derpornographische Schriften verbreitet und über seinen Dienst-PC Seiten mit pornographischem Inhalt aufgerufen und mit alledem ein Dienstvergehen begangen zu haben, ein Disziplinarverfahren eingeleitet, das wegen des laufenden Strafverfahrens ausgesetzt wurde. Mit Verfügung vom 17. August 2009 wurde das Disziplinarverfahren fortgesetzt. Der Beklagte erhielt Gelegenheit, sich zu den gegen ihn erhobenen disziplinarrechtlichen Vorwürfen zu äußern; hiervon machte er mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 5. November 2009 Gebrauch. Auf zwei ihm ferner angebotene Anhörungen verzichtete der Beklagte und verwies stattdessen auf seine schriftliche Stellungnahme. Nach Beteiligung des Personalrates und der Frauenvertreterin hat der Kläger am 8. November 2010 beim Verwaltungsgericht Berlin Disziplinarklage gegen den Beklagten mit dem Ziel der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erhoben. Der Kläger legt dem Beklagten als Dienstvergehen zur Last, am 6. Mai 2008 den dienstlichen Arbeitsplatzcomputer für private Zwecke durch Aufruf von pornographischen Internet-Seiten genutzt und sich am 20. November 2008 wegen Besitzes von kinderpornographischen Schriften gemäß § 184b Abs. 4 StGB strafbar gemacht zu haben. Randnummer 7 Mit Urteil vom 21. Februar 2012 hat das Verwaltungsgericht die Disziplinarklage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Randnummer 8 Der Sachverhalt, der dem Beklagten als außerdienstliches Dienstvergehen vorgeworfen werde, sei zwar unstreitig. Der Beklagte habe den ihm in der Disziplinarklage zur Last gelegten Vorwurf, am 20. November 2008 in seiner Wohnung auf Festplatten insgesamt 3.434 kinderpornographische Bild- und Filmdateien gespeichert zu haben, eingeräumt. Hinsichtlich dieser Straftat lägen die Anforderungen für ein außerdienstliches Dienstvergehen – in Betracht käme hier insbesondere ein Verstoß des Beklagten gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten – jedoch nicht vor. Auszugehen sei hierbei von der für den Beklagten materiell günstigeren Regelung des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG und nicht von § 40 Abs. 1 Satz 2 LBG a.F., da ein Amts- bzw. Dienstbezug der Straftat nicht gegeben sei und das „Ansehen des Beamtentums“ als Anknüpfungspunkt für eine Vertrauensbeeinträchtigung bei Prüfung eines außerdienstlichen Dienstvergehens durch die Neuregelung in §§ 34 Satz 3, 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG für Landesbeamte weggefallen sei, sich die Vertrauensbeeinträchtigung – insoweit anders als bei der für Bundesbeamte geltenden Regelung des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG – nur noch auf das „Amt“ des Beamten beziehen müsse. Von einem Redaktionsversehen im Sinne einer unbeabsichtigten „Lücke“ könne trotz des nicht erklärbaren Unterschieds zu der für Bundesbeamte geltenden Regelung nicht ausgegangen werden, wie sich aus der Gesetzesbegründung ergebe. Der Wortlaut des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG sei eindeutig. Deshalb vermöge die Kammer auch der gegenteiligen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu folgen, zumal nicht erkennbar sei, dass die in der besagten Norm geregelte Vertrauensbeeinträchtigung bezüglich des „Amts“ den Bedeutungsinhalt des früheren Merkmals „Ansehen des Beamtentums“ mit einschlösse. Randnummer 9 Zu dem weiter vorgeworfenen innerdienstlichen Dienstvergehen hat das Verwaltungsgericht ausgeführt: Es könne offenbleiben, ob der Beklagte am 6. Mai 2008 an seinem dienstlichen Arbeitsplatz-Computer entgegen der für ihn gültigen Weisungslage in zwei Fällen aus privaten Gründen Internetseiten aufgerufen habe. Denn vorgeworfen sei lediglich das einmalige Aufrufen der genannten zwei Internetseiten an diesem einen Tag zu privaten Zwecken. Dies wäre zwar weisungswidrig und damit eine Dienstpflichtverletzung (Gehorsamsverstoß), würde für sich gesehen aber noch nicht die für ein Dienstvergehen erforderliche disziplinarrechtliche Erheblichkeitsschwelle erreichen. Zugunsten des Beklagten wäre nämlich davon auszugehen, dass er sich nur kurz auf den beiden aufgerufenen Seiten aufgehalten hätte, möglicherweise um sich einen Überblick über die Art des Inhalts zu verschaffen, ohne jedoch über einen längeren Zeitraum einzelne Bilder oder Filme betrachtet zu haben. Auch der Umstand, dass es sich bei den beiden nachweislich aufgerufenen Seiten um solche mit (vermutlich) pornographischem Inhalt gehandelt habe, begründe für sich nicht die Erheblichkeit des Pflichtenverstoßes. Im Hinblick auf die sexuelle Liberalisierung der letzten Jahrzehnte und die Alltäglichkeit erotischer Darstellungen in öffentlich zugänglichen Medien könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Konsum von Pornographie für sich genommen geeignet sei, das Ansehen des Beamtentums oder das Vertrauen des Dienstherrn und der Öffentlichkeit in den Beamten ernsthaft zu berühren. Randnummer 10 Gegen dieses ihm am 21. März 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. April 2012 Berufung eingelegt, die er wie folgt begründet: Die Disziplinarklage sei zu Unrecht abgewiesen worden. Der Besitz kinderpornographischer Schriften sei als außerdienstliches Dienstvergehen anzusehen. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG stelle den Beklagten gegenüber der früheren Rechtslage besser, treffe nicht zu. Sie stehe im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der zu folgen sei. Hiervon ausgehend sei das außerdienstliche Fehlverhalten als schwerwiegend zu bewerten. Die Zahl der Bilddateien sei ungewöhnlich hoch. Die Inhalte zeigten nicht nur Kinder, sondern auch Kleinkinder beim Vaginal-, Anal-, Oral- und Handverkehr sowie das Ejakulieren auf deren Körper und in deren Gesichter. Der Beklagte habe zudem die heruntergeladenen Bild- und Videodateien nicht nur auf seiner Festplatte gespeichert, sondern diese Dateien auch gesammelt und zum dauerhaften Gebrauch auf einer externen Festplatte gespeichert. Es liege auf der Hand, dass gerade auch von Bediensteten der Vollzugsanstalten erwartet werden müsse, dass sie nicht gegen Strafbestimmungen verstießen, die zum Schutz der Menschenwürde und des Persönlichkeitsrechts von Kindern erlassen worden seien. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte wie auch des Persönlichkeitsbildes des Beklagten sei dessen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gerechtfertigt. Randnummer 11 Der Kläger beantragt, Randnummer 12 das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Februar 2012 zu ändern und den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Randnummer 13 Der Beklagte beantragt, Randnummer 14 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 15 Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und tritt der Berufung entgegen. Ergänzend macht er geltend: Soweit der Kläger behaupte, die Zahl der Bilddateien sei ungewöhnlich hoch, treffe dies nicht zu. Im Vergleich mit anderen Verfahren des sexuellen Missbrauchs von Kindern läge deren Zahl allenfalls im mittleren Bereich. Auch die Art der Darstellung sei bezogen auf Kinderpornographie nicht besonders schwerwiegend; sie seien für dieses Delikt gerade üblich. Auch die Behauptung des Klägers, er – der Beklagte – habe die Dateien nicht nur heruntergeladen, sondern gesammelt, sei unzutreffend. Es habe sich um ein einmaliges Delikt gehandelt. Dieser einmalige Vorgang des Herunterladens und Speicherns sei am 30. August 2008 geschehen. Soweit der Kläger darauf hinweise, auch aufgrund des Persönlichkeitsbildes sei eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis gerechtfertigt, fehle dazu jegliche Begründung. Randnummer 16 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, die Strafakte der Staatsanwaltschaft Berlin [7...] sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge (Personalakte, Beiheft amtsärztliche Untersuchung, Disziplinarvorgänge) Bezug genommen, die vorgelegen haben und deren Inhalt – soweit wesentlich – Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Februar 2012 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 v.H. des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
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SG Koblenz 14. Kammer
Rheinland-Pfalz
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29.01.2016
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Randnummer 1 Mit seiner Klage begehrt der im Leistungsbezug des Beklagten nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) stehende Kläger die Gewährung höherer Leistungen für Unterkunft. Randnummer 2 Der alleinstehende Kläger wohnte zunächst in einem Eigenheim in S, welches im Jahre 2014 zwangsversteigert wurde. Am 13.01.2014 legte er bei dem Beklagten eine "Mietbescheinigung" über eine Wohnung in der ..straße in H. vor und begehrte die Übernahme der entstehenden Umzugskosten. Ausweislich der Bescheinigung hat die Wohnung eine Größe von 64 qm. Die monatliche Grundmiete betrage 256 €. Darüber hinaus seien Nebenkosten in Höhe von 61 €, Kosten der Zentralheizung in Höhe von 54 €, Kosten für Warmwasserbereitung über die Zentralheizung in Höhe von 10 € sowie Kosten für den Haushaltsstrom in Höhe von 40 € zu entrichten. Der Beklagte teilte dem Kläger noch am 13.01.2014 mündlich mit, eine Übernahme der Umzugskosten könne nicht zugesichert werden, weil die entsprechenden Unterkunftskosten nicht den maßgeblichen Angemessenheitskriterien entsprächen. Ungeachtet dessen schloss der Kläger noch am 13.01.2014 einen zum 15.01.2014 in Kraft getretenen Mietvertrag über die benannte Wohnung zu den in der "Mietbescheinigung" angegebenen Konditionen. Randnummer 3 Durch den in Streit stehenden Änderungsbescheid vom 27.01.2014 gewährte der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 01.01. bis zum 31.01.2014 einen Bedarf für Unterkunft und Heizung in Höhe von 200,03 € sowie für den Zeitraum vom 01.02. bis zum 31.03.2014 in Höhe von 352,99 €. Der zuletzt genannte Betrag setzt sich aus einer für angemessen erachteten Grundmiete von 230 €, Nebenkosten in geschuldeter Höhe von 61 € sowie einer als angemessen erachteten Heizkosten-Vorauszahlung inklusive zentraler Warmwasserbereitungskosten in Höhe von 61,99 € zusammen. Randnummer 4 Auf den hiergegen eingelegten Widerspruch erließ der Beklagte unter dem 31.03.2014 einen Änderungsbescheid, in welchem er eine Heizkostenvorauszahlung inklusive der Kosten der Warmwasserbereitung in der tatsächlich geschuldeten Höhe von insgesamt 64 € berücksichtigte. Im Übrigen wurde der Widerspruch, soweit er sich vor allem gegen die nur in Höhe von 230 € berücksichtigte Grundmiete sowie die ebenfalls nicht berücksichtigten Stromkosten richtete, durch Widerspruchsbescheid vom 31.03.2014 zurückgewiesen. Eine Übernahme von Stromkosten sei schon deshalb nicht möglich, weil diese nicht den Bedarfen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II, sondern dem Regelbedarf nach § 20 SGB II zuzuordnen seien. Hinsichtlich der Grundmiete sei, zumal der Kläger ohne Zusicherung des Grundsicherungsträgers umgezogen sei, lediglich eine Übernahme angemessener Kosten möglich. Diese lägen vorliegend bei lediglich 211,50 €, so dass der gewährte Betrag von 230 € bereits zu hoch sei. Zur Begründung berief sich der Beklagte auf ein im Dezember 2013 von der Firma t. in W. erstelltes "schlüssiges Konzept" zur Ermittlung angemessener Unterkunftskosten im Landkreis Altenkirchen. In diesem Konzept wurde das gesamte Gebiet des Landkreises Altenkirchen zunächst in vier Cluster eingeteilt. Diese Einteilung erfolgte aufgrund eines multivariablen statistischen Verfahrens. Dem wurden folgende Faktoren zugrunde gelegt: Randnummer 5 - generalisierte Bodenrichtwerte, - Gemeindeanteil am Einkommensteueraufkommen pro Einwohner, - Anteil der Wohnungen in Mehrfamilienhäusern, - Veränderung der Bevölkerung gegenüber dem Vorjahr, - Bevölkerungsdichte, und - Anteil der Transferleistungsempfänger an der Gesamtbevölkerung. Randnummer 6 Als Ergebnis dieser Analyse wurde der Ort H. , in dem der Kläger wohnhaft ist, dem Cluster 2 zugeordnet. Für dieses Cluster wurde sodann eine als angemessen erachtete Nettokaltmiete von 4,23 €/qm ermittelt und unter Zugrundelegung einer ebenfalls als angemessen angesehenen Wohnfläche für einen Ein-Personen-Haushalt von 50 qm eine insgesamt angemessene Grundmiete von 211,50 € errechnet. Randnummer 7 Mit seiner am 02.05.2014 erhobenen Klage, durch die er eine Übernahme von Stromkosten nicht mehr begehrt, beanstandet der Kläger das Konzept des Landkreises Altenkirchen als nicht schlüssig und beansprucht deshalb eine Übernahme der Grundmiete in tatsächlicher Höhe. So habe die Firma t. den Standard der ermittelten Wohnungen nicht untersucht bzw. dargestellt. Auch könne – anders als in dem Konzept unterstellt – nicht allgemein davon ausgegangen werden, dass sich der Wohnungsstandard automatisch im Mietpreis wiederspiegele. Das sei etwa dann nicht der Fall, wenn eine Wohnung gehobener Ausstattung in einem schlechten Wohngebiet oder umgekehrt eine Wohnung schlechtesten Standards in einem Stadtzentrum liege. Zudem sei der vorgenommene Ausschluss von Wohnungen ohne Zentralheizung und Bad nicht statthaft. Die Cluster-Zuordnung sei ebenfalls mangelhaft erfolgt. Schließlich blieben wichtige Indikatoren wie die technische Infrastruktur, die Energieversorgung, die Kommunikationsversorgung oder das Vorhandensein von Bildungseinrichtungen, Betreuungseinrichtungen, Krankenhäusern oder kulturellen Einrichtungen unberücksichtigt. Randnummer 8 Der Kläger beantragt, Randnummer 9 den Beklagten unter Aufhebung der Änderungsbescheide vom 27.01. und 31.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2014 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 15.01. bis zum 31.03.2014 Kosten der Unterkunft unter Berücksichtigung einer monatlichen Grundmiete von 256 € zu gewähren. Randnummer 10 Der Beklagte stellt den Antrag, Randnummer 11 die Klage abzuweisen. Randnummer 12 Er hält das der Ermittlung der angemessenen Grundmiete zugrunde liegende Konzept für schlüssig. Der vorgenommene Rückschluss von den Grundmieten auf die Wohnungsstandards sei im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts statthaft. Ebenso sei es richtig, Wohnungen ohne Bad, Innen-WC und Sammel- oder Zentralheizungen nicht in die Auswertung einzubeziehen. Die Cluster-Analyse sei auf der Grundlage der verwendeten Indikatoren einwandfrei erfolgt. Infrastrukturelle Auswirkungen seien indirekt auf der Grundlage aussagekräftiger Variablen erfasst worden, von denen auf das Vorhandensein entsprechender Infrastruktur geschlossen werden könne. Zu der im vorliegenden Fall als angemessen ermittelten Netto-Kaltmiete seien in dem maßgeblichen Vergleichszeitraum tatsächlich auch genügend Wohnungen angeboten gewesen, welche der Kläger habe mieten können. Randnummer 13 Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung vom 29.01.2016 den verantwortlichen Mitarbeiter der Firma t. sachverständig angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung verwiesen. Randnummer 14 Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- sowie der Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
1. Der Beklagte wird unter Aufhebung der Änderungsbescheide vom 27.01. und 31.03.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2014 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 15.01. bis zum 31.03.2014 Kosten der Unterkunft unter Berücksichtigung einer monatlichen Grundmiete von 256 € zu gewähren. 2. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten. 3. Die Berufung wird zugelassen.
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Thüringer Oberverwaltungsgericht 1. Senat
Thüringen
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30.11.2022
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Randnummer 1 Die Klägerin wendet sich gegen die Abstufung eines innerhalb ihres Gemeindegebiets gelegenen Teilstücks der Kreisstraße 502 - K 502 - zur Gemeindestraße. Randnummer 2 Die K 502 knüpft im Norden an die Landesstraße 1003 - L 1003 - an, verbindet den zu der Klägerin gehörenden Ortsteil Lengenfeld unterm Stein mit ihrem südöstlich gelegenen Ortsteil Hildebrandshausen und endet dort mit einer Buswendeschleife. Die anschließende zu DDR-Zeiten von der damaligen Volksarmee errichtete Straße führt Richtung Südosten bis zur K 501. Randnummer 3 Die nördliche Ortsdurchfahrtgrenze von Hildebrandshausen liegt bei Stations-km 1,730, die südöstliche bei Stations-km 2,878. Randnummer 4 Der beigeladene Landkreis beantragte unter dem 18. Juni 2010 bei dem Beklagten, die K 502 in der Ortsdurchfahrt der ehemals selbständigen Gemeinde Hildebrandshausen auf einer Länge von insgesamt 0,904 km ab der Kreuzung Hauptstraße/Klingenberg bei Stations-km 1,974 KP bis zum Ende der Kreisstraße am südöstlichen Ortsausgang von Hildebrandshausen bei Stations-km 2,878 E zur Gemeindestraße umzustufen, weil die Teilstrecke nicht die Verkehrsbedeutung einer Kreisstraße habe. Randnummer 5 Mit Schreiben vom 1. Juli 2010 hörte das Landesamt für Bau und Verkehr die damalige Gemeinde Hildebrandshausen über die Verwaltungsgemeinschaft Hildebrandshausen/Lengenfeld unterm Stein zu einer beabsichtigten Abstufung der K 502 in der Ortslage von Hildebrandshausen an. Die Gemeinde wandte sich mit Stellungnahme vom 18. August 2010 gegen die beabsichtigte Maßnahme. Die Kreisstraße erfülle insgesamt die Funktion des direkten Anschlusses an das überörtliche Netz. Sie sei Teil einer Durchgangsstraße, die über die anschießende K 501 und die Bundesstraße 249 - B 249 - die kürzeste Anbindung an die Kreisstadt darstelle und tatsächlich vom überörtlichen Verkehr genutzt werde. Bei km 2,878 E finde sich die Buswendeschleife, die einen Anschluss an das öffentliche Straßennetz erfordere. Die Straße werde zur Gewährleistung des Rettungsdienstes und im Katastrophenfall benötigt. Eine Abstufung und Übertragung in die Baulast der Gemeinde würde ihre finanzielle Leistungsfähigkeit überschreiten. Im Übrigen sei der Straßenabschnitt weder vermessen noch die Eigentumsfrage vollständig geklärt. Die Straße sei marode. Der bisherige Baulastträger wolle mit der Abstufung die Unterhaltungspflicht, der er nicht in ausreichendem Maße nachgekommen sei, auf die Gemeinde abwälzen. Randnummer 6 Nachdem das Thüringer Innenministerium mit Schreiben vom 26. April 2011 darauf hingewiesen hatte, dass die Kreisstraßen nach einer Änderung der bisherigen Verwaltungspraxis nunmehr an der Ortsdurchfahrtgrenze endeten und es insoweit sein Einvernehmen erteilt hatte und vom Thüringer Finanzministerium eine generelle Einwilligung vorlag, hörte das Thüringer Landesamt für Straßenbau die vormalige Gemeinde Hildburghausen und den Beigeladenen zu einer Umstufung der Teilstrecke der K 502 zur Gemeindestraße von der nordwestlichen Ortsdurchfahrtgrenze der Gemeinde (Stations-km 1,730 - Netzknoten 4727 103 -) bis zum Ende der Kreisstraße am südöstlichen Ortsausgang (Stations-km 2,878 E, - Netzknoten 4827 121 -), 1,148 km, an. Randnummer 7 Mit Allgemeinverfügung vom 29. September 2011 stufte das Landesamt für Bau und Verkehr die Teilstrecke der K 502 von der nordwestlichen Ortsdurchfahrtsgrenze in der Gemeinde Hildebrandshausen bis zum Ende der Kreisstraße am südöstlichen Ortsausgang von Hildebrandshausen zur Gemeindestraße in der Baulast der vormaligen Gemeinde Hildebrandshausen um. Die Allgemeinverfügung wurde im Thüringer Staatsanzeiger vom 7. November 2011 (Nr. 445/2011, Seite 1536) mit Rechtsbehelfsbelehrung öffentlich bekannt gemacht. Randnummer 8 Gegen diese Allgemeinverfügung hat die vormalige Gemeinde Hildebrandshausen am 24. November 2011 Klage zum Verwaltungsgericht Weimar erhoben. Zur Begründung hat sie ihren Vortrag im Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft und ergänzend ausgeführt, ursprünglich habe die Straße unter der Bezeichnung L 2033 von Lengenfeld unterm Stein durch die Ortslage von Hildebrandshausen zur damaligen Reichsstraße - R 249 - geführt. Sie sei die kürzeste und beste Verbindung Richtung Eisenach gewesen. Da sie auf einer Länge von 500 m östlich der ehemaligen innerdeutschen Grenze verlaufen sei, sei sie zu DDR-Zeiten nicht befahrbar gewesen; seitdem habe die Ortsdurchfahrt an der Wendeschleife geendet. Die an ihrer Stelle gebaute Armeestraße sei nach der Wende als Ersatz für die Straße nach Eisenach genutzt worden. Randnummer 9 Die Klägerin hat beantragt, Randnummer 10 die Allgemeinverfügung des Beklagten vom 29. September 2011, Aktenzeichen 4311/12-32 aufzuheben. Randnummer 11 Der Beklagte hat beantragt, Randnummer 12 die Klage abzuweisen. Randnummer 13 Zur Begründung hat er vorgetragen, der abgestufte Straßenabschnitt erfülle nicht die Einstufungsmerkmale einer Kreisstraße, sondern diene allein der Erschließung der in der ehemaligen Gemeinde Hildebrandshausen gelegenen Grundstücke. Es finde kein überörtlicher Durchgangsverkehr statt. Randnummer 14 Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, in der Sache aber ausgeführt, dass die Straße am südöstlichen Ortsausgang keine Fortsetzung finde. Dort fänden sich bestenfalls Feldwege im ehemaligen Grenzgebiet der DDR. Randnummer 15 Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 16. Mai 2013 - 2 K 1302/11 We - abgewiesen. Die Allgemeinverfügung sei formell und materiell rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Das abgestufte Teilstück sei seiner Verkehrsbedeutung nach keine Kreisstraße, sondern erfülle die Merkmale einer Gemeindestraße. Die Straße ende nach den vorgelegten Lichtbildern am Ende der südöstlichen Ortsdurchfahrt. Der Zustand der Straße im Zeitpunkt des Übergangs der Straßenbaulast habe auf die Entscheidung keinen Einfluss. Der Einwand, die Übernahme der Straßenbaulast übersteige die finanzielle Leistungsfähigkeit der Gemeinde, sei ebenfalls nicht zielführend. Die Straßenbaulast sei eine Pflichtaufgabe der Gemeinde. Ob die Gemeinde in der Lage sei, dieser Aufgabe nachzukommen, sei im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs zu prüfen. Randnummer 16 Gegen das ihr am 11. Juni 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 9. Juli 2013 einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Mit Beschluss vom 27. November 2018 hat der Senat die Berufung zugelassen. Randnummer 17 Zur Begründung der Berufung hat die Klägerin ihren Vortrag im Verwaltungsverfahren wiederholt und ergänzend vorgetragen, die Allgemeinverfügung sei formell rechtswidrig, weil der der Umstufung zugrundeliegende Kreistagsbeschluss des Beklagten sich auf ein kürzeres Teilstück der Straße bezogen habe. Die Verfügung sei auch materiell rechtswidrig, weil eine Abstufung nicht gerechtfertigt sei. Die statt der zurückgebauten Landesstraße errichtete Armeestraße sei seit der Wende als Ersatz für die Straße in Richtung B 249 und Eisenach genutzt worden. Sie befinde sich zwar in einem schlechten Zustand, werde aber auch durch den überregionalen Verkehr genutzt. Randnummer 18 Die Klägerin beantragt, Randnummer 19 das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 16. Mai 2013 (Geschäftszeichen 2 K 1302/11 We) abzuändern und die Allgemeinverfügung des Beklagten vom 29. September 2011, veröffentlicht im Staatsanzeiger Nr. 45/2011 vom 7. November 2011 - 4311/12-32, aufzuheben. Randnummer 20 Der Beklagte beantragt, Randnummer 21 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 22 Die Klägerin sei zu der angefochtenen Abstufung angehört worden. Der Anschluss von Hildebrandshausen an das überörtliche Verkehrswegenetz werde dadurch gewährleistet, dass die Kreisstraße bis an den nordwestlichen Ortsrand reiche. Der umgestufte Bereich sei in der Kreisstraßenkonzeption des Beigeladenen nicht enthalten. Die Teilstrecke diene der Erschließung der anliegenden Grundstücke in Hildebrandshausen. Der nach der Wende als Ausweichstrecke genutzte Feld-/Wirtschaftsweg über den Gaiberg sei bisher weder durch die Gemeinde noch durch den Landkreis gewidmet worden. Als Armeestraße diente sie auch zu DDR-Zeiten nicht dem öffentlichen Verkehr. Eine Teilstrecke des Weges sei nach seinen Informationen mit Fördermitteln des ländlichen Wegebaus ausgebaut worden, eine solche Förderung sei für Straßen mit überörtlicher Verkehrsbedeutung nicht zulässig. Der Weg diene dem forst- und landwirtschaftlichen Verkehr, für alle übrigen Fahrzeuge bestehe nach wie vor ein Durchfahrtsverbot. § 11 Abs. 4 ThürStrG gebe der Klägerin keine Einrede gegen die Umstufung der Straße. Randnummer 23 Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er hat seine Rechtsauffassung bekräftigt, dass die Straße ausschließlich dem innerörtlichen Ziel- und Quellverkehr diene. Die Straße ende an der südöstlichen Ortsdurchfahrt. Randnummer 24 Die vormalige Gemeinde Hildebrandshausen wurde mit Wirkung zum 1. Dezember 2001 aufgelöst und Teil der neu gebildeten Landgemeinde Südeichsfeld. Randnummer 25 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird verwiesen auf die Gerichtsakte und den von dem Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang (eine Heftung).
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Weimar vom 16. Mai 2013 - 2 K 1302/11 We - wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die ihre Kosten selbst trägt. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 8. Kammer
Rheinland-Pfalz
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24.02.2010
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Randnummer 1 Die Parteien streiten im Rahmen einer Konkurrentenklage über die Besetzung einer Professorenstelle im Fachbereich Betriebswirtschaft I der Fachhochschule W-Stadt. Die betreffende Stelle wurde am 24.05.2007 wie folgt ausgeschrieben: Randnummer 2 "Im Fachbereich Betriebswirtschaft I (Management und Controlling) ist folgende Stelle zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu besetzen: Randnummer 3 ½ Professur für das Lehrgebiet Medizinmanagement Bes.-Gruppe W 2 (BBesG) Randnummer 4 Die Stelle ist befristet für die Dauer von 4 Jahren zu besetzen. Randnummer 5 Die/der Stelleninhaber/in wird im Studiengang Gesundheitsökonomie im Praxisverbund GiP eingesetzt. Für diese Stelle wünschen wir uns eine Führungskraft, die in dem Lehrgebiet "Medizinmanagement" tätig wird und Kenntnisse in medizinischen Grundlagen, Public Health sowie in der Steuerung medizinischer Prozesse vermittelt. Wir möchten mit dieser Ausschreibung Personen ansprechen, die im niedergelassenen oder stationären Bereich als Humanmediziner/in tätig sind und gleichzeitig an einer Lehr- und Forschungstätigkeit an unserer Fachhochschule interessiert sind. Dabei sollte ein besonderes Interesse für die Weiterentwicklung des o. g. Studienganges bestehen. Insofern ist eine Mitarbeit in der Hochschulselbstverwaltung ausdrücklich gewünscht. Randnummer 6 Einstellungsvoraussetzungen sind neben den allgemeinen dienstrechtlichen Voraussetzungen: Randnummer 7 1. Erfolgreich abgeschlossenes Hochschulstudium der Medizin an einer wissenschaftlichen Hochschule oder einer dieser vergleichbaren Hochschule. Randnummer 8 2. Pädagogische Eignung, die in der Regel durch Erfahrungen in der Lehre, Ausbildung oder entsprechende Weiterbildung nachgewiesen wird. Randnummer 9 3. Besondere Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit, die in der Regel durch eine qualifizierte Promotion nachgewiesen wird. Randnummer 10 4. Darüber hinaus besondere Leistungen bei der Anwendung oder Entwicklung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Methoden in einer mindestens 5-jährigen einschlägigen beruflichen Praxis, von der mindestens 3 Jahre außerhalb des Hochschulbereiches ausgeübt sein müssen. Randnummer 11 ……." Randnummer 12 Mit Schreiben vom 29.11.2007 unterrichtete die Fachhochschule W-Stadt das beklagte Land vom Inhalt eines auf die betreffende Stelle bezogenen Besetzungsvorschlages, wonach der Berufungsausschuss auf Listenplatz 1 die Nebenintervenientin und auf Listenplatz 2 den Kläger gesetzt hatte. Randnummer 13 Mit Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 11.04.2008 (Az: 10 Ga 8/08) wurde dem beklagten Land im Wege einer Einstweiligen Verfügung untersagt, die Stelle bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens mit der Nebeninter-venientin zu besetzen. Die gegen dieses Urteil vom beklagten Land eingelegte Berufung (LAG Rheinland-Pfalz, Az: 8 SaGa 5/08) blieb erfolglos. Im Hauptsacheverfahren (Arbeitsgericht Mainz, Az: 10 Ca 641/08) schlossen die Parteien am 10.09.2008 einen Vergleich, in dem sich das beklagte Land verpflichtete, die Bewerbung des Klägers unter Berücksichtigung der im Einstweiligen Verfügungsverfahren ergangenen Urteile erneut zu bescheiden. Randnummer 14 Mit Schreiben des beklagten Landes vom 22.12.2008 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass der Präsident der Fachhochschule W-Stadt erneut einen Besetzungsvorschlag vorgelegt habe, auf dessen Grundlage jedoch wiederum die Entscheidung getroffen worden sei, der Nebenintervenientin die Stelle zu übertragen. In dem daraufhin vom Kläger eingeleiteten Einstweiligen Verfügungsverfahren ist dem beklagten Land mit Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 14.01.2009 (Az: 10 Ga 1/09) aufgegeben worden, es bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Hauptsacheverfahrens zu unterlassen, die Stelle mit der Nebenintervenientin zu besetzen. Ihr gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat die Nebenintervenientin zurückgenommen. Randnummer 15 Im vorliegenden (Hauptsache-)Verfahren begehrt der Kläger vom beklagten Land die Übertragung der Professorenstelle, hilfsweise eine erneute Bescheidung seiner Bewerbung. Randnummer 16 Die Nebenintervenientin ist dem Rechtsstreit auf Seiten des beklagten Landes beigetreten. Randnummer 17 Der Kläger hat beantragt, Randnummer 18 1. das beklagte Land zu verurteilen, es zu unterlassen, die auf vier Jahre befristete W2-Professur für das Lehrgebiet "Medizinmanagement" im Fachbereich Betriebswirtschaft I der Fachhochschule W-Stadt mit Frau Prof. Dr. med. A. zu besetzen, Randnummer 19 2. das beklagte Land zu verurteilen, die auf vier Jahre befristete W 2-Professur für das Lehrgebiet "Medizinmanagement" im Fachbereich Betriebswirtschaft I der Fachhochschule W-Stadt mit dem Kläger zu besetzen, Randnummer 20 hilfsweise, Randnummer 21 das beklagte Land zu verurteilen, die Bewerbung des Klägers für die auf vier Jahre befristete W 2-Professur für das Lehrgebiet "Medizinmanagement" im Fachbereich Betriebswirtschaft I der Fachhochschule W-Stadt erneut zu bescheiden. Randnummer 22 Das beklagte Land und die Nebenintervenientin haben beantragt, Randnummer 23 die Klage abzuweisen. Randnummer 24 Von einer weitergehenden (wiederholenden) Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen. Insoweit wird Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Mainz vom 24.06.2009 (Bl. 129 bis 136 d. A.). Randnummer 25 Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 24.06.2009 abgewiesen. Zur Begründung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe bereits deshalb weder einen Anspruch auf Übertragung der betreffenden Stelle noch auf Neubescheidung seiner Bewerbung, weil er das in der Ausschreibung genannte Kriterium "Kenntnisse in Public Health" nicht erfülle. Zur Darstellung der erstinstanzlichen Entscheidungsgründe im Einzelnen wird auf die Seiten 10 bis 17 des Urteils des Arbeitsgerichts (= Bl. 137 bis 133 d. A.) verwiesen. Randnummer 26 Gegen das ihm am 08.07.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 03.08.20009 Berufung eingelegt und diese innerhalb der ihm mit Beschluss vom 07.09.2009 verlängerten Berufungsbegründungsfrist am 06.10.2009 begründet. Randnummer 27 Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, soweit die Nebenintervenientin behaupte, er erfülle nicht das Kriterium "Kenntnis in Public Health", so stehe dies in Widerspruch zum Vortrag des beklagten Landes, welche seine Listenfähigkeit nicht bestritten habe. Der diesbezügliche Sachvortrag der Nebenintervenientin könne daher gemäß § 67 ZPO nicht berücksichtigt werden. Darüber hinaus hätte das Arbeitsgericht dieses Vorbringen der Streithelferin auch als verspätet zurückweisen müssen. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts erfülle er auch das gesamte Spektrum des geforderten Kriteriums "Publik Health". Im Bachelor-Studiengang "Gesundheitsökonomie im Praxisverbund" (GiP) an der FH W-Stadt werde das Fach "Public Health" in verschiedenen Veranstaltungen unterrichtet. Hier seien zum einen das Pflichtfach "Sozialmedizin", zum anderen das Wahlpflichtfach "Public Health" zu nennen, welches zwei Veranstaltungen enthalte: "Lebensverhältnisse und Gesundheit" und die von einem Juristen gehaltene Veranstaltung "Gesundheitsrecht". Nur die beiden erstgenannten Veranstaltungen seien Bestandteil der streitigen Stelle. Hinzu kämen zwar noch weitere Veranstaltungen, die jedoch nicht Bestandteil der Stelle seien. Im Diplom-Studiengang seien die entsprechenden Bereiche dieses Fachs in den Pflichtveranstaltungen "Grundlagen der Sozialmedizin" und "Gesundheitsförderung, Prävention und Rehabilita-tion" enthalten, wobei er - der Kläger - diese Veranstaltungen zwei Jahre lang mit Erfolg unterrichtet habe. Durch einen einfachen Vergleich der vorgeschriebenen Vorlesungsinhalte des Bachelor-Studiengangs mit den tatsächlich vom Kläger unterrichteten Inhalten in dem nun nicht mehr angebotenen Diplom-Studiengang sei ohne Weiteres nachzuvollziehen, dass er die Inhalte des Bachelor-Studienganges in diesem Bereich voll umfänglich abdecke. Bei der Formulierung der Modulbeschreibungen "Sozialmedizin" und "Public Health" habe er aktiv mitgearbeitet, d. h. die Inhalte dieser Module seien von ihm selbst festgelegt und ausformuliert worden. Seine Vorlesungen im Diplom-Studiengang enthielten die im Bachelor-Studiengang geforderten Inhalte nicht nur voll umfänglich, sie gingen inhaltlich sogar darüber hinaus, wie sich aus seiner Vorlesungsgliederung an der FH W-Stadt ergebe. Darüber hinaus unterrichte er die selben Inhalte auch an der Hochschule C-Stadt. Zusätzlich verfüge er, wie bereits erstinstanzlich vorgetragen, auch über vielfältige praktische Projekterfahrung im Bereich "Public Health" Zu berücksichtigen sei auch, dass es sich vorliegend nicht um die Besetzung einer Professorenstelle an einer Universität, sondern um eine Fachhochschul-Professur handele. Ziel eines Fachhochschulstudiums sei eine praxisorientierte Ausbildung mit der Vermittlung von fächerübergreifenden allgemeinen und praxisorientierten Kenntnissen, nicht hingegen von Detailwissen. Es sei auch weder notwendig, noch überhaupt vorstellbar, dass eine einzelne Person alle Einzelfächer des interdisziplinären Faches "Public Health" abdecken könne. Die von der Nebenintervenientin schriftsätzlich wiedergegebene Liste aller Einzelfächer sei noch nicht einmal vollständig. Zudem behandele das Modul "Public Health" im Studiengang GiP nur wenige Inhalte des Faches. Im Übrigen könne ohne Weiteres als gerichtsbekannt vorausgesetzt werden, dass er - der Kläger - die notwendigen Kenntnisse, soweit diese nicht bereits infolge seines Medizinstudiums vorhanden seien, durch Literaturstudium oder praktische Tätigkeit bzw. beides habe erwerben können. Im Gegensatz zur Nebenintervenientin erfülle er sämtliche der in der Ausschreibung genannten Kriterien. Er sei daher der einzige geeignete Bewerber für die ausgeschriebene Stelle, so dass diese mit ihm zu besetzen sei. Randnummer 28 Zur Darstellung aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren wird auf dessen Berufungsbegründungsschrift vom 05.10.2009 (Bl. 171 bis 185 d. A.) sowie auf seinen Schriftsatz vom 01.02.2010 (Bl. 325 bis 332 d. A.) Bezug genommen. Randnummer 29 Der Kläger beantragt, das erstinstanzliche Urteil wie folgt abzuändern: Randnummer 30 1. die Beklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, die auf vier Jahre befristete W2-Professur für das Lehrgebiet "Medizinmanagement" im Fachbereich Betriebswirtschaft I der Fachhochschule W-Stadt mit Frau Prof. Dr. med. A. zu besetzen, Randnummer 31 2. die Beklagte wird verurteilt, die auf vier Jahre befristete W2-Professur für das Lehrgebiet "Medizinmanagement" im Fachbereich Betriebswirtschaft I der Fachhochschule W-Stadt mit dem Kläger zu besetzen. Randnummer 32 Hilfsweise: Randnummer 33 Die Beklagte wird verurteilt, die Bewerbung des Klägers für die auf vier Jahre befristete W2-Professur für das Lehrgebiet "Medizinmanagement" im Fachbereich Betriebswirtschaft I der Fachhochschule W-Stadt erneut zu bescheiden. Randnummer 34 3. die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. Randnummer 35 Das beklagt Land und die Nebenintervenientin beantragen, Randnummer 36 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 37 Das beklagte Land verteidigt das erstinstanzliche Urteil nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 14.12.2009 (Bl. 246 bis 248 d. A.), die Nebenintervenientin nach Maßgabe ihrer Schriftsätze vom 16.12.2009 (Bl. 262 bis 269 d. A.) und vom 17.02.2010 (Bl. 340 bis 345 d. A.,) auf die Bezug genommen wird.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 24.06.2009, Az.: 10 Ca 25/09, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Landessozialgericht Hamburg 4. Senat
Hamburg
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08.11.2021
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Randnummer 1 Die Klägerin begehrt von der Beklagten Erstattung von Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 817,39 Euro. Randnummer 2 Die Klägerin betreibt das W. Krankenhaus G. in H.. Die Beklagte ist örtlicher Sozialhilfeträger. Randnummer 3 Am 9. April 2015, einem Donnerstag, wurde um 4:00 Uhr morgens die am xxxxx 1985 geborene b. Staatsangehörige S. (im Weiteren: Patientin) durch einen Rettungswagen der Feuerwehr H. in das Krankenhaus der Klägerin eingeliefert. Im Rettungsdienstprotokoll heißt es, die Patientin sei vor einem Hauseingang eingeschlafen und könne sich nicht daran erinnern, wie sie dort hingekommen sei. Im Entlassungsbericht vom 9. April 2015 wird als Diagnose Vigilanzminderung bei unklarer Mischintoxikation genannt. Die Patientin sei stark benommen gewesen, so dass die Übernahme auf die Intensivstation zur Überwachung erfolgt sei. Sie sei dann in stabilem Allgemeinzustand entlassen worden. Randnummer 4 Die Klägerin informierte die Beklagte am 9. April 2015 per Fax über die Behandlung und beantragte mit Schreiben vom 28. Mai 2015 die Kostenübernahme. Dem Antrag war u.a. eine von der Patientin unterschriebene sog. Mittellosigkeitserklärung beigefügt, der zufolge sie über kein Vermögen verfüge, um die Krankenhauskosten aus eigenen Mitteln zu finanzieren, und keinerlei Versicherungsschutz habe und deshalb die Übernahme der Krankenhauskosten beim zuständigen Sozialamt beantrage. In einem beigefügten Fragebogen des Krankenhauses heißt es zur Frage „Wovon haben Sie gelebt“: „Gelegenheitsjobs“. Als Meldeadresse war die _____ in H.- U. genannt. Zur Frage nach der Krankenversicherung heißt es: „War vorher privat versichert in B.“. Randnummer 5 Mit Schreiben vom 4. Juli 2016 teilte die Beklagte mit, dass die Patientin nach dortiger Information in der fraglichen Zeit über einen Arbeitgeber bei der AOK angemeldet gewesen sei. Es werde gebeten, die Forderung bei der Krankenkasse als vorrangigem Träger geltend zu machen. Mit Schreiben vom 7. Juli 2016 legte die Klägerin Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, dass ein Versicherungsverhältnis mit der AOK nie zustande gekommen und der Anspruch gegenüber der Beklagten berechtigt sei. Randnummer 6 Mit Widerspruchsbescheid vom 21. Februar 2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Es habe bereits kein Eilfall vorgelegen, da die Patientin am 9. April 2015 in das Krankenhaus der Klägerin aufgenommen worden und die Beklagte an diesem Tag dienstbereit gewesen sei. Randnummer 7 Die Klägerin hat daraufhin am 3. März 2017 Klage beim Sozialgericht Hamburg erhoben und diese damit begründet, dass die Beklagte unter Verstoß gegen ihre Amtsermittlungspflicht nichts getan habe, um den Sachverhalt weiter aufzuklären. Weiter hat die Klägerin auf das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Hamburg vom 5. Juni 2019 (L 4 SO 11/17) verwiesen und gemeint, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) – soweit das BSG die Kenntnis des Sozialhilfeträgers als Zäsur für die sich gegenseitig ausschließenden Ansprüche des Nothelfers und des Leistungsberechtigten betone – bleibe offen, wie zu verfahren sei, wenn der Träger zwar Kenntnis habe, jedoch seine Entscheidung aus medizinischen Gründen nicht abgewartet werden könne. Dies sei hier der Fall gewesen, da die Patientin um 4:00 Uhr wegen Vergiftungserscheinungen ins Krankenhaus der Klägerin aufgenommen und auf der Intensivstation behandelt worden sei. Mit der Kenntnis des Sozialhilfeträgers von einem hilfebedürftigen Patienten gehe auch die Verantwortung für diesen Patienten, insbesondere der Umfang der Gewährung der ärztlichen Leistungen, auf den Sozialhilfeträger über. Wenn der Träger trotz Kenntnis keine Entscheidung treffe, sondern das Krankenhaus „allein lasse“, habe er auch für die bis zu seiner Entscheidung medizinisch notwendig zu erbringenden Leistungen einzustehen. Randnummer 8 Das Sozialgericht hat die Klage nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 14. September 2020, den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 18. September 2020 zugestellt, abgewiesen. Randnummer 9 Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 25 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) lägen nicht vor. Es fehle bereits am Eilfall. Ein solcher erfordere das Zusammentreffen von bedarfsbezogenem und sozialhilferechtlichem Moment. Es könne offenbleiben, ob das bedarfsbezogene Moment vorliege, da es am 9. April 2015 jedenfalls an dem sozialhilferechtlichen Moment gefehlt habe. Die Kammer schließe sich bzgl. des Prüfungsmaßstabs eines sozialhilferechtlichen Moments der eindeutigen Rechtsprechung des BSG an. Hiernach dürfe eine rechtzeitige Leistung des Sozialhilfeträgers objektiv nicht zu erlangen sein, da der Anspruch des Nothelfers in Abgrenzung zum Anspruch des Hilfebedürftigen nur dann bestehe, wenn der Sozialhilfeträger keine Kenntnis vom Leistungsfall habe und ein Anspruch des Hilfebedürftigen gegen den Sozialhilfeträger nur deshalb nicht entstehe (Verweis auf BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 8 SO 9/13 R). Die Kenntnis des Sozialhilfeträgers bilde insoweit die Zäsur für die sich gegenseitig ausschließenden Ansprüche des Nothelfers und des Leistungsberechtigten. Es fehle schon am Tag der Aufnahme eines Hilfebedürftigen in einem Krankenhaus am sozialhilferechtlichen Moment eines Eilfalls, wenn Zeit zur Unterrichtung des zuständigen Sozialhilfeträgers verbleibe, um zunächst dessen Entschließung über eine Gewährung der erforderlichen Hilfe abzuwarten bzw. um die Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe zu schaffen (Verweis auf BSG, Beschluss vom 1.3.2018 – B 8 SO 63/17 B). Nach der Rechtsprechung des BSG müsse also die Entscheidung über die Gewährung der erforderlichen Hilfe nicht zwingend abgewartet werden, z. B. wenn dies – wie hier vorgetragen – aus medizinischen Gründen nicht möglich sei. Es genüge auch, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe geschaffen würden. Dies sei vorliegend der Fall gewesen, da es nach der Aufnahme der Patientin am frühen Morgen des 9. April 2015 der Klägerin möglich gewesen sei, die Beklagte noch am selben Tag in Kenntnis zu setzen, wie auch geschehen. Damit müsse sich die Beklagte die Kenntnis am 9. April 2015 zurechnen lassen, so dass ein möglicher Sozialhilfeanspruch der Patientin auch sämtliche im Verlauf des Tages vom 9. April 2015 von der Klägerin erbrachten medizinischen Leistungen abdecke. Bestehe ein Anspruch des Leistungsberechtigten, sehe der Gesetzgeber auch dann keinen Raum für eine Erstattung von Aufwendungen des Nothelfers auf Grundlage des § 25 SGB XII, wenn der Nothelfer die entstandenen Kosten lediglich deshalb nicht erhalte, weil der Leistungsberechtigte – wie auch im hier zu entscheidenden Fall – die Leistung tatsächlich nicht in Anspruch nehme. Ein Anspruch als Nothelfer (neben Ansprüchen des Leistungsberechtigten) entstehe in diesen Fällen auch nicht allein dadurch, dass der Nothelfer seinerseits ohne Verletzung von Obliegenheiten gehandelt hat. Randnummer 10 Die Klägerin hat am 16. Oktober 2020 Berufung eingelegt. Randnummer 11 Die Frage der Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen am ersten Tag der Krankenhausbehandlung sei Gegenstand einer von ihr geführten Revision gegen das Urteil des LSG Hamburg vom 5. Juni 2019 (a.a.O.). Das LSG habe dort die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen, da die Frage eines Nothelferanspruchs für den ersten Tag der Krankenhausbehandlung in der Rechtsprechung des BSG nicht eindeutig geklärt sei. Vorliegend sei die Patientin um 4:00 Uhr morgens aufgenommen und sogleich wegen Vergiftungserscheinungen auf der Intensivstation behandelt worden. Der Dienstbeginn der Beklagten sei aber 8:00 Uhr morgens. Die Meldung an den Träger der Sozialhilfe sei im Laufe des Nachmittags erfolgt. Die Patientin sei bis dahin nicht ansprechbar gewesen. Bereits bis Dienstbeginn habe die Klägerin wesentliche Leistungen erbracht, erst Recht bis zur Kenntnis im Laufe des Tages. Soweit die Beklagte in ihrer „Arbeitshilfe“ zu § 25 SGB XII ihre „abstrakte Erreichbarkeit“ ausreichen lasse und diese von Montag bis Donnerstag von 0:01 Uhr bis 17:00 Uhr und am Freitag von 0:01 Uhr bis 15:00 Uhr annehme, dehne sie die Rechtsprechung des BSG extensiv zu Lasten der Krankenhäuser aus. Das BSG habe bereits entschieden, dass es schon am Tag der Aufnahme eines Hilfebedürftigen in einem Krankenhaus am sozialhilferechtlichen Moment eines Eilfalls i.S.d. § 25 Satz 1 SGB XII fehle, wenn Zeit zur Unterrichtung des zuständigen Sozialhilfeträgers verbleibe, um zunächst dessen Entschließung über eine Gewährung der erforderlichen Hilfe abzuwarten bzw. um die Voraussetzungen für die Gewährung von Sozialhilfe zu schaffen (Verweis auf BSG, Urteil vom 12.12.2013 – B 8 SO 13/12 R). Wenn aber – wie im vorliegenden Fall – die Aufnahme um 4:00 Uhr erfolge und intensivmedizinische Maßnahmen eingeleitet werden müssten, die Meldung noch am selben Tag erfolge und der Sozialhilfeträger nicht reagiere, müsse eine Vergütung des Krankenhauses möglich sein. Dies folge im Übrigen auch aus der Gesetzesbegründung zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) vom 22. September 2014 (Drs. 18/2592, S. 26) zu §§ 6a und 6b AsylbLG. Es könne wohl kaum sein, dass die „Zäsur“ immer um 0:01 Uhr erfolge. Die Beklagte habe von 4:00 Uhr morgens bis zum Beginn der Dienstbereitschaft keine Kenntnis von der Notlage gehabt. In dieser Zeit sei aber bereits die wesentliche Krankenhausbehandlung erbracht worden. Dieser besondere Fall sei höchstrichterlich noch nicht geklärt. Randnummer 12 Die Klägerin beantragt, Randnummer 13 den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 14. September 2020 – Az.: S 28 SO 125/17 – aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Juli 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2017 zu verpflichten, der Klägerin die Aufwendungen für die Notfallbehandlung der Frau S. vom 9. April 2015 in Höhe von 817,39 Euro zu erstatten. Randnummer 14 Die Beklagte beantragt, Randnummer 15 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 16 Sie meint, der Gesetzesbegründung zum AsylbLG komme keine Bedeutung für den vorliegend einschlägigen § 25 SGB XII zu. Das Sozialgericht habe im Übrigen die Rechtsprechung des BSG zur Abgrenzung des Anspruchs des Nothelfers zu jenem des Hilfebedürftigen zutreffend angewendet. Randnummer 17 Der Senat hat die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 8. September 2021 gem. § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet. Randnummer 18 Am 8. November 2021 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf das Verhandlungsprotokoll und die übrige Prozessakte sowie den Verwaltungsvorgang und die Krankenakte verwiesen.
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen,
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Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht 9. Senat
Schleswig-Holstein
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12.07.2017
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Randnummer 1 Der Kläger begehrt vom Beklagten die Übernahme der Kosten seiner Kfz-Versicherung. Randnummer 2 Der am … 1956 geborene Kläger leidet infolge eines Motorradunfalls im Jahr 2002 u.a. an einer kompletten Querschnittslähmung unterhalb D10 mit neurogener Blasen- und Darmentleerungsstörung. Er verfügt über einen Schwerbehindertenausweis mit einem Grad der Behinderung von 100 und den Merkzeichen „H“, „G“, „B“ und „aG“. Randnummer 3 Der Beklagte gewährte dem Kläger – nach einem vorausgegangenen Gespräch am 20. Juli 2007 – mit Bescheid vom 21. November 2007 für den Kauf eines gebrauchten Pkw (Volvo V70, angeboten von der Firma T… Automobile) einen Zuschuss in Höhe von 7.000,00 Euro gemäß §§ 53, 54 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII), i.V.m. § 55 Sozialgesetzbuch, Neuntes Buch (SGB IX), im Rahmen der Eingliederungshilfe. Außerdem würden die ungedeckten Kosten für den behindertengerechten Umbau des gleichen Fahrzeugs auf Handbetrieb für Gas und Bremse gemäß §§ 53, 54 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX übernommen. Das Angebot der Firma S… GmbH vom 21. September 2007 sei insoweit Bestandteil dieser Kostenzusage. Bei dieser Kostenzusage handele es sich um eine Einzelfallentscheidung. „Weitergehende Ansprüche auf Übernahme von Kosten, die […] durch den Betrieb“ des Fahrzeugs entstünden, würden nicht übernommen. Randnummer 4 Wie beabsichtigt erfolgte der Ankauf und Umbau des Fahrzeugs, das vom Kläger in der Folgezeit genutzt wurde. Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 6. August 2014 – formuliert als „Überprüfungsantrag“ – die Übernahme der Kosten für seine „Autoversicherung“ sowie der Aufwendungen für die Pflege seines Kfz durch Private (Aussaugen und Waschen alle zwei Wochen) mit einem Zeitaufwand von ca. eineinhalb Stunden und Kosten von 8,00 Euro pro Stunde rückwirkend seit dem 10. April 2009. Die Pauschale in Höhe von 50,00 Euro, die er monatlich erhalte, sei keineswegs ausreichend für sämtliche Instandhaltungsmaßnahmen. Randnummer 5 Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 12. September 2014 unter Verweis insbesondere auf seinen Bescheid vom 21. November 2007 ab. Randnummer 6 Mit seinem hiergegen am 27. September 2014 erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, die Ablehnung entspreche nicht den „Maßnahmen der Eingliederungshilfe“ und seiner wirtschaftlichen Situation. Es stehe fest, dass er auf ein eigenes Kfz angewiesen sei. Randnummer 7 Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. November 2014 als unbegründet zurück. Der angegriffene Bescheid lasse keine Fehler erkennen. Randnummer 8 Hiergegen hat der Kläger am 13. November 2014 Klage erhoben. Er sei unstreitig nicht in der Lage, auch noch die Kosten für die Versicherung seines Pkw dauerhaft aufzubringen. Im Übrigen stünden ihm diese Kosten zu, da es sich dabei um Beträge handele, die über die täglich nutzungsbedingt anfallenden Kosten (Öl, Benzin usw.) hinausgingen. Abgesehen davon sei die Pauschale, die vom Beklagten monatlich in Höhe von 50,00 Euro gezahlt werde, für seine Mobilität nicht einmal ansatzweise ausreichend. Auf die Entscheidungen des Sozialgerichts Itzehoe vom 28. Mai 2014 zu den Aktenzeichen S 15 SO 81/13 und S 15 SO 83/13 werde verwiesen. Randnummer 9 In der mündlichen Verhandlung beim Sozialgericht am 25. März 2015 haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt. Das Sozialgericht hat dem Kläger aufgegeben, seinen Antrag unter Darlegung weiterer Angaben zur Kfz-Versicherung zu konkretisieren und hierzu den Rechtsstreit vertagt. Randnummer 10 Der Kläger hat im Nachgang die Beitragsrechnung ab dem 1. Januar 2014 der HUK-Coburg aus Oktober 2013 sowie zusätzlich die Beitragsrechnung ab dem 1. Januar 2015 aus Oktober 2014 vorgelegt, jeweils betreffend die Kfz-Haftpflichtversicherung und Kaskoversicherung. Randnummer 11 Der Kläger hat sinngemäß beantragt, Randnummer 12 den Bescheid des Beklagten vom 12. September 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. November 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an ihn – den Kläger – die Kosten der für das Kfz bestehenden Versicherung bei der HUK-Coburg in Höhe von 458,36 Euro bezogen auf das Jahr 2014 und anschließend in laufender Höhe von kalendervierteljährlich 98,06 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Randnummer 13 Der Beklagte hat beantragt, Randnummer 14 die Klage abzuweisen. Randnummer 15 Er hat hierzu auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 7. November 2014 verwiesen und ergänzend ausgeführt, gegen beide genannten Urteile sei Berufung eingelegt worden. Aus seiner – des Beklagten – Sicht sei es nicht unstreitig, dass der Kläger auf ein Kfz angewiesen sei. Dies gelte insbesondere im Hinblick auf die in letzter Zeit ergangene Rechtsprechung. Randnummer 16 Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 21. August 2015 – ohne mündliche Verhandlung – unter Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 12. September 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. November 2014 den Beklagten verurteilt, an den Kläger 752,54 Euro zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Klage sei hinsichtlich des geltend gemachten Hauptanspruchs begründete, während die Nebenforderung in Form des geltend gemachten Zinsanspruchs keine gesetzliche Grundlage finde. Rechtsgrundlage des Anspruchs des Klägers auf Übernahme der in Rede stehenden Versicherungsbeiträge sei der Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 21. November 2007. Der Beklagte habe durch den Bewilligungsbescheid vom 21. November 2007 anerkannt, dass der Kläger ein Kfz benötige, um sein Recht auf Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft verwirklichen zu können. Hierzu gehöre gemäß § 8 Eingliederungshilfe-Verordnung (EGHVO) auch die Kfz-Hilfe. Durch den Bescheid vom 21. November 2007 habe der Beklagte schon über das „Ob“ der Leistungsgewährung abschließend entschieden. Der Beklagte habe bei der Versagung der beantragten Übernahme der Kosten der Kfz-Versicherung sein ihm im Rahmen der Eingliederungshilfe als Rehabilitationsleistung nach §§ 53 f. SGB XII gemäß § 17 Abs. 2 SGB XII zustehendes Ermessen pflichtwidrig ausgeübt, indem er sich gegen die Kostenübernahme entschieden habe. Zwar habe der Beklagte in seinem Bescheid vom 21. November 2007 den Einzelfallcharakter der Bewilligung des vom Kläger beschafften und für ihn behindertengerecht umgebauten Fahrzeugs betont. Mit dieser Regelung habe der Beklagte indes die grundsätzliche Berechtigung des Klägers bestätigt, auf Sozialhilfekosten ein Kfz nutzen zu dürfen. Die weitere Regelung, dass Kosten, die dem Kläger durch den Betrieb des Kfz entstünden, nicht übernommen würden, dürfe nicht so restriktiv verstanden werden, dass alle beim Betrieb des Kfz anfallenden Kosten nicht übernommen würden. Der Betrieb eines Fahrzeugs verursache immer Kosten. Würde die Übernahme von Kosten durch den Beklagten ganz allgemein ausgeschlossen sein, könne das bezuschusste und umgebaute Kfz die durch die Zuschussgewährung bezweckte Mobilität des Klägers praktisch nicht sicherstellen. Bei der Zuschussgewährung habe der Beklagte genau gewusst, dass der Kläger wirtschaftlich außerstande sei, alle Kosten eines Kfz zu tragen, beispielsweise auch diejenigen, die bekanntermaßen selbst dann entstünden, wenn das Kfz wenig oder gar nicht bewegt werde. So treffe den Kläger die nach § 1 des Gesetzes über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter (Pflichtversicherungsgesetz) bestehende Versicherungspflicht, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen und aufrechtzuerhalten, wenn sein Kfz auf öffentlichen Wegen oder Plätzen verwendet werde. Fehle diese Versicherung, könne das Kfz nicht verwendet werden. Teleologisch sei daher der weitgehende Ausschluss der Übernahme von Kosten durch den Beklagten darauf zu reduzieren, dass der Beklagte die bestimmungsgemäße Brauchbarkeit des Kfz sicherzustellen habe und beim Kläger nur die beim Alltagsbetrieb entstehenden Kosten etwa für Kraftstoff, Öl, Scheinwerfer- und Scheibenreinigungsflüssigkeit oder Türenteiserspray verblieben. Dagegen habe der Beklagte die Kosten zu übernehmen, die erforderlich seien, um das dem Kläger bewilligte Kfz versicherungsrechtlich verwendungsfähig und technisch funktionsfähig zu halten. Vorliegend stehe es für die Kammer insbesondere außer Frage, dass der Kläger sein Kfz, ohne kfz-haftpflichtversichert zu sein, weder nutzen könne noch dürfe. Nach den den Beteiligten und der Kammer bekannten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers sei es ausgeschlossen, dass der Kläger mit der ihm im Umfang von 50,00 Euro monatlich gewährten Mobilitätspauschale die für die Pflichtversicherung entstehenden Kosten aus eigenen Mitteln tragen könne. Randnummer 17 Der Beklagte hat gegen das ihm am 13. Januar 2016 zugestellte Urteil am 5. Februar 2016 Berufung eingelegt. Seine damalige Entscheidung über das „Ob“ der Leistungsgewährung sei an Bedingungen geknüpft gewesen. Es sei deutlich zum Ausdruck gebracht worden, dass es sich um eine Einzelfallentscheidung gehandelt habe. Damit habe er auch über das „Wie“ der Leistungsgewährung entschieden. Es hätten bereits damals erhebliche Zweifel daran bestanden, dass die Voraussetzungen für eine Kfz-Beihilfe vorlägen. Die zusätzlich getroffene Regelung, dass Kosten, die dem Kläger durch den Betrieb des Kfz entstünden, nicht übernommen würden, sei unter anderem ausschlaggebend gewesen für die damals getroffene Bewilligungsentscheidung. In einem Gespräch am 20. Juli 2007 sei der Kläger hierauf ausdrücklich hingewiesen worden. Auf den Gesprächsvermerk vom 23. Juli 2007 werde verwiesen. Eine Auslegung dieser Regelung sei nicht erforderlich, da diese unmissverständlich formuliert sei. Er – der Beklagte – betrachte diese Bewilligungsentscheidung zwischenzeitlich als von Anfang an rechtswidrig. Man habe im Rahmen eines Überprüfungsantrags nach § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X), im Verfahren S 15 SO 27/11 geprüft, ob die Möglichkeit bestehe, den Bescheid vom 21. November 2007 insgesamt zurückzunehmen, sei letztlich aber zu der Entscheidung gekommen, dass dies nach § 45 Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB X aufgrund von Vertrauensschutzgesichtspunkten nicht möglich sei. Damit bestehe keine dauerhafte Bindung an die einmal getroffene Entscheidung. Randnummer 18 Der Beklagte beantragt, Randnummer 19 das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 21. August 2015 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen. Randnummer 20 Der Kläger beantragt, Randnummer 21 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 22 Er hält die angegriffene Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Der Beklagte irre sich, wenn er einerseits einen Anspruch auf ein Kfz bejahe, dann aber eine Übernahme jeglicher Kosten, die durch den Betrieb des Kfz entstünden, ablehne. Randnummer 23 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten – auch zu den Verfahren L 9 SO 64/14 , L 9 SO 65/14 , L 9 SO 66/14 und L 9 SO 34/15 – verwiesen. Diese sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 21. August 2015 aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers sind in keiner Instanz zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Hessisches Landessozialgericht 4. Senat
Hessen
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23.04.2008
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten über die Abrechenbarkeit von Leistungen nach der Nr. 19 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes-Ärzte (EBM-Ä) im Rahmen des von der Beklagten organisierten Notdienstes in den Quartalen II/03 und III/03. Randnummer 2 Der Kläger ist seit dem 1. September 2002 privat niedergelassener Arzt und arbeitet seit 1999 als Arzt im ärztlichen Not- bzw. Notfalldienst in verschiedenen Notdienstbezirken. Randnummer 3 Mit Bescheid vom 12. Januar 2004 strich die Beklagte im Rahmen der sachlich-rechnerischen Berichtigung die vom Kläger für das Quartal II/03 berechneten Leistungen nach Nr. 19 EBM-Ä im Rahmen des organisierten Notdienstes in den Notdienstbezirken der Stadt H und des M-K-Kreises. Dem Widerspruch des Klägers gab die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2004 statt. Randnummer 4 Mit Bescheid vom 29. Januar 2004 strich die Beklagte im Rahmen der sachlich-rechnerischen Berichtigung die vom Kläger für das Quartal II/03 berechneten Leistungen nach Nr. 19 EBM-Ä im Rahmen des organisierten Notdienstes in den Notdienstbezirken B N und W-W. Mit Honorarbescheid vom 16. März 2004 setzte die Beklagte das Honorar des Klägers für das Quartal III/03 ohne Berücksichtigung der von ihm berechneten Leistungen nach Nr. 19 EBM-Ä im Rahmen des organisierten Notdienstes in den Notdienstbezirken Bad N und W fest. Mit Bescheid vom 24. März 2004 strich die Beklagte im Rahmen der sachlich-rechnerischen Berichtigung die vom Kläger für das Quartal III/03 berechneten Leistungen nach Nr. 19 EBM-Ä im Rahmen des organisierten Notdienstes in den Notdienstbezirken der Stadt H und des M-K-Kreises. Die gegen die Bescheide vom 29. Januar 2004, 16. März 2004 und 24. März 2004 jeweils erhobenen Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2004 als unbegründet zurück. Mit weiterem Bescheid vom 28. Juli 2004 strich die Beklagte im Rahmen der sachlich-rechnerischen Berichtigung die vom Kläger für das Quartal IV/03 berechneten Leistungen nach Nr. 19 EBM-Ä im Rahmen des organisierten Notdienstes. Den hiergegen am 10. August 2004 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. September 2004 als unbegründet zurück. Randnummer 5 Am 16. August 2004 hat der Kläger beim Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 19. Juli 2004 erhoben, am 23. Oktober 2004 hat er im Wege der Klageerweiterung den Widerspruchsbescheid vom 20. September 2004 angefochten. Randnummer 6 Mit Urteil vom 28. Juni 2006 hat das SG die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, bei der gebotenen Interpretation der Leistungsbeschreibung der Nr. 19 EBM-Ä ergebe sich, dass damit der Mehraufwand abgegolten werde, der dem Arzt entstehe, der einen Patienten kontinuierlich begleite und betreue, der wegen einer – regelmäßig dauerhaften – erheblichen Kommunikationsstörung über sein Befinden und eventuelle Veränderungen in seinem Gesundheitszustand selbst keine Angaben machen könne. Diese Zielsetzung der Leistung, die auf Abgeltung eines erhöhten Betreuungsaufwands typischerweise im Rahmen einer kontinuierlichen Behandlung gerichtet sei, werde dadurch verdeutlicht, dass die Leistung nur einmal im Behandlungsfall (also einmal je Quartal) abrechenbar ist (so BSG, Urteil vom 5. Februar 2003, Az.: B 6 KA 11/02 R). Das Erfordernis kontinuierlicher Begleitung und Betreuung des Patienten sei aber typischerweise dem Grunde nach nicht erfüllt bei einer Fremdanamneseerhebung bzw. bei Kontakten mit entsprechenden Bezugspersonen im Rahmen eines Notdienst- bzw. Bereitschaftsdienstarzteinsatzes. Dabei sei es unerheblich, ob im Einzelfall quantitativ oder qualitativ ärztliche Tätigkeiten erbracht würden, die der Leistung nach Nr. 19 EBM-Ä der Sache nach vollauf entsprechen, da die Abrechenbarkeit dadurch ausgeschlossen werde, dass die Leistung bereits dem Grunde nach im Notfall- bzw. Bereitschaftsdienst nicht erbracht werden könne. Randnummer 7 Eine systematische Interpretation unter Heranziehung der ergänzenden Anmerkungen zur Berechnungsfähigkeit der Leistung der Nr. 19 EBM-Ä neben Leistungen nach Nrn. 846 bzw. 840 und 847 EBM-Ä bestätige dieses Ergebnis. In diesen Leistungspositionen werde im Rahmen der psychiatrischen Behandlung von Kindern und Jugendlichen nach Abschnitt G II des EBM-Ä der Aufwand abgegolten, der dem Arzt entstehe, weil er längere Beratungs- bzw. Anleitungsgespräche mit den Bezugspersonen von psychisch erkrankten Kindern und Jugendlichen führen müsse. Auch hier werde eine Intensität der Begleitung und Betreuung angesprochen, die eine entsprechende Dauerkomponente beinhalte, wie sie bei der ärztlichen Aufgabenstellung im Notfall- bzw. Bereitschaftsdienst dem Grunde nach nicht gegeben sei. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass eine Erhebung von Daten bei Dritten und Kontakte mit Bezugspersonen im Notfall- bzw. Bereitschaftsdienst durch die Notfallordinationsgebühr mit 220 Punkten abgegolten werden. Daraus, dass Leistungen nach den Nrn. 12, 14, 15, 16 und 20 EBM-Ä im Rahmen des ärztlichen Notfalldienstes bzw. bei Notfallbehandlungen nicht berechnungsfähig seien, könne nicht der Umkehrschluss dahingehend gezogen werden, dass Leistungen nach Nr. 19 EBM-Ä berechnungsfähig sind, zumal es sich bei den Leistungen nach den Nrn. 12, 14, 15 und 16 EBM-Ä um eigenständige Betreuungsleistungen handle, die erst durch ihre Kontinuität vergütungsfähig würden. Schließlich sei auch in der Leistungsbeschreibung der Nr. 20 EBM-Ä als einer weiteren eigenständigen Betreuungsleistung das Erfordernis kontinuierlicher Betreuung nicht ausdrücklich erwähnt worden. Randnummer 8 Die vorgenommene Interpretation werde gestützt durch die Betrachtung der ärztlichen Aufgabenstellung im Notfall- bzw. Bereitschaftsdienst. Im Rahmen dieses Dienstes könne nämlich keine optimale, nicht einmal eine normale ärztliche Versorgung erwartet werden; der Notfall- bzw. Bereitschaftsdienstarzt müsse lediglich mit praxisbezogener Sachkunde den typischen Notfallsituationen des Bereitschaftsdienstes gewachsen sein und in der Regel wenigstens durch Sofortmaßnahmen im Sinne einer vorläufigen Versorgung die Zeit bis zum Einsetzen einer normalen ärztlichen Versorgung überbrücken können. Diesbezüglich habe sich auch nichts durch die Neufassung des § 75 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) in der Fassung des 2. GKV-NOG vom 23. Juni 1997 (BGBl. I S. 1520) geändert, wonach die Sicherstellung auch die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst) umfasse, während zuvor auf die Sicherstellung auch eines ausreichendes Notdienstes abgestellt wurde. Durch diese gesetzliche Änderung sollte nichts am Charakter des Notdienstes geändert werden; es sei dem Gesetzgeber lediglich darum gegangen, die notärztliche Versorgung im Rahmen des Rettungsdienstes aus dem Sicherstellungsauftrag der Kassenärztlichen Vereinigungen auszugliedern, da diese keine typischerweise vertragsärztliche Aufgabe sei. Randnummer 9 Gegen das ihm am 31. August 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20. September 2006 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Er stützt sich insbesondere auf das Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 11. Juli 2006, Az.: L 4 KA 24/05, in dem die Abrechenbarkeit der Nr. 19 EBM-Ä für Anästhesisten bejaht wurde. Weder der Wortlaut noch irgendwelche Abrechnungsbestimmungen würden einen Hinweis darauf geben, dass bestimmte Arztgruppen von der Abrechnung der Nr. 19 EBM-Ä ausgeschlossen seien. Die Grenzen für die Heranziehung weiterer Kriterien der Anwendung des EBM-Ä über den Wortlaut hinaus seien nach ständiger Rechtsprechung des BSG eng. Einschränkende Auslegungen seien generell unzulässig (Urteil des BSG vom 5. Februar 2003, Az.: B 6 KA 11/02 R). Nach dem Urteil des BSG sei der Kreis der Personen, bei denen die Fremdanamnese erhoben werden könne, auf solche aus dem Interaktionsfeld des Patienten begrenzt. Daher sei die Nr. 19 EBM-Ä von vornherein nicht berechnungsfähig, wenn der Arzt im Notarztwageneinsatz Personen befrage, die den Patienten nicht kennen und allenfalls Angaben darüber machen könnten, wie es gegebenenfalls zu einem Unfall mit der Folge einer gesundheitlichen Schädigung gekommen sei, bzw. in welchem äußeren Zustand sie den Patienten an einem bestimmten Ort angetroffen hätten. Im Rahmen der systematischen Interpretation habe das BSG ausgeführt, dass mit der Nr. 19 EBM-Ä der Mehraufwand abgegolten werden solle, der dem Arzt entstehe, der einen Patienten kontinuierlich begleite und betreue, der wegen einer – regelmäßig dauerhaften – erheblichen Kommunikationsstörung über sein Befinden und eventuelle Veränderungen in seinem Gesundheitszustand selbst keine Angaben machen könne. Diese Ausführungen des BSG würden sich nicht auf eine Tätigkeit im ärztlichen Notdienst übertragen lassen. Insbesondere handele sich bei der Leistungsbeschreibung der Nr. 19 EBM-Ä nicht um einen interpretationsbedürftigen Wortlaut. Vorausgesetzt werde lediglich die Erhebung der Fremdanamnese, was vom Wortlaut her nichts weiteres voraussetze als die Erhebung der Anamnese, die im Regelfall nicht durch ein Gespräch mit den Patienten selbst, sondern mit Personen, die aus seinem familiären Umfeld stammen, durchgeführt werde. Aus dem weiteren systematischen Kontext ergebe sich nicht, dass eine (kontinuierliche) Betreuung Voraussetzung für die Abrechnung der Nr. 19 EBM-Ä sei. In Nr. 20 EBM-Ä sei ausdrücklich der Begriff "Betreuung" enthalten; in den Leistungsbeschreibungen der Nrn. 14, 15 und 16 EBM-Ä werde eine kontinuierliche Betreuung vorausgesetzt, in den Nrn. 14, 15 und 20 EBM-Ä mindestens 5 Arzt-Patientenkontakte im Behandlungsfall, in der Nr. 19 EBM-Ä würden derartige Vorgaben gerade nicht gemacht. Zu demselben Ergebnis komme auch das Urteil des LSG Schleswig Holstein (a.a.O.), in dem die Abrechenbarkeit der Nr. 19 EBM-Ä für einen Anästhesisten, der fast ausschließlich bei einem Zahnarzt ambulante Narkosen durchführe, bejaht werde. Obwohl der Narkosearzt den Patienten während des Eingriffs beim Zahnarzt meist nur ein einziges Mal sehe, stelle das LSG bei der Beurteilung der Frage nach der Berechnungsfähigkeit der Nr. 19 EBM-Ä darauf ab, dass der Narkosearzt im Gegensatz zu dem Arzt im Notarztwageneinsatz eine eigene Behandlung am Patienten vornehme. Es komme ausschließlich darauf an, dass der Anästhesist im Rahmen seiner Behandlung zwingend darauf angewiesen sei, bei dem Patienten eine Fremdanamnese zu erheben, um mögliche Komplikationen bei der Narkose zu vermeiden. Genau so verhalte es sich bei einem Arzt, der die Fremdanamnese im Rahmen des ärztlichen Notdienstes erhebe. Dieser erbringe ebenfalls wie der Narkosearzt in dem genannten Urteil eine eigene Behandlung am Patienten. Dies unterscheide die Tätigkeit wesentlich von der eines Arztes im Notarztwagen, dessen Aufgabengebiet ausschließlich auf die Erstversorgung akut lebensgefährlicher Kranker und deren Transport in das nächstgelegene Krankenhaus beschränkt sei. Die Aufgabenstellung im ärztlichen Notdienst sei zwar insoweit begrenzt, als es sich bei dieser Tätigkeit um eine vorläufige Versorgung der Patienten handle, bis diese zu den regulären Sprechzeiten weiter versorgt werden können. Dies ändere aber nichts daran, dass auch der Arzt im ärztlichen Notdienst häufig eine Fremdanamnese im Sinne der Leistungslegende erbringen müsste, um den Patienten auch in diesem Rahmen sinnvoll und unter Vermeidung etwaiger Komplikationen behandeln zu können. Randnummer 10 Der Kläger beantragt (sinngemäß), das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. Juni 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 29. Januar 2004 und 16. März 2004 und Aufhebung des Bescheids vom 24. März 2004 jeweils in Gestalt des Widerspruchsbescheids von 19 Juli 2004 sowie unter Abänderung des Bescheids vom 28. Juli 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. September 2004 zu verurteilen, seine Leistungen nach Nr. 19 EBM-Ä zu vergüten, soweit die Ursachen der Kommunikationsstörungen nach Nr. 19 EBM-Ä gegeben sind. Randnummer 11 Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 12 Sie hält das angefochtene Urteil für rechtmäßig. Auch das vom Kläger vorgelegte Urteil des LSG Schleswig-Holstein vom 11. Juli 2006 führe zu keiner anderen Beurteilung. Das LSG habe festgestellt, dass ein vertragsärztlich tätiger Anästhesist über die kurzfristige Aufrechterhaltung der Vitalfunktionen hinaus selbst eine Behandlung des Patienten vornehme. Insofern sei er für seine Behandlung auf eine sorgfältige Anamnese angewiesen. Anders als bei einem Notarzt im Notarztwagendienst sei bei einem Anästhesisten davon auszugehen, dass er bei den von der Nr. 19 EBM-Ä erfassten Patienten die mit dieser Leistungsziffer abgegoltene Leistung zwingend erbringen müsse, sofern sie nicht bereits zuvor von einem anderen Arzt erbracht worden sei. Hiermit sei der im ärztlichen Bereitschaftsdienst tätige Kläger jedoch nicht vergleichbar. Dieser sei nicht zwingend auf eine umfangreiche Anamnese angewiesen, sondern habe vielmehr ähnlich dem Arzt im Notarztwagendienst keine übliche und normale ärztliche Versorgung, sondern in der Regel nur Sofortmaßnahmen zur Überbrückung der Zeit bis zum Einsetzen der normalen vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen. Randnummer 13 Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Randnummer 14 Wegen weiterer Einzelheiten und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 28. Juni 2006 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Streitwert wird auf 4.393,00 € festgesetzt. Die Revision wird zugelassen.
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VG Berlin 29. Kammer
Berlin
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16.07.2010
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Randnummer 1 Die Kläger begehren Erlösauskehr hinsichtlich des ehemaligen Grundstücks G.straße 103/T.straße in Berlin. Auf dem 279 m² großen Grundstück in Berlin-Mitte wurde 1859 ein Eckgebäude errichtet, in dem sich Souterrain-Geschäfte und Wohnungen befanden. Das Grundstück wurde im November 1922 von Dr. M.M. erworben, der seit Juli 1923 als Eigentümer im Grundbuch verzeichnet war. Dr. M. der jüdischen Glaubens war, gehörten in Berlin drei weitere Mietshäuser (T.Straße 12 im Wedding, K.straße 59 in Friedrichshain und A.straße 4 im Wedding). Nach seinem Tod im Jahr 1928 ging das Eigentum an den vier Grundstücken im Erbwege auf seine drei Kinder S. (S.M.), H. S. (H.S.) und E. M. (E.M.) über. E.M. lebte zu diesem Zeitpunkt bereits dauerhaft in Palästina. S.M. übernahm im Jahre 1932 die Stelle des Bezirksrabbiners in B. (…). H.S. war mit einem gleichfalls jüdischen Arzt verheiratet, der eine Praxis führte und Mitinhaber einer Privatklinik in Berlin war. Nach der Entziehung der kassenärztlichen Zulassung im Sommer 1933 und boykottbedingtem Rückgang der Privatbehandlungen sah sich die Familie im September 1933 gezwungen, nach Palästina auszuwandern. Dr. S. gab im Entschädigungsverfahren seine jährlichen Einkünfte für die Jahre 1930 bis 1933 mit 29.000 bis 35.000 RM an, die Einkünfte in den Jahren 1934 bis 1938 mit 200 bis 500 Palästinapfund. Randnummer 2 Mit notarieller Urkunde vom 30. November 1936 setzten sich die drei Geschwister hinsichtlich ihres Erbes teilweise dergestalt auseinander, dass die drei hier nicht streitgegenständlichen Grundstücke in das Eigentum von S.M. allein übergingen. Das Streitgrundstück blieb ausdrücklich in ungeteilter Erbengemeinschaft. Randnummer 3 Das Grundstück T. Straße 12 wurde mit Kaufvertrag vom 14. Februar 1938 an M. H., die Ehefrau des Erwerbers des Streitgrundstücks, veräußert. Randnummer 4 Der Einheitswert 1935 des Grundstücks G.str. 103 betrug 67.400 RM. Am 26. November 1936 wurde die Zwangsversteigerung dieses Grundstücks angeordnet. Zu diesem Zeitpunkt war das Grundstück wie folgt belastet: Die Hypotheken laufende Nummern 1, 2 und 4 beliefen sich - nach Aufwertung – auf nominal 7.500 GM (Nr. 1), 7.500 GM (Nr. 2) und 13.250 GM (Nr. 4). Die ursprünglich aus dem Jahr 1928 datierende Hypothek Nr. 7 war in Höhe von 16.750 GM eingetragen. Hiervon wurden 3.150 RM während des laufenden Zwangsversteigerungsverfahrens getilgt, was noch am 24. März 1938 zur Löschung dieses Teilbetrages führte (= 13.600). Weiter war unter Nr. 8 seit 1929 eine Hypothek in Höhe von 13.000 GM und unter Nr. 9 aufgrund eines Vertrages vom 1. Juni 1934 eine Belastung in Höhe von 20.000 GM eingetragen. Beide Gläubiger waren Privatpersonen. Randnummer 5 Im Versteigerungstermin am 5. April 1938 blieb B. H. Meistbietender mit einem Gebot von 66.750 RM. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 29. April 1938 wurde H. das Grundstück zu einem Barzahlungsbetrag von 38.500 RM und Übernahme der Hypotheken Nr. 1, 2 und 4 zugeschlagen. In der notariellen Urkunde vom 27. Mai 1938 erklärte der Erwerber H., der Zuschlagsbeschluss sei ihm mit der Maßgabe erteilt worden, dass die Hypotheken Nrn. 1, 2 und 4 mit 7.500 GM, 7.500 GM und 13.250 GM bestehen bleiben. Mit der Gläubigerin der Hypothek laufende Nr. 7 habe er das Bestehenbleiben in Höhe von 8.600 GM vereinbart, in Höhe des restlichen Kapitals von 5.000 GM habe sich diese Gläubigerin für befriedigt erklärt. Dementsprechend erklärte der Erwerber die Übernahme der persönlichen Schuld in der bezeichneten Höhe gegenüber diesen Gläubigern, der Gesellschaft für Hypothekenverwahrung GmbH für die Nrn. 1, 2 und 4, sowie der Berliner Hypotheken-Treuhand GmbH für Nr. 7. Mit Schreiben vom 17. Juni 1938 beantragte das Vollstreckungsgericht beim Grundbuchamt „aufgrund des anliegenden Zuschlagsbeschlusses“ neben der Eintragung des Erwerbers als Eigentümer die Löschung der Hypothek Nr. 7 mit einem Teilbetrag von 5.000 GM und die Löschung der Hypotheken Nrn. 8 und 9. Randnummer 6 S.M. wurde am 9. November 1938 verhaftet und ins KZ Dachau verbracht. Von dort wurde er im Dezember 1938 mit der Maßgabe entlassen, seine zwei noch verbliebenen Häuser in Berlin abzugeben und umgehend auszuwandern. Er emigrierte tatsächlich im Februar 1939 mit seiner Familie nach Palästina. Randnummer 7 Das Grundstück K.straße 59 wurde mit Vertrag vom 22. Mai 1939 zu einem Kaufpreis von 56.000 RM bei einem Einheitswert 1935 von 57.700 RM unter Übernahme von Hypotheken von rund 43.000 RM veräußert. Randnummer 8 Das letzte verbliebene Grundstück A.straße 4 wurde 1940 zwangsversteigert. Randnummer 9 Die Gebäude auf dem Streitgrundstück wurden im Krieg total zerstört. Es wurde 1959 nach Aufbaurecht in Volkseigentum überführt und ging in einem größeren Grundstück auf, auf dem eine Kaufhalle errichtet wurde. Mit bestandskräftigem Vermögenszuordnungsbescheid vom 29. August 1998 wurde als Eigentümerin die Bundesrepublik Deutschland festgestellt. Mit Vertrag vom 23. März 2007 stimmten die beiden Teil-Erbengemeinschaften und die JCC dem Verkauf des Grundstücks als Teil eines größeren Areals durch die Beigeladene zu. Randnummer 10 Am 8. Oktober 1990 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte der Erben nach S.M. die Restitution des Grundstück. Einen entsprechenden Antrag stellte die Klägerin zu 7. am 12. März 1991 für die Erben nach E.M., die selbst keine Ansprüche angemeldet haben. Am 7. August 1992 wurde schließlich ein entsprechender Antrag von den Verfahrensbevollmächtigten der Erben nach H.S. eingereicht. Die Antragsteller beriefen sich vor allem auf die Tatsache, dass die drei anderen Grundstücke zurück übertragen worden sind, sowie auf die verfolgungsbedingte Auswanderung von H. S., durch die deren Einkunftsbasis für die Bedienung der Schulden entfallen sei. Randnummer 11 Im Rückerstattungsverfahren hinsichtlich des Grundstücks A.straße hatte das LG Berlin mit Beschluss vom 24. Juni 1952 die Rückübertragung an S.M. im Wesentlichen mit folgender Begründung angeordnet: Es könne angenommen werden, dass der Antragsteller, wäre er nicht verfolgt worden, die Zwangsversteigerung des Grundstücks hätte abwenden können. Die Vollstreckungsmaßnahmen seien unter Ausnutzung des Umstandes, dass der Eigentümer als ins Ausland geflüchteter Jude zur Wahrung seiner Rechte nicht im Stande war, erwirkt worden. Randnummer 12 Im Rückerstattungsverfahren vor dem Landgericht Berlin hinsichtlich des Grundstücks T. Straße war nach den vorliegenden Auszügen von Seiten der Käuferin unter anderem geltend gemacht worden: Der Ankauf der Turiner Straße sei von dem Immobilienmakler und dem für S.M. auftretenden Bevollmächtigten davon abhängig gemacht worden, dass auch das Streitgrundstück - aus der Zwangsversteigerung - erworben wird. Das Haus in der G.straße sei völlig verwahrlost gewesen. Für die T. Straße sei bei einem Einheitswert von 91.000 RM ein Kaufpreis von 116.000 RM vereinbart gewesen, wovon rund 33.800 RM in bar gezahlt worden seien. Zusätzlich seien für die G.straße etwa 35.200 RM in bar entrichtet worden. Der Verkäufer habe auch gerade großes Interesse daran gehabt Bargeld zu erhalten, um seine Hypothekengläubiger zu befriedigen. Nach dem Erwerb der G.straße habe man dort umfängliche Instandsetzungsarbeiten vornehmen lassen. Der Prozessbevollmächtigte von S.M. war dem entgegen getreten. Jedenfalls sei der Kaufpreis für die T. Straße nicht in die freie Verfügung des Verfolgten gelangt. Im Verhandlungstermin am 4. März 1954 wurde ein Vergleich mit dem wesentlichen Inhalt abgeschlossen, dass das Grundstück rückübertragen wird und der Antragsteller an die Antragsgegnerin „zur Abgeltung aller Rückgewähransprüche“ 15.000 RM zahlt. Der Vergleich enthielt noch die Regelung, dass damit auch alle gegenseitigen Ansprüche hinsichtlich des Grundstücks G.straße 103 ausgeglichen seien. Randnummer 13 Das Grundstück K.straße wurde durch Bescheid des LAROV Berlin/Lastenausgleichsamt vom 21. Januar 2003 an die Alteigentümer zurück übertragen. In der Begründung wurde ausgeführt: Schon die Erbauseinandersetzung im Jahre 1936 sei hinsichtlich H. S. und E.M. eine Schädigung gewesen, hinsichtlich derer die Verfolgungsvermutung nicht widerlegt sei. Gegenüber S.M. sei der Verkauf vom 22. Mai 1939 eine Schädigung. Denn der Kaufpreis habe um 1700 RM unter dem Einheitswert gelegen und sei auch nicht in die freie Verfügung des Verkäufers gelangt. Randnummer 14 Die vermögensrechtlichen Anträge im vorliegenden Verfahren wurden mit Bescheid des Bundesamts für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen vom 19. April 2007 abgelehnt. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt: Bei Verlusten durch Zwangsversteigerungen sei der Zusammenhang mit der Verfolgung im Einzelfall nachzuweisen. Dies sei hier nicht gelungen. Im Zeitpunkt der Zwangsversteigerung sei das Grundstück zu 111 % über dem Einheitswert belastet gewesen. Die eingetragenen Hypotheken würden keinen diskriminierenden Charakter erkennen lassen. Die Zwangsversteigerung sei nicht wegen des jüdischen Glaubens der Eigentümer durchgeführt worden. Vielmehr spreche viel dafür, dass das Grundstück, wie die Hausverwaltung im Wiedergutmachungsverfahren T. Straße mitgeteilt habe, in einem absolut baufälligen Zustand gewesen sei und habe mitverkauft werden müssen, um den Voreigentümer von den Hypothekenverpflichtungen zu befreien. Bei einer derart hohen Hypothekenbelastung hätte auch ein nicht Verfolgter das Grundstück nicht erhalten können. Zu diesem Zeitpunkt habe S.M. auch noch in Deutschland gelebt und als Bezirksrabbiner erhebliche Einkünfte erzielt. Während des Zwangsversteigerungsverfahrens hätte S.M. kaum Anstrengungen unternommen um das Grundstück zu sanieren bzw. Schulden abzutragen. Von einer beschleunigten Durchführung des Verfahrens könne nicht gesprochen werden. Es sei auch nicht zu erkennen, dass S.M. aufgrund seiner Glaubenszugehörigkeit in der Wahrnehmung seiner Rechte beeinträchtigt gewesen sei. Dies könne nach der Rechtsprechung erst zu einem späteren Zeitpunkt angenommen werden. Auch der Zuschlag etwas unterhalb des Einheitswertes begründe keinen Verfolgungszusammenhang. Denn derartiges sei für Zwangsversteigerungen durchaus typisch. S.M. sei auch erst nach Abschluss der Zwangsversteigerung, nämlich ab 9. November 1938, direkt verfolgt worden. Inwieweit H.S. wirklich in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt bzw. mittellos gewesen sei, sei nicht nachgewiesen. Aus den Rückerstattungen der anderen drei Grundstücke könne nicht auf die Verfolgungsbedingtheit im Falle des Streitgrundstücks geschlossenen werden. Eine solche Nachweisführung genüge nicht den Anforderungen an einen vollen Beweis. Dies gelte umso mehr als diese Rückerstattungen zum Teil anderen Rechtsgrundlagen gefolgt seien. Randnummer 15 Der Bescheid ist den drei Verfahrensbevollmächtigten jeweils am 23. April 2007 zugestellt worden. Die Prozessbevollmächtigten der Kläger zu 1. bis 6. - der Erben nach H.S. - haben am 9. Mai 2007, die Prozessbevollmächtigte der Klägerin zu 7. am 23. Mai 2007 Klage erhoben. Die Klage der Prozessbevollmächtigten der Kläger zu 8. bis 16. - der Erben nach S.M. - ist erst am 6. Juni 2007 beim Verwaltungsgericht eingegangen. Diese Kläger haben Wiedereinsetzung in die Klagefrist beantragt. Hinsichtlich der Begründung wird auf den Akteninhalt, insbesondere den Schriftsatz vom 6. Juni 2007 Bezug genommen. Randnummer 16 Die Kläger machen weiterhin geltend, dass die Aufgabe der vier Grundstücke letztlich ohne die Verfolgung nicht stattgefunden hätte und die Veräußerungen bzw. Zwangsversteigerungen zulasten der jüdischen Erbengemeinschaft aufeinander aufgebaut hätten. Die Behörde und die Erwerber hätten selbst einen engen Zusammenhang zwischen dem entsprechenden Verkauf der T.Straße und dem Erwerb des Streitgrundstücks hergestellt. Das Streitgrundstück sei nicht überschuldet gewesen. Die Hypotheken Nummern acht und neun seien nämlich noch von S.M. selbst abgelöst worden. Die Belastungen hätten sich daher insgesamt nur auf 41.850 RM belaufen. Die vollstreckende Gläubigerin habe nicht berücksichtigt, dass sich S.M. noch Anfang 1938 durch Rückzahlung eines Teilbetrages von 3.150 RM um Reduzierung der Belastungen bemüht habe. Randnummer 17 Die Kläger beantragen schriftsätzlich sinngemäß, Randnummer 18 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamts für zentrale Dienste und offener Vermögensfragen vom 19. April 2007 zu verpflichten, die Berechtigung der Kläger nach dem Vermögensgesetz hinsichtlich des ehemaligen Grundstücks G.straße 103/T.str. festzustellen. Randnummer 19 Die Beklagte beantragt, Randnummer 20 die Klage abzuweisen. Randnummer 21 Sie macht weiterhin geltend: bei Zwangsversteigerungen könne die Verfolgungsmaßnahme in einer verfolgungsbedingten Insolvenz bestehen oder in einem Missbrauch staatlicher Machtbefugnisse. Eine verfolgungsbedingte Insolvenz sei hier nicht bewiesen. Auch ein Fall des Missbrauchs des Zwangsversteigerungsverfahrens liege nicht vor. Randnummer 22 Die Beigeladene hat sich nicht geäußert. Randnummer 23 Den in der mündlichen Verhandlung am 11. März 2010 geschlossenen Vergleich haben die Kläger zu 1. bis 6. rechtzeitig widerrufen. Randnummer 24 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen, die vorgelegen haben.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt. Die Revision wird nicht zugelassen.
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VG Berlin 21. Kammer
Berlin
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24.01.2017
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Randnummer 1 Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft. Randnummer 2 Er ist 25 Jahre alt, moldauischer Staatsangehöriger sowie nach eigenen Angaben der Volksgruppe der Roma zugehörig und im Mai 2016 auf dem Landweg nach Deutschland eingereist. Seinen nach der Einreise gestellten Asylantrag begründete er damit, er wolle den Diskriminierungen als Roma entgehen und medizinisch behandelt werden. Er leide seit früher Kindheit an Morbus-Charcot-Marie-Tooth [eine besondere Form der Kinderlähmung]. In Moldau sei er nicht ausreichend behandelt worden, zum einen aufgrund seiner finanziellen Situation, zum anderen weil er Roma sei und ihm daher der Zugang zu einer medizinischen Behandlung erschwert werde. In Deutschland habe er die Möglichkeit, trotz seiner Behinderung eine Ausbildung zu machen und einer Arbeit nachzugehen. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) lehnte mit Bescheid vom 2. November 2016 die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab (Ziffer 1 des Bescheidtenors), die Anerkennung als Asylberechtigter (Ziffer 2) und die Zuerkennung subsidiären Schutzes (Ziffer 3), stellte zugleich fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Absatz 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen (Ziffer 4), drohte dem Kläger die Abschiebung nach Moldau an (Ziffer 5) und befristete das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6). Randnummer 3 Mit seiner am 21. November 2016 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter bis auf eine Asylanerkennung, wie er in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat. Zur Begründung trägt er vor, Roma würden in Moldau verfolgt. Sie würden bei der Arbeitssuche, der medizinischen und sozialen Versorgung diskriminiert sowie in allen Lebensbereichen ausgegrenzt. Randnummer 4 Der Kläger beantragt, Randnummer 5 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. November 2016 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, Randnummer 6 hilfsweise ihm subsidiären Schutz zu gewähren, Randnummer 7 weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Absatz 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Randnummer 8 Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt, Randnummer 9 die Klage abzuweisen. Randnummer 10 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes und der Ausländerbehörde Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
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Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht 3. Senat
Schleswig-Holstein
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29.07.2014
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten bzgl. des Streitjahres 2003 über die steuerliche Anerkennung von zum Teil grundbuchlich gesicherten Darlehen als nachträgliche Anschaffungskosten bei den Einkünften aus § 17 Einkommensteuergesetz -EStG-. Sie haben zunächst zudem bzgl. der Jahre 2004-2007 über die Höhe von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gestritten, diesen Streit jedoch im Laufe des gerichtlichen Verfahrens übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Randnummer 2 Im November 1998 wurde die A GmbH (im Folgenden: die GmbH) gegründet. Gegenstand und Zweck der Gesellschaft war der An- und Verkauf, die Vermietung, Verpachtung, Vermittlung und Verwaltung von Immobilien und anderen Vermögensgegenständen jeglicher Art sowie die Vorbereitung und Durchführung von Bauvorhaben als Bauherr in eigenem Namen und für fremde Rechnung unter Verwendung von Vermögenswerten. Das Stammkapital betrug 50.000,- DM und wurde zunächst von Frau Z, der Geschäftsführerin der GmbH und der Mutter der Klägerin, übernommen. Als Nachweis für die Erbringung der Stammeinlage existieren eine Einzahlungsquittung über 50.000,- DM auf das Geschäftskonto der GmbH sowie eine, die Einlage ausweisende Eröffnungsbilanz. Randnummer 3 Mit Vertrag vom 11. Dezember 1998 veräußerte die Alleingesellschafterin Z die Gesellschaftsanteile zu einem Preis von 30.000,- DM an die Klägerin. Mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 20. März 1999 wurde Frau Z als Geschäftsführerin abberufen und die Klägerin als neue Geschäftsführerin bestellt. Sie war alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit, wurde jedoch im Juni 1999 wieder abberufen und durch die neue Geschäftsführerin X (Schwester der Klägerin) ersetzt. Randnummer 4 Die Ertragsentwicklung der GmbH seit der Gründung stellte sich zunächst wie folgt dar: Randnummer 5 Jahr Umsatzerlöse Jahresergebnis 1998 0,00 DM - 2.708,79 DM 1999 51.724,14 DM - 9.336,67 DM 2000 0,00 DM - 67.305,75 DM Randnummer 6 Im November 2001 wurde der Vater der Klägerin, der Kaufmann Y, zum weiteren Geschäftsführer bestellt. Er war berechtigt, die Gesellschaft allein zu vertreten und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Die – letzte für das Unternehmen aufgestellte – Bilanz für das Jahr 2001 wies folgendes Bild auf: Randnummer 7 AKTIVA DM A. Anlagevermögen I. Sachanlagen PKW 10.496,00 PKW-Mercedes-Benz 26.227,00 Geschäftsausstattung 0,00 Büroeinrichtung 1.731,00 38.454,00 B. Umlaufvermögen I. Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände USt-Forderung 2.677,25 Körperschaftsteuerrückforderung 4.220,00 6.897,25 C. Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag 16.718,80 Summe Aktiva 62.070,05 Randnummer 8 PASSIVA DM A. Eigenkapital I. Gezeichnetes Kapital 50.000,00 II. Kapital-Rücklage (Ges. Darlehen Z) 74.624,93 III. Verlustvortrag vor Verwendung -79.351,21 IV. Jahresfehlbetrag -61.992,52 nicht gedeckter Fehlbetrag (Aktiv-Ausweis) 16.718,80 0,00 B. Verbindlichkeiten I. Verbindlichkeiten gegenüber Kreditinstituten Darlehen H Bank 40.500,00 Geschäftskonto H Bank 19.829,81 II. Sonstige Verbindlichkeiten USt-Verbindlichkeiten 1.740,24 62.070,05 Summe Passiva 62.070,05 Randnummer 9 Am 10. Juni 2002 schloss die GmbH, vertreten durch den Vater der Klägerin, einen Kaufvertrag mit den Eheleuten B und C über ein im Grundbuch von D eingetragenes Hausgrundstück (im Folgenden: das Grundstück) mit einer Größe von 533 qm. Das Grundstück wurde dabei von der GmbH einschließlich des in den Jahren 1993 – 1997 darauf errichteten Wohnhauses mit einer Größe von rd. 390 qm für einen Preis von 455.000,- EUR, später korrigiert auf 383.000,- EUR , erworben. Die Eintragung der GmbH im Grundbuch erfolgte im Juli 2002. Randnummer 10 Im zeitlichen Zusammenhang mit dem Kaufvertrag gewährte die Klägerin der GmbH Darlehen über 340.000,- EUR. Die Gesamtsumme setzte sich aus drei, in gesonderten Verträgen gewährten Darlehenssummen in Höhe von 20.000,- EUR (Vertrag vom 18. Juni 2002), von 190.000,- EUR (Vertrag vom 24. Juni 2002) und von 130.000,- EUR (Vertrag vom 26. August 2002) zusammen; der Zinssatz betrug jeweils 4,5% und die Rückzahlung sollte zum 31. Dezember 2004 erfolgen. Als Sicherheit war die Abtretung der Mieteinnahmen aus dem Grundstück sowie die Einräumung einer (laut Vertrag vom 24. Juni 2002: nachrangigen) Grundschuld an dem Grundstück vereinbart. Zudem existiert eine „Zweckerklärung für Grundschulden“ vom 24. Juni 2002 ausweislich derer die Klägerin eine Grundschuld an dem Grundstück in Höhe von 190.000,- EUR zur Sicherung „aller bestehenden und künftigen“ Forderungen gegen die GmbH, die im Zusammenhang mit dem Grundstück bestehen, erhalte. Es wurde in der Urkunde zudem festgestellt, dass „die bereit gestellten Finanzmittel ausschließlich für das Objekt“ auf dem Grundstück verwendet werden dürften. Ausweislich der Bestellungsurkunde vom 5. August 2002 wurde der Klägerin sodann eine Grundschuld in Höhe von 195.000,- EUR nebst 5% Zinsen über dem Basiszinssatz sowie einer einmaligen Nebenleistung in Höhe von 5% des Grundschuldbetrags eingeräumt und am 20. August 2002 – im Rang nach einer Grundschuld der Sparkasse E in Höhe von 250.000,- € mit 15% Zinsen (eingetragen am 12. Juli 2002) – ins Grundbuch eingetragen. Randnummer 11 Mit Vertrag vom 02. September 2003 veräußerte die Klägerin ihren gesamten Geschäftsanteil an der GmbH an ihren Vater für 15.338,76 EUR, umgerechnet 30.000,- DM. In ihrer am 27. Februar 2004 beim Finanzamt eingegangenen Einkommensteuererklärung für 2003 erklärte die Klägerin, die im Jahr 2001 ein Studium der Volkswirtschaftslehre und im Jahr 2003 ein Studium der Rechtswissenschaften erfolgreich abgeschlossen hatte, keine Einkünfte aus § 17 EStG, sondern reichte lediglich Anlagen V ein. Die Erklärung war unter Mitwirkung des Steuerberaters L der Klägerin, der auch in den Folgejahren für sie tätig war, erstellt worden. Randnummer 12 Da die GmbH bereits seit dem Jahr 2003 Auftragsrückgänge zu verzeichnen hatte, stellte sie Mitte 2004 den Geschäftsbetrieb ein und konnte -nachdem Frau Z und die Klägerin ihre Kreditbereitschaft gekündigt hatten- ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen. Ein im Juni 2004 gestellter Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist im November 2004 auf ein Sachverständigengutachten vom 26. November 2004 mangels Masse abgewiesen worden. Von dem vorbenannten Darlehen waren in diesem Zeitpunkt noch 298.351,44 EUR offen. Randnummer 13 Bereits während des Insolvenzantragsverfahrens bemühten sich die vormaligen Eigentümer – die Eheleute F – um eine Rückübertragung des Grundstücks. Nach einem erfolgreichen Streitverfahren wurde das Grundstück am 04. Juli 2005 zu Gunsten der früheren Eigentümer rückaufgelassen; die Eintragung erfolgte am 12. Juli 2005. Die der Klägerin eingeräumte Grundschuld blieb von der Rückübertragung des Grundstücks auf die Eheleute F zwar unbeeinträchtigt; gleichwohl konnte eine Verwertung nicht sogleich erfolgen, weil die Eheleute F um gerichtlichen Rechtschutz gegen die Vollstreckung der Klägerin ersuchten. Randnummer 14 Am 29. Dezember 2005 erließ das Finanzamt einen Einkommensteuerbescheid 2003, in welchem es die Steuer auf 0,- EUR festsetzte. Zugleich erließ es einen Bescheid zum 31. Dezember 2003 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer, in welchem es einen verbleibenden Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 EStG in Höhe von 4.064,- EUR feststellte. Beide Bescheide standen nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung; Einkünfte im Sinne des § 17 EStG wurden erklärungsgemäß nicht erfasst. Randnummer 15 Erst ab Mai 2006 machte die Klägerin erstmals den offenen Darlehensbetrag sowie weitere, ihrer Ansicht nach in Zusammenhang mit der GmbH-Beteiligung stehende Aufwendungen in den Einkommensteuererklärungen 2004-2007 geltend. Die geltend gemachten Aufwendungen stellten sich wie folgt dar: Randnummer 16 2004 Bezeichnung Rechnung vom Betrag Darlehensausfall Insolvenzantrag der A 298.351,44 € am 14.06.2004 Summe 298.351,44 € 2005 Bezeichnung Rechnung vom Betrag Rechtsanwaltskosten 11.03.2005 931,48 € Rechtsanwaltskosten 31.05.2005 286,98 € Gerichtskosten Bezahlt am 12.06.2005 18,00 € Gerichtskosten Bezahlt am 12.04.2005 54,26 € Summe 1.290,72 € 2006 Bezeichnung Rechnung vom Betrag Rechtsanwaltskosten 17.01.2006 891,28 € Verzugszinsen 15.03.2006 4,03 € Mahnkosten 15.03.2006 5,00 € Oberjustizkasse wegen Grundbuchauszug 10,00 € Rechtsanwaltskosten 19.12.2006 3.791,81 € Rechtsanwaltskosten 21.09.2006 5.289,60 € Rechtsanwaltskosten 05.10.2006 2.129,76 € Summe 2.121,48 € 2007 Bezeichnung Rechnung vom Betrag Einkommensteuererklärung - Anlage GSE 40,22 € Rechtsanwaltskosten (Fertigung Strafanzeige) 18.06.2007 2.403,80 € Summe 2.444,02 € Aufwendungen insgesamt 314.207,66 € Randnummer 17 Zur Begründung legte die Klägerin dar, dass das Darlehen durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen sei, weil es Eigenkapital ersetzenden Charakter gehabt habe. Zwar sei die Gesellschaft im Zeitpunkt der Hingabe noch nicht insolvent gewesen; die Rückzahlung sei aber angesichts der finanziellen Situation bereits in dem Maße gefährdet gewesen, dass ein ordentlicher Kaufmann das Risiko einer Kreditgewährung zu denselben Bedingungen nicht mehr eingegangen wäre. Der Umstand, dass die Klägerin das Darlehen unverändert auch noch dann habe stehen lassen, als sich die bereits bestehende Krise noch verschärft habe, bestätige, dass das Darlehen von Anfang an einlagegleichen Charakter haben sollte. Das Finanzamt ließ die geltend gemachten Aufwendungen in den Einkommensteuerbescheiden 2004-2007 unberücksichtigt. Randnummer 18 Unterdessen versuchte die Klägerin weiterhin gegen den Widerstand der Eheleute F in das Grundstück zu vollstrecken. Die Vollstreckung wurde durch Urteil des Oberlandesgerichts G vom 10. Mai 2007 für rechtmäßig erklärt; die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde nahmen die Eheleute F später wieder zurück. Im Rahmen der sodann durchgeführten Zwangsversteigerung wurde Ende 2008 ein Versteigerungserlös in Höhe von rund 206.000,- EUR erzielt, sodass die Klägerin aufgrund der vorrangigen Besicherung durch die Sparkasse E keinerlei Anteil am Erlös erhielt. Randnummer 19 Mit einem – mit den Worten „Einsprüche gegen die Einkommensteuerbescheide 2004 bis 2007“ – überschriebenen Schreiben vom 30. September 2008 beantragte die Klägerin, die oben genannten Aufwendungen nicht in den Jahren 2004 ff., sondern gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung -AO- als nachträgliche Anschaffungskosten in der „ESt-Erklärung 2003“ zu berücksichtigen. Die Darlehen seien an den Erwerb der Immobilie und deren umfassende Sanierung durch die GmbH gebunden gewesen. Die GmbH sei damals bereits überschuldet gewesen, was durch den in der auf den 31. Dezember 2001 aufgestellten Bilanz ausgewiesenen Fehlbetrag in Höhe von 16.718,80 DM belegt werde. Auch in den Folgejahren seien weiterhin ausschließlich Verluste erwirtschaftet und Gläubiger nur unregelmäßig bedient worden. Die Sparkasse E habe ihr Darlehen über 250.000,- EUR allein wegen der vorrangigen Besicherung und der (nachrangig besicherten) Darlehenshingabe durch die Klägerin gewährt. Aufgrund der wirtschaftlich schlechten Lage der GmbH sei auch auf eine ratierliche Rückzahlung verzichtet und für die Rückzahlung eine Frist bis zum 31. Dezember 2004 vereinbart worden. Man habe sich aus dem Erwerb des Grundstückes die Erwirtschaftung liquider Mittel versprochen. Allerdings sei es zwischen der GmbH und den früheren Eigentümern zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten gekommen; auch seien die kalkulierten Mieten nicht vollständig gezahlt worden, was letztlich zur Insolvenz der GmbH geführt habe. Erst nach Abweisung des Insolvenzantrags per 26. November 2004 habe der endgültige Ausfall des Darlehens festgestanden; es liege damit ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor. Die übrigen Kosten resultierten aus dem gegen die Eheleute F geführten Rechtsstreit im Hinblick auf das Grundpfandrecht. Die aufgrund dieses Rechtsstreits entstandenen Aufwendungen seien damit in der durch die mit der Absicherung des hingegebenen Darlehens verknüpften Eintragung der Grundschuld begründet und somit gleichsam durch das ehemalige Gesellschaftsverhältnis veranlasst. Randnummer 20 Nach weiterem Schriftwechsel lehnte das Finanzamt den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 12. September 2009  ab. Dem „Antrag vom 30. September 2008 auf Änderung des Einkommensteuerbescheides“ könne nicht entsprochen werden. Hinsichtlich der ursprünglich in den Einkommensteuererklärungen 2004 und 2005 geltend gemachten Verluste mangele es an einem rückwirkenden Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Ein Ereignis in diesem Sinne sei nur dann rückwirkend, wenn es stattfinde, nachdem der Steueranspruch entstanden und der Steuerbescheid ergangen sei. Die in den Steuererklärungen 2004 und 2005 geltend gemachten Aufwendungen seien aber vor Erlass des Einkommensteuerbescheides 2003 (29. Dezember 2005) entstanden. Auch eine Berücksichtigung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO scheide aus, weil die Klägerin an dem nachträglichen Bekanntwerden der Tatsachen ein grobes Verschulden treffe. Bezüglich der zunächst in den Steuererklärungen 2006 und 2007 geltend gemachten Aufwendungen komme eine Berücksichtigung nicht in Betracht, weil die GmbH bei Darlehenshingabe auch noch ein Darlehen von dritter Seite zu marktüblichen Bedingungen erhalten habe. Die Klägerin hätte nachweisen müssen, dass die Gesellschaft versucht habe, sich Kredite zu beschaffen, dieses Begehren von Banken jedoch abgelehnt worden sei. Auch sei eine Überschuldung abzulehnen, weil eine Überschuldungsbilanz zu Liquidationswerten zu einer Überdeckung von rd. 33.000,- DM geführt habe. Und schließlich könne auch keine Zahlungsunfähigkeit angenommen werden, da bei Insolvenzreife ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen gewesen wäre, ein solcher aber im Zeitpunkt der Darlehenshingabe nicht vorgelegen habe. Randnummer 21 Am 14. Oktober 2009 legte die Klägerin Einspruch gegen die „Ablehnung des Antrags auf Änderung des Einkommensteuerbescheides 2003“ ein. Sie begründete diesen - unter Einbeziehung ihrer weiteren Schreiben vom 15. Juli 2009, vom 04. Februar 2010  und vom 25. März 2010  wie folgt: Eine Krise im Sinne des § 32a Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung -GmbHG- liege vor, wenn die Gesellschaft überschuldet, zahlungsunfähig oder kreditunwürdig sei. Eine Kreditunwürdigkeit habe vorgelegen, weil die GmbH keine Ertragsaussichten gehabt habe. Dies zeige die Historie der Umsatzerlöse von 1998-2001; zudem seien auch nach 2001 keine weiteren Erlöse erwirtschaftet worden. Die Bilanz zum 31. Dezember 2001 habe einen Fehlbetrag ausgewiesen, es habe an belastungsfähigem Grundvermögen gemangelt, und schließlich sei nur etwa zwei Jahre nach Darlehenshingabe das Insolvenzverfahren mangels Masse abgelehnt worden. Der Summe der Zerschlagungswerte – laut Sachverständigengutachten in Höhe von 503,- EUR – hätten damals Verbindlichkeiten von über 600.000,- EUR gegenüber gestanden. Dass die Sparkasse E in diesem zeitlichen Zusammenhang ein Darlehen über 250.000,- EUR gewährt habe, stehe einer Annahme der Kreditunwürdigkeit nicht entgegen. Denn die Sparkasse sei dazu nur unter der Voraussetzung einer Darlehenshingabe durch die Klägerin sowie der Eintragung einer vorrangigen Grundschuld bereit gewesen. Soweit die GmbH zudem Darlehen von der H Bank zur Anschaffung eines PKW gewährt bekommen habe, sei dies nur unter der Bedingung einer Kreditsicherheit in Form der selbstschuldnerischen Bürgschaft von Z erfolgt. Auch eine Überschuldung im Sinne des § 19 Abs. 2 der Insolvenzordnung -InsO- habe vorgelegen, weil die Bilanz zum 31. Dezember 2001 einen Fehlbetrag aufgewiesen habe. Es werde dabei unterstellt, dass die Verkehrswerte der Vermögensgegenstände – wenn überhaupt – minimal über den Restbuchwerten gelegen hätten; insbesondere sei – da hierfür eine Einzahlungsquittung auf das Geschäftskonto vorliegt – von der ordnungsgemäßen Erbringung einer Stammeinlage auszugehen. Die Überschuldungsbilanz stelle sich wie folgt dar: Randnummer 22 Vermögenswerte Verbindlichkeiten Bewegliches Anlagevermögen Kapitalfehlbetrag 16.718,80 DM (Buchwerte 31.12.2001) # 320 PKW 10.496,00 DM # 321 PKW 26.227,00 DM Verbindlichkeiten 31.12.2001 # 420 Büroeinrichtung 1.731,00 DM # 650 Darl. H Bank 40.500,00 DM # 1200 Geschäftskonto 19.829,81 DM Forderungen 31.12.2001 # 1571 Vorsteuer - 7,06 DM # 1545 USt 2.677,25 DM # 1575 Vorsteuer - 4.550,54 DM # 1549 KSt 4.220,00 DM # 1780 USt-Vz 5.622,92 DM Summe 45.351,25 DM # 1791 USt 674,92 DM Summe 78.788,85 DM Unterdeckung…………… 33.437,60 DM Randnummer 23 Verfahrensrechtlich könne der Verneinung einer Änderungsmöglichkeit nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht beigetreten werden. Die Klägerin habe für die Erstellung der Einkommensteuererklärungen einen Steuerberater beauftragt. Bei diesem seien die für die Erstellung der Einkommensteuererklärungen erforderlichen Unterlagen abgegeben und besprochen worden. Auch die Ablehnung des Insolvenzverfahrens sei mit dem Steuerberater zeitnah besprochen worden; das gleiche gelte für die nachträglich entstandenen Aufwendungen im Jahre 2005. Soweit Absonderungsrechte – also Grundpfandrechte – bestanden, greife § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. Insoweit sei das maßgebliche Ereignis nicht die Abweisung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern das Ergebnis der Zwangsversteigerung. Da die Verteilung des Versteigerungserlöses erst im Dezember 2008 erfolgt sei, liege das maßgebliche Ereignis zeitlich nach dem Ergehen des Steuerbescheides 2003. Randnummer 24 Mit Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 2010 wies das Finanzamt den Einspruch „gegen den Bescheid vom 10. September 2009 über die Ablehnung des Antrags auf Änderung des Einkommensteuerbescheides 2003“ zurück. Zur Begründung führte es unter Einbeziehung seines Schreibens vom 23. März 2010 aus, dass es an einer Änderungsnorm mangle. Für die vor Erlass des Steuerbescheides 2003 entstandenen Aufwendungen komme nur § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht. Allerdings hätte es sich der Klägerin aufdrängen müssen, dass die Ablehnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH zu einem Ausfall des Darlehens geführt habe. Sie habe es daher grob fahrlässig unterlassen, fachkundigen Rat zur steuerlichen Würdigung des in 2004 ausgefallenen Darlehens und der in 2005 entstandenen Aufwendungen einzuholen. Soweit sie sich darauf berufe, sie habe bei ihrem Steuerberater entsprechenden Rat eingeholt, ändere dies an der Betrachtung nichts, da sie sich das Verschulden des Steuerberaters zurechnen lassen müsse. Für die nach Erlass des Steuerbescheides 2003 entstandenen Aufwendungen komme nur § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO in Betracht. Diese Vorschrift verlange jedoch ein steuerlich rückwirkendes Ereignis, welches nach der Rechtsprechung des BFH sowie des FG Rheinland Pfalz (Urteil vom 9. Juni 1999, 1 K 1144/97), nur vorliege, wenn ein Ereignis einen der Besteuerung zugrunde gelegten – also steuerlich erfassten – Sachverhalt verändere und derart in die Vergangenheit zurückwirke, dass ein Bedürfnis bestehe, die schon endgültig getroffene Regelung an die Sachverhaltsänderung anzupassen. Da jedoch die Veräußerung der wesentlichen Beteiligung von der Klägerin in ihrer Steuererklärung 2003 gar nicht erklärt worden sei, gebe es keinen „der Besteuerung zugrunde gelegten Sachverhalt“, der etwaigen rückwirkenden Änderungen zugänglich sein könnte. Obwohl es aufgrund der verfahrensrechtlichen Hindernisse darauf nicht mehr ankomme, werde zudem daran festgehalten, dass die Hingabe des Darlehens im Jahre 2002 nicht zu einem Zeitpunkt erfolgt sei, in dem sich die GmbH in der Krise befunden habe. Die von der Klägerin aufgestellte Überschuldungsbilanz sei aus diversen Gründen fehlerhaft. Der passivierte Kapitalfehlbetrag in Höhe von 16.718,80 DM stelle keine Verbindlichkeit, sondern lediglich das negative Kapital dar und sei daher von der Klägerin doppelt erfasst worden. Zudem sei anzunehmen, dass insbesondere die Verkehrswerte der beiden PKW über den Buchwerten gelegen hätten. Letztlich komme es darauf aber auch nicht an, da dem Gutachten des Insolvenzverwalters kein hinreichender Nachweis für die Erbringung der Stammeinlage entnommen werden könne. Die Überschuldungsbilanz stelle sich daher wie folgt dar: Randnummer 25 Vermögenswerte Verbindlichkeiten Bewegliches Anlagevermögen Verbindlichkeiten 31.12.2001 (Buchwerte 31.12.2001) # 320 PKW 10.496,00 DM # 650 Darl. Volksbank 40.500,00 DM # 321 PKW 26.227,00 DM # 1200 Geschäftskonto 19.829,81 DM # 420 Büroeinrichtung 1.731,00 DM # 1571 Vorsteuer - 7,06 DM # 1575 Vorsteuer - 4.550,54 DM Forderungen 31.12.2001 # 1780 USt-Vz 5.622,92 DM # 1545 USt 2.677,25 DM # 1791 USt 674,92 DM # 1549 KSt 4.220,00 DM # ausstehende Stammeinlage 50.000,00 DM Summe 95.351,25 DM Summe 62.070,05 DM Überdeckung 33.281,20 DM Randnummer 26 Am 25. Juni 2010 erhob die Klägerin Klage mit dem Begehren, den verbleibenden Verlustvortrag für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb zum 31. Dezember 2003 auf 314.900,- € festzustellen. Die Klage sei zulässig. Zwar betreffe die Einspruchsentscheidung dem Rubrum zufolge die Ablehnung eines Antrags auf Änderung des Einkommensteuerbescheides – und nicht des Verlustfeststellungsbescheides –; angesichts der Tatsache, dass der Antrag der Klägerin vom 30. September 2008, sowie ergänzend vom 15. Juli 2009 auf Änderung „der Einkommensteuerveranlagung“ 2003 lautete, beinhalte das Rubrum jedoch einen offensichtlichen Fehler. Aus den Ausführungen der Einspruchsentscheidung folge vielmehr, dass das Finanzamt mit der Einspruchsentscheidung nicht über einen – mangels einer Beschwer: unzulässigen – Einspruch gegen die Ablehnung einer Änderung des Einkommensteuerbescheides entschieden habe, sondern vielmehr über den Einspruch gegen die Ablehnung einer Änderung des Bescheides zum 31. Dezember 2003 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer. Sowohl der Antrag, als auch die Ablehnung, der Einspruch und die Einspruchsentscheidung seien – obgleich sie teilweise den Einkommensteuerbescheid und nicht den Verlustfeststellungsbescheid in Bezug nehmen – auslegungsfähig und sämtlichst dahingehend zu verstehen, dass jeweils der Bescheid über die Feststellung des Verlustvortrages zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2003 gemeint gewesen sei. Die Klage sei auch begründet. Verfahrensrechtlich stehe einer Berücksichtigung des Darlehensverlusts nichts entgegen. Soweit das Finanzamt dieses – mangels Deklaration der Klägerin im Veranlagungszeitraum 2003 – ablehne, gehe dies fehl. Das in diesem Zusammenhang zitierte Urteil des FG Rheinland-Pfalz für den Fall eines im Veräußerungsjahr nicht erklärten Veräußerungsgewinns könne nicht übertragen werden, da sich im Streitfall im Veranlagungszeitraum 2003 weder ein Veräußerungsgewinn noch -verlust ergeben habe. Da sich Verkaufspreis und Anschaffungskosten im Veräußerungszeitpunkt in gleicher Höhe gegenüber gestanden hätten, sei keine deklarationsfähige Besteuerungsgrundlage vorhanden gewesen. Nach der „Anlage GSE“ für 2003 würden aber lediglich Veräußerungsgewinne und/oder Veräußerungsverluste nach § 17 EStG abgefragt; ein „Null-Ergebnis“ habe nicht angegeben werden können. Das Tatbestandsmerkmal des § 17 EStG sei der „Gewinn aus der Veräußerung“, wobei Gewinn gleichsam die negative Größe des Verlustes umfasse. Ein solcher sei aber vorliegend gerade nicht gegeben, sodass die Ergebnisgröße von 0,- EUR letztlich bereits in den Bescheiden vom 18. Dezember 2005 „der Besteuerung zugrunde gelegt worden“ und mithin „steuerlich erfasst“ sei. Ferner sei § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO nach der Rechtsprechung des BFH nicht nur bei Änderung eines Steuerbescheides anwendbar, sondern auch dann, wenn aufgrund eines rückwirkenden Ereignisses der Besteuerungstatbestand erst verwirklicht werde und deshalb ein Erstbescheid erlassen werden solle. Die in dem Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 09. Juni 1999 vertretene Auffassung ließe sich mit dieser Rechtsprechung nicht in Einklang bringen. Materiell werde daran festgehalten, dass das Darlehen steuerlich zu berücksichtigen sei. Der Geschäftsführer der GmbH sei bei Darlehenshingabe aufgrund seiner Erkrankung nicht in der Lage gewesen, die wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft positiv zu beeinflussen. Allerdings sei erwartet worden, dass er die Erkrankung mittel- bis langfristig überwinde. Zwecks Sanierung und Erhalt der Gesellschaft sollte daher die Immobilie erworben werden. Das Investitionsvolumen habe insoweit 590.000,- EUR (250.000,- EUR von der Sparkasse, 340.000,- EUR von der Klägerin) betragen, weil es neben dem Kaufpreis notwendige Reparaturen und die Schaffung neuen Wohnraums zu finanzieren gegolten habe. Das Vorliegen einer Krise könne nicht mit dem Argument abgelehnt werden, dass die GmbH „überhaupt“ ein Darlehen von der Sparkasse erhalten habe. Denn die Sparkasse habe bei erstrangiger Besicherung lediglich 42% des langfristig zu nutzenden Anlageguts finanziert. Diese Finanzierungsquote entspreche einer Finanzierung unterhalb der Beleihungsgrenze. Damit stelle es sich letztlich so dar, dass die Sparkasse das Finanzierungsrisiko vollständig auf die Klägerin abgewälzt habe. Randnummer 27 Die Klägerin hat – neben dem Begehren der erweiterten Verlustfeststellung für 2003 –  zunächst auch beantragt, den Einkommensteuerbescheid 2004 vom 13. Februar 2008, den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 13. Februar 2008, den Einkommensteuerbescheid 2006 vom 18. August 2008 und den Einkommensteuerbescheid für 2007 vom 18. August 2008, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 2010, zu ändern und zusätzliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung hinsichtlich zweier Objekte zu berücksichtigen. Während des gerichtlichen Verfahrens hat der Beklagte unter dem 15. Dezember 2010 wegen hier nicht streitiger Sachverhalte einen geänderten Bescheid für 2006 erlassen. Unter dem 05. Juli 2011 erließ der Beklagte geänderte Bescheide für die Jahre 2004-2007, in den er Abweichungen hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung vorgenommen hat. Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten am 09. Oktober 2013 einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage durchgeführt, in dessen Rahmen die Beteiligten ihren Streit hinsichtlich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in den Jahren 2004-2007 einvernehmlich im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung beigelegt haben. Der Beklagte hat daraufhin mit Schreiben vom 09. Dezember 2013 erneut geänderte Einkommensteuerbescheide 2004-2007 erlassen, in denen er die getroffene Verständigung umgesetzt hat. Daraufhin haben die Beteiligten den Rechtstreit bzgl. der Streitjahre 2004-2007 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt. Randnummer 28 Die Klägerin beantragt nunmehr, den Beklagten unter Aufhebung der Ablehnungsentscheidung vom 12. September 2009, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 2010, zu verpflichten, den Bescheid zum 31. Dezember 2003 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer vom 28. Dezember 2005 dahingehend zu ändern, dass zusätzlich negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb zum 31. Dezember 2003 in Höhe von 314.208,- EUR festgestellt werden. Zusätzlich beantragt die Klägerin, Beweis zu erheben über die Tatsache der Einzahlung der Stammeinlage der GmbH i.H.v. 50.000,- DM durch Anhörung des Gutachters K in dem Insolvenzantragsverfahren über das Vermögen der GmbH. Randnummer 29 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 30 Die Klage sei unzulässig, weil es bereits an einem von der Klägerin gestellten Antrag auf Änderung des Verlustfeststellungsbescheides 2003 mangele. Eine dahingehende Auslegung oder Umdeutung ihres Antrags auf Änderung des Einkommensteuerbescheides 2003 komme nicht in Betracht, und auch die Einspruchsentscheidung des Finanzamts stelle damit keine Entscheidung über ein Verfahren betreffend die Verlustfeststellung  2003, sondern eine Entscheidung über ein Verfahren betreffend den Einkommensteuerbescheid 2003 dar. Auch wenn es einem Antrag auf Änderung des Einkommensteuerbescheides 2003 wegen der festgesetzten Steuer von 0,- EUR an einer Beschwer gemangelt habe und der gegen die Ablehnung eingelegte Einspruch demgemäß unzulässig gewesen sei, könne über den Verlustabzug nur in einem gesonderten Verfahren über die Verlustfeststellung entschieden werden. Dies sei hier nicht erfolgt. Bzgl. der Frage der Begründetheit werde darauf hingewiesen, dass das Urteil des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 09. Juni 1999 auch dann anwendbar sei, wenn der Veräußerungsgewinn auf 0,- EUR Euro gelautet habe. Der Steuerpflichtige habe gemäß § 90 Abs. 1 AO die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß mitzuteilen. Tatsache in diesem Sinne sei jeder Sachverhalt, der einen gesetzlichen Steuertatbestand erfüllen könne. Der Steuertatbestand des § 17 EStG sei jedoch nicht erst bei Vorliegen eines Veräußerungsgewinns größer oder kleiner Null erfüllt, sondern bereits bei der Veräußerung von zum Privatvermögen gehörenden Anteilen an einer Gesellschaft, an welcher der Steuerpflichtige relevant beteiligt gewesen sei. Da die Klägerin diese Tatsache nicht mitgeteilt habe, sei es dem Finanzamt nicht möglich gewesen, die maßgeblichen Besteuerungsgrundlagen – deren zutreffende Ermittlung gem. § 85 AO dem Finanzamt und nicht dem Steuerpflichtigen obliege – zu ermitteln. Hinsichtlich der Anwendbarkeit von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO sei zudem darauf hinzuweisen, dass nachträgliche Anschaffungskosten in diesem Sinne allenfalls in Höhe des Grundpfandrechts entstehen konnten. Hinsichtlich der übrigen Aufwendungen könne die Zwangsversteigerung nicht das rückwirkende Ereignis darstellen. Materiellrechtlich werde auf den bisherigen Vortrag verwiesen; der Beklagte bleibe dabei, dass die Besicherung durch die Grundschuld – und ausweislich der Darlehensverträge durch die Abtretung der Mieteinnahmen aus dem Grundstück – hinreichend besichert gewesen sei. Ein solches Darlehen hätte auch ein fremder Dritter gegeben.
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird zugelassen.
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LG Berlin 4. Zivilkammer
Berlin
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05.12.2017
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Randnummer 1 Die Parteien streiten um Ansprüche nach Widerruf eines zur Finanzierung eines Fahrzeugkaufes abgeschlossenen Darlehensvertrages. Randnummer 2 Der Kläger kaufte bei der ... GmbH & Co. KG einen gebrauchten VW Touran mit einem Kilometerstand von 14.100 für einen Kaufpreis von 22.800 €. Für die Finanzierung des Kaufpreises schloss er mit der Beklagten am 4.8.2014 einen Darlehensvertrag über 14.800 € ab (Anlage K 1a). Eine Restschuldversicherung (Kreditschutzbrief, KSB) wurde nicht vereinbart. Den von dem Autohaus zur Verfügung gestellten Vertragsunterlagen waren die Europäischen Standardinformationen für Verbraucherkredite und folgende Widerrufsinformation beigefügt: Abbildung in Originalgröße in neuem Fenster öffnen Randnummer 3 Das Autohaus erhielt von dem Kläger eine Anzahlung in Höhe von 8.000 € sowie den Darlehensbetrag. Der Kläger zahlt seit dem 12.9.2014 monatliche Raten in Höhe von 245,48 € an die Beklagte. Der Betrag enthält Zins und Tilgung; für die Bezifferung der Anteile wird auf die Anlage B 11 verwiesen. Randnummer 4 Mit Schreiben vom 30.3.2016 widerrief der Kläger seine auf den Abschuss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung gegenüber der Beklagten. Nachdem die Beklagte den Widerruf zurückgewiesen hatte, forderte der Kläger sie mit anwaltlichem Schreiben vom 6.4.2016 unter Fristsetzung auf, den Vertrag rückabzuwickeln. Gleichzeitig bot der die Rückgabe des Fahrzeugs an (Anlage K 4). Randnummer 5 Der Kläger meint, er sei nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht informiert und ihm seien bei Vertragsverschluss nicht alle Pflichtangaben mitgeteilt worden, weshalb die Widerrufsfrist im März 2016 noch nicht abgelaufen sei. Er behauptet, das Fahrzeug habe einen Kilometerstand von 54.569 km und legt hierzu ein Foto eines Fahrzeugarmaturenbretts vor (Bl. II 24 d.A.). Die Gesamtlaufleistung eines Fahrzeugs derselben Art sei mit 300.000 km anzunehmen. Randnummer 6 Nachdem der Kläger die Feststellung der Umwandlung des Darlehens in ein Rückabwicklungsschuldverhältnis begehrt hat, beantragt er nunmehr, Randnummer 7 1. festzustellen, dass er infolge seiner Widerrufserklärung vom 30.3.2016 aus dem mit der Beklagten zwecks Finanzierung eines VW Touran mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ... abgeschlossenen Darlehensvertrages Nr. ... (Vorgangsnummer ...) weder Zins- noch Tilgungsleistungen gem. § 488 Abs. 1 S. 2 BGB schuldet. Randnummer 8 2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme des VW Touran mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ... seit dem 1.4.2016 in Verzug befindet. Randnummer 9 3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 17.328,24 € zu zahlen nach Herausgabe des VW Touran mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ... nebst Fahrzeugschlüsseln und -papieren. Randnummer 10 Die Beklagte beantragt, Randnummer 11 die Klage abzuweisen. Randnummer 12 Hilfsweise für den Fall, dass der Widerruf wirksam ist, beantragt sie, Randnummer 13 1. festzustellen, dass der Kläger im Fall eines wirksamen Widerrufs verpflichtet ist, Wertersatz für die Nutzung des finanzierten PKW VW Touran, Fahrgestell.-Nr. ... in Form einer Nutzungsentschädigung für die bis zur Rückgabe des Fahrzeugs erfolgte Nutzung des Fahrzeugs gemäß der Formel - Bruttokaufpreis ... gefahrene Kilometer geteilt durch die zu erwartende Gesamtlaufleistung von 200.000 km - zu leisten. Randnummer 14 2. festzustellen, dass der Kläger zusätzlich verpflichtet ist, Wertersatz für bei Rückgabe vorhandene, außerordentliche, nicht abnutzungsbedingte Substanzschäden an dem PKW Touran, Fahrgestellnr. ... zu leisten. Randnummer 15 Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht die Feststellungsanträge für unzulässig oder unbegründet erachtet, beantragt sie, Randnummer 16 festzustellen, dass der Kläger im Falle eines wirksamen Widerrufs verpflichtet ist, Wertersatz für eine bei Rückgabe vorhandene Verschlechterung des PKW Touran, Fahrgestellnr. ..., an die Beklagte zu leisten, soweit die Verschlechterung auf einen Umgang mit der Sache zurückzuführen ist, der über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht. Randnummer 17 Der Kläger beantragt, Randnummer 18 die Hilfswiderklage abzuweisen. Randnummer 19 Die Beklagte meint, der Widerruf sei verfristet. Für den Fall eines wirksamen Widerrufs sowie eines Anspruchs des Klägers auf Rückgewähr gezahlter Zinsen erklärt sie die Aufrechnung mit ihrem Anspruch auf Zinszahlung. Außerdem stünde ihr ein Anspruch auf Wertersatz für den Gebrauch des Fahrzeugs zu. Dieser sei vorläufig aufgrund der Angaben des Klägers zu den gefahrenen Kilometern mit 4.613,46 € zu beziffern. Mit diesem Anspruch erklärt sie ebenfalls die Aufrechnung gegen einen etwaigen Anspruch des Klägers auf Rückgewähr von Zins und Tilgung. Sie behauptet, die Gesamtlaufleistung von Fahrzeugen der gleichen Art liege bei 200.000 km. Die von dem Kläger vorgetragene Laufleistung seines Wagens bestreitet sie ebenso mit Nichtwissen wie die Abbildung seines Armaturenbretts auf dem vorgelegten Foto. Ferner beruft sie sich auf ein Zurückbehaltungsrecht gestützt auf ihren Anspruch auf Nutzungsentschädigung.
1. Ab seiner Widerrufserklärung vom 30.3.2016 schuldet der Kläger aus dem mit der Beklagten zwecks Finanzierung eines VW Touran mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ... abgeschlossenen Darlehensvertrages Nr. ... (Vorgangsnummer ...) weder Zins- noch Tilgungsleistungen gem. § 488 Abs. 1 S. 2 BGB. 2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 12.404,56 € zu zahlen nach Herausgabe des VW Touran mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ... nebst Fahrzeugschlüsseln und -papieren durch den Kläger an die Beklagte. 3. Die Beklagte befindet sich mit der Annahme des VW Touran mit der Fahrzeugidentifikationsnummer ... in Verzug. 4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 5. Der Kläger ist verpflichtet, Wertersatz für eine bei Rückgabe vorhandene Verschlechterung des PKW Touran, Fahrgestellnr. ..., an die Beklagte zu leisten, soweit die Verschlechterung auf einen Umgang mit der Sache zurückzuführen ist, der über die Prüfung der Eigenschaften und der Funktionsweise hinausgeht. Im Übrigen wird die Hilfswiderklage abgewiesen. 6. Von den Kosten des Rechtstreits haben der Kläger 21 % und die Beklagte 79 % zu tragen. 7. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils gegen ihn vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet. 8. Der Gebührenstreitwert wird auf 32.440,39 € festgesetzt.
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Baden-Württemberg
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1 Streitig ist, ob Aufwendungen für die Herstellung eines Kalenders als Betriebsausgaben abzugsfähig sind. 2 Die Klägerin ist eine GmbH, die Bau- und ... herstellt und vertreibt. 3 Die Klägerin ließ zum Jahresende 2002 --wie auch in den Jahren davor-- einen Wandkalender herstellen. Der Kalender des Streitjahres, der betitelt ist mit „A....“, enthält Fotografien von Z..., die jeweils ganz überwiegend den Platz auf den einzelnen Monatsseiten beanspruchen. Die Monatstage sind ohne ausdrückliche Angabe der Wochentage, aber mit farblicher Hervorhebung der Sonntage aufgeführt. Am rechten Rand ist jeweils das Unternehmenslogo der Klägerin abgebildet. Im Vorwort der Geschäftsführerin Frau Y heißt es: 4 „……………….“ 5 Von den im Streitjahr insgesamt hergestellten 14.976 Kalendern sind 9.869 Exemplare an inländische Empfänger --ohne Tochtergesellschaften und eigene Arbeitnehmer-- übersandt worden. Die inländischen Empfänger teilten sich wie folgt auf: 6 • Kunden: 1.621 Stück • Verarbeiter (keine Kunden der Klägerin): 1.553 Stück • Planer (Architekten und Planungsbüros - keine Kunden der Klägerin): 4.600 Stück • Sonstige Empfänger (nicht näher zu klassifizieren - keine Kunden der Klägerin): 899 Stück • Streuempfänger (nicht näher identifizierbare Empfänger, Kalender mit großer Wahrscheinlichkeit auf Messen und ähnlichen Veranstaltungen verteilt): 1.196 Stück 7 Sämtliche Kalender wurden ohne individuelles Begleitschreiben versandt. Lediglich eine Grußkarte, auf der ein frohes Weihnachtsfest und ein gutes neues Jahr 2003 gewünscht wurde, war beigefügt. 8 Die Herstellungskosten für sämtliche Kalender in Höhe von 174.196,88 EUR (ohne Umsatzsteuer) wurden im Streitjahr --wie beabsichtigt-- auf dem Konto 679000 (Dienstleistungen) und bezüglich zweier Rechnungen auf dem Konto 687310 (Werbedrucksachen) verbucht. Auf beiden Konten wurden auch nicht unter § 4 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) (i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG--) fallende Betriebsausgaben sowie nicht lediglich Aufwendungen für Geschenke i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG gebucht. 9 Im Rahmen einer die Jahre 2002 bis 2005 betreffenden Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, es handele sich bei den Kalendern um Geschenke i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG. Er versagte den Abzug der Aufwendungen für die Herstellung der Kalender in Höhe von 202.068 EUR (einschließlich Umsatzsteuer), da --entgegen § 4 Abs. 7 EStG (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG)-- die Aufwendungen nicht getrennt von den sonstigen Betriebsausgaben verbucht worden seien. 10 Der Beklagte (das Finanzamt --FA--) machte sich diese Auffassung zu Eigen und erließ am 2. März 2010 einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) entsprechend geänderten Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. 11 Dagegen legte die Klägerin am 18. März 2010 Einspruch ein. Nach ihrer Auffassung seien die Kalender nicht als Geschenke i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG anzusehen. Es handele sich vielmehr um eine reine Werbemaßnahme, für die keine besonderen Aufzeichnungspflichten gälten. Aber auch bei Bejahung des Geschenkebegriffs sei das Erfordernis der gesonderten Aufzeichnung nach § 4 Abs. 7 EStG durch die jederzeitige Abrufbarkeit im Controlling erfüllt. 12 Zudem beantragte die Klägerin den Abzug von Aufwendungen für diejenigen Kalender, die eigene Arbeitnehmer erhalten hätten und die an ausländische Tochtergesellschaften unter Weiterberechnung der Aufwendungen weitergeleitet worden seien. Diese Aufwendungen ließ das FA im Rahmen einer Teilabhilfe zum Abzug zu und erließ am 17. März 2011 einen entsprechend geänderten Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr. 13 Im Übrigen wies das FA den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 2. Mai 2011 als unbegründet zurück, so dass zunächst streitige Aufwendungen in Höhe von 128.587 EUR verblieben. Es lägen Geschenke i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG vor. Bei den Kalendern handele es sich um ein außergewöhnlich aufwändig erstelltes, hochwertiges Produkt, das nicht mit üblichen Werbemitteln vergleichbar sei. Die nicht von den übrigen Betriebsausgaben getrennte Erfassung in der Buchführung der Klägerin schließe die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen aus. 14 Mit Schriftsatz vom 3. Juni 2011 erhob die Klägerin Klage. Im Rahmen des Klageverfahrens ist --zuletzt-- nur noch die steuerliche Behandlung von denjenigen Kalendern streitig, die an Kunden, an Verarbeiter, Planer und an sonstige Empfänger übersandt wurden; nicht dazu gehören diejenigen Kalender, die an solche Empfänger übersandt worden sind, die vier oder mehr Kalender erhalten haben. Dies sind --unstreitig-- 7.317 Kalender. 15 Die Klägerin trägt vor, sie betreibe seit 16 Jahren im Rahmen ihrer Hochwert-Markenstrategie Imagewerbung, indem sie zum Jahresende in hoher Auflage Wandkalender herstellen lasse. Die Kalender enthielten von professionellen Fotografen abgelichtete Bilder von Gebäuden, Infrastruktureinrichtungen und sonstigen Bauwerken, bei denen von der Klägerin hergestellte und vertriebene Produkte eingebaut worden seien. Über die Funktion des Imagetransports hinaus komme den Kalendern kein wesentlicher Zweck zu. Insbesondere die ursprüngliche Eigenschaft als Kalender, also die Bestimmung von Datum und Wochentag, trete hinter der Funktion als Werbe- bzw. Imageträger vollkommen zurück. 16 Für die jeweiligen Empfänger der Kalender sei ohne Weiteres erkennbar gewesen, dass mit der Übersendung des Kalenders die Erwartung verbunden gewesen sei, durch Nutzung desselben Werbung für die Klägerin zu betreiben. 17 Soweit an eine Empfängeradresse mehrere Kalender versandt worden seien, sei dies in der Absicht erfolgt, dass diese an geeignete Empfänger in Gestalt von unbestimmten Dritten weitergeleitet würden und auf diese Weise der mit den Kalendern verfolgte Werbezweck erfüllt werde. Auch dies sei von den (Erst-)Empfängern ohne Weiteres erkennbar gewesen und von einzelnen Empfängerunternehmen, wie etwa der M.., gegenüber der Klägerin auch so kommuniziert worden. Die Weitergabe an Dritte habe auch insofern auf der Hand gelegen, als alle Beteiligten nicht davon ausgehen konnten, ein und derselbe Empfänger werde Verwendung für eine Vielzahl von Kalendern haben. 18 In rechtlicher Hinsicht führte die Klägerin im Rahmen ihrer Klagebegründung aus, Werbeträger, die einer Person als Maßnahme zur planmäßigen Beeinflussung überlassen werden, um sie als Abnehmer von Lieferungen und Leistungen zu gewinnen oder sie zu einer entsprechenden Entscheidung für einen Dritten zu bewegen, würden keine Geschenke i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG darstellen. 19 Bei Werbeträgern fehle es an der erforderlichen Unentgeltlichkeit der Zuwendung, da die Gegenleistung des Empfängers darin bestehe, dass dieser durch die Benutzung des Gegenstandes Werbung betreibe. So liege der Fall hier. 20 Für eine Qualifikation als Werbeträger bedürfe es keiner entsprechenden Verpflichtung des Empfängers zur Benutzung oder zum Behalten des Kalenders. Es genüge, wenn dem Empfänger die Werbeeignung des Kalenders bewusst sei, was aufgrund des sichtbaren Unternehmenslogos der Klägerin der Fall gewesen sei. 21 Zudem handele es sich bei den versandten Kalendern teilweise um Zugaben i.S. der Zugabeverordnung (ZugabeVO). Zugaben i.S. der ZugabeVO seien Waren oder Leistungen, die neben einer Hauptware bzw. -leistung ohne besondere Berechnung geliefert oder erbracht würden, wobei der Erwerb der Nebenware vom Erwerb der Hauptware abhängig sei und hierbei ein innerer Zweckzusammenhang in der Weise bestehe, dass die Nebenware mit Rücksicht auf den Erwerb der Hauptware angeboten werde. Solche Zugaben seien nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) keine Geschenke i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG (BFH-Entscheidungen vom 4. Februar 1987 I R 132/83, BFH/NV 1988, 352, und vom 28. November 1986 III B 54/85, BFHE 148, 474, BStBl II 1987, 296). An 847 Kunden, mit denen im Streitjahr Umsätze generiert worden seien, seien insoweit 1.621 Kalender als Nebenleistung mit Rücksicht auf den Erwerb der Hauptleistung übersandt worden. Der Zweckzusammenhang ergebe sich aus der im Streitjahr bestehenden Kundenbeziehung. Ferner sei für den Empfänger aus der Tatsache, dass die Anzahl der versandten Kalender auch von der Umsatzhöhe abhängig gewesen sei, eine entsprechende Konnexität zwischen Haupt- und Nebenleistung erkennbar gewesen. 22 Im Übrigen müsse auch dann von einer Zugabe ausgegangen werden, wenn diese nicht dem Empfänger der Hauptleistung, sondern einem Dritten gewährt werde, der mit dem Empfänger der Hauptleistung in einem Vertragsverhältnis mit Bezug zur Hauptleistung stehe. Denn auch in einem solchen Fall müsse der Dritte davon ausgehen, dass die Nebenleistung nur mit Rücksicht auf die Hauptleistung gewährt werde. Insoweit seien 3.322 Kalender an 1.657 Planer, also Architekten und Planungsbüros, übersandt worden, mit denen die Klägerin in konkretem, auf ein bestimmtes Projekt bezogenen Kontakt gestanden habe. Bei diesen handele es sich damit um Zugaben i.S. der ZugabeVO. 23 Jedenfalls müsse § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG dahingehend verfassungskonform ausgelegt werden, dass Werbegeschenke, die selbst Werbeträger darstellten, vom Anwendungsbereich der Vorschrift auszunehmen seien. Der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) gebiete die Gleichbehandlung mit anderen Werbeträgern, bei denen mangels vermögenswerter Zuwendung der Betriebsausgabenabzug ohne Weiteres gewährt werde. Auch könne für die Abzugsfähigkeit nicht entscheidend sein, ob Werbung unentgeltlich oder entgeltlich --mit der Folge der Abzugsfähigkeit der Betriebsausgaben-- betrieben werde. Werde etwa mit einem Werbeaufdruck versehene Oberbekleidung oder wie im vorliegenden Fall ein Kalender hingegeben und nutze der Empfänger den Gegenstand entsprechend, so treibe dieser Werbung ohne Entgelt, mit der Folge, dass die Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig seien. Lasse sich dagegen der Empfänger hierfür vergüten, liege zweifellos eine abziehbare Betriebsausgabe vor. Die Frage, ob die Werbung entgeltlich oder unentgeltlich betrieben werde, stelle insoweit ein sachfremdes Differenzierungskriterium dar. 24 Unabhängig davon seien die Voraussetzungen des § 4 Abs. 7 EStG erfüllt. Die Klägerin habe ein integriertes SAP-Controllingsystem benutzt. Dies zeichne sich dadurch aus, dass die Buchführungs- und Controllingsysteme nicht voneinander unabhängig seien, sondern das SAP-Controllingsystem beide Funktionen miteinander kombiniere. Die Aufwendungen für die Kalender würden zeitgleich auf dem entsprechenden Aufwandskonto innerhalb der Buchführung und als Controlling-Auftrag im Controlling verbucht. Die Aufwendungen für die Kalender könnten --je nach Betrachtungsweise-- über die Buchführung in Form der Sachkontenanzeige oder über das Controlling in Form der Auftragsanzeige selektiert werden. Durch die zeitgleiche und einheitliche Verbuchung in Buchführung und Controlling werde der vom BFH geforderte Zusammenhang mit den übrigen Aufzeichnungen im Rahmen der Gewinnermittlung gewahrt. Zudem sei die vom Gesetzgeber mit dieser Norm beabsichtigte leichte Nachprüfbarkeit gegeben. Dies zeige auch der Umstand, dass der Prüfer im Rahmen der Außenprüfung die Herstellungskosten je Kalender habe ermitteln können. 25 Bei der Auslegung des § 4 Abs. 7 EStG sei die technische Entwicklung zu berücksichtigen. Die Beschränkung des Anwendungsbereichs der Vorschrift auf die Buchführung im engeren Sinn unter Ausblendung eines Controllingsystems, das dem Normzweck der einfachen und schnellen Nachprüfbarkeit der betroffenen Betriebsausgaben genüge, bedeute eine bloße Förmelei. 26 Im Rahmen des Klageverfahrens erging am 11. August 2015 ein nach § 175a AO geänderter Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr, der den Streitgegenstand unberührt ließ. 27 Die Klägerin beantragt zuletzt, 28 den Änderungsbescheid für 2003 über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag vom 11. August 2015 dahingehend zu ändern, dass weitere Betriebsausgaben in Höhe von 78.218,73 EUR berücksichtigt werden, 29 hilfsweise, die Revision zuzulassen. 30 Das FA beantragt, 31 die Klage abzuweisen, 32 hilfsweise, die Revision zuzulassen. 33 Es ist der Auffassung, dass bei den Kalendern die unentgeltliche Zuwendung im Vordergrund stehe. Es handele sich um Geschenke, nicht um Werbeträger, da --bis auf ein höchst dezentes Logo der Klägerin-- weder die Klägerin noch ihre Produkte besonders hervorgehoben werden würden. Es werde im Übrigen bestritten, dass bei den fotografierten Objekten tatsächlich Produkte der Klägerin Verwendung gefunden hätten. 34 Entgegen der Auffassung der Klägerin fehle es an einer Gegenleistung. Das bloße Aufhängen des Kalenders sei keine Werbung, da es ohne Bezug zur Schenkerin vorgenommen werde. Maßgeblich für die Unentgeltlichkeit sei, dass keinerlei Verpflichtung des Beschenkten zur Benutzung des Kalenders bestehe; dieser dürfe den Kalender auch unbeanstandet in den Müll werfen. Es könne aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass sich die Empfänger einer Werbeeignung des Kalenders bewusst gewesen seien. 35 Die Kalender seien auch keine Zugabe i.S. der ZugabeVO. Es müsse ein innerer Zweckzusammenhang in der Weise bestehen, dass die Zugabe objektiv geeignet sei, den Kunden in seiner Entschließung zum Erwerb der Hauptware zu beeinflussen. Dies sei nicht der Fall, auch nicht bei einem Teil der versandten Kalender. 36 Vielmehr handele es sich bei den Kalendern lediglich um ein sog. Zweckgeschenk, mit dem der Geber allgemein das im betrieblichen Interesse liegende Wohlwollen des Bedachten erringen möchte (BFH-Urteil vom 12. Oktober 2010 I R 99/09, BFH/NV 2011, 650). 37 Die Abrufbarkeit der Aufwendungen im Rahmen des Controlling sei für eine gesonderte Aufzeichnung nach § 4 Abs. 7 EStG nicht ausreichend; die gesonderte Aufzeichnung müsse innerhalb der Buchführung erfolgen. 38 In der Rechtssache fanden am 23. Januar 2015 und am 28. September 2015 Erörterungstermine statt. Im Rahmen des Erörterungstermins am 28. September 2015 trafen die Beteiligten eine tatsächliche Verständigung dahingehend, dass die Herstellungskosten für die im Streitjahr hergestellten Kalender 10,69 EUR pro Stück (ohne Umsatzsteuer) betrugen. 39 In der mündlichen Verhandlung haben sich die Beteiligten im Wege einer tatsächlichen Verständigung darauf geeinigt, dass die Klägerin sämtliche streitgegenständlichen Kalender ohne Gegenleistung übersandt hat und die Klägerin sowie die jeweiligen Empfänger der Kalender sich jeweils über die Unentgeltlichkeit einig waren. Ferner einigten sich die Beteiligten in Form einer tatsächlichen Verständigung darauf, dass bei Übergabe der Kalender an die jeweiligen Empfänger kein innerer Zusammenhang in der Weise bestand, dass die Kalender mit Rücksicht auf den Erwerb von Produkten der Klägerin angeboten wurden. Schließlich verständigten sich die Beteiligten in tatsächlicher Hinsicht darauf, dass an keinen Empfänger der streitgegenständlichen Kalender vier oder mehr Kalender übersandt worden sind. 40 Zudem hat der Vertreter des FA --wie bereits mit Schriftsatz vom 19. Mai 2015 angekündigt-- in der mündlichen Verhandlung verbindlich zugesichert, den Änderungsbescheid für das Streitjahr über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag vom 11. August 2015 dahingehend zu ändern, dass weitere Betriebsausgaben in Höhe von 26.912,58 EUR (1.196 Kalender x 10,69 EUR + Fotografenkosten in Höhe von 14.127,34 EUR) berücksichtigt werden. 41 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze, die vom Beklagten vorgelegten Steuerakten sowie auf die Niederschriften über die Erörterungstermine und die mündliche Verhandlung verwiesen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin 4/5 und der Beklagte 1/5. 3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch einfache Erklärung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruchs Sicherheit leistet. 4. Die Revision wird zugelassen.
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Hessisches Finanzgericht Einzelrichter
Hessen
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27.03.2013
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Randnummer 1 Zwischen den Beteiligten ist – nach einer zwischenzeitlichen Teilerledigung – noch streitig, ob ein Bescheid, durch den die Kindergeldfestsetzung mit Wirkung ab einem bestimmten Zeitpunkt aufgehoben worden war, gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) wegen des Vorliegens von neuen Tatsachen für einen bestimmten Zeitraum nachträglich geändert werden kann. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde: Randnummer 2 Die Klägerin hatte für ihren Sohn S (geboren am ...01.1984) bis zum April 2007 von der Beklagten (der Familienkasse) Kindergeld erhalten. S hatte im Juli 2003 die Reifeprüfung abgelegt und im Wintersemester 2003 ein Studium im Fach … an der … Universität … begonnen. Die Ausbildung sollte voraussichtlich bis zum 31.07.2007 dauern. Die betreffende Studienbescheinigung hatte die Klägerin der Familienkasse mit Schreiben vom 23.09.2003 vorgelegt. Randnummer 3 Im Jahr 2004 hatte S das Studium abgebrochen und sodann am 01.08.2004 bei der X GmbH in … eine Ausbildung zum … begonnen. Die Ausbildung sollte voraussichtlich bis zum 31.07.2007 dauern. Eine entsprechende Ausbildungsbescheinigung (mit Datum vom 25.10.2005) hatte die Klägerin am 15.11.2005 bei der Familienkasse eingereicht. Randnummer 4 Ausweislich der Ausbildungsbescheinigung sollte S folgende Ausbildungsvergütungen erhalten: in der Zeit vom 01.08.2004 bis 31.07.2005 monatlich Randnummer 5 ca. 600.- € (brutto), in der Zeit vom 01.08.2005 bis 31.07.2006 monatlich Randnummer 6 ca. 640.- € (brutto) und ab 01.08.2006 monatlich ca. 690.- € (brutto). Ausweislich einer (erst später vorgelegten) Bescheinigung der Deutschen Rentenversicherung Bund bezog S in der Zeit vom 01.01.2005 bis 31.01.2007 eine Halbwaisenrente in Höhe von monatlich ca. 16o.- € (aus der Versicherung von …, verstorben am …). Randnummer 7 Die Familienkasse forderte mit Schreiben vom 17.11.2005 die Klägerin auf, betreffend S eine Erklärung zu den im Jahr 2004 erzielten Einkünften sowie eine Studienbescheinigung für das Sommersemester 2004 vorzulegen. Mit Schreiben vom 28.11.2005 (handschriftlich gefertigt auf einem Vordruck der Familienkasse und vom Faxgerät der …Klinik übermittelt) teilte die Klägerin mit: Derzeit befinde sie sich in einer …Klinik für … . Die für das Kindergeld maßgebenden Unterlagen werde sie nach ihrer Entlassung aus der Klinik einreichen. Der Klinikaufenthalt werde voraussichtlich bis zum 20.12.2005 dauern. Bereits zuvor habe sie wegen „diverser Bescheinigungen“ für ihren Sohn S bei der Familienkasse vorgesprochen. Aus diesen Bescheinigungen müssten die Einkünfte, die S im Jahr 2004 erzielt habe, zu ersehen sein. Von Seiten der Familienkasse wurde auf dem Faxausdruck des Schreibens das Wiedervorlagedatum vom 05.02.2006 vermerkt. Eine entsprechende Nachfrage bei der Klägerin erfolgte (ausweislich der Kindergeldakten) zunächst nicht. Randnummer 8 Am 02.04.2007 sprach die Klägerin (ausweislich des Beklagtenvorbringens im Schriftsatz vom 04.10.2010) persönlich bei der Familienkasse vor. Dabei teilte sie mit, S habe im Februar 2007 die Ausbildung (vorzeitig) beendet. Die Familienkasse forderte die Klägerin später mit Schreiben vom 05.06.2007 auf, für S einen Nachweis über die Fortdauer bzw. das Ende der Berufsausbildung vorzulegen. Gleichzeitig wies sie daraufhin, dass ansonsten die Festsetzung des Kindergeldes gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit Wirkung ab dem Monat November 2005 aufgehoben werden müsse. Hierauf reagierte die Klägerin nicht. Sodann gab die Familienkasse mit Schreiben vom 20.07.2007 der Klägerin gemäß § 91 AO die Gelegenheit, sich zu der Möglichkeit einer Aufhebung der Kindergeldfestsetzung zu äußern. Hierauf teilte die Klägerin mit Schreiben vom 21.08.2007 (handschriftlich gefertigt auf einem Vordruck der Familienkasse) mit, ihr Sohn S habe am 18.01.2007 erfolgreich seine Abschlussprüfung bei der IHK … abgelegt und dadurch seine Ausbildung ein halbes Jahr früher als geplant beendet. Hierzu legte sie verschiedene Zeugnisse und Bescheinigungen vor. Von Seiten der Familienkasse wurde auf diese Mitteilung zunächst nichts veranlasst. Mit Schreiben vom 05.09.2007 forderte die Familienkasse die Klägerin sodann jedoch auf, weitere Unterlagen einzureichen, und zwar einen Nachweis über den Abbruch des Studiums bei der … Universität … (z.B.: Exmatrikulationsbescheinigung) und Bescheide über die Halbwaisenrente für die Zeit seit Antragstellung (mit dem Hinweis, ein Nachweis liege bisher nicht vor). Hierauf reagierte die Klägerin nicht. Die Familienkasse wies mit Schreiben vom 21.11.2007 die Klägerin gemäß § 91 AO nunmehr darauf hin, dass der Anspruch auf Kindergeld für die Zeit vom Januar 2005 bis zum April 2007 nicht mehr nachgewiesen sei, weil „trotz Aufforderung die erforderlichen Nachweise (Bescheid über die Halbwaisenrente in Kopie) nicht vorgelegt“ worden sei. Auch dieses Schreiben ließ die Klägerin – ausweislich der Akten – unbeantwortet. Randnummer 9 Die Familienkasse erließ am 31.03.2008 einen Bescheid, durch den sie die Festsetzung des Kindergeldes betreffend das Kind S mit Wirkung ab dem Monat Januar 2005 aufhob und das für die Monate Januar 2005 bis April 2007 ausgezahlte Kindergeld (4.312,00 €) zurückforderte. Zur Begründung führte sie aus: Das Kind könne nicht mehr berücksichtigt werden, weil die Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch spätestens seit dem Monat Januar 2005 nicht mehr nachgewiesen seien. Die Klägerin habe die erforderlichen Nachweise nicht vorgelegt, und zwar weder über das Ende der Ausbildung noch über den Bezug einer Halbwaisenrente. Auch auf diesen Bescheid hin unternahm die Klägerin zunächst nichts. Randnummer 10 Am 22.10.2008 richtete der Prozessbevollmächtigte an die Familienkasse ein Schreiben, in dem er gegen den Bescheid vom 31.03.2008 verschiedene Einwände erhob. Die Familienkasse wertete die Einwände des Prozessbevollmächtigten als Einspruch gegen den Bescheid vom 31.03.2008 und erließ am 25.11.2008 eine Einspruchsentscheidung, durch die sie – wegen Versäumung der Einspruchsfrist – diesen Einspruch als unzulässig verwarf. Randnummer 11 Wegen der Einspruchsentscheidung vom 25.11.2008 wandte sich der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 02.12.2008 wiederum an die Familienkasse. Darin führte er u.a. aus: Die Familienkasse habe seinen Antrag auf Überprüfung des Rückforderungsbescheids als verfristeten Einspruch gewertet, ohne inhaltlich auf den Sachverhalt einzugehen. Dies sei rechtsfehlerhaft, da auch außerhalb des Einspruchsverfahrens eine Änderung des Bescheides in Betracht komme. Grundlage für eine solche Änderung sei hier § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO. Er stelle daher den Antrag, den streitgegenständlichen Rückforderungsbescheid zu korrigieren. Dazu teilte die Familienkasse dem Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 11.12.2008 mit, eine Änderung der Einspruchsentscheidung sei nicht möglich. Mit Schreiben vom 12.12.2008 wiederholte der Prozessbevollmächtigte nochmals seinen Änderungsantrag. Darauf antwortete die Familienkasse durch Schreiben vom 19.12.2008 mit dem Hinweis, dass eine Aufhebung des Bescheides vom 31.03.2008 nicht erfolgen könne. Randnummer 12 Mit Schreiben vom 29.12.2008 erhob der Prozessbevollmächtigte im Namen der Klägerin Klage mit dem Begehren, den Bescheid vom 31.03.2008 sowie die Einspruchsentscheidung vom 25.11.2008 aufzuheben. Nachdem die Familienkasse sich zu der Klage geäußert hatte, erließ der erkennende Einzelrichter (als damaliger Berichterstatter) am 09.04.2009 eine Verfügung, durch die er dem Prozessbevollmächtigten verschiedene sachdienliche Hinweise gab. Hierzu führte er u.a. aus: Es spreche viel für die Auffassung der Familienkasse, die durch das Schreiben vom 20.10.2008 gegen den Bescheid vom 31.03.2008 erhobenen Einwände im Sinne eines – verspätet eingelegten – Einspruchs zu werten. Die Frage, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für einen Kindergeldanspruch gegeben seien, könne allenfalls in einem gesonderten Rechtsbehelfsverfahren geklärt werden. Da die Familienkasse den am 02.12.2008 gestellten Antrag, den Bescheid vom 31.03.2008 gemäß § 173 AO zu ändern, durch ihr Schreiben vom 11.12.2008 (richtig: 19.12.2008) abgelehnt habe, müsse hiergegen Einspruch eingelegt werden. Die betreffende Einspruchsfrist sei auch noch nicht abgelaufen, weil die Familienkasse ihre Ablehnungsentscheidung nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen habe. Randnummer 13 Mit Schreiben vom 11.12.2009 legte der Prozessbevollmächtigte wegen des Antrags auf Änderung des Bescheids vom 31.03.2008 im Namen der Klägerin Klage „gegen den Bescheid vom 11.12.2008“ Einspruch ein. Hierzu machte er geltend, ein Grund, die beantragte Änderung abzulehnen, sei nicht gegeben, weil die Klägerin nur ein geringes Verschulden an dem nachträglichen Bekanntwerden der anspruchsbegründenden Tatsachen treffe. Dazu verwies er in erster Linie darauf, dass die Klägerin über längere Zeit besonderen Belastungen ausgesetzt gewesen sei, zunächst durch eine schwerwiegende chronische Erkrankung und sodann durch Probleme bei der Wiedereingliederung in das Arbeitsleben. Weiter führte er aus: Die Klägerin habe sich nicht erklären können, weshalb die Familienkasse Belege von ihr anfordere, die sie bereits bei Antragstellung vorgelegt habe. Sie habe deshalb einen Irrtum des Sachbearbeiters vermutet. Nachdem sie dann im Dezember 2007 nochmals Belege an die Familienkasse übersandt habe, sei sie davon ausgegangen, dass die Angelegenheit erledigt sei und dass somit alle Unterlagen vorlägen. Insbesondere habe sie nicht damit gerechnet, dass die Festsetzung des Kindergeldes nachträglich aufgehoben werde und dass ihr deswegen ein entsprechender Bescheid zugehen werde. Randnummer 14 Die Familienkasse wies diesen Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie u.a. aus: Der Bescheid vom 31.03.2008 könne nicht gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO geändert werden, weil die Klägerin ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der maßgeblichen Tatsachen bzw. Beweismittel treffe. Die Klägerin sei bereits mit Schreiben vom 05.06.2007 darauf hingewiesen worden, dass möglicherweise Kindergeld zurückzuzahlen sei. Darüber hinaus sei ihr mit Schreiben vom 20.07.2007 Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Diese Gelegenheit habe sie auch genutzt, indem sie eine (handschriftlich gefertigte) Stellungnahme abgegeben und hierzu diverser Unterlagen vorgelegt habe. Jedoch seien die Unterlagen nicht vollständig gewesen. Dies habe die Klägerin ohne weiteres erkennen müssen (Einspruchsentscheidung vom 07.01.2010). Randnummer 15 Wegen ihres Begehrens auf Änderung des Bescheids vom 31.03.2008 hat die Klägerin, weiter vertreten durch den Prozessbevollmächtigten, Klage erhoben. Zur Begründung der Klage hat der Prozessbevollmächtigte im Wesentlichen sein Vorbringen zur Begründung des Einspruchs wiederholt. Dabei hat er nochmals auf die Belastungen hingewiesen, die die Klägerin in gesundheitlicher und beruflicher Hinsicht während der Jahre 2005 bis 2008 hatte. Ergänzend hat er zunächst vorgetragen: Die Familienkasse habe zwar mit Schreiben vom 05.06.2007 angekündigt, die Festsetzung des Kindergeldes nochmals zu überprüfen. Allerdings habe die Klägerin nicht nur die nachgeforderten Unterlagen eingereicht, sondern auch – trotz gesundheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit – im August 2007 bei dem zuständigen Sachbearbeiter der Familienkasse vorgesprochen. Sie sei daher davon ausgegangen, dass sie nicht mehr mit einer Aufhebung der Kindergeldfestsetzung zu rechnen brauche. Schließlich habe sie im Dezember 2007 der Familienkasse nochmals Belege übersandt. Aufgrund dessen sei sie spätestens jetzt davon ausgegangen, dass die Angelegenheit nun endgültig erledigt sei und alle Unterlagen vorlägen. Randnummer 16 Auf die Klageerwiderung der Familienkasse hat der Prozessbevollmächtigte – sinngemäß – im Wesentlichen weiter vorgetragen: Die Familienkasse habe für das Jahr 2004 Studienbescheinigungen sowie eine Erklärung zur Höhe der Einkünfte angefordert. Eine Exmatrikulationsbescheinigung sei damals jedenfalls nicht ausdrücklich angefordert worden. Zu diesem Zeitpunkt habe die Ausbildungsbescheinigung vom 25.10.2005 der Familienkasse bereits vorgelegen. Aus dieser Bescheinigung ergebe sich, dass S in der Zeit vom 01.08.2004 bis zum 31.07.2007 eine Ausbildung absolvieren sollte. Deshalb könne das Vorbringen der Familienkasse, das Fehlen einer Exmatrikulationsbescheinigung sei ihr erst im Sommer 2007 aufgefallen, nicht berücksichtigt werden. Die Tatsache, dass die Klägerin zu einem späteren Zeitpunkt der Aufforderung der Familienkasse, eine Exmatrikulationsbescheinigung vorzulegen, nicht nachgekommen sei, sei unbeachtlich. Auch einen Nachweis über die Höhe der Halbwaisenrente für das Jahr 2004 habe die Familienkasse während des Jahres 2005 nicht nachgefordert. Randnummer 17 Die Familienkasse hat zunächst u.a. vorgetragen: Bei Kindern in Ausbildung würden die Anspruchsvoraussetzungen in der Regel zum Ende eines nachgewiesenen Ausbildungsabschnitts geprüft. Im Streitfall sei – ausweislich der Änderungsverfügung vom 25.09.2003 – ursprünglich eine Überprüfung für den Januar 2011 vorgesehen gewesen. Die Tatsache, dass S sein Studium vorzeitig beendet habe, sei der Behörde erst durch die Vorlage einer (anderen) Ausbildungsbescheinigung am 15.11.2005 bekannt geworden. Der Aufforderung vom 17.11.2005, der Behörde das Ende des Studiums nachzuweisen und die Einkünfte und Bezüge des Kindes anzugeben, sei die Klägerin nicht nachgekommen. Auch die nachfolgenden Schreiben (mit Datum vom 05.06.2007, vom 20.07.2007, vom 05.09.2007 und vom 21.11.2007) habe sie unbeachtet gelassen. Randnummer 18 Auf die Stellungnahme der Klägerin hat die Familienkasse weiter vorgetragen: Die Behörde könne in zeitlicher Hinsicht die Überprüfung grundsätzlich frei gestalten. Bei Studenten erfolge die Überprüfung alle zwei bis drei Jahre, bei Kindern in betrieblicher Ausbildung manchmal jährlich. Diese Praxis entbinde den Kindergeldberechtigten jedoch nicht davon, Änderungen zu den anspruchsbegründenden Tatsachen der Behörde mitzuteilen. Im Streitfall sei die Klägerin den ihr gesetzlich auferlegten Mitwirkungspflichten jedenfalls nicht ausreichend nachgekommen. Randnummer 19 Das Gericht hat am 04.06.2012 über die Klage zunächst durch Gerichtsbescheid entschieden. Dabei hat es vorab klargestellt, dass die Klage sich bezieht auf das Schreiben vom 19.12.2008, mit dem die Familienkasse den Antrag der Klägerin, den Bescheid vom 31.03.2008 wegen des nachträglichen Bekanntwerdens neuer Tatsachen und Beweismittel zu ändern, abgelehnt hat. Die mit diesem Inhalt erhobene Klage hat es als insgesamt unbegründet erachtet. Dazu hat es u.a. ausgeführt: Die Klägerin habe im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO grobes Verschulden zu vertreten, weil sie die ihr obliegenden Mitteilungspflichten in erheblichem Umfang verletzt habe. Zwar müsse sich auch die Familienkasse in Bezug auf die Art und Weise, wie sie den maßgebenden Sachverhalt ermittelt und hierzu die Klägerin herangezogen habe, verschiedene Unzulänglichkeiten und Versäumnisse vorhalten lassen. Dabei habe sie durch ihr Verhalten die Pflichtverletzungen der Klägerin jedoch nicht unmittelbar beeinflusst. Randnummer 20 Der Prozessbevollmächtigte hat im Namen der Klägerin durch Schreiben vom 13.07.2012 beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen. Zur Ergänzung seines bisherigen Vorbringens trägt er weiter vor: Ausweislich einer Aktennotiz (Bl. 184 der Kindergeldakten) sei der Familienkasse bekannt gewesen, dass S eine Halbwaisenrente bezogen habe. Auch habe sie schon früher Kenntnis darüber erhalten, dass S eine neue Ausbildung begonnen habe. Die betreffende Ausbildungsbescheinigung sei ausweislich des Eingangsstempels am 15.11.2005 bei der Behörde eingegangen. Die Familienkasse habe es während des Jahres 2006 unterlassen, nochmals Belege oder Unterlagen über die Fortdauer der Ausbildung (Abbruch des Studiums, Beginn der betrieblichen Ausbildung) anzufordern. Zudem habe sie – trotz Kenntnis von dem Bezug einer Halbwaisenrente – nichts veranlasst, um ab dem Jahr 2005 die Höhe der Einkünfte und Bezüge zu prüfen. Entsprechende Wiedervorlagevermerke habe sie nicht beachtet. Die gebotene Sachverhaltsprüfung habe sie erst mit erheblicher Verspätung durchgeführt. Dadurch habe sie unmittelbar dazu beigetragen, dass die Klägerin in Zeiten größter Anspannung nicht in der Lage gewesen sei, ihren Mitteilungspflichten nachzukommen. Randnummer 21 Das Gericht hat am 17.09.2012 entsprechend dem Antrag der Klägerin eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Hieran hat für die Klägerin deren Prozessbevollmächtigter teilgenommen. Die Familienkasse hat – aufgrund einer plötzlichen Erkrankung der zuständigen Sachbearbeiterin – keinen Vertreter entsandt. Das Gericht hat dem Prozessbevollmächtigten einen Vorschlag zur einvernehmlichen Erledigung des Rechtsstreits unterbreitet. Dazu hat es im Wesentlichen ausgeführt: Wie der Gerichtsbescheid zeige, sei die Frage, ob der Klägerin in dem hier maßgebenden Zusammenhang der Vorwurf eines groben Verschuldens gemacht werden könne, nicht so einfach zu beantworten. Um in diesem Grenzbereich zu einer sachgerechten Lösung zu kommen, erscheine es angemessen und auch vertretbar, jedenfalls für die Monate Januar bis Dezember 2005 das Verhalten der Familienkasse (als der für die Sachverhaltsermittlung zuständigen Finanzbehörde) in der Weise zu berücksichtigen, dass ein grobes Verschulden auf Seiten der Klägerin im Ergebnis verneint wird. Gegenüber der zuständigen Vertreterin der Familienkasse hat das Gericht die vorstehenden Ausführungen in einem telefonischen Hinweis wiederholt. Randnummer 22 Der Prozessbevollmächtigte hat im Namen der Klägerin durch Schreiben vom 01.10.2012 erklärt, dass er die Klage für den Zeitraum ab dem Monat Januar 2006 zurücknehme, für die Monate Januar bis Dezember 2005 jedoch aufrecht erhalte. Die Familienkasse hat daraufhin mitgeteilt, dass sie keine Möglichkeit sehe, dem Klagebegehren in dem verbliebenen Umfang abzuhelfen. Der Prozessbevollmächtigte hat daraufhin sein bisheriges Vorbringen nochmals durch verschiedene Hinweise auf den Inhalt der Kindergeldakten verdeutlicht. Randnummer 23 Die Klägerin beantragt, in Bezug auf den Kindergeldanspruch für die Monate Januar bis Dezember 2005 den Ablehnungsbescheid vom 19.12.2008 sowie die Einspruchsentscheidung vom 07.01.2010 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, insoweit den Bescheid vom 31.03.2008 über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und die Rückforderung von gezahltem Kindergeld aufzuheben. Randnummer 24 Die Familienkasse beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 25 Zur Begründung trägt sie – ergänzend zu ihrem bisherigen Vorbringen – nunmehr vor: Der einzige Mangel in der Bearbeitung des die Klägerin betreffenden Falles habe darin bestanden, dass die Wiedervorlage vom Februar 2006 offensichtlich nicht überwacht worden sei. Die Kindergeldfestsetzung sei zunächst erfolgt aufgrund des Nachweises über das von S aufgenommene Studium. Nachdem der Behörde – mit einem Jahr Verspätung – bekannt geworden sei, dass S eine betriebliche Ausbildung begonnen habe, sei die bisherige Festsetzung entsprechend geändert worden. Aufgrund dieser Änderung habe nicht die Notwendigkeit bestanden, den Sachverhalt von Grund auf neu zu prüfen. Im Übrigen habe es der Klägerin oblegen, als Kindergeldberechtigte alle für den Anspruch maßgeblichen Umstände, also auch die Höhe sämtlicher Einkünfte und Bezüge, mitzuteilen. Einer nochmaligen Nachfrage bei der Klägerin habe es daher nicht bedurft. Nach Ablauf des „Bewilligungszeitraums“ müsse jeder Kindergeldfall von Grund auf überprüft werden. Anlässlich einer solchen Prüfung sei im Streitfall festgestellt worden, dass S offensichtlich eine Halbwaisenrente bezogen habe. Dies habe sich aus einem Vermerk des Jahres 2003 ergeben. Das „Übersehen“ dieses Vermerks sei jedoch unerheblich. Dies ergebe sich aus folgenden Gesichtspunkten: (1) Der Kindergeldberechtigte habe im Rahmen seiner Mitwirkungspflichten alle Tatsachen mitzuteilen. (2) Die Rechtmäßigkeit der Kindergeldzahlungen werde in regelmäßigen Abständen überprüft. (3) Im Rahmen der Überprüfung sei die Festsetzung zu korrigieren, soweit die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen sei. Aufgrund der Vielzahl von Vorgängen, die täglich in den Familienkassen zu bearbeiten seien, sei „eine andere Handhabung auch nicht leistbar“. Die Behörde habe zu keiner Zeit signalisiert, dass der Anspruch auf Kindergeld abschließend geprüft worden sei. Sie habe schuldhaft auch keine Mitteilung unterlassen. Letztendlich könne der Behörde nicht angelastet werden, dass der Bezug einer Halbwaisenrente zunächst übersehen worden sei. Denn es sei Sache der Klägerin gewesen, die Höhe dieser Bezüge nachzuweisen. Im Übrigen sei es der Behörde derzeit nicht möglich, das Bestehen eines Kindergeldanspruchs in Bezug auf die insoweit maßgeblichen Einkünfte und Bezüge des Kindes zu überprüfen. Denn die Klägerin habe für das Jahr 2005 weder über den Bezug der Halbwaisenrente noch über den Zufluss von Einkünften entsprechende Nachweise vorgelegt. Randnummer 26 Die den Streitfall betreffenden Akten der Familienkasse waren Gegenstand des Verfahrens.
Der Ablehnungsbescheid vom 19.12.2008 und die Einspruchsentscheidung vom 07.01.2010 werden, soweit sie den Kindergeldanspruch für die Monate Januar bis Dezember 2005 betreffen, aufgehoben. Die Familienkasse wird verpflichtet, insoweit den Antrag der Klägerin, den Bescheid vom 31.03.2008 über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und die Rückforderung von gezahltem Kindergeld aufzuheben, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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VG Koblenz 4. Kammer
Rheinland-Pfalz
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18.08.2016
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Randnummer 1 Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Übernahme der Schülerbeförderungskosten. Randnummer 2 Die im Juli 2002 geborene Klägerin wohnt zusammen mit ihrer am ... Juni 2005 geborenen Schwester, der Klägerin in dem Verfahren 4 K 51/16.KO, und ihrem 1999 geborenen Bruder gemeinsam mit ihren Eltern in N... Die Geschwister besuchen alle das A...-Gymnasium in B..., eine staatlich anerkannte Ersatzschule in freier Trägerschaft im Sinne des § 28 des Privatschulgesetzes Rheinland-Pfalz (PrivSchG). Randnummer 3 Auf entsprechenden Antrag übernahm die Beklagte seit Beginn des Schulbesuchs im Schuljahr 2012/2013 für die Klägerin die Fahrtkosten nach B... durch Ausgabe entsprechender Fahrkarten für den Personennahverkehr. Der Bruder besucht seit dem Schuljahr 2009/2010 ebenfalls das A...-Gymnasium; die Fahrtkosten werden seitdem von dem Beklagten übernommen. Randnummer 4 Für die Schwester, die Klägerin in dem Verfahren 4 K 51/15.KO, wurde Anfang März 2015 ein Antrag auf Übernahme von Schülerfahrtkosten für den Besuch des A...-Gymnasiums ab dem Schuljahr 2015/16 gestellt. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 29. April 2015 ab. Randnummer 5 Mit Bescheid vom gleichen Tage lehnte die Beklagte auch die (Weiter-)Gewährung von Schülerbeförderungskosten für die Klägerin erstmals ab dem Schuljahr 2015/2016 ab. Die Beklagte führte zur Begründung aus, es habe sich zwischenzeitlich herausgestellt, dass die für das Schuljahr 2012/13 ausgesprochene und für die folgenden Schuljahre 2013/14 und 2014/15 beibehaltene Kostenübernahme rechtswidrig gewesen sei, da die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme nicht erfüllt seien. Schülerfahrtkosten seien nach den gesetzlichen Bestimmungen nur dann zu übernehmen, wenn der Schulweg ohne Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht zumutbar sei. Dies sei immer dann der Fall, wenn er sich als besonders gefährlich erweise oder aber der kürzeste, nicht besonders gefährliche Fußweg zwischen Wohnung und nächstgelegener Schule der jeweils gewählten Schulform länger als 4 km sei. Beim Besuch einer anderen als der nächstgelegen Schule seien Kosten nur insoweit zu übernehmen, als sie auch bei der Fahrt zur nächstgelegenen Schule zu übernehmen wären. Bei der Feststellung der nächstgelegenen Schule seien nur Schulen der jeweiligen Schulform mit der gewählten ersten Fremdsprache zu berücksichtigen. Danach sei festzustellen, dass bei der von der Klägerin gewählten ersten Fremdsprache Englisch die nächstgelegene Schule im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen das private Gymnasium C... Schule in D... sei; der kürzeste Fußweg von der Wohnung dorthin betrage aber weniger als 4 km und sei auch nicht als besonders gefährlich einzustufen. Randnummer 6 Mit Schreiben vom 28. Mai 2015 erhob die Klägerin, vertreten durch ihre Eltern, Widerspruch und trug vor, bei der C... Schule erfolge die Beschulung monoedukativ, d.h., dort würden ausschließlich Mädchen aufgenommen; dies komme für sie als Eltern nicht in Frage und stelle keine Alternative zur Beschulung an dem A...-Gymnasium dar. Im Übrigen wäre eine Anmeldung der Klägerin und ihrer Schwester dort nach Erhalt der ablehnenden Bescheide vom 29. April 2015 auch gar nicht mehr möglich gewesen, da die Anmeldeverfahren bereits abgeschlossen gewesen seien. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass der Bruder ebenfalls das A...-Gymnasium besuche und auch weiterhin aufgrund seiner Geschlechtszugehörigkeit eine Fahrkarte für den öffentlichen Personennahverkehr erhalte; darin liege eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung. Randnummer 7 Mit E-Mail vom 15. September 2015 teilte die C... Schule mit, dass eine Aufnahme der Klägerin bei rechtzeitiger Anmeldung möglich gewesen wäre. Randnummer 8 Die Beklagte führte im Widerspruchsverfahren aus, maßgeblich sei, dass der Schulweg von der Wohnung der Klägerin zur nächstgelegenen Schule, der C... Schule, weder länger als 4 km, noch besonders gefährlich sei. Das A...-Gymnasium könne nicht als nächstgelegene Schule angesehen werden, da es insoweit allein auf die Schulform sowie die gewählte erste Fremdsprache ankomme. Von der Rechtsprechung sei entschieden, dass es bei der Bestimmung der nächstgelegenen Schule auf eine Schwerpunktsetzung nicht ankomme. Der Wunsch der Eltern, ihre Töchter auf einer koedukativen Privatschule beschulen zu lassen, sei vergleichbar mit der Wahl einer Schwerpunktschule. Maßgeblich sei somit allein, dass es sich bei der C... Schule um ein Gymnasium mit erster Fremdsprache Englisch handele, das Mädchen aufnehme und die Klägerin bei rechtzeitiger Antragstellung dort angenommen worden wäre. Randnummer 9 Der Stadtrechtsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Dezember 2015 zurück und führte im Wesentlichen aus, gemäß § 33 Abs. 1 S. 1 PrivSchG gelte für die Beförderung der Schüler von Schulen, die – wie hier das A...-Gymnasium – Beiträge nach § 8 PrivSchG erhielten, die Regelung des § 69 SchulG über die Schülerbeförderung entsprechend. Das Tatbestandsmerkmal der „nächstgelegenen Schule" sei nach dem Wortlaut zu verstehen als die nächstgelegene Schule einer der Schularten, die in § 69 Abs. 1 S. 2 SchulG genannt seien. Welche die nächstgelegene Schule der jeweiligen Schulart sei, beurteile sich nach der gewählten ersten Fremdsprache; dies sei im Falle der Klägerin Englisch. Damit sei die nächstgelegene (Privat-)Schule die C... Schule. Der Wunsch nach einer koedukativen Beschulung, wie sie nächstgelegen auf einer Privatschule erst an dem A...-Gymnasium angeboten werde, könne nicht dazu führen, dass dieses als „nächstgelegene Schule“ anzusehen sei. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz sei für die Klägerin die nächstgelegene Schule das Gymnasium C... Schule in D... Es komme ausschließlich auf die im Gesetz ausdrücklich genannten Kriterien – Schulart und erste Fremdsprache – an und darüber hinaus hätten jegliche anderen Gesichtspunkte unberücksichtigt zu bleiben, es sei denn, der Besuch der danach zugrunde zu legenden „nächstgelegenen Schule" wäre rein faktisch nicht möglich. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Denn die C... Schule habe auf Nachfrage bestätigt, dass die Klägerin bei rechtzeitiger Anmeldung dort zum Schuljahr 2015/16 aufgenommen worden wäre. Auch aus § 69 Abs. 3 SchulG könne die Klägerin einen Anspruch auf Kostenübernahme nicht herleiten. Eine Verpflichtung der Beklagten zur Kostenübernahme bestünde aber nur dann und nur insoweit, als beim Besuch der nächstgelegenen Schule Kosten zu übernehmen wären. Der kürzeste, nicht besonders gefährliche Fußweg zwischen Wohnung und Schule betrage unbestritten weniger als 4 km und wäre auch nicht besonders gefährlich im Sinne von § 69 Abs. 2 SchulG . Sie habe auch keinen Anspruch auf eine im Ermessen stehende Kostenübernahme nach Nr. 13.7 i.V.m. Nr. 14 der Schülerbeförderungsrichtlinien der Beklagten. Danach seien Ausnahmen insbesondere möglich; wenn auf eine Schulanmeldung an einer näher gelegenen Schule eine Absage erfolge, oder eine bessere Auslastung der anderen Schule erreicht oder ein Schulwechsel im Laufe des Schuljahres vermieden werden könne, oder beim Besuch einer weiter entfernten privaten Schule geringere Fahrtkosten anfielen, oder die Verkehrsanbindung zur nächstgelegenen Schule unzumutbar, zu einer weiter entfernten Schule dagegen zumutbar sei. Eine Ausnahme könne auch dann gemacht werden, wenn sich die nächstgelegene private Schule außerhalb des Wohnorts, die weiter entfernte besuchte öffentliche Schule dagegen im Wohnort des Schülers befinde. Keiner der Ausnahmetatbestände sei erfüllt. Auch das weitere Ermessen habe die Beklagte ordnungsgemäß dahingehend ausgeübt, dass sie vorliegend eine den ausdrücklich genannten Fallkonstellationen vergleichbare Situation nicht angenommen und damit einen Anspruch auf Kostenübernahme abgelehnt habe. Denn bei der Unterscheidung von mono- und koedukativer Beschulung handele es sich letztlich ähnlich einer auf bestimmte Fächer bezogenen Schwerpunktsetzung um einen pädagogischen Gesichtspunkt, der nach der Rechtsprechung des OVG gerade keine Berücksichtigung finden könne. Bezüglich des Bruders der Klägerin lägen bereits keine gleichen Sachverhalte vor, da die C... Schule aufgrund ihrer monoedukativen Ausrichtung für den Bruder nicht aufnahmebereit sei und diese Schule folglich bei der Prüfung der „nächstgelegenen Schule" im Rahmen von § 69 SchulG von vornherein ausscheide, ohne dass es überhaupt noch auf die nach dem Gesetz maßgeblichen Kriterien der Schulart und der gewählten ersten Fremdsprache ankäme. Randnummer 10 Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage vom 15. Januar 2016 verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter und führt vertiefend aus, es verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, eine monoedukative Schule wie die C... Schule als Vergleichsschule heranzuziehen. Diese Schulen seien gerade nicht immer aufnahmefähig. Die Aufnahmefähigkeit hänge in diesem Fall von der Geschlechtszugehörigkeit des Schülers ab. Das bedeute, bei dem Besuch einer koedukativen Schule sei die Begünstigung in Form der Fahrtkostenerstattung an allen Schülerinnen zu messen. Wenn nun aufgrund der Verfügbarkeit einer monoedukativen Schule ein Teil der Schülerinnen aus diesem Personenkreis herausfalle, sei dies als Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte aufgrund des Geschlechtes anzusehen. Hilfsweise, für den Fall, dass doch davon ausgegangen werden sollte, dass die C... Schule als nächstgelegen Schule im Sinne von § 69 SchulG anzusehen sei, bestehe ein Anspruch auf Schülerbeförderung nach § 69 Abs. 3 SchulG i.V.m. § 33 PrivSchG i.V.m. der Richtlinie der Stadt B... zur Schülerbeförderung. Nach § 69 Abs. 3 S. 4 SchulG blieben Wegunterschiede bis zu 5 km außer Betracht. Dies werde durch Nr. 14.1.1 i.V.m. Nr. 13.6 der Richtlinie konkretisiert. Danach blieben bei der Frage, ob eine Schule die nächstgelegene sei, Wegdifferenzen bis zu 5 Kilometern außer Betracht. Maßgebend seien die tatsächlichen Entfernungskilometer zwischen Wohnung und besuchter Schule sowie Wohnung und nächstgelegener Schule. Vorausgesetzt werde nach dem Wortlaut gerade nicht, dass überhaupt Fahrtkosten anfielen. So liege der Fall hier. Der Weg zur C... Schule betrage 2,5 km. Der Weg von der Wohnung zum besuchten A...-Gymnasium betrage 6,7 km. Der Wegeunterschied betrage somit 3,8 km. Randnummer 11 Die Klägerin beantragt, den Bescheid vom 29. April 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Dezember 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Beförderungskosten zum A...-Gymnasium zu übernehmen. Randnummer 12 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen Randnummer 13 Sie verweist auf den Widerspruchsbescheid und führt ergänzend aus, zur Bestimmung der "nächstgelegenen Schule" ( § 69 SchulG ) hätten pädagogische und organisatorische Schwerpunkte unberücksichtigt zu bleiben. Es wäre deshalb keine Einzelfallentscheidung zu Gunsten der Klägerin möglich gewesen mit der Begründung, dass die C... Schule in D... lediglich Mädchen aufnehme. Darin liege kein Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes, da bezogen auf den Bruder bereits keine gleichen Sachverhalte vorlägen, jedenfalls aber bei Annahme gleicher Sachverhalte die damit einhergehende Ungleichbehandlung sachlich gerechtfertigt wäre. Die Klägerin könne einen Anspruch auch nicht aus der Regelung in § 69 Abs. 3 Satz 3 SchulG i. V. m. Nr. 13.6 der Richtlinien herleiten, nach der bei der Feststellung der nächstgelegenen Schule Wegdifferenzen bis zu 5 km außer Betracht blieben. Dies setze voraus, dass gemäß § 69 Abs. 3 S. 1 SchulG ein anteiliger Kostenübernahmeanspruch bezogen auf den hypothetischen Besuch der nächstgelegenen Schule bestünde. Mit Blick auf § 69 Abs. 1 SchulG komme die Toleranzgrenze aber nur dann zur Anwendung, wenn sowohl der Schulweg zur nächstgelegenen Schule länger als 4 km oder besonders gefährlich wäre, als auch der Schulweg zu der tatsächlich besuchten Schule, demnach ohnehin eine Kostenübernahme zu erfolgen habe. Nur bei diesem Verständnis sei das Regelungsgefüge in sich widerspruchsfrei. Randnummer 14 Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze und Unterlagen der Beteiligten, die vorgelegten Verwaltungs- und Widerspruchsakten sowie die Gerichtsakte 4 K 51/16.KO verwiesen; sämtliche Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Der Bescheid der Beklagten vom 29. April 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Stadtrechtsausschusses der Beklagten vom 15. Dezember 2015 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, für die Klägerin die Schülerbeförderungskosten zum A...-Gymnasium in B... für das Schuljahr 2015/2016 zu übernehmen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 27. Senat
Berlin
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10.01.2012
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Randnummer 1 Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens streitig, ob die Beklagte auch den Zeitraum vom 11. Februar 1972 bis zum 11. Juli 1972 als Zeit der Zugehörigkeit des Klägers zu der zusätzlichen Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen (AVIwiss, Zusatzversorgungssystem nach Nr. 4 der Anlage I zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz –AAÜG–) festzustellen hat. Randnummer 2 Der 1941 geborene Kläger war seit 1960 als Russischlehrer in der DDR tätig. Er besuchte in der Zeit vom 11. Februar 1972 bis zum 11. Juli 1972 einen Kurs zur Erhöhung der Qualifikation der Russischlehrer an der Fakultät der russischen Sprache für ausländische Bürger an der Staatlichen Lomonossow-Universität in Moskau. Zu diesem Kurs war er vom Ministerium für Volksbildung über den Rat des Kreises Prenzlau delegiert worden. Während seines Auslandsaufenthalts wurde ihm auf sein Konto in der DDR ein Betrag überwiesen, der nur einem Teil seines bisherigen Gehalts entsprach; den restlichen Betrag erhielt er seinen Angaben zufolge über die Moskauer Botschaft der DDR in Rubel ausgezahlt. Randnummer 3 Die Rechtsvorgängerin der Beklagten überführte mit Bescheid vom 29. Juli 1997 die Anwartschaften und Ansprüche des Klägers aus der Zusatzversorgung in die Rentenversicherung. Hierbei wies sie für das Jahr 1972 Entgelte in Höhe von 7.074,15 M aus. Randnummer 4 Auf das Schreiben des Klägers vom 25. April 2006, mit dem er eine Berichtigung der Bescheinigung über die Arbeitsentgelte für das Jahr 1972 beantragte, erließ die Beklagte den Feststellungsbescheid vom 7. Juni 2006. Ohne Änderung des Betrages der für das Jahr 1972 erzielten Entgelte in Höhe von 7.074,15 M stellte sie für dieses Jahr die Zeiträume vom 1. Januar bis 10. Februar sowie vom 12. Juli bis 31. Dezember fest. Sie führte hierzu aus, dass in der Zeit vom 11. Februar bis zum 11. Juli 1972 kein Entgelt aus einem Beschäftigungsverhältnis erzielt worden sei. Randnummer 5 Den Antrag des Klägers vom 12. Juli 2006, unter Änderung des Bescheides vom 7. Juni 2006 auch diesen Zeitraum zu berücksichtigen, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2006 ab. Hiergegen legte der Kläger keinen Rechtsbehelf ein. Randnummer 6 Am 16. November 2006 stellte der Kläger einen Überprüfungsantrag, mit dem er darauf hinwies, dass Kollegen, die ebenfalls einen Sprachkurs besucht hätten, bei der Rentenberechnung keine Probleme hätten. Die Beklagte holte eine Auskunft des Staatlichen Schulamtes vom 2. Januar 2007 ein, welches bestätigte, dass der Kläger 1972 Arbeitsentgelte in Höhe von 7.074,15 M bezogen habe. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 30. Januar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2007 eine Änderung des Feststellungsbescheides ab. Im fraglichen Zeitraum habe der Kläger ein Auslandsstudium absolviert. Die Ausbildung sei kein Bestandteil eines Beschäftigungsverhältnisses, weshalb die Zahlungen kein Entgelt darstellten. Randnummer 7 Mit der bei dem Sozialgericht Neuruppin erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Er bringt vor, während des Kurses in Moskau weiterhin in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden zu haben, denn es habe sich um eine Delegierung im Rahmen einer Lehrerbildung gehandelt. Er hätte den Kurs auch nicht besucht, wenn er nicht sein volles Gehalt erhalten hätte. Randnummer 8 Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 8. Mai 2009 abgewiesen: Voraussetzung für die Feststellung als Zeit in der Zusatzversicherung sei die Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit. Das Gehalt für ein Auslandsstudium der hier vorliegenden Art sei erst mit der Anordnung zur Stipendienzahlung bzw. zur Vergütung der zur Aus- und Weiterbildung in andere Staaten delegierten Bürger der DDR vom 13. Mai 1974 (GBl. I, S. 281) ab dem 1. September 1974 der Beitragspflicht zur Sozialversicherung unterworfen worden. Randnummer 9 Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung zum Landessozialgericht eingelegt, mit der er betont, dass es sich bei seinem Aufenthalt in Moskau um eine berufliche und damit versicherungspflichtige Weiterbildung gehandelt habe. Auch sei er nicht darauf hingewiesen worden, dass er im Rahmen der Weiterbildung nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen solle. Randnummer 10 Der Kläger beantragt, Randnummer 11 das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 8. Mai 2009 aufzuheben sowie die Beklagte unter Aufhebung des Überprüfungsbescheides vom 30. Januar 2007 in der Ge-stalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2007 zu verpflichten, den Feststellungsbescheid vom 7. Juni 2006 zu ändern und die Zeit vom 11. Februar 1972 bis zum 11. Juli 1972 als Zeit seiner Zugehörigkeit zu dem Zusatzversorgungssystem der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen sowie die in diesem Zeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen. Randnummer 12 Die Beklagte beantragt, Randnummer 13 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 14 Sie hält die angefochtene Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Randnummer 15 Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze, das Protokoll und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Neuruppin vom 8. Mai 2009 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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AG Halle (Saale)
Sachsen-Anhalt
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21.01.2010
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Randnummer 1 Der Kläger verlangt eine Nutzungsentschädigung für Räume. Randnummer 2 Der Kläger wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Halle (Saale) vom 14. Oktober 2008 (Az. 55 L 124/08-2) zum Zwangsverwalter des dem Beklagten gehörenden Grundstücks O…-B…-Straße … in … L… bestellt. Wegen der Einzelheiten, insbesondere der genauen Bezeichnung des Grundstücks, wird auf die Bestallungsurkunde Bl. 8 d. A. verwiesen. Am 26. November 2008 nahm der Kläger das Grundstück in Besitz. Randnummer 3 Auf dem zwangsverwalteten Grundstück befindet sich ein Haus, welches der Beklagte mit seiner Ehefrau bewohnt. Weitere Personen bewohnen das Grundstück nicht, die erwachsene Tochter des Beklagten kommt nur zu Besuch zu ihren Eltern. Zudem befindet sich auf dem Grundstück eine Garage. Randnummer 4 Der Kläger behauptet, das Haus habe eine Wohnfläche wie folgt: Im Erdgeschoss eine Wohnfläche von 100,52 m 2 , im Dachgeschoss eine Wohnfläche von 22,66 m 2 sowie im Souterrain eine Wohnfläche von 69,44 m 2 . Wegen der Einzelheiten des diesbezüglichen Vortrages, insbesondere der Zahl und der Größe der einzelnen Zimmer, wird verwiesen auf die Ausführungen auf Seite 3 der Klage (Bl. 3 d. A.). Der Kläger ist der Ansicht, dem Beklagten seien gemäß § 149 Abs. 1 ZVG für seinen Zweipersonenhaushalt nur Räume mit einer Wohnfläche von 70 m 2 als unentbehrliche Räume zu überlassen. Für die Nutzung der anderen Räume und der Garage müsse der Beklagte an den Kläger eine Nutzungsentschädigung zahlen, die er mit 629,97 € pro Monat für angemessen hält. Hierbei geht er von einer monatlichen Nutzungsentschädigung von 5,50 € pro m 2 Wohnfläche und von 25,00 € für die Garage aus. Zudem verlangt der Kläger eine Betriebskostenvorauszahlung von 70,00 € pro Monat. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des Klägers an den Beklagten vom 2. Dezember 2008 (Bl. 21f d. A.) verwiesen. Der Kläger ist der Ansicht, es sei unerheblich, ob die dem Beklagten nicht als unentbehrlich zu überlassenden Räume abtrennbar seien oder gesondert genutzt oder vermietet werden könnten, vielmehr gehe es um einen Vorteilsausgleich dafür, dass dem Beklagten Räume zur Verfügung stehen, die ihm nicht gemäß § 149 Abs. 1 ZVG zu überlassen seien. Es sei auch unerheblich, ob der Beklagte diese Räume tatsächlich nutze. Randnummer 5 Der Kläger verlangt mit der vorliegenden Klage Nutzungsentschädigung für die Monate Dezember 2008 bis Mai 2009 einschließlich Betriebskostenvorauszahlungen in Höhe von 4.199,82 € (monatlich 699,97 € für sechs Monate). Randnummer 6 Der Kläger beantragt, Randnummer 7 den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 4.199,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Randnummer 8 Der Beklagte beantragt, Randnummer 9 die Klage abzuweisen. Randnummer 10 Der Beklagte hält für sich und seine Frau zwar ebenfalls Räume mit einer Wohnfläche von 70 m 2 für ausreichend. Er ist aber der Ansicht, dass ihm gleichwohl das gesamte Haus unentgeltlich zu überlassen sei, weil die übrigen Räume von den ihm zu überlassenden nicht trennbar seien und daher weder gesondert vermietet noch sonst gesondert genutzt werden könnten. Außerdem behauptet der Beklagte, das Haus habe eine reine Wohnfläche von nur 95,27 m 2 . Randnummer 11 Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2010 verwiesen.
1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.199,82 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. Juli 2009 zu bezahlen. 2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 3. Kammer
Rheinland-Pfalz
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28.09.2010
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Randnummer 1 Nach vorangegangener Ausbildung zur Fachkraft für Lagerwirtschaft ist der Kläger gemäß Arbeitsvertrag vom 22.06.1999 als Mitarbeiter der Beklagten (R. Zentral AG) in deren Lager in K. beschäftigt gewesen. Dort arbeitete auch der A. U., der Kläger des Verfahrens - 10 Ca 2266/09 - (Arbeitsgericht Koblenz). Die Beklagte kündigte dem Kläger mit dem Schreiben vom 11.09.2009 "fristlos mit Zugang". Die Beklagte ist eingetragen im Handelsregister B des Amtsgerichts K. unter HRB 0000 Dort befindet sich unter dem Datum 30.10.2009 (auszugsweise) u.a. folgende Eintragung: Randnummer 2 "Die Gesellschaft hat nach Maßgabe des Ausgliederungs- und Übernahmevertrages vom 20.08.2009 … Teile ihres Vermögens (Geschäftsbereich Vollsortiment National Supermärkte einschließlich Key Account Management; Geschäftsbereich Logistik; Warenhandelseinheit) als Gesamtheit im Wege der Umwandlung durch Ausgliederung auf die R. Markt GmbH (vormals R. Nord-Ost GmbH) mit Sitz in K. (Amtsgericht Köln, HRB 00000) als übernehmenden Rechtsträger übertragen". Randnummer 3 Die Nebenintervenientin (R. Markt GmbH; vormals: R. Nord-Ost GmbH) ist eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Köln unter HRB 00000 (s. Bl. 183 ff. d.A.). Dort (s. Bl. 185 d.A.) befindet sich die Eintragung: Randnummer 4 "Die Ausgliederung ist mit der Eintragung auf dem Registerblatt des übertragenden Rechtsträgers R.-Zentral AG mit Sitz in K. (AG Köln, HRB 0000) am 30.10.2009 wirksam geworden (Eintragung vom 30.10.2009). Randnummer 5 Wegen der Unterrichtung der Mitarbeiter gemäß § 613a Abs. 5 BGB wurde das Schreiben vom 21.08.2009 (Bl. 188 ff. d.A.) zur Gerichtsakte gereicht. Der Kläger bezeichnet es als nicht richtig, dass er mit diesem Schreiben vom 21.08.2009 über einen Betriebsübergang und die Namensänderung in Kenntnis gesetzt worden sei. Randnummer 6 Die Kündigungsschutzklage gegen die Kündigung vom 11.09.2009 hat der Kläger gegen die R.-Zentral AG erhoben, die auch im Passivrubrum des erstinstanzlichen Urteils vom 15.04.2010 - 10 Ca 2317/09 - als Beklagte genannt wird. Randnummer 7 Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils vom 15.04.2010 - 10 Ca 2317/09 - (dort S. 2 ff. = Bl. 72 ff. d.A.). Das Arbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 11.09.2009 nicht aufgelöst worden ist. Randnummer 8 Gegen das am 03.05.2010 zugestellte Urteil vom 15.04.2010 - 10 Ca 2317/09 - ging am 17.05.2010 die Berufungsschrift der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 12.05.2010 bei dem Landesarbeitsgericht ein. Wegen des Inhalts dieser Berufungsschrift im Einzelnen wird auf Bl. 88 f. d.A. verwiesen. Die Berufungsbegründung erfolgte mit dem am 15.07.2010 (Montag) beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz vom 05.07.2010. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung und wegen des weiteren Vorbringens der Beklagten und der Nebenintervenientin im Berufungsverfahren wird verwiesen auf die Schriftsätze vom 05.07.2010 (Bl. 103 ff. d.A.), vom 25.08.2010 (Bl. 143 ff. d.A.) und vom 24.09.2010 (Bl. 212 f. d.A.). Randnummer 9 Die Berufungsklägerin bringt zur Berufungsbegründung insbesondere vor, dass der A. U. etwa im Januar/Februar (2009) und im März/April (2009) beobachtet worden sei, wie er jeweils einen Karton in den Kofferraum des Fahrzeugs des Klägers gelegt habe. Dabei habe er sich verdächtig umgesehen. Das Fahrzeug habe zu den jeweiligen Zeitpunkten gegenüber dem Rolltor des ehemaligen Tiefkühllagers geparkt, welches im Wesentlichen nur von dem Zeugen A. U. genutzt werde. Nachdem U. das Päckchen in den Kofferraum des Wagens des Klägers eingelegt gehabt habe, sei der Kläger dabei beobachtet worden, wie er den Wagen umgeparkt, - also den Wagen rückwärts eingeparkt habe (Beweis: Zeuginnen H. G. und U. Sch.). Die Beklagte führt weiter aus, dass der Betriebsrat vor Kündigungsausspruch ordnungsgemäß angehört worden sei (vgl. dazu auch das Anhörungsschreiben vom 07.09.2009 nebst Anlage, Bl. 40 ff. d.A.). Weitere Darlegungen zur Betriebsratsanhörung sowie zur Beobachtung des Zeugen U. durch die Zeuginnen G. und Sch. enthält der Schriftsatz vom 25.08.2010 (dort insbesondere S. 3 ff. = Bl. 145 ff. d.A.), worauf verwiesen wird. Randnummer 10 Nach näherer Maßgabe der Ausführungen im Schriftsatz vom 24.09.2010 macht sich die Beklagte die Berufungseinlegung und Ausführungen (der Nebenintervenientin) zu eigen. Die Nebenintervenientin habe auch für die Beklagte Berufung eingelegt. Randnummer 11 Im Schriftsatz vom 25.08.2010 wird (dort auf S. 2 = Bl. 144 d.A.) dazu ausgeführt, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger vergleichsweise zum 31.03.2010 beendet worden sei. Insoweit wird Bezug genommen auf folgende Korrespondenz der jeweiligen Prozessbevollmächtigten: Randnummer 12 - Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers - vom 16.07.2010, - vom 21.07.2010 und - vom 22.07.2010 (s. Bl. 150 ff. d.A.) sowie - auf das Schreiben der Prozessbevollmächtigten Rechtsanwältin B. vom 26.07.2010 (Bl. 156 f. d.A.). Randnummer 13 Im letztgenannten Schreiben heißt es u.a.: Randnummer 14 "… Ich schlage darum vor, dem Landesarbeitsgericht folgenden Vergleichstext vorzuschlagen: …" und "… Wenn ich nichts mehr von Ihnen höre, werde ich das Arbeitsgericht entsprechend des nun angenommenen Angebots vom 16.07.2010 anschreiben …". Randnummer 15 Die Beklagte und Berufungsklägerin sowie die Nebenintervenientin beantragen, Randnummer 16 das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15.042010 - 10 Ca 2317/09 - abzuändern und die Klage abzuweisen. Randnummer 17 Der Kläger beantragt, Randnummer 18 die Berufung zurückzuweisen und einen etwaigen Beitritt/Nebenintervention zurückzuweisen. Randnummer 19 Der Kläger verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts nach näherer Maßgabe seiner Ausführungen in der Berufungsbeantwortung vom 15.07.2010 (Bl. 131 ff. d.A.) sowie in den Schriftsätzen vom 14.08.2010 (Bl. 138 ff. d.A.), vom 04.09.2010 (Bl. 194 ff. d.A.), vom 14.09.2010 (Bl. 205 ff. d.A.) und vom 17.09.2010 (Bl. 210 f. d.A.), worauf jeweils zwecks Darstellung aller Einzelheiten verwiesen wird. Randnummer 20 Nach Ansicht des Klägers ergibt sich aus der Berufungsschrift vom 12.05.2010 klar und unmissverständlich - und insoweit auch nicht auslegungsfähig -, dass die Berufung "namens und im Auftrag der Beklagten und Berufungsklägerin" eingelegt werden. Tatsächlich sei die Berufung für eine Firma R. Markt GmbH eingelegt worden, wie sich aus dem Parteirubrum in dem Berufungsschriftsatz ergebe. Spätere Umstellungen oder Umdeutungen im Sinne eines Beitritts/Streitverkündigung wären nicht fristwahrend, da innerhalb der Frist weder ein Beitritt erfolgt sei, noch die Angabe des Interesses der Nebenintervention. In der Sache selbst verweist der Kläger insbesondere auch auf sein erstinstanzliches Vorbringen, wonach der Betriebsrat von Seiten der Beklagten nicht ordnungsgemäß angehört und auch falsch informiert worden sei. Die gegenüber dem Kläger ausgesprochene Kündigung sei schwerpunktmäßig begründet worden mit einem Sachverhalt "U. wegen eines Vorfalls vom 27.08.2009 (Whiskey-Karton)", - wobei der Kläger weder mit diesem Vorfall irgendetwas zu tun gehabt haben könne und er auch im Übrigen mit U. kein besonderes Freundschaftsverhältnis unterhalte, - es gebe nur einen kollegialen Umgang. Weiter bringt der Kläger u.a. vor, dass der Sachvortrag der Beklagten wegen angeblicher "Beobachtungen" von U. Sch. und H. G. in jeder Hinsicht zu unbestimmt sei, wobei der Kläger zusätzlich darauf hinweist, dass er nach seiner Erinnerung Anfang des Jahres 2009 in einem längeren Urlaub gewesen sei und ebenfalls in einem längeren Urlaub im März/April 2009. Randnummer 21 Zur näheren Darstellung des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den weiteren Akteninhalt und den Inhalt der Beiakte zu - 3 Sa 247/10 - verwiesen (in dieser Beiakte befinden sich die Lichtbilder, die die Beklagte mit dem Schriftsatz vom 25.08.2010, s. dort S. 4 - oben - als Anlagenkonvolut K 7 zur Gerichtsakte gereicht hat).
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 15.04.2010 - Az: 10 Ca 2317/09 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen. Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten werden der Nebenintervenientin auferlegt. Die Revision wird nicht zugelassen. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 8.131,77 EUR festgesetzt.
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VG Neustadt (Weinstraße) 4. Kammer
Rheinland-Pfalz
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06.09.2013
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Randnummer 1 Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten, ihm Zugang zum Informationsinhalt der Leasingverträge für den Dienstwagen des Bürgermeisters der Beklagten zu gewähren. Hilfsweise verlangt er von der Beklagten, ihm Auskunft über die monatlichen Leasing-Raten, die Art des Leasings sowie die Höhe einer etwaigen An- und Restzahlung für den Dienstwagen des Bürgermeisters zu erteilen. Randnummer 2 Mit Schreiben vom 16. Dezember 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Beantwortung nachfolgender Auskunftsbegehren: Randnummer 3 1) Stehen dem Oberbürgermeister, den Beigeordneten sowie den ehrenamtlichen Beigeordneten Dienstwagen zur Verfügung? 2) Welche Kosten sind mit diesen Dienstwagen verbunden? 3) Sind diese Wagen geleast? Wenn ja, Zugangsgewährung zu den jeweiligen Leasingverträgen. 4) Beschäftigt die Stadtverwaltung zu diesem Zweck Fahrer? Randnummer 4 Ferner bat der Kläger um Mitteilung der Besoldungsgruppen von Oberbürgermeister und den Beigeordneten. Randnummer 5 Die Beklagte antwortete dem Kläger darauf mit Schreiben vom 9. Januar 2012, sie verfüge über insgesamt 173 Fahrzeuge und Maschinen. Davon seien je ein Kraftfahrzeug dem Oberbürgermeister und dem Bürgermeister persönlich zugewiesen. Den Beigeordneten sowie den ehrenamtlich Beigeordneten stehe kein eigener Dienstwagen zur Verfügung. Für die Dienstwagen fielen die üblichen Unterhaltungskosten an. Ein Fahrer, der im Übrigen noch andere Aufgaben wahrnehme, stehe nur dem Oberbürgermeister zu. Die Besoldungsgruppen des Oberbürgermeisters, des Bürgermeisters und der hauptamtlichen Beigeordneten ergäben sich aus der kommunalen Besoldungsverordnung und dem jeweiligen Stellenplan der Beklagten. Randnummer 6 Mit Schreiben vom 12. und 21. Januar 2012 begehrte der Kläger ferner Auskunft über die Höhe der Leasingkosten für die geleasten Dienstwagen sowie Zugang zu den Leasingverträgen mit der Begründung, als Bürger und Steuerzahler habe er ein grundsätzliches Interesse daran zu erfahren, was mit den Geldern geschehe und ob diese wirtschaftlich sinnvoll eingesetzt würden. Daraufhin fragte die Beklagte die beiden betroffenen Automobilkonzerne (..., ...), ob sie mit einer Offenlegung der Leasingverträge einverstanden seien. Während die A-GmbH ihr Einverständnis erklärte, berief sich die Beigeladene auf das Geschäftsgeheimnis. Randnummer 7 Mit Bescheid vom 23. März 2012 lehnte die Beklagte daraufhin die Anträge des Klägers hinsichtlich des Zugangs zu den jeweiligen Leasingverträgen für die Dienstwagen des Oberbürgermeisters und des Bürgermeisters sowie auf Zugang zu den Informationen über die Kosten der Dienstwagen ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, von den betroffenen Dritten hätten nicht alle ihr Einverständnis zur Freigabe der Daten aus den Leasingverträgen erklärt. Darüber hinaus handele es sich bei den Daten aus den Leasingverträgen nicht um amtliche Informationen im Sinne des § 3 Nr. 1 des Landesinformationsfreiheitsgesetzes. Randnummer 8 Dagegen legte der Kläger am 4. April 2012 Widerspruch mit der Begründung ein, er habe nach dem Landesinformationsfreiheitsgesetz Anspruch auf Zugang zu den Leasingverträgen für die Dienstwagen des Oberbürgermeisters und des Bürgermeisters sowie auf Zugang zu den Informationen über die Kosten der Dienstwagen. Die betroffenen Automobilkonzerne könnten sich nicht auf den Schutz von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen berufen. Hilfsweise begehre er Auskunft über die Hauptmerkmale der Dienstwagen wie Typ, Modell, Baujahr, Motorleistung und erforderliche Kostenaufwendungen sowie über die monatlichen Leasingraten und die Laufzeit der Leasingverträge. Randnummer 9 In ihrem Haushaltsplan hat die Beklagte die allgemeinen Kosten für die beiden Leasingfahrzeuge im Produktbereich „Innere Verwaltung“ in der Produktgruppe „Verwaltungssteuerung“ unter dem Produkt „Leitung der Verwaltung“, Posten 5622 ausgewiesen. In Ansatz gebracht werden für die Leasingfahrzeuge in den Jahren 2013 – 2016 jeweils Aufwendungen von 8.000 €. Die tatsächlich angefallenen Kosten für die Jahre 2010 und 2011 werden darin mit 7.404 € und 8.547 € angegeben (s. http://neustadt.eu/PDF/Haushaltsplan_2012_ohne_Anlagen.PDF? ObjSvrID=1341&ObjID=297&ObjLa=1&Ext=PDF&WTR=1&_ts=1336136556 und http://www.neustadt.eu/PDF/Haushaltsplan_2013_ohne_Anlagen.PDF?ObjSvrID=1341&ObjID=335&ObjLa=1&Ext=PDF&WTR=1&_ts=1361975776). Randnummer 10 Am 6. Dezember 2012 hat der Kläger unter dem Aktenzeichen 4 K 1035/12.NW Untätigkeitsklage erhoben. Im Laufe des Verfahrens hat die Beklagte mehrere Unterlagen zu den Leasingverträgen mit der Firma A vorgelegt, woraufhin die Beteiligten den Rechtsstreit insoweit übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Da die Beigeladene sich weiterhin auf Geschäftsgeheimnisse berufen hat, ist das Verfahren abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 4 K 242/13.NW weitergeführt worden. Randnummer 11 Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe als natürliche Person ein gesetzlicher Anspruch auf Zugang zu den von ihm begehrten amtlichen Informationen zu. Da die Beschaffung sowie die Benutzung eines Dienstfahrzeuges einen dienstlichen Vorgang darstelle, handele es sich bei den der Beschaffung und Benutzung zu Grunde liegenden Leasingverträgen um amtliche Informationen im Sinne des Landesinformationsfreiheitsgesetzes. Diese stünden untrennbar mit einer amtlichen Tätigkeit im Zusammenhang. Randnummer 12 Soweit die Beigeladene ihre Zustimmung zur Einsichtnahme in die Verträge verweigere, könne dies seinem Anspruch nicht entgegen gehalten werden, da durch die Einsichtnahme der Verträge keine schützenswerten Interessen der Beigeladenen betroffen seien. Sein Interesse beschränke sich auf die mit den Dienstwagen verbundenen Kosten. Beeinträchtigungen geistigen Eigentums seien nicht betroffen, auch Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse seien durch den Zugang zu den Leasingverträgen nicht berührt. Es gehöre zu den alltäglichen Geschäften eines Leasinganbieters, Leasingverträge zu schließen und eine entsprechende Leasingrate mit dem Vertragspartner zu vereinbaren, so dass bei Einsichtnahme der jeweiligen Leasingverträge nicht von der Gefährdung eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses ausgegangen werden könne. Da öffentliche Gelder zum Einsatz kämen, bestünde auch ein erhebliches öffentliches Interesse daran, dass diese Mittel sach- und interessengerechten und nach anerkannten finanz- und kommunalpolitischen Grundsätzen eingesetzt würden. Randnummer 13 Zuletzt beantragt der Kläger, Randnummer 14 die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 23. März 2012 zu verpflichten, ihm Zugang zu dem Informationsinhalt der mit der Beigeladenen geschlossenen Leasingverträge für den Dienstwagen des Bürgermeisters der Beklagten zu gewähren. Randnummer 15 Hilfsweise beantragt er, Randnummer 16 die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 23. März 2012 zu verpflichten, Auskunft über die monatlichen Leasing-Raten, die Art des Leasings sowie die Höhe einer etwaigen An- und Restzahlung für den Dienstwagen des Bürgermeisters zu erteilen. Randnummer 17 Die Beklagte beantragt, Randnummer 18 die Klage abzuweisen. Randnummer 19 Sie führt aus, dem Auskunftsanspruch des Klägers stehe entgegen, dass sich die Beigeladene auf das Geschäftsgeheimnis berufen habe. Der Einwand, dass bei Bekanntwerden der Preisgestaltung fremder Wettbewerb gefördert und eigener Wettbewerb geschwächt werde, sei ein plausibler Grund der betroffenen Firma, die Vorlage der Leasingverträge zu verweigern. Randnummer 20 Die Beigeladene beantragt ebenfalls, Randnummer 21 die Klage abzuweisen. Randnummer 22 Sie trägt vor, sie könne sich nach § 11 LIFG gegenüber dem Kunden auf ein Geschäftsgeheimnis berufen und den Zugang zu Preisinformationen verweigern. Die Preisgestaltung sei ein Geschäftsgeheimnis. Das Geheimhaltungsinteresse bestehe darin, den eigenen Wettbewerb zu schützen. Randnummer 23 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die beigezogene und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 7. Kammer
Rheinland-Pfalz
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14.07.2010
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Randnummer 1 Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und um die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers während des Rechtsstreits. Randnummer 2 Von einer wiederholenden Darstellung der Prozessgeschichte, des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen; auf die Zusammenfassung im Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.01.2010 (dort Seite 2 bis 8 = Bl. 184 bis 190 d. A.) wird insoweit verwiesen. Randnummer 3 Mit Versäumnis-Urteil vom 26.08.2009 (Bl. 107 d. A.) hat das Arbeitsgericht Koblenz festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 25.09.2008, zugegangen am 29.09.2008, nicht aufgelöst worden ist. Des Weiteren hat es die Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzrechtsstreits als Vertriebsmitarbeiterin weiter zu beschäftigen. Randnummer 4 Nach rechtzeitigem Einspruch der Beklagten hat die Klägerin zuletzt beantragt, Randnummer 5 das Versäumnis-Urteil vom 26.08.2009 aufrechtzuerhalten. Randnummer 6 Die Beklagte hat beantragt, Randnummer 7 das Versäumnis-Urteil vom 26.08.2009 aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen. Randnummer 8 Anschließend hat das Arbeitsgericht Koblenz in seinem Urteil vom 27.01.2010 (Bl. 183 ff. d. A.) die Kündigungsschutzklage nachträglich zugelassen und sein Versäumnis-Urteil vom 26.08.2009 aufrechterhalten. Zur Begründung der Aufrechterhaltung des Versäumnis-Urteils hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die streitgegenständliche Kündigung sei nach § 1 des auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Kündigungsschutzgesetzes sozial ungerechtfertigt und somit rechtsunwirksam. Die Beklagte habe es versäumt, die von ihr geltend gemachten dringenden betrieblichen Erfordernisse für die Kündigung darzulegen. So sei bereits nicht ersichtlich, wer, wann, wo und mit welchem konkreten Inhalt eine unternehmerische Entscheidung getroffen habe. Da die behauptete unternehmerische Entscheidung im Wesentlichen sich darin erschöpfe, gegenüber der Klägerin eine Kündigung zu erklären, bedürfe es einer besonderen Begründung des unternehmerischen Konzepts und insbesondere der Umsetzung desselben. Im vorliegenden Fall seien aber keinerlei greifbaren Anhaltspunkte dafür festzustellen, dass die Beschäftigungsmöglichkeit der Klägerin zum Kündigungstermin entfallen werde. Als einziges Indiz für die Unternehmerentscheidung führe die Beklagte lediglich an, sie habe am 11.11.2008 den Vertrag mit dem Betreiber des von ihr genutzten Internetportals gekündigt. Dies sei aber unzureichend. Die Kündigung des Internetportals sei nahezu drei Monate nach Ausspruch der Kündigung des Arbeitsverhältnisses erfolgt. Infolgedessen könne auch hieraus nicht abgeleitet werden, dass bei Zugang der Kündigung des Arbeitsverhältnisses die Umsetzung der nur pauschal behaupteten Unternehmerentscheidung bereits greifbare Formen angenommen habe. Randnummer 9 Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird auf Seite 8 ff. des Urteils vom 27.01.2010 (= Bl. 190 ff. d. A.) Bezug genommen. Randnummer 10 Die Beklagte, der die Entscheidung des Arbeitsgerichts am 11.02.2010 zugestellt worden ist, hat am 24.02.2010 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und am 12.05.2010 ihr Rechtsmittel begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 12.05.2010 verlängert worden war. Randnummer 11 Die Beklagte macht geltend, Randnummer 12 die ordentliche Kündigung vom 25.09.2008 sei aufgrund von dringenden betrieblichen Bedürfnissen ausgesprochen worden. Die Beklagte habe mit ca. 1.400 Kunden, bei denen über 4.600 Drucker und Kopiergeräte installiert seien, längerfristige Wartungsverträge geschlossen. Um diese Kunden mit den benötigten Dienstleistungen und Materialien zu versorgen, habe sie ein Internetportal errichtet, auf denen die Kunden ihre Bestellungen "online" hätten abgeben können. Um das Internetportal ordnungsgemäß betreuen zu können, sei die Einrichtung eines neuen Arbeitsplatzes für eine(n) Vertriebsmitarbeiter/in beschlossen worden. Als Zielvorgabe habe man eine Umstellung von ca. 100 Kunden pro Monat von der bisherigen Telefonbestellung auf das Internetportal vorgesehen. Mit der Klägerin, die sich auf die Stelle der Vertriebsmitarbeiterin beworben habe, seien mehrere Gespräche geführt worden, wobei der Geschäftsführer während des Bewerbungsgesprächs vom 14.12.2007 der Klägerin ihren Aufgabenbereich und die Zielvorgaben erläutert habe. Dabei sei ihr mitgeteilt worden, dass sie an einem Wochentag sich im Büro aufhalten solle, um jeweils Termine mit Kunden für die kommende Woche zu vereinbaren. Während der restlichen Wochenarbeitstage hätte sie Kunden besuchen sollen, um diese für das Internetportal zu akquirieren; hierbei sei eine Besuchstermindauer von maximal einer Stunde vorgegeben gewesen. Randnummer 13 In der Folgezeit habe sich herausgestellt, dass das Internetportal von den Kunden weit weniger frequentiert werde, als dies bei der Planung des Arbeitsplatzes einkalkuliert worden sei. So sei am 09.06.2008 festzustellen gewesen, dass lediglich 27 Kunden das Internetportal nutzen würden. Randnummer 14 Nachdem mit der Klägerin verschiedene Gespräche über die unzureichende Nutzung des Internetportals geführt worden seien, hätten ihr Mitarbeiter der Beklagten, darunter auch der Geschäftsführer Z, am 10.07.2008 eröffnet, dass beabsichtigt sei, den Arbeitsplatz mangels Rentabilität nicht weiter aufrechtzuerhalten. Zur Begründung sei auf die geringe Frequentierung des Internetportals hingewiesen worden. Randnummer 15 Am 22.09.2008 habe die Geschäftsleitung aufgrund der gegebenen Umstände die unternehmerische Entscheidung getroffen, den Arbeitsplatz der Klägerin entfallen zu lassen. Hierbei sei des Weiteren entschieden worden, auch das Internetportal zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu kündigen. Mithin habe die unternehmerische Entscheidung der Beklagten zum Kündigungszeitpunkt bereits konkrete Formen angenommen gehabt. Randnummer 16 Die Grundsätze der sozialen Auswahl seien vor Ausspruch der Kündigung durch die Beklagte berücksichtigt worden (vgl. zu den Einzelheiten S. 11 ff. der Berufungsbegründung vom 12.05.2010 = Bl. 240 ff. d. A.). Randnummer 17 Hinsichtlich der weiteren Ausführungen der Beklagten zur Begründung der Berufung wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 12.05.2010 (Bl. 230 ff. d. A.) und 22.06.2010 (Bl. 264 ff. d. A.) verwiesen. Randnummer 18 Die Beklagte beantragt, Randnummer 19 das am 27.01.2010 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz, Az: 4 Ca 2535/08, abzuändern und die Klage abzuweisen. Randnummer 20 Die Klägerin beantragt, Randnummer 21 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 22 Die Klägerin führt aus, Randnummer 23 die von der Beklagten genannte Zielvorgabe, monatlich ca. 100 Kunden auf das Internetportal umzustellen, sei mit ihr in keinem der Vorstellungsgespräche besprochen worden. Sie sei als Vertriebsmitarbeiterin eingestellt worden und nicht insbesondere für den Aufbau eines Kundenstamms im Internetportal. Neben ihrer Tätigkeit für das Internetportal habe sie eine Reihe weiterer Aufgaben, nämlich Telefondienst und Urlaubsvertretung sowie Sonderaufgaben, die ihr durch den Geschäftsführer Z zugewiesen worden seien, wahrgenommen. Der Vortrag der Beklagten, wonach die Klägerin in einer Reihe von Gesprächen vor Arbeitsaufnahme darüber informiert worden sei, dass eigens für sie ein Arbeitsplatz eingerichtet worden sei, sei schlichtweg unglaubwürdig. Randnummer 24 Für die angebliche unternehmerische Entscheidung der Beklagten vom 22.09.2008, sowohl das Internetportal wie auch das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin zu kündigen, liege weder ein Protokoll aus einer Geschäftsführersitzung noch ein Ausdruck des Terminkalenders vor. Die Beklagte habe später zwar das Internetportal gekündigt, eine konkrete unternehmerische Entscheidung habe sie jedoch am 22.09.2008 nicht getroffen. Randnummer 25 Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungserwiderung wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 31.05.2010 (Bl. 258 ff. d. A.) verwiesen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 27.01.2010, Az: 4 Ca 2535/08, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.
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LG Wiesbaden 11. Zivilkammer
Hessen
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25.02.2009
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Die Klägerin vertreibt gewerbliche Produkte u.a. aus dem Segment Batterien. Diese vertreibt sie auch über die Handelsplattform ebay unter dem Namen XXX. Der Beklagte vertreibt auf der Handelsplattform ebay unter dem Namen XXX ebenfalls Produkte aus dem Segment Batterien. Am 17.3.2008 veröffentlichte der Beklagte ein Angebot bei ebay (Anl. K2), in dem er über das dem Verbraucher zustehende Widerrufsrecht belehrte. Dies nahm die Klägerin zum Anlass, den Beklagten mit Schreiben vom 20.3.2008 abzumahnen und in der Folgezeit eine einstweilige Verfügung beim Landgericht Bielefeld unter dem Az. 17 0 66/08 zu erwirken (Anl. K 3). Am 9.4.2008 stellte der Beklagte ein weiteres Verkaufsangebot bei ebay unter der Artikelnummer 140223214041 ein. Im Streit zwischen den Parteien ist, ob diesem Angebot die Standardwiderrufsbelehrung von ebay unterlegt war. Mit Schreiben vom 17.4.2008 forderte die Klägerin den Beklagten erfolglos zur Unterlassung und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Diesbezüglich hat die Klägerin Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Landgericht Wiesbaden begehrt, die von der 3. Kammer für Handelssachen antragsgemäß am 7.5.2008 erlassen wurde. Die Klägerin beantragt, wie erkannt. Der Beklagte hat zunächst Klageabweisung beantragt und widerklagend beantragt, festzustellen, dass die Klägerin und Widerbeklagte keinen Anspruch darauf hat, dass er es unterlässt, in seinen Angeboten im Impressum keine Telefonnummer anzugeben. Mit Schriftsatz vom 26.1.2009 hat der Beklagte den Klageanspruch anerkannt und die Widerklage für erledigt erklärt. Die Klägerin beantragt den Erlass eines Anerkenntnisurteils und widerspricht der Erledigungserklärung. Der Beklagte war zunächst der Auffassung, dass die Wiederholungsgefahr bereits dadurch entfallen sei, dass er eine Unterlassungserklärung gegenüber der Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs in Bad Homburg abgegeben habe und hielt im Übrigen die Abmahnung für missbräuchlich. Hinsichtlich der Widerklage hat der Beklagte vorgetragen, dass er nicht verpflichtet sei, im Impressum eine Telefonnummer anzugeben. Da die Klägerin im Schriftsatz vom 17.12.2008 mitgeteilt habe, dass sie sich diesbezüglich eines Unterlassungsanspruchs nicht mehr berühme, hält er die Widerklage für erledigt. Die Klägerin widerspricht der Erledigungserklärung mit dem Hinweis darauf, dass etwaige Unterlassungsansprüche bereits im September 2008 verjährt gewesen seien und im Übrigen die Telefonnummer dann zur Verfügung gestellt werden müsse, wenn der Unternehmer nicht etwa eine Kontaktmaske zur Verfügung stelle, über die der Verbraucher innerhalb einer Stunde mit dem Unternehmen kommunizieren könne. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die in den Akten befindlichen Schriftstücke und Urkunden sowie auf die zwischen den Parteivertretern gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Dem Beklagten wird untersagt, so wie geschehen in seinem Verkaufsangebot vom 9.4.2008 auf der Handelsplattform eBay mit der Adresse www.ebav.de unter der Artikelnummer 140223214041 und vom 17.3.2008 unter der Artikelnummer 140216389364, im geschäftlichen Verkehr mit dem Endverbraucher im Fernabsatz bei eBay Angebote von Waren aus dem Sortiment Batterien zu veröffentlichen oder zu unterhalten, 1.) ohne über die nach § 312 c Abs. I BGB i.V.m. § 1 Abs. I Nr. 10 BGB-InforVO erforderlichen Angaben (nämlich das Bestehen oder Nichtbestehen eines Widerrufs- oder Rückgaberechts sowie die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung, insbesondere Namen und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und die Rechtsfolgen) zu informieren, 2.) wenn nicht auch darüber informiert wird, dass die gesetzliche Frist zur Ausübung des Widerrufs- bzw. Rückgaberechts nicht vor Erhalt der Belehrung in Textform und der Ware beginnt, 3.) wenn auf eine bestehende Wertersatzpflicht des Käufers hingewiesen wird, die eine Verschlechterung der Sache durch die bestimmungsgemäß Ingebrauchnahme nicht ausnimmt, falls nicht bis zum Abschluss des Vertrages die Belehrung über die Wertersatzverpflichtung in Textform erfolgt, 4.) wenn bei den nach § 5 TMG und § 312 c BGB zu erteilenden erforderlichen Informationen über die Adresse der elektronischen Post informiert wird. Dem Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Festsetzung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,-- € und wenn dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten angedroht. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.930,25 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung-zu zahlen. Die Feststellungswiderklage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung seitens der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 500,-- € abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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ArbG Frankfurt 11 Ca 831/18. Fachkammer
Hessen
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10.09.2018
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung und hilfsweise über Nachteilsausgleichsansprüche. Der Beklagte ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A (im Folgenden: „Schuldnerin") mit Sitz in B. Der am xx.xx 1966 geborene Kläger (im Folgenden: „klagende Partei") trat am 12. April 1996 auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom 01. Februar 1996 i.V.m. der Teilzeitvereinbarung vom 14. Oktober 2002 (Anlage K1) in das Anstellungsverhältnis zur Schuldnerin bzw. ihrer Rechtsvorgängerin ein. Bei der klagenden Partei wurde ein Grad der Behinderung von 30 festgestellt. Sie war zuletzt als Flugbegleiter mit Stationierungsort C tätig. Der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst betrug 1.838,99 Euro. Bei der Schuldnerin handelte es sich um die bis Ende des Jahres 2017 zweitgrößte Fluggesellschaft Deutschlands. Sie flog von ihren Drehkreuzen in D und E hauptsächlich Ziele in ganz Europa sowie in Nordafrika und Israel an. Keines der von der Schuldnerin genutzten Flugzeuge stand vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens in ihrem Eigentum, sondern alle Flugzeuge waren von der Schuldnerin bei verschiedenen Lessoren geleast. Die Schuldnerin betrieb den Flugbetrieb vor allem mit Flugzeugtypen der A 320-Familie sowie des A 330, wobei die A 320-Familie hauptsächlich für die Mittel- und Kurzstrecke und die A 330-Familie hauptsächlich für die Langestrecke eingesetzt wurde. Mit Beginn des Jahres 2017 erbrachte die Schuldnerin zudem mit 33 Flugzeugen für die F und mit fünf Flugzeugen für die G Dienstleistungen im sog. wet-lease im Rahmen eines ACMIO-Vertrages (Aircraft Crew Maintenance Insurance Overhead). Dies bedeutet, dass von der Schuldnerin geleaste Flugzeuge einschließlich Cockpit-Crew, Kabinenpersonal, Wartung und Versicherung für eine außenstehende Fluggesellschaft bereitgestellt werden. Die Flugleistungen werden im Auftrag und auf Rechnung eines Dritten, also im fremden Namen, und unter dessen Luftverkehrsbetreiberzeug-nis („Air Operator Certificate", kurz „AOC") erbracht. Anlässlich dieser Umstrukturierung schlossen die Schuldnerin und die Personalvertretung für das Cockpitpersonal unter dem Datum des 14. Februar 2017 einen Interessenausgleich, wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage K 21 (in 11 Ca 1134/18) verwiesen wird. Die Schuldnerin beschäftigte mit Stand August 2017 insgesamt 6.121 Beschäftigte, davon 1.318 Piloten, 3.362 Beschäftigte in der Kabine und 1.441 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am Boden. Die Firmenzentrale, insbesondere die Verwaltung, das Head-Office, die Personalabteilung, die Buchhaltung sowie die Bereiche IT und Vertrieb befanden sich am Standort E. Zudem waren bestimmte Schlüsselpersonen in Gestalt der sogenannten „Verantwortlichen Personen" für den Flugbetrieb, Ground Operation, Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit und des verantwortlichen Flugbetriebsleiter, die zwingend für die Durchführung eines Flugbetriebs nötig sind, nur am Hauptsitz der Schuldnerin in B und mit Zuständigkeit für den Gesamtbetrieb vorhanden. Für das Kabinenpersonal wurde bei der Schuldnerin gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG auf Basis des „Tarifvertrages Personalvertretung für das Kabinenpersonal der A" (Anlage BKT 1) vom 07. Juni 2016 (im Folgenden: TV PV), abgeschlossen mit der Gewerkschaft ver.di, eine Personalvertretung gebildet. Der TV PV sieht unter anderem folgende Regelungen vor: § 2 Persönlicher Geltungsbereich (1) Dieser Tarifvertrag gilt für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Kabinenpersonals der A, nachfolgend auch „Kabinenpersonal" oder (zusammenfassend) Arbeitnehmer genannt. § 80 Betriebsänderungen Die A hat die Personalvertretung über geplante Änderungen des Flugbetriebs, die wesentliche Nachteile für das Kabinenpersonal insgesamt oder erhebliche Teile des Kabinenpersonals zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplante Änderungen mit der Personalvertretung zu beraten. Als Betriebsänderungen im Sinne des Satzes 1 gelten: 1. Einschränkung und Stilllegung des ganzen Flugbetriebes oder von wesentlichen Teilen ... § 83 Nachteilsausgleich (1) Weicht die A von einem Interessenausgleich über die geplante Betriebsänderung ohne zwingenden Grund ab, so können Arbeitnehmer, die infolge dieser Abweichung entlassen werden, beim Arbeitsgericht Klage erheben mit dem Antrag, die A zur Zahlung von Abfindungen zu verurteilen; § 10 des Kündigungsschutzgesetzes gilt entsprechend. (2) Erleiden Arbeitnehmer infolge einer Abweichung nach Absatz 1 andere wirtschaftliche Nachteile, so hat die A diese Nachteile bis zu einem Zeitraum von zwölf Monaten auszugleichen. (3) Die Abs. 1 und 2 gelten entsprechend, wenn die A eine geplante Betriebsänderung nach § 80 durchführt, ohne über sie einen Interessenausgleich mit der Personalvertretung versucht zu haben und infolge der Maßnahme Arbeitnehmer entlassen werden oder andere wirtschaftliche Nachteile erleiden. Unter dem Datum des 08. Dezember 2016 schlossen die Schuldnerin und ver.di einen weiteren Tarifvertrag „TV Air B: Pakt für Wachstum und Beschäftigung" (im Folgenden: „TV Pakt", Anlage BKT 2). Dort heißt es auszugsweise wie folgt: § 1 Grundlagen des Pakts für Wachstum und Beschäftigung (1) Das Management Board der A hat am 27.09.2016 das neue Geschäftsmodell der A auf Grundlage eines umfassenden Transformationsprozesses vorgestellt, welches den Bestand der Gesellschaft für die nächsten Jahre nachhaltig sichern soll. (2) Aus Anlass bevorstehender Umstrukturierungsmaßnahmen – wie zum Beispiel Wet-leases, Einbringung des touristischen Geschäfts mit der H in ein von A unabhängiges, europäisches Airline Joint Venture und Herausbildung der I — vereinbaren die Parteien zusammenzuwirken, um Wachstum für die A in ihren neuen Märkten und Beschäftigung für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kabine zu sichern. (3) Dabei ist sich A der Verantwortung den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Kabine der A gegenüber bewusst und nimmt die Sorgen und Ängste der Mitarbeiter ernst. Daher sagt A hiermit zu, dass • die heutigen Arbeitsverträge der A Beschäftigten in der Kabine bestehen bleiben, • Perspektiven für Wachstum, Karriereentwicklung und Beschäftigungssicherung in der Kabine geboten werden, • die Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen Gültigkeit behalten, • die Personalvertretung der A Kabine im Amt bleibt und • die ver.di weiterhin Tarifpartner bleibt. (4) Dies bildet die Basis für die Umsetzung der Eckpunktevereinbarung Kabine I zu den Tarifverträgen der A vom 29.09.2016. § 2 Perspektiven für Wachstum, Karriereentwicklung und Beschäftigungssicherung in der Kabine (1) ... (2) A geht bei erfolgreicher Umsetzung der Transformation nicht davon aus, betriebsbedingte Kündigungen durchführen zu müssen. Sollten diese, egal aus welchen Gründen, dennoch unvermeidbar werden, ist deren Ausspruch erst nach Abschluss eines Sozialtarifvertrages mit ver.di über einen Interessenausgleich und Sozialplan zulässig, der sich auf das gesamte Kabinenpersonal auf der Grundlage der Betriebszugehörigkeit ausrichtet. (3) Interessenausgleichs-/Sozialplanverhandlungen, deren Inhalt zur Umsetzung personeller Maßnahmen beschränkt ist auf Änderungskündigungen, sind weiterhin auf betrieblicher Ebene möglich. Sollten die Betriebsparteien nicht zu einer Einigung kommen, wird in Abweichung von § 81 TV PV nicht die Einigungsstelle angerufen, sondern ist ein Sozialtarifvertrag über einen Interessenausgleich und Sozialplan mit ver.di abzuschließen. § 3 Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen Alle zum Zeitpunkt des Abschlusses dieses Tarifvertrages bei der Air Berlin für das Kabinenpersonal geltenden Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen behalten während der Durchführung und nach der Umsetzung der bevorstehenden Umstrukturierungsmaßnahmen ihre Gültigkeit und kommen uneingeschränkt in ihrer jeweils geltenden Fassung zur Anwendung. Schließlich wurde am 29. September 2017 wegen des inzwischen eingeleiteten Insolvenzeröffnungsverfahrens ein „Rahmentarifsozialplan Transfer" (Anlage BKT 3) zwischen der Schuldnerin und ver.di vereinbart, welcher der Errichtung von Transfergesellschaften diente. Der „Rahmentarifsozialplan Transfer" enthält in § 4 unter anderem folgende Regelung: § 4 Interessenausgleich / Sozialplan Unberührt von diesem Tarifvertrag bleibt die Verpflichtung der Betriebsparteien, über die Betriebsänderung gem. der Präambel einen Interessenausgleich und Sozialplan zu verhandeln. Im Mai/ Juni 2017 kaufte die Komplementärin der Schuldnerin die J (im Folgenden: „J) mit Sitz in K. Diese verfügte zum damaligen Zeitpunkt über 20 Flugzeuge des Musters Q 400/Dash. Diese Flugzeuge leaste die Schuldnerin („head-lease") und überließ sie an die LGW zurück („sub-lease"). Die Flugzeugflotte war unter dem Luftverkehrsbetreiberzeugnis (Air Operator Certificate, im Folgenden: „A0C") der J registriert. Die J erbrachte zuletzt mit diesen Flugzeugen Shuttle-Dienste zu den Langstreckenflughäfen D und E im Rahmen einer wet-lease-Vereinbarung für die Schuldnerin. Eigene Slots (Zeitnischen) im Sinne der VO (EWG) Nummer 95/93 hatte die J damals nicht inne. Ein Slot beschreibt das Recht, an koordinierten Flughäfen innerhalb bestimmter Zeitfenster Flugzeuge starten und landen zu lassen. Der direkte Kauf und Verkauf von Slots ist nicht möglich. Die Übertragung dieser öffentlich-rechtlichen Nutzungsrechte richtet sich an koordinierten Flughäfen nach Artikel 8a VO (EWG) Nr. 95/93 des Rates vom 18. Januar 1993 über gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der Gemeinschaft. Die Start-und Landerechte gehen verloren, wenn nicht mindestens 80 % der Flugbewegung während eines Bemessungszeitraumes (Winter- bzw. Sommerflugplan) abgeflogen wird. Unter dem Datum des 15. August 2017 stellte die Schuldnerin beim Insolvenzgericht L Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das Gericht hat mit Beschluss vom 16. August 2017 vorläufige Eigenverwaltung angeordnet und den Beklagten zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Unmittelbar nach der Antragstellung wurde von der Schuldnerin ein Investorenprozess aufgesetzt mit dem Ziel, durch eine übertragende Sanierung die Fortführung des Geschäftsbetriebs zu ermöglichen. Die Angebotsfrist lief am 15. September 2017 ab. Die Schuldnerin kam zu dem Ergebnis, dass kein annahmefähiges Angebot zur Fortführung des Geschäftsbetriebs im Ganzen oder wenigstens in wesentlichen Teilen vorlag. Der vorläufige Gläubigerausschuss traf einstimmig die Entscheidung, nur über die Angebote von zwei potentiellen Investoren weitere Vertragsverhandlungen zu führen, die für einzelne Vermögenswerte beziehungsweise Beteiligungen an Unternehmen Interesse bekundet hatten. Im September 2017 begann die Schuldnerin damit, ihr Langstreckenflugpro-gramm von D und B sukzessive einzustellen. Die endgültige Einstellung erfolgte zum 16. Oktober 2017. Die Fluggesellschaften M und die F bieten seitdem die zuvor seitens der Schuldnerin angeflogenen Langstreckenziele an. Mit Schreiben vom 02. Oktober 2017 (Anlage B7) informierte die Schuldnerin die Personalvertretung über das Ergebnis des Investorenprozesses und über eine potentielle Betriebsstilllegung zum 31. Januar 2018. Vor diesem Hintergrund forderte sie die Personalvertretung auf, Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan aufzunehmen. Die Personalvertretung reagierte mit Schreiben vom 09. Oktober 2018 (Anlage B8) und machte geltend, nicht hinreichend informiert worden zu sein. Ohne die entsprechenden Informationen sehe sie sich außerstande, in Verhandlungen über einen Interessenausgleich zu treten, weswegen sie um schriftliche Beantwortung einiger Fragen bat. Zugleich erinnerte sie an die Regelung in § 2 Abs. 2 und 3 TV Pakt und verwies die Schuldnerin an die Gewerkschaft ver.di. Wörtlich heißt es: „... Was den Eintritt in Verhandlungen zum Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans, ggfs. Transfersozialplans anbetrifft, so möchten wir an die Regelung in § 2 Abs. 2 und 3 des TV Pakt für Wachstum und Beschäftigung erinnern. Sollte sich der Verhandlungsgegenstand auf geplante Beendigungskündigungen beim Kabinenpersonal erstrecken, so wäre für diese Maßnahme zunächst eine tarifliche Einigung sowohl zu einem Sozialplan, wie aber auch zu einem Interessenausgleich, mit Ver.di zu treffen. Sollte die Maßnahme Änderungskündigungen zum Inhalt haben, ist die Personalvertretung weiterhin der richtige Ansprechpartner...." Am 10. Oktober 2017 antwortete die Schuldnerin auf den Fragenkatalog der Personalvertretung und übersandte Entwürfe für einen Interessenausgleich, einen Sozialplan und eine Betriebsvereinbarung über die Errichtung einer Transfergesellschaft (Anlage B9). Mit Schreiben vom 12. Oktober 2017 (Anlage B10) bat die Personalvertretung um weitergehende Informationen, um nachzuvollziehen, dass tatsächlich eine Betriebsstilllegung und nicht eine Teilveräußerung beziehungsweise ein Betriebsübergang geplant ist. Am 12. Oktober 2017 unterzeichnete der vorläufige Sachwalter Herr N, der Generalbevollmächtigte Herr O sowie der Executive Director der persönlich haftenden Gesellschafterin der Schuldnerin Herr P eine gemeinsame Erklärung (Anlage B5), die auszugsweise folgenden Wortlaut hat: 1. Die im Verfahren der vorläufigen Eigenverwaltung aufgestellte Liquiditäts- und Fortführungsplanung hat vorgesehen, dass unter Berücksichtigung des durch einen mit Bundesbürgschaft abgesicherten Übergangskredit in Höhe von 150 Mio. € der Flugbetrieb bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens (voraussichtlich Ende Oktober 2017) aufrechterhalten werden kann. 2. Eine Fortführung des Geschäftsbetriebs im eröffneten Insolvenzverfahren ist nur möglich, sofern das Unternehmen bzw. Teile des Unternehmens im Rahmen einer übertragenden Sanierung auf einen oder mehrere Erwerber zum Stichtag der Eröffnung des Insolvenzverfahrens übertragen wird. Ein entsprechendes Angebot liegt nicht vor, so dass eine übertragende Sanierung des Unternehmens bzw. von Teilen des Unternehmens nicht erfolgt. Eine kostendeckende Betriebsfortführung im eröffneten Insolvenzverfahren ist somit nicht möglich und wäre unzulässig. Dies ergibt sich aus der fortgeschriebenen Liquiditäts- und Fortführungsplanung ab dem 15. August 2017. Vor diesem Hintergrund ist die A gezwungen, zum Stilllegungszeitpunkt die für sämtliche Flugzeuge bestehenden Leasingverträge durch Kündigung bzw. Abschluss von Aufhebungsverträgen zu beenden und die Flugzeuge zurückzugeben. 3. Die Geschäfts- und Betriebsgrundlage für eine Fluggesellschaft wird damit zum Stilllegungszeitpunkt wegfallen. II. Die Unterzeichner dieses Beschlusses stimmen daher darin überein, dass beabsichtigt ist, den Geschäftsbetrieb der A Flüge einzustellen. Die Einstellung und Stilllegung des Geschäftsbetriebs der A soll wie folgt umgesetzt werden: Beendigung der Flugzeug-Leasingverträge der A als Leasingnehmer durch Kündigung bzw. Abschluss von Aufhebungsverträgen und Rückgabe der Flugzeuge sukzessive bis zum 31.01.2018. 2. Einstellung des operativen Geschäftsbetriebs der A. Dabei wird mit Ablauf des 28. Oktober 2017 der operative Flugverkehr im Namen und auf Rechnung der A eingestellt. Flugbuchungen für Flüge nach dem 28. Oktober 2017 sind nicht mehr möglich. 3. Erbringung der Dienstleistungen gegenüber F im Rahmen des sog. „Wet Lease" für den Zeitraum bis maximal zum 31. Januar 2018. Dies betrifft 13 Flugzeuge. 4a. Derzeit verfügen 6.054 Arbeitnehmer/innen über ein Arbeitsverhältnis und 8 Auszubildende (nachfolgend Arbeitnehmer) über ein Ausbildungsverhältnis mit der A. Die A beabsichtigt, sämtliche Arbeitsverhältnisse unter Einhaltung der individuell maßgeblichen Kündigungsfrist, begrenzt auf die maximale Frist von drei Monaten zum Monatsende gemäß § 113 Satz 1 InsO, soweit gesetzlich zulässig, nach Durchführung der Interessenausgleichs-sowie Massenentlassungsanzeigeverhandlungen (§ 17 KSchG) und nach Durchführung der Anhörungsverfahren mit den Mitbestimmungsgremien (Betriebsräte/Personalvertretungen) zu kündigen. Die A – soweit erforderlich - eine Zustimmung für Arbeitnehmer mit etwaigem Sonderkündigungsschutz (z.B. SGB IX, BEEG, MuSchG) beantragen und auch diese Arbeitsverhältnisse zeitnah kündigen. Es werden auch Sozialplanverhandlungen geführt werden. 5. Dauerschuldverhältnisse (Leasingverträge, Gewerbemietverträge, Versorger etc.) werden unter Berücksichtigung der Abwicklungsplanung durch Abschluss von Aufhebungsverträgen beendet bzw. unter Berücksichtigung bestehender Kündigungsfristen gekündigt, sofern die Vertragspartner nicht selbst kündigen bzw. die Verträge bereits gekündigt sind. 7. Die Gesamtabwicklung des Geschäftsbetriebs der A soll nach derzeitiger Planung zum 31. Januar 2018 abgeschlossen sein, so dass im Anschluss daran die Stilllegung erfolgt. Mit Schreiben vom 12. Oktober 2017 leitete die Schuldnerin zudem das Konsultationsverfahren gemäß § 17 KSchG ein (vgl. Anlage B14). Am 13. Oktober 2017 schlossen die Schuldnerin und die Q einen notariellen Anteilskauf- und Übertragungsvertrag, mit dem die Schuldnerin ihre Anteile an der J verkaufte. Vorgesehen war zudem der Verkauf der Geschäftsanteile der Schuldnerin am österreichischen Touristikflugbetrieb H (im Folgenden: „H"). Aufgrund von wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Europäischen Kommission übte Q am 13. Dezember 2017 insoweit ihr zuvor ausgehandeltes Teilrücktrittsrecht aus und schloss H vom Geltungsbereich der Transaktion aus. Die Schuldnerin verpflichtete sich des Weiteren dazu, bis zum Vollzugstag. am 09. Januar 2018 den operativen Betrieb der J aufrechtzuerhalten, Unterstützung beim Aufrechterhalten des bisherigen AOC der J sowie bei der Erweiterung des AOC der J auf das Flugzeugmuster A320 zu leisten sowie Flughafen-Slots in die J einzubringen. Die zwischen der J und der Schuldnerin bestehende wet-lease-Vereinbarung wurde beendet und zwischen der J als Leasinggeberin und der F als Leasingnehmerin neu abgeschlossen. Die Struktur wurde auf die Q, welche die Flugzeuge fortan im head-lease anmietete, übertragen. Dabei sollten im Zuge der Erweiterung des AOC auf das Flugzeugmuster A 320 auch bis zu 13 Flugzeuge dieses Typs im wet-lease für die F eingesetzt werden. Zu diesem Zweck vereinbarten die Vertragsparteien, dass die J entsprechend bis zu 13 Besatzungsäquivalente einstellen sollte. In der Folgezeit schrieb die J Stellen für Copiloten und Kapitäne auf den Flugzeugmustern der A 320-Familie aus. Sowohl die J als auch die F und die R kündigten an, für Flugbesatzungsmitglieder der Schuldnerin ein verkürztes Auswahlverfahren durchzuführen. Mit Schreiben vom 13. Oktober 2017 (Anlage B11) beantwortete die Schuldnerin den Fragenkatalog der Personalvertretung vom 12. Oktober 2017, wobei sie aber aufgrund von Vertraulichkeitsvereinbarungen weder die aktuellen, im Rahmen des Investorenprozesses eingegangenen Gebote noch den Vertragsinhalt mit Lufthansa im Detail offen legte. Mit Asset Purchase Agreement vom 27. Oktober 2017 wurde eine Reihe von einzelnen Vermögensgegenständen von der Schuldnerin an die S (im Folgenden: „S") mit Sitz in T verkauft, darunter Flughafen-Slots und Flugbuchungen einschließlich Buchungsdaten, soweit die Passagiere der Übertragung vorher zugestimmt hatten, sowie von der Schuldnerin für die Flugbuchungen erhaltene Vorauszahlungen, 160 Flugzeugsitzbezüge und einen auf dem Rollfeld des Flughafens Berlin-Tegel befindlichen Crew-Container. S meldete im November 2017 einen Zusammenschluss nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates bei der Europäischen Kommission an. Am 12. Dezember 2017 gab die Europäische Kommission eine Presseerklärung heraus, wonach die Übernahme bestimmter Vermögenswerte der Schuldnerin durch die Fluggesellschaft S gemäß der Fusionskontroll-verordnung genehmigt worden sei. Am 19. Oktober 2017 beantragte die Personalvertretung beim Arbeitsgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Verfügung, der sich unter anderem auf die Erteilung weiterer Auskünfte im Zusammenhang mit der geplanten Stilllegung des Flugbetriebs bezog. Mit Beschluss vom 02. November 2017 wies das Arbeitsgericht Berlin die Anträge zurück (38 BVGa 13035/17 — in juris). Die von der Personalvertretung hiergegen gerichtete Beschwerde wies das Landesarbeitsgericht Berlin unter dem Datum des 08. Dezember 2017 mit der Begründung zurück, dass die Personalvertretung bereits mit Antwortschreiben der Schuldnerin auf den Fragenkatalog der Personalvertretung vom 12. Oktober 2017, spätestens aber mit Einsicht in den Datenraum am 21. November 2017, umfassend unterrichtet worden sei (6 TaBVGa 1484/17 — Rn. 82 in juris). Am 27. Oktober 2017 fand der letzte eigenwirtschaftlich durchgeführte Flug der Schuldnerin statt. Danach führte die Schuldnerin im Rahmen eines „Phase-Out` nur noch wet-lease-Aufträge von den Stationen U, V und W in eingeschränktem Umfang mit 13 Flugzeugen bis zum 31. Dezember 2017 durch. Danach fanden keine Flüge der Schuldnerin im eigenen oder fremden Namen mehr statt. Die für die Aufrechterhaltung eines Flugbetriebs erforderlichen Lizenzen und Genehmigungen waren bis zum 31. Januar 2018 befristet und sind mit Ablauf dieses Datums erloschen. Mit Beschluss vom 01. November 2017 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet, Eigenverwaltung angeordnet und der Beklagte zum Sachwalter bestellt. Dieser zeigte noch am gleichen Tag gegenüber dem Amtsgericht drohende Masseunzulänglichkeit gemäß § 208 Abs. 1 Satz 2 InsO an und machte dies gegenüber den Massegläubigern bekannt. Am 06. November 2017 forderte die Schuldnerin die Personalvertretung erneut zu Verhandlungen über den Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans auf. Zugleich stellte sie beim Arbeitsgericht Berlin einen Antrag nach § 122 Abs. 1 InsO, den das Arbeitsgericht Berlin mit Beschluss vom 21. Dezember 2017 (41 BV 13752/17 — in juris) wegen fehlendem Rechtsschutzbedürfnis als unzulässig zurückwies. Zur Begründung führte es aus, dass die Betriebsänderung bereits mit der Kündigung aller Piloten im November 2017 begonnen habe und Nachteilsausgleichsansprüche daher bereits verwirkt seien. Ein Beschluss nach § 122 InsO könne daher keine rechtsgestaltende Wirkung mehr entfalten. Am 21. November 2017 nahmen Vertreter der Personalvertretung Kabine Einsicht in einen mit weiteren, die Betriebsstilllegung und den Verkaufsprozess verschiedener Betriebsmittel betreffenden, Informationen befüllten Datenraum. Die zur Einsichtnahme bereitgestellten Verträge waren in weiten Teilen geschwärzt. Ob der Personalvertretung sämtliche relevanten Informationen zur Verfügung gestellt wurden, war und ist zwischen den Parteien und insbesondere auch zwischen der Personalvertretung und dem Beklagten auch nach Einsichtnahme in den Datenraum streitig. Am 28. November 2017 forderte die Schuldnerin die Personalvertretung per E-Mail erneut zu Interessenausgleichsverhandlungen auf (Anlage BKT 20). Die Personalvertretung sagte die avisierten Verhandlungstermine ab und verwies darauf, zunächst anstehende Gerichtstermine vom 08. und 21. Dezember 2017 abwarten zu wollen. Mit Schreiben vom 30. November 2017 (Anlage BKT 21) erklärte die Schuldnerin die Interessenausgleichsverhandlungen für gescheitert und rief die Einigungsstelle an. Die Personalvertretung lehnte die Errichtung einer Einigungsstelle ab. Sie erklärte, mangels hinreichender Information könnten noch gar keine Verhandlungen stattgefunden haben, so dass diese auch nicht gescheitert sein könnten (Anlage BKT 22). Die Schuldnerin stellte daraufhin am 07. Dezember 2017 bei dem Arbeitsgericht Berlin einen Antrag nach § 100 ArbGG. Die Beteiligten einigten sich auf die Errichtung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Versuch eines Interessenausgleichs und Abschluss eines Sozialplans wegen der beabsichtigten Stilllegung des Geschäftsbetriebs" unter dem Vorsitz des Direktors des Arbeitsgerichtes a.D. X. Die Einigungsstelle tagte am 10. Januar 2018. Auf entsprechenden Antrag der Personalvertretung erklärte sich die Einigungsstelle für unzuständig, weil nach dem TV Pakt nicht die Personalvertretung, sondern die Gewerkschaft ver.di für den Abschluss eines Interessenausgleichs und Sozialplans zuständig sei. Wegen der weitergehenden Begründung des Spruchs wird auf die Anlage BKT 23 verwiesen. Mit notariellem Anteilskauf- und Übertragungsvertrag vom 02. Januar 2018 verkaufte die Schuldnerin die von ihr an der A gehaltenen Geschäftsanteile an die Y (im Folgenden: „Y"). Unmittelbar vor Vollzug der Transaktion übertrug die Schuldnerin einige Flughafenslots auf die Z. Die Schuldnerin verpflichtete sich daneben, Y beim Abschluss von Vertragsverhältnissen mit Dritten zu unterstützen, insbesondere hinsichtlich der Verträge zur Nutzung von Übernacht-Parkflächen am Flughafen E. Durch Beschluss des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg vom 16. Januar 2018 wurde die Eigenverwaltung der Schuldnerin aufgehoben und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestimmt. Mit Schreiben vom 12. Januar 2018 erstattete die Schuldnerin bei der Agentur für Arbeit Berlin-Nord eine Massenentlassungsanzeige (Anlage BKT 27), welche mit Schreiben vom gleichen Tag den vollständigen Eingang bestätigte. Eine weitere Massenentlassungsanzeige erstattete die Schuldnerin bei der Agentur für Arbeit Berlin-Nord am 26. April 2018 (Anlage BKT 31), wobei die klagende Partei in der Anlage zu Feld 34 der Massenentlassungsanzeige vom 26. April 2018 nicht namentlich geführt wird. Am 19. Januar 2018 hörte die Schuldnerin im Rahmen einer Sammelanhörung die Personalvertretung Kabine zu beabsichtigten betriebsbedingten Kündigungen des gesamten Kabinenpersonals an. Das Anhörungsschreiben (Anlage BKT 28) nimmt Bezug auf die Stilllegungserklärung vom 12. Oktober 2017 sowie eine Liste mit den Sozialdaten sämtlicher zu kündigenden Arbeitnehmer, die, soweit die klagende Partei betroffen ist, auszugsweise zur Gerichtsakte gereicht wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlagen B 17 und B 21 verwiesen. Mit Schreiben vom 26. Januar 2018 widersprach die Personalvertretung den beabsichtigten Kündigungen und äußerte hilfsweise Bedenken. Mit Schreiben vom 27. Januar 2018 (Anlage K 2), der klagenden Partei zugegangen am 29. Januar 2018, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 30. April 2018. Mit ihrer am 06. Februar 2018 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main eingegangenen und dem Beklagten am 27. März 2018 zugestellten Klage begehrt die klagende Partei unter anderem die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung. In der Klageschrift wies die klagende Partei daraufhin, dass „derzeit" ein Gleichstellungsverfahren bei der Bundesagentur für Arbeit laufe (BI. 5 d.A.). Unter dem Datum des 09. Mai 2018 erteilte das Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin die Zustimmung zur beabsichtigten Folgekündigung der klagenden Partei. Der Bescheid ist nicht rechtskräftig. Mit Schreiben vom 22. Mai 2018 (Anlage K2a), der klagenden Partei zugegangen am 23. Mai 2018, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis erneut mit Wirkung zum 31. August 2018. Gegen diese Kündigung wendet sich, die klagende Partei mit Klageerweiterungsschriftsatz vom 25. Mai 2018, dem Beklagten zugestellt am 01. Juni 2018. Zugleich konkretisierte sie ihren Vortrag dahingehend, dass der Eingang des Antrages auf Gleichstellung mit Schreiben der Bundesagentur für Arbeit vom 06. November 2018 bestätigt worden sei. Dieses Schreiben legte die klagende Partei im Kammertermin vom 10. September 2018 zur Einsichtnahme vor. Dort heißt es auszugsweise wie folgt: „Zur Beurteilung Ihrer Arbeitsplatzsituation habe ich Ihren Arbeitgeber und, soweit vorhanden, den Betriebs-/Personalrat sowie die Schwerbehindertenvertretung um Stellungnahme gebeten. Sobald diese Unterlagen vorliegen, erhalten Sie weitere Nachricht." Die klagende Partei behauptet, die Kündigungsschreiben seien nicht eigenhändig unterschrieben worden. 81 Flugzeuge der Schuldnerin seien von der Lufthansa Group erworben worden. Die S habe mindestens 25 Flugzeuge des Musters A 320 von der Schuldnerin übernommen. Mit Vertrag vom 02. Januar 2018 seien zudem Flugzeuge auf Y übergegangen. Weder die J noch F, S oder Condor wären in der Lage gewesen, die erstandenen Flugzeuge sofort mit hierfür geschultem eigenem Personal zu be-reedern. Die vorhandenen Kapazitäten reichten nicht aus. Allerdings hätten alle Erwerber die Flugzeuge übergangslos einsetzen müssen, um die Slots zu sichern. Aus diesem Grund hätten die Erwerber die Crews der A gesondert beworben, eingestellt und teilweise bis heute in Uniformen und nach den genehmigten Vorgaben für die Schuldnerin eingesetzt. Die klagende Partei ist der Ansicht, die Kündigung sei unwirksam. Die Schriftform sei schon nicht gewahrt. Außerdem seien die Kündigungen sozial ungerechtfertigt. Dringende betriebliche Erfordernisse lägen nicht vor. Entgegen der Darstellung des Beklagten handele es sich nicht um eine Betriebsstilllegung, sondern um mehrere Teilbetriebsübergänge. Im Rahmen des Investorenprozesses seien ernsthafte Verhandlungen lediglich mit der Q (Group Blue) und S (Group Orange) geführt worden. Es sei immer Absicht der beiden Bietergruppen gewesen, den Betrieb fortzuführen. Der ACMIO-Betrieb sei eindeutig abgrenzbar und fortgeführt worden. Die Schuldnerin habe an ihren Stationierungsorten Niederlassungen mit Bodenpersonal und Organisationsstruktur für den Boden und das fliegende Personal gehabt. Bereits der Übergang eines Betriebsteils auf die benannten Erwerber bedinge die Unwirksamkeit der Kündigung, da die Schuldnerin in diesem Fall eine Sozialauswahl hätte vornehmen müssen. Die Kündigungen verstoßen zudem gegen § 2 Abs. 2 TV Pakt, da vor Ausspruch der Kündigung kein Sozialtarifvertrag über einen Interessenausgleich und Sozialplan mit ver.di abgeschlossen worden sei. Der Kündigung stehe zudem § 50 MTV entgegen. Der Zustimmungsbescheid des Landesamtes für Soziales und Gesundheit Berlin sei erkennbar durch die falsche Behörde ausgestellt worden. Die klagende Partei rügt die ordnungsgemäße Anhörung der Personalvertretung. Die vollständige Liste mit den Sozialdaten der zu kündigenden Arbeitnehmer sowie der Stilllegungsbeschluss seien der Anhörung nicht beigefügt gewesen. Das Konsultationsverfahren sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, da die Schuldnerin die Personalvertretung nicht hinreichend informiert habe. Der Agentur für Arbeit sei keine Abschrift des Schreibens an die Personalvertretung vom 12. Oktober 2017 übersandt worden. Ferner seien nicht alle Mitarbeiter mit Sonderkündigungsschutz einbezogen worden und die Anlage enthalte zahlreiche fehlerhafte Sozialdaten. Auch die Massenentlassungsanzeige sei fehlerhaft. Zuständig sei nicht die Agentur für Arbeit in Berlin, sondern die Agentur für Arbeit in Frankfurt, wo die klagende Partei stationiert war. Der Stationierungsort sei ein selbständiger Betrieb im Sinne des § 17 KSchG. Die Kündigung sei innerhalb der Sperrfrist des § 18 KSchG ausgesprochen. Die klagende Partei ist weiter der Ansicht, dass ihr im Fall der Wirksamkeit der Kündigung jedenfalls ein Anspruch auf Zahlung eines Nachteilsausgleichs gegen den Beklagten nach § 83 Abs. 3 TVPV i.V.m. § 113 Abs. 1 BetrVG zustehe. Der Nachteilsausgleich sei mit Kündigung der Piloten verwirkt. Der TV PV sei neben dem TV Pakt anwendbar. Wegen der Höhe des Nachteilsausgleichs verweist die klagende Partei auf § 10 KSchG. Die klagende Partei beantragt, 1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten mit Schreiben vom 27.01.2018, der Klagepartei zugegangen am 29.01.2018, nicht aufgelöst worden ist; 2. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch andere Beendigungstatbestände, insbesondere weitere Kündigungen, aufgelöst worden ist; 3. den Beklagten zu verurteilen, die Klagepartei bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Flugbegleiter auf den Mustern der A 320 Familie/ A 330 mit der Zusatzfunktion Cabin Crew Member im Flugbetrieb der Insolvenzschuldnerin weiter zu beschäftigen. 4. für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1), den Beklagten zu verurteilen, an die Klagepartei einen Nachteilsausgleich zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird; 5. für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1), den Beklagten zu verurteilen, das Angebot der Klagepartei auf Abschluss eines Fortsetzungsvertrages ab dem 01.05.2018 zu den bislang bestehenden vertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen zwischen der Klagepartei und der Insolvenzschuldnerin gemäß Arbeitsvertrag vom 01.02.1996/ 14.10.2002 und einer Betriebszugehörigkeit seit dem 12.04.1996 anzunehmen; 6. äußerst hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Ziffer 4), festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, an die Klagepartei einen Nachteilsausgleich als Neumasseverbindlichkeit zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird; 7. den Beklagten zu verurteilen, der Klagepartei in Textform Auskunft zu erteilen, welchem Betriebsteil die Klagepartei zugeordnet war und auf wen dieser Betriebsteil unter Angabe des Zeitpunkts des Übergangs, unter Nennung des Grundes und der rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen übergegangen ist; B. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung des Beklagten mit Schreiben vom 22.05.2018, der Klagepartei zugegangen am 23.05.2018, nicht aufgelöst worden ist. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Der Beklagte behauptet, dass die Schuldnerin arbeitsorganisatorisch als einheitlicher, deutschlandweit operierender Betrieb eingerichtet gewesen sei. Zur Abfertigung des Passagieraufkommens habe die Schuldnerin über einzelne Stationen unter anderem an den Flughäfen E, D, C, Aa, V, W, etc. verfügt. Keine dieser Stationen habe jedoch über Personal verfügt, welches einen Flugbetrieb nur von und nach einer Station (Base) zugelassen hätte. Die individuellen Dienstpläne seien in der Abteilung Crew Planning in B für den gesamten Flugbetrieb erstellt worden. Personelle Engpässe hätten es erforderlich gemacht, dass Flugpersonal auch außerhalb der Heimat-Abflugstation eingesetzt wurde. An keiner der Bases sei das gesetzlich vorgesehene Schlüsselpersonal in Gestalt der sog. „Verantwortlichen Personen" für Flugbetrieb, Ground Operation, Aufrechterhaltung der Lufttüchtigkeit oder der verantwortlichen Flugbetriebsleiters vorgehalten worden. Das Schlüsselpersonal habe von der Unternehmenszentrale in B für den gesamten Flugbetrieb der Schuldnerin operiert und sei für alle Bases zuständig gewesen. Die Schuldnerin habe an den einzelnen Bases nicht über erhebliche Organisationsstrukturen verfügt. Es habe dort weder weisungsbefugte noch mit hinreichender Sachkunde ausgestatte Funktionsträger gegeben. Die jeweiligen Bases hätten vielmehr ausschließlich dem Beginn der regelmäßigen Tätigkeit der einzelnen Crew-Mitglieder bzw. als Startpunkt der Verbringung zum tatsächlichen Einsatzort (proceeding) gedient. Die Kündigung sei wegen der Stilllegung des Betriebs gerechtfertigt und auch im Übrigen wirksam. Am 12. Oktober 2017 sei die Entscheidung gefallen, den Geschäftsbetrieb der Schuldnerin spätestens zum 31. Januar 2018 stillzulegen. Der vorläufige Gläubigerausschuss habe in seiner Sitzung vom 24. Oktober 2017 den vorbehaltlich getroffenen Stilllegungsbeschluss vom 12. Oktober 2017 einstimmig bestätigt und die Schuldnerin angewiesen, den Betrieb einzustellen und ihn spätestens nach Ablauf der Wet-lease-Vereinbarung für F am 31. Januar 2018 vollständig stillzulegen. Der Stilllegungsbeschluss sei öffentlich bekannt gemacht worden. Sämtliche Dienstleister und Flughäfen, mit denen die Schuldnerin in Geschäftsbeziehungen gestanden habe, seien hierüber informiert worden. Die Schuldnerin habe alle Arbeitsverhältnisse gekündigt, darunter auch diejenigen Mitarbeiter, die in Schlüsselpositionen tätig waren. Die Leasingverträge für sämtliche Flugzeuge, die zuletzt im Besitz der Schuldnerin waren und im Flugbetrieb eingesetzt wurden, seien beendet worden. Die Flugzeuge seien sukzessive im Zeitraum September 2017 bis Januar 2018 an die Leasinggeber zurückgegeben worden. Der Verkauf von Flugtickets sei eingestellt worden. Seit dem 28. Oktober 2017 habe die Schuldnerin keine eigenwirtschaftlichen Flüge mehr durchgeführt. Der fremdwirtschaftliche Flugverkehr sei zum 31. Dezember 2017 eingestellt worden. Schließlich stehe der Kündigung auch nicht § 2 Abs. 2 TV Pakt entgegen. Die Regelung werde durch § 113 S. 1 InsO verdrängt. Jedenfalls aber sei § 2 Abs. 2 TV Pakt einschränkend auszulegen und könne die Kündigung bei Eintritt des Insolvenzfalles nicht ausschließen. Das laufende Gleichstellungsverfahren sei nach Rücksprache mit der HR-Abteilung bei der Schuldnerin vor Klageerhebung nicht bekannt gewesen. Ein Nachteilsausgleichsanspruch bestehe nicht. § 2 Abs. 2 TV Pakt gehe der Regelung des § 83 TV PV vor. Ein Interessenausgleich sei mit der Personalvertretung ausreichend versucht worden. Ein solcher wäre jedenfalls Insolvenzforderung und keine Neumasseverbindlichkeit, da die Betriebsänderung bereits mit der Durchführung des letzten eigenwirtschaftlichen Flugs am 27. Oktober 2017 und damit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens begonnen habe. Mit Beschluss vom 10. September 2018 wurden die Anlagen K 3 bis K 20 des vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 11 Ca 714/18 geführten Verfahrens, die Anlagen K 21 bis K 38 des vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 11 Ca 1134/18 geführten Verfahrens sowie die Anlagen K 39 bis K 57 des vor dem Arbeitsgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 11 Ca 839/18 geführten Verfahrens zu Informationszwecken beigezogen. Mit Schriftsatz vom 25. Mai 2018 hat die klagende Partei beantragt, dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV im Wege der Vorabentscheidung verschiedene Fragen vorzulegen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens, ihrer Rechtsansichten sowie Beweisantritte wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschriften und damit auf die Akte Bezug genommen, § 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG i.V.m. § 313 Abs. 2 S. 2 ZPO.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger. 3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf EURO 38.710,74 festgesetzt. 4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen. Die Statthaftigkeit der Berufung nach Art und Wert des Beschwerdegegenstandes bleibt hiervon unberührt.
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VG Hamburg 5. Kammer
Hamburg
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13.12.2023
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Randnummer 1 Die Klägerin hat sich zunächst dagegen gewandt, dass die Straßenverkehrsbehörde der Beklagten sie zu „Terrorschutzmaßnahmen“ bei einem vergangenen Straßenfest verpflichtet hatte. In Frage steht nunmehr, ob sich dieser Rechtsstreit seinerseits erledigt hat. Randnummer 2 Die Klägerin ist eine Eventagentur. Sie veranstaltet regelmäßig - mit coronapandemiebedingter Unterbrechung jährlich - auf öffentlichen Straßen das „Stadtfest A.“. Für das Stadtfest A. 2018 erteilte ihr das Bezirksamt B. der Beklagten am 6. September 2018 eine Sondernutzungserlaubnis nach dem Hamburgischen Wegegesetz mit der Auflage: Randnummer 3 „Terrorsicherung Randnummer 4 Es sind aufgrund der weiterhin bestehenden latenten Anschlagsgefahr durch terroristische Angriffe mit Kraftfahrzeugen von außen Maßnahmen zu treffen, um die Veranstaltung gegen solche Angriffe zu schützen. Einzelheiten sind mit der Polizei/Polizeikommissariat 33 abzustimmen.“ Randnummer 5 Die Behörde für Inneres und Sport, Polizei, der Beklagten traf, ebenfalls unter dem 6. September 2018, eine an die Klägerin adressierte straßenverkehrsbehördliche Anordnung, in der sie neben Haltverboten und Sperrungen insbesondere aussprach: Randnummer 6 „Terrorschutzmaßnahmen Randnummer 7 Am Bereich der Absperrungen […] sind geeignete Barrieren einzusetzen, die einen Angriff mit Kraftfahrzeugen in den Veranstaltungsraum unterbinden. Die Barrieren sind so herzurichten (mobil), dass jederzeit eine Ein- und Ausfahrt von Rettungsfahrzeugen möglich ist. Seitens der Straßenverkehrsbehörde wird eine Sicherung des Veranstaltungsraumes analog 2017 mit 1000-Liter-Wassertanks empfohlen. Alternativ können auch andere geeignete Sperrmittel, wie z. B. LKW verwendet werden. Der detaillierte Aufbau ist mit PK 33 abzustimmen. […]“ Randnummer 8 Die Klägerin erhob gegen diese „Auflage“ am 12. September 2018 Widerspruch. Randnummer 9 Für das Stadtfest A. 2019 traf die Polizei unter dem 15. August 2019 eine an die Klägerin adressierte straßenverkehrsbehördliche Anordnung, in der sie neben Haltverboten und Sperrungen insbesondere „Terrorschutzmaßnahmen“ wie im Vorjahr aussprach. Das Bezirksamt B. erteilte der Klägerin am 6. September 2019 eine Sondernutzungserlaubnis, die insbesondere die zitierte Auflage wie im Vorjahr enthielt. Randnummer 10 Die Polizei stellte am 23. April 2020 das Widerspruchsverfahren ein, da sich die Anordnung vom 6. September 2018 durch Zeitablauf erledigt habe. Randnummer 11 Die Klägerin hat am 30. April 2020 Klage erhoben mit dem angekündigten Antrag festzustellen, dass die „Auflage“ zu „Terrorschutzmaßnahmen“ in der straßenverkehrsbehördlichen Anordnung vom 6. September 2018 rechtswidrig war. Randnummer 12 Für das Stadtfest A. 2023 beantragte die Klägerin unterdessen beim Bezirksamt B. am 9. Juni 2023 eine Sondernutzungserlaubnis. Sie teilte u. a. mit, der Durchfahrschutz werde an den Hauptpunkten des Straßenfestes errichtet und orientiere sich an den Vorjahren. Zur Gefährdungsanalyse im Gefahrenbereich „Terrorismus/Drohungen“ teilte sie mit, es gebe keinerlei konkrete Anzeichen für Bedrohungen von außen. Sie verwies auf eine Anlage mit einem Aufbauplan. Dort sind an den Rändern der Veranstaltungsfläche die Standorte von „IBC“ (Intermediate Bulk Container) gekennzeichnet, teilweise mit dem Hinweis auf ihre Mobilität („2 x mobil durch Hubwagen & Secu“). Am 11. Juli 2023 erteilte das Bezirksamt B. die beantragte Sondernutzungserlaubnis nach dem Hamburgischen Wegegesetz, insbesondere mit der Auflage: Randnummer 13 „ Die im Sicherheitskonzept beschriebenen Maßnahmen sind umzusetzen. “ Randnummer 14 Die Polizei traf für das Stadtfest A. 2023 unter dem 29. August 2023 eine an die Klägerin adressierte straßenverkehrsbehördliche Anordnung, in der sie neben Haltverboten und Sperrungen insbesondere aussprach: Randnummer 15 „Durchfahrschutzmaßnahmen Randnummer 16 Am Bereich der Absperrungen […] sind geeignete Barrieren einzusetzen, die Gefahren durch den öffentlichen Straßenverkehr mit Kraftfahrzeugen in den Veranstaltungsraum unterbinden. Die Barrieren sind so herzurichten (mobil), dass jederzeit eine Ein- und Ausfahrt von Rettungsfahrzeugen möglich ist. Seitens der Straßenverkehrsbehörde wird eine Sicherung des Veranstaltungsraumes analog 2022 mit gefüllten 1000-Liter-Wassertanks empfohlen. Alternativ können auch andere geeignete Sperrmittel, wie z. B. LKW verwendet werden. Der detaillierte Aufbau ist mit PK 33 abzustimmen.“ Randnummer 17 Die Klägerin hat den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte ist der Erledigungserklärung entgegengetreten. Randnummer 18 Die Klägerin beantragt schriftsätzlich, Randnummer 19 festzustellen, dass die ursprüngliche Klage zulässig und begründet war und aufgrund eines zwischenzeitlich eingetretenen Ereignisses nicht mehr zulässig oder begründet ist. Randnummer 20 Die Beklagte beantragt schriftsätzlich, Randnummer 21 die Klage abzuweisen. Randnummer 22 Die Beklagte trägt vor: Randnummer 23 Die ursprüngliche Klage sei unzulässig gewesen. Der Klägerin habe es am erforderlichen Fortsetzungsfeststellungsinteresse gefehlt, sie habe ihr Klagerecht verwirkt und kein Rechtsschutzbedürfnis. Es habe nicht die konkrete Gefahr bestanden, dass sich die angegriffene „Auflage“ bei der nächsten Veranstaltung des Stadtfestes A. in gleicher Form wiederholen werde. Durch die verspätete Geltendmachung der Rechtswidrigkeit entstünden der Beklagten unzumutbare Nachteile. Ein Erfolg der Klage hätte der Klägerin keinen Vorteil gebracht und wäre somit nutzlos gewesen, da das Bezirksamt B. ebenfalls eine Auflage zur „Terrorsicherung“ erteilt habe. Randnummer 24 Die ursprüngliche Klage sei unbegründet gewesen. Die „Auflage“ zu „Terrorschutzmaßnahmen“ im Bescheid vom 6. September 2018 habe den Schutz der Veranstaltung und ihrer Teilnehmer vor einem terroristischen Anschlag durch eine sog. Überfahrtat bezweckt und den Schutz vor Gefahren aus der Veranstaltung selbst. Als Ermächtigung komme § 45 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 5 StVO in Betracht. Erfasst sei die Unterstützung von Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Sicherheit auch außerhalb von Verkehrsabläufen. Zum Straßenverkehrsrecht gehöre auch und gerade die Abwehr solcher Gefahren, die vom Straßenverkehr ausgingen und die Umwelt beeinträchtigten. Es sollten auch Dritte vor Verkehrsteilnehmern und deren Fahrzeugen geschützt werden. Diesem Ziel sei auch die Einfügung von § 6 Abs. 1 Nr. 17 StVG a. F. verpflichtet (BT-Drs. 8/3150, S. 16 f.). Zwar seien Überfahrtaten bei Erlass des § 6 Abs. 1 Nr. 17 StVG a. F. bzw. § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StVO noch nicht mitgedacht worden. Es handele sich jedoch um eine Generalklausel, in der die zu bekämpfenden Gefahren und die jeweilige Eingriffsschwelle nicht konkret benannt seien. Die im Rahmen der Anordnung vom Veranstalter zu treffenden Maßnahmen seien als Schutz vor den allgemeinen vom Straßenverkehr ausgehenden Gefahren zu verstehen und entsprächen einem Nachkommen der allgemeinen Sicherungspflicht des Veranstalters für den Veranstaltungsort. Auftrag der Straßenverkehrsbehörde sei die Sicherung der Verkehrswege an der Veranstaltungsfläche. Zudem komme als Ermächtigungsgrundlage die ordnungsbehördliche Generalklausel § 3 Abs. 1 SOG jedenfalls in Betracht. Die vorausgesetzte Gefahr liege vor. Im Hinblick auf das Stadtfest A. 2018 sei eine bevorstehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu bejahen gewesen. Randnummer 25 Bei der Entscheidung des Gerichts haben die Sachakten der Beklagten vorgelegen. Darauf sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der Einzelheiten ergänzend Bezug genommen.
Der vormalige Rechtsstreit ist in der Hauptsache erledigt. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Berufung wird zugelassen.
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Baden-Württemberg
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I. 1 Die Parteien streiten über Unterlassungsansprüche des Klägers wegen der Veröffentlichung von Tatsachenbehauptungen auf einem Internet-Ärztebewertungsportal und einen Anspruch auf Auskunft über Nennung von Namen und Anschrift des Verfassers einer Bewertung vom 04.07.2012. 2 1. Die Beklagte betreibt ein Internet-Ärztebewertungsportal, über das die Möglichkeit besteht, Bewertungen über Ärzte abzugeben. 3 Der Kläger, der in S G eine Arztpraxis betreibt, hat im November 2011 eine Bewertung über sich entdeckt, in der unter anderem die Behauptung über den Kläger aufgestellt wurde, Patientenakten seien in den Behandlungsräumen in Wäschekörben gelagert, es gebe unverhältnismäßig lange Wartezeiten, Folgetermine seien nicht zeitnah möglich, eine Schilddrüsenüberfunktion sei von ihm nicht erkannt und kontraindiziert behandelt worden (K 1). Am 04.06.2012 und 06.06.2012 wurden Bewertungen mit einem im Kern identischen Inhalt vorgenommen und in das Portal der Beklagten eingestellt (K 3, K 5), eine weitere dem entsprechende Bewertung am 13.06.2012 (K 7). Die Bewertungen wurden jeweils aufgrund entsprechender Mitteilungen des Klägers von der Beklagten gelöscht. Am 04.07.2012 erschien wiederum eine Bewertung mit identischen Vorwürfen, die jedenfalls bis November 2012 von der Beklagten nicht gelöscht worden war (K 9). 4 Zwischen den Parteien besteht Streit, ob die Beklagte die ihr zumutbaren Prüfungs- und Überwachungspflichten verletzt hat, zur Schaltung entsprechender Suchfilter und zur Auskunft verpflichtet ist sowie Abmahnkosten bezahlen muss. 5 2. Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, bestimmte Behauptungen nicht zu verbreiten, dem Kläger Namen und Anschrift des Verfassers der Bewertung vom 04.07.2012 mitzuteilen und vorgerichtliche Anwaltskosten zu bezahlen. 6 Der Kläger habe einen Unterlassungsanspruch wegen der Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte aus §§ 823, 1004 BGB, da die Internetbewertungen unstreitig unwahre Tatsachenäußerungen enthielten. Die Beklagte könne sich nicht auf eine Haftungsbefreiung als Hostprovider berufen, denn sie sei seit November 2011 über entsprechende Verstöße informiert worden. Es gehe vielmehr darum, ob sie nach diesem mitgeteilten Verstoß zukünftig verpflichtet gewesen ist, Kontrollmaßnahmen zu ergreifen, um weitere unwahre und rechtswidrige Bewertungen über den Kläger zu verhindern. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung müsse ein Hostprovider das technisch und wirtschaftlich Zumutbare tun, um erneute Rechtsverletzungen zu vermeiden. Die Beklagte hätte hier Filter einrichten müssen, sie habe trotz eines Hinweises, warum dies wirtschaftlich und technisch nicht möglich sei, dazu nichts vorgetragen. Allein durch einen Filter mit dem Namen des Klägers hätten die entsprechenden weiteren Veröffentlichungen verhindert werden können. 7 Der Unterlassungsanspruch sei jedenfalls im Hinblick auf die Bewertung vom 04.07.2012 gegeben, der bereits in der Klage dargelegt wurde, dies verbunden mit dem Anspruch, entsprechende Bewertungen zu unterlassen. Die Beklagte habe hierauf bis November 2012 nicht reagiert. Schon allein daraus ergebe sich ein entsprechender Unterlassungsanspruch. 8 Der Kläger habe einen Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten, denn die Bewertung vom 13.06.2012 sei ein neuer Streitgegenstand und ein neuer Verstoß. 9 Unter Anschluss an ein Urteil des Oberlandesgerichts Dresden (4 U 58/11) bestehe ein Auskunftsanspruch gemäß §§ 242, 259, 260 BGB. Danach hafte der Hostprovider als Minus zu den ansonsten bestehenden Ansprüchen auf Unterlassung und Löschung persönlichkeitsverletzender Einträge auch auf Auskunft. § 13 Abs. 6 Satz 1 TMG stehe dem nicht entgegen. 10 3. Die Berufung der Beklagten rügt eine fehlerhafte Rechtsanwendung und verfolgt weiter das Ziel einer Abweisung der Klage. 11 a. Das Landgericht habe lediglich frühere Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu Internetversteigerungen gewürdigt, jedoch die einschlägige Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu den Bewertungsportalen vom 25.10.2011 (VI ZR 93/10, Rn. 26, 27) trotz eines Hinweises der Beklagten nicht gewürdigt. Im Gegensatz zu den früheren Entscheidungen, die zur Spezialmaterie von geschützten Markennamen oder urheberrechtlich geschützten Titeln ergangen sei, die ohne weiteres durch einen einfachen Wortfilter überprüft werden könnten, sei eine Bewertung in Textform nicht durch einen solchen einfachen Wortfilter überprüfbar. Hier müsse das Programm den Inhalt der Bewertung erfassen, ein solcher Filter sei derzeit technisch unmöglich. Dies sei bereits vor dem Landgericht vorgetragen und mit Sachverständigengutachten unter Beweis gestellt worden. Dieser Vortrag sei entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht unsubstantiiert. 12 Soweit das Landgericht verlangt habe, dass alle Bewertungen betreffend den Kläger von Mitarbeitern der Beklagten zu sichten seien, könne dies angesichts der Größe des Forums nicht erfolgen, eine solche manuelle Vorprüfung sei unmöglich. Zudem bedeute das vom Landgericht verlangte Verfahren eine Vorabzensur, die vom Hostprovider gerade nicht verlangt werden könne. Insoweit sei das Gericht auch nicht auf die datenschutzrechtlichen Risiken eingegangen, die eine solche Vorgehensweise auslöse. 13 b. Soweit das Gericht den Unterlassungsanspruch aus der Bewertung vom 04.07.2012 herleite, müsse berücksichtigt werden, dass die Klageschrift vom 04.07.2012 diese Bewertung noch nicht zum Thema gemacht habe, diese vielmehr erst mit dem Nachtrag vom 19.07.2012 in das Verfahren eingeführt worden sei – dort nur unter dem Gesichtspunkt einer Bekanntgabe der Bewertung. Insoweit fehle es an der notwendigen Rüge und Löschungsaufforderung, weshalb ein Unterlassungsanspruch nicht bestehe. 14 c. Hinsichtlich des geltend gemachten Auskunftsanspruchs habe sich das Landgericht zu einseitig auf die Ansicht des Oberlandesgerichts Dresden gestützt, dabei jedoch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 03.08.2011 (3 U 196/10) ignoriert, die ausdrücklich einen Auskunftsanspruch verneint habe. Die Beklagte könne unter Umständen keine Auskunft erteilen, da sie keine Kenntnis habe, ob die vom Nutzer angegebenen Anmeldedaten inhaltlich richtig seien, sie könne allenfalls die ihr bekannten Daten herausgeben, wisse aber nicht, ob es sich insoweit um Fantasiedaten handele. 15 d. Hinsichtlich der Abmahnkosten sei das Gericht weder auf das Bestreiten der Beklagten, noch auf deren Vortrag eingegangen. Die Beklagte habe das Entstehen der Gebühren und die Zahlung der Abmahnkosten bestritten, die notwendige Prüfung, ob die Abmahnung rechtmäßig gewesen ist, die Beklagte die Bewertung verhindern konnte und dem Kläger durch die Abmahnung ausscheidbare Kosten entstanden sind, sei vom Landgericht nicht vorgenommen worden. 16 Die Beklagte beantragt (Schriftsatz vom 22.04.2013, Blatt 82): 17 Das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 11.01.2013, Az. 11 O 172/12, wird abgeändert: Die Klage wird abgewiesen. 18 Der Kläger beantragt (Schriftsatz vom 30.04.2013, Blatt 92): 19 Die Berufung wird zurückgewiesen. 20 4. Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil. 21 Die Beklagte habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass es hier nicht um generelle Filter oder Ähnliches gehe, sondern um einen Sonderfall, wonach ein vermutlich identischer Bewerter regelmäßig identische rechtswidrige Einträge schalte, die von der Beklagten ungeprüft immer wieder veröffentlicht worden seien. Die Beklagte habe insoweit dafür Sorge zu tragen, dass solche rechtswidrigen identischen Bewertungen nicht mehr veröffentlicht werden. Sie habe insoweit zu den technisch möglichen Filtermaßnahmen nichts vorgetragen, insbesondere keine Stellung genommen, ob sie überhaupt irgendwelche Filter einsetze. Ein entsprechender Filter in Bezug auf die Person des Klägers wäre ohne weiteres möglich gewesen, indem beispielsweise die Worte kontraindiziertes Medikament, Waschkörbe, Patientenakten, Hypophysentests und 250 Minuten gefiltert werden. Hierdurch hätte die Rechtsverletzung, die sich ständig wiederholt habe, verhindert werden können. 22 Es sei allerdings zutreffend, dass die Beklagte auf die Rügen des Klägers jeweils reagiert habe. Dies könne jedoch nicht dazu führen, dass es dem Kläger obliege, das Bewertungsportal der Beklagten quasi täglich nach wiederkehrenden rechtswidrigen Bewertungen zu überprüfen und auszuwerten. 23 Angesichts der Tatsache, dass die Beklagte ein großes Portal biete, auf dem sie in erheblichem Ausmaß Beiträge veröffentliche, sei von einer Verletzung der Prüfungs- und Vorklärungspflichten auszugehen, wenn insoweit lediglich ein Mitarbeiter mit der Bearbeitung von Rügen beschäftigt werde. 24 Die Beklagte gehe fehl in der Annahme, dass die Bewertung vom 04.07.2012 nicht streitgegenständlich war, denn diese sei sehr wohl bereits in der Klage (dort Seite acht) und der dortigen Anlage K 9 thematisiert worden. Angesichts der Identität mit der Bewertung vom 13.06.2012 sei insoweit auch hier Unterlassung verlangt worden. 25 Die streitgegenständlichen Rechtsanwaltskosten seien alleine für das Abmahnschreiben vom 18.06.2012 in Rechnung gestellt worden, was sich aus der Kostenrechnung von diesem Tag ergebe, die mit der Berufungserwiderung als Anlage vorgelegt wurde. 26 Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst der dazu vorgelegten Anlagen Bezug genommen. Im Termin vor dem Senat hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten auf Nachfrage ausgeführt, die sie beschwerenden Nachteile bezüglich der Auskunft würden darin gesehen, dass eine Vielzahl von Bewertungen ein besseres Meinungsbild abgebe, ähnliche Bewertungen durch die Herausnahme an Aussagekraft verlören. Auf weitere Nachfrage wurde mitgeteilt, die Überwachung erfolge derzeit durch eine Person, für die Auskunft seien maximal 10 Arbeitsminuten erforderlich.
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 11.01.2013 (11 O 172/12) wird zurückgewiesen. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. 3. Das Urteil des Landgerichts und das Urteil des Senats sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Kostenvollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet. Im Übrigen kann die Beklagte die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 5.000,- EUR abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet. 4. Die Revision wird zugelassen, soweit die Beklagte zur Auskunft verurteilt wurde (Ziffer 2 des Tenors des landgerichtlichen Urteils). Streitwert des Berufungsverfahrens: 22.000,00 EUR
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Baden-Württemberg
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1 Die Parteien streiten um die Rückzahlung sogenannter Sanierungsgelder, die die Klägerin für die Jahre 2002 und 2003 an die Beklagte entrichtet hat. 2 Die Klägerin betreibt in B. ein Krankenhaus in der Rechtsform einer gemeinnützigen GmbH. Sie ist Mitglied im Verband der kommunalen Arbeitgeber und war vom 01.07.1997 bis zum 31.12.2005 an der beklagten Zusatzversorgungseinrichtung als Arbeitgeberin beteiligt. Zuvor waren die beiden Kliniken der Stadt B. - die Städtischen Kliniken B.-Mitte und B.-R. - als rechtlich unselbständige Eigenbetriebe der Stadt B. durch die seit 1939 bestehende Beteiligung der Stadt B. in die Pflichtversicherung bei der Beklagten einbezogen. Infolge der rechtlichen Verselbständigung der Kliniken in einer gemeinnützigen GmbH schloss die Beklagte mit der Klägerin eine eigenständige Beteiligungsvereinbarung ab. 3 Die Beklagte hat die Aufgabe, den Beschäftigten der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung vom 19.09. / 22.11.2002 (BAnz. Nr. 1 vom 03.01.2003) hat die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31.12.2001 (Umstellungsstichtag) umgestellt. Den Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (Tarifvertrag Altersversorgung - ATV) vom 01.03.2002 vereinbart. Damit wurde das frühere - auf dem Versorgungstarifvertrag vom 04.11.1966 (Versorgungs-TV) beruhende - endgehaltsbezogene Gesamtversorgungssystem aufgegeben und durch ein auf einem Punktemodell beruhendes Betriebsrentensystem ersetzt. 4 Die Finanzierung der Beklagten erfolgt im Abrechnungsverband West, dem die Klägerin angehörte, seit 1967 über ein modifiziertes Abschnittsdeckungsverfahren (Umlageverfahren). Der Umlagesatz ist so bemessen, dass die für die Dauer des Deckungsabschnitts zu entrichtende Umlage zusammen mit den übrigen zu erwartenden Einnahmen und dem verfügbaren Vermögen ausreicht, die Ausgaben während des Deckungsabschnittes sowie der sechs folgenden Monate zu erfüllen. 5 Seit dem 01.01.2002 beträgt der Umlagesatz 7,86 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts. Davon tragen die Arbeitgeber einen Anteil von 6,45 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts. Diese Umlage hat der Arbeitgeber bis zu einem Betrag von 92,03 EUR monatlich pauschal zu versteuern. Den verbleibenden Anteil an der Umlage von 1,41 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts trägt der Arbeitnehmer. 6 Daneben erhebt die Beklagte zur Deckung eines zusätzlichen, durch den Systemwechsel bedingten Finanzierungsbedarfs bei den beteiligten Arbeitgebern seit der Neufassung der Satzung der Beklagten (im Folgenden: VBLS) pauschale, steuerfreie Sanierungsgelder in Höhe von durchschnittlich 2 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts. 7 Die Neufassung der VBLS beruht auf einer Einigung der Tarifvertragsparteien, die diese zunächst im Tarifvertrag Altersvorsorgeplan 2001 vom 13.11.2001 in den Grundzügen getroffen und sodann durch den Tarifvertrag Altersversorgung (ATV) vom 01.03.2002 umgesetzt und weiter konkretisiert haben. 8 Die Regelungen über die Erhebung von Sanierungsgeldern im Altersvorsorgeplan 2001 lauten: 9 „ 4.2 Für die VBL-West gilt: 10 Ab 2002 betragen die Belastungen der Arbeitgeber 8,45 v.H. Dies teilt sich auf in eine steuerpflichtige, mit 180 DM/Monat pauschal versteuerte Umlage von 6,45 v.H. und steuerfreie pauschale Sanierungsgelder von 2,0 v.H., die zur Deckung eines Fehlbetrages im Zeitpunkt der Schließung dienen sollen. 11 Ab 2002 beträgt der aus versteuertem Einkommen zu entrichtende Umlagebeitrag der Arbeitnehmer 1,41 v. H. 12 4.3 Die Verteilung der Sanierungsgelder auf Arbeitgeberseite bestimmt sich nach dem Verhältnis der Entgeltsumme aller Pflichtversicherten zuzüglich der neunfachen Rentensumme aller Renten zu den entsprechenden Werten, die einem Arbeitgeberverband bzw. bei Verbandsfreien, dem einzelnen Arbeitgeber zuzurechnen sind; ist ein verbandsfreier Arbeitgeber einer Gebietskörperschaft mittelbar oder haushaltsmäßig im Wesentlichen zuzuordnen, wird dieser bei der Gebietskörperschaft einbezogen. 13 Arbeitgebern, die seit dem 1. November 2001 durch Ausgliederung entstanden sind, sind zur Feststellung der Verteilung der Sanierungszuschüsse Renten in dem Verhältnis zuzurechnen, das dem Verhältnis der Zahl der Pflichtversicherten des Ausgegliederten zu der Zahl der Pflichtversicherten des Ausgliedernden zum 1.11.2001 entspricht.“ 14 Auf dieser Grundlage hat der Verwaltungsrat der Beklagten am 01.02.2002 eine vorläufige Regelung über die Erhebung von Sanierungsgeldern beschlossen (vgl. Anlage 1 der VBLS - Satzungsergänzende Beschlüsse). Aufgrund dieses Beschlusses hat die Beklagte sodann mit Wirkung vom 01.01.2002 Abschlagszahlungen auf das zusätzlich zur Umlage zu zahlende Sanierungsgeld erhoben. 15 Im Tarifvertrag Altersversorgung (ATV) wird die Erhebung von Sanierungsgeldern wie folgt geregelt: 16 „§ 17 Sanierungsgelder 17 (1) 1 Zur Deckung des infolge der Schließung des Gesamtversorgungssystems und des Wechsels vom Gesamtversorgungssystem zum Punktemodell zusätzlichen Finanzbedarfs, der über die am 1. November 2001 jeweils geltende Umlage hinausgeht, erhebt die Zusatzversorgungseinrichtung vom Arbeitgeber Sanierungsgelder. 2 Diese Sanierungsgelder sind kein steuerpflichtiger Arbeitslohn. 18 (2) Sanierungsgelder kommen nicht in Betracht, wenn der am 1. November 2001 jeweils gültige Umlagesatz weniger als vier v.H. des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts betragen hat. 19 (…) 20 „§ 37 Sonderregelungen für die VBL 21 (3) 1 Zu § 17: Die Sanierungsgelder nach § 17 werden im Abrechnungsverband West nach dem Verhältnis der Entgeltsumme aller Pflichtversicherten zuzüglich der neunfachen Rentensumme aller Renten zu den entsprechenden Werten, die einem Arbeitgeberverband oder einem Arbeitgeber zurechenbar sind, erhoben. 2 Die Satzung regelt die Grundsätze der Zuordnung von Beteiligten zu den jeweiligen Arbeitgebergruppen entsprechend dem Altersvorsorgeplan 2001 und dem Beschluss des Verwaltungsrates vom 1. Februar 2002.“ 22 Die entsprechende Bestimmung in der neuen Satzung der Beklagten hatte zunächst folgende Fassung: 23 „§ 65 Sanierungsgeld 24 (1) 1 Infolge der Schließung des Gesamtversorgungssystems und des Wechsels vom Gesamtversorgungssystem zum Punktemodell erhebt die Anstalt entsprechend dem periodischen Bedarf von den Beteiligten im Abrechnungsverband West ab 1. Januar 2002 pauschale Sanierungsgelder zur Deckung eines zusätzlichen Finanzierungsbedarfs, der über die Einnahmen bei dem Umlagesatz von 7,86 v.H. hinausgeht und der zur Finanzierung der vor dem 1. Januar 2002 begründeten Anwartschaften und Ansprüche (Altbestand) dient. 2 Sanierungsgelder werden erhoben, solange das Anstaltsvermögen, soweit es dem Abrechnungsverband West zuzurechnen ist, am Ende des Deckungsabschnitts ohne Berücksichtigung von Sanierungsgeldern den versicherungsmathematischen Barwert der zu diesem Zeitpunkt bestehenden und vor dem 1. Januar 2002 begründeten Anwartschaften und Ansprüche voraussichtlich unterschreitet. 3 Bei der Ermittlung des Barwerts sind ein Rechnungszins von 3,25 v. H. während der Anwartschaftsphase und 5,25 v.H. während des Rentenbezugs sowie eine Dynamisierungsrate der Renten ab Rentenbeginn von 1 v. H. jährlich zu berücksichtigen. 25 (2) 1 Die Gesamthöhe der Sanierungsgelder wird im Deckungsabschnitt auf der Grundlage eines versicherungsmathematischen Gutachtens von der Anstalt festgesetzt; die Feststellung nach § 64 Abs. 2 ist zu beachten. 2 Ab 1. Januar 2002 entspricht die Gesamthöhe der Sanierungsgelder 2,0 v.H. der zusatzversorgungspflichtigen Entgelte aller Pflichtversicherten im Jahr 2001. 3 Die Summe dieser Entgelte ist jährlich entsprechend der Anpassung der Betriebsrenten (§ 39) zu erhöhen. 4 Ändert sich der periodische Bedarf, sind die Sanierungsgelder in dem Umfang anzupassen, wie dies zur Deckung des Mehrbedarfs für den Altbestand, der über den Umlagesatz von 7,86 v.H. hinausgeht, erforderlich ist. 26 (3) Die auf die Beteiligten entfallenden Sanierungsgelder für das jeweilige Kalenderjahr werden jährlich bis 30. November des Folgejahres nach dem für das jeweilige Kalenderjahr ermittelten Verhältnis der neunfachen Rentensumme aller Renten zuzüglich der Entgeltsumme aller Pflichtversicherten zu der auf den Beteiligten entfallenden neunfachen Rentensumme zuzüglich der Entgeltsumme seiner Pflichtversicherten betragsmäßig festgesetzt. 27 (4) 1 Für die Beteiligten, die einem Arbeitgeberverband angehören, ist ein Betrag nach Maßgabe des Absatzes 3 festzulegen, indem die auf sie entfallenden Rentensummen und die Entgeltsummen ihrer Pflichtversicherten zusammengerechnet werden. 2 Ist ein verbandsfreier Beteiligter einer beteiligten Gebietskörperschaft mittelbar oder haushaltsmäßig im Wesentlichen zuzuordnen, soll dieser bei der Gebietskörperschaft einbezogen werden. 3 Folgende Aufgliederung der Beteiligten ist damit im Rahmen der Festlegung des Sanierungsgeld-Betrags zugrunde zu legen: 28 a) Bund einschließlich mittelbare Bundesverwaltung (ohne Rentenversicherungsträger) und Beteiligte in privater Rechtsform, an denen der Bund mehrheitlich beteiligt ist, ohne die einem Arbeitgeberverband angehörenden Arbeitgeber und ohne Zuwendungsempfänger des Bundes, 29 b) Mitgliedsländer der Tarifgemeinschaft deutscher Länder sowie Mitglieder ihrer Landesarbeitgeberverbände einschließlich mittelbare Landesverwaltungen und Beteiligte in privater Rechtsform, an denen ein Land mehrheitlich beteiligt ist, ohne die einem anderen Arbeitgeberverband angehörenden Arbeitgeber und ohne Zuwendungsempfänger eines Landes, 30 c) Mitglieder kommunaler Arbeitgeberverbände (KAV), und zwar am 31. Dezember 2001 vorhandene Mitglieder sowie ab 1. Januar 2002 beigetretene Mitglieder dieser Verbände einschließlich ausgegründeter Teilbereiche, ferner Beteiligte in privater Rechtsform, an denen ein KAV-Mitglied mehrheitlich beteiligt ist, 31 d) sonstige Arbeitgeber (Arbeitgeber, soweit nicht von Buchstabe a bis c erfasst) sowie Berlin einschließlich mittelbare Verwaltung und Beteiligte in privater Rechtsform, an denen Berlin mehrheitlich beteiligt ist. 32 4 Sonstige Arbeitgeber, die anderen Arbeitgeberverbänden als die Beteiligten im Sinne der Buchstaben a bis c angehören, werden auf Antrag ihres Arbeitgeberverbands jeweils in einer Arbeitgebergruppe zusammengefasst; für diese Arbeitgebergruppe wird abweichend von Buchstabe d jeweils ein entsprechender Sanierungsgeld-Betrag festgelegt werden. 5 Die Aufgliederung von Beteiligten zu den Arbeitgebergruppen nach Buchstaben a, b bzw. c ist auf Antrag des Bundes, der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, eines KAV bzw. eines Arbeitgeberverbands nach Satz 4 für das Folgejahr anzupassen. 33 (5) 1 Beteiligten, die ab 1. November 2001 durch Ausgliederung aus einem Beteiligten entstehen, werden zur Festsetzung der Bemessungssätze Renten in dem Verhältnis zugerechnet, das dem Verhältnis der Zahl ihrer Pflichtversicherten zu der Zahl der Pflichtversicherten des Ausgliedernden am Tag vor der Ausgliederung entspricht. 2 Die so ermittelte Summe der zuzurechnenden Rentenlast wird – unter Berücksichtigung der jährlichen Anpassung der Renten – innerhalb eines Zeitraums von 15 Jahren jährlich um ein Fünfzehntel vermindert. 34 (6) 1 Die Beteiligten entrichten in entsprechender Anwendung des § 64 Abs. 6 monatliche Abschlagszahlungen für die auf sie entfallenden Sanierungsgelder in Form eines vorläufigen Vomhundertsatzes der zusatzversorgungspflichtigen Entgelte aller Pflichtversicherten des Beteiligten. 2 Diese ermittelt die Anstalt für das jeweilige Jahr auf der Grundlage der Daten des vorvergangenen Jahres; sie sind auf zwei Stellen nach dem Komma kaufmännisch zu runden. 3 Ein aus der Abrechnung nach Absatz 3 resultierender Saldo ist entsprechend den Richtlinien für das Melde- und Abrechnungsverfahren – RIMA – auszugleichen. 4 Für das Kalenderjahr 2002 gilt der Beschluss des Verwaltungsrates vom 1. Februar 2002 (Anlage 1).“ 35 Durch die 7. Satzungsänderung vom 17.06.2005 / 31.10.2006 (BAnz. Nr. 219 vom 22.11.2006) wurde mit Wirkung zum 1. Januar 2006 in § 65 VBLS ein neuer Absatz 5a eingefügt, durch den die Verteilung der Sanierungsgelder unter den einzelnen Beteiligten sich noch stärker nach dem Verhältnis von den Aufwendungen zu den Leistungen des jeweiligen Beteiligten bzw. der jeweiligen Arbeitgebergruppe bestimmt. Das Nähere regeln Ausführungsbestimmungen (vgl. AH 3, 31). 36 Für das Jahr 2002 zahlte die Klägerin mindestens 922.921,65 EUR Sanierungsgeld an die Beklagte (AS 29, AH 1, 61). Aktiv beschäftigt waren in diesem Jahr bei ihr zumindest 1.894 pflichtversicherte Personen, während 121 Personen verrentet waren (vgl. AS 177, 215, AH 57). 37 Für das Jahr 2003 zahlte die Klägerin 965.219,95 EUR Sanierungsgeld an die Beklagte (AS 119, AH 29). Aktiv beschäftigt waren in diesem Jahr bei ihr mindestens 1.743 pflichtversicherte Personen. Dem standen 140 Rentenfälle gegenüber (vgl. AS 121, 179, 215, AH 59). 38 Die von der Klägerin an die Beklagte gezahlten Umlagebeträge waren damit unstreitig in beiden Jahren höher als es zur Ausfinanzierung der Renten an ehemalige Beschäftigte der Klägerin erforderlich gewesen wäre. 39 Mit Schreiben vom 04.08.2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sich die Regelungen der 7. Satzungsänderung auf die Sanierungsgeldverpflichtungen der Klägerin dahin auswirken würden, dass sie - die Daten des bereits abgerechneten Jahres 2003 zugrunde gelegt - angesichts der günstigen Risikostruktur auch im Jahr 2006 mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Sanierungsgeld zu zahlen haben werde (AH 15 = 43). 40 Mit Schreiben vom 14.12.2005 forderte die Klägerin die Beklagte auf, das ihrer Ansicht nach zu Unrecht erhobene Sanierungsgeld für das Jahr 2002 bis zum 20.12.2005 zurückzuzahlen (AH 17 = 45). Dem kam die Beklagte bis heute nicht nach. 41 Die Klägerin trägt vor: 42 § 65 VBLS sei wegen Verstoßes gegen die Regelungen der §§ 307 ff. BGB unwirksam. Die von ihr in den Jahren 2002 und 2003 entrichteten Sanierungsgelder seien im Verhältnis zu dem von ihr eingebrachten Versicherungsrisiko gänzlich unverhältnismäßig gewesen und benachteiligten sie entgegen den Geboten von Treu und Glauben in unzumutbarer Weise. Dies ergebe sich allein aus der Tatsache, dass die Klägerin nach der nunmehr risikogerechteren Verteilungsregelung der VBLS (§ 65 Abs. 5a VBLS) gar kein Sanierungsgeld mehr zu entrichten hätte. Die Klägerin habe als unbestrittene “Nettozahlerin” mit “günstigem Risiko” langjährig das Umlagesystem der Beklagten zugunsten der Arbeitgeber des Bundes subventioniert, obwohl die demographische Entwicklung erkennen habe lassen, dass der Rentnerquotient der Arbeitgeber des Bundes dauerhaft ungünstig bleiben würde. Die Arbeitgeber des Bundes seien ohne sachlichen Grund deutlich bevorteilt worden; die Klägerin ihrerseits habe den Folgen der Satzungsbestimmungen des Sanierungsgeldes auch nicht ohne Weiteres entgehen können. 43 Zudem verstießen § 65 VBLS und die Regelungen in §§ 17, 37 Abs. 3 ATV auch gegen höherrangiges Recht, insbesondere Art. 3 GG. Die Bildung der Arbeitgebergruppen zur Bemessung des Sanierungsgeldes sei rein willkürlich, d.h. nicht nach sachgerechten Kriterien erfolgt. Ein sachlicher Bezug zu den tatsächlichen Rentenlasten sei nicht vorhanden. Die Beklagte könne sich in diesem Zusammenhang auch nicht auf die Tarifautonomie berufen, weil gleichheitswidrige Regelungen davon nicht gedeckt seien und es zudem (innerhalb der Arbeitgeber) an dem für Tarifvertragsverhandlungen typischen Interessengegensatz fehle. Die Klägerin gehöre auch nicht aufgrund ihrer eigenen Entscheidung dem Kommunalen Arbeitgeberverband an. Darüber hinaus durchbreche die Gruppenbildung gerade das System der Solidargemeinschaft. Wenn überhaupt, wäre eine Gruppenbildung nach den von den einzelnen Arbeitgebern eingebrachten Risiken angemessen gewesen, wie es dann auch später zum 1. Januar 2006 tatsächlich geschehen und allein sachgerecht sei. 44 Die Klägerin beantragt unter Bezugnahme auf die Mahnbescheide des Amtsgerichts Hagen vom 4. Januar 2006 (AS 3 f.) und 01.02.2007 (AS 101 f.), 45 1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 922.921,65 EUR (Sanierungsgeld für den Zeitraum vom 01.01.2002 bis 31.12.2002) nebst 46 - ausgerechneten Zinsen in Höhe von 63.514,86 EUR (für den Zeitraum vom 01.02.2002 bis 01.01.2006), - ausgerechneten Zinsen in Höhe von 489,92 EUR (für den Zeitraum vom 02.01.2006 bis 04.01.2006) sowie - weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus 922.921,65 EUR seit dem 05.01.2006 zu zahlen, 47 2. die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 997.482,24 EUR (Sanierungsgeld für den Zeitraum vom 01.01.2003 bis 31.12.2003) nebst 48 - ausgerechneten Zinsen in Höhe von 255.976,11 EUR (für den Zeitraum vom 01.02.2003 bis 01.02.2007) sowie - weiteren Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz aus 997.482,24 EUR ab dem 02.02.2007 zu zahlen, 49 Die Beklagte beantragt, 50 die Klage abzuweisen. 51 Die Beklagte trägt vor: 52 Die Klägerin sei weder unverhältnismäßig noch gleichheitswidrig belastet. Der Anteil der Klägerin am Sanierungsgeldvolumen bemesse sich nicht ausschließlich nach ihren individuellen Verhältnissen, sondern nach denen ihrer Arbeitgebergruppe (Kommunaler Arbeitgeberverband NRW). Dies beruhe auf einer tarifvertraglichen Grundentscheidung. Zu berücksichtigen sei auch das “Vorleben” der Klägerin, das Eigenbetriebe der Stadt Bielefeld mit vielen Rentnern bei der Stadt Bielefeld betreffe. Die Systemumstellung 2001 sei nicht gleichzusetzen mit einer Kapitaldeckung (§ 61 I VBLS). Die Rentenlasten seien beim Verteilungsschlüssel immerhin nahezu hälftig berücksichtigt (44,5 %). Die 9-fache Gewichtung der Rentenlasten sei tarifvertraglich festgelegt; an diese Grundentscheidung sei die Klägerin gebunden. Die neue Regelung ab 2006 habe sich historisch entwickelt; dass sie lediglich für die Zukunft Wirkung entfalte, habe die Klägerin hinzunehmen. Die Zuordnung der Klägerin zum Kommunalen Arbeitgeberverband NRW ergebe sich nicht rein zufällig, sondern aufgrund ihrer eigenen Entscheidung; es würden gewissermaßen “Untersolidargemeinschaften” geschaffen. 53 Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.12.2008 (AS 283 f.) Bezug genommen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. 3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht 8. Kammer
Schleswig-Holstein
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28.08.2020
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Randnummer 1 Der am xxx geborene Kläger ist armenischer Staatsangehöriger. Randnummer 2 Er kam im Dezember 2014 nach Deutschland und beantragte Asyl. Bei seiner Anhörung am 07.03.2017 gab er an, dass sein Vater große Probleme in Armenien gehabt habe. Auch er sei davon betroffen gewesen. Einmal sei er von einem Mann mit einem Messer verletzt worden. Bei der Polizei sei er nicht gewesen. Das hätte die Sache nur noch schlimmer gemacht. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Anhörungsprotokoll Bezug genommen. Randnummer 3 Mit Bescheid vom 30.05.2017 wurde der Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt. Zugleich wurde die Flüchtlingseigenschaft und der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG nicht vorliegen. Zur Begründung heißt es, dass eine flüchtlingsrelevante Verfolgung nicht erkennbar sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Bescheides Bezug genommen. Randnummer 4 Am 15.06.2017 hat der Kläger Klage erhoben. Er beruft sich auf den bisherigen Vortrag im Verwaltungsverfahren und trägt darüber hinaus vor, dass er gesundheitliche Probleme habe. Insoweit verweist er auf eine ärztliche Stellungnahme vom 14.02.2017, auf die Bezug genommen wird (Bl. 31-34 der Gerichtsakte). Randnummer 5 Der Kläger beantragt, Randnummer 6 den Bescheid der Beklagten vom 30.05.2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Randnummer 7 1. ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG zuzuerkennen, Randnummer 8 2. hilfsweise subsidiären Schutz nach § 4 AsylG zuzuerkennen, Randnummer 9 3. weiter hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 S. 1 AufenthG vorliegen. Randnummer 10 Die Beklagte beantragt, Randnummer 11 die Klage abzuweisen. Randnummer 12 Sie nimmt zur Begründung auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides Bezug. Randnummer 13 Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung am 28.08.2020 informatorisch angehört worden. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen. Randnummer 14 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die elektronisch vorliegenden Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung abzuwenden durch Zahlung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der vollstreckbaren Kosten, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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VG Frankfurt 10. Kammer
Hessen
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08.08.2000
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Randnummer 1 Der #### geborene Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischen Volkstums aus der Provinz Elazig begehrt seine Anerkennung als Asylberechtigter. Er reiste eigenen Angaben zufolge am 23.01.1994 auf dem Landweg mit einem LKW in das Inland ein und stellte einen Asylantrag. Randnummer 2 Bei seiner persönlichen Anhörung im Rahmen der Vorprüfung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) am 17.02.1994 gab er an, er habe ursprünglich in seinem Heimatdorf ein Lebensmittelgeschäft gehabt und dieses wegen seiner pro-kurdischen Aktivitäten nicht mehr weiterbetreiben können (Belästigung durch die Polizei, mehrtägige Festnahme usw.). Auch im Westen der Türkei, in Izmir, habe er nicht unbehelligt leben können (u.a. mehrtägige Festnahme). Wegen der Einzelheiten wird auf die Anhörungsniederschrift verwiesen. Randnummer 3 Befragt gab er an, er habe bei seiner Rückkehr Angst um sein Leben. Es herrsche dort Krieg, die Dörfer würden evakuiert. Bei Rückkehr habe er keine Überlebenschance; er habe Angst, dort getötet zu werden. Randnummer 4 Das Bundesamt lehnte den Asylantrag mit Bescheid vom 14.07.1994 ab, stellte fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen und forderte den Kläger unter Abschiebungsandrohung in die Türkei auf, die Bundesrepublik binnen Monatsfrist zu verlassen. Randnummer 5 Der Kläger hat gegen den am 04.08.1994 zugestellten Bescheid am 08.08.1994 Klage erhoben. Zur Begründung vertieft er seinen bisherigen Vortrag. Randnummer 6 Der Kläger beantragt, Randnummer 7 unter Aufhebung des den Asylantrag ablehnenden Bescheides des Bundesamtes vom 14.07.1994 die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 AuslG und die Voraussetzungen des § 53 AuslG vorliegen. Randnummer 8 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Randnummer 9 Zur Ergänzung des Tatbestandes wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (insbes. des Urteils des Verwaltungsgerichts Kassel v. 17.12.1997 - 4 E 2349/94.A - ), der Behördenakte der Beklagten, sowie der Unterlagen verwiesen, wie sie in der Ladungsverfügung benannt sind.
Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung ihres Bescheides vom 14.07.1994 (Az: A 1831699-163) verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 des AuslG für den Kläger vorliegen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens haben die Beklagte zu 1/3 und der Kläger zu 2/3 zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn der jeweilige Kostenschuldner nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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VG Hamburg 1. Kammer
Hamburg
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15.12.2016
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Randnummer 1 Der Kläger begehrt die Ausstellung eines Abschlusszeugnisses, das keine Angaben zu den im Schulbesuchszeitraum versäumten Stunden enthält. Randnummer 2 Der Kläger, ... Jahre alt, besuchte vom 11. August 2011 bis zum 11. Juni 2013 die Staatliche Gewerbeschule Bautechnik, Fachschule für Technik, Fachrichtung Umweltschutztechnik (im Folgenden: Fachschule). Die von der Fachschule in Vollzeitform angebotene zweijährige Ausbildung umfasst mindestens 2.400 Unterrichtsstunden. Die Fachschule bescheinigte dem Kläger im Abschlusszeugnis vom 11. Juni 2013, die Abschlussprüfung bestanden zu haben und die Berufsbezeichnung „staatlich geprüfter Techniker der Fachrichtung Umweltschutztechnik“ führen zu dürfen. Im Abschlusszeugnis ist zudem in der Rubrik „Versäumnisse“ vermerkt: „entschuldigt 104 Stunden“, „unentschuldigt 0 Stunden“. Randnummer 3 Mit anwaltlichem Schreiben vom 20. Mai 2014 legte der Kläger gegen das Abschlusszeugnis Widerspruch ein. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Fehlzeiten dürften im Abschlusszeugnis nicht genannt werden. Dies sei rechtswidrig und verletze ihn im allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie in seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Es fehle eine Rechtsgrundlage für die Angabe der versäumten Stunden. § 10 APO-FS TWG ermächtige hierzu nicht und sei hinsichtlich der in Abschlusszeugnissen enthaltenen Vermerke abschließend. § 13 Abs. 2 APO-AT könne für die Angabe der Fehlzeiten im Abschlusszeugnis zudem deshalb nicht herangezogen werden, weil diese Vorschrift nach Wortlaut und Systematik nicht auf Abschlusszeugnisse anwendbar sei. § 13 Abs. 2 APO-AT beziehe sich mit der Formulierung „In den Zeugnissen“ auf die in § 13 Abs. 1 APO-AT genannten „Jahres- und Halbjahreszeugnisse“. Im Unterschied hierzu nehme § 13 Abs. 3 APO-AT auf „Alle Zeugnisse“ Bezug. Die Angabe der Versäumnisse im Abschlusszeugnis verletze ihn im allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). In Abschlusszeugnissen der Gymnasien ( §§ 17 , 18 APO-AH ), der Stadtteilschulen ( § 11 Abs. 5 APO-GrundStGy ) und der Hamburger Abendschulen (§ 7 APO-Abendschule i.V.m. § 11 Abs. 5 APO-GrundStGy ) dürften Versäumnisse nicht angegeben werden. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb Absolventen von Fachschulen schlechter behandelt werden sollten als Absolventen dieser Schulen. Auch verletze ihn die Angabe der Versäumnisse in seiner Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), weil es zu einer Wettbewerbsverzerrung bei der Arbeitssuche komme. Bei potenziellen zukünftigen Arbeitgebern werde dadurch der Eindruck erweckt, dass er unzuverlässig sei und sich der Schule gegenüber etwas zu Schulden kommen lassen habe. Randnummer 4 Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Dies begründete sie im Wesentlichen wie folgt: Rechtsgrundlage für die Angabe der Versäumnisse im Abschlusszeugnis sei § 13 Abs. 2 APO-AT . Diese Vorschrift sei nach § 1 APO-AT anwendbar. Die APO-FS TWG bestimme hinsichtlich der zu vermerkenden Versäumnisse nichts anderes als § 13 Abs. 2 APO-AT . § 10 APO-FS TWG treffe keine abschließende Regelung. Randnummer 5 Am 5. August 2014 hat der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seines Vorbringens aus dem Widerspruchsverfahren Klage erhoben (Az. 2 K 3682/14). Randnummer 6 Das Verwaltungsgericht Hamburg hat mit Beschluss vom 13. Mai 2015 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Der Kläger hat das Verfahren mit Schriftsatz vom 2. Mai 2016 wieder aufgenommen (Az. 1 K 2112/16 ). Randnummer 7 Der Kläger beantragt, Randnummer 8 die Beklagte unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2014 zu verpflichten, sein Abschlusszeugnis der Staatlichen Gewerbeschule Bautechnik, Fachschule für Technik, vom 11. Juni 2013 erneut auszustellen und dabei den Punkt „Versäumnisse: entschuldigt 104 Stunden/unentschuldigt 0 Stunden“ ersatzlos entfallen zu lassen. Randnummer 9 Die Beklagte beantragt, Randnummer 10 die Klage abzuweisen. Randnummer 11 Zur Begründung verweist die Beklagte auf ihren Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2014. Ergänzend macht sie geltend, weder aus dem Wortlaut von § 13 Abs. 2 APO-AT noch aus der Systematik der Vorschrift folge eine Beschränkung auf Jahres- und Halbjahreszeugnisse. Zwar sei im Allgemeinen die speziellere Regelung nach der generellen Regelung zu finden. Dies gelte für § 13 APO-AT jedoch nicht. § 13 Abs. 3 APO-AT treffe eine generelle Regelung für sämtliche Zeugnisse. Randnummer 12 Dem Verordnungsgeber komme bei der Entscheidung, welche aus dem Schulverhältnis sich ergebenden Angaben in das Zeugnis aufgenommen würden, nach § 44 HmbSG ein weites Ermessen zu. Die Rechtsverordnung genüge als Regelungsebene. Die Angabe der Fehlzeiten stelle eine sachgerechte ergänzende Information zu den Leistungsbewertungen dar. Wer nicht anwesend gewesen sei, habe das Lernangebot der Schule, das auf das mit dem Zeugnis testierte Leistungsziel ausgerichtet sei, in dieser Zeit nicht genutzt haben können. Diese Information könne sich sowohl günstig als auch ungünstig für die Schülerinnen und Schüler auswirken. So könne ein Testat zu krankheitsbedingten Fehlzeiten zur Erklärung eines Leistungseinbruchs dienen. Die Ausweisung unentschuldigter Fehlzeiten stelle eine wichtige Information zum Arbeitsverhalten des Schülers dar. Es bleibe eine pädagogische Frage, für welche Schulform welche Regelung getroffen werde. Randnummer 13 Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt. Die Sachakten haben bei der Entscheidung vorgelegen.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollsteckenden Betrages leistet.
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OLG Frankfurt 2. Senat für Familiensachen
Hessen
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09.03.2005
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Randnummer 1 Die Parteien waren miteinander verheiratet, ihre Ehe wurde 1999 geschieden. Aus ihr sind zwei inzwischen volljährige Söhne, nämlich A1, geboren am … 1979, und A2, geboren am … 1981, hervorgegangen. Mit notariellem Vertrag vom … 1996 wurde das zuvor im Alleineigentum des Beklagten stehende Hausgrundstück, …Straße …, in Stadt02, in dem die Mutter des Beklagten die Dachgeschosswohnung etwa 1/3 der Gesamtwohnfläche des Hauses bewohnt, auf die Söhne der Parteien übertragen, der Beklagte hat sich jedoch ein lebenslanges Nießbrauchrecht vorbehalten. Die für das Grundstück bestehenden Bankverbindlichkeiten sollten durch vom Beklagten zu bedienende Lebensversicherungen abgelöst werden. Randnummer 2 Die Parteien waren außerdem Miteigentümer zu je 1/2 des Grundstücks … Straße .. in Stadt03. Auf dem Grundstück steht ein Gebäudekomplex, bestehend aus einem Wohntrakt, in dem sich die eheliche Wohnung befand und die seit der Trennung der Parteien von der Klägerin und den beiden Söhnen bewohnt wurde, sowie einem Gebäudeteil, in dem der Beklagte seine Zahnarztpraxis betreibt. Der Grundbesitz wurde in zwei Miteigentumsanteile aufgeteilt und ebenfalls der Wohntrakt auf die beiden Söhne übertragen. Randnummer 3 Die Parteien schlossen am … 1996 vor dem Notar N1 in Stadt01 (UR- Nr. … für 1996) einen notariellen Vertrag, in dem neben den bereits erwähnten Grundstücksübertragungen eine Regelung auch für den Unterhalt der Klägerin selbst sowie der beiden Söhne getroffen wurde. Wegen der Einzelheiten der notariellen Vereinbarung wird auf die Ablichtung auf Blatt 12 bis 28 I der Akten verwiesen. Kern dieser Vereinbarung war, dass die Klägerin die Hälfte der Praxiseinnahmen des Beklagten erhalten sollte, nachdem dieser Ertrag um in einer Anlage zum Vertrag genau festgelegte Abzugspositionen bereinigt worden ist. Randnummer 4 Im ersten Rechtszug stritten die Parteien über die Unterhaltsabrechnung für das Jahr 1999 sowie über die Verpflichtungen gegenüber den beiden Söhnen, die der Beklagte durch handschriftliche ergänzende Vereinbarung eingegangen ist. Wegen der Einzelheiten dieser Vereinbarung wird auf die Ablichtung auf Blatt 29 I der Akten Bezug genommen. Randnummer 5 Die Klägerin hat beantragt, 1. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, in Zukunft ihre Krankenversicherung beim X und ihre Kfz.-Versicherung aufrechtzuerhalten und die Beiträge zu zahlen sowie ab Mai 2000 die Kosten für die Kinder der Parteien A1 und A2 für Tanken, Strom, Autoversicherung, Autosteuer, Motorradversicherung, Taschengeld in Höhe von monatlich 200 DM je Kind zu zahlen, 2. den Beklagten zu verurteilen, an sie 93.946,28 DM nebst 4 % Zinsen aus 7.938,05 DM ab 12. Juli 2000 und aus 86.008,23 DM ab 1. Juli 2000, sowie 3. den Beklagten zu verurteilen, an sie ab 1. Oktober 2000 monatlich 10.950,62 DM zu zahlen. Randnummer 6 Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 7 Außerdem hat er Widerklage erhoben mit dem Antrag, die Klägerin zu verurteilen, an ihn 51.386,17 DM nebst 4 % Zinsen seit 11. August 2000 zu zahlen. Randnummer 8 Die Klägerin hat beantragt, die Widerklage abzuweisen. Randnummer 9 Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, um unnötige Wiederholungen zu vermeiden. Randnummer 10 Das Amtsgericht hat durch das angefochtene Urteil festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, die Krankenversicherung der Klägerin und die Kfz.-Versicherung der Klägerin aufrechtzuerhalten und die Beiträge zu zahlen sowie (insoweit antragsgemäß) Kosten für die Kinder zu übernehmen, weiterhin hat der Beklagte nach dem Urteil an die Klägerin 159.381,52 DM nebst 4 % Zinsen aus 7.669,57 DM ab 12. Juli 2000, aus 85.008,23 DM ab 1. August 2000 sowie ab 1. April 2001 monatlich 10.950,62 DM Unterhalt zu zahlen. Im Übrigen hat das Amtsgericht Klage und Widerklage abgewiesen. Randnummer 11 Dieses Urteil ist der Klägerin am 20. April 2001 zugestellt worden, dem Beklagten am 19. April 2001. Randnummer 12 Beide Parteien wenden sich hiergegen mit ihren Berufungen. Die Berufung des Beklagten ist am 4. Mai 2001 eingegangen und am 28. Dezember 2001 begründet worden, nachdem die Berufungsbegründungsfrist durch Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 4. Dezember 2001 letztmalig bis zum 3. Januar 2002 verlängert worden war. Randnummer 13 Die Klägerin hat am 17. Mai 2001 Berufung eingelegt und diese am 21. August 2001 begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist durch Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 16. Juli 2001 bis zu diesem Tag verlängert worden war. Randnummer 14 Die Klägerin macht geltend, das Amtsgericht habe den Feststellungsausspruch in 1 c des Urteilstenors unrichtigerweise zeitlich begrenzt, es habe einen Unterhaltsrückstand in zu geringer Höhe errechnet, deshalb sei auch der laufende Unterhalt zu niedrig festgesetzt worden. Die Auflösung der Ansparabschreibung sei erst nach zwei Jahren nötig gewesen und könne deshalb für 1999 nicht berücksichtigt werden. Sie müsse sich Tilgungsleistungen für die Anschaffung des Röntgengerätes nicht entgegenhalten lassen, weil dies von der vertraglichen Vereinbarung nicht gedeckt werde. Der Beklagte habe seine Risikolebensversicherung in eine Kapitallebensversicherung umgewandelt, was zu höheren Beiträgen geführt habe. Vereinbart gewesen sei jedoch nur die Fortführung der bestehenden Versicherungen. Die in den Gewinn- und Verlustrechnungen aufgeführten Aushilfslöhne seien tatsächlich nicht gezahlt. Nur tatsächlich gezahlte Steuern könnten abgesetzt werden. Die Gartenbaufirma B habe auch für die Praxis gearbeitet, nur 40 % ihrer Tätigkeit entfiele auf den Wohntrakt, so dass der Praxisanteil bereits bei der Ermittlung des Praxisgewinns berücksichtigt worden sei. Die vom Beklagten angeblich gezahlten Grundsteuerbeträge seien nicht belegt, ebenso wenig die Zahlungen an die Hausratversicherung. Nach dem notariellen Vertrag sei der Beklagte verpflichtet gewesen, die mit den Eigentumsübertragungen verbundenen Kosten allein zu tragen. Die Aufwendungen für das Haus in Stadt02 könnten nur zu 2/3 berücksichtigt werden, weil die Mutter des Beklagten mit in dem Haus wohne und sich deshalb an den Kosten zu beteiligen habe. Auch seien die Aufwendungen für das Haus in Stadt02 (Grundsteuer, andere Abgaben und Versicherungsprämien) nicht belegt. Die Steuerschulden der zweiten Ehefrau des Beklagten dürften nicht abgesetzt werden. Die betrieblich veranlassten Verbindlichkeiten seien sehr viel geringer; der Beklagte finanziere private Zahlungen über das Geschäftskonto, das dann teilweise durch „betriebliche" Darlehen abgelöst worden sei. Aufwendungen zur Erhöhung des Praxisvermögens sollten unterhaltsrechtlich ohne Bedeutung sein. Randnummer 15 Außerdem sei in die Gewinn- und Verlustrechnung zu viel Labormaterial, insbesondere Edelmetall, eingestellt worden. Randnummer 16 Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und festzustellen, dass der Beklagte über den Feststellungsausspruch im Urteil des Amtsgerichts hinaus verpflichtet ist, auch für die Zeit ab 16. März 2001 die Kosten für die beiden Söhne A1 und A2 für Tanken, Strom, Autoversicherung, Autosteuer, Motorradversicherung sowie ein monatliches Taschengeld in Höhe von jeweils 200 DM je Kind für A1 und A2 zu zahlen, hilfsweise festzustellen, dass der Beklagte über den Feststellungsausspruch der angefochtenen Entscheidung hinaus auch verpflichtet ist, für die Zeit ab 16. März 2001 solange, wie das betreffende Kind keinen eigenen Unterhaltsanspruch gegen ihn geltend macht, die vorgenannten Kosten sowie das Taschengeld zu zahlen, den Beklagten zu verurteilen, über die erstinstanzlich ausgeurteilten Beträge hinaus an die Klägerin weitere 21.542,83 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. August 2000 sowie ab 1. April 2001 einen weiteren monatlichen Betrag in Höhe von 1.114,28 DM zu zahlen, weiterhin, den Beklagten zu verurteilen, an sie 9.781,90 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins aus 7.254,55 € seit dem 24. Mai 2001 und aus 2.527,37 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen, über die erstinstanzlich ausgeurteilten Beträge hinaus an die Klägerin weitere 21.542,83 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 1. August 2000 weitere 9.781,90 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins aus 7.254,55 € seit dem 24. Mai 2001 und aus 2.527,37 € seit Rechtshängigkeit sowie weitere 56.514,78 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins aus 55.518,17 € seit 1. August 2001 und aus 996,60 € seit Rechtshängigkeit sowie ab dem 1. April 2001 einen weiteren monatlichen Unterhaltsbetrag in Höhe von 1.114,28 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins ab dem 1. eines jeden Monats, beginnend mit dem Monat April 2001, sowie 5 % Zinsen über dem Basiszins aus jeweils 10.950,82 DM ab dem 1. eines jeden Monats, beginnend mit dem Monat April 2001, zu zahlen, die gegnerische Berufung zurückzuweisen und die Widerklage abzuweisen, hilfsweise den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 21.194,70 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit dem 1. August 2001, weitere 69.778,80 DM nebst 5% Zinsen über dem Basiszins seit dem 1. August 2002, weitere 28.007,96 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit dem 1. August 2003, weitere 28.007,96 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszins seit dem 1. August 2004 zu zahlen. Randnummer 17 Außerdem erhebt sie Stufenklage mit dem Antrag, den Beklagten zur Auskunft über die Einkommenssituation in den Jahren 2000, 2001 und 2002 und zur Vorlage von Belegen zu verurteilen, weiterhin erforderlichenfalls zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu verurteilen und schließlich den sich nach Auskunftserteilung zu berechnenden Unterhalt für die Jahre 2000 bis 2002 zu zahlen. Randnummer 18 Die Auskunftsstufe hat der Senat durch Teilurteil vom 31. März 2004 erledigt. Randnummer 19 Der Beklagte beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, die Klage vollen Umfangs abzuweisen sowie auf die Widerklage die Klägerin zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2002 überzahlte 94.831,24 € zu zahlen und die monatliche Unterhaltsverpflichtung dahin abzuändern, dass er an die Klägerin monatlich 2.200 € zu zahlen hat (davon 1.100 € Ehegattenunterhalt und für die Söhne A1 und A2 je 550 € Ausbildungsunterhalt), weiterhin, festzustellen, dass der Zahlbetrag von 94.831,24 € in der Weise mit den künftigen monatlichen Unterhaltszahlungen verrechnet wird, dass an die Klägerin bis zur vollständigen Tilgung als Ehegattenbarunterhalt monatlich 450 € und für jeden Sohn als Ausbildungsunterhalt monatlich 550 €, insgesamt 1.550 €, ausgezahlt werden. Randnummer 20 Er macht geltend, die dem Senat vorgelegten Gewinn- und Verlustrechnungen wiesen in jeder Hinsicht korrekte Betriebsausgaben einschließlich Personal- und Laborkosten aus. Nach den vertraglichen Vereinbarungen sei es durchaus zulässig, die Tilgungen für Investitionen, die für den ordnungsgemäßen Betrieb der Praxis nötig seien, abzuziehen. Außerdem sei aus dem Vertrag nicht ersichtlich, dass nur die tatsächlich gezahlten Steuern Berücksichtigung finden müssten, vielmehr sei von den gesetzlich geschuldeten Steuern auszugehen. Auch soweit einzelne Aufwendungen, nicht belegt worden seien, seien sie doch gleichwohl getätigt worden. Zu keinem Zeitpunkt seien private Verbindlichkeiten über die Praxis abgewickelt worden. Die Umwandlung der Lebensversicherung in eine Kapitalversicherung sei zur Absicherung von Praxiskrediten erforderlich gewesen; die Tilgung hierauf sei entsprechend ausgesetzt worden. Diese Lebensversicherungen seien an die Bank 01 abgetreten gewesen, bezugsberechtigt waren die beiden Söhne. DasAbschreibungsobjekt in Stadt04 müsse berücksichtigt werden, weil die Klägerin aber auch an den Einnahmenüberschüssen nicht beteiligt werden soll. Die Steuervorteile sollten der Klägerin nicht zu Gute kommen. Randnummer 21 Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die zwischen den Parteien im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze einschließlich der dazu vorgelegten Anlagen Bezug genommen. Randnummer 22 Der Senat hat gemäß Beschluss vom 31. März 2004 über den Inhalt der Verhandlungen zwischen den Parteien anlässlich der Vorbereitung und des Abschlusses notariellen Unterhaltsvereinbarung vom … 1996 durch Vernehmung der Zeugen Z1 und Z2 Beweis erhoben. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10. November 2004 Bezug genommen.
Auf die Berufungen beider Parteien wird das Urteil des Amtsgerichts Kassel vom 4. April 2001 abgeändert und unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel wie folgt neu gefasst: Es wird festgestellt, dass der Beklagte ab Mai 2000 die Kosten für die Kinder der Parteien A1 und A2 für Tanken, Strom, Autoversicherung, Autosteuer, Motorradversicherung, Taschengeld in Höhe von monatlich 200 DM je Kind zu übernehmen hat. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Zeit ab 1. Januar 2004 monatlich 2.658,72 € sowie einmalig 4.890,95 €, letzteren Betrag nebst 5 % über dem Basiszinssatz aus 3.628 € seit dem 24. Mai 2001 und aus weiteren 1.263,68 € seit dem 22. Januar 2004 zu zahlen. Es wird festgestellt, dass der Beklagte berechtigt ist, mit einem Betrag von 4.794 € gegenüber der Unterhaltsforderung der Klägerin aufzurechnen (VII 4. Absatz nach Nr. 4 des notariellen Vertrages vom …1996 (Notar N1 in Stadt01 - Urkundenrolle-Nr. …/96), soweit aufgrund der Abrechnungen für 2004 und die Folgejahre sich höhere monatliche Unterhaltsbeträge als 2.658,72 € errechnen. Im Übrigen werden Klage und Widerklage abgewiesen, soweit über die Klage nicht durch Teilurteil des Senats vom 31. März 2004 entschieden ist. Von den Kosten des ersten Rechtszuges haben die Klägerin 3/4 und der Beklagte 1/4 zu tragen, die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
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Sozialgericht für das Saarland 15. Kammer
Saarland
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23.10.2015
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten darüber, ob der Anspruch des Klägers auf Zahlung von Krankengeld nach dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) für den Zeitraum vom 09.05.2015 bis 20.05.2015 zum Ruhen gekommen ist. Randnummer 2 Der 1966 geborene Kläger ist gesetzlich mit dem Anspruch auf Krankengeld versichertes Mitglied bei der Beklagten. Am 02.03.2015 erkrankte er arbeitsunfähig und erhielt von seinem Arbeitgeber zunächst bis zum 13.04.2015. Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz Im Anschluss bezog der Kläger von der Beklagten Krankengeld. Randnummer 3 Mit Bescheid vom 29.05.2015 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein weitergehender Anspruch auf Krankengeld für den Zeitraum vom 09.05.2015 bis 20.05.2015 ruhe, da er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 7.5.2015 erst am 21.05.2015, und damit nicht innerhalb einer Woche nach der ärztlichen Feststellung, angezeigt habe. Die rechtzeitige Meldung der Arbeitsunfähigkeit bei der Beklagten sei eine Obliegenheit des Versicherten, weshalb er die Folgen der Nichtmeldung zu tragen habe. Den hiergegen am 17.06.2015 erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.07.2015 als unbegründet zurück. Randnummer 4 Hiergegen richtet sich die am 07.08.2015 zum Sozialgericht des Saarlandes erhobene Klage mit der der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Der Kläger macht geltend, der behandelnde Arzt Dr. M. habe die weitere Arbeitsunfähigkeit am 07.05.2015 festgestellt und die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung noch am selben Tag an die Beklagte versandt. Der tatsächliche Eingang dieser Bescheinigung bei der Beklagten erst zum 21.05.2015 sei daher wenig nachvollziehbar und von seiner Seite nicht zu vertreten. Randnummer 5 Der Kläger beantragt, Randnummer 6 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2015 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 09.05.2015 bis 20.05.2015 Krankengeld zu zahlen. Randnummer 7 Die Beklagte beantragt, Randnummer 8 die Klage abzuweisen. Randnummer 9 Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und meint, die verspätete Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung falle in den Verantwortungsbereich des Klägers, denn dieser trage die Übermittlungsgefahr selbst dann, wenn der behandelnde Arzt die Übermittlung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung besorgt hätte. Randnummer 10 Am 23.10.2015 fand vor dem Sozialgericht für das Saarland ein Termin zur mündlichen Verhandlung statt, anlässlich dessen der Kläger persönlich gehört wurde. Wegen des Inhalts wird auf die Sitzungsniederschrift vom gleichen Tag verwiesen. Randnummer 11 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts, insbesondere des Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Sozialgerichtsakte nebst der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakte Bezug genommen.
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 29.05.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.07.2015 verurteilt, dem Kläger für den Zeitraum vom 09.05.2015 bis 20.05.2015 Krankengeld zu zahlen. 2. Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.
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AG Bad Segeberg
Schleswig-Holstein
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04.07.2013
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Randnummer 1 (unter Verzicht auf den Tatbestand gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO)
Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hamburg vom 21.03.2013 (Az.: 13-…) wird aufgehoben und wie folgt neu gefasst: Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 162,92 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.03.2013 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 30 % und die Beklagte 70 % zu tragen. Hiervon ausgenommen sind die Kosten, die durch die Säumnis der Beklagten entstanden sind; diese Kosten hat die Beklagte alleine zu tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Streitwert wird auf 162,92 € festgesetzt.
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SG Darmstadt 18. Kammer
Hessen
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17.03.2014
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Die Beteiligten streiten darum, ob der Kläger in seiner Tätigkeit als GmbH-Geschäftsführer bei der Beigeladenen zu 1) als abhängig Beschäftigter zu betrachten ist und damit in den Zweigen der Sozialversicherung als Beschäftigter pflichtversichert ist. Die Beigeladene zu 1) ist eine Gesellschaft für Handel mit Lebensmittel und Beratung und dem "Non-Food"-Bereich. Der Kläger ist mit 49 % an der Gesellschaft beteiligt und alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Die Geschäftsführertätigkeit bekleidet er seit dem 1.9.2010, also seit der Gründung der Gesellschaft. An der Beigeladenen zu 1) sind 2 weitere Gesellschafter beteiligt, nämlich Herr I. E. mit 49 % der Geschäftsanteile und die GE. AG mit 2 % der Geschäftsanteile. Am 3.3.2012 stellte der Kläger einen Antrag auf Statusfeststellung mit dem Ziel der Feststellung einer selbständigen Tätigkeit. Er teilte mit, dass er bei der Beigeladenen zu 2 und 3 gesetzlich kranken- und pflegeversichert sei. Weiter gab der Kläger an, dass er durch vertragliche Sonderrechte Gesellschafterbeschlüsse nicht verhindern könne. Er übe das Stimmrecht auch nicht für Dritte aus. Einem Weisungsrecht unterliege er nicht. Er könne seine Tätigkeit frei gestalten. Ab September 2010 habe er 4.000,- € monatlich verdient und ab November 2011 monatlich 5.500 €. Außerdem sei er als Gesellschafter am Gewinn der Gesellschaft beteiligt. Der Kläger legte den Gesellschaftsvertrag und seinen Geschäftsführervertrag vor. In dem Gesellschaftsvertrag ist insbesondere die Verteilung der Gesellschaftsanteile geregelt. Im Geschäftsführervertrag des Klägers vom 1.9.2010 heißt es wörtlich insbesondere: § 1 Vertretung Der Geschäftsführer übernimmt ab 01. September 2010 die Stellung als Geschäftsführer der Gesellschaft und vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich, und zwar vorläufig alleine. Von den Beschränkungen des § 181 BGB ist er befreit. (…) Die Gesellschaft kann jederzeit neben ihm weitere Geschäftsführer oder Prokuristen bestellen und die Vertretungsmacht und Geschäftsführung neu regeln. § 2 Geschäftsführung Der Geschäftsführer führt die Geschäfte der Gesellschaft und hat die verantwortliche Leitung und Überwachung des gesamten Geschäftsbetriebes nach Maßgabe der Gesetze, der Satzung der Gesellschaft, der Geschäftsordnung, der Beschlüsse und Weisungen der Gesellschafterversammlung sowie diesem Anstellungsvertrag. (….) § 3 Vertragsdauer / Kündigung / Freistellung / Beendigung Dieser Vertrag beginnt am 01. September 2010 und wird auf unbestimmte Zeit geschlossen. Er kann von beiden Seiten mit einer Frist von drei Monaten zum Jahresende gekündigt werden. Hiervon unberührt bleibt das Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund. Ein wichtiger Grund ist z.B. die Abberufung des Geschäftsführers durch die Gesellschafterversammlung, schwere Verstöße des Geschäftsführers gegen die im Innenverhältnis auferlegten Beschränkungen der Geschäftsführung oder gegen Weisungen der Gesellschafterversammlung, ferner die Liquidation der Gesellschaft. (….) § 4 Arbeitszeit Die Arbeitszeit richtet sich nach den betrieblichen Erfordernissen und ist von dem Geschäftsführer in diesem Rahmen frei und eigenverantwortlich zu gestalten. Er ist jedoch gehalten, jederzeit, wenn und soweit es das Wohl der Gesellschaft erfordert, zur Dienstleistung zur Verfügung zu stehen. § 5 Vergütung Der Geschäftsführer erhält als Vergütung für seine Tätigkeit ein festes zu zahlendes Gehalt in Höhe von EUR 4.000,00, zahlbar am Ende eines jeden Monats. § 6 sonstige Leistungen Bei Geschäftsreisen hat der Geschäftsführer Anspruch auf Ersatz seiner Spesen; übersteigen die aufgewendeten Spesen die nach steuerlichen Vorschriften zulässigen Höchstbeträge, so sind diese Ausgaben einzeln zu belegen. § 7 gesetzliche Versicherungspflicht Da der Geschäftsführer bei der Gestaltung seiner Arbeitsleistung keinem Direktionsrecht unterliegt, besteht keine Versicherungspflicht des Geschäftsführers in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. (…) § 11 Urlaub Der Geschäftsführer hat Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub von 28 Arbeitstagen. (…) § 12 Fortzahlung der Bezüge Ist der Geschäftsführer infolge Erkrankung vorübergehend daran gehindert, seine Tätigkeit als Geschäftsführer auszuüben, wird ihm die vertragliche Vergütung für die Dauer von 6 Wochen weitergezahlt. Das gleiche gilt für andere unverschuldete Verhinderungen. (…) Am 10.2.2011 haben alle 3 Gesellschafter der Beigeladenen zu 1) beschlossen, dass der Kläger eine Gehaltserhöhung von 1.500,- € erhalten soll und als Dienstwagen einen Porsche Cayenne. Am 23.4.2012 hörte die Beklagte den Kläger und die Beigeladene zu 1) dazu an, dass beabsichtigt sei festzustellen, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer als abhängig Beschäftigter zu betrachten ist und daher der Versicherungspflicht in der Gesetzlichen Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliege. Dafür spreche insbesondere, dass er eine feste Vergütung erhalte und vor allem, dass er weder die Stimmenmehrheit auf sich vereinige noch eine Sperrminorität habe. Daher könne er keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben. Es sei auch kein Unternehmerrisiko ersichtlich. Der Kläger sei in den Betrieb der Beigeladenen zu 1) eingegliedert. Allein aus der Weisungsfreiheit könne kein Rückschluss auf eine selbständige Tätigkeit gezogen werden. Am 14.5.2012 erließ die Beklagte den angekündigten Bescheid. Der Kläger erhob am 6.6.2012 Widerspruch. Man habe vergessen mitzuteilen, dass der Gesellschafter, der 2 % an der Beigeladenen zu 1) halte, durch Gesellschaftsbeschluss vom 1.9.2010, dem Kläger Vollmacht über die Stimmrechte dieses Gesellschafters erteilt habe. Wörtlich heißt es in dem gleichzeitig vorgelegten Gesellschafterbeschluss, der auf den 1.9.2010 datiert: "Die GE. AG, vertreten durch Herrn S., erteilt Herrn A. per Beschluss die Stimmrechte an der Firma C. zu vertreten, damit Herr A. in allen geschäftlichen Belangen volle Entscheidungsmacht hat. Die GE. AG verzichtet damit darauf, in den allgemeinen Geschäftsverlauf einzugreifen. Alle Gesellschafter sind sich darüber einig, dass Herrn A. dadurch 51 % der Stimmrechte verwaltet. Das Recht der Verwaltung der Stimmrechte kann durch die GE. AG widerrufen werden." Der Widerspruch des Klägers wurde durch Widerspruchsbescheid vom 20.9.2012 zurückgewiesen. Zur Begründung führte die Beklagte unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aus, dass die widerrufliche Stimmrechtsvollmacht keine selbständige Tätigkeit begründen könne. Hiergegen hat der Kläger am 19.10.2012 Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt erhoben. Zur Begründung trägt der Kläger vor, dass er umfassende und alleinige Entscheidungsbefugnis habe. Aufgrund der Beteiligung an der Gesellschaft bestehe auch ein Unternehmerrisiko. Er bestimme die Geschäftspolitik. Beispielhaft schildert er, dass er für die Beigeladene zu 1) einen weiteren Standort in O-Stadt eröffnet habe. Dabei habe es sich um eine Investition von ca. 250.000,00 € gehandelt. Das von der Beklagten zitierte Urteil sei nicht einschlägig, da es sich mit einem Fremdgeschäftsführer befasse und nicht mit einem Gesellschaftergeschäftsführer. Auch die übrigen Merkmale für eine selbständige Tätigkeit würden vorliegen. Insbesondere sei er weisungsfrei. Er beschäftige etwa 50 Arbeitnehmer. Der Kläger beantragt: Der Bescheid der Beklagten vom 14.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2012 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die vom Kläger bei der C. verrichtetet Tätigkeit als Geschäftsführer nicht der Versicherungspflicht unterliegt. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte verweist auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Kraft der Regelungen in der Satzung könne der Kläger Beschlüsse der Gesellschaft nicht verhindern. Die vom Kläger ins Feld geführten Freiräume seien typisch für Dienste höherer Art und stünden einer Beschäftigung nicht entgegen. Die "Vollmacht" über die Stimmen der GE. AG habe nur schuldrechtliche Wirkung. Sie sei außerdem jederzeit widerrufbar. In seiner Tätigkeit unterscheide sich der Kläger nicht von leitenden Angestellten. Die Beigeladene zu 1) stellt keinen Antrag. Die Beigeladene zu 1) legte einen Gesellschafterbeschluss von allen Gesellschaftern vor, mit dem beschlossen wurde, dass sich die Beigeladene zu 1) der Auffassung des Klägers anschließe und dass er keinen Weisungen durch die Gesellschafter unterliege. Die Beigeladenen zu 2) und 3) beantragen, die Klage abzuweisen. Sie schließen sich der Auffassung der Beklagten an. Die Beigeladene zu 4) stellt keinen Antrag. Sie schließt sich jedoch ebenfalls der Auffassung der Beklagten an. Die Beteiligten wurden in der mündlichen Verhandlung am 17.3.2014 angehört. Zur Ergänzung des Tatbestands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Der Bescheid der Beklagten vom 14.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.09.2012 wird aufgehoben, soweit die Beklage aufgrund der Beschäftigung des Klägers für die C. für die Zeit ab dem 1.1.2012 eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung festgestellt hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger 50% der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligen einander keine Kosten zu erstatten.
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ArbG Gera 7. Kammer
Thüringen
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26.10.2022
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit des TVÖD in der jeweils geltenden Fassung auf ihr Arbeitsverhältnis und daraus folgende Vergütungsansprüche der Klägerin. Randnummer 2 Die am 28.08.1962 geborene Klägerin war entsprechend ihrem Arbeitsvertrag beginnend ab dem 01.09.1982 zunächst bei dem Vorgänger der Beklagten, dem Kreiskrankenhaus S., als Krankenhaushygieneschwester beschäftigt. Randnummer 3 In dem Arbeitsvertrag vom 25.05.1992 zwischen der Klägerin und dem vormaligen Arbeitgeber, auf welchen Bezug genommen wird, heißt es in § 2: Randnummer 4 § 2 Das Arbeitsverhältnis richtet sich nach den Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages vom 23.Feburar 1961 (BAT) in der für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung, den einschlägigen Sonderregelungen zum BAT und den zusätzlichen für den Bereich der Arbeitgebers verbindlichen Tarifverträgen in ihrer jeweils geltenden Fassung. Das gleiche gilt für die an ihre Stelle tretenden Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung. Randnummer 5 Das Kreiskrankenhaus S. gehörte ursprünglich zum Landkreis Sa., welcher Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Thüringen e.V. und damit tarifgebunden war. Das später ausgegliederte Kreiskrankenhaus S. war selbst jedoch nicht vollständiges Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Thüringen e.V., sondern lediglich seit dem 01.02.2006 dessen Gastmitglied. Randnummer 6 Die Klägerin und der vormalige Arbeitgeber unterschrieben diverse als „Änderungsvertrag” überschriebene Dokumente zur Änderung des Arbeitsvertrags vom 01.09.1982, in denen verschiedene Möglichkeiten zur Vertragsänderung zum Ankreuzen und Ausfüllen vorformuliert waren. Die Vertragsparteien machten hiervon durch Ankreuzen und Lückenausfüllung wie folgt Gebrauch: Am 14.04.2000 wurde lediglich § 1 des Vertrages vom 01.09.1982 in der Fassung des Änderungsvertrages vom 01.05.1992 mit Wirkung vom 01.01.1993 dahingehend geändert, dass die Klägerin als vollbeschäftigte Angestellte nunmehr auf unbestimmte Zeit als Hygienefachkraft weiterbeschäftigt wird. Darüber hinausgehendes Ankreuzen oder Ausfüllen erfolgte nicht. Am 20.04.2004 wurde lediglich § 1 des Vertrages vom 01.09.1982 in der Fassung des Änderungsvertrages vom 01.01.1993 mit Wirkung vom 01.05.2004 dahingehend geändert, dass die Klägerin als nicht vollbeschäftigte Angestellte mit einer durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich auf unbestimmte Zeit als Krankenhaushygieneschwester weiterbeschäftigt wird. Am 06.06.2017 wurde § 1 des Vertrages vom 01.09.1982 in der Fassung des Änderungsvertrages vom 04.03.2015 mit Wirkung vom 01.05.2018 dahingehend geändert, dass die Klägerin als nicht vollbeschäftigte Hygieneschwester mit einer durchschnittlichen regelmäßigen Arbeitszeit von 35 Stunden wöchentlich für die Zeit bis zum Ende des gewählten Betriebsrats weiterbeschäftigt wird. § 4 und § 5 des Arbeitsvertrages sollten unverändert bleiben. Auf die Änderungsverträge wird Bezug genommen. Randnummer 7 Im Jahr 2021 erfolgte ein Betriebsübergang des Kreiskrankenhauses S. auf die Beklagte, bei der die Klägerin zuletzt mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden zu einem Bruttomonatsgehalt von 2.395,27 € (Vergütung nach der Gehaltsgruppe des TVöD-BT KR 8 a Stufe 6) beschäftigt ist. Die Beklagte ist ebenfalls nicht tarifgebunden. Randnummer 8 Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe einen Anspruch auf Differenzzahlungen für den Zeitraum Juli 2020 – November 2021 zwischen der ihr gezahlten Vergütung und der Gehaltsgruppe P9 Tabelle TVöD-K, Anlage E mit der Stufe 6. In allen Arbeitsverträgen habe zwischen den Vertragsparteien die Einigkeit bestanden, die Regelungen des BAT, später TVÖD, vertraglich einzubeziehen. Bereits aus der Formulierung in den Folgeverträgen als „Änderungsvertrag mit BAT-O Angestellten“ werde dies deutlich. Zudem sei in den Folgeverträgen konkret auf die Vergütung des BAT, später TVÖD, Bezug genommen worden. Randnummer 9 Die Klägerin beantragt, Randnummer 10 1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 8.758,35 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen. 2. festzustellen, dass die Klägerin in die Entgeltgruppe P9 Tabelle TVöD-K, Anlage E eingruppiert ist. 3. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.573,68 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen. 4. hilfsweise festzustellen, dass die Klägerin in die Entgeltgruppe P8 Tabelle TVöD-K, Anlage E eingruppiert ist. 5. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Betrag von 7.785,20 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen. 6. hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 6.732,16 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Randnummer 11 Die Beklagte beantragt, Randnummer 12 die Klage abzuweisen. Randnummer 13 Die Beklagte trägt vor, dass zwischen den Arbeitsvertragsparteien keinesfalls Einigkeit bestanden habe, die Regelungen des BAT, später TVÖD, vertraglich einzubeziehen. Es sei demnach auch nicht vereinbart worden, dass nachfolgende Tariferhöhungen auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden sollen. Die Beklagte meint zudem, die Klage sei unschlüssig, da die begehrten Zahlungen falsch berechnet und zu unkonkret vorgetragen seien. Randnummer 14 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Protokolle verwiesen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen. 3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 51.576,95 € festgesetzt.
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LG Gießen 2. Zivilkammer
Hessen
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24.01.2022
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Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger Schadenersatz aus dem Kauf eines Pkw, der mit einem … Dieselmotor ausgerüstet ist. Der Kläger kaufte den Pkw …, 110 kw, Euro 6, …, 09.05.2017, am 25.10.2020 mit einem Kilometerstand von 61.700km zu einem Bruttokaufpreis von 16.600,01 der Autohaus … in …, die … Vertragshändlerin ist. Das Fahrzeug hatte am 30.07.2021 einen Kilometerstand von 78.138km. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor … der Beklagten ausgerüstet. Der Kläger behauptet, in dem Motor seien mehrere unzulässige Abschalteinrichtungen verwendet, um den Betrieb des Fahrzeugs im Teststand oder aber im Straßenverkehr zu erkennen und im Falle des Testbetriebs die Abgasreinigung so zu manipulieren und anzupassen, dass ausschließlich im Testzyklus auf dem Rollenprüfstand korrekte und zulassungsfähige Abgaswerte erzielt werden. Er habe kein Fahrzeug erwerben wollen, das eine Software enthalte, die ein den Grenzwerten der Euro 6-Norm entsprechenden Schadstoffausstoß nur in einem Spezialmodus einhalte, wenn unabhängig von der konkreten Nutzung und dem persönlichen Fahrverhalten im Straßenbetrieb dieser Modus abgeschaltet werde. Die von der Beklagten angebotenen Software-Updates stellten einen technischen Zustand her, für den das Fahrzeug in dauerhaftem Betrieb nicht vorgesehen sei. Es komme daher zu Leistungsverlust, einem erhöhten Treibstoff- und AdBlue-Verbrauch. Längerfristigen Schäden wie das Verrußen von wichtigen Bauteilen, häufigere Service-Intervalle und Folgeschäden seien nicht auszuschließen (Bew.: SV-GutA). Der Kläger beantragt, 1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.370,13€ nebst Hinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 15.02.2021 zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW Typ …, FIN …, 2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 236,49€ Deliktszinsen zu zahlen, Zug-um-Zug gegen die Übereignung und Herausgabe des PKW Typ …, FIN …, 3. festzustellen, dass die Beklagte sich mit der Annahme des in Antrag 1. Genannten Fahrzeugs seit dem 15.02.2021 in Verzug befindet, 4. die Beklagte zu verurteilen, den Kläger von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.398,25€ vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten freizustellen Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie bestreitet sowohl den Verbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung als auch eine kausale Schadensverursachung bzw. einen Schaden überhaupt. Wegen des Vortrags der Parteien im Übrigen wird Bezug genommen auf die zur Akte gereich-ten Schriftsätze nebst Anlagen. Die Klage ist der Beklagten am 04.05.2021 zugestellt worden.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger. 3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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AG Itzehoe
Schleswig-Holstein
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22.07.2016
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Randnummer 1 Die Parteien bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft X 25 in Y = WEG L.. Die Anlage besteht aus zwei Wohngebäuden, nämlich der "Apfelscheune" und dem "Haus Fröhlich" sowie einem Versorgungsgebäude "Dachsbau" mit Blockheizkraftwerk. Die Wohneinheiten 1 - 3 der "Apfelscheune sind" jeweils mit gesonderten Warm- und Kaltwasserzählern ausgestattet. Die Wohneinheit 4 des "Hauses Fröhlich" verfügt über keinen Warmwasserzähler. Die Wohneinheiten 1 - 3 beziehen ihren Strom direkt von den öffentlichen Versorgern. Die Wohneinheit 4 wird ohne entsprechenden, direkten Stromzähler mit Strom des Blockheizkraftwerks versorgt, das eigentlich nur Allgemeinstrom sowie an Dritte zu veräußernden Strom produzieren sollte. Mit Beschlüssen der Wohnungseigentümerversammlung vom 15.12.2015 beschloß die Wohnungseigentümergemeinschaft unter TOP 3 über die Abrechnung der Warmwasserentnahme, unter TOP 4 über die Abrechnung der Stromentnahme, unter TOP 5 über die Parksituation und unter TOP 8 über eine Schlüsselaushändigung. Wegen der Einzelheiten der jeweiligen Beschlüsse wird auf das Protokoll der Wohnungseigentümerversammlung vom 15.12.2015 in der Anlage K 1 zur Klageschrift vom 04.01.2016 (Bl.5 ff. d.A.) verwiesen. Randnummer 2 Nachdem die Kläger zunächst auch beantragt hatten, den Beschluß zu TOP 3 und TOP 4 für ungültig zu erklären, haben sie sodann die Klage insoweit zurückgenommen. Sie beantragen nunmehr, Randnummer 3 die Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 15.12.2015 zu TOP 3, zu TOP 4 und zu TOP 5 für ungültig zu erklären. Randnummer 4 Die Beklagten beantragen, Randnummer 5 die Klage abzuweisen. Randnummer 6 Sie sind der Ansicht, eine Abrechnung der Warmwasserentnahme und der Stromentnahme nach der Differenzmethode sei vorliegend zulässig. Alle anderen Abrechnungsmethoden führten hier zu unverhältnismäßig hohen Kosten von mindestens 5.000,- EUR. Randnummer 7 Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07-.06.2016 (Bl. 134 ff. d.A.) verwiesen.
Die Beschlüsse der Wohnungseigentümerversammlung vom 15.12.2015 zu TOP 3 und zu TOP 4 werden für ungültig erklärt. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern zu 1/3 und den Beklagten zu 2/3 auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von jeweils 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet Beschluss Der Streitwert wird auf 6.000,00 EUR festgesetzt.
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Hessisches Landesarbeitsgericht 18. Kammer
Hessen
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13.11.2013
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Randnummer 1 Der Kläger begehrt von der Beklagten für die Jahre 2008 und 2009 Beiträge zum Urlaubskassensystem der Bauwirtschaft, berechnet als so genannte Mindestbeiträge. Die Beklagte nahm nicht an dem Sozialkassenverfahren teil. Randnummer 2 Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien des Baugewerbes. Er hat nach den für allgemeinverbindlich erklärten tarifvertraglichen Regelungen des Baugewerbes (Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe [BRTV-Bau], Tarifvertrag für das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe [VTV]) insbesondere die Aufgabe, die Auszahlung der tarifvertraglich vorgesehenen Urlaubsvergütungen zu sichern. Zu diesem Zweck haben die den Bautarifverträgen unterfallenden Arbeitgeber monatliche Beiträge in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes der Bruttolohnsumme der beschäftigten gewerblichen Arbeitnehmer an den Beklagten zu zahlen. Randnummer 3 Die 2007 gegründete Beklagte ist eine A Gesellschaft mit beschränkter Haftung und Sitz in B/A. Sie unterhält in C bei D eine Niederlassung, deren Leiter Herr E ist. In der zuletzt am 16. Oktober 2009 geänderten Gewerbeanmeldung der Niederlassung ist als deren Tätigkeit „Industriemontage von Rohrleitungen, Armaturen und Unterstützungen für Dampf-Wasser-Kreislauf von Kraftwerken und Raffinerien“ angegeben (Anlage B 1 zur Klageerwiderung vom 17. August 2012, Bl. 43 d.A.). Die Niederlassung ist nicht im Handelsregister eingetragen. Die Beklagte ist nach ihrer Darstellung spezialisiert auf die Planung und Durchführung von Montage- und Schweißarbeiten für Kraftwerke und Raffinerien. Neben ihrem Unternehmenssitz unterhält sie außerhalb B auch eine Produktionsstätte. Art und Umfang der dort ausgeführten Tätigkeiten sowie die Anzahl der in A beschäftigten Arbeitnehmer sind streitig. Randnummer 4 2008 und 2009 entsandte die BeklagteArbeitnehmer nach Deutschland. Sie war Subunternehmerin der F. Für diese setzte die Beklagte zwischen 7 bis 10 Arbeitnehmer beim Neubau von Kraftwerksblöcken der Kraftwerke G (H) und I (J) ein. Ausweislich der Zustimmungsbescheide der Bundesagentur für Arbeit, Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV), zu den Aufenthaltstiteln hatten die Werkverträge „Rohrleitungsmontage“ oder „Metallmontage“ zum Gegenstand. Die Aufenthaltstitel wurden für Schweißer, Schlosser und Vorarbeiter erteilt (vgl. Kopien der Bescheide als Anlagen K 2 und K 3 zum Schriftsatz des Klägers vom 01. November 2012; Bl. 79 - 86 d.A.). Wie im Berufungsverfahren unstreitig geworden ist, sind die als Vorarbeiter eingesetzten Arbeitnehmer K, L und M Ingenieure, welche einen Diplomabschluss einer A Universität oder Höheren Technischen Schule im Fachgebiet Maschinenbau besitzen (vgl. Übersetzungen der Diplome als Anlage B 11 zum Schriftsatz der Beklagten vom 18. Oktober 2013, Bl. 211 - 216 d.A.). Randnummer 5 Bei dem Bau der Kraftwerksblöcke montierten die Arbeitnehmer der Beklagten überwiegend Rohrleitungen, welche Bestandteil des Kessels eines Kraftwerksblocks waren. Der Kessel als Apparat besteht im Wesentlichen aus einem Behälter und einem Rohrleitungssystem, er ist in einem Kesselgerüst aufgehängt, die Kesseldecke hat eine Höhe von ca. 170 m. Durch die Rohrleitungen des Apparats wird Wasserdampf geleitet, sie bestehen aus hochlegiertem Stahl, der hohem Druck und hohen Temperaturen standhalten muss. Randnummer 6 Die Montagearbeiten der Beklagten lassen sich in 5 Schritten darstellen, wie im zweiten Rechtszug unstreitig geblieben: Randnummer 7 1.) Transport von Material, teilweise Vormontagen, und Zubehör zum Kraftwerk und am Montageort über Aufzüge und Kräne in Arbeitsposition. Randnummer 8 2.) Montage der Halterungssysteme innerhalb der Kesselkonstruktion, dabei handelt es sich um vorgefertigte Halterungen einfacher Art oder um Federhänger des Herstellers N. Randnummer 9 3.) Montage von Rohren, in der Regel von vorgefertigten Rohrleitungsstücken („Spools“), diese werden in den Halterungen (2. Schritt) aufgehängt, anschließend Feinjustierungen. Vorbereiten des Schweißens durch Heften der Rohrverbindungen und der Rohranschlüsse. Hierfür werden die Enden durch Schellen vorläufig verbunden, der Versatz kontrolliert, die zu verbindenden Stellen durch einen Drittunternehmer vorgewärmt und mit Argon formiert und nach Abnahme der vorbereiteten Verbindung die Rohre an markierten Punkten miteinander verbunden (geheftet). Randnummer 10 4.) Verschweißen der Rohrenden in Anwesenheit eines Schlossers, der die Schweißtemperatur kontrolliert und eventuelle Schweißfehler durch Abschleifen beseitigt. Randnummer 11 5.) Ausglühen der Schweißverbindung, danach schleifen Schlosser die Schweißnähte, welche abschließend durch ein weiteres Drittunternehmen mittels Ultraschall auf mögliche Fehler untersucht werden. Randnummer 12 Die Abnahme der vorläufigen Verbindungen vor dem Heften erfolgte durch den TÜV sowie Vertretern des Kraftwerkeigentümers sowie des Hauptauftragnehmers (O oder P) und wurde dokumentiert. Bei dem Formieren handelt es sich um eine „Vorbehandlung“ der zu schweißenden Verbindungen, bei denen durch Schutzgas die sauerstoffhaltige Atmosphäre verdrängt wird. Das Ausglühen wurde von der Beklagten selbst ausgeführt, diese Bearbeitung dauert abhängig von der Materialbeschaffenheit bis zu 24 Stunden. Randnummer 13 Die Beklagte verband bei den Montagearbeiten in den Kraftwerken nur von Dritten hergestellte Rohre und Aggregatteile. Sie benutzte eigene Hebeeinrichtungen, Halterungssysteme, Hilfskonstruktionen und sonstige Provisorien (s. 2. Schritt) und eigene halbautomatische Schweißgeräte der Hersteller Q und R (vgl. Kopien als Anlage B 6 zum Schriftsatz der Beklagten vom 17. August 2012, Bl. 54 – 58 d.A.). Als Schweißverfahren wurden das so genannte E-Hand-Lichtbogenhandschweißen und das WIG-Wolfram-Intergasschweißen angewendet. Die Mitarbeiter der Beklagten haben eine Ausbildung, die eher der Ausbildung eines Anlagenmechanikers entspricht, nicht der eines Rohrleitungsbauers. Die Arbeiten wurden von einem Bauleiter koordiniert und gesteuert. Randnummer 14 Zur Wiedergabe der für die Montage des Kesselsystems maßgeblichen Leistungsverzeichnisse, welche nur auszugsweise vorliegen, wird auf die Anlagen zur Sitzungsniederschrift vom 13. November 2013 verwiesen (Bl. 235 – 246 d.A.). Wegen der Produktspezifikation zur Montage der Kesseldruckteile und der technischen Montage-Spezifikation für das Kraftwerk G wird ergänzend auf die von der Beklagen vorgelegten Auszüge Bezug genommen (Anlagen B 3 und B 4 zum Schriftsatz der Beklagten vom 17. August 2012, Bl. 46 – 51 d.A.). Randnummer 15 Die Beklagte arbeitete 2008 und 2009 nur beim Neubau von Kraftwerkskesseln, nicht in der Instandsetzung von Kraftwerksanlagen. Randnummer 16 Der Kläger hat mit seiner am 23. Dezember 2011 bei dem Arbeitsgericht Wiesbaden eingegangenen und der Beklagten am 20. Januar 2012 zugestellten Klage geltend gemacht, die beiden Montageaufträge der Beklagten auf den Kraftwerksbaustellen, bei denen deren Arbeitnehmer - unstreitig - von Januar 2008 bis Dezember 2009 tätig waren, seien als selbständige Betriebsabteilung iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Satz 3 VTV zu qualifizieren. Die Arbeitnehmer dieser Betriebsabteilung hätten arbeitszeitlich überwiegend – hilfsweise auch unter Einschluss der nicht in Deutschland Beschäftigten – Rohrleitungsbauarbeiten iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV ausgeführt. Randnummer 17 Die selbständige Betriebsabteilung werde nicht von der Einschränkung der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) erfasst. Weder der Betrieb der Beklagten insgesamt noch die Betriebsabteilung fielen unter den fachlichen Geltungsbereich der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie. Die Beklagte habe nach der eigenen Schilderung der Auftragsabwicklung keine Schweißautomaten eingesetzt und sich klassischer Schweißverfahren bedient. Es sei ein nur geringer Technisierungsgrad erkennbar. Vorsorglich hat der Kläger dazu behauptet, die Rohrleitungen seien arbeitszeitlich überwiegend händisch montiert und verschweißt worden und sich dafür auf das Zeugnis der entsandten Arbeitnehmer der Beklagten berufen. Randnummer 18 Auch in Serbien am Hauptsitz der Beklagten würden nach den Bildern aus deren Internetauftritt („S“) Rohrleitungen überwiegend händisch hergestellt und Schweißarbeiten verrichtet. Automatisierte Prozesse seien nicht erkennbar. Randnummer 19 Der Kläger hat, da die Beklagte keine Bruttolöhne meldete, Mindestbeiträge geltend gemacht, die sich wie folgt berechnen: Sie hat die Gesamtarbeitszeit der Arbeitnehmer auf der Grundlage der durch § 3 Nr. 1.1 BRTV festgelegten durchschnittlichen Wochenarbeitszeit (40 Stunden) und der Entsendedauer geschätzt. Für die sich danach ergebenden Arbeitsstunden setzte sie die in der Zeitspanne von Januar 2008 bis Dezember 2009 geltenden Mindestlöhne an, wobei sie von einem Verhältnis von 85% Facharbeiterstunden (Lohngruppe 2) und 15% Helferstunden (Lohngruppe 1) ausging. Zur weiteren Darstellung dieser Berechnung – der die Beklagte nicht entgegengetreten ist – wird auf S. 4 f. der Klageschrift und die Anlage K 1 verwiesen (Bl. 4 f., 6 - 10 d.A.). Randnummer 20 Die Beiträge seien gem. § 22 Abs. 1 VTV spätestens bis zum 15. des folgenden Monats zu zahlen gewesen, so dass die Beklagte Verzugszinsen in gesetzlicher Höhe gem. § 24 VTV schulde. Randnummer 21 Der Kläger hat beantragt, Randnummer 22 die Beklagte zu verurteilen, an ihn 42.166,72 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen. Randnummer 23 Die Beklagte hat beantragt, Randnummer 24 die Klage abzuweisen. Randnummer 25 Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, sie habe keine Rohrleitungsbauarbeiten gem. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV erbracht. Bei den 2008 und 2009 ausgeführten Aufträgen handele es sich arbeitszeitlich überwiegend um Industriemontage. Sie hat behauptet, als Rohrleitungsbau qualifizierbare Arbeiten hätten nur ca. 28% ausgemacht. Außerdem hat sie die Auffassung vertreten, dass ihre Tätigkeit unter die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie fallen würde. Die Montage von Dampferzeugerdruckteilen in energietechnischen Anlagen könne von Rohrleitungsbauern nicht ausgeführt werden. Randnummer 26 Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat der Klage durch am 28. November 2012 verkündetes Urteil stattgegeben. Die Beklagte sei Arbeitgeberin iSd. § 8 Abs. 1 Satz 1 AEntG, die 2008 und 2009 nach Deutschland entsandten Arbeitnehmer bildeten eine selbständige Betriebsabteilung gem. § 1 Abs. 2 Abschn. VI Unterabs. 1 Satz 3 VTV. Durch diese Betriebsabteilung seien bauliche Leistungen, nämlich Rohrleitungsarbeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV, erbracht worden. Diese Vorschrift erfasse sämtliche Rohrleitungsbauarbeiten, unabhängig von den verschweißten Materialien und dem Ort der Leistungserbringung. Maßgeblich sei, dass die Leistungen an Rohrleitungen überwiegen würden und prägend seien. Dies sei auch nach dem Vortrag der Beklagten der Fall. Die Behauptung, nur 28% der Arbeiten könnten als Rohrleitungsbauarbeiten qualifiziert werden, sei nicht überprüfbar, weil die Beklagte ihre Zuordnung nicht erläutert habe. Randnummer 27 Die Tätigkeit der Betriebsabteilung falle nicht unter die Einschränkung der AVE. Die Betriebsabteilung sei keine Montage oder außerbetriebliche Arbeitsstelle eines Industriebetriebes. Es habe nur eine kleinere Gruppe von Arbeitnehmern händische Tätigkeiten ausgeübt und klassische Schweißverfahren genutzt, es seien keine elektronischen Schweißautomaten zum Einsatz gekommen. Auch in A unterhalte die Beklagte nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Klägers keinen Industriebetrieb. Randnummer 28 Die Beitragsschuld sei schlüssig errechnet worden. Randnummer 29 Zur Darlegung der vollständigen Urteilsgründe sowie des weiteren Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug wird auf das Urteil des Arbeitsgerichts verwiesen (Bl. 102 - 114 d.A.). Randnummer 30 Das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 28. November 2012 ist der Beklagten am 28. Februar 2013 zugestellt worden. Ihre Berufungsschrift ist am 22. März 2013 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen. Die Berufungsbegründung hat die Beklagte nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf rechtzeitigen Antrag hin bis zum 28. Mai 2013 am 27. Mai 2013 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingereicht. Randnummer 31 Die Beklagte nimmt Bezug auf ihren Vortrag aus erster Instanz und greift die Qualifizierung ihrer Arbeiten in den Kraftwerken als Rohrleitungsbau iSd. § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 25 VTV an. Sie schildert die Auftragserledigung in 5 Schritten, wie bereits oben dargestellt und unstreitig geblieben. Lediglich der 4. Schritt dürfe zum Rohrleitungsbau gezählt werden, auf diesen, so behauptet sie, entfielen nur 28% der Arbeitszeit. Sie macht geltend, dass sie eine als industriell zu bewertende Tätigkeiten ausübe, wie aus der Qualifikation ihrer Arbeitnehmer, insbesondere ihrer Ingenieure, ihrer Zertifizierung für den Kraftwerksbau und der Tätigkeit im Anlagenbau folge. Auch in A sei sie als Industrieunternehmen tätig. Dazu behauptet sie, in ihrer Produktionsstätte in T, 25 km außerhalb von B, verfüge sie über Fabrikationsanlagen, in der stufenweise Stahlkonstruktionen, Rohrleitungen und Druckgeräte hergestellt würden. Wegen der Beschreibung des Herstellungsvorgangs wird auf die Seite 17 der Berufungsbegründung verwiesen (Bl. 175 d.A.). Das Areal habe eine Größe von 5.500 m², davon entfielen 500 m² auf die Produktionshalle und 5.000 m² auf das Lager. Sie nutze Schneide-, Säge und Biegemaschinen sowie insgesamt 22 halbautomatische Schweißautomaten. Der Anteil der Vorratsherstellung betrage 75%. Im Jahr 2008, nach ihrer Gründung im Jahr 2007, habe sie 24 Arbeitnehmer beschäftigt, 2009 seien dies 40 Arbeitnehmer gewesen, mittlerweile habe sie 72 Beschäftigte. 2012 habe sie bei einem Gesamtjahresumsatz von 3.065.401,20 € einen Anteil von 1.016.046,55 € in Werkzeuge, Ausrüstung und Inventar investiert. Sie sei überwiegend für internationale Konzerne im Kraftwerksbau tätig. Randnummer 32 Die Beklagte beantragt, Randnummer 33 das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 28. November 2012 - 7 Ca 3011711 - abzuändern und die Klage abzuweisen. Randnummer 34 Der Kläger beantragt, Randnummer 35 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 36 Der Kläger nimmt ebenfalls vollständig Bezug auf sein Vorbringen in erster Instanz und verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden. Er vertritt die Ansicht, dass die von der Beklagten geschilderten Arbeitsschritte sämtlich dem Rohrleitungsbau zuzurechnen seien. Er bestreitet die Behauptungen der Beklagten zum Vorliegen eines Industriebetriebs in A. Er verweist darauf, dass dort auch nach dem Vortrag der Beklagten keine Maschinen gebaut würden. Randnummer 37 Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und die Sitzungsniederschrift vom 13. November 2013 (Bl. 234 d.A.) verwiesen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wiesbaden vom 28. November 2012 – 7 Ca 3011/11 – abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Revision wird zugelassen.
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 9. Senat
Berlin
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27.03.2019
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Randnummer 1 Die klagende Krankenkasse wendet sich gegen eine Aufsichtsverfügung der beklagten Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesversicherungsamt (BVA), mit dem diese von ihr verlangt, einen Vertrag über Beratungs- und Betreuungsleistungen, u.a. für Versicherte, zu kündigen. Randnummer 2 Die Klägerin ist eine gesetzliche Krankenkasse aus der Gruppe der Ersatzkassen. Sie schloss mit der Firma (L&B), einem Unternehmen, welches sowohl Leistungsträger als auch Leistungserbringer berät, auf der Grundlage eines Rahmenvertrags (30. Juni 2003/07. Juli 2003) zwei separate Verträge. Randnummer 3 Der Rahmenvertrag bestimmt in § 1 („Ziel des Vertrags“) unter Absatz 1: Randnummer 4 „L&B wird die GEK bei der Bemühung die Kosten der Versorgung im Bereich Krankenhaus sowie auch in den anderen Bereichen zu senken oder zu stabilisieren unterstützen. Dabei soll gleichzeitig die Qualität der Versorgung beibehalten oder verbessert werden.“ Randnummer 5 § 1 Abs. 2 des Rahmenvertrags konkretisiert dies wie folgt: Randnummer 6 „Die einzelnen Aufgaben, die L&B für die GEK übernimmt, werden in Detailverträgen geregelt. Die Detailverträge enthalten Angaben über das Ziel der Tätigkeit, die Aufgabe von L&B, die Mitwirkungspflicht der GEK sowie die Vergütung. Für diese Detailverträge gelten jedoch die Bedingungen dieses Rahmenvertrags nebst den als Anlage 1 beigefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der L&B.“ Randnummer 7 In dem „Detailvertrag zur Durchführung eines Versorgungsmanagements auf der Grundlage von § 11 Abs. 4 SGB V“ zu „GEK ProGesundheit“ vom 18./22. September 2009 (im Folgenden: ProGesundheit) verpflichtete sich L&BVersicherte der Klägerin als „Leistung des Versorgungsmanagements“ zu betreuen. Randnummer 8 Zum “Hintergrund“ führt der Detailvertrag einleitend aus: Randnummer 9 „Entsprechend § 11 Abs. 4 S. 1 SGB V haben Versicherte einen Anspruch auf Versorgungsmanagement. Das bedeutet begrifflich, dass der gesamte Behandlungsbedarf in seinem Ablauf “verwaltet“, organisiert und geleitet wird. Dieser Anspruch richtet sich primär gegenüber den Leistungserbringern; entsprechend § 11 Abs. 4 S. 3 SGB V haben die Krankenkassen die Leistungserbringer in dieser Aufgabe zu unterstützen. Randnummer 10 Mit diesem Detailvertrag soll für bestimmte Versichertengruppen die Grundlage für eine solche Unterstützungsleistung zusammen mit der Firma L&B geschaffen werden.“ Randnummer 11 Das Versorgungsmanagement umfasst nach der Leistungsbeschreibung (Anlage 2 zum Vertrag) folgende Inhalte: Randnummer 12 a. Selektion der potentiellen Teilnehmer Randnummer 13 b. Teilnehmergewinnung Randnummer 14 c. Assessment auf Basis von GEK-Daten sowie Gesprächen mit Teilnehmern und Leistungserbringern Randnummer 15 d. Betreuung der Versicherten und Versorgungssteuerung im intensitätsorientierten Interventionsmodell Randnummer 16 e. Berichtswesen/Dokumentation Randnummer 17 f. Evaluation Randnummer 18 Zu den Aufgaben der Klägerin gehört, zunächst Versicherte zu identifizieren, die an bestimmten schweren oder chronischen Erkrankungen gemäß der insoweit nicht abschließenden Anlage 1 zum Vertrag leiden, insbesondere an Diabetes, Adipositas, Hypertonie, Herzinsuffizienz, Osteoporose KHK (Koronare Herzkrankheit), TIA (Transitorische ischämische Attacke)/Schlaganfall und Rückenschmerzen. Ausgeschlossen sollen dagegen Erkrankungen wie u.a. HIV und psychische Erkrankungen sein. Randnummer 19 Zum “Vertragsgegenstand“ führt § 1 aus: Randnummer 20 „1. Zur Ergänzung der medizinischen Versorgung von Versicherten mit bestimmten schwerwiegenden Erkrankungen, zur Sicherstellung einer wirtschaftlichen Versorgung und zur effizienteren Nutzung vorhandener Ressourcen bietet die GEK in Zusammenarbeit mit L&B den betroffenen Versicherten das Versorgungsmanagement „GEK ProGesundheit“ an. Die GEK stellt den in Frage kommenden Versicherten diese Leistung nach § 11 Abs. 4 SGB V zur Verfügung. Randnummer 21 2. Gegenstand des Vertrages ist die prädiktive Selektion sowie die Gewinnung der potentiellen Teilnehmer für das Versorgungsmanagement und die Betreuung der betroffenen Versicherten der GEK, die durch die Regelversorgung und im Übergang zwischen den einzelnen Leistungs- und Versorgungsbereichen nicht ausreichend betreut und unterstützt werden und einer ergänzenden Hilfestellung zur Organisation von wirtschaftlich und medizinisch-therapeutisch optimaler Versorgung bedürfen. Es sollen weiter Erkenntnisse über die Einflussmöglichkeiten auf Versorgungswege und Behandlungsmöglichkeiten größerer Gruppen von Versicherten in gemeinsamen Auswertungen gewonnen und bewertet werden. Randnummer 22 3. Um die Kernziele des Versorgungsmanagements GEK ProGesundheit zu erfüllen, sollen unter anderem folgende Teilziele erreicht werden: Randnummer 23 a. b. c. Eindämmung der strukturellen Kostentreiber; Randnummer 24 d. Überwindung der sektoralen Trennung durch Kommunikation mit dem Versicherten und den Leistungserbringern; Randnummer 25 e. Unterstützung der Versicherten beim eigenverantwortlichen Umgang mit ihrer Erkrankung durch individuelle Beratung und Schulung; Randnummer 26 f. Vermittlung und Organisation von medizinischen und sozialtherapeutischen Behandlungs- und Beratungsleistungen unterschiedlicher Leistungs- und Kostenträger und die Begleitung im Übergang zwischen den einzelnen Leistungsbereichen; Randnummer 27 g. Wirtschaftliche Mittelverwendung im Sinne des § 2 Abs. 4 SGB V i.V.m. § 12 SGB V; Randnummer 28 h. Refinanzierung der Kosten für das Versorgungsmanagement durch Effizienz- und Effektivitätssteigerung bei der Versorgung der Teilnehmer. Randnummer 29 4. Die für das Versorgungsmanagement ProGesundheit potentiell geeigneten Versicherten werden auf Basis von Wahrscheinlichkeitsaussagen prädiktiv in das Versorgungsmanagement eingesteuert, um einen progredienten Krankheitsverlauf und damit auch eine Kostensteigerung zu vermeiden. Zur Erreichung dieses Teilziels wird zusätzlich zum Screening der bereits vorhandenen Versichertendaten ein Vorhersagemodell auf Basis des ACG®-Systems 1 Ermittlungssystem zur Bedarfsplanung, Ressourcenverteilung und angemessenen Versorgung von Patienten zur Bewertung und Planung von Gesundheitsleistungen, ausgerichtet an spezifischen Morbiditäts- und Leistungsmerkmalen von Populationen. Ermittlungssystem zur Bedarfsplanung, Ressourcenverteilung und angemessenen Versorgung von Patienten zur Bewertung und Planung von Gesundheitsleistungen, ausgerichtet an spezifischen Morbiditäts- und Leistungsmerkmalen von Populationen. genutzt. Grundvoraussetzung für die Tätigkeit von L&B ist eine ausdrückliche Teilnahmeerklärung.“ Randnummer 30 Anlage 2 beschreibt unter „Leistungsbeschreibung“ den Inhalt des Versorgungsmanagements ergänzend wie folgt: insgesamt werden vier sog. „Interventionsgruppen“ (Versicherter) gebildet, die alle 12 Monate betreut wurden, sich in der Anzahl der direkten Kontakte zu Versicherten/deren gesetzlicher Betreuer oder Angehörigen aber unterscheiden. In Gruppe 1 sind sechs Kontakte zu Versicherten, in Gruppe 2 dagegen 12 Kontakte pro Jahr, in Gruppe 3 sind 18 Kontakte pro Jahr, in Gruppe 4 schließlich 24 Kontakte pro Jahr bestimmt. Nur in Gruppe 1 sind Zielvereinbarungen mit Versicherten optional, bei den übrigen dagegen zwingend vorgesehen. Randnummer 31 Zu den Aufgaben von L&B im Rahmen des Versorgungsmanagements gehört der Aufbau einer telefonischen Hotline für die teilnehmenden Versicherten. L&B erstellt einen individuellen Versorgungs- und Hilfeplan für die Versicherten, unterstützt diese bei der Organisation von Leistungen und Hilfen, beim eigenverantwortlichen Umgang mit ihrer Erkrankung durch individuelle Beratung und Schulung, erstellt Leistungsangebote aus dem Portfolio der Klägerin und leistet „Kommunikation für die Versicherten“ gegenüber der Klägerin „hinsichtlich notwendiger Maßnahmen“. Randnummer 32 Der Vertrag ist drei Monate zum Ende des Kalenderjahres ordentlich kündbar, außerordentlich aus wichtigem Grund. Der Klägerin steht im Falle einer der Durchführung des Vertrags entgegen stehenden, bindenden Weisung einer Aufsichtsbehörde, die nach dem Vertragsabschluss ihr gegenüber ausgesprochen wird, ein außerordentliches Kündigungsrecht zu. Randnummer 33 Am 15. Oktober/02. November 2011 schlossen die Beteiligten eine Vereinbarung zur Auftragsdatenverarbeitung betreffend die in den Detailverträgen und dem Rahmenvertrag näher beschriebenen Leistungen, soweit mit der Auftragsdurchführung durch L&B die Verarbeitung von personenbezogenen Daten nach § 11 BDSG und/oder von Sozialdaten gemäß § 80 SGB X erforderlich wird. Randnummer 34 Am 20. April bzw. 26. April 2012 unterzeichneten die Klägerin sowie L&B den zweiten Vertrag mit dem Produktnamen „Barmer GEK ProVita“ (im Folgenden ProVita). Randnummer 35 In der Vorbemerkung in diesem Vertrag heißt es: Randnummer 36 „Die BARMER GEK hat zur Versorgung von psychisch erkrankten Versicherten ein Fall- und Versorgungsmanagement initiiert. L&B wird die BARMER GEK im Zusammenhang mit diesem Fallmanagement nach Maßgabe der nachfolgenden Regelungen in geeigneter Weise in ausgewählten Regionen unterstützen“. Randnummer 37 Nach der im Vertrag zugrunde gelegten Definition umfasst der Begriff „Fallmanagement“ im Wesentlichen die Planung, Organisation und Begleitung ausgewählter Versicherungs- und Versorgungsfälle. Diese werden umschrieben mit krankheitsbedingt arbeitsunfähigen sowie stationär und nachstationär zu versorgenden psychisch erkrankten Versicherten. Die Leistungen sind unterteilt in zwei sogenannte Module (Modul 1.3 und Modul 3). Randnummer 38 Modul 1.3 hat zwei Teile: es umfasst ein sog. Fallmanagement für Leistungserbringung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit inklusive einer Fallkonferenz bei ausgesuchten Leistungsfällen mittelschwerer und schwerer psychischer Erkrankung. Der zweite Teil erstreckt sich auf stationäre Aufenthalte (Ziff. 2.1.1.). Für stationäre Leistungsfälle in psychiatrisch/psychosomatischen Fachabteilungen mit großer Verweildauer setzt die L&B-Unterstützung ab dem Zeitpunkt des Ablaufs der ersten Befristung der Kostenübernahme ein (Ziff. 3.1 des Vertrags). Randnummer 39 In beiden Teilen sollen Konzepte entwickelt und umgesetzt werden u.a. zur Verbesserung der Prüfung von Leistungen und Leistungsorganisation durch Kontaktaufnahme zum Leistungserbringer (z.B. zur Beurteilung auffälliger Liegezeiten) sowie zur umfassenden und frühzeitigen Erkennung potentieller und vorhandener weiterer Versorgungsmöglichkeiten nach dem Sozialgesetzbuch und von Zuständigkeiten anderer Kostenträger (Sozialämter, Rentenversicherungsträger). Daneben sollen Beurteilungsparameter erarbeitet und angewendet werden zur verbesserten Nachvollziehbarkeit des Krankheitsgeschehens (Dauer der Arbeitsunfähigkeit und Krankenhausbehandlung) sowie zur Qualität und den Optimierungsmöglichkeiten insbesondere der stationären Therapie. Randnummer 40 Modul 3 beinhaltet u.a. ein „individuelles Fall- und Versorgungsmanagement“ für Versicherte mit schwerwiegenden psychischen Erkrankungen, die einer Teilnahme unter Einbeziehung der Leistungserbringer zuvor zugestimmt haben. Die Gewinnung und Erstansprache erfolgt durch die Klägerin, die Teilnahme ist freiwillig und von keiner Gegenleistung der Versicherten abhängig. Erforderlich ist eine vom Versicherten oder seinem gesetzlichen Vertreter einzuholende unterschriebene Datenschutzerklärung auch zur Weitergabe von Sozialdaten. Randnummer 41 Modul 3 hat zum Ziel, durch Hinweise auf Anlaufstellen und Ansprechpartner im sozialversicherungsrechtlichen Rahmen, Randnummer 42 < eine elektive und gezielte Leistungsinanspruchnahme zu fördern > Randnummer 43 < Anreize zum Aufbau eines koordinierten zielführenden Hilfenetzwerks zu geben, welches mittel- und langfristig zur Verbesserung von Krankheitsverständnis und Behandlungscompliance beitragen kann und so die Anzahl der Fälle in Akut- und Notfallbehandlung zu minimieren. Im Rahmen des Fallmanagements sollen Konzepte entwickelt und umgesetzt werden, u.a. zur umfassenden Beratung der Versicherten, insbesondere über weitere Möglichkeiten einer krankenversicherungsrechtlichen Versorgung sowie Versorgung durch andere Leistungsträger nach dem Sozialgesetzbuch. Das Modul wird entsprechend dem individuellen Bedarf der Versicherten für einen Zeitraum von 1, 3, 6 oder 12 Monaten angeboten (Ziff. 2.1.2 Modul 3). > Randnummer 44 Die von L&B zu erbringenden Unterstützung beinhaltet für Modul 1.3 und 3 u.a. Randnummer 45 < Hinweise zur näheren Prüfung der Rechnung eines Krankenhauses bei Bestehen eines Verdachts auf nicht korrekte Leistungsabrechnung, > Randnummer 46 < die Organisation und Durchführung von Fallkonferenzen, die Zurverfügungstellung von einer Zeitstunde je Regionalgeschäftsstelle und Kalenderwoche zur gemeinsamen Betrachtung von Leistungsfällen, > Randnummer 47 < nach Auswahl und Erstansprache potentiell geeigneter Versicherter durch die Klägerin, die Sichtung der Leistungsdaten und Durchführung eines geeigneten Assessments zur Feststellung des individuellen Bedarfs an einer Teilnahme an Modul 3, > Randnummer 48 < eine Beratung und Hilfestellung zur geeigneten Begleitung und Betreuung von Versicherten im Rahmen von Modul 3, etwa durch Erstellung eines individuellen Versorgungs- und Hilfeplans für Teilnehmer sowie Koordination kranken- und pflegeversicherungsrechtlicher sowie sonstiger Versorgungen nach dem Sozialgesetzbuch (Ziff. 3.2). > Randnummer 49 Die Unterstützungsleistung soll nicht Aufgaben umfassen, die zum Kernbereich einer Krankenkasse gehören. Insbesondere Befugnisse zur Entscheidung von konkreten Leistungsfällen werden nicht übertragen. Medizinische Aufgaben, wie sie dem „Medizinischen Dienst der Krankenkassen“ vorbehalten sind, sowie ärztliche oder psychotherapeutische Behandlungsleistungen sollen ebenfalls nicht erfasst sein (Ziff. 3.4). Randnummer 50 Der Vertrag ist auf den 30. September 2014 befristet mit der Möglichkeit, ihn durch Vereinbarung zu verlängern, daneben ist ein außerordentliches Kündigungsrecht für die Klägerin im Fall von Aufsichtsmaßnahmen wie im Vertrag ProGesundheit vorgesehen (Ziff. 3.4). Randnummer 51 L&B erhält für das Programm ProVita im Modul 1.3 je Bearbeitung eines Leistungsfalles der von Klägerin über das Kriterium Arbeitsunfähigkeit und/oder Krankengeld oder stationäre Behandlung eingesteuert wurde, einen einmaligen Pauschalbetrag. Für wöchentlich maximal zwei Zeitstunden erhält L&B für die Beratung im Rahmen einer Fallkonferenz der Regionalgeschäftsstellen der Klägerin einen Pauschalbetrag je angefangener Zeitstunde. Für das Modul 3 erhält L&B je Versicherten eine einmalige Pauschale, die in der Höhe grundsätzlich von der Steuerungs-/Interventionsgruppe abhängt, in die Versicherte eingeordnet sind, diese wiederum unterscheiden sich je nach Betreuungszeit (ein Monat bis 12 Monate). Für das Programm ProGesundheit erhält L&B pro Teilnehmer für das Versorgungsmanagement eine Basispauschale und eine erfolgsabhängige Vergütung. Die Basispauschale beträgt 345 Euro pro teilnehmendem Versicherten (12 Monate), die erfolgsabhängige Vergütung ermittelt sich daraus, dass zur Interventionsgruppe eine sog. Kontrollgruppe (Versicherter) gebildet wird, die das Programm Versorgungsmanagement nicht angeboten bekommt und mittlere Leistungskosten pro Jahr zugeordnet erhält. Ausgehend von der mittleren Einsparung pro Versichertem bis 600,00 Euro ermittelt sich ein erfolgsabhängiger Vergütungsanteil zwischen 0 Euro und 30,00 Euro pro Versichertem. Bei einer Überschreitung von 600,00 Euro an Einsparung erhält L&B 10 % der Einsparsumme pro Versichertem. Randnummer 52 Mit Schreiben vom 21. Mai 2014 zeigte die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) dem Beklagten an, dass ihr im Rahmen einer Eingabe die beiden Programme der Klägerin bekannt geworden seien und die Klägerin sich für sie auf keine Rechtsgrundlage stützen könne. Die BfDI beanstandete gegenüber der Klägerin die im Zusammenhang mit der Durchführung der beiden Programme stehende Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung. Es liege u.a. ein Verstoß gegen § 284 Abs. 1 Sozialgesetzbuch/ Fünftes Buch (SGB V) vor (weitere Schreiben vom 26. März 2015, 17. November 2015). Randnummer 53 Erstmals mit Schreiben vom 10. Juli 2014 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass diese es versäumt habe, die beiden Verträge bei ihr anzuzeigen. Darüber hinaus benannte sie die Voraussetzungen eines zulässigen Outsourcings einer Dienstleistung der Kassen, u.a. die Notwendigkeit einer Rechtsgrundlage und bat um Stellungnahme. In einem Termin zur Erörterung am 23. Januar 2015 sowie weiterem Schriftwechsel bekräftigte die Beklagte, dass die Verträge gegen Rechtschriften verstießen, sowie eine unzulässige Datenweitergabe ohne Einwilligung Versicherter vorliege. Im Rahmen eines aufsichtsrechtlichen Beratungsverfahrens nach § 89 Sozialgesetzbuch/ Viertes Buch (SGB IV) forderte sie die Klägerin auf, diese zu kündigen und ihr dies schriftlich zu bestätigen (03. März und 07. September 2015). Randnummer 54 Mit Bescheid vom 30. Dezember 2015 verpflichtete die Beklagte die Klägerin, die Verträge ProGesundheit und ProVita unverzüglich zu kündigen. Zur Begründung führte sie aus, die notwendige rechtzeitige und umfassende Unterrichtung durch die Klägerin sei zunächst unterblieben. Die beiden Verträge verstießen gegen § 30 Abs. 1 SGB IV, § 284 SGB V, § 67b SGB X, § 197b SGB V und § 43 Abs. 1 SGB V. Randnummer 55 Es fehle bereits an einer Rechtsgrundlage für die Klägerin, die beiden Programme durchzuführen. Daher könne sie keine Mittel hierfür verwenden und die Aufgabe auch nicht auf einen Dritten übertragen. In § 11 Abs. 4 SGB V sei nur ein versicherten-individueller Anspruch auf eine Verzahnung der Leistungssektoren gegenüber der Krankenkasse geregelt, dieser sei durch Abschluss von Verträgen mit Leistungserbringern zu erfüllen. L&B sei aber kein zugelassener Leistungserbringer. Zudem gehe es in den Verträgen nicht um eine leistungserbringerunterstützende Funktion, sondern um einen den Versicherten aktiv betreuende Funktion. Auch die Generalklausel des § 1 Satz 3 SGB V könne nicht dazu genutzt werden den Leistungskatalog der Kassen zu erweitern. Als reine Einweisungsvorschrift habe sie keine unmittelbare Rechtswirkung und sei ungeeignet, die Erbringung von Leistungen zu rechtfertigen. Auch aus der „Natur der Aufgabenstellung“ i.S. einer „Oberaufgabe“ der „Versorgung der Versicherten“ könnten keine im Gesetz nicht vorgesehenen Aufgaben wahrgenommen werden und hierfür Mittel verwendet werden. Dies gelte auch dann, wenn die Aufgabenwahrnehmung dem Sozialversicherungsträger nicht ausdrücklich untersagt sei. Es liege ein Verstoß gegen § 197b SGB V vor, denn die in den Verträgen beschriebene Leistung sei bereits keine Aufgabe der Krankenkassen. Um eine solche müsse es sich aber bereits nach dem Wortlaut des Satz 1 der Bestimmung handeln. Die Bestimmung differenziere dann in einem 2. Schritt zwischen „wesentlichen Aufgaben“ (Kernaufgaben), die nicht als Auftrag vergeben werden dürften und sonstigen Aufgaben, die einem Outsourcing zugänglich seien. Es komme nicht darauf an, ob die Kasse die Aufgaben vorher selbst wahrgenommen habe. Daran vermöge die Vertragsklausel in Nr. 3.4 des Vertrages ProVita nichts zu ändern, in welcher nur deklaratorisch festgelegt sei, es würden nur unterstützende Hilfstätigkeiten ohne hoheitliches Handeln wahrgenommen und medizinische Behandlungsleistungen seien ausgeschlossen. Selbst wenn unterstellt würde, dass die Klägerin eine ihr obliegende Aufgabe wahrnehme, dürfe sie Beratungsleistungen (§ 14 Sozialgesetzbuch/ Erstes Buch - SGB I) als wesentliche Aufgaben zur Versorgung der Versicherten nicht ausgliedern. Es könnten allenfalls unterstützende Hilfstätigkeiten an private Dritte übertragen werden, nicht aber die Beratungstätigkeit selbst. Für den Bereich des Krankengeldfallmanagements enthalte das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz im neuen § 44 Abs. 4 SGB V zwar einen individuellen Anspruch des Versicherten, bei Arbeitsunfähigkeit durch die Kasse darüber beraten zu werden, welche Leistungen und unterstützende Angebote zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erforderlich seien. Wesentliche Teile des Versorgungs- und Fallmanagements, das die Klägerin mit den beiden Verträgen anbiete, erfüllten diesen Beratungsanspruch der Versicherten allerdings in rechtswidriger Weise. § 44 Abs. 4 Satz 4 SGB V gestatte nur eine Übertragung von Beratungstätigkeiten an die in § 35 SGB I genannten Stellen, nicht an private Dritte (BT-Drs. 18/4095 Seite 79). Zudem müsse sich ein Programm zur Erfüllung einer Beratungspflicht an alle Versicherten richten und nicht an eine vorselektierte Gruppe von „Hochkostenfällen“. Schließlich liege auch ein Verstoß gegen § 284 SGB V vor, wonach abschließend festgelegt sei, zu welchen Zwecken und in welchem Umfang Krankenkassen Sozialdaten erheben, verarbeiten und nutzen dürften. Die rechtmäßig erhobenen und gespeicherten Daten dürften danach nur für die Zwecke der Aufgaben nach § 284 Abs. 1 SGB V in dem jeweils erforderlichen Umfang verarbeitet oder genutzt werden. Auch diese Vorschrift setze voraus, dass sich um eine Leistung handele, zu deren Erbringung die Kasse gesetzlich ermächtigt sei. Randnummer 56 Die beiden Verträge enthielten zudem mehrfach sich widersprechende oder gänzliche unklare Regelungen zu wesentlichen Fragen, so im Hinblick Randnummer 57 - darauf, ob der Dienstleister bereits vor der Einwilligung des Versicherten Daten zum Zwecke der Selektion potenzieller Teilnehmer erhalte und dass eine bei der Einschreibung datenschutzrechtlich unzureichende Einwilligungserklärung verwendet werde, Randnummer 58 - auf mögliche Eingriffe in das Arzt-Patienten-Verhältnis, wenn der Dienstleister z.B. Kontakte zu Leistungserbringern aufnehmen oder eine Betrachtung der Qualität erbrachter Leistungen vornehmen solle, Randnummer 59 - darauf, welche anderen Leistungen, die nicht auf den direkten Kontakt mit dem Versicherten gerichtet, Bestandteil der Verträge seien, so Aufgaben zur kasseninternen Schulung von Mitarbeitern oder der Überprüfung der Wirtschaftlichkeit der Mittelverwendung. Bei diesen Aufgaben handele sich um Dienstleistungen die unter weiteren Voraussetzungen Gegenstand eines zulässigen Outsourcings sein könnten. Randnummer 60 Demgegenüber müsse auch ohne Prüfung der Vertragspraxis erkennbar sein, welche Aufgaben durch einen Dienstleister genau wahrgenommen werden würden. Hauptinhalt beider Verträge sei die individuelle Betreuung (Fallmanagement) erkrankter Versicherter im Versorgungsgeschehen. Diese Aufgabe dürfe die Klägerin in der vertraglich vereinbarten Art und Weise nicht einmal selbst wahrnehmen und daher auch nicht durch Delegation auf einen privaten Dienstleister ausgliedern. Randnummer 61 Der Erlass des Verpflichtungsbescheides sei notwendig und auch verhältnismäßig, um die Rechtsverletzung abzustellen und künftige Wiederholungen zu vermeiden. Das öffentliche Interesse an einer Verpflichtung der Klägerin bestehe darin, dass diese ihre Beitragsmittel ausschließlich im Rahmen der bestehenden Gesetze verwende und nicht durch ihr Handeln bzw. Unterlassen das Recht verletze. Die beiden Verträge führten dazu, dass die Klägerin die nicht im Leistungskatalog abgebildeten Dienstleistungen durch einen Dienstleister erbringen lasse und ohne eine zur Datenerhebung ermächtigende Rechtsgrundlage rechtswidrige Datenerhebungen vornehme sowie Daten an den privaten Dienstleister übermittle. Die Einhaltung des Sozialdatenschutzes stehe nicht nur im öffentlichen Interesse, sondern diene auch der Wahrung der Versichertenrechte. Ferner bestehe ein öffentliches Interesse an einem fairen Wettbewerb der gesetzlichen Krankenkassen. Mit diesen Verträgen verschaffe sich die Klägerin im Wettbewerb einen rechtswidrigen Vorteil, da sie Betreuungsleistungen offeriere, für die das SGB V keine Rechtsgrundlage biete. Es bestehe auch bei anderen im Wettbewerb stehenden Kassen eine Nachahmungsgefahr. Dem öffentlichen Interesse stehe das Interesse der Klägerin gegenüber, mit den streitgegenständlichen Verträgen Versicherten Zugang zu den Leistungen der beiden Programme zu verschaffen. Die Beklagte bewerte das öffentliche Interesse als überwiegend. Die Verpflichtung sei auch verhältnismäßig, ein milderes Mittel als das Verbot des beanstandeten Verhaltens sei nicht erkennbar. Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens habe die Klägerin alle Hinweise auf rechtmäßige Gestaltungsmöglichkeiten außer Acht gelassen. Weder die aufsichtsrechtliche Beratung durch die Aufsichtsbehörde noch die wiederholten Hinweise des BfDI auf ihr rechtswidriges Verhalten hätten die Klägerin bewogen, ihre Rechtsauffassung zu überdenken. Randnummer 62 Die Klägerin hat gegen den Bescheid am 03. Februar 2016 Klage erhoben. Randnummer 63 Nach dem Vertrag ProGesundheit würden die von ihr identifizierten Versicherten mit bestimmten schweren oder chronischen Erkrankungen angeschrieben und es werde angefragt, ob sie auf freiwilliger Basis an dem Versorgungsmanagement teilnehmen wollten. Im Falle einer Bereitschaft der Versicherten greife das Versorgungsmanagement und werde der Vertragspartner mit der Erbringung der Leistungen beauftragt. So werde es auch in der Praxis der Klägerin umgesetzt, der Vertragspartner trete erst nach deren schriftlicher Einwilligung an die jeweiligen Versicherten heran. Dabei gehe es insbesondere um die Gewährleistung einer stabilen ambulanten Versorgung, die Eindämmung struktureller Kostentreiber, die Unterstützung der Versicherten beim eigenverantwortlichen Umgang mit der Erkrankung, die Vermittlung und Organisation von medizinischen, sozialtherapeutischen Behandlungs- und Beratungsleistungen unterschiedlicher Leistungs- und Kostenträger sowie die wirtschaftliche Mittelverwendung. Das Programm setze ausdrücklich außerhalb der Behandlungen der einzelnen Leistungserbringer an, indem das „Krankheits- und Leistungsgeschehen“ begleitet werde. Es gehe darum, dieses sinnvoll zu steuern. Randnummer 64 Das vom zweiten Vertrag ProVita umfasste Modul 1 sei zu 1.1 bereits vor Erlass des streitgegenständlichen Verpflichtungsbescheides eingestellt worden, nur die Module 1.2 und 1.3 würden weiterbetrieben. Modul 1.2 sei Bestandteil des Fallmanagements (bei vollstationären psychiatrisch/psychosomatischen Krankenhausfällen) und nur eine hausinterne Controlling-Maßnahme der Klägerin. Modul 3 habe zum Ziel und Gegenstand, durch Hinweise u.a. auf Anlaufstellen eine selektive und gezielte Leistungsinanspruchnahme zu fördern sowie Anreize zum Aufbau eines koordinierten zielführenden Hilfenetzwerks zu geben, welches mittel- und langfristig zur Verbesserung von Krankheitsverständnis und Behandlungscompliance beitragen könne, um so die Anzahl der Fälle in Akut- und Notfallbehandlung zu minimieren. Es gehe um Beratungs- und Analyseleistungen, die von dem Vertragspartner unmittelbar gegenüber der Klägerin erbracht würden sowie um Betreuungsleistungen gegenüber den teilnehmenden Versicherten. Die Auswahl und Erstansprache erfolge insoweit allein durch die Klägerin. Randnummer 65 Diese bewege sich mit den beiden Verträgen in dem ihr zugewiesenen Aufgabenfeld. Zu ihren gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben gehörten die von den gesetzlichen Krankenkassen zu gewährenden Sozialleistungen, die in § 11 ff. SGB V festgeschrieben seien. Leistungsgegenstand sei insoweit auch das Versorgungsmanagement. Zu den gesetzlichen Aufgaben gehöre insbesondere auch die Beachtung und Wahrung des Wirtschaftlichkeitsgebotes (§ 2 Abs. 4, § 12 Abs. 1 SGB V). Mit den beiden beanstandeten Verträgen werde ein Versorgungs- und Fallmanagement bewerkstelligt, eine Verbesserung der Leistungsorganisation solle erreicht werden sowie auch Kosteneinsparungen im Sinne einer wirtschaftlichen Versorgung. Rechtliche Grundlage für die Verträge sei § 11 Abs. 4 SGB V. Es sei bereits nicht zutreffend, dass nach dieser Bestimmung nur ein Versorgungsmanagement der Leistungserbringer abgebildet werde. Das ergebe sich aus der Gesetzesbegründung. Danach sei die Durchführung eines entsprechenden Versorgungsmanagements auch ausdrücklich Aufgabe der gesetzlichen Krankenkassen. Das zeige auch die Verortung der Regelung als Eingangsvorschrift des Dritten Kapitels des SGB V. Welchen Inhalt das Versorgungsmanagement habe, sei nicht gesetzlich vorgegeben, es solle sich insbesondere auf die Lösung von Problemen beim Übergang in die verschiedenen Versorgungsbereiche richten, aber nicht allein darauf. Die sachgerechte Anschlussversorgung bilde insoweit nur einen Ausschnitt. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen habe in seinem Gutachten folgende Versorgungsgrundsätze herausgearbeitet: Randnummer 66 - Beteiligung an den lokalen Strukturen des Sozialsystems (Kindergärten, Schulen, Erwachsenenbildungseinrichtungen, Kirchen, berufliches Umfeld), Randnummer 67 - vorausschauende perspektivische Herangehensweise: Es würden nicht nur akut aufgetretene Erkrankungen und Komplikationen von chronischen Erkrankungen behandelt, sondern es werde versucht, deren Auftreten durch Prävention und durch das aktive Gestalten der Versorgung von chronisch Kranken zu verhindern, Randnummer 68 - hoher Stellenwert der Koordination der präventiven Behandlungsprozesse, Randnummer 69 - Stärkung des Selbstmanagements der Patienten, Randnummer 70 - Orientierung an evidenzbasierten Behandlungsleitlinien, Randnummer 71 - wohnortnahe Versorgung mit Gewährleistung der Versorgung in der Fläche, besonders in ländlichen Gebieten mit negativer Wanderungsbilanz. Randnummer 72 Aufgrund der Weite des Begriffs „Versorgungsmanagements“ habe der Gesetzgeber, anders als bei der „Anschlussversorgung“ keine konkreten Handlungsverpflichtungen der Kassen vor Augen gehabt. Es sollte ihnen überlassen bleiben, welche konkrete Formen und welche Maßnahmen sie als Versorgungsmanagement ergreifen, damit unterliege dies dem pflichtgemäßem Ermessen. Es sei daher auf die allgemeinen gesetzlichen Vorgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), insbesondere das Wirtschaftlichkeitsgebot abzustellen sowie die allgemeine Aufgabe der Krankenkassen, wie sie die Einweisungsvorschrift des § 1 SGB V beschreibe. Diese und § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I seien zur Ausfüllung des Ermessens heranzuziehen. Randnummer 73 In beiden streitgegenständlichen Programmen gehe es insbesondere darum, durch organisatorische und koordinatorische Maßnahmen die Versorgung zu steuern sowie außerhalb des ärztlichen Behandlungsgeschehens den Versicherten Hilfestellung zu geben, um mit ihrer Erkrankung im Alltag besser zurecht zu kommen. Außerdem seien beide Programme darauf ausgerichtet Kosten einzusparen. Die Klägerin sei aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebotes zum Abschluss der Verträge berechtigt. Es gehe gerade nicht darum, Versicherten zusätzliche Leistungen zu gewähren, sondern um eine verbesserte Steuerung des Versorgungs- und Leistungsgeschehens. Es solle die zielgerichtete Inanspruchnahme von Leistungen der GKV sowie die wirtschaftliche Versorgung der Versicherten und damit das Wirtschaftlichkeitsgebot gefördert werden; dieses habe überragende Bedeutung. Die Krankenkassen dürften sich aller rechtlich zugelassenen Mittel bedienen. Dazu gehöre auch der Abschluss privatrechtlicher Verträge des Beschaffungswesens. Randnummer 74 Die Klägerin sei auch berechtigt, einen Dritten zu beauftragen. Dies verstoße nicht gegen § 197b SGB V. Der Begriff der „wesentlichen Aufgaben“ enthalte als unbestimmter Rechtsbegriff einen weiten Spielraum zur Ausgliederung. Nach der Gesetzesbegründung dürften Kernaufgaben zur Erfüllung der Versorgungsansprüche Versicherter nicht übertragen werden. Vorliegend gehe es um Aufgaben, die der Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebotes dienten, nicht darum, die Einhaltung auf Dritte zu übertragen, sondern die Klägerin bei der Einhaltung zu unterstützen. Bei den Aufgaben des § 11 Abs. 4 SGB V gehe es um eine Gewährleistungsverpflichtung, nicht um einen Leistungsanspruch Versicherter, damit nicht um eine Kernaufgabe. Kernaufgaben könnten nur solche sein, die alle Krankenkassen in gleicher Weise zu erfüllen hätten. Die Aufgabenübertragung sei wirtschaftlicher, liege im wohlverstandenen Interesse der Betroffenen und greife nicht in deren Rechte ein. Die Aufgabenwahrnehmung durch den privaten Vertragspartner erfolge nur im Einverständnis der Versicherten. Randnummer 75 Ein Verstoß gegen den Sozialdatenschutz beinhalteten die Verträge nicht. Wenn die Durchführung der verabredeten Programme zu den gesetzlichen Aufgaben der Krankenkassen gehöre, liege ein Verstoß gegen die Pflicht, versichertenbezogene Daten nur für die zu den gesetzlichen Aufgaben gehörenden Zwecke zu verwenden (§ 284 Abs. 1 SGB V), nicht vor. Randnummer 76 Die Klägerin beantragt, Randnummer 77 den Bescheid der Beklagten vom 30. Dezember 2015 aufzuheben. Randnummer 78 Die Beklagte beantragt, Randnummer 79 die Klage abzuweisen. Randnummer 80 Das gesamte Handeln der Sozialversicherungsträger stehe unter dem Gesetzesvorbehalt. Der Versichertenanspruch des § 11 Abs. 4 SGB V sei allein durch den Abschluss von Verträgen mit Leistungserbringern bzw. durch Wahrnehmung von Unterstützungsaufgaben gegenüber den Leistungserbringern zu erfüllen, nicht durch unmittelbare Betreuung der Versicherten durch die Krankenkassen oder einen damit beauftragten Dritten. Versorgungsmanagement beziehe sich allein auf ein von den Leistungserbringern durchgeführtes Versorgungsmanagement. Aus der Norm lasse sich kein Anspruch Versicherter auf unmittelbare Betreuung durch die Krankenkassen herleiten. Dies ergebe sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/7439 S. 96). Die Kassen hätten eine Pflicht zur Unterstützung der Versorgungseinrichtungen, eine Pflicht, mit diesen zusammenzuarbeiten. Eine aktive Verpflichtung zur selbständigen Durchführung eines Versorgungsmanagements sei nicht statuiert und ergebe sich auch nicht aus der Gesetzesbegründung. Die beanstandeten Verträge sähen aber eine die Versicherten aktiv betreuende Funktion durch die Krankenkassen vor. Dies entspreche auch der Rechtsauffassung des BfDI. Eine Zusammenarbeit nach § 11 Abs. 4 SGB V sei nur mit zugelassenen Leistungserbringern möglich. Eine Rechtsgrundlage ergebe sich weder aus § 1 SGB V noch aus § 2 Abs. 4 und § 12 SGB V, da es sich um eine reine Einweisungsvorschriften oder Regelungen mit Rahmencharakter oder Grundsatznormen handele. Aus ihnen könne keine Ermächtigung zur Erbringung von Leistungen abgeleitet werden. Das gelte speziell für das von der Klägerin in Anspruch genommene Wirtschaftlichkeitsgebot, welches die Krankenkasse nicht dazu ermächtige, eine zusätzliche Leistung anzubieten. Randnummer 81 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung des Senats gewesen sind.
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird zugelassen.
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Hessisches Landesarbeitsgericht 14. Berufungskammer
Hessen
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24.01.2020
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Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch um Ansprüche der klägerischen Partei auf eine tarifliche Jahressonderzahlung für das Jahr 2017. Die klägerische Partei war bei der Beklagten seit August 2007 als Lackierer zuletzt mit einem monatlichen Bruttogehalt von 3.265,00 € beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund Eigenkündigung zum 31. Juli 2018. Wegen des erstinstanzlichen Parteivorbringens, ihrer Anträge, des vom Arbeitsgericht festgestellten Sachverhalts und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen. Das Arbeitsgericht Frankfurt am Main hat der Klage in ihrer letzten Fassung vollumfänglich stattgegeben. Es hat die Auffassung vertreten, der klägerischen Partei stehe ein Anspruch auf Sonderzahlung für das Jahr 2017 aus dem nach seiner Kündigung nachwirkenden Tarifvertrag über betriebliche Sonderzahlungen vom 20. Juni 1977 zwischen dem Landesverband Hessen des Kraftfahrzeuggewerbes und der IG Metall (künftig: TV Sonderzahlung) zu. Es ist dabei davon ausgegangen, dass nicht nur die Beklagte, sondern auch die klägerische Partei tarifgebunden sei. Dem zulässigen Bestreiten mit Nichtwissen hinsichtlich ihrer Gewerkschaftsmitgliedschaft durch die Beklagte sei die klägerische Partei mit der Vorlage der Mitgliedsbestätigung der IG Metall vom 28. Januar 2019, die eine Mitgliedschaft ab dem 1. Februar 2015 (tatsächlich seit dem 1. November 2016) bestätige, entgegengetreten und das weitere Bestreiten der Beklagten bewege sich im Bereich der Spekulation und sei deshalb unerheblich. Hinzu komme, dass selbst bei einem unwirksamen Aufnahmevertrag ein in Vollzug gesetztes Mitgliedschaftsverhältnis zur Tarifbindung nach § 3 Abs. 1 TVG führe. Wegen der Begründung wird im Übrigen auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils verwiesen. Die Beklagte hat gegen das ihr am 16. April 2019 zugestellte Urteil am 30. April 2019 Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 15. Juli 2019 mit am 15. Juli 2019 beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Die Beklagte rügt, das Arbeitsgericht habe nicht von der Tarifbindung der klägerischen Partei ausgehen dürfen. Diese habe nämlich nicht substantiiert dargelegt und bewiesen, dass sie im Jahr 2017 satzungsgemäßes Mitglied der IG Metall und damit tarifgebunden gewesen sei. Sie vertritt die Auffassung, hierfür sei die Vorlage der Mitgliedsbestätigung vom 28. Januar 2019 nicht ausreichend. Das Schreiben der Gewerkschaftsmitarbeiterin Frau A stelle lediglich eine Privaturkunde nach § 416 ZPO dar und sei somit nur als Beweis geeignet, dass die in der Urkunde enthaltenen Erklärungen von dem Aussteller abgegeben worden seien. Dass sie inhaltlich zutreffen, sei hingegen gerade nicht bewiesen. Die klägerische Partei hätte deshalb mindestens ihre Beitrittserklärung zur Akte reichen sowie die erste und fortlaufende Beitragszahlungen darlegen und nachweisen müssen. Dies ergebe sich aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22. November 2000 (-4 AZR 688/99- Juris). Die Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, ihr Bestreiten der Tarifbindung der klägerischen Partei mit Nichtwissen sei, was das Arbeitsgericht verkannt habe, wegen ihrer mangelnden Erkenntnismöglichkeiten für ein substantiiertes Bestreiten zulässig gewesen. Ein unerhebliches Bestreiten ins Blaue hinein, wie es das Arbeitsgericht annehme, kenne die Prozessordnung nicht bei Tatsachen, die außerhalb des Erkenntnisbereich der bestreitenden Partei stehen. Ein solches könne nur dann angenommen werden, wenn ein Prozessbevollmächtigter ein Bestreiten erkläre, ohne zuvor eine Erklärung der vertretenen Partei einzuholen. Auch die Rechtsprechung zur Abgabe von Behauptungen ins Blaue hinein sei auf den vorliegenden Fall eines Bestreitens mit Nichtwissen aufgrund fehlender eigener Erkenntnismöglichkeit nicht übertragbar. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass der klägerischen Partei ohne weiteres möglich gewesen sei, ihre Beitrittserklärung vorzulegen und die Beitragszahlungen während des streitgegenständlichen Zeitraums durch Kontoauszüge nachzuweisen. Eine Tarifbindung der klägerischen Partei folge auch nicht aus der Invollzugsetzung ihrer Gewerkschaftsmitgliedschaft. Diese liege nämlich erst dann vor, wenn der Arbeitnehmer auf Verbandsebene an der internen Willensbildung teilgehabt habe, die sich nicht mehr rückabwickeln lasse; dass das Mitglied Leistungen vom Verband beziehe oder an den Verband erbringe, reiche insofern gerade nicht aus. Außerdem sei für eine Invollzugsetzung jedenfalls eine unerkannt fehlerhaft begründete Mitgliedschaft des vermeintlichen Mitglieds erforderlich. Schließlich meint die Beklagte, das Arbeitsgericht habe selbst bei Bejahung eines Anspruches zumindest die von ihr an die klägerische Partei im Jahr 2017 geleistete Sonderzahlung anrechnen müssen. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main 3. April 2019 -17 Ca 3346/18- abzuändern und die Klage abzuweisen. Die klägerische Partei beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Die klägerische Partei verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung. Sie vertritt die Auffassung, mit dem Schreiben der IG Metall vom 28. Januar 2019 sei zugleich bestätigt worden, dass sie die Beitrittserklärung abgegeben habe und diese angenommen und die erste Beitragszahlung geleistet worden sei. Lege ein Arbeitnehmer die gewerkschaftliche Bestätigung seiner Mitgliedschaft vor, sei diese zugrunde zu legen, solange die Gegenseite die Auskunft der Gewerkschaft nicht erschüttere. Dem entspreche, dass es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Darlegung der Vertretung der Gewerkschaft im Betrieb ausreiche, wenn ein Arbeitnehmer unter Vorlage des Mitgliedsausweises beim Notar eine eidesstattliche Versicherung abgebe. Schließlich reicht die klägerische Partei eine auf „Februar 2019“ datierte, nicht unterzeichnete Beitragsbestätigung für das Jahr 2017 (Bl. 229 der Akte), eine schriftliche Rechtsschutzbewilligung vom 24. April 2018 (Bl. 230 der Akte) sowie eine Rechtsschutzbewilligung vom 15. Mai 2019 (231 der Akte) zur Akte und bietet dafür, dass sie die Beitrittserklärung abgegeben hat und diese angenommen und die erste Beitragszahlung geleistet worden ist, Beweis durch Vernehmung eines namentlich benannten Bevollmächtigten der IG Metall Verwaltungsstelle an. Wegen des weiteren beiderseitigen Berufungsvorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsschriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2020 Bezug genommen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 3. April 2019 – 17 Ca 3346/18 – teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 5. Kammer
Rheinland-Pfalz
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28.04.2022
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung. Randnummer 2 Der im August 1978 geborene Kläger (ledig, kinderlos) war seit dem 2. Juli 2007 bei der Beklagten als Stahlbauschlosser beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden aufgrund beiderseitiger Tarifbindung die Tarifverträge der pfälzischen Metall- und Elektroindustrie Anwendung. Der Kläger war in Entgeltgruppe 5 ERA eingruppiert. Die Beklagte ist ein Kranhersteller. Sie beschäftigte in ihren zwei Werken am Standort Z. (Y.straße und W.) vor der Massenentlassung 1.536 Arbeitnehmer; es besteht ein Betriebsrat. Randnummer 3 Unter dem 8. Oktober 2020 beantragte die Beklagte die Eröffnung eines Schutzschirmverfahrens in Eigenverwaltung nach § 270b InsO. Mit Beschluss vom 8. Oktober 2020 (1 IN 52/20) hat das zuständige Amtsgericht Zweibrücken die vorläufige Eigenverwaltung im Schutzschirmverfahren angeordnet und WP/StB A. G. zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Mit Beschluss vom 1. Januar 2021 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eröffnet. Randnummer 4 Nach Verhandlungen schloss die Beklagte am 4. Januar 2021 mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste, einen Insolvenzsozialplan sowie eine Betriebsvereinbarung zur Schaffung von Auffangstrukturen, die ua. die Errichtung einer Transfergesellschaft vorsah. Im Interessenausgleich wurden Umstrukturierungsmaßnahmen beschrieben, die zu einem Wegfall von Beschäftigungsmöglichkeiten führten. Es wurden ua. 58 Versetzungen, 51 Änderungskündigungen sowie 392 Beendigungskündigungen geregelt. In der mit dem Interessenausgleich fest verbundenen Namensliste der Mitarbeiter, denen die betriebsbedingte Beendigungskündigung ausgesprochen werden sollte, findet sich auch der Name des Klägers. Der Kläger lehnte den angebotenen Übertritt in die Transfergesellschaft ab. Randnummer 5 Mit Schreiben vom 5. Januar 2021 hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten betriebsbedingten ordentlichen Kündigung des Klägers mit der dreimonatigen Frist des § 113 Satz 2 InsO an. Der Betriebsrat stimmte der Kündigung mit Schreiben vom 11. Januar 2021 zu. Mit Formular und Begleitschreiben vom 11. Januar 2021 nebst Anlagen erstattete die Beklagte bei der zuständigen Agentur für Arbeit eine Massenentlassungsanzeige nach § 17 KSchG, deren Eingang die Agentur am 11. Januar 2021 bestätigte. Mit Schreiben vom 25. Januar 2021 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger zum 30. April 2021. Hiergegen erhob der Kläger rechtzeitig Kündigungsschutzklage. Randnummer 6 Der Kläger hat erstinstanzlich zuletzt beantragt, Randnummer 7 1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 25. Januar 2021 beendet worden ist, Randnummer 8 2. im Falle des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Stahlbauschlosser weiterzubeschäftigen. Randnummer 9 Die Beklagte hat beantragt, Randnummer 10 die Klage abzuweisen. Randnummer 11 Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes und des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Randnummer 12 Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 24. Juni 2021 abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen. Gegen das am 30. Juli 2021 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 11. August 2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese innerhalb der bis zum 2. November 2021 verlängerten Begründungsfrist mit am 29. Oktober eingegangenem Schriftsatz vom 19. Oktober 2021 begründet. Randnummer 13 Der Kläger macht zur Begründung seiner Berufung nach Maßgabe seiner Berufungsbegründungsschrift vom 19. Oktober 2021, auf die ergänzend Bezug genommen wird, geltend, die Kündigung sei sozial nicht iSd. § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt. Er habe die vermuteten dringenden betrieblichen Erfordernisse widerlegt. Die Arbeiten im Bereich Stahlbau könnten jetzt und in Zukunft von den verbliebenen Beschäftigten nicht erledigt werden. Der Stahlbau sei überproportional vom Stellenabbau betroffen, ohne dass die Beklagte hierfür eine tragfähige Erklärung bieten könne. Sie habe 31 von 77 Beschäftigten im Stahlbau, also rund 40%, entlassen. Soweit die Beklagte auf eine Auslastungsquote von zum Teil 50% oder 65% hinweise, handele sich um die Folge von Effekten, die im Zeitpunkt der Planung der Betriebsänderung und auch der Kündigung noch nicht absehbar gewesen seien. Die Betriebsänderung sei bereits bei Übernahme der Rechtsvorgängerin T. durch die Beklagte im Jahr 2019 geplant worden. Damals habe niemand etwas von der Corona-Pandemie und den nachfolgend zusammenbrechenden weltweiten Lieferketten geahnt. Die Tiefstände der Auslastung bzw. Kurzarbeit in 2021 seien, so die Beklagte selbst, primär Folge der aktuellen Lieferschwierigkeiten. Eine Auslastung im Stahlbau von 50% oder 65% im Vergleich zum Vorniveau liege somit unter dem, was die Beklagte im Zeitpunkt der Kündigung erwartet habe. Allerdings handele es sich um eine unbeachtliche Momentaufnahme, denn die Lieferprobleme würden behoben, Aufträge seien vorhanden. Im Stahlbau könne nicht mit weniger Personal gearbeitet werden, auch die diskutierte Auslagerung in eine „Stahlbau GmbH“ ändere nichts am Beschäftigungsbedarf. Bereits im Zeitpunkt der Kündigung habe festgestanden, dass die Arbeiten mit den verbliebenen Beschäftigten im Stahlbau nicht verrichtet werden können. Die Belegschaft sei bereits in den Jahren vor der Insolvenz in vielen kleinen Schritten reduziert worden und selbst in schwachen Zeiten ausgelastet gewesen. Randnummer 14 Die Beklagte habe seit Aufhebung des Insolvenzverfahrens (am 31. März 2021) mehrere Beschäftigte aus der Transfergesellschaft „zurückgeholt“, dh. mit neuen Arbeitsverträgen wiedereingestellt. Sie habe mehrere Beschäftigte, die eine Kündigungsschutzklage erhoben haben, im Vergleichswege wiederbeschäftigt, wenngleich teils zu anderen Vertragsbedingungen. Sie habe mehrere Leiharbeitnehmer eingestellt, zunächst im Bereich Logistik, inzwischen auch Stahlbauschlosser und Schweißer. Weil der Betriebsrat dem widersprochen habe, seien mehrere Verfahren nach § 100 BetrVG vor dem Arbeitsgericht anhängig. Die Beklagte habe dem Betriebsrat am 14. Juli 2021 den Entwurf einer Betriebsvereinbarung vorgelegt, wonach er dem Einsatz von Leiharbeitnehmern im Umfang von bis zu 30% der Belegschaft, dh. rund 330 Personen für eine Laufzeit von 48 Monaten pauschal zustimmen sollte. Die Betriebsvereinbarung sei nicht zustande gekommen. Im August 2021 habe die Beklagte Stellen für zehn Stahlbauschlosser intern ausgeschrieben. Daraus werde deutlich, dass die verbliebenen Beschäftigten nicht ausreichen, zumal es keinen Auftragsboom gebe. Die Beklagte habe von vornherein beabsichtigt, einen nicht geringen Teil der vorherigen Stammbelegschaft durch kurzfristig an- und abmeldbare Leiharbeitnehmer zu ersetzen. Ein On-Site-Vertrag mit der Zeitarbeitsfirma L. sei im Juni/Juli 2021 abgeschlossen worden. Der Austausch von Beschäftigten durch Leiharbeitnehmer widerlege die Vermutung der dringenden betrieblichen Erfordernisse. Randnummer 15 Die Sozialauswahl sei grob fehlerhaft erfolgt. Die Beklagte habe ihn zwar überwiegend als Stahlbauschlosser beschäftigt, er sei aber im Jahr 2018 sieben Monate als Montageschlosser eingesetzt worden. Daher sei er auch mit den Montageschlossern vergleichbar. Außerdem sei er mit den Schweißern vergleichbar, weil er „die Schweißerprüfung“ erfolgreich abgelegt habe. Im Rahmen seiner Tätigkeit als Stahlbauschlosser habe er regelmäßig Schweißarbeiten durchgeführt, wenngleich diese Verbindungen regelmäßig nur zum vorläufigen Fixieren der Bauteile gedient und keiner Güteprüfung hätten standhalten müssen. Selbst wenn er eine weitere Prüfung hätte ablegen müssen, wäre ihm dies innerhalb der dreimonatigen Kündigungsfrist möglich gewesen. Die Entgeltgruppe 5 ERA sei für Stahlbauschlosser und Schweißer identisch, so dass seine Eingruppierung einer Weiterbeschäftigung als Schweißer nicht im Wege stehe. Randnummer 16 Die Kündigung sei ferner unwirksam, weil die Beklagte den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß nach § 102 Abs. 1 BetrVG angehört habe. Sie habe dem Betriebsrat mitgeteilt, dass sie ihn der Vergleichsgruppe der Stahlbauschlosser zugeordnet habe. Sie habe den Betriebsrat hingegen nicht darüber informiert, dass er als Schweißer (ggf. nach kurzfristiger Qualifizierung bzw. Prüfung) und als Montageschlosser beschäftigt werden könne. Randnummer 17 Der Kläger rügt außerdem, dass die Beklagte das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG nicht ordnungsgemäß durchgeführt habe. Sie habe den Betriebsrat erstmals am 20. Oktober 2020 konsultiert. Ihr mehrseitiges Schreiben nebst Anlagen habe sie dem Betriebsratsvorsitzenden nur zwei Stunden vor der ersten Sitzung übergeben, so dass der 17-köpfige Betriebsrat mangels Vorbereitungszeit keine Möglichkeit zu einer echten konstruktiven Mitarbeit gehabt habe. Die Beklagte habe in diesem Schreiben bereits detailliert ausgeführt, wievielen Arbeitnehmern sie aus welchen Bereichen mit welchen Fristen kündigen wolle. Daraus folge, dass das fertig ausgearbeitete Konzept der Beklagten zur Personalreduzierung vor dem 20. Oktober 2020 bereits unverrückbar festgestanden habe. In ihrem weiteren Schreiben vom 26. November 2020 habe die Beklagte den Betriebsrat über einige Änderungen informiert, die beigefügte Liste der zu kündigenden Mitarbeiter habe zu fast 100% dem späteren Interessenausgleich entsprochen. Auch daraus werde deutlich, dass die Beklagte ihren Plan „durchgezogen“ habe. Randnummer 18 Der Kläger beantragt zweitinstanzlich, Randnummer 19 das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirma-sens - vom 24. Juni 2021, Az. 6 Ca 78/21, abzuändern und Randnummer 20 1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 25. Januar 2021 aufgelöst worden ist, Randnummer 21 2. für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Stahlbauschlosser weiterzubeschäftigen. Randnummer 22 Die Beklagte beantragt, Randnummer 23 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 24 Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Randnummer 25 Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den Inhalt der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 24. Juni 2021, Az. 6 Ca 78/21, wird kostenpflichtig zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Landessozialgericht Sachsen-Anhalt 1. Senat
Sachsen-Anhalt
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16.12.2010
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung zu zahlen hat. Randnummer 2 Der 1962 geborene Kläger übt seit September 1990 die selbständige Tätigkeit eines Handelsvertreters für Finanzdienstleistungen und Versicherungen aus. Randnummer 3 Im Mai 1999 sandte er einen ausgefüllten Formantrag "Befreiung für arbeitnehmerähnliche Selbständige" an die Bahnversicherungsanstalt (Eingang dort am 1. Juni 1999). Dabei bat er um eine Bestätigung, dass er bereits von der Rentenversicherungspflicht befreit sei. Die Bahnversicherungsanstalt gab den Vorgang an die Beklagte ab, die vom Kläger weitere Unterlagen anforderte. Der Kläger wies nochmals darauf hin, dass er nach seiner Ansicht bereits von der Versicherungspflicht befreit sei. 1991 habe es die Möglichkeit gegeben, sich befreien zu lassen, wenn eine private Rentenversicherung nachgewiesen sei. Mit einem Versicherungsmakler habe er nach Erhalt des Versicherungsscheines sofort den Antrag auf "Rentenbefreiung" gestellt. Der Versicherungsmakler habe ihm bestätigt, den Antrag im Januar 1992 bei der Bahnversicherungsanstalt gestellt zu haben. Die Beklagte befragte daraufhin die Bahnversicherungsanstalt, die das Vorliegen eines Antrages des Klägers nicht bestätigen konnte. Randnummer 4 Mit Bescheid vom 25. Oktober 2000 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger gem. § 229 a Abs. 1 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) ab 1. Januar 1992 in seiner selbständigen Tätigkeit der Versicherungspflicht unterliege, da er am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig gewesen sei. Einen Antrag auf Befreiung von dieser Versicherungspflicht, der bis zum 31. Dezember 1994 habe gestellt werden können, sei nicht gestellt worden. Außerdem stellte die Beklagte in dem Bescheid die für den Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis zum 31. Oktober 2000 zu zahlenden Beiträge fest. Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 7. November 2000 Widerspruch, den er mit Schreiben vom 14. November 2000 u. a. damit begründete, er habe sofort nach Erhalt des Versicherungsscheins der privaten Rentenversicherung den Antrag auf Befreiung bei der Bahnversicherungsanstalt, F., gestellt. Da in der Folgezeit keine Aufforderung oder Nachfrage vom Rentenversicherungsträger erfolgt sei, sei er davon ausgegangen, dass alles für ihn "in Ordnung wäre". Randnummer 5 Die Beklagte sah die Voraussetzungen des § 231 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 SGB VI als erfüllt an (Glaubhaftmachung der Unkenntnis von der Versicherungspflicht nach § 229 a Abs. 1 SGB VI am 31. Dezember 1998) und übersandte an den Kläger Antragsvordrucke zur Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 6 SGB VI. Am 12. November 2001, 29. April 2002, 3. Dezember 2002 und 20. Januar 2003 erinnerte die Beklagte den Kläger an die einzureichenden Vordrucke. Der Kläger reagierte nicht. Randnummer 6 Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2003 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 25. Oktober 2000 zurück. Da dieser die erforderlichen Vordrucke nicht ausgefüllt und keine Nachweise über die Lebensversicherung vorlegt habe, habe sich der Widerspruchsausschuss nicht davon überzeugen können, dass der angefochtene Bescheid zu beanstanden sei. Der Widerspruchsbescheid enthielt eine Rechtsmittelbelehrung, in der auf die Möglichkeit der Klageerhebung hingewiesen wurde. Klage erhob der Kläger nicht. Randnummer 7 Mit zwei Bescheiden vom 17. September 2003 stellte die Beklagte nochmals die Versicherungspflicht des Klägers seit 1. Januar 1992 und die vom 1. Januar 1996 bis zum 30. September 2003 zu zahlenden Beiträge fest. Randnummer 8 Mit einem weiteren Bescheid vom 29. Oktober 2003 stellte die Beklagte wiederum die vom Kläger zu zahlenden Beiträge für den Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis zum 30. September 2003 und (neu) die zu zahlenden Säumniszuschläge fest. Wörtlich führte sie in dem Bescheid auf Seite 4 nach der Aufstellung der Beiträge und der Säumniszuschläge aus: "Sie unterliegen als Selbständiger der Versicherungspflicht (§§ 2, 4 Abs. 2 bzw. 229a SGB VI) in der gesetzlichen Rentenversicherung und haben demgemäß den genannten Betrag an uns abzuführen." Am 12. November 2003 erhob der Kläger ("gegen Ihren Bescheid vom 29.10.2003") Widerspruch. Zur Begründung führte er mit Schreiben vom 16. Dezember 2003 aus, sein Status als vermeintliches Pflichtmitglied sei nach wie vor ungeklärt, da sein Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. Oktober 2000 nicht beschieden worden sei. Er habe nur eine Eingangsmitteilung erhalten und warte auf eine abschließende Bearbeitung. Er habe im Januar 1992 einen Befreiungsantrag gestellt. Wenn keine korrekte Weitergabe erfolgt sei, gehe dies nicht zu seinen Lasten. Für eine ordnungsgemäße Weitergabe habe er nicht einzustehen. Die Bahnversicherungsanstalt habe nicht ausgeschlossen, dass ein solcher Antrag gestellt worden sei. Sie habe lediglich darauf hingewiesen, dass Unterlagen aus dem Jahre 1992 nicht mehr vorlägen. Auch dies gehe nicht zu seinen Lasten. Im Wege der Amtsermittlung sei zu klären, wo der Antrag verblieben sei. Eine bindende Feststellung, dass sein Antrag nicht eingegangen sei, sei nicht getroffen worden. Hilfsweise müsse der Versicherungsmakler als Zeuge vernommen werden. Randnummer 9 Mit Widerspruchsbescheid vom 4. November 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Bescheid vom 25. Oktober 2000 sei bestandskräftig geworden, da gegen den Widerspruchsbescheid vom 11. Juni 2003 Rechtsmittel nicht eingelegt worden seien. Ebenso sei der Bescheid vom 17. September 2003 bestandskräftig geworden. Ein Antrag sei rechtswirksam gestellt, wenn er bei dem Leistungsträger eingegangen sei. Der Absender trage das Risiko des Postwegs. Der Antragseingang sei nicht nachgewiesen und könne auch durch Zeugenaussagen nicht nachgewiesen werden. Randnummer 10 Am 8. Dezember 2004 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht Magdeburg (SG) erhoben. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2004 hat das SG dem Klägervertreter die Verwaltungsakte der Beklagten zur Akteneinsicht übersandt. Mit Schreiben vom 1. März 2005, 4. April 2005 und 25. Mai 2005 hat das SG an die Übersendung der Verwaltungsakte erinnert und in dem Schreiben vom 25. Mai 2005 wörtlich ausgeführt: "Sollten uns bis spätestens 20.6.2005 die Verwaltungsakte und die Klagebegründung nicht vorliegen, sehen wir eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid vor." Das Schreiben ist dem Klägervertreter mit Zustellungsauftrag zugestellt worden. Der Klägervertreter hat nicht reagiert. Das SG hat von der Beklagten Kopien des Bescheides vom 29. Oktober 2003 und des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2004 angefordert und, nach Vorliegen dieser Bescheide, mit Gerichtsbescheid vom 22. Juli 2005 die Klage abgewiesen. Auf richterliche Anordnung ist der Gerichtsbescheid dem Klägervertreter mit Zustellungsauftrag gem. § 63 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 176 der Zivilprozessordnung (ZPO) zugestellt worden. Randnummer 11 Mit weiteren Schreiben vom 1. August 2005 und vom 2. Dezember 2005 hat das SG bei dem Klägervertreter nach dem Verbleib der Verwaltungsakte der Beklagten gefragt. Mit Schreiben vom 18. Januar 2006 hat der Klägervertreter die Verwaltungsakte an das SG zurück übersandt, nachdem der Kammervorsitzende persönlich mit diesem gesprochen hatte. Am 17. November 2006 hat der Klägervertreter das SG um Akteneinsicht gebeten, da die Beklagte Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Kläger eingeleitet habe. Mit Schreiben vom 21. November 2006 hat das SG den Klägervertreter darauf hingewiesen, dass der Gerichtsbescheid vom 22. Juli 2005 am 27. Juli 2005 zugestellt worden sei und die Gerichtsakte am 29. November 2006 an das Amtsgericht Hamburg zur Akteneinsicht in den Gerichtsräumen übersandt. Randnummer 12 Am 28. November 2006 hat der Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Zustellung am 27. Juli 2005 sei nicht erfolgt, was eidesstattlich versichert werde. Der 27. Juli 2005 sei ein Donnerstag, also normaler Werktag, gewesen. Der Klägervertreter befinde sich seit Anfang 2005 in einer größeren Bürogemeinschaft mit einer Sozietät und einem weiteren Rechtsanwalt. Es werde ein gemeinsames Sekretariat benutzt. Zu den üblichen Geschäfts-/Bürozeiten zwischen 8.00 und 18.00 Uhr sei an Werktagen das Sekretariat immer mit mindestens zwei Mitarbeiterinnen besetzt, während der Kernzeiten zwischen 9.00 und 17.00 Uhr sogar mit mindestens vier Mitarbeiterinnen. Zudem gebe es im Büro durch die Bürogemeinschaft sechs Rechtsanwälte. Der Hinweis der Postbediensteten darauf, dass angeblich niemand angetroffen und das Poststück deshalb eingeworfen worden sei, sei absurd. Die Post werde im Innenstadtbezirk von H. auch regelmäßig, d. h. ohne Ausnahme, vormittags zugestellt, also niemals vor 8.00 Uhr und auch nicht nach 18.00 Uhr. Die Postbedienstete müsse also jemanden angetroffen haben oder habe falsche Angaben auf der Zustellungsurkunde gemacht. Insbesondere im Jahre 2005 hätten mehrfach falsche Poststücke im Briefkasten des Klägervertreters gelegen. Eine Zustellung sei jedenfalls nicht erfolgt. Außerdem sei der Zugang erst erfolgt, wenn er als Rechtsanwalt inhaltlich von dem zuzustellenden Schriftstück Kenntnis genommen habe. Deshalb sei durch die Rechtsprechung aller Verfahrensarten bestätigt, dass ein Empfangsbekenntnis nicht zwingend auf den Tag des Briefkasteneinwurfs abzugeben sei, sondern unter Umständen später. Erst mit der inhaltlichen Kenntnisnahme gelte das Schriftstück als zugegangen. Sollte eine ordnungsgemäße Zustellung des Gerichtsbescheids vorliegen, so habe aber eine inhaltliche Kenntnisnahme nicht stattgefunden. Der Gerichtsbescheid sei nämlich nicht zur Akte gelangt und auch sonst nicht vorgelegt worden. Randnummer 13 Am 22. Dezember 2006 hat der Klägervertreter Einsicht in die Gerichtsakte genommen. Am selben Tag hat der Kläger bei dem Sozialgericht Magdeburg Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 22. Juli 2005 eingelegt. Zur Begründung führt er u. a. aus, die Beklagte habe ihn jahrelang im Unklaren darüber gelassen, dass er noch der Versicherungspflicht unterliege. Durch diese Untätigkeit sei er in seiner Dispositionsfreiheit eingeschränkt gewesen und habe seine Mittel für die private Lebensversicherung aufgewandt. Außerdem habe er gegen den Bescheid aus dem Jahre 2000 Widerspruch erhoben und diesen begründet. Er hat außerdem eine schriftliche Bestätigung seines Versicherungsmaklers vom 13. Dezember 2006 vorgelegt, in der dieser bestätigt, dass er im Januar 1992 den Befreiungsantrag an die zuständige Versicherungsanstalt weitergeleitet habe. Eine Kopie habe er leider nicht gefertigt. Randnummer 14 Der Kläger beantragt sinngemäß, Randnummer 15 für den Fall, das die Berufungsfrist gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 22. Juli 2005 nicht eingehalten wurde, Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist zu gewähren und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 22. Juli 2005 sowie den Bescheid vom 29. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. November 2004 aufzuheben. Randnummer 16 Die Beklagte beantragt, Randnummer 17 die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 22. Juli 2005 zurückzuweisen. Randnummer 18 Die Beklagte hält den Gerichtsbescheid für zutreffend. Randnummer 19 Das Gericht hat sich mit Schreiben vom 29. Juni 2007 und 12. Juli 2007 an die Deutsche Post AG gewandt und Erkundigungen zur Zustellung eingeholt. Randnummer 20 Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte verwiesen.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Magdeburg vom 22. Juli 2005 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Verwaltungsgericht des Saarlandes 5. Kammer
Saarland
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29.08.2018
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Randnummer 1 Der Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Er beantragte am 23.07.2015 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seine Anerkennung als Asylberechtigter. Randnummer 2 Bei seiner Anhörung beim Bundesamt am 27.07.2015 gab der Kläger an, er habe einen Reisepass besessen, der in Schweden ausgestellt worden sei und den er in Hamburg abgegeben habe. Seine letzte Anschrift in Afghanistan sei im Dorf Soukhteh gewesen, das zum Kreis Garmsir und zur Provinz Helmand gehöre. Er habe diese Adresse verlassen, als er vier Jahre alt gewesen sei, dann seien sie nach Pakistan gegangen. In Afghanistan sei er danach nicht mehr gewesen. Sein Vater sei im Jahr 2010 verstorben und seine Mutter halte sich in Pakistan auf. Er habe eine Schwester, die 23 oder 24 Jahre alt und verheiratet sei. Auch sie halte sich in Pakistan auf. In Afghanistan habe er noch einen Onkel mütterlicherseits. Der halte sich in der Provinz Helmand auf, er wisse aber nicht wo genau. Er habe lediglich zwei Jahre lang die Schule in Schweden besucht. Er könne etwas lesen, schreiben könne er aber nicht. Einen Beruf habe er nicht erlernt, in Pakistan habe er als Helfer eines Schweißers gearbeitet. Er habe sowohl in Schweden als auch in Norwegen einen Asylantrag gestellt, beide Anträge seien abgelehnt worden. Er habe mit vier Jahren Afghanistan verlassen und sei nach Pakistan. Im November 2010 habe er dann Pakistan verlassen und sei illegal zu Fuß in den Iran. Eine Woche sei er dort geblieben, dann sei er illegal zu Fuß in die Türkei. In der Türkei habe er sich 5-6 Tage aufgehalten. Mit einem Schlauchboot und zu Fuß sei er dann nach Griechenland. Etwa zwei Monate sei er in Griechenland gewesen. Er habe mehrfach versucht, Griechenland zu verlassen. Dann sei es ihm gelungen, auf einen Lkw zu steigen, der eine Fähre benutzt habe, um nach Italien zu kommen. Etwa eine Woche lang sei er in Italien gewesen, dann habe er mithilfe von Schleppern mit einem Auto bzw. Zug die Reise nach Schweden angetreten. Er wisse nicht mehr, durch welche Länder sie gefahren seien. Am 14.02.2011 sei er Schweden angekommen. Er habe sich in Schweden etwa vier Jahre lang aufgehalten, am 05.02.2015 sei er dann nach Norwegen. Er habe dort eine Ablehnung erhalten und man habe ihn abschieben wollen. Er habe nicht genau verstanden, wohin man ihn habe abschieben wollen, aus diesem Grund sei er dann wieder nach Schweden zurückgekehrt. Dort sei er geblieben, bis er mit dem Zug über Dänemark nach Deutschland gefahren sei, wo er am 21.06.2015 in Hamburg angekommen sei. Randnummer 3 Zu seinen Asylgründen trug der Kläger vor, das Leben in Pakistan sei schwierig. Aus religiösen Gründen würden dort Schiiten getötet werden und auch Hazara hätten Probleme dort. Darüber hinaus sei sein Vater in einer Mine umgekommen, in der er gearbeitet habe. Die Nachbarn hätten Kinder, die nach Europa gewollt hätten und die Mutter habe die Nachbarn gefragt, ob man ihn mitnehme. Er sei dann mit dem Sohn der Nachbarn nach Schweden gereist. In Pakistan sei es sehr gefährlich, täglich würden dort Leute auf der Straße sterben. Er habe dort nicht länger leben können. Die Lebensbedingungen seien sehr schwierig. Als er in Schweden gewesen sei, sei sein jüngerer Bruder auf dem Weg von der Schule nach Hause durch eine Autobombe ums Leben gekommen. Das sei im Jahr 2013 gewesen. Er selber habe konkret nichts gemacht, er habe auch keine konkreten Gründe. Auf Frage, was er zu befürchten habe, wenn er in seine Heimat zurückkehren würde, erklärte der Kläger, er kenne sich in Afghanistan gar nicht aus. Außerdem werde seine Familie schon einen Grund gehabt haben, warum sie Afghanistan verlassen habe. Er selber habe keine Feinde. Sein Vater sei aber vor ihnen ausgereist und sei nicht einmal zurückgekehrt, um die Familie abzuholen. Es könnte also durchaus sein, dass er dort Probleme gehabt habe. Erzählt habe er aber davon nichts. Seine Mutter habe Angst, dass auch er ums Leben komme, nachdem sein Bruder gestorben sei. Randnummer 4 Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte mit Bescheid vom 13.02.2017 den Asylantrag ab und erkannte die Flüchtlingseigenschaft sowie den subsidiären Schutzstatus nicht zu und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen. Gleichzeitig wurde dem Kläger die Abschiebung nach Afghanistan angedroht, sollte er die im Bescheid genannte Ausreisefrist von 30 Tagen nicht einhalten. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Randnummer 5 Zur Begründung ist in dem Bescheid im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter lägen nicht vor. Der Kläger, der keine Angaben zu seinem Aufenthaltsstatus im Land des gewöhnlichen Aufenthalts Pakistan gemacht habe, habe auch keine Asylgründe geltend gemacht. Ihm sei in seinem Herkunftsland dem eigenen Vorbringen nach keine Verfolgungshandlung im Sinne von § 3a AsylG widerfahren. Gleiches gelte offenbar auch für das Land des gewöhnlichen Aufenthalts. Sofern er vorgetragen habe, dass Zugehörige zur Volksgruppe der Hazara, Menschen mit islamisch-schiitischer Konfessionszugehörigkeit sowie Afghanen generell ein schwieriges Leben in Pakistan hätten oder sogar verfolgt würden, so müsse er sich vorhalten lassen, in sein Herkunftsland Afghanistan umzusiedeln. Aus der Zugehörigkeit des Klägers zur Volksgruppe der Hazara folge nicht die Gefahr einer landesweiten Verfolgung in Afghanistan. Randnummer 6 Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor, da aus dem Sachverhalt nicht ersichtlich sei, dass dem Kläger in seinem Herkunftsland eine entsprechende Gefahr drohe. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Wie bereits im Rahmen der Prüfung des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG festgestellt, drohe dem Kläger in Afghanistan keine durch einen staatlichen oder nichtstaatlichen Akteur verursachte Folter oder relevante unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. In Bezug auf Gefahren einer Verletzung des Art. 3 EMRK, die individuell durch einen konkret handelnden Täter drohten, sei daher keine andere Bewertung als bei der Prüfung des subsidiären Schutzes denkbar. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Afghanistan führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Afghanistan führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom EGMR geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Auch unter Berücksichtigung der individuellen Umstände des Klägers sei die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des Art. 3 EMRK durch die Abschiebung nicht beachtlich. Der Kläger habe keine individuell gefahrenerhöhenden Gründe vorgebracht. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass er als gesunder, junger Mann nach der Rückkehr nicht eine auskömmliche, ortsübliche, mindestens aber existenzsichernde Existenz aufbauen könnte. Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 AufenthG, die dem Kläger bei Rückkehr nach Afghanistan drohen könnten, seien nicht vorgetragen worden und lägen auch nach Erkenntnissen des Bundesamtes nicht vor. Randnummer 7 Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG werde nach § 11 Abs. 2 AufenthG auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Im Fall einer Abschiebungsandrohung nach §§ 34, 35 AsylG oder einer Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylG habe das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge gemäß § 75 Nr. 12 AufenthG das aus § 11 Abs. 1 AufenthG resultierende Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 2 AufenthG zu befristen. Komme ein Drittstaatsangehöriger seiner Ausreisepflicht nicht nach und sei er ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden, dürfe er weder erneut in das Bundesgebiet einreisen, noch sich darin aufhalten, noch dürfe ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach dem AufenthG, ein Aufenthaltstitel erteilt werden (Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG). Die Wirkung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG trete mit der Ausweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung kraft Gesetzes ein. Die Dauer dieses gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots werde gemäß § 11 Abs. 3 AufenthG in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls festgesetzt und dürfe grundsätzlich fünf Jahre nicht überschreiten. Sei der Drittstaatsangehörigen aufgrund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden oder gehe eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung von ihm aus, dürfe die Frist fünf Jahre überschreiten, aber solle zehn Jahre nicht überschreiten. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf 30 Monate sei im vorliegenden Fall angemessen. Die Frist beginne mit der Abschiebung. Anhaltspunkte für eine kürzere Fristfestsetzung, aufgrund schutzwürdiger Belange, seien weder vorgetragen worden noch lägen sie nach den Erkenntnissen des Bundesamtes vor. Der Kläger verfüge im Bundesgebiet über keine wesentlichen Bindungen, die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigen wären. Randnummer 8 Der Bescheid wurde dem Kläger am 15.02.2017 zugestellt. Randnummer 9 Am 28.02.2016 hat der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben. Zur Begründung führt er aus, er sei politisch verfolgt, so dass ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen sei. Zumindest sei ihm subsidiärer Schutz gemäß § 4 AsylG zuzuerkennen. In jedem Fall bestehe jedoch ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1 AufenthG. Er sei afghanischer Staatsangehöriger vom Volk der Hazara. Ein Abschiebungsverbot bestehe bereits deshalb, weil er als Person, die im Alter von vier Jahren Afghanistan verlassen habe und über kein familiäres Netzwerk dort verfüge, seine Existenz auch als junger alleinstehender Mann nicht sichern könnte. Personen wie er ohne familiären Rückhalt könnten ihre Existenz nicht sichern. Nach allem bestehe zumindest ein Abschiebungsverbot. Unabhängig hiervon sei aber auch von politischer Verfolgung von Hazara in Afghanistan auszugehen. Randnummer 10 Er habe inzwischen vom islamischen Glauben abgewandt und besuche nach seinem Hauptschulabschluss nunmehr die Sozialpflegeschule. Sowohl in der Hauptschule als auch in der Sozialpflegeschule besuche er den Religionsunterricht. Er habe dann Kontakt zur Evangelischen Kirchengemeinde Lebach-A-Stadt aufgenommen und besuche seit dem 08.01.2018 die Bibelstunden, die von dieser veranstaltet würden. Auch an den Gottesdiensten der Kirchengemeinde nehme er teil. Ab dem Sommer 2018 werde er den Glaubenskurs besuchen, mit dem er sich auf die beabsichtigte Taufe vorbereite. Er nehme auch regelmäßig an den Bibelstunden und aktiv am Gemeindeleben teil. Er bereite sich weiterhin auf die Ende des Jahres in Aussicht genommene Taufe vor. Randnummer 11 Der Kläger beantragt, Randnummer 12 die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 13.02.2017 zu verpflichten ihm die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG zuzuerkennen, Randnummer 13 hilfsweise Randnummer 14 ihm subsidiären Schutz gemäß § 4 AsylG zuzuerkennen, Randnummer 15 weiter hilfsweise Randnummer 16 festzustellen, dass hinsichtlich Afghanistans ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegt. Randnummer 17 Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid, Randnummer 18 die Klage abzuweisen. Randnummer 19 Der Antrag des Klägers auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wurde mit Beschluss vom 08.02.2018 zurückgewiesen. Randnummer 20 Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten, deren Inhalt ebenso wie die Dokumentation Afghanistan zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde.
Die Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 13.02.2017 verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Die außergerichtlichen Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens trägt die Beklagte. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ersichtlichen Kostenschuld abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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LArbG Berlin-Brandenburg 8. Kammer
Berlin
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31.03.2017
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag der Parteien vom 11. November 2005 (im Folgenden: ZV 2005) auf deren Grundlage die Beklagte der Klägerin in der Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Januar 2010 ihre vollen Bezüge, in der Zeit ab 1. Februar 2010 bis 31. August 2015 - bis zur Einstellung jeglicher Leistungen - ein monatliches Ruhegehalt, Sozialzuschläge und Beihilfeleistungen erbrachte. Randnummer 2 Die am … 1958 geborene Klägerin war seit dem 1. Juli 1986 zunächst als Referentin bei der Beklagten, die als Selbstverwaltungskörperschaft des öffentlichen Rechts die Interessen der in ihr zusammengeschlossenen kassenärztlichen Landesvereinigungen wahrnimmt, ab 1. Januar 1993 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 7. Dezember 1992 (Anl. K2, Bl. 28 - 31 d. A.) in der Rechtsabteilung als stellvertretende Dezernentin auf Lebenszeit beschäftigt, ab Januar 1997 auf der Grundlage des Arbeitsvertrags vom 18. April 1996 (Anl. K3, Bl. 32 - 36 d. A.) mit der stellvertretenden Leitung der Rechtsabteilung beauftragt. Nach § 2 des Arbeitsvertrages stand der Klägerin ein Zuschlag für jedes kinderzuschlagsberechtigte Kind zu, im Fall der Dienstunfähigkeit oder nach Erreichen der Altersgrenze Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung nach den Bestimmungen für Bundesbeamte, wobei die ruhegehaltsfähige Dienstzeit ab 1. Mai 1983 gerechnet werden sollte. Nach § 6 Abs. 2 des Vertrags hatte die Klägerin einen Anspruch auf Beihilfen u. a. im Krankheitsfall nach Maßgabe der für die Angestellten der Beklagten geltenden Bestimmungen. Randnummer 3 § 5 Abs.1 des Arbeitsvertrags vom 18. April 1996 lautet wie folgt: Randnummer 4 „(1) Die Anstellung erfolgt auf Lebenszeit; jedoch kann Frau W. nach Erreichen des Ruhestandsalters für Bundesbeamte oder nach einer 30-jährigen Dienstzeit bei der K. Bundesvereinigung (Diensteintritt 1. Juli 1986) ohne Angabe von Gründen in den Ruhestand versetzt werden oder von sich aus in den Ruhestand treten. Hierzu ist eine vorherige Kündigung erforderlich, die unter Einhaltung einer 3-monatigen Frist auf den Schluß eines Kalenderhalbjahres ausgesprochen werden kann.“ Randnummer 5 Im Jahr 2000 ergänzten die Parteien den Vertrag wie folgt: Randnummer 6 „Wird Frau W. mit dem Ausscheiden von Herrn Sch. als Leiter der Rechtsabteilung der K. Bundesvereinigung vom Vorstand nicht zur Leiterin der Rechtsabteilung bestellt, so wird Frau W. auf ihren Antrag hin spätestens zum Zeitpunkt der Einstellung eines Nachfolgers in der Leitung der Rechtsabteilung in den Ruhestand versetzt.“ Randnummer 7 Nachdem die Beklagte der Klägerin durch ihren seit 2005 amtierenden Vorstandsvorsitzenden, den Streithelfer, am 15. September 2005 eröffnet hatte, dass die Beklagte mit der Klägerin in der Rechtsabteilung nicht mehr plane, begannen die Parteien Verhandlungen, die am 10. November 2005 zum Abschluss der ZV 2005 führten, wegen deren Inhalt im Einzelnen auf die Anlage K7 (Bl. 41- 43 d.A.) verwiesen wird. Dort wird u.a. geregelt, dass die Klägerin zum 1. Dezember 2005 die Leitung der neuen Stabsstelle „Projektkoordination und Koordination dezernatsübergreifender Aufgaben“ übernimmt (Ziffer 3.), gleichzeitig von ihren bisherigen Aufgaben als stellvertretende Leiterin der Rechtsabteilung der Beklagten entbunden wird, Gleiches für die bisher ausgeübte Funktion als Justitiarin der B. als stellvertretende Leiterin der Rechtsabteilung gilt (Ziffer 4.), die Klägerin mit Übernahme der Leitung der Stabsstelle mit Wirkung zum 1. Dezember 2005 zu ihrem Gehalt eine ruhegehaltsfähige Zulage in Höhe von 2.500,00 EUR brutto erhält (Ziffer 6.), das Recht erhält, auf ihren Antrag in den Ruhestand zu treten, soweit der Vorstand die der Stabsstelle zugewiesenen Aufgaben entzieht oder die Stabsstelle gänzlich auflöst (Ziffer 7.) oder mit Ablauf der Amtsperiode des derzeitigen Vorstands (Ziffer 8.), dass es – wenn die Klägerin von den in Ziffern 7. und 8. genannten Optionen Gebrauch macht - einer schriftlichen Kündigung der Klägerin mit einer Frist von 3 Monaten bedarf (Ziffer 9.), dass die Klägerin in jedem Fall ein Ruhegehalt in Höhe von 75% ihrer zuletzt gezahlten Dienstbezüge einschließlich der vereinbarten Zulage erhält (Ziffer 10.), die Klägerin bei Beendigung des aktiven Dienstverhältnisses nach Ziffer 7. oder 8. ab diesem Zeitpunkt für zwei Jahre ihre vollen Dienstbezüge und danach die vereinbarten Ruhegehaltsbezüge erhält (Ziffer 11.) und die Bestimmungen des Dienstvertrags vom 18.04.1996 im Übrigen unberührt bleiben. Randnummer 8 Im Spätsommer 2007 teilte der Vorstand der Beklagten der Klägerin mit, dass die Abteilung „Projektkoordination und Koordination dezernatsübergreifende Aufgaben“ geschlossen werde. Randnummer 9 Die Klägerin machte daraufhin mit dem Schreiben vom 8. Oktober 2007 (Anl. K8, Bl. 44 d. A.) von der vereinbarten Option, in den Ruhestand zu treten, Gebrauch und kündigte das aktive Arbeitsverhältnis mit Wirkung zum 31. Januar 2008. Randnummer 10 Mit dem Schreiben vom 11. Oktober 2007 (Anl. K9, Bl. 45 d. A.) bestätigte der damalige Vorstandsvorsitzende der Beklagten, der Streithelfer, die Kündigung, erklärte die sofortige Freistellung der Klägerin und die Abwicklung der finanziellen Verpflichtungen nach ZV 2005 in Verbindung mit den einschlägigen Regelungen des Dienstvertrags vom 18. April 1996. Randnummer 11 In der Folgezeit erhielt die Klägerin bis Januar 2010 die nach Ziff. 11 der ZV 2005 vereinbarten Dienstbezüge, von Februar 2010 bis August 2015 Ruhegehaltszahlungen in der sich aus der Anl. 1 zum Schriftsatz der Beklagten vom 22. Dezember 2015 (Bl. 95 d. A.) ergebenden Höhe. Randnummer 12 Die Beklagte teilte der Klägerin unter dem 28. August 2015 (Anl. K12, Bl. 48 d. A.) mit, dass sie zu dem Ergebnis gekommen sei, dass die Zahlung von Versorgungsbezügen nicht habe erfolgen dürfen und eingestellt würde. Randnummer 13 Mit Schreiben vom 3. September 2015 (Anl. K13, Bl. 49 ff. d. A.) forderte die Klägerin die Beklagte u. a. zur Zahlung der Bezüge auf, focht für den Fall, dass die Ziffern 7., 9., 10. und 11. der ZV 2005 unwirksam seien, höchstvorsorglich die Kündigung vom 10. November 2005 an und bot der Beklagten mit sofortiger Wirkung ihre Arbeitskraft an. Randnummer 14 Nachdem die Beklagte die Zahlungen nicht wieder aufgenommen und ab September 2015 keine Beihilfeleistungen mehr erbrachte, hat die Klägerin mit der am 1. September 2015 bei dem Arbeitsgericht Berlin erhobenen Klage geltend gemacht, die Beklagte sei verpflichtet, ihr ab September 2015 weiterhin Versorgungsbezüge sowie Sozialzuschläge zu zahlen und Schadensersatz in Höhe der zusätzlichen Krankenversicherungskosten zu leisten. Für den Fall des Unterliegens mit den Hauptanträgen hat die Klägerin mehrere Hilfsanträge eingebracht, die u. a. auf Feststellung gerichtet gewesen sind, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien seit dem 1. Februar 2005 bestehe, die Beklagte zur Zahlung von Arbeitsvergütung seit 1. Februar 2008 sowie zu ihrer Weiterbeschäftigung als stellvertretende Leiterin der Rechtsabteilung verpflichtet sei und die ZV 2005 für wirksam gehalten. Randnummer 15 Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt sowie mit dem der Klägerin am 4. Januar 2016 zugestellten Schriftsatz vom 22. Dezember 2015 Widerklage erhoben und die Klägerin zur Rückzahlung der erhaltenen Versorgungsbezüge in Höhe von insgesamt 1.400.787,49 € brutto, hilfsweise im Wege der Stufenklage auf Auskunftserteilung über die Höhe des im Rückzahlungszeitraum bezogenen Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommens, der Versicherung an Eides statt und der Rückzahlung für verpflichtet gehalten, weil die ZV 2005 sittenwidrig und nichtig sowie das Arbeitsverhältnis beendet sei und die Klägerin deshalb für verpflichtet gehalten, die Pensionsleistungen zurückzuzahlen, jedenfalls sich anderweitigen Erwerb anrechnen zu lassen. Randnummer 16 Die Klägerin hat ihre Klage für den Fall der Begründetheit der Widerklage hilfsweise auf weitere Zahlungsansprüche erweitert. Randnummer 17 Von der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes erster Instanz sowie der erstinstanzlich zuletzt gestellten Anträge der Parteien wird unter Bezugnahme auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils abgesehen. Randnummer 18 Durch das Urteil vom 12. Juli 2016 hat das Arbeitsgericht wie folgt erkannt: Randnummer 19 I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für September 2015 ein Ruhegehalt in Höhe von 12.470,62 EUR brutto zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 1. September 2015 aus 12.470,62 EUR brutto zu zahlen; Randnummer 20 II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für Oktober 2015 ein Ruhegehalt in Höhe von 12.470,62 EUR brutto zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 1. Oktober 2015 aus 12.470,62 EUR brutto zu zahlen; Randnummer 21 III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab dem 1. November 2015 gemäß der zwischen den Parteien bestehenden Zusatzvereinbarung vom 10. November 2015 ein Ruhegehalt in Höhe von 75 % der zuletzt gezahlten Dienstbezüge einschließlich der vereinbarten Sozialzuschläge zu zahlen; Randnummer 22 IV. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die sich aus Ziffer III. des Tenors ergebenden monatlichen Bruttobeträge jeweils ab dem zweiten Tag des jeweiligen Monats mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszins zu verzinsen. Randnummer 23 V. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für September 2015 und Oktober 2015 einen Sozialzuschlag in Höhe von jeweils 91,00 EUR brutto zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 1. September 2015 aus 91,00 EUR brutto und seit dem 1. Oktober 2015 aus weiteren 91,00 EUR brutto zu zahlen; Randnummer 24 VI. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für November 2015 und Dezember 2015 jeweils 476,80 EUR monatlich zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 2. November 2015 aus 476,80 EUR und seit dem 2. Dezember 2015 aus weiteren 476,80 EUR zu zahlen; Randnummer 25 VII. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für Januar bis April 2016 jeweils 498,15 EUR monatlich, also insgesamt 1.992,60 EUR, zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins aus 498,15 EUR seit dem 2. Januar 2016, aus weiteren 498,15 EUR seit dem 2. Februar 2016, aus weiteren 498,15 EUR seit dem 2. März 2016 und aus weiteren 498,15 EUR seit dem 2. April 2016 zu zahlen. Randnummer 26 VIII. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an die Klägerin seit 1. Mai 2016 498,15 EUR monatlich zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 498,15 EUR seit dem 2. Mai 2016 und aus jeweils monatlich 498,15 EUR jeweils zum 2. eines jeden Monats, beginnend mit dem 2. Mai 2016 zu zahlen; Randnummer 27 IX. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Randnummer 28 X. Auf die Widerklage wird die Klägerin verurteilt, nach Erreichen der Regelaltersgrenze der Beklagten für den Zeitraum des jeweiligen Kalenderjahres bis zum 31. Januar des Folgejahres Auskunft zu erteilen, in welcher Höhe sie „Verwendungseinkommen“ im Sinne des § 53 Abs. 8 BeamtVG erzielt hat. Randnummer 29 XI. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen. Randnummer 30 XII. Die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention hat die Beklagte zu tragen. Randnummer 31 XIII. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.310.613,61 EUR festgesetzt Randnummer 32 und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf monatliche Zahlung eines sog. Ruhegehalts in Höhe von 75 % ihrer zuletzt erhaltenen Dienstbezüge einschl. der Sozialzuschläge nach Ziff. 10., 13. der ZV 2005, die sich weder als nichtig gem. § 134 BGB noch als sittenwidrig gem. § 138 BGB erweise. Zwar könne ein Rechtsgeschäft, das gegen haushaltsrechtliche Normen verstoße und in krassem Widerspruch zum Gemeinwohl stehe, nichtig sein, bei der Beurteilung des Gesamtcharakters der ZV 2005 unter zusammenfassender Berücksichtigung von Inhalt, Motiv, Zweck und Zustandekommen sowie der wechselseitigen Interessenlage sei eine Sittenwidrigkeit insbesondere bezogen auf die Ziffern 6., 7., 9., 10., 11. der ZV 2005 nicht erkennbar. Dabei sei entscheidend, dass die Beklagte der Klägerin seit ihrer Beschäftigung in der Rechtsabteilung eine Lebenszeitstellung eingeräumt habe, bei der trotz der Ablehnung der weiteren Zusammenarbeit mit der Klägerin als stellvertretende Leiterin der Rechtsabteilung eine rechtlich wirksame Lösungsmöglichkeit gegen den Willen der Klägerin nicht gegeben gewesen sei, so dass die Beklagte der Klägerin ihre vollen Bezüge hätte zahlen müssen, ohne sie auf ihrem Arbeitsplatz weiterbeschäftigen zu können, was ggf. zu einem kostenintensiven Beschäftigungsstreit hätte führen können und von einem unter keinem Gesichtspunkt sinnvollen Verwaltungshandeln der Beklagten nicht ausgegangen werden könne. Ein sittenwidriges Verhalten der Klägerin gegenüber der Beklagten sei nicht gegeben, weil sie keinen ihr zurechenbaren Anteil hinsichtlich der Verweigerung der weiteren Zusammenarbeit auf ihrer bisherigen Stelle gehabt habe, so dass sie nicht gehalten gewesen sei, unter Zurückstellung eigener Interessen einen für die Beklagte günstigeren Ausgleich in der Konfliktsituation zu suchen. Auch eine erhebliche Übersicherung der Klägerin sei nicht festzustellen, weil zu berücksichtigen sei, dass die Klägerin durch Aufgabe ihrer Beschäftigungsposition auch erhebliche immaterielle Nachteile in Kauf genommen habe. Anhaltspunkte für ein kollusives Zusammenwirken der Klägerin mit dem Streithelfer habe die Beklagte nicht dargelegt. Es seien schließlich auch keine Umstände ersichtlich, die für einen Rechtsmissbrauch sprächen, so dass von der Wirksamkeit der ZV 2005 auszugehen sei. Damit schulde die Beklagte der Klägerin eine monatliche Zahlung des in der ZV 2005 bezeichneten Ruhegehalts in Höhe von 75 % der zuletzt bezogenen (vollen) Dienstbezüge unter Einschluss der ruhegehaltsfähigen Zulage in Höhe der im Februar 2010 erstmals geleisteten Ruhegeldzahlung von 12.470,62 € brutto sowie des Sozialzuschlags, jedoch ohne die zwischenzeitlich vorgenommenen Erhöhungen entsprechend den Erhöhungen der Versorgung für Bundesbeamte. Insoweit ergebe sich aus einer Gesamtschau der ZV 2005, dass das der Klägerin zugesagte Ruhegehalt vor Erreichen der Regelaltersgrenze weder einer Dynamisierung noch den Anrechnungsreglungen des Bundesbeamtenversorgungsgesetzes bezogen auf Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen unterliege, weil die Parteien hinsichtlich der Höhe des der Klägerin zugesagten Ruhegehalts eine Sonderregelung als Spezialtatbestand getroffen hätten, die eine Anwendung der beamtenrechtlichen Vorschriften ausschließe, zumal eine einseitige Versetzung eines Arbeitnehmers in den vorzeitigen Ruhestand wegen der Umgehung kündigungsrechtlicher Vorschriften nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unwirksam sei. Die Beklagte sei - da sie seit September 2015 trotz bestehender Verpflichtung Beihilfeleistungen im Krankheitsfall abgelehnt habe - zu Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen den Kosten der Privatversicherung für eine 30-%ige Absicherung und dem vollen Versicherungsschutz zu zahlen. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Verzinsung der jeweiligen Forderungen ab dem 2. Tag des jeweiligen Monats. Die weitergehende Klage sei abzuweisen. Die Widerklage sei nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, denn der Beklagten stehe wegen der Wirksamkeit der ZV 2005 kein Rückzahlungsanspruch in der geltend gemachten Höhe zu, sie könne die Klägerin allerdings - was bei der Abschlussberatung übersehen worden sei - auf Rückzahlung der den geschuldeten Bruttobetrag übersteigenden Leistung in Anspruch nehmen. Ein Auskunftsanspruch sei - erst - ab Erreichen der Regelaltersgrenze gegeben, da erst ab Erreichen dieser Grenze die sonstigen für Bundesbeamte geltenden Bestimmungen, mithin § 53 Abs. 8 BeamtVG, vereinbart seien. Wegen der weiteren Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (S. 19 - 52, Bl. 1222 - 1255 d. A.) verwiesen. Randnummer 33 Gegen das der Beklagten am 6. September 2016 zugestellte Urteil richtet sich die am 30. September 2016 bei dem Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg eingereichte Berufung, die die Beklagte mit einem innerhalb der bis zum 21. Dezember 2016 verlängerten Frist am 20. Dezember 2016 eingegangenen Schriftsatz begründet. Randnummer 34 Die Beklagte und Berufungsklägerin rügt, das Arbeitsgericht habe nicht beachtet, dass die Ziffern 7., 9., 10. und 11. der ZV 2005 ein selbständiges Strafversprechen im Sinne des § 343 Abs. 2 BGB darstellten, bei der der Klägerin durch die Vornahme der verpönten Handlung durch die Beklagte - Abschaffung der Stabsstelle - ein Anspruch auf eine zweijährige volle Vergütungszahlung und anschließende Ruhestandsversorgung in Höhe von 75 % habe zustehen sollen. Das Vertragsstrafeversprechen sei gem. § 344 BGB wegen Gesetzesverstoßes unwirksam. Die finanziellen Belastungen der Beklagten hätten bei Erteilung der Zusagen bei 3.299.848,00 € gelegen (Gutachten Auhagen, Anl. BK1, Bl. 1408 ff. d. A.) und stellten das potentielle finanzielle Risiko für den Fall dar, dass sie die der Klägerin zugesagte Stelle abbaue. Ohne die Regelung in Ziffer 7. des Vertrags wäre es bei der Regelung in § 5 Abs. 3 des Arbeitsvertrags vom 18. April 1996 geblieben, nach dem sie bei Ausscheiden der Klägerin aufgrund Eigenkündigung lediglich eine Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung habe durchführen müssen, wodurch Kosten in Höhe von 94.031,00 € entstanden wären. Es könne im Übrigen nicht dem Gebot der Wirtschaftlichkeit entsprechen, einer Mitarbeiterin für ihr Ausscheiden das wirtschaftliche Äquivalent von annähernd 17 Jahresgehältern zukommen zu lassen. Sie habe sich durch dieses Versprechen in der Zwangslage befunden, den Stellenabbau zu unterlassen oder künftig die dargestellten finanziellen Nachteile zu erleiden, so dass Verstöße gegen die geltenden haushaltsrechtlichen Bestimmungen in § 69 Abs. 2, 3 und 6 SGB IV, gegen die Organisations- und Personalhoheit gem. § 29 Abs. 3 SGB IV und gegen § 138 BGB vorlägen. Es habe kein anerkennenswerter Zweck für den zusätzlichen Mitteleinsatz bestanden, denn die Klägerin sei weiterhin nur außerordentlich kündbar gewesen und sie, die Beklagte, hätte eine passende Stelle für die Klägerin freikündigen können und müssen, so dass es keiner Kompensierung für eine Reduzierung des Kündigungsschutzes bedurft habe. Überdies habe kein Erfordernis und kein billigenswerter Zweck für die Versetzung der Klägerin von Stelle der stellvertretenden Leiterin der Rechtsabteilung bestanden. Selbst wenn es bei Verbleib der Klägerin in der Rechtsabteilung zu Reibungsverlusten gekommen wäre, könnten diese keinen Freibrief zur Schaffung unverhältnismäßig hoher finanzieller Verbindlichkeiten bieten. Der Verstoß gegen den Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit sei evident, so dass das Strafversprechen unwirksam sei und für die Leistungen keine Rechtsgrundlage bestanden habe. Das Arbeitsgericht habe ferner das Vorliegen eines krassen Widerspruchs zum Gemeinwohl abgelehnt, obwohl die Höhe der Versorgungsleistungen zu Lasten der Beklagten als einer sozialversicherungsrechtlich begründeten Körperschaft des öffentlichen Rechts, die sich im Ergebnis aus Zwangsbeiträgen ihrer Pflichtmitglieder finanziere, offensichtlich massiv überzogen seien. Es bestehe ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB, weil sich die Klägerin gegenüber der Nachversicherung um das 30,8-fache besser stehe. Auch stelle der Abschluss der ZV 2005 eine sittenwidrige Knebelung dar, weil sie davon habe abgehalten werden sollen, ihren gesetzlichen Verpflichtungen gem. § 69 Abs. 6 Satz 2 SGV IV zu genügen und die Notwendigkeit der Aufrechterhaltung der Stelle laufend zu überprüfen. Das sittenwidrige Verhalten sei sowohl der Klägerin als auch dem Vorstand der Beklagten subjektiv zurechenbar, insbesondere habe die Klägerin entgegen ihren Dienstpflichten als Justitiarin die Beklagte nicht auf die zahlreichen und evidenten Verstöße gegen die geltenden Bestimmungen des § 69 SGB IV hingewiesen. Der Vorstand der Beklagten habe seine Vollmacht offensichtlich missbraucht, dies sei der Klägerin als Justitiarin auch positiv bekannt gewesen, weil sie bewusst und gewollt zu ihrem eigenen finanziellen Vorteil und zum Nachteil der Beklagten gehandelt habe. Sollte das Vertragsstrafeversprechen nicht unwirksam sein, so sei das Ruhegehalt jedenfalls ab dem Monat September 2015 gem. § 343 Abs. 1 BGB auf null zu reduzieren, jedenfalls auf ein angemessenes Maß, weil die Klägerin kein billigenswertes Interesse daran habe, weiterhin Versorgungsleistungen zu erhalten. Sie, die Beklagte, könne von der Klägerin die Herausgabe der aufgrund des von Anfang an unwirksamen Vertragsstrafeversprechens erfolgten Leistungen verlangen, der Anspruch sei auch nicht verjährt. Es bestünden auch Schadensersatzansprüche gem. §§ 611, 280 Abs. 1 BGB sowie gem. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 266, 27 Abs. 1 StGB. Sie halte hilfsweise ihre erstinstanzlich verfolgten Auskunftsansprüche aufrecht und die beamtenrechtlichen Anrechnungsvorschriften weiterhin für anwendbar, weil die Klägerin, der mit ihrer beamtenmäßigen Versorgung quasi eine vorgezogene Altersgrenze von 49 Jahren gewährt werde, sich hinsichtlich der Anrechnung sonstiger Einkünfte so behandeln lassen müsse, als habe sie die Altersgrenze erreicht. Die von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten Forderungen bestünden schließlich nicht, weil die Anfechtung der Kündigung unwirksam sei. Randnummer 35 Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt, Randnummer 36 das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 12.07.2016, Aktenzeichen 16 Ca 12713/16, WK 16 Ca 17939/15 abzuändern und Randnummer 37 I. a) die Klage der Klägerin abzuweisen, Randnummer 38 b) hilfsweise, den Anspruch der Klägerin auf Ruhegehalt ab dem Monat September 2015 gem. § 343 Abs. 1 BGB auf null zu reduzieren und die Klage abzuweisen, Randnummer 39 c) äußerst hilfsweise, den Anspruch der Klägerin auf Ruhegehalt ab dem Monat September 2015 gem. § 343 Abs. 1 BGB auf den angemessenen Betrag zu reduzieren und die Klage im Übrigen abzuweisen. Randnummer 40 II. a) die Klägerin auf die Widerklage der Beklagten zu verurteilen, an die Beklagte 1.400.787,49 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 640.391,21 € brutto seit Rechtshängigkeit des Antrags aus dem Schriftsatz vom 22. Dezember 2015 und aus 760.387,28 € brutto seit Rechtshängigkeit des Antrags vom 22.06.2016 zu zahlen, Randnummer 41 b) hilfsweise, für den Fall der Abweisung der Anträge I. a) und II a), beantragt die Beklagte und Berufungsklägerin Randnummer 42 (1) die Klägerin zu verurteilen, der Beklagten Auskunft darüber zu erteilen, in welcher Höhe die Klägerin Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen i. S. v. § 53 Abs. 7 BeamtVG in der Zeit vom 1. Februar 2008 bis zum 31. Dezember 2016 bezogen hat durch Vorlage geeigneter, auf diesen Zeitraum entfallender Unterlagen Randnummer 43 (2) die Klägerin zu verurteilen, die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben zu II. b) (1) an Eides statt zu versichern; Randnummer 44 (3) die Klägerin zu verurteilen, den sich nach II. b) (1) in Verbindung mit § 53 BeamtVG ergebenden Betrag nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Dezember 2016 seit Rechtshängigkeit des Antrags aus dem Schriftsatz vom 22. Dezember 2015 und für den Zeitraum vom 1. Februar 2008 bis zum 31. Dezember 2011 seit Rechtshängigkeit des Antrags vom 22. Juni 2016 an die Beklagte zu zahlen, Randnummer 45 (4) die Klägerin zu verurteilen, gem. § 62 Abs. 2 Ziff. 2 i. V. m. § 57 Abs. 7 Satz 5 BeamtVG ab Januar 2017 für den Zeitraum des jeweiligen Kalenderjahres bis zum 31. Januar des Folgejahres der Beklagten darüber Auskunft zu erteilen, Randnummer 46 - in welcher Höhe sie Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen i. S. v. § 57 Abs. 7 BeamtVG bezogen hat, Randnummer 47 - nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze beschränkt auf Verwendungseinkommen i. S. v. § 53 Abs. 8 BeamtVG; Randnummer 48 (5) festzustellen, dass die Versorgungsansprüche der Klägerin aus der Zusatzvereinbarung vom 10. November 2005 in Zukunft insoweit ruhen, wie sie anrechenbares Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen i. S. v. § 53 Abs. 7 BeamtVG - ab Erreichen der Regelaltersgrenze, beschränkt auf Verwendungseinkommen i. S. v. § 53 Abs. ö8 BeamtVG - bezogen hat; Randnummer 49 III. hilfsweise widerklagend für den Fall, dass die seitens der Klägerin mit Schreiben vom 28. August 2015 höchstvorsorglich erklärte Anfechtung ihrer Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten durchgreift und der Klägerin dem Grunde nach ein Zahlungsanspruch gegen die Beklagte gem. § 611 Abs. 1, § 326 Abs. 2 Satz 1, 1. Alt. i. V. m. § 275 BGB zustehen sollte, die Klägerin zu verurteilen, die Richtigkeit und Vollständigkeit ihrer Angaben über die Höhe ihres Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommens i. S. v. § 53 Abs. 7 BeamtVG im Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zum 31. August 2012 gemäß dem Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 15. April 2016 an Eides statt zu versichern; Randnummer 50 IV. die von der Klägerin gestellten Haupt- und Hilfsanträge abzuweisen. Randnummer 51 Die Klägerin und Berufungsklägerin beantragt mit dem innerhalb der verlängerten Berufungsbeantwortungsfrist am 15. März 2017 eingegangenen Schriftsatz gleichen Datums Randnummer 52 die Berufung zurückzuweisen, Randnummer 53 sowie im Wege der Anschlussberufung Randnummer 54 I. gegen das Urteil vom 12. Juli 2016 des Arbeitsgerichts Berlin, Geschäftszeichen 16 Ca 12713/15, WK 16 Ca 17939/15 Randnummer 55 1. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin vom 01. Januar 2017 bis März 2017 monatlich 33,79 € zu zahlen zzgl. Verzugszinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 323,79 € seit 02. Januar 2017,aus 33,79 € seit 02. Februar 2017 und aus weiteren 33,79 € zum 2. März 2017; Randnummer 56 2. die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ab April 2017 solange monatlich 70 % ihrer jeweiligen Kosten für die Vollversicherung bei der D.- Kranken- und Pflegeversicherung zu erstatten, wie sie der Klägerin keine Beihilfe gem. § 2 Abs. 6 des Arbeitsvertrages vom 18.04.1996 gewährt und die Klägerin von der D. nicht aus dem Versicherungsvertrag in entsprechender Höhe entlassen worden ist, zzgl. Verzugszinsen von 5 %- Punkten über dem Basiszinssatz aus den jeweiligen monatlichen Erstattungsbeträgen zum 2. eines jeden Monats. Randnummer 57 3. Für den Fall, dass die Ziff. 7., 9., 10., 11. der zwischen den Parteien am 10. November 2005 geschlossenen Zusatzvereinbarung unwirksam bzw. nichtig sind, Randnummer 58 die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin den Betrag zzgl. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, der sich nach ihrer Aufrechnung vom 01.Juli 2016 mit ihrer Forderung - 1.593,733,29 € brutto abzgl. 293,746,65 € Zwischenverdienst, zzgl. 187,901,38 € - gegen die von der Beklagten geforderten 1.400.787,49 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 640.391,21 € brutto seit Rechtshängigkeit des Antrags vom 22. Dezember 2015 und aus 760.387,28 € brutto seit Rechtshängigkeit des Antrags vom 22. Juni 2016 ergibt; Randnummer 59 4. das Urteil des Arbeitsgerichts vom 12.07.2016 dahin abzuändern, den Antrag der Beklagten abzuweisen, die Klägerin zu verurteilen, nach Erreichen der Regelaltersgrenze der Beklagten für den Zeitraum des jeweiligen Kalenderjahres bis zum 31. Januar des Folgejahres Auskunft zu erteilen, in welcher Höhe sie „Verwendungseinkommen“ im Sinne des § 53 Abs. 8 BeamtVG erzielt hat. Randnummer 60 II. Für den Fall, dass die Ziff. 7., 9., 10., 11. der zwischen den Parteien am 10. November 2005 geschlossenen Zusatzvereinbarung unwirksam bzw. nichtig sind, wird beantragt, Randnummer 61 1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die Vergütung (inkl. Sozialzuschlägen) gem. des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrags vom 18. April 1996 für die Zeit ab 01. Februar 2008 zu zahlen; Randnummer 62 2. festzustellen, dass der Klägerin und ihren versorgungsberechtigten Hinterbliebenen gegen die Beklagte Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen nach Maßgabe der für die Angestellten der Beklagten geltenden Bestimmungen seit 1. Februar 2008 zustehen; Randnummer 63 3. festzustellen, dass zwischen den Parteien ab dem 1. Februar 2008 der Arbeitsvertrag vom 18. April 1996 wieder besteht; Randnummer 64 4. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin als Dezernentin, Justiziarin und stellvertretende Leiterin der Rechtsabteilung der Beklagten weiterzubeschäftigen. Randnummer 65 III. die von der Beklagten gestellten Haupt- und Hilfsanträge abzuweisen Randnummer 66 und stellt klar, dass mit ihrem Anschlussberufungsantrag zu I. 2. die Feststellung in Ziffer VIII. des Tenors des angefochtenen Urteils auf die Zeit bis einschl. März 2017 beschränkt werden soll. Randnummer 67 Die Klägerin, Berufungsbeklagte und Anschlussberufungsklägerin verteidigt das angefochtene Urteil und hält die ZV 2005 weiterhin für rechtswirksam, insbesondere weder einen objektiv evidenten Fall des Missbrauchs der Vertretungsmacht durch den damaligen Vorstandsvorsitzenden noch eine Sittenwidrigkeit der ZV 2005 für gegeben. Die Klägerin meint, die ZV 2005 sei nicht als Strafversprechen auszulegen, weil die Beklagte den der ZV 2005 zugrunde liegenden Stellenwechsel der Klägerin außer Acht lasse, durch den sie ihre Lebenszeitstellung als stellvertretende Leiterin der Rechtsabteilung zu Gunsten der Leitung der Stabstelle aufgegeben habe. Die Beklagte gehe von falschen Ansätzen aus - erstinstanzlich von den Kosten, die sie hätte, wenn die Klägerin regulär in Altersrente ginge - in der Berufungsbegründung sogar von den Kosten einer Nachversicherung, obwohl die hypothetischen Kosten ihrer Weiterbeschäftigung mit voller Vergütung vom 1. Februar 2008 bis zum frühesten Zeitpunkt des Ruhestands heranzuziehen seien, die sich aus dem Aktuar-Gutachten (Anl. K82, Bl. 1568 ff. d. A.) ergäben, wobei der hypothetischen Arbeitsleistung ein erheblich geminderter Wert zukomme, so dass ohne die ZV 2005 höhere bzw. keine geringeren Kosten entstanden wären. Schadensersatzansprüche der Beklagten bestünden nicht, wären jedenfalls weitgehend verjährt. Auch die Dynamisierungsbeträge seien für das Jahr 2011 verjährt. Sie müsse sich keinen anderweitigen Verdienst anrechnen lassen, jedenfalls habe sie etwaige Auskunftsansprüche der Beklagten erfüllt. Ihr stehe ferner weiterer mit der Anschlussberufung geltend gemachter Schadensersatz und ein Feststellungsanspruch wegen der zu Unrecht verweigerten Beihilfeleistungen zu, für die sie ihren Kranken- und Pflegeversicherungsschutz von 30 auf 100 % habe erweitern müssen. Ein Auskunftsanspruch stehe der Beklagten nicht zu, weil die Parteien mit der ZV 2005 die beamtenrechtlichen Anrechnungsbestimmungen abbedungen hätten. Für den Fall der Unwirksamkeit der ZV 2005 greife die Anfechtung der Kündigung und des Ruhestandsantrags, so dass der Arbeitsvertrag weiter bestehe und sie als Dezernentin, Justitiarin und stellvertretende Leiterin der Rechtsabteilung zu beschäftigen sei. Randnummer 68 Die Beklagte und Anschlussberufungsbeklagte beantragt, Randnummer 69 die Anschlussberufung zurückzuweisen. Randnummer 70 Der Streithelfer stellt keine Anträge. Randnummer 71 Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird auf den vorgetragenen Inhalt der Berufungsbegründung vom 12. Dezember 2016 (Bl. 1359 - 1407 d. A.), der Berufungsbeantwortung vom 15. März 2017 (Bl. 1500 - 1567 d. A.), des Schriftsatzes des Streithelfers vom 2. März 2017 (Bl. 1468 - 1494 d. A.), der Replik vom 30. März 2017 (Bl. 1607 - 1615 d. A.), des Schriftsatzes der Klägerin vom 30. März 2017 (Bl. 1628 - 1632 d. A.) nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 31. März 2017 (Bl. 1616 - 1618 d. A.) Bezug genommen.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 12. Juli 2016 - 16 Ca 12713/15 - teilweise dahin abgeändert, dass 1. die Beklagte Zinsen auf die in den Ziffern I., II. und V. des Tenors titulierten Beträge erst ab dem 2. des jeweiligen Monats schuldet, 2. die Klägerin verurteilt wird, an die Beklagte 47.174,07 EUR (siebenundvierzigtausendeinhundertvierundsiebzig 07/100) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. Januar 2016 zu zahlen. Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen, wobei klargestellt wird, dass es sich in Ziffer III. des Tenors des angefochtenen Urteils um die Zusatzvereinbarung vom 10. November 2005 handelt. II. Auf die Anschlussberufung der Klägerin wird die Beklagte verurteilt, 1. an die Klägerin 101,37 EUR (einhunderteins 37/100) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus je 33,79 EUR seit dem 2. Januar 2017, seit dem 2. Februar 2017 und seit dem 2. März 2017 zu zahlen. 2. der Klägerin ab April 2017 solange monatlich 70% ihrer jeweiligen Kosten für die Vollversicherung bei der D.-Kranken- und Pflegeversicherung zu erstatten, wie sie der Klägerin keine Beihilfe gem. § 2 Abs. 6 des Arbeitsvertrags vom 18. April 1996 gewährt und die Klägerin von der D. nicht aus dem Versicherungsvertrag in entsprechender Höhe entlassen worden ist, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem jeweiligen monatlichen Erstattungsbetrag zum 2. eines jeden Monats, wobei die Feststellung in Ziffer VIII. des Tenors des angefochtenen Urteils auf die Zeit bis zum 31.März 2017 beschränkt wird. Die weitergehende Anschlussberufung wird zurückgewiesen. III. Die Kosten des Berufungsverfahrens und der Nebenintervention hat die Beklagte zu tragen. IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 32. Senat
Berlin
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28.04.2016
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten über die Zahlung von 1.000 EUR aus einem Vermittlungsgutschein für die Vermittlung der Beigeladenen in ein Arbeitsverhältnis, über das zunächst ein auf weniger als drei Monate befristeter Arbeitsvertrag unterzeichnet wurde und das noch während der Geltungsdauer des Gutscheins auf über drei Monate verlängert wurde. Randnummer 2 Die Klägerin betreibt ausweislich der Gewerbeanmeldung vom 15. April 2008 eine private Arbeitsvermittlung. Sie schloss mit der Beigeladenen am 29. Juli 2009 einen Arbeitsvermittlungsvertrag (AVV), der den Auftrag der Klägerin zur Vermittlung einer Arbeitsstelle als „Verkäuferin Drogerie“ zum Gegenstand hatte. Dem Vermittlungsauftrag sollte ein dem Arbeitssuchenden durch die Arbeitsagentur oder eine Arbeitsgemeinschaft ausgestellter Vermittlungsgutschein zu Grunde liegen (§ 1 AVV). Gemäß § 2 AVV endete die Vertragslaufzeit nach erfolgreicher Vermittlung durch den Arbeitsvermittler, nicht jedoch automatisch mit dem Ablauf der Gültigkeit des Vermittlungsgutscheines. § 4 AVV regelte zur Vergütung, dass die Kosten für die Vermittlung durch den diesem Vertrag zu Grunde liegenden Vermittlungsgutschein übernommen würden und bis zur Auszahlung des Vermittlungsgutscheines gestundet seien. „Voraussetzungen für die Zahlung des Honorars sind, a) eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit mindestens 15 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit, b) mit einer angestrebten Beschäftigungsdauer von mindestens 3 Monaten und c) bei einem anderen Arbeitgeber als dem, bei dem der Auftraggeber während der letzten drei Jahre vor der Arbeitslosmeldung länger als 3 Monate versicherungspflichtig beschäftigt war.“ Eine konkrete Höhe der Vergütung war im AVV nicht geregelt. Der AVV war ein Textvordruck der Klägerin, in den die Angaben der Beigeladenen und der zu vermittelnden Tätigkeit eingetragen und mit Orts- und Datumsangabe von den Vertragsparteien unterschrieben wurden. Randnummer 3 Die Beigeladene erhielt von der Beklagten mit Schreiben vom 16. Oktober 2009 einen Vermittlungsgutschein über 2.000 EUR. Der Gültigkeitszeitraum lief vom 16. Oktober 2009 bis 15. Januar 2010. Der Vermittlungsgutschein enthielt u.a. die Aussage: „Eine Vergütung wird nur gezahlt, wenn es sich um eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich handelt, von vornherein eine Beschäftigungsdauer von mindestens drei Monaten vereinbart wurde, …“. Randnummer 4 Im Oktober 2009 schloss die Beigeladene mit der P- GmbH (im Folgenden: Arbeitgeber) auf Vermittlung der Klägerin einen befristeten Arbeitsvertrag als Kassiererin ab, wobei der erste Monat als Probezeit vereinbart worden war. Die Einstellung erfolgte zum 26. Oktober 2009. Die Beigeladene hatte bei dem Arbeitgeber ein über die Beklagte gefördertes zweiwöchiges Praktikum vom 5. bis zum 16. Oktober 2009 absolviert. Nach dem Arbeitsvertrag richtete sich die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit nach den betrieblichen Regelungen und betrug 20 Stunden, das monatliche Gesamtbruttoentgelt war auf 880,47 EUR vereinbart. Zur Vertragsdauer enthielt der Vertrag folgende Regelung: „Das Arbeitsverhältnis ist befristet gem. den Vorschriften der erleichterten Befristung bis zum 31.12.2009 und endet zu diesem Zeitpunkt, ohne dass es einer Kündigung bedarf.“ Der Vertrag war für den Arbeitgeber am 23. Oktober 2009 unterzeichnet worden. Bereits am 15. Oktober 2009 hatte die Beigeladene auf dem Bewerbungsbogen des Arbeitgebers den voraussichtlichen Inhalt des Arbeitsvertrages mit Tätigkeit, Arbeitsort, Teilzeit, Tarif und einen vorgesehenen Beschäftigungszeitraum vom 26. Oktober bis 31. Dezember 2009 unterzeichnet. Randnummer 5 Am 22. Dezember 2009 wurde der Arbeitsvertrag bis zum 31. März 2010 verlängert. Er wurde zum 28. Februar 2010 fristlos gekündigt. Randnummer 6 Mit Schreiben vom 15. Januar 2010 auf einem Vordruck der Bundesagentur für Arbeit beantragte die Klägerin die Auszahlung des Vermittlungsgutscheines zunächst i H v 1000 EUR. Sie gab dazu an, dass sie, ihre Vertreter und Mitarbeiter mit dem Arbeitgeber in keiner Weise wirtschaftlich oder personell verflochten und von der Agentur für Arbeit nicht mit der Vermittlung des Arbeitnehmers beauftragt seien. Dem Antrag lag die Vermittlungs- und Beschäftigungsbestätigung des Arbeitgebers vom 14. Dezember 2009 bei. Diese enthielt die Angabe, dass der Arbeitsvertrag am 2. November 2009 auf Dauer mit der Beigeladenen geschlossen worden sei, welche beim Arbeitgeber bislang nicht beschäftigt gewesen sei. Das Beschäftigungsverhältnis bestehe ununterbrochen seit 2. November 2009. Die Klägerin reichte weiter den Verdienstnachweis der Beigeladenen für Oktober 2009 vom 19. November 2009 über das Bruttoentgelt von 298,27 EUR (220,67 EUR netto) ein. Der Verdienstnachweis teilt einen tatsächlichen Eintritt am 26. Oktober 2009 mit. Randnummer 7 Mit Bescheid vom 17. Februar 2010 lehnte die Beklagte gegenüber der Klägerin den Antrag ab, weil von vornherein keine Beschäftigungsdauer von mindestens drei Monaten vereinbart worden sei. Der Beigeladenen wurde mit Schreiben vom gleichen Tag mitgeteilt, dass dem Antrag des Vermittlers auf Auszahlung des Gutscheins nicht entsprochen worden sei. Randnummer 8 Mit ihrem Widerspruch vom 1. März 2010 (Zugang bei Beklagter am 04.03.2010) wies die Klägerin darauf hin, dass die Beigeladene seit 26. Oktober 2010 beschäftigt sei. Die Verlängerung des befristeten Vertrages sei bereits am 22. Dezember 2009 veranlasst worden. Der Verlängerungsvertrag liege dem Jobcenter nach Angaben der Beigeladenen bereits seit 5. Januar 2010 vor. Weil die Beschäftigung nun schon seit über vier Monaten ohne Unterbrechung bestehe, könne die Auszahlung erfolgen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 6. Mai 2010 unter Hinweis auf die Ausschlussregelung des §§ 16 Abs 1 SGB II, 421g Abs 3 Nr 3 SGB III zurück, weil laut Arbeitsvertrag vom 23. Oktober 2009 eine Befristung der Beschäftigung bis zum 31. Dezember 2009, also unter drei Monate, vereinbart worden sei. Randnummer 9 Auf den mit E-Mail vom 12. Mai 2010 erneut gestellten Antrag bzgl. des Arbeitsbeginns 1. Januar 2010 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Mai 2010 eine Auszahlung ebenfalls ab. Den Widerspruch vom 26. Mai 2010 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juni 2010 zurück. Randnummer 10 Gegen den Bescheid vom 17. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2010 richtet sich die von der Klägerin am 9. Juni 2010 erhobene Klage. Der Ausschlusstatbestand des § 421g Abs 3 Nr 3 SGB III greife nicht. Tatsächlich sei es zu einer Beschäftigung von mehr als drei Monaten gekommen. Die Beigeladene habe nach Kenntnis der Klägerin ca ein Jahr im Beschäftigungsverhältnis beim Arbeitgeber gestanden. Andere Jobcenter würden bei einer Verlängerung des Arbeitsvertrages ohne Weiteres die Vergütung zahlen. Nach den Verwaltungsrichtlinien lasse die Bundesagentur eine nahtlose Umvermittlung zu. Ebenso sei zu verfahren, wenn die Beschäftigungsdauer während der Gültigkeitsdauer des Vermittlungsgutscheines verlängert werde. Es wäre unbillig, dem Arbeitsvermittler die Vergütung zu verweigern, wenn es zur Verlängerung des Arbeitsvertrages noch während der Geltungsdauer des Vermittlungsgutscheines komme. Für die Dauer der Beschäftigung bleibe die Vermittlung ursächlich. Das Vorgehen der Beklagten sei nicht das, was der Gesetzgeber gewollt habe. Das BSG habe geklärt, dass sich Arbeitsvermittler auf die Gültigkeitsdauer des Vermittlungsgutscheines verlassen dürften. Alles werde zu Ungunsten der Klägerin verdreht. Es habe ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden. Der Begriff der Beschäftigung sei weiter als derjenige des Arbeitsverhältnisses. In einem anderen Fall habe der Arbeitgeber bestätigt, dass die Arbeitsverträge zunächst immer für drei Monate, dann auf 6 Monate und dann für 12 Monate ausgestellt würden. Randnummer 11 Das Sozialgericht Berlin hat mit Gerichtsbescheid vom 31. Juli 2013 die Klage abgewiesen. Dem geltend gemachten Anspruch stehe der Vergütungsausschluss nach § 421g Abs 3 Nr 3 SGB III aF entgegen. Diese Regelung sollte die Förderung von Vermittlungstätigkeit ausschließen, bei denen der Zweck einer dauerhaften Eingliederung in den Arbeitsmarkt nicht erreicht werde und Missbrauchsgefahren entgegenwirken. Der insoweit eindeutige Wortlaut der gesetzlichen Vorschrift stelle allein auf die Begrenzung der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses „von vornherein“ ab. Diese Formulierung sei so zu verstehen, dass es auf die Verhältnisse bei Abschluss des Arbeitsvertrages ankomme. Unerheblich sei daher, ob das Beschäftigungsverhältnis später – auch innerhalb der Geltungsdauer des Vermittlungsgutscheines – verlängert werde. Einer erweiternden Auslegung auf Fälle der Verlängerung des Beschäftigungsverhältnisses während der Geltungsdauer des Vermittlungsgutscheines stehe der Wortlaut als äußerste Grenze der Auslegung entgegen. Der Zusatz „von vornherein“ wäre nach Auffassung der Kammer im Übrigen überflüssig, wenn es ausreichend wäre, dass ein zunächst auf unter drei Monate befristetes Arbeitsverhältnis während der Gültigkeitsdauer des Vermittlungsgutscheines auf über drei Monate verlängert werde. Der Vermittler solle vor diesem Hintergrund gerade dazu veranlasst werden, für eine möglichst dauerhafte Wiedereingliederung des Arbeitslosen in den Arbeitsmarkt zu sorgen. Auch wenn der Klägerin im vorliegenden Fall wegen der späteren Verlängerung des Arbeitsverhältnisses nicht vorzuwerfen sein mag, dass sie sich die zu vermeidenden Missbrauchseffekte zu Nutze machen wollte, biete das keine Rechtfertigung dafür, im Nachhinein die Vermittlung in ein von vornherein auf die Dauer von unter drei Monaten begrenztes Beschäftigungsverhältnis dann doch noch entgegen dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers zu provisionieren. Selbst wenn nicht auf den Beginn des Beschäftigungsverhältnisses, sondern auf die Verlängerung abgestellt würde, bestünde gleichwohl kein Anspruch, weil zu diesem Zeitpunkt kein zivilrechtlicher Vergütungsanspruch der Klägerin gegen die Beigeladene mehr vorgelegen habe. In diesem Zeitpunkt sei der zivilrechtliche Vermittlungsvertrag zwischen der Klägerin und der Beigeladenen beendet gewesen. Die Verlängerung sei einer Umvermittlung nicht gleichzustellen, weil sie keine erneute Beteiligung des Arbeitsvermittlers voraussetze. Randnummer 12 Gegen das Urteil richtet sich die am 30. August 2013 eingelegte Berufung. Die Klägerin habe die Beigeladene in ein Arbeitsverhältnis vermittelt. Der Vermittlungsgutschein habe eine Gültigkeitsdauer bis 15. Januar 2010 gehabt. Das bedeute, dass die Klägerin ein Honorar erhalten müsse, wenn ihr gelungen sei, die Beigeladene innerhalb dieser Zeitspanne in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu vermitteln. Noch während der Geltung des Gutscheins sei das zunächst befristete Beschäftigungsverhältnis bis zum 31. März 2010 verlängert worden. Dafür stehe die volle Vergütung zu. Die Beschäftigungszeiten müssten aus rechtlichen Gründen zusammengerechnet werden. Zudem habe ein befristeter Arbeitsvertrag nicht vorgelegen, sondern ein unbefristeter, weil bei tatsächlichem Beginn der Arbeit der Beigeladenen ein schriftlicher Arbeitsvertrag noch nicht vorgelegen habe. Die Befristung sei damit nicht wirksam geworden. Der Vergütungsanspruch bleibe nach § 5 AVV auch trotz Kündigung oder sonstiger Beendigung bestehen, wenn der Arbeitsvermittler vor Vertragsende Tätigkeiten entfaltet habe, die ursächlich oder mitursächlich für den Abschluss eines Arbeitsvertrages seien. Deshalb habe sich die Klägerin auf den Vermittlungsgutschein und die Auszahlung daraus verlassen dürfen. Unter Berücksichtigung der Probezeit liege bereits eine längere Beschäftigung als drei Monate vor. Schließlich müsse die Auslegung der im AVV geschlossenen Bedingungen vor dem Hintergrund erfolgen, dass die Klägerin mit der Arbeitsvermittlung ihren Lebensunterhalt bestreite und dafür auf gesetzlicher Grundlage eine Vergütung erhalte. Randnummer 13 Der damalige Bezirksleiter des Arbeitgebers habe der Klägerin schriftlich bestätigt, dass die Einstellung auf Dauer, also ohne Begrenzung erfolgt sei. Demzufolge habe er gewusst, dass er eigenmächtig entscheiden dürfe und habe dies auch getan. Zusätzlich habe er auch die Abläufe bestätigt, wonach die Verträge immer auf drei oder sechs Monate befristet worden seien. Die Klägerin müsse sich auf das verlassen können, was ihr mitgeteilt worden sei. Randnummer 14 Die Beigeladene sei durch die Klägerin tatsächlich an den Arbeitgeber vermittelt worden. Es habe eine Einladung, Profilaufnahme der Bewerberdaten und der Abschluss des geforderten Vermittlungsvertrages stattgefunden. Die Beigeladene habe sich mit Schreiben vom 22. Juli bei der Klägerin beworben. Aus dem Aufnahmeprotokoll vom 29. Juli 2009 gehe schon hervor, dass die Beigeladene auch in Richtung Lebensmittel habe tätig werden wollen und auch Kassenerfahrung habe. Letztendlich habe die Klägerin nicht im Vorhinein wissen können, wie der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis benenne. Im Arbeitsvermittlungsvertrag nehme die Klägerin aus Platzgründen nicht sämtliche infrage kommende Berufe auf, sondern nur den vom Arbeitssuchenden erstgenannten. Es habe eine Übersendung und Sichtung der Bewerbungsunterlagen an den Bereichsleiter des Arbeitgebers stattgefunden. Mit E-Mail vom 11. September 2009 habe die Klägerin dem Bereichsleiter des Arbeitgebers die Beigeladene vorgeschlagen. Randnummer 15 Die Klägerin beantragt, Randnummer 16 den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 31. Juli 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 17. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Mai 2010 aufzuheben und Randnummer 17 die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin aus dem Vermittlungsgutschein vom 16. Oktober 2009 () 1.000,00 EUR zu zahlen. Randnummer 18 Die Beklagte beantragt, Randnummer 19 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 20 Sie hält die Begründung des Sozialgerichts für überzeugend. Randnummer 21 Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Randnummer 22 Sie meint, die Klägerin habe den Hinweis im Vermittlungsgutschein beachten müssen, dass der Vermittlungsgutschein nur zur Auszahlung komme, wenn das Arbeitsverhältnis mindestens drei Monate bestehe. Sie gibt an, dass von ihr eine unbefristete Beschäftigung angestrebt gewesen sei, sie aber das genommen habe, was sie habe kriegen können. Der Kontakt mit der Klägerin sei durch ihre Suche im Internet zustande gekommen. Es sei eine Stelle als Verkäuferin ausgeschrieben gewesen und darauf habe sie sich beworben. Damit sie für den Job überhaupt infrage komme, solle sie einen Vermittlungsgutschein mitbringen, sonst würde die Klägerin für sie nicht tätig, und sie solle bereit sein, ein kostenloses Praktikum von zwei Wochen zu leisten. Damit habe man ihre Eignung für den Job als Verkäuferin/Kassiererin testen wollen, obwohl sie schon vorher in dem Beruf gearbeitet gehabt habe. Das Jobcenter habe dies jeweils erlaubt. Randnummer 23 Der Senat hat die Auskunft des Arbeitgebers vom 6. März 2015 eingeholt. Danach könne der Prozess der Einstellung im Falle der Beigeladenen nicht mehr nachvollzogen werden, zumal der damalige Bezirksleiter nicht mehr im Unternehmen tätig sei. Grundsätzlich erhielten alle Mitarbeiter des Unternehmens einen schriftlichen Arbeitsvertrag und sei die Arbeitsaufnahme ohne schriftlichen Arbeitsvertrag nicht gestattet. Wann die Unterzeichnung des Arbeitsvertrages durch die Beigeladene erfolgt sei, sei nicht mehr nachvollziehbar. Möglicherweise sei die Arbeitsaufnahme noch vor der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages durch die Beigeladene erfolgt. Ein Rückläufer des Arbeitsvertrages der Beigeladenen habe den Arbeitgeber am 10. November 2009 erreicht. Wegen der Einzelheiten des Inhalts der mit der Auskunft eingereichten Personalunterlagen wird gemäß §§ 153 Abs 1, 136 Abs 2 SGG auf die Gerichtsakte Bezug genommen. Randnummer 24 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Niederschriften sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Gegenstand der Verhandlung gewesen sind, gemäß §§ 153 Abs 1, 136 Abs 2 SGG Bezug genommen.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 31. Juli 2013 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreites zu tragen . Die Revision wird nicht zugelassen.
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Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern 2. Kammer
Mecklenburg-Vorpommern
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29.06.2011
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Randnummer 1 Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Altersteilzeitvertrages. Randnummer 2 Die Klägerin ist bei dem beklagten Land als Grundschullehrerin beschäftigt. Unter dem 21.12.2006 schlossen die Parteien einen Änderungsvertrag, wonach das Arbeitsverhältnis ab dem 01.11.2009 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt werden sollte. Gemäß § 2 dieser Vereinbarung sollte der durchschnittliche Beschäftigungsumfang während der Altersteilzeit die Hälfte der wöchentlichen Arbeitszeit betragen. Die konkrete Verteilung der Stunden sollte unmittelbar vor Beginn des Altersteilzeitverhältnisses erfolgen. Für den Fall, dass keine Einigung über die Verteilung der Stunden zustande kommt, wurde das Teilzeitmodell zugrunde gelegt. Hinsichtlich des Wortlautes dieses Vertrages und einer weiteren vertraglichen Festlegung vom 31.05.2007 wird auf Blatt 8 und 9 der Akten Bezug genommen. Randnummer 3 Die Klägerin erkrankte Anfang 2008 und war bis Ende Juli 2010 arbeitsunfähig. Seit dem 01.08.2010 wird die Klägerin als Grundschullehrerin weiterbeschäftigt. Mit Schreiben vom 21.05.2010 hat das Staatliche Schulamt Sxxx der Klägerin mitgeteilt, dass ein Einsatz im Altersteilzeitarbeitsverhältnis nicht mehr möglich war. Gemäß § 2 Abs. 4 des Tarifvertrages der Altersteilzeit hätte das Altersteilzeitarbeitsverhältnis vor dem 01.01.2010 begonnen haben müssen. Rückwirkend dürften keine Altersteilzeitverträge mehr abgeschlossen werden. Randnummer 4 Auf eine entsprechend Klage hin hat das Arbeitsgericht Schwerin durch Urteil vom 09.12.2010 - 3 Ca 1820/10 - festgestellt, dass das beklagte Land verpflichtet ist, den mit der Klägerin abgeschlossenen Altersteilzeitvertrag durchzuführen. Den Antrag auf Durchführung des Altersteilzeitvertrages hat es als unzulässigen Leistungsantrag angesehen und deshalb abgewiesen. Der Vertrag sei wirksam zustande gekommen und auch nicht nachträglich unwirksam geworden. Im Übrigen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen. Randnummer 5 Dieses Urteil ist dem beklagten Land am 16.12.2010 zugestellt worden. Es hat dagegen Berufung eingelegt, die am 14.01.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangen ist. Nachdem auf Grund eines rechtzeitig gestellten Antrages die Berufungsbegründungsfrist bis zum 16.03.2011 verlängert worden ist, ist die Berufungsbegründung am 16.03.2011 beim Landesarbeitsgericht eingegangen. Randnummer 6 Das beklagte Land ist der Auffassung, das Schreiben vom 21.05.2010 müsse in eine Kündigung des Altersteilzeitvertrages umgedeutet werden. Gegen diese sei die Klägerin jedoch nicht innerhalb der Frist des § 4 KSchG vorgegangen. Auch sei die Durchführung auf Grund der Arbeitsunfähigkeit nicht mehr möglich. Randnummer 7 Das beklagte Land beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Schwerin vom 09.12.2010 zum Aktenzeichen - 3 Ca 1820/10 - abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit den klägerischen Anträgen stattgegeben wurde. Randnummer 8 Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 9 Sie tritt der angefochtenen Entscheidung bei. Randnummer 10 Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
I. Die Berufung des beklagten Landes wird auf seine Kosten zurückgewiesen. II. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Hessischer Verwaltungsgerichtshof 6. Senat
Hessen
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27.04.2016
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten nur noch um den Zugang zu den in der Anlage zum Bescheid des Beklagten vom 16. September 2013 bezeichneten Dokumenten 7 - 14, 16 - 19, 33, 39 und 46. Diese Dokumente stehen alle im Zusammenhang mit der Verabschiedung des 13. Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes vom 31. Juli 2011. Die unter den Nummern 33 und 46 gelisteten Dokumente sind Niederschriften der 899. Sitzung des Innenausschusses des Bundesrates vom 9. Juni 2011 und der 293. Sitzung des Umweltausschusses des Bundesrates vom 1. Juli 2011. Bei dem Dokument 7 handelt es sich um die Übermittlung eines Antrags des Landes Hessen an den Bundesrat, der dann später in der 291. Sitzung des Umweltausschusses auch gestellt wurde. Die Dokumente 8 - 14 sind interne Stellungnahmen der Abteilung IV des Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu Anträgen der Länder Mecklenburg-Vorpommern und Nordrhein-Westfalen für die 291. Sitzung des Umweltausschusses des Bundesrates. Bei dem Dokument 15 handelt es sich um den Ausdruck einer E-Mail, die von der Fachabteilung IV des Ministeriums an die Fachabteilung VIII geleitet wurde. Die Weiterleitung umfasst die Anforderung einer Stellungnahme zu 14 Anträgen des Landes Rheinland-Pfalz für die 291. Sitzung des Umweltausschusses des Bundesrates. Bei dem Dokument 39 handelt es sich um ein intern gebliebenes Dokument (Ausdruck einer E-Mail). Gegenstand ist die Stellungnahme der Abteilung IV des Ministeriums an das Referat M4 zu einem Antrag des Landes Nordrhein-Westfalen für die 293. Sitzung des Umweltausschusses des Bundesrates. Bei den Dokumenten 16 - 19 handelt es sich um intern gebliebene Dokumente, nämlich um Stellungnahmen der Abteilung IV zu Anträgen des Landes Rheinland-Pfalz vom 9. Juni 2011. Randnummer 2 Durch Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 14. November 2012 (4 K 878/12.WI) wurde der Beklagte unter Aufhebung seines Bescheides vom 28. Dezember 2011 verpflichtet, über den Antrag der Klägerin vom 25. November 2011 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Mit Bescheid vom 28. Dezember 2011 hatte der Beklagte den Antrag der Klägerin auf Zugang zu allen Informationen, die im Zusammenhang mit der Erarbeitung, Beratung und Verabschiedung des 13. Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes vom 31. Juli 2011 stehen und über die der Beklagte verfügt, abgelehnt. Randnummer 3 Der gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts gestellte Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung wurde durch Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 10. Juli 2013 abgelehnt (6 A 546/13.Z). Randnummer 4 Durch Bescheid vom 16. September 2013 lehnte der Beklagte den seitens der Klägerin begehrten Zugang zu den Informationen ab. Hinsichtlich der Dokumente mit den Nummern 7 - 14, 16 - 19, 33, 39 und 46 führte der Beklagte zur Begründung u. a. aus, diese Dokumente seien nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Hessischen Umweltinformationsgesetzes (HUIG) nicht herauszugeben, weil ihre Bekanntgabe nachteilige Auswirkungen auf die Beratung informationspflichtiger Stellen habe und das öffentliche Informationsinteresse nicht überwiege. Das bezüglich der genannten Dokumente überwiegende Interesse an der Vertraulichkeit ergebe sich aus § 37 Abs. 2, § 44 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates (GO BR). Hiernach seien die Sitzungen der Ausschüsse des Bundesrates nicht öffentlich, sondern vertraulich, wie auch die Niederschriften der Sitzungen vertraulich seien. Insoweit erwachse aus der Geschäftsordnung des Bundesrates den Beteiligten eine Vertraulichkeitspflicht, die das Ministerium hindere, die bezeichneten Dokumente herauszugeben. Nach Sinn und Zweck der einschlägigen Vorschriften erstrecke sich die Geheimhaltungspflicht auch auf Stellungnahmen der Fachabteilung zu den im Umweltausschuss des Bundesrates beratenen Gesetzentwürfen der Bundesregierung sowie von anderen Ländern zur Abstimmung gestellten oder beratenen Anträgen. Randnummer 5 Am 15. Oktober 2013 hat die Klägerin Klage vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden erhoben. Zur Begründung hat die Klägerin u. a. ausgeführt, der von dem Beklagten geltend gemachte Ablehnungsgrund liege nicht vor. Soweit es um die im Zusammenhang mit dem Bundesrat stehenden Dokumente gehe, beträfen diese nicht Beratungen "informationspflichtiger Stellen". § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HUIG beziehe sich nur auf Beratungen der in Anspruch genommenen Stelle, nicht aber Dritter, insbesondere nicht von Gesetzgebungsorganen. Art. 4 Abs. 2 lit. a der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (Richtlinie 2003/4/EG) verlange, dass die Vertraulichkeit "gesetzlich" vorgesehen sein müsse. Die Geschäftsordnung des Bundesrates sei kein formelles Gesetz, so dass sie nicht geeignet sei, die Vertraulichkeit zu gebieten. Randnummer 6 Die Beteiligten haben im Verlaufe des Klageverfahrens die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt, soweit sich das Klagebegehren auf die Dokumente mit den Nummern 3 - 6, 15, 22, 23, 28, 32, 41 und 50 der Anlage zum Bescheid des Beklagten vom 16. September 2013 bezogen hat. Randnummer 7 Die Klägerin hat beantragt, den Bescheid vom 16. September 2013 aufzuheben, soweit er nicht erledigt ist, und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin Zugang zu den in den Dokumenten mit den Nummern 7 - 14, 16 - 20, 33, 39 und 46 in der Anlage zu dem Bescheid des Beklagten vom 16. September 2013 enthaltenen Umweltinformationen im Zusammenhang mit der 13. AtG-Novelle zu gewähren. Randnummer 8 Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 9 Zur Begründung hat der Beklagte u. a. vorgetragen, sämtliche Dokumente beträfen Beratungen der Ausschüsse des Bundesrates bzw. die Vorbereitung der Beratungen. Aus den § 37 Abs. 2 Satz 2, § 44 Abs. 2 GO BR ergebe sich für diese Dokumente die Vertraulichkeit. Sie dürften daher im Rahmen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HUIG nicht herausgegeben werden. Randnummer 10 Durch Urteil vom 17. September 2014 hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden ( 4 K 1043/13.WI ) das Verfahren eingestellt, soweit die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist. Im Übrigen hat das Gericht die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat das Verwaltungsgericht den Beteiligten jeweils zur Hälfte auferlegt. Zur Begründung hat das Gericht u. a. ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zugänglichmachung der besagten Dokumente. Dem von der Klägerin erstrebten Informationszugang zu den Dokumenten Nummer 33 und 46 stehe der Ablehnungsgrund des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HUIG entgegen. Diese Vorschrift gelte in entsprechender Anwendung auch für diejenigen Fälle, in denen das Bekanntgeben der Informationen nachteilige Auswirkungen auf die Vertraulichkeit der Beratungen von Gesetzgebungsorganen hätte, die selbst nicht dem Hessischen Umweltinformationsgesetz unterlägen. Eine Zugänglichmachung der Bundesratsausschussprotokolle habe auch nachteilige Auswirkungen auf zukünftige Beratungen. Zwar sei am 6. August 2011 die 13. AtG-Novelle in Kraft getreten, jedoch sei das Thema "Ausstieg aus der Kernenergie" damit noch nicht abgeschlossen. Soweit es um die Zugänglichmachung von E-Mails anderer Bundesländer bzw. Stellungnahmen von Abteilungen zu Anträgen in Bundesratsausschüssen gehe, stünde diesem Begehren § 7 Abs. 2 Nr. 2 HUIG entgegen. Diese Vorschrift erfasse nicht nur interne Mitteilungen, die innerhalb der informationspflichtigen Stelle zirkulierten, sondern beziehe sich auch auf das Zusammenwirken verschiedener informationspflichtiger Stellen. Es gebe auch ein berechtigtes Interesse der Länder, bestimmte Informationen mit anderen staatlichen Stellen teilen zu können, ohne sie zugleich der Öffentlichkeit preisgeben zu müssen. Angesichts der nach wie vor bestehenden Aktualität der Atompolitik müsse ein von äußeren Einflüssen freigehaltener politischer (Entscheidungs-) Spielraum für die Entscheidungsträger verbleiben. Randnummer 11 Zur Kostenentscheidung hat das Gericht ausgeführt, zwar sei die Klägerin nur bezüglich einiger Dokumente unterlegen, während der Beklagte bezüglich weiterer Dokumente dem Klagebegehren von sich aus nachgekommen sei. Gleichwohl lasse sich nicht pauschal sagen, dass die Klägerin auf alle vom Beklagten freigegebenen Dokumente auch tatsächlich einen Anspruch nach § 3 Abs. 1 HUIG gehabt hätte. Vor diesem Hintergrund sei es sachgemäß, dass die Beteiligten die Kosten des Verfahrens jeweils zur Hälfte zu tragen hätten. Randnummer 12 Auf das der Klägerin am 31. Oktober 2014 zugestellte Urteil hat sie am 27. November 2014 die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung eingelegt. Am 23. Dezember 2014 hat die Klägerin ihre Berufung begründet. Randnummer 13 Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe einen Anspruch auf Zugang zu den weiterhin zurückgehaltenen Dokumenten gemäß § 3 Abs. 1 HUIG . Der Ausnahmetatbestand aus § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HUIG greife nicht ein. Diese Vorschrift beziehe sich nur auf Beratungen der in Anspruch genommenen Stelle, nicht aber Dritter. Insbesondere erfasse sie nicht Beratungen von Gesetzgebungsorganen. Dies gelte erst recht für den Bundesrat als Gesetzgebungsorgan des Bundes, für dessen "Unterschutzstellung" es dem hessischen Gesetzgeber ohnehin an der Gesetzgebungskompetenz fehle. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Zurückhaltung der Niederschriften letztlich dem Schutz der Beratungstätigkeit hessischer Regierungsstellen diene. Der Begriff der Beratungen sei eng auszulegen und umfasse nur den Beratungsvorgang. Vorgänge zu abgeschlossenen Beratungen sollten dann zurückgehalten werden können, wenn konkrete Befürchtungen bestünden, ihre Veröffentlichung könne sich negativ auf zukünftige Beratungen auswirken. Wenn sich allerdings eine staatliche Stelle freiwillig ihrer ausschließlichen (tatsächlichen) Verfügungsgewalt über die entsprechenden Informationen durch Weitergabe an eine andere Stelle begeben habe, dann sei kein besonderes Schutzbedürfnis für die weitergebende Stelle ersichtlich. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts seien Beratungen im Bundesrat keine Beratungen informationspflichtiger Stellen. Eine entsprechende bzw. analoge Anwendung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HUIG , wie sie das Verwaltungsgericht vertrete, komme nicht in Betracht, denn der Gesetzeswortlaut sei eindeutig und es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber diese Regelung unbewusst zu eng gefasst habe. Selbst wenn man mit dem Beklagten davon ausgehen würde, die Geschäftsordnung des Bundesrates stelle eine solche Vertraulichkeitsregelung dar, dann würde diese allenfalls Sitzungsniederschriften erfassen. Für die Anträge zu Ausschusssitzungen fehle es hingegen an einer entsprechenden Regelung. Es seien auch keine nachteiligen Auswirkungen zu erwarten. Mit Inkrafttreten der 13. AtG-Novelle sei der Ausstieg aus der Atomenergie politisch endgültig beschlossen und daher nicht mehr Gegenstand etwaiger Einflussnahmen. Allein der Schutz einer freien, gerade nicht unter Beobachtung stehenden Diskussion reiche nicht aus, um eine Ausnahme des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HUIG zu rechtfertigen. Es bestehe auch ein überwiegendes Informationsinteresse, denn die Behandlung der 13. AtG-Novelle lasse sich anhand öffentlich zugänglicher Unterlagen gerade nicht hinreichend bewerten. Die Allgemeinheit habe ein großes Interesse daran, welche Erwägungen der gesetzgeberischen Entscheidung zugrunde gelegen hätten. Die Klägerin bedürfe auch in den laufenden Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen die 13. AtG-Novelle der genauen Kenntnis der Hintergründe dieses Gesetzes. Randnummer 14 Der Kostenentscheidung des Verwaltungsgerichts könne auch nicht gefolgt werden, soweit diese den erledigten Teil des Verfahrens betreffe. Der Beklagte sei letztlich selbst von dem Fehlen eines Ausnahmetatbestandes ausgegangen, weshalb er die Dokumente herausgegeben habe. Vor diesem Hintergrund sei es verfehlt, der Klägerin hinsichtlich des erledigten Teils überhaupt Kosten aufzuerlegen. Randnummer 15 Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 17. September 2014 (Az. 4 K 1043/13.WI ) den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 16. September 2013 zu verpflichten, ihr Zugang zu den im Bescheid vom 16. September 2013 unter den Nummern 7 - 14, 16 - 19, 33, 39 und 46 aufgeführten Dokumenten zu gewähren, sowie alle Kosten des Verfahrens dem Beklagten aufzuerlegen. Randnummer 16 Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 17 Der Zugang zu den unter Nummer 33 und 46 gelisteten Niederschriften von Sitzungen von Ausschüssen des Bundesrates sei unter Berufung auf den Schutz vertraulicher Beratungen zu Recht verweigert worden. Diese Niederschriften beträfen Beratungen i. S. des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HUIG . Gesetzgebende Körperschaften des Bundes seien von vornherein keine auskunftspflichtigen Stellen nach § 2 HUIG . Das bedeute jedoch nicht, dass die Vertraulichkeit der Beratungen der Bundesratsausschüsse von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HUIG nicht geschützt wäre. Wenn Gesetzgebungsorgane von vornherein keine informationspflichtigen Stellen sein sollten, so bedeute dies, dass deren Unterlagen nach dem Hessischen Umweltinformationsgesetz und auch nach der Umweltinformationsrichtlinie nicht stärkeren Offenlegungspflichten unterworfen sein könnten als die informationspflichtigen Stellen selbst. Die Klägerin beachte auch nicht hinreichend, dass die Vertreter der Landesministerien im Bundesratsausschuss vertrauliche Beratungen durchführten. Diese Vertraulichkeit werde auch nicht dadurch aufgehoben, dass der Bundesratsausschuss das Protokoll der vertraulichen Sitzung den Sitzungsteilnehmern übermittle. Randnummer 18 Stelle man auf die Beratung des Bundesratsausschusses als Teil des Gesetzgebungsorgans ab, so sei diese zwar nicht vom Wortlaut des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HUIG erfasst, wohl aber vom Sinn und Zweck. Wenn Art. 4 Abs. 2 lit. a Richtlinie 2003/4/EG vertrauliche Beratungen grundsätzlich informationspflichtiger Stellen zu schützen zulasse, so müsse dieser Schutz erst recht für vertrauliche Beratungen solcher Institutionen gelten, die von vornherein nicht als informationspflichtige Stellen auskunftspflichtig seien. Die Mitwirkung der obersten Landesbehörde an den vertraulichen Beratungen solcher Institutionen müsse deshalb ebenfalls geschützt sein. Die Vertraulichkeit sei auch durch § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HUIG gesetzlich geregelt i. S. des Art. 4 Abs. 2 Unterabsatz 1 lit. a Richtlinie 2003/4/EG. Darüber hinaus erfahre die Vertraulichkeit der Beratung eine zusätzliche Normierung in § 37 Abs. 2 Satz 2 und § 44 Abs. 2 GO BR. Ein formelles Parlamentsgesetz sei hierfür nicht erforderlich. Der Bundesratsausschuss habe die Vertraulichkeit der Beratungen bislang nicht gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 GO BR aufgehoben. Der Schutz der Vertraulichkeit der Beratungen in den Ausschüssen des Bundesrates bestehe nicht nur im Hinblick auf die konkreten bereits stattgefundenen Beratungen selbst, sondern auch mit Blick auf künftige Beratungen. Nur dann, wenn die an den Beratungen beteiligten Personen auf die Vertraulichkeit der Beratungen vertrauen könnten, sei eine unbefangene und freimütige Diskussion in allen Gesetzgebungsverfahren möglich. Die beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfassungsbeschwerden zeigten auch, dass die gesamte Thematik der mit dem endgültigen Atomausstieg verbundenen Energiewende noch in einer intensiven politischen Diskussion befangen sei. Der Schutz der Vertraulichkeit der Beratungen überwiege auch das öffentliche Interesse an einer Offenlegung der Dokumente. Randnummer 19 Auch die Verweigerung der Zugänglichmachung der Dokumente 7 - 14, 16 - 19 sowie 39 sei zu Recht erfolgt. Die jeweiligen Ausführungen der Fachabteilungen zu den einzelnen Anträgen anderer Länder seien inhaltlich derart eng mit deren Gegenständen verwoben, dass die Offenlegung der Stellungnahmen selbst Rückschlüsse auf die gemäß § 37 Abs. 2 GO BR vertraulichen Beratungen und Abstimmungen des Ausschusses erlaubten. Es liege auf der Hand, dass in Stellungnahmen zu Anträgen einzelner Länder der Inhalt dieser Anträge referiert und kommentiert werde. Werde sonach die Stellungnahme zu dem einzelnen Antrag offen gelegt, so werde mittelbar auch der Antrag selbst offen gelegt. Die Nennung des antragstellenden Landes unterliege gemäß der langjährigen Praxis des Bundesrates und seinen Vertraulichkeitsentscheidungen der Vertraulichkeit. Die in § 37 Abs. 2 GO BR normierte Vertraulichkeit der Ausschussberatungen schließe die Identität des antragstellenden Landes mit ein. Sei der Antrag selbst von der Vertraulichkeit der Beratung erfasst, so müsse auch der hierauf bezogene Text einer Stellungnahme bzw. der Aufforderung zur Stellungnahme von der Vertraulichkeit der Beratung erfasst sein. Randnummer 20 Die Übermittlung des im Dokument 7 enthaltenen Antrags im Vorfeld der Sitzung sei ebenfalls als Teil der vertraulichen Beratung des Ausschusses zu betrachten. Für die Vertraulichkeit der Beratungen der Bundesratsausschüsse bestehe durch § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 HUIG und erst recht durch § 37 Abs. 2 GO BR eine ausreichende gesetzliche Regelung. Randnummer 21 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten (3 Bände) und des vorangegangenen Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden - 4 K 878/12.WI - (2 Bände).
Die Berufung der Klägerin wird verworfen, soweit sie sich gegen die im Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 17. September 2014 - 4 K 1043/13.WI - enthaltene Kostenentscheidung hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Rechtsstreits richtet. Auf die Berufung der Klägerin wird der Beklagte unter entsprechender Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 17. September 2014 und unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom 16. September 2013 verpflichtet, ihr Zugang zu dem in der Anlage des Bescheides des Beklagten vom 16. September 2013 genannten Dokument Nr. 7 zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. Die Klägerin hat 95 % und der Beklagte hat 5 % der Kosten des gesamten Verfahrens zu tragen. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. Die Revision wird zugelassen.
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Thüringer Landessozialgericht 6. Senat
Thüringen
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28.02.2012
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld für die Zeit vom 27. Juni bis 26. Dezember 2004. Randnummer 2 Der 1947 geborene und bei der Beklagten gesetzlich versicherte Kläger war vom 3. Dezember 2001 bis zum 3. November 2002 arbeitsunfähig erkrankt und bezog von der Beklagten Krankengeld. Grund für die Arbeitsunfähigkeit war ein Radikulärsyndrom L5 rechts bei Nucleuas-pulposus-Prolaps <NpP> L4/L5 (lumbale Bandscheibenschädigung). Aufgrund dieser Erkrankung der Lendenwirbelsäule wurde im Segment L5/S1 bei einer Operation am 2. Mai 2002 eine Restabilisierung mittels dübelförmiger Implantate vorgenommen, um die segmentale Gefügelockerung/Instabilität zu beseitigen. Im Bewegungssegment L4/5 wurde des Weiteren eine Mikrodiscektomie vorgenommen, die zunächst nicht zum gewünschten Erfolg führte. Der Bandscheibenvorfall konnte erst im Rahmen einer zweiten operativen Sitzung am 30. Juli 2002 behoben werden. Vom 8. bis 29. Oktober 2002 befand sich der Kläger in einer Rehabilitationsmaßnahme. Vom 4. November 2002 bis zum 26. November 2003 ging er seinem Beruf als Heizungsmonteur und Spezialschweißer nach. Randnummer 3 Ab dem 27. November 2003 bestand aufgrund einer Symptomatik im Halswirbelsäulenbereich erneut Arbeitsunfähigkeit. Bei einer Untersuchung in einer radiologischen Gemeinschaftspraxis am 8. Januar 2004 wurde eine relative spinale Enge in den mittleren HWS-Etagen ausgehend von degenerativen Veränderungen, u.a. auch mit Retrospondylose festgestellt. Aufgrund dessen erfolgte vom 17. Februar bis zum 24. Februar 2004 eine stationäre Behandlung im H. K. in Erfurt. Im Entlassungsbericht vom 24. Februar 2004 werden als Diagnosen genannt: Randnummer 4 M 51.1 Radikulärsyndrom S1 links bei Zustand nach Spondylodese L5/S1 2002 Randnummer 5 M 50.1 Radikulärsyndrom C6 rechts bei NpP C5/C6 Randnummer 6 Mit Bescheid vom 4. März 2004 teilte die Beklagte dem Kläger mit, Krankengeld wegen derselben Krankheit werde innerhalb von drei Jahren für höchstens 78 Wochen gezahlt. Daher ende sein Anspruch auf Krankengeld am 25. Juni 2004. Hiergegen legte er am 12. März 2004 Widerspruch ein. Seine Arbeitsunfähigkeit seit Ende November 2003 stehe nicht im Zusammenhang mit der Erkrankung im Jahre 2001/02. Mit Bescheid vom 17. März 2004 lehnte die Beklagte daraufhin erneut die Zahlung von Krankengeld über den 25. Juni 2004 hinaus ab. Nach den Diagnosen der behandelnden Ärzte seien sowohl Bereiche der Halswirbel- als auch der übrigen Wirbelsäule betroffen. Hiergegen legte der Kläger am 23. März 2004 erneut Widerspruch ein. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) teilte in einer Stellungnahme vom 23. April 2004 mit, dass es sich bei den Erkrankungen in beiden Zeiträumen um dieselbe Erkrankung handele. Mit Bescheid vom 28. April 2004 berichtigte die Beklagte ihren Bescheid dahin gehend, dass der Anspruch auf Krankengeld am 26. Juni 2004 ende. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2004 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Aus den vorliegenden ärztlichen Berichten ergebe sich ein ausgedehnter chronisch-degenerativer Umbauvorgang der Wirbelsäule über mehrere Abschnitte hinweg. Daher liege dieselbe Erkrankung im Rechtssinne vor. Randnummer 7 Hiergegen hat der Kläger am 3. Juni 2004 Klage erhoben. Ursächlich für die Arbeitsunfähigkeit ab dem 27. November 2003 sei allein die Halswirbelsäulenerkrankung. Die austherapierten Schäden an der Lendenwirbelsäule spielten keine Rolle. Randnummer 8 Das Sozialgericht (SG) hat einen Befundbericht des Orthopäden Dr. S. vom 17. Juli 2006 und ein orthopädisches Gutachten des Dr. S. vom 29. November 2006 eingeholt. Dr. S. kommt in seinem Gutachten zu dem Schluss, die aus medizinischer Sicht gänzlich andere Lokalisation spreche dafür, dass es sich um eine andere Erkrankung gehandelt haben müsse. Die frühere Erkrankung an der Lendenwirbelsäule müsse als operativ behoben angesehen werden. Die zur Arbeitsunfähigkeit ab dem 27. November 2003 führende Erkrankung sei als neue Erkrankung einzustufen, die mit der seinerzeit behobenen Krankheitsursache mehr als einen halben Meter entfernt im unteren Lendenwirbelbereich nichts zu tun habe. Die gesamte Lendenwirbelsäule sei zum Zeitpunkt der Symptomatik im Halsbereich uneingeschränkt belastungsfähig gewesen. Ursächlich für die Symptomatik im Halswirbelsäulenbereich sei eine über viele Jahre sich langsam entwickelnde Degradation in mehreren Segmenten der Halswirbelsäule gewesen, welches sich nunmehr erstmals symptomatisch bemerkbar gemacht habe. Degenerative Wirbelsäulenveränderungen würden rein naturwissenschaftlich gesehen schon im ersten Lebensjahr beginnend durch den aufrechten Gang einsetzen und letztlich lebenslang voranschreiten und könnten dementsprechend niemals ausheilen. Die Betrachtungsweise in der orthopädischen Medizin habe sich insoweit geändert, dass diese natürliche, bei jedem Menschen zu findende Entwicklung im Sinne einer Degradation nicht mehr als krankhaft angesehen werde. Man spreche daher von alterskorrigierter Norm. Krankheitsrelevanz komme nur noch Befunden zu, die ein klinisch fassbares Segment und/oder neurologische Defizite bewirkten, also mit einer subjektiven beklagten Symptomatik einhergingen. Sobald diese Symptome abklingen würden, sei in diesem Kontext auch von einer Heilung auszugehen. Im Segment L5/S1 sei am 2. Mai 2002 eine Restabilisierung durch dübelförmige Implantate erfolgt. Dieses Bewegungssegment dürfte daher in der Folgezeit nicht mehr an der Verursachung der fortbestehenden Symptome beteiligt gewesen sein. Weil anschließend der Beruf fast über ein Jahr habe uneingeschränkt ausgeübt werden können, spreche nichts dagegen von einer Heilung im medizinischen Sinne auszugehen. Dies schließe es jedoch nicht aus, dass es später zu erneuten Rückenbeschwerden komme. Ob man diese Sekundärfolge einer bandscheibenbedingten Erkrankung dem Grundleiden zuordne, sei eine philosophische Kausalitätsdiskussion. Die BSG-Rechtsprechung vernachlässige, dass es sich zwar um die gleichartige Krankheitsentwicklung, jedoch um einen anderen Erkrankungsort handele. Randnummer 9 Mit Urteil vom 23. Januar 2008 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 4. und 17. März 2004, abgeändert durch Bescheid vom 28. April 2004, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Mai 2004 verurteilt, dem Kläger ab dem 27. Juni 2004 bis zum 26. Dezember 2004 Krankengeld in gesetzlicher Höhe zu zahlen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei der Erkrankung ab dem 27. November 2004 um eine andere Erkrankung als bei der Vorerkrankung gehandelt habe. Nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts aus dem Jahre 1988 handele es sich bei Wirbelsäulenveränderungen jedenfalls dann um dieselbe Krankheit, wenn diese in kürzeren Zeitabschnitten zu solchen Beschwerdezuständen führten. Vorliegend fehle es bereits an der Voraussetzung, dass die Erkrankung in kürzeren Zeitabständen zu Beschwerdezuständen geführt habe. Der Kläger habe vom 4. November 2002 bis zum 26. November 2003 als Heizungsmonteur gearbeitet. Bereits deshalb sei von einer Ausheilung der Krankheit auszugehen. Ein beschwerdefreier Zustand von einer gewissen Dauer sei gegeben gewesen. Im Übrigen folge das Gericht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach mehrere Erkrankungen der Wirbelsäule auf demselben Grundleiden beruhten, jedenfalls in dem hier vorliegenden Einzelfall nicht. Der Sachverständige habe nachvollziehbar ausgeführt, dass es sich bei der Erkrankung ab dem 27. November 2003 um eine gänzlich andere und daher neue Erkrankung gehandelt habe, welche mit der seinerzeit behobenen Krankheitsursache mehr als einen halben Meter entfernt im unteren Lumbalbereich nicht das Geringste zu tun habe. Soweit im Entlassungsbericht des Klinikums E. vom 24. Februar 2004 als weitere Diagnose M 51.1 Radikulärsyndrom S1 links bei Zustand nach Spondylodese L5/S1 2002 aufgeführt werde, handele es sich hierbei lediglich um einen Hinweis auf die im Jahre 2002 bestehende Erkrankung. Randnummer 10 Die Beklagte hat gegen das ihr am 20. Februar 2008 zugestellte Urteil am 18. März 2008 Berufung eingelegt. Im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG könne die Wirbelsäule nur als einheitliches Organ beurteilt werden. Auch medizinisch könne das Gutachten des Dr. S. nicht überzeugen. Er lasse außer Acht, dass die vorgenommenen Versteifungen im LWS-Bereich zwangsläufig dazu führten, dass bei entsprechenden Bewegungsabläufen andere Wirbelsäulenteile die entsprechenden Drehbewegungen leisten müssten. Ferner berücksichtige das SG nicht, dass für den Zeitraum vom 27. Juni 2004 bis zum 26. Dezember 2004 keine einzige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliege. Eine rückwirkende Feststellung der Arbeitsunfähigkeit sei hier nicht zulässig. Des Weiteren sei der Tenor zu unbestimmt. Dem Kläger stehe Krankengeld nur nach Abzug derjenigen Leistungen zu, die er in der entsprechenden Zeit vom Arbeitsamt erhalten habe. Randnummer 11 Die Beklagte beantragt, Randnummer 12 das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 23. Januar 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Randnummer 13 Der Kläger beantragt, Randnummer 14 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 15 Eine fehlende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bedeute nicht zwangsläufig, dass eine weitere Arbeitsunfähigkeit nicht nachgewiesen werden könne. Die Beweisaufnahme im erstinstanzlichen Verfahren belege seine weitere Arbeitsunfähigkeit. Hinsichtlich der Frage, ob dieselbe Erkrankung vorliege, könne nicht generell auf Wirbelsäulenerkrankungen abgestellt werden. Es komme vielmehr auf die individuellen tatsächlichen Umstände an. Insoweit habe der Sachverständige Dr. S. nachvollziehbar aufgezeigt, dass hier nicht von derselben Erkrankung ausgegangen werden könne. Randnummer 16 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 23. Januar 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Verwaltungsgericht des Saarlandes 2. Kammer
Saarland
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31.03.2010
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Randnummer 1 Der Kläger steht als Feuerwehrbeamter der Berufsfeuerwehr (Oberbrandmeister) in Diensten der Beklagten. Randnummer 2 Mit Urteilen vom 24.05.2005 - u. a. 12 K 289/03 – verpflichtete die 12. Kammer des erkennenden Gerichts die Beklagte, die wöchentliche Arbeitszeit der klagenden Feuerwehrbeamten auf höchstens 48 Stunden festzusetzen und ihnen für die Zeit seit Ende des Monats der Antragstellung Freizeitausgleich im Umfang von 8 1/3 Stunden pro Kalendermonat zu gewähren. Die Berufungen der Beamten wurden mit Urteilen des OVG Saarlouis zurückgewiesen, hinsichtlich der Berufung der Beklagten wurden die Berufungsverfahren eingestellt (u.a. Urteil vom 19.07.2006 – 1 R 21/05 -). Randnummer 3 Mit Schreiben vom 11.04.2007 beantragte der Kläger, der in dem Zeitraum vor den gerichtlichen Entscheidungen keinen Antrag auf Reduzierung seiner Arbeitszeit und Freizeitausgleich gestellt hatte, die Vergütung von 150 Stunden Mehrarbeit von seinem Zeitkonto, da eine Dienstbefreiung aus dienstlichen Gründen zur Zeit nicht möglich sei. Randnummer 4 Mit Bescheid vom 24.05.2007 erklärte die Beklagte ihre Bereitschaft, 1/3 der ab 2004 nach der Formel des Verwaltungsgerichts berechneten Mehrarbeitsstunden zu vergüten. Die vor 2004 angefallenen Stunden könnten nicht berücksichtigt werden, weil der Anspruch verjährt sei. Die weiteren Mehrarbeitsstunden sollten nach Möglichkeit durch Freizeitausgleich ausgeglichen werden. Der weitergehende Antrag auf Vergütung von Mehrarbeitsstunden werde abgelehnt. Randnummer 5 Mit Anwaltsschreiben vom 11.10.2007 beanstandete der Kläger, dass sein Überstundenkonto mit 75,10 Stunden belastet worden sei. Mit diesem Abzug sei der Kläger nicht einverstanden, da ihm Überstunden in dieser Höhe mit Stundennachweis vom Oktober 2006 gutgeschrieben worden seien. Soweit ihm entgegengehalten werde, dass er wegen der 48-Stunden-Woche nicht geklagt habe, sei er der Auffassung, dass der Dienstherr verpflichtet gewesen sei, ihn auf die Antragstellung oder die Klagen der Berufskollegen hinzuweisen. Diesen Hinweis hätte gegebenenfalls der direkte Vorgesetzte erteilen müssen. Im Übrigen seien auch Feuerwehrkameraden, die wie er nicht geklagt und auch keinen Antrag auf Auszahlung der Überstunden gestellt hätten, die gutgeschriebenen Überstunden im Nachhinein nicht abgezogen worden. Randnummer 6 Hierauf bestätigte die Beklagte mit Schreiben vom 07.11.2007, dass es sich bei den vom Überstundenkonto abgezogenen 75,10 Stunden um Mehrarbeitsstunden handele, deren Ausgleich verjährt sei. Ab Rechtskraft der Urteile des Verwaltungsgerichts sei die Zeitabrechnung im Amt für Brand- und Zivilschutz von 53 auf 48 Wochenstunden umgestellt worden. Die über 48 Wochenstunden hinausgehenden Stunden seien nach der Berechnungsformel des Gerichts auf Zeitkonten erfasst worden. Dabei sei zunächst nicht danach unterschieden worden, ob Anträge gestellt oder Rechtsmittel gegen ablehnende Entscheidungen eingelegt worden seien. Randnummer 7 Nachdem zahlreiche Feuerwehrbeamte im Frühjahr 2007 eine Vergütung der Mehrarbeitsstunden beantragt gehabt hätten, habe sich die Verwaltungsspitze mit der Frage befasst, ob dem Ausgleich von Überstunden die Einrede der Verjährung entgegen gesetzt werden solle. Aus haushaltspolitischen Gründen habe man sich dafür entschieden, nur die nicht verjährten Mehrarbeitsstunden zu vergüten bzw. für einen Freizeitausgleich gutzuschreiben. Die verjährten 75,10 Stunden resultierten aus dem Zeitraum vom 01.09.2001 bis zum 31.12.2003. Die Einrede der Verjährung sei gegenüber allen Beamten erhoben worden, die ihre Ansprüche nicht entsprechend geltend gemacht hätten. In einer Reihe von Fällen sei allerdings das Verfahren ausgesetzt und auf die Erhebung der Einrede der Verjährung verzichtet worden. Auf Antrags– und Klagemöglichkeiten hinzuweisen, sei die Beklagte nicht verpflichtet gewesen. Randnummer 8 Die Beklagte führte zum 01.07.2008 die 48-Stunden-Woche dienstplanmäßig ein, nachdem sie ausreichend Personal zur Verwirklichung der 48-Stunden-Woche eingestellt bzw. ausgebildet hatte. Bis dahin praktizierte sie die bisherige Arbeitszeitregelung weiter. Randnummer 9 Nachdem der Kläger unter dem 25.08.2008 eine rechtsmittelfähige Entscheidung erbeten hatte, lehnte die Beklagte den Antrag auf Ausgleich der von dem Überstundenkonto abgezogenen 75,10 Stunden mit Bescheid vom 01.09.2008 ab. Zur Begründung heißt es, die regelmäßige Verjährungsfrist betrage gemäß § 195 BGB drei Jahre und beginne nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt habe oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Demnach sei der Ausgleichsanspruch im Jahr 2007 bezüglich aller Mehrarbeitsstunden verjährt, die bis zum 31.12.2003 angefallen seien. Dass die Stunden zunächst auf dem Stundenkonto erfasst worden seien, bis eine Entscheidung über das weitere Vorgehen getroffen worden sei, stelle keine Anerkennung eines Ausgleichsanspruchs dar; auch sei die Verjährung hierdurch nicht unterbrochen worden. Die Einrede der Verjährung sei mit Bescheid vom 24.05.2007 erhoben worden. Randnummer 10 Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 17.09.2008 Widerspruch ein, den er damit begründete, die streitbefangenen Überstunden hätten sich im Zeitraum von April bis Dezember 2003 angesammelt (8 1/3 Stunden pro Monat). Überstundennachweise seien erst ab Mai 2004 an die Feuerwehrbeamten ausgehändigt worden. Fest stehe, dass die Beklagte dem Kläger innerhalb der am 31.12.2006 endenden Verjährungsfrist die Überstunden gutgeschrieben und erst nach Ablauf der Verjährungsfrist wieder abgezogen habe. Sie habe damit den Kläger davon abgehalten, seine Überstunden verjährungsunterbrechend geltend zu machen, was einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstelle. Randnummer 11 Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 07.01.2009 zurückgewiesen. Zur Begründung ist ergänzend ausgeführt, die Beklagte habe einen Ausgleichsanspruch nicht dadurch anerkannt, dass sie die Stunden zunächst auf dem Stundenkonto erfasst habe, bis eine Entscheidung über das weitere Vorgehen getroffen worden sei. Diese Regelung habe allein einer Dokumentation bis zum rechtskräftigen Verfahrensabschluss gedient. Die Verjährung sei hierdurch nicht unterbrochen worden. Die Einrede der Verjährung sei ermessensfehlerfrei aus haushaltspolitischen Gründen erhoben worden. Der Kläger, der ein Prozess- und Kostenrisiko nicht eingegangen sei, könne nicht verlangen, mit den Klägern aus den entschiedenen Verfahren gleichbehandelt zu werden. Eine Hinweispflicht habe nicht bestanden, zumal bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 14.07.2005 offen gewesen sei, ob die 48-Stunden-Woche auch für Beamte im aktiven Feuerwehrdienst gelte. Randnummer 12 Gegen den ihm am 09.01.2009 zugestellten Bescheid hat der Kläger am 02.02.2009 Klage erhoben und zur Begründung auf sein Vorbringen im Verwaltungsverfahren Bezug genommen. Randnummer 13 Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt, Randnummer 14 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 01.09.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.01.2009 zu verpflichten, dem Kläger 75,10 Überstunden gutzuschreiben. Randnummer 15 Die Beklagte ist der Klage unter Bezugnahme auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid entgegengetreten und hat schriftsätzlich beantragt, Randnummer 16 die Klage abzuweisen. Randnummer 17 Einen in der mündlichen Verhandlung vom 02.03.2010 abgeschlossenen Vergleich hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 09.03.2010 widerrufen. Randnummer 18 Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten. Er war Gegenstand der Beratung.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
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VG Frankfurt 7. Kammer
Hessen
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16.11.2001
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Randnummer 1 Die Gemeinde G ließ im Südteil der im Gemeindegebiet gelegen Bahnhofstraße Erneuerungs-, Verkehrsberuhigungs- und Bepflanzungsmaßnahmen durchführen. Am 29.3.1999 beschloss der Beklagte, dass diese Maßnahmen in der Bstraße "Südteil" zum 25.10.1995 fertiggestellt seien (Bl. 33 der Verwaltungsvorgänge). Randnummer 2 Die Klägerin beschloss in ihrer Sitzung vom 3.9.1999 eine Straßenbeitragssatzung (StBS), die gemäß § 17 StBS rückwirkend am 1.10.1995 in Kraft trat und die bisherige Satzung vom 1.1.1975 ersetzte (Bl. 54 f. der Verwaltungsvorgänge) Randnummer 3 Die §§ 1-3 der StBS lauten: Randnummer 4 "§ 1 Erheben von Beiträgen Randnummer 5 Zur Deckung des Aufwands für den Um- und Ausbau von öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen - nachfolgend Verkehrsanlagen genannt - erhebt die Gemeinde Beiträge nach Maßgabe des § 11 KAG in Verbindung mit den Bestimmungen dieser Satzung. Randnummer 6 § 2 Beitragsfähiger Aufwand Randnummer 7 (1) Der Beitragsfähige Aufwand wird nach den tatsächlichen Kosten grundsätzlich für die gesamte Verkehrsanlage ermittelt. Randnummer 8 (2) Der Gemeindevorstand kann abweichend von Abs. 1 bestimmen, dass der beitragsfähige Aufwand für Abschnitte einer Verkehrsanlage ermittelt wird. Randnummer 9 § 3 Anteil der Gemeinde Randnummer 10 (1) Die Gemeinde trägt 25 % des beitragsfähigen Aufwands, wenn die Verkehrsanlage überwiegend dem Anliegerverkehr, 50 %, wenn sie überwiegend dem innerörtlichen Verkehr und 75 %, wenn sie überwiegend dem überörtlichen Verkehr dient. Randnummer 11 (2) Eine reduzierte Beitragspflicht für den Beitragspflichtigen kann dann entstehen, wenn der Um- oder Ausbau der Verkehrsanlage überwiegend dem allgemeinen öffentlichen Interesse dient. Das Vorliegen dieses Ausnahmetatbestandes und den Beitragssatz stellt jeweils gesondert die Gemeindevertretung durch Beschluss fest. Er muss mindestens 10 % betragen. Randnummer 12 (3)Stehen nur einzelne Teileinrichtungen in der Baulast der Gemeinde, gelten die Regelungen in Abs. 1 und 2 für diese einzelnen Teileinrichtungen jeweils entsprechend." Randnummer 13 Die Klägerin fasste in ihrer Sitzung vom 28.10.1999 folgenden Beschluss (Bl. 65/66 der Verwaltungsvorgänge). Randnummer 14 "Die Gemeindevertretung beschließt auf der Grundlage der Straßenbeitragssatzung gemäß § 1 Abs. 2 den Ausnahmetatbestand für den Ausbau der Kirch-Bahnhofstraße (Süd) bis zur Kreuzung Taunusstraße. Der zu erhebende Beitrag beträgt 10 %. Randnummer 15 Bei der Festsetzung dieses Ausnahmetatbestandes hat sich die Gemeindevertretung insbesondere von folgenden Erwägungen leiten lassen. Randnummer 16 1. Die Straßenoberfläche war vor der Kanalbaumaßnahme der Gemeinde völlig intakt. Selbst wenn Unterhaltungsmaßnahmen oder Instandsetzungsarbeiten notwendig gewesen wären, hätte dies nach § 11 Abs. 3 KAG einem Um- oder Ausbau nicht gleichgestanden, und nach dem Gesetz keine Beitragspflicht ausgelöst. Randnummer 17 2. Die Erneuerung der Straßenoberfläche war die unmittelbare Folge der bereits erwähnten Kanalbaumaßnahme. Diese betraf nicht in erster Linie die Sanierung des in der K-/Bstraße verlegten Kanals, sondern die Neuordnung des Abwassersystems in einem größeren angrenzenden Gemeindegebiet. Randnummer 18 3. Die K-/Bstraße ist von ihrer Nutzung und Bedeutung für diese Gemeinde keine Straße wie jede andere. Mit ihrer zentralen Lage, den an ihr gelegenen Geschäften zur Deckung des täglichen Bedarfs und öffentlichen Einrichtungen ist sie weniger eine Einrichtung für die Anwohner als vielmehr für alle Bürger. Von der Neugestaltung mit Pflaster und Bäumen haben die Anwohner keine besonderen Vorteile erlangt. Randnummer 19 4. Der Ausbau der K-/Bstraße erfolgte im Hinblick auf die Sanierung des alten Ortskernes besonders aufwendig (weitflächige Pflasterung, Baumpflanzung)." Randnummer 20 Mit Beschluss vom 11.11.1999 beanstandete der Beklagte diesen Beschluss der Klägerin (Bl. 58 der Verwaltungsvorgänge). Randnummer 21 Die Klägerin fasste daraufhin in ihrer Sitzung vom 26.11.1999 folgenden Beschluss (Bl. 110 f. des Verfahrens 7 G 385/00<2>): Randnummer 22 "1. Die Gemeindevertretung gibt dem Widerspruch des Gemeindevorstandes zu ihrem Beschluss vom 28. Oktober 1999 zu der Vorlage 1001/1999 nicht statt. Randnummer 23 2. Sie bekräftigt insbesondere mit Verweis auf ihren ergänzenden Beschluss zur Vorlage A 101/1999 ihren Beschluss vom 28. Oktober 1999 mit der Maßgabe, dass im Beschluss § 1 durch § 3 ersetzt wird. Randnummer 24 3. Die Gemeindevertretung stellt ausdrücklich fest, dass der gefasste Beschluss geltendem Recht nicht widerspricht." Randnummer 25 Weiter heißt es in dem Beschluss der Klägerin: Randnummer 26 "Die Beanstandung des Gemeindevorstandes gemäß § 63 Abs. 1 HGO gründet sich auf einer Stellungnahme des Landrats des Main-Kinzig-Kreises vom 3.11.1999. Die in diesem Schreiben ausgeführten Bedenken hat die Gemeindevertretung in ihrer heutigen Entschließung berücksichtigt. Sie führen im Ergebnis unter Abwägung aller Gesichtspunkte zu keiner abweichenden Beurteilung. In Kenntnis des vor Ort festzustellenden Sachverhalts hat die Gemeindevertretung das Vorliegen des Ausnahmetatbestandes im Rahmen des ihr von der Satzung eingeräumten Ermessens in 4 Punkten begründet. Randnummer 27 Eine denkbare Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes kann nicht im gegenwärtigen Verfahrensstadium geprüft werden, weil die Satzung bereits in dieser Form wirksam erlassen worden ist. Im übrigen dient dieser Grundsatz dem Schutz des Beitragspflichtigen, der frühzeitig Umfang und Rechtsgrundlage seiner Beitragspflicht erkennen soll. Die Feststellung des Ausnahmetatbestandes durch die Gemeindevertretung benachteiligt ihn in seinen Rechten jedoch nicht, sondern es wird der Umfang der Beitragspflicht zu seinen Gunsten verändert. Randnummer 28 Eine Rechtsverletzung im Sinne des § 63 Abs. 1 S. 1 HGO liegt daher nicht vor. Randnummer 29 Im übrigen gefährdet der Beschluss der Gemeindevertretung vom 28.10.1999 auch nicht das Wohl der Gemeinde. Dies ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die - nicht beanstandete - Satzung die Entscheidung der Gemeindevertretung vorsieht, und das Parlament sich im Rahmen des von der Satzung eingeräumten Ermessens gehalten hat." Randnummer 30 Der Beklagte beschloss am 20.12.1999, den Beschluss vom 28.10.1999 und den erneuten Beschluss vom 26.11.1999 zu beanstanden und teilte dies der Vorsitzenden der Klägerin in einem mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreiben vom 23.12.1999 (Bl. 72 der Verwaltungsvorgänge und Bl. 87 des Verfahrens 7 G 385/00<2>) mit. Randnummer 31 Am 21.1.2000 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Klage erhoben. Randnummer 32 Zur Begründung der Klage trägt sie im wesentlichen folgendes vor: Randnummer 33 Es sei schon zweifelhaft, ob die neue Straßenbeitragssatzung rückwirkend habe in Kraft treten können. Jedenfalls könne die Gemeinde von den Anliegern der betreffenden Straßen keine Straßenbeiträge fordern, sie sei nicht berechtigt, den Aufwand für die Straßenbaumaßnahmen umzulegen. Dies habe die Klägerin auch in der Begründung der Beschlüsse zum Ausdruck gebracht. Es bestünden erhebliche Zweifel, ob die Straße erneuerungsbedürftig gewesen sei, die Maßnahmen seien im wesentlichen wegen eines Kanalbaus erforderlich geworden. Zudem werde die Straße wegen ihrer zentralen Lage und den dortigen Einrichtungen nicht nur von den Anwohnern, sondern von allen Bürgern genutzt. Die Anwohner hätten von einer Neugestaltung mit besonderer Pflasterung und Baumbepflanzung keinen besonderen Vorteil. Auch eine wesentliche verkehrstechnische Verbesserung liege nicht vor, im Gegenteil sei der Verkehr durch die Umbaumaßnahmen eher gestiegen. Deshalb werde die Gemeinde in Rechtsstreitigkeiten mit Anliegern unterliegen. Randnummer 34 Die Klägerin beantragt, die Beanstandung des Beklagten vom 23.12.1999 in Bezug auf ihre Beschlüsse vom 28.10.1999 und vom 26.11.1999, den Ausnahmetatbestand für den Ausbau der K-/Bstraße (Süd) bis zur Kreuzung Tstraße auf der Grundlage der Straßenbeitragssatzung festzustellen und einen zu erhebenden Beitrag in Höhe von 10 % festzulegen, aufzuheben. Randnummer 35 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 36 Er trägt vor, die Klägerin habe mit den beanstandeten Beschlüssen zu erkennen gegeben, dass sie die Maßnahmen für grundsätzlich straßenbeitragsfähig halte. Sei die Ansicht, es könne gar kein Straßenbeitrag erhoben werden, richtig, seien die Beschlüsse schon deshalb rechtswidrig. Im übrigen seien die Maßnahmen straßenbeitragsfähig. Die K-/Bstraße sei sanierungsbedürftig gewesen und es sei durch die Maßnahmen zu einer verkehrstechnischen Verbesserung gekommen. Dann müssten aber Beiträge in gesetzlicher Höhe erhoben werden. Daher verstoße der beanstandete Beschluss, der die gesetzlich vorgesehenen Beitragshöhen unterschreite, gegen die Vorschriften des Hessischen Kommunalabgabengesetzes (KAG), insbesondere gegen die Beitragserhebungspflicht. Randnummer 37 Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, auf die Akte des Verfahrens 7 G 385/00(2) sowie auf die beigezogenen Behördenakten der Beteiligten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Finanzgericht Rheinland-Pfalz 3. Senat
Rheinland-Pfalz
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23.09.2014
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Randnummer 1 Streitig ist, ob Herstellungskosten für ein Blockheizkraftwerk als sofort abzugsfähige Erhaltungsaufwendungen oder nur im Wege der Absetzungen für Abnutzung abzugsfähig sind und ob der Kläger steuerfreie Einnahmen i.S. des § 3 Nr. 26 EStG („Übungsleiterpauschale“) erzielt hat. Randnummer 2 Die Kläger sind Eheleute und werden für die Streitjahre 2008 und 2009 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erzielt Einkünfte aus privatärztlicher Tätigkeit, die er durch Einnahme-Überschussrechnung ermittelt. Des Weiteren erzielt er Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für seine Tätigkeit in einer Rehabilitationsklinik in B. Die Kläger erklärten zudem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, u.a. aus einem Objekt in S. Für dieses Objekt machten sie sofort abzugsfähigen Erhaltungsaufwand gelten, und zwar (u.a.) für ein Blockheizkraftwerk (Abschlagszahlung in 2008 i.H.v. 19.000,00 € und Restzahlung in 2009 i.H.v. 19.365,72 €) und für die Herstellung eines Gasanschlusses (in 2008: 1.475,00 €). Randnummer 3 Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung wurden in den Erstveranlagungsbescheiden zur Einkommensteuer für 2008 und 2009 (vom 08. Februar 2010 (2008) bzw. 20. Dezember 2010 (2009) - die beide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergingen - erklärungsgemäß in Ansatz gebracht. Randnummer 4 Im Jahr 2011 erfolgte beim Kläger eine Außenprüfung für die Jahre 2007 - 2009. Über diese Prüfung gibt es Berichte (jeweils vom 03. Februar 2012) mit verschiedenen Auftragsbuchnummern: Randnummer 5 In dem Bericht mit der Auftragsbuchnummer ... (Bl. 5 - 15 der Bp-Berichtsakte "Blockheizkraftwerk") wird ausgeführt, der Kläger habe im Jahr 2008 im Vermietungsobjekt in S die vorhandene Heizungsanlage durch den Einbau eines Blockheizkraftwerkes (BHKW) erneuern lassen. Damit habe er ein Gewerbe "Wärme- und Kälteversorgung" begründet. Bei dem Blockheizkraftwerk handle es sich laut Rechnung vom 23. Dezember 2008 um ein BHKW mit der Typbezeichnung "DACHS HKA G 5,5" und liefere gemäß Herstellerangaben eine Heizleistung von 12,5 kW/h und eine elektrische Leistung von 5,5 kW/h. Das BHKW werde mit Erdgas betrieben, so dass für die Inbetriebnahme der Anlage auch die Herstellung eines Erdgas-Netzanschlusses notwendig gewesen sei. Blockheizkraftwerke seien ertragsteuerlich als selbständige bewegliche Wirtschaftsgüter zu behandeln. Diese Rechtsauffassung der Finanzverwaltung sei in allen offenen Fällen anzuwenden; insoweit bestehe kein Bestandsschutz für den Steuerpflichtigen. Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer betrage 10 Jahre. Blockheizkraftwerke dienten sowohl der Erzeugung von Nutzwärme als auch der Erzeugung von Strom. Die angefallenen Ausgaben entfielen daher auf beide Bereiche. Eine Zuordnung der Kosten ausschließlich zur Stromerzeugung sei nicht zulässig. Bei den Anlagen seien regelmäßig geeichte Messeinrichtungen vorhanden, aus denen sich der Umfang der in das Stromnetz eingespeisten Strommenge und der an die Mieter gelieferten Strommenge sowie der abgegebenen Wärme ergebe. Lägen solche Vorrichtungen nicht vor, könne als Maßstab für die Aufteilung der Gesamtkosten die vom Hersteller der Anlage bescheinigte sog. "Stromkennzahl" herangezogen werden. Dabei handle es sich um das Verhältnis der Nettostromerzeugung zur Nutzwärmeerzeugung in einem bestimmten Zeitraum. Nach den Herstellerangaben erzeuge das eingebaute BHKW - bei einer 88 %igen Brennstoffnutzung - elektrische Energie i.H.v. 27 % und thermische Energie i.H.v. 61 %, so dass auf die Stromerzeugung durchschnittlich ca. 30,7 % und auf die Wärmeerzeugung ca. 69,3 % der entstandenen Kosten entfielen. Der Prüfer brachte für 2009 Erlöse aus dem Stromverkauf an die Mieter i.H.v. 1.063,83 € (netto), Erlöse aus Einspeisevergütungen der Stadtwerke i.H.v. 986,47 € (netto) und Umsatzsteuererstattung i.H.v. 6.361,22 € (aus der Umsatzsteuervoranmeldung 3. Quartal 2009: Vorsteuer auf Anschaffungskosten Blockheizkraftwerk und Vorsteuer auf Anschaffungskosten Gasanschluss) in Ansatz. Die vom Prüfer angesetzten Betriebsausgaben setzten sich zusammen aus den (nur) im Wege der AfA berücksichtigten Anschaffungskosten für das BHKW (Tz. 1.3), der abzugsfähigen Vorsteuer auf die Anschaffungskosten, der Stromlieferung an die Stadtwerke nebst Vorsteuer und den Aufwendungen für die Schornsteinsanierung nebst abzugsfähiger Vorsteuer. Der Prüfer ermittelte für das Jahr 2008 einen Verlust i.H.v. 9.846,32 € und für das Jahr 2009 einen Gewinn i.H.v. 1.885,19 € (Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG). Randnummer 6 In dem Bericht mit der Auftragsbuchnummer ... (Bl. 13 - 37 der Bp-Akte) wird ausgeführt, die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Bezug auf das Objekt in S seien um den geltend gemachten Erhaltungsaufwand für das Blockheizkraftwerk zu kürzen (2008: 19.000,00 € zzgl. Erdgas-Netzanschluss 1.475,00 €; 2009: 19.365,72 €). Zudem sei die Rechnung der Firma S über Schornsteinsanierung doppelt erfasst (betrifft Blockheizkraftwerk) und daher eine weitere Kürzung i.H.v. 1.423,48 € vorzunehmen. Randnummer 7 Der Kläger hingegen vertrat folgende Auffassung (Schreiben vom 12. November 2011, Bl. 127 der ESt-Akte 2008): Randnummer 8 Der Entscheidung der Oberfinanzdirektion Niedersachsen vom 15. Dezember 2010 (S 2240-186-ST221/ST22), die ihm der Beklagte - Herr H – vorgelegt habe, sei eindeutig zu entnehmen, dass die ertragsteuerliche Behandlung von Blockheizkraftwerken durch die Finanzbehörde zwischen dem 31. Januar 2006 und dem 15. Dezember 2010 eine Wandlung erfahren habe. Somit sei eindeutig, dass zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung im Jahr 2008 Blockheizkraftwerke seitens der Finanzbehörden als Gebäudebestandteile angesehen worden seien. Er habe Anspruch darauf, dass die Bewertung auf der Grundlage der damals gültigen Rechtsauffassung erfolge (Bestandsschutz). Er beantrage daher, die von ihm in den Jahren 2008 und 2009 verauslagten Kosten als sofort abzugsfähigen Erhaltungsaufwand anzuerkennen. Randnummer 9 Mit Schreiben vom 14. März 2012 (Bl. 42 der Bp-Akte) teilte der Kläger ergänzend mit, dass er nach Rücksprache mit seinem Steuerberater bei der Auffassung bleibe, dass der Einbau eines BHKW bei nachgewiesenem Mangel der Altanlage eine Ersatzinvestition darstelle und deshalb sofort abgeschrieben werden könne. Zudem sei die in der zweiten Hälfte des Jahres 2008 zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung maßgebliche Regelung anzuwenden. Dem Finanzamt seien seinerzeit alle notwendigen Angaben, Informationen und Originalbelege vorgelegt worden und durch Ausfertigung der Steuerbescheide bestätigt worden. Er dürfe im Nachhinein nicht schlechter gestellt werden. Randnummer 10 Der Beklagte hingegen schloss sich der Auffassung des Betriebsprüfers an und erließ entsprechend geänderte Einkommensteuerbescheide für 2008 und 2009 (beide Bescheide vom 27. April 2012, Bl. 120 - 123 der ESt-Akte 2008 und Bl. 105 - 108 der ESt-Akte 2009). Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Randnummer 11 Mit seinem dagegen (wie auch gegen die geänderten Umsatzsteuerbescheide gleichen Datums) eingelegten Einspruch machte der Kläger geltend, es habe sich um eine Ersatzinvestition einer behördlich reklamierten Heizungsanlage gehandelt. Nach Maßgabe der damals geltenden Rechtsauffassung sei der Ersatz auch im Hinblick auf durch den Zoll ausgezahlte Förderbeträge wirtschaftlich gewesen. Er habe annehmen müssen, dass die steuerliche Bewertung analog zu Photovoltaikanlagen geschehe. Eine solche sei seit dem Jahr 2001 in seinem Besitz. Der Beklagte berufe sich auf eine Entscheidung der OFD Hannover vom 15. Dezember 2010, in der ausdrücklich eine Änderung der Rechtsauffassung zu den Vorjahren zum Ausdruck komme. Ein Steuerpflichtiger dürfe aber im Nachhinein nicht schlechter gestellt werden als zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung. Randnummer 12 Der Beklagte wies die Einsprüche – nach Erlass eines nach § 129 AO berichtigten Bescheides für 2009 vom 24. Mai 2012 (Bl. 111 der ESt-Akte 2009) – mit Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 2012 als unbegründet zurück. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung verwiesen (Bl. 127 - 130 der ESt-Akte 2008). Randnummer 13 Am 23. August 2012 haben die Kläger Klage erhoben. Randnummer 14 Sie tragen vor (Blatt 13 der Gerichtsakte), bei der Betriebsprüfung sei nicht bemerkt worden, dass als Betriebseinnahmen angegebene Einnahmen für eine Selbsthilfeorganisation nicht steuerpflichtig seien, da sie mit 1.613,00 € unterhalb des Steuerfreibetrages von 2.100,00 € lägen. Wie den in Anlage beigefügten Belegen (Bl. 41 - 50 der Gerichtsakte) zu entnehmen sei, seien in den Jahren 2008 und 2009 jeweils 1.345,00 € vereinnahmt und auch versteuert worden. Es sei ihnen nicht bewusst gewesen, dass Tätigkeiten für gemeinnützige Organisationen steuerfrei seien. Randnummer 15 Bei den in Anlage beigefügten Belegen handelt es sich um Rechnungen des Klägers mit dem Briefkopf der orthopädischen Rehabilitationsklinik (Reha-Zentrum B Klinik B) an Frau W, Deutsche Rheuma-Liga Bundesverband e.V. mit jeweils folgendem Wortlaut: Randnummer 16 "Für die redaktionelle Mitarbeit am Heft Nr. … erlaube ich mir zu liquidieren …" Randnummer 17 Er sei – so der Kläger - seit 1983 Mitglied der Rheumaliga und arbeite mittlerweile auf drei Ebenen in dieser mit. So sei er ärztlicher Berater der Arbeitsgruppe B und Vizepräsident des Landesverbandes. Im Rahmen dieser Tätigkeit nehme er persönlich an Sitzungen und Versammlungen teil, halte Vorträge vor jeweils ca. 100 Personen und berate telefonisch wie in kleinen Gruppen andere Mitglieder. Um diese Tätigkeiten gehe es hier aber nicht, schon deshalb, weil er für diese Funktionen keinerlei Bezüge erhalte. Im Rahmen seiner redaktionellen und ärztlich beratenden Funktion fahre er 5 mal im Jahr für einen Tag nach F zur Redaktionskonferenz und treffe dort persönlich andere Rheumaligamitglieder, Redakteure und Verbandsfunktionäre, um diesen bei der Erstellung der Verbandszeitschrift "Mobil" für insgesamt ca. 260.000 Mitglieder zu helfen. Einmal im Jahr werde mit diesem Personenkreis (ca. 12) ein Workshop irgendwo in der Mitte Deutschlands durchgeführt. Darüber hinaus schreibe er Artikel bzw. überarbeite fremde Artikel redaktionell oder beantworte Leseranfragen oder Fragen von Rheumaligamitgliedern telefonisch. Da es sich um eine hochqualifizierte Arbeit handle, seien sowohl journalistische Fähigkeiten als auch spezialisiertes medizinisches Wissen erforderlich. Gemessen daran stellten die Bezüge von ca. 1.500,00 € pro Jahr keine adäquate Vergütung dar, sondern reflektierten den ehrenamtlichen Status. Wesentlicher Inhalt dieser ehrenamtlichen Tätigkeit sei die Information über rheumatische Erkrankungen und das Geben von Ratschlägen und Verhaltensmaßregeln zur Bewältigung derselben. Aus diesem Sachverhalt ergebe sich, dass er durch "persönlichen Kontakt" "Einfluss nehme, um auf diese Weise geistige und körperliche Fähigkeiten zu entwickeln und zu fördern", also "pädagogisch" auf betroffene Menschen einwirke, um ihnen bei der Krankheitsbewältigung zu helfen. Nicht umsonst werde die Rheumaliga von Krankenkassen und Rentenversicherern mit fünf- bis sechsstelligen Beträgen jährlich unterstützt. Randnummer 18 Im Übrigen gelte die Steuerbefreiung auch für Einnahmen aus nebenberuflichen künstlerischen Tätigkeiten. Die vom Beklagten eingeräumte schriftstellerische Tätigkeit gelte gemeinhin als "künstlerisch". Somit sei die Voraussetzung zur Anwendung des § 3 Nr. 26 EStG selbst nach Auffassung des Beklagten erfüllt. Es bestehe auch eine Vergleichbarkeit mit der Tätigkeit eines Übungsleiters. Nach einem Erlass des niedersächsischen Finanzministeriums gelte auch eine Lehr- und Vortragstätigkeit im Rahmen der allgemeinen Bildung und Ausbildung als begünstigte Tätigkeit. Er schule Betroffene im Rahmen der Beratertätigkeit in medizinischen Sachverhalten. Er sei von der Rheumaliga angesprochen worden, ob er die Tätigkeit eines medizinischen Beraters und Redakteurs übernehmen wolle. Auf Frage, was er dafür tun müsse, habe man geantwortet, er müsse an den Redaktionssitzungen teilnehmen, seinen Sachverstand einbringen und ab und zu einmal einen Artikel schreiben. Jahre später habe er Mehrwertsteuer abführen sollen, was er dann auch getan habe. Die Rechnungen, die er dafür erstellt habe, seien nicht im Namen des M-Rehazentrums oder von diesem gefertigt worden, sondern in seiner Eigenschaft als Chefarzt. Randnummer 19 Nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz sei Künstler i.S.d. Gesetzes, wer Musik, darstellende oder bildende Kunst schaffe, ausübe oder lehre. Publizist i.S.d. Gesetzes sei, wer als Schriftsteller, Journalist oder in anderer Weise publizistisch Tätig sei oder Publizistik lehre. Dass die Bezeichnung "Übungsleiterpauschale" den Sachverhalt unzulässig verkürze, sei auch dem beigefügten Artikel aus einer Apothekerzeitung (Bl. 121 der Gerichtsakte) zu entnehmen, in dem eine Vielzahl von ehrenamtlichen Tätigkeiten aufgeführt seien, die keine Übungsleitertätigkeiten beinhalteten oder trotzdem steuerbegünstigt seien. Randnummer 20 § 18 EStG definiere Tätigkeiten, die als selbständige Arbeit i.S.d. EStG zu erfassen seien, nicht aber ob diese gem. § 3 Nr. 26 EStG steuerbegünstigt seien bzw. ob es sich bei diesen um "künstlerische Tätigkeiten" handle. Somit sei der Verweis des Beklagten auf diesen Paragraphen nicht zielführend. Unstreitig sei, dass er – der Kläger - nicht als Übungsleiter und Erzieher tätig sei. Man könne seine Tätigkeit aber als Ausbilder auffassen. In seiner Tätigkeit als beratender Arzt berate er chronisch kranke, behinderte und beeinträchtigte Menschen in medizinischen Sachverhalten. Am Beratungstisch säßen unmittelbar Betroffene. Zwangsläufig bilde er diese dann auch aus. Es sei ein ausgesprochenes Ziel, dass er Betroffene in eigener Sache, d.h. im Hinblick auf ihre Krankheit, ausbilde. In den letzten Jahrzehnten habe sich das Konzept der Patientenschulung bei chronischen Erkrankungen als sehr erfolgreich erwiesen. Es werde von vielen Kostenträgern mittlerweile regelrecht eingefordert. Auch der Begriff Betreuer sei gerechtfertigt. Vereinsmitglieder riefen ihn auch wiederholt an, um spezielle nicht persönliche, sondern allgemeine Fragenstellungen im Hinblick auf die Rheumaliga zu klären. Randnummer 21 Auf der Internetseite des Bayerischen Landesamtes für Steuern Dienststelle München heiße es: "Die begünstigten Tätigkeiten der Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher oder Betreuer haben miteinander gemeinsam, dass bei ihrer Ausübung durch persönliche Kontakte Einfluss auf andere Menschen genommen wird, um auf diese Weise deren Fähigkeiten zu entwickeln und zu fördern. Gemeinsamer Nenner dieser Tätigkeiten ist daher die pädagogische Ausrichtung." Randnummer 22 Selbsthilfe bedeute heute, medizinisches Fachwissen als Schulungsinhalte i.V.m. Verhaltensänderungen zu vermitteln. Dies sei auch eine pädagogische Tätigkeit, vergleichbar einer Tätigkeit wie sie von Übungsleitern, Ausbildern, Erziehern oder Betreuern wahrgenommen werde. In der Therapie chronischer Erkrankungen hätten sich Patientenschulungen beispielsweise bei Brustkrebs, Diabetes mellitus und ebenso bei rheumatischen Erkrankungen sehr bewährt. Somit schließe seine Tätigkeit als medizinischer Berater und Redakteur diese Tätigkeiten mit ein. Randnummer 23 In Bezug auf das Blockheizkraftwerk ergänzten die Kläger ihr bisheriges Vorbringen wie folgt: Randnummer 24 Die Errichtung eines Blockheizkraftwerkes sei der Reparatur der alten Heizung vorgezogen worden, weil ein Wechsel von Öl auf Gas angesichts der Emissions- und absehbaren Preisunterschiede opportun gewesen sei. Die Reparaturkosten für die alte Heizung wären unverhältnismäßig hoch gewesen. Ein Blockheizkraftwerk habe auch die Energieeffizienz im vorgeschriebenen Energiepass verbessert. Die Anlage sei im Dezember 2008 halb fertig gestellt gewesen. Speicher und Verrohrung seien eingebaut worden. Das Blockheizkraftwerk selbst sei erst im Januar 2009 installiert worden, nachdem im Dezember 2008 ein Abschlag i.H.v. 19.000,00 € gezahlt worden sei. Die Wärmeerzeugung habe dann im Januar 2009 begonnen, die Stromerzeugung aus technischen Gründen erst im März 2009. Randnummer 25 Auch das FG Niedersachsen habe mit Urteil vom 10. Juli 2008 (15 K 370/07) entschieden, dass ein in ein Mehrfamilienhaus eingebautes Blockheizkraftwerk gegenüber dem Gebäude kein separates Wirtschaftsgut sei. Nach Auffassung des Finanzgerichts fehle eine unmittelbare gewerbliche Nutzung, wenn der eigentliche Zweck einer Anlage darin liege, das Gebäude besser nutzen zu können. Heizanlagen, die zwar auch gewerblichen Zwecken dienten, deren eigentlicher Zweck aber in der Beheizung des betrieblich genutzten Gebäudes liege, seien keine Betriebsvorrichtungen. Bei einem Blockheizkraftwerk, mit dessen Hilfe ein auf Stromlieferung gerichtetes Gewerbe unmittelbar betrieben werde, das andererseits aber auch unmittelbar dem Zweck diene, das zu Wohnzwecken genutzte Gebäude nach Entfernung der alten Heizung überhaupt nutzbar zu machen, komme es darauf an, ob das Blockheizkraftwerk vorrangig als Heizung für das Gebäude diene oder vorrangig dem Gewerbebetrieb. Sei das Blockheizkraftwerk als Ersatz für eine verbrauchte Heizungsanlage installiert worden, sei der Funktionszusammenhang der Anlage zum Gebäude vorrangig. Randnummer 26 Die Kläger beantragen, den Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 27. April 2012 und den Einkommensteuerbescheid für 2009 in der berichtigten Fassung vom 24. Mai 2012 sowie die Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 2012 zu ändern und die Einkommensteuer so festzusetzen, wie sie sich ergibt, wenn die Aufwendungen des Klägers für das Blockheizkraftwerk als sofort abzugsfähige Erhaltungsaufwendungen zum Abzug zugelassen werden und seine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in 2008 und 2009 um jeweils 1.613,00 € reduziert werden. Randnummer 27 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 28 Er erwidert, der Einwand, dass in den Betriebseinnahmen steuerfreie Einnahmen für eine Selbsthilfeorganisation enthalten gewesen sein sollen, sei neu. Der Sachverhalt sei nicht Gegenstand der Schlussbesprechung gewesen. Die vom Kläger von der Deutschen Rheumaliga für die redaktionelle Mitarbeit an diversen Heften vereinnahmten Beträge seien bei den Einnahmen/Einkünften aus selbständiger Arbeit erfasst worden. Mit ihrer Auffassung, die Einnahmen seien steuerfrei, bezögen sie sich wohl auf die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 26 EStG. Danach seien Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer oder vergleichbare nebenberuflichen Tätigkeiten, aus nebenberuflichen künstlerischen Tätigkeiten oder der nebenberuflichen Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen im Dienst oder im Auftrag einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einer unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallenden Einrichtung zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke bis zur Höhe von insgesamt 2.100,00 € im Jahr steuerfrei. Diese Voraussetzungen erfülle die redaktionelle Mitarbeit an Heften der Deutschen Rheumaliga nicht. Nach den vorgelegten Rechnungen seien die streitigen Beträge ausschließlich für die redaktionelle Mitarbeit an dem in der jeweiligen Rechnung genannten Heft gezahlt worden. Eine solche Tätigkeit erfülle die Voraussetzungen für die Steuerbegünstigung nicht. Die Tätigkeit sei dem journalistisch-schriftstellerischen Bereich zuzurechnen und mit der Tätigkeit eines Übungsleiters, Ausbilders, Erziehers oder Betreuers nicht vergleichbar. Die Ausbildung kranker und behinderter Menschen sei nicht Gegenstand der redaktionellen Mitarbeit des Klägers. Soweit im Rahmen dieser redaktionellen Mitarbeit medizinische Fragestellungen behandelt würden, führe dies nicht dazu, dass die Tätigkeit als die eines Ausbilders zu qualifizieren sei. Auch eine betreuende Tätigkeit i.S.d. § 3 Nr. 26 EStG sei nicht ersichtlich. Randnummer 29 Die Steuerfreiheit von Einnahmen aus nebenberuflichen künstlerischen Tätigkeiten erfordere eine künstlerische Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die redaktionelle Mitarbeit des Klägers an Heften der Deutschen Rheumaliga erfülle auch nicht die Voraussetzungen einer künstlerischen Tätigkeit. Dass das Künstlersozialversicherungsgesetz sowohl Künstlern als auch Publizisten sozialen Schutz in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung biete, führe nicht dazu, dass die Tätigkeit des Klägers, der im Rahmen seiner redaktionellen Mitarbeit auch Artikel schreibe, als eine künstlerische i.S.d. § 18 EStG zu betrachten sei. Randnummer 30 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anfragen des Gerichts an die Beteiligten mit Schreiben vom 25. August 2014 (Blatt 142 f. und Blatt 146 f. der Gerichtsakte) sowie deren Antwortschreiben vom 29. August 2014 (Blatt 151 bis 153 der Gerichtsakte) bzw. 8. September 2014 (Blatt 155 bis 180 der Gerichtsakte) verwiesen.
I. Der Einkommensteuerbescheid für 2008 vom 27. April 2012 und der Einkommensteuerbescheid für 2009 in der berichtigten Fassung vom 24. Mai 2012 sowie die Einspruchsentscheidung vom 25. Juli 2012 werden geändert und die Einkommensteuer so festgesetzt, wie sie sich ergibt, wenn die Aufwendungen des Klägers für das Blockheizkraftwerk als sofort abzugsfähige Erhaltungsaufwendungen zum Abzug zugelassen werden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. II. Die Kosten des Verfahrens haben der Beklagte zu 91 % und die Kläger zu 9 % zu tragen. III. Das Urteil ist wegen der Kosten zugunsten der Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. IV. Die Revision wird zugelassen.
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Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern 3. Kammer
Mecklenburg-Vorpommern
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26.10.2022
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Randnummer 1 Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers. Randnummer 2 Der Kläger ist bei der Beklagten in Vollzeit seit dem 18.01.1999 als Angestellter im Allgemeinen Verwaltungsdienst beschäftigt. Aufgrund arbeitsvertraglicher Inbezugnahme finden die Regelungen des TVöD-VKA in der jeweils geltenden Fassung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Die Beklagte hat die dem Kläger zugewiesenen Tätigkeiten mit der Entgeltgruppe 5 bewertet. Im Jahr 2005 hat der Kläger die erste Prüfung für Angestellte im Kommunalen Verwaltungsdienst erfolgreich absolviert. In der Zeit von März 2018 – September 2018 hat der Kläger im Rahmen von vier durchgeführten Seminaren die Module 1 – 4 der Grundlagenschulung für Kommunale Vollzugsbeamte in Mecklenburg-Vorpommern absolviert. Randnummer 3 Die Beklagte hat dem Kläger 6 Tätigkeitsbereiche (Kontrolle und Überwachung des ruhenden Verkehrs mit 63 %, Vollzug der Straßenreinigungssatzung mit 10 %, Mitwirkung im Rahmen des Umweltrechts mit 9 %, Kontrolle der Hundehaltersatzung mit 8 %, Ermittlungs- und Kontrolltätigkeit im Auftrag mit 6 % sowie übrige Angelegenheiten der Allgemeinen Ordnung mit 4 %) übertragen, wobei die Parteien unterschiedlicher Auffassung sind, ob es sich insoweit um einen oder mehrere Arbeitsvorgänge handelt. Randnummer 4 Die insoweit für den Kläger durch die Beklagte angefertigte Stellenbeschreibung stellt sich wie folgt dar: Randnummer 5 Lfd. Nr. Verzeichnis der wesentlichen Tätigkeiten Zeitanteil an der Gesamtarbeitszeit 1. Kontrolle und Überwachung des ruhenden Verkehrs • Aussprechen von mündlichen Verwarnungen und Belehrungen • Ahndung von Ordnungswidrigkeiten mit Ausschreiben von Verwarngeldern • Kontrolle und Überwachung der Parkeinrichtungen 63 % 2. Vollzug der Straßenreinigungssatzung • Kontrolle und Überwachung der Ordnung und Sauberkeit im Stadtgebiet, Ermittlungen der Eigentümer bei Verstößen mittels erforderlicher PC-Programme sowie Dokumentation zur Weiterverarbeitung an den Innendienst 10 % 3. Mitwirken im Rahmen des Umweltrechts • Auffinden und Erfassen von Schrottfahrzeugen und nicht genehmigten Gegenständen im öffentlichen Verkehrsraum und in der Natur wie u.a. Sperrmüll oder Abfallablagerungen • Mitwirkung bei der Immissions- oder Emmissionsbekämp-fung 9 % 4. Kontrolle der Hundehaltersatzung • Kontrolle der Hundemarken, des Leinenzwangs, Nichtbe-seitigung von Exkrementen, Ermittlung der Eigentümer und Dokumentation 8 % 5. Ermittlungs- und Kontrolltätigkeit im Auftrag • u.a. Ermittlungs- und Unterstützungstätigkeiten für Innen-dienstmitarbeiter (z.B. Adressaten/Grundstückseigentümer) • Mitwirkung bei Veranstaltungen und Markt • aufsuchende Hilfe bei Zwangsräumungen, Kontrolltätig-keiten Obdachlosenunterkunft oder Amtshilfeersuchen Drit-ter z.B. Tierseuchenbekämpfung, Unterstützung von Schornsteinfegern sowie Zeugendiensttätigkeit für Zoll, Steuerfahndung, Kriminalpolizei 6 % 6. Übrige Angelegenheiten der Allgemeinen Ordnung 4% Randnummer 6 Mit Schreiben vom 01.12.2017 hat der Kläger beantragt, seine Eingruppierung gemäß § 12 TVöD zu überprüfen und – soweit hier von Bedeutung – wie folgt ausgeführt: Randnummer 7 „Sehr geehrte Frau ..., Randnummer 8 meine Stellenbeschreibung vom 23.10.2003 hat sich im Laufe der Zeit verändert und aus diesem E. bitte ich diese anzupassen und meine Eingruppierung gemäß § 12 TVöD zu überprüfen. Randnummer 9 Begründung: Randnummer 10 Ich habe über einen Zeitraum meine tatsächlich ausgeführten Aufgaben erfasst und daraus ergeben sich die nachfolgenden Tätigkeiten und Zeitanteile: … Randnummer 11 Ich habe berufsbegleitend den A I-Lehrgang absolviert, der einer Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten entspricht. Randnummer 12 Aus der reinen Überwachung des ruhenden Verkehrs sind o.g. Aufgaben dazu gekommen. Für diese Tätigkeiten muss ich eine Vielzahl von mehr Rechtsvorschriften kennen als noch vor einigen Jahren und diese rechtssicher anwenden können. … Randnummer 13 Durch den Bürgermeister bin ich als Vollzugsbeamter der Stadt Neustrelitz mit besonderen Rechten und Pflichten bestellt worden. Hiernach ist es mir möglich im Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens Ermittlungs- und Vollzugsmaßnahmen eigenständig einzuleiten und durchzuführen.“ Randnummer 14 Mit Schreiben vom 06.07.2020 hat der Kläger erneut eine Überprüfung seiner Eingruppierung beantragt und – soweit hier von Bedeutung – wie folgt ausgeführt: Randnummer 15 „Sehr geehrte Frau …, Randnummer 16 ich möchte hiermit einen erneuten Antrag auf Überprüfung meiner Eingruppierung gemäß § 12 TVöD in Verbindung mit der Entgeltordnung stellen. Randnummer 17 Nach wie vor bin ich davon überzeugt, dass die Eingruppierung in die EG 5 nicht den an mich gestellten Anforderungen entspricht. … Randnummer 18 Für mich waren vor allem von Bedeutung die Anwendung von Verhältnismäßigkeit und Ermessen, Eingriffsbefugnisse, Maßnahmen zur Eigensicherung und das Ordnungswidrigkeitsverfahren als komplexer Vorgang. Dies erfordert regelmäßig im Rahmen meiner Streifendiensttätigkeit, dass ich Ermessensentscheidungen unter Verknüpfung und Abwägung unterschiedlicher Informationen treffen muss, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen im Einzelfall vor Ort zu ergreifen sind. So kann ich ohne selbstständige Leistungen kein brauchbares Arbeitsergebnis zur Durchsetzung ordnungsrechtlicher Normen erzielen. Das BAG v. 21.03.2012, 4 AZR 266/10 hat geurteilt, dass diese selbstständigen Leistungen bei der Streifendiensttätigkeit in rechtserheblichen Umfang vorliegen. Randnummer 19 Im meinem Antrag vom 28.11.2017 habe ich bereits die von mir angewandten Rechtsvorschriften aufgezählt. …“ Randnummer 20 Mit Schreiben vom 25.01.2021 hat die Beklagte eine abweichende Zuordnung zu einer anderen Entgeltgruppe abgelehnt und dem Kläger mitgeteilt, dass eine erneute Überprüfung seiner Tätigkeit unter Beteiligung des Personalrates die zutreffende Zuordnung zur Entgeltgruppe 5 ergeben habe. Randnummer 21 Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 18.02.2021 macht der Kläger gegenüber der Beklagten erstmalig die konkrete Vergütung nach der Entgeltgruppe 9a geltend. Randnummer 22 Mit Schreiben vom 16.03.2021 hat die Beklagte das Höhergruppierungsbegehren des Klägers abgelehnt. Randnummer 23 Mit seiner Klage vom 19.04.2021 begehrt der Kläger mit dem Klageantrag zu 1 die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab dem 01.03.2018 Vergütung nach der Entgeltgruppe 9a Stufe 6 des TVöD (VKA) zu zahlen. Mit den Anträgen zu 2 – 40 macht der Kläger monatliche Differenzlohnansprüche für die Zeit von Januar 2018 – März 2021 geltend. Randnummer 24 Mit Urteil vom 23.11.2021 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und im Hinblick auf den Feststellungsantrag zu Ziffer 1 ausgeführt, dieser sei unzulässig, soweit er Zeiträume betreffe, für welchen zugleich mit der Klageschrift Differenzvergütungsansprüche geltend gemacht worden seien. Die im Übrigen zulässige Klage sei unbegründet. Der Kläger sei zutreffend in die Entgeltgruppe 5 TVöD VKA eingruppiert. Nach den tariflichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung des Vortrages der Parteien seien zwar die Tätigkeiten des Klägers mit Ausnahme der laufenden Nummer 5 der Tätigkeitsbeschreibung zu einem Arbeitsvorgang zusammenzufassen. Gleichwohl sei der geltend gemachte Anspruch nicht begründet. Zu Gunsten des Klägers könne davon ausgegangen werden, dass er im Rahmen der zu bewältigenden Tätigkeiten gründliche Fachkenntnisse benötige. Jedoch könne nicht festgestellt werden, dass der Kläger bei der Abarbeitung der ihm übertragenen Tätigkeiten „vielseitige Fachkenntnisse“ im Sinne der Entgeltgruppe 6 zur Anwendung zu bringen habe. Randnummer 25 Gegen diese am 03.02.2022 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 21.02.2022 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangene Berufung des Klägers nebst der am – nach entsprechender gerichtlicher Fristverlängerung – 03.05.2022 eingegangenen Berufungsbegründung. Randnummer 26 Der Kläger hält an seiner erstinstanzlich geäußerten Rechtsauffassung fest. Randnummer 27 Das erstinstanzliche Urteil sei abzuändern, da das Arbeitsgericht den Sachverhalt sowohl unter tatsächlichen, wie auch unter rechtlichen Gesichtspunkten unzutreffend beurteilt habe. So sei erstinstanzlich bereits verkannt worden, dass der Kläger mit Schreiben vom 01.12.2017 einen als Antrag gemäß § 29b TVÜ (VKA) auszulegenden Antrag auf Höhergruppierung wegen Überleitung in die neue Entgeltgruppe des TVöD (VKA) form- und fristgerecht gestellt habe. Damit seien ausschließlich die Tätigkeitsmerkmale der Anlage 1 zum TVöD (VKA) zur Überprüfung gestellt. Zudem habe das Arbeitsgericht nicht zutreffend erkannt, dass der Kläger zudem im Rahmen seines Antrages nach § 29b TVÜ (VKA) geltend mache, dass sich die ihm übertragenen Tätigkeiten nach dem 31.12.2016 tarifwirksam geändert hätten. Jedenfalls komme es im Ergebnis allein auf die Merkmale der Anlage 1 zum TVöD (VKA) an. Randnummer 28 Erstinstanzlich seien die Arbeitsvorgänge zudem fehlerhaft gebildet worden. Für die Beurteilung, ob eine oder mehrere Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führen, sei eine natürliche Betrachtungsweise und die durch die Arbeitgeberin vorgenommene Arbeitsorganisation maßgebend. Dabei könne die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit auch einen einzigen Arbeitsvorgang darstellen. Einzeltätigkeiten könnten lediglich dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt seien. Hierfür reiche die theoretische Möglichkeit, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte zu übertragen, nicht aus. Eine organisatorische Trennung der Arbeitsschritte „Ermittlungs- und Kontrolltätigkeiten im Auftrag“ im Verhältnis zu den restlichen Aufgaben im Streifendienst sei nicht vorhanden. Eine entsprechende organisatorische Trennung der jeweiligen Einzeltätigkeiten des Klägers liege gerade im Interesse einer einheitlichen und erfolgreichen Verwaltungsausübung nicht vor. Mithin sei die unter Ziffer 5 dargestellte Ermittlungs- und Kontrolltätigkeit dem einheitlichen Arbeitsvorgang „Streifendienst“ zuzuordnen. Weiterhin komme das Arbeitsgericht bereits zu einer fehlerhaften Bewertungsentscheidung, soweit es das Tätigkeitsmerkmal der „gründlichen Fachkenntnisse“ betreffe. Zwar gehe das Arbeitsgericht noch zutreffend von der konkretisierenden Definition im Klammerzusatz aus. Jedoch verkenne das erstinstanzliche Gericht die Unterscheidung zwischen den erforderlichen Fachkenntnissen aus den Entgeltgruppen 3 und 4 einerseits im Verhältnis zu den gründlichen Fachkenntnissen der Entgeltgruppe 5 und andererseits die Abgrenzung zu dem Heraushebungsmerkmal der Entgeltgruppe 6 durch die Steigerung als vielseitige Fachkenntnisse. Infolge dieser fehlerhaften Anwendung der unbestimmten Rechtsbegriffe aus den Tätigkeitsmerkmalen der Entgeltgruppen 4 – 6 kommt das Arbeitsgericht zu dem fehlerhaften Ergebnis, dass bei der Gesamtschau über die zugewiesenen Tätigkeiten im Rahmen des „Streifendienstes“ ohne die Ermittlungstätigkeit im Auftrag nur von einer Erfüllung der gründlichen Fachkenntnisse auszugehen sei. Diesbezüglich ordne das Arbeitsgericht die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 24.08.1983 – 4 AZR 32/81 – unzutreffend ein. Die in der benannten Entscheidung vom Bundesarbeitsgericht zu prüfenden Aufgaben im Rahmen der Überwachung des ruhenden Verkehrs seien eben nicht deckungsgleich mit jenen Aufgaben, welche dem Kläger zugewiesen seien. Der Kläger überwache eben nicht nur die Nutzung von Parkuhren sowie die Einhaltung von Halte- und Parkverboten auf Gehwegen und Sperrflächen bzw. vor Grundstückseinfahrten. Vielmehr müsse der Kläger sämtliche Regelungen zum ruhenden Verkehr überwachen, insbesondere auch die Berücksichtigung von Verbotsregelungen im Kreuzungsbereich sowie vorübergehenden Halteverboten etwa beim Freihalten von Bereichen für den Möbeltransport etc. Daneben seien die Sondergenehmigungen für Handwerker ebenso zu berücksichtigen, wie das kurzfristige Halten für An- und Ablieferungen oder Sonderparkgenehmigungen etwa für schwerbehinderte Bewohner. Hinzu trete die Überwachung von öffentlichen Parkeinrichtungen. Dabei veranlasse der Kläger notfalls auch das Entfernen von Fahrzeugen bei Gefahr im Verzug. Hinzu trete, dass der Kläger auch im laufenden Verwaltungsverfahren, nachdem entsprechende Bußgeldbescheide erlassen worden seien, weiter beteiligt werde, indem ihm die jeweiligen Einlassungen des Betroffenen zur Stellungnahme überlassen würden. Dabei habe der Kläger eine entsprechende Stellungnahme zu den Einlassungen des Betroffenen zu fertigen und eine Handlungsempfehlung gegenüber dem Innendienst der Beklagten abzugeben. Je nach entsprechender Stellungnahme des Klägers werde sodann aufgrund des Widerspruches und der Stellungnahme des Klägers das Ordnungswidrigkeitenverfahren im Widerspruchsverfahren weiterbetrieben oder aber dem Widerspruch des Betroffenen stattgegeben. Es sei daher nur folgerichtig, wenn das Arbeitsgericht zu dem korrekten Ergebnis komme, dass die hier dem Kläger übertragenen Tätigkeiten im Rahmen der Überwachung des ruhenden Verkehrs gründliche Fachkenntnisse bedingen. Randnummer 29 Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei vorliegend auch das tarifliche Merkmal der „vielseitigen Fachkenntnisse“ im Sinne der Entgeltgruppe 6 zu bejahen. Diesbezüglich trägt der Kläger wie folgt vor: Randnummer 30 „Die erstinstanzlich entscheidende Kammer verkennt sodann allerdings, dass es sich bei den weiteren Tätigkeitsschritten innerhalb des einheitlichen Arbeitsvorganges eben nicht um die gleichen Fachkenntnisse des gleichen eng abgrenzbaren Teilgebietes handelt. Dies wird schon deutlich, wenn man sich mit den für die jeweiligen Eingriffe nun erforderlichen Regelungen auseinandersetzt. Die in den Ziffern 2 bis 6 dargestellten Tätigkeiten der Stellenbeschreibung verlangen keine Fachkenntnisse aus dem Bereich des Straßenverkehrsrechts, insbesondere des ruhenden Verkehrs. Vielmehr sind in jedem einzelnen Tätigkeitsschritt andere Fachkenntnisse erforderlich. Dabei haben wir erstinstanzlich zu allein vier weiteren Tätigkeitsschritten konkret vorgetragen, welche konkreten Aufgaben hier dem Kläger übertragen sind. Dieser Sachvortrag ist im Wesentlichen auch unstreitig geblieben. Randnummer 31 Im Vergleich zu den lediglich gründlichen Fachkenntnissen aus der Entgeltgruppe 5 erfolgt bei Anerkennung der vielseitigen Fachkenntnisse eine Steigerung in ihrer Tiefe nach vergleichbaren Fachkenntnissen dem Umfange nach. Die Vielseitigkeit ergibt sich folglich regelmäßig aus einer Verbreiterung des zugewiesenen Teilgebietes, wobei auch vielseitige Fachkenntnisse nicht erst dann vorliegen, wenn die gesamte Breite des Fachwissens einer Verwaltung benötigt werden. Insbesondere bedarf es, anders als von der entscheidenden Kammer offenbar angenommen, keine Vertiefung der anerkannten „gründlichen Fachkenntnisse“. Dabei sind gerade mannigfaltige unterschiedliche Aufgaben ein starkes Indiz für die Annahme der vielseitigen Fachkenntnisse. Randnummer 32 Im vorliegenden Fall werden die gründlichen Fachkenntnisse aus dem Straßenverkehrsrecht mit dem Teilgebiet des ruhenden Verkehrs angereichert um Regelungen aus der Straßenreinigungssatzung, dem Umweltrecht, der Hundehaltersatzung sowie diversen Fachkenntnissen bei der Ermittlungs- und Kontrolltätigkeit. Hierzu haben wir wiederum bereits erstinstanzlich etwa dazu vorgetragen, welche Fachkenntnisse bei der Schnee- und Eisberäumung oder aber der Laubberäumung von öffentlich zugänglichen Wegen und Straßen erforderlich sind. Hierbei handelt es sich um keine Fachkenntnisse aus dem Straßenverkehrsrecht. Dabei ist die Tiefe dieser Fachkenntnisse vergleichbar mit jenen bei der Anwendung der Aufgaben im Ruhenden Verkehr. Auch hier ist im Einzelfall wieder zu prüfen, welche Maßnahmen zu einer hinreichenden Gefahrenabwehr bei Abwägung unter Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes führen. Die Maßnahmen können von einer bloßen Ansprache der verantwortlichen Person und entsprechender Beratung, über eine bloße Verwarnung sowie der Einleitung eines strafbewährten OWI-Verfahrens oder gar der Veranlassung von Ersatzvornahmen zur Behebung der Gefahrensituation reichen. Einerseits benötigt auch hier der Kläger erneut die Rechtsfachkenntnisse, nämlich zur konkreten Anwendung der jeweiligen Normen und der wesentlichen hierzu ergangenen Rechtsprechung. Andererseits kommen tatsächliche auch Erfahrungskenntnisse aus dem Abwägungsprozess hinzu. Randnummer 33 Gleiches findet sich auch im Rahmen der Mitwirkung im Rahmen des Umweltrechts. Dabei geht es eben nicht nur um das bloße Auffinden von leicht erkennbaren abgemeldeten Fahrzeugen, also solchen ohne Kennzeichen oder mit entwerteten Kennzeichen. Es tritt vielmehr hinzu, dass der Kläger in jedem Einzelfall ermitteln muss, ob und in welchem Umfang Gefahren von dem Fahrzeug ausgehen. Dabei ist zu prüfen, ob ggf. Schadstoffe austreten, etwa aus Batterien, Kühlerflüssigkeiten, Kraftstoffe, Oele und sonstige Betriebsstoffe. Daneben können bei entsprechenden Beschädigungen am Fahrzeug Verletzungsgefahren, insbesondere für Kinder und Jugendliche, entstehen, die entsprechend nicht gesicherte Fahrzeuge mit eingeschlagenen Scheiben oder geöffneten Türen als Ausgleich für nicht hinreichend vorhandene Spielplätze nutzen und sich dabei in die Gefahr von Verletzungen begeben. Es macht folglich einen Unterschied im Handeln des Klägers, ob es sich um ein fahrtaugliches, gesichertes und lediglich nur abgemeldetes Fahrzeug handelt oder aber um ein nicht mehr fahrtaugliches ggf. beschädigtes Fahrzeug bei dem etwa der Zugriff zum Motorraum nicht mehr gesichert ist. Je nach Feststellungen muss der Kläger entscheiden, ob lediglich eine Dokumentation des aufgefundenen Zustandes und sodann die Veranlassung der Ermittlung des Halters geboten ist, oder aber ob weitere Maßnahmen angeregt oder veranlasst werden müssen, da eben die Ermittlung des Halters und dessen schriftliche Aufforderung zur Entfernung des Fahrzeuges nicht mehr ausreichen um eine hinreichende Gefahrenabwehr sicherzustellen. Es handelt sich auch hier folglich um andere Fachkenntnisse als jene aus der Überwachung des ruhenden Verkehrs. Randnummer 34 Ebenso deutlich wird dies auch bei der Überwachung und Mitwirkung bei der Immissi-ons- oder Emmissionsbekämpfung. Hierzu haben wir erstinstanzlich beispielhaft die Problematik des Abbrennens von Gartenabfällen, aber auch anderen Abfällen, be-schrieben. Auch die hierfür erforderlichen Fachkenntnisse stehen in keinem Zusam-menhang mit den Fachkenntnissen aus dem Teilgebiet der Überwachung des ruhenden Verkehrs. Randnummer 35 Soweit die erstinstanzlich entscheidende Kammer in all diesen weiteren Fällen deshalb keine Anreicherung der Fachkenntnisse zu erkennen vermag, weil diese nicht im rechtserheblichen Umfang anfallen (vgl. Seite 20, 2. Absatz), hat die entscheidende Kammer die Wirkung der Bildung des einheitlichen Arbeitsvorgangs und der Einheitlichkeit des Streifengangs verkannt. Es kommt nicht darauf an, wie oft Schnee fällt oder ob viel oder wenig Laub auf der Straße liegt, ein Hundehalter oder hunderte von Ihnen die Notdurft ihrer Vierbeiner nicht ordnungsgemäß entsorgen wollen oder können. Es liegt gerade in der Anlage des einheitlichen Streifendienstes, dass dem Kläger in jedem Moment des Streifendienstes der erste nicht rechtsgetreue Hundehalter des Tages oder auch des Jahres begegnen kann. Gleiches gilt für Schrottfahrzeuge, Brandgeschehen usw. Es wohnt gerade dem Streifendienst inne, dass der Kläger sich jeden Tag neu auf den Weg macht, diese Sachverhalte zu ermitteln. Damit eine Ermittlung erfolgen kann, muss der Kläger von der ersten bis zur letzten Minute seines Streifengangs die gesamte Wissensbreite aus der Stellenbeschreibung vorhalten. So haben denn dann konsequenter Weise die Tarifvertragsparteien auch keine Bewertung unterhalb eines Arbeitsvorgangs geregelt. Die Zeitanteile der Entgeltordnung beziehen sich stets auf den Arbeitsvorgang. Das Vorhalten des gesamten Fachwissens auf E. der im Rahmen der sinnvollen Verwaltungsausübung gestalteten zugewiesenen Tätigkeit führt dazu, dass im Rahmen des Streifengangs alle Fachkenntnisse gleichermaßen vorgehalten werden müssen und daher auch alle Einzelaufgaben einen rechtserheblichen Umfang einnehmen. Randnummer 36 Eine weitere Anreicherung der Fachkenntnisse ergibt sich daneben auch aus den pandemiebedingt hinzugetretenen Aufgaben. Diese Aufgaben sind dem Kläger auch nicht lediglich im Wege eine rübergehend höherwertige Tätigkeit übertragen worden. Viel-mehr sind dem Kläger die Überwachung der jeweils geltenden Regelungen übertragen worden. Die Regelungen aus dem Infektionsschutzgesetz, den jeweiligen bundeseinheitlichen Verordnungen, den landesrechtlichen Verordnungen und entsprechenden Regelungen auch auf Kreis- und Stadtebene sind vom Kläger in der jeweils geltenden Fassung zu überwachen. Hierfür sind die jeweils geltenden Normen und deren Anwendungsbereich und deren Grenzen zu kennen und anzuwenden. Die Vermittlung dieser Fachkenntnisse muss sich der Kläger dabei selbst aneignen. Hierfür ist den Beschäftigten des Streifendienstes teilweise ein Arbeitstag je Kalenderwoche zur Aneignung der jeweils aktuell geltenden Regelungen zugewiesen worden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die entsprechenden Regelungen sich nicht nur aus den jeweiligen Verordnungen ergeben, sondern teilweise sehr kurzfristig diese durch verwaltungsgerichtliches Einschreiten von heute auf morgen angepasst oder gar auch wieder aufgehoben worden sind. Jedenfalls handelt es sich auch hier nicht um Fachkenntnisse aus dem ruhenden Verkehr, sondern weitere Fachkenntnisse die zu einer Verbreiterung der erforderlichen Fachkenntnisse über die Kenntnisse zur Überwachung des ruhenden Verkehrs hinaus reichen.“ Randnummer 37 Schließlich erfülle der einheitliche Arbeitsvorgang auch das tarifliche Merkmal der „selbstständigen Leistungen“. Die dem Kläger übertragenen Aufgaben seien dem tariflichen Merkmal der „selbstständigen Leistungen“ zuzuordnen. Der Kläger habe in Anwendung der gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse regelmäßige abgewogene Ermessensentscheidungen zu treffen. Im Rahmen der Überwachung des ruhenden Verkehrs stelle der Kläger eben nicht nur den Verstoß gegen Rechtsnormen fest, sondern bewerte auch die unmittelbar von der Situation ausgehende Gefahr und müsse zwischen dem Eingriff gegenüber dem Fahrzeughalter einerseits und der vom fehlerhaft abgestellten Fahrzeug unmittelbar ausgehenden Gefahr andererseits abwägen. Bei Antreffen des jeweiligen Halters müsse der Kläger abwägen, ob eine bloße aufklärende Ansprache des Halters auf „fruchtbaren Boden“ falle und damit für die Zukunft sichergestellt werde, dass derartige Gefahrensituationen nicht erneut auftreten oder aber, ob es der Ahndung im Rahmen eines OWI-Verfahrens bedarf. Soweit der Halter nicht angetroffen werde, müsse der Kläger im Rahmen der Bewertung der Gefahrensituation erneut abwägen, ob lediglich die Durchführung eines OWI-Verfahrens ausreiche oder aber in der konkreten Situation vom Fahrzeug im konkret abgestellten Zustand eine derartige Gefahr ausgehe, dass das Fahrzeug sofort zu entfernen sei. Das erstinstanzliche Gericht habe sich rechtsfehlerhaft mit den diesbezüglichen erstinstanzlichen umfangreichen Ausführungen aus dem Schriftsatz vom 26.10.2021 nicht auseinandergesetzt. Dies gelte ebenso für die erstinstanzlichen Ausführungen zur Frage der selbstständigen Leistungen beim Vollzug der Straßenreinigungssatzung, der Maßnahmen zum Umweltrecht, der Umsetzung der Hundehalterverordnung sowie der weiteren Kontroll- und Überwachungsaufgaben. Der Kläger nimmt diesbezüglich in der Berufungsinstanz nochmals ausdrücklich Bezug auf die diesbezüglichen Ausführungen aus dem Schriftsatz vom 26.10.2021. Randnummer 38 Der Kläger beantragt: Randnummer 39 1. Das Urteil des Arbeitsgericht Stralsund, Kammern Neubrandenburg, verkündet am 23.11.2021, zugestellt am 03.02.2022 – 13 Ca 144/21 - wird aufgehoben. Randnummer 40 2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger auch mit Wirkung ab dem 01.04.2021 Vergütung nach der Entgeltgruppe 9a Stufe 6 des TVöD (VKA) zu zahlen. Randnummer 41 3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat Januar 2018 in Höhe von 1.000,61 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2018 zu zahlen. Randnummer 42 4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat Februar 2018 in Höhe von 1.000,61 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2018 zu zahlen. Randnummer 43 5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat März 2018 in Höhe von 1.020,39 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2018 zu zahlen. Randnummer 44 6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat April 2018 in Höhe von 1.020,39 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2018 zu zahlen. Randnummer 45 7. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat Mai 2018 in Höhe von 1.020,39 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2018 zu zahlen. Randnummer 46 8. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat Juni 2018 in Höhe von 1.020,39 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2018 zu zahlen. Randnummer 47 9. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat Juli 2018 in Höhe von 1.020,39 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2018 zu zahlen. Randnummer 48 10. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat August 2018 in Höhe von 1.020,39 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2018 zu zahlen. Randnummer 49 11. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat September 2018 in Höhe von 1.020,39 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2018 zu zahlen. Randnummer 50 12. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat Oktober 2018 in Höhe von 1.020,39 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2018 zu zahlen. Randnummer 51 13. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat November 2018 in Höhe von 1.384,77 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2018 zu zahlen. Randnummer 52 14. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat Dezember 2018 in Höhe von 1.020,39 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2019 zu zahlen. Randnummer 53 15. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat Januar 2019 in Höhe von 1.020,39 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2019 zu zahlen. Randnummer 54 16. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat Februar 2019 in Höhe von 1.020,39 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2019 zu zahlen. Randnummer 55 17. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat März 2019 in Höhe von 1.020,39 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2019 zu zahlen. Randnummer 56 18. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat April 2019 in Höhe von 1.040,17 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2019 zu zahlen. Randnummer 57 19. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat Mai 2019 in Höhe von 1.040,17 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2019 zu zahlen. Randnummer 58 20. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat Juni 2019 in Höhe von 1.040,17 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2019 zu zahlen. Randnummer 59 21. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat Juli 2019 in Höhe von 1.040,17 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2019 zu zahlen. Randnummer 60 22. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat August 2019 in Höhe von 1.040,17 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2019 zu zahlen. Randnummer 61 23. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat September 2019 in Höhe von 1.040,17 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2019 zu zahlen. Randnummer 62 24. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat Oktober 2019 in Höhe von 1.040,17 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2019 zu zahlen. Randnummer 63 25. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat November 2019 in Höhe von 1.409,09 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2019 zu zahlen. Randnummer 64 26. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat Dezember 2019 in Höhe von 1.040,17 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2020 zu zahlen. Randnummer 65 27. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat Januar 2020 in Höhe von 1.040,17 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2020 zu zahlen. Randnummer 66 28. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat Februar 2020 in Höhe von 1.040,17 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2020 zu zahlen. Randnummer 67 29. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat März 2020 in Höhe von 1.047,15 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2020 zu zahlen. Randnummer 68 30. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat April 2020 in Höhe von 1.047,15 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2020 zu zahlen. Randnummer 69 31. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat Mai 2020 in Höhe von 1.047,15 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2020 zu zahlen. Randnummer 70 32. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat Juni 2020 in Höhe von 1.047,15 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2020 zu zahlen. Randnummer 71 33. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat Juli 2020 in Höhe von 1.047,15 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2020 zu zahlen. Randnummer 72 34. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat August 2020 in Höhe von 1.047,15 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2020 zu zahlen. Randnummer 73 35. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat September 2020 in Höhe von 1.047,15 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2020 zu zahlen. Randnummer 74 36. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat Oktober 2020 in Höhe von 1.047,15 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2020 zu zahlen. Randnummer 75 37. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat November 2020 in Höhe von 1.445,22 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2020 zu zahlen. Randnummer 76 38. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat Dezember 2020 in Höhe von 1.047,15 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.01.2021 zu zahlen. Randnummer 77 39. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat Januar 2021 in Höhe von 1.047,15 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.02.2021 zu zahlen. Randnummer 78 40. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat Februar 2021 in Höhe von 1.047,15 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2021 zu zahlen. Randnummer 79 41. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger restliche Vergütung für den Monat März 2021 in Höhe von 1.047,15 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.04.2021 zu zahlen. Randnummer 80 Die Beklagte beantragt, Randnummer 81 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 82 Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Das Arbeitsgericht habe die Arbeitsvorgänge zutreffend abgebildet und festgestellt. Ebenfalls zutreffend habe das Arbeitsgericht das Vorliegen „gründlicher Fachkenntnisse“ bejaht, jedoch das Vorliegen der „vielseitigen Fachkenntnisse“ verneint. Die dem Kläger übertragenen Tätigkeiten seien im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass es sich um „routinemäßige“ Tätigkeiten handele, welche das Merkmal der „vielseitigen Fachkenntnisse“ nicht erfüllen könne. Selbst bei der von dem Kläger erwähnten Überprüfung von Sonderparkgenehmigungen für Handwerker oder schwerbehinderte Bewohner zeige sich kein anderes Bild. Diese Sonderparkgenehmigungen müsse der Kläger – insoweit unstreitig – lediglich durch die Frontscheibe des PKW wahrnehmen und eine daraus vorgegebene Entscheidung ableiten, nämlich, dass diese Fahrzeuge an der Stelle im öffentlichen Parkraum aufgrund der Sondergenehmigung abgestellt werden dürften. Im Zusammenhang mit der Überwachung des ruhenden Verkehrs sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger – insoweit unstreitig – mit einem Erfassungsgerät arbeite. Dieses Erfassungsgerät beinhalte bereits verschiedene Möglichkeiten von Verstößen, so dass der Kläger dann lediglich noch den entsprechenden Verstoß anklicken müsse und die Tatzeit und das amtliche Kennzeichen einzutragen habe. Das Ergebnis werde dann – insoweit unstreitig – zur weiteren Bearbeitung an den Innendienst übermittelt. Der Innendienst leite dann – insoweit unstreitig – entsprechende Maßnahmen ein. Randnummer 83 Entgegen dem Vortrag des Klägers seien von ihm im weiteren Verwaltungsverfahren keine Handlungsempfehlungen abzugeben. Der Innendienst führe im Bußgeldverfahren eine Anhörung des Beschuldigten durch. Im Falle von Abweichungen zwischen den Sachverhaltsdarstellungen des jeweiligen Beschuldigten und des Klägers erfolge eine Nachfrage bei dem Kläger nach der Richtigkeit des Sachverhaltes. Aufgrund dieser Organisationsentscheidung des Arbeitgebers zur Vorgehensweise im weiteren Verwaltungsverfahren leite sich daraus gerade keine Handlungsempfehlung des Klägers ab. Auch im Hinblick auf das Entfernen von Fahrzeugen bei Gefahr im Verzug seien jedenfalls keine vielseitigen Fachkenntnisse im tariflichen Sinn erforderlich. Dem Kläger sei zuzugeben, dass es sich insofern um Einzelfälle handele. Jedoch würden die zu Grunde liegenden Sachverhalte nicht so stark voneinander abweichen, dass der Kläger nicht unter Heranziehung seiner gründlichen Fachkenntnisse eine Entscheidung treffen könne. Der Kläger habe daher immer dieselbe Prüfungsreihenfolge im Kopf abzuarbeiten. Zentrale Frage sei dabei, ob eine Störung beseitigt werden müsse oder nicht. Der Kläger treffe lediglich die Sachverhaltsfeststellungen vor Ort, dokumentiere diese und informiere den Sachgebietsleiter, der – insoweit unstreitig – dann darüber entscheide, ob das Fahrzeug abgeschleppt werden solle. Randnummer 84 Im Übrigen seien die Anforderungen an den Kläger im Hinblick auf die von ihm insgesamt ausgeführten Tätigkeiten nicht verschiedenartig. Allen Tätigkeiten liege zu Grunde, dass der Kläger sich jeweils vor Ort um die notwendigen Sachverhaltsfeststellungen durch eigene Wahrnehmung und entsprechender Dokumentation und gegebenenfalls Weiterleitung an den Innendienst kümmern müsse. Insbesondere seien Kenntnisse über gerichtliche Entscheidungen – wie vom Kläger insbesondere erstinstanzlich vorgetragen – im Rahmen der ihm übertragenen Tätigkeiten im vorgenannten Sinne eben gerade nicht erforderlich. Aus den genannten Umständen folge unmittelbar auch, dass der Kläger keine „selbstständigen Leistungen“ im tariflichen Sinne erbringen müsse. Der Kläger habe Sachverhaltsfeststellungen zu treffen und zu dokumentieren und an den Innendienst weiterzuleiten. Dabei handele es sich lediglich um unselbstständige Vorarbeiten, die dann von den Beschäftigten des Innendienstes inhaltlich geprüft und abschließend zu bearbeiten seien. Die dem Kläger insgesamt übertragenen Tätigkeiten seien eben gerade nicht dadurch geprägt, dass Ermessensentscheidungen mit unterschiedlichen Lösungsmöglichkeiten zutreffend seien. Es sei eine logische Konsequenz, dass beim Feststellen von Verstößen zwei vorgegebene Handlungswege einzuhalten seien. Zentrale Frage für den Kläger sei es, ob der Verursacher vom Kläger vor Ort ermittelt werden könne. Wenn ja, werde der Verursacher vom Kläger aufgefordert, die Störung/Verschmutzung zu beseitigen. Sobald der Verursacher nicht ermittelt werden könne, die Verschmutzung erheblich sei oder der Verursacher nicht einsichtig sei, leite der Kläger weitere Maßnahmen ein. Abwägungsprozesse seien insoweit gerade im Rahmen der dem Kläger übertragenen Tätigkeiten nicht vorzunehmen. Randnummer 85 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stralsund, Kammern Neubrandenburg vom 23.11.2021 – 13 Ca 144/21 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen. 2. Die Revision gegen diese Entscheidung wird nicht zugelassen.
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Finanzgericht Rheinland-Pfalz 1. Senat
Rheinland-Pfalz
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01.10.2013
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Randnummer 1 Streitig ist, ob die Therapieaufwendungen inkl. Fahrtaufwendungen und Unterkunftskosten in die Schweiz als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können. Randnummer 2 Die Kläger sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2010 haben sie u.a. Fahrtaufwendungen, Unterkunftskosten und Therapieaufwendungen für Behandlung und Fahrten in die Schweiz in Höhe von insgesamt 6.758,00 € als außergewöhnliche Belastungen beantragt (Bl. 21 und 39 Einkommenshefter). Die Aufwendungen sind in dem Zusammenhang mit dem Sohn L, geboren am 14. Juli 2000 entstanden. Diese Aufwendungen hat der Beklagte nicht als außergewöhnliche Belastungen im Einkommensteuerbescheid vom 5. Oktober 2011 berücksichtigt. Randnummer 3 Hiergegen haben die Kläger Einspruch eingelegt und im Rahmen des Einspruchsverfahrens ausgeführt, dass auf Grund von Hinweisen aus der damaligen Grundschule die Diplompsychologin N aufgesucht worden sei. Im Gutachten vom 21. Mai 2008 habe diese eine Hochbegabung bei ihrem Sohn festgestellt (Bl. 53 f. Einkommenshefter). In dem Gutachten seien bereits adäquate Möglichkeiten einer Unterstützung von L dargestellt und die Problematik deutlich angesprochen worden. L sei als Hochbegabter eingestuft worden, aber als sog. Minderleister. Diese Feststellungen seien keinesfalls als eine "Lerntherapie im logopädischen Umfeld" anzusehen und mit einem solchen Fall vergleichbar. Aus diesem Grund sei der Sohn von der Kinderpsychologin Frau Z behandelt worden. Da Frau Z jedoch nach Zürich umgesiedelt sei, sei die Behandlung in Zürich fortgesetzt worden. Die außergewöhnlichen Aufwendungen würden die Lerntherapie und die Erziehungsberatung in dem Zentrum für Begabtenförderung in Zürich betreffen. Die Therapie sei von Frau Z durchgeführt worden. Die Störungen des Kindes in dem Zusammenhang mit Hochbegabung seien derzeit nicht als Krankheit oder seelische Behinderung durch die Krankenkasse oder Beihilfestelle eingestuft worden. Eine Erstattung von dieser Seite sei insoweit ausgeschlossen. Dadurch, dass durch die Krankenkasse oder Beihilfestelle keine Krankheit in diesem Sinne vorliege, könne auch kein amts- und vertrauensärztliches Gutachten erstellt werden. Am 12. April 2011 habe die psychotherapeutische Fachpraxis unter Leitung der Diplompsychologin F ein Gutachten zur Vorlage beim Jugendamt erstellt (Bl. 89 f. Einkommenshefter). In diesem Gutachten sei die Hochbegabung bestätigt und empfohlen worden, die speziell auf hochbegabte Kinder zugeschnittenen Lerntechniken fortzuführen. Ansonsten sei L massiv gefährdet und es bestehe die Gefahr einer seelischen Behinderung. Die Lehrer des T-Gymnasiums in D hätten am 31. Januar 2011 bestätigt, dass L sich immer mehr aus dem Unterricht zurückziehe und dort einen sehr unglücklichen und gefährdeten Eindruck vermitteln würde (Bl. 85 f. Einkommenshefter). Als hochbegabt würden Kinder gelten, bei denen ein Intelligenzquotient von mehr als 130 getestet worden sei. Eine Hochbegabung an sich begründe jedoch keinen Anspruch auf Hilfen. Eine Hilfe nach dem Kinder- und Jugendhilferecht bestehe erst dann, wenn im Zusammenhang mit der Hochbegabung eine seelische Behinderung aufgetreten sei. Diese seelische Behinderung wollten die Kläger jedoch im Vorfeld von ihrem Kind abwenden. Deshalb sei es wichtig, dass bereits im vorhinein angemessene Schulbildung und Therapiemöglichkeiten ergriffen würden. In dem Urteil des BFH vom 12. Mai 2011 führe dieser aus, dass Aufwendungen für den Besuch einer Schule für Hochbegabte als außergewöhnliche Belastung zum Abzug zugelassen würden, wenn der Schulbesuch medizinisch angezeigt sei. An dem Erfordernis einer vorherigen amtsärztlichen und vertrauensärztlichen Begutachtung zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit der Maßnahme werde nicht festgehalten. Randnummer 4 Mit Einspruchsentscheidung vom 29. November 2012 wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung führt der Beklagte aus, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BFH derartige Aufwendungen nur abziehbar seien, soweit es sich um unmittelbare Krankheitskosten handele. Wegen der Schwierigkeit der Beurteilung der medizinischen Indikation von Maßnahmen, die nicht ihrer Art nach eindeutig nur der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienen könnten, verlange die Rechtsprechung grundsätzlich ein vorher ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten, aus dem sich die medizinische Notwendigkeit der betreffenden Maßnahme klar ergebe. Die Kläger würden selbst darauf hinweisen, dass das Einholen eines amtsärztlichen Gutachtens oder einer ärztlichen Bescheinigung des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung mangels Vorliegens einer Krankheit oder Behinderung im Sinne des Krankenkassen- und Beihilferechts angezeigt sei. Die psychologische Stellungnahme von Frau N, die an Hand von Tests den Intelligenzquotienten des Sohnes festgestellt habe, die Stellungnahme der Heilpraktikerin zwecks Begleitung des Sohnes im Unterricht aus 2008 sowie das Gutachten der psychotherapeutischen Fachpraxis F zur Vorlage beim Jugendamt vom 12. April 2011 und die Gutachten der Lehrer des T-Gymnasiums vom 31. Januar 2011 erfüllten weder die gesetzlichen Voraussetzungen des § 33 Abs. 4 EStG i.V.m. § 64 Satz 1 Einkommensteuerdurchführungsverordnung –EStDV- noch die Kriterien, die bisher in der Rechtsprechung gegolten hätten. Die Zwangsläufigkeit solcher Aufwendungen, die im Grenzbereich der Kosten der allgemeinen Lebensführung, zu denen auch die Aufwendungen für die Unterstützung der geistigen und körperlichen Entwicklung des Sohnes gehörten und der außergewöhnliche Belastungen liegen würden und je nach den konkreten Umständen des Falles dem ein oder anderen Bereich steuerlich zuzuordnen seien, könne weder von den Finanzämtern noch von den Gerichten ohne solche amtsärztliche Unterstützung zuverlässig beurteilt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH seien die strengen Nachweisanforderungen bei Aufwendungen, die ihrer Art nach nicht stets eindeutig unmittelbar der Heilung oder Linderung einer Krankheit dienten, unverzichtbar, da diese Maßnahmen mitunter auch aus anderen Erwägungen getätigt würden, z.B. um die sprachliche, soziale, psychologische oder pädagogische Entwicklung eines Kindes zu fördern oder zu unterstützen. Randnummer 5 Mit der Klage tragen die Kläger vor, dass der Sohn durch die behandelnde Therapeutin als Minderleister eingestuft worden und auf Grund erheblicher Auffälligkeiten dringend therapiebedürftig gewesen sei (und nach wie vor sei), er sei auch aus diesem Grund bei der Kinderpsychologin Frau Z in therapeutischer Behandlung. Auf Grund einer Umsiedlung der vorgenannten Psychologin nach Zürich würden dort die entsprechenden Sitzungen wahrgenommen, was mit entsprechenden Mehraufwendungen für Fahrten in die Schweiz und weiteren Kosten verbunden sei. Der Beklagte verkenne, dass L tatsächlich erkrankt sei und aus seiner intellektuellen Hochbegabung nicht zuletzt schulische Probleme resultierten, so dass bereits im Jahr 2010 entsprechender Behandlungsbedarf bestanden habe und nach wie vor bestehe. Von Seiten des Beklagten seien aus den vorgelegten Gutachten der Psychologin Frau N und der Diplom-Psychologin Frau F falsche Schlüsse gezogen worden. Es sei verkannt worden, dass die Schwierigkeiten, welche der minderjährige Sohn seinerzeit im schulischen Bereich gehabt habe und nach wie vor habe, letztendlich auf eine krankheitsbedingten Störung zurückzuführen seien. Randnummer 6 Die Kläger beantragen, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 29. November 2012 den Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 5. Oktober 2011 dahingehend zu ändern, dass außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 6.758,00 € berücksichtigt werden. Randnummer 7 Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 8 Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, dass nach § 33 Abs. 4 EStG i.V.m. § 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStDV eine steuermindernde Berücksichtigung der Aufwendungen ausscheide, weil sich eine medizinische Indikation im vorliegenden Fall auch weiterhin nur schwer beurteilen lasse und somit die Aufwendungen für die Therapiemaßnahme nicht typisierend als außergewöhnliche Belastungen sich darstellen würden. Entgegen der Auffassung der Kläger komme es sehr wohl darauf an, ob vor Beginn der Behandlung ein amtsärztliches Gutachten oder ein Attest (Bescheinigung) eines anderen öffentlich-rechtlichen Trägers (medizinischer Dienst) vorgelegt worden sei oder nicht. Randnummer 9 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen (§ 105 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
I. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 29. November 2012 wird der Einkommensteuerbescheid für 2010 vom 5. Oktober 2011 dahingehend geändert, dass bei den außergewöhnlichen Belastungen 6.758,00 € zu berücksichtigen sind. Die Berechnung wird dem Beklagten übertragen. II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen. III. Das Urteil ist hinsichtlich der vom Beklagten zu tragenden Kosten vorläufig vollstreckbar.
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VG Frankfurt 5. Kammer
Hessen
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10.09.2001
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Randnummer 1 Die Freiwillige Feuerwehr der Beklagten wurde am … Oktober 1998 gegen … Uhr zur Beseitigung einer Ölspur in der A-Straße in B alarmiert. Anlässlich dieses Alarms haben die diensthabenden Polizeibeamten C und D festgestellt, dass eine Ölspur von E-Stadt-F kommend ab G-Straße in B mit einer Breite von teilweise bis zu 1/2 Meter über die A-Straße, H-Straße bis zu einer Baustelle in der I-Straße 18 reichte. Den Ermittlungen der Polizeibeamten zufolge endete die Ölspur in Höhe des Benzineinlaufstutzens eines dort geparkten J-K Diesel mit dem amtlichen Kennzeichen …, der auf die Klägerin zugelassen war. Da die diensthabenden Polizisten im Bereich des Tankstutzens Kraftstoff festgestellt hatten, ließen sie vor Ort von dem Fahrzeugführer L eine Probefahrt durchführen. Dabei stellte ausweislich des Einsatzberichts der Polizeihauptmeister C fest, dass bei der Kurvenfahrt Dieselkraftstoff tropfenweise auf die Fahrbahn fiel (Bl. 8 der Beiakte). Für die technische Hilfeleistung der Freiwilligen Feuerwehr der Beklagten sind der Klägerin mit Bescheid vom 17. November 1998 Kosten in Höhe von insgesamt DM 5181,50 zur Zahlung aufgegeben worden. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Gemeindevorstand der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 1999 zurück. In den angegriffenen Bescheiden wird ausgeführt, dass die Klägerin als Halterin des Fahrzeuges zum Tragen der Kosten für den Feuerwehreinsatz heranzuziehen sei, da aus dem Fahrzeug Kraftstoff ausgetreten war. Randnummer 2 Am 18.03.1999 hat die Klägerin Klage erhoben. Die Klägerin ist der Ansicht, zu Unrecht zum Zahlen der durch den Feuerwehreinsatz entstandenen Kosten herangezogen zu werden. Sie treffe keine Verantwortlichkeit für die festgestellte Ölspur. Sie beruft sich hierbei sowohl auf die Aussage des Fahrers des J-K Diesel, des Herrn L, sowie auf eine Überprüfung des Fahrzeuges noch am Vorfallstage durch den sachverständigen Diplom-Ingenieur M. Randnummer 3 Die Klägerin beantragt, Randnummer 4 den Bescheid der Beklagten vom 17. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 10. März 1999 aufzuheben und die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Vorverfahren für notwendig zu erklären. Randnummer 5 Die Beklagte beantragt, Randnummer 6 die Klage abzuweisen. Randnummer 7 Die Beklagte ist der Ansicht, dass aufgrund der Sachverhaltsfeststellungen am Vorfallstag kein Zweifel an der Verantwortlichkeit der Klägerin für den eingetretenen Ölverlust bestehe und diese daher zum Tragen der Einsatzkosten der Feuerwehr der Beklagten verpflichtet sei. Randnummer 8 Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte verwiesen. Randnummer 9 In der mündlichen Verhandlung am 12.03.2001 wurde eine Zeugenvernehmung durchgeführt. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen. Randnummer 10 Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz 5. Kammer
Rheinland-Pfalz
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19.03.2012
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Randnummer 1 Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob der Kläger von der Beklagten Schadensersatz verlangen kann. Randnummer 2 Der Kläger war bei der Beklagten seit dem 01.11.2008 als Verkaufsleiter beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien endete aufgrund außerordentlicher Eigenkündigung des Klägers vom 17.08.2011. Die Parteien hatten einen schriftlichen Arbeitsvertrag am 27.08.2008 abgeschlossen, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 28 - 34 d. A. Bezug genommen wird; der Kläger erhielt ein Jahresgehalt von 54.000,00 Euro. Randnummer 3 Unter dem 12.10.2010, 14.05.2011 und 03.06.2011 hat die Beklagte dem Kläger jeweils Abmahnungen erteilt, deren Berechtigung im vorliegenden erstinstanzlichen Rechtsstreit zunächst streitgegenständlich war. Randnummer 4 Der Kläger hat vorgetragen, die im gegenüber erteilten Abmahnungen seien insgesamt unberechtigt gewesen. Randnummer 5 Am 11.05.2011 sei er von dem Zeugen B. für den 14.05.2011 um 9.00 Uhr in die Zentrale B-Stadt einbestellt worden. Als er darauf hingewiesen habe, dass dies sein freier Tag sei, sei ihm gesagt worden, wenn er für den Tag keinen Urlaub eingereicht habe, müsse er um 9.00 Uhr erscheinen. Bei dem Gespräch am 14.05.2011 sei ihm dann eröffnet worden, dass er zwar als Marktleiter bei der Beklagten weiterarbeiten könne, ihm aber nahe gelegt werde, einen Aufhebungsvertrag abzuschließen oder das Arbeitsverhältnis selbst zu kündigen. Er werde allerdings bei Ablehnung des "Angebotes" definitiv am 01.06.2011 nicht mehr als Verkaufsleiter oder in einer anderen Stellung in der Niederlassung B-Stadt arbeiten. Man werde dafür sorgen, dass er in keine der umliegenden Niederlassungen versetzt werde, sondern möglichst weit weg von der Familie. Randnummer 6 Am 19.05.2011 habe der Kläger den Zeugen B. telefonisch darüber informiert, dass er seine Tätigkeit als Verkaufsleiter weiter ausüben und nicht als Marktleiter arbeiten wolle. Das ganze habe ihm so zugesetzt, dass er wegen der aufgetretenen Beschwerden am 19.05.2011 ärztliche Hilfe in Anspruch habe nehmen müssen und er sei wegen eines arbeitsstressbedingten Burnout-Syndroms krankgeschrieben worden. Randnummer 7 Am 27.05.2011, nach Vorlage seiner Krankmeldung, sei er dann bereits aus der E-Mail-Verteilung herausgenommen worden. Ihm sei auch der Zugang zu dem E-Mail-Account verweigert worden. Am selben Tage sei der Zeuge D. mit der Mitarbeiterin Frau G. ohne Ankündigung zu dem Kläger nach Hause gekommen und habe sich nach seinem Befinden erkundigt. Er habe von den Rückenproblemen berichtet und habe außerdem darüber informiert, dass er weiterhin mit seiner Vertretung, Frau I., in Kontakt stünde, so dass er über die Abläufe in den Filialen informiert sei. Obwohl der Zeuge D. gewusst habe, dass der Kläger bereits vom Kommunikationssystem abgeschnitten gewesen und deswegen die Zusammenarbeit des Klägers mit Frau I. gar nicht mehr möglich gewesen sei, habe er sich dem Schein nach erfreut geäußert, wobei der Kläger sehr bald habe feststellen können, dass es sich hier um eine "Finte" gehandelt habe. Über dieses Verhalten sei er sehr bestürzt. Sein Gesundheitszustand habe sich in nicht unerheblicher Weise verschlimmert. Randnummer 8 Insgesamt könne der Kläger wegen dieser über das gewöhnliche Maß des Mobbing hinaus gehenden Anfeindungen und der dadurch ausgelösten Erkrankung von der Beklagten verlangen, materiellen und immateriellen Schadensersatz zu erhalten. Randnummer 9 Der Kläger hat beantragt, Randnummer 10 e s wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen materiellen und immateriellen Schaden aus Anlass der von der Beklagten verübten Mobbingaktionen, soweit nicht Dritte ersatzpflichtig sind, zu ersetzen. Randnummer 11 Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Schadensersatz eine Sozialabfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes unter Berücksichtigung seiner Betriebszugehörigkeit von drei Jahren in Höhe von mindestens 6.750,00 EUR brutto/netto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Zustellung der Klageerweiterung zu zahlen. Randnummer 12 Die Beklagte beantragt, Randnummer 13 die Klage abzuweisen. Randnummer 14 Die Beklagte hat vorgetragen, die Abmahnungen seien sämtlich berechtigt gewesen. Bestritten werde, dass der Kläger sich wegen des Verhaltens der Beklagten in ärztliche Behandlung habe begeben müssen. Nicht nachvollziehbar sei, dass der Kläger wegen eines arbeitsstressbedingten Burnout-Syndroms krank geschrieben gewesen sei. Nach den Informationen der Beklagten leide er vielmehr unter Rückenproblemen und sei deshalb arbeitsunfähig erkrankt gewesen. In einem mit dem Regionalvertriebsleiter der Beklagten, Herrn B., am 19.05.2011 geführten Telefongespräch habe der Kläger die Arbeitsunfähigkeit und den Grund dafür mitgeteilt und sich auf ein Rückenleiden berufen. Darüber hinaus habe er den Gebietsverkaufsleitern, Frau G. und Herrn D., am 27.05.2011 bestätigt, dass er ein Rückenproblem habe. Von anderen Gründen seiner Arbeitsunfähigkeit habe der Kläger nicht gesprochen. Randnummer 15 Warum ein Mobben gelegen sein solle, dadurch dass der Kläger Anfang April/Mai zu einer Besprechung einbestellt worden sei, sei nicht nachvollziehbar. Es treffe nicht zu, dass ihm angedroht worden sei, dass man ihn in der ganzen Bundesrepublik herumschicken werde, dies obwohl man gewusst habe, dass der Kläger an seinem jetzigen Wohnort gebaut habe und dort mit der Familie wohne. Es werde auch bestritten, dass dem Kläger im Gespräch am 14.05.2011 gesagt worden sei, dass er bei Ablehnung des Angebotes definitiv am 01.06.2011 nicht mehr als Verkaufsleiter oder in einer anderen Stellung in der Niederlassung B-Stadt arbeiten dürfe und man dafür sorgen werde, dass er in keiner der umliegenden Niederlassungen eingesetzt werde. Von einer "Finte" könne keine Rede sein. Es sei auch nicht ersichtlich, warum dieses Verhalten den Gesundheitszustand des Klägers verschlechtert haben solle. Randnummer 16 Das Arbeitsgericht Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - hat die Klage daraufhin durch Urteil vom 17.11.2011 - 5 Ca 480/11 - abgewiesen. Hinsichtlich des Inhalts von Tatbestand und Entscheidungsgründen wird auf Bl. 125 - 138 d. A. Bezug genommen. Randnummer 17 Gegen das ihm am 01.12.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger durch am 21.12.2011 beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt. Er hat die Berufung durch am 07.02.2012 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz begründet, nachdem zuvor auf seinen begründeten Antrag hin durch Beschluss vom 05.01.2012 die Frist zur Einreichung der Berufungsbegründung bis zum 01.03.2012 verlängert worden war. Randnummer 18 Der Kläger wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hebt insbesondere hervor, entgegen der Auffassung der Beklagten sei bereits allein durch den von ihr zugestandenen Sachverhalt der Tatbestand des Mobbings erfüllt. Man habe versucht, ihn, den Kläger aus seiner Position zu "beseitigen" in dem man ihm angedroht habe, man werde ihn in der ganzen Bundesrepublik herumschicken und in dem man ihm angedroht habe, äußerstenfalls werde man ihm kündigen. Die weiteren Aktionen seien die, dass man ihn von den innerbetrieblichen Aktionsabläufen abgeschaltet habe, dass man ihm unberechtigte Abmahnungen habe zuteil werden lassen, die insbesondere deshalb sich als Schikane darstellten, weil Sachverhalte dem Kläger in die Schuhe geschoben worden seien, die unstreitig seinen Bereich gar nicht beträfen. Diese Schikanen seien auch Veranlassung dafür gewesen, dass er sich wegen der dadurch ausgelösten psychischen und physischen Beschwerden habe krankschreiben lassen müssen. Nachdem sich diese Situation unmittelbar nach den Abmahnungen und nachdem der Kläger sich gegen die Abmahnungen und die "Bemühungen" der Beklagten, ihn "weg zu drücken", gewehrt habe, sei davon auszugehen, dass daraus der notwendige zeitliche Zusammenhang abgeleitet werden könne. Randnummer 19 Hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs wegen des Ausspruchs der außerordentlichen Kündigung durch den Kläger könne die gesetzliche 2-Wochen-Frist (§ 626 Abs. 2 BGB) nicht zu einem anderen Ergebnis führen, denn es liege keine verspätete Eigenkündigung in diesem Sinne vor. Anlass dafür, dass er die fristlose Kündigung ausgesprochen habe, sei gewesen, dass er nach dem Befund der behandelnden Ärzte an einem arbeitsbedingten Burnout-Syndrom gelitten habe. Diese Information sei ihm Anfang September 2011 zuteil geworden. Randnummer 20 Zur weitern Darstellung zur Auffassung des Klägers wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 06.02.2012 (Bl. 163 - 168 d. A.) Bezug genommen. Randnummer 21 Der Kläger beantragt, Randnummer 22 das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 17.11.2011, zugestellt am 01.12.2011, Az.: 5 Ca 480/11 wird abgeändert. Randnummer 23 Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen materiellen und immateriellen Schaden aus Anlass der von der Beklagten verübten Mobbingaktionen, soweit Dritte nicht ersatzpflichtig sind, zu ersetzen und zwar nebst Zinsen jeweils aus dem Schadensbetrag in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils seit Zustellung der Klage, spätestens seit 12.07.2011. Randnummer 24 Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Schadensersatz eine Sozialabfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes unter Berücksichtigung seiner Betriebszugehörigkeit von drei Jahren in Höhe von mindestens 6.750,00 Euro brutto/ netto nebst 5 Prozentpunkten Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klageerweiterung zu zahlen. Randnummer 25 Die Beklagte beantragt, Randnummer 26 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 27 Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens und hebt insbesondere hervor, zum einen liege ersichtlich kein Mobbing vor. Es treffe nicht zu, dass "man" versucht habe, den Kläger aus seiner Position zu beseitigen, indem man ihm angedroht habe, man werde ihn in der ganzen Bundesrepublik herumschicken, äußerstenfalls werde man ihm kündigen. Von unberechtigten Abmahnungen könne keine Rede sein; vom innerbetrieblichen Informationsfluss sei er nicht ausgeschlossen worden. "Schikanen" gegen ihn habe es nicht gegeben; es werde bestritten, dass der Kläger dadurch verursacht ein arbeitsstressbedingtes Burnout-Syndrom erlitten habe. Es könne keine Rede davon sein, dass der Kläger habe unter Druck gesetzt werden sollen oder worden sei und dass er von seiner Familie habe wegversetzt werden sollen. Randnummer 28 Zum anderen habe der Kläger die für die außerordentliche Kündigung einzuhaltende 2-Wochen-Frist nicht beachtet. Es werde bestritten, dass die Ärzte dem Kläger dazu geraten hätten, das Arbeitsverhältnis zu beenden, um die Gesundung nicht zu gefährden. Randnummer 29 Zur weiteren Darstellung der Auffassung der Beklagten wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 12.03.2012 (Bl. 184 - 187 d. A.) Bezug genommen. Randnummer 30 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie die zu den Akten gereichten Schriftstücke verwiesen. Randnummer 31 Schließlich wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 19.03.2012.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen - Auswärtige Kammern Landau - vom 17.11.2011, Az.: 5 Ca 480/11 wird kostenpflichtig zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Die Klägerin begehrt Akteneinsicht in die Gesundheitsunterlagen ihres verstorbenen Sohnes. 2 Der am ...1986 geborene Sohn der Klägerin, ..., war Soldat der Bundeswehr, zuletzt im Rang eines Oberstabsgefreiten. Unter anderem nahm er vom 21.08.2009 bis 04.01.2010 und vom 31.08.2012 bis 21.01.2013 an Auslandseinsätzen in Afghanistan teil. In der Folgezeit gab es ein einmaliges Gespräch des Verstorbenen mit der Truppenärztin Frau Oberstabsarzt ... Nachdem ... in seiner Wohnung in hilfloser Lage aufgefunden wurde, wurde er nach notärztlicher Behandlung in das Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz gebracht. Dort verstarb er am 31.03.2015. ... war weder verheiratet noch verpartnert und hinterließ keine Abkömmlinge. 3 Mit E-Mail vom 18.05.2015 begehrte die Klägerin Einsicht in die Gesundheitsunterlagen ihres Sohnes. Das Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr lehnte das Akteneinsichtsgesuch der Klägerin mit Bescheid vom 19.05.2016 ab und begründete dies mit dem entgegen stehenden mutmaßlichen Willen des Verstorbenen, der sich aus der ärztlichen Dokumentation in der Gesundheitsakte ergebe. 4 Die Klägerin legte gegen den Bescheid vom 19.05.2016 mit Schreiben vom 31.05.2016, welches am 02.06.2017 beim Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr einging, Widerspruch ein. 5 In einer Stellungnahme von Frau Oberstabsarzt ... vom 25.11.2015 gab diese an, sie habe den Verstorbenen nur einmalig, damals aber recht lange und ausführlich behandelt. Er habe berichtet, dass er, aus verschiedenen Gründen, die sie nicht nennen wolle, den Kontakt zu seiner Mutter seit längerer Zeit abgebrochen habe. Er sei auch trotz mehrfacher Gespräche mit seinem Kompaniefeldwebel und trotz ihrer Empfehlung nicht dazu bereit gewesen, wieder Verbindung zu seiner Mutter aufzunehmen. In Zusammenschau dieser Tatsachen komme sie zu dem Schluss, dass es der mutmaßliche Wille des Verstorbenen sei, den Inhalt ihres vertraulichen Gesprächs auch nach seinem Tod weiterhin der Geheimhaltung unterliegen zu lassen. 6 Das Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr wies mit Widerspruchsbescheid vom 13.09.2016, der Bevollmächtigten der Klägerin zugegangen am 16.09.2016, den Widerspruch der Klägerin zurück. Begründet wurde dies damit, dass die behandelnde Truppenärztin in einer Abwägung zu dem Ergebnis gekommen sei, dass der mutmaßliche Wille des Verstorbenen dem Wunsch der Klägerin auf Einsichtnahme entgegenstünde. 7 Die Klägerin hat am Montag, den 17.10.2016 Klage zum Verwaltungsgericht Koblenz erhoben. Sie macht geltend, als Mutter und Erbin des Verstorbenen könne sie Akteneinsicht in die Gesundheitsunterlagen ihres Sohnes verlangen, wenn sie ein berechtigtes Interesse habe. Ihr berechtigtes Interesse bestehe darin, dass sie als trauernde Mutter nachvollziehen möchte, welchen Ursachen es für die Selbsttötung ihres Sohnes gegeben habe. Ein Abschiedsbrief sei nicht gefunden worden. Sie erhoffe sich Untersuchungsergebnisse und Gesprächsnotizen in der Akte, die Aufschluss über Art und Ursachen der Erkrankung geben. Der Verstorbene sei das ältere ihrer zwei Kinder. Nach der Trennung von ihrem Ehemann habe sie den Verstorbenen und seine Schwester allein in sehr harmonischen Familienverhältnissen aufgezogen. Nach seinem zweiten Auslandseinsatz in Afghanistan im Jahr 2013 habe sich ihr Sohn stark verändert gehabt. Nur über Umwege sei es ihr gelungen, Kontakt mit ihm aufzunehmen. Bei einem persönlichen Treffen habe er ihr anvertraut, dass er in Afghanistan große Probleme gehabt habe. Er habe unter anderem einen Befehl verweigert, einen Afghanen zu überfahren, weswegen es zu einer tätlichen Auseinandersetzung mit seinem Truppenführer gekommen sei. In der Folge sei es zu einigen Versetzungen gekommen. Obwohl sie sich um weitere persönliche Treffen bemüht habe, habe ihr Sohn immer wieder Ausreden erfunden, die einem Treffen entgegen stünden. Dabei habe er am Telefon immer stärker verändert gewirkt sowie gleichzeitig niedergeschlagen und gereizt. Sie habe sich Sorgen gemacht und ihren Sohn aufgefordert, sich medizinische Hilfe zu holen, woraufhin er ihr immer erklärt habe, es gehe ihm gut. Schließlich sei es ein halbes Jahr vor dem Suizid zu einem Kontaktabbruch gekommen. Sie habe sich daraufhin entschlossen, ihre Sorgen und Bedenken an die Vorgesetzten ihres Sohnes heranzutragen. Das Gespräch, das die Truppenärztin erwähne, stehe ihrer Meinung nach in diesem Kontext. Es stimme daher, dass der Verstorbene in den letzten Lebensmonaten den Kontakt zu ihr abgelehnt habe. Dass ihr Sohn den zuvor stets harmonischen Kontakt zu ihr abgebrochen habe, sei jedoch seiner gravierenden psychischen Erkrankung zuzuschreiben. Psychisch schwer kranken Menschen fehle vielfach die Kraft, sich mit Sorgen und Bedenken ihrer Angehörigen auseinanderzusetzen. Es könne daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass sein mutmaßlicher Wille dahin gehe, dass sie, seine Mutter, auch nach seinem Tod nichts über seine gesundheitlichen Probleme erfahren dürfe. Zudem habe sie durch die ablehnende Haltung der Beklagten den Eindruck gewonnen, diese wolle etwas verbergen oder verheimlichen. So sei ihr von jener Truppenärztin, die über das Fortbestehen der Schweigepflicht entschieden habe, bei ihrem Eintreffen im Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz mitgeteilt worden, dass ihr Sohn sich stark betrunken habe, eingeschlafen sei und im Schlaf an Erbrochenem erstickt sei. Erst durch eigene Nachforschungen habe sie herausgefunden, dass ihr Sohn sich umgebracht habe, indem er eine sehr hohe Anzahl Tabletten eines Schmerzmittels geschluckt habe. Die leeren Tablettenblister seien dem Notarzt beim Eintreffen in der Wohnung sofort aufgefallen. Für sie sei daher nicht nachvollziehbar, warum das Geschehen zunächst als Unfall dargestellt worden sei. Hinzu komme, dass ihr die Beklagte Schwierigkeiten bei der Akteneinsicht in die Personalakte ihres Sohnes mache. Auf ihr Gesuch hin sei ihr nicht die vollständige Akte vorgelegt worden, sondern nur einige wenige Fotokopien mit im Wesentlichen belanglosen Formblättern. Die ursprüngliche Aktennummerierung sei geschwärzt worden und sämtliche Beurteilungen sowie Berichte über die Auslandsaufenthalte ihres Sohnes hätten gefehlt. 8 Die Klägerin beantragt, 9 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Kommandos Sanitätsdienst der Bundeswehr vom 19.05.2016 und seines Widerspruchsbescheids vom 13.09.2016 zu verpflichten, ihr Akteneinsicht in die Gesundheitsunterlagen von ..., geboren am ...1986, zu gewähren. 10 Die Beklagte beantragt, 11 die Klage abzuweisen. 12 Zur Begründung verweist sie auf die Begründung der angegriffenen Bescheide und führt ergänzend aus, der Inhalt des Gesprächs des Verstorbenen mit der behandelnden Truppenärztin könne aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht nicht dargestellt werden. In diesem einmaligen aber intensiven Gespräch habe der Verstorbene sich derart geäußert, dass der mutmaßliche Wille erkennbar geworden sei. Es liege in der Verantwortung der Truppenärztin, von ihr bekannten Umständen auf den mutmaßlichen Willen des Verstorbenen zu schließen und nach einer gewissenhaften Prüfung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts zu befinden. Ihr Entscheidungsspielraum sei durch die Gerichte nur eingeschränkt überprüfbar. Die behandelnde Truppenärztin sei bei der Überbringung der Nachricht an die Klägerin vom Tod ihres Sohnes nur „Arzt vom Dienst“ gewesen und sei nicht in die Krankenhausbehandlung involviert gewesen. Die näheren Todesumstände seien ihr zum damaligen Zeitpunkt nicht bekannt gewesen. 13 Das Verwaltungsgericht Koblenz hat sich mit Beschluss vom 05.12.2016 für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Karlsruhe verwiesen. 14 In der mündlichen Verhandlung vom 09.11.2017 wurde Frau Oberstabsarzt ... als Zeugin vernommen. Wegen des Inhalts der Zeugenaussage wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen. 15 Die Akten der Beklagten zum Vorgang der Akteneinsicht lagen dem Gericht vor. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf sie und auf die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
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Verwaltungsgericht des Saarlandes 6. Kammer
Saarland
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26.01.2021
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Randnummer 1 Der Kläger wendet sich mit vorliegender Klage gegen seine Ausweisung aus der Bundesrepublik Deutschland und begehrt die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Randnummer 2 Der Kläger wurde im Februar 1984 in Belgrad geboren. 1986 reiste er zusammen mit seinen Eltern in die Bundesrepublik Deutschland ein und betrieb hier erfolglos ein Asylverfahren. In der Folgezeit wurden der Kläger und seine Eltern zunächst geduldet, da eine Rückführung in ihr Herkunftsland aufgrund fehlender Ausweispapiere nicht erfolgen konnte. Der Kläger besuchte zunächst die Grundschule und dann die Hauptschule, die er nach der 8. Klasse ohne Abschluss verließ. Randnummer 3 Am 20.09.1994 erhielt der Kläger erstmals eine Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG, die zuletzt am 12.09.2013 als Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage von § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG bis zum 18.03.2015 verlängert wurde. Randnummer 4 Bereits als Heranwachsender trat der Kläger strafrechtlich in Erscheinung. Mit Urteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 17.12.2004 wurde er erstmals wegen gemeinschaftlichen Wohnungseinbruchsdiebstahls zu einer Jugendstrafe von acht Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dem folgten am 07.05.2007 eine Verurteilung durch das Amtsgericht A-Stadt wegen Betruges zu einer Geldstrafe in Höhe von 20 Tagessätzen sowie am 19.12.2007 eine Verurteilung durch das Amtsgericht A-Stadt wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen. Mit weiterem Urteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 18.02.2009 wurde der Kläger wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Wegen versuchtem gemeinschaftlichen Wohnungseinbruchsdiebstahls wurde der Kläger mit Urteil des Amtsgerichts Saarlouis vom 29.07.2009 zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt. Dem folgte eine weitere Verurteilung des Klägers durch das Amtsgericht A-Stadt vom 31.05.2011 wegen vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, deren Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen wurde. Randnummer 5 Unter dem 04.05.2015 beantragte der Kläger die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis. Randnummer 6 Mit Urteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 07.08.2015 wurde der Kläger erneut wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter Körperverletzung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt. Wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls in zwei Fällen wurde der Kläger vom Amtsgericht A-Stadt mit Urteil vom 21.07.2017 zu einer weiteren Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Auf die Berufung des Klägers wurde dieses Urteil mit Urteil des Landgerichts A-Stadt vom 24.01.2018 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben und der Kläger unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts A-Stadt vom 07.08.2015 und Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Randnummer 7 Unter Bezugnahme auf die zuletzt erfolgte Verurteilung des Klägers wurde dieser mit Schreiben des Beklagten vom 24.07.2018 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, ihn aus der Bundesrepublik Deutschland auszuweisen und seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abzulehnen. Randnummer 8 Mit an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 23.10.2018 wies der Kläger darauf hin, dass die abgeurteilten Straftaten schon sehr lange zurücklägen und zum heutigen Zeitpunkt keine Ausweisung mehr rechtfertigten. Er sei bereits im Januar 2018 aus der Strafhaft entlassen worden und habe sich unverzüglich um Arbeit bemüht. Zudem lebe er bereits seit seinem 2. Lebensjahr in der Bundesrepublik Deutschland und sei hier sozial integriert. Er sei verheiratet und sein Familienverband bestehe mittlerweile aus insgesamt sechs Personen. Die serbische Staatsangehörigkeit besitze er nicht. Auch bestünden zu Serbien keine Kontakte. Zu berücksichtigen sei des Weiteren, dass gegen ihn bislang keine ausländerrechtliche Verwarnung ergangen sei. Eine Ausweisung erscheine daher überzogen. Randnummer 9 Mit Schreiben vom 11.01.2019 teilte die Justizvollzugsanstalt A-Stadt dem Beklagten mit, dass der Kläger seit dem 06.08.2018 in der Justizvollzugsanstalt A-Stadt inhaftiert sei. Die strafrechtliche Vorgeschichte des Klägers sei durchaus erheblich. Er sei bereits zum dritten Mal inhaftiert. Die letzte Inhaftierung habe am 26.01.2018 geendet. Bereits am 17.07.2018 habe der Kläger die nächste Haftstrafe angetreten. Er sei bereits mehrmals bewährungsbrüchig gewesen. Darüber hinaus sei noch immer ein Verfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung anhängig. Zu seiner Familie pflege der Kläger einen engen Kontakt und erhalte regelmäßig Besuch von seiner Frau und den Kindern. Seine stabilen familiären Beziehungen hätten ihn allerdings nicht davon abgehalten, straffällig zu werden. Eine Suchtmittelproblematik liege bei dem Kläger nicht vor und sein Verhalten könne als freundlich und hausordnungsgemäß bezeichnet werden. Aus Sicht der Justizvollzugsanstalt könne dem Kläger eine vorsichtig positive Sozialprognose gestellt werden. Randnummer 10 Mit Bescheid vom 23.01.2019 wies der Beklagte den Kläger gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziff. 1) und lehnte die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis ab (Ziff. 2). Zugleich wurde der Kläger unter Androhung der Abschiebung nach Serbien aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen (Ziff. 3 und 4). Die Wirkung der Ausweisung und einer daran möglicherweise anschließenden Abschiebung wurde auf acht Jahre, gerechnet vom Tag des Verlassens der Bundesrepublik Deutschland an, befristet (Ziff. 5). Zur Begründung wurde unter Darlegung im Einzelnen ausgeführt, dass nach § 53 Abs. 1 AufenthG ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährde, ausgewiesen werde, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergebe, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiege. Das strafrechtliche Verhalten des Klägers lasse insgesamt erkennen, dass von ihm eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Bundesrepublik Deutschland ausgehe. Die gegen ihn ausgesprochenen Verurteilungen hätten den Kläger nicht davon abhalten können, weiterhin Straftaten zu begehen. Dabei sei die kriminelle Energie nicht zu verkennen, mit der der Kläger zu Werke gegangen sei. Die Ausführung der Taten zeige, dass er durchaus planvoll vorgehe, um sich durch das Begehen von Straftaten die finanziellen Mittel für seinen Lebensunterhalt zu verschaffen. Dass der Kläger unter laufender Bewährung stehend erneut straffällig geworden sei, zeige, dass die ausgesprochenen Verurteilungen ihn nicht zu einer Verhaltensänderung hätten bewegen können. Bei dem Kläger liege zudem eine nicht aufgearbeitete Aggressionsproblematik vor, die Straftaten, bei denen Gewalt angewendet werde, wahrscheinlich werden lasse. Durch seine Straftaten habe der Kläger massiv in das nach Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsrecht sowie das nach Art. 2 Abs. 2 GG garantierte Recht auf körperliche Unversehrtheit eingegriffen. Bei einer massiven Gefährdung des Eigentums Dritter könne auch schon die entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts eine Aufenthaltsbeendigung rechtfertigen. Seine im Bundesgebiet lebende Familie habe ihn nicht davon abhalten können, straffällig zu werden. Vielmehr seien sowohl sein Vater als auch zum Teil seine Geschwister bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten. Die soziale Situation des Klägers nach seiner Haftentlassung werde ebenfalls nicht einfach sein, weil er zunächst arbeitslos sein werde. In Abwägung der nach § 53 Abs. 2 AufenthG zu beachtenden Umstände sei die Ausweisung des Klägers verhältnismäßig. Unter Berücksichtigung der in den §§ 54 und 55 AufenthG normierten besonders schwerwiegenden bzw. schwerwiegenden Bleibe- und Ausweisungsinteressen überwiege im Falle des Klägers das Ausweisungsinteresse. Zwar halte sich der Kläger fast sein gesamtes Leben im Bundesgebiet auf. Zudem lebten seine Ehefrau, Kinder und auch seine Eltern sowie Geschwister im Bundesgebiet. Dem Kläger sei es indes nicht gelungen, im Bundesgebiet Fuß zu fassen. Aufgrund der von ihm begangenen Straftaten sei der Kläger nicht in die Verhältnisse der Bundesrepublik Deutschland integriert. Die Anzahl und das Gewicht der von dem Kläger in der Vergangenheit begangenen Straftaten machten deutlich, dass bei ihm die Gefahr bestehe, dass er auch weiterhin Straftaten begehen werde. Die bestehende Wiederholungsgefahr werde durch die vorsichtig positive Prognose der Justizvollzugsanstalt A-Stadt nicht entkräftet. Zu dem Personenkreis der sog. faktischen Inländer, denen ein Leben im Staat ihrer Staatsangehörigkeit nicht mehr zuzumuten sei, gehöre der Kläger nicht. Da der Kläger in einer serbisch-stämmigen Familie aufgewachsen sei, seien ihm die in Serbien herrschenden Sitten und Gebräuche durchaus bekannt. Zudem dürfte der Kläger durchaus in der Lage sein, zumindest rudimentär serbisch zu sprechen. Die familiäre Lebensgemeinschaft könne auch in Serbien gelebt werden, da sowohl die Ehefrau des Klägers als auch dessen Kinder serbische Staatsangehörige seien. Ein milderes Mittel als die Ausweisung des Klägers habe nicht zur Verfügung gestanden. Eine Befristung der Wirkungen der Ausweisung bzw. der Abschiebung auf einen Zeitraum von acht Jahren erscheine angemessen. Um das Ziel der Ausweisung zu erreichen, müsse die Frist so bemessen sein, dass die Ausweisung eine nachhaltige Wirkung auf den Ausgewiesenen habe. Randnummer 11 Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 22.02.2019 Widerspruch ein. Randnummer 12 Mit Urteil des Landgerichts Saarbrückens vom 19.03.2019 wurde der Kläger wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer weiteren Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt. Randnummer 13 Mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2019, dem Kläger zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten am 31.05.2019 zugestellt, wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers im Wesentlichen unter Wiederholung der Ausführungen in dem Bescheid vom 23.01.2019 zurück. Randnummer 14 Am 01.07.2019, einem Montag, hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er sich darauf beruft, dass die von ihm begangenen Eigentums- und Körperverletzungsdelikte jeweils mehrere Jahre zurücklägen. Aufgrund des erheblichen Zeitablaufs könne eine Ausweisung auf diese Taten nicht gestützt werden. Aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes ergebe sich, dass Ausweisungsgründe aktuell und nicht verbraucht sein dürften. Dieser rechtsstaatliche Grundsatz sei missachtet worden. Die Verurteilung durch das Amtsgericht A-Stadt vom 19.03.2019 könne für die Ausweisung nicht herangezogen werden, da es sich dabei um eine Fahrlässigkeitstat gehandelt habe. Von dem Beklagten werde in seinem Fall eine erhebliche Wiederholungsgefahr unterstellt, ohne dass dies konkretisiert worden sei. Nicht nachvollziehbar sei insbesondere die Feststellung des Beklagten, dass er planvoll vorgehe, um sich die finanziellen Mittel für seinen Lebensunterhalt durch das Begehen von Straftaten zu verschaffen. Er sei in der Vergangenheit bereits mehreren Beschäftigungen nachgegangen und beabsichtige, dies auch in Zukunft zu tun, um den Lebensunterhalt für sich und seine Familie zu sichern. Bereits im Rahmen der Strafvollstreckung sei die Zusicherung einer Arbeitsstelle bei der Firma ... vorgelegt worden. Der Beklagte habe verkannt, dass die Resozialisierung einer inhaftierten Person das oberste Vollzugsziel darstelle und unterstelle mit seiner Behauptung das Scheitern seiner Resozialisierung. Damit stelle der Beklagte das Strafvollzugssystem in Frage. Aufgrund einer günstigen Sozialprognose sei er zudem durch Beschluss des Landgerichts A-Stadt vom 12.09.2019 am 17.09.2019 vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Seine Strafen seien zur Bewährung ausgesetzt worden. Die Verbüßung einer längeren Haftstrafe habe ihn nachhaltig beeindruckt und zu einer Nachreifung geführt. Eine umfassende Auseinandersetzung mit seinen Interessen habe nicht stattgefunden. Er sei in der Bundesrepublik Deutschland aufgewachsen und hier verwurzelt. Ein Bezug zu Serbien bestehe nicht. Er verstehe nur einzelne Wörter auf serbisch. Ohne Sprachkenntnisse und Kontakte sei die Sicherung des Existenzminimums für ihn und seine Familie nicht möglich. Demgegenüber lebe er im Bundesgebiet in familiär und beruflich gefestigten Verhältnissen. Seine Ehefrau und die gemeinsamen, noch minderjährigen Kinder hätten einen Anspruch auf einen Aufenthaltstitel gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG. Jedenfalls hinsichtlich seiner beiden minderjährigen Kinder bestehe ein Abschiebungshindernis aus Art. 8 Abs. 1 EMRK, da diese faktische Inländer seien. Auf dieses Abschiebungshindernis könnten auch er und seine Ehefrau sich berufen. Die Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft in Serbien sei ihnen daher nicht zuzumuten. Derzeit sei er bei der Firma ... angestellt und könne aufgrund seiner Tätigkeit den Lebensunterhalt sichern. Eine Berücksichtigung dieser Umstände im Rahmen der Abwägung zu seinen Gunsten sei nicht erfolgt. Aus diesen Gründen seien auch die Versagung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis sowie die Abschiebungsandrohung rechtswidrig. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass eine Abschiebung nach Serbien nicht möglich sei, da die serbische Staatsangehörigkeit in seinem Fall nicht feststehe. Die festgelegte Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots sei ermessensfehlerhaft. Seine persönlichen Verhältnisse seien bei der Festlegung nicht berücksichtigt worden. Randnummer 15 Der Kläger beantragt, Randnummer 16 den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 23.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.05.2019 zu verpflichten, seine Aufenthaltserlaubnis zu verlängern, Randnummer 17 hilfsweise, den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom 23.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.05.2019 zu verpflichten, über die Befristung der Wirkungen der Ausweisung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Randnummer 18 Der Beklagte beantragt, Randnummer 19 die Klage abzuweisen. Randnummer 20 Der Beklagte nimmt Bezug auf die angefochtenen Bescheide und weist darauf hin, dass der Kläger bei der Beantragung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis selbst angegeben habe, serbischer Staatsangehöriger zu sein. Zudem habe es der Kläger selbst in der Hand, seine Geburt in Serbien nachregistrieren und sich eine Staatsangehörigkeitsurkunde ausstellen zu lassen. Entgegen der Auffassung des Klägers sei das auf den von ihm begangenen Rechtsverstößen beruhende Ausweisungsinteresse noch hinreichend aktuell. Die Straftaten des Klägers seien im Bundeszentralregister noch nicht getilgt und damit verwertbar. Gegenüber dem Kläger sei auch nicht zu erkennen gegeben worden, dass auf eine Ausweisung zukünftig verzichtet werde. Der Umstand, dass die Aufenthaltserlaubnis des Klägers nach § 25 Abs. 4 AufenthG wiederholt verlängert worden sei, begründe keinen Anspruch auf eine weitere Verlängerung und stehe auch einer Ausweisung nicht entgegen. Randnummer 21 Mit Beschluss vom 02.04.2020, 6 K 884/19, hat die erkennende Kammer dem Kläger insoweit Prozesskostenhilfe bewilligt, als sich seine Klage gegen die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf acht Jahre richtet; im Übrigen wurde der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussichten der Klage abgelehnt. Randnummer 22 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Verfahrensakten der Staatsanwaltschaft A-Stadt 65 Js 1259/18 und 44 VRs 05 Js 724/15 sowie die beigezogenen Verwaltungsunterlagen des Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.
Der Beklagte wird unter Aufhebung von Ziff. 5 des Bescheids vom 23.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.05.2019 verpflichtet, über das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte zu 1/8 und der Kläger zu 7/8. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe der sich aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss ergebenden Kostenschuld abwenden, falls nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
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SG Marburg 11. Kammer
Hessen
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03.09.2014
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten über eine Prüfung der Abrechnungen von Vertragsärzten im Hinblick auf die Abrechnung der GOP 88200 auch bei Verdacht auf eine Infektion mit der Schweinegrippe in den Quartalen II/09 bis II/10. Randnummer 2 Mit Schreiben vom 12.04.2010 bat die Klägerin die Beklagte um die Übersendung von berichtigten Formblättern für die Quartale II und III/09 sowie um gesonderte Rechnungslegung inkl. Detailangaben der abgerechneten Leistungen im Zusammenhang mit der neuen Grippe. Randnummer 3 Mit Schreiben vom 23.07.2010 antwortete die Beklagte, dass alle im Zusammenhang mit der neuen Influenza A/H1N1 erbrachten Leistungen im Einzelfallnachweis der Quartale II/ und III/09 entsprechend gekennzeichnet seien. In einer weiteren Stellungnahme vom 08.10.2010 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass aufgrund der klinischen Diagnose alle im Zusammenhang mit der Behandlung der Influenza A/H1N1 erbrachten ärztlichen Leistungen mit der Ziffer 88200 zu kennzeichnen und als Leistung des nicht vorhersehbaren Anstiegs des morbiditätsbedingten Behandlungsbedarfes gemäß Beschluss Teil E des Beschlusses des Erweiterten Bewertungsausschusses vom 02.09.2009 außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung berechnungsfähig seien. Dies habe sie mit Rundschreiben vom 04.12.2009 auch so an ihre Mitglieder kommuniziert. Es werde darauf hingewiesen, dass zu Beginn des Ausbruches der Schweineinfluenza noch keine ICD 10 Kodierung zur Verfügung gestanden habe. Vielmehr hätte zum damaligen Zeitpunkt nur auf die ICD 10 Kodierung der Vogelgrippe zurückgegriffen werden können. Randnummer 4 Mit Schreiben vom 05.11.2010 forderte die Klägerin die Beklagte zu einer Prüfung und Korrektur der Abrechnungsdaten ab dem Quartal II/09 auf. Lediglich ein Bruchteil der abgerechneten Leistungen im Zusammenhang mit der Influenza A/H1N1 seien auch mit der Diagnose J09 G gekennzeichnet worden. Eine Kodierung als Verdachtsfall (J09 V) reiche für eine Abrechnungsfähigkeit der GOP 88200 nicht aus. Randnummer 5 Mit Schreiben vom 22.11.2010 lehnte die Beklagte eine Überprüfung und Korrektur der Abrechnungsdaten ab. Sie halte an der Auffassung fest, dass auch Verdachtsfälle eine Vergütung außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung rechtmäßig sei. Randnummer 6 Die Klägerin hat am 01.09.2011 eine Leistungsklage beziffert auf 232.432,64 € zzgl. Zinsen beim SG Frankfurt erhoben. Das SG Frankfurt hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 30.08.2011 an das erkennende Gericht verwiesen. Randnummer 7 Die Klägerin trägt vor, dass nach dem eindeutigen Wortlaut der Durchführungsempfehlung des Bewertungsausschusses in seiner 186. Sitzung zum 01.05.2009 ausdrücklich festgelegt sei, dass die GOP 88200 nur bei nachgewiesener Infektion mit dem H1N1-Virus abgerechnet werden durfte. In den vorangehenden Absätzen seien die Regelungen für das Abrechnungsverhalten bei Verdachtsfällen geregelt. Danach sei der Schnelltest nicht über EBM abrechnungsfähig, könne aber analog 4668 GoÄ im Kostenerstattungsverfahren bei den Krankenkassen geltend gemacht werden. Dies gelte auch für die Durchführung der Labortestung. Es bestehe insofern keine Regelungslücke, die durch Auslegung in irgendeiner Form geschlossen werden müsse. Randnummer 8 Auch dem Beschluss des Bewertungsausschusses in seiner 195. Sitzung zum 17.08.2009 sei wörtlich zu entnehmen, dass die GOP 88200 nur bei nachgewiesener H1N1-Infektion abrechnungsfähig sei. In diesem Beschluss sei allein die Finanzierung der Testverfahren geändert worden, indem zwei weitere GOPs zur extrabudgetären Finanzierung eingefügt worden seien (88740 und 88741). Einen entsprechenden Wortlaut enthalte schließlich auch die 2. Nachtragsvereinbarung zum HVV 2009 für die Zeit ab Juli 2009. Randnummer 9 Die Klägerin beantragt nunmehr, den Bescheid der Beklagten vom 22.11.2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag der Klägerin vom 05.11.2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden und das in den Quartalen II/09 – II/2010 für Versicherte der Klägerin von den Vertragsärzten angeforderte Honorar gezielt auf die Erfüllung der Voraussetzungen für die Kennzeichnung mit der GOP 88200 zu prüfen. Randnummer 10 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Randnummer 11 Sie trägt vor, dass die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mit Rundschreiben vom 05.11.2008 klargestellt habe, dass auch Verdachtsfälle mit der GOP 88200 zu kennzeichnen gewesen seien und aufgrund dessen außerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung berechnungsfähig gewesen seien. Randnummer 12 Aufgrund der in der Bevölkerung herrschenden Hysterie sie es zu einer starken Leistungsausweitung bei den Vertragsärzten gekommen. Dieser größere Leistungsbedarf bei den Versicherten dürfe nicht zu Lasten der Ärzte lediglich innerhalb des RLV vergütet werden. Es handele sich um einen nicht vorhersehbaren Anstieg des morbiditätsbedingten Behandlungsbedarfs, sodass auch Verdachtsfälle extrabudgetär zu vergüten seien. Eine Unterscheidung von Verdachtsfällen und nachgewiesenen Infektionen sei hingegen nicht sachgerecht. Der PCR-Test stelle in Abgrenzung zum Influenza-Schnelltest auch gar kein geeignetes Kriterium dar, um eine nachgewiesene Infektion annehmen zu können. Der PCR-Test setze eine Verfügbarkeit des Testergebnisses binnen 48h nach Einsetzen der Symptome voraus, was praktisch nur selten möglich gewesen sei. Der Influenza-Schnelltest könne aufgrund seiner geringen Sensitivität schon gar keinen sicheren Nachweis der Infektion erbringen. Randnummer 13 Nicht zuletzt sei die Klage unzulässig, da das nach § 78 SGG notwendige Vorverfahren nicht durchgeführt worden sei. Randnummer 14 Das Gericht hat im Klageverfahren den GKV Spitzenverband (Beigeladene zu 1) und die KBV (Beigeladene zu 2) beigeladen. Die Beigeladene zu 1) teilt die Rechtsauffassung der Klägerin, die Beigeladene zu 2) die der Beklagten. Die Beigeladene zu 2) hat ergänzend vorgetragen, dass auch bei „klinischer Diagnose“ einer Influenza A/H1N1 die GOP 88200 abrechnungsfähig gewesen sei. Randnummer 15 Die Klägerin hat der Beklagten im Laufe des Klageverfahrens einen Datenträger überlassen, auf dem sich quartalsbezogene Listen befinden, die diejenigen Fälle ausweisen, in denen die Fallkennzeichnung der GOP 88200 vorgenommen wurde ohne eine entsprechende Kodierung der gesicherten Diagnose „Schweinegrippe“ (J09 G). Randnummer 16 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakte der Klägerin sowie die Prozessakten verwiesen, die in der mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
1. Der Bescheid der Beklagten vom 22.11.2010 wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, über den Antrag der Klägerin vom 05.11.2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden und das in den Quartalen II/09 bis II/10 für Versicherte der Klägerin von den Vertragsärzten angeforderte Honorar gezielt auf die Erfüllung der Voraussetzung für die Kennzeichnung mit der GOP 88200 zu prüfen. 2. Die Beklagte trägt die Gerichtskosten sowie die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin. 3. Die Sprungrevision wird zugelassen.
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Baden-Württemberg
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1 Der Kläger, ein nach § 3 Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) anerkannter Umweltschutzverband, begehrt die Verurteilung des Beklagten, den für die Landeshauptstadt Stuttgart geltenden Teilplan des Luftreinhalteplanes für den Regierungsbezirk Stuttgart in der Fassung seiner 1. und 2. Fortschreibung (im Weiteren: Luftreinhalteplan Stuttgart) um die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO 2 i. H. v. 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO 2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr zu ergänzen . 2 Bereits am 30.03.2005 erhob ein Stuttgarter Bürger beim Verwaltungsgericht Stuttgart erstmals eine Klage auf Erlass eines Luftreinhalte- und Aktionsplanes, weil der seit dem 01.01.2005 zum Schutz der menschlichen Gesundheit für Partikel PM 10 geltende, über 24 Stunden gemittelte Immissionsgrenzwert von 50 µg/m³ (bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr) nicht eingehalten war. Dieser Klage gab das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 31.05.2005 statt (16 K 1121/05). 3 Daraufhin setzte das Regierungspräsidium Stuttgart mit Zustimmung des Umweltministeriums Baden-Württemberg zum 01.01.2006 den Luftreinhalteplan Stuttgart in Kraft, in dem insgesamt 36 Maßnahmen zur Minderung der PM 10 - und NO 2 -Belastungen festgelegt wurden. 4 Nachdem das Urteil rechtskräftig geworden war, beantragte der damalige Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart im Verfahren 13 K 511/09 dessen Vollstreckung. Zur Begründung führte er aus, der aufgestellte Luftreinhalteplan Stuttgart enthalte keine geeigneten Aktionsplan-Maßnahmen. 5 Das Verwaltungsgericht Stuttgart teilte diese rechtliche Einschätzung und drohte dem Regierungspräsidium Stuttgart mit Beschluss vom 14.08.2009 ein Zwangsgeld für den Fall an, dass das Regierungspräsidium seiner Verpflichtung aus dem Urteil vom 31.05.2005 nicht bis zum 28.02.2010 nachkomme. 6 Da seit dem 01.01.2010 ein über das Kalenderjahr gemittelter Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid NO 2 von 40 µg/m³ einzuhalten ist (vgl. § 3 Abs. 2 i. V. m. der Anlage 11 der 39. BImSchV), nahm das Regierungspräsidium Stuttgart im Februar 2010 eine erste „Fortschreibung des Aktionsplans zur Minderung der PM 10 - und NO 2 -Belastungen“ vor, mit der unter anderem ein Lkw-Durchfahrtsverbot, nach Schadstoffgruppen zeitlich gestufte, ganzjährige Fahrverbote für Kraftfahrzeuge und Geschwindigkeitsbeschränkungen auf bestimmten Hauptverkehrsstraßen angeordnet wurden. 7 Nachdem auch diese Maßnahmen in der Folgezeit nicht zu einer Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für PM 10 und NO 2 führten, erhob ein anderer Stuttgarter Bürger zwei weitere Klagen ( 13 K 3683/09 und 13 K 2756/12 ), die jeweils mit einem Prozessvergleich endeten. 8 Im Vergleich vom 15.09.2011 im Verfahren 13 K 3683/09 verpflichtete sich der Beklagte zur Prüfung und gegebenenfalls Anordnung einer weiteren Geschwindigkeitsbegrenzung (Tempo 40 km/h) und weiterer verkehrsbeschränkender Maßnahmen auf der B 14. 9 Im Vergleich vom 23.12.2013 im Verfahren 13 K 2756/12 verpflichtete sich der Beklagte, den Luftreinhalteplan Stuttgart ein weiteres Mal fortzuschreiben und mindestens zwei weitere Maßnahmen im Sinne des § 27 Abs. 2 der 39.BImschV aufzunehmen, die geeignet sind, die Überschreitung der Immissionsgrenzwerte für PM 10 und NO 2 am Wohnort des damaligen Klägers weiter zu reduzieren. 10 Diese „2. Fortschreibung des Luftreinhalteplanes zur Minderung der PM 10 - und NO 2 -Belastungen“ erfolgte im Oktober 2014 und sah als „weitergehende Luftreinhaltemaßnahmen“ u. a. weitere Geschwindigkeitsbegrenzungen an Steigungsstrecken sowie eine Verkehrsverflüssigung auf der B 14 vor. 11 Nachdem auch diese weiteren Maßnahmen im Winterhalbjahr 2014/2015 wiederum zu keiner nennenswerten Reduzierung der PM 10 - und NO 2 -Belastungen auf der B 14 im Bereich des Neckartors führten, erhob der damalige Kläger eine weitere Klage auf Ergänzung des Luftreinhalteplanes Stuttgart um die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO 2 i. H. v. 40 µg/m³ und des über den Tag gemittelten Immissionsgrenzwertes für Partikel PM 10 von 50 µg/m³ bei 35 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr im Stadtgebiet von Stuttgart (13 K 875/15) . 12 Dieses Klageverfahren 13 K 875/15 endete in der mündlichen Verhandlung vom 26.04.2016 mit folgendem Vergleich : 13 1. Der Beklagte verpflichtet sich vorbehaltlich der Zustimmung des Ministerrats, den Luftreinhalteplan des Regierungspräsidiums Stuttgart, Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart bis 31.08.2017 wie folgt fortzuschreiben: 14 Sofern die in der Klage monierten Immissionsgrenzwerte im Kalenderjahr 2017 noch überschritten werden, wird der Beklagte ab 01.01.2018 bei Wetterlagen, die nach dem Konzept des Beklagten, wie in seinem Schriftsatz vom 31.03.2016 in Abschnitt II dargestellt, die Ausrufung des Feinstaubalarms rechtfertigen, mindestens eine rechtmäßige verkehrsbeschränkende Maßnahme für das Neckartor auf der Grundlage seines Konzepts ergreifen, die geeignet ist, eine Reduzierung des Verkehrsaufkommens am Neckartor um ca. 20 % gegenüber vergleichbaren Tagen für den Zeitraum der Verkehrsbeschränkung zu bewirken. 15 2. Für den Fall, dass der Ministerrat die Zustimmung zum Vergleich nicht erteilt, können die Kläger den Vergleich bis zum 30.06.2016 widerrufen. 16 3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen. 17 Nachdem der Ministerrat diesem Vergleich zugestimmt hatte und der genannte Immissionsgrenzwert für Partikel PM 10 bereits Ende März 2017 erneut überschritten war und auch der für NO 2 geltende Jahresmittelwert i. H. v. 40 µg/m³ im Jahr 2017 wiederum mit Sicherheit überschritten werden wird, legte das Regierungspräsidium Stuttgart Anfang Mai 2017 die „3. Fortschreibung des Luftreinhalteplanes für den Regierungsbezirk Stuttgart/Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart zur Minderung der PM 10 - und NO 2 –Belastungen“ (im Weiteren: 3. Fortschreibung) vor, die seit dem 08.05.2017 auch Gegenstand der Öffentlichkeitsbeteiligung gemäß § 47 Abs. 5a BImSchG ist. 18 Diese 3. Fortschreibung sieht die folgenden 20 als Maßnahmen bezeichneten Vorhaben vor: 19 M1: Ab dem 01.01.2020 gilt ein ganzjähriges Verkehrsverbot in der Umweltzone Stuttgart für alle Fahrzeuge mit Ausnahme von Fahrzeugen der Stufe 5 gemäß der 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung – 35.BImSchV) (Blaue Plakette), vorausgesetzt, die 35. BImSchV ist bis zu diesem Zeitpunkt so verändert, dass sie mindestens eine weitere Stufe (5) der Kennzeichnungsmöglichkeit enthält. 20 M2a: Vorausgesetzt die 35.BImSchV wird noch im Jahr 2017 durch die Kennzeichnungsmöglichkeit mit einer „Blauen Plakette“ erweitert, gilt ab 01.01.2018 an Tagen mit Feinstaubalarm ein Verkehrsverbot für alle Fahrzeuge mit Ausnahme von Fahrzeugen mit „Blauer Plakette“ für ein Gebiet auf allen Straßenzügen innerhalb des Stuttgarter Talkessels, auf allen Streckenabschnitten in Stuttgart-Feuerbach und auf einzelnen Streckenabschnitten in Stuttgart-Zuffenhausen. 21 M2b: Sollte die 35.BImSchV bis zum 01.01.2018 noch nicht in der o. a. Art zur Verfügung stehen, wird ab 01.01.2018 auf einzelnen bestimmten Straßenabschnitten im Stadtgebiet von Stuttgart an Tagen mit Feinstaubalarm ein Verbot für Kraftwagen und sonstige mehrspurige Kraftfahrzeuge (Zeichen 251 StVO) in Kombination mit dem von der obersten Straßenverkehrsbehörde noch zu schaffenden Zusatzzeichen „Nur für Diesel bis einschließlich Euro 5/V“ und dem vorhandenen Zusatzzeichen „Lieferverkehr frei“ angeordnet. 22 M2c: Sollte die unter M2b dargestellte Maßnahme aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht ergreifbar sein, wird ab 01.01.2018 zur Erfüllung des gerichtlichen Vergleichs auf im einzelnen festgelegten Streckenabschnitten der B 14 (Cannstatter Straße, Am Neckartor), der Neckarstraße, der Tal-/Wagenburg-straße und der Landhausstraße im Stuttgarter Osten an Tagen mit Feinstaubalarm ein Verbot für Kraftwagen und sonstige mehrspurige Kraftfahrzeuge (Zeichen 251 StVO) in Kombination mit dem von der obersten Straßenverkehrsbehörde noch zu schaffenden Zusatzzeichen „Nur für Diesel bis einschließlich Euro 5/V“ und dem vorhandenen Zusatzzeichen „Lieferverkehr frei“ angeordnet. 23 M3: Die SSB AG baut ihr Angebot im Bereich der Stadtbahnen (neue Linien, Taktung, Verlängerung der Traktion auf Doppelzüge) weiter aus. 24 M4: Als Vorlaufbetrieb für den Ausbau der Haltestellen der Linie U 1 für den 80-Meter-Zug-Betrieb plant die SSB AG zusammen mit der Landeshauptstadt Stuttgart zwischen Stuttgart-Bad Cannstatt und der Innenstadt im Jahr 2018 eine zusätzliche Schnellbuslinie (Betriebszeit 06:00 Uhr bis 20:30 Uhr) zur frühzeitigen Kapazitätserweiterung auf dieser hoch belasteten und bedeutsamen Nachverkehrsachse einzurichten. 25 M5: Die Landeshauptstadt Stuttgart richtet zusätzliche Busspuren/Bussonderstreifen im Stuttgarter Talkessel ein. Die Maßnahme darf allerdings nicht zu relevanten Störungen oder Behinderungen des Kfz-Verkehrs führen. 26 M6: Die SSB AG wird gewährleisten, dass auf den Buslinien im Stuttgarter Talkessel ab 01.01.2018 nur noch Busse mit Euro-VI-Standard oder Hybridantrieb unterwegs sind. Dazu erfolgt unter Voraussetzungen einer Landesförderung für diese Maßnahme bis zum 01.01.2018 eine vorgezogene Ersatzbeschaffung der 10 auf der Linie 42 eingesetzten CapaCity-Busse (derzeit noch EEV-Standard). Diese werden durch CapaCity-Busse mit Euro-VI-Standard ersetzt. 27 M7: Das Land Baden-Württemberg unterstützt darüber hinaus die SSB AG bei der Ersatzbeschaffung ihrer EEV-Standard-Busse im Stadtgebiet von Stuttgart, so dass sukzessive im Rahmen der Ersatzbeschaffung unter ökologischen Gesichtspunkten die neueste und beste verfügbare Abgasreinigungstechnik bzw. alternative Antriebstechnik eingesetzt werden kann. 28 M8: Der Verband Region Stuttgart wird im Rahmen des ÖPNV-Paktes bis zum 01.01.2025 sukzessive die Taktung auf bestimmten Strecken der S-Bahn und ihre Kapazität durch die Anschaffung neuer Züge erhöhen. 29 M9: Weitere Expressbuslinien werden vom Verband Region Stuttgart sukzessive eingerichtet. 30 M10: Die zuständigen Landkreise verbessern stufenweise den Bus-Zubringerverkehr zur S-Bahn, wie im ÖPNV-Pakt vereinbart. 31 M11: Das Land Baden-Württemberg erhöht die Zahl der Zugverbindungen im Schienenpersonennahverkehr bis 2021 um 37 % von 415 Zügen auf 567 Zügen von/nach Stuttgart Hauptbahnhof und richtet dabei drei neue Metropolexpresslinien ein. 32 M12: Der Verband Region Stuttgart entwickelt im Rahmen des ÖPNV-Paktes ein regionales Park + Ride-Konzept und setzt die erforderlichen Maßnahmen stufenweise um. 33 M13: Die Landeshauptstadt Stuttgart setzt ihr Radverkehrskonzept weiter um und baut das Radwegenetzes auf den Hauptradrouten durch Stuttgart bis zum 01.01.2020 unter anderem auf den Hauptradrouten 2 (Stuttgart-Ost nach Hedelfingen), 9 (Radverbindung Geißeichstraße) und 10 (Vaihingen nach Sillenbuch) aus. Parallel dazu folgend sukzessive weitere Ausbauten, wofür im Haushalt der Landeshauptstadt Stuttgart die entsprechenden Haushaltsmittel bereitgestellt werden sollen. Die Maßnahme darf allerdings nicht zu relevanten Störungen oder Behinderungen des Kfz-Verkehrs führen. 34 M14: Auf Basis eines Fußverkehrskonzepts plant die Landeshauptstadt Stuttgart ein Investitionsprogramm Fußverkehr zu erstellen, das die Strategie für Förderung und Umsetzung von Fußverkehrsmaßnahmen langfristig in Stuttgart festlegt. 35 M15: Die Fahrzeuge der Landeshauptstadt Stuttgart und diejenigen des Landesfuhrparks Baden-Württemberg werden soweit es sich um Fahrzeuge handelt, die überwiegend im Stadtgebiet Stuttgart eingesetzt werden bzw. ihren regelmäßigen Stellplatz dort haben, im Rahmen der Neubeschaffung soweit möglich auf Elektro-, hilfsweise Hybrid-, hilfsweise Erdgasbetrieb umgestellt. 36 M16: Zur Unterstützung einer beschleunigten Umstellung der Flottenzusammensetzung und Durchdringung der Kfz-Flotte mit Elektrofahrzeugen und anderen emissionsarmen Antrieben führt das Land Förderprogramme für Fahrzeuge von Pflege- und Lieferdiensten ein. 37 M17: Die Landeshauptstadt Stuttgart plant, die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h auf weiteren Steigungsstrecken im Stadtgebiet Stuttgart sukzessive ab dem 01.01.2018 auf 40 km/h zu reduzieren. 38 M18: Die Höchstgeschwindigkeit im Stuttgarter Stadtgebiet wird an Feinstaub-Alarmtagen außerhalb geschlossener Ortschaften auf 50 km/h bzw. auf mindestens vierstreifig ausgebauten Straßen auf 60 km/h reduziert, wenn sichergestellt ist, dass dies nicht zu spürbaren Ausweichverkehren führt. 39 M19: Die Landeshauptstadt Stuttgart beabsichtigt, ihr Gebührensystem zu überprüfen und beginnend zum 01.11.2017 auch die Parkgebühren im gesamten Stadtgebiet moderat zu erhöhen. Hierbei sind die Interessen der Anwohner und des Handels zu berücksichtigen. 40 M20: Die Gebühren der Parkhäuser im Stadtgebiet der Landeshauptstadt Stuttgart, die sich im Eigentum des Landes Baden-Württemberg befinden, werden im Zuge eines Gesamtkonzepts mit dem Ziel einer verträglichen Anpassung geprüft. Ausgenommen sind gewährte Benutzervorteile für emissionsarmen Fahrzeuge. Für Inhaber von längerfristigen Monatsverträgen sind angemessene Übergangsregelungen zu treffen. 41 Bereits am 18.11.2015 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, der seit dem 01.01.2010 geltende Jahresmittelgrenzwert für NO 2 sei im Jahr 2013 an allen Verkehrsnahen Messstationen zum Teil um mehr als das Doppelte überschritten worden. Auch im Jahr 2014 hätten die Jahresmittelwerte an den Messstationen Am Neckartor und Hohenheimer Straße deutlich über den Grenzwerten gelegen. Der Stundengrenzwert sei an der Messstation Am Neckartor ebenfalls deutlich überschritten gewesen. 42 Nach einem vom Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) vom Mai 2015 würden unter Zugrundelegung der bisher in der 2. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart aus dem Jahr 2014 vorgesehenen Maßnahmen die genannten Immissionsgrenzwerte auch in Zukunft und bis über das Jahr 2020 hinaus nicht eingehalten. Wesentliche Ursache für diese Stickstoffdioxidbelastungen in Stuttgart sei der Straßenverkehr. 43 Wegen dieser Überschreitungen der Stickstoffdioxidgrenzwerte habe die EU-Kommission die Bundesrepublik bereits mit Schreiben vom 22.09.2014 aufgefordert, mitzuteilen, bis wann die Grenzwerte eingehalten würden und weitere zusätzliche Maßnahmen zur Luftreinhaltung zu benennen. 44 Auf die Antwort der Bundesregierung vom 21.11.2014, wonach mit einer Einhaltung der Stickstoffdioxidgrenzwerte im Stadtgebiet Stuttgart nicht vor dem Jahr 2020 und den Ballungsgebieten Stuttgart nicht vor dem Jahr 2030 gerechnet werden könne, habe die EU-Kommission mit Schreiben vom 08.06.2015 ein Vertragsverletzungsverfahren (Nr. 2015/2073, SG-Greffe (2015)D/6868) gegen die Bundesrepublik mit der Begründung eingeleitet, die langjährige Verzögerung sei ein ausreichendes Indiz dafür, dass bislang keine geeigneten Maßnahmen getroffen worden seien, um den Zeitraum der Grenzwertüberschreitung so kurz wie möglich zu halten. 45 Daraufhin habe der Beklagte der EU-Kommission ein zweistufiges Konzept „Luftreinhaltung für die Landeshauptstadt Stuttgart“ vom 27.07.2015 (im Weiteren: Konzept) vorgelegt. Die im aktuellen Luftreinhaltungsplan (2. Fortschreibung) und in dem Konzept vom 27.07.2015 enthaltenen Maßnahmen seien jedoch nicht geeignet, die Grenzwertüberschreitungen bei Stickstoffdioxid so kurz wie möglich zu halten. 46 Der Kläger habe deshalb mit Schreiben vom 13.08.2015 beim Beklagten den nun auch im Klageverfahren geltend gemachten Anspruch auf Fortschreibung des Luftreinhalteplans geltend gemacht. 47 Hierauf habe der Beklagte lediglich mitgeteilt, der Luftreinhalteplan werde derzeit auf der Grundlage des am 27.07.2015 vorgestellten Konzepts fortgeschrieben. Daraufhin sei die vorliegende Klage erhoben worden. 48 Diese sei als allgemeine Leistungsklage zulässig. Der Kläger sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere klagebefugt, weil er ein nach § 3 UmwRG anerkannter Verband sei. 49 Die allgemeine Leistungsklage sei auch begründet. Dem Kläger stehe ein Rechtsanspruch auf Änderung/Fortschreibung des für Stuttgart geltenden Luftreinhalteplanes zu. Der für Stickstoffdioxid seit dem 01.01.2010 einzuhaltende Immissionsgrenzwert von 40 µg/m³ werde an mehreren Orten im Stadtgebiet überschritten. An der Messstelle Am Neckartor habe der Wert im Jahr 2014 bei 88 µg/m³ gelegenen. Auch der Stundengrenzwert sei dort im Jahr 2014 überschritten gewesen (36 statt 18 zulässige Überschreitungstage). 50 Der Beklagte sei daher nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i.V.m. § 27 der 39. BImSchV verpflichtet, einen Luftreinhalteplan aufzustellen, welcher die erforderlichen Maßnahmen zur dauerhaften Verminderung der Luftverunreinigungen festlege. Diese Maßnahmen müssten geeignet sein, den Zeitraum einer Überschreitung von bereits einzuhaltenden Immissionsgrenzwerten so kurz wie möglich zu halten. Die bisher ergriffenen Maßnahmen seien hierfür nicht geeignet. Nichts anderes gelte auch für die im Rahmen der 3. Fortschreibung vorgesehenen Maßnahmen. 51 Die geltenden Immissionsgrenzwerte der 39. BImSchV seien strikt verbindlich. Es handle sich um Werte, die aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse mit dem Ziel festgelegt worden seien, schädliche Auswirkungen für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt insgesamt zu vermeiden, zu verhüten oder zu verringern, und die innerhalb eines bestimmten Zeitraumes eingehalten werden müssten und danach nicht mehr überschritten werden dürften (vgl. § 1 Nr. 15 der 39. BImSchV). Sie würden damit eine Gefahrenabwehrschwelle zum Schutz der Gesundheit definieren. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes handle es sich bei der Pflicht zur Einhaltung der Grenzwerte für NO 2 nach Fristablauf um eine sog. „Ergebnisverpflichtung“, welche die Mitgliedstaaten nicht nach eigenem Ermessen hinausschieben könnten. Sofern das von Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG geforderte Ergebnis der fristgerechten Grenzwerteinhaltung nicht erreicht werde, müsse der Mitgliedstaat nicht nur angemessene, sondern zur schnellstmöglichen Zielerreichung geeignete Maßnahmen ergreifen. 52 Dabei stehe dem Planungsträger im Rahmen der Planung bei der Auswahl der Maßnahmen zwar ein Gestaltungsspielraum zu. Dieser Gestaltungsspielraum bestehe jedoch nur im Rahmen des vorgegebenen Ziels einer schnellstmöglichen Grenzwerteinhaltung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne dieses planerische Ermessen sogar auf die Festlegung einer bestimmten Maßnahme eingegrenzt sein, wenn allein die Wahl dieser Maßnahme eine baldige Einhaltung der Grenzwerte erwarten lasse. Hinsichtlich des Zeitpunktes der Umsetzung bestehe jedoch kein Ermessen. Ein schrittweises Vorgehen bei der Überschreitung bereits einzuhaltenden Grenzwerte sei daher nicht ausreichend. 53 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes könne eine Maßnahme, die der schnellstmöglichen Grenzwerteinhaltung diene, nicht unter Hinweis auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausgeschlossen werden. Die komplexe Abstimmung der Eigentums-, Berufs- und allgemeinen Handlungsfreiheit mit dem Gesundheitsschutz könne nicht im Rahmen einer behördlichen Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall erfolgen. Vielmehr bedürfe es hierfür einer gesetzlichen oder untergesetzlichen Konkretisierungsentscheidung, wie sie in Form der Immissionsgrenzwerte vorliege. Dies folge auch aus einem Umkehrschluss aus § 23 der 39. BImSchV, der die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen lediglich bei der Einhaltung der dort genannten langfristigen Ziele erwähne, nicht jedoch in Bezug auf Immissionsgrenzwerte. Insoweit sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit lediglich bei der Auswahl der Maßnahmenadressaten zu beachten. Diese Rechtsansicht zur Bedeutung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Festlegung der zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte notwendigen Maßnahmen werde auch in der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, des Bundesverwaltungsgerichts und der Verwaltungsgerichte geteilt. In Bezug auf Immissionsgrenzwerte könne demnach lediglich in Fällen „höherer Gewalt“ auf Maßnahmen und zudem nur unter engen zeitlichen Voraussetzungen verzichtet werden. 54 Die in Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2008/50/EG enthaltene Ergebnisverpflichtung zur Luftreinhaltung impliziere also, dass hinsichtlich der hierfür zu ergreifenden Maßnahmen keine Beschränkung im Hinblick auf ihre Verhältnismäßigkeit bestehe. Eine andere Auslegung sei auch nicht mit dem Zweck der Vorschrift des Art. 23 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie 2008/50/EG vereinbar, da die Vorschrift als eine Art Notregelung dem Zweck diene, schwerwiegende Verstöße gegen das Unionsrecht zu beenden, welche gravierende Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt haben. 55 Nach einer Studie der WHO aus dem Jahr 2013 verkürze die Luftverschmutzung durch Feinstaub die durchschnittliche Lebenserwartung aller Menschen in der EU um 8,6 und in Deutschland sogar um 10,2 Monate. Nach Angaben der Europäischen Umweltagentur aus dem Jahr 2014 werde die NO 2 -Exposition unter anderem mit einer erhöhten Mortalität sowie mit vermehrten Atemwegserkrankungen in Verbindung gebracht. Dadurch, dass in der Richtlinie die von der WHO vorgeschlagenen deutlich niedrigeren Grenzwerte (noch) nicht festgeschrieben worden seien, seien die Aspekte der Durchführbarkeit der Emissionsreduzierung auch bereits auf gesetzgeberischer Ebene berücksichtigt worden. Vor diesem Hintergrund stelle die Maßgabe der Eignung zur schnellstmöglichen Grenzwerterreichung, die in der Vorgängerrichtlinie noch nicht enthalten gewesen sei, eine bewusste Anhebung des Anforderungsniveaus angesichts bestehender gravierender Gesundheitsgefährdungen dar. Dies folge auch aus den Erwägungsgründen 2 und 3 der Richtlinie 2008/50/EG. 56 Zu berücksichtigen sei schließlich, dass die Mitgliedstaaten nunmehr bereits 15 Jahre Zeit zur Erreichung der Grenzwerte gehabt hätten. Es sei daher auch aus diesem Grund nicht unverhältnismäßig, qualifizierte Anforderungen an die Eignung der Maßnahmen zur schnellstmöglichen Grenzwerteinhaltung zu stellen. 57 Für die Verpflichtung des Beklagten zur Einhaltung der Grenzwerte sei das Verhalten anderer Rechtsträger unbeachtlich. Soweit die Grenzwertüberschreitungen auf unzureichende unionsrechtliche Abgasnormen zurückzuführen seien, sei zwar unstreitig, dass es der dringenden Einführung von Vorgaben für die Emissionsminderung im tatsächlichen Fahrbetrieb (sog. Real Driving Emissions; RDE) bedürfe. Sofern sich das Inkrafttreten solche Regelungen jedoch verzögere, seien diese allseits bekannten Defizite von den lokalen Behörden durch eigene effektive Maßnahmen zu kompensieren. 58 Im Rahmen des zu erstellenden Gesamtkonzeptes zur schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte dürfe sich die Planung auch nicht auf eine Beschäftigung nur mit einzelnen Maßnahmen beschränken. Es seien vielmehr alle möglichen Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen, wozu auch die 110 geeigneten Maßnahmen gehören würden, die das Umweltbundesamt (UBA) in seiner „Bestandsaufnahme und Wirksamkeit von Maßnahmen der Luftreinhaltung“ aus dem Jahr 2013 benannt habe. 59 Diesen Anforderungen werde die Luftreinhaltungsplanung des Beklagten weder mit der 2. Fortschreibung des Luftreinhaltungsplans aus dem Jahr 2014 noch mit den im Rahmen der 3. Fortschreibung vorgestellten Maßnahmen gerecht. Auch seien diese nicht geeignet, die Grenzwertüberschreitungen „so kurz wie möglich“ zu halten. 60 Das vorgelegte Konzept entspreche bereits im Hinblick auf den vorgelegten Zeitplan nicht den oben dargelegten rechtlichen Anforderungen, da die Fahrbeschränkungen auf so genannte „Feinstaubalarmtage“ beschränkt seien und eine Grenzwerteinhaltung so erst für das Jahr 2020 prognostiziert und nur schrittweise angestrebt werde. Zudem hänge das Gelingen von mehreren Unwägbarkeiten ab. 61 Der Begriff der Luftreinhaltemaßnahmen sei weit zu verstehen. In Betracht kämen alle behördlichen Aktivitäten, die zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte beitragen könnten. Bloße Handlungsabsichten seien dagegen nicht ausreichend. Es seien insbesondere verkehrsbeschränkende Maßnahmen zu ergreifen, für die mit § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG auch eine Rechtsgrundlage für Verkehrsbeschränkungen und -verbote existiere. Diese Begriffe seien weit zu verstehen und könnten sowohl den gesamten Kfz-Verkehr als auch nur bestimmte Fahrzeugarten betreffen. In zeitlicher Hinsicht könnten die Maßnahmen sowohl dauerhaft als auch zeitlich beschränkt sein. Die Bezugnahme auf die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften beziehe sich im Sinne einer Rechtsfolgenverweisung nur auf die Umsetzung der Verkehrsbeschränkungen durch Straßenverkehrsschilder. Weitere straßenverkehrsrechtliche Voraussetzungen müssten nicht vorliegen. 62 Unter den Maßnahmenbegriff des § 47 Abs. 1 BImSchG würden auch planerische Maßnahmen fallen (vgl. § 47 Abs. 6 BImSchG), wie z.B. die Festsetzung von Fußgängerbereichen oder von verkehrsberuhigten Bereichen. Hierzu seien jedoch konkrete planungsrechtliche Festlegungen in den Luftreinhalteplan aufzunehmen. Als „sonstige Entscheidungen“ im Sinne des § 47 Abs. 6 BImSchG kämen auch Maßnahmen in Betracht, die etwa durch Weisungen gegenüber anderen Verwaltungsträgern durchgesetzt werden könnten oder die Vergabe von Finanzmitteln und Subventionen für geeignete Luftreinhaltemaßnahmen (sog. Anreizentscheidungen). Die Mindestanforderungen an Luftreinhaltungsmaßnahmen seien in der Richtlinie 2008/50/EG in Anhang XV im Einzelnen genannt. Eine Beschränkung auf langfristige Maßnahmen sei bei bereits eingetretenen und anhaltenden Grenzwertüberschreitungen nicht zulässig. Ein Luftreinhalteplan müsse vielmehr ein wirksames Gesamtkonzept mit Immissionsprognose enthalten. 63 Die derzeitige Planung des Beklagten entspreche diesen Anforderungen nicht und schöpfe insbesondere die vorhandenen Möglichkeiten nicht aus. Es fehle bereits an einer entsprechenden Gesamtplanung. Für den Großteil der angekündigten Maßnahmen gebe der Beklagte zudem kein Wirkungspotenzial an. 64 Die vorgesehenen Maßnahmen im Bereich der Förderung emissionsarmer Fahrzeuge und Maschinen seien unzureichend, ein konkretes qualifiziertes Minderungspotenzial werde ihnen nicht zugeordnet. Für den Durchgangsverkehr werde keine verbindliche Maßnahme angekündigt. Die Umstellung auf emissionsarme Baumaschinen sei allein ebenfalls unzureichend. 65 Das politische Engagement zur schnellen Einführung eines RDE-Testzyklus mache die Ergreifung verkehrsbeschränkender Maßnahmen nicht entbehrlich. 66 Es sei auch nicht zu erwarten, dass die vorgesehenen Maßnahmen zur Verkehrsverlagerung (Ausweitung des Parkraummanagements, Förderung des Fußverkehrs, Erhöhung des Radverkehrsetats, Ausbau des ÖPNV im Stadtgebiet und in der Region, Lkw-Durchfahrtsverbot, Verkehrssteuerung zur Verstetigung des Verkehrs und zur Vermeidung von Durchfahrten durch die Umweltzone) zu einer Reduzierung des Kfz-Verkehrs um 20 % führen werde. 67 Die derzeitige Förderung des ÖPNV durch Einführung des sog. Jobtickets gehe hierfür noch nicht weit genug, die Bezuschussung könne vielmehr noch deutlich höher ausfallen. Insbesondere sei in Erwägung zu ziehen, den Nahverkehr komplett gratis abzuwickeln, wie dies auch bereits in anderen Städten weltweit der Fall sei. Alternativ komme auch ein Bürgerticket oder ein deutlich günstigeres Jahresticket in Betracht. 68 Die Einführung einer City-Maut sei nicht in Betracht gezogen worden, obwohl es für deren Einführung noch nicht einmal einer gesonderten landes- oder bundesrechtlichen Regelung bedürfe. 69 Die Planung zur Förderung emissionsarmer Fahrzeuge sei dagegen zu unkonkret, mit zeitlichen Unsicherheiten behaftet und schöpfe die heute bestehenden Möglichkeiten zu einer solchen Förderung nicht aus. 70 Dringend erforderlich und ohne weiteres möglich sei auch eine schnellere Ausstattung der Busflotte mit SCRT-Filtern, eine Optimierung der städtischen Fahrzeugflotte und der Taxiflotte sowie die Schaffung von finanziellen Anreizen (Förderprogramme) zur technisch ohne weiteres möglichen Nachrüstung schwerer Nutzfahrzeuge PKWs mit SCR(T)-Systemen. 71 Die Beschränkung von Kleinfeuerungsanlagen sei weder zur sicheren Einhaltung der Feinstaub-Grenzwerte noch der NO 2 -Grenzwerte ausreichend. Ebenso wenig sei das planerische Potenzial zur Luftreinhaltung bei der Stadtplanung und dem Bau ausgeschöpft. 72 Für eine spürbare Senkung der Stickoxidbelastung sei letztlich eine deutliche Reduzierung der Verkehrsmengen insbesondere in Bezug auf Dieselfahrzeuge erforderlich. Der Beklagte habe in seinem Konzept vom 27.07.2015 selbst anerkannt, dass die Einführung einer „Blauen Plakette“ besonders wirksam wäre, deren Einführung in zeitlicher Hinsicht jedoch nicht absehbar sei. 73 Die im Konzept vom 27.07.2015 vorgesehenen zeitlich und sachlich beschränkten Fahrverbote, etwa abwechselnd für Fahrzeuge mit geraden/ ungeraden Kennziffern, seien sofort zu ergreifen, die vorgesehene zeitliche Verzögerung (ab 2018) nicht nachvollziehbar. 74 Der Ausschluss besonders verschmutzender Dieselfahrzeuge sei auf der Grundlage des § 40 Abs.1 Satz 1 BImSchG möglich. Ebenso sei die Umsetzung einer solchen Maßnahme durch entsprechende Verkehrszeichen auch schon heute möglich und werde beispielsweise in Italien bereits praktiziert. Dies habe das Bundesverkehrsministerium in einem Brief an das Verkehrsministerium des Landes Baden-Württemberg auch ausdrücklich bestätigt. 75 Statt der vom Bundesverkehrsministerium vorgeschlagenen, nicht differenzierenden Sperrung für den gesamten Verkehr durch Verdecken des Zusatzzeichens „Grüne Plakette“ sei es jedoch zweckmäßiger, lediglich dieselbetriebene Kraftfahrzeuge auszuschließen, die sich nicht mit einem SCRT-Filter nachrüsten lassen. Denn der Dieselverkehr sei mit einem Verursachungsbeitrag von ca. 85 % der Hauptverursacher der Luftverschmutzung mit Stickstoffdioxid in Ballungsgebieten. 76 Solche gezielten Zufahrtsverbote für Dieselfahrzeuge seien auch bereits in früheren Aktionsplänen in anderen Städten enthalten gewesen. Verkehrsbeschränkungen für Dieselfahrzeuge seien auch ohne eine Novellierung der 35. BImSchV und der Einführung einer „Blauen Plakette“ rechtlich möglich, und zwar durch Verwendung des Verkehrszeichens 251 (Verbot für Kraftwagen) und einem Zusatzzeichen „Gilt für Diesel“ oder nur „Diesel“. Solche atypischen Zusatzzeichen seien nach der ständigen Rechtsprechung auch zulässig, da weder die StVO noch der zu § 39 StVO erlassene Katalog der Verkehrszeichen eine abschließende Aufzählung möglicher Zusatzzeichen enthalte und ein solches neues Zusatzzeichen lediglich der Zustimmung der obersten Landesbehörde bedürfe. Da die Bezeichnung „Diesel“ international verwendet werde, sei dieses auch verständlicher als der vom Beklagten vorgesehene Zusatz für die Euro 6-Ausnahme. Da der straßenverkehrsrechtliche Sichtbarkeitsgrundsatz nicht für das Immissionsschutzrecht gilt und Ausnahmen deshalb schon aufgrund von § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG durch Allgemeinverfügung erlassen werden dürften, sei ein Zusatzzeichen, welches sich auf den Dieselverkehr bezieht, sogar entbehrlich. 77 Als alternative Beschilderung komme deshalb auch die Ausweisung einer sogenannten „BMVI-Umweltzone“ in Betracht, die nach Rechtsansicht des Bundesverkehrsministeriums mit dem Zeichen Nr. 270.1 der Anlage zu § 41 Abs. 1 StVO ohne Zusatzzeichen bekannt gemacht werden könne. Da mit dieser Beschilderung der gesamte Fahrzeugverkehr ausgesperrt werde, seien für Fahrzeuge mit Grüner Plakette, die keine Dieselfahrzeuge sind, Ausnahmen durch personen- oder fahrzeug- bzw. Antriebsbezogene Allgemeinverfügungen zu erteilen. 78 Alternativ hierzu könnten die Ausnahmen aber auch durch eine Beschilderung mit dem Verkehrszeichen 270.1 und dem Zusatzzeichen „Grüne Plakette“ sowie einem weiteren Zusatzzeichen „Kein Diesel“ verfügt werden. Weitere Ausnahmen seien ausdrücklich in § 2 Abs. 3 i. V. m. Anhang 3 der 35.BImSchV geregelt. 79 Es sei schließlich auch kein sachlicher Grund dafür erkennbar, warum Ausnahmeregelungen zu Umweltzonen durch Allgemeinverfügung erlassen werden könnten und dies für Fahrverbote, die durch das Verkehrszeichen 251 bekannt gegeben werden, nicht ebenso gelten sollte. Auch die Kontrolle des Verkehrsverbotes sei sowohl im ruhenden als auch im fließenden Verkehr möglich. Der Umstand, dass der Dieselverkehr durch das Verkehrsverbot möglicherweise andere Straßen umgeleitet werde, rechtfertige kein Absehen von der Maßnahme. 80 Da keine ebenso geeigneten, milderen Maßnahmen als die genannten Fahrverbote für Dieselfahrzeuge, dafür aber alternative Fortbewegungsmittel zur Verfügung stehen würden, seien diese auch verhältnismäßig. Solchen Maßnahmen könnten auch keine Bestandsschutzüber-legungen entgegengehalten werden. Dies habe der Beklagte für Fahrzeuge der Schadstoffklassen unterhalb Euro 6 auch selbst anerkannt. 81 Obwohl weder die Besitzer von Dieselfahrzeugen noch die von den Immissionen betroffenen Bürger eine persönliche Schuld an der heutigen Schadstoffproblematik treffe, könne die Interessenabwägung nicht zulasten Letzterer ausgehen, weil die Immissionsgrenzwerte im Realbetrieb um ein Vielfaches überschritten würden und die in den Immissionsgrenzwerten zum Ausdruck kommende Interessenabwägung so systematisch missachtet werde. 82 Hinsichtlich des möglichen Zeitpunktes eines Fahrverbotes sei es sinnvoll, zwischen den verschiedenen Fahrzeuggruppen zu differenzieren und die Möglichkeiten der Nachrüstung einzubeziehen. Bei neu zugelassenen Bussen und schweren Nutzfahrzeugen sei die Abgasnorm Euro 6 bereits seit 2014 Pflicht. Für diese Fahrzeuggruppe könnten die notwendigen Fahrverbote kurzfristig, etwa bereits zum 01.01.2017, umgesetzt werden. Ein Ausschluss von Dieselfahrzeugen der Schadstoffklassen Euro 4 und 5 aus den am stärksten belasteten Gebieten käme ab Januar 2018 in Betracht. Bei Kraftfahrzeugen, welche die aktuellsten Abgasstandards einhalten, sei dagegen eine etwas längere Übergangsfrist erforderlich, da die Schadstoffnorm Euro 6 bei Neuzulassungen erst im September 2015 verbindlich geworden sei. 83 Der Begrenzung von Dieselfahrzeugen könne schließlich auch nicht der Klimaschutz entgegengehalten werden. 84 Die sukzessive Erneuerung der Fahrzeugflotte reiche zur Verbesserung der Immissionssituation nicht aus, zumal die Immissionswerte auch von neu zugelassenen Pkws der Abgasnorm Euro 6 im Realbetrieb nicht eingehalten würden. Deren durchschnittlicher Stickoxidausstoß liege nach jüngsten Erkenntnissen des Forscherverbundes ICCT und des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) bei 500 mg/km und damit deutlich über dem Grenzwert von 80 µg/m³. Es sei daher rechtlich bedenklich, Dieselfahrzeuge der Emissionsklasse Euro 6 von den Fahrverboten auszunehmen. Dies gelte auch im Hinblick auf die vom Beklagten vorgesehen straßenverkehrsrechtliche Beschilderung des Fahrverbots mit einem Zusatzzeichen "Nur für Dieselfahrzeuge unter Euro 6/VI“, da dies bei den betroffenen Verkehrsteilnehmern eine Kenntnis der Emissionsklasse ihres Kraftfahrzeuges voraussetze. Die allgemeine Beschränkung auf „Diesel“ sei demgegenüber rechtlich unproblematisch. 85 Im Ergebnis seien nach alledem die verfügbaren und rechtmäßigen Maßnahmen für eine schnellere Grenzwerteinhaltung nicht ausgeschöpft. Insbesondere werde dem klägerischen Begehren auch nicht durch die im Vergleich vom 26.04.2016 vom Beklagten eingegangenen Verpflichtungen entsprochen, weil diese keine dauerhaften Verkehrsbeschränkungen beinhalten und sich lediglich auf schadstoffträchtige Wetterlagen beziehen würden. Die im Vergleich vorgesehenen Maßnahmen, die lediglich Am Neckartor eine Verkehrsreduzierung um 20 % bewirken sollen, seien damit nicht ausreichend, um die genannten NO 2 -Grenzwerte im gesamten Stadtgebiet einzuhalten. 86 Nichts anderes gelte insoweit auch für den inzwischen vorliegenden Entwurf für eine 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart. Die darin enthaltenen Maßnahmen würden nicht den grundsätzlichen Anforderungen an die Eignung von Luftreinhaltemaßnahmen entsprechen, die das Verwaltungsgericht Stuttgart in seinem Beschluss vom 14.08.2009 im Vollstreckungsverfahren 13 K 511/09 aufgestellt habe. 87 Die im Planentwurf vorgesehene verkehrsbeschränkende Maßnahmen M1 (Blaue Plakette in der Umweltzone) sei zwar zu begrüßen. Diese Maßnahme gelte jedoch nur unter der Voraussetzung, dass der Bundesgesetzgeber durch eine Änderung der 35. BImSchV eine entsprechende Kennzeichnungsmöglichkeit durch die Blaue Plakette schaffe. Außerdem knüpfe die Maßnahme daran an, dass 80 % der in Stuttgart zugelassenen Kraftfahrzeuge und leichten Nutzfahrzeuge die Anforderungen an die neue Plakette erfüllen müssten. Insoweit gehe der Planentwurf aber selbst davon aus, dass dies frühestens im Jahr 2020 der Fall sei, möglicherweise also auch später. Es könne daher auch nicht ausgeschlossen werden, dass es in Stuttgart die Blaue Plakette selbst im Jahr 2025 nicht gebe. Außerdem werde die Wirksamkeit der Maßnahme durch weitgehende und im Einzelnen sachlich nicht gerechtfertigte Ausnahmevorschriften eingeschränkt, nach denen etwa 20 % der Fahrzeuge aus dem Verkehrsverbot herausfallen würden. Sachlich nicht gerechtfertigt sei insbesondere auch die pauschale Ausnahme vom Verkehrsverbot für Dieselfahrzeuge der Emissionsklasse Euro 6, weil auch diese Fahrzeugklasse nach den Daten des Kraftfahrt-Bundesamtes einen durchschnittlichen Stickoxidausstoß von 500 mg/km aufweise. Eine solche Herausnahme der Dieselfahrzeuge der Emissionsklasse Euro 6 sei auch rechtlich nicht geboten, weil das baden-württembergische Straßenrecht ein Vertrauen des Bürgers an der Aufrechterhaltung des Gemeingebrauchs grundsätzlich nicht schütze und es auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht gebiete, Dieselfahrzeuge der Emissionsklasse Euro 6 pauschal von Verkehrsverboten auszunehmen. Mit den gesetzlichen Anforderungen unvereinbar sei schließlich auch der im Fortschreibungsentwurf angekündigte Verzicht auf verkehrsbeschränkende Maßnahmen für den Fall einer Nachrüstzusage durch die Industrie. 88 Diese Bedenken hinsichtlich der Ausnahmen für Dieselfahrzeuge der Emissionsklasse Euro 6 würden auch für die Maßnahmen M2a bis c (Blaue Plakette/„Luftreinhaltestrecken“ im Talkessel oder Am Neckartor bei Feinstaubalarm ab 01.01.2018) gelten. Völlig ungeeignet seien diese Maßnahmen jedoch vor allem aufgrund ihrer zeitlichen Beschränkung auf Tage mit Feinstaubalarm, weil das Problem der Überschreitung der Jahresmittel- und Stundenmittelgrenzwerte für NO 2 nicht lediglich an Feinstaubalarmtagen bestehe. Diese nur geringen Wirkungen der genannten drei Maßnahmen-Varianten räume der Fortschreibungsentwurf auch selbst ein. Es sei daher nur ein ganzjährig geltendes Fahrverbot geeignet. Die rechtliche Möglichkeit der Umsetzung der Maßnahmen M2b und M2c bestehe bereits heute, an deren bundesrechtlicher Zulässigkeit der Bekanntgabe mittels des Zeichens 251 der Anl. 2 StVO keine Zweifel bestünden. § 45 Abs. 1f StVO regle nur, wie eine Umweltzone zu kennzeichnen sei. Die Norm treffe jedoch keine Aussage dazu, dass innerhalb der Umweltzone keine Straße individuellen streckenbezogenen Beschränkungen unterliegen dürfe. Dies folge bereits daraus, weil nach der Konzeption der StVO begrifflich zwischen „Umweltzonen“ und „Strecken“ unterschieden werde. Als Rechtsgrundlage für streckenbezogene Verkehrsbeschränkungen komme zudem § 45 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StVO in Betracht. 89 Die Maßnahmen M3 bis M14 zur Stärkung des Umweltverbundes seien zu unkonkret, denn es werde bereits kein Immissionsminderungspotenzial für die einzelnen Maßnahmen genannt. Teilweise handle es sich unter Berücksichtigung der Vorgaben des Verwaltungsgerichts Stuttgart auch bereits nicht um „Maßnahmen“ im Sinne des § 47 BImSchG. Teilweise seien sie auch in zeitlicher Hinsicht nicht als qualifizierte Luftreinhaltemaßnahmen nach § 47 Abs. 1 S. 3 BImSchG geeignet. Auch bei den Maßnahmen zur Verbesserung des Emissionsverhaltens bestimmter Flotten handle es sich nicht um Maßnahmen im Sinne des § 47 Abs. 1 S. 3 BImSchG. Die Maßnahmen M17 und M18 (Ausweitung Tempo 40 auf Steigungsstrecken; Geschwindigkeitsreduzierung auf ausdrücklichen Straßen an Feinstaubalarmtagen) hätten nahezu kein Immissionsminderungspotenzial. Auch mit M19 und M20 (Erhöhung von Parkgebühren) seien keine konkreten Maßnahmen verbunden und eine Minderung der NO 2 -Immissionswerte Am Neckartor nicht zu erwarten. 90 Die im Rahmen der Erstellung der Fortschreibung des Luftreinhaltungsplans weiter diskutierten Maßnahmen seien überwiegend mit nicht überzeugenden Gründen abgelehnt worden. Dies gelte insbesondere für die Nahverkehrsabgabe und die City-Maut, der eine hohe Wirksamkeit bescheinigt werde. Die Richtigkeit der im Fortschreibungsentwurf enthaltenen Immissionsprognose sei ebenfalls zweifelhaft, weil die im Planentwurf angekündigten Maßnahmen mit den im Gesamtwirkungsgutachten untersuchten Maßnahmen in mehrfacher Hinsicht nicht deckungsgleich seien. Die Ergebnisse des Wirkungsgutachtens könnten daher nur bedingt zum Nachweis der Wirksamkeit des Maßnahmenpakets der 3. Fortschreibung herangezogen werden. Der Fortschreibungsentwurf sei somit insgesamt nicht geeignet, rechtmäßige Zustände herzustellen. Letzteres wäre nur dann der Fall, wenn die ab 2018 geltenden Streckenbeschränkungen ganzjährig gelten, die Ausnahmen für Euro 6 abgeschafft würden und die Blaue Umweltzone unmittelbar nach Novellierung der 35. BImSchV eingeführt würde. Soweit der Beklagte zuletzt vorgetragen habe, die Maßnahme M2b nicht mehr in den novellierten Luftreinhalteplan Stuttgart aufnehmen zu wollen, weil man mit einer Veränderung der Software zur Motorsteuerung im Rahmen der „Nachrüstlösung“ mehr erreichen könne, habe der Beklagte hierfür keinerlei Belege vorgelegt. Die angeblich vorrangigen Nachrüstlösungen würden vielmehr ausschließlich auf bloßen Gesprächen „mit der Autoindustrie“ - wer immer dies im Einzelnen auch sei - beruhen, obwohl diese Gespräche hinsichtlich der technischen, rechtlichen, finanziellen und zeitlichen Umsetzung bislang ohne konkretes Ergebnis geblieben seien. Es sei mittlerweile auch erwiesen, dass solche Software-Lösungen bei der NOx-Nachrüstung ungeeignet seien. Die Wirksamkeit solcher Softwareupdates liege zwischen 0% und 30 %. Die in diesem Zusammenhang weiter angesprochenen Konzepte der Hochschule Heilbronn und der TU Graz seien unzureichend, weil darin als Zielwerte der Nachrüstung lediglich Werte von 250 bzw. 360 mg NOx angestrebt würden, die deutlich über dem (gesetzlichen) Emissionsgrenzwert liegen und zudem nur bei Laborprüfzyklus (WLTC) eingehalten würden. Die vom Beklagten genannte Reduktion um 50 % der Maximalwerte sei im Übrigen nur dann zu erreichen, wenn keine Abschaltungen im Realbetrieb vorgenommen würden, was jedoch auch weiterhin beabsichtigt sei. Abgesehen von diesen technischen Einwänden, existiere bislang auch kein konkreter Vorschlag der Autoindustrie für die genannte Software-Lösung. Denn bislang hätten sich noch nicht einmal die deutschen Hersteller auf einen Vorschlag für eine Rückruflösung geeinigt. Jede Veränderung der Motorsteuersoftware erfordere zudem zwingend eine Prüfung und Genehmigung im Rahmen der EU-Verordnung 715/2007. Da die Entwicklung und Genehmigung von individuell unterschiedlichen Softwarelösungen für alle Euro 5- bzw. Euro 6-Modelle diverser Hersteller erfahrungsgemäß mehr als zwölf Monate dauere, und zwar beginnend ab dem Zeitpunkt der Einigung, seien im gesamten Jahr 2018 keinerlei Verbesserungen der Luftbelastungssituation und auch 2019 nur in geringem Maße zu erwarten. Schließlich könne auch nicht von einer hohen Beteiligungsbereitschaft der Diesel-Pkw-Halter an den Softwareänderungen ausgegangen werden, da selbst kostenlose Nachrüstaktionen in der Vergangenheit lediglich Beteiligungsquoten zwischen 5 und 20 % gehabt hätten. Demgegenüber habe der Kläger aufgezeigt, wie eine technisch wirksame Nachrüstung aussehe. Um einen Abgaswert unter 80 mg NOx/km bei realen Straßenmessungen zu erreichen, sei der Einbau einer neuen Abgasanlage mit einem Kostenaufwand von ca. 1500 EUR erforderlich. 91 Der Beklagte sei im Hinblick auf die bisher vorgesehene Maßnahme M2b auch keineswegs an die Rechtsmeinung des BMVI als Rechtsaufsichtsbehörde gebunden. Dabei verkenne der Beklagte insbesondere, dass Streckenbeschränkungen wie in der Maßnahme M2b keine zonalen Verbote seien. Streckenbezogene Verkehrsbeschränkungen seien sowohl nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 als auch nach Abs. 1b Nr. 5 StVO zulässig (vgl. im Einzelnen Anwaltsschriftsätze vom 17.11.2015, 01.06.2016, 07.03.2017, 12.06.2017 und vom 17.07.2017). 92 Der Kläger beantragt, 93 den Beklagten zu verurteilen, den am 01.01.2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 für die Landeshauptstadt Stuttgart geltenden Teilplan des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO 2 i. H. v. 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO 2 i. H. v. 200 µg/m³ bei maximal 18 Überschreitungen im Kalenderjahr in der Umweltzone Stuttgart enthält. 94 Der Beklagte beantragt, 95 die Klage abzuweisen. 96 Er hält die Klage für unbegründet. Durch die beabsichtigte 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans würden die genannten Immissionsgrenzwerte bis zum Jahr 2021 eingehalten. Darüber hinausgehende Maßnahmen könnten vom Kläger nicht verlangt werden, weil es für solche weitergehenden Maßnahmen keine Rechtsgrundlage im geltenden Recht gebe und diese auch aus sonstigen Gründen - z.B. wegen eines Verstoßes gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz - rechtswidrig wären. Sollten die maßgebliche Immissionsgrenzwerte trotz dieser Maßnahmen nicht eingehalten werden können, scheide eine neuerliche Fortschreibung des Luftreinhalteplans um weitere Maßnahmen dennoch aus, weil der Bundesgesetzgeber bislang keine Rechtsgrundlagen für solche weitergehenden Maßnahmen geschaffen habe und der Beklagte nicht zu etwas rechtlich Unmöglichem verpflichtet werden könne. 97 Zur näheren Begründung listet der Beklagte zunächst verschiedene Zahlen, Daten und Fakten zum tatsächlichen und technischen Hintergrund des Streitgegenstands des vorliegenden Klageverfahrens auf, namentlich zum Emissionsverhalten von Kraftfahrzeugen mit unterschiedlichen Antriebstechniken, den Kennzahlen zum Kraftfahrzeug-Bestand in Deutschland, zu den fiskalischen Rahmenbedingungen für die aktuelle Zusammensetzung des Kraftfahrzeug-Bestandes sowie zu den geographisch ökonomischen und verkehrlichen Eckdaten der Beigeladenen im Vergleich zu mehreren ausgesuchten Vergleichsstädten und den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen. Danach sei unbestritten, dass die NO 2 - und PM 10 - Belastung in der Stuttgarter Innenstadt nach wie vor zu hoch sei. Der Vergleich zeige jedoch, dass die Immissionssituation in Stuttgart durch eine ausgeprägte Kessellage mit zahlreichen Steigungsstrecken geprägt werde, die durch hoheitliche Maßnahmen in einem Luftreinhalteplan nicht beeinflusst werden könnten, aber ein „höheres Ambitionsniveau“ bei der Luftreinhaltung zu Erreichung der gleichen Ziele notwendig mache. Da ein gutes ÖPNV-Angebot und eine hohe ÖPNV-Akzeptanz tendenziell zu besseren Immissionswerten führen würden, sei eine Steigerung der Attraktivität des ÖPNV in jedem Fall das Mittel der Wahl. Der verbleibende motorisierte Individualverkehr (MIV) sei idealerweise nicht auf wenige Verkehrswege zu konzentrieren, sondern sollte möglichst entzerrt werden, um den Verkehrsfluss zu gewährleisten und immissionskritische Staus und Stop-and-Go-Verkehr möglichst zu vermeiden (vgl. hierzu im Einzelnen: S. 6 bis 31 der Klageerwiderung vom 31.03.2016). 98 Zur Vorbereitung der aktuellen Planungen zur Fortschreibung des Luftreinhalteplanes sei eine „Wirkungsabschätzung weiterer Maßnahmen für den Ballungsraum Stuttgart“ durch das Gutachterbüro ... GmbH (im Weiteren: Gesamtwirkungsgutachten; GWG) vorgenommen worden. Dabei sei der Gutachter zu dem Ergebnis gekommen, dass die Einhaltung der in Immissionsgrenzwerte für Feinstaub (PM 10 ) am Neckartor und weiteren hoch belasteten Straßenabschnitten im Wesentlichen durch eine Minderung der Verkehrsmenge um 20 % bei gleichzeitiger Abnahme der Hintergrundbelastung – z.B. durch eventuell verpflichtende Betriebseinschränkungen bei Komfortheizungen – bis 2020 nahezu erreicht werden könne. Vergleichbares gelte auch für die Einhaltung der Stickstoffdioxid-Grenzwerte (NO 2 ). Auch insoweit gehe der Gutachter davon aus, dass der zulässige Immissionsgrenzwert mit einer Kombination aus der Reduzierung der Verkehrsmenge um 20 % und einer Fortschreibung der Umweltzone nahezu erreicht werden könne. 99 Die Beklagte wolle deshalb die Verbesserung der Immissionssituation in Stuttgart mit einem Maßnahmenbündel erreichen. Zu besseren Durchsetzbarkeit und Akzeptanz in der Öffentlichkeit sei hierfür ein zeitlich abgestuftes, in zwei Phasen aufgeteiltes Vorgehen vorgesehen, und zwar mit einer Phase der Freiwilligkeit (Phase 1) und einer Phase 2 mit verbindlichen Vorgaben im Rahmen der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplanes (vgl. hierzu im Einzelnen: S. 32 bis 43 der Klageerwiderung vom 31.03.2016). 100 Weitergehende Maßnahmen seien unzulässig. Sie könnten insbesondere nicht auf § 40 Abs. 1 BImSchG gestützt werden. Dabei handle es sich nicht lediglich um eine Rechtsfolgenverweisung, weil der Luftreinhaltungsplan im Sinne des § 47 BImSchG ein bloßes Verwaltungsinternum und deshalb gerade keine Rechtsgrundlage für Maßnahmen sein könne, die in Rechte Dritter eingreifen würden. Hinzu komme, dass für die Verhängung von Fahrverboten, die nach dem Emissionsverhalten der Fahrzeuge differenzieren, eine entsprechende Kennzeichnung dieser Fahrzeuge in der 35.BImSchV (sog. Kennzeichnungsverordnung) erforderlich sei (z.B. „Blaue Plakette“) und damit der Mitwirkung des Bundesgesetzgebers bedürfe. 101 Die Voraussetzungen des § 45 StVO für die Verhängung von Verkehrsverboten würden ebenfalls nicht vorliegen, weil Maßnahmen nach dieser Vorschrift nur hinsichtlich bestimmter Straßen oder Straßenstrecken ergriffen werden dürften. § 45 StVO lasse es daher nicht zu, pauschal ganze Ortsteile oder die Innenstadt für den „Motorisierten Individualverkehr (MIV)“ zu sperren, weil dies voraussetzen würde, dass auf allen Straßen der genannten Gebiete die Immissionsgrenzwerte für NO 2 überschritten wären, was jedoch nicht der Fall sei. Außerdem dürfe eine Verkehrsbeschränkung nach § 45 StVO nur aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs und zum Schutz der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen erfolgen. Zwar seien die Schadstoffe PM 10 und NO 2 Abgase im Sinne dieser Vorschrift, PM 10 jedoch nur, soweit dieser motorseitig emittiert werde, also nicht von Aufwirbelungen, Bremsen- und Reifenabrieb, etc. herrühre. Gerade dabei handle es sich jedoch um die Hauptverursachungsanteile der PM 10 -Gesamtemissionen am Neckartor. Es gebe demnach im geltenden Recht derzeit keine Vorschrift, auf die sich Fahrverbote zur Minderung von Abrieb und Aufwirbelungen als Hauptverursacher der Feinstaubbelastung stützen ließe. Schließlich schütze § 45 StVO lediglich die Wohnbevölkerung. Ein Schutz der Menschen, die im Plangebiet lediglich arbeiten würden, könne folglich über diese Vorschrift von vornherein nicht erfolgen. 102 Daneben bestehe für (selektive) Fahrverbote gegenwärtig auch ein vollzugspraktisches Hindernis für die verkehrsrechtliche Anordnung von Verkehrsbeschränkungen, weil es für einen bestimmten Besetzungsgrad eines Fahrzeugs oder für ein bestimmtes Kennzeichen (gerade/ungerade) in der StVO gegenwärtig gar kein Verkehrsschild gebe. Die Ermächtigung für plangebietsbezogene Verbote des Kraftfahrzeugverkehrs aus Luftreinhaltungsgründen finde sich vielmehr in § 40 und § 47 BImSchG i.V.m. § 45 Abs. 1 Ziffer f. StVO, in dem ausschließlich die Verwendung der Zeichen 270.1 und 270.2 StVO in Verbindung mit den dazu vorgesehenen Zusatzzeichen (StVO, Anlage 2 Nr. 46) vorgesehen sei (vgl. im Einzelnen S. 43 bis 48 der Klageerwiderung vom 31.03.2016). 103 Soweit als planerische Maßnahmen der Ausbau des ÖPNV in Betracht komme, seien bloße programmsatzartig in den Luftreinhalteplan aufgenommene Appelle an die Beigeladene als Träger des ÖPNV nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Stuttgart mangels hinreichender Konkretheit keine Maßnahmen, die den Mindestanforderungen des § 47 Absatz 1 BImSchG genügen würden. Konkrete Maßnahmen des ÖPNV-Ausbaus könnten zudem auch deshalb nicht in einen Luftreinhalteplan aufgenommen werden, weil deren Realisierung der vorherigen Durchführung von ergebnisoffenen Planungsverfahren bedürfe. Im Ergebnis nichts anderes gelte auch für die Frage der Festsetzbarkeit organisatorischer Maßnahmen im Bereich des ÖPNV (vgl. im Einzelnen S. 48 bis 51 der Klageerwiderung vom 31.03.2016). 104 Maßnahmen eines Luftreinhalteplanes müssten zudem ohne Einschränkung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, da dieser Grundsatz auch im Recht der Luftreinhalteplanung gelte. Dies folge sogar explizit aus § 17 Abs. 2 BImSchG und müsse daher auch für Maßnahmen nach § 47 BImSchG gelten. Dies werde auch in der einschlägigen Rechtsprechung so gesehen und bedürfe auch keiner Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofes. 105 Verkehrsbeschränkungen seien daher nur zulässig, wenn die realistische Möglichkeit bestehe, auf ein alternatives Verkehrsmittel auszuweichen. Da Stuttgart sehr viele Berufspendler verzeichne, sei davon auszugehen, dass die große Mehrheit der Verkehrsteilnehmer, die auf einer der beiden Hauptverkehrsachsen in die Stuttgarter Innenstadt einfahren, auch dort arbeiten würden und daher - im Gegensatz zum klassischen Durchgangsverkehr - nicht auf Umfahrungsstrecken ausweichen könnten. Gegenüber diesen Verkehrsteilnehmern (Berufspendlern) sei eine verkehrsbeschränkende Maßnahme (wie z.B. ein Einfahrverbot) daher nur dann verhältnismäßig, wenn diesen Verkehrsteilnehmern der ÖPNV als alternatives Verkehrsmittel zur Verfügung stehe. Dies setze voraus, dass der Stuttgarter ÖPNV die Kapazitäten aufweise, um diese zusätzlichen Fahrgäste aufzunehmen. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass nach den Erhebungen des örtlichen ÖPNV-Trägers VVS GmbH die Verkehrsmittel des Stuttgarter ÖPNV (insbesondere S-Bahnen) in der morgendlichen Spitzenstunde zwischen 7:00 und 8:00 Uhr eine Auslastungsquote im Mittel von lediglich 55 % (bei Langzügen mit 3 Einheiten), und dabei ein Drittel der Züge zu weniger als 50 % und nur ein Sechstel der Züge zu mehr als zwei Dritteln ausgelastet gewesen seien, müsse man festhalten, dass Verkehrsteilnehmer und vor allem Berufspendler, die bisher das eigene Fahrzeug für die Einfahrt in die Stuttgarter Innenstadt nutzten, im Falle von Fahrverboten im Grundsatz eine Möglichkeit finden müssten, auf den ÖPNV zu wechseln. An diesem Ergebnis ändere sich auch nichts Wesentliches, wenn man zusätzlich zu den 6 S-Bahn-Linien auch die 5 Stadtbahnlinien in den Blick nehme, die im Stuttgarter Verbundgebiet betrieben würden. Da jedoch keinesfalls davon ausgegangen werden könne, dass bei Verhängung eines Fahrverbots auch sämtliche hiervon Betroffenen einfach und ohne weiteres auf den ÖPNV umsteigen würden, sei ein Einfahrtverbot bereits auf dieser ersten Stufe der Prüfung, ob es den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genüge, nicht unproblematisch. Den betroffenen Berufspendler müssten daher auch andere Mobilitätsoptionen angeboten werden, wie z.B. der Ersatz eines Kraftfahrzeuges mit zu hohen Immissionswerten durch ein sauberes Fahrzeug, was jedoch nicht von einem Tag auf den anderen, sondern nur innerhalb einer vernünftigen Frist ab der Ankündigung der geplanten Maßnahmen erwartet werden könne. Genau dies sehe das jetzt geplante Konzept zur Luftreinhaltung vor. 106 Ein Ausschluss von Fahrzeugen mit aktuellster Schadstoffnorm (Euro 6) sei zudem mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem Rechtsstaatsprinzip nicht vereinbar, weil ein Bürger, der ein solches Fahrzeug erwerbe, nicht rechtswidrig handle, wenn er dieses Fahrzeug im Rahmen des Gemeingebrauchs auf öffentlichen Straßen führe. Er könne sich daher auf die Garantiefunktion des Rechts berufen, wonach derjenige, der eine zugelassene Tätigkeit ausübt, darauf vertrauen dürfe, dass die Rechtsordnung ihm diese Tätigkeit nicht untersage. Wer ein Fahrzeug fahre, dass die aktuellste Schadstoffnorm einhalte, habe deshalb einen Rechtsanspruch darauf, hierfür zugelassene öffentliche Straßen im Rahmen des Gemeingebrauchs ohne jegliche Einschränkung befahren zu dürfen. Dem könne auch nicht entgegengehalten werden, dass die Einhaltung der aktuell geltenden strengsten Schadstoffnorm Euro 6 im Laborbetrieb nach dem geltenden Prüfverfahren NEFZ (Neuer europäischer Fahrzyklus) leider keine Gewähr dafür biete, dass das betreffende Fahrzeug diese Immissionsgrenzwerte auch im Realbetrieb tatsächlich einhalte. 107 Bei einem Ausschluss von Fahrzeugen mit schlechterer Schadstoffnorm als Euro 6 stelle sich die Frage nach dem Bestandsschutz, weil diese Fahrzeuge jedenfalls zum Zeitpunkt ihrer Zulassung der seinerzeit geltenden strengsten Schadstoffnorm entsprochen hätten. Da der Bestandschutz im Immissionsschutzrecht allerdings von vornherein nur ein „eingeschränkter“ sein könne, sei festzuhalten, dass es keinen Rechtsanspruch eines Fahrzeugführers gebe, mit einem Fahrzeug, das irgendwann in der Vergangenheit einmal die seinerzeit geltenden emissionsseitigen Zulassungsvoraussetzungen erfüllt habe, zeitlich unbegrenzt öffentliche Straßen befahren zu dürfen. Insoweit werde man vielmehr die gesetzgeberische Abwägungsentscheidung zwar grundsätzlich zu respektieren haben, wonach der Schutz der Rechtsgüter Leben und Gesundheit der von den Immissionen Betroffenen höher zu gewichten sind, als die betroffenen Rechtsgüter des Fahrzeugführers (Eigentum und allgemeine Handlungsfreiheit). Im vorliegenden Fall sei jedoch im Rahmen der erforderlichen Abwägung der betroffenen Rechtsgüter zu berücksichtigen, dass die Kapazitäten des ÖPNV im Verbundgebiet Stuttgart gegenwärtig (noch) nicht ausreichen würden, sämtlichen von einem Einfahrtverbot betroffenen Pendlern die Möglichkeit zu bieten, zu den Stoßzeiten einfach auf den ÖPNV zu wechseln. Ebenso seien die wirtschaftlichen Auswirkungen zu berücksichtigen, die der Betroffene dadurch erleide, dass er sein bisheriges Fahrzeug durch ein anderes ersetzen müsse, um weiterhin zu seinem Arbeitsplatz zu gelangen. Hinzuweisen sei in diesem Zusammenhang auch auf die Parallele zum anlagenbezogenen Immissionsschutzrecht, dass im Falle des Widerrufs einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung einen Entschädigungsanspruch vorsehe, wenn das Vertrauen in den Bestand der Genehmigung schutzwürdig sei. Ein Einfahrverbot stelle im Ergebnis nichts anderes als einen solchen Widerruf im Sinne des § 21 BImSchG dar, für den dem Betroffenen ein irgendwie gearteter Ausgleich zustehe. Unter Berücksichtigung all dieser Aspekte sei die Verhängung eines weitergehenden Einfahrtverbotes in die Stuttgarter City für sämtliche Fahrzeuge mit einer schlechteren Abgasnorm als Euro 6 für Dieselfahrzeuge und Euro 3 für Benzinfahrzeuge nur dann verhältnismäßig, wenn man den betroffenen Fahrzeugführern angemessene Übergangsfristen einräume, in denen sie mit ihren Fahrzeugen noch die Innenstadt befahren dürften, bevor sie dann vom Einfahrtverbot erfasst würden. Hieran ändere auch der Umstand nichts, dass die Immissionsgrenzwerte der 39.BImSchV bereits zum 01.01.2010 verbindlich geworden seien und der Beklagte deshalb säumig sei. Denn eine Verurteilung der Beklagten zur sofortigen Ergreifung der notwendigen Maßnahmen zur Einhaltung der genannten Immissionsgrenzwerte würde im Ergebnis auf eine „Bestrafung“ der Beklagten für Versäumnisse in der Vergangenheit hinauslaufen. 108 Da es bislang keine zusätzliche Kennzeichnung für besonders emissionsarme Fahrzeuge (Blaue Plakette) gebe, bestehe derzeit keine rechtliche Grundlage, Fahrzeuge aus Umweltzonen oder Teilen von Umweltzonen auszuschließen, die hohe NO x -Emissionen verursachen würden. Für auf § 40 Abs. 1 BImSchG gestützte Fahrverbote folge dies bereits aus Absatz 3 der Vorschrift, in dem explizit verlangt werde, dass für die bevorrechtigten (d.h. vom Fahrverbot ausgenommen) Kraftfahrzeuge eine entsprechende Kennzeichnung in einer Rechtsverordnung des Bundes festzulegen sei. Dasselbe gelte für Fahrverbote, die auf § 45 StVO gestützt werden sollten. Ohne eine entsprechende Kennzeichnung sei ein solches Einfahrtverbot auch nicht kontrollierbar. 109 Entgegen der in seinem Schreiben vom 11.03.2016 geäußerten Rechtsansicht des Bundesministers für Verkehr und Digitale Infrastruktur, würden sich Einfahrverbote auch nicht bereits gegenwärtig – also auch ohne Blaue Plakette – durch Verdecken des Zusatzzeichens an den Umweltzonen-Schildern verhängen lassen. Denn dies hätte ein generelles Einfahrtverbot zur Folge und würde daher selbst besonders emissionsarme und emissionsfreie Fahrzeuge wie Elektroautos betreffen. Eine solche Alles-oder-Nichts-Regelung sei daher unverhältnismäßig. Soweit Ausnahmen von diesem Verbot für bestimmte Gruppen von Fahrzeugführern durch Allgemeinverfügung gewährt werden könnten, sei eine solche Regelung wiederum nicht kontrollierbar und damit nicht praktikabel. Im Übrigen gebe es für solche Ausnahmen vom Einfahrtverbot auch wiederum keine Verkehrszeichen in der StVO. Eine Bekanntgabe solcher Ausnahmen vom Einfahrtverbot mittels Allgemeinverfügung sei möglicherweise bereits wegen der Vorschrift des § 45 Abs. 4 StVO nicht möglich, wonach die Behörden den Verkehr nur durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen regeln und lenken dürften (vgl. im Einzelnen S. 53 bis 73 der Klageerwiderung vom 31.03.2016). 110 Die geplante Einführung einer separaten Fahrspur für Fahrzeuge mit besonderen Merkmalen (sog. „Umweltstreifen“) werfe möglicherweise ebenfalls Fragen der Verhältnismäßigkeit auf, weil hierdurch der Straßenraum für den übrigen Verkehr verknappt, dadurch möglicherweise Ausweichverkehre generiert würden und es infolgedessen letztlich auch auf diesen Ausweichstrecken zu Überschreitungen der genannten Immissionsgrenzwerte kommen könne, was mit dem „Verschlechterungsverbot des § 26 der 39. BImSchV nicht vereinbar sei. 111 Bei der weiter viel diskutierten Maßnahme, die Einfahrt in die Innenstadt an die Errichtung einer Abgabe zu knüpfen (sog. City-Maut), stelle sich neben dem Problem der Geeignetheit auch die Frage, ob es sich hierbei um eine verbotene Verhinderungsabgabe handle und diese auch wegen fehlender Rechtsgrundlage unzulässig wäre, weshalb die Einführung einer City-Maut bis auf weiteres nicht möglich sein dürfte (vgl. im Einzelnen S. 78 bis 82 der Klageerwiderung vom 31.03.2016). 112 Da weitergehende Maßnahmen als diejenigen, die aktuell zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans vorgesehen seien, aus rechtlichen Gründen derzeit nicht ergriffen werden könnten, genüge der Beklagte auch den Anforderungen der Rechtsprechung, wonach der Zeitraum der Überschreitung von Immissionsgrenzwerten „so kurz wie möglich“ zu halten sei. 113 Sollte das jetzt geplante Maßnahmenpaket nicht ausreichen, um die NO 2 -Immissionsgrenzwerte spätestens im Jahr 2021 einzuhalten, sei schließlich – höchst vorsorglich – zu akzeptieren, dass die Immissionsgrenzwerte trotz Ausschöpfung aller rechtlich zulässigen Möglichkeiten in Stuttgart nicht einzuhalten seien. Es läge dann ein Anwendungsfall des anerkannten Grundsatzes vor, wonach niemand zu Unmöglichen verpflichtet sein könne. In diesem Fall habe der EU-Gesetzgeber der Beigeladenen eine vorübergehende Ausnahme von den Immissionsgrenzwerten zu gewähren (vgl. hierzu im Einzelnen S. 89 bis 94 der Klageerwiderung vom 31.03.2016). 114 Das inzwischen vorliegende Gesamtwirkungsgutachten bestätige, dass eine schnellstmögliche Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für NO 2 und insbesondere des Jahresmittelwerts des § 3 Abs. 2 der 39.BImSchV nur mit sehr weitgehenden Maßnahmen der Beschränkung des „Motorisierten Individualverkehrs (MIV)“ erzielbar sei, namentlich von Fahrzeugen, die emissionsseitig die Anforderungen an eine Blaue Plakette nicht erfüllen würden, also in erster Linie Diesel-Pkw, die nicht die aktuell strengste Abgasnorm Euro 6 einhalten würden. Die Blaue Umweltzone mit ganzjährigen flächendeckenden Verkehrsbeschränkungen (Modul 1.1 laut Gesamtwirkungsgutachten) sei unverzichtbarer Bestandteil des Luftreinhaltungskonzepts des gegenwärtig in Bearbeitung befindlichen Luftreinhaltungsplans. Dieses Szenario 2 werde ergänzt um zusätzliche bis 2020 umsetzbare Maßnahmen (Szenario 2), welches wiederum durch Szenario 3 mit der weiteren Maßnahme einer City-Maut ergänzt werde, welche aber mangels Rechtsgrundlage bis auf weiteres nicht ergreifbar sei. Aus Gründen der Verhältnismäßigkeit könnten die genannten Verkehrsbeschränkungen für Fahrzeuge mit Otto-Motoren unter Euro 3 und Diesel-Pkw unter Euro 6 jedoch erst im Jahr 2020 erfolgen, weil erst zu diesem Zeitpunkt die Flottenerneuerung so weit fortgeschritten sei, dass 80 % der im Stuttgarter Stadtgebiet zugelassenen Kraftfahrzeuge und leichten Nutzfahrzeuge die Anforderungen der Blauen Plakette erfüllen würden. Für diese 80 %-Regelung sei jedoch eine Fortschreibung der 35.BImSchV um eine Blaue Plakette erforderlich. Die Einhaltung des NO 2 -Jahresmittelgrenzwertes sei nur dann rechtlich möglich, wenn die Blaue Plakette eingeführt werde. 115 Die ohne Blaue Plakette im Rahmen der Fortschreibung des Luftreinhaltungsplans interimistisch vorgesehenen, zeitlich begrenzten und streckenbezogenen Verkehrsbeschränkungen würden zwar in der Summe einen begrenzten Beitrag zur Senkung des NO 2 -Jahresmittelwerts liefern, würden jedoch nicht zu dessen Einhaltung führen, worauf die vorliegende Klage gerichtet sei. Hieraus folge, dass das vorgelegte Konzept tatsächlich der schnellstmögliche Weg sei, um die Einhaltung der Grenzwerte zu erreichen. Könnten die weitergehenden Maßnahmen mangels Blauer Plakette rechtlich nicht umgesetzt werden, könne das Ziel der Grenzwerteinhaltung auch nicht schneller erreicht werden. Es könne daher auch offen bleiben, ob alle Maßnahmen des Konzepts oder nur einige oder womöglich gar keine dieser Maßnahmen materiell die Anforderungen erfüllen, die an eine Luftreinhaltungsmaßnahme im Sinne des § 47 Abs. 1 BImSchG zu stellen seien, weil mehr als diese Maßnahmen in rechtmäßiger Weise nicht ergriffen werden könnten. Denn der Kläger könne vom Beklagten nichts rechtlich Unmögliches verlangen (ultra posse nemo obligatur). Dies sei in den Parallelverfahren des Klägers in Darmstadt und Wiesbaden auch bereits obergerichtlich bestätigt worden. 116 Zur weiteren Begründung gibt der Beklagte einen Überblick über bereits ergriffene Luftreinhaltungsmaßnahmen in den Bereichen Ausbau des ÖPNV, des Radverkehrs, des Fußverkehrs, von P+R-Parkplätzen, Förderung der Elektromobilität, Fuhrpark der Beigeladenen und des Beklagten, Parkraummanagement, Höchstgeschwindigkeit innerorts, Baumaschinen, Komfortkamine, Straßenreinigung, Stadtbegrünungskonzept und Feinstaubalarm (vgl. im Einzelnen S. 7 bis 15 der weiteren Klagerwiderung vom 28.02.2017). 117 Der Beklagte beschreibt und erläutert weiter die in der 3. Fortschreibung des Luftreinhaltungsplans vorgesehenen Maßnahmen. Diese umfassen im Einzelnen die beabsichtigten ganzjährigen bzw. temporären (streckenbezogenen) Verkehrsbeschränkungen, Ausbau und Förderung des Umweltverbundes, Umstellung des städtischen und landeseigenen Fuhrparks auf Elektro-, Hybrid- und Erdgasbetrieb und Entwicklung von Förderprogramme, Umrüstung der Busflotte, Geschwindigkeitsbegrenzungen inner- und außerorts und Parkraummanagement (vgl. im Einzelnen S. 15 bis 35 der weiteren Klagerwiderung vom 28.02.2017). 118 Weitere Maßnahmen seien wegen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht möglich, dessen Geltung auch im Bereich der Luftreinhaltung eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit sei. Dies habe der Gesetzgeber in § 47 Abs. 4 S. 1 BImSchG auch selbst ausdrücklich klargestellt. Etwas anderes lasse sich auch nicht aus der strikten Verbindlichkeit der gemeinschaftsrechtlich festgesetzten Immissionsgrenzwerte herleiten, weil durch diese Immissionsgrenzwerte lediglich eine Gefahrenschwelle festgelegt werde, bei deren Überschreiten hoheitliches Handeln notwendig sei. Bei der Frage, welche Maßnahmen im Einzelnen getroffen werden könnten, sei jedoch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten. Deshalb sei es trotz der gesetzlichen Vorgabe der schnellstmöglichen Einhaltung der Grenzwerte auch rechtlich zulässig, dass infolge der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei Einzelmaßnahmen sich das damit verfolgte Ziel der Einhaltung der Grenzwerte verzögern könne. Hierfür spreche auch bereits der Wortlaut des § 47 Absatz 1 S. 3 BImSchG, wonach Überschreitungen „so kurz wie möglich“ zu halten seien. Hieraus folge, dass eine zeitliche Relativierung der Einhaltung der Immissionsgrenzwerte bereits gesetzesimmanent sei. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der einschlägigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes. Fehl gehe auch die Rechtsauffassung der Klägerin, wonach der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bereits auf der normativen Ebene der Festlegung der Immissionsgrenzwerte Berücksichtigung gefunden habe und deshalb auf administrativer Ebene nicht mehr zu berücksichtigen sei. 119 Da der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz demnach uneingeschränkt Geltung beanspruchen könne, seien insbesondere Verkehrsbeschränkungen für Diesel-Kraftfahrzeuge, welche die strengste Abgasnorm Euro 6 erfüllen würden, nicht zulässig. Dies gelte nicht zuletzt auch deshalb, weil durch solche Verkehrsbeschränkungen auch der gesamte Wirtschaftsverkehr betroffen wäre und es zudem eine völkerrechtlich wie gemeinschaftsrechtlich bindende Verpflichtung der Bundesrepublik gebe, CO 2 -Emissionen abzubauen. 120 Die von der Klägerin geforderte City-Maut sei ebenfalls unzulässig, weil es für eine solche bereits keine Rechtsgrundlage im materiellen Recht außerhalb des Bundesimmissionsschutzgesetzes gebe. Insbesondere ermögliche die Straßenverkehrsordnung (StVO) die Verhängung einer solchen City-Maut nicht. Hinzu komme, dass der Gemeingebrauch an öffentlichen Straßen seinem Wesen nach grundsätzlich unentgeltlich sei. Eine City-Maut stehe daher für eine schnellstmögliche Einhaltung des Grenzwertes bis 2020 als Maßnahme nicht zur Verfügung und sei daher im jetzt in Bearbeitung befindlichen Luftreinhalteplan auch nicht vorgesehen. Ebenso wenig seien die von der Klägerin weiter geforderten Maßnahmen (Umrüstung der Taxiflotte, Nahverkehrsabgabe) rechtlich realisierbar (vgl. im Einzelnen S. 35 bis 50 der weiteren Klagerwiderung vom 28.02.2017). 121 Außerdem habe das Verkehrsministerium inzwischen mit der Autoindustrie intensive Gespräche über die Möglichkeiten einer Nachrüstung älterer Dieselfahrzeuge geführt. Ziel dieser Nachrüstung sei es, dass tatsächliche Emissionsverhalten Fahrzeuge so zu verbessern, dass hierdurch wenigstens eine Immissionsreduzierung erzielt werden könne. Diese Gespräche hätten das erfreuliche Ergebnis gebracht, dass solche Nachrüstungen bei Dieselfahrzeugen der Eurostufe 5 tatsächlich möglich seien. Bei 50 % dieser Kraftfahrzeuge sei es technisch möglich, z.B. durch eine Änderung der Software der Motorsteuerung die Abgasemissionen um rund 50 % zu reduzieren. Im Falle einer tatsächlichen Nachrüstung von rund 50 % der zugelassenen Kraftfahrzeuge könne durch diese Nachrüstungen im Durchschnitt eine Reduzierung der regionalen Abgasimmissionen im Straßenverkehr 50 % bei Euro-5-Fahrzeugen bzw. 30 % bei Euro-6-Fahrzeugen gelingen. Da nach den neuesten amtlichen Zulassungszahlen davon ausgegangen werden könne, dass die Flottenerneuerung (Austausch älterer Dieselfahrzeuge durch solche mit der aktuellen Abgasnorm Euro 6) noch schneller erfolgen werde, als bislang angenommen, sei damit zu rechnen, dass dieser positive Effekt tatsächlich noch im größeren Umfang eintreten werde. Dies folge daraus, dass bereits heute (Stand 30.06.2017) 67,5 % der in Stuttgart zugelassenen Kraftfahrzeuge emissionsseitig die Anforderungen der künftigen Blauen Plakette erfülle. 122 Bei diesem Ergebnis habe die Nachrüstung rechtlichen Vorrang vor Verkehrsverboten. Bereits der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlange, dass die Planbehörde zur Erreichung desselben Ziels diejenige Maßnahme auswähle, die den geringeren Eingriff in die Rechtsgüter Dritter bewirke. Die Nachrüstlösung sei deshalb zwingend vorrangig zu ergreifen. Zwar gebe es rechtlich keine Handhabe, den Fahrzeughalter hoheitlich dazu zu verpflichten, sein Fahrzeug tatsächlich nachzurüsten, solange es konform mit der erteilten Typgenehmigung sei. Die Nachrüstlösung sei jedoch ein mittelbarer Weg, den Fahrzeughalter zur Nachrüstung zu motivieren, weil er für den Fall, dass er sie nicht durchführe, zu einem bestimmten Zeitpunkt mit einem Verkehrsverbot für sein älteres Fahrzeug rechnen müsse. Die Nachrüstlösung führe deshalb auch nicht dazu, dass die Verkehrsverbote ersatzlos und vollständig aus dem Planentwurf gestrichen würden. 123 Lediglich an der bislang vorgesehenen Maßnahme M2b könne nicht länger festgehalten werden, weil das Bundesverkehrsministerium inzwischen deutlich gemacht habe, dass es zwar streckenbezogene Verkehrsverbote neben der Plakettenregelung der 35.BImSchV im Grundsatz für rechtlich zulässig halte, nicht jedoch ein zonal wirkendes Verkehrsverbot wie die Maßnahme M2b. Insoweit genieße die Plakettenregelung der 35.BImSchV nach der Rechtsansicht des Bundesverkehrsministeriums Vorrang und habe abschließende Wirkung für zonale Verkehrsverbote. An diese Rechtsauffassung des Bundesverkehrsministeriums als zuständiger Rechtsaufsichtsbehörde sei der Beklagte gebunden. Diese Maßnahme werde der Planentwurf daher nicht mehr vorsehen. Hierdurch sei die generelle Strategie des Landes zur Verbesserung der Immissionssituation im Stadtgebiet von Stuttgart jedoch nicht infrage gestellt. Denn es sei nach wie vor beabsichtigt, das Verkehrsverbot im Sinne der Maßnahme M1 zu verhängen, sobald die Blaue Plakette zur Verfügung stehe und zur Vermeidung der an ansonsten drohenden unzulässigen Verlagerungseffekte in Umlandgemeinden an mindestens 80 % der Kraftfahrzeuge des Flottenbestandes vergeben werden könne. Ebenso sei weiterhin beabsichtigt, bei Ausbleiben der Blauen Plakette streckenbezogene Verkehrsverbote auf der Basis eines landesrechtlich noch zu schaffenden Verkehrszeichens zu ergreifen, sobald infolge der bis dahin erzielten Nachrüstquote und der voranschreitenden Flottendurchdringung solche streckenbezogenen Verkehrsverbote nicht mehr zu unzulässigen Verlagerungseffekten führen würden und/oder das Bundesverwaltungsgericht im Revisionsverfahren bezüglich des Urteils des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 13.09.2016 (Az.: 3 K 7695/15 in juris; im Weiteren: Revisionsverfahren Düsseldorf) die generelle Zulässigkeit landesrechtlicher Strecken bezogenen Verkehrsverbote neben der Plakettenregelung des Bundes bestätigt habe (vgl. Klageerwiderungsschriftsatz vom 13.07.2017). 124 Mit Beschluss vom 18.11.2015 wurde die Landeshauptstadt Stuttgart gemäß § 65 Abs. 1 VwGO in dem Verwaltungsstreitverfahren beigeladen, weil das Klagebegehren auch die Interessen der Landeshauptstadt Stuttgart berührt. 125 Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. 126 Dem Gericht liegen die an den verschiedenen Messstationen im Stadtgebiet Stuttgart zwischen 2004 und März 2016 ermittelten Messwerte für den Schadstoff Stickstoffdioxid (NO 2 ) vor. Danach waren der seit dem 01.01.2005 geltende Jahresmittelwert für den Schadstoff Stickstoffdioxid (NO 2 ) bis einschließlich 2016 an den Messstationen Am Neckartor und Hohenheimerstraße und die Anzahl der Überschreitungsstunden an der Messstation Am Neckartor in jedem Kalenderjahr des genannten Zeitraumes zum Teil um ein Vielfaches überschritten. Im Einzelnen ergibt sich Folgendes: 127 Stickstoffdioxid (NO 2 ), Stand: bis 31. Mai 2017 1. Anzahl Überschreitungsstunden von NO 2 > 200 µg/m³ Grenzwert bis 2009: 175 Std., ab 2010: 18 Std. 2. Jahresmittelwerte Grenzwert: 40 µg/m³ 128 Stundengrenzwert NO 2 200 µg/m³ Anzahl Überschreitungsstunden Jahresmittelwerte in µg/m³ Messstation 1 2 3 4 5 6 7 8 7. 8. 2004 0 5 0 5 5 293 143 555 89 106 2005 0 0 0 4 - 250 175 848 96 119 2006 0 0 3 43 - 160 548 853 104 121 2007 0 0 0 8 - 123 289 450 97 106 2008 0 0 0 9 - * 300 377 98 106 2009 0 0 0 22 - 629 499 109 112 2010 0 0 0 6 - 379 182 100 94 2011 0 0 1 6 - 269 76 97 90 2012 0 0 * 2 - 196 69 91 90 2013 0 0 4 - 21 63 80 89 2014 0 0 0 - 16 36 77 88 2015 0 0 0 - 15 61 77 97 2016 0 0 0 - 10 35 76 82 5/2017 0 0 0 - 3 2 129 *Messungen eingestellt 130 Messstationen: 131 1: S-Mitte, Eberhardstr. 5: S-Bad Cannstatt: Waiblinger Str. 2: S-Bad Cannstatt, Seubertstr. 6: S-Feuerbach, Siemensstr. 3: S-Zuffenhausen, Frankenstr. 7: S-Mitte, Hohenheimer Str. 4: S-Mitte, Arnulf-Klett-Platz 8: S-Mitte, Am Neckartor 132 Betreiber: 1 Landeshauptstadt Stuttgart; 2 bis 8 LUBW 133 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die darin befindlichen Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen. 134 Dem erkennenden Gericht liegen die „Wirkungsabschätzung weiterer Maßnahmen für den Ballungsraum Stuttgart“ durch das Gutachterbüro ... GmbH vom Februar 2017 (Gesamtwirkungsgutachten; GWG) einschließlich der Dokumentation Teile 1 und 2 vom April 2017 und dessen Ergänzung vom Mai 2017 sowie der Entwurf der 3. Fortschreibung des Luftreinhalteplans Stuttgart nebst Anlagen vor, die auch zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden. 135 Das erkennende Gericht hat die im vorliegenden Fall entscheidungserheblichen Sach- und Rechtsfragen mit den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 19.07.2017 erörtert. Wegen der Ergebnisse dieser Erörterung wird auf die hierzu gefertigte Sitzungsniederschrift vom 19.07.2017 Bezug genommen.
Der Beklagte wird verurteilt, den am 01.01.2006 in Kraft getretenen und derzeit in seiner Fassung der 1. und 2. Fortschreibung vom Februar 2010 bzw. Oktober 2014 geltenden Teilplan Landeshauptstadt Stuttgart des Luftreinhalteplans für den Regierungsbezirk Stuttgart so fortzuschreiben bzw. zu ergänzen, dass dieser die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung des über ein Kalenderjahr gemittelten Immissionsgrenzwertes für NO 2 i. H. v. 40 µg/m³ und des Stundengrenzwertes für NO 2 von 200 µg/m³ bei maximal 18 zugelassenen Überschreitungen im Kalenderjahr im der Umweltzone Stuttgart enthält. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt. Die Berufung wird zugelassen. Die Sprungrevision wird zugelassen.
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LG Hamburg 7. Kammer für Handelssachen
Hamburg
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21.11.2019
1
Randnummer 1 Die Parteien streiten über die Kündigung zweier Verträge über Kommunikationsdienstleistungen. Randnummer 2 Die Klägerin ist eine Tochtergesellschaft der I. (I. R. o. I. S. L.), einer Reederei, die i. Staatsunternehmen ist. Die Beklagte ist ein Telekommunikationsunternehmen mit Sitz in B., die etwa 50% ihres Umsatzes in den USA erwirtschaftet. Randnummer 3 Die Klägerin und die Beklagte schlossen zwei Verträge, nach denen sich die Beklagte gegen periodische Zahlung eines Entgelts verpflichtete, der Klägerin Telekommunikationsdienstleistungen zu erbringen. Es handelte sich um einen Vertrag mit dem Tarif „DeutschlandLAN IP Voice/Data Premium“ (zugehörige Rufnummer... ) und einen Vertrag mit dem Tarif „BCA BusinessCall Compl AnlAs (2)“ (zugehörige Rufnummer... ). Die Verträge sehen das Recht zur ordentlichen Kündigung vor. Randnummer 4 Mit Schreiben vom 16.11.2018 kündigte die Beklagte der Klägerin ohne vorangegangene Mahnung beide Verträge außerordentlich und stellte die Leistungen ein; sie verwies darauf, es sei davon auszugehen, dass die Klägerin in Zukunft keine Zahlungen mehr erbringen würde. Die Kündigungserklärungen standen unstrittig in einem Zusammenhang mit den zuvor angekündigten US-Sanktionen gegenüber iranischen Unternehmen. Randnummer 5 Mit Beschluss vom 4.12.2018 ordnete das Landgericht Hamburg im Wege der einstweiligen Verfügung an, dass die vertraglichen Leistungen durch die Beklagte weiterhin erbracht werden müssen (Az. 317 O 92/18). Die Beklagte kam dem nach und beantragte, dass die Klägerin Hauptsacheklage erhebe. Das streitgegenständliche Verfahren der einstweiligen Verfügung wurde in der Folge durch die Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt. Randnummer 6 Mit Schreiben vom 4.12.2018, bei der Klägerin am 7.12.2018 eingegangen, kündigte die Beklagte die Verträge zusätzlich ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Die vertraglich vereinbarten ordentlichen Kündigungsfristen sahen für diesen Fall ein Vertragsende am 21.12.2018 (DeutschlandLAN IP Voice/Data Premium) und am 14.1.2019 (BCA BusinessCall Compl AnlAs (2)) vor. Randnummer 7 Mittlerweile erlangt die Klägerin Telekommunikationsdienstleistungen von einem anderen Anbieter. Randnummer 8 Die Klägerin behauptet, dass die außerordentliche wie die ordentliche Kündigung der Klägerin eine unmittelbare Folge der durch die USA verhängten Sanktionen gegenüber iranischen Unternehmen darstellen würden (Iranian Transaction and Sanction Regulations, ITSR), an denen sich Deutschland und die Europäische Union nicht beteiligen. Die Beklagte wolle sich dem US-Sanktionsregime unterwerfen, wobei es ihr nicht um die Vermeidung von drohenden „secondary sanctions“ in den USA gehe. Diese könnten sie nicht treffen. Stattdessen solle die freiwillige Beteiligung an einem „Boykott“ aus politischer Perspektive dazu dienen, ein Fusionsvorhaben der Beklagten in den USA zu fördern. Randnummer 9 Sie meint, dass Art. 5 Abs. 1 der Blocking-VO (VO 2271/96/EG, novelliert durch Delegierten VO 2018/1100/EU) ein Verbotsgesetz im Sinne des § 134 BGB darstelle und dass die außerordentliche wie die ordentliche Kündigung des Kommunikationsdienstleistungsvertrages wegen eines Verstoßes gegen dieses Gesetz unwirksam sei. Selbiges ergebe sich mit Blick auf § 7 AWV i.V.m. § 134 BGB. Außerdem verstießen die Kündigungen gegen § 826 Abs. 1 BGB, weil die Beklagte im Sinne des analog anwendbaren § 19 Abs. 4 S. 4 GWB eine marktbeherrschende Position missbraucht habe. Randnummer 10 Die Klägerin beantragt, Randnummer 11 die Beklagte zu verurteilen, die zwischen ihr und der Klägerin geschlossenen Verträge „DeutschlandLAN IP Voice/Data Premium“ und „BCA Business Call Compl AnlAs (2)“ zu erfüllen, indem die den jeweiligen Verträgen bzw. Produkten zugrunde liegenden Leitungen freigeschaltet werden, wobei ein Ordnungsgeld von 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten für jeden Fall der Zuwiderhandlung festgesetzt werden soll. Randnummer 12 Die Beklagte beantragt, Randnummer 13 die Klage abzuweisen. Randnummer 14 Sie behauptet, dass angesichts der US-Sanktionen wirtschaftliche Schwierigkeiten der Klägerin absehbar seien und meint, dass es ihr als Vertragspartnerin nicht zumutbar sei, deren Vermögensverfall abzuwarten. Vor diesem Hintergrund sei eine Mahnung entbehrlich und eine außerordentliche Kündigung zulässig, zumal weder Art. 5 Abs. 1 Blocking-VO noch § 7 AWG ein Schutzgesetz im Sinne im Sinne des § 134 BGB oder überhaupt tatbestandlich einschlägig seien. Jedenfalls bestehe ein Wegfall der Geschäftsgrundlage, da die Beklagte bei Festhalten an Geschäftsbeziehungen mit der Klägerin damit rechnen müsse, im für sie wichtigen US-Markt erhebliche Nachteile zu erleiden. Aus dieser Belastung für die Beklagte und der damit verbundenen Gefährdung von Arbeitsplätzen ergebe sich ferner, dass schon das Berufen auf die Unwirksamkeit der Kündigung durch die Klägerin eine nach § 242 BGB unzulässige Rechtsausübung sei, da es für diese ein Leichtes sei, einen neuen Telekommunikationsanbieter zu finden. Eine Monopolstellung, die eine markbeherrschende Position und somit einen Kontrahierungszwang nach § 826 Abs. 1 BGB auslösen könnte, habe die Beklagte infolge der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes nicht mehr inne.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin. 3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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Hessisches Landessozialgericht 7. Senat
Hessen
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14.03.1984
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Randnummer 1 Die Beteiligten streiten um die Frage der Honorierung von Leistungen, die die Klägerin im Rahmen von Notfallbehandlungen in den Quartalen I und II/77 erbracht hat. Randnummer 2 Die Klägerin machte mit Schreiben vom 10. August 1978 die Beklagte darauf aufmerksam, dass die Abrechnung von Eilfallbehandlungen im Stadt. Krankenhaus H. für bis Juni 1977 angefallene Behandlungen aus personellen und organisatorischen Gründen im Rückstand sei, aber noch nachgeholt werde. Mit Schreiben vom 28. August 1978 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die Quartalsabrechnungen Fristen unterliegen würden. Nach § 9 Abs. 2 der Rahmengesamtverträge seien Honorarforderungen verwirkt, wenn diese nicht innerhalb von 12 Monaten nach bestimmten Einreichungsterminen vorlägen. Randnummer 3 Am 29. September 1978 reichte die Klägerin 100 Ersatzkassenfälle und 344 RVO-Kassenfälle für die Quartale I und II/77 zur Abrechnung bei der Beklagten ein. Randnummer 4 Mit Schreiben vom 24. November 1978 reichte die Beklagte die Behandlungsabrechnungen an die Klägerin zurück, da sie wegen Fristablaufs verwirkt seien; dabei berief sich die Beklagte auf § 9 Abs. 2 der Rahmenverträge und § 8 Leitziffer 804 der Grundsätze über die Honorarverteilung. Randnummer 5 Mit Schreiben vom 19. Dezember 1978 legte die Klägerin die Quartalsabrechnungen für I und II/77 erneut vor. Sie vertrat darin die Auffassung, dass die Honorarforderungen nicht den von der Beklagten zitierten Verwirkungsvorschriften unterlägen, da sich die Rechtsbeziehungen zwischen ihr und der Beklagten nach bürgerlichem Recht richten würden. Danach träte aber die Verjährung erst nach Ablauf von 2 Jahren nach Entstehen des Anspruchs ein. Randnummer 6 Mit Schreiben vom 8. Februar 1979 wurde von der Beklagten dieses Schreiben der Klägerin vom 19. Dezember 1978 als Widerspruch gegen den Bescheid vom 24. November 1978 angesehen und mit Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 1980 zurückgewiesen. Darin machte die Beklagte nochmals ihre Rechtsauffassung deutlich, dass auch bei der Abrechnung von Notfällen zwischen der Klägerin und der Beklagten die Bestimmungen des Kassenarztrechts und damit die Rahmengesamtverträge und der Honorarverteilungsmaßstab zur Anwendung kämen. Randnummer 7 Die Klägerin hat am 24. März 1980 gegen den am 28. Februar 1980 zugestellten Widerspruchsbescheid Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt erhoben. In der ersten Instanz hat die Klägerin ihr Begehren auf Honorierung vornehmlich darauf gestützt, dass sie nicht Vertragspartner der Gesamtrahmenverträge sei und daher nur bürgerliches Recht bei der Abrechnung zur Anwendung käme. Die Nichthonorierung stelle zudem einen Verstoß gegen Treu und Glauben dar, da die Beklagte damit rechnen musste, dass noch Abrechnungen für die strittigen Quartale auf sie zukommen würden. Randnummer 8 Mit Urteil vom 1. Juli 1981 hat das Sozialgericht Frankfurt die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht die kassenärztlichen Bestimmungen bei der Frage der Abrechnung durch einen Nichtkassenarzt zugrunde gelegt. Der Rechtsstreit sei somit dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Nach § 368 d Abs. 1 Satz 2 RVO könnten auch Nichtkassenärzte Notfallbehandlungen erbringen, ohne dass sich dabei etwas an der Tatsache ändere, dass die Behandlung an sich eine kassenärztliche Leistung darstelle, die nach dem Gesamthonorierungsmaßstab aufgrund der Rahmenverträge zu vergüten sei. Damit unterliege die Klägerin auch dem Honorarverteilungsmaßstab, d.h. auch der Verwirkungsvorschrift der Leitzahl 804. Es sei ohne Bedeutung, dass die Klägerin nicht Vertragspartner der Rahmenverträge sei, denn ihr grundsätzlicher Vergütungsanspruch ergebe sich aus dem Gesetz unmittelbar. Im übrigen stelle die Berufung auf den Verwirkungstatbestand keinen Verstoß gegen Treu und Glauben dar. Auch die Kassenärzte hätten sich an die Fristen für ihre Honorarabrechnungen zu halten, obwohl die Beklagte immer damit rechnen müsse, von dieser Seite Abrechnungen vorgelegt zu bekommen. Die Klägerin selbst habe sich aber erst mit der Beklagten in Verbindung gesetzt, als ohnehin die Fristen schon verstrichen waren. Randnummer 9 Gegen das am 14. August 1981 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 11. September 1981 beim Sozialgericht Frankfurt und vom 24. September 1981 beim Hessischen Landessozialgericht. Die Berufung wird im wesentlichen mit der Rechtsauffassung, die die Klägerin bereits in erster Instanz vertreten hatte, begründet. Randnummer 10 Die Klägerin beantragt, Randnummer 11 unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt vom 1. Juli 1981 sowie des Bescheides vom 24. November 1978 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 1980 die Beklagte zur Honorierung der für die Quartale I und II/77 eingereichten Abrechnungen für Notfallbehandlungen zu verurteilen. Randnummer 12 Die Beklagte beantragt, Randnummer 13 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 14 Sie hält das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt für zutreffend. Randnummer 15 Die Beigeladenen zu 1) bis 4) und 7) schließen sich dem Antrag der Beklagten an. Randnummer 16 In der Begründung führt die Beigeladene zu 2) insbesondere aus, dass der Beklagten gar keine andere Möglichkeit bliebe, nach den Regelungen des Gesamtvertrages grundsätzlich die Leistungen der Klägerin zu vergüten; eine andere Vergütungsregelung existiere nicht. Randnummer 17 Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Beklagtenakte und auf den Inhalt der Gerichtsakte, die beide Inhalt und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt vom 1. Juli 1981 wird zurückgewiesen. II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern 5. Kammer
Mecklenburg-Vorpommern
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08.05.2012
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Randnummer 1 Die Parteien streiten um den Bestand eines zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses, der durch eine Kündigung des beklagten Amtes in Frage gestellt ist. Randnummer 2 Die Klägerin steht seit Februar 2008 in einem Arbeitsverhältnis zu dem beklagten Amt. Das Arbeitsverhältnis ist durch die Gemeinschaft für Arbeit auf R. als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM) von Anfang an mit öffentlichen Geldern gefördert worden. Das Arbeitsverhältnis war zunächst befristet, zuletzt reichte die Befristung bis zum 7. September 2009. Das Arbeitsverhältnis ist dann aber in Anschluss an die letzte Befristung unbefristet fortgeführt worden. Seit diesem Zeitpunkt wird das Arbeitsverhältnis durch die Gemeinschaft für Arbeit auf R. noch mit einem Satz von 65 Prozent des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgelts gefördert. Das Bruttomonatsgehalt der Klägerin beträgt 1.350,00 Euro. Randnummer 3 Das beklagte Amt hat die Klägerin allerdings zu keinem Zeitpunkt selbst beschäftigt. Sie ist vielmehr der amtsangehörigen Gemeinde D. zur Mitarbeit im dortigen Fremdenverkehrsamt überlassen worden. Randnummer 4 Das beklagte Amt beschäftigt im Rahmen der Amtsverwaltung mit Sitz in A-Stadt regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer. Bei ihm ist auch ein Personalrat für die Beschäftigten der Amtsverwaltung gebildet worden. Randnummer 5 Außerhalb der eigentlichen Aufgaben der Amtsverwaltung beschäftigt das beklagte Amt eine größere Gruppe von Beschäftigten, die in öffentlich geförderten Beschäftigungsverhältnissen stehen. Zum Zeitpunkt der letzten Personalratswahlen bestand diese Gruppe aus 47 Beschäftigten und sie bestand auch noch zum Zeitpunkt der Kündigung im Januar 2011 in einer ähnlichen Größenordnung. Die Beschäftigten dieser Gruppe werden überwiegend im Rahmen der Grünpflege eingesetzt, teilweise werden sie aber auch – wie im Falle der Klägerin – an die amtsangehörigen Gemeinden ausgeliehen und nehmen dort dann verschiedene Aufgaben wahr. Innerhalb des beklagten Amtes wird diese Beschäftigtengruppe als „ABM-Koordinierung W.“ bezeichnet, da sie vom Standort W. aus durch Herrn K., einem Mitarbeiter des Amtes, angeleitet und gesteuert wird. Ausweislich des Briefkopfes des Kündigungsschreibens vom 31. Januar 2011 ordnet das beklagte Amt die „Abteilung ABM-Koordinierung“ ihrem Amt für zentrale Dienste und Finanzen zu. Der Wahlvorstand für die Durchführung der Personalratswahlen in der Amtsverwaltung hatte die Beschäftigten der ABM-Koordinierung nicht in die Wählerliste aufgenommen. Randnummer 6 Im Fremdenverkehrsamt der Gemeinde D-Stadt ist es zu Spannungen zwischen der Klägerin und anderen Mitarbeiterinnen gekommen, die letztlich dazu geführt haben, dass die von der Gemeinde D. als Leiterin des Fremdenverkehrsamtes eingesetzte Mitarbeiterin den Posten aufgegeben hat. Dabei soll sie gesagt haben, dass sie wegen der von der Klägerin ausgehenden feindseligen Haltung ihren Dienstposten aufgegeben habe. Der in weiten Teilen streitige Sachverhalt ist weder vom Arbeitsgericht noch vom Landesarbeitsgericht weiter aufgeklärt worden. Randnummer 7 Jedenfalls hat die Gemeinde D-Stadt das beklagte Amt in der Folgezeit aufgefordert, die Klägerin wieder zurückzunehmen, da es keine Vertrauensbasis mehr für eine weitere Zusammenarbeit gebe; eine weitere Mitarbeit der Klägerin im dortigen Fremdenverkehrsamt hat die Gemeinde strikt abgelehnt. Randnummer 8 Da das beklagte Amt keine eigene Verwendung für die Klägerin hatte, ist diese sodann mit Schreiben des beklagten Amtes vom 31. Januar 2011 zum 28. Februar 2011 gekündigt worden. Das Kündigungsschreiben ist von der Amtsvorsteherin unterzeichnet (Anlage K9 zur Klageschrift, hier Blatt 24). Herr K., der Leiter der ABM-Koordinierung W. hatte vor Ausspruch der Kündigung formlos beim Personalrat der Amtsverwaltung angefragt, ob eine Beteiligung wegen der Kündigung gewünscht sei, was der Personalrat abgelehnt habe, da er für die Klägerin nicht zuständig sei. Daher ist die Kündigung gänzlich ohne vorhergehende förmliche Beteiligung des Personalrats ausgesprochen worden. Randnummer 9 Die Klägerin wehrt sich mit einer Kündigungsschutzklage, die am 21. Februar 2011 beim Arbeitsgericht eingegangen ist, gegen diese Kündigung. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage mit Urteil vom 25. Mai 2011 in vollem Umfang entsprochen. Das Arbeitsgericht hat angenommen, die Kündigung sei nach § 68 Absatz 7 Landespersonalvertretungsgesetz (LPersVG) wegen der fehlenden Beteiligung des Personalrats unwirksam. Auf dieses Urteil wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes vor dem Arbeitsgericht Bezug genommen. Randnummer 10 Mit der Berufung, die rechtzeitig eingelegt und rechtzeitig begründet worden ist, verfolgt das beklagte Amt das Begehren der Klageabweisung weiter fort. Randnummer 11 Das beklagte Amt ist der Auffassung, bei der ABM-Koordinierung W. handele es sich um einen unselbständigen Eigenbetrieb unter dem Dach des Amtes Nord-R.. Folgerichtig hätten die seinerzeit 47 Mitarbeiter auch nicht an der Personalratswahl teilgenommen. Selbst wenn die ABM-Koordinierung Dienststelle wäre, bestehe eine Anhörungspflicht gegenüber Arbeitnehmern eines Betriebsteils nicht, deren Belegschaft an einer Betriebsratswahl nicht teilgenommen habe. Jedenfalls habe aber der Personalrat deutlich gemacht, dass er sich abschließend nicht mit der beabsichtigten Kündigung der Klägerin beschäftigen werde. Randnummer 12 Das beklagte Amt beantragt, Randnummer 13 unter Abänderung des am 25. Mai 2011 verkündeten Urteils des Arbeitsgerichts Stralsund (3 Ca 107/11), die Klage abzuweisen. Randnummer 14 Die Klägerin beantragt, Randnummer 15 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 16 Die Klägerin verteidigt das ergangene Urteil und weist ergänzend darauf hin, dass der streitigen Kündigung auch die soziale Rechtfertigung im Sinne von § 1 KSchG fehle. Randnummer 17 Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
1. Die Berufung wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen. 2. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 9. Senat
Berlin
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12.05.2021
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Randnummer 1 Streitig ist die Versicherungspflicht des Klägers in der Kranken- und Pflegeversicherung der Künstlersozialversicherung (KSV) über den 31. August 2014 hinaus. Randnummer 2 Der Kläger ist Mitglied der Musikgruppe T. Diese ist als Gesellschaft Bürgerlichen Rechts GbR T organisiert, bestehend aus dem Kläger und den drei weiteren Band-Mitgliedern. Die drei Gründungsmitglieder der GbR T, darunter der Kläger, sind Mitglieder in einer weiteren GbR, der R. Deren Zweck ist der Verkauf von Tonträgern und - seit 2007 – der Verwertung der Einnahmen aus den damals bereits bestehenden Lizenzen (Verwertungsrechten) von T. Bis Ende 2014 vermarktete die R auch Kleidungsstücke (Fan-T-Shirts) von T („Merchandising“). Für diese GbR gibt es keinen schriftlichen Gesellschaftsvertrag. Der Kläger ist darüber hinaus Mitgesellschafter in zwei weiteren GbRs, nämlich in der gleichnamigen GbR für die Musikgruppe „Das B“ und der GbR des Musikverlags „M und F GbR“. Randnummer 3 Mit Gesellschaftsvertrag vom 2. Dezember 2014 und Eintragung ins Handelsregister am 23. Dezember 2014 wurde die R ( = Unternehmergesellschaft, „Kleine GmbH“) mit dem Kläger und zwei weiteren Mitgliedern der Musikgruppe T als Gesellschaftern zu gleichen Teilen (jeweils 1/3 Kapitalanteil) gegründet und der Kläger im Gesellschaftsvertrag zu ihrem alleinigen Geschäftsführer bestellt. Einen schriftlichen Geschäftsführeranstellungsvertrag gibt es nicht. Gegenstand des Unternehmens der UG ist der Verkauf von Merchandisingprodukten. Die UG meldete die seit dem 1. Januar 2014 erzielten gewerblichen Umsätze der R, d.h. die aus dem Verkauf von Tonträgern und Merchandising-Produkten erzielten Einnahmen, dem Finanzamt als eigene an. Die R meldete ihrerseits nur noch die Einnahmen aus Lizenzverwertung gegenüber der Steuerverwaltung an (Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung). Randnummer 4 Die Beklagte stellte auf Antrag des Klägers ab dem 13. Januar 2003 Versicherungspflicht in allen Zweigen der KSV (d.h. Krankenversicherung, Rentenversicherung und Pflegeversicherung) als selbständiger Künstler (Autor und Musiker der Musikgruppe T) fest (Bescheid vom 31. März 2003). In seinem Antrag hatte der Kläger angegeben, monatlich 400 Euro aus nichtkünstlerischer Tätigkeit zu erzielen. Randnummer 5 Im Rahmen einer Stichprobenprüfung forderte die Beklagte den Kläger am 20. September 2013 auf, seine Einkünfte aus selbständiger künstlerischer/publizistischer Tätigkeit und weitere Einkünfte aus nichtkünstlerische/publizistischer selbständiger Tätigkeit anzugeben und die Einkommensteuerbescheide für 2008 – 2011 vorzulegen. Randnummer 6 Der Kläger legte daraufhin die Einkommensteuerbescheide für die Kalenderjahre 2008 bis 2010 sowie den vorläufigen Einkommensteuerbescheid für 2011 vor. Auf die Anhörung der Beklagten, wonach sie beabsichtige, die Versicherungspflicht des Klägers in der Kranken- und Pflegeversicherung nach dem Gesetz über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten (KSVG) zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu beenden, da der Kläger ausweislich der Einkommensteuerbescheide einer anderen selbständigen, nichtkünstlerischen Tätigkeit mehr als geringfügig nachgehe (29. April 2014), übersandte er zunächst den Jahresabschluss der für 2012. Dazu trug er vor, aus diesem ergebe sich, dass im Jahr 2012 seine Einnahmen aus Gewerbebetrieb ganz erheblich unter der Grenze von 450 Euro pro Monat gelegen hätten. Außerdem sei für die vom Finanzamt als gewerblich eingestuften Einkünfte zu prüfen, ob sie auch tatsächlich gewerblich seien. Sie enthielten in erheblichem Umfang Lizenzeinnahmen, damit künstlerische Einnahmen. Er erziele Einkünfte aus den beiden Musikgruppen „“ und T GbR sowie aus dem Musikverlag „M und F GbR“ und aus der . Aus den Einnahmen der R fließe ihm ein Drittel des Gewinns zu. Allein dieser Gewinnanteil führe zu den in den Einkommensteuerbescheiden enthaltenen Einkünften aus Gewerbebetrieb. Dabei habe der Bilanzgewinn dieser GbR im Jahr 2012 nur 13.109,20 Euro betragen und der Gewinnanteil des Klägers demgemäß unter 5.400 Euro gelegen. Jedoch seien seitens der Steuerverwaltung dem Gewinnanteil des Klägers aus der auch die nicht abzugsfähigen Gewerbesteuerzahlungen und der nicht abziehbare Anteil der Steuerberatungskosten wieder hinzugerechnet worden. Dies hätte zwar steuerrechtlich zu einem höheren Gewinn geführt. Der Gewinn sei für die Künstlersozialversicherung jedoch nicht zu berücksichtigen, da dem Kläger die Einnahmen tatsächlich nicht zur Verfügung gestanden hätten. Selbst wenn aber (statt des Bilanzgewinns) der steuerliche Gewinn der R mit einem Gesamterlös in Höhe von 28.631,81 Euro im Jahr 2012 berücksichtigt werden müsse, sei zu beachten, dass darin Lizenzeinnahmen, damit nicht originär gewerbliche, sondern künstlerische Einnahmen in Höhe von 14.795 Euro enthalten seien (ausweislich der Kontenliste). Daraus folge, dass allein die („echten“) gewerblichen Einnahmen die maßgebende Grenze nicht überschritten. Die Einnahmen der GbR aus Lizenzen verhielten sich zu den übrigen Einnahmen aus Verkäufen im Verhältnis 60:40. Diese Einordnung als gewerbliche Einkünfte durch das Finanzamt beruhe darauf, dass die Lizenzeinnahmen zusammen mit den tatsächlichen gewerblichen Einnahmen in einem Unternehmen zusammengefasst würden. Randnummer 7 Die Beklagte forderte den Kläger daraufhin auf, endgültige Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2011 und 2012 sowie den Gesellschaftsvertrag für die R vorzulegen und seine Tätigkeiten in der Gesellschaft darzulegen (Aufforderung vom 10. Juni 2014). Der Kläger übersandte darauf den Bescheid des Finanzamtes Friedrichshain-Kreuzberg über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2012 für die R vom 10. Februar 2014 und die der Entwicklungsübersicht für die GbR für das Jahr 2014 mit Umsätzen bis Juli 2014. Randnummer 8 Die Einnahmesituation war vor dem Erlass eines Bescheides aus den Unterlagen wie folgt dokumentiert: Randnummer 9 Jahr Bescheid/Unterlagen Einkünfte selbständige Tätigkeit Einkünfte Gewerbebetrieb Bl. 2008 29.10.2010 (EKStB) 75.563 Euro 14.194 Euro 86 VA 2009 8.7.2011 (EKStB) 35.491 Euro 12.477 Euro 88 VA 2010 10.8.2012 (EKStB) 128.943 Euro 9.816 Euro 90 VA 2011 22.4.2013 (EKStB vorläufig, geschätzt) 30.241 Euro 18.682 Euro 91 VA 2012 10.2.2014 (Feststellungsbescheid Anteile aus R GbR) Unbekannt Unbekannt 6.479,52Euro aus 136 VA Randnummer 10 Gewinnermittlung/Jahresabschluss Randnummer 11 Jahr Betriebseinnahmen Erlöse Lizenzen Erlöse T-Shirt Verkauf 2012 28.631,81 14.795 13.838,81 Euro 119/120 VA 2014 (bis Juli) 25.456,95 15.352,40 10.104,55 Euro 139 VA Randnummer 12 Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 8. August 2014 stellte die Beklagte fest, dass die Versicherungspflicht des Klägers nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) in der Kranken- und Pflegeversicherung am 31. August 2014 ende. Der Bescheid über die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung sei gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) aufzuheben. Sämtliche bis zum Jahr 2012 eingereichten Unterlagen würden die Prognose tragen, dass Einkommen aus nichtkünstlerischer Tätigkeit über der Geringfügigkeitsgrenze von 450,00 Euro monatlich erzielt werde. Ein Rückgang dieser Einkünfte sei vom Kläger nicht nachgewiesen. Die Einkommensprognose der Beklagten orientiere sich an sämtlichen vorgelegten Unterlagen. Es sei danach plausibel, dass auch 2014 sich die nichtkünstlerischen Einkommen oberhalb der Geringfügigkeitsgrenze bewegten. Der Kläger bleibe dagegen rentenversichert, weil die o.g. Einkünfte die Hälfte der für 2014 geltenden Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung (35.700,00 Euro) nicht erreichten. Randnummer 13 Auf den Widerspruch des Klägers, mit dem er u.a. auf eine beabsichtigte Auslagerung der weiteren Einkünfte (aus Merchandising) aus der R auf eine zu gründende R verwies, gewährte die Beklagte mehrfach Fristverlängerung zur Einreichung von Unterlagen. Der Kläger teilte zunächst mit, Dokumente zur Gründung der UG und zur rückwirkenden Verlagerung der Geschäfte der GbR auf die UG einzureichen, so dass in den Einkünften der R keine gewerblichen Einkünfte mehr enthalten seien. Am 8. März 2015 übersandte er den Handelsregisterauszug über die Eintragung der UG und teilte mit, die Jahresabschlüsse für 2014 zu erstellen, aus denen sich dann ergeben werde, dass die gewerblichen Einnahmen ausschließlich von der UG erzielt würden, der GbR dagegen nur noch Lizenzeinnahmen zuflössen. Aus dem Handelsregisterauszug ergab sich zum einen, dass Gegenstand des Unternehmens der „Verkauf von Merchandisingprodukten“) sei und zum anderen, dass der Kläger zum Geschäftsführer der UG bestellt war. Weitere Unterlagen reichte der Kläger entgegen seiner Ankündigung bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides nicht ein. Randnummer 14 Die Beklagte wies sodann mit Widerspruchsbescheid vom 22. September 2015 den Widerspruch zurück. Randnummer 15 Der Kläger hat am 22. Oktober 2015 Klage zum Sozialgericht Berlin erhoben und die Einkommensteuerbescheide für 2014 und 2015 sowie Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die vier verschiedenen GbRs vorgelegt, deren Mitglied er ist. Er habe 2014 überhaupt keine einer Versicherungspflicht entgegenstehenden gewerblichen Einkünfte mehr gehabt. Er habe nach dem Einkommensteuerbescheid für dieses Jahr Einkünfte aus selbständiger Arbeit sowie aus Beteiligungen im Umfang von 47.364 Euro erzielt. Diese speisten sich aus seiner Beteiligung an der G(41.051,00 Euro) sowie aus der R(6.425,66 Euro) und der Musikgruppe „D B“ (-112,40 Euro). Diese Einkünfte seien allesamt freiberuflich. Ab Gründung der RUG müsse er deren Einkünfte nicht mehr offenlegen, denn Einkünfte dritter Personen (so der UG) und Kapitaleinkünfte seien für die KSV und § 5 KSVG ohne Belang. Wenn er Einkünfte als Gesellschafter der Geschäftsführer der UG erzielen würde, seien das entweder Kapitalerträge (Ausschüttung nach § 20 Abs. 1 Einkommensteuergesetz - EStG) oder Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger beziehe kein Geschäftsführergehalt und habe 2014 und 2015 keine Ausschüttungen aus der UG erhalten. Die steuerrechtliche Behandlung der Gewinne der juristischen Person sei für die KSV irrelevant. Randnummer 16 Mit Urteil vom 17. Oktober 2017 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung der KSV sei versicherungsfrei, wer neben seiner selbständigen künstlerischen bzw. publizistischen Tätigkeit eine andere nichtkünstlerische oder nicht publizistische Tätigkeit erwerbsmäßig ausübe, es sei denn, diese sei geringfügig i.S. des § 8 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung sei der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung. Zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung habe sich die Einkommenssituation des Klägers wie folgt dargestellt: Es habe der Bescheid vom 10. Februar 2014 für die R GbR vorgelegen. Aus diesem hätten sich für den Kläger als Gesellschaftereinkünfte i.H.v. 6.479,52 € ergeben. Diese Einnahmen stammten nach Auskunft des Klägers aus Lizenzverträgen und dem Verkauf von Tonträgern und Kleidungsstücken. Die in dem Steuerbescheid zutreffend als Einnahmen aus Gewerbebetrieb festgesetzte Summe überschreite die Geringfügigkeitsgrenze. Die Einnahmen stellten kein Arbeitseinkommen aus selbständiger künstlerischer und publizistischer Tätigkeiten dar, da es sich beim Verkauf von Merchandisingprodukten nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts um keine künstlerische Tätigkeit handele (Verweis auf Urteile des BSG vom 26. Januar 2006 – B 3 KR 3/05 R – und vom 2. April 2014 – B 3 KS 3/12 R). Da es sich bei dem Verkauf der Merchandisingprodukte sowie der Beteiligung an der Vermarktung nicht eigener Tonträger um eine von der künstlerischen Tätigkeit abtrennbare Tätigkeit handele, sei dieser Verkauf als Nebentätigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 5 und Abs. 2 Nr. 1 KSVG anzusehen. Diese Wertung stehe auch im Einklang mit dem Normzweck des § 3 Abs. 1 Satz 1 KSVG, wonach diejenigen von der Versicherungspflicht ausgeschlossen werden sollten, für die die künstlerische bzw. publizistische Tätigkeit nicht die wirtschaftliche Existenz darstelle. Randnummer 17 Selbst wenn die im Gerichtsverfahren vom Kläger eingereichten Unterlagen berücksichtigt würden, zeige sich, dass die künstlerische Tätigkeit jedenfalls nicht mehr seine wirtschaftliche Existenz präge. Allein die Kreativität des Klägers, seine Einnahmen unter dem „Deckmantel“ einer UG zu tarnen, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er sei, führe zu keiner anderen Betrachtung. Nach Überzeugung der Kammer seien die Einkünfte der Kapitalerträge aus der UG entgegen der steuerrechtlichen Bewertung aufgrund der Schutzrichtung des KSVG ganz klar dem Kläger als Person zuzuordnen und keine Einkünfte eines Dritten. Als alleiniger Gesellschafter der UG habe der Kläger jederzeit über die Gewinnausschüttungen entscheiden können. Es bleibe ihm unbenommen, bei Änderung der Einkünfte bei der Beklagten einen neuen Antrag zu stellen. Randnummer 18 Gegen das ihm am 20. November 2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20. Dezember 2017 Berufung eingelegt. Randnummer 19 Er habe bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragen, dass der auf ihn entfallende Anteil der Einkünfte der R im Jahr 2012 unterhalb der maßgeblichen Grenze von 5.400 Euro läge. Die Einkommensgrenze sei nur deshalb überschritten, weil das Finanzamt die gezahlte Gewerbesteuer nicht zum Betriebsausgabenabzug zugelassen habe. Die Beklagte hätte bei Abschluss des Verwaltungsverfahrens bereits Kenntnis haben können, dass von den Einkünften der GbR in 2012 rund 70 % originär künstlerische Einkünfte gewesen seien und diese lediglich aus steuerlichen Gründen vom Finanzamt in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert worden seien. Konkret sei zu beachten, dass gemäß § 15 Abs. 3 EStG die Tätigkeit einer Personengesellschaft schon dann als in vollem Umfang gewerblich i.S. des Steuerrechts gelte, wenn diese auch eine originär gewerbliche Tätigkeit ausübe. Daraus ergebe sich, dass die Tätigkeit einer Musikgruppe steuerrechtlich schon deshalb als gewerblich gelten könne, weil sie das übliche Merchandising betreibe und auch Einnahmen aus dem Verkauf z.B. von T-Shirts generiere. Das gelte jedenfalls dann, wenn es sich nicht um nur ganz geringfügige gewerbliche Einnahmen handele (sog. Infektions-/Abfärbetheorie). Randnummer 20 Ungeachtet dessen habe die Beklagte auch die gebotene Prognose unrichtig vorgenommen. Zwar spielten die Umstände der Vergangenheit für die Prognose im Rahmen des § 5 KSVG eine Rolle. Es seien grundsätzlich alle Verhältnisse heranzuziehen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten und Einfluss auf das voraussichtliche Arbeitseinkommen hätten. Eine abweichende Einschätzung sei demgemäß geboten, wenn Verhältnisse dargelegt würden, die das Erzielen abweichender Einnahmen nahe legten. Entsprechend der Rechtsprechung des BSG stelle die Übertragung der beruflichen Tätigkeit in eine Kapitalgesellschaft und die Änderung der Einkunftsart eine zulässige steuerliche Gestaltungsmöglichkeit dar, die im Rahmen des KSVG beachtlich sei. Davon sei bei ihm, dem Kläger, auszugehen. Er habe bereits im Verwaltungsverfahren darauf hingewiesen, dass er in Anbetracht der möglichen Auswirkungen der steuerlichen Festsetzung auf die Versicherungspflicht in der KSV eine qualitative Änderung der Einkünfte im Rahmen der steuerrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten mit der Verlagerung von nichtkünstlerischen originär gewerblichen Einnahmen beabsichtige. Randnummer 21 Infolge der Gründung der RUG bereits am 23. Dezember 2014, also noch vor Erlass des Widerspruchsbescheides, habe die R GbR 2014 nur noch Einkünfte aus Lizenzverwertung erzielt. Die UG habe 2014 Einkünfte aus dem Verkauf von T-Shirts sowie Tonträgern und Merchandise-Einnahmen anlässlich von Auftritten erzielt. Die Einnahmen der UG könnten ihm nicht zugerechnet werden. Einnahmen in Gestalt von Kapitaleinkünften ergäben sich für ihn nur, wenn Gewinnausschüttungen erfolgten. Er sei entgegen der Annahme des Sozialgerichts nicht Alleingesellschafter der UG, er könne demgemäß auch nicht allein über Gewinnausschüttungen entscheiden. Im Unterschied zur Gewinnausschüttung für Gesellschafter einer Personengesellschaft stellten die Kapitaleinkünfte der Gesellschafter der UG auch keine Einkünfte von Mitunternehmern dar. Die Prognoseentscheidung der Beklagten lasse nicht erkennen, inwieweit sie die Auslagerung der ehemals gewerblichen Einkünfte in eine UG als relevant erkannt habe. Randnummer 22 Die künstlerische Tätigkeit stelle ausweislich der Einkommensteuerbescheide für 2014 und 2015 seine wirtschaftliche Existenz dar. Das Sozialgericht habe zu Unrecht keine Ermittlungen auch hinsichtlich der Einkünfte der UG vorgenommen. Randnummer 23 Der Kläger beantragt schriftsätzlich, Randnummer 24 das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Oktober 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2015 über das Ende der Versicherungspflicht bzw. Zuschussberechtigung nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz aufzuheben. Randnummer 25 Die Beklagte beantragt schriftsätzlich. Randnummer 26 die Berufung zurückzuweisen. Randnummer 27 Maßgebender Zeitpunkt für die Prognose sei zwar der Widerspruchsbescheid. Erst im Widerspruchsverfahren vorgelegte Unterlagen seien aber nicht in der Lage, die versicherungsrechtliche Stellung in die Vergangenheit hinein zu verändern. Müsse eine vorausschauende Betrachtungsweise nachträglich vorgenommen werden, müsse sie unter Zugrundelegung des ursprünglichen Kenntnisstandes erfolgen, denn die Frage der Versicherungspflicht sei zu Beginn einer Tätigkeit zu klären. Das Urteil des BSG vom 2. April 2014 (B 3 KR 4/13 R) sei so zu verstehen, dass zwar neue Unterlagen und Erkenntnisse bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides zu berücksichtigen seien. Dies könne aber nur für eine etwaige zukunftsbezogene Prognose erfolgen. Umfasse dagegen die Widerspruchsentscheidung einen in der Vergangenheit liegenden Zeitraum, könnten nach Ablauf des Zeitraums vorgelegte Unterlagen nicht mehr zur Korrektur der ursprünglichen Entscheidung herangezogen werden. Die Beantwortung einer statusrechtlichen Frage könne nicht davon abhängen, wie lange im Einzelfall ein Widerspruchsverfahren dauere (Hinweis auf Urteil des Bayerischen LSG vom 27. Februar 2020 – L 20 KR 538/18). Zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Widerspruchsentscheidung habe lediglich der Bescheid des Finanzamtes Friedrichshain-Kreuzberg vom 10. Februar 2014 für die R GbR vorgelegen. Der Kläger habe trotz Aufforderung durch die Beklagte nicht nachgewiesen, dass es sich bei den Merchandising-Einnahmen durch die nachträgliche Umwandlung der GbR in eine UG, deren alleiniger Geschäftsführer er sei, nur noch um Kapitaleinkünfte handele. Nach der Rechtsprechung des BSG zählten zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch die Gewinnanteile der Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft und einer anderen Gesellschaft, wenn ein Gesellschafter als Mitunternehmer des Betriebs anzusehen sei (Hinweis auf Urteil vom 7. Mai 2020 – B 3 KS 3/18 R Rn. 28). Gemessen daran dürften auch die Ausschüttungen aus der UG im Fall des Klägers Einkünfte sein, deren Höhe er auch im Berufungsverfahren nicht dargelegt habe. Das sei aber mit Blick auf den o.g. maßgebenden Entscheidungszeitpunkt letztlich nicht entscheidend. Randnummer 28 Am 19. Juni 2020 hat ein Erörterungstermin stattgefunden. Der Kläger hat die Bilanz sowie die Gewinn- und Verlustrechnungen für die RGbR und für die RUG für das Jahr 2014 und den Gesellschaftsvertrag für die RUG, die Lizenzabrechnungen für 2014 und zuletzt Korrespondenz mit dem Finanzamt Zehlendorf vom 30. Dezember 2015 eingereicht. Randnummer 29 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die ausgetauschten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung des Senates gewesen ist.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. Oktober 2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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AG Köpenick
Berlin
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10.12.2010
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Randnummer 1 Die Klägerin begehrt eine Vergütung aus einem Werbevertrag. Randnummer 2 Die Klägerin schloss mit dem Beklagten am 03.08.2009 einen Werbevertrag über eine Werbeanzeige auf einem Kleintransporter der „Bürgerhilfe“. Demgemäß sollte die Klägerin für den Beklagten eine Werbeanzeige (57cm x 26 cm) mit dem Inhalt „Haus & Hof Service J. H. ..., Berlin“ drucken und am Heck des Fahrzeugs anbringen. Grundlage der Platzierung war ein sog. Stempelplakat der Klägerin, auf dem die Fahrzeugseiten und die zu belegenden Werbefelder mit Größenangaben abgebildet sind. Die Anzeige des Klägers sollte das Feld Nr. H 6 belegen. Die Vergütung betrug 2.320,50 € inklusive Mehrwertsteuer. Der Werbevertrag hatte eine Laufzeit von fünf Jahren. Die Klägerin lässt die Werbefolien bei der Firma N. D. in N. drucken. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlagen K1 (Werbevertrag) und K4 (Foto eines Kleintransporters) zum klägerischen Schriftsatz vom 03.09.2010 sowie auf die Anlage (Stempelplakat) zum Schriftsatz der Klägerin vom 08.11.2010 Bezug genommen. Der Beklagte bezog zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Arbeitslosengeld II. Er ist zu 80 % schwerbehindert und bei mehreren Gläubigern verschuldet. Mit Schreiben vom 22.11.2009 erklärte der Beklagte gegenüber der Klägerin die Kündigung des Werbevertrages. Daraufhin stellte die Klägerin dem Beklagten die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen und ohne Mehrwertsteuer mit Schreiben vom 15.12.2009 in Rechnung und mahnte mehrmals. Eine Widerrufsbelehrung durch die Klägerin ist unterblieben. Randnummer 3 Der Werbevertrag kam dadurch zustande, dass der Beklagte in einem Supermarkt einen Aushang machte, dass er als Privatperson Leistungen im Haushalt gegen Entgelt anbietet. Auf diese Anzeige hin rief ein Mitarbeiter der Klägerin bei dem Beklagten an und verabredete sich mit ihm in einer Gaststätte in Berlin-Karlshorst, wo dem Beklagten die Möglichkeit der Werbung auf Fahrzeugen dargelegt und schließlich der Vertrag geschlossen wurde. Die Klägerin behauptet, sie sei in der Werbebranche tätig und stelle aufgrund vertraglicher Vereinbarungen Sportvereinen, Städten und Gemeinden sowie gemeinnützigen Einrichtungen Transportfahrzeuge zur Verfügung, die sie mit Werbeanzeigen versehe. Auf diese Weise finanziere die Klägerin den Werbeträger, die Werbefolien und ihren Geschäftsbetrieb. Sie behauptet ferner, die Grundlage für die Werbeakquise des Beklagten sei ein Pachtvertrag zwischen der Klägerin und der „Bürgerhilfe“ vom 11.02.2009. Aufgrund dieses Pachtvertrags sei die Klägerin verpflichtet, der „Bürgerhilfe“ alle fünf Jahre ein neues Werbefahrzeug in Gestalt eines Ford Tourneo Connect zu übergeben. Im Gegenzug werde ihr das Recht eingeräumt, auf den Flächen des Fahrzeugs Werbeanzeigen ortsansässiger Gewerbetreibender anzubringen. Die Klägerin behauptet weiter, dass der Beklagte den Werbevertrag für seinen „Haus & Hof Service“ abgeschlossen habe. Die Werbeanzeige des Beklagten sollte auf dem genannten Ford Tourneo Connect der „Bürgerhilfe“ exakt auf der vereinbarten Fläche angebracht werden. Das Fahrzeug sei am 20.01.2010 an die „Bürgerhilfe“ ausgeliefert worden und werde dort ständig eingesetzt. Die Klägerin macht geltend, dass die von dem Beklagten ursprünglich belegte Werbefläche am Heck des Fahrzeugs nicht mehr neu habe belegt werden können und daher frei geblieben sei. Durch die Kündigung des Beklagten habe die Klägerin die Kosten für den Druck der Werbefolie i.H.v. 47,00 €, die Verklebekosten i.H.v. 16,00 € sowie eine halbe Materialkostenpauschale i.H.v. 124,00 € erspart. Des Weiteren seien ihr Mahnkosten i.H.v. 6,14 € entstanden. Randnummer 4 Die Klägerin beantragt, Randnummer 5 den Beklagten zu verurteilen, an sie 1763,00 € nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.12.2009 sowie 6,14 € vorgerichtliche Kosten sowie 172,90 € vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr und 20,00 € Post- und Telekommunikationspauschale zu zahlen. Randnummer 6 Der Beklagte beantragt, Randnummer 7 die Klage abzuweisen. Randnummer 8 Der Beklagte behauptet, während der Vertragsverhandlungen in der Gaststätte habe er dem Mitarbeiter der Klägerin mitgeteilt, dass er nicht selbstständig sei, sondern lediglich Arbeitslosengeld II beziehe. Daraufhin habe dieser ihm mitgeteilt, dass er sich ja selbstständig machen könne. Darüber hinaus habe sich der Mitarbeiter die Firma „Haus & Hofservice“ für den Beklagten selbst ausgedacht und ihm eine Ratenzahlung in Form von zehn Monatsraten angeboten. Der Beklagte behauptet ferner, er habe den Mitarbeiter der Klägerin über seine Schulden, seine Schwerbehinderung und sein fehlendes Wissen im Zusammenhang mit einer Existenzgründung informiert und ihm des Weiteren mitgeteilt, dass er sich über eine Selbstständigkeit noch keine Gedanken gemacht habe. Aus diesem Grund habe der Beklagte um eine Überlegungsfrist gebeten, die der Mitarbeiter der Klägerin auch zugesichert habe. Der Beklagte macht geltend, dass der Mitarbeiter der Klägerin ihn aufgefordert habe, den Vertrag zu unterzeichnen, um sich dieses Angebot zu sichern. Der Mitarbeiter habe jedoch ausdrücklich erklärt, dass ein Anruf des Beklagten bei der Klägerin innerhalb der nächsten zwei Wochen genüge, um den Vertrag rückgängig zu machen. Der Beklagte bringt vor, dass er nach einer Woche bei der Klägerin angerufen und ihr mitgeteilt habe, der Vertrag sei hinfällig, da er sich nicht selbstständig machen werde. Der Beklagte hat in seinem Schriftsatz vom 15.11.2010 als Beweis für den Inhalt des Gesprächs mit dem Mitarbeiter der Klägerin die eigene Parteivernehmung angeboten. Die Klägerin hat dem widersprochen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtstreits zu tragen. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern 10. Senat
Mecklenburg-Vorpommern
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26.04.2022
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Randnummer 1 Der Kläger begehrt erneut die Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens – L 10 AS 4/16. Randnummer 2 In dem Klageverfahren – S 10 AS 474/09 – machte der Kläger die Gewährung höherer SGB II-Leistungen ohne Berücksichtigung von D. und E. K. als Mitglieder in seiner Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum von März 2009 bis Dezember 2011 geltend. Das Sozialgericht Schwerin wies die Klage mit Urteil vom 20. November 2015 ab. Die Berufung des Klägers – L 10 AS 4/16 – wurde mit Urteil des Senats vom 22. August 2017 zurückgewiesen. Die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde – B 14 AS 361/17 B – verwarf das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 9. Januar 2018 als unzulässig. Gleiches gilt für die hiergegen erhobenen Anhörungsrügen (Beschlüsse vom 22. Februar 2018 und 27. März 2018). Randnummer 3 Die von dem Kläger am 2. September 2019 erhobene Klage auf Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens – L 10 AS 4/16 – wurde von dem 8. Senat mit Urteil vom 10. Juni 2020 – L 8 AS 163/20 KL – als unzulässig verworfen. Die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde verwarf das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 29. September 2020 – B 14 AS 271/20 B – ebenfalls als unzulässig. Gleiches gilt für die hiergegen erhobene Anhörungsrüge (Beschluss vom 28. Oktober 2020). Randnummer 4 Am 21. Januar 2021 hat der Kläger erneut bei dem Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern die Weiterführung bzw. Wiederaufnahme des Berufungsverfahrens – L 10 AS 4/16 – beantragt und auf sein Vorbringen in den Verfahren – L 10 AS 4/16 und L 8 AS 163/20 KL – Bezug genommen. Zur Begründung trägt der Kläger zusammengefasst vor, das Verfahren – L 10 AS 4/16 – sei noch offen, weil ihm das Urteil vom 22. August 2017 den Formvorschriften entsprechend noch zu überreichen sei und er fristgerecht Rechtsmittel eingelegt habe. Das Verfahren sei daher weiterzuführen. Hierbei müsse die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Sanktionen, Regelsätzen und der Sicherstellung des Existenzminimums – 1 BvL 7/16,1 BvL 10/12 und 1 BvR 1910/10 – beachtet werden. Das Recht sei zu seinen Lasten falsch bzw. willkürlich nicht angewandt bzw. gebrochen worden. Dem zur mündlichen Verhandlung (offenkundig: vom 22. August 2017) gestellten Befangenheitsantrag hätte stattgegeben werden müssen. Weiter nimmt der Kläger Bezug auf ein in Kopie abgereichtes Schreiben an das Landessozialgericht vom 28. August 2017, in dem u.a. zum Berufungsverfahren – L 10 AS 4/16 – ausgeführt wird, dass seit Jahren offensichtlich massiv das Recht gebrochen werde. Die Sozialgerichtsbarkeit verliere an Glaubwürdigkeit bei solchen augenscheinlichen, einfachen Fällen. Rechtsverstöße nicht zu beachten, sei offensichtliche Rechtsbeugung. Man könne dem Kläger zwar unter dem Deckmantel des Art. 97 GG verschiedene juristische Gepflogenheiten unterjubeln, um ihn auszubremsen, aber gegen Rechtsbeugung oder weitere strafrechtlich zu verfolgende Maßnahmen helfe auch das nicht. Strafvereitelung im Amt werde sich wohl niemand anlasten. Ergänzend trägt der Kläger weiter vor, aus seinen Verfahren ergebe sich eindeutig der Anspruch auf Wiederaufnahme gemäß § 580 ZPO. Das Sozialgericht und das Landessozialgericht hätten jeweils fehlerhaft ermittelt und entschieden. Sie hätten insbesondere die Zeugenaussage der Frau K. missachtet und zugelassen, dass der Beklagte vorsätzlich die Verwaltungsakte gefälscht und weitere rechtswidrige Handlungen begangen habe. Die Zeugenaussage der Frau D. K. auf Seite 4 des Protokolls der erstinstanzlichen Verhandlung – S 10 AS 474/09 – und deren schriftliche Erklärung vom 11. Dezember 2015 seien bisher immer unterdrückt worden. Um § 580 Nr. 7 b) ZPO gerecht zu werden, werde auf die beigefügte Kopie der Urkunde vom 11. Dezember 2015 Bezug genommen. In Bezug auf die gesamte Prozessführung seien auch strafrechtlich zu verfolgende Aspekte zu betrachten und ggf. Schritte einzuleiten. So sei ihm kaum Gehör gegeben, sein Vorbringen nicht beachtet und Urkunden und Zeugenaussagen unterdrückt worden. Eine eigenständige Ermittlung durch das Berufungsgericht sei nicht erfolgt. Das Gericht folge Erfindungen der Behörden und verdränge Tatsachen. Das Landessozialgericht habe weitestgehend mit der Behörde zusammengearbeitet. Im Ergebnis sei festzustellen, dass die Sozialgerichtsbarkeit alles dafür tue, damit Sozialleistungen nicht oder nicht vollständig ausbezahlt werden müssten. Dieses menschenverachtende Vorgehen werde ausdrücklich gerügt. Randnummer 5 Der Kläger beantragt, Randnummer 6 das Berufungsverfahren – L 10 AS 4/16 – weiterzuführen bzw. wieder aufzunehmen. Randnummer 7 Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt. Randnummer 8 Der Kläger ist von dem Vorsitzenden mit Schreiben vom 22. Februar 2021 darauf hingewiesen worden, dass seine Wiederaufnahmeklage unzulässig sei, da ein Wiederaufnahmegrund nicht vorgetragen werde. Nach rechtskräftigem Abschluss seines Verfahrens stelle sich eine erneute Befassung des Gerichts mit dem identischen Vorgang als grob missbräuchlich dar, sodass im Falle einer Entscheidung mit der Auferlegung von Kosten in Höhe von 225 € nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG zu rechnen sei. In der mündlichen Verhandlung vom 26. April 2022 hat der Vorsitzende den Hinweis gegenüber dem Kläger wiederholt.
Die Wiederaufnahmeklage wird als unzulässig verworfen. Der Kläger hat 225,00 € an die Staatskasse zu zahlen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
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